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Ausführliche Sitzungsberichte
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Mittwoch, 6. Juni 2007 - Brüssel Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode (Aussprache)
 2. Erklärungen des Präsidenten (Zusammensetzung des Parlaments; ETA)
 3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 4. Tagesordnung: siehe Protokoll.
 5. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 6. Mündliche Anfragen und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll
 7. Schriftliche Erklärungen (Artikel 116 GO): siehe Protokoll
 8. Antrag auf Schutz der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll
 9. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
 10. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
 11. Beschlüsse betreffend bestimmte Dokumente: siehe Protokoll
 12. Roadmap für den EU-Verfassungsprozess (Aussprache)
 13. Naher Osten (Aussprache)
 14. UN-Menschenrechtsrat (Aussprache)
 15. Grenzschutz an den Seegrenzen Europas – Europäische Solidarität und Schutz der Rechte der Migranten (Aussprache)
 16. Vertrag von Prüm: Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität – Visa-Informationssystem (VIS) – Zugang zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen – Schutz personenbezogener Daten (Aussprache)
 17. Begrüßung
 18. Vertrag von Prüm: Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität – Visa-Informationssystem (VIS) – Zugang zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen – Schutz personenbezogener Daten (Fortsetzung der Aussprache)
 19. Ausführungen von einer Minute (Artikel 144 GO)
 20. Sozialer Status der Künstler (Aussprache)
 21. Mehrjahresplan für die Dorschbestände der Ostsee und für die entsprechenden Fischereien (Aussprache)
 22. EP-Haushaltsvoranschlag für 2008 (Aussprache)
 23. Besondere Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor (Aussprache)
 24. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
 25. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 26. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

(Die Sitzung wird um 15.00 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode (Aussprache)
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  Der Präsident. Ich erkläre die am Donnerstag, dem 24. Mai 2007 unterbrochene Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für wieder aufgenommen.

 

2. Erklärungen des Präsidenten (Zusammensetzung des Parlaments; ETA)
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  Der Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Freude, heute achtzehn Kolleginnen und Kollegen aus Bulgarien als erste direkt gewählte Mitglieder des Europäischen Parlaments im Europäischen Parlament und damit in unserer Mitte begrüßen zu dürfen.

(Beifall)

Am 20. Mai 2007 sind die Bürgerinnen und Bürger Bulgariens zur Wahl gegangen und haben in einem demokratischen Prozess ihre Vertreter im Europäischen Parlament gewählt. Dies war ein wichtiger Tag für Bulgarien, das am 1. Januar dieses Jahres Mitglied der Europäischen Union wurde. Nach der Überwindung des Kommunismus ist damit Bulgariens Integration in die europäische Familie vollzogen.

Mehr als sechzig Jahre hat es gedauert, um Bulgarien an das freie Europa wieder heranzuführen und unseren Kontinent wieder zu vereinen. Bulgarien ist uraltes Kulturland, gelegen an einem Kreuzungspunkt zwischen Ost und West. Man sagt, hier sei im Jahr 681 einer der ältesten Staaten Europas gegründet worden. Bulgarien ist das Land von Orpheus und Eurydike, die Heimat der Thraker und des Dionysos. Bulgarien bringt ein reiches kulturelles und geistiges Erbe mit und wird zur gegenseitigen Bereicherung der Europäischen Union und Bulgariens beitragen.

Bulgarien und vor allem den Menschen dort ist für die Anstrengungen und die Reformbereitschaft der letzten Jahre ganz besonders zu danken. Große Fortschritte wurden erzielt, viele Reformen wurden in relativ kurzer Zeit umgesetzt. Jetzt liegt es auch an unseren neuen Kolleginnen und Kollegen, dass die noch notwendigen weiteren Reformen mit derselben Entschlossenheit durchgeführt werden.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich rasch und erfolgreich in die Arbeit des Europäischen Parlaments einfinden, um so in der Lage zu sein, mit Ihrer Arbeit und Ihrem Einsatz einen konstruktiven Beitrag zum Nutzen Ihrer Wähler und Europas zu leisten. Sie werden die Stimme der bulgarischen Bürgerinnen und Bürger im Europäischen Parlament sein und deren Interessen vertreten. Lassen Sie uns gemeinsam an der weiteren Entwicklung unseres gemeinsamen Europa arbeiten!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden und dem gesamten Europäischen Parlament – ich sage das auch, weil ich Bárbara Dührkop Dührkop hier unter uns sehe – möchte ich für das Europäische Parlament folgende Erklärung abgeben:

Die Terrororganisation ETA hat die am 22. März 2006 verkündete so genannte Waffenruhe für beendet erklärt. In diesen schwierigen Zeiten möchte ich dem gesamten spanischen Volk und seinen demokratischen Institutionen meine Solidarität ausdrücken. Das Europäische Parlament verurteilt entschieden die Anwendung von Gewalt als Mittel zum Erreichen irgendeines Ziels. Heute mehr denn je appellieren wir aus dem Europäischen Parlament an alle Mitgliedstaaten, die spanischen Behörden in ihrem Kampf gegen den Terror entschlossen zu unterstützen, einem Kampf, der nur auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit mit der gesamten Kraft des Gesetzes und starken demokratischen Institutionen geführt werden kann.

Wir gedenken in dieser Stunde der Opfer des Terrorismus. Wir sind ihnen in Mitgefühl und Solidarität verbunden.

(Beifall)

 

3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

4. Tagesordnung: siehe Protokoll.
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  Sophia in 't Veld (ALDE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte an Sie als den Präsidenten dieses Hohen Hauses eine ganz kurze Bitte richten. Könnten Sie den Bürgermeister von Moskau, Herrn Luschkow, um eine Erklärung dazu ersuchen, wie zwei Abgeordnete des Europäischen Parlaments – Herr Cappato und ich selbst –, ein Mitglied des Deutschen Bundestages, Herr Volker Beck, sowie eine Abgeordnete des italienischen Parlaments, Frau Vladimir Luxuria, am 27. Mai behandelt wurden.

Anlässlich einer friedlichen Aktion für die Gleichberechtigung von Homosexuellen wollten wir dem Bürgermeister von Moskau ein Schreiben überreichen, das von knapp 50 Abgeordneten dieses Hohen Hauses unterzeichnet war. Herr Cappato, Herr Beck sowie ein Mitarbeiter der ALDE-Fraktion wurden von Rowdys brutal angegriffen und dann von der russischen Polizei verhaftet. Zwei der russischen Aktivisten, die inhaftiert wurden, befinden sich heute unter uns – Herr Nikolai Alexejew und Herr Nikolai Chramow. Der Polizei war es auch nicht gelungen, Frau Luxuria und mich vor der aufgebrachten Menge zu schützen, und die Polizei sah tatenlos zu, wie andere Aktivisten von Rowdys, Skinheads und sogar von Priestern zusammengeschlagen wurden.

Als Parlamentsmitglieder, die nichts Gesetzwidriges getan haben, hätten wir erwartet, dass uns die russischen Behörden vor gewalttätigen Kriminellen schützen, uns aber keinesfalls aus fadenscheinigen Gründen ins Gefängnis stecken. Versammlungsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, das auch von Russland als Mitglied des Europarats und Teilnehmer des heutigen G8-Gipfels zu wahren ist.

Herr Präsident! Ich vertraue darauf, dass Sie Herrn Luschkow und Herrn Putin um eine Erklärung zu der Art und Weise ersuchen werden, wie Abgeordnete dieses Hohen Hauses behandelt wurden.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Frau Kollegin in 't Veld. wir werden die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen und das Notwendige einleiten. Ich erkläre Ihnen unsere Solidarität.

 

5. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

6. Mündliche Anfragen und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll

7. Schriftliche Erklärungen (Artikel 116 GO): siehe Protokoll

8. Antrag auf Schutz der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll

9. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll

10. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll

11. Beschlüsse betreffend bestimmte Dokumente: siehe Protokoll

12. Roadmap für den EU-Verfassungsprozess (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Enrique Barón Crespo und Elmar Brok im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Roadmap für den EU-Verfassungsprozess (2007/2087(INI) (A6-0197/2007)).

 
  
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  Enrique Barón Crespo (PSE), Berichterstatter. – (ES) Herr Präsident! Ich möchte den Bericht vorlegen, den Herr Brok und ich gemeinsam erstellt haben, zwei Abgeordnete aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Fraktionen, die aber den wiederholten Willen dieses Parlaments zum Ausdruck bringen, den Verfassungsvertrag vorwärts zu bringen und unsere Europäische Union unmittelbar nach der Berliner Erklärung zum 50. Jahrestag maßgeblich weiterzuentwickeln.

Im Wesentlichen sagen wir, dass wir den im Oktober 2004 in Rom unterzeichneten Verfassungsvertrag zum ersten Mal gemeinsam und in einer öffentlichen Debatte erarbeitet haben. Bisher wurde dieser Vertrag von zwei Dritteln der Staaten – 18 Staaten – ratifiziert, weitere vier haben erklärt, dass sie ihn ratifizieren wollen, zwei Staaten hatten ein Referendum durchgeführt, in dem er abgelehnt wurde, und von dreien steht die Stellungnahme dazu noch aus.

Ich glaube, wir müssen unsere Arbeit nach der Reflexionsphase fortsetzen. Unser Vorschlag besteht im Wesentlichen darin, den deutschen Vorsitz in seinen Bemühungen zu unterstützen, beim nächsten Europäischen Rat eine Regierungskonferenz mit einem klaren und genau definierten Mandat einzuberufen, die sich auf der Grundlage der bestehenden Verträge und des Verfassungsvertrags um eine Vereinbarung bemüht, die uns ein weiteres gemeinsames Vorgehen ermöglicht.

Für uns, die wir von Anfang an involviert sind, setzt sich der Verfassungsvertrag aus zwei Teilen zusammen: Einer besteht aus Teil I und II oder Teil IV und ist das Ergebnis der Arbeit des Konvents, und dann Teil III, der die bestehenden Verträge einbindet und überarbeitet und die Zahl der Rechtsgrundlagen für die Mitentscheidung von 36 auf 87 erweitert, was für das Europäische Parlament wichtig ist.

Nach unserer Ansicht können wir hier eine Formel finden, die uns in die Lage versetzt, wirklich weiterzukommen.

Wenn wir zudem berücksichtigen, dass die Reflexionsphase fruchtbringend war und wir nicht hermetisch abgeschottet, sondern in der realen Welt leben, gibt es eine Reihe von aktuellen Fragen, wie den Klimawandel, die Solidarität im Energiebereich, die Einwanderung, die Anpassung unseres Sozialmodells an eine alternde Bevölkerung und die Globalisierung, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, den Dialog der Kulturen und die bessere wirtschaftliche Governance im Euroraum, die für uns eine Bereicherung darstellen und uns die Möglichkeit bieten können, den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen.

Dies sind im Wesentlichen unsere Vorschläge. Ferner glauben wir – und das ist eine deutliche Botschaft an den Rat –, dass nach dem Konvent nicht hinter geschlossenen Türen über die Zukunft Europas diskutiert werden kann.

Wir haben bereits den Schritt zu einer politischen Debatte getan.

(Beifall)

Deshalb, Herr Präsident, meine Damen und Herren – und ich hoffe, dass sich der Präsident für uns einsetzen wird, wie er es in dieser Frage stets getan hat –, fordern wir eine aktive Beteiligung an der Regierungskonferenz und geben Anregungen, in welcher Weise präzise Informationen über die Gedanken und Vorschläge des Rates, der Kommission – die hoffentlich sehr aktiv sein wird – sowie der Regierungen weitergeleitet werden können, damit wir vorankommen. Im Moment, Herr Präsident, halten wir es für wichtig, nicht nur ein Zeichen der Hoffnung zu setzen, sondern gemäß einem altem Sprichwort zu sagen: „Den Weg finden wir beim Gehen“. Es gilt, gemeinsam Fortschritte zu erzielen, das verlangt die Öffentlichkeit von uns, da wir es so beschlossen haben und da es auch unsere Pflicht ist, nicht nur um unsertwillen, sondern auch für den Rest der Menschheit, denn wir errichten jetzt in Europa die erste supranationale Demokratie von Staaten und Bürgern, die uns Europäern Frieden und Wohlstand gebracht hat – und das haben wir im März gefeiert –, aber sie muss uns auch in die Lage versetzen, eine bahnbrechende politische Organisation in demokratischer Hinsicht zu sein, die den Blick auf die Zukunft der Menschheit richtet.

(Beifall)

 
  
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  Elmar Brok (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss nicht mehr wiederholen, was Kollege Barón Crespo zum Ausdruck gebracht hat, weil ich das Wort für Wort unterschreibe.

Die Europäische Union hat – wie auch in der Berliner Erklärung festgehalten wird – dazu geführt, dass wir zunächst im westlichen Teil unseres Kontinents die friedlichste, freiheitlichste, sozialste und wirtschaftlich erfolgreichste Zeit der gesamten Geschichte dieses Kontinents erlebt haben. Nach den Ereignissen des Jahres 1989 und der Erweiterung der Europäischen Union 2004 und 2007 besteht die große Chance, dies auch für den übrigen Kontinent zu sichern. Anliegen dieses Verfassungsvertrages ist es, dass auch die Union der 27 in den Genuss dieser Errungenschaften kommt. Diese Erfolgsgeschichte darf nicht gefährdet werden. Die 27 Länder müssen handlungsfähig und auf dem gleichen Rang sein, und wir sollten vermeiden, dass Europa wieder in verschiedene Gruppen zerfällt.

Wir müssen dies auch im Lichte der Herausforderungen betrachten, vor denen wir stehen, Herausforderungen, die keiner unserer Nationalstaaten allein bewältigen kann: die Globalisierung und die ökonomischen und sozialen Konsequenzen, die daraus erwachsen, der Kampf gegen den Terror, die Gestaltung unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Wir wissen zwar, dass Energie und damit Energiesicherheit heute keine Kompetenz der Europäischen Union ist, dass es dabei aber um die Sicherheit all unserer Mitgliedstaaten geht und wir daher entsprechende handlungsfähig sein müssen. Auch die Frage des Außenministers sollte angesprochen werden. Wir müssen eine Vertragsorganisation haben, die dazu führt, dass durch die einheitliche Rechtspersönlichkeit auch Handlungsfähigkeit nach außen gegeben ist. Deswegen sind solche Substanzfragen des Verfassungsvertrags von entscheidender Bedeutung, damit wir nicht nur wie in der Vergangenheit jeglichen Krieg in Europa verhindern können, sondern im Interesse unserer Bürger und Völker dort, wo der Nationalstaat es allein nicht besser machen kann, an Handlungsfähigkeit gewinnen.

Dies muss in einer transparenten, demokratischen Weise geschehen, damit wir auch die Legitimation der Bürger dafür haben. Effizienz, Transparenz, Demokratie und Bürgerrechte sind unverzichtbare Bestandteile einer Regelung, die auf dem Gipfel und in der Regierungskonferenz beschlossen werden soll. Wir müssen deutlich machen, dass dies in einer vernünftigen Balance zwischen den Institutionen zu geschehen hat, auch im Verhältnis zu den nationalen Parlamenten, die ja gerade im Rahmen der Subsidiarität eine wichtigere Rolle einnehmen sollen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass deutlich wird, dass die Europäische Union kein Staat ist und auch kein Staat werden will, dass aber dort, wo die Mitgliedstaaten sagen, das können wir zusammen besser machen, entsprechende Handlungsfähigkeit hergestellt wird.

Dazu gehört auch, dass wir die Identität unserer Völker in Zukunft akzeptieren und fördern. Europa tritt nicht an die Stelle der Nationalstaaten, sondern ist eine gemeinsame Organisation, um die Nationalstaaten gemeinsam stärker zu machen. Das muss der entsprechende Ansatzpunkt sein. Dabei müssen wir auch von der Gleichwertigkeit von Groß und Klein, Arm und Reich in dieser Europäischen Union ausgehen. Deswegen ist das doppelte Stimmrecht so wichtig, wobei jedes Land erst einmal eine Stimme hat, egal ob groß oder klein.

Es ist aber auch notwendig, dass wir die Kompetenzordnung sehen und mit der Kompetenzordnung das Subsidiaritätsprinzip, die Ausdehnung der Mehrheitsentscheidung, denn wir werden den Terror und die organisierte Kriminalität nicht erfolgreich bekämpfen können, wenn wir in den nötigen Bereichen wie etwa der Innenpolitik nicht die Mehrheitsentscheidung bekommen.

Ich meine aber auch, dass dieses Europa auf Werten beruhen muss. Die Charta der Grundrechte ist für das Europäische Parlament ein unverzichtbarer Bestandteil.

(Beifall)

Dies alles müssen wir eingliedern – und deswegen sind eine Rechtspersönlichkeit und die Beseitigung der Pfeilerstruktur so wichtig. Die Erfolgsgeschichte der Europäischen Union ist darauf gegründet, dass wir in den Bereichen, in denen wir die Kompetenzen haben, eine Rechtsordnung sind, und dass all dies mit der Methode Monet erfolgt. Der intergouvernementale Ansatz ist immer gescheitert. Die EFTA ist gescheitert, und die Europäische Union hat gewonnen, weil wir die Methode Monet haben. Deshalb sollten wir jetzt nicht in Methoden zurückverfallen, die in der Vergangenheit gescheitert sind.

Aus diesem Grunde sollten wir die deutsche Ratspräsidentschaft unterstützen. Wir sollten es möglich machen, dass die nötige Substanz dafür gewährleistet ist, und alle 27 Völker und Staaten für dieses Ziel gewinnen, damit dies eine Regierungskonferenz wird, die ein klares, eindeutig begrenztes Mandat hat. Die Substanz des Verfassungsvertrags muss gewährleistet sein, damit nur auf der Grundlage dieses Verfassungsvertrags verhandelt wird. Auch sollte der Verfassungsvertrag bis zur nächsten Wahl des Europäischen Parlaments in Kraft sein, damit die Bürger mit den neuen Rechten arbeiten können und in Zukunft bei der Europawahl selbst entscheiden, wer Kommissionspräsident wird. Dies trägt entscheidend dazu bei, den Bürger zu stärken. Ich möchte Sie bitten, dass diese Strategie, die wir im konstitutionellen Ausschuss mit großer Mehrheit beschlossen haben, die Zustimmung dieses Hauses findet.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herzlichen Dank Ihnen beiden, Enrique Barón Crespo und Elmar Brok. Es ist schön zu sehen, wie Sie wieder richtig jugendlich werden, wenn es um unsere gemeinsame Zukunft geht.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, sehr geehrte Frau Vizepräsidentin der Kommission, liebe Margot Wallström, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, Sie erlauben, dass ich mich nicht über das Alter der beiden Berichterstatter äußere, sondern zum Inhalt Ihrer beiden Reden. Ich möchte der Präsidentschaft, Ihnen, Herr Barón Crespo, aber auch Elmar Brok, ausdrücklich für die Roadmap danken, in der Sie den weiteren Verlauf der Diskussionen über den Verfassungsprozess aufgezeigt haben.

Die Schlussfolgerungen sind eine wichtige Unterstützung für das weitere Vorgehen der Ratspräsidentschaft im Vorfeld des Gipfels im Juni. Die Unterstützung des Europäischen Parlaments ist auch essentiell für den Erfolg und es ist wichtig, das Europäische Parlament in die Diskussion über die Vertragsreform voll einzubeziehen. Wie von Ihnen erwähnt, muss die angemessene Beteiligung des Europäischen Parlaments daher auch bei der kommenden Regierungskonferenz sichergestellt werden.

Herr Präsident, für die gute Zusammenarbeit möchte ich mich nochmals recht herzlich bedanken. Die gute Zusammenarbeit spiegelt sich auch in dem heute vorgestellten Bericht wider, den ich als ausgewogen empfinde, da er die notwendige Balance zwischen einem ambitionierten Ergebnis für die Europäische Union und dem notwendigen Realismus in dieser Frage hält.

Wir können und wollen das Votum der Bevölkerung in Frankreich und in den Niederlanden nicht ignorieren, aber gleichzeitig möchte die Mehrheit der Mitgliedstaaten die inhaltliche Substanz dieses Vertrags erhalten. Ich möchte deshalb an dieser Stelle auch noch einmal die besondere Rolle der deutschen Präsidentschaft unterstreichen. Wir haben eine Mittlerrolle. Wir wollen ein Ergebnis, das alle Mitgliedstaaten akzeptieren können, aber ebenso natürlich auch das Europäische Parlament. Die Diskussion, die seit den gescheiterten Referenden nicht nur in den Niederlanden und Frankreich stattgefunden hat, müssen wir berücksichtigen.

Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen, aber gleichzeitig – das hat die Diskussion auch gezeigt – gibt es zahlreiche Bereiche, in denen sich die Bürger mehr Europa, mehr Europäische Union wünschen. In diesem Zusammenhang werden in letzter Zeit massiv die Themen Klima und Energie diskutiert, aber auch die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union und die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität.

Eine Tatsache, die durch zahlreiche Umfragen bestätigt wird, ist mir sehr wichtig: Die Menschen in Europa sind in ihrer Mehrheit nicht gegen diese Europäische Union. Sie wollen eine handlungsfähige und effiziente Europäische Union, die sich auf das Wesentliche konzentriert, eine Europäische Union, die die Probleme, die sie anpackt, auch wirklich löst.

Es ist auch kein Geheimnis, dass eine Verständigung über eine Reihe wichtiger Fragen noch nicht erreicht ist. Diskutiert wird zum einen, wie die künftige Architektur der Verträge aussehen soll. Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es Vorschläge gibt, zu einem klassischen Änderungsvertrag zurückzukehren. Auch das Europäische Parlament hat seine Bereitschaft bekundet, über die Präsentation der künftigen Verträge nachzudenken. Ich setze darauf, dass wir hier eine Lösung finden, die alle Partner mittragen können und die gleichzeitig einen deutlichen Fortschritt an Lesbarkeit und Transparenz für die Bürger bringt.

Das Europäische Parlament ist stets mit Nachdruck – und das hat ja gerade Elmar Brok auch noch einmal bekundet – für die Grundrechtecharta eingetreten. Es befindet sich daher mit der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten in Übereinstimmung, wenn es dafür eintritt, an der Charta und insbesondere am rechtsverbindlichen Charakter dieser Charta festzuhalten.

(Beifall)

Die Europäische Union der nun 27 Mitgliedstaaten muss entscheidungs- und handlungsfähiger werden, um vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bestehen. Und es ist ausgeführt worden – hier gibt es wieder eine Übereinstimmung: Wir wollen eine demokratischere und transparentere Europäische Union. Deshalb will die große Mehrheit der Mitgliedstaaten an der wesentlichen inhaltlichen Substanz des vorliegenden Verfassungsvertrags festhalten. Die mehrheitliche Auffassung besteht darin, dass insbesondere das institutionelle Paket nicht geöffnet werden kann, da es sich hierbei – ich darf es einmal so ausdrücken – um die Öffnung der Büchse der Pandora handeln würde. Aber auch sachpolitische Fortschritte sind wichtig.

Wir wollen ein Ergebnis, das alle Mitgliedstaaten akzeptieren können, aber hierfür ist Kompromissbereitschaft auf allen Seiten notwendig. Ich setze darauf, dass der gemeinsame Wille besteht, Europa gemeinsam voranzubringen. In dieser Situation ist uns natürlich die Unterstützung des Europäischen Parlaments für die Bemühungen des deutschen Ratsvorsitzes um eine Einigung auf dem Gipfel im Juni, die in dem Bericht betont wird, besonders wichtig.

Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zum Verfahren und zur Zielsetzung der deutschen Präsidentschaft machen. Wie Sie wissen, sind die Konsultationen inzwischen in die heiße Phase getreten. Die Gespräche werden nun vorwiegend von der Ratspräsidentin, Frau Bundeskanzlerin Merkel, aber auch von Bundesaußenminister Steinmeier persönlich geführt. Herr Steinmeier wird Sie morgen hier über die Vorbereitung des Europäischen Rates im Juni unterrichten. Da die Konsultationen auf höchster Ebene noch andauern, ist es zu früh, bereits jetzt inhaltlich konkrete Vorschläge der Präsidentschaft zu präsentieren. Diese werden und können vom Europäischen Rat meines Erachtens auch erst in einem späteren Stadium vorgelegt werden.

Unser Ziel für den Europäischen Rat im Juni sind klare inhaltliche Vorgaben für die geplante Regierungskonferenz sowie ein sehr präziser Zeitplan. Die Regierungskonferenz soll 2007 unter portugiesischem Vorsitz politisch abgeschlossen werden. Spätestens Anfang 2008 soll der Vertrag unterzeichnet werden. Dies ließe ausreichend Zeit für eine Ratifizierung des Vertrags in allen Mitgliedstaaten und – was wichtig ist – natürlich vor den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009. Zu diesem Zeitplan, zu dem auch die Roadmap des Europäischen Parlaments aufruft, bestand in den bisherigen Gesprächen breite Zustimmung. Wichtig für seine Realisierung wäre auch, dass das Europäische Parlament seine Stellungnahme nach Artikel 48 noch vor der Sommerpause abgibt.

Aber ich wiederhole: Als Präsidentschaft befinden wir uns in einer Mittlerrolle. Wir brauchen ein Ergebnis, das alle akzeptieren können. Wir sprechen mit allen Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und der Kommission. Ich weiß, es gibt noch viel Überzeugungs- und Vermittlungsarbeit zu leisten, aber ich bin zuversichtlich. Wenn alle 27 Mitgliedstaaten immer von den gemeinsamen Herausforderungen sprechen wie zuletzt auch bei der Berliner Erklärung, dann gehe ich doch davon aus, dass alle gemeinsam, alle 27, auch den Erfolg wollen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herr Ratspräsident! Ich glaube, ich kann im Namen des Parlaments sagen, dass wir unsere Stellungnahme schnell abgeben werden, wenn die Rechte des Europäischen Parlaments hinreichend berücksichtigt werden. Auf dieser Basis sind wir zu jeder guten Zusammenarbeit bereit.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission.(EN) Herr Präsident! Ich möchte zuallererst den Berichterstattern, Herrn Barón Crespo und Herrn Brok, sowie dem Ausschuss für konstitutionelle Fragen für diesen Bericht sowie Ihnen für Ihre Arbeit meinen Dank aussprechen, womit ein großen Beitrag in dieser gegenwärtigen äußerst kritischen Zeit geleistet wird. Die Kommission begrüßt diesen Bericht und stimmt seinen wesentlichen Aussagen zu.

Zwei Jahre nach dem Beginn der Reflexionsphase finden in der Welt noch immer Veränderungen statt, und auch das politische Umfeld verändert sich fortwährend. Der Europäischen Union ist es gelungen, einen neuen Konsens zu einigen höchst politischen Themen und Fragen zu finden, darunter die Einigung über ein neues Finanzpaket für die kommenden Jahre.

Allerdings konnten die Schwierigkeiten, mit denen sich der Verfassungsvertrag befasst hat, im Wesentlichen nicht ausgeräumt werden. Noch immer spricht die Union in der internationalen Arena nicht mit einer Stimme. Noch immer gilt es, die Demokratie, Effizienz und Transparenz in dieser Union zu verbessern. Wir müssen in politischen Schlüsselbereichen wie der Migration oder dem Klimawandel bessere Resultate erzielen. Deshalb sind wir voll und ganz überzeugt, dass Veränderungen am Vertrag nach wie vor erforderlich sind.

Ferner denken wir, dass es unbedingt notwendig ist, die Bürgerinnen und Bürgern besser in die Diskussion über einen neuen Vertrag einzubeziehen. Dabei geht es nicht um die Schaffung eines europäischen Konstrukts an sich, sondern darum, dass wir in der Lage sein müssen, uns mit dem zunehmend globalisierten politischen Umfeld zu befassen und Politiken umzusetzen, die für unsere Bürgerinnen und Bürger wirklich von Belang sind.

Die Erreichung einer Lösung in Bezug auf den Vertrag stellt für den Europäischen Rat die Hauptaufgabe dar. Der deutsche Ratsvorsitz hat in den vergangenen Monaten große Anstrengungen unternommen, um einen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen herbeizuführen. Wir unterstützen diese Bemühungen und hoffen, dass es dem Europäischen Rat gelingt, Einigung über die Einberufung einer neuen Regierungskonferenz zu erzielen.

Wir müssen aber äußerst vorsichtig vorgehen, denn der Verfassungsvertrag ist ein Kompromiss, der in diesem Stadium schwer zu verbessern, jedoch leicht zunichte zu machen ist. Damit die neuen Verhandlungen erfolgreich werden, muss die Regierungskonferenz daher ein eindeutiges und genau definiertes Mandat sowie ein klares Ziel vor Augen haben, d. h. einen neuen Vertrag, der noch vor den Europawahlen 2009 in Kraft tritt.

Die Kommission wird auch weiterhin eine zentrale Rolle bei der Suche nach einer Lösung spielen. Wenn eine Regierungskonferenz durchgeführt werden soll, werden wir bereit sein, Anfang Juli unseren Standpunkt darzulegen. Eine neue Lösung sollte zu einem echten und dauerhaften Konsens führen. Sie sollte den Mittelweg zwischen den Stimmen derer, die den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert haben, und denen finden, die dies noch nicht getan haben.

Es ist jedoch auch unabdingbar, sich ein hohes Ziel zu setzen. Wenn die Lösung im kleinsten gemeinsamen Nenner besteht, könnte zwar kurzfristig eine Atempause erreicht werden, doch die Probleme könnten sich in Zukunft noch verstärken. Daher genügt es nicht, wenn einfach nur geringfügige institutionelle Veränderungen am Vertrag von Nizza vorgenommen werden.

Der Verfassungsvertrag war das Resultat umfassender Untersuchungen des Konvents; er ist das Ergebnis eines sorgfältig ausgearbeiteten Kompromisses aller Staats- und Regierungsoberhäupter, das vom Europäischen Parlament gebilligt wurde. Was seinen Inhalt betrifft, so behält der größte Teil dieses Dokuments seine Gültigkeit. Die durch den Verfassungsvertrag eingeführten Verbesserungen sind noch immer relevant und müssen in die Praxis umgesetzt werden. Es gilt, die Gemeinschaftsmethode zu bewahren, darunter auch das Initiativrecht der Kommission. Die Ein-Pfeilerstruktur sowie die Rechtspersönlichkeit sind fassbare Instrumente, um die Fähigkeit der Union zu verbessern, in einer globalen Welt zu agieren. Fortschritte bei der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit und generell die erweiterte Rolle des Europäischen Parlaments sind nicht infrage zu stellen.

Der Verfassungsvertrag sieht außerdem eine sehr gute Lösung für die Einbeziehung der nationalen Parlamente vor, und er findet einen guten Mittelweg zwischen der Rolle der nationalen Parlamente und der des Europäischen Parlaments.

Für die Kommission ist die Grundrechtecharta auch weiterhin voll verbindlich, und sie spricht sich für die grundlegenden Verbesserungen bei politischen Maßnahmen aus, wie sie im Verfassungsvertrag dargelegt sind.

Der Binnenmarkt darf nicht verwässert werden, doch wir werden gerne neue Konzepte für Entwicklungen in bestimmten Politikbereichen prüfen, um neuen politischen Herausforderungen begegnen zu können oder die Erfüllung wesentlicher Aufgaben zu intensivieren, darunter eine nachhaltige Entwicklung, die Migration oder auch Energiefragen.

Die Kommission ist ebenfalls der Meinung, dass das Europäische Parlament eng in die bevorstehende Regierungskonferenz einbezogen werden muss, zumindest darf das nicht weniger der Fall sein als bei der vorhergehenden Regierungskonferenz. Gemeinsam sollten wir uns weiterhin mit aller Kraft bemühen, die Bürgerinnen und Bürger und die Zivilgesellschaft in einen effektiven Dialog über die Zukunft Europas einzubeziehen. Wir sollten gemeinsam den Bürgerinnen und Bürgern erklären, worum es geht und weshalb eine neue vertragliche Lösung notwendig ist, um die Union zu befähigen, sich den Herausforderungen des Zeitalters der Globalisierung zu stellen. Das wird in der kritischen Phase, die auf der Grundlage der Entscheidungen des Europäischen Rates beginnen wird, umso wichtiger. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, um das Wirklichkeit werden zu lassen.

(Beifall)

 
  
  

Vorsitz: DIANA WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  Íñigo Méndez de Vigo, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Frau Präsidentin! In einer Erzählung von Hemingway – Der alte Mann und das Meer – führt der Hauptheld einen Kampf, um einen Schwertfisch in den Hafen zu bringen. Es ist eine gigantische Schlacht. Als er schließlich den Hafen erreicht, ist der Fisch weg, nurmehr das Gerippe ist geblieben. Dieses Parlament, Herr Ratsvorsitzender, möchte nicht, dass es dem Verfassungsvertrag ebenso ergeht.

Wir freuen uns, dass die deutsche Präsidentschaft zu einer Einigung kommen will, doch wir möchten ihr deutlich sagen, dass wir zwar eine Vereinbarung wollen, aber nicht irgendeine. Im Bericht von Herrn Barón Crespo und Herrn Brok machen wir daher deutlich, welcher Inhalt des Verfassungsvertrags für uns wichtig ist, der in diese Vereinbarung aufgenommen werden muss: Wir benennen ihn in Ziffer 9.

Wir erklären weiterhin, dass die Meinung aller gehört werden muss, nicht nur jener, die weniger Europa wollen (denn einige wollen nur weniger Europa). Hören Sie nicht nur auf diese Stimmen. Nehmen Sie auch jene zur Kenntnis, die den Verfassungsvertrag verbessern wollen. Denn wir hören alle nur von Reduzierungen, als hätte der Winterschlussverkauf begonnen.

Es ist möglich, dass eine Regierungskonferenz den Verfassungsvertrag verbessert, indem beispielsweise Themen einbezogen werden, die vor fünf Jahren nicht zur Diskussion standen, wie der Klimawandel, die Energie oder Solidarität im Energiebereich oder die Festlegung der Aufgaben des Koordinators für Terrorismusbekämpfung, einer heute sehr wichtigen Verantwortung nach der Ankündigung der ETA, wieder töten zu wollen. Diese zusätzlichen Punkte sind möglich, und wir bitten Sie inständig, Herr Ratsvorsitzender, sie aufzunehmen.

Wie der Präsident des Parlaments zuvor sagte, möchten wir Ihnen helfen und wir wünschen uns auch eine Teilnahme des Europäischen Parlaments an dieser Regierungskonferenz. Wir wollen Sie natürlich nicht ersetzen, aber in Ziffer 12 des Berichts definieren wir die Modalitäten für die Einbindung des Parlaments.

Schließlich, Herr Ratspräsident, wird dieses Parlament eine Bewertung des Ergebnisses der Regierungskonferenz zum Verfassungsvertrag vornehmen, das erklären wir in Ziffer 11. Wir werden nicht zögern, eine Vereinbarung der Regierungskonferenz abzulehnen, wenn sie nicht unseren Erwartungen entspricht.

(Beifall)

 
  
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  Jo Leinen, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Richard Corbett wird später noch einmal für die Fraktion spezieller auf dieses Thema eingehen Ich möchte den Berichterstattern Enrique Barón Crespo und Elmar Brok herzlich danken, weil sich dieser Bericht voll auf der Linie unserer seit dem doppelten Nein vor zwei Jahren geführten Debatte befindet. Die Botschaft dieses Berichts ist eindeutig. Die Inhalte dessen, was im Laufe der letzten drei Jahre verhandelt, unterschrieben und akzeptiert wurde, also die Inhalte des Vertrags, müssen erhalten bleiben, aber es steht außer Frage, dass die Präsentation dieses Vertrags womöglich geändert werden kann. Das heißt ganz klar: Das Europäische Parlament lehnt einen Minivertrag ab. Wir sind auch dagegen, dass dabei nur ein institutioneller Vertrag herauskommt, und über einen Torso – einen Steinbruch, aus dem dieses und jenes herausgehauen wird – verhandelt wird. Wir sagen ganz klar: Dieses Parlament wird kein Konsultationsergebnis hinnehmen, das im Vergleich zu den Ergebnissen, denen wir zugestimmt haben, weniger Demokratie, weniger Transparenz, weniger Effizienz und weniger Bürgerrechte mit sich bringen würde.

Die Ironie der Geschichte ist, dass die Bürgerinnen und Bürger auch in Frankreich, den Niederlanden und in den anderen Ländern das Neue eigentlich billigen. Aus den Umfragen von Eurobarometer geht hervor, dass die Bürger mehr Demokratie und mehr Handlungsfähigkeit möchten. Sie wollen auch die neuen Politikbereiche: die Energiepolitik, die Gesundheitspolitik, den Katastrophenschutz und die gegenseitige Hilfe bei solchen Ereignissen. Deshalb ist nicht einzusehen, dass jetzt Regierungen etwas wegnehmen, was Parlamente zusammen mit den Regierungen erarbeitet haben. Das geht nicht, und das werden wir nicht akzeptieren.

Dies ist auch eine Botschaft an die Regierungskonferenz. Sie können nicht alleine ohne Rücksprache mit diesem Parlament, aber auch mit unseren Kollegen in den nationalen Parlamenten und der Öffentlichkeit zu einem Ergebnis gelangen, das sich grundsätzlich von dem Vertrag unterscheidet, den wir in den letzten vier Jahren erarbeitet haben. Wir wollen eher einen „Vertrag plus“ als einen „Vertrag minus“. Es ist hier geäußert worden, dass diese seit zwei Jahren diskutierten Themen auf die Tagesordnung gesetzt werden müssten. Darüber sollte man sprechen.

Wir reden immer über die, die den Vertrag abgelehnt haben. Man muss auch über die vielen reden, die bereits zugestimmt haben. Es kann nicht darum gehen, ein Ergebnis um jeden Preis zu erzielen. Dem werden wir nicht zustimmen. Es muss ein Ergebnis auf hohem Niveau sein. Dazu wünschen wir der deutschen Präsidentschaft viel Erfolg.

 
  
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  Andrew Duff, im Namen der ALDE-Fraktion.(EN) Frau Präsidentin! Die ALDE-Fraktion unterstützt nachdrücklich den Bericht Brok/Barón Crespo und begrüßt die klare, deutliche Erklärung des Rates und der Kommission am heutigen Nachmittag. Wir freuen uns darauf, bei der Unterstützung der Regierungskonferenz mitzuwirken, die sich eindeutig vorgenommen hat, den Verfassungsvertrag neu zu verhandeln und neu zu sortieren mit dem Ziel, ihn wesentlich zu verbessern.

Durch Herrn Sarkozy hält ein erfrischender Pragmatismus in Frankreichs Europapolitik Einzug, und ich gehe davon aus, dass Herr Brown Herrn Sarkozys Erfolge wiederholen wird, wenn er Premierminister des Vereinigten Königreichs wird. Die Stimmung unter der Bevölkerung schlägt um – insbesondere in den Niederlanden und in Polen. Dort können wir die wachsende Erkenntnis beobachten, dass es nicht im Interesse dieser Länder liegt, Mitglied einer Union zu sein, die zum Handeln zu schwach ist.

Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen, dass es meiner Meinung nach möglich ist, zwei grundlegende Schlussfolgerungen aus der Reflexionsphase zu ziehen. Die erste ist, dass wir die Demokratie in den europäischen Organen in Brüssel sowie zwischen den Behörden hier und den nationalen, regionalen und lokalen Regierungen stärken müssen. Die zweite wäre, dass wir nach klügeren und flexibleren Möglichkeiten suchen müssen, wie wir die Verträge in Zukunft ändern können. Länder, die noch immer das Paket ablehnen möchten, haben vielleicht ein Vetorecht, sind jedoch moralisch und politisch nicht befugt, für alle anderen den Fortschritt zu blockieren.

 
  
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  Brian Crowley, thar ceann an Ghrúpa UEN. – A Uachtaráin, maidir le bunreacht nua a chruthú don Aontas Eorpach, tá sé an-thábhachtach go dtabharfar cluas éisteachta do shaoránaigh uilig an Aontais. Ní hiad muintir na Fraince agus na hÍsiltíre amháin atá buartha faoi bhunreacht an Aontais Eorpaigh – tá go leor tíortha eile buartha freisin. Bhí am againn machnamh a dhéanamh ar an mbunreacht le bliain anuas. Caithfidh ceannairí na mBallstát cinneadh a dhéanamh anois ar bhunreacht nua a bhunú ag an gcéad chruinniú eile den Chomhairle.

(EN) Mein Dank gilt den beiden Berichterstattern, Herrn Barón Crespo und Herrn Brok, die über ungeheure Erfahrungen verfügen. Ich danke ihnen für die Arbeit an diesem Initiativbericht. Er liegt zu einem kritischen Zeitpunkt vor, an dem die Mitglieder des Rates in gewisser Weise geschoben und gedrängt werden müssen. Das macht sich nicht deshalb erforderlich, weil wir hier im Parlament im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union etwas Bestimmtes sehen wollen, sondern weil es notwendig ist, dafür zu sorgen, dass die Meinung der Völker der Europäischen Union auf allen Ebenen der Verwaltung und des Handelns in Zukunft richtig zum Ausdruck kommt.

Der Erfolg der Europäischen Union besteht vor allem in der Einzigartigkeit, dass ihre Organe auf der Grundlage des Konsenses, des Kompromisses und der Gleichheit beruhen, sowie der Notwendigkeit, diese Art von Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, um sicherzustellen, dass es nicht zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten kommt; um sicherzustellen, dass Donald Rumsfelds Ansicht von einem alten und einem neuen Europa niemals Wirklichkeit wird. In erster Linie brauchen wir ein Europa, das gemeinsam handelt, le chéile, und zum Wohle aller Völker zusammenarbeitet.

Unsere wichtigste Quelle muss der vereinbarte Text sein, der uns bereits vorliegt. Schauen wir uns die Einzigartigkeit des Konvents an, der diesen Text hervorgebracht hat. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir die Kernaussage dieses Textes beibehalten, zugleich aber auch die notwendigen Änderungen vornehmen, um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten ihm zustimmen und ihn unterzeichnen können und dass sich niemand dadurch bedroht fühlt.

Unsere Aufgabe heute ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die Botschaft laut und deutlich zu hören ist, dass das Parlament zukünftige Entwicklungen des europäischen Vertrages unterstützt, die die neuen Mitgliedstaaten richtig widerspiegeln und das Gleichgewicht richtig zum Ausdruck bringen, das gewahrt werden muss, damit ein Europa gleichberechtigter Nationen erfolgreich agieren kann.

 
  
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  Johannes Voggenhuber, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Meine Fraktion wünscht diesem Bericht eine große und überzeugende Mehrheit, und wir hoffen, dass er sie auch erhält. Wir danken den Berichterstattern für diesen ausgezeichneten Vorschlag.

Diese Entschließung kann eine große Bedeutung erlangen, wenn es diesem Haus gelingt, den Regierungen die Botschaft zu vermitteln, dass es wirklich bereit ist, Anwalt der europäischen Demokratie zu sein, dass es wirklich bereit ist, die Verankerung der Grundrechte zu verteidigen, und dass es wirklich bereit ist, die Auflösung der Säulenstruktur und den Erhalt der qualifizierten Mehrheit im Verfassungsvertrag durchzusetzen, auch auf die Gefahr hin, nein sagen zu müssen. Ich habe in vielen Jahren viele Ultimaten dieses Hauses gehört und viele große Gesten und viel Geschrei auf den Barrikaden und Versprechungen, nein zu sagen, wenn nicht das und wenn nicht jenes im Sinne der Bürger entschieden wird. Ich habe nicht ein einziges Mal erlebt, dass dieses Haus dann tatsächlich auf die Barrikaden gegangen ist, nein gesagt oder auch nur ein einziges Ultimatum erfüllt hat. Wenn wir dieses Ultimatum nicht einlösen, dann müsste dieses Haus allerdings die historische Verantwortung tragen.

Die Sündenregister der Regierungen nach zwei Jahren Reflexionsperiode – wer auch immer hier nachgedacht hat – sind lang. Man könnte geradezu von den sieben Todsünden der Regierungen sprechen. Aus dem Verfassungsprozess sind die Parlamente inzwischen ausgeschlossen, auch dieses Haus, seit langem. Die Öffentlichkeit ist beseitigt. Der Verfassungsprozess findet nun hinter verschlossenen Türen statt. Ein Nationalismus tritt quer durch viele Mitgliedstaaten immer dreister und immer unverhohlener zum Vorschein, ohne auf wirklichen Widerstand zu stoßen.

Die Diskussion über die Änderung des Vertrags ist weit entfernt von den Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden, den Forderungen nach mehr Demokratie, nach mehr sozialer Verantwortung für Europa, nach einer Antwort auf die Globalisierung, nach mehr Handlungsfähigkeit. All die Forderungen, die heute auf dem Tisch liegen, haben nichts mit dem zu tun, was die Menschen verlangt haben. Sie haben allerdings sehr viel damit zu tun, was die Regierungen schon seit langem und immer wieder auch im Konvent verlangt haben: Die Durchsetzung ihrer eigenen Machtansprüche und die Verletzung und Aufkündigung des Konsenses, den wir ihnen im Konvent abgetrotzt haben. Nein, von den Vorzügen Europas, von mehr sozialer Verantwortung und mehr Demokratie ist hier nicht mehr die Rede.

Die Regierungen missbrauchen das Votum in Frankreich und den Niederlanden. Sie missbrauchen es, um weniger Europa zu schaffen, ihr Europa, das intergouvernementale Europa, das nicht soziale Europa. Wir sollten dem nicht zusehen! Diese Verfassung ist ein Garant für die europäische Demokratie und damit auch für die Lösung der sozialen Fragen der Zukunft. Ich bezweifle, dass das zentrale Verhandlungsprinzip, das darin besteht, kein Referendum abzuhalten, ein taugliches Lösungskonzept darstellt. Wir werden diese Vertrauenskrise in Europa nicht bewältigen, indem wir die Bürger umgehen. Wir können sie nur lösen, indem wir die Bürger gewinnen.

(Beifall)

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Im Bericht unserer Kollegen Enrique Barón Crespo und Elmar Brok kann man unter Erwägung H zu der französischen und niederländischen Ablehnung des Entwurfs eines Verfassungsvertrags Folgendes lesen: „Viele der zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen betrafen eher den Kontext, nicht den Inhalt, und Fragen, die der Öffentlichkeit am meisten Sorgen bereiteten, wurden inzwischen geklärt“. Das ist, was man als billigen Trost bezeichnet. Die Schlussfolgerung, die sich aus solch einer Diagnose ergibt, liegt auf der Hand. Sie wird in Ziffer 1 genannt, ich zitiere: „bekräftigt seine Unterstützung für den Inhalt des Verfassungsvertrags“.

Natürlich möchte der Bericht den Schwierigkeiten Rechnung tragen, die in einigen Mitgliedstaaten entstanden sind, aber in Ziffer 6 wird das Ausmaß der Zugeständnisse, denen er zustimmen könnte, deutlich klargestellt, indem er, ich zitiere „sein Engagement für eine Lösung für den laufenden Verfassungsprozess der Europäischen Union auf der Grundlage des Inhalts des Verfassungsvertrags, gegebenenfalls in einer anderen Präsentation“ bekräftigt. Die Ähnlichkeit dieses Ansatzes mit dem, der in einer der zwölf im vorigen Monat von Frau Merkel an die Staats- und Regierungschefs gerichteten Fragen vorgeschlagen wurde, ist auffallend. Erinnern Sie sich, ich zitiere: „Was meinen Sie zu dem Vorschlag, den Text umzuformulieren, ohne die Substanz zu ändern?“

Diese drei Auszüge aus dem Bericht von Enrique Barón Crespo und Elmar Brok fassen perfekt die Gründe zusammen, weshalb meine Fraktion mit dem Text, der uns vorgeschlagen wurde, nicht einverstanden ist. Europa ist nicht gedient, wenn die zunehmenden, durch einen wesentlichen Teil des gemeinschaftlichen Besitzstands unter unseren Mitbürgern verursachten Probleme, d. h. manche Auswirkungen dessen, was unsere Verträge als offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb bezeichnen, vertuscht werden.

Drei Beispiele: Wie wahr das ist, konnte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, auf dem Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbunds am 22. Mai aus eigener Erfahrung bestätigen, denn seine These der Lohnzurückhaltung zugunsten wettbewerbsfähiger Preise in einer offenen Wirtschaft wurde einstimmig abgelehnt. Eine ähnliche Erfahrung hatte einige Tage vorher Kommissar McCreevy, diesmal im Rat, gemacht, wo die Vertagung der Privatisierung der Postdienste angesichts des Proteststurms, den dieser Richtlinienentwurf in der Bevölkerung auslöst, von immer mehr Regierungsvertretern gefordert wird. Und nun beschwerten sich vor einigen Tagen sogar zehn stark vom internationalen Wettbewerb abhängige Industrieverbände bei Kommissar Mandelson, dass er im Hinblick auf den Freihandel einen Eifer an den Tag lege, dessen Folgen, ich zitiere, „nicht hinnehmbar seien“.

Zweifellos musste wohl auch der Bundeswirtschafts- und -finanzminister, Peer Steinbrück, an diese Protestwelle denken, als er kürzlich, ich zitiere, vom „Risiko einer Legitimitätskrise des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells“ sprach. Deshalb tritt meine Fraktion zunächst entschieden für eine wirklich offene öffentliche Aussprache darüber ein, was sich in den Grundzügen und den Strukturen der EU ändern muss, und dann für eine Ratifizierung des künftigen europäischen Vertrags im Wege eines Referendums.

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Der Bericht von Herrn Barón Crespo und Herrn Brok ist durch einen erheblichen inneren Konflikt und durch Widersprüchlichkeit gekennzeichnet. Auf der einen Seite anerkennen die Berichterstatter – sei es auch zähneknirschend –, dass der Verfassungsvertrag geändert werden muss. Mit Genugtuung konstatiere ich daher, dass selbst das Europäische Parlament diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen beginnt.

Andererseits stelle ich mit Enttäuschung fest, dass Ziffer 6 – worauf Herr Wurtz bereits hinwies – deutlich zeigt, wie groß, oder besser gesagt, wie gering ihre Bereitschaft zu einer Änderung des Verfassungsvertrags ist: An seinem Inhalt soll nicht gerüttelt werden, nur an seiner Aufmachung.

Ich gebe unumwunden zu, dass durch die Ratsmitglieder (einschließlich des Ministerpräsidenten meines Landes) zwar der Eindruck erweckt wird, eine kosmetische Korrektur des Verfassungsvertrags sei ausreichend. Dennoch fordere ich das Europäische Parlament auf, seine Strategie zu ändern. Seitens des Rates gibt es nämlich zunehmende Anzeichen dafür, dass tatsächlich der Inhalt Diskussionsthema sein wird. Will das Europäische Parlament einen konkreten Beitrag zu einer erfolgreichen Regierungskonferenz leisten, wie die Berichterstatter in ihrem Bericht mehrfach andeuteten, muss es in Bezug auf den Inhalt kompromissbereit sein; ansonsten wird das Europäische Parlament bei der kommenden Regierungskonferenz weiterhin nur eine Nebenrolle spielen. Ein solches Szenario gefällt weder mir, noch wird es den beiden Berichterstattern gefallen.

 
  
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  Bruno Gollnisch, im Namen der ITS-Fraktion. – (FR) Veritas liberavit vos, Wahrheit macht frei, heißt es im Evangelium nach Johannes. Worin besteht diese Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass Sie einen europäischen Superstaat errichten wollen, auch wenn Herr Brok das bestreitet. Denn eine politische Organisation, die internationale Rechtspersönlichkeit besitzt, mit einem Vorsitz, der nicht mehr abwechselnd geführt wird, mit einem Außenministerium, einer einheitlichen Währung, einer unbestimmten Ausweitung der Zuständigkeiten, die nicht mehr im Rahmen der Säulen zugewiesen werden, und mit dem Mehrheitsbeschluss innerhalb dieser Zuständigkeiten – bezeichnet man doch letztlich als europäischen Superstaat!

Ich verstehe sehr wohl, meine Damen und Herren, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt – zweifellos die Mehrheit unter Ihnen –, die mit dieser Entwicklung einverstanden sind. Aber dann muss man so offen und ehrlich sein, es unseren Landsleuten zu sagen. Wie wir soeben in der Rede von Herrn Brok hörten, handelt es sich um eine Realität, die Sie sich indes alle Mühe geben, zu vertuschen, und das ist meiner Ansicht nach nicht ehrlich, nicht redlich. Wenn Sie nämlich den Rahmen einer internationalen Organisation beibehalten wollen, weshalb begnügen Sie sich dann nicht mit den bestehenden Verträgen?

Es gab den Vertrag von Paris, mit dem die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet wurde. Dann kam der Vertrag von Rom, mit dem Euratom und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurden. Später sagte man uns, dass die Exekutiven dieser internationalen Organisationen vereinigt werden müssten, um ihnen mehr Macht zu verleihen. Sie wurden vereinigt! Noch später, 1986, sagte man uns, man brauche die Einheitliche Europäische Akte, damit Europa sein Potenzial wirklich erschließen und den Erwartungen gerecht werden kann. Und so hatten wir die Einheitliche Europäische Akte. Kaum war diese Einheitliche Europäische Akte verabschiedet, sagte man uns, sie reiche nicht aus, man brauche den Vertrag von Maastricht, mit dem dann Milch und Honig fließen würden. Und nach Maastricht kam Amsterdam und nach Amsterdam Nizza. Sie sind in einen Prozess eingebunden, dessen Ziel die Errichtung dieses europäischen Superstaates ist. Dieser entspricht nicht dem Geist Europas, des Raums, der die Freiheit und Unabhängigkeit der Nationen hervorgebracht hat. Aus diesem Grunde sind wir entschieden dagegen.

 
  
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  Jim Allister (NI).(EN) Frau Präsidentin! „Nein“ ist eigentlich kein Wort, das man nur schwer verstehen kann. Das anhaltende Unvermögen, die politische Realität einer Ablehnung zu akzeptieren, kommt in Ziffer 3 des Berichts zum Ausdruck. Darin wird von den Befürchtungen der Bevölkerung Frankreichs und der Niederlande gesprochen. Weder Frankreich noch die Niederlande haben Befürchtungen geäußert. Sie haben eine Ablehnung ausgesprochen. Weil sie sich weigert, dieser Tatsache ins Auge zu sehen, bewegt sich die EU seit den letzten zwei Jahren in ausgefahrenen Gleisen.

Dieser Bericht tut nichts, um uns voranzubringen, denn er hält nach wie vor an dem fest, was abgelehnt wurde, nämlich der EU die Eigenstaatlichkeit zuzuerkennen und die nationalen Befugnisse und Vetorechte weiter abzubauen. Diejenigen, die sich weigern anzuerkennen, dass die Verfassung am Ende ist, drängen auf ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Wenn es das ist, was Sie wollen, dann nur zu! Lassen Sie einfach die Staaten draußen, die noch immer echte nationale Kontrolle und Vollmachten wollen. Und so, als Gegenleistung, lassen Sie uns echte Vollmachten zurückgewinnen, lassen Sie sie uns von Brüssel zurückholen. Dann können diejenigen, die mehr Europa haben wollen, das haben, und diejenigen, die weniger wollen, bekommen das auch. Aber Sie können nicht uns allen eine Verfassung, die bereits abgelehnt ist, aufzwingen, wie Sie sie auch immer kaschieren oder neu verpacken mögen.

 
  
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  Panayiotis Demetriou (PPE-DE).(EL) Frau Präsidentin! Ich möchte den Kollegen Brok und Crespo gratulieren, denen es gelungen ist, in ihrem Bericht Vision und Pragmatismus zu vereinen.

Die Vision besteht darin, grundlegende Elemente des Verfassungsvertrags beizubehalten, und der Pragmatismus darin, dass wir selektiv sind und miteinander verhandeln, um einen neuen Kompromiss zu finden. Dieser Kompromiss muss jedoch die Prinzipien und Werte beinhalten, auf die wir uns im Konvent zur Zukunft Europas bei der Erarbeitung des Verfassungsvertrags gestützt haben.

Sie haben zu Recht erklärt, dass die Menschenrechte von diesem Text nicht ausgenommen werden dürfen, wie dieser auch immer aussehen wird. Darin haben Sie völlig Recht, ebenso wie mit den anderen Elementen, auf die Sie sich bezogen haben.

Dieses Parlament muss sich an die Spitze stellen, wenn es um das Finden einer Lösung und eines Weges aus der Verfassungskrise der Europäischen Union geht. Die Europäische Union kann ihr gegenwärtiges Tempo nicht beibehalten. Wenn sie nicht schnell und korrekt voranschreitet, werden die Herausforderungen der Globalisierung dazu führen, dass sie nicht in der Lage sein wird, die auf der Grundlage unserer Prinzipien und Werte notwendige Rolle zu spielen.

Meine Damen und Herren, wir sprechen von einem Kompromiss. Dabei müssen wir aber ausgewogen und realistisch sein. Die 18 Mitgliedstaaten und die 4 Mitgliedstaaten, die den Verfassungsvertrag in seiner früheren Form ratifizieren wollten, sind nicht zu einem Kompromiss bereit, während die anderen Staaten und deren Bürger von einem unnachgiebigen Kampf über bestimmte Punkte sprechen, auf denen ihre Argumente basieren. Wir müssen korrekt und fair sein. Das gilt für alle, sowohl für diejenigen, die dem Verfassungsvertrag zugestimmt haben, als auch für diejenigen, die ihm gegenüber eine gewisse Skepsis zeigen.

Schließlich glaube ich, dass die Europäische Union so nicht weitermachen kann. Sie muss voranschreiten, ihren Bürgern eine Zukunft geben, ebenso wie dieser Union, damit wir weiter vorankommen.

 
  
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  Richard Corbett (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Herr Allister sagte soeben, dass es nicht schwer ist, das Wort „Nein“ zu verstehen, doch ist es ebenso nicht schwer, das Wort „Ja“ zu verstehen. Wir befinden uns in einer Situation, in der die große Mehrzahl der Mitgliedstaaten „Ja“ gesagt hat. Zwei haben „Nein” gesagt, einige haben gewisse Vorbehalte, aber alle 27 haben zugestimmt, einen Prozess in Angriff nehmen zu wollen, um diese Kluft zu überbrücken, um nach einer Lösung zu suchen, die alle 27 ratifizieren können. Dieser Bericht, den ich begrüße und den meine Fraktion unterstützen wird, befürwortet einen solchen Versuch. Nach unserem Dafürhalten ist es richtig, einen Versuch zu unternehmen, um diese Kluft zu überbrücken und eine Lösung zu finden, die von allen 27 ratifiziert werden kann.

Dieses Parlament, das von den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union gewählt wurde, billigte den Verfassungsvertrag, indem es den Bericht von Herrn Méndez de Vigo und mir vor zwei Jahren mit überwältigender Mehrheit annahm. So ist es nur verständlich, dass wir die 22 Mitgliedstaaten unterstützen, die den Text möglichst unverändert beibehalten möchten. Ich denke, das ist eigentlich logisch. Dieses Parlament würde Änderungen der Form vorziehen, statt Abstriche am Inhalt zu machen. Ihm wäre es lieber, anstelle des Inhalts Symbole aufzugeben. Das ist klar und das wird zweifelsfrei auch Teil der Lösung sein, aber es ist unwahrscheinlich, dass das ausreicht. In einigen Fällen muss man sich mit dem Inhalt der Verfassung befassen, ihn vielleicht verbessern, erweitern oder überarbeiten. Wichtig ist jedoch, dass wir versuchen, die praktischen Reformen im Verfassungsvertrag beizubehalten, und dabei geht es um eine Reihe von äußerst praktischen Reformen – Reformen, die es möglich machen, dass die EU funktionsfähig bleibt, während sie erweitert wird, Reformen, die ihre demokratische Rechenschaftspflicht verbessern. Diese Reformen sind unerlässlich und müssen beibehalten werden. Der Verfassungsvertrag enthält ein solches Paket von Reformen. Lassen Sie uns alles in unseren Kräften Stehende tun, um möglichst viele dieser Reformen zu retten.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Frau Präsidentin! Ich wünsche Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihren Bemühungen um eine gemeinsame Auffassung im Hinblick auf die EU-Verfassung und den Aktionsplan der EU viel Erfolg. Man muss träumen können, um eine solche Arbeit machen zu können, aber man muss auch realistisch sein. Wenn hier jemand erfolgreich sein kann, dann, so glaube ich, Angela Merkel.

Ich hoffe, sie hat ihren Vorschlag, den sie vor Beginn der Arbeiten an der Berliner Erklärung unterbreitete, zu ihrem Leitmotiv gemacht und wird dies auch weiterhin tun. Damals hatte sie ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen und es zur Bedingung gemacht, dass jeder Europäer die Berliner Erklärung auch will und sie versteht. Das muss ebenso für die Verfassung gelten. Dennoch hätte ich mir bei den Vorbereitungen seitens der Mitgliedstaaten wie auch auf Gemeinschaftsebene mehr Transparenz gewünscht. Die EU verdient es nicht, eine Verfassung zu haben, sie kann und wird keine Verfassung haben, solange diese nicht in aller Offenheit – und nicht hinter dem Rücken der Menschen – ausgearbeitet werden kann.

Die Präzisierung und Vereinfachung der Gründungsverträge war eines der wichtigsten Ziele, das der Europäische Rat von Nizza im Jahr 2000 für deren Überarbeitung gesetzt hat. Wir müssen nun den Mut haben zuzugeben, dass dieser Text nicht verständlich ist. Er ist ein vages und verwirrendes Paket, das auch durch noch so gründliches Lesen nicht verständlicher wird.

Frau Präsidentin, es wäre einmal interessant zu wissen, wie viele Mitglieder des Europäischen Parlaments oder Mitglieder der nationalen Parlamente den gesamten Text dieser Verfassung überhaupt gelesen haben, jene Regeln, die besagen, wie die EU funktioniert, was die Inhalte ihrer Politik und welches ihre Zuständigkeiten sind und wie Entscheidungen getroffen werden. Ich nehme an, dass nur einige wenige in diesem Saal ihn gelesen haben.

 
  
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  Konrad Szymański (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Wie die Dinge liegen, hängt der Erfolg der Reform der Europäischen Union von der Flexibilität aller am Verhandlungsprozess Beteiligten ab. In Anbetracht dessen muss man sagen, dass der hier dargelegte Standpunkt ausgesprochen unnachgiebig und unflexibel ist. Das Europäische Parlament folgt hier einer Logik, die keinen Raum für Kompromisse lässt, und trägt deshalb Mitverantwortung für ein Scheitern des Reformprozesses.

Anstatt die Bedingungen zu verschärfen, müssen wir jetzt den Ländern entgegenkommen, die gegenüber dem ursprünglichen Vertragstext Bedenken geäußert haben. Wenn die Reform Erfolg haben soll, müssen wir den Niederlanden, Polen, der Tschechischen Republik, dem Vereinigten Königreich und Frankreich ein neues Angebot unterbreiten und ihnen ein flexibleres Verhandlungsmandat bei der Regierungskonferenz in Bezug auf die außenpolitische Vertretung, die Aufteilung der Befugnisse und auch das Abstimmungssystem im Rat zugestehen. Diese Aussprache verhindern zu wollen, indem wir Druck ausüben, kann uns weitere Jahre wertvolle Zeit kosten.

Die von Herrn Méndez de Vigo erwähnte Erzählung von Hemingway hat mir sehr gefallen, nur habe ich sie ganz anders verstanden. Hätte sich Hemingways bejahrter Held mit einem kleineren – einem mittelgroßen – Fisch begnügt, hätte er den Hafen sicher erreicht und etwas zu essen gehabt. Stattdessen hat er sich einen viel zu großen Fisch ausgesucht, ist mit leeren Händen in den Hafen zurückgekehrt und hätte beinahe sein Leben verloren. Ich möchte der Europäischen Union ähnliche Erfahrungen ersparen und werde deshalb diesen Bericht nicht unterstützen.

 
  
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  Bernat Joan i Marí (Verts/ALE).(EN) Frau Präsidentin! Wir müssen Europa politisch stärker machen. Das ist eine der Hauptaufgaben des Europäischen Parlaments.

Für die Europäische Freie Allianz bedeutet „mehr“ Europa auch mehr Möglichkeiten der Freiheit für staatenlose Nationen, verfassungsmäßige Regionen und nationale Minderheiten. Europa ist der zentrale Bereich, in dem wir arbeiten und zusammen sein können. Aus diesem Grunde brauchen wir nicht nur einen Vertrag, sondern auch eine Verfassung für Europa in der Zukunft. Deshalb müssen wir eine Reform des Vertrages unterstützen, um Europa zu stärken, und das Konzept der Unionsbürgerschaft zu einem Ziel machen, das alle Europäer anstreben. Aus diesem Grunde muss die EU in Zukunft bei Schlüsselfragen wie Einwanderung, Sicherheit, Klimawandel und Beschäftigung mit einer Stimme sprechen.

 
  
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  Esko Seppänen (GUE/NGL).(FI) Frau Präsidentin! Das Europäische Parlament ist gerade dabei, unter Bezugnahme auf den Initiativbericht seines Ausschusses in einer Angelegenheit Stellung zu beziehen, die weder von ihrem Inhalt noch von ihrem endgültigen Ergebnis her in seine Zuständigkeit fällt. Folglich ist der Bericht Europropaganda für eine Verfassung in einer Frage, in der die politisch Verantwortlichen die Verbindung zu den Menschen verloren haben. Nach einer EU-weiten Meinungsumfrage wünschen sich 75 % der EU-Bürger ein Referendum über die Verfassung, wobei die Bevölkerung in elf der alten Mitgliedstaaten diese ablehnen würde.

Mein Heimatland Finnland hat den gescheiterten Vertrag ratifiziert, und zwar gegen den Willen des Volkes. Eine neue Meinungsumfrage, die von unserer Fraktion in Finnland in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass die Finnen landesweit gegen eine Verfassung sind, und das über alle Altersgruppen, alle Berufe und alle politischen Parteien hinweg. Das Europäische Parlament plädiert für die Verfassung und stellt sich damit gegen die Meinung der Menschen in vielen Ländern. Das wird nicht dazu beitragen, die eigene Legitimität oder die Legitimität der Verfassung in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Man sollte den Mut haben, das Volk zu befragen.

Was hinter dem Spiel mit der geheimen Liste mit den 12 Fragen steckt, die der deutsche Vorsitz an die Mitgliedstaaten verschickt hat, ist klar: Lasst uns die Terminologie ändern, aber den alten Inhalt beibehalten. Der neue Vorschlag für eine Verfassung ist folglich nichts anderes als ein Taschenspielertrick.

 
  
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  Vladimír Železný (IND/DEM).(CS) Frau Präsidentin! Der uns vorgelegte Bericht kommt dem Versuch gleich, Tote wieder zum Leben zu erwecken! Ich spreche von jener Verfassung, der die Franzosen den Garaus gemacht und die die Niederländer so enthusiastisch zu Grabe getragen haben.

Das Problem besteht jedoch darin, dass die Eurokraten-Elite nicht die Absicht hat, diese simple Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Der Verfassungsprozess verdrängt daher allmählich einen der nicht ganz so leicht zu kontrollierenden Faktoren, nämlich die Bürger der Mitgliedstaaten, aus dem Entscheidungsfindungsprozess. Dieser Vorschlag wurde in einem geheimen Fragebogen geäußert, den die deutsche Präsidentschaft an die Regierungen der Mitgliedstaaten verschickt hat. An einer Stelle wurde in diesem Fragebogen ohne Umschweife gefragt: „Was wäre, wenn wir ein Dokument gleichen Inhalts mit dem gleichen rechtsverbindlichen Charakter wie dem der Verfassung unter einem anderen Namen verabschiedeten?“ Man hätte es nicht unverblümter formulieren können. Dazu gibt man dann, um nicht allzu plump zu klingen, etwas Angst vor der Klimakatastrophe und als Bonbon für die Dickköpfe unter uns eine verbesserte Form der Solidarität im Energiebereich, sodass man den Leuten zu Hause etwas vorzuzeigen hat. Noch wichtiger ist aber, dass wir den kleinen Ländern ihr Vetorecht aberkennen und neue Mehrheitsverhältnisse für die großen Mitgliedstaaten sichern. Und dann kleben wir noch ein Etikett darauf, das uns davon befreit, jemals wieder ein Referendum abhalten zu müssen.

