Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
– die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Schlussfolgerungen des G8-Gipfels,
– den Bericht von Glenys Kinnock im Namen des Entwicklungsausschusses über die Millenniums-Entwicklungszielen – Zwischenbilanz (2007/2103(INI) (A6-0220/2007)).
Der Rat ist nicht vertreten.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige Ausführungen zu den Ergebnissen des Gipfels von Heiligendamm bezüglich der Fragen zur Entwicklung und zu Afrika machen, wie dies gewünscht wurde.
Allein schon die Tatsache, dass diesen Fragen wiederum besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, ist eine gute Nachricht. Dass Afrika erneut als ein wichtiges Thema im G8-Prozess bestätigt wurde, ist zwar positiv, aber enttäuschend, wenn man die konkreten Ergebnisse betrachtet. Ich habe volles Verständnis für die Kritiken derer, die von den Festlegungen zur Entwicklungshilfe enttäuscht sind. Die verabschiedete Kompromissformel begnügt sich schlichtweg damit, die Verpflichtungen von Glenneagles zu wiederholen, doch aus meiner Sicht hätte man ambitionierter vorgehen können.
Wir wissen, dass die EU der 27 zwischen 80 und 100 % der Zusagen der G8 für Afrika finanzieren wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass die G8-Mitglieder von ihrer eigenen Verpflichtung abrücken, die, wie ich in Erinnerung rufen möchte, darin besteht, die Hilfe für Afrika zu verdoppeln. Einige G8-Mitglieder sind nicht auf dem richtigen Wege, um diese Verpflichtung einzuhalten. So ist beispielsweise die gesamte Hilfe der USA um 20 %, und die Japans um 10 % zurückgegangen, d. h. sie müssten zweifellos mehr tun.
Was die Fragen der Governance und der wesentlichen Prinzipien der Entwicklungspolitik betrifft, so bin ich erfreut darüber, dass unser Governance-Ansatz, das heißt ein multidimensionaler und ganzheitlicher Ansatz, sowie die von uns angeregten Formulierungen in die Abschlusserklärung über Afrika übernommen wurden. Unsere Governance-Strategie basiert auf Ergebnissen und Reformanreizen gegenüber den Ländern, die geeignete und glaubwürdige Governance-Reformen auf der Grundlage eines festen politischen Willens eingeleitet haben.
Lassen Sie mich hervorheben, dass im Mittelpunkt der Beratungen des diesjährigen G8-Gipfels das Bildungswesen stand: Das ist zweifellos einer unserer wertvollsten Beiträge. Die Erklärung bringt klar die Notwendigkeit zum Ausdruck, den bislang nicht gedeckten Bedarf in Höhe von geschätzten 500 Millionen US-Dollar für 2007 in allen von der „Fast Track Initiative“ erfassten Ländern zu finanzieren.
Ich freue mich auch über die Feststellungen im Abschlusstext zu den Finanzmitteln für das Gesundheitswesen, für den Globalen Fonds, für die Programme zur Vorbeugung der Mutter-Kind-Übertragung. Die zugesagten 60 Milliarden US-Dollar für die nächsten Jahre zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose stellen eine klare und konsequente Sprache dar im Vergleich zu den anfänglich gebrauchten vorsichtigen Formulierungen, in denen jede konkrete Angabe zu den geforderten Finanzmitteln fehlte.
Abschließen möchte ich meine Ausführungen zum G8-Gipfel mit einer allgemeineren Bemerkung. Der Schönheitswettbewerb um Zahlen und Erklärungen, zu dem die G8-Gipfel in Entwicklungsfragen geworden zu sein scheinen, findet nicht die Zustimmung unserer afrikanischen Partner. Im Gegenteil, denn sie halten uns die ausbleibenden Ergebnisse vor Ort und vor allem die mangelnde Einhaltung unserer Verpflichtungen vor. Und sie tun dies mit umso größerem Nachdruck, als sie in China ein Alternativmodell gefunden haben. China bezieht nicht nur massenhaft Rohstoffe aus Afrika, sondern errichtet auch Straßen, Ministerien und Krankenhäuser innerhalb weniger Monate nach dem Ersuchen und der erteilten Zusage. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Plus, während unsere Verfahren, die übrigens im Wesentlichen durch den Rat und das Europäische Parlament entwickelt wurden, uns faktisch Fristen von mehreren Jahren zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und der konkreten Umsetzung auferlegen.