Die Verfasser des Berichts ziehen es vor, besser nicht zu bemerken, dass Deutschland die Verfassung ja noch zu ratifizieren hat, denn schließlich reicht die Unterschrift des Präsidenten für deren Verabschiedung aus. Ebenso ignorieren sie den Tatbestand, dass die Verfassung bislang nur von 16 der 27 Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist, was nur etwa 37 % der europäischen Bevölkerung entspricht. Und sie sehen auch nicht, dass die zweijährige Frist, in der mindestens 80 % der Mitgliedstaaten der Verfassung zugestimmt haben müssen, um den Verfassungsprozess weiterzuführen, verstrichen ist. Ebenso wenig nehmen sie schließlich zur Kenntnis, dass diese Bestimmung Teil einer Verfassung ist, die den neuen Mitgliedstaaten im Rahmen der Beitrittsverträge aufgezwungen wurde.

 
  
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  Corien Wortmann-Kool (PPE-DE).(NL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich den beiden Berichterstattern für ihre Bemühungen danken.

Der Bericht ist insofern mehrdeutig, als die Kernelemente des Verfassungsvertrags ausdrücklich befürwortet werden, zugleich aber auch den Entwicklungen der letzten Jahre Rechnung getragen wird, wiewohl dies vielleicht noch etwas ausführlicher hätte erfolgen können. Die Bürger stehen der Funktionsweise der Europäischen Union nämlich kritisch gegenüber, und das ist nicht nur in den Niederlanden und in Frankreich der Fall. Diese Kritik muss auch vom Europäischen Parlament gebührend berücksichtigt werden. Zum Glück wächst nunmehr in Europa die Akzeptanz für den Gedanken, dass Änderungen erforderlich sind. Der Verfassungsvertrag ist passé.

Der Bericht kann mit unserer Unterstützung rechnen, obschon wir mit einigen Ziffern Probleme haben. Wir befürworten den Bericht, weil er für die Kernelemente des Verfassungsvertrags eintritt. Gleichzeitig öffnet er – was von manchen allerdings in Abrede gestellt wird – die Tür für Überarbeitungen: Klarstellung des Begriffs „Subsidiarität“, keine konstitutionellen Züge, kein europäischer Staat, ein ehrgeiziges Vorgehen auf europäischer Ebene in Bezug auf eine Reihe von Problemen, mit denen wir heutzutage konfrontiert sind, und auch die Teilhabe der Bürger und die Rolle der nationalen Parlamente, bei der allerdings die Rolle dieses Hauses gebührend geachtet werden muss.

Ein Europa nur zu unseren Bedingungen gibt es nicht. Wir müssen miteinander auskommen, und unter weiblicher Führung muss uns das gelingen. Ich wünsche Angela Merkel ebenso wie unserem Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering sowie Kommissionspräsident Barosso viel Erfolg, und wir alle müssen sie unterstützen, damit diese Situation zu einem zufrieden stellenden Abschluss gebracht wird.

 
  
  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE).(PL) Herr Präsident! Herr Brok und Herr Barón Crespo haben einen guten Bericht vorgelegt, der unsere volle Unterstützung verdient. Ich unterstütze ihn uneingeschränkt und werde dafür stimmen. Mit diesem Bericht sendet das Europäische Parlament ein Signal aus, dass es eine Union will, wie sie in Ziffer 9 des Berichts beschrieben ist, nämlich eine effizientere Union, die besser funktioniert und sich für die Rechte ihrer Bürger einsetzt.

Mit unserer Aussage, dass wir die 18 Länder, die den Vertrag ratifiziert haben, unterstützen und uns mit ihnen identifizieren, senden wir eine Botschaft an die Regierungskonferenz. Dennoch sehen wir auch die Notwendigkeit von Veränderungen, die eine unabdingbare Voraussetzung dafür sind, dass die übrigen Länder die Ratifizierung in Angriff nehmen. Wir sind offen für diese Veränderungen, wie sie in Ziffer 12 der Entschließung genannt sind. Es freut mich vor allem, dass in dieser Ziffer auf die Solidarität im Energiebereich Bezug genommen wird, die für mein Heimatland besonders wichtig ist.

In Ziffer 5 wird auf die politische Verantwortung der Mitgliedstaaten verwiesen, die den Verfassungsvertrag unterzeichnet haben. Diese Länder tragen, wie ich hinzufügen möchte, im Rahmen des Völkerrechts, insbesondere der Wiener Konvention über das Vertragsrecht, auch eine juristische Verantwortung. Mein Heimatland Polen hat die europäische Verfassung noch nicht ratifiziert, aber ein Großteil der Polen unterstützt Europa. Die Menschen in Polen gehören zu den stärksten Befürwortern Europas. Das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft, wonach wir Europa gemeinsam aufbauen müssen, sollte meiner Ansicht nach an die Regierungen und nicht an die Bürger gerichtet werden, die schon seit langem von dieser Wahrheit überzeugt sind.

 
  
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  Mario Borghezio (UEN).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit diesem Bericht wird an dem falschen Weg einer Radikalkur festgehalten, um eine Verfassung am Leben zu erhalten, die von der Bevölkerung abgelehnt und dann von den großen Patrioten des Föderalismus verteidigt wurde, darunter der italienische Ministerpräsident Prodi, der Norditalien, d. h. Padanien, den internen Föderalismus in Bezug auf die Steuern verweigert, um eine Justiz à la „Rom, die Räuberstadt“ zu schaffen.

In dem uns vorliegenden Bericht wird die Frage nach den Kriterien für die Begrenzung der Erweiterung umgangen, die doch, wie Ministerpräsident Balkenende zu Recht betonte, im Mittelpunkt der politischen Debatte in Europa stehen. Anstatt über juristische Ausflüchte zu sinnieren, sollte sich Europa lieber auf seine praktischen Probleme konzentrieren und seine Kräfte mobilisieren, um Produktion, Arbeitsplätze und Beschäftigung zu verteidigen, indem es beispielsweise auf die spezifischen, ernsten Bedenken der europäischen Industrie mit Taten reagiert und nicht mit vagen bürokratischen Andeutungen, wie dies Herr Mandelson tat. Unsere Industrie fordert, dass sie in Anbetracht der Aussetzung der Antidumpingmaßnahmen, die unser ultraliberaler Handelskommissar seit Jahresbeginn verhängt hat, geschützt wird.

Unsere Unternehmen und die Beschäftigung leiden unter diesen Fehlentscheidungen, die durch den heutigen Beschluss der Europäischen Zentralbank zur Erhöhung des Leitzinses noch verschärft werden. Die von Brüssel getroffenen Entscheidungen sind falsch, denn sie hemmen unseren Weg in Richtung Fortschritt, Arbeitsplätze und Wohlstand Europas und sind daher weit entfernt von den tief verwurzelten Gefühlen und Meinungen der europäischen Bürger, die auch ihre Steuern zahlen, um Brüssel am Leben zu unterhalten.

 
  
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  Sylvia-Yvonne Kaufmann (GUE/NGL). – Herr Präsident! Die Ratspräsidentschaft muss auf dem Gipfel die Quadratur des Kreises schaffen! Da Europa in der Tat nur gemeinsam gelingt, ist meines Erachtens ein Ausweg aus der Verfassungskrise nur dann möglich, wenn die bevorstehende Regierungskonferenz mit einem sowohl inhaltlich als auch zeitlich klar begrenzten Mandat versehen wird.

Ausgangspunkt der Verhandlungen kann nur der vorliegende Verfassungstext sein. Er trägt die Unterschriften aller 27 Staats- und Regierungschefs. Zwei Drittel aller Mitgliedstaaten, die zugleich die Mehrheit der Bevölkerung der Union ausmachen, haben ihn gemäß ihren Verfassungsanforderungen ratifiziert. Ausdrücklich unterstützen möchte ich Ziffer 11 des Berichts: Jedes Verhandlungsergebnis, das im Vergleich zur Verfassung einen geringeren Grundrechteschutz, ein Weniger an Demokratie, Transparenz oder Effizienz bewirken würde, ist inakzeptabel. Dies gilt erst recht für ein Weniger an Sozialstaatlichkeit. So darf z. B. die sozialpolitische Querschnittsklausel aus Teil 3 der Verfassung nicht zur Disposition gestellt werden. Dies gilt ebenso für die Werte aus Artikel 1 Absatz 2, in dem die Union als Wertegemeinschaft definiert wird. Gut ist, dass unser Parlament all jenen eine rote Karte zeigt, die sich im Windschatten des Nein aus Paris und Den Haag rückwärts gewandt im eigenen Nationalstaat verschanzen wollen.

Die geradezu lächerlichen Scheingefechte gegen die Symbole der europäischen Einigung müssen beendet werden. Die Menschen in Europa wollen weder einen Fahnen- noch einen Hymnenstreit, sie wollen mutige, nach vorn weisende Lösungen. Deshalb brauchen wir eine „Verfassung-plus-Lösung“, insbesondere zur Stärkung des europäischen Sozialmodells!

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank Frau Kollegin Kaufmann! Ich darf eine kleine Bemerkung machen: Als ich letzte Woche meinen Besuch in der Knesset gemacht habe, wurde ich mit der Europahymne und mit einer Musikkapelle begrüßt. Nach dem, was jetzt alles im Raum steht, sollten wir durchaus einmal darüber nachdenken, ob wir das hier im Europäischen Parlament nicht auch machen sollten.

 
  
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  Witold Tomczak (IND/DEM). (PL) Herr Präsident! Die Befürworter der europäischen Verfassung unternehmen beharrliche Anstrengungen, um die Europäische Gemeinschaft und Union in einen europäischen Superstaat zu verwandeln. Das ist das Hauptproblem bei der europäischen Verfassung, und eine solche Entwicklung liegt nicht im Interesse der Völker Europas. Trotz der zahlreichen Bekenntnisse zur Demokratie ist dies der erste Schritt auf dem gefährlichen Weg zum Totalitarismus auf unserem Kontinent.

Der schrittweise Abbau der politischen Funktionen der gegenwärtigen nationalen Strukturen ist eine überaus gefährliche Entwicklung. Eine Übernahme der politischen Funktionen der Nationalstaaten durch supranationale Strukturen fügt dem kulturellen Erbe der einzelnen Völker großen Schaden zu und wird auf lange Sicht dazu führen, dass die souveränen Nationen aufhören zu existieren. Den selbstmörderischen Aktivitäten zum Aufbau eines europäischen Superstaats muss deshalb ein Ende gesetzt werden. Die europäische Verfassung und all ihre Surrogate müssen abgelehnt werden. Die freien Völker Europas brauchen keine Verfassung, um zusammenzuarbeiten.

Notwendig ist eine unverzügliche Aussprache darüber, wie heute die Rechte der Völker – vor allem in Europa – garantiert werden können. Bezeichnenderweise vermeiden die Befürworter der europäischen Verfassung den Begriff der Souveränität, als fürchteten sie ihn. Sie bieten uns gnädigerweise das Recht auf eine Identität an, die man sich aber auch dann bewahren kann, wenn man seiner Freiheit beraubt wird. Die europäische Verfassung ist ein Angriff auf die Souveränität, eine Bedrohung für die Souveränität der Nationalstaaten, für ihre Freiheit und Selbstbestimmung. Ich appelliere an dieses Hohe Haus, den Völkern ein Leben in Freiheit zu gestatten. Die Völker Europas wollen, dass die souveränen Staaten erhalten bleiben!

 
  
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  Maria da Assunção Esteves (PPE-DE).(PT) Auf der bevorstehenden Regierungskonferenz muss die EU in die Zukunft blicken, und sie muss sich das ureigene Wesen ihrer Existenz vor Augen führen. Hier in Europa verkündete die Aufklärung den transzendenten Wert der Würde des Menschen, und hier schrieb sie eine Union von Völkern vor, die diesen Wert mit Leben erfüllen soll.

Bereits im 18. Jahrhundert diktierte Kant die Maxime für ewigen Frieden und erklärte, dass die internen Verfassungen der Staaten ohne entsprechende externe Ordnung ihrer Funktion nicht gerecht werden können. So ist die Modernität auf anthropozentrischen Politiken, auf flexiblen Institutionen und auf der Macht als Instrument der Justiz aufgebaut.

Die Europäische Verfassung ist eine der vor uns liegenden Aufgaben, die uns befähigen kann, in unserer Lebenszeit die Modernität zu vollenden, deren Wiege in Europa steht. Wollen wir nicht ein Projekt der Gerechtigkeit, das nur möglich ist, wenn es durch politisches Teilen untermauert wird? Wenn wir es wollen, ist die Verfassung die Antwort. Sie ist das Fundament für umfassende Demokratie, für die Stärkung der Macht des Parlaments, die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen dem Zentrum und den Mitgliedstaaten, die Charta der Grundrechte, die politische Netzarbeit und für Entscheidungsfindungsregeln, die das angestrebte humane und offene Europa regierbar und effizient werden lassen.

Die Welt stellt uns immer häufiger vor neue Realitäten. Die politischen Eliten haben die Verantwortung, neue Paradigmen zu schaffen und neue Lebensweisen festzulegen. Wir gehen nun diesen Weg zum Konsens – an dieser Stelle möchte ich die Bemühungen der Abgeordneten Enrique Barón Crespo und Elmar Brok hervorheben – und dabei betrübt es mich, dass die Symbole Europas abgewertet werden. Es ist nicht so, als ob diese Abwertung die Antwort auf tatsächliche Gründe für Besorgnis unter den Bürgern wäre. Sie ist vielmehr die Antwort auf Gespenster, die in zufälligen, radikalen politischen Diskursen heraufbeschworen werden. Europa befindet sich in einer Phase des Neuaufbaus seiner Grundlagen, und jetzt ist nicht die Zeit, in der es seine symbolische Dimension aufgeben darf. Paul Valery sagte einmal, Europa könne nur bei Gefahr seines Untergangs aufgebaut werden.

Vielleicht könnten wir dem entgegenhalten, dass Europa durch moralischen Willen und gelassene Vernunft aufgebaut wird. Eines ist ganz sicher: Wenn es zu dieser Odyssee kommt, dann wird es keinen Platz für Halbheiten geben.

 
  
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  Carlos Carnero González (PSE).(ES) Wir werden nicht müde zu erklären, dass die europäische Verfassung nicht das Problem, sondern die Lösung ist.

Ich denke, jene von uns, die im Konvent mitgearbeitet haben, können feststellen, dass die dort ausgearbeitete Verfassung wirklich die bestmögliche Lösung darstellt, aus mindestens drei Gründen: weil ein Konsens erreicht wurde, weil sie wesentliche Fortschritte enthält und auch weil sie uns in die Lage versetzen wird, die politische Union zu vollenden.

Jetzt geht es darum – und darin besteht das Ziel des Berichts von Herrn Barón und Herrn Brok –, sie zu retten; sie nicht zu verpfuschen, nicht durcheinander zu bringen und sie nicht – um einen Begriff aus der italienischen Politik zu verwenden – in die „cosa“ [das Ding] zu verwandeln. Wir brauchen eine Verfassung, nicht eine undefinierbare „cosa“.

Und dafür sind unserer Ansicht nach drei Faktoren zu berücksichtigen. Erstens, die Botschaft. Mir missfällt der Gedanke, sie nicht mehr „Verfassung“ zu nennen. Mir missfällt der Gedanke, die Symbole abzuschaffen. Und ebenso wenig gefällt es mir, ihre Form zu ändern, damit sie unverständlich wird. Wenn wir jedoch keine andere Wahl haben, müssen wir zumindest ihren Inhalt retten. Zum Inhalt gehört eine Frage, deren Erwähnung wir allzu oft vergessen: die Ausweitung der Mitentscheidung und die Charta der Grundrechte.

Was darüber hinaus das Verfahren angeht, sind wir uns denn in diesem Parlament bewusst, dass wir von einem Prozess zur Rettung der Verfassung sprechen, der allzu heimlichtuerisch ist und zu sehr auf Regierungsebene verläuft? Letztendlich sprechen wir darüber, was wir wollen, aber häufig wissen wir nicht, wovon wir reden.

Ich meine, das Europäische Parlament muss deutliche Worte an die Regierungen richten, ihnen sagen, was im Bericht steht, aber es muss sich auch an die nationalen Parlamente wenden.

Wenn wir das Ergebnis der Regierungskonferenz ablehnen, müssen wir diese Parlamente aufrufen, entsprechend zu handeln.

Seien wir wenigstens dieses Mal konsequent.

 
  
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  Georgios Karatzaferis (IND/DEM).(EL) Herr Präsident! Was Europa braucht, ist Licht, mehr Licht. Wir werfen Schatten, Schatten auf Entscheidungen, auf Methoden und auf das, was wir letztendlich erreichen wollen. Noch mehr als Licht aber brauchen wir natürlich Demokratie. Wir wenden uns nicht an die Menschen. Ein polnischer Arbeitnehmer oder ein griechischer Landwirt oder ein belgischer Arzt hat keine Ahnung, was letztendlich mit dieser Verfassung geschehen wird. Wir brauchen Demokratie und dürfen keine Angst vor den Menschen haben. Wir müssen mit ihnen reden und ihre Meinung einholen, von allen, am gleichen Tag in einer allgemeinen Volksabstimmung. Wir entscheiden im Namen der Menschen. Die 27 Staatsoberhäupter, die heute an der Macht sind, werden es morgen nicht sein und können somit nicht das Schicksal der europäischen Bürger für die kommenden Jahrzehnte bestimmen.

Ich stamme aus Athen, der Geburtsstätte der Demokratie. Hier liegt die Pnyx, wo Entscheidungen getroffen wurden und jeder, der das Volk ignorierte, ins Exil verbannt wurde. Die Bürger Europas werden uns eines Tages alle ins Exil schicken, wenn wir ihren Erwartungen im Hinblick auf Demokratie und Gerechtigkeit nicht entsprechen.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte drei Punkte ansprechen. Erstens dürfen wir unter keinen Umständen zulassen, dass die Probleme mit dem neuen Vertrag die Entwicklungen in der Europäischen Union und unsere Errungenschaften überschatten. Eigentlich sind unsere Erfolge die besten Argumente für einen neuen Vertrag. Sie geben uns neue Verantwortung und unterstreichen die Notwendigkeit neuer Vollmachten, um Entscheidungen treffen zu können. Wäre die Europäische Union ein Fehlschlag, hätte sich niemand an uns gewandt, um über den Klimawandel zu sprechen oder einen Beitrag zur Stabilität auf dem Balkan zu leisten. Es hätte auch keine neuen Anträge auf eine Mitgliedschaft gegeben. Wir sollten nicht vergessen, dass die Errungenschaften die wesentlichen Argumente für einen neuen Vertrag sind.

Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass der neue Vertrag das Ergebnis politischer Veränderungen und nicht unterschiedlicher politischer Symbole ist. Wir müssen in der Lage sein, neue Mitglieder aufzunehmen, und brauchen eindeutige, demokratische Kontrolle und Rechenschaft in Bezug auf die von uns getroffenen gemeinsamen Entscheidungen. Wir müssen die Möglichkeit haben, die notwendigen Beschlüsse zu fassen, um die Kriminalität zu bekämpfen, die Herausforderungen der Umwelt- und Energiepolitik zu bewältigen und die Stabilität in unserer Nachbarschaft und in anderen Teilen der Welt, wo dies notwendig ist, zu gewährleisten.

Drittens müssen wir verstehen und darauf achten, dass es wichtiger ist, eine gemeinsame Außenpolitik zu haben als einen gemeinsamen Außenminister. Wichtiger ist, wesentliche Entscheidungen treffen zu können als einen gewählten Präsidenten des Europäischen Rates zu haben. Wichtiger ist, dafür Sorge zu tragen, dass wir Entscheidungen in all den Bereichen treffen können, in denen wir uns heute Herausforderungen gegenübersehen. Das ist wichtiger als alle Symbole. Wir brauchen einen Vertrag, und nicht unbedingt genau den, der gerade zur Debatte steht.

 
  
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  Pervenche Berès (PSE).(FR) Herr Präsident! Ich glaube, wenn dieses Parlament in der jetzigen Phase etwas Lohnendes tun will, dann soll es sich für die Charta der Grundrechte einsetzen, denn sie wird meines Erachtens das Sorgenkind der Verhandlungsergebnisse der Staats- und Regierungschefs sein. Ferner bin ich der Ansicht, dass der uns vorliegende Bericht unserer Kollegen Enrique Barón Crespo und Elmar Brok in den Ziffern 12 und 17 einen zukunftsweisenden Weg ebnet, an den wir uns halten sollten. Diese Ziffern besagen, dass die Erwartungen unserer Mitbürger grundlegende Themen und nicht etwa institutionelle Fragen betreffen. In Ziffer 17 wird die Kommission aufgerufen, den Text, der momentan auf dem Tisch liegt, zu modernisieren und anzupassen, indem einige Änderungen vorgenommen werden, und dabei diese Erwartungen zu berücksichtigen. Darum geht es also.

Die Aufgabe besteht darin, die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 8. März in unsere Politik zu übernehmen, um die EU in die Lage zu versetzen, die von unseren Mitbürgern erhoffte Politik zu verwirklichen. Dies betrifft Politikbereiche wie die Kohärenz im Umweltbereich, die Fähigkeit, die vor uns stehenden Herausforderungen im Energiebereich zu bewältigen sowie den sozialen Erwartungen zu entsprechen.

So sehen also die anstehenden Aufgaben in Wirklichkeit aus, und aus diesem Grunde ist das, was uns unsere Kollegen Enrique Barón Crespo und Elmar Brok vorschlagen, meines Erachtens annehmbar, solange man die Leute nicht für dumm verkaufen will. Sich damit zu begnügen, ihnen eine Veränderung in der Gestaltung des Textes vorzuschlagen und davon auszugehen, dass lediglich der Kontext einige Völker dazu bewogen hätte, „Nein“ zu sagen, würde nicht dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten dieser Völker entsprechen. Ich hoffe, dass unser Parlament morgen in diesem Sinne abstimmen wird.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Es steht außer Zweifel, dass der gegenwärtige Wortlaut der Verfassung der Ausgangspunkt für eine Überarbeitung des Vertrags sein muss, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie wurde von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet. Wenn eine Unterschrift etwas bedeuten soll, dann muss man sich ihr natürlich verpflichtet fühlen. Die Verfassung wurde auch von 18 Mitgliedstaaten ratifiziert. Unter diesem Gesichtspunkt sollten wir nach einem Kompromiss suchen, bei dem die folgenden drei Faktoren Berücksichtigung finden:

Der Erste besteht in den Befürchtungen der Länder, die die Verfassung abgelehnt haben, sowie in den Befürchtungen der Länder, die sie noch nicht ratifiziert haben. Der zweite ist, dass wir einige Fehler, die wir möglicherweise begangen haben – ja, wir haben in der Vergangenheit gewiss einige Fehler gemacht –, ins Kalkül ziehen müssen. Vielleicht sind wir ja zu schnell vorgeprescht und zu weit gegangen, als wir gerade einmal fünf Monate nach der größten Erweiterung der Europäischen Union eine Verfassung unterzeichnen wollten bzw. als wir vielleicht zu ehrgeizig waren, nicht zuletzt damit, dass wir den Vertrag als Verfassung bezeichneten, wo doch unsere Aufgabe ursprünglich darin bestanden hatte, lediglich eine Vereinfachung vorzunehmen.

Drittens und letztens sollten wir dem Aspekt Beachtung schenken, dass der Kompromiss auch die neuen Umstände berücksichtigen muss, unter denen wir leben, und die neuen Herausforderungen, vor denen wir stehen, und die möglicherweise nicht ausreichend bei der Verfassung in Betracht gezogen wurden. Ich denke dabei etwa an eine gemeinsame Einwanderungspolitik und ein gemeinsames Herangehen an den Klimawandel. Ja, der deutsche Ratsvorsitz und der portugiesische Ratsvorsitz danach müssen einen komplizierten Balanceakt vollbringen, und wir wünschen ihnen dazu viel Glück. Das brauchen sie auf alle Fälle!

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte zunächst den Berichterstattern für ihren ausgewogenen Vorschlag danken, mit dem das Europäische Parlament seine Ansichten zum Vertrag bekräftigt, gleichzeitig aber realistisch ist und versteht, dass es Veränderungen geben wird. Diese Veränderungen dürfen aber nicht so aussehen, dass nur ein Minivertrag angenommen wird, in dem einzig und allein institutionelle Fragen behandelt werden. Es darf nicht nur auf die beiden Staaten Rücksicht genommen werden, die den Verfassungsvertrag abgelehnt haben, sondern es müssen auch alle die Länder beachtet werden, die ihn befürwortet haben. Ein neuer Vertrag muss die Fragen widerspiegeln, die die Bürgerinnen und Bürger für wichtig erachten.

Die Bedrohung durch den Klimawandel muss einen Platz darin erhalten, ebenso wie das soziale Europa. Wichtig ist auch, dass – wie auch andere Redner bereits betont haben – die Erweiterung durchgeführt werden kann. Ich glaube jedoch nicht, dass die Lösung darin besteht, die Kopenhagener Kriterien in den Vertrag aufzunehmen. Was wir stattdessen brauchen, sind institutionelle Reformen. Außerdem dürfen wir über Transparenz in Europa nicht nur reden. Der jetzt beginnende Prozess muss offen und im Dialog mit den Bürgern erfolgen, damit wir während der gesamten Zeit eine Diskussion führen können.

Folgendes möchte ich der äußersten Rechten sagen, die oft Zwischenstaatlichkeit als Gegensatz zu Überstaatlichkeit predigt: Von rechts außen kommen die Vorschläge mit dem deutlichsten überstaatlichen Charakter, mit denen die Mitgliedstaaten zu Volksabstimmungen gezwungen werden sollen. Es ist jedoch allein Sache der Mitgliedstaaten, über ihre Vorgehensweise bezüglich des Verfassungsvertrags zu entscheiden. In dieser Frage sind die Rechten viel zu weit gegangen.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). – Proiectul Europa a avut succes iar datoria noastră este să-i oferim mijloacele pentru a funcţiona bine şi în viitor. Din acest motiv, proiectul are nevoie de un fundament clar, transparent, solid şi eficient asumat prin consens, prin voinţa şi experienţa politică şi democratică a tuturor membrilor săi, deoarece obiectivul nostru comun este mai presus de orgoliile şi de temerile individuale. Pentru a fi cu adevărat solidari pentru dezvoltare durabilă, cooperare, extindere şi coeziune avem nevoie de instituţii solide şi eficiente care să ne garanteze funcţionarea, avem nevoie de o politică de securitate şi apărare comună, de o politică externă comună. Acceptarea unui acord politic de bază chiar şi într-o formă restrânsă, precum şi continuarea politicii de vecinătate vor face ca Uniunea Europeană să crească şi să se dezvolte nu numai pentru sine, ci şi cu toate statele din jur, oferindu-le astfel nu numai promisiuni, ci şi exemplul elocvent că numai împreună ne putem dezvolta cu adevărat. De aceea consider că iniţiativa raportorilor este extrem de bine venită şi sper că la Consiliul din iunie se va ţine cont de opiniile exprimate în acest raport.

 
  
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  Libor Rouček (PSE).(CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Bericht entstand während der deutschen Präsidentschaft, daher sollte ich zunächst unseren deutschen Freunden für ihre beachtlichen Überzeugungsbemühungen gegenüber dem Rat auf dem Gipfel im Juni danken, bei dem sie sich für die Einberufung einer Regierungskonferenz und die Umsetzung eines Arbeitsplans einsetzten, um bis zum Ende des Jahres eine Übereinkunft zu erzielen.

Nach der historischen Erweiterung auf 27 Mitgliedstaaten benötigt die EU eine neue verfassungsrechtliche Grundlage. Sie braucht Instrumente, mit deren Hilfe sie effektiv und demokratisch funktionieren kann. Sie ist auf Ressourcen angewiesen, mit denen sie den Bedenken der Bürger bei Themen wie Globalisierung, illegale Immigration und Sicherung der Energieversorgung Rechnung tragen kann.

Diese Instrumente und Ressourcen finden sich in gewissem Maße in dem vorliegenden Verfassungsentwurf wieder, der von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten bereits verabschiedet wurde. Vier weitere Staaten haben ihr Ja zur Ratifizierung und zur Wahrung der grundlegenden Prinzipien und Inhalte dieses Dokuments erklärt. Die klare Mehrheit, diese Koalition der Kräfte, sollte die Basis für weitere Verhandlungen bilden, in deren Ergebnis etwaige Verletzungen der Menschenrechte oder Beschränkungen des demokratischen und effizienten Funktionierens der EU jedoch unter allen Umständen vermieden werden müssen.

Schließlich möchte ich die Regierungen der drei Länder, die die Verfassung bislang noch nicht ratifiziert haben, einschließlich meines Heimatlandes, der Tschechischen Republik, auffordern, sich zu dem zu bekennen, wozu sie sich verpflichtet haben und das Dokument ihren Bürgern zur Billigung vorzulegen. Und falls sie sich vor ihren Bürgern fürchten, so sollten sie wenigstens damit aufhören, diejenigen an ihrer Arbeit zu hindern, die eine konstruktive, schnelle und demokratische Lösung suchen.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Wir haben in den letzten Monaten in der Verfassungsdebatte sehr viele gute Ratschläge erhalten: gute, gut gemeinte und einige, die nicht einmal gut gemeint waren. Der makaberste dieser Vorschläge war wohl, die Grundrechtecharta aus dem Kerntext herauszunehmen und sie allenfalls mit einem Verweis zumindest technisch am Leben zu erhalten. Auf den ersten Blick war dieser Vorschlag vielleicht noch gut gemeint. Wer einen kurzen, einfachen, leicht lesbaren Text haben will, ist mit dem Vorschlag auch gut bedient. 65 Artikel weniger – das ist angesichts der Leseschwäche, die uns Pisa für dieses gemeinsame Europa bescheinigt, vielleicht ganz wichtig. Aber bei näherem Hinsehen stellt sich die Sache ganz anders dar.

Worum geht es denn beim Thema Grundrechte? Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um den Schutz der einzelnen Menschen vor denen, die Macht haben. Das war und muss auch in Zukunft eine der historisch wichtigsten Aufgaben jeder Gemeinschaft sein. Gerade deshalb ist der Vorschlag, die Grundrechtecharta herunterzuspielen, sie klein und möglichst unsichtbar zu machen, so befremdend.

In Österreich haben wir seit vielen Jahren eine Aktion, die sich „Licht ins Dunkel“ nennt. Sie dient dazu, sozial Schwächeren zu helfen – in der Weihnachtszeit, aber nicht nur dann. Wir brauchen auch beim Thema Grundrechtecharta eine Aktion „Licht ins Dunkel“, und ich freue mich, dass sich in dieser heutigen Debatte sehr viele ausdrücklich dafür ausgesprochen haben, beim Thema Grundrechtecharta am Ball zu bleiben und sicherzustellen, dass wir auch in Zukunft einen Verfassungsvertrag als wichtigen Kerntext in unserem Gemeinschaftsrecht haben werden.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank. Und das Ganze bis Weihnachten, Reinhard Rack!

 
  
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  Margrietus van den Berg (PSE).(NL) Herr Präsident! Die EU kann nur mit einem neuen Vertrag demokratischer und effizienter gestaltet werden. Das niederländische „Nein“ im Jahr 2005 war keine Absage an Europa: 72 % der Niederländer betrachten die europäische Zusammenarbeit als nützlich. Für die Niederlande würde es also eine Katastrophe bedeuten, sollten wir ohne Alternativen an einem „Nein“ festhalten, wie es die Sozialistische Partei der Niederlande zu tun droht. Von daher mein Fünf-Punkte-Plan für einen neuen Vertrag, um dem niederländischen „Nein“ gerecht zu werden und die Mehrheit der Niederländer zu einer Rückkehr ins „Ja“-Lager zu bewegen.

Erstens: ein demokratisches Europa, weniger Vetos, mehr Mitentscheidung des Europäischen Parlaments, Transparenz der Beschlussfassung, Abschied von Straßburg, bessere Zusammenarbeit zwischen dem EP und den nationalen Parlamenten, aber keine Rote Karte, die die Befugnisse beider durcheinandermischt.

Zweitens: ein sozialeres Europa. Aufnahme einer Sozialklausel, mit der festgelegt wird, dass öffentliche und halböffentliche Einrichtungen dem Markt nicht untergeordnet werden, sondern nach den Vorstellungen der einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen ausgestaltet werden können. Die Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte gewährleisten.

Drittens: ein Europa der Bürger und der Regionen durch mehr Dezentralisierung und verstärkte Subsidiarität. Grenzgebiete und Regionen sollten als Versuchsfelder fungieren dürfen. Die Unionsbürger sollten das Recht erhalten, durch Einreichung von Petitionen zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung zu setzen.

Viertens: Aufnahme strengerer Beitrittskriterien in den neuen Vertrag, um Mogelei zu verhindern. Vor neuen Erweiterungen muss zuerst unser eigenes europäisches Haus in Ordnung gebracht werden.

Fünftens: Wesentliche Kürzung des neuen Vertrags durch Verweise auf sämtliche Vereinfachungen. Dadurch wird er um 322 Artikel gekürzt werden. Ferner sollte der Vertrag tatsächlich ein Vertrag sein, denn bei der Verfassung hatten die Niederländer das Gefühl, ihrer eigenen Verfassung verlustig zu gehen.

Auf diese Weise können die Niederländer wieder ihre Stellung als Vorkämpfer an der Spitze Europas einnehmen, wo wir aufgrund unserer eigenen Interessen und unserer eigenen Ideale auch hingehören.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich nochmals bei beiden Berichterstattern, die die Grundlage für die heutige Debatte geliefert haben, recht herzlich bedanken. Gleichzeitig begrüße ich die – wie ich finde – breite Unterstützung für dieses Projekt des europäischen Verfassungsvertrags, für das wir noch einiges leisten müssen.

Íñigo Méndez de Vigo hat zu Beginn Hemingway zitiert, das Beispiel mit dem Fischer und dem großen Fisch, von dem am Ende nur die Gräten übrig waren. Dem Fischer fehlten möglicherweise die technischen Voraussetzungen, um den großen Fisch sicher und lebendig in den Hafen zu bringen. Aber wir, die wir heute vor großen Herausforderungen stehen, haben alle Möglichkeiten. Wir haben erkannt, dass diese Europäische Union sich in der Frage der Entscheidungsfähigkeit, in der Frage von Themen, die heute andere sind als vor 10 oder 15 Jahren, anders aufstellen muss.

Es wäre schade, wenn diese Arbeit, die in den zurückliegenden Jahren geleistet worden ist, plötzlich nicht mehr akzeptiert wird. Ich sage ganz bewusst, auch als jemand, der früher nur als Parlamentarier gearbeitet hat: Es ist falsch, bei einer solchen Debatte falsche Worte zu verwenden. Niemandem wird etwas aufgezwungen. Es war der Wille von Parlamentariern und Parlamenten, nach den Erfahrungen von Nizza einen Konvent einzuberufen, an dem viele Parlamentarier und Parlamente mitarbeiten wollten, um einen neuen Vertrag zu schaffen.

Es wurde ausdrücklich gewünscht, dass auch Parlamentarier und Parlamente von Staaten, die noch nicht Mitglied der Europäischen Union waren, teilnehmen. Heute Beispiele dafür zu nennen, dass hier etwas aufgezwungen worden wäre, ist nicht richtig. Es entsprach genau jenem demokratischen Willen, der diese Europäische Union auszeichnet, dass man diese Länder mit einbeziehen wollte, damit sie keinen Vertrag übergestülpt bekommen.

In den letzten Tagen wurde immer wieder gesagt, die deutsche Ratspräsidentschaft wolle den Erfolg. Natürlich wollen wir den Erfolg, aber doch nicht für uns, sondern für diese Europäische Union, weil wir am 25. März festgehalten haben, vor welchen Herausforderungen wir stehen und dass wir neue Möglichkeiten im Klimaschutz und im Energiebereich brauchen. Und wer dieser Europäischen Union bei Klima und Energie mehr Solidarität abverlangt, braucht natürlich auch die entsprechenden Mittel. Insofern herzlichen Dank für die breite Unterstützung! Wir hoffen – wie es eine Kollegin gesagt hat –, dass die Staats- und Regierungschefs ein klares, zeitlich befristetes Mandat für eine Regierungskonferenz finden.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Minister Gloser. Wir wünschen der deutschen Präsidentschaft Erfolg für unser gemeinsames Europa. Wenn Europa Erfolg hat, dann hat die Präsidentschaft es auch. Dann ist alles fast perfekt.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Bei unseren Diskussionen über eine neue institutionelle Regelung und einen neuen Vertrag sind zwei Frauen immer dabei: Frau Merkel, die die Hoffnung auf einen Weg nach vorn verkörpert, aber auch Pandora mit ihrer Büchse, die sie hoffentlich nicht öffnet. Sie erinnern sich vielleicht, dass das Einzige, was in der Büchse der Pandora verblieb, die Hoffnung war. Nachdem alles andere aus der Büchse entwichen war, blieb nur die Hoffnung zurück. Hoffen wir also auf eine neue Regelung. Wir müssen außerdem die Chance nutzen, die sich uns jetzt gerade bietet.

Ich habe mir unsere Besucher, unsere Gäste und Zuschauer, angesehen und mich gefragt, wie sie über diese Aussprache denken mögen. Denken sie, es geht darum, die Nein-Stimmen gegen die Ja-Stimmen abzuwägen, oder dass wir versuchen zu erklären, weshalb es so wichtig ist, die politischen Investitionen zu bewahren, die in der Suche nach einem Weg gemacht wurden, Entscheidungen der Europäischen Union effizienter, offener und transparenter zu gestalten? Das ist es, was im Augenblick niemand aufgeben möchte. Wir wollen nicht, dass die Jahre der Diskussionen und Verhandlungen sowie die Zeit, die wir in diesen ganzen Prozess investiert haben, weil wir der Europäischen Union eine stärkere Stimme im Weltmaßstab geben wollen, umsonst waren. Wir wollen darüber entscheiden, wer nach der Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 27 Mitgliedstaaten innerhalb weniger Jahre was macht, und wir müssen Entscheidungen treffen – zu den Politiken, den neuen Herausforderungen, vor denen wir auf dem Gebiet der Energie, des Klimawandels und der Migration stehen.

Das hat auch etwas zu tun mit der Art und Weise, wie wir arbeiten, wie wir Entscheidungen treffen und wie wir gemeinsam handeln. Das ist es, was wir klären müssen: Wir diskutieren institutionelle Angelegenheiten, weil sie unlösbar mit dem politischen Inhalt verbunden sind.

Wir haben zu viel investiert, um alles so einfach aufzugeben. Wir hoffen, dass der deutsche Ratsvorsitz uns helfen wird, eine Lösung zu finden, und wir als Kommission sind bereit zu helfen. Wir hoffen, dass sich die Bürger mit Unterstützung aller informiert fühlen, und dann ist es uns gelungen, sowohl zuzuhören als auch klipp und klar zu erklären, was wir tun wollen. Gemeinsam können wir das erreichen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  John Attard-Montalto (PSE), schriftlich.(EN) Der Prozess des Verfassungsvertrags kam durch die Referenden in Frankreich und den Niederlanden zum Stillstand. Einige Mitgliedstaaten fuhren mit der Ratifizierung fort, andere nicht. Dann kam die Reflexionsphase.

Heute ist der Verfassungsvertrag wieder in Schwung gekommen. Die Roadmap spricht von einer Verfassung bis zum Jahre 2009, also vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament.

Als die Verfassung abgelehnt wurde, hat sich jeder Gedanken darüber gemacht. Im Allgemeinen hatte man den Eindruck, dass sich viele Bürger Europas vor den Kopf gestoßen fühlten.

Eine europäische Verfassung ist vor allem dann unabdingbar, wenn man an den europäischen Prozess glaubt.

Zweitens müssen die Bürger in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Gefühl haben, dass sie zur EU genauso gehören, wie sie sich auch als Staatsbürger ihrer jeweiligen Länder fühlen.

Drittens sollten diese Bürger unbedingt wissen, worum es in der Verfassung geht.

Ich habe diese Prioritäten aufgezählt, weil nicht alle EU-Mitgliedstaaten sich in gleicher Weise für den Prozess engagieren. Viele Europäer fühlen sich neben ihrer eigenen Nationalität nicht als Bürger der EU. Abschließend möchte ich sagen, dass sich die meisten Europäer der Für und Wider der Verfassung noch immer nicht bewusst sind. Wenn wir diese Fragen in den kommenden zwei Jahren nicht ernsthaft angehen, kann es passieren, dass wir uns dann in der gleichen Position wie heute wiederfinden.

 
  
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  Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich.(FR) Ich begrüße den Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments über den EU-Verfassungsprozess, dessen Koberichterstatter Elmar Brok (PPE-DE) aus Deutschland und Enrique Barón Crespo (PSE) aus Spanien sind. Dieses politische Dokument wird der deutschen Ratspräsidentschaft gute Dienste erweisen, die unter der Anleitung von Angela Merkel im Hinblick auf die Festschreibung ihrer Roadmap auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates am 20. und 21. Juni 2007 eine bedeutende Rolle spielt.

In diesem Entschließungsantrag wird schließlich anerkannt, dass die europäischen Völker und ihre Vertreter im Europäischen Parlament stärker in den institutionellen Prozess einbezogen werden müssen. Wenn wir den Weg von einem technokratischen zu einem politischen Europa gehen wollen, darf Europa nicht länger in Botschaftssalons brüten, sondern es gilt, den Übergang von einem Europa der Diplomatie zu einem Europa der Demokratie zu vollziehen.

Ich begrüße auch die Weitsicht des neuen Präsidenten der Französischen Republik, Nicolas Sarkozy, der einen vereinfachten institutionellen Vertrag vorschlägt. Dies ist die einzige Möglichkeit, um voranzukommen in der Hoffnung, unsere Institutionen zu verändern, und mit der Aussicht, den Weg zu den Europawahlen im Juli 2009 mit neuen Regeln zu beschreiten. Es gilt, Plan B zu erfinden, der niemals existiert hat, und die Vernunft muss über Dogmatismus und andere demagogische Positionen siegen. Das Europa der Bürger ist auf dem Vormarsch.

 
  
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  Alexandra Dobolyi (PSE), schriftlich. (HU) Dem Verfassungsvertrag zufolge ist das Ziel der Union, den Frieden, die Grundwerte und das Wohlergehen der Bevölkerung ihrer Mitgliedstaaten zu fördern sowie einen Raum ohne Binnengrenzen zu schaffen, der ihren Bürgern Frieden und Sicherheit bietet, um ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum zu erreichen und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken.

Die Reflexionsphase ging mit dem deutschen Ratsvorsitz zu Ende. Berlin erhielt den Auftrag, beim Gipfeltreffen im Juni 2007 die Grundlagen für einen neuen Vertrag zu schaffen. Hat der Juni-Gipfel Erfolg, werden die Mitgliedstaaten dem künftigen portugiesischen Ratsvorsitz den Auftrag erteilen, eine Regierungskonferenz mit dem Ziel einzuberufen, den gesamten Text des neuen Vertrags bis Ende des Jahres fertig zu stellen.

Einigen sich die Mitgliedstaaten auf den neuen Vertrag, können das neue Europäische Parlament und die neue Europäische Kommission, die 2009 eingesetzt werden, auf einer effizienteren, transparenteren und demokratischeren Grundlage arbeiten. Dazu gehören eine beschleunigte Beschlussfassung, eine eindeutige Festlegung der Zuständigkeiten der einzelnen Institutionen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten, die Wahrung der Subsidiarität und eine stärkere Gleichstellung der Mitgliedstaaten. Ferner muss eine Lösung gefunden werden, damit den Instrumenten und politischen Maßnahmen der Gemeinschaft, die für das Erreichen unserer gemeinsamen Ziele notwendig sind, endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der gemeinsame Erfolg hängt in erster Linie vom politischen Willen ab, einvernehmlich zu handeln.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Als Erstes muss in dieser Aussprache gesagt werden, dass man nicht darüber hinwegsehen darf, dass das Projekt des Verfassungsvertrags mit seiner Ablehnung in den Referenden 2005 in Frankreich und in den Niederlanden gestorben ist. Damit setzt jede Änderung des derzeitigen Vertrags den Neubeginn des gesamten Prozesses voraus, und jeder Vorschlag für einen neuen Vertrag muss den Wählern in Referenden zur Entscheidung vorgelegt werden, die in jedem Mitgliedstaat zu den von den jeweiligen nationalen Behörden beschlossenen Terminen stattfinden müssen.

Das haben die Berichterstatter aber nicht getan. Sie halten immer noch an ihrer Unterstützung für den so genannten Entwurf des Verfassungsvertrags fest und versuchen so, die Entscheidung des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni zu beeinflussen. Das lehnen wir rundweg ab.

Wir bekräftigen unsererseits, dass wir gegen ein Dokument sind, das Neoliberalismus, stärkere Militarisierung und immer größere Machtkonzentration verteidigt, was durch die Verankerung einer oberen Befehlsebene der EU-Großmächte auf Kosten des Demokratieabbaus und der Schmälerung des Einflusses der Menschen und Institutionen der kleinen und mittleren Mitgliedstaaten erreicht werden soll.

Wir sind für ein demokratischeres, gerechteres und solidarischeres Europa, das den Frieden und die Zusammenarbeit mit den Völkern in allen Teilen der Welt fördert, für ein Europa, das den Grundsatz souveräner und gleichberechtigter Staaten achtet.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE), schriftlich.(EN) Auf der Tagung des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni werden die Staatsoberhäupter der EU eine ziemlich schwierige Aufgabe zu bewältigen haben. So werden sie einen relativ schlüssigen Kompromiss zu den strittigsten Punkten in Bezug auf Europas institutionelle und konstitutionelle Zukunft finden müssen. Sie können es sich nicht leisten, ihrer Pflicht nicht nachzukommen, und im Nachhinein beginnen, in Bereichen, in denen die verschiedensten internationalen Interessen nicht durchgesetzt werden konnten, einen Rückzieher zu machen.

Wenn es ihnen gelingt, sich über die wesentlichen politischen Streitpunkte zu einigen und damit den Weg für eine relative baldige Regierungskonferenz zu ebnen, auf der dann die Details zu klären sind, dann könnte das der bisherige Höhepunkt der Existenz des Europäischen Rates sein. Dann hätte er sich ohne allen Zweifel legitimiert und im Handumdrehen die Trägheit abgeschüttelt, die in den letzten Jahren für Entscheidungen auf höchster EU-Ebene so charakteristisch war.

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass sich die führenden EU-Politiker dieser Herausforderung stellen. Jeder weiß, was notwendig ist: Die große Mehrheit des Verfassungsvertrags muss erhalten und die Befürchtungen müssen ausgeräumt werden, die zu den beiden ablehnenden Referenden im Jahre 2005 geführt haben. Es ist an der Zeit, diesen Konsens mit dem entsprechenden politischen Willen zu erreichen.

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE), schriftlich. – Anlässlich der Diskussion über die Roadmap für den EU-Verfassungsprozess begrüße ich die ausdrücklich bekräftigte Unterstützung des Inhalts des Verfassungsvertrags durch das Europäische Parlament, die im Entschließungsentwurf klar bestätigt wurde. Auch ich möchte betonen, dass bereits zwei Drittel der Mitgliedstaaten den Verfassungsvertrag ratifiziert haben und wir als Vertreter der Bürger die politische Verantwortung haben, auf die Stimme aller Mitgliedstaaten zu hören.

Aus diesem Grund fordere ich, alle Grundprinzipien, die in Teil I des Verfassungsvertrags enthalten sind, zu belassen.

Ich glaube, jeder wird mir Recht geben, dass der Verfassungsvertrag wichtige Verbesserungen im Bereich der Konsolidierung der bestehenden Verträge und Verschmelzung der Pfeiler, der Anerkennung der Werte, auf denen die Europäische Union beruht, der Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte, sowie auch der Teilhabe der Bürger am politischen Leben beinhaltet.

Aus diesen Gründen unterstütze ich die Bemühungen des deutschen Ratsvorsitzes, eine Einigung über die Festlegung einer Roadmap bis Ende des Jahres zu erreichen, und dem Bericht folgend fordere ich, den Ratifizierungsprozess des neuen Vertrags vor Ende 2008 zum Abschluss zu bringen.

In diesem Zusammenhang rufe ich die Kommission einerseits auf, ihre Rolle bei den bevorstehenden Verhandlungen umfassend wahrzunehmen, sowie andererseits das Europäische Parlament in diese einzubinden.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich.(EN) Ich möchte meine Kollegen, Herrn Barón Crespo und Herrn Brok, zu diesem Bericht beglückwünschen, in dem drei Aspekte Berücksichtigung finden, auf die ich kurz eingehen möchte.

Erstens, der Verfassungsvertrag macht schwere Zeiten durch. Es gibt da die Freunde der Verfassung, nämlich die 18, die sie ratifiziert haben, und andere, für die eine Ratifizierung kein Problem darstellen würde. Aber es gibt auch Freunde, die Schwierigkeiten haben: Frankreich und die Niederlande. Außerdem haben wir die Skeptiker – das Vereinigte Königreich, Polen und die Tschechische Republik.

Deshalb brauchen wir Führungsstärke. Glücklicherweise haben wir Bundeskanzlerin Merkel, in die ich mein volles Vertrauen setze.

Zweitens müssen wir der Regierungskonferenz ein klares Mandat erteilen, das noch vor den Wahlen 2009 zu einer Lösung führt. Im Bericht wird darauf eingegangen.

Drittens möchten wir, dass der wesentliche Inhalt des Verfassungsentwurfs in den endgültigen Vertrag übernommen wird. Dazu gehören die institutionellen Neuerungen, die Rechtspersönlichkeit, die Charta der Grundrechte und der Außenpolitische Dienst. Die Symbole sind mir mehr oder weniger egal.

Wir brauchen den Verfassungsvertrag, damit die EU demokratischer, transparenter und effizienter wird.

Deshalb gebe ich diesem Bericht meine uneingeschränkte Unterstützung.

 

13. Naher Osten (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Kommission zum Nahen Osten.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL).(EN) Herr Präsident! Wir Abgeordnete des Europäischen Parlaments wollen unsere Solidarität mit unseren palästinensischen Kollegen bekunden, die von Israel inhaftiert wurden. Daher haben 45 Abgeordnete des Europäischen Parlaments in einer symbolischen Geste gemeinsam die Patenschaft für die 45 palästinensischen Parlamentsabgeordneten übernommen. Als gewählte Vertreter können wir die Inhaftierung des Präsidenten und eines Drittels der Mitglieder des Palästinensischen Legislativrates nur verurteilen. Wir verlangen ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Außerdem halten wir an unserer Forderung fest, dass eine Delegation des Europäischen Parlaments entsandt wird und alle erforderlichen Schritte zur Verwirklichung dieses Ziels ergriffen werden.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herr Kollege! Ich habe am vergangenen Mittwoch – also heute vor einer Woche – eine vergleichbare Forderung vor der Knesset gestellt. Vor der Knesset eine solche Forderung zu stellen, ist etwas, was einer besonderen Überlegung bedarf. Hoffen wir, dass wir in allen Fragen – auch was die Freilassung der drei gefangenen israelischen Soldaten und des BBC-Journalisten Alan Johnston betrifft – zu einer Lösung kommen. Alle Seiten müssen sich bewegen.

 
  
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  Javier Solana, Hoher Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eingangs möchte ich bemerken, dass vor genau einer Woche ein Treffen des Quartetts in Berlin stattfand. Da ich sicher bin, dass Sie das am gleichen Abend veröffentlichte Dokument gelesen haben, sind Sie sich unserer Solidarität mit den verhafteten Mitgliedern der Palästinensischen Autonomiebehörde und des Parlaments und, wie der Präsident dieses Parlaments ganz richtig sagte, mit den übrigen Personen, die gegen ihren Willen in Israel oder den palästinensischen Gebieten festgenommen wurden, bewusst.

Herr Präsident, ich möchte eine kurze Erklärung abgeben. Man hat mich gebeten, höchstens 10 oder 15 Minuten zu sprechen – das werde ich versuchen –, ich bin gerade von einer langen Reise durch die Region zurückgekehrt und konnte dort die meisten der wichtigen regionalen Politiker treffen und die Lage analysieren, sodass ich auch dem Quartett am vergangenen Mittwoch einen Bericht geben konnte.

Ich war erfreut, diese Reise etwa in derselben Zeit durchzuführen wie der Präsident des Parlaments, mit dem ich telefonisch in Verbindung stand, und auch eine herausragende Gruppe von Abgeordneten, die mir ein Schreiben sandten und denen ich noch nicht geantwortet habe. Ich möchte gern mit ihnen persönlich zusammentreffen, denn glauben Sie mir, seither war ich nicht einen einzigen Tag in Brüssel.

Ich werde sehen, ob ich mich mit Ihnen treffen kann, um in Ruhe über die von Ihnen aufgeworfenen Themen zu sprechen, die ich für äußerst wichtig halte.

Herr Präsident, meines Erachtens ist diese Tagung von besonderer Bedeutung. Sie findet darüber hinaus zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt für Palästina, Israel sowie die Bürger der Welt im Allgemeinen und der arabischen Welt im Besonderen statt.

In diesen Tagen jährt sich zum 40. Mal der Ausbruch des Krieges von 1967, unter dessen tragischen Folgen wir noch immer leiden. Wenn wir auf die letzten vier Jahrzehnte zurückblicken, läuft fraglos noch immer ein Schauder durch unsere Reihen.

Es waren 40 Jahre der Besatzung, des Schmerzes und der Not auf beiden Seiten, der Gewalt, unter der die Bürger Palästinas und auch Israels schwer gelitten haben, und auch 40 Jahre, in denen Israel seine Siedlungen in den besetzten Gebieten über die Maßen ausgedehnt hat.

Angesichts dieser vierzigjährigen Entwicklung haben wir zwei Möglichkeiten oder Wege, diese Situation zu beurteilen: Wir können zurückschauen, um aus den Fehlern, die sich nicht wiederholen dürfen, zu lernen, oder wir können nach vorn blicken und versuchen, die allerwichtigste Lehre zu ziehen: dass nämlich die einzige Lösung zur Beilegung dieses schon vier Jahrzehnte andauernden Konflikts im Frieden besteht, einem zügigen Friedensprozess, der zu einem raschen Frieden führt.

Es gab viele Prozesse, und viele Chancen für den Frieden wurden verpasst. Ich glaube, wir sollten jetzt alle den Willen haben – den Willen zu handeln, nicht nur zu überlegen und zu reden, sondern den Willen zu handeln –, damit es uns wirklich gelingt, den Frieden in dieser Region zu verwirklichen, die vielen von uns und den Europäern im Allgemeinen so sehr am Herzen liegt.

Deshalb will ich vorwärts blicken, aber gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zu dieser Reise, da die Gebiete, die ich besucht habe, jetzt leider keine sehr gute Zeit durchleben.

In den besetzten palästinensischen Gebieten sind wir Zeuge einer schwierigen Lage, es herrscht Gewalt zwischen den Palästinensern und auch wieder zwischen Israel und Palästina. Die Appelle der Seiten zur Waffenruhe fanden weder in Palästina noch zwischen Palästina und Israel Gehör.

Ich möchte heute einen Aufruf an alle richten, die in dieser Region Verantwortung tragen, das Feuer so schnell wie möglich einzustellen, damit ein günstiges Klima für den Friedensprozess entstehen kann.

Ebenso wie der Präsident des Parlaments hatte ich Gelegenheit, den Gazastreifen zu besuchen. Der Besuch im Gazastreifen ist zurzeit eine wirklich wichtige Erfahrung. Ich war dort nicht zum ersten Mal, doch ich hielt es für eine moralische Pflicht, besonders zu diesem Zeitpunkt dorthin zu reisen und mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammenzukommen, um nicht den Eindruck zu vermitteln, die Welt hätte vollkommen vergessen, was in Gaza geschieht. Die Lage dort ist schwierig, es herrscht Gewalt zwischen Palästinensern, eine Gewalt, die nirgendwohin führt, wenn sie fortgesetzt wird.

Deshalb müssen wir zunächst versuchen, diese Gewalt einzudämmen, eine Waffenruhe zu erreichen, damit die Palästinenser endlich beginnen können, für eine gemeinsame Sache zu arbeiten, natürlich für den Frieden: Frieden mit ihren Nachbarn und Frieden untereinander. Wir tun dabei alles in unseren Kräften Stehende, sowohl ich in meiner Funktion als auch die Kommission, die großzügige Hilfe leistet.

Ich möchte Ihnen sagen, dass die Lage in Palästina in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht dramatisch ist. Deshalb bin ich der Auffassung, dass wir, sobald diese Phase vorüber ist und wir uns erneut mit den politischen Führern zusammensetzen und deutlicher und transparenter mit ihnen sprechen können, über die Aufstellung eines speziellen Hilfsplans für Gaza nachdenken müssen. Sonst könnten wir vor einer wirklich komplizierten Situation in Gaza stehen, in der es schwerfallen dürfte, zu einem echten Friedensprozess zurückzukehren.

Ich meine auch, dass alle den feierlichen Aufruf von Präsident Abbas gestern zum Jahrestag des Kriegsbeginns von 1967 lesen und analysieren sollten, denn aus ihm spricht ein bemerkenswerter moralischer Mut.

Ich war auch in Israel, wo ich mit dem Premierminister und der Außenministerin zusammentraf. Weiterhin reiste ich nach Sderot, dem am stärksten von den Kassam-Raketen in Mitleidenschaft gezogenen Gebiet. Ich hielt es auch für angebracht, unsere – die europäische – Solidarität mit all jenen zum Ausdruck zu bringen, die unter Gewalt jeglicher Art leiden, auch unter den Angriffen mit Kassam-Raketen.

Der Aufenthalt dort war schwierig und hart, doch vor Ort zu sein, vermittelt auf jeden Fall ein deutlicheres Bild von den Ereignissen.

In unserer Erklärung vom letzten Mittwoch haben wir, die Mitglieder des Quartetts, Israel zur Zurückhaltung aufgefordert.

Israel befindet sich ebenfalls in einer komplizierten politischen Lage. Die Vorwahlen in der Arbeitspartei sind noch nicht beendet – sie stehen kurz vor dem Abschluss –, und wir müssen abwarten, wie die nächste Regierung aussehen wird, ob es nach den Wahlen in der israelischen Arbeitspartei Veränderungen gibt.

Die Erklärung des Quartetts enthält einen klaren – und energischen – Appell an Israel, die Gelder an die Palästinensische Autonomiebehörde zu überweisen.

Die internationale Gemeinschaft kann viel tun, und das tun wir auch, wir Europäer wahrscheinlich mehr als alle anderen.

Die arabischen Länder haben inzwischen dem Finanzminister, Salam Fallad, ebenfalls Geld übergeben, und wir können heute sagen, dass sich allmählich die Möglichkeit abzeichnet, dass die Palästinensische Autonomiebehörde einen Haushaltsplan aufstellen kann.

Doch ohne den Geldtransfer von Israel an Palästina kann die internationale Gemeinschaft nur wenig erreichen. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen hängt im Wesentlichen vom Mitteltransfer Israels an die Palästinenser ab.

Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zum Quartett und dann zum Libanon.

Das Treffen des Quartetts am vergangenen Mittwoch in Berlin war nach meiner Erfahrung – und wir gehören dem Quartett seit vielen Jahre an, seit ich mithalf, es ins Leben zu rufen – sicherlich eines der bisher wichtigsten. Es war eine Beratung des Quartetts, in dem wir ernsthaft über die Möglichkeiten, den Friedensprozess in Gang zu setzen, nachdenken konnten. Wenn Sie den letzten Absatz der Erklärung lesen, werden Sie sehen, dass sie den Blick wirklich auf die Zukunft richtet und die Mitglieder des Quartetts verpflichtet, entschlossen zu arbeiten, in Kooperation mit den Seiten – Israel, Palästina und den arabischen Staaten –, um einen Friedensprozess mit einer politischen Perspektive in Gang zu setzen.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte stattet das Quartett der Region einen gemeinsamen Besuch ab, es wird in den kommenden Wochen mit den Palästinensern und den Israelis zusammentreffen, und es wird auch Beratungen mit den arabischen Ländern geben, die meiner Ansicht nach mit der arabischen Friedensinitiative ebenfalls zu einer beginnenden Normalisierung des Lebens – oder zu Ansätzen einer Möglichkeit der Normalisierung – in den Gebieten zwischen Israel und Palästina beitragen.

Daher glaube ich, dass die internationale Gemeinschaft in dieser Zeit, da viele Menschen mutlos sind, Palästinenser und auch ein bestimmter Sektor der israelischen Gesellschaft, mithilfe des Quartetts eine Antwort in entgegengesetzter Richtung gibt: Sie reagiert mit Hoffnung, mit dem Gefühl, dass wir nach 40 Jahren die moralische Pflicht haben, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um zu einem formell festgeschriebenen Frieden, zu einem Friedensprozesses zu gelangen.

Lassen Sie mich sagen, dass die kommenden Wochen ganz entscheidend für die Ingangsetzung einer Bewegung sein werden, die uns aus der gegenwärtigen Situation zu einem Friedensprozess und zum Frieden führt.

Es ist nicht so schwierig, die Elemente zu bestimmen, die zu diesem Friedensprozess beitragen können. Fast alle von uns haben eine Vorstellung von den für die Herstellung des Friedens erforderlichen Parametern. Jetzt gilt es, in Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern des Quartetts an die Arbeit zu gehen. Ich möchte betonen, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen, die US-Außenministerin und der russische Außenminister unseren Vorschlag sehr kooperativ aufgenommen haben, und sie brachten ihre klare Unterstützung für die Ideen zum Ausdruck, die ich das Privileg hatte, dem Quartett im Namen Europas zu unterbreiten.

Wir stehen also an einem äußerst wichtigen Scheideweg, meine Damen und Herren, was die Lage vor Ort angeht, aber auch an einem positiven Kreuzweg in Richtung auf einen Friedensprozess, der sich für uns am Horizont abzuzeichnen beginnt.

Meine Damen und Herren, ich darf die Redezeit, die mir der Präsident gewährt hat, nicht verstreichen lassen, ohne einige Worte zum Libanon zu sagen. Der Libanon befindet sich erneut in einer schweren Krise. Sie, verehrte Abgeordnete, sind über die Lage gut informiert. Diese Phase hat tief greifende Bedeutung, einige Ereignisse reichen weiter zurück. Es begann mit der Ermordung des ehemaligen Premierministers Hariri, dann die den Sommer über anhaltende Situation, die derzeitige politische Lähmung, noch zugespitzt durch die aufkommenden Bewegungen mit terroristischen Akten, in den Flüchtlingslagern, speziell in zwei Flüchtlingslagern: einem im Norden und einem anderen im Süden.

Wie Sie wissen, hat die libanesische Armee in einer Weise reagiert, die ich als patriotisch beschreiben würde, und die Unterstützung für die libanesische Armee seitens der politischen Gruppierungen des Libanon war ebenfalls patriotisch, was angesichts der Differenzen, die in den letzten Monaten, Wochen und Tagen unter ihnen herrschten, wirklich außergewöhnlich ist.

Wir hoffen auch und wünschen inständig, dass der Frieden auch im Libanon Einzug hält und dass diese besonderen Umstände, die sich in den letzten Tagen herausgebildet haben – die auch von der Zustimmung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs für die Verurteilung der im Libanon begangenen Verbrechen begleitet waren –, den Weg für ein Übereinkommen zwischen allen politischen Kräften ebnen können, um den politischen Prozess im Libanon aus seiner Erstarrung zu lösen. Darum geht es uns, und wir arbeiten auf bestmögliche Weise zusammen, um dieses Ziel zu verwirklichen.

Herr Präsident, ich werde mich an die gewährte Redezeit halten und möchte abschließend die Worte bekräftigen, die ich eingangs sagte: Es gibt einen Moment der Hoffnung, den wir nutzen müssen, der in der einen oder anderen Form den vor 40 Jahren begonnenen Kreis schließen muss, und wir hoffen, ihn durch Frieden und durch ein Zusammenleben zweier Staaten – Israel und Palästina – zu schließen. Dieser Frieden muss die anderen Länder – Syrien, den Libanon – einbeziehen, damit ein Naher Osten wiederersteht, der für alle eine Hoffnung darstellt, der aufblüht und einen konstruktiven Beitrag zum Frieden in der gesamten Region leistet.

Wir Europäer dürfen nicht unsere Augen vor dieser Aufgabe verschließen, und Sie können versichert sein, dass meine zumindest stets offen sein werden.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herzlichen Dank, Herr Hoher Beauftragter Javier Solana, auch für Ihre unermüdliche Arbeit und für Ihren großen Einsatz. Ich darf sagen, Ihre Erfahrungen waren auch meine Erfahrungen. Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, auf dem Weg des Friedens weiter zu gehen.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie wir alle wissen und wie Herr Solana gerade dargelegt hat, ist die Lage in der Region äußerst angespannt. Ich würde sogar sagen, dass sich eine gewisse Verzweiflung breitgemacht hat. Mein Direktor befindet sich noch immer in der Region, und ich habe eben mit ihm telefoniert. Leider hat sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert. Wie Herr Solana soeben erwähnte, herrscht ein Teufelskreis der Gewalt, vor allem in den besetzten palästinensischen Gebieten, in Israel und im Libanon.

Wenn die Ursachen dieses Problems nicht angegangen werden, dann werden sich sehr bald noch mehr radikale Gruppen in der gesamten Region festsetzen. Darin besteht meines Erachtens die größte Gefahr. Im Libanon sind die Kampfhandlungen – wie Herr Solana eben sagte – nun auch auf andere palästinensische Lager übergesprungen. Daher sind wir zutiefst besorgt, dass es jetzt doch zu einer Konfrontation zwischen den libanesischen Streitkräften und den islamistischen Aufständischen kommt. Das Ganze hat sich zum schwersten internen Konflikt seit dem Ende des Bürgerkriegs entwickelt und bereits mehr als 100 Menschenleben gefordert.

Ich möchte noch einmal unsere uneingeschränkte Unterstützung für die rechtmäßige libanesische Regierung unterstreichen. Allerdings möchte ich auch unseren Standpunkt wiederholen, dass alles getan werden muss, um weitere Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Den Hilfsorganisationen muss ermöglicht werden, ungehindert ihre Arbeit durchzuführen.

Andererseits möchte ich auch meiner Zufriedenheit über die Annahme der Resolution 1757 des UN-Sicherheitsrates Ausdruck verleihen, die die Einrichtung eines Sondertribunals für die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri vorsieht. Dies wird meiner Ansicht nach den Menschen im Libanon Gelegenheit geben, ihre Achtung vor dem Gesetz und dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land zu bekräftigen und mit einem Kapitel abzuschließen, das eines der tragischsten Ereignisse in der jüngsten Geschichte des Libanons beinhaltet.

Das Treffen, das morgen im Gazastreifen zwischen Präsident Abbas und Premierminister Olmert stattfinden sollte, wurde leider abgesagt. Zumindest aber werden sich morgen die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten mit dem Konflikt zwischen Palästina und Israel beschäftigen, so wie wir dies bereits bei der Zusammenkunft der G8-Außenminister getan haben. Dabei wurde größte Besorgnis über die politischen Entwicklungen und die Sicherheitslage sowohl im Gazastreifen als auch in Israel geäußert. Zugleich wurde aber auch anerkannt, dass es keine Alternative zur Fortsetzung der humanitären Hilfe und zur Suche nach Mitteln und Wegen gibt, wie die arabische Friedensinitiative unterstützt werden kann.

Selbst in diesen äußerst schwierigen Krisenzeiten besteht unseres Erachtens noch immer Grund zur Hoffnung, da die israelische Initiative eine einzigartige Gelegenheit für eine umfassende Lösung bietet. Uns ist bekannt, dass die Ägypter ebenfalls versuchen, einen Waffenstillstand mit allen palästinensischen Gruppen auszuhandeln. Auch die Bemühungen seitens der USA, insbesondere von Condoleezza Rice, sind in diesen schwierigen Zeiten eine wertvolle Hilfe. Unsere EU-Präsidentschaft zeigt ebenfalls großes Engagement. Das Quartett hat genau das getan, was Herr Solana gesagt hat. Ich denke, dass dies ein sehr gutes Treffen war und nun die Möglichkeit für den bilateralen Weg oder den regionalen Weg offen steht. Ich wünsche mir, dass das Treffen in Ägypten mit den Vertretern der Arabischen Liga und hoffentlich auch mit den zwei Konfliktparteien tatsächlich zustande kommt.

Vor zwei Tagen habe ich mit dem jordanischen Außenminister, Herrn Abdel Ilah Al-Khatib, gesprochen, der zusammen mit seinem ägyptischen Amtskollegen nach Israel reisen möchte, bevor Ende Juni die Arabische Liga und das Quartett zusammenkommen. Wir hoffen, dass Israel dadurch zu weiteren Schritten bewegt und ermutigt werden kann, auf die arabische Friedensinitiative positiv zu reagieren.

In der vergangenen Woche habe ich auch an einer Konferenz in Wien teilgenommen, bei der es um die Frage ging, inwieweit Frauen, die in ihrem Land eine führende Rolle spielen, zu Frieden und Sicherheit im Nahen Osten beitragen können. Bekannte Frauen, wie Tzipi Livni, Hanan Ashrawi, Condoleezza Rice und andere erörterten, inwieweit die Zivilgesellschaft – die Frauen in der Gesellschaft – bei der Schaffung von Frieden mithelfen können. Auch wenn es sich hier nur um ein kleines Treffen handelte, so war dies doch das erste Mal, dass Tzipi Livni and Hanan Ashrawi am gleichen Tisch miteinander diskutierten. Ich muss sagen, dass es viel gegenseitiges Verständnis und sogar eine freundliche Atmosphäre gab. Die Initiative hat sich als weiteres nützliches Instrument in diesem äußerst schwierigen Prozess erwiesen. Ich plane, vielleicht im nächsten Jahr in Brüssel eine Art Folgetreffen zu organisieren.

Wir wissen das Engagement des Europäischen Parlaments sehr zu schätzen: Auf den Besuch der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu dem Palästinensischen Legislativrat folgte Ihr Besuch, Herr Präsident, und Ihre sehr ausgewogene Rede vor der Knesset am 30. Mai. Es ist ermutigend, dass die Rede – wie Sie meinten – recht guten Anklang in der Knesset fand. Dies war sicherlich keine leichte Aufgabe.

Das palästinensische Volk braucht dringend eine politische Perspektive. Darin sind wir – die Mitglieder des Quartetts – uns alle einig. Deshalb müssen wir auf Verhandlungen über die Frage des endgültigen Status drängen und dabei mit der Arabischen Liga zusammenarbeiten. Die Arabische Liga hat Israel aufgefordert, einige Maßnahmen – auch im Zusammenhang mit der Besetzung – zu lockern, was beispielsweise die Siedlungen und die Trennmauer anbelangt. Ich habe mich sehr über den Aufruf von Präsident Abbas gefreut, dieser internen Gewalt unverzüglich ein Ende zu setzen, da mit den Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen ein für alle mal Schluss sein muss. Der Waffenstillstand sollte durchaus auf das Westjordanland ausgedehnt werden. Ich finde es höchst bedauerlich, dass das morgige Treffen zwischen Premierminister Olmert und Präsident Abbas nicht stattfinden wird. Aber wir müssen offenbar einsehen, dass sich beide Seiten nicht auf den Waffenstillstandsplan von Abbas einigen konnten, insbesondere was die Verknüpfung des Waffenstillstands im Gazastreifen mit der Einstellung sämtlicher militärischer Operationen im Westjordanland betrifft. Auch kam kein Einvernehmen darüber zustande, die von Israel einbehaltenen palästinensischen Zolleinnahmen freizugeben, bevor der entführte Soldat Gilad Shalit freigelassen wird. Wir hatten mehr Bewegung in dieser Frage erwartet. Die Palästinenser sind zu dem Schluss gelangt, dass sie dieses Treffen nicht riskieren könnten. Selbstverständlich hatten wir alle gehofft, dass es dadurch etwas mehr Fortschritte beim Dialog über den Waffenstillstand, bei der Freigabe der Einnahmen und der Frage des Zugangs geben würde.

Was die Regierung der nationalen Einheit angeht, ist jetzt meiner Meinung nach wahrlich nicht der richtige Zeitpunkt, um dieses Vorhaben aufzugeben. Ich teile die Ansicht, dass sie bisher noch nicht all die Ergebnisse geliefert hat, die wir uns erhofften. Aber es gibt keine attraktiven Alternativen. Wenn wir diese Regierung auseinander brechen lassen, dann wird dies schwer wiegende Folgen für die Einrichtungen der Palästinensischen Autonomiebehörde haben, was wiederum radikale Splittergruppen stärken könnte. Ich denke, das ist das Letzte, was wir uns wünschen.

Wie Ihnen bekannt ist, hat die Kommission in dem vom Ministerrat festgelegten Rahmen schnell auf die Bildung der Regierung der nationalen Einheit und die gestiegenen Bedürfnisse der Palästinenser reagiert. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2007 stellten wir 320 Millionen Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt bereit, was fast den gesamten Mittelzuweisungen des vergangenen Jahres entspricht. Diese außerordentlichen Anstrengungen zeigen, dass wir seit der Bildung der Regierung der nationalen Einheit unsere Soforthilfe für die Palästinenser erheblich aufgestockt haben. Dennoch befindet sich die Palästinensische Autonomiebehörde in einer finanziellen Zwangslage, wie Salam Fayyad gestern gegenüber meinem Kollegen erklärte. Sie ist nach wie vor darauf angewiesen, dass wir mit diesem Mechanismus weitermachen. Fest steht, dass Israel die einbehaltenen Zolleinnahmen an die Palästinensische Autonomiebehörde auszahlen muss. Meines Erachtens sollten wir Israel deshalb weiterhin ermutigen, dieser Forderung unter Nutzung des zeitlich befristeten internationalen Mechanismus oder des PLO-Kontos nachzukommen. Dies haben wir auch auf der letzten Tagung des Assoziationsausschusses wiederholt, die am 4. Juni in Jerusalem mit Israel stattfand. Das Quartett hat auch darauf hingewiesen, dass unbedingt die Transfers wieder aufgenommen werden müssen, um die wirtschaftliche und humanitäre Lage im Westjordanland und im Gazastreifen zu verbessern. Wie ich bereits sagte, muss natürlich auf alle Fälle Bewegung in die ganze Sache kommen.

Seit der Bildung der Regierung der nationalen Einheit haben wir mit dem Finanzminister sehr eng zusammengearbeitet. Aufgrund der katastrophalen sozioökonomischen Lage werden wir den zeitlich befristeten internationalen Mechanismus bis zum 30. September ausdehnen. Dafür müssen wir nun neue Finanzmittel finden. Ich werde das Europäische Parlament und den Rat sehr bald darum ersuchen, weitere Anstrengungen zu unternehmen und zusätzliche Haushaltsmittel aufzutreiben. Ich danke Ihnen für all Ihre Unterstützung in der Vergangenheit und hoffe, dass wir auch künftig auf Ihre Unterstützung zählen können. Denn unser vorrangiges Ziel sollte darin bestehen, die Einrichtungen der Palästinensischen Autonomiebehörde wieder aufzubauen, damit sie den palästinensischen Bürgern grundlegende Dienstleistungen anbieten kann. Wir versuchen allmählich, wieder hin zum Aufbau von Institutionen und zu Entwicklungsprojekten zu kommen und unseren derzeitigen Schwerpunkt auf Soforthilfe und humanitäre Hilfe sofern möglich abzubauen – aber natürlich ist die Notwendigkeit dafür noch gegeben.

Wir sind auf neue Vorschläge seitens der Palästinenser gespannt. Diese hatten erklärt, dass sie Ideen für besondere internationale Unterstützungsmaßnahmen unterbreiten würden. Die Palästinensische Autonomiebehörde arbeitet gerade an einem operativen Plan, der dann als nützliches Instrument für die Ermittlung von Entwicklungsmaßnahmen – insbesondere im Gazastreifen – dienen könnte, die unsere Unterstützung verdienen.

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass das Haushaltsdefizit der Palästinensischen Autonomiebehörde dermaßen groß ist, dass die Gemeinschaft unmöglich allein dafür aufkommen kann. Daher müssen auch die arabischen Staaten ihren Zusagen nachkommen, dass sie die Regierung der nationalen Einheit unterstützen würden. Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass das neu eingerichtete PLO-Konto zumindest von Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten genutzt wurde. Das ist zwar eine Hilfe, reicht aber nicht aus.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Frau Kommissarin Ferrero-Waldner! Ich möchte auch Ihnen für Ihren Einsatz bei diesem schwierigen Friedensprozess – wenn man davon überhaupt noch sprechen kann – sehr herzlich danken.

 
  
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  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Hohen Vertreter für seine unermüdlichen Anstrengungen im Streben nach Frieden und Ihnen, Herr Präsident, für Ihren Besuch in der Region, für seinen symbolischen Charakter und die dadurch bekundete Solidarität danken. Mein Dank gilt auch Kommissarin Ferrero-Waldner für die immense Arbeit, die die Europäische Kommission mit den jetzt verfeindeten Gruppierungen der Regierung der Nationalen Einheit inmitten einer gravierenden politischen Krise und in einer sehr ernsten sozialen, wirtschaftlichen und humanitären Krise leistet.

Was ist in einer solchen Lage zu tun? Meiner Ansicht nach wenig mehr, als Frau Ferrero-Waldner und Herr Solana uns darlegten: Es gilt, die diplomatischen Bemühungen der Europäischen Union zu verstärken und auf der Grundlage von zwei Prämissen zu handeln.

Die erste ist die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen zwei Gruppierungen, die der Regierung der Nationalen Einheit angehören und die sich erbitterte Kämpfe um die Macht liefern, was dramatische Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung hat.

Zweitens, Herr Präsident – und wir müssen auch das ganz deutlich sagen –, eine dauerhafte und ausdrückliche Verpflichtung der Regierung der Nationalen Einheit zur Demokratie und zum Gewaltverzicht.

Was können wir in der Zwischenzeit tun, Herr Präsident? Kommissarin Ferrero-Waldner hat es in klaren Worten erläutert: Wir müssen versuchen, die Mechanismen der humanitären Hilfe so flexibel wie möglich anzuwenden, die dafür vorgesehenen Mittel aufstocken und sie unter Berücksichtigung anderer Prioritäten umverteilen.

Herr Präsident, die Höchststrafe im Strafgesetzbuch meines Landes sind 30 Jahre und ein Tag. Herr Solana erinnerte uns heute daran, dass seit dem Sechstagekrieg 40 Jahre vergangen sind, einem Krieg, der zur Besetzung des Gazastreifens, des Westjordanlands und der Golanhöhen geführt hat. Und die Lage stagniert weiter, sie ist festgefahren. 40 Jahre Leid und Tod ist mehr, als eine Gesellschaft – oder zwei Gesellschaften, wie Herr Solana erklärte – aushalten können.

Ich glaube, dieses Parlament muss mit vereinten Kräften die Vertreter des Rates und der Kommission unterstützen, damit die Europäische Union im Rahmen der internationalen Gemeinschaft im Allgemeinen und des Quartetts im Besonderen alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun kann, um – wie Herr Solana und Frau Ferrero-Waldner sagten – eine neue Chance des Friedens für eine Gesellschaft und eine Region zu schaffen, die schon zu viel gelitten hat.

 
  
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  Pasqualina Napoletano, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Frau Ferrero-Waldner, Herr Solana, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie hervorgehoben wurde, findet diese Aussprache am 40. Jahrestag der Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens statt. Was ursprünglich ein Blitzkrieg werden sollte, verwandelte sich in einen nicht enden wollenden Albtraum: 40 Jahre sind eine so lange Zeit, dass ganze Palästinensergenerationen nichts anderes kennen als Besatzung, Erniedrigung, Grenzkontrollposten und dann die Mauer und die nahezu völlige Gefangenschaft. Inzwischen ist es unmöglich, sich in den besetzten Gebieten frei zu bewegen.

Auch Israel hat in diesen 40 Jahren gewiss nicht die Sicherheitsgarantien bekommen, die es suchte, sondern eine Besorgnis erregende Aufweichung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit erlebt. Wir sehen uns zwei Völkern gegenüber, die durch endlosen Krieg und Gewalt ausgebrannt sind. Wir für unseren Teil möchten hervorheben – was die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament übrigens schon lange und deutlich gesagt hat –, dass die einzige Möglichkeit, eine Art konstruktiven Ansatz für eine sich ständig verschlimmernde Situation zu finden, in der offenen Unterstützung der palästinensischen Regierung der nationalen Einheit besteht.

Darüber hinaus müssen wir uns dafür einsetzen, dass die internationale Gemeinschaft die Entsendung einer Friedenstruppe in Betracht zieht, um eine weitere Eskalation der Gewalt der letzen Wochen in Gaza zu vermeiden, die Grundbedingungen für ein normales Leben der Bevölkerung und für die Achtung des Völkerrechts wiederherzustellen und vor allem den endlosen Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen.

Von Israel erwarten wir andere Signale als Morde und wahllose Verhaftungen, mit denen es auf den Beschuss Sderots mit Kassam-Raketen reagierte. Angesichts der Besatzung, der Siedlungen, der Mauer und der Situation in Jerusalem wird die Aussicht auf die Zwei-Staaten-Lösung von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, das sagen nun auch die Quellen der Vereinten Nationen. Bei der UNO, den USA, Russland, Europa und der internationalen Gemeinschaft liegt die Verantwortung für ein rechtzeitiges Handeln, bevor alle Chancen auf eine Koexistenz für immer zunichte gemacht werden.

Schließlich möchte ich daran erinnern, dass es einen arabischen Plan gibt, der Israel eine Friedensperspektive bietet, nicht nur mit den Palästinensern, sondern mit den arabischen Staaten im Ganzen. Daran muss mit mehr Überzeugung gearbeitet werden. Ministerpräsident Olmert selbst hat neulich erklärt, dieser Plan könne als Verhandlungsgrundlage dienen. Ich hoffe, er hat das nicht nur so dahin gesagt, weil seine Regierung auf sehr schwachen Füßen steht.

Genauso ernst ist die Lage im Libanon, das haben Sie hervorgehoben. Ich glaube, die UNIFIL-Truppen vor Ort müssen unterstützt und verstärkt werden. Abschießend möchten wir Präsident Pöttering bitten, sich für die Einberufung einer außerordentlichen Tagung der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer einzusetzen.

 
  
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  Annemie Neyts-Uyttebroeck, im Namen der ALDE-Fraktion. (NL) Herr Präsident, Herr Hoher Beauftragter, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen gedenken wir des Sechstagekrieges, durch den einerseits Israels militärische Überlegenheit gefestigt, zugleich aber der Beginn von 40 Jahren Besatzung, Auseinandersetzungen, Gewalt und endlosem Blutvergießen eingeläutet wurde. Wer in Israel und in den besetzten Gebieten nach Juni 1967 geboren ist, das heißt, jeder, der 40 Jahre oder jünger ist, hat nichts anderes gekannt als Ungewissheit und Besorgnis über die Zukunft des eigenen Landes, der eigenen Angehörigen und des eigenen Lebens. Nach 40 Jahren ist es wirklich an der Zeit zu sagen: Nun reicht es. Jetzt muss dringend Frieden geschaffen werden, ein dauerhafter Frieden auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung des Existenzrechts zweier Länder, die von ihren Nachbarn in Ruhe gelassen werden müssen.

Alle Vorredner haben ausführlich dargelegt, wie kompliziert, schwierig und komplex dieses Unterfangen ist, doch gibt es ein Element, ohne das es nie gelingen wird, und das sind politischer Wille und politischer Mut. Ohne den politischen Willen und den politischen Mut, wie sie beispielsweise seinerzeit in Südafrika in beiden Lagern zur Beendigung der Apartheid – eines brutalen Regimes – unter Beweis gestellt wurden, wird es nicht funktionieren. Bedauerlicherweise kann niemand an die Stelle der Hauptakteure treten, um politischen Willen und politischen Mut zu zeigen. Sie müssen diesen politischen Willen und politischen Mut selbst aufbringen. Morgen soll um das Berlaymont-Gebäude eine Menschenkette aus Juden und Palästinensern gebildet werden, die alle gemeinsam erklären werden „Nach 40 Jahren ist es nun wirklich genug. Nach 40 Jahren muss jetzt am Frieden gearbeitet werden.“

Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist jedoch leider nicht der einzige, durch den in der Region Unruhe gestiftet wird. Im Libanon kam es zu einem neuerlichen Gewaltausbruch, bei dem nach Ansicht mancher Syrien die Hand im Spiel hat, das ein Internationales Hariri-Tribunal unbedingt verhindern möchte. Im Namen meiner Fraktion begrüße ich die Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates, der den Mut hatte zu sagen, dass ein solches Tribunal eingerichtet wird. Wie Sie wissen, wird dies ein gemischtes Gericht mit internationalen und libanesischen Richtern und mit einer gemischten Staatsanwaltschaft sein und nach den Grundsätzen des libanesischen Rechts arbeiten. Auch im Libanon wird es in allen Lagern politischen Mutes bedürfen, um den Libanesen endlich das zu geben, worauf sie ebenfalls Anspruch haben: Frieden und Sicherheit.

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Hohen Vertreter und der Kommissarin für Ihre Erklärungen danken, die sie heute hier im Plenum abgegeben haben. Anstatt in so kurzer Zeit sämtliche Länder abzuhandeln, möchte ich mich lieber auf Palästina konzentrieren, denn alles, was in jeder anderen Region des Nahen Ostens passiert, hängt irgendwie mit der Lage in Israel und Palästina zusammen.

Wenn man sich einmal die Diskussionen anschaut, die 1967 – also vor 40 Jahren kurz nach dem Beginn des Sechstagekrieges – auf der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates stattfanden, dann wird man mit Interesse feststellen, dass als potenzielle Lösung bzw. potenzieller Plan in Erwägung gezogen wurde, für die Sicherheit und die Grenzen Israels zu bürgen, sofern sich die israelischen Streitkräfte aus den besetzen Gebieten zurückziehen und eine Zweistaatenlösung gefunden wird. 40 Jahre später hat es das Quartett nicht geschafft, das im Grunde genommen einfachste Ziel zu verwirklichen, nämlich die Menschen von diesem Denkansatz zu überzeugen.

Wir haben auf europäischer Ebene Fehler gemacht, als wir auf die Wahl der Hamas-Regierung in Palästina negativ reagierten. Damit haben wir ein falsches Signal gesetzt, was dazu führte, dass radikale Gruppen die Kontrolle vor Ort übernommen haben und die Menschen nun sagen: „Es ist sinnlos, für diese Leute zu stimmen oder diese Leute an die Macht zu bringen, weil die Europäer dann den Geldhahn zudrehen werden“. Deshalb war es auch so wichtig – wie die Kommissarin ganz richtig sagte –, dass die finanzielle Unterstützung mittels des Soforthilfemechanismus wieder aufgenommen wurde.

Diese Arbeit muss weitergehen, denn nur wenn Beziehungen aufgebaut werden und ein Dialog zwischen den Menschen zustande kommt, wird es eine Lösung geben. Diese muss auf den gleichen Grundsätzen wie vor 40 Jahren beruhen: eine Zweistaatenlösung, die Gewährleistung sicherer Grenzen sowie Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Menschen in Israel und Palästina.

 
  
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  David Hammerstein, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(ES) Israel hat zwar den Sechstagekrieg gewonnen, jedoch mit 40 Jahren Besetzung den Frieden verloren. Jetzt beobachten wir eine gefährliche Tendenz zur Irakisierung und Tribalisierung der Gewalt im Nahen Osten.

Das Auftreten der Fatah al-Islam in den Palästinenserlagern des Libanon und die zunehmende Fragmentierung der zivilen Konflikte in Gaza verheißen nichts Gutes für die Zukunft der Region.

Wir sehen, wie sich das palästinensische Problem über den gesamten Nahen Osten ausbreitet und sich mit den Interessen der verschiedenen Akteure vermischt.

Wir laufen Gefahr, sehr bald zum Tiefpunkt zu gelangen. Werden wir tatenlos auf den Kollaps der Palästinensischen Autonomiebehörde warten? Wie gesagt, das dürfen wir nicht zulassen. Was können wir dagegen tun? Sind Chaos und Gewalt in einem Krieg, in dem jeder gegen jeden kämpft, ein „angekündigter Tod“?

Gaza kann nicht länger warten. Die Europäische Union darf der demokratisch gewählten Regierung der Nationalen Einheit nicht weiter den Rücken kehren. Diese europäische Politik hat zur Diskreditierung jeder Spur von Mäßigung seitens der Hamas und Fatah in der Bevölkerung beigetragen, denn sie zeigt, dass die Anerkennung des Mekka-Abkommens nichts am Embargo ändert oder die schrecklichen Lebensbedingungen in dem riesigen Gefängnis mit Namen Gaza verbessert.

Erstens muss die Europäische Union in einen Dialog mit allen Seiten eintreten, einschließlich der Hamas, um zu einer stabilen Regierung der Einheit beizutragen.

Zweitens müssen wir unsere direkte Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde wieder aufnehmen und dafür sorgen, dass Israel das zurückgehaltene Geld aus palästinensischen Steuern auszahlt.

Und schließlich müssen wir uns für die Ausweitung der Waffenruhe vom Gazastreifen auf das Westjordanland einsetzen, wobei internationale Garantien geschaffen sowie europäische und arabische Truppen unter UN-Mandat in den Gazastreifen und, wenn notwendig, in das Westjordanland entsendet werden müssen.

Gleichzeitig fordern wir die Freilassung der 45 Parlamentsmitglieder und des Israelis Gilad Shalit sowie die Einstellung der Angriffe mit Kassam-Raketen und der verheerenden Reaktionen Israels.

(Beifall von links)

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Solana, Frau Kommissarin! Meine Fraktion legte großen Wert auf diese Aussprache, speziell am heutigen Tag, 40 Jahre nach dem Ausbruch eines Krieges, bei dem sich die internationale Gemeinschaft, die Europäische Union eingeschlossen, bisher unfähig erwiesen hat, die einzig gerechte und dauerhafte Lösung zu erzwingen, nämlich die Besetzung, die Kolonisierung und die israelische Unterdrückung in den 1967 eroberten palästinensischen Gebieten zu beenden.

Herr Präsident, die beeindruckenden Worte, die Sie diesbezüglich am 30. Mai in der Knesset geäußert haben, habe ich in Form und Inhalt sehr geschätzt. Ich habe mir vor allem drei Schlüsselsätze aus Ihrer Rede gemerkt. Sie haben erklärt, dass wir alle durch das Völkerrecht gebunden sind. Sie haben Recht. Wir verlangen von Israel nichts anderes als die Resolutionen des Sicherheitsrates, die Genfer Konventionen, die Stellungnahmen des Internationalen Gerichtshofs und das humanitäre Recht zu achten, worauf die UNO soeben wieder verwiesen hat. Die Verstöße gegen dieses Recht sind offenkundig, anhaltend und massiv. Sie betreffen die Siedlungen, die Flüchtlinge, die Gefangenen, die Mauer und natürlich in erster Linie die Besetzung der Gebiete und die Annexion von Ost-Jerusalem.

Sie haben auch hervorgehoben, Herr Präsident, dass, ich zitiere: „die Errichtung von zwei Staaten innerhalb der Grenzen von 1967 der einzige Weg zu einer befriedigenden Lösung ist und bleibt“. Dies ist eine grundlegende Wahrheit. Aber die zunehmende Anzahl von Siedlungen, die Errichtung der Mauer, die Isolierung der palästinensischen Viertel von Jerusalem bezwecken ja gerade, diese Lösung zu vereiteln. Die Gleichgültigkeit der israelischen Behörden gegenüber dem Friedensplan der Arabischen Liga bestätigt diese Strategie, mit der alles noch schlimmer gemacht wird.

Und schließlich haben Sie, Herr Präsident, zu Recht auf diesen einleuchtenden Fakt verwiesen: Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Der bekannte israelische Historiker Tom Segev machte sich kürzlich zum Sprachrohr jener unter seinen Landsleuten, die seit 40 Jahren der Ansicht sind, ich zitiere seine Worte: „Israel hat 1967 die Grundlagen für den künftigen Terrorismus gelegt“. Große Staatsmänner wie Yitzhak Rabin hatten das begriffen, aber die israelischen Friedenskräfte, die diesem Land alle Ehre machen, werden durch das herrschende Regime ausgegrenzt.

Der Schluss, den es aus dieser 40-jährigen tragischen Erfahrung der Verblendung zu ziehen gilt, ist nach Ansicht meiner Fraktion folgender: den Dingen ihren Lauf zu lassen, liefe darauf hinaus, uns selbst schuldig zu machen. Wagen wir es, uns zur Wahrheit zu bekennen! Ich zitiere Sie ein letztes Mal, Herr Präsident, Sie sagten: „Haben wir den Mut, gemeinsam einen neuen Anfang zu machen“.

(Beifall von links)

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Francis Wurtz, für die Bezugnahme auf das, was ich vor der Knesset gesagt habe.

 
  
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  Javier Solana, Hoher Vertreter für die GASP. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich ganz kurz zu den Beiträgen der Abgeordneten äußern, die die verschiedenen Fraktionen dieses Parlaments vertreten haben.

Meines Erachtens war bei den meisten Redebeiträgen eine Tendenz zu beobachten, die wir in gewissem Sinne schon seit langem vertreten: Es ist nämlich an der Zeit, von der Politik des Krisenmanagements – die zwar sehr wichtig, aber nicht genug ist – wegzukommen und einen Schritt weiter zu gehen. Wir brauchen neben dem Krisenmanagement auch Politiken zur Beilegung des Konflikts. Wir müssen auf einen politischen Horizont hinarbeiten, der darin besteht, dass wir wirklich mit der Lösung des Konflikts beginnen, der vor 40 Jahren seinen Anfang nahm. Diese Ansicht kam im Grunde genommen in allen Redebeiträgen zum Ausdruck, und wir werden in den nächsten Tagen versuchen, etwas in dieser Richtung zu erreichen.

Ich habe Ihnen berichtet, dass am vergangenen Mittwoch das Quartett in Berlin zusammentraf. Und ich habe erwähnte, dass das Quartett zum ersten Mal entschlossen ist, einen Dialog mit den Parteien einzuleiten, um auf diesen politischen Horizont hinzuarbeiten. Somit wird sich das Quartett noch vor Ende dieses Monats mit Palästinensern und Israelis treffen, um den Dialog zu stärken, der zwischen Präsident Abbas und Premierminister Olmert begonnen hat und noch immer in den Kinderschuhen steckt. Das sind die beiden Personen, die den Weg hin zum Frieden finden müssen. Es ist unsere Pflicht, hier Druck auszuüben und einen Katalysator für diesen Prozess zu bieten. Das werden wir auch tun. Dies geht klipp und klar aus der Erklärung hervor, die vom Quartett am vergangenen Mittwoch verfasst wurde. Hier hat meines Erachtens ein radikales Umdenken stattgefunden, und das möchte ich unterstreichen, denn jemand hatte gefragt, ob wir passiv darauf warten, bis eine Katastrophe eintritt. Die Antwort ist Nein: Wir wollen das nicht; Sie wollen das nicht und auch die Menschen in der Region wollen das nicht. Daher versuchen wir, diesen Mechanismus unter Federführung des Quartetts voranzubringen und somit auf dem Weg in Richtung Frieden ein Stück weiterzukommen.

Von den Vertretern der Fraktionen wurden auch noch einige andere Vorschläge unterbreitet, darunter die Einrichtung einer internationalen Truppe. Ich möchte sagen, dass die Idee einer internationalen Truppe zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht völlig außer Frage steht. Wie Ihnen bekannt ist, wurde dieser Vorschlag von zwei Fraktionsmitgliedern der Knesset gemacht. Diese meinten, dass jetzt vielleicht die Zeit für die Einberufung einer internationalen Truppe sei, die – zumindest am Anfang – friedenssichernde Aufgaben übernimmt bzw. die Grenze im Süden – den so genannten Philadelphi-Korridor – überwacht, wo sich der Grenzübergang Rafah befindet. Daran arbeiten wir jetzt bereits, was Sie aber wahrscheinlich schon wissen, da ja entsprechende Informationen veröffentlicht wurden. Diese Möglichkeit wird sowohl von den Israelis als auch von den Palästinensern in Erwägung gezogen. Auch die Ägypter denken immer mal wieder über diese Idee nach. Für die Ägypter wäre es aber vermutlich sehr schwierig, dort eine internationale Truppe zu akzeptieren, da der Eindruck entstehen könnte, dass sie diesen Grenzabschnitt nicht unter Kontrolle haben. Wir könnten jedoch meiner Meinung nach dennoch eine Diskussion zu diesen Fragen eröffnen, und vielleicht kommen wir ja letztendlich zu einer Lösung.

Hierzu passt auch ganz gut, was Frau Napoletano über den Erfolg der UNIFIL gesagt hat. Da die internationale Truppe für die UNIFIL verantwortlich war – d. h. für die Anwendung der Resolution des UN-Sicherheitsrates zum Libanon – und ihre Arbeit durchweg positiv aufgenommen wurde – d. h. die Effizienz der Streitkräfte, die sich größtenteils aus Europäern zusammensetzen –, sind einige in der israelischen Regierung, in der Knesset und in ganz Israel auf den Gedanken gekommen, dass eine derartige Truppe auch anderswo eingesetzt werden könnte.

All diese Punkte müssen wir irgendwie zusammenbringen. Es wäre uns vielleicht möglich, die Erfahrungen, die wir mit der internationalen Truppe im Libanon gesammelt haben, an einem anderen Ort zu nutzen. Das eröffnet den Weg für eine internationale Überwachung vor Ort, was unabdingbar ist, damit der Friedensprozess ein Erfolg wird.

Im Hinblick auf den Libanon möchte ich noch einmal betonen, dass die Resolution zur Einrichtung eines Tribunals außerordentlich wichtig ist. Dieses Tribunal richtet sich gegen niemanden. In Syrien hat es zwar sehr heftige Reaktionen gegeben, aber ich möchte unterstreichen, dass sich ein internationales Tribunal gegen niemanden, auch nicht gegen irgendein Land richtet. Vielmehr soll mithilfe dieses Tribunals herausgefunden werden, wer für die Ermordung eines guten Menschen – der vielen von uns ein Freund war, Herr Hariri – verantwortlich ist. Die Umstände seiner Ermordung müssen aufgeklärt werden, wenn wir im Libanon Frieden und Versöhnung erreichen wollen. Deshalb setzen wir Europäer uns dafür ein. Vergangenen Mittwoch hat der Sicherheitsrat außerdem einen anderen bedeutenden Beschluss zur Einrichtung eines internationalen Tribunals gefasst.

Ich möchte nochmals wiederholen, dass unsere Bemühungen, das Quartett in die Richtung zu lenken, in die wir uns nun bewegen, auf einer Philosophie beruhen, die wie immer viele Väter – oder viele Mütter – hat. Sie können jedoch versichert sein, dass die Europäer von Anfang an sehr hart gearbeitet haben, um zu diesem Punkt zu gelangen. Hoffentlich gelingt es uns, unsere Arbeit in dieser Richtung fortzusetzen. Dies wird nicht einfach sein, aber ich hoffe für die Zukunft – wie immer – auf die Unterstützung, die Hilfe und das Verständnis des Europäischen Parlaments.

(Beifall)

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Gestern kam ich mit einer Delegation israelischer Bürger aus Sderot zusammen, die mir aus erster Hand erzählten, was für Angst und Schrecken die 300 Kassam-Raketen, die von Hamas-kontrollierten Stützpunkten im Gazastreifen aus wahllos abgeschossen wurden, unter der Zivilbevölkerung verbreiten. Laut Völkerrecht stellt dies eindeutig ein Kriegsverbrechen dar. Bisher sind zwei Menschen ums Leben gekommen und zahlreiche Israelis haben Verletzungen erlitten. In der vergangenen Woche wurden im Westjordanland 33 Personen von den israelischen Streitkräften festgenommen, darunter der palästinensische Bildungsminister Nasser al-Shaer. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie diese Raketenanschläge offen unterstützen würden. Die Inhaftierung eines Bildungsministers ist insofern interessant, als dass dies die wiederholten Vorwürfe dieses Hauses bestätigt, dass die palästinensischen Schulbücher und Lehrpläne, die jahrelang mit EU-Mitteln finanziert wurden, nach wie vor auf die Förderung eines Klimas des Hasses und des Misstrauens gegenüber Israel sowie einer Verherrlichung von terroristischer Gewalt abzielen.

Viele Minister der Einheitsregierung, die aus den Reihen der Hamas stammen und sich unter anderem auf die von der ägyptischen Muslimbruderschaft inspirierte Hamas-Charta von 1988 berufen, sind nach wie vor fest davon überzeugt, dass der Staat Israel keine Daseinsberechtigung hat, dass sich jegliche terroristische Gewalt mit dem so genannten bewaffneten Kampf rechtfertigen lässt und dass sie nicht an die internationalen Übereinkommen, die früher von der PLO unterzeichnet wurden, gebunden seien. Daher vertrete ich die Ansicht, dass sich die palästinensische Einheitsregierung gegenwärtig nicht an die Kriterien des Quartetts hält. Die EU darf demzufolge auch noch nicht das Verbot der Hamas aufheben, das aufgrund ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung verhängt wurde, oder die palästinensische Regierung mit Direkthilfen unterstützen. Auch sollten wir am zeitlich befristeten internationalen Mechanismus zur Erbringung von humanitärer Hilfe festhalten, die sich nun schon auf insgesamt über 500 Millionen Euro pro Jahr beläuft und in den vergangenen drei Jahren – entgegen der öffentlichen Meinung – sehr wohl gestiegen ist.

Ich unterstütze ebenfalls die neuen Vorschläge der Arabischen Liga für eine Verhandlungslösung, obwohl das Rückkehrrecht völlig unrealistisch ist. Doch interessanterweise lehnt die Hamas auch ihre Vorschläge wieder ab, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Einige Hardliner auf beiden Seiten sind gegen die Schaffung von Frieden bzw. eine Zweistaatenlösung. Doch am 40. Jahrestag des Sechstagekrieges ist klar, dass dies die einzig praktikable, langfristige Lösung ist, um in der Region dauerhaften Frieden zu erzielen. Zunächst muss aber die Palästinensische Autonomiebehörde auf ihrem Gebiet für Recht und Ordnung sorgen und das Abgleiten in einen Bürgerkrieg zwischen der Hamas und der Fatah im Gazastreifen verhindern, der auch im Libanon angeheizt wird.

Ich möchte noch einmal das Parlament und die internationale Gemeinschaft auffordern, auf alle Verantwortlichen Druck auszuüben, damit der Journalist der BBC, Alan Johnston, der – wie wir jetzt wissen – noch am Leben ist und dem es gut geht, und der entführte Unteroffizier Shalit freigelassen werden. Dies wird zur Schaffung eines Klimas beitragen, das für die Wiederbelebung der wichtigen Roadmap für die Friedensverhandlungen förderlich ist.

 
  
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  Véronique De Keyser (PSE).(FR) Herr Präsident! Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2006 fragte ich einen Palästinenser: „Meinen Sie, dass diese Wahlen Frieden bringen werden?“ Er antwortete mir: „Nein, keinen Frieden, aber Demokratie. Und wir werden der Welt zeigen, dass wir sogar in den besetzten Gebieten in der Lage sind, freie Wahlen abzuhalten“.

Unsere Antwort war kläglich. Unsere Missachtung gegenüber der Hoffnung eines Volkes, einschließlich seines Rechts sich zu irren, verursachte noch mehr Chaos in einer Region, die derzeit in Aufruhr ist. Die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und das Abkommen von Mekka haben nicht bewirkt, dass die Europäische Union ihren harten Kurs und ihre Sanktionen in ausreichendem Maße ändert. Trotz Ihrer Bemühungen, Frau Ferrero-Waldner, Bemühungen, die ich schätze, trotz allem, was Sie uns gesagt haben und was ermutigend ist, Herr Solana, bin ich der Ansicht, dass wir unsere Politik gegenüber dem Nahen Osten noch nicht grundlegend geändert und dass wir noch nicht genug begriffen haben, dass wir mit unserer Antwort auf diese Wahlen dem Gedanken der Demokratie selbst Schaden zugefügt haben.

Diese Haltung dauert nunmehr seit 40 Jahren an. Ich bin der Ansicht, dass wir teilweise verantwortlich sind, weil wir 40 Jahre lang zugelassen haben, dass in Palästina eine völlig rechtsfreie Lage entstanden ist, mit außergerichtlichen Hinrichtungen, dem Raub von Boden, mit der Entführung von Personen – derzeit sind es rechtmäßig gewählte Abgeordnete und Minister –, mit dem Bestehen einer vom Haager Gerichtshof für unrechtmäßig befundenen Mauer und den Genfer Konventionen, über die man sich hinwegsetzt. Francis Wurtz hat es angesprochen – über 400 Kinder sind nach wie vor in israelischen Gefängnissen inhaftiert, über 400 junge Palästinenser. Die UN-Resolutionen ignorierten die Abriegelung von Gebieten und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Was braucht es denn noch?

Natürlich, Herr Tannock, wir verurteilen Gewalt, wir verurteilen den Abschuss von Raketen, wir verurteilen die Entführung des Soldaten Shalit, aber gegenwärtig gibt es keine Verhältnismäßigkeit. Sehen Sie sich die Zahlen an. Sie sind leider dramatisch ungünstig für das palästinensische Volk, und ich wiederhole, es gibt keine Äquidistanz. Völkerrecht bedeutet nicht Äquidistanz.

Nichts rechtfertigt heute unser Schweigen, und ich möchte von hier aus die neuen Gerechten, jene Juden, begrüßen, die in Israel und andernorts das Wort ergreifen und sagen „Damit muss Schluss gemacht werden“. Sie sagen das unter dem Hohngelächter, den sarkastischen Bemerkungen und mitunter den Drohungen ihrer Mitbürger. Ich fühle mich mit all diesen Menschen solidarisch, so wie ich mich mit unseren palästinensischen Kollegen solidarisch fühle, die unter Missachtung ihrer parlamentarischen Immunität eingesperrt wurden.

Ich möchte Ihnen sagen, dass sich in Belgien alle Vorsitzenden der politischen Parteien morgen für 13.00 Uhr am Berlaymont-Gebäude verabredet haben, um eine Friedenskette zu bilden und die Europäische Union aufzufordern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, aber nicht nur ihren humanitären Verpflichtungen, sondern den echten politischen Verpflichtungen, die der Europäischen Union Ehre machen.

 
  
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  Angelika Beer (Verts/ALE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand von uns stellt das Existenzrecht Israels in Frage. Wir kennen unsere politische Verantwortung. Ich möchte aber an die Aussage eines Friedenskongresses erinnern, der in den letzten Tagen in Palästina stattgefunden hat. Frauen, also ein Teil der Zivilgesellschaft, palästinensische, israelische Frauen, haben uns eine klare Nachricht übermittelt: Ihr sprecht über eine Koexistenz beider Staaten. Das ist gut, aber nehmt bitte zur Kenntnis, dass unsere Existenz gefährdet ist, und zwar in Palästina und in Gaza.

Ich glaube, dass es jetzt in erster Linie um die Existenzfrage geht. Deswegen bin ich froh, Javier Solana, dass Sie sagten, wir müssten überlegen, ob wir die Erfahrungen im Libanon nicht schnellstmöglich überprüfen und uns eventuell in Gaza engagieren sollten. Wir müssen handeln, bevor die Situation vollständig entgleitet, denn es wird nicht mehr viele Möglichkeiten geben. Was Sie als Mut beschrieben haben, die Hoffnung, die wir haben müssen, um uns weiter zu engagieren und dies auch den Menschen vor Ort zu erklären, diese Hoffnung in der Region selbst ist auf ein Mindestmaß geschrumpft.

Ich möchte Herrn Pöttering im Namen meiner Fraktion dafür danken, dass er diese Reise gemacht hat. Sie haben gesagt, dass die Situation in Gaza unzumutbar ist. Es ist unsere Verpflichtung, uns jetzt mehr denn je für das Existenzrecht der Menschen dort zu engagieren, und das heißt natürlich auch, die Hamas für ihr Doppelspiel zu kritisieren. Die Erklärung, die die Hamas zum 40. Jahrestag des Sechstagekrieges abgegeben hat, ist für uns nicht akzeptabel. Wir müssen aber mit der Einheitsregierung auch aktiv zusammenarbeiten. Eine andere Chance werden wir zukünftig nicht bekommen. Ich teile die Kritik, die Véronique De Keyser eben formuliert hat: Wir haben als Europäische Union in der Region Fehler gemacht. Wir haben die Hoffnung und die Bereitschaft der Menschen, nach vorne zu blicken, bitterlich enttäuscht.

Ich hoffe, das Nahost-Quartett ist jetzt aufgewacht. Ich hoffe, es wird aktiv, und ich hoffe, die Reisen in die Region finden statt. Das mag eine letzte Chance sein, tatsächlich noch von einer Friedenshoffnung zu reden.

 
  
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  Jana Hybášková (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mit einigen Zitaten beginnen. Am 2. April sagte Ministerpräsident Haniyeh auf Al-Dschasira: „Was uns betrifft, wurde die Frage der Anerkennung Israels ein für alle mal geklärt. Sie wurde in unserer politischen Literatur, in unserer islamischen Philosophie und in unserer Kultur des Dschihad geklärt, die uns als Handlungsgrundlage dienen. Wir werden zwar einen Waffenstillstand ausrufen, aber niemals Israel anerkennen.“ Am 27. April meinte er auf Al-Dschasira: „Wenn die Belagerung über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus andauert, dann sind wir zu einer Entscheidung gezwungen, und es besteht kein Zweifel, dass wir dann Maßnahmen ergreifen werden.“ Am 5. Mai erklärte er in einem Gebet: „Ich wiederhole im Namen der palästinensischen Regierung, dass der Sicherheitsplan nicht den Widerstand lahmlegen wird. Wir werden Allah die Gelegenheit geben, uns eine der beiden Gnaden zu gewähren, Sieg oder Märtyrertum.“

Da ich fließend Arabisch spreche, kann ich Ihnen versichern, dass die Übersetzung korrekt ist. Die Lage ist sehr ernst. Wir stehen nicht nur einer „Irakisierung“ des Gazastreifens, sondern einer „Iranisierung“ des gesamten Nahen Ostens gegenüber. Dies stellt nicht nur eine Bedrohung für den Nahen Osten dar, sondern ist auch eine ernsthafte Bedrohung für unsere eigene Sicherheit. Europa muss als Akteur in Erscheinung treten, und wir müssen wie ein Mann zusammenstehen. Daher sollte das Parlament weiterhin einen einheitlichen Standpunkt vertreten und den Rat, die Kommission und das Quartett unterstützen. Der zeitlich befristete internationale Mechanismus muss weiterlaufen. Wir müssen die humanitäre Hilfe fortsetzen. Wir könnten sogar von dem PLO-Konto Gebrauch machen.

Die Hauptaufgabe besteht jedoch darin, die palästinensische Regierung der nationalen Einheit dazu zu bringen, der Gewalt abzuschwören, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und die internationalen Abkommen zu achten. Erst dann können wir zur UN-Resolution 242 zurückkommen, in der Israel klipp und klar zum Rückzug aus den besetzten Gebieten aufgefordert wird, so dass es keine „autonomen Gebiete“ bzw. keine besetzten Gebiete mehr gibt. Daher möchte ich den Rat und die Kommission fragen, ob ihrer Meinung nach die Voraussetzungen für die Anerkennung und direkte finanzielle Unterstützung der palästinensischen Regierung der nationalen Einheit erfüllt wurden.

 
  
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  Béatrice Patrie (PSE).(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Solana! In Anbetracht dessen, dass 40 Jahre seit dem Sechstagekrieg vergangen sind, unter dessen dramatischen Folgen die Bevölkerung des Nahen Ostens bis zum heutigen Tag leidet; dass in den Berichten von Amnesty International und der UNO derzeit aufgrund der anhaltenden israelischen Besetzungs- und Besiedlungspolitik ernste Zweifel an der Tragfähigkeit eines palästinensischen Staates erhoben werden; dass im Gazastreifen und im Westjordanland unerträgliches Elend herrscht, wodurch das Feuer zwischen rivalisierenden palästinensischen Gruppen entfacht wird, und dass die Regierung der nationalen Einheit als letztes Bollwerk gegen den Bürgerkrieg sich kaum noch halten kann und dass die gesamte Region vom Irak bis zum Libanon in Aufruhr ist, können wir sagen, dass mitfühlende Reden nicht mehr ausreichen und es dringend notwendig ist, eine Änderung, einen Wandel, ich wage sogar zu sagen, eine Revolution in unserer Nahostpolitik zu vollziehen und unsere Verantwortung in vollem Umfang wahrzunehmen.

Zunächst, indem wir die palästinensische Regierung der nationalen Einheit anerkennen, in die wir unsere Hoffnungen gesetzt hatten und die sich bereit erklärt hat, alle Resolutionen der UNO und der PLO, alle vorangegangenen Resolutionen, einzuhalten und den Forderungen des Nahostquartetts nachzukommen, um die Glaubwürdigkeit der Zweistaatenlösung wiederherzustellen. Sodann, indem wir unsere direkte Hilfe für diese Regierung wieder aufnehmen, denn es ist illusorisch, von den Israelis die Freigabe der ihr rechtmäßig zustehenden Zolleinnahmen zu erwarten, die nach wie vor zurückgehalten werden, und weil der Temporäre Internationale Mechanismus versagt hat. Weiterhin, indem an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel internationale Friedensstreitkräfte eingesetzt werden – die einzige Maßnahme, die geeignet ist, einen echten Waffenstillstand herbeizuführen, der sich im Libanon als wirksam und dauerhaft erwiesen hat. Schließlich und vor allem, indem man einen hohen Anspruch deutlich macht und eventuell die Initiative zu einem europäischen Camp David ergreift, das notwendig geworden ist, seit sich erwiesen hat, dass die vom Nahostquartett propagierte Roadmap nicht mehr als ein frommer Wunsch ist.

Seit 1967 verlieren wir uns in Irrtümern und Ungerechtigkeiten. Soll nun weitere 40 Jahre gewartet werden….

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
  

VORSITZ: MAREK SIWIEC
Vizepräsident

 
  
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  Margrete Auken (Verts/ALE).(DA) Vielen Dank, Herr Präsident! Mein Dank gilt aber auch der Kommissarin und dem Hohen Vertreter. Allerdings habe ich so meine Zweifel. In der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz haben wir bereits versucht, unter uns die Lektionen zu diskutieren, die wir in diesem Zusammenhang gelernt haben. Für uns haben jetzt die Anerkennung der palästinensischen Regierung und die Wiederaufnahme von Maßnahmen höchste Priorität. Ich bin schlichtweg nicht in der Lage zu sagen, ob es dies ist, was Verlautbarungen zufolge geschehen soll. Herr Solana äußerte dies nicht, aber waren es vielleicht die Worte von Frau Ferrero-Waldner? Das heißt, meinte sie, wir würden die palästinensische Regierung jetzt anerkennen und dann weitersehen? Meiner Ansicht nach brauchen wir eine klare Antwort auf diese Frage, denn was die ganze Sache so frustrierend macht, ist die Tatsache, dass immer nur unendlich viel geredet, aber nichts unternommen wird. Doppelmoral und Handlungslähmung richten nicht nur den Nahen Osten zugrunde, sondern schaden auch der EU.

Die andere Sache, in der wir Klarheit brauchen, ist die Frage, was damit gemeint ist, wir würden jetzt die arabische Initiative unterstützen. Ich konnte auch den Darstellungen von Herrn Solana nicht entnehmen, ob dies jetzt wirklich unsere Absicht ist. Meinem Verständnis zufolge nehmen wir die Verhandlungen wieder auf. Uns ist aber genau bewusst, wohin unser Weg führen muss. Es ist ein schwieriger Prozess, dies Realität werden zu lassen, aber wir wissen, welche Schritte dazu notwenig sind, und wir dürfen nicht zulassen, dass wir einmal traurige Berühmtheit dafür erlangen, uns wiederholt für die arabische Initiative stark gemacht zu haben, um ihr schließlich den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem wir sagen: „Mal schauen, was passiert“. Wir müssen klar machen, dass dies der Punkt ist, an dem wir beginnen. Vor uns liegt das Endergebnis, das bekanntermaßen das einzige annehmbare Resultat ist, wenn wir Fortschritte erzielen wollen. Und dieses Ergebnis ist es ja schließlich, was sowohl der Westen als auch Israel seit langem gefordert haben. Plötzlich ist es nun auf dem Tisch. Könnten wir eine eindeutige Antwort bekommen? Das wäre nett.

 
  
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  Elmar Brok (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Hoher Beauftragter, Frau Kommissarin! Es ist eine gute Nachricht, dass das Quartett in der Region jetzt gemeinsam auftreten will. Dies ist eine der wichtigen Botschaften, weil das Quartett nur geschlossen – wir haben das in diesem Hause des Öfteren gesagt – über die Glaubwürdigkeit verfügt, die notwendigen Sicherheitsgarantien nach allen Seiten zu geben. Keines seiner Mitglieder kann dies aus der Sicht der Regionen allein. Ich möchte Ihnen dazu gratulieren, dass dies zustande gekommen ist und auch mit der arabischen Initiative verbunden werden kann.

Wenn wir vorankommen wollen – und wir haben das so oft diskutiert – und nicht in die Verzweiflung der Hoffnungslosigkeit fallen wollen, muss eines klar sein: Auf beiden Seiten müssen die Moderaten in der Lage sein, bei sich zu Hause die Voraussetzungen für eine Basis zu schaffen, um einen Friedensprozess in Gang zu setzen, der nicht durch die Provokationen der jeweiligen Minderheiten von der anderen Seite wieder zerschlagen wird. Deswegen muss an diesen Stellen angesetzt werden. Natürlich ist es richtig, dass Israel das Geld freigeben muss. Es ist auch richtig, dass diese Patchworksituation in der West Bank, die jede ökonomische Entwicklung im Keim erstickt, beseitigt wird – überall Kontrollen und Siedlungen – und dass wieder eine Basis für eine ökonomische Entwicklung gegeben ist. Wir können dort so viel Geld hineinpumpen, wie wir wollen, aber hier müssen einfach die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden.

Aber man muss auch sagen, dass das, was in Gaza passiert, ein Bürgerkrieg zwischen den Palästinensern ist. Da hilft keine internationale Truppe zwischen Israel und Gaza, sondern die Konfliktparteien müssen sich zusammensetzen und dies entsprechend beenden. Dass all dies miteinander zu tun hat, ist auch klar, aber bitte, jeder ist für seinen Bereich selbst verantwortlich. Diese Verantwortung können wir nicht übernehmen. Deswegen müssen wir sagen: Schluss mit dem Bürgerkrieg. Jeder, der versucht, Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppierungen militärisch zu lösen, zerstört die Lebenschancen des eigenen Volkes. Deswegen müssen wir dafür Sorge tragen, dass an dieser Stelle die Ansatzpunkte gesucht werden und wir so die Basis dafür schaffen, dass das Quartett erfolgreich arbeiten kann und wir eine echte Chance haben.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident! Manchmal finde ich es schon recht entmutigend, wenn ich hier im Plenum die Aussprachen zu diesem Thema so höre. Dies gilt vor allem für die Redebeiträge von Herrn Tannock und Frau Hybášková, die hier im Parlament anscheinend Bedingungen für eine Lösung im Nahen Osten festlegen wollen. Es steht uns nicht zu, den Israelis und den Palästinensern Bedingungen aufzuerlegen, wie sie sich in den Friedensverhandlungen zu verhalten haben. Die einzigen Bedingungen, die wir für einen erfolgreichen Abschluss der Friedensverhandlungen brauchen, sind ein klares Bekenntnis zum Frieden auf beiden Seiten, ein Verhandlungsmandat auf beiden Seiten und die Einhaltung der in den Verhandlungen gemachten Zusagen. Alle anderen Bedingungen, die die Abgeordneten dieses Hauses den Israelis und Palästinensern auferlegen möchten, sind doch nichts weiter als heiße Luft. Sie werden ohne Wirkung bleiben, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie gerade jetzt, da die Palästinensische Autonomiebehörde kurz vor dem Zusammenbruch steht, erfüllt werden. Wenn diese Behörde, diese Einheitsregierung in sich zusammenfällt, dann wird nichts, was wir sagen und was die Europäische Union tut, das schreckliche Blutbad verhindern, das dann den Israelis und den Palästinensern droht.

Die internationale Gemeinschaft muss dafür Sorge tragen, dass die Vermittler auf beiden Seiten in diesem Konflikt – das Quartett und die arabischen Staaten – ihre eigenen kurzfristigen Interessen hintanstellen und den Interessen der Palästinenser und Israelis Vorrang einräumen. Wir müssen sicherstellen, dass sie sich an einen Tisch setzen und die bereits vorhandenen Vorschläge erörtern, die es in puncto Möglichkeiten und Bedingungen für den Frieden schon eine ganze Weile gibt. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören zu reden und anfangen zu handeln im Interesse …

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Monika Beňová (PSE).(SK) Wie Herr Solana und Frau Ferrero-Waldner uns mitgeteilt haben, ist die Situation im Nahen Osten in der Tat kritisch, wobei nicht nur die Lage im Libanon äußerst gespannt ist. Auch die Beziehungen zwischen Israel und Palästina bleiben schwierig.

Das Wort „kritisch“ bedeutet vor allem dramatisch, da es sich hierbei um eine Situation handelt, die, begleitet von Terroranschlägen und anderen Gewaltakten, Entführungen und dem Tod von Zivilisten, langfristig zu einem finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Niedergang führt. Der wachsende Widerstand und die Angriffe gegen den Staat Israel und seine Bürger nähren Angst und Schrecken und führen zu Maßnahmen, die bei uns Kopfschütteln hervorrufen. Die Region versinkt im Chaos, der Konflikt spitzt sich zu, Waffenstillstände werden nicht eingehalten. Die Zusammenkunft des Nahost-Quartetts in der vergangenen Woche hat aufgezeigt, wie notwendig unser aktives Eingreifen in den Friedensprozess war. Dennoch ist der Frust auf beiden Seiten, der israelischen und der palästinensischen, ebenso groß wie unser Bemühen, den Friedensprozess voranzutreiben.

Daher ist es zwingend erforderlich, unsere diplomatischen Anstrengungen zu verstärken, sie dynamischer zu gestalten und vor allem besser abzustimmen. Unsere Bemühungen sollten nicht den Eindruck erwecken, wir unterstützten eine Konfliktpartei mehr als die andere. Darüber hinaus ist es ebenso unsere Pflicht, von Israel die Freigabe finanzieller Mittel zu fordern. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass diese Gelder tatsächlich in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung fließen. Außerdem ist es unsere Aufgabe, den Bewohnern Israels den grundlegenden Schutz ihres Lebens und die Verteidigung ihres Staates zu garantieren.

 
  
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  Jamila Madeira (PSE).(PT) Die Nahostfrage und insbesondere die dramatische Lage in Palästina stand in den letzten Plenarsitzungen immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Das ist nicht überraschend! Wir alle wurden Zeugen des Geschehens vor Ort. Wir alle haben dasselbe gesehen, die schreckliche und explosive humanitäre Situation verfolgt und hier vor Ihnen darüber berichtet. Wir alle haben die rechtswidrige Zurückhaltung von zirka 700 Millionen Euro Steuern durch Israel verfolgt, also von Geldern, die nicht Israel gehören und von Tag zu Tag mehr werden. Wir alle haben in den Augen dieser Menschen – Menschen, die wie wir ein Recht auf Gerechtigkeit und Würde haben – die Hoffnung gesehen, eines Tages in Frieden leben zu können. Eine Hoffnung, die trotz der Bedingungen überlebt hat, eine Hoffnung, die tagtäglich durch die fehlende Mobilität und die Mauer einer schweren Prüfung unterzogen wird. Durch diese Mauer, die jede Art lokaler Wirtschaft unmöglich macht, sei es in Bezug auf das reine Überleben durch die landwirtschaftliche Produktion, sei es bezogen auf den etwas anspruchsvolleren Aspekt, dass genügend Produkte vorhanden sind, um ein kleines Geschäft offen halten zu können.

Angesichts dieses anhaltenden Verlustes an Hoffnung greift Hoffnungslosigkeit um sich, und wir als Mitglieder dieses glückseligen Klubs von Staaten, die nach dem bitteren Geschmack des Krieges den Frieden errungen haben, dürfen nicht glauben, dass wir sämtliche Probleme gelöst bekommen, wenn wir ihnen Geld zuwerfen. Den palästinensischen Menschen zu helfen ist sehr wichtig, es ist lebenswichtig. Noch wichtiger ist es jedoch, ihnen zu helfen, dass sie verstehen, dass in ihrem Land, ihre Stimme den Unterschied in ihrem Land ausmacht und dass es eine ganze Menge bedeutet hat, dass sie sich dem Wahlprozess glaubwürdig gestellt und versucht haben, eine Lösung zu finden, die sie der Welt vorzeigen können. Deshalb muss die Autonomiebehörde in den palästinensischen Gebieten unbedingt wiederhergestellt werden.

Hoffentlich kann der Finanzminister Salam Fayad zu einem der wichtigsten Gesprächspartner in Bezug auf die Finanzhilfe für die Bevölkerung werden. Deshalb ist es dringend notwendig, die institutionellen Beziehungen zu normalisieren. Wir müssen zeigen, dass wir tatsächlich bereit sind, diesen Konflikt zu lösen. Der Frieden in der Region und der Frieden weltweit hängen von uns Europäern ab.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wir müssen dem Frieden im Nahen Osten eine Chance geben. Wir kennen die Schwierigkeiten, und wir alle wissen um die Herausforderungen. Aber uns allen ist auch bewusst, dass es neue Hoffnung gibt. Wir haben ja die Lage eindeutig erläutert.

Erstens ist erforderlich, für ein gewisses Maß an Sicherheit und eine bessere Sicherheitslage zuerst im Gazastreifen und dann im Westjordanland zu sorgen. Das steht außer Frage. Sowohl wir Europäer als auch die Amerikaner arbeiten mit den Palästinensern zusammen, um zu solch einer Lösung zu gelangen, aber leider haben wir das noch nicht ganz geschafft.

Zweitens muss es größere wirtschaftliche Freiheit geben, um das tägliche Leben der Palästinenser zu verbessern. Und das versuchen wir. Zudem haben wir deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir im Rahmen der ergriffenen Maßnahmen und Programme mit der Regierung der nationalen Einheit zusammenarbeiten wollen. Daher ist Salam Fayyad unser bevorzugter Gesprächspartner, um weitere Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Ich habe klipp und klar erklärt, was getan werden könnte.

Ich möchte noch einmal wiederholen, dass wir neben unseren laufenden Arbeiten im Rahmen des zeitlich befristeten Mechanismus – den ich schnellstmöglich auslaufen lassen möchte, was ich aber nicht tun kann, weil dort noch immer humanitäre Hilfe erforderlich ist – Salam Fayyad auch fachliche Unterstützung in Bereichen wie Haushaltskontrolle sowie Steuer- und Zolleinnahmen angeboten haben. Wir arbeiten derzeit mit dem Ministerium zusammen, um den Rahmen hierfür abzustecken. Ferner haben wir aber auch in den Bereichen, wo dies notwendig ist, den Aufbau der Institutionen wieder aufgenommen.

Wir möchten nun verstärkt auf die Entwicklungshilfe setzen, um der Bevölkerung mehr Hoffnung zu geben. Aber es stimmt auch, dass eine kräftige Portion politischer Mut und ein starker politischer Wille dazugehören, vor allem seitens der Konfliktparteien. Wir Mitglieder des Quartetts können sie lediglich unterstützen, antreiben, ermutigen, und das tun wir ja auch. Aber wir können ihnen leider nicht die Entscheidung abnehmen. Da endet unser Handlungsspielraum. Das nächste Treffen in der Region wird hoffentlich positive Ergebnisse bringen und sich als Katalysator für diese politische Vision und diesen politischen Horizont erweisen, der uns allen so deutlich vorschwebt.

Zudem hoffen wir inständig auf die Freilassung aller politischen Gefangenen. Damit meine ich den entführten israelischen Soldaten und den Journalisten der BBC, Alan Johnston, aber auch all die Mitglieder der palästinensischen Regierung und all jene, die noch immer hinter Gittern sitzen. Meines Erachtens wäre dies ein sehr guter Impuls, um dann die nächsten Schritte für die Erzielung einer Zweistaatenlösung festzulegen, die wir uns alle so sehr wünschen.

 
  
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  Javier Solana, Hoher Vertreter für die GASP. (EN) Herr Präsident! Ich werde nicht wiederholen, was ich und andere Redner bereits gesagt haben.

Ich möchte zunächst all den Abgeordneten danken, die sich an dieser Aussprache beteiligt haben – all jenen, die noch hier sind, und all jenen, die schon gegangen sind. Meiner Meinung nach war diese Aussprache höchst interessant, und ich möchte eine Anmerkung dazu machen. Wenn ich hierher zum Europäischen Parlament komme, um über den Nahen Osten zu diskutieren, dann habe ich den Eindruck, dass die Emotionen recht hochschlagen, einschließlich meine eigenen. Meines Erachtens müssen unsere Debatten jedoch auf die Ereignisse abzielen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von Bedeutung sind.

Momentan befinden wir uns in einer sehr schwierigen Situation, aber zugleich ist auch – wie erwähnt wurde – eine Zeit der Hoffnung angebrochen, die es lange nicht gab. Ich beschäftige mich nun schon seit vielen Jahren mit dem Nahen Osten. Ich nahm an der Konferenz von Madrid und an der letzten Konferenz in Camp David teil. Ich habe den Eindruck, dass wir seit Camp David noch nie so kurz vor dem Beginn eines echten, tief gehenden Dialogs und Gedankenaustausches und somit dem Beginn eines politischen Horizonts und entsprechenden Diskussionen und Verhandlungen standen, wie dies meines Erachtens jetzt der Fall ist. Dafür sind drei Gründe verantwortlich.

Erstens gab es so etwas wie die Initiative der Arabischen Liga nicht, als die Konferenz in Camp David stattfand. Es gibt sie heute, und wir haben die Zusage der Araber, dass sie jeden Verhandlungsführer der Palästinenser akzeptieren werden, um ihm zu helfen und die Unterstützung zu leisten, die – wie Sie wissen – damals in Camp David fehlte.

Zweitens sind inzwischen 40 Jahre vergangen. Meiner Meinung nach hat sich auf allen Seiten Erschöpfung breit gemacht: psychologische, physische und politische Erschöpfung. Aus dieser Erschöpfung heraus müssen wir meines Erachtens neue psychologische und politische Kräfte sammeln, um Fortschritte zu machen.

Drittens verfügen wir nun über einen Mechanismus – das Quartett –, und bisweilen vergessen wir, wie viel Arbeit da eigentlich hineingesteckt wird. Zum ersten Mal sitzen die USA und die Europäische Union an einem Tisch und verhandeln mit den Konfliktparteien, was zuvor noch nie der Fall gewesen ist. Das müssen wir anerkennen. Dies ist das erste Mal, dass die Europäische mit am Verhandlungstisch sitzt. Die Russische Föderation war zwar in Madrid dabei, hat sich aber seitdem nicht mehr blicken lassen. Auch der UN-Generalsekretär war dabei: Stellen Sie sich das nur einmal vor, was das bedeutet! – Die Vereinten Nationen als Verhandlungsführer in diesem Konflikt. Das wäre damals undenkbar gewesen.

All diese Punkte ändern nach meinem Dafürhalten bis zu einem gewissen Maße den Horizont für das, was jetzt getan werden kann. Wir müssen nun versuchen, weiter voranzukommen, nicht nachzulassen und in dieser Richtung weiterzuarbeiten. Die Rahmenbedingungen haben sich gewandelt, und daher besteht auch mehr Hoffung, dass eine Lösung möglich ist. Werden wir das in 24 Stunden erreichen? Nein. Wenn Sie meinen, dass wir die Lösung für all die Probleme bis Ende dieses Monats finden, dann liegen Sie falsch: Da müssen wir schon ein bisschen länger warten. Aber wir sollten die Augen offen halten und nach einer Gelegenheit suchen, um diesen Prozess weiter voranzubringen.

Als letzten Gedanken möchte ich anbringen, dass wir hier alle Europäer sind. Jeder hier ist ein Mitglied der Europäischen Union. Manchmal müssen wir auch ein bisschen stolz auf unsere Maßnahmen sein. Wenn Sie nach Palästina gehen, was Sie ja tun, dann bekommen Sie in der Tat Kritik zu hören. Aber wenn Sie sich einmal mit Palästinensern und Israelis ausführlich unterhalten, dann werden Sie wahrscheinlich – und da werden Sie mir zustimmen – wachsende Sympathie und Verständnis für das Vorgehen der Europäer vorfinden. Ich denke, das müssen wir Europäer ab und zu einmal anerkennen. Ansonsten werden wir nie in dem Maße gemeinsam vorankommen, wie dies eigentlich erforderlich ist.

Diesen Prozess voranzubringen, ist keine Aufgabe für einen oder zwei allein: Da müssen alle an einem Strang ziehen. Uns bietet sich jetzt eine Chance. Es bleibt abzuwarten, ob wir bei unserem nächsten Treffen Forschritte verzeichnen können. Wir werden noch nicht die Lösung haben, aber wir werden sehen, ob wenigstens Fortschritte gemacht wurden.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet auf der nächsten Tagung in Straßburg statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) In dieser Woche jährt sich zum 40. Mal der Tag der illegalen israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete des Westjordanlands, des (heute mit Gewalt belagerten) Gazastreifens und Ost-Jerusalems, der syrischen Gebiete der Golanhöhen und der ägyptischen Gebiete der Sinai-Halbinsel, die inzwischen wieder diesem Land gehören.

40 Jahre...:

- der Verletzung des Völkerrechts und der Nichteinhaltung zahlloser Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates durch die israelischen Behörden;

- der verbrecherischen und brutalen Besetzung, der Kolonisierung und Unterdrückung und der Verweigerung der legitimsten Rechte des palästinensischen Volkes durch die israelischen Behörden;

- der Unterdrückung, Ausplünderung, Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Armut, der abscheulichsten Erniedrigungen und unmenschlicher Lebensbedingungen für das palästinensische Volk durch die israelischen Behörden;

- der tatsächlichen Unterstützung und Kollaboration durch die USA und ihre Verbündeten in Europa bzw. ihres Einverständnisses und ihrer stillschweigenden Duldung angesichts der enormen Verantwortung der israelischen Behörden.

Der Juni 2007 ist ein Zeitpunkt, um die Forderung nach Beendigung der Besetzung der von Israel 1967 besetzen Gebiete, nach Achtung des Völkerrechts und nach Umsetzung der entsprechenden UNO-Resolutionen, wie etwa des unveräußerlichen Rechts des palästinensischen Volkes auf einen freien, souveränen und unabhängigen Staat, zu bekräftigen.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Herr Präsident! Der Sechstagekrieg fand 1967 statt, und er hatte einen Sieger. Der Verlierer ist in den letzten 40 Jahren die Menschenwürde gewesen. Die humanitäre Krise im Nahen Osten ist eine der tragischsten der jüngeren Geschichte. In der Region herrscht ein Teufelskreis der Gewalt, den bislang niemand zu durchbrechen vermochte. Generationen von Israelis und Palästinensern haben mit Instabilität, Gewalt und Krieg gelebt.

Mit Hilfe des Krisenmanagements ist versucht worden, eine Lösung für den Konflikt im Nahen Osten zu finden. Es sollte schrittweise auf einen dauerhaften Frieden hingearbeitet werden. Eine Waffenruhe wurde erreicht, die bald wieder gebrochen wurde, und der Konflikt brach erneut aus.

Es ist schwierig, an einen erfolgreichen Weg zu glauben, solange die Parteien nicht begreifen, dass jeder Gewaltakt die Zukunft eines Teils der eigenen Bevölkerung zerstört. Auch mangelt es zwischen den palästinensischen Gruppen an Verständigung. Im Gazastreifen herrscht Bürgerkrieg. Viele Palästinenser sind bei Zusammenstößen zwischen Fatah und Hamas ums Leben gekommen.

Die militärischen Aktionen und Menschenrechtsverletzungen Israels sind zu verurteilen. Jedes Land muss sich an internationale Verpflichtungen und an das Völkerrecht halten, und es sollte die Menschenwürde achten, die unveräußerlich ist. Allerdings können wir nicht den sofortigen Rückzug Israels aus den palästinensischen Gebieten verlangen, solange die palästinensischen Behörden den Staat Israel nicht anerkennen.

Selbstverständlich muss das Quartett, also die USA, die Vereinten Nationen, die EU und Russland, seine Bemühungen um einen dauerhaften Frieden fortsetzen. Aufgabe des Parlaments ist es, europäische Einigkeit zu demonstrieren und die Kommission und den Rat zu unterstützen.

Eines dürfen wir mit Sicherheit nicht tun: Wir dürfen von den Parteien nicht verlangen, dass sie unserem Wunsch nach einem dauerhaften Frieden nachkommen. Wir können sie ermutigen und Druck auf sie ausüben, aber wir dürfen ihnen nicht unseren Willen aufzwingen.

 

14. UN-Menschenrechtsrat (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission – UN-Menschenrechtsrat: Fünfte Sitzung in Genf vom 11. bis 19. Juni 2007.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, sehr geehrte Frau Kommissarin, liebe Frau Ferrero-Waldner, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union hat die Schaffung des neuen Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im Jahr 2006 von Beginn an begrüßt, hat dabei aber immer ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass der Rat ein effizientes und glaubwürdiges Gremium wird, das einen echten Beitrag zum weltweiten Schutz und zur Förderung der Menschenrechte erbringt. Während der bisherigen Sitzungen des Menschenrechtsrats hat die Europäische Union gleichermaßen Wert auf substanzielle Debatten zu Menschenrechtsthemen wie auch auf Dialog und gute Zusammenarbeit gelegt. Während der vierten regulären Sitzung konnte die von der Europäischen Union und der afrikanischen Gruppe gemeinsam eingebrachte Resolution zu Darfur im Konsens verabschiedet werden. Dies ist ein Ergebnis nachhaltiger Bemühungen der Europäischen Union, und das Ergebnis reflektiert nicht nur das Mandat, sondern auch die vom Rat zu erwartende Verantwortung.

Die Fähigkeit des Menschenrechtsrats, sein Mandat zu erfüllen, ist untrennbar mit seiner Zusammensetzung verbunden. Lassen Sie mich auch hier daran erinnern, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen von den Mitgliedstaaten des Rats die Einhaltung höchster Menschenrechtsstandards erwartet. Sie hat außerdem alle Staaten dazu aufgerufen, nur diejenigen in den Rat zu wählen, die über eine gute Menschenrechtslage verfügen. Obwohl dieses Ideal noch weit von seiner Erfüllung entfernt ist, möchte ich die Befriedigung der Europäischen Union darüber zum Ausdruck bringen, dass es im Mai gelungen ist, die Wahl von Belarus in den Menschenrechtsrat zu verhindern. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt dem Widerstand der Europäischen Union gegen die Kandidatur Weißrusslands zu verdanken. Obwohl sie numerisch in der Minderzahl ist, verfügt die Europäische Union dennoch über eine Führungsrolle im Rat und hat sich als ein wichtiger Akteur etabliert.

Trotz einiger positiver Entwicklungen wie zum Beispiel der Annahme einer Internationalen Konvention zum Schutz vor dem Verschwindenlassen bedarf es noch weiterer Schritte, um den Menschenrechtsrat mit den Arbeitsweisen und Instrumenten auszustatten, die er braucht, um den in ihn gesetzten Erwartungen der internationalen Gemeinschaft und insbesondere auch der Europäischen Union entsprechen zu können. Der institutionelle Aufbau des Rats hat für die Europäische Union höchste Priorität. Sie arbeitet daher intensiv auf den erfolgreichen Abschluss dieses Aufbauprozesses zum Ende des ersten Jahres hin. Die bevorstehende fünfte Sitzung wird daher von entscheidender Bedeutung sein. Dort wird der Rat die abschließenden Entscheidungen zum institutionellen Aufbau treffen und somit letztlich über seine eigene Effizienz und Glaubwürdigkeit während der kommenden fünf Jahre entscheiden.

Die Europäische Union arbeitet derzeit in Genf eng mit allen Beteiligten zusammen, um ein Resultat zu erzielen, das dem Menschenrechtsrat eine umfassende Ausübung des Mandats ermöglichen wird. Bei den Kontakten der Präsidentschaft mit dem Vorsitzenden und mit anderen Delegationen des Menschenrechtsrats bemühen wir uns um eine zentrale, effiziente und glaubwürdige Rolle des Rats innerhalb des Systems der Vereinten Nationen. In diesem Zusammenhang will die Europäische Union auf der Schaffung eines wirksamen, universellen, periodischen Überprüfungsverfahrens sowie auf der Beibehaltung von thematischen und Ländermandaten bestehen. Der geplante Verhaltenskodex für Sonderberichterstatter darf deren Unabhängigkeit nicht antasten, er muss diese vielmehr sicherstellen und sich auf die Verpflichtung von Staaten konzentrieren, mit denen die Berichterstatter zusammenarbeiten. Außerdem verfolgen wir das Ziel, durch einen geeigneten Auswahlprozess der Mandatsträger deren Expertise, aber auch deren Unabhängigkeit zu sichern.

Wir sind uns der Schwierigkeiten bewusst, die diese Zielsetzungen mit sich bringen. Ich darf Ihnen aber versichern, dass wir in unseren Bemühungen, diese Ziele zu erreichen, nicht nachlassen werden. Es bleibt auch die feste Hoffnung der Europäischen Union, dass sich der Rat mit seinen regelmäßigen, über das Jahr verteilten Sitzungen, seinem neuen und verbesserten Instrumentarium und mit der Fortsetzung des aktiven Dialogs mit Sonderberichterstattern und der Hohen Kommissarin für Menschenrechte zu einem Eckstein des Menschenrechtssystems der Vereinten Nationen entwickeln wird. Es ist nun an allen Mitgliedern des Menschenrechtsrats, verantwortlich zu handeln und auch auf die Erreichung dieses Ziels hinzuarbeiten.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, lieber Günter Gloser, verehrte Damen und Herren! Die Europäische Union gehört ja seit ihrer Gründung zu den wichtigsten Motoren für den Schutz der Menschenrechte und war somit auch aktiv daran beteiligt, die Ziele des Menschenrechtsrates zu verwirklichen und zu gewährleisten, dass er gegenüber der Menschenrechtskommission eine echte Verbesserung darstellt.

Zunächst ging es also darum, dass auf den Tagungen des Rates dringende Menschenrechtsfragen mit Blick auf konkrete Ereignisse behandelt werden und die EU-interne Koordination sowie die Sensibilisierungsarbeit der EU gegenüber Drittstaaten, das so genannte outreach, verbessert wird. In dieser Hinsicht sind echte Fortschritte erzielt worden, die es uns erlaubt haben, einerseits in kohärenter und glaubwürdiger Weise im Menschenrechtsrat aufzutreten und andererseits die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern auch in bilateralen Treffen und mittels einer breit angelegten Sensibilisierungskampagne in zahlreichen Hauptstädten der Welt zu stärken.

Zu den vorrangigen Aufgaben während des ersten Jahres gehörten daher die Absicherung der Mandate und der Mechanismen des Menschenrechtsrats im Rahmen des Überprüfungsprozesses sowie die Einrichtung des neuen Systems zur Überprüfung der Menschenrechtslage in allen Ländern, das wir universal periodic review nennen.

Das gerade gestern nun vom Vorsitz des Menschenrechtsrats vorgelegte Paket eines Gesamtkompromisses weist wirklich in die richtige Richtung und stellt aus unserer Sicht eine erste, noch verbesserungsbedürftige, aber immerhin schon sehr gute Verhandlungsgrundlage dar. Die anstehende fünfte Tagung des Menschenrechtsrates in der kommenden Woche wird daher von ganz besonderer Bedeutung für die Zukunft dieses Gremiums sein. Umso mehr freue ich mich, dass auch eine Delegation des Europäischen Parlaments als Teil der Delegation der Europäischen Gemeinschaften daran teilnehmen wird.

Wie sieht es mit der Gesamtbilanz des Menschenrechtsrates bisher aus? Der Rat sollte meiner Ansicht nach – man kann keine schwarz-weiße Antwort geben – ein laufendes Projekt, sozusagen eine Art work in progress sein. Lassen Sie mich kurz ein paar Anmerkungen machen. Die ersten Tagungen des Rates waren ja eher enttäuschend. Es wiederholten sich die alten Verhaltensmuster. Wir waren das von der Menschenrechtskommission ja bereits gewohnt. Vor allem die Tagungen zum Nahen Osten waren wirklich von mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens jener Staaten geprägt, die sie noch dazu selbst einberufen hatten. Das Ergebnis waren dann unausgewogene Resolutionsentwürfe, denen wir in der Europäischen Union nicht zustimmen konnten.

Daher lassen Sie mich klarstellen: Konfrontation in Menschenrechtsfragen kann zwar manchmal durchaus notwendig sein, wenn es um die Durchsetzung von Menschenrechtsinteressen geht, nicht aber, wenn unter dem Aufhänger Menschenrechte primär ein politischer Konflikt ausgetragen wird. Aber ebenso wie die Ratspräsidentschaft sehen auch wir, dass die negativen Eindrücke durch die sehr gute hier vor kurzem verabschiedete Resolution zu Darfur abgemildert wurden. Die war nach meiner Überzeugung bisher die wichtigste Resolution. Sie wurde natürlich in sehr langwierigen Verhandlungen eng mit der afrikanischen Gruppe abgestimmt, und schlussendlich konnte sie im Konsens verabschiedet werden. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass es sich um eine so heikle Frage handelt, und die EU im Menschenrechtsrat mittlerweile auch mühelos überstimmt werden kann.

Das durch die Resolution eingerichtete Monitoring-Gremium von fünf unabhängigen UN-Berichterstattern wird dem Rat in den nächsten Wochen – vor allem wahrscheinlich in der nächsten Woche – einen ersten Bericht vorlegen.

Vergessen wir aber nicht, dass der Internationale Strafgerichtshof vor kurzem auch Anklage gegen zwei sudanesische Beschuldigte erhoben hat. Kurz: In Sachen Darfur gibt es zumindest Bewegung an dieser Front. Wir hoffen sehr, dass dieses Beispiel Schule machen wird und dass es auch Maßstäbe für die künftige Arbeit des Menschenrechtsrates setzt. Schließlich haben sich die interaktiven Dialoge mit der Hochkommissarin und der UN-Sonderberichterstatterin als eine sehr positive Entwicklung erwiesen. Sie ermöglichen es uns, die Menschenrechtslage in einzelnen Ländern – oft auch im Zusammenhang mit den thematischern Menschenrechtsfragen – auf eine sehr sichtbare und gleichzeitig auch viel konfrontationsfreiere Weise anzugehen. Wir müssen allerdings noch weitere Wege finden, wie im Nachgang zu diesen Dialogen dann auch konkrete Ergebnisse vor Ort erzielt werden können.

Bei aller Ungeduld hinsichtlich zügiger Fortschritte im UN-Menschenrechtsrat möchte ich jedoch davor warnen, schon jetzt den Stab über den Rat zu brechen. Bisher gibt es jedenfalls Licht- und Schattenseiten. Wir sind überzeugt, dass die EU sich auch weiterhin bemühen wird, auf den durchaus vorhandenen positiven Entwicklungen aufzubauen und im Rahmen eines intensiven Dialogs mit den UN-Partnern einen effektiven und vor allem im Interesse der betroffenen Menschen handelnden UN-Menschenrechtsrat zu entwickeln. Er bleibt das wichtigste internationale Forum zur Behandlung der Menschenrechte und wir, die EU, haben die Verantwortung, ihn aktiv zur Stärkung unserer Werte, unserer Ideale und unserer Interessen zu nutzen.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė, im Namen der PPE-DE Fraktion. – (LT) Zunächst möchte ich den Vertretern des Rates und der Kommission für ihre Berichte über das erste Arbeitsjahr des UNO-Menschenrechtsrates und für die fünfte Sitzung des Menschenrechtsrates danken. Morgen stimmt das Europäische Parlament über eine Entschließung zu dieser Frage ab, in der alle Grundprobleme dargelegt werden, wie beispielsweise unsere Bestrebungen bezüglich des Modus Operandi des Menschenrechtsrates, seiner Mechanismen, Sonderverfahren, Sonderberichterstatter, der allgemeinen regelmäßigen Überprüfungen und der Rolle der Europäischen Union. Das Europäische Parlament hat zweifelsohne weiterhin hohe Erwartungen an den Menschenrechtsrat, weil die Menschenrechte nun einmal besondere Bedeutung für uns haben, weil ihre Achtung und ihr Schutz Grundbestandteil der Ethik und Statuten der EU sind und allgemein die Grundlage für Europas Einigkeit und Integrität bilden. Der UNO-Menschenrechtsrat bietet hervorragende Möglichkeiten für wirksame Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherung sowie zur Förderung der Menschenrechte im Namen der Vereinten Nationen. Vor diesem Hintergrund hat die fünfte Sitzung besondere Bedeutung, da ein Jahr Wirken des Menschenrechtsrates Probleme und Mängel offenbart hat, die unverzüglich behoben werden können und müssen. Dies ist nötig, damit der Menschenrechtsrat eine wirklich zuverlässige Kraft wird, die angemessen und bei Bedarf schnell auf Verletzungen der Menschenrechte in einem beliebigen Staat der Welt reagieren kann und in der Lage ist, wirksame Mittel zu finden, um auf die Regierungen jener Länder einzuwirken, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Das erste Arbeitsjahr des Menschenrechtsrates erlaubt es uns, zu bestimmen, ob der Menschenrechtsrat unter Anwendung der geplanten Verfahren und Mechanismen in der Lage sein wird, sein ambitioniertes Programm umzusetzen. Die Erfahrungen des ersten Jahres, die Resolutionen zu Darfur, Iran und Usbekistan, die Anwendung der Vertraulichkeitsbestimmungen im Rahmen der Diskussion von Menschenrechtsverletzungen in den beiden letztgenannten Ländern sowie bei anderen Entscheidungen haben gezeigt, dass die Verfahren des Menschenrechtsrates in höchstem Maße transparent gestaltet werden und die Sonderberichterstatter und Experten wirklich unabhängig sein müssen. Des Weiteren ist es unbedingt notwendig, klare Kriterien bei der Wahl von Mitgliedern für den Menschenrechtsrat anzuwenden. Nach logischer Überlegung kommt man zu dem Schluss, dass Länder, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden, nicht als Mitglieder des Menschenrechtsrates gewählt werden sollten.

 
  
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  Raimon Obiols i Germà, im Namen der PSE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Ich meine, wir können uns freuen über den Konsens, den wir zwischen den Fraktionen dieses Hauses in Bezug auf den morgen zur Abstimmung stehenden Text zur 5. Sitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen erreicht haben.

Dieser Rat hat seit seiner Schaffung wirklich keine leichte Zeit durchlebt. Deshalb ist es wichtig, dass das Europäische Parlament einmal mehr Entschlossenheit in der Frage zeigt, wie bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte vorzugehen ist und vor allem wie die Arbeit des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen erleichtert und verbessert werden kann.

Die Bilanz seiner Tätigkeit offenbart einige Mängel, die überwunden werden müssen und die auf zwei grundlegenden Problemen beruhen.

Zum einen sind da die zögerlichen und unzureichenden Reaktionen auf dramatische und dringende Ereignisse, die ein viel energischeres Handeln erforderlich machen. Ich denke da vor allem an die explosive Lage in Darfur, der alle größtmögliche Aufmerksamkeit schenken müssten.

Zum anderen müssen wir die internen Mechanismen des Rates und die Dynamik der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zum Zweck einer effektiveren und ambitiöseren Arbeit erheblich verbessern.

Beiden Themen liegt ein wesentliches Problem zugrunde, zu dessen Lösung das Parlament und die Europäische Union einen wichtigen Beitrag leisten können. Ich meine die politischen Differenzen, die uns nicht hindern dürfen, entscheidende gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um die Völker der Welt bedeutend besser vor Missbrauch und Verletzungen der Menschenrechte zu schützen.

Dieser Aspekt ist lebenswichtig, denn Europa muss in vorderster Reihe stehen, wenn es um die Gleichbehandlung aller Länder im Dialog über die Menschenrechte geht.

Wir vertreten die Ansicht, dass diese Philosophie auf den Rat ausgeweitet werden muss und dass die kommende rumänische Präsidentschaft des UN-Menschenrechtsrates eine gute Gelegenheit bieten kann, um diese wichtigen Verbesserungen in die Tat umzusetzen.

 
  
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  Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Die Menschenrechte haben universelle Gültigkeit und Bedeutung und sind natürlich ein grundlegendes Prinzip der EU. Das Parlament widmet diesem Prinzip – was nicht weiter überrascht – besondere Aufmerksamkeit, wie die regelmäßigen Berichte und Entschließungen zu Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt belegen.

Wir haben jahrelang mit großem Bedauern die ineffektive Arbeit der Menschenrechtskommission beobachtet und vor ungefähr einem Jahr mit großer Erleichterung die Ersetzung der Menschenrechtskommission durch den Menschenrechtsrat begrüßt. Wie ein Vertreter von „Human Rights Watch“ einmal so schön sagte, ist die Menschenrechtskommission im Grunde genommen zu einem Klub der Menschenrechtsverletzer geworden. Denn menschenrechtsverachtende Regierungen waren äußerst erpicht auf eine Mitgliedschaft, um Maßnahmen gegen sich selbst und andere Länder zu blockieren. Leider wurden unsere Hoffnungen, dass sich die Dinge zum Besseren wenden würden, nach den Ratswahlen ziemlich erschüttert, als Angola, Ägypten und Katar Sitze gewannen. In diesen drei Ländern wurden in der Vergangenheit bekanntermaßen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Es war eine Erleichterung, dass wenigstens Belarus nicht in den Rat gewählt wurde, obwohl dies nur mit knapper Mehrheit geschah.

Während des ersten Amtsjahres des Menschenrechtsrates wurden zwar einige Änderungen vorgenommen, die zur Verbesserung seiner Arbeitsweise beitrugen, aber es muss gesagt werden, dass die Änderungen nicht sehr spektakulär waren. Wir erwarten und hoffen, dass noch mehr Erfolg versprechende Verbesserungen in Vorbereitung sind. Der in Genf ansässige Rat hat bisher großen Eifer gezeigt, wenn es darum ging, weltweite Probleme gegebenenfalls schnell und wiederholt anzugehen. Aber was die Effektivität seiner Arbeit betrifft, ist doch eine kritischere Einschätzung erforderlich. Ein Beispiel hierfür wäre, dass der Rat im vergangenen Jahr sage und schreibe acht Entschließungen verabschiedet hat, in denen Israel für seine Militäroperationen in den libanesischen Palästinensergebieten kritisiert wurde. Diese Resolutionen waren aber nur von geringem praktischen Nutzen. Daran ist nicht der UN-Menschenrechtsrat Schuld, sondern der Rat muss selbst etwas mehr Verantwortung dafür übernehmen, Mittel und Wege zu finden, um seiner Stimme mehr Gehör zu verschaffen. Weitere Beispiele wären das problematische Vorgehen des Rates gegenüber Usbekistan und dem Iran.

Da die nächste Tagung des Rates …

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Heute ist es die Europäische Union, die – wie einst die Vereinigten Staaten – die Menschenrechte in der Welt verteidigt. Von all unseren Politikbereichen ist das derjenige, der uns weltweit zu größter Popularität verhilft.

Leider gelingt es der Europäischen Union nicht immer, ihren rechtmäßigen Platz bei Zusammenkünften einzunehmen. Auf der Weltklimakonferenz im November vergangenen Jahres zum Beispiel hatte die Delegation der Union den Platz von Finnland eingenommen, das damals den Ratsvorsitz innehatte. Wir müssen als EU unseren rechtmäßigen Platz einnehmen, damit unsere Stimme deutlich vernommen wird, denn wir befassen uns mit den zahlreichen Problemen unserer heutigen Welt. Sorge bereitet uns unter anderem der Nahe Osten, wo die Hamas mit der Vernichtung Israels droht und Israel schon dabei ist, das palästinensische Volk zu vernichten.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(ES) Der Menschenrechtsrat wurde als Ersatz für die Menschenrechtskommission geschaffen und stand vor der keineswegs leichten Aufgabe, nicht in zu große Politisierung und Einmischung der Regierungen in solch einem wichtigen Bereich wie der Überwachung der allgemeinen Achtung der Menschenrechte zu verfallen. Dennoch ist der bisherige Fortschritt, zumindest was dieses Gebiet angeht, gelinde gesagt, beunruhigend.

Gerade gestern hörten wir Jody Williams – die Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrates für Darfur –, die sich über den gewaltigen Druck beklagte, dem sie ausgesetzt war, um den Bericht so abzufassen, dass er für jeden annehmbar wurde.

Wir alle wissen, was das heißt. Es bedeutet, die Kritiken zu streichen oder zumindest so weit wie möglich abzuschwächen, um niemanden aufzubringen.

Das größte Problem ist jedoch, dass diese Forderungen gestellt werden, um nicht den Fortbestand des Rates zu gefährden.

Es steht schlecht, wenn ein Gebilde wie der Menschenrechtsrat sein eigenes Überleben vor seine vorrangige und hauptsächliche Aufgabe stellt: den Schutz der Menschenrechte in der Welt, wozu unter anderem gehört, die Verantwortlichen für die Verletzungen zu ermitteln, auch oder gerade wenn es sich dabei um Regierungen handelt.

Jetzt, am ersten Jahrestag des Bestehens des Rates, müssen wir uns dieser Gefahren gewärtig sein, wenn wir nicht wollen, dass der Rat zu einem weiteren Gebilde wird, dessen einziger Zweck darin besteht, die Schande jener zu bemänteln, die ständig die grundlegendsten Menschenrechte in- und außerhalb ihrer Grenzen verletzen.

Mit dieser Entschließung, über die wir uns im Europäischen Parlament einig sind, worüber ich mich freue, rufen wir den Rat auf und ermuntern ihn, auf der 5. Sitzung des Menschenrechtsrates eine konsequente Führungsrolle zu übernehmen, und wir wissen, dass dies nicht leicht sein wird. Doch es gibt mindestens zwei Themen, die unserer Ansicht nach vorrangig sein sollten.

Erstens, die Garantie, dass die Auswahl der Sonderberichterstatter aufgrund ihrer Unabhängigkeit und ihrer Fähigkeiten erfolgt und dass sie in der Lage sind, weiterhin als unabhängige Berichterstatter zu wirken.

Zweitens, dass zu den universellen regelmäßigen Überprüfungen auch unabhängige Sachverständige herangezogen werden.

Nur so können wir die Glaubwürdigkeit dieses Rates gewährleisten.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, die Ergebnisse der Arbeit des UN-Menschenrechtsrats in seinem ersten Jahr werden derzeit geprüft. Die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft wurden bisher nicht erfüllt. Das bedauerlichste Beispiel ist wohl die Resolution zur Lage in Darfur, deren Inhalt zum Teil infolge der ständigen Kompromisse verwässert wurde. Die Arbeit wurde verständlicherweise dadurch behindert, dass sich die Arbeitsweise und die Verfahren noch entwickeln müssen.

In unseren Vorschlägen für eine Entschließung werden, wie dies auch sein sollte, die problematischen Bereiche der Arbeit des Menschenrechtsrats hervorgehoben. Insbesondere zwei Fragen muss Aufmerksamkeit geschenkt werden. Erstens müssen wir aus der Geschichte lernen. Die Arbeit der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNCHR) als Vertreter des Menschenrechtsrats hat an Glaubwürdigkeit verloren, da dem Rat Länder angehörten, die in eklatanter Weise gegen Menschenrechte verstoßen haben. Die EU muss weiterhin nachdrücklich dafür eintreten, dass es für die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat objektive Kriterien geben muss und die Auflagen für eine Mitgliedschaft hinreichend streng sind. Der Begriff der Menschenrechte ist sehr umfassend. Bestimmte grundlegende Menschenrechte müssen uneingeschränkt in die Bedingungen für die Mitgliedschaft aufgenommen werden. Meines Erachtens sind Länder, in denen Scharia-Gerichte Teil des Rechtssystems sind, besonders problematisch. Die EU muss sich dafür einsetzen, dass der Menschenrechtsrat nicht wie das Vorgängergremium zu einem Club für Länder wird, die gegen Menschenrechte verstoßen.

Die zweite Frage betrifft das Verhältnis zwischen dem Instrument der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung und den in einzelnen Ländern angewandten Verfahren. Die EU muss darauf dringen, dass die Arbeit der Experten in den jeweiligen Ländern bei der UNO künftig getrennt vom UPR und wirklich unabhängig von den Regierungen durchgeführt wird. Ich halte es für besorgniserregend, dass Mitgliedstaaten in Verbindung mit einer Debatte über die Lage in einem Land von dem indirekten Vetorecht beim UPR Gebrauch machen und so ihren eigenen länderspezifischen Bericht umgehen können.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass die Versammlung des Menschenrechtsrats die Einflussmöglichkeiten der EU begrenzt. Allein die Länder Afrikas und Asiens zusammen können mit ihren 29 Sitzen die Arbeit des Rats in eine Richtung lenken, die von den menschenrechtspolitischen Zielen der westlichen Länder abweicht. Die EU muss nun Führungsvermögen und ein starken Willen zeigen. Wir sollten versuchen, die Gespräche zu nutzen, um regionale Blöcke aufzulösen. Ich möchte dem deutschen Ratsvorsitz danken, der mit seinem Aufruf zum Verbot der Todesstrafe eine beispielhafte Entschlossenheit gezeigt hat.

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Herr Präsident! Vor über einem Jahr begrüßte das Europäische Parlament mit Vorsicht die Bildung des UN-Menschenrechtsrates, der an die Stelle der in Verruf geratenen Menschenrechtskommission treten sollte. Wir hofften, der neue Rat würde die Vereinten Nationen reformieren helfen und entschiedene Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte in der ganzen Welt stärker geachtet werden.

Die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die Delegationen des Europäischen Parlaments haben sich aktiv an der Arbeit des Rates beteiligt. Es ist nun an der Zeit, um über das erste Jahr der Tätigkeit des Rates Bilanz zu ziehen. Leider muss festgestellt werden, dass mit der Einrichtung dieses neuen Rates bisher keine Wende in den Aktivitäten der Vereinten Nationen in Bezug auf die Menschenrechte eingetreten ist. Die Interessen einzelner Länder werden immer noch über die Verteidigung der bedrohten Grundrechte und Grundfreiheiten gestellt.

Das beste Beispiel dafür liefert die Unfähigkeit des Menschenrechtsrates, angemessen auf die Lage in Darfur zu reagieren. Im März wurde ein Bericht über die tragische Situation in dieser Region angenommen, aber der Rat selbst war nicht imstande, die logischen Schlussfolgerungen aus diesem Bericht zu ziehen und die Frage der politischen Verantwortung der sudanesischen Behörden für die politische Lage in diesem Land zu thematisieren. Andererseits hat der Menschenrechtsrat Israel acht Mal verurteilt, was die Unausgewogenheit in der Arbeit des Rates sowie seine politische Einstellung verdeutlicht.

In wenigen Tagen kommt der Menschenrechtsrat zu seiner fünften Sitzung zusammen, an der auch eine Delegation des Europäischen Parlaments teilnehmen wird. Inzwischen gehören auch die Niederlande, Slowenien und Italien dem Rat an, und mit Bosnien-Herzegowina wird ein weiteres europäisches Land beitreten. Belarus, das zurzeit von Herrn Lukaschenkos autoritärem Regime regiert wird, wurde nicht in den Rat gewählt, um Kontroversen zu vermeiden.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union stärker in die Arbeit des Menschenrechtsrates einbezogen werden, damit aus ihm ein Gremium wird, das sich tatsächlich für die Achtung der Grundfreiheiten einsetzt. Es geht dabei um eine wirksame Menschenrechtspolitik in unserer heutigen Welt und um die Reform der Vereinten Nationen. Und es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union selbst. Dessen sollten wir uns bewusst sein.

 
  
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  Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Parlament hat den Reformprozess der Vereinten Nationen stets konstruktiv und im Geiste des effektiven Multilateralismus begleitet. Wir wollen eine starke UNO, wir wollen Sicherheit und Stabilität, wir wollen wirksame Armutsbekämpfung, wir wollen effektiven Schutz der Menschenrechte. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe für die Beziehungen des Europäischen Parlaments zu den Vereinten Nationen ist mir hieran auch ganz persönlich gelegen.

Als der Menschenrechtsrat als neues Instrument eingerichtet wurde, haben wir das sehr begrüßt, denn die Versprechungen waren sehr positiv: eine echte Wahl der Mitglieder, vernünftige Arbeitsverfahren, die allgemeine periodische Überprüfung aller Mitglieder. Und heute? Unsere Entschließung ist sehr kritisch gehalten: Angola, Katar und Ägypten gesellen sich zu Staaten wie China und Kuba, eine Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten findet praktisch nicht statt. Mit Mühe und Not konnten wir gerade noch Belarus verhindern. Die Organisation islamischer Länder hat die Mehrheit sowohl in der asiatischen als auch in der afrikanischen Regionalgruppe. Damit kontrolliert und blockiert sie faktisch den gesamten Rat, von den Länderberichten bis hin zur allgemeinen Überprüfung. Frau Kommissarin, ich bin sehr gespannt auf das Schicksal des gestern vorgelegten Pakets. Ich hoffe, dass wir da optimistisch sein können.

Eine Ihrer Bemerkungen ist wirklich wichtig. Wir können als Europäische Union mühelos überstimmt werden, wie Sie sagten. Da stellt sich die Frage: Hat der Westen seine Hausaufgaben nicht gemacht? Die Frage geht an den Rat, besser noch an die Mitgliedstaaten. Sie sind bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen worden und haben es nicht einmal gemerkt. Es war offenkundig mangelhafte Arbeit unserer Regierungen. Aber auch wir als Parlamentarier müssen uns fragen, ob unsere Kontrolle und die unserer nationalen Kollegen scharf genug war. Ich meine, nein! Das beweist einmal mehr, dass wir Parlamentarier die Vereinten Nationen nicht den Regierungen überlassen dürfen. Wir müssen die parlamentarische Dimension der UNO stärken.

Frau Ferrero-Waldner, ich freue mich sehr über Ihren kritischen Blick auf das erste Jahr dieses Menschenrechtsrats, denn der Rat hat die Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, nicht erfüllt. Aber diese Institution existiert nun einmal, und sie bleibt das wichtigste internationale Forum. Wir müssen damit arbeiten, und ich hoffe, dass es gelingen wird, aus dieser Sackgasse wieder herauszukommen. Im Übrigen bin ich froh, dass wir diese Debatte in Brüssel führen und nicht in Straßburg.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, verehrte Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur kurz zusammenfassen, weil wir uns in der Zielsetzung einig sind. Ich kann, Herr Lambsdorff, Ihre Enttäuschung über das, was Sie am Schluss hier aufgeführt haben, verstehen. Aber nicht nur Sie sind enttäuscht, sondern auch wir, weil wir ganz andere Erwartungen hatten.

Ich teile die Auffassung von Frau Kommissarin Ferrero-Waldner, die gesagt hat, dass der Rat seit einem Jahr existiert, wir uns das alles anders vorgestellt haben, jedoch nur nicht schon jetzt den Stab über den Rat brechen wollten. Ich plädiere dafür, jetzt keinen Keil zwischen die Parlamente und die Regierung zu treiben. Das bringt uns nicht weiter. Im Gegenteil!

Auch wenn es das ein oder andere Verbesserungswürdige geben mag, muss die Europäische Union – dazu gehören die nationalen Parlamente, das Europaparlament, die Regierungen und die Kommission – zusammenstehen und ein klares Signal setzen, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen, da uns die Menschenrechte ein zu ernstes Anliegen sind. Ich kann nur hoffen, dass wir im zweiten Jahr den einen oder anderen Fortschritt erzielen, auch wenn nach dem ersten Jahr zunächst einmal eine ernüchternde Zwischenbilanz zu ziehen ist. Aber ich werbe dafür, dass uns das mit Ihnen, die Sie sich für das Anliegen der Menschenrechte sehr stark engagieren, gemeinsam gelingt. Ich hoffe, dass wir dann im folgenden Berichtsjahr ein etwas positiveres Fazit ziehen werden, als wir es heute tun können.

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. Herr Präsident, verehrte Damen und Herren Parlamentarier! Für mich ist der Menschenrechtsrat tatsächlich ein neues Gremium, das daher noch unter gewissen Kinderkrankheiten leidet. Es ist in der UNO für uns als Europäische Union nicht leicht, heute unsere Menschenrechtsstandards wirklich zu stärken. Warum? Wir haben wenige stetige Verbündete. Meist sind das die Kanadier, die Schweiz, die Norweger, die Beitrittskandidaten, einzelne Länder der Nachbarschaftspolitik, um jetzt einige aufzuzählen. Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. Wir sehen uns aber oft einem Block von Ländern der G77 gegenüber, und mit einem konfrontativen Ansatz können wir meist nicht viel erreichen.

Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen. Was ist das? Was können wir tun? Wir können zum Beispiel den Sonderberichterstatter stärken, die Hochkommissarin für Menschenrechte unterstützen, universelle Überprüfungen durchführen, aber wir können auch die schwerwiegendsten Fälle verurteilen und die schwersten Verletzungen anprangern. Das heißt, in Einzelfällen müssen wir auch in Zukunft sehr klare Worte finden, und zwar im Interesse der betroffenen Menschen.

Mir geht es oft um eine raschere Antwort und Reaktion auf Entwicklungen. Von Anfang an hatte ich zum Beispiel eine Art von Alarmmechanismus eingefordert. Ich hoffe sehr, dass wir uns graduell in diese Richtung bewegen können. Längerfristig jedenfalls setzt die Verwirklichung der Ziele des Menschenrechtsrats die Durchsetzung eines neuen Ansatzes im Bereich der Menschenrechte innerhalb der Vereinten Nationen voraus.

Der Übergang zu diesem neuen Ansatz war auch das Kernstück der Resolution zur Einrichtung dieses neuen Rates. Darin heißt es nämlich, dass der Rat in seiner Arbeit „von den Grundsätzen der Universalität, der Unparteilichkeit, der Objektivität und der Nichtselektivität, eines konstruktiven internationalen Dialogs und der konstruktiven internationalen Zusammenarbeit geleitet sein soll“. Natürlich muss uns auch bewusst sein, dass es nie ein apolitisches UN-Forum geben wird. Wir müssen daher nicht nur unsere Werte, sondern selbstverständlich auch alle unsere Interessen vertreten.

 
  
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  Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung zwei Entschließungsanträge(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


15. Grenzschutz an den Seegrenzen Europas – Europäische Solidarität und Schutz der Rechte der Migranten (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zum Grenzschutz an den Seegrenzen Europas, zur europäischen Solidarität und zum Schutz der Rechte der Migranten.

 
  
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  Peter Altmaier, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Ich möchte im Namen der Präsidentschaft ganz klar zum Ausdruck bringen, dass uns die jüngsten Berichte über Migranten, die im Mittelmeer in Seenot geraten und ums Leben gekommen sind, die Berichte über Tragödien, die sich dort abgespielt haben, die Verantwortung vor Augen führen, die wir als Mitgliedstaaten in diesem Bereich haben.

Unabhängig von allen migrationspolitischen Regelungen hat bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Schutz des menschlichen Lebens als oberstes Gut unbedingten Vorrang. Dieser Grundsatz ist nicht nur in einer Reihe von internationalen Abkommen festgeschrieben, er entspricht auch unserem gemeinsamen Verständnis der Werte, auf denen sich die Europäische Union gründet.

Unabhängig von der Frage nach der juristischen Zuständigkeit gibt es eindeutig eine politische Verantwortung der Europäischen Union, und dieser Verantwortung wollen wir uns gemeinsam stellen. Deshalb hat die Präsidentschaft in Übereinstimmung mit der Kommission entschieden, in der nächsten Sitzung des Rates der Justiz- und Innenminister am 12. Juni über dieses Problem eine Aussprache im Ministerrat herbeizuführen.

Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass es in der Vergangenheit Probleme bei der Auslegung und Anwendung internationaler Übereinkommen gegeben hat und bis heute gibt. Wir müssen als Mitgliedstaaten die Verantwortung, die wir haben, erkennen, solche menschlichen Tragödien zu verhindern, und das Haager Programm betont zu Recht ausdrücklich die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit aller Staaten sowie die Notwendigkeit von Solidarität und geteilter Verantwortung.

Es kommt neben der Rettung von Menschen entscheidend darauf an, dass wir es gar nicht so weit kommen lassen, dass gewissenlose und kriminelle Organisationen diese Menschen in Lebensgefahr bringen, indem sie versuchen, sie illegal nach Europa zu bringen. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Rahmen eines Gesamtansatzes zur Lösung der Migrationsfrage auch eine bessere Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern erreichen. Es ist erforderlich, diese Zusammenarbeit im Rahmen des politischen Dialogs zu Migrationsfragen mit den Regierungen dieser Länder, insbesondere auch im Rahmen der Euromed-Partnerschaft und des Folgeprozesses der EU-Afrika-Migrationskonferenzen in Rabat und Tripolis weiter zu stärken.

Wir glauben, dass wir durch die Anstrengungen der letzten Monate, durch die Aussprachen in allen Ratssitzungen unter finnischer und deutscher Präsidentschaft einen ersten Grundstein dafür gelegt haben, dass die Europäische Union mit diesen Tragödien im Interesse der betroffenen Menschen in Zukunft besser und überzeugender umgehen kann.

 
  
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  Franco Frattini, Mitglied der Kommission. (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der amtierende Ratspräsident, Herr Altmaier, hat Vieles gesagt, und ich schließe mich seinem Standpunkt an. Zweifellos werde ich einen hauptsächlich politischen Aspekt davon herausstellen, nämlich das Erfordernis, das Einwanderungsthema anzupacken und dabei die Notwendigkeit, den Menschenhandel und sämtliche illegalen Aktivitäten zu stoppen, mit der absoluten Notwendigkeit der Solidarität zu verbinden, wobei Solidarität in erster Linie bedeutet, bedrohte Menschenleben zu retten.

Wie ganz richtig gesagt wurde und wie wir in unserer Gemeinsamen Erklärung hervorheben, rücken angesichts der Gefahr, auch nur ein einziges Menschenleben zu verlieren, streng rechtliche Fragen der Anwendung internationaler Seerechtsübereinkommen – die gleichwohl strikt und gewissenhaft sein muss – in den Hintergrund. Als Erstes müssen Menschenleben, die in Gefahr sind, gerettet werden. Selbstverständlich ist Solidarität nicht nur das.

Solidarität bildet die Grundlage des Gesamtansatzes, den die Kommission, nachdem der Europäische Rat im Dezember vorigen Jahres seine einhellige Unterstützung bekundet hatte, in diesem ersten Halbjahr in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Vorsitz der Europäischen Union verfolgt. Zuallererst muss Solidarität unter den Mitgliedstaaten herrschen, d. h. alle Mitgliedstaaten der Union, auch diejenigen, die ihrer Überzeugung nach weniger von der täglichen Einwanderungstragödie berührt sind, müssen begreifen, dass dies auch ihr Problem ist und dass es ausnahmslos die ganze EU betrifft. Daher scheint der Beschluss auf der Hand zu liegen, Patrouillen im Atlantischen Ozean durchzuführen, um Spanien zu unterstützen, das andernfalls einen enormen Migrantenzustrom auf die Kanarischen Inseln allein bewältigen müsste, oder eine Patrouille im Mittelmeer, um den Forderungen von Ländern wie Malta oder Zypern nachzukommen, den kleinsten Mittelmeerländern der EU, ganz zu schweigen von den größeren.

Alle Mitgliedstaaten müssen ihren Part bei den Patrouillen übernehmen, und ich werde nächste Woche den Ministern ganz freundschaftlich zu verstehen geben, dass noch nicht genug getan wurde bzw. getan wird, um der übernommenen Verpflichtung zur Bereitstellung von Ausrüstungen nachzukommen. Das ist der erste Aspekt der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.

Darüber hinaus gibt es einen finanziellen Aspekt der Solidarität: Die Kosten, die anfallen, um die Patrouillen einzuführen und den Menschen in Not Schutz und eine menschenwürdige Aufnahme zu bieten, müssen aufgeteilt werden. Diesbezüglich sehe ich mich gezwungen, meine Damen und Herren, ehrlich und offen, wie Sie es von mir gewohnt sind, an Sie zu appellieren. Dieses Parlament hält 12,7 Millionen Euro in der Reserve zurück, die jetzt, und nicht erst in einer Woche, dringend benötigt werden, damit die Frontex-Missionen fortgeführt werden können. Ich respektiere die Beschlüsse dieses Parlaments, muss jedoch ganz offen sagen, dass, wenn die Reserve, die um den 24./25. Juni herum geprüft werden soll, erst Ende dieses Monats aufgelöst wird, wir Gefahr laufen, die Frontex-Mission im zentralen Mittelmeer und auf den Kanaren wegen fehlender finanzieller Mittel stoppen zu müssen. Es muss sofort gehandelt werden, um die Mittel, die zwar verfügbar sind, jedoch zurückgestellt wurden, freizugeben.

Es gibt noch ein anderes Thema, das mit Solidarität zu tun hat: unsere Verpflichtung gegenüber beteiligten Drittländern. Wir haben versprochen, enger mit den Herkunfts- und den Transitländern zusammenzuarbeiten. Wir haben klar und deutlich gesagt, dass wir ihre tatkräftige Mitwirkung brauchen und dass wir bereit sind, die Herkunftsländer durch ein System der legalen, regulären und überwachten Einwanderung zu unterstützen. Vor zwei Wochen habe ich diesbezüglich einen klaren Vorschlag vorgelegt.

Gleichzeitig fordern wir die Unterstützung der Herkunfts- und Transitstaaten, um den Menschenhandel zu unterbinden und all denjenigen, die sich auf den Weg über den Atlantik oder das Mittelmeer machen wollen, klarzumachen, dass sie sich nicht auf eine Reise ins Glück, sondern in ernste Gefahr begeben. Deshalb bedarf es vor allem anderen der politischen Zusammenarbeit, nicht der polizeilichen, um in den Herkunftsländern die Bedingungen für eine bessere Information über dieses Thema zu schaffen, an der es gegenwärtig noch mangelt. Im Gegenzug ist Europa bereit, diejenigen aufzunehmen, die ehrlich und im Rahmen der Gesetze arbeiten wollen. Wie wir alle wissen, werden diese Leute in vielen Mitgliedstaaten, in denen Arbeitskräftemangel herrscht, gebraucht. Dies ist ein weiterer Gesichtspunkt der Solidarität.

Eine wichtige Form der Solidarität besteht ferner darin, die Einwanderer, auch die illegalen, zu empfangen. Meiner Überzeugung nach ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, sich nach Kräften für die Rettung von Menschenleben auf See einzusetzen, doch ebenso müssen sich die anderen Mitgliedstaaten bewusst machen, dass wir nicht nur Malta – um ein Beispiel zu nennen – die volle Last für die Aufnahme aller Migranten aufbürden können, die im Mittelmeer von maltesischen Schiffen gerettet werden. Diese Situation erfordert Solidarität und auch eine politisch begründete Rahmenvereinbarung, um festzulegen, wo wir Migranten aufnehmen können, die in den am stärksten exponierten Ländern ankommen. Das ist eine andere Seite von Solidarität: die Aufnahme von Migranten in einem breiteren Spektrum von Mitgliedstaaten anzubieten, und nicht nur in denjenigen, die sich in vorderster Front befinden. Das ist ein weiteres Element, zu dem wir eine grundsätzliche Einigung erzielen müssen, die leider noch nicht gefunden wurde.

Ich glaube, dass wir auf der Ministerratstagung nächste Woche eine weitere Frage behandeln werden müssen: Wer ist für die Patrouillen in jenen Such- und Rettungszonen auf See verantwortlich, die in die Zuständigkeit von Drittländern fallen? Der Fall Libyens wurde erwähnt. Gemäß den internationalen Übereinkommen hat jeder Staat ein Gebiet auf offener See, in dem er für die Suche und Rettung verantwortlich zeichnet. Was passiert, wenn ein Nicht-EU-Land wie Libyen seinen Such- und Rettungspflichten auf See nicht nachkommt? Was können wir Europäer tun, um in diesem Gebiet einzugreifen? Wer übernimmt die Verantwortung? Das sind Regeln, die aufgestellt werden müssen und die noch nicht existieren. Das Problem betrifft die Umsetzung internationaler Übereinkommen, nicht europäischer Rechtsvorschriften. Es ist jedoch an der Zeit, sich in der EU mit diesem Thema zu befassen, und ich halte es für eine gute Idee, mit seiner Erörterung ebenfalls nächste Woche auf der Tagung des Ministerrats zu beginnen.

Und schließlich, wo liegt die Verantwortung und welche Art von Solidarität ist erforderlich für die Erstaufnahme der Migranten, die ankommen und unter menschenwürdigen Bedingungen, die unveräußerlich und nicht verhandelbar sind, aufgenommen werden müssen? Wer sollte die Verantwortung übernehmen und wie sollte die Aufgabenverteilung unter den Mitgliedstaaten erfolgen? Ist es für uns noch vorstellbar, dass ein kleines Land inmitten des Mittelmeers alles allein bewerkstelligen kann? Das wäre kein gutes Beispiel für Solidarität unter Mitgliedstaaten, und das ist ein weiterer Aspekt, mit dem wir uns befassen sollten. Die Europäische Union kann diesbezüglich viel tun: Sie kann helfen, die Maßnahmen zur Rückführung in die Herkunftsländer unter Beachtung der Regeln, die die uneingeschränkte Würde jeder zurückzuführenden Person gewährleisten, zu finanzieren und zu organisieren. Ohne Frage haben alle Einwanderer, auch die illegalen, jedes Recht auf Achtung ihrer Menschenwürde, doch können wir unsere Ansichten niemandem aufzwingen, wenn es Mitgliedstaaten gibt, die sich weigern, ihren Beitrag zu leisten.

Das ist die Solidarität, auf die ich mich beziehe, und das sind die Prinzipien, von denen wir uns leiten lassen müssen, um zu gewährleisten, dass die Tragödie, die sich vor einigen Tagen abgespielt hat – und bei der es nicht darum geht, Schuldzuweisungen oder Vorwürfe zu erheben, sondern eine tragische Lehre daraus zu ziehen –, sich niemals mehr wiederholt.

 
  
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  Simon Busuttil, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (MT) Herr Präsident! Das Schlimmste, was wir tun könnten, wäre, uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, statt zusammenzuarbeiten, um eine Lösung für dieses schwerwiegende Problem zu finden, ein Problem, das, wie bereits gesagt wurde, nicht nur ein Land, sondern alle betrifft. Im Zusammenhang mit den Ereignissen, die sich in libyschen Gewässern zugetragen haben und für die Malta also nicht verantwortlich ist, mit dem Finger auf Malta zu zeigen, ist falsch und ungerecht. Malta ist sich seiner Pflichten wohl bewusst und erkennt diese vor dem Hintergrund der uneingeschränkten Achtung des menschlichen Lebens an. Diese Achtung geht sogar so weit, dass die Mehrzahl der jedes Jahr in Malta ankommenden und aus dem Meer gefischten Einwanderer quasi an der Schwelle des Todes gerettet wird. Die Last, die Malta zu schultern hat, ist bereits unverhältnismäßig groß. Gestatten Sie mir, Herr Altmaier, ein Beispiel zu nennen: Das Meeresgebiet, das Malta kontrollieren muss, beträgt etwa zwei Drittel der Fläche Deutschlands bzw. macht es fast drei Viertel der Fläche Italiens aus. Wir sind für dieses gesamte Gebiet zuständig. Bislang hat Malta diese Fläche allein patrouilliert, da Frontex noch nicht einmal angefangen hat, hier tätig zu werden. Frau Kommissarin! Dem Parlament ist so sehr daran gelegen, dass Frontex seine Arbeit aufnimmt, dass es das Frontex-Budget verdoppelt hat. Bislang hat sich Frontex im Mittelmeer jedoch als absolut ineffektiv erwiesen. Aus diesem Grund ist es ungerecht und unfair, Malta für Vorkommnisse die Schuld aufzubürden, die sich in libyschen Gewässern zugetragen haben. Statt sich gegenseitig zu beschuldigen, müssen wir zusammenarbeiten, um eine Lösung zu finden. Die Lösung, so erwünscht, liegt auf der Hand. Betrachtet man die Sache nicht als das Problem eines einzelnen Landes, dann sollte die Last, die die in maltesischen Gewässern geretteten Immigranten darstellen, auf alle Schultern verteilt werden – ja zwischen den 27 Mitgliedstaaten der EU. Das steht außer Frage. Unklar ist hingegen, Herr Präsident, ob die nationalen Regierungen bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen und die Last zu teilen. Vielen Dank.

 
  
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  Martine Roure, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Es ist auf keinen Fall hinnehmbar, dass wir in jedem Sommer Zeugen menschlicher Dramen an den Grenzen Europas werden. Trotz unserer Empörung wiederholen sich diese Dramen jedes Jahr aufs Neue.

Wie kann die Europäische Union Menschen angesichts ihrer Notlage vor den Toren Europas ihrem Schicksal überlassen? Die Kommission soll bei der nächsten Tagung des Rates Justiz und Inneres (JI) von den Mitgliedstaaten Verpflichtungen fordern: wir müssen sicherstellen, dass sich derartige Vorkommnisse nicht wiederholen können. Es ist nicht hinnehmbar, dass beispielsweise über die individuelle Verantwortung debattiert werden konnte, während auf dem Meer Menschen in Gefahr waren und niemand zu Hilfe kam.

Malta trägt zweifellos eine große Verantwortung. Menschen in Not Hilfe zu gewähren ist eine Pflicht und keine Option, man ließ sie aber sterben. Allerdings bin ich der Ansicht, dass wir alle für dieses Drama mitverantwortlich sind. Ich erhielt Post von zahlreichen Maltesern, Menschen voller Anteilnahme, denen es nahe geht, dass Migranten so behandelt werden und dass sich ihr Land in einer derartigen Lage befindet. Zugleich aber sind sie sich bewusst, dass ihr kleines Land im Stich gelassen wurde.

Ich möchte hier sagen, dass diese Vorkommnisse zeigen, wie sehr es in Europa im Hinblick auf die Grenzsicherung und die Aufnahme von Migranten an Solidarität mangelt. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Lasten im Wesentlichen auf den Ländern Süd- und Osteuropas ruhen. Europa muss sich solidarisch zeigen und dafür sorgen, dass die Lasten und die Verantwortung von allen Mitgliedstaaten geteilt werden. Daher rufe ich die Mitgliedstaaten auf, Frontex mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, damit die Einsätze auf dem Meer noch vor Ende Juni beginnen können und, vor allem im Mittelmeer, weiter ausgebaut werden.

Ich war zufrieden, als ich erfuhr, dass uns in den nächsten Tagen die Evaluierung der Dublin-II-Verordnung vorgelegt werden soll, wie uns kürzlich mitgeteilt wurde. Wir haben bereits seit mehreren Monaten darum ersucht, obwohl das heute keine Evaluierung in dem Sinne ist, wie sie erforderlich wäre, sondern eine in Eile vorgenommene Überprüfung. Die Dublin-II-Verordnung ist eindeutig nicht geeignet, vor allem nicht für ein kleines Land wie Malta.

Ferner fragen wir die Kommission, wie weit die Aussprache mit Libyen über die Zuwanderung vorangekommen ist. Die jüngsten Vorkommnisse haben die Unfähigkeit Libyens gezeigt, Migranten und Personen in Not Hilfe zu leisten. Wir sagten es bereits und wiederholen es noch einmal: Die Europäische Union darf ihre Verantwortung nicht auf ein Land abwälzen, das hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte nicht die entsprechenden Standards anwendet.

 
  
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  Jeanine Hennis-Plasschaert, im Namen der ALDE-Fraktion.(NL) Herr Präsident! Die illegale Einwanderung muss, da sie schon eine Zeit lang ein akutes Problem darstellt, dringend angepackt werden. Die ersten zögerlichen Schritte sind zwar unternommen worden, aber gleichwohl ist die Frage, wer dafür verantwortlich ist, in Seenot geratene Migranten – seien es legale oder illegale – vor dem Ertrinken zu retten, auch 2007 noch sehr kontrovers. Bestürzend ist, dass die moralische und gesetzliche Verpflichtung wohl nicht von allen gleichermaßen ernst genommen wird. Wie Frau Roure soeben ausführte, wird Malta durch den großen Zustrom Illegaler vor erhebliche Probleme gestellt. Das ist unumstritten, und deshalb muss die so ersehnte und viel diskutierte Solidarität schnellstmöglich in Gang gebracht werden. Ebenso scheint mir die rasche Einführung eines neuen Systems der Lastenverteilung geboten.

Diese Sachlage rechtfertigt aber keineswegs die Art und Weise, in der Malta glaubt sich seiner moralischen und gesetzlichen Pflicht entledigen zu müssen. Da es sich letztlich um einen EU-Mitgliedstaat handelt, tragen wir als Union Verantwortung. Im Mittelmeer hielten sich drei Tage lang 27 Schiffbrüchige an Fischnetzen fest, während sich Malta und Libyen über ihre Rettung stritten, da sie sich nicht auf ihre exakte Position einigen konnten. Leider ist dies kein Einzelfall. Absurd. Libyen steht bekanntlich nicht gerade im Rufe, ein Paradies für Menschenrechte oder humane Gesichtspunkte zu sein, ganz im Gegenteil. Dass die Union diesen Schiffbrüchigen gegenüber dieselbe Haltung einzunehmen droht, ist ein ausgesprochener Skandal.

In meiner Aktentasche mit den Unterlagen für die gestrige Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr stieß ich auf eine Studie über illegal auf dem Seeweg einwandernde Migranten. Die in dieser Studie vorgeschlagenen Maßnahmen müssen vorrangig umgesetzt werden. Kommissar Frattini wird sich diesbezüglich mit Kommissar Barrot zusammentun müssen. Geld allein reicht nicht. Wenn es um die Bedingungen für die Rückführung illegaler Einwanderer geht, hat, wie Sie sehr wohl wissen, der Rat die Schlüssel in der Hand. Gleichzeitig sollte vor allen Dingen klar sein, dass niemand, ja wirklich niemand, so genannte rechtliche Schlupflöcher beispielsweise im internationalen Seerecht als Vorwand nehmen darf und kann. Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg.

Gestatten Sie mir noch eine Schlussbemerkung an die Adresse des Rates. Verehrte Herren Ratsvorsitzende: Sie können Berlin-Erklärungen, in deren Mittelpunkt europäische Werte stehen, ad infinitum aufnehmen. Solange diese jedoch nicht in die Praxis umgesetzt werden, ergibt sich in Wirklichkeit ein völlig anderes Bild und setzen Sie als Ratsvorsitz die Glaubwürdigkeit der EU aufs Spiel. Setzen Sie die schönen Worte, die Sie so gerne verkünden und vorhin verkündet haben, in die Tat um. Verwirklichen Sie die ehrgeizigen Ziele, die unter anderem in dem Programm von Tampere und dem Haager Programm festgeschrieben wurden. Lösen Sie Ihre Versprechen ein. Bei allem Respekt, eine Aussprache nächste Woche ist zwar prima, aber wirklich nicht ausreichend. Die Problematik ist nicht neu. Jetzt muss gehandelt werden, und zwar umgehend.

 
  
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  Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich denke, dass viele der jüngsten Ereignisse und die entsetzlichen Bilder eines Bootes, das Menschen in einem Netz hinter sich herzieht, das Ergebnis – wie wir gehört haben – eines ganzen Fehlerkatalogs sind; von dem vieles mit ein wenig Vorausplanung absolut vermeidbar gewesen wäre. Wir gehen davon aus, dass der kommende Rat „Justiz und Inneres“ sich dieser Frage widmen wird. Es hätte nicht so weit kommen müssen, wenn die Mitgliedstaaten ihre Versprechen in Bezug auf logistische und andere Unterstützung für Frontex und andere Maßnahmen angesichts der Erfahrungen auf den Kanaren, Lampedusa, Malta, Zypern usw. eingehalten hätten. Die Ereignisse wären vermeidbar gewesen, wenn, wie Kommissar Frattini sagte, die Mitgliedstaaten einen Plan B für den Fall bereitgehalten hätten, dass Libyen seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. In der Tat sieht es so aus, als hätte Libyen sein Seerettungsgebiet nicht klar festgelegt, also warum verhandeln wir in einem Notfall, wenn wir wissen, dass ohnehin Uneinigkeit herrscht und wir somit vorausschauend hätten planen können?

Ich stimme Frau Roure zu: Wir sollten Vereinbarungen meiden, die wir mit einem Land aushandeln, das eine dermaßen schlechte Bilanz in Sachen Menschenrechte aufweist. Das betrifft auch zahlreiche Transit- und Herkunftsländer. Solche Übereinkommen müssen öffentlich geschlossen werden, ob nun auf multilateraler oder bilateraler Ebene, und wir Abgeordneten warten noch auf Dokumente, die uns nach unserem Besuch auf Lampedusa von den italienischen Behörden zugesichert wurden.

Meine Fraktion vertritt die Ansicht, dass wir eine Asylagentur benötigen, die Teams aus Fachleuten zusammenstellen und Ländern helfen kann, die von „Notmigration“ betroffen sind. Bezüglich Dublin II ist uns ferner bewusst, dass manche Staaten aus Furcht vor Konsequenzen nur sehr zögerlich handeln und Verantwortung übernehmen, da sie denken, sie sind auf sich gestellt. Anlass zur Besorgnis besteht auch im Hinblick auf die Aufnahme- und Verfahrensrichtlinien sowie die Qualität ihrer Umsetzung. Die EU muss bei der Gewährleistung eines Qualitätsverfahrens nochmals Unterstützung bereitstellen: eine weitere Aufgabe für eine Asylagentur.

Wir müssen aber auch in anderen Ländern Unterstützung leisten, die mit der Einwanderung umgehen müssen. Uns sollte jedoch auch klar sein, dass wir nicht jene bestrafen dürfen, die Menschen in Not retten, damit es zu keinen weiteren Verurteilungen nach dem Vorbild der Cap Anamur kommt. Wir haben erfahren, dass das Gesetz des Meeres eindeutig ist: Menschen in Not müssen ohne Ansehen ihres Status gerettet werden. Ich bin mir absolut sicher, dass die Menschen, über die in unseren Medien berichtet wird, viel schneller gerettet worden wären, wenn sie Kreuzfahrtpassagiere gewesen wären.

 
  
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  Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Frattini hat zu Recht über Solidarität gesprochen, doch unserer Meinung nach sollten wir als Erstes Solidarität mit den Familien jener Menschen üben, die im Mittelmeer ertrunken sind, Solidarität, um auch uns selbst klarzumachen, dass wir sie nicht länger illegale Einwanderer nennen sollten, sondern vielleicht lieber Schiffbrüchige. Das sind sie nämlich: Menschen – Männer und Frauen –, die bei dem Versuch, Europa zu erreichen, im Mittelmeer ertranken und denen nicht einmal eine Chance auf Rettung und Hilfe auf See gegeben wurde, sondern die man sogar drei Tage lang an ein Thunfischnetz geklammert treiben ließ. Wir müssen klipp und klar sagen: Jemand hat die schwerwiegende Verantwortung dafür zu tragen!

Herr Frattini hat es in einem Interview für eine italienische Tageszeitung klar und deutlich ausgesprochen, als er von einer schweren Verantwortung der maltesischen Regierung sprach. Das muss hier in diesem Hohen Haus bekräftigt werden, ebenso wie die Tatsache, dass man nicht einmal den Anstand besaß, diese Menschen zu bestatten; sogar noch nach ihrem Tode wurde ihnen die Aufnahme verweigert.

Daher sollten wir ernsthaft bedenken, dass für Frontex, obgleich es eine spezifische Aufgabe zu erfüllen haben mag, die Rettung von Menschenleben auf See Priorität haben muss. Das hatten wir bereits vor kurzem betont, als wir uns mit den Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke befassten. Das war bedauerlicherweise nicht die erste derartige Tragödie; in den letzten 10 Jahren ertranken über 9 000 Menschen bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen, aber es war die schlimmste Tragödie der vergangenen zehn Jahre.

Außerdem sollten wir gründlich über die Notwendigkeit nachdenken, die legalen Kanäle zu erweitern, damit die Menschen rechtmäßig einreisen können, und ebenso über die Möglichkeit, die Dublin-II-Verordnung zu überarbeiten, um solche Tragödien zu verhindern.

Sehen Sie, meiner Meinung nach geschieht derzeit etwas sehr Ernstes: Wir sind dabei, die Leitgrundsätze der westlichen Zivilisation aufzugeben, die auf Gastfreundschaft und dem Recht auf Bestattung beruht. Wie es uns die großen Autoren der griechischen Tragödien gelehrt haben, sollten wir an diesem Punkt neu beginnen, nicht zuletzt um eine neue Vorstellung von Aufnahmebereitschaft und Gastfreundschaft für Europa zu entwickeln.

 
  
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  Manfred Weber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Staatssekretär! Es ist wichtig, sich heute nochmals die Bilder zu vergegenwärtigen, die wir alle in den Zeitungen und im Fernsehen gesehen haben. Es ging um Schiffe, die vom Flugzeug aus entdeckt wurden, und als man dann die Rettungsaktion vor Ort einleitete, war das Schiff nicht mehr da – 53 bis 57 Tote. Wir reden heute über andere Fälle, in denen man auf solchen Schiffen fast nur Tote geborgen hat, wir reden über Kinder, über Babies, über viele Unbekannte – und deswegen über eine entsetzliche Tragödie, über etwas, das uns erschüttern muss. Deswegen möchte ich für die Europäische Volkspartei zum einen zum Ausdruck bringen, dass Europa bei dieser Fragestellung im Kern getroffen sein muss. Es geht um Grundrechte, um unsere Wertegrundlage, um das Recht auf Leben. Es geht heute nicht um den Streit über Migration, nicht darum, wen wir nach Europa hereinlassen oder nicht, sondern um zutiefst humanitäre Fragen. Deswegen möchte ich zum Ausdruck bringen: Werte fragen nicht nach Grenzen, Werte sind für uns unteilbar und wir als Europäer müssen sie anwenden!

Zum anderen möchte ich unterstreichen, dass die europäische Solidarität – wie es von vielen Kollegen bereits angesprochen wurde – jetzt ernsthaft gefordert ist. Malta als ganz kleines Land – und viele andere Länder an der Südgrenze – allein zu lassen und dann mit dem Finger auf sie zu zeigen, ist nicht der richtige Weg. Nein, es ist ein europäisches Thema! Ich finde es schade, dass diese Tragödie in den Medien Mittel- und Nordeuropas kaum Niederschlag findet, dass sich die Menschen dort nicht dafür interessieren.

Jetzt muss gehandelt werden! Deswegen, Herr Kommissar, nehme ich für die EVP gerne den Gedanken auf, dass wir über die Haushaltssperre diskutieren, wenn dieses Geld notwendig sein sollte. Ich bitte den Rat – Herr Staatssekretär, lieber Peter –, nicht nur Beschlüsse zu fassen, sondern jetzt endlich zu handeln. Durch Beschlüsse werden diese Menschen nicht gerettet, sie werden nur durch Maßnahmen gerettet. Deswegen fordere ich ganz konkret, dass bei der kommende Woche stattfindenden Ratstagung diese humanitäre Katastrophe zu einem der Topthemen werden muss.

 
  
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  Javier Moreno Sánchez (PSE).(ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erneut haben uns Bilder der Verzweiflung und des Todes von Einwanderern erreicht. Sie zeigen einmal mehr die dramatischste und sichtbarste Seite der illegalen Einwanderung. Sie verdeutlichen einmal mehr die humanitäre Dringlichkeit einer sofortigen und entschlossenen Antwort.

Diese Entwicklung wird nicht von selbst aufhören. Mehr als 9 000 Menschen haben bereits bei dem Versuch, das Mittelmeer zu durchqueren, ihr Leben verloren, und mit dem Einsetzen des guten Wetters wird diese Zahl weiter ansteigen.

In der vergangenen Woche haben es die Behörden eines Mitgliedstaates versäumt, ihren elementaren internationalen Pflichten im Hinblick auf die Rettung und Aufnahme von Schiffbrüchigen nachzukommen. Nun, es genügt nicht, diesen Staat für seine unannehmbare Haltung zu verurteilen und ihn aufzufordern, seiner Verantwortung gerecht zu werden, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt. Ebenso wenig dürfen wir den Kapitänen der Fischereischiffe die Bekämpfung der illegalen Einwanderung übertragen. Wir sprechen hier nicht von einem maltesischen Problem. Es ist ein europäisches Problem, das eine allgemeine, auf Solidarität zwischen uns allen basierende Antwort erfordert. Ich wiederhole: alle Mitgliedstaaten, eine gemeinsame Verantwortung, Transparenz und gegenseitiges Vertrauen.

Aus allen diesen Gründen möchte ich den Rat, die Kommission und dieses Hohe Haus auffordern, unverzüglich konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um dieser untragbaren Situation ein Ende zu bereiten. Frontex darf nicht länger eine Fata Morgana sein, sondern muss mit den notwendigen Mitteln für gemeinsame Überwachungspatrouillen ausgestattet werden, um das gesamte Jahr hindurch in den besonders gefährdeten Zonen zu operieren.

Meine Damen und Herren, wir Europäer dürfen nicht weiter debattieren und untereinander streiten, während Immigranten im Meer ertrinken. Lassen Sie uns jetzt handeln.

 
  
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  Ignasi Guardans Cambó (ALDE).(ES) Zunächst möchte ich den Herrn Kommissar dazu beglückwünschen, dass er in dieser Frage seine Verantwortung übernommen hat. Ich hoffe, dass es nicht nur Worte sind, obwohl Worte natürlich einen guten Anfang bilden.

Es kann nicht hingenommen werden, dass wir Menschen umkommen lassen, während die Regierungen und Bürokratien einiger Staaten darüber diskutieren, wer zur Rettung dieser Schiffbrüchigen verpflichtet ist, die infolge von Entkräftung, Ertrinken, Sonnenhitze sterben …

Malta hat seine Pflichten zu erfüllen, seine Haltung ist untragbar und muss verurteilt werden. Doch die Union muss natürlich in der Lage sein, heute Malta, gestern Spanien und den Kanarischen Inseln und morgen irgendwo anders zu helfen, wenn es darum geht, das Leben von Menschen zu retten, die in die Europäische Union gelangen wollen.

Der Sommer beginnt jetzt, und mit ihm kehren die Menschenströme zurück, die ihre Träume in London oder Hamburg verwirklichen wollen, deren Schicksal es jedoch ist, an den Küsten des Südens ihr Leben zu lassen.

Das ist die Botschaft, die von uns ausgehen muss.

Wir befinden uns zurzeit inmitten einer Debatte über die Zukunft Europas, darüber, was wir wollen und was wir gemeinsam tun können. Nun, gerade in Bereichen wie diesem kann die Europäische Union ihre Legitimität finden. Ich spreche nicht bloß von Glaubwürdigkeit, sondern von Legitimität. Die Europäische Union kann allerdings ihre Legitimität in dieser Frage auch verlieren.

Was für eine Union haben wir, die alle Arten von Fragen organisieren und regulieren kann – einige von ihnen werden von vielen unserer Bürgerinnen und Bürger als absurd und sogar blödsinnig betrachtet –, aber die unfähig ist, so zu handeln, dass Menschen, die versuchen, unsere Grenzen zu erreichen, nicht umkommen, dass Menschen, die versuchen, in unsere Festung zu gelangen, nicht vor den Toren zum Sterben verurteilt sind?

Herr Vizepräsident, Sie stehen vor einer historischen Herausforderung, Sie haben eine politische und historische Aufgabe. Es obliegt Ihnen, die Solidarität zu fördern, doch wenn sich keine Solidarität einstellt, müssen Sie sie erzwingen. Sie haben die Macht dazu. Wenn keine Solidarität entsteht, müssen Sie diese anordnen. Politisch anordnen und damit jene Staaten beschämen, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen, durch legislative Vorschläge aufzwingen, damit jeder seine Pflicht in Bezug auf die Gegenwart und die Vergangenheit erfüllt, angesichts so vieler Toter, die den Regierungen zuzuschreiben sind, die ihrer Rolle nicht gerecht werden.

 
  
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  Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Täglich versuchen mehr Illegale, europäisches Festland zu erreichen, und täglich erleben wir unerträgliche Situationen und unerträgliche Tragödien im Süden Europas. Die Europäische Union hat Frontex geschaffen. Das Europäische Parlament war bereit, jährlich das Budget für die Grenzüberwachung zu verdoppeln. Mittlerweile stehen 35 Millionen Euro für Frontex zur Verfügung. Trotzdem kommen täglich mehr Illegale über die Grenzen in die Europäische Union. Das heißt schlicht und einfach: Der Grenzschutz funktioniert nicht! Die Hilfe für Mitgliedstaaten, die Koordinationstätigkeit, die Frontex leisten soll, funktioniert nicht.

Wenn Mängel in der Koordination bestehen, so ist die Arbeit von Frontex zu kritisieren. Wenn aber die Mitgliedstaaten nicht das notwendige Personal und die notwendige Ausrüstung zur Verfügung stellen, wie sie es versprochen haben, dann sind die Mitgliedstaaten zu kritisieren und in die Pflicht zu nehmen. Jedenfalls dürfen wir die Staaten im Süden Europas mit der Situation nicht alleine lassen.

Dazu habe ich eine Frage an unseren Kommissar: In einer Pressemeldung am 24. Mai wurde vonseiten der Kommission mitgeteilt, die Zahl der bisher eingebrachten Flugzeuge, Schiffe und sonstigen Ausrüstungsgüter sei zufriedenstellend. Heute lesen wir in einer anderen Mitteilung der Kommission eine Kritik an den Mitgliedstaaten, die nur ein Zehntel der versprochenen Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber geliefert hätten. Was ist nun richtig? Können Sie das bitte richtig stellen, Herr Kommissar? Wenn die Agentur Frontex schon von uns eingerichtet wurde und mit so vielen Mitteln versehen ist, dann muss sie auch erfolgreich arbeiten. Ansonsten schaffen wir sie bitte ab und suchen andere Wege.

In jedem Fall – und hier appelliere ich an alle, die verantwortlich sind – muss die Europäische Union zusätzlich zur Überwachung unserer eigenen Grenzen auch Hilfestellung beim Aufbau einer funktionierenden Grenzüberwachung in den Transitstaaten leisten – das ist eine Hilfestellung vor Ort, die wiederum uns hilft –, Stabilisierungshilfe leisten und Informationskampagnen vor Ort in den Ursprungsländern durchführen. Es ist in jedem Fall Zeit, endlich Taten zu setzen, anstatt weiter über eine Situation, die unerträglich ist, zu diskutieren.

 
  
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  Claudio Fava (PSE). – (IT) Herr Präsident, Herr Frattini, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich unterstütze, was Herr Frattini heute und in seinen Interviews, die er in den letzten Tagen gab, gesagt hat, doch jemand, der das wahrhaftig nicht unterstützt, ist der maltesische Außenminister. In einer Erklärung von heute Nachmittag verkündete er, Malta könne die illegalen Einwanderer nicht aufnehmen, da sie rechtlich gesehen nicht unter seine Zuständigkeit fielen.

21 ertrunkene Menschen sind kein rechtliches Problem, und auf der bevorstehenden Ministerratstagung muss irgendjemand, entweder der Vorsitz oder die Kommission, der maltesischen Regierung den Unterschied zwischen illegalen Einwanderern und Schiffbrüchigen klarmachen. Irgendjemand muss den maltesischen Außenminister daran erinnern, dass ein unter maltesischer Flagge fahrendes Fischereifahrzeug 27 an das Seil eines Thunfischnetzes geklammerte Menschen treiben ließ,

weil man es für wichtiger hielt, die Thunfischfänge anstatt Menschenleben zu retten.

Irgendjemand muss dem maltesischen Minister und all unseren anderen Ministern erklären, dass das humanitäre Recht ungeachtet der rechtlichen Verpflichtungen oder Übereinkommen gilt, die unsere Länder unterzeichnet haben. Da ich der Auffassung bin, dass den Worten Taten folgen müssen, stimme ich mit Ihnen, Herr Frattini, dahingehend überein, dass die Frontex-Mittel freigegeben werden und sich alle Länder dieser Forderung stellen müssen, doch zugleich muss der Zugang zu den Mitteln von Frontex oder des Europäischen Rückführungsfonds von der Erfüllung der Pflicht zur Hilfeleistung für jeden, der in Seenot geraten ist, abhängig gemacht werden, unter welchen Umständen und in welcher rechtlichen Situation auch immer er Schiffbruch erlitten haben mag.

Das ist einer der möglichen Arbeitsansätze, auf deren Grundlage dieses Problem in den nächsten Tagen mit den anderen Ministern in Angriff genommen werden kann.

 
  
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  Louis Grech (PSE).(MT) Herr Präsident! Es ist eine Schande, dass wieder einmal unzählige Menschen ihr Leben verlieren mussten, bevor das Fehlen konkreter Maßnahmen seitens der EU im Hinblick auf die Einwanderung aufgedeckt wurde. Wenngleich es meine Überzeugung ist, dass alle Mitgliedstaaten ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssen, so sind besonders in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, die Kommission und der Rat gefragt. Meiner Ansicht nach behandeln weder die Kommission noch der Rat die Sache mit der gebotenen Dringlichkeit bzw. engagieren sie sich nicht entsprechend dafür. Schaut man zurück, was sich in den letzten vier Jahren getan hat, so erkennt man unschwer, dass – lässt man einmal die bedeutungsleeren Schlagwörter „Solidarität“ und „Mobilisierung“ beiseite – letztlich nur wenige Maßnahmen ergriffen wurden, um diese alarmierende Situation zu ändern. Wir erwarten die unverzügliche Einleitung von Maßnahmen nach dem Prinzip der Lastenverteilung, zur Überarbeitung von Dublin II und zur logistischen und administrativen Unterstützung, um die gemeinsamen Patrouillen wirksam zu koordinieren, die bisher praktisch ein Schattendasein führten und von Frontex schon vor langer Zeit versprochen wurden. Bislang scheint es, als sei Frontex lediglich eine Agentur, die angesichts des Ausmaßes der Krise viel zu gelähmt ist, um überhaupt handeln zu können. Allerdings kann kein Land weiter versuchen, allein Herr der Tragödie zu werden, insbesondere kein Land der Größe Maltas, das schon eine viel größere Last trägt, als es schultern kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte die Bewältigung der Krise oberste Priorität genießen, statt mit dem Finger auf die Schuldigen zu zeigen. Wir müssen quasi einen Marshall-Nothilfeplan umsetzen, bevor wir uns genötigt sehen, die gleichen Reden wieder hervorzukramen, wenn sich eine weitere Tragödie ereignet. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die Zahl der menschlichen Opfer ist bereits zu hoch. Ich hoffe, das von Kommissar Frattini aufgezeigte Verständnis von Solidarität findet wirklich Umsetzung. Vielen Dank, Herr Präsident.

 
  
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  Peter Altmaier, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich gebe all denen Recht, die gesagt haben, Reden allein reiche nicht aus, wir müssten handeln. Und der Rat hat in den letzten Monaten gehandelt. Der Rat hat dafür gesorgt, dass das technische Zentralregister, die Toolbox von Frontex, aufgefüllt worden ist, dass Frontex, jedenfalls im Prinzip, über mehr als 100 Schiffe, Flugzeuge und Helikopter verfügt. Der Rat hat mit Unterstützung dieses Parlaments dafür gesorgt, dass die Verordnung über die schnellen Einsatzteams, über die RABITs, verabschiedet werden konnte. Es wird einen Einsatz von Frontex in den Gewässern um Malta geben, wo wir mit Unterstützung von Experten der Mitgliedstaaten und mit Unterstützung von Hubschraubern aus den Mitgliedstaaten versuchen werden, dieser menschlichen Tragödie entgegenzutreten. Aber ich sage auch: Es wäre besser gewesen, wenn wir einige Wochen früher mit diesen Aktionen hätten beginnen können. Dieser Verantwortung müssen wir uns alle gemeinsam stellen.

Wir haben uns auf Vorschlag der Kommission in den letzten Monaten auch darauf geeinigt, dass wir regionale Schutzprogramme in den Herkunfts- und Transitländern einsetzen. Wir haben konkret gehandelt, indem wir uns darauf geeinigt haben, Partnerschaftsabkommen zu schließen, und indem wir über Anreize für legale Migration, für zirkuläre Migration gesprochen haben. Wir führen Verhandlungen zur Frage von Rückübernahmeabkommen mit Ländern in Afrika und mit anderen Staaten. All dies geht in die richtige Richtung. Aber es ist auch wahr, dass viele dieser Maßnahmen spät kommen und dass es für die betroffenen Menschen besser gewesen wäre, sie wären schneller und effizienter ergriffen worden.

Frau Hennis-Plasschaert, das hat wohl auch mit der mangelnden Effizienz des Beschlussfassungsverfahrens des Rates zu tun. Bedauerlicherweise ist die Europäische Verfassung noch nicht in Kraft, denn die Europäische Verfassung und die darin vorgesehenen Reformen würden uns in die Lage versetzen, die notwendigen Beschlüsse viel schneller und effizienter zu fassen.

Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen dafür sorgen müssen, dass wir unserer humanitären Verantwortung für die betroffenen Menschen gerecht werden. Wir werden auch dafür sorgen müssen, dass wir Malta nicht im Stich lassen. Malta ist ein kleines Land mit einer großen Verantwortung in dem betroffenen Gebiet. Deshalb hat Malta Anspruch auf die Solidarität der Europäischen Union.

Wir werden drittens darauf achten müssen, dass wir bei allem, was wir tun, keine neuen Pull-Faktoren schaffen, die dazu führen, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen, weil wir ansonsten Gefahr laufen, das menschliche Elend nicht zu verringern, sondern zu multiplizieren. Deshalb bin ich überzeugt, dass der Rat die Kraft finden wird, auf seiner Tagung in der nächsten Woche ein deutliches Signal zu setzen.

 
  
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  Franco Frattini, Mitglied der Kommission. (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich unterstütze, was Herr Altmaier gesagt hat. Nächste Woche wird der Ministerrat dieses Thema zweifellos in einer wahrhaft politischen Debatte offen erörtern müssen. Daher möchte ich die Hinweise auf die vielen positiven Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden, nicht noch einmal aufzählen. Sie alle werden sich erinnern, dass es noch vor zwei Jahren kein einziges Dokument über ein gemeinsames europäisches Vorgehen bei der Einwanderung gab; heute sprechen wir darüber, wie wir die Dokumente und Grundsätze umsetzen können, die aus einem politischen Konsens hervorgegangen sind, der zunächst nicht bestand, doch nun vorhanden ist. Es wurden Fortschritte gemacht, doch nicht alles wurde mit der gebotenen Schnelligkeit getan.

Wie jemand erwähnte, wurden die Mittel für Frontex deutlich aufgestockt: 35 Millionen Euro stehen für 2007 zur Verfügung. Doch 13 Millionen Euro werden zurückgehalten, sie können demzufolge nicht verwendet und die entsprechenden Mittel können nicht gebunden werden. Ich danke Ihnen für Ihre Zusage, wonach das Parlament diese Mittel für Frontex umgehend freigeben wird. Die Instrumente, die Frontex zur Verfügung stehen, sind ausreichend. Das äußerte ich vor einigen Wochen, nachdem ich die Verpflichtungserklärungen der Innenminister von 19 EU-Ländern gelesen hatte. Daher verkündete ich Ende Mai, dass uns für diesen Sommer über 100 Boote – über 100 Patrouillenboote –, 25 Hubschrauber und 20 Flugzeuge zur Verfügung stehen. Doch was ich heute gesagt habe, ist ebenfalls wahr: Bisher wurde lediglich ein Zehntel der versprochenen Ausrüstungen bereitgestellt.

Ich werde den Ministern und ihren Kollegen im Rat freundschaftlich zu verstehen geben, dass das, was sie selbst zugesagt haben, umgehend zur Verfügung stehen muss. Hätten wir nicht nur fünf, sondern 50 Patrouillenboote gehabt, wäre vielleicht ein Boot eher eingetroffen, um die Menschen, die am Ertrinken waren, zu retten. Ein italienisches Schiff und dann ein französisches mussten eingreifen, um die Leichen zu bergen und anschließend nach Frankreich zu bringen. Wenn wir stärker präsent gewesen wären, hätten wir vielleicht früher handeln können. Das wäre, wenn wir ehrlich sind, praktische Solidarität.

Wir müssen auch bedenken, dass in den Gebieten, wo Frontex operiert hat – ich beziehe mich dabei z. B. auf die Kanarischen Inseln, im vorigen Jahr –, eine positive Bilanz gezogen werden konnte. Ich möchte daran erinnern, dass der spanische Innenminister Ende Herbst vorigen Jahres bekannt gab, dass der Migrantenzustrom auf die Kanaren dank der Frontex-Patrouillen in Zusammenarbeit mit einem Drittstaat, in diesem Falle Senegal, um etwa 30 % zurückgegangen ist. Wenn die Operationen richtig durchgeführt werden, bringen sie auch sichtbare Ergebnisse.

Was das zentrale Mittelmeer anbelangt, so haben wir vor einigen Tagen Libyen einen Besuch abgestattet. Eine Frontex-Mission begab sich nach Libyen, um die Möglichkeit zu sondieren, Libyen bei der Überwachung seiner südlichen Wüstengrenze zu Niger zu unterstützen. Wir haben Libyen klargemacht, dass wir mehr Kontrollen und vor allem die Beobachtung der Such- und Rettungszone auf See erwarten, wozu Libyen wie jedes andere Land verpflichtet ist.

Die Mission wird Nautilus II heißen und ins zentrale Mittelmeer entsandt; sie wird planmäßig in wenigen Tagen starten, und selbstverständlich hoffe ich, dass sich möglichst viele Mitgliedstaaten, nicht nur die Mittelmeerländer, daran beteiligen. Die deutsche Regierung hat ein Signal gesetzt und ihre Mitwirkung bei der Mission im zentralen Mittelmeer angekündigt, obwohl es kein Mittelmeerland ist, und darüber hinaus werden einige Mittelmeerstaaten daran teilnehmen. Ich würde mir wünschen, dass sich auch mein Land, Italien, mit einbringt, das bisher noch nicht angedeutet hat, dass es sich an dieser Mission, die zwischen Sizilien, Malta und Libyen operieren wird, beteiligen will. Das ist ein konkretes Beispiel für einen Aufruf zur Solidarität, den ich selbstverständlich an die Minister richten werde, doch ebenso appelliere ich an Sie.

Das letzte Thema ist die Dublin-Verordnung, die von Frau Roure, aber auch von anderen erwähnt wurde. Der Bericht wurde heute veröffentlicht und von der Kommission gebilligt. Er macht deutlich, wie der Regulierungsmechanismus von Dublin gewirkt hat. Die Verordnung hat gut funktioniert, gleichwohl empfiehlt die Kommission einige Ergänzungen. Sie regt an, darüber nachzudenken, ob der Grundsatz, wonach allein das Land der Erstankunft zur Aufnahme der Migranten verpflichtet ist, die einzige gerechte Lösung sein kann, oder ob es nicht besser wäre, ihn durch eine bessere Lastenverteilung zu ergänzen. Das ist ebenfalls Gegenstand eines Vorschlags, den die Europäische Kommission heute angenommen hat, eines Grünbuchs über die Asylpolitik bis 2010, das dieses Parlament gefordert hatte. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, und ich erwarte noch eine Geste der Solidarität.

Wenn eine breite Mehrheit der Mitgliedstaaten sagt, das System funktioniert wie es ist, dann bedeutet das selbstverständlich, dass auch in Zukunft der erste Ankunftsstaat die gesamte Last zu tragen haben wird, und das hat mit Solidarität nichts zu tun. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass auch die Dublin-Verordnung richtig ausgelegt werden muss, nicht um Schuldzuweisungen zu erheben, sondern um zu gewährleisten, dass alle an einem Strang ziehen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Patrick Gaubert (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Wie viele Leichen müssen wir noch aus dem Mittelmeer bergen, bevor effiziente Lösungen vorgelegt werden?

Hören wir auf, mit dem Finger auf kleine Länder wie Malta zu zeigen, die nicht mehr in der Lage sind, die unaufhaltsamen Ströme von Zuwanderern zu bewältigen, die täglich an ihren Stränden auflaufen. Dies ist nicht der richtige Weg, um die illegale Zuwanderung zu bekämpfen. Kein Stacheldraht, kein Hindernis wird Männer und Frauen daran hindern, Meere zu überqueren, denn sie sind zu allem bereit, um für die Grundbedürfnisse ihrer Familien zu sorgen.

Im September 2006 hatte das Parlament bereits in einer von allen Fraktionen angenommenen Entschließung einen Appell an alle Mitgliedstaaten und an die Kommission gerichtet. Wir verweisen auf die Notwendigkeit, mit den Herkunftsländern verstärkt Partnerschaften zu schließen und den Dialog zu führen. Wir hatten auch die Überarbeitung der Dublin-II-Verordnung gefordert, die den Ländern im Süden und Osten der Union eine zu große Last aufbürdet. Es bedarf dringend eines gerechten Mechanismus der Solidarität und der gemeinsamen Verantwortung aller Mitgliedstaaten.

Abgesehen davon müssen wir feststellen, dass Frontex zu keinen Ergebnissen führt. Ein echter politischer Wille ist hier von grundlegender Bedeutung, damit die Mitgliedstaaten im Hinblick auf den künftigen effizienten Betrieb dieser Agentur genügend Mittel bereitstellen.

 

16. Vertrag von Prüm: Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität – Visa-Informationssystem (VIS) – Zugang zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen – Schutz personenbezogener Daten (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

- den Bericht von Fausto Correira im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über die Initiative des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, der Bundesrepublik Deutschland, des Königreichs Spanien, der Französischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Finnland, der Portugiesischen Republik, Rumäniens und des Königreichs Schweden zum Erlass eines Beschlusses des Rates zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität (Prüm-Vertrag) (06566/2007 – C6-0079/2007 – 2007/0804(CNS)) (A6-0207/2007)

- die beiden Berichte von Sarah Ludford im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Visa-Informationssystem (VIS) und den Datenaustausch zwischen Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (KOM(2004)0835 – C6-0004/2005 – 2004/0287(COD)) (A6-0194/2007) und über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Zugang der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und von Europol zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen zum Zwecke der Prävention, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten (KOM(2005)0600 – C6-0053/2006 – 2005/0232(CNS)) (A6-0195/2007)

- den Bericht von Martine Roure im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden (erneute Konsultation) (07315/2007 – C6-0115/2007 – 2005/0202(CNS)) (A6-0205/2007).

 
  
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  Peter Altmaier, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wir behandeln heute drei Dossiers, die einen ganz wesentlichen Fortschritt in der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit im Bereich der europäischen Innenpolitik markieren. Dies betrifft zunächst einmal den Vertrag von Prüm, der ursprünglich ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen einigen wenigen Mitgliedstaaten war – es waren am Anfang sieben, zehn weitere Staaten sind ihm bisher beigetreten. Dieser Vertrag hat dazu geführt, dass es zum ersten Mal in Europa eine Vernetzung nationaler DNA- und Fingerabdruckdatenbanken und Kraftfahrzeugregister gibt.

Wir haben damit unter Beachtung eines hohen Datenschutzstandards die Grundlage für einen modernen polizeilichen Informationsverbund in Europa geschaffen. Dieser Vertrag zwischen einigen Mitgliedstaaten wird nun auf die europäische Ebene übertragen. Er wird in den Rechtsrahmen der Europäischen Union integriert und – was seine Kernbestandteile angeht – in allen 27 Mitgliedstaaten Anwendung finden.

Damit leisten wir nicht nur einen Beitrag zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Europa, weil bereits jetzt die Erfahrungen beim DNA-Abgleich zwischen einigen wenigen Ländern dazu geführt haben, dass Verbrecher identifiziert und schwere Straftaten geahndet werden konnten. Wir leisten auch einen Beitrag dazu, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, denn es ist richtig, dass dieser Vertrag in Zukunft nicht nach dem Völkerrecht behandelt wird, sondern Teil unseres gemeinsamen europäischen Rechtsrahmens wird.

Ich möchte mich bei allen Mitgliedstaaten, aber auch bei der Europäischen Kommission und den Mitgliedern des Europäischen Parlaments bedanken, die dazu beigetragen haben, die Überführung des Vertrags von Prüm trotz eines sehr engen Zeitrahmens zu ermöglichen. Wir werden bei der Überführung und bei der Umsetzung auch die Stellungnahmen des Europäischen Parlaments in gebührender Weise berücksichtigen.

Wir werden in der nächsten Woche über das Visa-Informationssystem entscheiden, zu dem wir bereits im Mai eine politische Einigung mit dem Europäischen Parlament erzielt haben. Nachdem auf der ASTV-Ebene eine Einigung erfolgt ist, bestehen gute Aussichten, dass der Rat den Zugriffsbeschluss in der nächsten Woche bestätigen wird. Eine formelle Einigung wird es dann geben, wenn die sprachjuristische Prüfung abgeschlossen ist.

Das Visa-Informationssystem ist ein besonders wichtiges Instrument zur Stärkung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Wir werden damit die Speicherung und den Abruf von alphanumerischen und biometrischen Daten im Visumverfahren ermöglichen. Dies wird dazu beitragen, dass wir Mehrfachvisumsanträge, Identitätstäuschungen und andere Täuschungshandlungen besser als bisher bekämpfen können.

Der VIS-Zugriffsbeschluss eröffnet den Sicherheitsbehörden auch die Möglichkeit zur Abfrage des VIS zum Zwecke der Prävention, der Aufdeckung und der Untersuchung von terroristischen und sonstigen schwerwiegenden Straftaten. Durch diese neu geschaffenen Recherchemöglichkeiten der Sicherheitsbehörden wird der Schutz vor allem vor dem internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität zukünftig einen entscheidenden Schritt vorangebracht. Ich möchte betonen, dass die Einigung, die wir mit dem Europäischen Parlament erzielt haben, eine sehr ausgewogene Einigung ist, die die unterschiedlichen Argumente, die vorgetragen worden sind, in ein vernünftiges Gleichgewicht bringt.

Wenn wir es schaffen, die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa in der Weise zu verbessern, wie es durch die beiden Maßnahmen geschehen wird, und damit mehr Sicherheit für unsere Bürger zu erreichen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass der Datenschutz in der Europäischen Union einen prominenten Platz hat und dass der Missbrauch von Daten, die zwischen den Mitgliedstaaten übermittelt werden, verhindert und wirksam bekämpft wird.

Deshalb bin ich sehr froh, dass es in den letzten Wochen gelungen ist, einen wichtigen Fortschritt beim Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Bereich der dritten Säule zu erreichen, dass wir in Übereinstimmung mit der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments einen neuen Entwurf in der Ratsarbeitsgruppe in zwei Lesungen behandeln konnten und dass wir die Zahl der Vorbehalte, die in der Vergangenheit verhindert haben, dass schnelle Fortschritte erzielt werden konnten, deutlich reduziert haben. Dieser neu überarbeitete Entwurf gewährleistet ein hohes Schutzniveau. Das Schutzniveau des Europaratsübereinkommens Nr. 108 von 1981 und des Zusatzprotokolls von 2001 wird vollständig gewährleistet werden.

Wir werden in den Fragen des Anwendungsbereichs und der Drittstaatenregelung ebenfalls vernünftige Lösungen finden. Das Europäische Parlament hat hierzu einen ganz wichtigen Beitrag geleistet, und ich möchte mich deshalb im Namen der Präsidentschaft noch einmal ganz herzlich für die außerordentlich schnelle Befassung mit dem überarbeiteten Entwurf bedanken. Insbesondere im Hinblick auf die Angemessenheit des Datenschutzniveaus von Drittstaaten und die Aufnahme einer Regelung zur Weiterleitung an nicht-öffentliche Stellen sind wir auf dem Weg, gute Lösungen zu finden.

Ich glaube auch, dass die Evaluierungsklausel, die das Europäische Parlament im Hinblick auf den Anwendungsbereich vorgeschlagen hat, eine überaus konstruktive Lösung ist, und wir werden die verbleibende Zeit der deutschen Präsidentschaft nutzen, um weitere Fortschritte zu erzielen. Kommissar Frattini hat mit seinen fünfzehn Prinzipien zum Datenschutz dazu beigetragen, dass wir die essenziellen Punkte, um die es geht, herausarbeiten konnten. Wir werden im Rat eine Ratserklärung vorschlagen und dafür werben, dass diese Prinzipien im weiterten Fortgang der Beratungen angemessen berücksichtigt werden.

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dem, was Herr Altmaier im Namen des Rates ausgeführt hat, nicht viel hinzuzufügen. Was das erste Thema dieser Aussprache betrifft, so haben wir die Initiative des deutschen Vorsitzes zur Überführung eines Großteils der Bestimmungen der dritten Säule des Prüm-Vertrags in das europäische Rechtssystem von Anfang an unterstützt.

Das wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizeibehörden erleichtern und verstärken und sicher einem Faktor zugute kommen, der absolut unerlässlich ist, wenn man die Sicherheit in Europa ausbauen will, nämlich dem Austausch der für die Verbrechensverhütung und -bekämpfung erforderlichen Informationen. Diese Initiative beruht offenkundig auch auf der Tatsache, dass sich die Bestimmungen dieses Vertrags in der Praxis bewährt haben. Wir hatten die Gelegenheit, einen interessanten Bericht der deutschen Ratspräsidentschaft zu lesen, aus dem hervorgeht, inwieweit die Umsetzung des Vertrags von Prüm zwischen Deutschland und Österreich zu positiven und teilweise überraschenden Ergebnissen geführt hat. Dank der Anwendung einiger Bestimmungen dieses Vertrags konnten schwere Straftaten aufgedeckt werden.

Dabei gilt es einen wichtigen Aspekt zu berücksichtigen: Die Anwendung des Grundsatzes der Verfügbarkeit – d. h. der Informationsaustausch, der den Informationsfluss fördert – muss durch einen angemessenen Schutz personenbezogener Daten flankiert werden. Im Falle einer missbräuchlichen Verwendung muss es klare Präventionsvorschriften geben, um so etwas ein für allemal zu unterbinden. Ich halte es für wichtig und hoffe sehr, dass der Beschluss des Rates, der bereits von der Präsidentschaft abgesegnet wurde, bestätigt wird. Ich bin zuversichtlich und denke, dass er nächste Woche in Luxemburg angenommen werden kann. Er enthält eine klare Bezugnahme auf den Schutz personenbezogener Daten, denn leider gibt es noch keinen Rahmenbeschluss zum Datenschutz in diesem Bereich. Demzufolge muss der Beschluss des Rates zur Aufnahme der Artikel des Prüm-Vertrags in den europäischen Besitzstand offenkundig selbst für den Datenschutz Sorge tragen, sozusagen als Voraussetzung dafür, dass der Informationsaustausch rechtskonform abläuft.

Ein letzter Aspekt des Beschlusses betrifft die regelmäßige Evaluierung. Es wird eine umfangreiche Bewertung sowohl der praktischen Effizienz – d. h. der Funktionsweise dieser Bestimmungen – als auch der Wirkungsweise der Schutzklauseln stattfinden. Diese Evaluierung wird auch für das Parlament hilfreich sein, dem sie selbstverständlich vorgelegt wird.

Was das Visa-Informationssystem anbelangt, so kann ich der Berichterstatterin, Baroness Ludford, und dem Vorsitz nur gratulieren und sie zu ihrem gemeinsamen Ringen um eine tragfähige Übereinkunft beglückwünschen. Eine tragfähige Einigung kann in gewisser Weise nützlich sein, um zu gewährleisten, dass sowohl die von vielen Regierungen geltend gemachten Sicherheitserfordernisse als auch die Datenschutzerfordernisse berücksichtigt werden: Diese Rechte sind für die Europäische Union nicht verhandelbar! Wir werden in unseren Konsulaten und an unseren Grenzübergangsstellen wirksamere und besser funktionierende Instrumente besitzen, die ehrlichen Reisenden zur Verfügung stehen werden und andererseits der Polizei die Aufdeckung schwerwiegender Gesetzesverstöße ermöglichen. Datenschutzbestimmungen wurden fest im VIS verankert. Diese Vorschriften, inklusive derer über die Fingerabdrücke, waren absolut erforderlich. Dank dieser Einigung kann die Kommission nun die technische Umsetzung voranbringen, die erforderlich ist, da es, wie Sie wissen, unser Ziel ist, das VIS ab Frühjahr 2009 planmäßig in Betrieb zu nehmen.

Es wurde eine konkrete Forderung im Hinblick auf das Betriebsmanagement von VIS gestellt, die darin besteht, diese Aufgabe, nach Durchführung einer Folgenabschätzung, einer Verwaltungsbehörde zu übertragen. Diese technische Behörde soll binnen zwei Jahren nach Inbetriebnahme von VIS operativ vorgeschlagen werden, sowohl aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen, die zu bewerten sind, als auch aufgrund der vorzunehmenden technischen Folgenabschätzung. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, was ich persönlich davon halte: Wenn eine Behörde für das Betriebsmanagement eingerichtet werden soll, dann dürfte sie nicht nur auf VIS beschränkt sein, sondern es müsste eine einzige operative Verwaltungsstelle für SIS II und VIS zusammen geben, um die Ressourcen und Arbeitskapazitäten optimal zu nutzen.

Drittes Thema ist der Rahmenbeschluss über den Datenschutz. Auch hier habe ich Frau Roure für ihren Bericht zu danken, der für den Rat eine Ermutigung ist. Ich hatte den Vorschlag bereits 2005 vorgelegt; seitdem hatte ich mehrfach an die Minister im Rat appelliert; und heute nähern wir uns einer gemeinsamen Lösung. In einer Frage möchte ich meine Auffassung, die Ihnen wohlbekannt ist, wiederholen: Ich hätte mir gewünscht, dass diese Datenschutzbestimmungen, die unter die dritte Säule fallen, auch in den internen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und nicht nur im grenzüberschreitenden Datenaustausch und in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Anwendung finden. Daher unterstütze ich den Vorschlag von Frau Roure, spätestens drei Jahre nach Annahme des Rahmenbeschlusses Ziel und Anwendungsbereich dieser Vorschriften und dann vielleicht auch die Möglichkeit ihrer Ausdehnung auf die innerstaatlichen Rechtsordnungen zu prüfen. Drei Jahre sind ein ausreichender Zeitraum.

Frau Roure empfiehlt eine Evaluierung, genau die, über die wir hier sprechen, um die Datenschutzvorschriften stärker zu harmonisieren. Das eine schließt das andere nicht aus: beides ist möglich, wenn wir den Bericht nutzen, der uns drei Jahre nach Inkrafttreten des Systems zeigen wird, ob der Mechanismus greift, wo er verbessert werden kann und wo eine weitere Harmonisierung möglich ist. Wir alle sollten uns in einem Punkt einig sein, dass nämlich die Datenverwendung für Ziele, die nicht im Voraus festgelegt wurden, ausgeschlossen werden muss; mit anderen Worte, die personenbezogenen Daten dürfen für polizeiliche und für Sicherheitszwecke erst dann genutzt werden, wenn vorab die Zielarten festgelegt wurden, für die sie von den Sicherheitsbehörden verwendet werden dürfen. Das ist ein Schlüsselgrundsatz, an dem wir festhalten sollten.

Es muss noch eine Debatte über die Datenschutzüberwachungsbehörden geführt werden. Hierzu sind zweifellos einige sorgfältige Überlegungen notwendig, denn die gegenwärtigen Behörden und die zukünftige europäische Behörde unterscheiden sich grundlegend, weshalb vielleicht ein umfassenderer Beschluss erforderlich wäre. Ich habe ein Konzept mit 15 Grundprinzipien vorgeschlagen, um somit die Herbeiführung einer Einigung zu erleichtern. Ich bin sehr froh, dass die Ratspräsidentschaft eine Berücksichtigung der von mir vorgeschlagenen 15 Grundsätze für sachdienlich hält. Lassen Sie mich abschließend sagen, dass wir den Zeitverlust aufholen können, doch in dieser Frage sind wir wirklich stark im Verzug.

 
  
  

VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  
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  Fausto Correia (PSE), Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Frattini, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze persönliche Bemerkungen zu der Prümer Initiative, die heute und morgen Gegenstand der Aussprache und der Abstimmung im Parlament ist und deren Berichterstatter des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres ich war.

Der vor drei Monaten durch das Parlament mit nahezu kriminalistischer Ausführlichkeit vorgelegte Kommissionsvorschlag wurde in einem atemberaubenden Tempo vom Ausschuss diskutiert und bewertet. Dazu wurde mit ständigem und vollem Engagement, Kompetenz und Hingabe seitens des Sekretariats des Ausschusses eine öffentliche Anhörung mit dem Ziel vorgeschlagen, alle öffentlichen und privaten Akteure einzubinden, um die von ihnen geäußerten Besorgnisse so gut wie möglich kennen zu lernen. Das ist ein Prozess, in dem versucht wird, das richtige Verhältnis zwischen den Erfordernissen einer wirksamen operativen polizeilichen Zusammenarbeit und dem Schutz und der Förderung der Grundrechte zu finden.

Dieses Abwägen ist äußerst wichtig, wenn ein Vorschlag wie der vorliegende auf dem Spiel steht, der Mechanismen zur Erleichterung von Maßnahmen und Ermittlungen im strafrechtlichen Bereich festlegt, der aber potenziell die Rechte und Freiheiten der Bürger gefährdet – ein Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden kann und darf.

Als Berichterstatter, der es mit einer Initiative zu tun hatte, die eine derartige Bedeutung und Öffentlichkeitswirksamkeit besitzt, war ich dementsprechend vor allem bestrebt, ein Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen einer wirksamen operativen polizeilichen Zusammenarbeit im Kampf gegen die wichtigsten Bedrohungen für die Grundfeste der EU – d. h. gegen den Terrorismus und das Verbrechen – und dem Schutz der Grundrechte jedes Einzelnen zu wahren.

Natürlich war die Wahrung dieses Gleichgewichts und seine Umsetzung in einem Text, der von der überwältigenden Mehrheit der im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vertretenen Abgeordneten angenommen werden soll, zwar keine leichte, aber mit Sicherheit eine lohnende Aufgabe. Ich bin fest davon überzeugt, dass die dem Plenum unterbreiteten Vorschläge den vom Rat vorgelegten Entwurf substanziell verbessert haben. Ich freue mich deshalb, dass die von uns vereinbarten Änderungen, die das Ergebnis eines breiten Konsenses der verschiedenen im Parlament vertretenen Fraktionen und einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Berichterstatter und den Schattenberichterstattern sind, im Ausschuss fast einstimmig – bei einer Stimmenthaltung – angenommen worden sind. Ich hoffe nun, dass sie in diesem Plenum ähnliche Akzeptanz finden.

Von den eingereichten Änderungsanträgen möchte ich aufgrund ihrer Bedeutung für die Wirtschaft die folgenden hervorheben, auch wenn sie, wie ich meinen würde, eigentlich Teil eines formalen Rahmenbeschlusses sein müssten: eine größere Harmonisierung der Bedingungen für den Zugang zu biometrischen Datenbanken, wobei gewährleistet wird, dass dieser Zugang auf Ermittlungen und, bei daktyloskopischen Daten, auf die Prävention schwerer Straftatbestände beschränkt ist; klare Festlegung von Vorschriften, die bei gemeinsamen Operationen zur Anwendung kommen; die Festlegung von Kriterien der strikten Notwendigkeit, die Übermittlung personenbezogener Daten rechtmäßig vorzunehmen, insbesondere bei den heikelsten Fällen, bei Großveranstaltungen und bei der Verhinderung terroristischer Anschläge; Ausweitung des Anwendungsbereichs des Kapitels zum Datenschutz auf alle Arten der Datenverarbeitung, unter Einhaltung aller Empfehlungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten; Bestimmung des längstmöglichen Zeitraums, in dem personenbezogene Daten gespeichert werden dürfen; Einrichtung spezieller Sicherungsmaßnahmen zum Verbot der Verarbeitung sensibler Daten, die zur Erstellung eines ethnischen Profils dienen könnten; Stärkung der Rolle des Parlaments bei der Weiterverfolgung des Vorschlags für einen Beschluss, insbesondere zum Zeitpunkt der Annahme von Maßnahmen zu seiner Umsetzung und seiner Bewertung; und schließlich Klärung der Beziehung zwischen dem vorliegenden Vorschlag für einen Beschluss und dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über den Datenschutz im Rahmen des dritten Pfeilers, wobei der Beschluss auf jeden Fall ein allgemeiner Rechtsrahmen in diesem Bereich sein sollte.

Schließlich möchte ich die Bedeutung der Einbeziehung der durch den Vertrag von Prüm eingeführten Interventionsmechanismen – die zweifellos im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen wichtig sind – in den juristischen Besitzstand der EU hervorheben. Gleichwohl komme ich nicht umhin zu erklären, dass ich hinsichtlich des Votums seitens des Rates zur Stellungnahme des Parlaments besorgt bin.

Abschließend möchte ich sagen, dass es der Annahme des Rahmenbeschlusses, der darauf abstellt, die grenzübergreifende Zusammenarbeit insbesondere im Kampf gegen den Terrorismus und die Kriminalität zu vertiefen, klar an demokratischer Legitimität mangelt, wenn die Rolle des Parlaments zum Teil oder völlig ignoriert wird. Das würde auf keinen Fall das Vertrauen der Unionsbürger in den Prozess des Aufbaus der Gemeinschaft stärken, ganz im Gegenteil.

 

17. Begrüßung
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  Der Präsident. Meine Damen und Herren! Wenn Sie gestatten, möchte ich darauf hinweisen, dass sich auf der Besuchertribüne eine Gruppe von Gästen befand, eine Gruppe von Männern und Frauen, die in meinem Land als „Kriegskinder“ bekannt sind. Sie waren Kinder, die zwischen 1936 und 1939 vor den faschistischen Bombardements aus Spanien flohen, evakuiert wurden und die Solidarität und Fürsorge in Familien in Belgien und im Vereinigten Königreich gefunden haben. Heute sind sie alle über 75 Jahre alt und kamen zu uns, um das Parlament zu besuchen, und es ist sehr wichtig und sehr bewegend für uns, ihnen unsere Achtung zu bezeugen und insbesondere die Solidarität des britischen und des belgischen Volkes anzuerkennen, die sie aufnahmen und ihnen eine Familie gaben, die man ihnen in ihrem eigenen Land verweigert hatte.

 

18. Vertrag von Prüm: Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität – Visa-Informationssystem (VIS) – Zugang zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen – Schutz personenbezogener Daten (Fortsetzung der Aussprache)
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  Sarah Ludford (ALDE), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich mich Ihrer Begrüßung dieser sehr wichtigen Besucher anschließen. Bevor ich mich meiner ausgearbeiteten Rede zuwende – und ich werde zu Ihrer großen Erleichterung versuchen, unter zehn Minuten zu bleiben –, möchte ich mit einer etwas negativen Bemerkung beginnen, nämlich, dass diese Aussprache zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität geführt wird. Oben auf dem Bildschirm wird lediglich angezeigt, dass es in der Aussprache um Terrorismus geht. In seinen einleitenden Worten sagte Herr Altmaier, dass wir heute drei Dossiers in Bezug auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit behandeln werden. Also der Hauptteil meiner Rede wird der Verordnung zur Einrichtung des Visa-Informationssystems gewidmet sein, bei dem es sich um ein Grenzverwaltungssystem handelt. Die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität ist nicht sein Hauptanliegen. Es tut mir leid, aber ich muss ernsthaft Einwände gegen die Bezeichnung dieser Aussprache erheben, da ich denke, dass durch schlampiges Denken wie das hier die Vorstellung aufkommen könnte, dass die Einrichtung einer Grenzkontroll- oder Einwanderungskontrolldatenbank beabsichtigt ist – und denken Sie bitte daran, dass es sich bei 99,9 % der Besucher der Europäischen Union um legitime Reisende handelt, die übrigens genau so wenig wie illegale Einwanderer oder Migranten keinerlei Verbindungen zur Kriminalität haben. Sich unbefugt auf einem fremden Territorium aufzuhalten stellt an sich keine Straftat dar. Es tut mir leid, dass es doch etwas Zeit gekostet hat, um darauf aufmerksam zu machen.

Vor zweieinhalb Jahren hat die Kommission ihre Vorschläge zum Visa-Informationssystem vorgelegt, und es liegen nun fast anderthalb Jahre mit oftmals intensiven Verhandlungen hinter uns. Daher freut es mich außerordentlich, dass wir eine bedeutsame und ausgewogene Einigung zu diesen beiden äußerst komplizierten Legislativvorschlägen, einer Verordnung und einer Entscheidung, erzielt haben.

Ich möchte dem deutschen Ratsvorsitz, insbesondere Innenminister Wolfgang Schäuble, aber auch Herrn Altmaier für ihr großes politisches Engagement für diese Dossiers danken, desgleichen den früheren Ratsvorsitzen, insbesondere dem finnischen Ratsvorsitz, der sich ebenfalls für einen Vertrag stark gemacht hat. Auf meiner langen Dankesliste steht auch die Kommission, insbesondere Vizepräsident Frattini, der uns während des gesamten Prozesses sehr bereitwillig unterstützt und das endgültige Übereinkommen ermöglicht hat. Außerdem weiß ich, dass dieses Ergebnis ohne die Unterstützung aller Schattenberichterstatter – Herrn Cashman, Frau Klamt, Frau Kaufmann und Frau Zdanoka – nicht möglich gewesen wäre. Auch ihnen möchte ich meinen Dank aussprechen. Abschließend möchte ich den Mitarbeitern des Parlaments meinen herzlichen Dank aussprechen, die eine beträchtliche Arbeit geleistet haben und unverzichtbar waren. Meine Assistentin Alexandra verdient einen besonderen Dank, sie war absolut super.

Ich möchte noch etwas Wichtiges zu den Institutionen sagen. Wir haben hier zwei Vorschläge bearbeitet, einen im Mitentscheidungsverfahren und den anderen per Konsultation, doch in Wirklichkeit haben wir es geschafft, sie als Paket zu behandeln, so dass wir im Grunde auch eine Mitentscheidung zur Maßnahme der dritten Säule erzielt haben.

Der Vertrag lässt erkennen, dass das Parlament ein ernstzunehmender Partner im Mitentscheidungsverfahren zu äußerst komplizierten Angelegenheiten in Bezug auf Recht und Inneres ist. Er zeigt ferner, dass die Trennung zwischen der ersten und dritten Säule schlichtweg ineffizient und absurd ist. Die Einbeziehung des Europäischen Parlaments auf Augenhöhe in Entscheidungen über Gesetzesvorlagen zu polizeilicher und justizieller Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung kann die Legitimität der in diesem Bereich verabschiedeten Maßnahmen letztlich nur erhöhen. Daher möchte ich diese Gelegenheit nutzen und die am Gipfel am 21. Juni teilnehmenden Regierungschefs dringend ersuchen, die nationalen Vetos in diesem Bereich generell abzuschaffen.

Um auf den Inhalt unseres Übereinkommens zurückzukommen, denke ich, dass wir das geschafft haben, was ich von Anfang an angestrebt hatte: ein System mit klaren Zielen, Regeln und Zuständigkeiten, das zunächst einmal einen herausragenden Beitrag zu sicheren und gut verwalteten Grenzen leistet. Er wird rechtschaffenen Reisenden echte Erleichterungen bringen, die die Mehrheit der mit Schengen-Visa reisenden Menschen ausmachen, aber auch die innere Sicherheit verbessern.

Das Parlament hat durch die Begrenzung von Missbrauchs- oder Fehlerrisiken mehr Klarheit und Genauigkeit in das VIS gebracht und den Bürgern die Möglichkeit verschafft, für Fehler entschädigt zu werden. Ich bin mir sicher, dass unser System sowohl für angemessene Sicherheit als auch die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sorgen wird. Viele weitere Verbesserungen wurden in Sachen Datenschutz und Datensicherheit eingeführt, nämlich Rückzugstrategien für den Einsatz biometrischer Daten, verschärfte Vorschriften in Bezug auf Zugang, Verwendung und Übertragung sowie Überwachungsbefugnisse für die Datenschutzbehörden.

Ein neues Element steht für eine sehr positive Errungenschaft des Parlaments und sollte als Präzedenzfall gelten. Es geht um den Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf die VIS-Datenbank. Nach äußerst schwierigen Verhandlungen erkannten die Mitgliedstaaten wirklich an, dass das VIS nicht vorrangig ein Werkzeug zur Strafverfolgung ist und dass daher jeglicher Direktzugriff durch die Polizei oder Geheimdienste nicht möglich sei, sondern vielmehr indirekt erfolgen und über zentrale Anlaufstellen gefiltert werden muss. Diese werden die Legitimität jeder Anfrage überprüfen, da das Parlament genau wie die Mitgliedstaaten daran interessiert ist, über angemessene Werkzeuge zur Bekämpfung von Verbrechen und Terror zu verfügen, und wir haben uns auf ein Dringlichkeitsverfahren für Notfälle („erst die Anfrage, dann die Begründung“) geeinigt, wenn es um Ausnahmefälle bei Gefahr im Verzug geht.

Mit den Daten von etwa 20 Millionen Antragstellern wird das VIS die größte biometrische Datenbank der Welt werden, die 70 Millionen Sätze von Fingerabdrücken ständig bereithält. Die Biometrie kann die Privatsphäre zwar verbessern, aber auch verletzen, und die Genauigkeit, die für das VIS gilt, muss auch für Sicherheitsmechanismen für andere vorhandene oder künftige biometrische Systeme gelten. Das bekommt noch mehr Gewicht, wenn es um mögliche künftige Interoperabilität oder sogar Vernetzung geht, die einen schweren Angriff auf die Privatsphäre darstellen, wie die Datenschutzbehörden – einschließlich das britische Kommissionsmitglied für Information, Richard Thomas – bemerkt haben.

Wir müssen sicherstellen, dass wir als Gesetzgeber unser Bestes dafür tun, den Nutzen zu maximieren und die Risiken der neuen Technologien zu minimieren. Mitentscheidung heißt gemeinsame Verantwortung, weshalb die Überwachung der Umsetzung und deren Bewertung ein wichtiger Bestandteil des Projekts sein wird. Das Parlament muss in Bezug auf den Test des Systems vollständig informiert bleiben, der hoffentlich positiv ausfallen wird und einen reibungslosen Übergang zur Inbetriebnahme des Systems ermöglichen wird. In der EU-Gesetzgebung nehmen wir nur allzu gern Überprüfungs-Klauseln auf, die dann nicht umgesetzt werden. Das darf mit dem VIS nicht passieren.

Ich möchte mit dem Verweis auf zwei weitere wichtige Fragen schließen. Der Rat hat sich in zwei politischen Erklärungen dazu verpflichtet, schon bald ein zufrieden stellendes Übereinkommen zu zwei entscheidenden Gesetzesentwürfen vorzulegen. Zum einen handelt es sich um den Rahmenbeschluss zum Datenschutz, von dem heute Abend so oft die Rede ist: Einführung von angemessenen Vorschriften für den Austausch von sicherheitsrelevanten Daten, einschließlich jener, die die Polizei für den Zugriff auf das VIS erhält. Zum anderen geht es um die so genannte Rückführungsrichtlinie.

Es versteht sich von selbst, warum diese Instrumente so wichtig für Europa und seine Bürger sind und ich möchte den Rat lediglich dazu auffordern, sich an seine politischen Verpflichtungen zu halten.

 
  
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  Martine Roure (PSE), Berichterstatterin. (FR) Herr Präsident! Die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit stellt für die Europäische Union eine Priorität dar, um die organisierte Kriminalität und den internationalen Terrorismus wirksamer zu bekämpfen. Damit sind wir einverstanden. Mehr polizeiliche Zusammenarbeit erfordert jedoch einen verstärkten Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.

Allerdings muss die Europäische Union den Schutz der Privatsphäre ermöglichen, der zumindest dem Niveau entspricht, das im Rahmen der ersten Säule gewährleistet wird. Dadurch wird es möglich sein, den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens als Kernelement der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zu stärken. Wenn alle zuständigen Behörden wissen, dass die bei ihnen eingehenden Daten absolut zuverlässig sind und dass die von ihnen weiter geleiteten Daten genauso geschützt werden wie in ihrem eigenen Land, werden sie nicht mehr zögern, ihre Informationen auszutauschen. Insofern ist diese gemeinsame Aussprache konstruktiv.

Ich bedaure allerdings, dass der Rat nicht berücksichtigt hat, dass die Annahme des Rahmenbeschlusses über den Schutz der Daten mit den Instrumenten für den Austausch der Daten wie die zweite Generation des Schengener Informationssystems (SISII) oder das Visa-Informationssystem (VIS) verknüpft werden müssen. Wir haben es nämlich schon bei mehreren Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht, dass das Europäische Parlament die Gespräche über einen neuen Datenaustausch nicht fortsetzen kann, ohne dass auf der Ebene der Europäischen Union Rechtsvorschriften über den Datenschutz bestehen.

Daher bedaure ich, auf welche Art und Weise der Vertrag von Prüm unabhängig von allen auf der Ebene der Europäischen Union bestehenden Instrumenten ausgehandelt und abgeschlossen wurde. Wir sind zwar sehr zufrieden, dass es die deutsche Ratspräsidentschaft ermöglicht hat, ihn in die Zuständigkeit der Europäischen Union einzubinden, vor allem, um die demokratische Kontrolle des Europäischen Parlaments sicherzustellen. Dennoch ist es nicht hinnehmbar, dass wir über diesen Vertrag, der Auswirkungen auf den Schutz der Privatsphäre der europäischen Bürger hat, so übereilt konsultiert wurden. Der Vertrag von Prüm umfasst zwar einige Bestimmungen zum Datenschutz, die jedoch noch nicht ausreichen. Auch die Annahme des Vertrags von Prüm sollte der Annahme des Rahmenbeschlusses über den Datenschutz im Rahmen der dritten Säule untergeordnet sein.

Außerdem möchte ich dem deutschen Ratsvorsitz für seine Bemühungen danken, die es ermöglicht haben, die Blockierung dieses Rahmenbeschlusses im Rat aufzuheben. Ich habe die außerordentlich konstruktiven Kontakte zu den Ministern Schäuble und Altmaier sehr geschätzt und ich danke ihnen dafür. Auch bei Kommissar Frattini möchte ich mich für seine wirksame Unterstützung bedanken.

Wir sind uns wohl einig darin, dass der Rahmenbeschluss ein erster Schritt zur Förderung des Datenschutzes im Rahmen der dritten Säule ist und in keinem Fall ein Schutzniveau gestatten sollte, das geringer ist als dasjenige, das durch das Übereinkommen Nr. 108 des Europarates und seine Protokolle gewährleistet wird.

Ich hoffe, dass sich der Rat auf unseren Kompromissvorschlag zum Geltungsbereich des Rahmenbeschlusses stützen wird. Denn eine Bewertung nach Ablauf von drei Jahren wird es uns erlauben, wie Kommissar Frattini sagte, anhand der Praxis die Notwendigkeit aufzuzeigen, den Anwendungsbereich auch auf die Verarbeitung von Daten auf nationaler Ebene auszudehnen.

Ich erinnere ferner daran, dass es für das Parlament äußerst notwendig ist, sich mit der Frage des Zugangs und der Verwaltung der Daten durch Privatpersonen zu befassen. Wir halten es auch für absolut erforderlich, einen angemessenen Datenschutz für jede Weiterleitung in Drittländer sicherzustellen. Ich stelle klar, dass es nicht darum geht, eine Liste der Länder zu erstellen, in denen ein angemessener Datenschutz besteht. Es geht eher darum, Fall für Fall zu ermitteln, inwieweit der Datenschutz angemessen ist.

Der deutsche Ratsvorsitz hat unser legitimes Anliegen anerkannt, indem er eine gemeinsame politische Erklärung zum VIS annahm. Dort heißt es, dass der Rat weiterhin der baldigen Annahme, spätestens Ende 2007, des Rahmenbeschlusses über den Datenschutz den Vorrang gibt.

Abschließend möchte ich den Rat daran erinnern, dass er im Dezember 2005 bei der Aussprache über die Vorratsspeicherung der Daten eine erste politische Verpflichtung hinsichtlich der baldigen Annahme dieses Textes eingegangen ist. Heute kann ich sagen, dass das Europäische Parlament zuversichtlich ist, dass der Rat seinen Verpflichtungen nachkommt.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. – (ES) Herr Präsident! Der Rechtsausschuss wurde vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres aufgefordert, die Rechtsgrundlage des Vorschlags für eine Entscheidung des Rates über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, zu prüfen.

Der Vorschlag der Regierungen, die diese Initiative ergriffen haben, stützte sich auf zwei Artikel: Artikel 30, Buchstaben a) und b) in Bezug auf die operative Zusammenarbeit, und Artikel 31 und auch Artikel 34, Absatz 2, Buchstabe c).

Der Verweis auf Artikel 34, Absatz 2, Buchstabe c) und die anderen vorgenannten Referenzen bedeutete, dass Maßnahmen der Zusammenarbeit getroffen werden können, aber keine Maßnahmen der Rechtsangleichung, und in Wirklichkeit stellt der Text des Vorschlags Maßnahmen zur Rechtsangleichung dar.

Der Rechtsausschuss war der Ansicht, dass der anwendbare Artikel nicht Artikel 34, Absatz 2, Buchstabe c) ist, sondern Artikel 34, Absatz 2, Buchstabe b), der die Rechtsangleichung gestattet. Dieser Vorschlag, der im Rechtsausschuss einstimmig befürwortet worden war, ist vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten angenommen worden, und daher glaube ich, dass der Vorschlag korrekt ist und von diesem Parlament gebilligt werden sollte.

 
  
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  Herbert Reul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident Frattini, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leiden in den Debatten über Europa oft darunter, dass die Menschen keine große Begeisterung für das europäische Projekt entfalten. Das, was wir jetzt beim Thema Prüm auf die Beine stellen, ist ein wesentlicher Beitrag dazu, ein Stückchen mehr Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger in Europa für dieses europäische Projekt zu gewinnen. Das hat etwas damit zu tun, dass es mit diesem Vorstoß des Rates und der Zusammenarbeit zwischen uns und der Kommission gelingt, bei einer wichtigen Themenstellung – nämlich der Bedrohung der Menschen durch Terrorismus und organisierte Kriminalität – nicht nur Reden zu halten, sondern ganz konkrete Verbesserungen zu erreichen. Darüber haben wir bei unterschiedlichen Gelegenheiten hier im Parlament und im zuständigen Ausschuss schon miteinander diskutiert und festgestellt, dass in der Frage der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit dringender Handlungsbedarf besteht, und wir haben immer wieder bedauert, dass wir nicht schneller oder auch überhaupt nicht weiterkommen.

Wir wissen, dass wir in der Frage von DNA-Abgleich oder Fingerabdruckabgleich die Sicherheit der Menschen durch Informationsaustausch erhöhen können. Ich bin deshalb außerordentlich froh, dass es ein Stück weit gelungen ist, mit dem Vorschlag Teile des Vertrags von Prüm in einen europäischen Rechtsrahmen zu bringen.

Ich sage auch in aller Klarheit, dass ich mir mehr gewünscht hätte. Bei den Debatten, die wir vorher geführt haben, waren wir schon weiter. Ich sage auch, dass unsere Fraktion an manchen Stellen in der Frage der ausführlichen Gewichtung des Datenschutzes nicht so weit gegangen wäre, weil wir glauben, dass diese zusätzlichen Beschlüsse nicht notwendig gewesen wären, weil sie im Vertrag von Prüm bereits gewürdigt werden. Aber wenn man alles zusammen würdigt – und der Berichterstatter hat darauf ja hingewiesen –, haben wir uns schließlich doch entschieden, das Projekt insgesamt zu unterstützen, selbst wenn an der einen oder anderen Stelle noch Bedenken vorhanden sind.

Es ist wichtig, dass dieses Projekt zum Tragen kommt und dass hier ein Erfolg zustande kommt. Es wird das Ansehen Europas bei den Bürgerinnen und Bürgern erfolgreich stärken!

 
  
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  Michael Cashman, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Es ist immer gut, wenn Sie den Vorsitz führen, wenn wir über Grundfreiheiten und Menschenrechte sprechen. Ich möchte mich zur VIS-Verordnung und –Entscheidung äußern.

Ich möchte sagen, dass es sich nach zweieinhalb Jahren so anfühlt, als wäre dies das Ende einer unerwiderten Liebesaffäre. Ich habe dieses Dossier von ferne bewundert; ich habe damit gerungen, ich habe es liebkost, doch hatte ich nie das Gefühl, dass es meine Leidenschaft erwidert hat. Nichtsdestotrotz möchte ich Baronin Ludford und den anderen Schattenberichterstattern für die enge Zusammenarbeit danken.

Jedoch sind zweieinhalb Jahre nicht wirklich gut genug. Wir sollten uns nicht selbst auf die Schulter klopfen. Es geht um die erste Lesung, doch Fortschritte wurden nur langsam gemacht. Vor uns liegt ein gutes Paket, jedoch müssen wir, wenn wir in der Mitentscheidung effizient vorgehen wollen, schneller und effizienter arbeiten. Das hier ist eine Forderung nach mehr Ressourcen, nicht nur für die Kommission, sondern auch für das Parlament, sowohl im Ausschusssekretariat als auch in unseren Delegationssekretariaten.

Wie ich bereits sagte, haben wir einen Text, in dem die Standpunkte ausgewogen präsentiert werden. Er enthält nicht alles, was die Sozialisten gern gewollt hätten, aber meine Fraktion ist der Ansicht, dass die wichtigsten Elemente enthalten sind: begrenzter und proportionaler Zugang; Datenschutzvorschriften; das Recht auf die Einlegung von Rechtsbehelfen, das absolut unerlässlich ist; Sanktionen gegen Missbrauch und den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der, das kann ich mit Stolz sagen, an ähnlicher Stelle meines Berichts zum Schengen-Grenzkodex festgeschrieben wurde. Wir freuen uns auch darüber, dass der deutsche Ratsvorsitz dem aus VIS-Verordnung und VIS-Entscheidung bestehenden Paket zustimmen kann, was wiederum für uns gleich wichtig ist. Wir begrüßen auch die Bereitschaft des Rates, eine Einigung zum Rahmenbeschluss zum Datenschutzinstrument im Rahmen der dritten Säule erzielen zu wollen. Das ist von größter Wichtigkeit.

Ich möchte mit einer womöglich kontroversen Bemerkung schließen: zur Biometrie, insbesondere zur Frage der Fingerabdrücke. Hier ist ein Umdenken erforderlich, wenn wir die bürgerlichen Freiheiten wirklich verbessern wollen, insbesondere die Freizügigkeit, und, in erster Linie, den Schutz von Minderjährigen, die ohne Begleitung reisen. Ich denke, das wird uns dabei unterstützen, den Menschenhandel mit Minderjährigen zu unterbinden. Wird die Privatsphäre beeinträchtigt oder gefährdet? Ich denke nicht. Die Gefährdung der Privatsphäre ist vom Einsatz der Biometrie und der Speicherung biometrischer Daten abhängig.

Ich möchte so schließen wie ich begonnen habe und allen Seiten dieses Hauses, der Kommission und dem Vorsitz für die enge Zusammenarbeit Beifall zollen.

 
  
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  Alexander Alvaro, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Staatssekretär Altmaier, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben sehr elaboriert etwas zum VIS gehört, und alles, was ich noch dazu sagen könnte, würde nur das Gute, was vorher gesagt wurde, verwässern.

Insofern möchte ich mich auf den Vertrag von Prüm konzentrieren. Ich stimme mit dem Kollegen Reul überein, dass hier ein sinnvolles Instrument geschaffen wurde. Was ich früher im Wege der Amts- und Rechtshilfe gemacht habe, nämlich Daten zu verlangen, die ich jetzt digital austauschen kann, ist durchaus vernünftig. Zu dem Ziel und zu der Idee gibt es nicht sonderlich viel zu sagen. Allerdings befürchte ich, dass wir drei Kardinalfehler machen, und zwar im Bereich der inneren Sicherheit, im Bereich Inneres und Justiz sowie im Bereich der dritten Säule. Wir glauben, Geschwindigkeit sei per se eine Tugend. Wir nehmen uns nicht mehr die Zeit, darüber nachzudenken, ob bestimmte Dinge auch wirklich funktionieren oder wie man sie besser machen kann. Über Transparenz und Demokratie – was die dritte Säule angeht, zumindest wenn es um die Beteiligung und Information des Parlaments angeht – haben wir heute auch schon das eine oder andere gehört. Was ich aber vor allen Dingen damit sagen will: Natürlich funktioniert der Austausch zwischen Deutschland und Österreich. Wir wissen, dass dort Erfolge erzielt worden sind. Aber nehmen Sie jetzt einmal 27 Mitgliedstaaten. Rechnen Sie allein die Potenz aus, was das an Datenaustausch bedeutet und auch was eine Datenbank in diesem Zusammenhang leisten muss! Wir wissen nicht, ob es in dieser Form technisch überhaupt machbar ist.

Der andere Punkt: Die Daten, vor allen Dingen z. B. Fingerabdrücke oder DNA-Daten, werden in den verschiedenen Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen gespeichert. Großbritannien – und davon könnte die Kollegin Ludford wahrscheinlich ein Lied singen – baut gerade eine DNA-Datenbank auf, die über kurz oder lang die gesamte Bevölkerung erfassen wird. Ab wann ist der Austausch in diesen Punkten legitim und funktioniert in diesem Zusammenhang? Eine andere Frage sind die Kosten. Noch zahlen die Mitgliedstaaten, wobei ich glaube, dass Teile im Zweifelsfall – da muss man schauen, wie man sich einigt, ich weiß z. B., dass Polen das auch anders sieht – in den Gemeinschaftshaushalt überführt werden könnten. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich ein Dokument der Ratspräsidentschaft gelesen, die schätzt, dass für Deutschland Kosten in Höhe von ungefähr 900 000 Euro anfallen werden. Da frage ich mich, warum das britische Oberhaus in seiner Studie schätzt, dass das Vorhaben ungefähr 35 Millionen Euro für Großbritannien kosten wird. Ganz so unterschiedlich können die Bewertungen in dem Fall doch nicht sein!

Wenn wir nicht so ein ausgezeichnetes Ausschusssekretariat gehabt hätten und nicht so hervorragende Mitarbeiter, wären wir bei der Bewertung des Vertrags von Prüm und der dazugehörigen Stellungnahme des Parlaments nicht eine einzige Seite weitergekommen. Ich möchte abschließend um Folgendes bitten: Sie haben oft genug gehört, dass das Verfahren hier enorm in Frage gestellt worden ist. Es passt auch nicht zum Prinzip der besseren Rechtsetzung zur demokratischen Einbindung einer dritten Institution. Lassen Sie uns in Zukunft sauber und vernünftig zusammenarbeiten, und das nicht so handhaben – selbst wenn Sie formal die Möglichkeit haben, uns über die Dreimonatsfrist unter Druck zu setzen –, wie es bei dem Vertrag von Prüm der Fall war. Es ist auch nicht gerade gut für das Klima, wenn ein sehr hoher Beamter der Ratspräsidentschaft im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten auf die Frage, was mit den Änderungsanträgen des Parlaments zu Prüm geschehe, antwortet: „Also, wenn man die noch berücksichtigen und das Paket, das mit den Mitgliedstaaten geschnürt worden ist, aufmachen würde, dann kämen wir überhaupt nicht mehr weiter!“ Das ist keine gute Zusammenarbeit. Ansonsten, Herr Altmaier, wissen Sie, dass ich Sie schätze!

 
  
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  Andrzej Tomasz Zapałowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Terrorismus und Kriminalität gehören zurzeit zu den größten Bedrohungen, denen die Bürger der Europäischen Gemeinschaft in ihrem täglichen Leben ausgesetzt sind. Da liegt es auf der Hand, dass die Mitgliedstaaten der Union enger zusammenarbeiten müssen, wenn es um den Austausch von Informationen über Personen geht, die eine potenzielle Gefahr darstellen. Es muss jedoch klar sein, dass sensible Daten über Unionsbürger nicht im Rahmen von Standardkontrollen an Polizei und Grenzschutz weitergegeben werden dürfen. Selbstverständlich müssen diese Dienststellen – soweit möglich – Zugang zu solchen Informationen über Drittstaatsangehörige haben. Das gilt vor allem für Länder, in denen Kriminalität möglicherweise stark verbreitet ist.

Etwas ganz anderes ist es, Spezialdiensten und Ermittlungsorganen der Mitgliedstaaten sensible Daten in Fällen zugänglich zu machen, in denen bestimmte Personen einer kriminellen Vereinigung angehören könnten. Ich teile den Standpunkt des Rechtsausschusses, dass diese Frage auf der Grundlage der Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union geregelt werden muss, da sich einige Festlegungen der Entschließung auf die Souveränität von EU-Mitgliedstaaten beziehen.

 
  
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  Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte mich kurz zum Visa-Informationssystem äußern. Das brauchen wir zweifellos. Ich möchte aber auch sagen, dass ich nach wie vor einige Bedenken im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des VIS habe.

Sie betreffen insbesondere die weit reichende Einführung von biometrischen Daten. Nach wie vor verfügen wir über keine konkrete Folgenabschätzung und es ist völlig unklar, ob der Umgang mit einer derart großen Datenmenge administrativ überhaupt zu bewältigen ist. Dies ist aber eine entscheidende Frage für die Datensicherheit und vor allem für die Grundrechte jeder einzelnen betroffenen Person.

Probleme sehe ich auch im Hinblick auf den Zugang von Sicherheitsbehörden zum VIS im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, denn noch immer gibt es keinen angemessenen harmonisierten Datenschutz innerhalb der dritten Säule.

Der nun von der deutschen Ratspräsidentschaft vorgelegte Text entspricht meines Erachtens bei weitem nicht dem, wofür sich das Parlament im September 2006 ursprünglich ausgesprochen hat und er ist noch weit vom Datenschutzniveau im Bereich der ersten Säule entfernt. Deshalb kann ich der Verordnung und dem Beschluss so nicht zustimmen und werde mich bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Ich möchte mich abschließend bei allen Berichterstattern für die gute Zusammenarbeit bedanken.

 
  
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  Gerard Batten, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Der Prümer Vertrag schreibt ganz klar fest, dass er eine Vorreiterrolle bei der Integration der EU spielen wird. Wir alle wissen, dass Gespräche über die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus erst an zweiter Stelle kommen. Als Rahmenbeschluss des Rates wird er in das EU-Recht übernommen, seine Bestimmungen in Stein gemeißelt, und er unterliegt keiner wirklichen demokratischen Überprüfung oder Zustimmung. Das britische Parlament wird keine Chance haben, die Umsetzung dieser Konvention zu behindern, und selbst diesem Parlament kommt nur eine Beraterrolle zu.

Großbritannien ist besonders gefährdet. Es verfügt zum Beispiel über die größte DNA-Datenbank der Welt, in der Daten von über 4,2 Millionen Menschen gesammelt sind, von denen viele völlig unschuldig sind und niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Diese Menschen sind potenzielle Verdächtige. Damit wird durch die Hintertür ein Big-Brother-Europa geschaffen, um eine weitere politische Integration zu erreichen.

 
  
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  Ewa Klamt (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionsvizepräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die morgen zur Abstimmung anstehende Rechtsgrundlage zum Visa-Informationssystem ist eines jener Dossiers, die nach zähem Ringen aller Beteiligten und nach langen Verhandlungen schließlich zu einem guten Ende gebracht wurden. So wird hoffentlich noch vor der Sommerpause ein wichtiges europäisches Regelwerk zur Beschleunigung und Kontrolle der Visa-Vergabe auf den Weg gebracht. Durch den Austausch von Daten der Visa-Antragsteller aus Nicht-Schengen-Staaten zwischen den Asyl- und Einwanderungsbehörden, den Grenz- und Sicherheitsbehörden wird die Bearbeitung und Kontrolle von Visa erheblich beschleunigt werden. Das hilft denjenigen Reisenden, die unbescholten, mit guten Absichten oder sehr häufig in die Europäische Union einreisen, denn sie – ob sie nun als Touristen oder Geschäftsreisende kommen – erhalten nun schneller und unkomplizierter ein Visum. Andererseits erleichtert es aber auch die Kontrolle, die in einer Europäischen Union der offenen Binnengrenzen unverzichtbar ist.

Alle Fraktionen können mit dem Ergebnis zufrieden sein. Einerseits ist die Europäische Union um eine rasche und gastfreundliche Abwicklung von Visa bemüht. Andererseits schützt sie ihre Bürgerinnen und Bürger vor illegaler Einreise und den damit verbundenen Formen der organisierten Kriminalität.

Ich danke der Berichterstatterin und allen Kollegen, die konstruktiv an Lösungen mitgearbeitet haben und danke auch ausdrücklich der deutschen Ratspräsidentschaft, die im Rat viele unserer Vorstellungen – besonders im Bereich des Datenschutzes – umgesetzt hat.

 
  
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  Stavros Lambrinidis (PSE).(EL) Herr Präsident! Der deutsche Ratsvorsitz verdient unsere Anerkennung dafür, dass er nun endlich die trägen Wasser des Datenschutzes in der dritten Säule aufgewirbelt hat. Gleiches kann jedoch nicht für den Vertrag von Prüm gesagt werden.

Die Geschichte des Vertrags von Prüm zeigt, dass dieser schon einen schlechten Start hatte. Dann ging es problematisch weiter mit ihm, wird aber hoffentlich irgendwie gut enden. Es war von Anfang an falsch von den sieben Mitgliedstaaten, diesen Vertrag unter Umgehung der europäischen Institutionen durchzuziehen. Ferner war es falsch von den anderen 10 Staaten, übereilt ihre Bereitschaft zum Beitritt zu dieser Zusammenarbeit außerhalb der institutionellen Strukturen der EU zu erklären. Der deutsche Ratsvorsitz hat richtig daran getan, den Vertrag von Prüm schließlich in den europäischen Rahmen zu integrieren, liegt aber falsch, wenn er ihn sofort unterstützt, ohne seine Wirkungskraft ernsthaft zu prüfen. Es ist verkehrt, ihn ohne einen gültigen und angemessenen Datenschutz im Rahmen der dritten Säule zu fördern und völlig falsch, dies mit so einer Eile zu tun, durch die in der Praxis die Möglichkeit des Parlaments untergraben wird, seine Beraterrolle voll und ganz auszufüllen.

Trotz dieser Probleme ist es dem Parlament gelungen, einen sehr guten Bericht zu erstellen, für den der Kollege Correia natürlich unsere besten Glückwünsche verdient. Morgen werden einige wenige, aber wichtige Sicherheitsmaßnahmen zum justiziellen und begrenzten Austausch, zur Verwendung und zum Schutz von DNA- und Datendateien beschlossen.

Ich hoffe, der Rat wird unsere Änderungsanträge annehmen, um die Glaubwürdigkeit der notwendigen – ich wiederhole: notwendigen – polizeilichen Zusammenarbeit zu retten. Diese Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren bedenklich in Richtung Überwachung und Unterdrückung geneigt, ohne dass die Grundrechte angemessen gesichert wären. Dieser glitschige Abhang ist kurzfristig oft verführerisch für Polizei und Regierungen, doch auf lange Sicht für das Funktionieren der Demokratie extrem gefährlich.

 
  
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  Adina-Ioana Vălean (ALDE).(EN) Herr Präsident! Ich bin mit dem Vorschlagspaket, das das Parlament morgen annehmen wird, sehr zufrieden. In den vergangenen Jahren haben wir die Bemühungen auf europäischer Ebene zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität verstärkt. Die Sicherstellung eines effektiven Austauschs von Informationen zwischen den einzelstaatlichen Polizeistellen ist in einem Europa ohne Binnengrenzen sehr wichtig, doch sollte meiner Meinung nach damit ein automatisch höheres Niveau des Datenschutzes einhergehen. Daher begrüße ich nachdrücklich die Annahme der Entscheidung, mit der der Schutz persönlicher Daten sichergestellt wird, die für Sicherheitszwecke verwendet werden.

Diese Instrumente werden zweifellos äußerst nützlich sein, aber Prüm zeigt auch, dass wir jetzt eine globale Vision für politische Maßnahmen in der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz benötigen. Ich denke, dass wir mit dem Anhäufen neuer Gesetze langsam aufhören sollten. Stattdessen wäre es großartig, wenn die Kommission eine Bewertung der vorliegenden Gesetzgebung in diesem Bereich vornehmen würde. Dies könnte uns endlich in die Lage versetzen, einen einheitlichen Ansatz zu verfolgen. In dieser Hinsicht ist es auch entscheidend, die Verfassung anzunehmen, die bessere Entscheidungsmöglichkeiten im justiziellen Bereich vorsieht, da sie das ausschließliche Initiativrecht an die Kommission gibt. In einer Zeit, da der aufregendste Zeitvertreib darin besteht, bergeweise Daten anzuhäufen, sollten wir vielleicht für eine Minute innehalten und uns fragen: werden sie wirklich gebraucht, sind sie nützlich und notwendig?

 
  
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  Adamos Adamou (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident! Wir nehmen heute prinzipiell Stellung zu einer Vereinbarung betreffend den Austausch streng personenbezogener Daten zwischen den Sicherheitsdiensten von Mitgliedstaaten, zu einem Vertrag, der gemeinsame Einsätze ausländischer und einheimischer Spezialkräfte auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten unter dem Vorwand der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ermöglicht.

Dieser Vertrag erlaubt auch gemeinsame Aktionen von Polizei und Spezialkräften aus zwei oder mehr Staaten bei – politischen und sportlichen – Großveranstaltungen von internationaler Bedeutung, bei denen Demonstrationen und Zusammenkünfte geplant sind. Gleichzeitig dürfen dritte Mitgliedstaaten DNA-Profile, Fingerabdrücke und andere personenbezogene Daten Verdächtiger übermitteln. Am gefährlichsten sind aber die Legalisierung der Anwesenheit ausländischer Kräfte und deren Aktionen in Drittmitgliedstaaten. Diese erhalten das Recht, in einem Notfall jederzeit das Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten zu betreten und darin einzudringen, auch in Abwesenheit einer örtlichen Behörde.

Ich appelliere an uns alle, unser Abstimmungsverhalten sehr sorgfältig zu überlegen. Wir dürfen unsere bürgerlichen Rechte nicht im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus opfern.

 
  
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  Manfred Weber (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Innenpolitiker sind jetzt schöne Tage angebrochen. Zum einen können wir Fortschritte im Raum der Sicherheit und des Rechts feststellen, wenn es um Prüm und um VIS geht, andererseits dürfen wir auch Fortschritte im Bereich der Bürgerrechte feststellen, wenn es um den Datenschutz geht.

Ich möchte mich auf den Datenschutz konzentrieren. In der dritten Säule haben wir einen echten Fortschritt erreicht. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass wir – auch in meiner Fraktion – großes Vertrauen in die Behörden haben. Wenn wir über Datenschutz sprechen, soll dies nicht nach Misstrauen klingen. Es wurde viel Positives erreicht und gerade die mit der Umsetzung des Vertrags von Prüm erzielten Erfolge liegen offen auf dem Tisch. Dem Kollegen Álvaro würde ich gerne entgegenhalten, dass meine Sorge weniger den zukünftig zu erwartenden großen Datenbeständen gilt; vielmehr freue ich mich darüber, dass wir damit Tausende von schweren Verbrechen in Europa aufklären und den Menschen Sicherheit geben können.

Der Datenschutzrahmen stellt die Balance zwischen der vorhandenen und notwendigen Macht unserer Behörden einerseits und der Bürgerrechte andererseits wieder her. Nach wie vor stehen viele offene Fragen im Raum, aber wir kommen jetzt einen Schritt voran. Ich möchte für die EVP deutlich machen, dass wir für einen klaren Datenschutzrahmen stehen und uns dieses Anliegen sehr wichtig ist.

Es war unter dem Strich eine schwere Geburt. Ich möchte mich deshalb bei allen Beteiligten bedanken: bei der deutschen Ratspräsidentschaft, ohne die dieser Fortschritt undenkbar gewesen wäre, bei der Kollegin Roure, die für das Parlament hervorragend verhandelt hat, und natürlich bei unserem Kommissar Franco Frattini, der uns entsprechend tatkräftig begleitet hat.

Den Rat möchte ich noch darauf hinweisen, dass in der Diskussion der Frage des Datenschutzrahmens noch einige Einwände – wenn auch deutlich weniger – vorhanden sind. Wir hoffen, dass es trotzdem zu einem Ergebnis kommt und wir all dies unter Dach und Fach bringen.

Zum Verfahren darf ich noch anmerken, dass ich persönlich der Meinung bin, dass wir im Bereich des Vertrags von Prüm bei der polizeilichen Zusammenarbeit heute nicht so gut dastehen würden, wenn nicht bestimmte Staaten als Flaggschiffe voranmarschiert wären. Denn erst der Erfolg macht es jetzt möglich, dass wir im Rat diese Ergebnisse erzielt haben. Deswegen habe ich keine Probleme mit diesem Verfahren. Ich sage bloß – auch an den Rat gerichtet: Wenn es dann allerdings in EU-Recht übergeführt wird, dann muss auch das Europäische Parlament beteiligt werden. Bei den Verhandlungen heute wurde ja deutlich, dass dem Parlament mitunter auch Lob ausgesprochen wird, obwohl die Parlamentarier manchmal schwierig sind. Am Ende sind sie ja doch sehr vernünftig und werden gute Kompromisse auch mittragen.

 
  
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  Marianne Mikko (PSE).(ET) Der Vertrag von Prüm ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Europäische Union schnell und effektiv handeln kann. Die Notwendigkeit des Vertrages zeigt sich anhand der Verdoppelung der Zahl der Unterzeichnerstaaten bzw. des Interesses, das er in den vergangenen drei Monaten oder anders gesagt, in dem Zeitraum, in dem wir den Bericht debattiert haben, geweckt hat.

Als kurzfristige Lösung stellt die teilweise Eingliederung des Vertrages von Prüm in das Rahmenwerk der EU eine begrüßenswerte Entwicklung dar. Allerdings ist die Tatsache, dass ein solch bedeutsamer Vertrag durch die Hintertür eingeschmuggelt werden muss, ein beunruhigendes Zeichen.

Die meisten Mitgliedstaaten hatten keine Möglichkeit, sich an der Gestaltung der Zusammenarbeit zu beteiligen, die für die innere Sicherheit Bedeutung trägt. Auch dies markiert einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten.

Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten kann aber nur eine vorübergehende Lösung darstellen. Nur wenn die Europäische Union geeint auftritt, kann sie größer sein als die Summe ihrer Mitglieder. Geteilt können wir nicht einmal eine stabile Energieversorgung gewährleisten.

Bedauerlicherweise fehlte uns die Zeit, um gründlich daran zu arbeiten, eine stabile Basis für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der internen Sicherheit zu schaffen. Im Rahmen der Erörterung des vorliegenden Berichts wurde klar, wie wenig die Praktiken der Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt sind.

Wir brauchen allgemeine Regeln, insbesondere im Bereich des Datenschutzes. Solange entscheidende Fragen der inneren Sicherheit jedoch unter die dritte Säule fallen, gibt es keinen Grund für Optimismus.

Ich möchte dem Berichterstatter gratulieren und ihm für die Änderungsanträge danken, die in großem Maße die unerledigte Arbeit der Institutionen kompensieren.

Natürlich kann sich das Parlament nicht mit dem Erreichten zufrieden geben. Europa muss aus der Zeit des Nachdenkens erwachen und entschlossen vorangehen. Die Europäische Union braucht schnelle Kooperationsmechanismen, die reibungslos funktionieren, auch wenn die EU einmal mehr Mitglieder haben wird als heute.

 
  
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  Sophia in 't Veld (ALDE).(EN) Herr Präsident! Es freut mich sehr, dass der deutsche Ratsvorsitz den Datenschutz in der dritten Säule zu einer Priorität erklärt hat. Allerdings bin ich weniger erfreut, wenn ich auf die verschiedenen Vorschläge schaue, die in Umlauf waren. Ich ersuche den Rat dringend, nicht nur die Empfehlungen des Parlaments, sondern auch die kritischen Anmerkungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu berücksichtigen.

Vor allem bin ich etwas verwirrt angesichts der Tatsache, dass wir offenbar noch immer 27 verschiedene Verfahrensweisen haben, was zu einer großen Verunsicherung der Bürger und Unternehmen führt. Zweitens gibt es so viele vage und offene Definitionen, z. B. zur Zweckbindung; es gibt so viele Ausnahmen von den Bürgerrechten und den Sicherheitsklauseln, dass es am Ende so scheint, als würden mit diesem Vorschlag die Bürgerrechte eher geschwächt denn gestärkt.

Um ein Beispiel zu nennen: Der Austausch sensibler Daten wie politische Meinungen, Daten über Gesundheit oder Sexualleben gemäß Artikel 7 soll nur dann erfolgen, „wenn dies unbedingt notwendig ist und angemessene zusätzliche Garantien vorgesehen sind“. Was bedeutet das? Wer legt fest, was unbedingt nötig ist? Wie lauten die Kriterien? Was sind angemessene zusätzliche Garantien? Das bleibt fatalerweise offen.

Und eine letzte Frage, die nie direkt beantwortet wurde: Wir wissen, dass der Rat und die Kommission sich mit den USA über eine transatlantische Regelung für den Datenschutz austauschen. Das ist an sich eine gute Sache, doch bis jetzt und trotz wiederholter Fragen ist mir nicht klar, auf welcher Grundlage diese Gespräche basieren. Wenn es die niedrigen Standards in Ihrem Vorschlag für den EU-Datenschutz in der dritten Säule sind, dann bin ich äußerst beunruhigt über die Rechte der europäischen Bürger in unseren Abkommen mit den USA.

 
  
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  Philip Bradbourn (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte mich in dieser Aussprache nur zu einem Thema äußern, und zwar zum Prümer Vertrag. Meiner Ansicht nach wurde dieses Thema vom Rat schnell durchgewunken, und zwar mit, wie ich meine, unangemessener Eile. Die Folgen dieses Vertrags sind weitreichend und werden Auswirkungen für alle EU-Bürger haben. Um Ihnen nur ein Beispiel zu nennen, könnten die Vertragsbestimmungen dazu führen, dass Daten von allen EU-Bürgern weitergegeben und ausgetauscht werden, und zwar unabhängig davon, ob sie eines Verbrechens verdächtigt oder angeklagt sind. Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat, wie meine Vorrednerin bereits sagte, darauf verwiesen und ist sehr besorgt. In einem kürzlich erschienenen Bericht sagte er, dass der Kreis der Datensätze, die in dieses System aufgenommen werden können, nicht auf Daten von Personen beschränkt ist, die bestimmter Verbrechen verdächtig oder angeklagt sind.

Warum lassen wir das in der Europäischen Union zu, wo wir die bürgerlichen Freiheiten und den Datenschutz fördern? Und dann wäre da noch die Frage der Nacheile, bei der ausländische Polizeikräfte ohne Genehmigung und mit Festnahmebefugnis andere Mitgliedstaaten aufsuchen dürfen und damit zivilisierte Auslieferungsverfahren negieren. Dies ist meiner Meinung nach nicht hinnehmbar. Das System während der letzten Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, bei dem ausländische Polizeikräfte zur Unterstützung der lokalen Kräfte herangezogen wurden, jedoch ohne Ausführungsbefugnisse, funktionierte hervorragend. Um ein englisches Sprichwort zu bemühen: „Repariere nichts, was nicht kaputt ist“.

Insgesamt ist dieser Vertrag ein klassisches Beispiel dafür, wie einige wenige Mitgliedstaaten versuchen, ihr System allen anderen Mitgliedstaaten aufzuzwingen. In diesem Fall haben lediglich acht Länder diesen Vertrag unterzeichnet, und wir versuchen ihn nun den anderen aufzunötigen. Wir sollten diese Richtung besser nicht einschlagen, und ich sähe es lieber, wenn den Mitgliedstaaten freigestellt würde, den Teilen des Vertrags beizutreten, die ihren nationalen Interessen entsprechen, jedoch keine Abwahlmöglichkeiten oder Abweichungen zugelassen werden. Erst wenn das der Fall ist, könnte ich die Aufnahme einer solchen Regelung in den gemeinsamen Besitzstand unterstützen. Es ist eine gefährliche und schlecht durchdachte Maßnahme, die nur wenig zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit beiträgt, aber das öffentliche Vertrauen erheblich erschüttert.

 
  
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  Panayiotis Demetriou (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Die sowohl heute als auch zu anderen Gelegenheiten geführte Diskussion zeigt, dass wir uns offenbar alle einig sind: Es muss alles Erdenkliche getan werden, um Terrorismus, organisierte Kriminalität und Einwanderung zu bekämpfen. Wir stimmen ebenfalls darin überein, dass wir polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit brauchen, um auf diesem Gebiet Ergebnisse zu erreichen, und dass Informationen zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ausgetauscht werden müssen, um die grenzüberschreitende Bekämpfung von Kriminalität, Terrorismus und Einwanderung zu ermöglichen.

Worin sind wir uns nicht einig? Was sind die Hauptpunkte unserer Uneinigkeit? Wir müssen uns um die Themen Menschenrechte und Schutz personenbezogener Daten kümmern. Dabei gibt es wohl niemanden, der etwas dagegen hätte. Die Frage ist, wo wir die Grenze ziehen, um ein Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und den persönlichen Interessen zu erreichen. Meiner Ansicht nach sind wir alle für das Thema Menschenrechte sensibilisiert, und es besteht keine Notwendigkeit eines Ausverkaufs. Ein solcher Ausverkauf der Menschenrechte, wie ihn einige Leute hier anstreben oder in diesem Kapitel präsentieren wollen, ist eine Beleidigung. Ich möchte jedoch auch Folgendes betonen: Diese theoretische Diskussion ist angesichts der Realität eigentlich nicht notwendig. Schon die alten Römer haben gesagt: Primum vivere, deinde philosophari – zuerst leben, dann philosophieren. Kriminalität, Terrorismus und illegale Einwanderung sind eine Realität, und wir müssen daher Mittel und Wege finden, mit dieser Situation fertig zu werden, ohne dabei das Prinzip der Menschenrechte und ihren Schutz zu gefährden.

Meines Erachtens haben die drei Berichterstatter ausgewogene Berichte vorgelegt, zu denen ich ihnen gratulieren möchte. Ich appelliere daher an das Parlament, alle Vorurteile beiseite zu legen und diese Berichte zu unterstützen.

 
  
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  Carlos Coelho (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Frattini, meine Damen und Herren! Die Erhöhung der Sicherheit und der Kampf gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und Terrorismus setzen nicht nur eine Verstärkung der gemeinsamen Außengrenzen, sondern auch den raschen und wirksamen Informationsaustausch im Rahmen der Kontrollen an den Grenzen und auch der justiziellen Zusammenarbeit voraus.

Gleichermaßen wichtig sind eine engere polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die Schaffung des Visa-Informationssystems (VIS). Deshalb unterstütze ich die Berichte, die uns von Herrn Correia, Baroness Ludford und Frau Roure vorgelegt wurden. Besonders erwähnen möchte ich Baroness Ludford, weil nach zweieinhalb Jahren Verhandlungen letztendlich eine Übereinkunft erzielt werden konnte.

Der Vorschlag über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit enthält einige der wichtigsten Bestimmungen des Vertrags von Prüm, vor allem in Bezug auf den Kampf gegen den Terrorismus, die grenzüberschreitende Kriminalität und die illegale Einwanderung, womit einige der wichtigsten Forderungen des Haager Programms erfüllt werden. Darüber hinaus enthält der Vorschlag einige Verbesserungen zum Informationsaustausch und zur Angabe personengebundener Daten, deren Schutz ein Grundrecht ist.

Ich begrüße diesen Vorschlag und unterstütze die Ansicht von Herrn Correia, dass diese Initiative die Form eines Rahmenbeschlusses haben sollte, da sie auf eine Annäherung der Gesetze und Regelungen der Mitgliedstaaten abzielt. Zum anderen sollte das VIS das dritte große auf Informationstechnologien gestützte System sein, das als Teil des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geschaffen werden muss.

Ich begrüße es, dass letztendlich eine Übereinkunft erzielt wurde, damit wir bei der Errichtung dieses dringend notwendigen Systems vorankommen können, das die Verwaltung der gemeinsamen Visapolitik, die konsularische Zusammenarbeit und die Konsultation zwischen den zentralen konsularischen Behörden verbessert, Gefahren für die innere Sicherheit und dem Visa-Shopping vorbeugt, den Kampf gegen Betrug und die Kontrollen an den Grenzstellen an den Außengrenzen und im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erleichtert und schließlich zur Identifizierung und Rückkehr – ich unterstreiche „Rückkehr“ – illegaler Einwanderer beiträgt, wodurch die Anwendung der Dublin-II-Verordnung erleichtert wird.

 
  
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  Barbara Kudrycka (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Ich begrüße es, dass das Europäische Parlament in Bezug auf den Vertrag von Prüm zu einem einheitlichen Standpunkt gelangt ist. Wie die Kompromissänderungsanträge zeigen, müssen aber bestimmte Punkte noch vom Rat erörtert werden. Auf diese Weise macht das Europäische Parlament deutlich, dass Verhandlungen in kleinem Kreis und der Versuch, bereits bestehende Bestimmungen in die Unionsgesetzgebung einzubringen, nicht die geeignete Verfahrensweise sind. Das sollte unterstrichen werden. Damit kann keine Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten gewährleistet werden, das Parlament wird umgangen, und außerdem gibt diese Vorgehensweise Anlass zu ernsthaften rechtlichen, organisatorischen und politischen Bedenken. Deshalb sollte das die Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden, und es sollte als Warnung dienen, mit anderen Fragen im Zusammenhang mit dem dritten Pfeiler in Zukunft nicht in der gleichen Weise zu verfahren.

Jeder weiß, dass wir für eine wirksamere Umsetzung der Visumpolitik ein Visasystem brauchen. Wir müssen begreifen, dass die Annahme einer Rechtsgrundlage erst der Anfang ist. Wir alle kennen die Geschichte von SIS II. Hier wurde auf eine rasche Annahme der Rechtsgrundlage gedrängt, und später traten ernsthafte Probleme bei der technischen Umsetzung auf. Deshalb müssen wir diese Vorschriften in konkrete praktische Maßnahmen umsetzen, damit das Visasystem im Frühjahr 2009 in Kraft treten kann.

Was Frau Roures Bericht betrifft, so möchte ich abschließend anmerken, dass wir nun sicher alle auf eine Einigung mit dem Rat in dieser Frage hoffen. Die oftmals äußerst sensiblen personenbezogenen Daten im Rahmen des dritten Pfeilers sollten ebenso wirksam geschützt werden wie vergleichbare Daten im Rahmen des ersten Pfeilers. Ich weiß um die rechtlichen Beschränkungen, denen wir unterliegen, bin aber zuversichtlich, dass die im Parlament erzielten Kompromisse schon bald Rechtskraft besitzen werden. Ich hoffe auch, dass sie nicht länger ein Hindernis für die fristgerechte Einführung des Schengen-Informationssystems sowie eines einheitlichen Visaverwaltungssystems bilden werden.

 
  
  

VORSITZ: EDWARD McMILLAN-SCOTT
Vizepräsident

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). – Succesul punerii în aplicare a Tratatului de la Prüm poate fi deplin doar în momentul în care toate statele Uniunii Europene îşi vor asuma prevederile acestuia. Eficienţa controlului transfrontalier este decisivă în combaterea terorismului şi a crimei organizate. Pentru moment însă, datorită dispunerii geografice a statelor semnatare se creează frontiere artificiale în interiorul Uniunii, ceea ce poate fi considerat un pas înapoi. Cooperarea transfrontalieră este, astfel, obstrucţionată iar infractorii şi-ar putea găsi refugiul în ţări care se găsesc în afara sistemului comun de baze de date poliţieneşti şi judiciare. Transpunerea în legislaţia comunitară a clauzelor referitoare la schimbul automat de date va permite combaterea mult mai eficientă a criminalităţii.

Cele două aspecte importante pentru a asigura succesul demersului sunt finanţarea creării bazelor de date şi protecţia acestora. De aceea, instituţiile europene trebuie să identifice mijloace care să asigure armonizarea la nivel european şi, în acelaşi timp, să sprijine statele membre în finanţarea sistemului. Dacă se va asigura acest lucru, implementarea va fi mult mai facilă şi rezultatele vor fi pozitive.

 
  
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  Peter Altmaier, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Drei ganz kurze Bemerkungen. Erstens möchte ich mich bei Baroness Ludford dafür entschuldigen, dass ich im Zusammenhang mit dem VIS den Aspekt der Grenzsicherung nicht ausdrücklich betont habe. Sie haben in dieser Hinsicht völlig Recht.

Zweitens möchte ich Sie um Verständnis dafür bitten, dass wir bei der Überführung des Vertrages von Prüm sehr zur Eile gemahnt haben. Ich weiß, wir haben dadurch große Anforderungen an Sie gestellt. Aber bitte bedenken Sie auch: Dem völkerrechtlichen Vertrag von Prüm sind so viele Staaten beigetreten, dass ich nicht weiß, ob wir in einem Jahr im Rat noch die nötige Bereitschaft zur Überführung in den Bereich der Europäischen Union gefunden hätten.

Drittens bedanke ich mich am Ende dieser Debatte nochmals ganz herzlich bei allen, die daran mitgewirkt haben, dass wir die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in drei ganz wichtigen Bereichen unter Beweis stellen durften.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Katalin Lévai (PSE), schriftlich. (HU) Ich beglückwünsche den Berichterstatter und unterstütze die Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität sowie die Bemühungen um eine Intensivierung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit.

Ich möchte hervorheben, dass dieser Kampf gegen ein gefährliches Phänomen unseres Zeitalters gerichtet ist, das Opfer unter ganz normalen Bürgern, darunter Frauen und Kinder, fordert.

Daher halte ich es für äußerst wichtig, dass auf der informellen Tagung der Minister für Justiz und Inneres unter Leitung der deutschen Ratspräsidentschaft im Januar 2007 in Dresden eine Initiative zur Überführung des Vertrags von Prüm in den Rechtsrahmen der EU angekündigt wurde.

Wichtige Teile des Vorschlags betreffen den gemeinsamen Zugriff auf spezielle Datenbanken, die Einrichtung und den Betrieb nationaler Kontaktstellen und das hohe Datenschutzniveau. Ich möchte die polizeiliche Zusammenarbeit in den Grenzregionen sowie die Durchführung gemeinsamer Operationen und die Zusammenarbeit bei Großveranstaltungen und -katastrophen hervorheben.

Ich finde es jedoch bedauerlich, dass in dem Vorschlag Maßnahmen außen vor bleiben, die bei unmittelbar bevorstehenden Gefahren ergriffen werden können, sowie die Frage der Flugsicherheitsbegleiter, die Bekämpfung illegaler Einwanderung sowie eine breitere Palette an Bestimmungen für die polizeiliche Zusammenarbeit in Grenzgebieten.

Jedem Menschen muss das Recht eingeräumt werden, in Sicherheit zu leben. Gleichzeitig halte ich es im Interesse des Schutzes personenbezogener Daten für notwendig, in Hinblick auf die Bestimmungen zur Datenübertragung genauer festzulegen, an welche Einrichtung zur Kriminalitätsbekämpfung die angeforderten Daten über die zentralen Kontaktstellen übermittelt werden können. Ferner müssen bewährte Praktiken für das Erreichen des erforderlichen Datenschutzniveaus entwickelt werden; dadurch darf jedoch der gewünschte Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten nicht behindert werden.

 
  
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  James Nicholson (PPE-DE), schriftlich.(EN) Ich werde mich bei der Abstimmung über diesen Bericht der Stimme enthalten, da das Vereinigte Königreich nicht zu den Unterzeichnern des Schengen-Übereinkommens zählt, weshalb ich mich an der Festlegung der Politik in anderen Mitgliedstaaten auch nicht beteiligen möchte. Außerdem ist mir bewusst, dass es Unterschiede in der Rechtsprechung zwischen dem Vereinigten Königreich und den anderen Mitgliedstaaten gibt. Diese Frage der Kompatibilität hat weiter reichende Auswirkungen und muss in angemessener Weise behandelt werden. Mich würde interessieren, wie die Gerichtsurteile zu dieser Frage ausfallen. Ich erkenne zwar die positive Wirkung an, die dieses System für die Sicherheit bringen wird, aber es bestehen auch Gefahren, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Aufgrund der weiter reichenden Auswirkungen des Visainformationssystems bin ich mir nicht sicher, ob ich seine Umsetzung gutheißen oder anprangern soll.

 

19. Ausführungen von einer Minute (Artikel 144 GO)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE).(LT) Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen wird gegenwärtig in Vilnius aufgebaut und sollte in diesem Jahr seinen Betrieb aufnehmen. Bekanntlich hätten es die Slowakei und Slowenien gern gesehen, wenn das Institut in ihrer Hauptstadt errichtet worden wäre. Die gefällte Entscheidung, die auch vom EU-Parlament gestützt wurde, favorisierte jedoch Litauen.

Dann kam es allerdings zu einem Zwischenfall, als die Stadtverwaltung von Litauens Hauptstadt Vilnius die Erteilung einer Genehmigung zur Förderung der Anti-Diskriminierungskampagne verweigerte. Oder anders gesagt, sie gestatten den Einzug des „Euro-Trucks“ nicht, der sich bereits auf seiner vierten Fahrt durch Europa befindet, um Informationen über die Kampagne „Für Vielfalt – Gegen Diskriminierung“ sowie zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle zu verbreiten. Als die Europäische Kommission eine Erklärung zur Entscheidung der Stadtverwaltung von Vilnius abgab, spekulierten einige, die Europäische Kommission hege möglicherweise Zweifel, ob es sich lohne, das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen in Vilnius zu gründen.

Ich bin mir absolut sicher, dass es Vilnius, das seit der Antike als Stadt der Toleranz berühmt ist, fraglos verdient hat, Sitz des Gleichstellungsinstituts zu sein.

Darüber hinaus möchte ich hervorheben, dass kein Land über Vorwürfe erhaben ist, wenn es um Fragen der Menschenrechte und Grundfreiheiten geht und jeder Mitgliedstaat der EU in Fragen der Toleranz und im Kampf gegen Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Alter, Behinderung, sexueller Orientierung, Religion usw. viel zu tun hat. Lassen Sie uns zusammenarbeiten!

 
  
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  Teresa Riera Madurell (PSE).(ES) Herr Präsident! Seit einigen Jahren suchen Quallen die Mittelmeerküsten heim. Viele Menschen müssen nach dem Kontakt mit ihnen behandelt werden, da er Schmerzen, Entzündungen und andere Beschwerden verursacht. Es gibt sogar einige Orte, an denen die Behörden vom Baden im Meer abraten. Diese Plage ist ein Symptom des Ungleichgewichts, unter dem das mediterrane Ökosystem leidet.

Der Missbrauch bestimmter Fischereipraktiken führt zum Verschwinden von Arten wie dem Roten Thun – der mit den Quallen um den Verbrauch des Zooplankton wetteifert – oder den Unechten Karettschildkröten, die ihre natürlichen Räuber sind.

Die Erwärmung der Küstengewässer – eine Folge des Klimawandels – und ihr höherer Salzgehalt – im Ergebnis des geringeren Frischwasserzuflusses aufgrund der Trockenheit – tragen ebenfalls zu dieser übergroßen Zahl an Quallen bei. Die Experten warnen, dass unverzüglich etwas gegen das Problem unternommen werden muss, andernfalls wird es von Jahr zu Jahr gravierender.

Die Regierung meines Landes – Spanien – führt Studien durch und leitet Aktionspläne ein. Wir stehen vor einem Umweltproblem, das alle Anrainerstaaten betrifft und das auf Gemeinschaftsebene angegangen werden muss.

Dieses Problem hat äußerst negative Auswirkungen auf die Tourismusbranche im gesamten Mittelmeerraum, und dieses Parlament und die übrigen Gemeinschaftsinstitutionen müssen ihm daher größere Aufmerksamkeit widmen.

 
  
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  Adina-Ioana Vălean (ALDE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einige Maßnahmen lenken, die in diesem Jahr von der rumänischen Regierung verabschiedet wurden, um den Kampf gegen die Korruption zu verbessern. Rumänien ist jetzt das erste Land Europas, in dem ein Gesetz verabschiedet wurde, mit dem das Vermögen aller Staatsbediensteten und –beamten auf höherer Ebene, Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten überwacht werden. Die Reform der Justiz ist kein leichtes Unterfangen, das weder von einem Tag auf den anderen abgeschlossen werden noch von nur einer Person umgesetzt werden kann. Eine solche Herausforderung erfordert einen starken politischen Willen, Entschlossenheit und Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Parlament. Die gegenwärtige Regierung ist entschlossen, die Justizreform in Rumänien fortzuführen, indem der Justiz vollständige Unabhängigkeit in voller Übereinstimmung mit den gegenüber unseren EU-Partnern sowie vor allem unseren rumänischen Bürgern auferlegten Verpflichtungen garantiert wird.

Ich bin fest davon überzeugt, dass der Kommissionsbericht zu Rumänien, der am Ende dieses Monats vorliegen soll, die Fortschritte anerkennen wird, die die rumänische Regierung im Zuge der Justizreform sowie im Kampf gegen die Korruption erzielt hat.

 
  
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  Marcin Libicki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Es wird heutzutage viel über die Anerkennung des Kosovo als unabhängiger Staat gemäß dem Willen der dort lebenden Bevölkerung geredet. Meiner Ansicht nach reicht dieses Argument für eine Unabhängigkeit aber nicht aus, denn zunächst müssen die historischen Gegebenheiten berücksichtigt werden, zweitens die Interessen der Nation als Ganzes und drittens die internationale Ordnung. Erinnern wir uns: Das Kosovo ist die Wiege der serbischen Nation. Wir alle haben von der Schlacht auf dem Amselfeld gehört.

Wenn wir nun die Unabhängigkeit des Kosovo gemäß dem Willen seiner Bevölkerung anerkennen, werden Abchasien, Südossetien und Transnistrien dem Kosovo auf dem Fuße folgen. Möglicherweise wird es dann auch zu der von einigen vorausgesagten Gründung einer Islamischen Republik von Südfrankreich mit ihrer Hauptstadt Marseille im Jahr 2020 sowie eines Pariser Emirats im Jahr 2050 kommen. Ich warne davor, aufgrund des Willens der Mehrheit der in einem bestimmten Gebiet ansässigen Bevölkerung übereilte Entscheidungen zu treffen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Ich möchte die Gewerkschaft CGTP-IN und die portugiesischen Arbeiter grüßen, die große Kämpfe zur Verteidigung ihrer Rechte gegen die ständig steigende Arbeitslosigkeit, gegen immer unsicherer werdende Arbeitsverhältnisse, zur Verteidigung ihrer Löhne, die zu den niedrigsten in der EU zählen, wozu der Stabilitätspakt beiträgt, zu bestehen haben.

Der Generalstreik vom 30. Mai war ganz besonders wichtig und ebnete den Weg für neue Kämpfe, die die europäischen Institutionen zur Kenntnis nehmen sollten, da sich die wirtschaftliche Situation und die sozialen Ungleichheiten durch neue Beschlüsse, die schon in Vorbereitung sind, schon bald noch weiter verschärfen können, beispielsweise nach der jüngsten Erhöhung der Zinssätze durch die Europäische Zentralbank, durch die auf die Liberalisierung von Kündigungen ohne triftigen Grund gerichtete so genannte Flexicurity und durch weitere Liberalisierungen der öffentlichen Dienste.

Es ist Zeit für einen Politikwandel, es ist an der Zeit, die Menschen zum Maß der Dinge zu machen und Maßnahmen zu ergreifen, die die arbeitenden Menschen respektieren und würdigen.

 
  
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  Urszula Krupa (IND/DEM).(PL) Herr Präsident! Als Ärztin messe ich der Transplantationschirurgie große Bedeutung bei, denn sie rettet vielen Patienten das Leben, die ohne ein Transplantat sterben würden. Es muss jedoch gesagt werden, dass Herrn Kyprianous Feststellung zur Einführung einer Richtlinie mit Mindestnormen sowie des Europäischen Organspenderausweises vor allem angesichts dessen, dass aus etlichen Unionsdokumenten Abänderungen ethischer Natur gestrichen wurden, durchaus zu Missbrauch unterschiedlichster Art führen kann, zumal Euthanasie in einigen europäischen Ländern legal ist.

Der Europäische Organspenderausweis und vor allem die in einem Umfeld lascher moralischer Grundsätze als wahrscheinlich geltende Zustimmung bergen in sich das Risiko, dass nicht versucht wird, Kranke zu heilen, sondern dass sie möglicherweise sogar getötet werden, um Organe zu gewinnen, wie jüngst in der Presse zu lesen war. Unter diesen Umständen sollte die Zustimmung zu einer Organtransplantation nach dem Tod des Organspenders durch die Zustimmung der nächsten Angehörigen des Toten bekräftigt werden, sobald ihnen ein Dokument mit der Bestätigung des Hirntods vorliegt. Dadurch könnte Missbrauch bis zu einem gewissen Grad vermieden werden.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). – Herr Präsident! Hiermit möchte ich zur Kenntnis bringen, dass der neue Generalsekretär, Harald Rømer, den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Abgeordneten und den Grundsatz eines fairen Verfahrens massiv verletzt. In einem Verfahren, das gegen mich gelaufen ist, gibt es eine ganz eindeutige Stellungnahme des Generaldirektors Finanzen mit ganz klaren Schlussfolgerungen. Herr Rømer behauptet, so etwas gebe es nicht. Das sagt er offiziell, intern sagt er das Gegenteil. Da wird gelogen.

Ich fordere, dass diese Untersuchung bekannt und zugänglich gemacht wird. Außerdem wird mir bei dem Verfahren, in dem ich versuche, mich juristisch zu wehren, von Herrn Rømer der Zugang zu Übersetzungen verschiedener Schriftstücke des Generalsekretariats verwehrt, wieder mit dem fadenscheinigen Hinweis, dass es angeblich keine offiziellen endgültigen Übersetzungen gebe.

Massiv behindert werde ich auch durch die Tatsache, dass mir ein Mitarbeiter, der bereits eine schriftliche Zusage bekommen hat, bei der Gruppe der Fraktionslosen verwehrt wird.

Wenn man einen Abgeordneten, Herr Präsident – und Sie wissen ja über verschiedenste dieser Dinge sehr gut selbst Bescheid –, in dieser Form diskriminiert, wie das mit mir hier in diesem Haus passiert ist, dann darf man dieses Parlament nicht ein demokratisches Parlament nennen. Hier herrscht, was Herr Rømer macht, nämlich Willkür.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Martin, wir werden dafür sorgen, dass Ihre Anmerkungen an den Generalsekretär weitergeleitet werden.

 
  
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  Maria Petre (PPE-DE). – Au trecut decât câteva zile de când ultimii doi membri ai grupului Ilaşcu, Andrei Ivanţoc şi Tudor Petrov-Popa, au fost, în sfârşit, eliberaţi din închisoare de autorităţile nelegitime ale autoproclamatei Republici Transnistrene.

La 8 iulie 2004, Curtea Europeană a Drepturilor Omului a pronunţat o hotărâre prin care constata ilegalitatea detenţiei cetăţenilor români Andrei Ivanţoc şi respectiv Tudor Petrov-Popa, solicitând autorităţilor Republicii Moldova şi Federaţiei Ruse să ia toate măsurile necesare în vederea eliberării imediate a acestora. Timp de trei ani această hotărâre a fost ignorată confirmând, dacă mai era nevoie, că regimul de la Tiraspol rămâne în afara oricărei reguli. Eliberarea lui Andrei Ivanţoc duminică, 3 iunie, s-a petrecut sub semnul violenţei şi a violării a drepturilor omului, a dreptului acestui cetăţean de a se deplasa liber spre casa lui, după 15 ani de detenţie ilegală.

Mă întreb de ce un om eliberat din închisoare după ispăşirea unei pedepse abuzive nu poate pleca liber şi este predat poliţiei din Republica Moldova. Mă întreb cum este posibil ca Andrei Ivanţoc şi Tudor Petrov-Popa să fie expulzaţi din propria ţară de aceste autorităţi complet nelegitime. Ca parlamentar european, membru în delegaţia Uniunea Europeană-Moldova, cer Parlamentului European să ia atitudine pentru ceea ce a fost un caz fără precedent în istoria recentă a democraţiei europene.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE).(PL) Herr Präsident! Drei Wochen sind seit dem EU-Russland-Gipfel in Samara vergangen, auf dem Polen einmal mehr seine Zustimmung zu dem EU-Mandat verweigert hat, das eine unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen über das neue Abkommen ist. Der Grund ist der, dass Polen die finnischen Vorschläge zur Unterstützung und das Engagement des Landes bei der Lösung des Handelsstreits mit Russland für unzureichend hält.

Inzwischen ist mehr als deutlich geworden, dass das Embargo gegen Polen nicht nur für unser Land, sondern für die Europäische Union als Ganzes ein Problem darstellt. Deshalb freuen wir uns, dass die Union unsere Entscheidung vehement unterstützt und unterstrichen hat, wie wichtig der Grundsatz der Solidarität ist. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass das Einfuhrverbot für Fleisch und pflanzliche Produkte aus Polen nun schon seit über 18 Monaten besteht und die polnischen Unternehmer am stärksten davon betroffen sind. Wie lange kann man das tolerieren?

Für eine erfolgreiche Lösung dieses Konflikts bedarf es eines ständigen intensiven Dialogs. Dass Erfolge auf bilateraler Ebene bislang ausgeblieben sind, zeigt doch, dass wir für eine Lösung die Unterstützung der EU-Diplomaten brauchen. Wir müssen schnellstmöglich von der Theorie zur Praxis übergehen und endlich einen Ausweg aus dieser Sackgasse finden. Leider legt die Tatsache, dass immer mehr Zeit verstreicht, die Vermutung nahe, dass wir in dieser Frage immer noch auf der Stelle treten.

 
  
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  Tiberiu Bărbuleţiu (ALDE).(EN) Mit Blick auf den bevorstehenden Bericht zu Rumänien, der am 26. Juni vorgelegt werden soll, möchte ich Ihnen eine der Methoden vorstellen, mit deren Hilfe in Rumänien gegen die Korruption vorgegangen werden soll.

Am 9. Mai 2007 verabschiedete der rumänische Senat ein Gesetz zur Bildung der Nationalen Agentur für Integrität. Diese Agentur wird zur Überprüfung von Aktivitäten in den folgenden Bereichen eingesetzt werden: Vermögen, Interessenkonflikte und Unverträglichkeiten. Außerdem hat die rumänische Regierung das Gesetz zur Gründung der Nationalen Agentur für Integrität verschärft. Der neue Justizminister unterstützt dieses Projekt und hält die Agentur aufgrund ihrer Ermittlungsbefugnisse, ihrer Sanktionsbefugnisse und ihrer garantierten Unabhängigkeit für ein wirksames Instrument.

Aus dem Gesagten geht eindeutig hervor, dass die Reform des Justizsystems fortgesetzt wird und der neue Justizminister, Herr Chiuariu, alles daran setzen wird, die Agentur für Integrität in wenigen Monaten einsatzfähig zu machen.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN).(PL) Herr Präsident! Am 5. Juni fand ein aufschlussreiches Treffen zwischen dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und Herrn Horst Seehofer, dem deutschen Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, statt. Herr Seehofer, der derzeitige Ratspräsident, hat deutlich gemacht, dass eine Abkehr von der Gemeinsamen Agrarpolitik notwendig ist und die Europäische Kommission ihre diesbezügliche Arbeit beschleunigen muss.

So haben wir erfahren, dass es nach 2015 keine Milchquoten mehr geben wird, was zu vorübergehenden Schwierigkeiten führen könnte. Das alles läuft darauf hinaus, dass die Gemeinsame Agrarpolitik wohl nur noch so lange bestehen wird, bis die neuen Mitgliedstaaten die vollen Zahlungen erhalten können. Hieraus ergeben sich für mich zahlreiche Fragen. Zwei wichtige Fragen lauten: Weshalb wurden wir in den Verhandlungen über die Beitrittsbedingungen nicht darüber informiert? Weshalb wurde mit der Vorbereitung zur Änderung der Gemeinsamen Agrarpolitik begonnen, ohne sich vorher mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament abzustimmen, obwohl angeblich der Grundsatz des Konsultationsverfahrens gilt?

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Im Jahre 2005 führte einer meiner Wähler, Herr Michael Davidson, eine bestimmte Menge Zigaretten und Alkohol bei sich und sein Kraftfahrzeug wurde bei seiner Rückkehr in das Vereinigte Königreich in Dover von der Königlichen Zollbehörde beschlagnahmt. Die Begründung lautete, dass er nach deren Auffassung die Waren einzig und allein zu kommerziellen Zwecken einführte, was er vehement zurückweist. Gemäß Richtlinie des Rates 92/12/EWG sind solche Beschlagnahmen illegal.

Im Jahre 2006 setzte Kommissar Kovács das Verfahren gegen die Regierung Ihrer Majestät vor dem Europäischen Gerichtshof unter der Annahme aus, dass sie nicht gegen das Gesetz verstoße. Jedoch beschlagnahmen die britischen Zollbehörden noch immer Waren in illegaler Weise und verweigern den Ersatz des materiellen Schadens der beschlagnahmten Waren. Die britische Regierung hat die britischen Bürger dem EU-Recht unterworfen, aber ignoriert es dann, wenn es auf sie angewendet werden soll. Ich beabsichtige, Herrn Kovács zu schreiben und ihn zu ersuchen, das Verfahren gegen die britische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof wieder aufzunehmen.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Batten, dass Sie sich für die Anwendung des EU-Rechts einsetzen.

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Ich möchte das Hohe Haus auf einen besonders bedrohlichen Umstand aufmerksam machen, der während der Arbeiten an der Richtlinie über den Verbraucherkredit zutage getreten ist und der die Rolle des Europäischen Parlaments im Rechtsetzungsprozess, wie er in den Verträgen festgeschrieben ist, deutlich einschränkt.

Das Parlament hat sich bei der Arbeit an diesem Dokument sehr engagiert. Obwohl an die Kommission und den Rat wiederholt die Bitte herangetragen wurde, die Auswirkungen der Richtlinie auf die Wirtschaft der Union einschließlich der Banken und Verbraucher zu untersuchen, haben beide Organe dies immer wieder abgelehnt. Deshalb hat das Parlament seine eigenen Untersuchungen angestellt, weil es davon überzeugt ist, dass eine solche Richtlinie nicht verabschiedet werden darf, wenn man nicht mit Sicherheit sagen kann, dass sie Nutzen bringt und nicht eine weitere bürokratische Hürde für die Mitgliedstaaten darstellt. Diese Untersuchungen des Parlaments wurden weder vom Rat noch von der Kommission in irgendeiner Weise berücksichtigt.

Wir müssen uns also fragen, weshalb die Stimme des Parlaments ungehört verhallt ist. Noch wichtiger wäre es zu wissen, warum man meint, einen Richtlinienentwurf, der sich so stark auf die Erhöhung der Kosten der Banken auswirkt und die Situation der Verbraucher nicht unbedingt verbessern dürfte, verabschieden zu können, ohne seine Zweckmäßigkeit und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft der Union zu untersuchen.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE).(EN) Herr Präsident! Gestern schickten zwei Abgeordnete des ungarischen Parlaments eine Flasche verschmutzten Wassers aus dem Fluss Rába an den österreichischen Umweltminister. Wenn Sie meinen, das sei sauberes Trinkwasser, dann kosten und trinken Sie es bitte: das ist die Botschaft ihrer Geste. Ich bin ohne verschmutztes Wasser hier. Ich komme nur mit reinen Worten.

Liebe Österreich-Anhänger, liebe Mitabgeordnete, bitte helfen Sie uns, die Wasserverschmutzung an der österreichisch-ungarischen Grenze zu stoppen. Ich weiß, dass viele österreichische NRO und politische Parteien gegen die gefährlichen Aktivitäten einiger österreichischer Unternehmen kämpfen und Versprechen erhalten haben, dass diese eingestellt werden oder dass zumindest Filter eingesetzt werden, um die Verschmutzung auf ein Minimum zu verringern. Was wir jetzt, nach zahlreichen Protesten und Versprechen, brauchen, sind Aktionen im Interesse einer sauberen Umwelt sowie der traditionellen österreichisch-ungarischen Freundschaft.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE).(EN) Herr Präsident! Wir in der EU fordern von unseren Landwirten umfassende Rückverfolgbarkeit. Wir erwarten die Rückverfolgbarkeit vom Agrarbetrieb bis zur Mistforke, wobei jeder Schritt auf dieser Reise vom Betrieb bis zur Forke etikettiert, inspiziert und überwacht wird. Der europäische Verbraucher erwartet hohe Standards und das mit Recht. So halten wir es in der EU.

Wie können dann Kommissar Mandelson und Kommissar Kyprianou jährliche Importe von etwa 300 000 Tonnen brasilianischen Rindfleischs hinnehmen, wenn es dort immer wieder zu Ausbrüchen der Maul- und Klauenseuche kommt, wenn Kontrollen von Viehüberführungen im besten Falle lasch und in vielen Fällen überhaupt nicht stattfinden, wenn die illegale Entfernung und das Herausschneiden von Marken weit verbreitet ist und hormonelle Wachstumsförderer eingesetzt werden? Wie können unsere Kommissare solche Doppelstandards akzeptieren und den europäischen Verbraucher- und Viehsektor in eine Lage bringen, in der er nicht hinnehmbaren und in der Tat unnötigen Risiken ausgesetzt wird, während Länder wie die USA die Einfuhr von brasilianischem Rindfleisch verweigern, da es den geforderten Standard nicht einhält?

 
  
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  Witold Tomczak (IND/DEM). (PL) Herr Präsident! Drei Jahre sind seit dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union vergangen, doch sie werden bei der Zuteilung von Haushaltsmitteln für den Obst- und Gemüsesektor immer noch benachteiligt. Von den vielen Fällen dieser Benachteiligung fällt einer ganz besonders ins Auge, nämlich die Höhe der Beträge, die je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche gezahlt werden. Im Jahr 2005 erhielten die alten Mitgliedstaaten 560 Euro je Hektar, die neuen Mitgliedstaaten jedoch nur 20 Euro je Hektar. Die reicheren Länder erhalten demnach das 28-Fache der Hilfe, die den ärmeren Ländern zuteil wird. So sieht die Praxis leider aus, wenn es um Solidarität und die Chance geht, das wirtschaftliche Entwicklungsniveau anzugleichen.

Die Benachteiligung der neuen Mitgliedstaaten im Obst- und Gemüsesektor wirkt sich auch negativ auf die Verbraucher und die Landwirtschaft der gesamten Union aus. Deshalb appelliere ich an Sie, für den von der Fraktion Union für das Europa der Nationen eingebrachten Änderungsantrag zum Bericht von Frau Salinas García zu stimmen, in dem die Benachteiligung der neuen Mitgliedstaaten zumindest teilweise aufgehoben wird. Seine Ablehnung würde der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie deren Grundsätzen und Zielen Schaden zufügen. Eine Ablehnung wäre außerdem ein Beweis für die Unfähigkeit der alten Mitgliedstaaten, einen starken europäischen Agrarsektor aufzubauen.

 
  
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  John Attard-Montalto (PSE). – (EN) Herr Präsident! Wir sprechen alle über die Bedeutung der Gesundheit. Gleichzeitig ist es gewissen nationalen Regierungen egal, wenn bestimmte Aktivitäten, womöglich industrieller Natur, in der Nähe unserer Wohngebiete erfolgen.

In Malta ereignete sich kürzlich eine Explosion in einer Fabrik im Besitz von Multigas, die sich keine 100 m vom Wohngebiet in Kirkop befand. Zweitens finden äußerst gefährliche Aktivitäten in der Bucht von Birżebbugia statt. Es finden Bunkerungen von Schiff zu Schiff statt, und es werden dort Gastanks gelagert, in direkter Nähe zum Ort Birżebbugia.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte auf die Reality-Show zu Organspenden im niederländischen Fernsehen eingehen, die am letzten Freitag ausgestrahlt wurde. Vor Ausstrahlung dieser Show sagte der zuständige niederländische Minister in einer Erklärung vor seinem Parlament, dass das Programm unangemessen und unethisch sei. Nichtsdestotrotz bezog sich der niederländische Ministerpräsident in einer Pressekonferenz auf das verfassungsmäßige Recht auf Meinungsfreiheit, wonach es der Regierung nicht gestattet sei, auf den Programminhalt Einfluss zu nehmen. Die Show wurde ausgestrahlt und am Ende wurde verraten, dass alles nur vorgetäuscht war.

Die Meinungsfreiheit ist wichtig und muss geschützt werden. Doch die Öffentlichkeit so offen und penetrant anzulügen und ein solch emotionales Thema zu wählen, um Aufsehen zu erregen, stellt einen schwerwiegenden Missbrauch dieser Freiheit dar. Ich fordere den Präsidenten dieses Hohen Hauses auf, sein Amt zu nutzen und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten, die er für erforderlich hält, damit ein solch inakzeptables und gefährliches Verhalten der Medien nicht noch einmal passiert.

Frau Krupa möchte ich antworten, dass hirntote Patienten tot sind und nicht mehr getötet werden können, aber ihre Organe können das Leben vieler kranker Menschen retten.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Die beiden Jahre seit dem Schock der Referenden in Frankreich und den Niederlanden waren eine so genannte Reflexionspause, leider hieß dies jedoch, dass kein Nachdenken stattfand. Die „Reflexionspause” bedeutete, dass der Reflexionsprozess eine Pause machte.

Nun ist die Europäische Union endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, und wir haben uns aus der Sackgasse herausbewegt. Ungarn hat den Verfassungsvertrag in seiner Gesamtheit von Anbeginn unterstützt und ihn als zweites Land im Dezember 2004 ratifiziert. Unser Ziel ist es, so viel wie möglich von dem ursprünglichen Text zu bewahren, gleichzeitig sind wir jedoch zu vernünftigen Kompromissen bereit, denn die Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Union ist das Wichtigste.

Vier entscheidende Ziele müssen erreicht werden: die Beibehaltung der Werte und Ziele des jetzigen Vorschlags, eine effizientere Arbeitsweise der Institutionen, die Stärkung der Gleichheit und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und die weitere Vertiefung der Integration.

Europa muss sich bewegen, wenn es nicht in eine noch tiefere Krise geraten will.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich ergreife das Wort, um zu berichten, dass ich vorige Woche mit der Delegation EU-Japan in Tokio war. Als Mitglied des Europäischen Parlaments, das von der Rentnerpartei gewählt wurde, interessierte ich mich unmittelbar für die Lage der japanische Rentner. Ich war sehr bestürzt, auf den Titelblättern aller Zeitungen zu lesen, dass 30 Millionen von den Beiträgen, die die Arbeitnehmer eingezahlt hatten, infolge eines Fehlers im Computerzentrum des japanischen Sozialversicherungsträgers verschwunden sind und viele japanische Arbeitnehmer später nicht die ihnen zustehende Rente bekommen werden.

Was für ein folgenschwerer Fehler trat da im Technologiezeitalter in einem so modernen und bedeutenden Land auf! Ist vielleicht gar in Europa dasselbe passiert? Wäre es nicht ratsam zu überprüfen, ob die Daten all unserer Arbeitnehmer in unseren 27 Mitgliedstaaten gespeichert wurden, um zu gewährleisten, dass ihre Renten sicher sind, da die Rente eines jeden Arbeitnehmers sicher sein muss?

 
  
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  Der Präsident. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.

 

20. Sozialer Status der Künstler (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Claire Gibault im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung über den sozialen Status der Künstler (2006/2249(INI)) (A6-0199/2007).

 
  
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  Nathalie Griesbeck (ALDE), stellvertretende Berichterstatterin. – (FR) Herr Präsident! Da Claire Gibault heute Abend nicht abkömmlich ist, bat sie mich, sie zunächst bei Ihnen zu entschuldigen und Ihnen ihr Bedauern über ihr Fehlen zu übermitteln und Ihnen dann an ihrer Stelle diesen wichtigen Bericht vorzustellen.

Wenn es eine universelle Verbindung gibt, die uns alle als europäische Bürgerinnen und Bürger über unsere Unterschiede hinaus eint, so ist es die Kultur. In diesem Zusammenhang ist Europa derzeit dabei, sein Vorhaben zu verwirklichen, nämlich sich angesichts der Globalisierung zu behaupten und damit seine Identität und seine kulturelle Vielfalt zu bewahren. Die „europäische kulturelle Ausnahme“ ist derzeit auf dem Wege, universell zu werden.

Bei ihrer Wahl in dieses Parlament hatte sich Claire Gibault verpflichtet, sich bei den europäischen Behörden für die Interessen der europäischen Künstler einzusetzen. Dieser Bericht gibt ihr, mittels der Rede, die ich am heutigen Abend hier halte, und all der Arbeit, die sie geleistet hat, Gelegenheit dazu. In diesem Zusammenhang wünscht sie, dass ich allen Schattenberichterstattern, all den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die an ihrer Seite gearbeitet haben und an der Endfassung dieses Textes beteiligt waren, in ihrem Namen Dank zu sagen.

Die Wahl des Themas zur Lage der Künstler in Europa ergab sich für sie zwangsläufig. Es lag ihr aufgrund ihres Berufs und ihrer Tätigkeit als Orchesterleiterin besonders am Herzen. Wie Albert Camus ist sie überzeugt, dass wir uns dafür entscheiden müssen, die Kultur in den Mittelpunkt unseres Gesellschaftsmodells zu stellen und das künstlerische Schaffen und den freien Zugang zur Kultur zu einem vorrangigen Anliegen in Europa zu machen.

Im Gegensatz zu den weithin verbreiteten Ansichten sind die meisten Schwierigkeiten, auf die die Künstler stoßen, nicht allein kultureller Art, sondern stehen häufig im Zusammenhang mit der Mobilität, der Visa-Politik, der Gesundheit, der sozialen Sicherheit, der Arbeitslosigkeit und der Rente. Claire Gibault dachte über konkrete Schritte zur Verbesserung des täglichen Lebens der Künstler nach und schlägt vor allem vor, einen speziellen Ausweis einzuführen, der gerade ihre Mobilität erleichtern soll. Sie stellte sich ein „Europäisches Berufsregister“ zur Bekämpfung illegaler Arbeit vor, und auch eine europäische elektronische Sozialversicherungskarte, um die Planung einer künstlerischen Laufbahn zu erleichtern. Claire Gibault schlug auch die Herausgabe eines praktischen Leitfadens für Künstler vor, in dem sowohl die für sie geltenden, von den europäischen Behörden erlassenen Sozialvorschriften, als auch deren Anwendung in den verschiedenen Mitgliedstaaten enthalten sein sollten.

Ferner verwies sie auf die Notwendigkeit der Förderung der künstlerischen Ausbildung an den Schulen, denn das ist für sie, wie auch für uns alle, eine echte kulturelle Herausforderung in Europa. Allerdings kann man sich unschwer vorstellen, dass die Gewinnung der Öffentlichkeit und die Demokratisierung des Zugangs zur Kultur ohne die Entschlossenheit der Europäischen Union, eine echte Politik im Bereich der künstlerischen Ausbildung in Gang zu bringen, nicht vorwärtskommen werden.

Ihr Bericht wurde daher am 7. Mai im Ausschuss für Kultur und Bildung einstimmig angenommen. Er ist innovativ und stellt einen echten Fortschritt für die Künstler dar, denn er berücksichtigt sowohl deren schwierige Lage als auch die Notwendigkeit, die Anpassungsfähigkeit ihrer Tätigkeit zu erhalten, und er schlägt Lösungen vor, die den Künstlern in Zukunft mehr Kontinuität in Aussicht stellen und ihnen damit größere Gelassenheit vermitteln.

Morgen soll über die Änderungsanträge abgestimmt werden, vor allem über die beiden Änderungsanträge, auf die Claire Gibault besonderen Wert legt, denn sie würden dem künstlerischen Schaffen einen neuen Impuls verleihen und die derzeit dringend benötigte Risikobereitschaft in diesem Bereich fördern. Um bezüglich dieser Aspekte voranzukommen, wird es darum gehen – wie übrigens ihr Bericht deutlich macht –, vor allem die Ergebnisse der einschlägigen Studie der Kommission auszuwerten und sich sowohl die Vor- als auch die Nachteile zu vergegenwärtigen.

Betrachtet man das Gemeinschaftsrecht näher, so verhielt es sich der Kultur gegenüber nicht so gleichgültig, wie man meinen könnte. Claire Gibault hat in ihrem Bericht einen Gedanken aufgegriffen, der seinerzeit bereits von Victor Hugo und Alfred de Vigny entwickelt worden war, wonach Künstler auch über ihren Tod hinaus weiter zur Unterstützung ihrer Zeitgenossen beitragen können. Die internationalen Bestimmungen, die von der EU übernommen wurden, berechtigen die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ihr kulturelles Erbe zu schützen, das unter anderem aus rechtlich nicht geschützten Werken besteht, d. h. aus Werken, die der Allgemeinheit 70 Jahre nach dem Tod ihres Urhebers und 50 Jahre nach der ersten Ausstrahlung eines Werkes durch seinen Interpreten zugänglich gemacht werden.

Claire Gibault hat sich mit diesem Gedanken auseinander gesetzt. Sie schlägt eine Sichtweise vor, wonach es im Geiste der kulturellen Solidarität auf europäischer Ebene ausreichen würde, dass jeder Mitgliedstaaten für sich selbst prüft, wie ein Teil der Einkünfte aus der kommerziellen Nutzung der Werke einbehalten und für das künstlerische Schaffen und die Verbesserung der sozialen Lage der europäischen Künstler bereitgestellt werden kann. Somit würden neue Möglichkeiten der Unterstützung entstehen, die geeignet wären, Innovation und Pluralismus zu fördern und neue kulturelle Ausdrucksformen zu erschließen. Das ergäbe ein sehr schönes Bild der Solidarität zwischen den Generationen.

Gestatten Sie mir abschließend, jenen Satz zu zitieren, den wiederum Victor Hugo in einer öffentlichen Sitzung vor den französischen Abgeordneten geäußert hat: „Wir sind alle eine Familie, die Toten gehören den Lebenden und die Lebenden müssen von den Toten geschützt werden“. Könnte man sich einen schöneren Schutz wünschen?

 
  
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  Der Präsident. – Eine hervorragende Definition des Urheberrechts!

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission.(EN) Herr Präsident! Ich danke Frau Gibault, die selbst Künstlerin ist, für die Ausarbeitung dieses äußerst wichtigen Berichts, sowie Nathalie Griesbeck, die diesen Bericht heute Abend hier vorgestellt hat.

Im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag der Römischen Verträge wird uns meines Erachtens bewusst, wie viel Kultur dem europäischen Aufbauwerk zugrunde liegt. Wir haben auf EU-Ebene Programme und Projekte, die die Mobilität der Künstler in Europa befördern und damit den interkulturellen Dialog in der Europäischen Union intensivieren. So haben wir z. B. 2006, im Europäischen Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer, drei Projekte von insgesamt 41 Projekten in diesem Jahr kofinanziert, in deren Mittelpunkt die Mobilität von Künstlern stand. Diese Projekte haben dazu beigetragen, dass die unterschiedlichen Hürden, die der Mobilität von Künstlern im Wege standen, EU-weit besser erkannt werden. Das ist ein erster Schritt, und ich weiß, wenn wir die Lage der Künstler in Europa verbessern wollen, dann müssen noch viele Herausforderungen bewältigt werden, was das lebenslange Lernen, Arbeitserlaubnisse und den sozialen Status anbelangt.

Im vorigen Monat habe ich eine Mitteilung zu Kultur mit dem Titel „Eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“ vorgeschlagen, die auch von der Kommission gebilligt wurde. Ich habe diese Mitteilung dem Ausschuss für Kultur und Bildung sowie auf der letzten Ratstagung den Ministern vorgelegt. Ihr Ziel besteht darin, alle Interessenten – Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsorgane und Kulturschaffende – in eine gemeinsame Agenda der Prioritäten für die kommenden Jahre einzubinden. Zu den wichtigsten Aufgaben der Strategie gehört die Verbesserung des Status der Künstler, die eng mit einer verbesserten Mobilität und der Verbreitung von Kunstwerken in der Europäischen Union verknüpft ist. Das ist eine Voraussetzung, wenn es uns gelingen soll, einen europäischen Kulturraum zu schaffen. Deshalb freue ich mich, mit Ihnen in dieser Angelegenheit eng zusammenzuarbeiten, besonders aber mit den Mitgliedstaaten, denn hierfür ist in erster Linie die nationale, regionale und lokale Ebene zuständig.

Nun zurück zum Bericht. Ich begrüße vor allem, dass die Betonung auf lebenslangem Lernen, Weiterbildung und Umschulung liegt. In der Erstausbildung wird der Keim für eine künstlerische Begabung gelegt, doch wesentlich ist die Weiterbildung, um die soziale Lage der Künstler in einer sich schnell entwickelnden Kulturwirtschaft sicherzustellen. Wie Ihnen bekannt ist, gehört die Festigung der Bande zwischen Bildung und Kultur auch zu meinen Zielen, denn ich beabsichtige, das Jahr 2009 zum „Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation“ zu machen. Es laufen Arbeiten zu einer Eurydice-Erhebung über kulturelle und künstlerische Bildung als Pflichtfach an europäischen Schulen. Das ist ein Schritt in Richtung der Verbesserung unserer Wissensbasis, und ich hoffe, dass dieses Jahr der Forschungstätigkeit wie auch der Entwicklung einer solideren und besseren faktischen Grundlage sowie einer auf gesicherten Erkenntnissen beruhenden Politik und Praxis im Hinblick auf die künstlerische Bildung Auftrieb geben wird.

Abschließend möchte ich betonen, dass die Frage des Status der Künstler in Europa ein sehr weit gefasstes Thema ist, das nicht allein von einem für Kultur zuständigen Kommissionsmitglied behandelt werden kann. Deshalb werde ich im Rahmen der von uns im letzten Monat vorgeschlagenen Mitteilung eng mit meinen für Beschäftigung, Justiz und Binnenmarkt zuständigen Kollegen zusammenarbeiten, um dafür zu sorgen, dass der Spezifik des kulturellen Sektors in anderen EU-Programmen und EU-Politiken gebührend Rechnung getragen wird.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Kommissar. Wir wünschen allen Künstlern große Erfolge, insbesondere denjenigen, die an der in dieser Woche beginnenden Biennale in Venedig teilnehmen. Vor allem jedoch Tracey Emin.

 
  
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  Erna Hennicot-Schoepges, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Frau Gibault zu der umfassenden Arbeit beglückwünschen, die sie in diesen Bericht investiert hat. Kommissar Frattini informierte kürzlich über seinen Entwurf einer Richtlinie zur europäischen Greencard, mit der hoch qualifizierte ausländische Arbeitnehmer angezogen und ihnen ermöglicht werden soll, sich fünf Jahre lang in der Europäischen Union aufzuhalten und ohne Visum zu bewegen.

Im November letzten Jahres haben wir dank einer von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie erfahren, dass auf dem Gebiet der Europäischen Union eine Berufsgruppe von 5,8 Millionen europäischen Bürgern existiert, die 3,1 % der erwerbstätigen Bevölkerung ausmacht und einen Umsatz von 654 Milliarden Euro erbringt. Diese Berufsgruppe arbeitet ganz legal und ihre Angehörigen werden dennoch in vielen Mitgliedstaaten wie Illegale behandelt. Ich meine Künstler und Beschäftigte in darstellenden Berufen.

Viele von uns gehen gern ins Konzert, ins Theater oder in den Zirkus, aber sobald unsere Mußestunde vorüber ist, geht die Arbeit des Künstlers weiter – für ein bisschen Beifall, häufig für einen Elendslohn und fast immer verbunden mit Problemen in den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden. Daher beglückwünsche ich unsere Berichterstatterin, dass sie beleuchtet, was im Hintergrund geschieht. Dies ist allerdings nicht unser erster Versuch, denn 1992 hatte Doris Pack bereits einen umfangreichen Bericht erarbeitet ebenso wie Frau Vaz da Silva im Jahr 1999. Und nicht zu vergessen die Initiativen kultureller Organisationen, deren Ziel die Förderung der Mobilität und die Anerkennung eines Status für Künstler ist. Dieser Bericht ist kein Ergebnis, sondern ein Anfang.

Nun, da wir das UNESCO-Übereinkommen angenommen haben und die Kommission uns ihre strategische Agenda für die Kultur vorgelegt hat, ist es Zeit zu handeln. Herr Kommissar, ich ersuche die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich, ihre Geigen zu stimmen und die zahllosen technischen und praktischen Probleme ohne Aufschub in Angriff nehmen. Dabei sind Sie nicht allein, Herr Kommissar, das wissen wir, aber die in diesem Bericht angeregten sowie die beiden anderen Initiativen, auf die ich verwiesen habe, müssen umgesetzt werden. Genug der Worte, packen wir es an!

 
  
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  Gyula Hegyi, im Namen der PSE-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Auf meinem Flug heute Morgen von Budapest nach Brüssel traf ich den Leiter des ungarischen Philharmonischen Orchesters. Er beglückwünschte mich zum Bericht Gibault und erklärte, er und seine Kollegen seien damit sehr zufrieden. Die Glückwünsche gebühren Frau Gibault, die sich mit einer guten Einstellung und guten Absichten mit diesem so wichtigen Thema befasst hat.

Wir alle achten die Künstler und anerkennen den großen Beitrag, den sie zur europäischen Kultur leisten. Wir sollten sie unterstützen, indem wir ihren sozialen Status verbessern. Wichtig ist für sie, dass sie Informationen über die unterschiedlichen sozialen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten erhalten. Das betrifft beispielsweise Bestimmungen in Bezug auf Krankenversicherung, Arbeitslosigkeit und Rente. In einigen neuen Mitgliedstaaten wurden in der Tat unter dem so genannten ancien regime recht gute soziale Bedingungen für die Künstler geschaffen, doch das hat sich während der Übergangszeit geändert. Die Probezeiten von Künstlern müssen als tatsächliche Arbeitszeit anerkannt werden.

Die Freizügigkeit von Künstlern und Mitarbeitern im Allgemeinen aus den neuen Mitgliedstaaten ist noch immer nicht gewährleistet. Visaerleichterungen für Künstler aus Drittländern sind zwar wichtig, doch müssen wir der Freizügigkeit aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union Vorrang einräumen.

Ich begrüße diesen Bericht. Meine sozialdemokratischen Kollegen und ich werden dafür stimmen. Als Abgeordneter aus einem neuen Mitgliedstaat muss ich allerdings für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger den freien Zugang zum Arbeitsmarkt fordern.

Ferner sei darauf hingewiesen, dass sich einige herausragende ungarische Künstler weigern, aufgrund der entwürdigenden Behandlung durch die amerikanischen Grenzbehörden in die Vereinigten Staaten zu reisen.

 
  
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  Der Präsident. – Ja, wir alle haben Erfahrungen mit dieser entwürdigenden Behandlung gemacht.

 
  
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  Alfonso Andria, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Frau Griesbeck höflichst bitten, der Berichterstatterin, Frau Gibault, meine herzlichsten Glückwünsche zu ihrer ausgezeichneten Arbeit zu übermitteln. Gestützt auf ihre Erfahrungen in diesem Bereich, die sie als Dirigentin sammeln konnte, vermochte sie die wichtigsten Hindernisse herauszuarbeiten, denen die Künstler auf ihrem Weg begegnen. Ich stimme vollkommen mit ihr überein, wenn sie feststellt, dass kein Künstler zu keinem Zeitpunkt seiner beruflichen Laufbahn vollständig vor materieller Unsicherheit geschützt ist, und eben deshalb müssen gezieltere Maßnahmen ergriffen werden, um die Künstler und die Akteure dieses Sektors zu schützen.

Der besondere Charakter künstlerischer Tätigkeiten macht eine Anpassung des Rechtsrahmens der Mitgliedstaaten notwendig, um den Status der Künstler abzusichern, doch ebenso erforderlich sind Harmonisierungsmaßnahmen der EU, um ihre Mobilität zu erleichtern. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Voraussetzungen für ein einheitliches Ausbildungssystem zu schaffen, um die unionsweite Anerkennung der Berufsabschlüsse zu gewährleisten, eine zunehmende Professionalität des Unterrichts in den verschiedenen Kunstsparten zu garantieren und dies durch den Austausch und Verbindungen zwischen Lehrern und Studenten nach dem Modell des Erasmus-Programms zu fördern.

Ein Vorschlag schließlich, der meines Erachtens interessant und überlegenswert ist, betrifft die Einführung eines speziell für Künstler geltenden befristeten Visums, das die Mobilität der Kunstschaffenden aus Europa und aus Drittstaaten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erleichtert. Im Übrigen ist die Universalsprache der Kunst bekanntlich ein außergewöhnlicher Träger kultureller, gesellschaftlicher und menschlicher Werte und ihrer Förderung.

Abschließend möchte ich bemerken, dass ich die beiden Änderungsanträge der Berichterstatterin bei der morgigen Abstimmung im Plenum unterstützen werde, insbesondere Änderungsantrag 20a, dem zufolge neue Formen der Unterstützung für Künstler eingeführt werden sollen, und zwar mittels eines entsprechenden Fonds, der durch eine Abgabe auf die kommerzielle Nutzung der originellen Schöpfungen und ihrer rechtlich nicht geschützten Darstellungen gebildet wird.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Status der Künstler hat stets Interesse geweckt und lebhafte Debatten ausgelöst. Alle jene, die an der Ausgestaltung des Status der Künstler arbeiten, haben jedoch denselben Fehler begangen. Sie haben übersehen, dass es neben den professionellen Künstlern auch Amateurkünstler einschließlich der Volkskünstler gibt. Sie haben vergessen, dass die jeweilige Nationalkultur auf der Volkskultur fußt, die oft auch als traditionelle Kultur bezeichnet wird.

Wir müssen uns auch dessen bewusst sein, dass durch den Wandel in unserer Gesellschaft viele traditionelle Berufe und Fertigkeiten, die für die Bewahrung des nationalen kulturellen Erbes wichtig sind, von der Bildfläche verschwinden. Die geplante „Europäische Charta für das künstlerische Schaffen“ sollte deshalb auch die Volkskünstler und Kunsthandwerker einschließen. Begrüßenswert ist auch die Absicht, eine gemeinsame Datenbank einzurichten, mit der die Mobilität der Künstler in Europa gefördert werden könnte.

 
  
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  Thomas Wise, im Namen der IND/DEM-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Wie Sie sicher erwarten, gibt es viele Dinge in diesem Bericht, die mir Kopfschmerzen bereiten, aber leider reicht die Zeit nur, um mich mit einem Punkt zu befassen. Frau Gibault schlägt in ihrem Bericht ein Pilotprojekt zur Einführung von Sozialversicherungskarten für Künstler vor. Könnte das der Anfang von einem weiteren Ende sein? Soll das dann auf alle Berufe und Tätigkeiten ausgeweitet werden? Brauchen wir dann alle eine Karte, bevor wir eine Beschäftigung annehmen? Könnte man dann daran gehindert werden, auf seinem gewünschten Gebiet eine Arbeit aufzunehmen, wie das schon der Fall bei Fotografen aus Drittländern in Deutschland ist, die erst eine Arbeitserlaubnis benötigen? Und wer, bitte, wird das alles organisieren? Noch mehr Bürokraten?

So, wie die Überregulierung die Wirtschaft lähmt, wird dieser Vorschlag auch der Kunst die Luft zum Atmen nehmen. Er wird also auch weiterhin für eine ausländische Dominanz im Bereich der Kunst und der Unterhaltung – im Wesentlichen aus den Vereinigten Staaten – sorgen. Ich prophezeie, dass diese Entschließung, so sie denn angenommen wird, ein weiteres Beispiel eines Rechtsakts mit ungewollten Folgen sein wird.

 
  
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  Eugen Mihăescu, im Namen der ITS-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Was ist ein Künstler? Wo ist sein Platz? Ist er von marginaler oder zentraler Bedeutung? Ein bekannter oder unbekannter Künstler? Stets unverstanden, verrissen und arm oder reich und berühmt? Schwarm der Eliten oder Paria der Konsumgesellschaft? Schmarotzer am Tisch der Reichen oder hoch auf den revolutionären Barrikaden? Bild der Verzweiflung oder Spiegelbild des Glücks?

Was ist ein Künstler? Jemand, der Sinn für die Künste hat und das Schöne liebt und dem Ausdruck verleiht? Wenn dem so ist, was kann der Künstler in einer Gesellschaft tun, die hässliche Dinge hervorbringt? Sich in seinen Elfenbeinturm einschließen oder auf die Straße gehen und sich unter die aufgebrachte Menge mischen? Sollte es den Status des Künstlers geben, würde dieser sein Dilemma lösen oder ihn noch weiter in Bedrängnis bringen? Während wir hier den künstlerischen Schöpfer von allen Seiten unter die Lupe nehmen, schützt, rettet und inspiriert ihn der andere, der höchste Schöpfer.

Es war die Rede vom Künstler als dem Bürger – das ist Propaganda! Man sprach vom Künstler als dem Zeugen seiner Zeit – das ist eine Definition der Kunstkritik. Meiner Ansicht nach ist der Künstler Seismograph dieser Gesellschaft. Wir können ihm helfen, indem wir Gesetze für ihn schaffen, aber dann würden wir ihn mit künstlerischer Bürokratie überhäufen. Denn der Künstler hat die Dinge, die heute neu für uns sind, bereits erlebt, verarbeitet und aufgebraucht.

 
  
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  Manolis Mavrommatis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Gibault, einer hoch angesehenen Künstlerin in der Welt der Oper, dazu gratulieren, dass sie ihre Rolle im Europäischen Parlament genutzt hat, um Licht auf die Probleme von Künstlern zu werfen, die sich aus den unterschiedlichen Systemen der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten ergeben. Ferner möchte ich auch Frau Hennicot für ihre wertvolle Beratung bei der abschließenden Entscheidung unserer Fraktion zu diesem wichtigen Thema danken.

Der Großteil der Schwierigkeiten von Künstlern ist nicht kultureller Art, sondern steht im Zusammenhang mit Fragen der Freizügigkeit, Gesundheit, Sozialversicherung, Arbeitslosigkeit und Rentenansprüchen der Künstler. Die Kommission muss ihre Aufmerksamkeit auf das gegenwärtige System der Visa und Aufenthaltsgenehmigungen für Künstler lenken und eine Gesetzgebung auf diesem Gebiet und in diesem Sektor vorschlagen. Darüber hinaus muss eine europaweite Studie durchgeführt werden, um die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften zu analysieren, um die Vergütung für die Inhaber von Urheber- und ähnlichen Rechten sicherzustellen.

Künstlerisches Schaffen trägt zur Entwicklung und Bewahrung des kulturellen Erbes bei, macht uns mit neuen Kunsttrends und Fortschritten in den einzelnen Ländern bekannt, insbesondere von jungen Künstlern. Staat und Gesellschaft müssen im nationalen und europäischen Rahmen den Schaffensprozess sowie die soziale und wirtschaftliche Absicherung der Künstler unterstützen, denn Kunst ist ja bekanntlich keine Ware. Daher ist es unser aller Pflicht, die künstlerischen Ausdrucksformen zu schützen und die Kreativität in Europa zu stärken.

 
  
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  Maria Badia i Cutchet (PSE).(ES) Herr Präsident! Auch ich möchte zunächst Frau Gibault zu diesem Bericht beglückwünschen, dessen Ziel darin besteht, die Probleme und Schwierigkeiten der allgemein auf künstlerischem Gebiet tätigen Menschen bei Fragen wie Gesundheit, Sozialversicherung, Arbeitslosigkeit, Ruhestand und auch Mobilität zu prüfen und, wenn möglich, Lösungen dafür zu bieten.

Ich werde nicht über diese Fragen sprechen – das haben meine Vorredner bereits getan –, aber ich möchte kurz die künstlerischen Studien ansprechen. Zunächst müssen wir ihre Bedeutung hervorheben und somit die Notwendigkeit unterstreichen, der Kunsterziehung von Kindheit an Aufmerksamkeit zu schenken.

Zweitens möchte ich darauf verweisen, dass die Mitgliedstaaten die von den nationalen Konservatorien und Schulen ausgestellten Diplome und Zeugnisse anerkennen müssen, um eine allmähliche Konvergenz zu erreichen und, wenn möglich, sich auch den Zielen von Bologna im Jahre 2010 anzunähern.

Drittens möchte ich die Bedeutung der Förderung künstlerischer Regelstudiengänge betonen, die mit anderen von den Mitgliedstaaten anerkannten offiziellen Studienrichtungen vergleichbar sind, um den Studierenden nicht nur die Möglichkeit zu geben, ihr künstlerisches Talent zu entwickeln, sondern ihnen auch allgemeine Fähigkeiten zu vermitteln, in anderen Berufsfeldern bestehen zu können. Der kulturelle und künstlerische Sektor und der Bereich der darstellenden Künste braucht das, damit die Erwartungen der Kunststudenten nicht zunichte gemacht werden. Dies erfordert Investitionen in das künstlerische Geflecht, in Infrastrukturen, in die Förderung der künstlerischen Ausbildung und der kulturellen Aktivitäten.

Ich hoffe, dass die Mitgliedstaaten diesem Bericht, der für diese Menschen eine sehr große Hilfe sein kann, die erforderliche Aufmerksamkeit schenken.

 
  
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  Ljudmila Novak (PPE-DE).(SL) Wir Europäer sind stolz darauf, dass unsere kulturelle Vielfalt und unsere hervorragenden Kunstwerke einen Teil unserer Identität ausmachen. Allerdings wird selten erwähnt, dass diese Kunstwerke oftmals von verarmten Künstlern geschaffen wurden, die zu Lebzeiten keine ordentliche Entlohnung für ihre Arbeit erhielten und nur postum Ruhm genießen. Auch heute fehlt es nicht an Künstlern, die sich aufgrund der komplizierten Verfahren zur Erlangung von Arbeitsgenehmigungen oder bei der Berechnung ihrer Arbeitsjahre am Rande des Existenzminimums befinden, obgleich sie großartige Werke schaffen, die in ganz Europa gewürdigt werden.

Da Kultur und Kunst zu jenen Bereichen gehören, die nicht nur für geistige Erbauung sorgen, sondern auch beachtliche wirtschaftliche Gewinne abwerfen und viele Arbeitsplätze schaffen, ist es schier unglaublich und fast untragbar, dass heutige Spitzenkünstler auch mit Fragen des Überlebens und sozialer Unsicherheit konfrontiert sind. So ist ein Künstler in Slowenien auch in anderen Teilen Europas ein Künstler, und es wäre höchst bedauerlich, wenn verwaltungstechnische Barrieren ihn ausschließlich auf sein eigenes Land beschränken würden und so den Bürgern anderer Mitgliedstaaten die Chance genommen würde, sich mit seinen Arbeiten auseinandersetzen zu können.

Auf dem Gebiet der Bildung und im europäischen Arbeitsmarkt legen wir großen Wert auf Mobilität, die insbesondere für Künstler und Nutzer von Kunst von Wichtigkeit ist und die einen entscheidenden Beitrag zum interkulturellen Dialog und dem gegenseitigen Zusammenhalt von Nationen und Kulturen in der Europäischen Union leistet. Aus diesem Grund wäre es nur gerechtfertigt, wenn Europa sichtbare Schritte unternähme, um die Gesetzgebung so weit zu harmonisieren, dass sie für den Laien brauchbar und verständlicher wird bzw. wenn wenigstens einige angemessene Instrumente eingeführt würden, die zu größerer Mobilität und zu mehr sozialer Sicherheit von Künstlern beitragen.

 
  
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  Doris Pack (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Dieser Bericht von Frau Gibault setzt die gleichen Prioritäten, die das Parlament mit meinem Bericht vor 15 Jahren und vor acht Jahren mit dem Bericht von Frau Vaz da Silva gesetzt hat. Man muss sich wirklich fragen, wie oft das Parlament noch dieselben Forderungen stellen muss, damit überhaupt jemand reagiert. Ich war froh, als ich jetzt gehört habe, dass der Herr Kommissar vielleicht doch einen kleinen Schritt in die Richtung geht, die wir vor 15 Jahren vorgeschlagen haben. Es dauert halt manchmal sehr lange!

Dieser Bericht sagt, dass eine Bestandsaufnahme des sozialen Status der Künstler vorgenommen werden muss. Die Schwierigkeiten und Hindernisse, die der Künstler in Sachen Mobilität im Rahmen der Visapolitik hat, müssen klar definiert werden. Ich weiß, dass das Parlament derzeit den Visakodex in Bearbeitung hat, und hoffe sehr, dass auch die Künstler von diesem Visakodex profitieren können. Das ist ein lang gehegter Wunsch von uns, und ich glaube, dass das jetzt auf einem guten Weg ist. Es geht um die soziale Absicherung, es geht um Fragen der Arbeitslosigkeit und der Rente.

Wir haben bereits in dem Bericht von 1992 ein Statut für Künstler gefordert. Stellen Sie sich das einmal vor! 1992, wo war damals die Slowakei, Herr Kommissar? Wir haben damals schon versucht, Anstöße zu geben, was die steuerliche Behandlung von Kunstwerken angeht, und eine Harmonisierung für die Arbeiten der Künstler herbeizuführen, gerade auch was die Mehrwertsteuer angeht. Wir haben versucht, einen Fonds zu schaffen. Wir haben versucht, einen Ausweis für Künstler zu schaffen. Alles schon 1992! All das wird jetzt wieder gefordert. Aber man muss alles wiederholen – das habe ich als Lehrerin gelernt –, damit es sich überhaupt festsetzt. Hier aber setzt sich alles so tief fest, dass nichts mehr an die Oberfläche kommt. Also, Herr Kommissar, unsere Worte in Ihr Ohr! Aber es ist ja nicht nur Ihr Ohr. Es ist eigentlich Aufgabe der Mitgliedstaaten. Deshalb richten sich die Forderungen heute genau wie damals wiederum an die Mitgliedstaaten, spezielle Formen der Förderung zu suchen.

Mein Bericht von damals war viel mutiger als der, den wir heute vorzulegen wagen, weil wir Angst haben, es könnte manches nicht umgesetzt werden, und weil wir heute sehr viel vorsichtiger sind. Wir müssen unsere Demokratien daran messen, wie viel wir für die Kultur tun, wie viele Möglichkeiten wir ihr einräumen. Frau Gibault hat Möglichkeiten aufgezeigt, wie das, was wir tun sollten, von Kommission und Mitgliedstaaten umgesetzt werden kann. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei!

 
  
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  Ovidiu Victor Ganţ (PPE-DE). – Doresc, de la bun început, să salut iniţiativa Doamnei Claire Gibault

Este, de fapt, un nou efort de a sensibiliza Comisia Europeană şi statele membre în legătură cu statutul artiştilor în Europa. Aş dori să insist asupra unor idei conturate în raport pe care le consider extrem de importante, dar şi realizabile. Sunt convins de necesitatea unui Euro-pass, un registru profesional european pentru artişti care să consemneze activitatea acestora. Documentul ar veni în sprijinul mobilităţii specifice acestei bresle. În ceea ce priveşte această mobilitate, trebuie să facem o distincţie netă între cea a artiştilor şi cea a lucrătorilor în general. De aceea, solicităm statelor membre să elimine orice restricţie privind accesul pe piaţa muncii pentru artiştii din noile state membre. Totodată este esenţială recunoaşterea reciprocă de către statele membre a diplomelor şi certificatelor eliberate de către instituţiile de învăţământ de profil. Aceasta ar facilita atât schimburile la nivelul studenţilor, cât şi la nivelul artiştilor profesionişti, precum şi posibilitatea de a fi angajaţi pe baza acestora. Nu putem accepta nici situaţia în care artiştii europeni care lucrează în afara Uniunii să nu-şi poată transfera drepturile de pensie şi securitate socială la revenirea în ţara de origine din motive pur birocratice şi, de aceea, solicităm o iniţiativă şi în acest sens.

Luând aceste măsuri am convingerea că, vom contribui direct de la nivel comunitar la dezvoltarea culturii europene fără a leza principiul subsidiarităţii care guvernează acest domeniu. Nu cred că există un mijloc mai bun de cunoaştere şi apropiere între cetăţenii europeni decât actul artistic, respectiv cultura ca atare.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Pack, ich war erschrocken über Ihren Entschluss, die Mitgliedstaaten und die Kommission zu kritisieren, weil sie untätig geblieben sind, obgleich Sie diesen Vorschlag als Erste schon vor 15 Jahren unterbreitet hatten. Es wäre jedoch noch schlimmer gewesen, Sie hätten das, was Sie jetzt zum Ausdruck brachten, 15 Jahre später geäußert, denn dann hätte es heißen müssen: „Vor 30 Jahren habe ich eine Regelung für Künstler vorgeschlagen.“ Mit der Initiative von Frau Gibault werden sicher Schritte eingeleitet, um die Lage zu verbessern. Doch nun möchte ich mit meinem Redebeitrag beginnen, den ich vorbereitet habe.

In Europa, Herr Präsident, hegen alle Bürgerinnen und Bürger der 27 Mitgliedstaaten irgendwelche Hoffnungen. Sind sie Arbeitnehmer, hoffen sie auf eine Zukunft, und sind sie betagte Rentner, hoffen sie auf eine sichere Existenz in der Gegenwart. Unter ihnen sind auch Künstler, die eine Tätigkeit ausüben, die sehr oft vielen Millionen Bürgern, die ihnen zusehen, zuhören, ihre Darbietungen schätzen und genießen, Unterhaltung und Vergnügen bereitet.

Unser gegenwärtiges Ziel ist es jedoch, dass die Künstler als Arbeitnehmer mit denselben Rechten wie alle Arbeitnehmer betrachtet werden; Künstler sind Menschen und Arbeitnehmer, und als solche haben sie Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die eines europäischen Bürgers würdig sind.

Wie viele Künstler gibt es, die nicht berühmt werden, die tagtäglich bescheiden ihrer künstlerischen Tätigkeit nachgehen und kein angemessenes Entgelt erhalten oder denen nicht der gebührende Respekt entgegengebracht wird, und die später keine gerechte Rente bekommen? Ich bin sicher, dass diese Initiative dazu beitragen wird, auch für die Künstler eine Zukunft oder eine Gegenwart zu sichern.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission.(EN) Herr Präsident! Ich möchte mich bei Ihnen allen für die äußerst interessante Aussprache bedanken. Meiner Meinung nach wird dieser Bericht dazu beitragen, nicht nur den Dialog zu fördern, sondern auch die Zusammenarbeit in Europa zugunsten der künstlerischen Kreativität und der Kultur voranbringen.

Mir hat gefallen, mit welchem Enthusiasmus Frau Pack an dieses Thema herangegangen ist. In der Regel sind Menschen wie sie den Entwicklungen weit voraus, aber wir brauchen einen solchen Ansatz.

1992, also vor 15 Jahren, wollten die meisten Leute, insbesondere die Mitgliedstaaten, die Frage der Kultur nicht berühren, da die Subsidiarität ein heikles Thema ist. Nunmehr will man durch Kultur mehr erreichen, weil andere Gegebenheiten existieren: der Markt, der Euro. Das Problem ist nicht recht greifbar. Damit will ich nicht sagen, dass wir eine Harmonisierung brauchen, aber wir brauchen bessere Bedingungen, damit die Kulturen besser gedeihen können, um Vertrauen zu schaffen, interkulturelle Beziehungen aufzubauen und Ähnliches.

Daher war die Mitteilung vom vergangenen Monat die erste in fünfzig Jahren, in der die Kommission eine Art politisches Manifest veröffentlichte und eine gemeinsame kulturelle Agenda vorschlug. So wird eine Art jährliches Forum, das Forum in Davos, veranstaltet werden. Es soll Mitgliedstaaten, Akteure und die EU-Organe zusammenführen, um kulturelle Fragen zu diskutieren, nach vorn zu bringen und Antworten zu geben.

In Bezug auf neue Programme – einige Male wurde Erasmus erwähnt – werden wir in diesem Jahr dreimal so viele Möglichkeiten haben, um die Mobilität zu erhöhen oder die Intensität von Erasmus zu verdreifachen. Allerdings ist dafür die Kompatibilität der Studiengänge bzw. die Anerkennung von Diplomen, akademischen Graden und Qualifikationen erforderlich. Ich habe im letzten Herbst vorgeschlagen – und das ist auch Bestandteil des Europäischen Qualifikationsrahmens des Parlaments und des Rates –, unsere Qualifikationen lesbarer, vergleichbarer und übertragbarer zu machen. Bitte unterbreiten Sie Ihre Vorschläge im Herbst oder bis zum Ende dieses Jahres unter dem portugiesischen Ratsvorsitz.

Abschließend möchte ich bemerken, dass es viele Visaanträge gibt. Visaerleichterungen gibt es bereits, und ich hoffe, dass die Mitgliedstaaten – mit Ausnahme von Irland, dem Vereinigten Königreich und Dänemark – diese Visaerleichterungen für Studenten einführen, um die Mobilität von Studenten und anderen zu verbessern.

Für Arbeitnehmer, das heißt Fachkräfte, wollen wir im September Vorschläge für zwei wichtige Richtlinien vorlegen. Dabei handelt es sich zum einen um eine horizontale Rahmenrichtlinie über die Grundrechte aller Wanderarbeiter. Dieser Vorschlag sieht die Schaffung einer kombinierten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis vor, wodurch der Verwaltungsaufwand verringert wird. Die andere ist in dieser Hinsicht noch wichtiger angesichts dessen, was viele von Ihnen gesagt haben. Es handelt sich um einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Zulassung von hoch qualifizierten Arbeitnehmern. Diese Richtlinie kann in bestimmten Fällen direkt für Künstler aus Drittländern angewandt werden und ihnen erleichterten Zugang zu den Arbeitsmärkten der EU ermöglichen. Wir können 15 oder 5 Jahre zurückgehen, aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, nach vorn zu schauen, und gemeinsam können wir etwas erreichen.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar, und Dank auch an alle Abgeordneten, die sich an der Aussprache beteiligt haben.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

Schriftliche Stimmerklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – (HU) Die Europäische Union braucht eine Verfassung! Der Verfassungsvertrag kann nicht nur eine wichtige Rolle spielen bei der Aufwertung der Europäischen Union in der Weltpolitik, der Vereinfachung von Gemeinschaftsrecht und Beschlussfassung sowie der Verbesserung der Transparenz und damit ihrer Zugänglichkeit für die Bürger, sondern er kann auch dazu beitragen, ein unternehmensfreundliches Klima zu schaffen und den Binnenmarkt zu vollenden. Die Schaffung einer Verfassung ist auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Sie ist eine Antwort auf die Herausforderungen von außen und innen.

Der im Juni 2005 gebilligte Vertrag enthält die Grundwerte der Gemeinschaften, die sich im Laufe ihrer Entwicklung bis heute ausgeprägt haben, sowie die gemeinsame und die gemeinschaftliche Politik, deren Wahrung im Interesse des gesamten Vorhabens der Integration sowie aller Mitgliedstaaten und EU-Bürger ist. Der Verfassungsvertrag wurde von den Staats- und Regierungschefs aller Mitgliedstaaten unterzeichnet; in achtzehn der Mitgliedstaaten hat auch das Ratifizierungsverfahren stattgefunden. Trotz der Ablehnung in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden dürfen wir nicht länger warten, das Potenzial der Integration zu nutzen, das der Schaffung einer Verfassung innewohnt.

Die Bemühungen der deutschen Präsidentschaft, die vorbereitenden Arbeiten für einen neuen Vertragsentwurf einzuleiten, sind willkommen, und das Europäische Parlament möchte eine aktive Rolle in diesem Prozess spielen. Der jetzt ausgearbeitete Vertragsentwurf sollte so wenig Änderungen wie möglich enthalten und weiterhin den Schutz der genannten Werte der Gemeinschaft sicherstellen.

Gleichzeitig halte ich es für wichtig, dass zu dem geänderten Vertrag eine gründlichere, länger angelegte und objektivere Informationskampagne in jedem Mitgliedstaat stattfindet, um ein höheres Maß an Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Sie sollte in Teilen mit Gemeinschaftsmitteln finanziert werden. Bei dieser Informationskampagne sollte dem Europäischen Parlament und seinen Abgeordneten als den Interessenvertretern der EU-Bürger eine herausragende Rolle zukommen.

 

21. Mehrjahresplan für die Dorschbestände der Ostsee und für die entsprechenden Fischereien (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Zdzisław Kazimierz Chmielewski im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Dorschbestände der Ostsee und für die Fischereien, die diese Bestände befischen
(KOM(2006)0411 – C6-0281/2006 – 2006/0134(CNS)) (A6-0163/2007).

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission.(EN) Herr Präsident! Vor allem möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Chmielewski, dem Fischereiausschuss sowie dem Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit meinen Dank für den Bericht aussprechen. Das Ziel besteht darin, den Vorschlag auf der Junitagung des Rates nächste Woche zu verabschieden. Im Rahmen der im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf die Ratstagung geführten Diskussionen wurden viele Veränderungen am ursprünglichen Vorschlag vorgenommen. Einige von ihnen gingen in die Richtung der von Ihnen eingebrachten Änderungsvorschläge.

Wie Ihnen bekannt ist, leiden die Dorschbestände in der Ostsee unter einer Überfischung, wobei die Bestände in der östlichen Ostsee auf ein Niveau unterhalb der sicheren biologischen Grenzen zurückgegangen sind, sodass die Gefahr eines Zusammenbruchs in naher Zukunft besteht. Gleichzeitig hat ICES darauf hingewiesen, dass Ungenauigkeiten in den Angaben über die Fänge in 35 bis 45 % der Fälle die östliche Ostsee betreffen, was nicht nur zu zusätzlichen ungeklärten Auswirkungen der Fischerei auf die Bestände führt, sondern auch die Genauigkeit der wissenschaftlichen Gutachten beeinträchtigt.

Die gegenwärtige Situation wirkt sich nicht nur nachteilig auf die Dorschbestände in der Ostsee aus, sondern sie bedroht auch den Fischereisektor, der von dieser Ressource abhängig ist. Dorsch gehört zu den wichtigsten Fischbeständen dieses Wirtschaftszweigs in der Ostsee. Daher ist es einerseits aus ökologischer, andererseits aber auch aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht unabdingbar, möglichst bald ein Gleichgewicht zwischen der Fischerei und der Verfügbarkeit der Ressourcen herzustellen, damit die Fischer wieder auf stabile, gute Fänge zählen können.

Grundlage des von der Kommission vorgelegten Mehrjahresplans sind die mit der Bewirtschaftung der Dorschbestände in der Ostsee bisher gemachten Erfahrungen sowie zahlreiche Beratungen mit Akteuren, Mitgliedstaaten und Wissenschaftlern. Das damit verfolgte Ziel besteht darin, bei den Beständen nicht nur sichere biologische Grenzen wieder zu erreichen, sondern ein darüber hinausgehendes Niveau. Das soll die höchsten nachhaltigen Fänge ermöglichen und damit langfristige Stabilität für diesen Fischereisektor schaffen, indem die insgesamt zulässigen Fänge und der Fischereiaufwand schrittweise auf ein Maß zurückgefahren werden, das diesem Ziel entspricht.

Ich möchte mich nun dem Bericht zuwenden. Die Erwägungen im Plan entsprechen den Maßnahmen, die später in den eigentlichen Bestimmungen erläutert werden. Deshalb kann ich nur den Änderungsanträgen 1 und 5 zustimmen, die den Festlegungen des Plans entsprechen, z. B. der Forderung, den Status der Dorschbestände in der östlichen Ostsee in der ersten Erwägung zu spezifizieren. Änderungsantrag 4 ist im Grundsatz akzeptabel. Die Unterteilung in einen westlichen und einen östlichen Teil stützt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse dahin gehend, dass es zwei getrennte Dorschbestände in der Ostsee gibt, nicht aber auf die ökologischen Merkmale dieser beiden Gebiete.

Der Bericht schlägt mehrere Änderungen der Regelungen zur Verfahrensweise für die Verringerung der zulässigen Gesamtfangmengen und des Fischereiaufwands auf ein nachhaltiges Maß vor. Die Änderungsanträge 8 und 11 würden zu einer Abschwächung der Verringerung führen und ihre Anwendung begrenzen.

In Anbetracht der ernsten Lage, in der sich die Bestände befinden, aber auch der Notwendigkeit, alle Arten von Fischerei, bei der erhebliche Mengen an Dorsch gefangen werden, einzuschränken, kann ich diese Änderungsanträge nicht akzeptieren. Mir ist allerdings klar, dass ein System festgelegt werden muss, mit dem die Industrie leben kann. Deshalb hat die Kommission ihren Plan geändert, indem sie die Schonzeiten im Sommer und die „Tage auf See“ miteinander kombiniert. Damit erhöht sich die Flexibilität der Branche. Insbesondere kleine Flotten profitieren davon, die mit einem feststehenden und starren System schlechter umgehen können. Außerdem wurde ein Artikel zum Europäischen Fischereifonds in den Plan aufgenommen, um eine finanzielle Entschädigung des Sektors zu gewährleisten.

Veränderungen, die am System des Aufwands vorgenommen werden, bedeuten, dass auch einige Bestimmungen zur Kontrolle und Überwachung zu verändern waren. Der höchstzulässige Fehler wurde mit Ausnahme von Dorsch auf 10 % erhöht und die Regelung zum Anlanden wurde gestrichen. Das würde den Änderungsanträgen 14 und 16 des Berichts entsprechen.

Was Änderungsantrag 15 betrifft, so wurden die Regelungen zur Einfahrt in das Gebiet und zur Ausfahrt aus diesem ebenfalls geändert. Das bedeutet, dass die spezifischen Forderungen nur dann gelten, wenn das Fischereifahrzeug das Gebiet verlässt, in dem es gefischt hat.

Da Ungenauigkeiten bei den Fangdaten gegenwärtig eines der wesentlichen Probleme bei der Bewirtschaftung der Dorschbestände in der Ostsee darstellen, ist es unabdingbar, diese Regelung zu verbessern, damit umfassend überwacht werden kann, wie viel und wann Fisch von welchem Dorschbestand gefangen wird. Aus diesen Gründen kann ich Änderungsantrag 13 nicht zustimmen, der die Forderung nach Führen eines Logbuchs auf Fischereifahrzeuge beschränkt, die eine spezielle Fangerlaubnis für Dorsch besitzen.

Der Bericht schlägt in den Änderungsanträgen 17 bis 19 vor, den Bewertungszeitraum von drei auf zwei Jahre zu verkürzen und eine Bestimmung zur Überwachung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Plans einzuführen.

Neue Fische stehen für die Fischerei im Durchschnitt im Alter von zwei bis drei Jahren zur Verfügung. Würde mit einer Bewertung im zweiten Jahr begonnen, wären Auswirkungen auf den Bestand und damit auf die Industrie nur sehr schwer festzustellen. Die Kommission trägt sich jedoch mit dem Gedanken, ein Projekt in Angriff zu nehmen, das nicht nur die ökologischen, sondern auch die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Plans als ersten Schritt in Richtung der Folgenabschätzung überwacht, die im dritten Jahr der Anwendung des Plans vorzunehmen ist.

Zum Schluss möchte ich mich den von Herrn Schlyter vergangene Woche vorgelegten drei Änderungsanträgen zuwenden. Sie sind für die Kommission aus folgenden Gründen nicht annehmbar: Ziel der grundlegenden Verordnung für die gemeinsame Fischereipolitik ist es, die nachhaltige Bewirtschaftung in ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht zu gewährleisten. Daher ist es auch Aufgabe der Kommission, ein Gleichgewicht zwischen diesen drei Säulen anzustreben, wobei das in erster Linie auf wissenschaftlichen Gutachten über die Bestände beruhen muss. Daher ist meiner Meinung nach eine allmähliche Verringerung der TAC sowie des Fischereiaufwands bis zum Erreichen der Zielvorgaben, wie sie von ICES vorgegeben werden, in dieser Hinsicht recht ausgewogen.

ICES empfiehlt außerdem, relative Ziele wie die fischereiliche Sterblichkeit anstelle feststehender Vorgaben wie z. B. Biomasse zu verwenden, da diese weniger empfindlich auf wissenschaftliche Unsicherheit und den Bestand beeinträchtigende Umweltveränderungen reagieren.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen, wo sich Ungenauigkeiten größeren Umfangs bei den Fangdaten störend auf Bewirtschaftung und wissenschaftliche Gutachten sowie im Hinblick auf die eventuell bevorstehende Revision der Biomasse-Bezugspunkte für den östlichen Bestand auswirken, ist die Aufnahme von Biomasse-Zielen nicht angezeigt. Da jedoch ein erwartetes Ergebnis des Plans in der Verbesserung der wissenschaftlichen Informationsgrundlage besteht, könnte die Aufnahme von Biomasse-Referenzmengen im Zuge der Überarbeitung des Plans für die Wiederherstellung der Dorschbestände ins Auge gefasst werden. Eine solche Überarbeitung wird voraussichtlich vorgenommen, wenn der Plan drei Jahre in Kraft war.

 
  
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  Zdzisław Kazimierz Chmielewski (PPE-DE), Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Bei der Verordnung des Rates, die Gegenstand dieses Berichts ist, handelt es sich um einen lange erwarteten Legislativvorschlag, mit dem versucht wird, den überaus wichtigen Bedürfnissen des Fischereisektors in einem der bedeutendsten europäischen Gewässer Rechnung zu tragen. Das allein ist Grund genug, um all jene zu beglückwünschen, die für den Bericht verantwortlich zeichnen. Sie haben sich der schwierigen Aufgabe angenommen, ein langfristiges Programm für die Wiederauffüllung der Dorschbestände und den Fang von Dorsch in der Ostsee auszuarbeiten. Mit dem Dorsch verdienen viele Familien ihren Lebensunterhalt. Er ist der wichtigste Fisch in der Ostsee und deshalb für die im Fischereigewerbe Tätigen von großem Interesse. Die Stellungnahme des Parlaments und die nachfolgenden Regelungen des Rates rufen in der Ostseeregion heftige Emotionen hervor.

Ein Bericht, der sich auf verifizierte Daten stützt, die sich inhaltlich auf wissenschaftliche Prognosen zur Entwicklung der Dorschbestände und der Fangmöglichkeiten beziehen, bot unter diesen Umständen die Chance, einen zufrieden stellenden Kompromiss zu erzielen. Der Fischereiausschuss musste in Bezug auf den Vorschlag des Rates unbedingt intervenieren, da die unvermeidlichen sozialen und wirtschaftlichen Folgen der geplanten Fangbeschränkungen in diesem Dokument berücksichtigt werden mussten. Ich freue mich, dass der Kommissar das erwähnt hat.

Einer der angenommenen Änderungsanträge war vom Berichterstatter eingereicht worden und verpflichtet die Europäische Kommission, diese Auswirkungen zu überwachen und dem Parlament die notwendigen Bewirtschaftungsmaßnahmen vorzuschlagen. In einem anderen – vom Fischereiausschuss ebenfalls angenommenen – Änderungsantrag wurde vorgeschlagen, die in der Verordnung festgelegten Fangtage nur um 8 % statt um 10 % zu reduzieren und die Fangmenge, die der Meldepflicht unterliegt, von 100 kg auf 300 kg zu erhöhen. Der Fischereiausschuss hat auch einen Vorschlag des Ministerrates angenommen, dem zufolge der höchstzulässige Fehler im Logbuch von 8 % auf 10 % erhöht wurde. Unterstützt wurde auch der Vorschlag, die Mindestgröße für angelandeten Dorsch aus der Ostsee auf 40 cm zu erhöhen.

Allem Anschein nach hat die Überzeugung, die Fangkapazitäten der Dorschflotte in der Ostsee würden gegenwärtig die bestehenden Fangquoten bei weitem übersteigen, auf den Bericht großen Einfluss gehabt. Nach wie vor fehlt auf Gemeinschaftsebene und auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten ein systematischer Vorschlag zur Lösung dieses Problems. Es wird verstärkt gefordert, entschieden gegen automatische Entscheidungen zum Flottenabbau vorzugehen. Vielmehr müssten Lösungen gesucht werden, die dem Erhalt einer bestimmten Fangkapazität bis zum Moment der Wiederauffüllung der Bestände dienen, damit zu diesem Zeitpunkt entsprechende Fangkapazitäten zur Verfügung stehen.

Ich denke, die Länge der Schonzeiten im Sommer wird früher oder später im Rahmen der Debatte über den Plan zur Wiederauffüllung der Dorschbestände erörtert werden. Der Kommissar hat heute von diesen Schonzeiten gesprochen. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die nach Möglichkeiten zur weiteren Beschränkung des Fischereiaufwandes durch eine weitere Verringerung der Fangtage für die Fischerei auf Dorsch suchen, eher zu so genannten „Tagen auf See“ und nicht zu Schonzeiten neigen.

In den wissenschaftlichen Gutachten, die die allgemeine Diskussion über die Verordnung des Rates begleiten, wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die bisherige Bewertung der biologischen Bezugspunkte zu überprüfen. Ich freue mich, dass der Kommissar das hier erwähnt hat. Keiner der Ostseeanrainerstaaten stellt infrage, dass die fischereiliche Sterblichkeit zur Bestimmung der erreichbaren Ziele des Mehrjahresplans zur Wiederauffüllung der Dorschbestände der Ostsee herangezogen werden sollte. Ich beziehe mich auf Artikel 4 des Plans.

Wichtig scheint jedoch eine ausführliche Aussprache über einen entsprechenden Wert der Biomasse-Bezugspunkte, der dem tatsächlichen Zustand der Bestände und dem gegenwärtigen allgemeinen Zustand des Ökosystems der Ostsee Rechnung trägt. Diese stünde im Einklang mit der Verpflichtung der Gemeinschaft, im Fischereimanagement einen ökosystemorientierten Ansatz einzuführen. Ich beziehe mich auf Erwägung 5. Ich möchte unterstreichen dass die derzeit gültigen Grenzwerte für die Biomasse 1998 auf der Grundlage von Daten aus den 1960er- und 1970er-Jahren eingeführt wurden und deshalb dem heutigen Zustand der Bestände nicht mehr entsprechen.

Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass die frühere Verordnung des Rates Nr. 2371/2002 (EG), auf die in diesem Dokument Bezug genommen wird, darauf abzielte, bei der Umsetzung grundlegender Reformen in der Fischereipolitik Vorsicht walten zu lassen, auch bei der Bestandsbewirtschaftung und der Bewertung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der jeweiligen Reformen. Diese Herangehensweise ist auch nach dem Beitritt von vier Ostseeanrainerstaaten zur EU höchst aktuell.

 
  
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  Christofer Fjellner (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. – (SV) Vielen Dank, Herr Präsident! Als Zuständiger für den Dorschfang im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit möchte ich zunächst einmal kritisieren, dass so wenige unserer Ansichten in den Bericht aufgenommen wurden, über den wir morgen abstimmen werden. Wir tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass in der Ostsee auch künftig Dorsch gefischt werden kann. Die Lage in Bezug auf den Dorsch ist ernst. Trotz gesenkter Fangquoten sind die Dorschbestände zum Teil auf ein Niveau unterhalb der sicheren biologischen Grenzen zurückgegangen. Um zu verhindern, dass der Bestand völlig zusammenbricht, brauchen wir eine noch strengere Verteilung der Quoten. Diese Quoten müssen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und nicht auf endlosem politischem Gezänk. Umweltschutz und Nachhaltigkeit müssen bei der Fischerei im Vordergrund stehen, und nicht kurzfristige beschäftigungspolitische Ziele. Ich kann nur bedauern, dass der Fischereiausschuss offensichtlich genau umgekehrt denkt.

Der Vorschlag der Kommission zur Senkung der Fischereiquoten stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, aber er ist wirkungslos, wenn er nicht eingehalten wird. Die Gefährdung der Dorschbestände und somit der Ostsee hat zwar vielfältige und komplexe Ursachen, doch die illegale Fischerei stellt die größte Bedrohung dar. Es wird geschätzt, dass illegal gefangener Dorsch zwischen 35 und 45 % der Anlandungen ausmacht. Daher sind nicht so sehr neue Vorschriften nötig, sondern vielmehr Garantien, dass die geltenden Vorschriften eingehalten werden. Für mich ist es daher unbegreiflich, warum der Fischereiausschuss sich weigert, u. a. meine Forderungen anzuerkennen, strenge Maßnahmen gegen die Länder zu ergreifen, die die Augen vor der illegalen Fischerei verschließen. Und das Schlimmste dabei ist ja, dass wir wissen, welche Länder damit gemeint sind.

Ich bin jedoch davon überzeugt, dass wir langfristig eine völlig neue Fischereipolitik benötigen, durch die sich die Fischer ihrer Verantwortung im Hinblick auf die Bestandserhaltung des Dorsches bewusst werden. Das System der übertragbaren Einzelquoten (ITQ), hat sich als erfolgreich erwiesen, um den Fischern einen Anreiz zu geben, Verantwortung für das Überleben der Bestände zu übernehmen. Auf diese Weise können wir eine bessere Fischereipolitik in der EU erreichen. So ärgerlich es ist, dass der Fischereiausschuss dieses System offensichtlich nicht haben will, so erfreulich ist es, dass die Kommission der Möglichkeit einer Einführung von übertragbaren Einzelquoten positiv gegenüberzustehen scheint.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Sache erwähnen, die mich am Bericht des Fischereiausschusses freut, nämlich dass mein Vorschlag zur Erhöhung der Mindestgröße für angelandeten Dorsch aufgegriffen wurde. So können sich die Dorsche stärker vermehren, was zu einer Erholung der Bestände führt. Leider kann ich aber zusammen mit meinen konservativen Mitgliedern von der schwedischen Moderaten Sammlungspartei nicht für den vorliegenden Bericht stimmen.

 
  
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  Heinz Kindermann, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Vor dem Hintergrund der nach ICES-Untersuchungen rückläufigen Dorschbestände in der Ostsee und der Forderungen der betroffenen Fischer nach Fangbedingungen, die es ihnen gestatten, ihr soziales Umfeld zu erhalten, möchte ich die Arbeit meines Kollegen Chmielewski anerkennen. Er musste einen Spagat hinlegen: Auf der einen Seite der Vorschlag der Kommission und die nachhaltige Fischerei, auf der anderen Seite die harten Forderungen der Fischer.

Wenn aber Nachhaltigkeit nicht nur auf dem Papier stehen soll, muss sich das auch in der Arbeitsweise auf den Fischereischiffen und der persönlichen Einstellung zu wissenschaftlichen Vorgaben zeigen. Akzeptieren von Fangquoten ist die eine Seite. Und das bedeutet vor allen Dingen nicht nur die Einhaltung der vorgegebenen Rahmenbedingungen, sondern auch die Unterstützung von neuen Maßnahmen zur Bestandsverbesserung und einer effektiven Kontrolle durch die Mitgliedstaaten.

Leider ist die Kontrolltätigkeit einiger Mitgliedstaaten ein Schwachpunkt. Hier gibt es noch genügend Reserven, die auszuschöpfen sind. Die Einbindung von regionalen Beratungsgremien ist nicht nur hilfreich, sondern auch zwingend notwendig.

Der Kommissionsvorschlag geht somit in die richtige Richtung, und die Sozialdemokratische Fraktion unterstützt diesen Vorschlag sowie die Bemühungen des Berichterstatters, einen sozioökonomischen Ausgleich zu erreichen.

Ich appelliere an die Verantwortlichen, bei der Festlegung der zulässigen Gesamtfangmengen und Quoten für den Dorsch sowie bei der Ausarbeitung von Maßnahmen, die eine weitere Reduzierung der Dorschbestände verhindern sollen, die Hinweise des ICES und anderer wissenschaftlicher Gremien ernst zu nehmen. Die Ostsee ist ein sensibles Meer, und das sollten wir auch bei jeder Maßnahme berücksichtigen.

 
  
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  Hélène Goudin, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Vielen Dank, Herr Präsident. Die Lage für den Dorsch in der Ostsee ist sehr ernst. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat für 2007 empfohlen, keinen Dorsch in der östlichen Ostsee zu fangen. Trotz dieser Empfehlung wird eine erhebliche Menge Dorsch dort angelandet. In den westlichen Beständen werden 30 % mehr als die empfohlene Menge gefischt. Hinzu kommen die nicht gemeldete und die illegale Fischerei. Der Fischereiausschuss versucht den Vorschlag der Kommission zu verwässern, der die Folgen für die biologische Vielfalt im Grunde auch nicht beachtet.

Wie immer bei der Behandlung von Fischereifragen in diesem Hause wird auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Fischerei verwiesen. Sicherlich kann ein Verbot des Dorschfangs negative Folgen für die Berufsfischer haben, aber eine Überfischung bedeutet, dass es in Kürze keinen Fisch mehr geben wird, der gefangen werden könnte. In Zeiten der Globalisierung muss man flexibel und zu strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft bereit sein. Ich werde morgen gegen den Vorschlag des Parlaments stimmen, auch wenn ich den Vorschlag der Kommission ebenfalls nicht für zufrieden stellend halte.

 
  
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  Åsa Westlund (PSE).(SV) Herr Präsident! Ich wohne selbst an der Ostsee und konnte daher aus nächster Nähe verfolgen, wie schlimm es um die Ostsee bestellt ist. Die Situation dort verschlechtert nicht nur die Lebensqualität der Menschen, sondern bedroht auch – wie Kommissar Joe Borg selbst erklärt hat – die wirtschaftliche Entwicklung an der gesamten Ostseeküste. Die Bürgerinnen und Bürger der EU erwarten von uns, dass wir in diesem Hause große Anstrengungen zur Rettung der Ökosysteme unserer Meere unternehmen. Daher hätte ich es vorgezogen, wenn das Parlament sich hinter das vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit in seiner Stellungnahme vorgeschlagene Dorschfangverbot gestellt hätte. Mit einem solchen Verbot wäre es außerdem leichter, gegen die illegale Fischerei anzukommen, die auch von mehreren Rednern hier erwähnt wurde. Es gibt aber offensichtlich in diesem Hause keine Mehrheit dafür, dennoch hoffe ich, dass eine Mehrheit die Änderungsanträge 20 bis 22 unterstützen kann. Das bedeutet u. a., dass man bei der Festlegung der zulässigen Gesamtfangmenge den Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung folgt, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Dass wir nicht von den vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgehen, ist einer der Gründe für die gegenwärtige Bedrohung des Dorschbestandes und des gesamten Ökosystems der Ostsee.

 
  
  

VORSITZ: ADAM BIELAN
Vizepräsident

 
  
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  Andres Tarand (PSE).(ET) Die Ostsee ist ein Binnenmeer. Dank ihrer schlechten Anbindung an offene Meere und Ozeane handelt es sich um ein unverwechselbares Gewässer. Der begrenzte Wasseraustausch zwischen Ostsee und Atlantik bedeutet jedoch auch, dass Erstere sehr anfällig ist, das heißt, die Ostsee ist nicht in der Lage größere Verschmutzungsmengen zu verdünnen. Außerdem erholen sich die Fischbestände nach Überfischung nur ausgesprochen langsam.

Im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit haben wir die Frage der Überfischung der Dorschbestände und der illegalen Fischerei in der Ostsee ausführlich erörtert. Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass der Dorschfang im östlichen Teil der Ostsee eine Zeitlang untersagt werden bzw. die Quote für die fischereiliche Sterblichkeit Null betragen sollte. Ziel wäre es, den stark dezimierten Dorschbeständen Gelegenheit zu geben, sich zu erholen, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder nachhaltig befischt werden können.

Zu meinem Bedauern hat der Fischereiausschuss den einen maßgeblichen Standpunkt des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit in Verbindung mit der Bewirtschaftung der Dorschbestände in der Ostsee nicht berücksichtigt. Es sollte auch im langfristigen Interesse der Fischer liegen, die Fischerei gegenwärtig zu stoppen, sodass sich die momentan stark gefährdeten Dorschbestände wieder erholen können.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission.(EN) Herr Präsident! Erstens möchte ich mich bei Ihnen für die Vielzahl der angesprochenen Punkte bedanken. Meines Erachtens steht außer Zweifel, dass wir ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die Dorschbestände in der Ostsee auf lange Zeit und damit die Lebensgrundlage der Fischer in dieser Region zu sichern. Zwar können wir unterschiedliche Ansichten haben, wie dieses Ziel zu erreichen ist, aber ich zweifle nicht daran, dass das Ziel gleich ist. Zu den aufgeworfenen konkreten Punkten möchte ich folgende Anmerkungen machen.

Erstens müssen wir Regelungen zur Einschränkung des Fischereiaufwands vorschlagen und den Aufwand berücksichtigen, den kleine Flotten haben, da ihre Fänge etwas 50 % der Gesamtfänge ausmachen. Wir sind jedoch bereit, flexible Regelungen in Betracht zu ziehen, um es ihnen zu ermöglichen, den Plan durchzusetzen, ohne dass dies eine zu große Belastung für sie darstellt. Ich möchte darauf verweisen, dass der östliche Dorschbestand in den letzten Jahrzehnten ständig weiter zurückgegangen ist. Gleiches gilt auch für die durchschnittliche Fangmenge. Daraus geht hervor, wie ernst die Lage dieser Bestände ist. Zwar ist es unbedingt notwendig, die sozioökonomischen Aspekte zu berücksichtigen, doch in erster Linie muss sich der ökologische Status verbessern. Das ist von entscheidender Bedeutung. In dieser Hinsicht wurde eine jährliche Reduzierung um 10 % als Mindestgröße festgelegt, um Veränderungen in der Entwicklung des Status der Bestände oder des Sektors feststellen zu können, die sich auf den Plan zurückführen lassen. Eine verminderte jährliche Reduzierung würde den Sektor mit einer längeren Verringerungsperiode konfrontieren. Das wiederum würde größere und stabilere Fänge verzögern, und es wäre unwahrscheinlich, dass vor 2015 eine Bewirtschaftung der Bestände nach dem Konzept des Maximalen Nachhaltigen Ertrags (MSY-Bewirtschaftung) erreicht werden kann, wie es in der Verpflichtung von Johannesburg gefordert wird.

Abschließend sei unterstrichen, dass die Kontrolle das A und O ist, vor allem bei dieser Fischerei. Wir hoffen, in der kommenden Woche im Rat eine solide und gangbare Lösung für dieses Problem erreichen zu können.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

 

22. EP-Haushaltsvoranschlag für 2008 (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über den Bericht von Ville Itälä im Namen des Haushaltsausschusses über den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Europäischen Parlaments für das Haushaltsjahr 2008 (A6-0202/2007).

 
  
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  Ville Itälä (PPE-DE), Berichterstatter. (FI) Herr Präsident, zunächst möchte ich allen Koordinatoren, dem Schattenberichterstatter und den Vertretern der Fraktionen für ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit und das Bemühen um Kompromisse danken. Dies wurde deutlich, als wir zuletzt in diesem Plenum über die Haushaltsleitlinien abstimmten. Wir haben bei den allgemeinen Fragen in allen wichtigen Bereichen eine breite Mehrheit erzielt.

Zunächst möchte ich jedoch meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass der Präsident meine Bemerkungen zum Ablauf dieses Prozesses an das Präsidium des Parlaments weiterleitet. Meines Erachtens ist das nicht so abgelaufen, wie wir gehofft hatten, denn als der Haushaltsausschuss über die Leitlinien abstimmte, fand im Präsidium des Parlaments zeitgleich die Abstimmung über die Voranschläge statt, die heute Thema der Aussprache sind. Man könnte dabei leicht den Eindruck gewinnen, das Präsidium kümmere es nicht wirklich, was der Haushaltsausschuss tut, denn es war bereits einen Schritt weiter. Dies darf in Zukunft nicht mehr geschehen. Wir müssen wirklich enger zusammenarbeiten und überprüfen, was jedes Gremium tut.

Was den Inhalt des Haushaltsplans betrifft, so gibt es hier ein äußerst wichtiges Grundprinzip, das bereits in Verbindung mit den Leitlinien gebilligt wurde, nämlich, dass der Haushalt 2008 auf dem Niveau von 2007 bleiben wird. Dazu müssen wir natürlich die Inflationsrate addieren und davon die Kosten für Bauvorhaben abziehen, was auf lange Sicht in jedem Falle eine kostengünstigere Option darstellt als Mieten.

Nun scheint es jedoch, dass in diesem Bereich mehrere Vorhaben vorgeschlagen wurden, die neue Ausgabenposten darstellen. Wenn es im Vorschlag „begründeter Bedarf“ heißt, bedeutet dies sicherlich nicht, dass es ausreicht, wenn ein Projekt geeignet und angemessen ist: Es muss für den Betrieb dieses Hohen Hauses und aus der Sicht des Steuerzahlers tatsächlich notwendig sein.

Das Jahr 2008 ist das letzte Jahr, in dem das Parlament dem Steuerzahler zeigen kann, dass wir bei der Aufstellung des Haushaltsplans wirklich sparen und verantwortlich handeln können. Wir können zeigen, dass wir keine neuen Projekte in Angriff nehmen, wenn sie nicht wirklich notwendig sind. Da nun keine Erweiterung bevorsteht, und es keine neuen Sprachen gibt, müssen diese Projekte auf ein Minimum beschränkt werden. Wir müssen dem Steuerzahler aber unbedingt zeigen, dass dies eine verantwortungsbewusste Institution ist. Die Bevölkerung Europas und die europäischen Unternehmen müssen sorgfältig darüber nachdenken, wofür sie ihr Geld ausgeben und jeden Cent und Euro zählen. Das Parlament muss mit gutem Beispiel vorangehen. Es kann gar nicht anders handeln. Ansonsten verliert es an Glaubwürdigkeit. Später wird es sehr viel schwieriger sein, bestimmte Dinge zu erledigen, und das Vertrauen in das Parlament wird weitaus geringer sein. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Vertrauen zu gewinnen und verantwortungsbewusst zu handeln.

Ein Beispiel für Korrekturen und für ein Projekt, in das wir gegebenenfalls Geld investieren können, ist die Anpassung bei den Übersetzungen. Wir müssen sicherstellen, dass die Ausschüsse Übersetzungen rechtzeitig erhalten, und ich unterstütze den Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Hoffentlich werden wir eine möglichst breite Unterstützung erhalten.

Abschließend möchte ich auf die Informationspolitik eingehen. Ich habe vorgeschlagen, dass Mitglieder des Parlaments Ausgaben für die Einladung kleiner und lokaler Medien hierher tätigen dürfen, die nicht die Mittel haben, selbst Journalisten zu entsenden. Dies ist eine Möglichkeit, möglichst nah an die Menschen heranzukommen. Ich weiß aus Erfahrung, dass diese Journalisten mit den Mitgliedern des Parlaments sprechen und Artikel darüber schreiben wollen, was die Mitglieder über bestimmte Themen denken, und warum sie in bestimmter Weise abstimmen. Daher habe ich vorgeschlagen, vor allem kleine und lokale Medien zu berücksichtigen, und ich hoffe, wir werden hier einen größeren Konsens zwischen den Fraktionen erzielen als bisher.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi, în numele grupului PPE-DE. – În primul rând, aş dori să-l felicit pe domnul Itälä pentru acest raport privind bugetul instituţiei noastre pe 2008.

Parlamentul ia astăzi decizii care afectează aproape 500 de milioane de cetăţeni. Codecizia a devenit regulă generală astfel că, până la 80% din legile adoptate în statele membre reprezintă acte votate în acest for. Responsabilitatea Parlamentului faţă de cetăţeni este mai mare ca niciodată. În consecinţă, toată munca desfăşurată în Parlament trebuie să fie la înălţimea acestei responsabilităţi.

Raportul subliniază că prima din priorităţile pentru 2008 este asigurarea de servicii eficiente pentru membri, în vederea unui proces legislativ eficient. Datorită recomandărilor acestui raport, vom avea traduceri în toate limbile din cele 20 de comisii ale Parlamentului. Mai mult, munca noastră va fi comunicată mai bine printr-un post de televiziune propriu şi va fi creat un program prin care jurnalişti din presa locală şi regională vor putea veni în Parlament pentru a duce informaţia europeană în comunităţile lor. Însă, cea mai importantă resursă a Parlamentului rămân oamenii care lucrează aici. În acest sens, am depus un amendament la raport care vizează tocmai personalul acestei instituţii şi mai exact numărul insuficient de angajaţi din statul pe care-l reprezint.

În urma aderării României şi Bulgariei, Secretariatul general al Parlamentului şi mai mult, practic a decis că un număr egal de agenţi permanenţi, şi anume 113 pentru fiecare din cele două ţări, ar fi necesar în serviciul instituţiei. Aceasta este o problemă pentru că, procentual, mai puţini tineri români pot obţine un post în Parlamentul European deoarece populaţia României este de aproape trei ori mai mare decât cea a Bulgariei. În acelaşi timp, europarlamentarii români de două ori mai mulţi decât cei bulgari, pot conta pe serviciile tehnice ale unui personal insuficient, fapt ce poate afecta eficienţa muncii noastre. O anume proporţionalitate a fost întotdeauna respectată în Instituţiile europene. Parlamentul a ţinut cont în trecut de considerente precum mărimea delegaţiei sau a populaţiei statelor membre, iar Oficiul de personal al Uniunii Europene, EPSO, a scos la concurs anul acesta un număr semnificativ mai mare de posturi pentru cetăţenii români, şi anume 440 faţă de 275. Stimaţi colegi, amendamentul meu doreşte corectarea acestei situaţii anormale, Parlamentul fiind singura instituţie în care această discriminare persistă contrar spiritului democratic ce-i este caracteristic.

 
  
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  Vladimír Maňka, im Namen der PSE-Fraktion. – (SK) Zunächst möchte ich dem Berichterstatter zu diesem Bericht gratulieren und ihm für die ausgezeichnete Zusammenarbeit danken.

Im letzten Monat hielten Marketing-Experten vor dem Haushaltsausschuss eine Rede. Man stimmte darin überein, dass das Webfernsehen ein ausgezeichnetes Informationsmittel für die Bürger Europas darstelle. Das Projekt sollte daher so bald wie möglich abgeschlossen werden. Im Ausschuss sind wir übereingekommen, dass es sinnvoll wäre, kleine lokale Medien vermehrt in die Aktivitäten des Europäischen Parlaments einzubeziehen. Dadurch entwickeln die europäischen Bürger ein größeres Bewusstsein für die Arbeit des Europäischen Parlaments.

Allerdings sind wir unterschiedlicher Ansicht, wie diese Medien eingesetzt werden sollten. Ein Ansatz sieht vor, jedem einzelnen Mitgliedstaat Mittel zur Verfügung zu stellen, um Journalisten, die für Lokalmedien arbeiten, ins Europäische Parlament einzuladen. Meine Fraktion ist bei einer solchen Vorgehensweise allerdings nicht zur Mitwirkung bereit. Deshalb reichen wir im Namen der Parlamentsabgeordneten der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament einen Änderungsantrag ein, der darauf abzielt, klare Spielregeln für die Kommunikation mit lokalen und regionalen Medien zu formulieren. Die Idee besteht einerseits darin, möglichst viele Lokaljournalisten für einen Besuch in Straßburg und Brüssel zu interessieren und andererseits zu gewährleisten, dass unsere Arbeitsweise klar und transparent erscheint.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zweifelsohne möchten Sie alle effizient arbeiten. Und Sie möchten in der Lage sein, Ihren Wählerinnen und Wählern zu demonstrieren, dass sie die verfügbaren Mittel bestmöglich einsetzen. Doch häufig liegen grundlegende Dokumente, die Mitglieder für die Beratung in den Ausschüssen erhalten, nur in ein oder zwei Sprachen vor. Wenn im Ergebnis eine weitere außerordentliche Sitzung des Ausschusses einberufen werden muss, wirkt sich dies nicht nur negativ auf den gesamten Prozess aus, sondern erweist sich gleichzeitig als unwirtschaftlich. Sehr geehrte Damen und Herren! Bezug nehmend auf meine Vorbemerkungen vertraue ich darauf, dass Sie den vorliegenden Änderungsantrag befürworten, um solche Mängel und die sinnlose Verursachung höherer Kosten zu vermeiden.

 
  
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  Anne E. Jensen, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa unterstützt die Leitlinien, die Herr Itälä für den Haushalt 2008 des Europäischen Parlaments bestimmt hat, nämlich dass der Haushalt unter Berücksichtigung der Inflation der Größenordnung von 2007 entsprechen sollte. Aus einem besonderen Grund sollte er nicht höher ausfallen: Das Jahr 2008 ist natürlich ein Jahr der Konsolidierung nach den Erweiterungsrunden und den zusätzlichen erweiterungsbedingten Zuwendungen. Jetzt sind Dinge zu überprüfen und es muss nach vielfältigen Möglichkeiten gesucht werden, um unsere Verwaltung effektiver zu gestalten und Prioritäten zu setzen. Fraglos gibt es neue Bedürfnisse. Einige Dinge können besser gemacht werden. Dies gilt für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen, denn in diesem Bereich ist es den Mitgliedstaaten nicht immer möglich, den Service zu bekommen, den sie brauchen. Gleiches gilt auch für den Bedarf an professioneller Unterstützung in Rechtsfragen, die ebenfalls zunehmen. Darüber hinaus sollte das Europäische Parlament wirksamere Kommunikationswerkzeuge entwickeln, wie das Webfernsehen, damit die Arbeit des Parlaments problemloser verfolgt werden kann.

Als Leitlinie sollte gelten, dass die Mittel für die erwähnten Verbesserungen aus dem genannten Haushaltsrahmen stammen. Das Präsidium hat aber jetzt beschlossen, den Vorentwurf des Haushaltsvoranschlags auf 1,49 Milliarden Euro festzulegen, was einer Summe von 20 % der Verwaltungsausgaben der EU entspricht. Es handelt sich dabei natürlich auch um den Betrag, den wir als Haushaltsobergrenze festgelegt haben. Gleichzeitig wurden Rücklagen in Höhe von 55 Millionen Euro für die Immobilienpolitik und neue politische Prioritäten gebildet, wovon 10 Millionen Euro in den Wahlkampf 2009 fließen sollen und rund 14 Millionen Euro für unvorhergesehene Ausgaben vorgesehen sind. Der Parlamentsvorsitz äußert sich jedoch nicht, um welche Art von Projekten es sich dabei handelt. Als ALDE-Fraktion haben wir immer die Immobilienpolitik unterstützt. Es ist begrüßenswert, dass das Parlament zu einem außerordentlich günstig Zeitpunkt Gebäude erworben hat, statt diese weiter zu mieten. Außerdem unterstützen wir die Kampagne zur Förderung der Wahlen, allerdings ist es nach unserem Dafürhalten nicht vernünftig, ein Budget mit so hohen und ungeklärten Beträgen vorzusehen. Der Haushalt muss den wirklichen Bedarf widerspiegeln und eine klare und transparente Sicht der Wirtschaft in den kommenden Jahren bieten. Herr Itälä hat also einiges an Arbeit vor sich. Ich drücke ihm die Daumen bei der Aushandlung eines realistischeren Haushalts. Das Parlament sollte die Führung übernehmen und ein Maß an Haushaltsdisziplin zeigen, das zumindest unseren Erwartungen und Forderungen an die anderen Organe entspricht.

 
  
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  Petre Popeangă, în numele grupului ITS. – Apreciez în mod deosebit raportul privind estimarea bugetului de venituri şi cheltuieli pentru exerciţiul financiar 2008 elaborat de Ville Itälä cu un înalt profesionalism, îl susţin şi o să recomand colegilor din grup votarea acestuia.

Separat de aceste consideraţii de ordin general, dar fără a le exclude, o să menţionez câteva aprecieri de natură particulară care nu fac decât să accentueze caracterul consistent al raportului.

Pornind de la ideea că bugetul pentru anul 2008 ar trebui să fie un buget pentru contribuabilul european, am apreciat preocuparea raportorului faţă de necesitatea ca acesta, contribuabilul, să fie informat cât mai în detaliu asupra tuturor activităţilor Parlamentului şi, în special, asupra viitoarelor alegeri europene. În acest sens, deosebit de oportună mi se pare propunerea raportorului privind elaborarea unui program special de informare, al cărui principal destinatar şi beneficiar să fie format, în special, prin structurile media locale de mai mică anvergură. De asemenea, consider că propunerea raportorului privind aprobarea unor surse financiare care să permită realizarea unor întâlniri directe cu ziariştii locali în Parlament este deosebit de valoroasă şi o susţin fără rezerve, deoarece apreciez că este unul dintre cele mai eficiente mijloace de a face cunoscute, direct şi în deplină transparenţă, toate activităţile acestuia.

Din lipsă de timp, o să mă limitez la a mai menţiona un singur aspect din raport şi anume acela al multilingvismului. Sunt întru totul de acord cu raportorul că acestui deosebit de important domeniu trebuie să i se acorde o atenţie particulară, având în vedere posibilele efecte datorate interpretării eronate a textelor ca urmare a unor traduceri mai puţin exacte a acestora. Tot în acest sens, consider că, în special reprezentanţilor noilor state membre trebuie să li se asigure un suport lingvistic corespunzător proporţional cu numărul acestora din diferitele structuri unionale.

 
  
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  Sergej Kozlík (NI).(SK) Das Europäische Parlament kommt uns durchaus teuer zu stehen. Die Gesamtkosten – mehr als 1,427 Milliarden Euro – sind beträchtlich, und es ist zwingend notwendig, sämtliche Haushaltslinien und Zuweisungen von Haushaltsmitteln eindeutig begründen zu können.

Aus diesem Blickwinkel sind die geschätzten Einnahmen und Ausgaben, die das Europäische Parlament für das Haushaltsjahr 2008 vorsieht und die eine ganze Reihe an Unbekannten umfassen, wie eine Katze im Sack zu betrachten. In seinem Bericht hat der Berichterstatter klar einige Engpässe aufgezeigt. Ebenso besteht Einigkeit im Hinblick auf das erhebliche Ausmaß der Sammelübertragungen.

Im Jahre 2005 betrugen die Sammelübertragungen insgesamt 124 Millionen Euro, während sie sich 2006 auf über 105 Millionen Euro beliefen, was zusammen fast zehn Prozent aller zugewiesenen Haushaltsmittel sind. Der Aufruf des Parlaments an die Verwaltungsorgane, die notwendigen Aufteilungen in den Ausgabengruppen besser einzuschätzen, ist daher sicher gerechtfertigt. Ich unterstütze zudem die Idee, ein spezielles Programm zu entwickeln, um das Bewusstsein für die Tätigkeitsfelder des Europäischen Parlaments durch Einbeziehung kleiner lokalen Medien zu stärken. Diese neigen weniger zu Klatsch und Tratsch und können die Bürger korrekt über Entscheidungen der europäischen Institutionen, einschließlich des Parlaments, informieren.

 
  
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  Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident! Für wen machen wir die Debatte eigentlich, und an wen wenden wir uns damit? Ich bin enttäuscht, dass wir hier unter uns Dinge besprechen, die wir schon längst besprochen haben. Mit welchem Recht stehen wir eigentlich hier, ohne dass wir einen Ansprechpartner haben, der uns zuhört? Wenn die Kommission sich erlauben würde, über ihren Haushalt ohne Anwesenheit des zuständigen Kommissars zu beraten, würden wir aber anders auftreten. Ich bin persönlich sehr enttäuscht über die Art und Weise, wie die Parlamentsverwaltung und auch das Präsidium hier mit dem Haushaltsausschuss und den Mitgliedern umgehen.

Ich möchte zur Kernbotschaft kommen, was den Haushalt im Europäischen Parlament betrifft. Was muss die Kernbotschaft an unsere Wählerinnen und Wähler sein? Sie muss sein, dass wir den Auftrag ernst nehmen, Gesetzgebung für Europa so gut, effizient und für die Wähler so sparsam wie möglich zu machen. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten. Sie müssen im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Repräsentation ist schön, aber die Inhalte unserer Politik sind immer noch wichtiger als ihre Darstellung und Verpackung. Für gute Inhalte brauchen wir allerdings einen richtigen wissenschaftlichen Dienst, damit wir in der Lage sind, bessere Gesetzgebung zu machen.

Wir brauchen zur Vorbereitung der Europawahlen nicht nur eine Kampagne der Verwaltung, sondern auch mehr Möglichkeiten für die Abgeordneten, Mitarbeiter zu beschäftigen. Dazu gehört auch eine gewisse Flexibilität. Wie hat das Europäische Parlament die reformierte und entbürokratisierte Haushaltsordnung umgesetzt, die seit dem 1. Januar 2007 in Kraft ist? Ich habe den Eindruck, dass wir in diesem Haus noch nie so viel Papierkrieg hatten. Auch war die Unklarheit noch nie so groß. Das Abgeordnetenstatut und der Pensionsfonds sind ungeregelt. Von der Parlamentsverwaltung wünsche ich mir hierfür eine geeignete Lösung statt hochfliegender Pläne über interparlamentarische Gipfeltreffen oder Museumsbauten. Ich freue mich jetzt schon auf das Web-TV, wenn übertragen wird, wie wenig Kollegen an den Arbeiten des Parlaments hier teilnehmen.

 
  
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  Paulo Casaca (PSE).(PT) Ich möchte mich den Worten von Frau Gräßle anschließen und Ihnen, Herr Präsident, sagen, dass es nicht noch einmal eine Diskussion über den Haushalt des Parlaments geben darf, wenn hier niemand anwesend ist, der die Parlamentsstruktur vertritt und hört, was wir zu sagen haben. Das ist absolut unentschuldbar, und ich hoffe, dass dies nicht noch einmal passiert.

Darüber hinaus möchte ich sagen, dass ich über die Art und Weise des Managements im Sektor Übersetzung sehr besorgt bin. Ich kann nicht verstehen, dass Menschen, die seit zehn oder zwölf Jahren regelmäßig arbeiten, informiert werden, dass sie ihre Arbeit verlieren, nur weil sie keinen Vertragsentwurf, den sie normalerweise immer im Dezember bekommen, erhalten haben. So kann man mit niemanden umgehen. Das widerspricht jeglichen Grundsätzen des sozialen Europas. Ich möchte sagen, dass diese Vorgehensweise nicht hinnehmbar ist und ich bitte Sie, Herr Präsident, diese Botschaft dem Generalsekretär zu übermitteln.

 
  
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  Nathalie Griesbeck (ALDE).(FR) Herr Präsident! Ich möchte unserer Kollegin für ihren Bericht danken, wobei ich den Bemerkungen von Anne Jensen zu diesem Bericht uneingeschränkt zustimme.

Ich möchte heute Abend einen einzigen der meiner Ansicht nach grundsätzlichen Punkte ansprechen, auf die in diesem Bericht verwiesen wird, nämlich den Punkt, der sich auf die Informationspolitik bezieht, der es erlaubt, wirksam mit der halben Milliarde Bürger zu kommunizieren, die wir nunmehr gemeinsam darstellen. In diesem Zusammenhang möchte ich für meinen Teil zum Ausdruck bringen, dass ich hundertprozentig die Mittelausstattung begrüße, die zur Förderung der neuen, auf die lokalen Medien gerichteten Politik vorgesehen ist. Daher, meine Damen und Herren, müssen wir eine neue Form der öffentlichen Debatte in Europa anregen, die nationale Grenzen überschreitet und sich überall in Europa durchsetzt, und zu diesem Zweck müssen wir drei große Projekte verwirklichen.

Erstens muss der Internet-Fernsehkanal des Europäischen Parlaments schnell Realität werden, denn er bringt uns unseren Mitbürgern näher und verleiht unserer Arbeit mehr Transparenz. Zweitens müssen wir alle neuen Kommunikationsarten nutzen. So werde ich morgen beispielsweise von Brüssel aus im Rahmen eines französisch-deutschen Projektes mit Oberschülern aus Dijon ein Internet-Diskussionsforum veranstalten. Drittens möchte ich noch bemerken, dass die Einrichtung des Besucherzentrums in Brüssel nichts an der Tatsache ändert, dass es während der Plenartagungen am Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg an der entsprechenden Infrastruktur für den Empfang von Besuchergruppen mangelt und dass darüber nachgedacht werden muss.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). – Herr Präsident! Auch ich bedaure, dass die Aufmerksamkeit für das, was hier präsentiert wird, so gering ist, aber vermutlich aus anderen Gründen als die meisten von Ihnen. Seien Sie nämlich froh, dass so wenige mitbekommen, was da wieder vorgelegt wird! Ich bin überzeugt davon, dass es weltweit keinen anderen Ort gibt, wo man für so wenig Leistung so viel bekommt wie hier im Europäischen Parlament, sei es als Abgeordneter oder als Beamter.

Wenn Sie sich genauer ansehen, was da an Verschwendungsposten drinsteht: 60 % Zuwachs bei den Posten der unvorhergesehenen Ausgaben, Explosionen beim Umbau von 17 Millionen auf 27 Millionen, insbesondere für Architekten- und Ingenieurkosten. Ich bin überzeugt davon, dass der Berichterstatter, der mir gerade zunickt, sehr redlich versucht, da ein bisschen den Deckel draufzuhalten. Aber die großen Fraktionen und die Mehrheit hier lassen ihn ja nicht!

Ich weiß nicht, woher Sie kommen, und ich weiß auch nicht, ob es mir noch gelingen wird, Ihnen irgendwann einmal das Gefühl zurück zu vermitteln, mit dem Sie vielleicht ursprünglich einmal in die Politik gegangen sind, mit Idealismus, das würde ich niemandem absprechen. Aber was machen wir denn hier mit 1,5 Milliarden? Jeder von uns weiß doch, dass wir auch mit der Hälfte auskämen. Aber das will man nicht, man vergeudet. Dann ist bei Frau Gräßle die Rede davon, dass es mehr Mitarbeiter geben soll. Der wohl der Einzige, der dies hier massiv kritisiert, bekommt nicht einmal einen! Ich sage Ihnen, wenn die Bürger wirklich wüssten, was hier abgeht, sie würden dieses Parlament nicht als demokratisches Parlament bezeichnen, sondern als einen Hort der Willkür und der Verschwendung!

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass diese Debatte hier im Hause sehr sinnvoll ist. Es sitzen ja jene hier, die Verantwortung tragen. Ich glaube, dass es wichtig ist, Herr im eigenen Haus zu sein, und dazu gehören auch die entsprechenden Arbeitsbedingungen.

Wenn ich bedenke, dass wir die Sitzungsunterlagen, die wir hier im Haus haben, in Druckform mit in den Plenarsaal nehmen müssen, dann muss ich sagen, dass unsere Arbeitsmethoden nicht auf dem letzten Stand sind. Es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass uns hier an unseren Arbeitsplätzen die notwendige EDV-Ausstattung und ein Internetzugang zur Verfügung stehen, damit wir auch hier im Plenarsaal die Arbeit ordentlich und gründlich durchführen können.

Außerdem fehlen im Haus zum Beispiel geeignete Besprechungszimmer. Wenn man heute Bürgerinnen und Bürger von zu Hause empfängt und mit ihnen eine ordentliche Diskussion führen möchte, dann stehen nicht wirklich die Räumlichkeiten zur Verfügung, die für sieben, acht, neun oder zehn Personen erforderlich wären. Wir müssen auch daran arbeiten, unsere Arbeitsbedingungen dementsprechend zu verbessern.

Es wäre auch sinnvoll, wenn die Öffentlichkeit sehen könnte, wie einzelne Mitglieder dieses Hauses hier agieren. Es würde nicht schaden, wenn wir jetzt eine Web-TV-Übertragung hätten und am nächsten Tag die Einschaltquoten für die einzelnen Abschnitte, die wir hier diskutieren, bekämen. Dann würde sehr deutlich werden, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger sehr wohl ein Interesse daran haben, was hier im Parlament geschieht.

Deshalb ist es auch wichtig, eine breitere Schicht von Journalisten anzusprechen. Ich schätze unsere Brüsseler Korrespondenten sehr. Aber es muss noch weit intensiver daran gearbeitet werden – auch im Rahmen der Aus- und Weiterbildungsprogramme für Journalisten in Europa –, das Verständnis für Europa einer sachlichen Beurteilung zuzuführen.

 
  
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  Szabolcs Fazakas (PSE). – (HU) Das Europäische Parlament hat in der jüngsten Zeit zu unser aller Freude eine zunehmend wichtige Rolle bei der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen gespielt und, was noch wichtiger ist, es hat in den Augen der europäischen Öffentlichkeit an Anerkennung gewonnen. Dies ist nicht nur auf unsere professionelle und politisch fundierte gesetzgeberische Arbeit zurückzuführen, sondern in erster Linie auf unsere erfolgreiche Informationspolitik.

Damit unsere Informationspolitik, zu der neben dem Web-TV der Empfang von Besuchergruppen, die Veranstaltung von Ausstellungen und die Unterhaltung von Informationsbüros gehören, jedoch das gewünschte Ergebnis hat, müssen diese politischen Maßnahmen durch angemessene Mittel, das heißt durch Haushaltsmittel, unterstützt werden.

Als der für diesen Bereich zuständige Quästor und als Mitglied des Haushaltsausschusses hoffe ich, dass das Europäische Parlament bei dieser Frage der Finanzierung eine gemeinsame Position beziehen und damit die erfolgreiche Umsetzung dieser Politik sicherstellen kann, die nicht nur für das Europäische Parlament, sondern auch für die Öffentlichkeit Europas wichtig ist.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter für seine Arbeit danken. Ich hoffe, dass die Abgeordneten seinen ersten Kommentar gehört haben, in dem er seinen Unmut darüber zum Ausdruck brachte, dass uns das Präsidium einen Schritt voraus eilt. Ich denke, das wurde auch zur Kenntnis genommen. In manchen Fällen hätten wir es mit Sicherheit gern, wenn uns das Präsidium einen Schritt voraus wäre, in diesem Fall jedoch nicht.

Ich möchte speziell über die Informationspolitik sprechen, denn diesen Bereich kenne ich aus eigener Erfahrung. In einem früheren Leben gehörte ich zu den Journalisten, die ins Parlament eingeladen wurden. Wir täten gut daran, uns einmal damit zu beschäftigen, was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat, um dafür zu sorgen, dass wir kein Geld für dieselben Fehler ausgeben. Ich finde es in Ordnung, lokale Journalisten einzuladen, doch Nachrichten sind immer lokal, ebenso wie die Politik. Die Mitglieder dieses Parlaments haben unheimlich viel Arbeit damit, diese vorgelegten umfangreichen Dokumente in echte Geschichten zu übertragen, die das Leben wirklicher Menschen beeinflussen. Wenn wir dazu nicht in der Lage sind, sollten wir keine Journalisten nach Brüssel einladen. Wir sollten es jedoch versuchen, und zwar nächstes Jahr.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – Dat fiind faptul că România şi Bulgaria sunt cele mai noi membre ale Uniunii Europene, consider că este important ca posturile aferente acestor ţări să fie ocupate prin concurs cât mai curând şi, de asemenea, că este necesar să existe un buget pentru informarea jurnaliştilor specializaţi din mass-media naţională cu privire la rolul si atribuţiile Parlamentului European.

Un rol important îl au birourile de informare ale Parlamentului, care trebuie să aibă resursele financiare necesare pentru a prezenta şi promova Parlamentul European la nivel naţional. Parlamentul European în 2008 trebuie să asigure o mai bună legiferare şi comunicare către public a beneficiilor aduse de politica comunitară. Din păcate, pentru mulţi cetăţeni ai statelor membre, Bruxelles înseamnă mai multă birocraţie, iar acţiunile în beneficiul cetăţenilor sunt mai puţin cunoscute. Avem datoria să schimbăm această percepţie. Bugetul Parlamentului European pentru 2008 trebuie să asigure servicii de traducere pentru toate întâlnirile oficiale, în toate limbile naţionale ale participanţilor, precum şi resursele necesare pentru o politică de informare şi comunicare eficientă – mă refer în special la modernizarea sistemelor informatice, la finanţarea programului Web TV şi a centrului audio-vizual. Felicit raportorul.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

 

23. Besondere Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über den Bericht von María Isabel Salinas García im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit besonderen Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor und zur Änderung bestimmter Verordnungen (KOM(2007)0017 – C6-0075/2007 – 2007/0012(CNS)) (A6-0183/2007).

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wir befinden uns jetzt in der entscheidenden Endphase für die Verabschiedung der Reform des Obst- und Gemüsesektors. Wir haben die Debatte am 24. Januar 2007 angestoßen und seitdem sehr viele wertvolle Anregungen erhalten, nicht zuletzt vom Europäischen Parlament und in Form des Berichts von Frau Salinas García. Ich möchte Ihnen dafür genauso danken wie für Ihre beständige Unterstützung der allgemeinen Ziele und Grundsätze des Vorschlags der Kommission.

Bei der Durchsicht Ihrer Stellungnahme habe ich beschlossen, mich auf einige Themen zu konzentrieren, denen Sie besonderes Augenmerk geschenkt haben.

Da wäre erstens das Thema der Erzeugerorganisationen. Hier ist es klar, dass sowohl die Kommission als auch das Europäische Parlament der Meinung sind, dass es nach wie vor Erzeugerorganisationen geben sollte und dass diese sogar weiter gefördert werden sollten, um die Konzentration des Angebots zu erhöhen. Das ist von wesentlicher Bedeutung, wenn der Sektor der hohen Konzentration im heutigen Einzelhandel ebenbürtig sein soll. Wie Sie wissen, haben wir eine Reihe von neuen Initiativen vorgeschlagen, um unsere Erzeugerorganisationen deutlich attraktiver zu machen. Wir haben eine zusätzliche Beihilfe der Gemeinschaft von 60 % vorgeschlagen – erstens für Zusammenschlüsse von Erzeugerorganisationen und -verbänden; zweitens für Regionen, in denen die Konzentration des Angebots durch Erzeugerorganisationen unter 20 % liegt; drittens für den ökologischen Landbau; viertens für die neuen Mitgliedstaaten und fünftens für entlegene Regionen.

Mir ist bewusst, dass Sie gefordert hatten, noch mehr Maßnahmen durch die zusätzliche finanzielle Beihilfe der Gemeinschaft in Höhe von 60 % für die Betriebsfonds zu fördern, wie die gemeinsam durchgeführten Maßnahmen verschiedener Erzeugerorganisationen oder die integrierte Erzeugung. Doch das, was wir vorgeschlagen haben, wird bereits eine Menge bewirken. Ich möchte erst einmal an diesen Maßnahmen festhalten. Wie Sie sicher wissen, müssen wir uns auch der Haushaltszwänge bewusst sein.

Was das Thema Krisenprävention und -management betrifft, so stimme ich Ihnen zu, dass es sich hier um eines der heikelsten Themen der Reform handelt, und ich möchte Ihnen für die Ideen danken, die Sie in Ihrer Stellungnahme vorgeschlagen haben. Doch die Idee eines Sonderfonds zur Finanzierung des Krisenmanagements kann ich ebenso wenig akzeptieren wie die Notwendigkeit zu definieren, wann wir von einer Krise sprechen. Ein Sonderfonds hätte eine beträchtliche Aufstockung der Mittel zur Folge und würde darüber hinaus nicht zu einer weiteren Vereinfachung beitragen.

Was die Verwendung eines bestimmten Prozentsatzes der nationalen Reserve für Krisenmanagement betrifft, so ist das auch nicht akzeptabel. Die nationale Reserve wurde ganz zu Beginn geschaffen, um im Rahmen der Betriebsprämienregelung besondere Situationen zu finanzieren, und es ist nicht richtig, diese Mittel für andere Ziele oder andere Maßnahmen zu verwenden.

Ich verstehe jedoch Ihre Forderung nach mehr Flexibilität zur Ermöglichung des Krisenmanagements. Statt eine völlig separate Struktur zu schaffen, würde ich darüber nachdenken, der in unserem ursprünglichen Kommissionsvorschlag enthaltenen Struktur mehr Flexibilität zu verleihen, um das Programm so effektiv wie möglich zu gestalten und größere Preisrückgänge zu vermeiden. Ich möchte aber noch darauf hinweisen, dass jede Änderung des gegenwärtigen Vorschlags sowohl unter Berücksichtigung der allgemeinen Haushaltszwänge als auch der Notwendigkeit einer Vereinfachung erfolgen muss.

Was die Einbeziehung von zur Verarbeitung bestimmtem Obst und Gemüse in die Betriebsprämienregelung betrifft, so haben Sie eine freiwillige Übergangszeit beantragt, insbesondere für Tomaten. Sie befürworten außerdem ergänzende Beihilfen für Tomaten, die von etablierten Erzeugern in den neuen Mitgliedstaaten angebaut werden. Ich würde eine kurze Übergangszeit akzeptieren, in der sich die Mitgliedstaaten eine flächenbezogene Beihilfe pro Hektar gewähren können. Man sollte jedoch daran denken, dass eine völlige Entkopplung sowohl die Voraussetzung als auch das Endziel sein muss – also am Ende eine völlige Entkopplung.

Mir ist auch klar, dass der Weichobstsektor mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Analyse der Kommission hat gezeigt, dass eine Fragmentierung sowohl der Erzeugung als auch der Vermarktung zu den Schwierigkeiten beigetragen hat, die im Weichobstsektor in den letzten Jahren aufgetreten sind.

Auf der Grundlage dieses Berichts sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es der beste Weg zur Lösung des Problems wäre, Anreize zur Erhöhung der Zahl der Erzeugerorganisationen in den neuen Mitgliedstaaten zu schaffen, was auch Bestandteil unseres ursprünglichen Vorschlags ist. Unter Berücksichtigung der Sensibilität des Weichobstsektors bin ich allerdings offen für eine spezifische Beihilfe in geringem Umfang, doch ich möchte dabei unmissverständlich klarstellen, dass diese Beihilfe vorübergehend und auf bestimmte Erzeugnisse beschränkt sein muss.

Was die Absatzförderungsmaßnahmen zugunsten von Obst und Gemüse betrifft, so stimme ich Ihnen voll und ganz zu, dass dieses Thema nicht nur ein großes Anliegen der Landwirtschaft ist, sondern auch der Gesundheits- und der Verbraucherpolitik. In der Europäischen Union erzeugen wir sehr viel qualitativ hochwertiges Obst und Gemüse, doch unsere Bürgerinnen und Bürger konsumieren nicht genug davon, was zunehmend schwerwiegende gesundheitliche Folgen hat. Ich würde die Umsetzung solcher Projekte wie „Obst in der Schule“ begrüßen, das die Kommission am 13. Mai 2007 in ihrem Weißbuch „Ernährung, Übergewicht, Adipositas: Eine Strategie für Europa“ vorgeschlagen hat. Doch vorher müssten wir die erforderlichen Impaktstudien für eine solche Maßnahme durchführen. Ich habe meine Dienste darum gebeten, damit unverzüglich zu beginnen.

Das sind meine ersten Anmerkungen, und ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion mit Ihnen, verehrte Damen und Herren Abgeordnete des Europäischen Parlaments.

 
  
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  María Isabel Salinas García (PSE), Berichterstatterin. – (ES) Frau Kommissarin! Ich möchte Ihnen zunächst danken, nicht nur für Ihre Anwesenheit hier, sondern auch für Ihre Kooperativität und Bereitschaft, mit mir zu arbeiten.

Tatsache ist, dass wir vor der Reform eines sehr wichtigen Sektors stehen, den Sie bestens kennen. Er steht für 17 % unserer gesamten landwirtschaftlichen Endproduktion, doch er erhält nur rund 3 % der Beihilfen.

Es stimmt, dass der heute von uns analysierte Sektor eine große Dynamik besitzt. Er ist jedoch auch ein sehr anfälliger Sektor mit strukturellen Problemen, der einem wachsenden externen Druck und dem Druck durch die großen Vertriebsunternehmen ausgesetzt ist.

Die Erarbeitung des Berichts, den wir heute diskutieren und über den wir morgen abstimmen werden, hat viel Zeit erfordert. Er ist ein offener Bericht, und meines Erachtens ist die Position dieses Parlaments in Bezug auf die Kommission immer offen gewesen. Wir haben immer nach Übereinkommen gesucht, aber gleichzeitig ist er ein realistischer Bericht.

Er ist kompliziert, weil wir 40 verschiedene Produkte für 27 Länder behandeln. Es überrascht nicht, dass zu diesem Bericht mehr als 380 Änderungsanträge im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung eingegangen sind, aber Tatsache ist auch, dass es nur zwei Gegenstimmen gab.

Nicht alles in Ihrem Vorschlag, im Vorschlag der Kommission, scheint uns negativ zu sein. Es ist sehr wichtig, dass die Erzeugerorganisationen von Anfang an als Eckpfeiler der Reform betrachtet werden. Tatsache ist aber, dass es im Parlament und im gesamten Sektor der Europäischen Union gewisse Probleme gibt, die wir in allen Mitgliedstaaten im Rahmen der Reform als vorrangig angesehen haben.

Zunächst ist da die Abkopplung der Beihilfen für die Verarbeitung, wie die Frau Kommissarin ganz richtig dargelegt hat. Das zweite Problem ist die Aufhebung des Verbots des Obst- und Gemüseanbaus auf den förderungswürdigen Flächen im Rahmen der Betriebsprämienregelung. Und vor allem möchten wir im Parlament das Fehlen eines echten Fonds für das Krisenmanagement hervorheben.

Ich glaube, das Europäische Parlament hat große Anstrengungen unternommen, um zu einem Konsens zu gelangen und in diesen drei Problemkreisen ein Übereinkunft zu erreichen.

Vor allem sind wir für die Beibehaltung der derzeitigen Vermarktungsnormen. Sie sollten zwar etwas einfacher sein, aber wir sprechen uns dafür aus, diese Vermarktungsnormen beizubehalten.

Das Parlament hat sich gegen die Aufhebung des Verbots des Obst- und Gemüseanbaus auf den beihilfefähigen Flächen gewandt und wird das auch morgen zum Ausdruck bringen. Zumindest bis die Kommission eine Studie zur Folgenabschätzung vorlegt, wie der Gerichtshof fordert.

Wir rufen zur Stärkung der Erzeugerorganisation in der bereits genannten Weise auf: Anhebung ihrer Finanzierung auf 6 %. Und in den Fällen der Erhöhung der Finanzierungen von 60 % hoffe ich, wie die Frau Kommissarin ganz richtig sagte, dass einige Forderungen wie die integrierte Erzeugung oder die Herkunftsbezeichnungen berücksichtigt werden.

Einen großen Kompromiss haben wir bei der Notwendigkeit der Errichtung dieses Sicherheitsfonds für das Krisenmanagement erreicht, weil es sehr wichtig ist, denn es handelt sich um einen sehr anfälligen Sektor.

Nachdem ich gehört habe, was Sie sagten, ist dies meines Erachtens im Augenblick der Punkt, in dem die fast einstimmige Position des Parlaments am stärksten von der der Kommission abweicht.

Wir haben unsere Unterstützung für einen Krisensicherheitsfonds bekundet – und werden das weiterhin tun –, der allen Erzeugern offen steht – auch denen, die keiner Erzeugerorganisation angeschlossen sind – und der zu zwei Dritteln von der Europäischen Union und zu einem Drittel von den Erzeugerorganisationen finanziert wird.

Wir betonen ferner die Notwendigkeit einer Preisbeobachtungsstelle. Unsere Zukunft in diesem Sektor liegt nicht in Beihilfen, sondern im Markt. Und wir müssen zuverlässige und aktuelle Informationen über die Entwicklung der Märkte haben.

Schließlich freue ich mich, im Zusammenhang mit der Entkopplung zu hören, dass zumindest der Schimmer der Möglichkeit eines Übergangszeitraums besteht. Es gibt einige Erzeugnisse mit doppeltem Verwendungszweck, wie Tomaten oder Zitrusfrüchte, bei denen es, wenn es bei dem ursprünglichen Vorschlag bliebe, zur Aufgabe bestimmter Produktionen kommen könnte.

Wir setzen uns daher entschieden für einen Übergangszeitraum ein, und lassen Sie uns hoffen, dass er nicht so kurz sein wird, wie hier heute Abend gesagt wurde, sondern lang genug, damit der Sektor in der Lage ist, sich weiter auf das Schema der Betriebsprämienregelung einzustellen.

Ich hoffe, dass dieser freiwillige Übergangszeitraum eine Art teilweiser Entkopplung ermöglichen kann, die eine Übergangsmaßnahme darstellen könnte.

Ebenso betonen wir, dass die Beihilfen für Beerenobst verstärkt werden müssen. Ich freue mich darüber, was Sie sagten, denn dies ist meiner Meinung nach eindeutig eine Notwendigkeit, auf die das Parlament hingewiesen hat und die von der Kommission berücksichtigt wurde.

Abschließend möchte ich allen danken, die mir während dieser einjährigen Arbeit geholfen haben, den Schattenberichterstattern und allen Beamten der Europäischen Kommission für ihre Beiträge, für die Zusammenarbeit mit mir, dem Sekretariat des Ausschusses und mit allen, weil ich glaube, dass der Bericht, über den wir morgen abstimmen werden und der das Ergebnis eines breiten Konsenses darstellt, auch durch die Beiträge der anderen Fraktionen und der gesamten Gesellschaft bereichert worden ist.

 
  
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  Esther Herranz García, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Meine Damen und Herren! Der Obst- und Gemüsesektor ist heute einer der dynamischsten Bereiche der europäischen Landwirtschaft, insbesondere infolge der Anstrengungen der Landwirte und Erzeuger, die Vermarktungsnetze zu verbessern, die Qualität ihrer Erzeugnisse zu erhöhen und das Angebot zu konzentrieren.

Keinesfalls kann behauptet werden, dass der Obst- und Gemüsesektor von der Hilfe aus Brüssel abhängig ist. Vielmehr operiert er erfolgreich auf einem sehr aggressiven Markt, weil die an ihm beteiligten Menschen hart arbeiten, und das Geld, das sie erhalten, macht nicht mehr als 1 % der Umsatzerlöse der landwirtschaftlichen Betriebe aus.

Die große Mehrheit dieser Erzeuger verlangt derzeit keine Subventionen oder Vorruhestandsbeihilfen. Worum sie uns bitten und was sie fordern, sind Instrumente, um sich den gegenwärtigen Problemen zu stellen, die künftig nur noch schwieriger werden können.

Bitte gestatten Sie mir, Sie alle hier daran zu erinnern, dass der Obst- und Gemüsesektor der große Trumpf der Europäischen Union bei den Agrarverhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation ist.

In Zukunft wird sich der bereits vorhandene Druck auf den Markt mit dem Abbau der bestehenden Zölle noch verschärfen.

Deshalb möchte ich die Mitgliedstaaten aufrufen, zweckdienliche Instrumente für das Krisenmanagement im Rahmen der Reform des Sektors auszuarbeiten, die wahrscheinlich nächste Woche vom Rat „Landwirtschaft“ verabschiedet wird.

Wie die Berichterstatterin bereits bemerkte und wie auch viele von Ihnen wissen und einräumen, ist das Krisenmanagement ein Modethema und wird künftig für alle Sektoren der Gemeinsamen Agrarpolitik im Ergebnis des Abbaus von Interventionsmaßnahmen wichtig sein.

Doch bei Obst und Gemüse muss dieses Problem auch dringend gelöst werden, da ein starker Wettbewerb infolge von Importen aus Drittländern besteht und die großen Handelsunternehmen Druck ausüben.

Es gilt, eine einfallsreiche Lösung zu finden, um dem Sektor zu helfen, mit den vor ihm stehenden kritischen Zeiten umzugehen, und dieses Parlament bietet die Lösung im Bericht von Frau Salinas an.

Das schließt einen spezifischen Fonds für schwere Krisen ein, der für die Durchführung bestimmter Aktionen wie Pensionskassen vorgesehen ist und auf den der gesamte Sektor zugreifen könnte. Es wäre ein sehr positiver Schritt, wenn man bedenkt, dass wir nicht von dem abweichen, was wir bisher getan haben: der Mitverantwortung für den Erzeuger.

Für den Obst- und Gemüsesektor schlägt dieser Bericht meiner Meinung nach eine bahnbrechende Form von Krisenmanagement vor, die von anderen Bereichen in der Zukunft kopiert werden muss.

 
  
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  Bogdan Golik, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse, die 2003 nicht erfolgt war, ist eine der letzten Reformen, die noch ausstehen. Sie ist zugleich auch eine der wichtigsten Marktreformen im Rahmen der derzeitigen Finanziellen Vorausschau. Ich möchte Frau Salinas García zu ihrem ausgesprochen objektiven Bericht beglückwünschen, in dem viele Punkte behandelt werden, die sowohl für die alten als auch die neuen Mitgliedstaaten von Bedeutung sind.

Da meine Kollegin bereits auf alle Aspekte eingegangen ist, die diesem Hohen Haus am Herzen lagen, möchte ich mich auf den Beerenobstsektor beschränken, der für die neuen Mitgliedstaaten von größter Wichtigkeit ist. Die Reform muss zu wirksamen Lösungen für diesen Sektor führen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Rentabilität des Anbaus dieser Früchte in der Gemeinschaft gewährleistet sein muss und die Obstbauern in der Union ein angemessenes Einkommen daraus erzielen können. Beerenobst ist ein empfindliches Produkt und sollte ebenso behandelt werden wie andere Erzeugnisse der Gemeinschaft, die ebenfalls als empfindlich gelten.

Für den Beerenobstsektor müssen andere Mittel als die im Rahmen der SAPS-Regelung vorgesehenen bereitgestellt werden. Diese Zahlungen würden ausschließlich an die Beerenobsterzeuger geleistet. Unterstützung in Form gesonderter Flächenzahlungen würde zu Umstrukturierungen führen und die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Sektors verbessern. Damit würde sich das Einkommen der Beerenobsterzeuger stabilisieren.

 
  
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  Jan Mulder, im Namen der ALDE-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa möchte ich zuallererst der Berichterstatterin danken. Ich bewundere sie, wie sie sich durch die zahlreichen eingereichten Änderungsanträge durchgekämpft hat. Wir als ALDE-Fraktion befürworten das Ergebnis im Großen und Ganzen und mithin auch den Kern der Kommissionsvorschläge. Die Stärkung der Erzeugerorganisationen ist zu begrüßen. Der Markt für Gartenbauerzeugnisse wird zunehmend von großen Supermärkten und anderen Handelsorganisationen beherrscht, und um ein Gegengewicht zu bilden, müssen sich die Produzenten zusammentun.

Der größte Teil der ALDE-Fraktion ist in der Frage des bereits viel besprochenen Krisenfonds und des Krisenmanagements allgemein anderer Meinung als der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Wir halten die Kommissionsvorschläge für besser. Als Erstes wüsste ich nicht, woher das Geld käme. Auch langfristig kann unmöglich angenommen werden, dass irgendeine Behörde für das Krisenmanagement verantwortlich sein könnte. Zwar wird es immer – wie vorgesehen – staatliche Beiträge geben, die Hauptverantwortung muss aber bei den Erzeugern liegen. Wenn zudem die Übernahme des Krisenmanagements durch die Erzeugerorganisationen gefördert wird, werden dadurch auch mehr Mitglieder angezogen, was gleichzeitig die Macht der Erzeugerorganisationen gegenüber den Händlern und Supermärkten stärken wird. In diesem Punkt werden wir infolgedessen anders stimmen, als der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vorgeschlagen hat.

Ich möchte nochmals für eine Qualitätspolitik eintreten. Wie die Frau Kommissarin weiß, liegt mir dieses Thema sehr am Herzen. Nach der letzten Konferenz zu diesem Thema war ich alles andere als optimistisch gestimmt, bin aber durch die Tatsache ermutigt, dass ein von der ALDE-Fraktion eingereichter Änderungsantrag betreffend die Notwendigkeit eines Qualitätslabels für Gartenbauerzeugnisse im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung von allen Parteien einstimmig angenommen wurde. Das ist recht außergewöhnlich. Angesichts dieser Unterstützung seitens des Landwirtschaftsausschusses mag die Kommissarin eine Qualitätspolitik für bestimmte Agrarerzeugnisse vielleicht nochmals überdenken, denn eine solche Politik halten wir nach wie vor für notwendig.

Über die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Förderung des Obst- und Gemüsekonsums an Schulen bin ich nicht informiert, die diesbezügliche Anregung der Frau Kommissarin finden wir aber sympathisch.

 
  
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  Janusz Wojciechowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Diese Reform ist gerechtfertigt, aber sie ist ungerecht. Die vor fünf Jahren in Kopenhagen vereinbarten Grundsätze sind den neuen Mitgliedstaaten gegenüber ungerecht. So war festgelegt worden, dass die Landwirte in den neuen Mitgliedsländern weit weniger Hilfe erhalten als jene in der alten Union. Wir haben dem in der Hoffnung zugestimmt, dass wir zu gegebener Zeit Gleichbehandlung erfahren.

Die nachfolgenden Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik haben die Trennung in mehr und weniger begünstigte Länder jedoch zementiert. Ein Beispiel dafür ist die Reform des Obst- und Gemüsemarktes. Die Länder der alten Union haben Hunderte von Millionen Euro erhalten, und das wird auch weiterhin so sein. Die neuen Unionsländer bekommen symbolische Beträge. Gestatten Sie mir folgende Fragen: Wo bleibt die echte Hilfe für die Beerenobsterzeuger in den neuen Mitgliedstaaten? Weshalb hat die Kommission auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom Oktober 2006 nicht reagiert?

Es wird viel von der Unterstützung für die europäische Verfassung und der Gefahr geredet, dass ein Scheitern in dieser Frage ein Europa der zwei Geschwindigkeiten zur Folge haben würde. Was die Landwirtschaft anbelangt, so haben wir tatsächlich schon ein Zwei-Klassen-Europa, nämlich die besser gestellte alte Union, die ihren in der Vergangenheit errungenen Status behält, und die schlechter gestellte neue Union, die keine Gleichbehandlung erwarten darf.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, dem zufolge für die Verarbeitung bestimmte Kirschen und Äpfel in die Reform der Beerenobstproduktion einbezogen werden und der eine Aufstockung der Mittelausstattung der Mitgliedstaaten um 148 Millionen Euro vorsieht. Ich fordere das Hohe Haus auf, diesen Änderungsantrag zu unterstützen. Auf Gemeinschaftsebene ist das nicht viel Geld. Es geht aber nicht nur ums Geld, sondern ums Prinzip. Diese Spaltung in besser und schlechter gestellte Mitgliedstaaten muss ein Ende haben. Wir respektieren die Beitrittsverträge, aber wir brauchen neue Grundsätze, damit die Spaltung in 15 begünstigte und 12 benachteiligte Mitgliedstaaten aufgehoben wird. Alle 27 Mitliedstaaten müssen die gleichen Rechte haben. Die Fraktion für das Europa der Nationen, der Mitglieder sowohl aus den alten als auch aus den neuen Mitgliedstaaten angehören, fordert das mit Entschiedenheit. Wir wollen, dass diese Reform, so gerechtfertigt sie auch sein mag, auch gerecht ist.

 
  
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  Vincenzo Aita, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte der Kommissarin und der Berichterstatterin für den Bericht, den wir nun in diesem Hohen Haus erörtern, danken, doch wird meine Fraktion wohl kaum dafür stimmen, und dies aus zwei Gründen, die ich hier hervorheben möchte.

Erstens kann diese Reform, die so wichtig ist für einen Sektor, der Tausende, wenn nicht gar Millionen Arbeitnehmer in der Erzeugung und in der Verarbeitung beschäftigt, das Szenario komplett verändern, wenn wir über Richtlinien zum Klimawandel verfügen werden. Wenn es stimmt, dass Europa zu Recht beginnt, alternative Produktionsformen auszubauen – Biodiesel, Biokraftstoffe, Masse- und Biomasseerzeugung aus Holz –, bedeutet dies, dass der Agrar-, Lebens- und Futtermittelproduktion einige Millionen Hektar entzogen werden. Den Meldungen der letzten Tage zufolge geschieht das bereits in großen Ländern wie China.

Zweitens wird mit dieser Reform eines der Probleme, die in diesem Parlament angesprochen wurden, nicht angepackt, nämlich dass in den letzten Jahren der Gewinn aus der landwirtschaftlichen Erzeugung ausschließlich den Handelsunternehmen und den multinationalen Konzernen zugute kam. Laut einigen Statistiken bleiben zwischen 60 und 70 % des Gewinns aus der Agrarproduktion bei den Vertriebsketten hängen.

Die Reform, mit der wir uns hier befassen, nimmt dieses Problem nicht in Angriff. Dies sind die wesentlichen Argumente, die wir geltend machen, und deshalb werden wir dem Bericht morgen im Plenum wohl kaum zustimmen.

 
  
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  Peter Baco (NI).(SK) Ich möchte die Bemühungen meiner Kollegin Frau García loben, die ihren Bericht als Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit besonderen Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor formuliert hat.

Die hitzigen Debatten im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über diesen Vorschlag ließen gewisse Risiken erkennen, die mit dessen Inhalt zusammenhängen, vor allem solche, die sich aus der Philosophie ergeben, die hinter dieser Gesetzgebung steckt. Die größten Gefahren liegen in der frühzeitigen praktischen Anwendung einiger Vorschriften und dem geringen Anteil an EU-Haushaltsmitteln. Dabei geht es ja nur um 3,1 % des Haushalts, obwohl dieser Sektor 17 % der gesamten landwirtschaftlichen Erträge der EU ausmacht. Aus Marketing-Sicht sind Salat, Radieschen und Kleinobst – nahezu der gesamte Mix an Obst und Gemüse – die anfälligsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Ihren reibungslosen Transport vom Erzeuger auf den Tisch des Verbrauchers zu garantieren, erfordert einen gewaltigen logistischen Aufwand. Deshalb sollte die Europäische Kommission sich nicht dahin gehend täuschen lassen, dass sie in Zukunft den Landwirten die gesamte Verantwortung für die gemeinsame Marktordnung für Obst- und Gemüse übertragen könne.

Die Tatsache, dass der vorliegende Vorschlag für die neuen Mitgliedstaaten nachteilig ist, stellt ein weiteres Risiko dar. Das Problem besteht darin, dass die neuen Mitgliedstaaten noch über keine funktionierenden Erzeugerorganisationen verfügen und es noch mehrere Jahre dauern wird, ehe solche voll funktionsfähig sind. Die Erzeuger von Obst und Gemüse in den alten 15 EU-Staaten haben schrittweise gelernt, mit Handelssystemen zu interagieren und werden mittlerweile als gleichwertige Handelspartner betrachtet. Der Schluss liegt nahe, dass die Erträge der neuen Mitgliedstaaten, die ohnehin massiv zurückgegangen sind, bei Umsetzung des Vorschlags in seiner gegenwärtigen Form noch niedriger ausfallen würden. Aus diesem Grund sollten die skizzierten Risiken meines Erachtens bei der Änderung des Vorschlags als Priorität behandelt werden.

 
  
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  Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank gilt auch der Berichterstatterin, denn die Reform des Obst- und Gemüsesektors war wahrlich keine leichte Arbeit. Es wurde schon von meinen Vorrednern angesprochen, dass es hier um einen sehr großen Sektor unserer Agrarproduktion geht. Aber mit dieser Reform wird uns auch auf diesem Sektor der europäischen Landwirtschaft ein wichtiger Schritt zur Modernisierung gelingen.

Gerade im Hinblick auf die steigende internationale Konkurrenz im Rahmen der Globalisierung muss es unser vorrangiges Ziel sein, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Obst- und Gemüsebauern zu erhöhen, wobei gleichzeitig die Wahrung der hohen Qualität der europäischen Erzeugnisse zu angemessenen Preisen für die Konsumenten gesichert werden muss. Eine Möglichkeit dazu sind Erzeugergemeinschaften, um auf dem Markt besser auftreten zu können. Besonders die Förderung des Konsums von Obst und Gemüse ist zu unterstützen, weil es sich hier auch um positive gesundheitliche Maßnahmen handelt.

Kollegin Gräßle aus der EVP-Fraktion wird morgen einen mündlichen Änderungsantrag einbringen, in dem sie die Kommission bittet, nicht wie vorgesehen erst 2013 einen ersten Bericht über die Durchführung des Titels hinsichtlich der Erzeugerorganisationen, des Betriebsfonds und der operationellen Programme zu erstellen. Wir wollen vielmehr schon Ende 2010 einen ersten Bericht darüber und danach alle drei Jahre. Wir wollen Transparenz, und wir wollen auch sichergestellt wissen, dass die Unterstützung dort ankommt, wo wir sie wollen. Sieben Jahre sind dafür ein zu langer Zeitraum.

Es liegt somit in unserer Verantwortung, die Zukunft der europäischen Obst- und Gemüsebauern zu sichern, indem wir mit Hilfe gezielter Beihilfen ein Sicherheitsnetz schaffen, um nachhaltige Produktion mit hoher Qualität und einer gesunden Umwelt zu verbinden.

 
  
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  Katerina Batzeli (PSE).(EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Salinas García, für ihren ausgezeichneten Bericht danken, ebenso wie der Kommission für ihren ernsthaften und mutigen Vorschlag zum Obst- und Gemüsesektor. Ich nenne dies einem mutigen Vorschlag, denn hier handelt es sich um einen Sektor mit einer deutlichen Struktur, Erzeugerorganisationen und operationellen Programmen, in dem die Entkopplung das wichtigste Thema ist.

Ich möchte, sowohl aus persönlicher Sicht als auch im Namen meiner Fraktion, die beiden grundlegenden Fragen näher beleuchten, die wir unterstützen werden. Das sind zum einen ein stabiler Finanzhaushalt und zum anderen ein stabiler Zeitrahmen für die Reform bis zum Jahr 2013. Subversive Maßnahmen, mit denen versucht werden soll, einen Übergangszeitraum für die Reform für Obst und Gemüse zu erreichen, was es noch bei keinem anderen Erzeugnis gab, werden – da bin ich mir ganz sicher – vom Standpunkt der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament – nicht akzeptiert.

Ich habe noch zwei kleine Anmerkungen: Sie wissen sehr gut, Herr Kommissar, dass Frau Salinas Vorschlag nicht sehr weit von dem des Rates entfernt ist. Außerdem möchte ich das Thema des Fonds für das Krisenmanagement ansprechen, den Sie in einem wesentlich positiveren Licht sehen sollten. Dieser Fonds benötigt keine zusätzlichen Mittel, muss aber außerhalb der operationellen Programme liegen, da es ansonsten zu einem völligen Durcheinander kommt.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE).(LT) Es herrscht Übereinstimmung, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik unumgänglich ist. Die Umsetzung der Reform erfolgt jedoch in den EU-Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund unterschiedlich hoher landwirtschaftlicher Beihilfen. Die neuen Mitglieder, die fast dreimal weniger an Zahlungen erhalten als die alten Mitgliedstaaten und die über deutlich schlechtere Ausgangsbedingungen verfügen, sind gezwungen, ihre Landwirtschaft zu reformieren, indem sie sie weiter ruinieren. Ein allgemeines Auszahlungsmodell wird als vorgeschlagene Lösung für die Reform des Obst- und Gemüsemarktes angeboten. Für die neuen Mitgliedsländer bedeutet dies geringere Beihilfen als bisher und noch schlechtere Chancen, im Wettbewerb mitzuhalten. Das Erfordernis für Obst- und Gemüseproduzenten, Erzeugerorganisationen zu gründen, um in den Genuss von EU-Beihilfen zu kommen, führt zu schwerwiegenden Verzerrungen des Obst- und Gemüsemarktes. Einzelhandelsnetze diktieren unter Umständen die Bedingungen und können die Erzeugnisse kleiner Produzenten zum Weiterverkauf ablehnen. Ich möchte auf die Tatsache aufmerksam machen, dass die Verordnung einen Vorschlag zur Erhöhung des Verbrauchs von Obst und Gemüse enthält, in dem man den Verzehr in bestimmten Gruppen der Bevölkerung fördert. Dazu gehören Jugendliche, Schulkinder und Teenager. Doch was ist mit dem Rest der Bevölkerung?

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN).(PL) Herr Präsident! In Bezug auf die Situation im Obst- und Gemüsesektor, die allgemein als ungerecht empfunden wird, wurde endlich etwas getan, was in die richtige Richtung weist. Nach langwierigen Diskussionen wurde ein Anti-Dumpingpreis für chinesische Erdbeeren eingeführt, der bedauerlicherweise nur kurze Zeit galt. Dem folgte ein Mindestpreis, der aber leider wieder zu niedrig war.

Uns bietet sich nun die Gelegenheit, zusätzliche Mittel für Sauerkirschen und Süßkirschen sowie Beerenobst wie Himbeeren, Erdbeeren, schwarze Johannisbeeren und Stachelbeeren zuzuweisen. Ohne diese Zahlungen stehen viele Erzeuger, die von den strengen Frösten betroffen waren, vor dem Ruin. In seinem Änderungsantrag 116 zur Verordnung schlägt der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung einen Beihilfebetrag von 120,77 Euro je Hektar vor. Das ist meiner Meinung nach zu wenig und bietet den Erzeugern bei der Bewältigung ihrer Probleme keine wirksame Hilfe. Der Betrag sollte auf 400 Euro je Hektar erhöht werden.

Auch die Besitzer von Apfelplantagen haben unter den strengen Frösten gelitten. Sie befinden sich ebenfalls in einer schwierigen Lage und hoffen auf Hilfe. Deshalb fordere ich das Hohe Haus nachdrücklich auf, Änderungsantrag 113 anzunehmen, der all jenen entgegenkommt, die auf Hilfe hoffen.

 
  
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  Ioannis Gklavakis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich freue mich, dass Sie heute hier sind und danke Ihnen für Ihr Engagement.

Außerdem möchte ich der Berichterstatterin zu einer guten Arbeit gratulieren.

Der Obst- und Gemüsesektor ist von größter Bedeutung für uns, weshalb ich einige Punkte näher beleuchten möchte:

Erstens ist in einem Sektor wie dem Obst- und Gemüsesektor, der die sensibelsten Agrarprodukte beinhaltet, die Finanzierung des Krisenmanagements außerordentlich wichtig. Bei einer Integration sollte dieses jedoch nicht in die operationellen Programme aufgenommen und von den Erzeugern kofinanziert werden, sondern die Finanzierung sollte über zusätzliche Gemeinschaftsmittel erfolgen. Ferner sollte es auf den Bereich der Prävention ausgedehnt werden, was ich auch als Schattenberichterstatter gefordert habe, als wir vor achtzehn Monaten über zukünftige Unterstützungsmaßnahmen für die Agrarproduktion diskutiert haben.

Zweitens ist die verbindliche Aufnahme von Umweltschutzmaßnahmen in die operationellen Programme der Erzeugerorganisationen als Voraussetzung für deren Anerkennung ein positiver Schritt. Die Festlegung der obligatorischen Ausgaben für derartige Maßnahmen auf ein Fünftel der Haushaltsmittel ist jedoch übertrieben und sollte reduziert werden.

Drittens sollten wir auch kleinen Kulturen und Erzeugern, beispielsweise den Safran- und Matix-Produzenten auf Chios, Beachtung schenken. Diese kleinen Erzeuger dürfen nicht in Vergessenheit geraten.

Viertens ist die Finanzierung zu 60 % in Bereichen mit einem geringen Organisierungsgrad für die Erzeugerorganisationen positiv, aber die Festlegung der Obergrenze für die finanzielle Beihilfe der Gemeinschaft auf 4,1 % des Wertes der vermarkteten Erzeugung ist zu knapp bemessen und ermöglicht ihnen nicht, die ihnen übertragenen neuen wichtigen Aufgaben zu lösen. In der gleichen Frage möchte ich auch die Probleme der Inseln der Ägäis ansprechen, die eine differenzierte Behandlung dieser Region erforderlich machen.

Fünftens dienen an die Jugend in der Europäischen Union gerichtete Informations- und Verkaufsförderungskampagnen nicht nur dazu, den Verzehr von Obst und Gemüse zu steigern. Wir ernähren uns insgesamt sehr ungesund und müssen die Jugend zu einer gesünderen Ernährung bewegen.

Lassen Sie mich schließlich noch Folgendes sagen: Ich möchte betonen, dass wir die mündlichen Änderungsanträge voll und ganz ablehnen, die eventuell morgen eingereicht werden und die einen Bericht über das Funktionieren der neuen GMO für 2010 fordern, da dies ein abweichendes Herangehen an Obst und Gemüse bedeutet, während andere GMO anders geregelt sind. Dies ist nach den Grundsätzen der Europäischen Union inakzeptabel.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Der ausgezeichnete Bericht von Frau Salinas García zeigt, dass sie eine grundsätzlich gute Arbeit geleistet hat. Lassen Sie mich vier positive Punkte ansprechen: die nationalen Mittelrahmen, die Unterstützung für Erzeugerorganisationen, das Risikomanagement und die Verteilung von Obst in Schulen.

Dies wäre eine gute Reform, wenn ich nicht aus einem der neuen Mitgliedstaaten käme. Doch diese Reform diskriminiert die neuen Mitgliedstaaten in mehreren Bereichen. Erstens ist sie diskriminierend in Hinblick auf die Direktzahlungen. Ungarn beispielsweise stellt 2 Prozent der Gemüseerzeugung der Union und erhält 0,61 Prozent der Kosten dieser Produktion.

Diskriminierung gibt es auch bei den verarbeiteten Erzeugnissen. Weder polnische Beerenfrüchte noch Sauerkirschen noch die Erzeugnisse der neuen Mitgliedstaaten wurden in die zur Verarbeitung bestimmten Erzeugnisse aufgenommen. Und nun werden diese Gelder auf einer historischen Grundlage verteilt, und es werden in erster Linie die alten Mitgliedstaaten sein, die 800 Millionen der 1,4 Milliarden bekommen. Dies ist eine große Ungerechtigkeit gegenüber den neuen Mitgliedstaaten, und ich fordere Sie auf, dies zu korrigieren.

 
  
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  Leopold Józef Rutowicz (UEN).(PL) Herr Präsident! Frau Salinas Garcías Bericht ist für den Agrarsektor von großer Bedeutung. Bedauerlicherweise werden die Erzeuger in den alten und den neuen Mitgliedstaaten darin nicht gleichberechtigt behandelt. Die Unterstützung der Landwirte durch Direktzahlungen ist vor allem für Länder mit einer zersplitterten Agrarstruktur, kleinen Landwirtschaftsbetrieben und Monokultur wichtig, wo die Einnahmen kaum ausreichen, um den landwirtschaftlichen Betrieb am Leben zu erhalten. Hier wird auf traditionelle und umweltfreundliche Weise produziert. Mit der geänderten Verordnung sollten die Landwirte in den alten und den neuen Mitgliedstaaten die gleichen Chancen auf Beihilfen erhalten.

Die Rentabilität der Obst- und Gemüseproduktion lässt sich schwer vorhersagen, da die Produkte leicht verderben können, die Preise schwanken und aus Drittländern Konkurrenz erwächst. Der Klimawandel und die zunehmende Häufigkeit von Naturkatastrophen spielen hier ebenfalls eine Rolle. Als Beispiel möchte ich die Frühjahrsfröste in Polen nennen, in deren Folge 70 % der Johannisbeer-, Pflaumen-, Birnen- und Süßkirschenblüten erfroren sind. Die polnischen Obstzüchter und Gärtner schätzen die diesjährigen Verluste auf 60 %. Unterstützung verdienen vor allem die Änderungsanträge 6, 7 und 12 zur Verordnung, die sich auf die Erwägungen 11, 13 und 18 beziehen, sowie Änderungsantrag 113.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Mit der heutigen Aussprache über den Bericht über die Reform des Obst- und Gemüsesektors und der morgigen Abstimmung darüber finden die mehrere Monate währenden Arbeiten des Europäischen Parlaments ihren Abschluss. Ich denke, es ist uns in dieser Zeit gelungen, das Bewusstsein für die Probleme des polnischen Beerenobstmarktes zu schärfen und die Mitglieder dieses Hohen Hauses von der Notwendigkeit geeigneter Unterstützungsmechanismen zu überzeugen. Diese Mechanismen würden zur Umstrukturierung des Sektors und zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Zwei Merkmale zeichnen diesen Sektor in den neuen Mitgliedstaaten aus – die Zersplitterung der Produktion und das Fehlen starker Erzeugergruppierungen bzw. -vereinigungen. Zudem ist dieser Sektor besonders krisenanfällig.

Weder die bestehenden noch die im Rahmen der geplanten Reform der gemeinsamen Marktordnung für Obst und Gemüse vorgeschlagenen Unterstützungsinstrumente bieten ausreichende Hilfe und wirksame Lösungen für die Probleme dieser Märkte. Wir fordern deshalb Sonderzahlungen für die Erzeuger von zur Verarbeitung bestimmten Beerenfrüchten und Kirschen, um ihre Einkommen zu verbessern und den Obst- und Gemüsemarkt zu stabilisieren.

Ich fordere die Frau Kommissarin dringend auf, sich Änderungsantrag 132 anzusehen, den ich zusammen mit Frau Herranz García in Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten eingebracht habe. Außerdem bitte ich um Unterstützung für Änderungsantrag 122, in dem es um die Hilfe für den Markt für zur Verarbeitung bestimmte Tomaten in den neuen Mitgliedstaaten im Rahmen des SAPS-Systems geht. Mit der Annahme dieses Änderungsantrags würde den Tomatenerzeugern in diesen Ländern die Hilfe garantiert, die sie zurzeit erhalten.

Frau Kommissarin, es gibt zwei Dinge, die die polnischen Beerenobsterzeuger nicht verstehen. Erstens: Weshalb müssen sie so lange auf entsprechende Vorschläge warten? Zweitens: Warum kann die Kommission bei einem Jahreshaushalt von über 1,5 Milliarden Euro nicht mehrere zehn Millionen Euro zur Unterstützung des Beerenobstsektors bereitstellen? Erdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren sind für die polnischen Landwirte ebenso wichtig wie Orangen, Mandarinen und Feigen für ihre Kollegen in Südeuropa. Frau Kommissarin, wir hoffen sehr, dass Sie auf der bevorstehenden Tagung des Rates der Agrarminister der 27 EU-Mitgliedstaaten entsprechende Hilfemaßnahmen für diese Gruppe der Landwirte vorschlagen werden. Wir sind zuversichtlich, dass die Verhandlungen erfolgreich sein werden.

 
  
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  Luis Manuel Capoulas Santos (PSE).(PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Die Unterstützung des Parlamentsausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die Vorschläge im Bericht von Salinas García ist ein Beweis sowohl der guten Arbeit der Berichterstatterin, der auch ich gratuliere, als auch der hohen Kompromissbereitschaft der Abgeordneten fast aller Fraktionen.

Ich begrüße insbesondere die Empfehlungen des Parlaments zum Krisenmanagement und zur Stärkung der Erzeugerorganisationen. Ich begrüße die Annahme meines Vorschlags in Bezug auf die Festlegung einer Übergangsperiode zur Sicherung der weiteren Rentabilität des Anbaus von Tomaten in einigen Mitgliedstaaten, vor allem in meinem Heimatland Portugal. Ich hoffe, dass die Kommission diesen Vorschlag aufgreifen wird.

Allerdings bin ich darüber enttäuscht, dass es nicht möglich war, bei anderen gleichermaßen wichtigen Aspekten wie mehr Flexibilität in der Verwaltung der für die operationellen Programme bestimmten Finanzmittel und die begrüßenswerte unterschiedliche Behandlung der Mitgliedstaaten mit den größten organisatorischen Schwierigkeiten in Bezug auf die operationellen Programme noch weiter zu gehen.

Ihre Ausführungen, Herr Kommissar, zu Beginn dieser Aussprache lassen mich befürchten, dass der Aspekt der politischen Unterstützung des Parlaments für die Vorschläge nicht richtig interpretiert wurde, doch ich vertraue darauf, dass im Rat und in der Kommission letzten Endes guter Wille und Kompromissbereitschaft die Oberhand gewinnen mögen.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN).(PL) Herr Präsident! Der Obst- und Gemüsesektor ist für die Landwirtschaft der Union im Allgemeinen und für Länder wie Polen im Besonderen sehr wichtig. Leider nützen uns die vorgeschlagenen Lösungen nichts.

Erstens: Im Rahmen der bedeutsamen Veränderungen in diesem Sektor wird beispielsweise vorgeschlagen, die bestehende Unterstützung für die alten Mitgliedstaaten beizubehalten, während die neuen Länder behandelt werden, als wären sie nicht auch Mitglieder, sondern nur Bewerberländer. Es ist mit dem Grundsatz der europäischen Solidarität nicht vereinbar, dass Länder wie Italien, Griechenland und Spanien mit Beträgen zwischen 316 Millionen Euro und 167 Millionen Euro ausgestattet werden, während die Polen bereitgestellten Mittel um knapp 6,7 Millionen Euro aufgestockt werden, obwohl das Land einen großen Obst- und Gemüsesektor hat.

Zweitens: In den neuen Mitgliedstaaten haben Erzeugergruppierungen keine Tradition. Wohl deshalb gehen fast 700 Millionen Euro jährlich vor allem an die Erzeugergruppierungen und -vereinigungen in den alten Mitgliedstaaten.

Abschließend möchte ich anmerken, dass bei der Reform die Tatsache außer Acht gelassen wird, dass der Markt der Union sich zunehmend Obst- und Gemüseeinfuhren aus Drittländern öffnet. Das jährliche Handelsdefizit der Europäischen Union in diesem Sektor beträgt über 8 Milliarden Euro. Diese Einfuhren werden oft zu Dumpingpreisen verkauft, was der Obst- und Gemüseproduktion in der Europäischen Union Schaden zufügt.

 
  
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  James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst der Berichterstatterin zu ihrem Bericht gratulieren.

Meines Erachtens gibt es noch einige ungelöste Fragen, die der Klärung bedürfen. Wir müssen gewährleisten können, dass die Auswirkungen auf die verschiedenen Regionen der Mitgliedstaaten nicht zu drastisch sind. Der Mechanismus dieses Vorschlags gestaltet sich für solche Regionen kompliziert, die das flächenbezogene Mischmodell der Betriebsprämienregelung anwenden, wozu auch die Gegend gehört, die ich vertrete. Insbesondere dieses Problem bedarf einer Lösung. Es handelt sich hier um einen schwierigen, komplexen Bereich, der in Angriff genommen werden muss.

Verschiedene äußere Faktoren üben Druck auf den Prozess der Vermarktung aus. Ein wesentlicher Faktor ist die Kaufkraft der großen Supermarktketten, durch die sich Lieferanten bzw. Erzeuger gezwungen sehen, gegeneinander einen Preiskampf zu führen. Manch einer importiert auch Erzeugnisse zu günstigen Preisen, fasst sie einmal an und fügt zu diesen Erzeugnissen unbekannter Herkunft einen Mehrwert hinzu. Wir scheinen nicht in der Lage zu sein, dem Einhalt zu gebieten.

Ich werde jetzt ein paar Worte zu meiner Gegend sagen. Vergangene Woche habe ich mit einer Delegation meinen zuständigen Minister in Nordirland besucht, um die schwierige Lage der Pilzzüchter in dieser Gegend zu erläutern. Vor vier Jahren gab es in Nordirland mehr als 226 Pilzzüchter, heute jedoch nur noch vierzig, was einem Rückgang der gewerblichen Pilzzüchter um 80 Prozent entspricht. Ich habe mich gefragt, ob das überhaupt irgendjemanden interessiert, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht der Fall ist. Die Familien von Landwirten wurden zerstört, und ihnen wurde ihr Broterwerb genommen. Sie wurden von denjenigen völlig ignoriert, die Champignons billig importieren, ihnen einen Mehrwert hinzufügen und sie dann an die Supermärkte verkaufen, die wiederum vorgeben, die Pilze seien aus der Region.

Wenn wir nachgeben und solche Situationen in dieser und anderen Regionen zulassen, dann werden wir das soziale Gefüge auf dem Lande, so wie wir es kennen, völlig zerstören. Diese Erzeugnisse halten Familien und Gemeinden zusammen. Wir zerstören sie auf eigene Gefahr, sollten aber doch den ländlichen Raum verteidigen.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zunächst einmal vielen Dank an die Berichterstatterin. Der Kollege Nicholson hat mir zwar nicht unbedingt den Wind aus den Segeln genommen, aber ich möchte selbst auch noch ein bisschen Wind um die Sache machen, und die Frau Kommissarin weiß ja, dass ich einer Langspielplatte gleiche. Ich unterstütze die Idee der Erzeugergemeinschaften, doch ich bin in keiner Weise davon überzeugt, dass wir jemals so viel Macht wie der Einzelhandel haben werden. Lassen Sie mich noch einmal wiederholen, was ich bereits gesagt habe: Die Kommission ist nicht bereit, sich der größten Herausforderung zu stellen, nämlich dem sehr mächtigen Einzelhandelssektor in Europa, der im Vereinigten Königreich und in der Republik Irland besonders große Macht besitzt.

Nachdem Sie mit Ihrer Debatte zu diesem speziellen Thema begonnen hatten, zeigte das Fernsehen in Irland Landwirte, die erklärten, sie würden kein Obst und Gemüse mehr anbauen, da sich damit kein Profit erzielen lasse, weil man ihnen nicht die erforderlichen Preise zahle. Lassen Sie uns jedoch erst einmal abwarten, was diese Reform bewirken wird. Ich hoffe, dass sich der Bericht, den wir für 2010 vorgeschlagen haben, mit den Auswirkungen auf das Machtgleichgewicht beschäftigen wird, bei dem es momentan eine Schieflage gibt.

Die Idee von Verbrauch und Gesundheit ist ein sehr positiver Ansatz, doch ich habe das Gefühl, dass die europäischen Bürger jedes Mal, wenn wir ihnen sagen, dass es gesund sei, Obst und Gemüse zu essen, immer weniger davon essen; deshalb müssen wir uns eine andere Botschaft überlegen. Ich mag die Idee von Projekten wie „Obst in der Schule“, und ich würde Sie bitten, in Ihrer Impaktstudie auch die verschiedenen Pilotprojekte zu berücksichtigen, die es schon gibt. In Irland gibt es ganz besonders eines, das funktioniert und von dem Ihnen wahrscheinlich bereits Einzelheiten bekannt sind – na ja, viel Glück damit, und ich hoffe, es funktioniert auch bei den Obst- und Gemüseerzeugern in Europa.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich werde schnell zum Schluss kommen, denn es ist schon spät.

Ich möchte noch einmal auf die sehr konstruktive Zusammenarbeit bei der Reform des Nahrungsmittel- und Gemüsesektors hinweisen und glaube, dass Ihre Stellungnahme prinzipiell die Ausrichtung der Vorschläge der Kommission und die Verbesserungsvorschläge unterstützt.

Lassen Sie mich noch einige Worte sagen, denn ich bin mir sicher, dass sich einige Abgeordnete dieses Parlaments meine erste Rede nicht angehört haben, in der ich über den Weichobstsektor sprach. Darin hatte ich klargestellt, dass ich über die Schwierigkeiten im Weichobstsektor in der Europäischen Union informiert bin. Ich bin bereit, die Sensibilität dieses Sektors zu berücksichtigen und nach Möglichkeiten der Finanzierung durch Haushaltsmittel zu suchen, um diesen Sektor während einer Übergangsphase zu unterstützen. Aber erwarten Sie nicht die Zahlen, die Sie genannt haben. Ich glaube, es war von 800 Euro die Rede. Das gibt der Haushalt nicht her. Aber ich habe ganz klar gesagt, dass ich mein Bestes geben werde, um eine Lösung zu finden.

Ich glaube, dass die im April ergriffenen Antidumpingmaßnahmen eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung gewesen sind. Probleme, die durch den Frost entstanden sind, werden gesondert behandelt werden. Bestimmte Situationen, die auf Klimakatastrophen zurückzuführen sind, fallen unter die Vorschriften über staatliche Beihilfen, deshalb werden wir versuchen, diese Angelegenheit für sich zu behandeln.

Es wurde eine Frage zur Finanzierung aufgeworfen. Meiner Meinung nach ist es nicht unbedingt eine Vereinfachung, wenn man versucht, einen Fonds außerhalb der Erzeugerorganisationen zu schaffen. Wie Sie wissen, räumt die Kommission dem Thema Vereinfachung sehr hohe Priorität ein. Es handelt sich hier um ein sehr komplexes Instrument, und wir dürfen nicht vergessen, dass wir im Rahmen eines Jahreshaushalts agieren müssen. Die Einrichtung des Fonds könnte uns eine ganze Menge Geld kosten, da er mehrjährig wäre, doch ich bin sicher, dass wir eine anständige Lösung und ein Instrument für das Krisenmanagement finden werden, das effektiv funktioniert.

Ich hoffe, dass es möglich sein wird, auf der Tagung des Rates am nächsten Montag und Dienstag eine politische Übereinkunft zu erzielen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir eine politische Lösung finden werden, die dem gesamten Obst- und Gemüsesektor in der Europäischen Union zugute kommt, sodass er eine nachhaltige Zukunft hat, und ich glaube, das ist es, was wir alle wollen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Witold Tomczak (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Der Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union liegt nun schon drei Jahre zurück, aber im Hinblick auf die Mittelausstattung des Obst- und Gemüsemarkts werden diese Länder noch immer benachteiligt. Das wird deutlich, wenn man sich die Höhe der Zahlungen je Hektar Nutzfläche für den Anbau von Obst und Gemüse anschaut. Im Jahr 2005 erhielten die alten Mitgliedstaaten (EU 15) 561 Euro je Hektar, die neuen Mitgliedstaaten (EU 10) aber nur 20 Euro je Hektar. Die reicheren Länder erhalten demnach das 28-Fache der Hilfe, die den ärmeren Ländern zuteil wird.

Für eine solche Benachteiligung gibt es keinen Grund. Die neuen Mitgliedstaaten haben viele wichtige und spezifische Produkte in die Union eingebracht. Gleichzeitig hatten und haben sie nach wie vor Probleme mit der Rentabilität dieser Produktarten, die u. a. den Billigimporten aus Drittländern und der Zersplitterung der Produktion geschuldet sind. Die neuen Länder hatten daher allen Grund anzunehmen, dass ihre Schwierigkeiten ernst genommen und sie eine ebenso umfassende Unterstützung erhalten würden wie die alten Mitgliedstaaten.

Es gab seitens der Europäischen Kommission Untersuchungen sowie eine Reihe von Anhörungen und Analysen. Dennoch wird mit ihrem Vorschlag für eine Reform des Marktes die Benachteiligung der neuen Mitgliedstaaten fortgeschrieben. Die Kommission hat auch das Parlament missachtet, das in seiner Entschließung vom 11. Mai 2005 schnellstmögliche Gemeinschaftshilfe für zur Verarbeitung bestimmte Beerenfrüchte, Kirschen und Äpfel forderte.

Die Benachteiligung der neuen Mitgliedstaaten auf dem Obst- und Gemüsemarkt schadet nicht nur den Erzeugern in den neuen Mitgliedstaaten, sondern auch der gesamten Union und ihren Verbrauchern.

 

24. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll

25. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

26. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 00.05 Uhr geschlossen.)

 
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