Daraus gilt es eine Lehre in Bezug auf die G8 zu ziehen: Während Afrika seine Beziehungen mit den Schwellenländern immer mehr entwickelt, wird der Schönheitswettbewerb der G8 zu einer Nebenvorstellung mit immer weniger Überzeugungskraft werden, wenn es uns nicht gelingt, China und die übrigen Schwellenländer in die internationalen Initiativen für Afrika und die Entwicklung einzubeziehen: Übrigens werde ich aus diesem Grunde Anfang Juli nach China reisen, um mit den chinesischen Kollegen über Afrika zu sprechen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, gestatten Sie abschließend noch einige Worte zum Bericht von Frau Kinnock, d. h. zur Zwischenbilanz bei den Millenniums-Entwicklungszielen, deren gegenwärtige Bedeutung ich für unumstritten halte. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Millenniumsziele erreichbar sind, vorausgesetzt natürlich, dass alle Entwicklungsakteure, die Geldgeber, aber auch die Partnerländer, ihre Verpflichtungen einhalten. Dabei möchte ich das entschlossene und uneingeschränkte Engagement der Europäischen Union in dieser entscheidenden Periode der Umsetzung dieser Ziele unterstreichen.
Gestatten Sie zu diesem Punkt daher einige Bemerkungen bzw. Vorbehalte zu Details der in diesem Bericht enthaltenen Botschaft. Ich bin zwar sehr weitgehend einverstanden mit dem Inhalt des Berichts, bin jedoch ein wenig überrascht von der gemischten Botschaft, die dieser der Welt hinsichtlich der Leistung der Europäischen Union als Geldgeber vermittelt. Ich möchte daran erinnern, dass die Europäische Union, das sollten wir nicht vergessen, der größte Geber von Entwicklungshilfe ist, sowohl vom Volumen als auch vom Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts her: Wir wenden hierfür 100 Euro pro Einwohner auf, gegenüber nur 69 Euro in Japan und 53 Euro in den Vereinigten Staaten. Es geht hier nicht darum, der Selbstzufriedenheit zu frönen, denn auch hier sind natürlich noch Fortschritte möglich und notwendig. Sie sind im Übrigen vorgesehen, nachdem die Europäische Union sich im Europäischen Entwicklungskonsens dazu verpflichtet hat.
Insbesondere wird im Bericht beklagt, dass die Aufstockung der Hilfe bestimmter Mitgliedstaaten teilweise aus Schuldenerlassoperationen resultiere. Ich bin natürlich einverstanden mit dem Sinn dieser Bemerkung bzw. dieses Vorbehalts. Aber selbst wenn man den Schuldenerlass ausklammert, ist die Hilfe der Europäischen Union gestiegen, was bei den anderen großen Gebern nicht der Fall ist. Trotzdem sind wir empfänglich für dieses Argument, und deshalb hat die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis zum Jahresende einen nationalen Zeitplan auszuarbeiten, der die Mittelaufstockungen ausweist, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollen, bis 2010 ihre Entwicklungshilfeziele zu erreichen.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Effizienzgewinn sowie der Multiplikatoreffekt aufgrund der Arbeitsteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die Bedeutung der Einstellung auf die Strategien und Verfahren der Partnerländer sowie ebenso wenig die zunehmende Gewährung von Haushaltszuschüssen in beträchtlicher Höhe. Auch hier spielt die Europäische Union unbestrittenen eine führende Rolle. Ich stelle jedoch ein gewisses Unbehagen gegenüber den Haushaltszuschüssen fest, die immerhin das bevorzugte Instrument der Partnerschaft auf der Grundlage des Vertrauens zwischen Partnern mit gleichen Rechten und Pflichten darstellen. Indem wir die nationalen Politiken unterstützen und uns in den Haushaltsprozess einbringen, entwickeln wir das günstigste Instrument für die Entwicklung von Eigenverantwortung durch die Partnerländer, was im Übrigen eine bessere Voraussehbarkeit und eine außerordentliche Flexibilität ermöglicht. Natürlich ist der Mechanismus noch verbesserungsfähig. Das ist Gegenstand des Vertrags für die Millenniumsziele, den die Kommission derzeit ausarbeitet – ich bin gestern kurz darauf eingegangen, als ich im Ausschuss unserem Kollegen Herrn van den Berg antwortete –, und wir werden in den nächsten Wochen Gelegenheit haben, mit Ihnen über die Kriterien und Bedingungen dieses Vertrags für die Millenniumsziele zu beraten.
Über diese kurzen Bemerkungen hinaus halte ich es für vorrangig, dass wir uns weiter für die Millenniumsziele einsetzen. Mit unserem Handeln werden die Entwicklungsländer eine klare Botschaft der Solidarität seitens der Europäischen Union erhalten, die ihre eigene Entschlossenheit nur stärken kann.
Abschließend danke und beglückwünsche ich Frau Kinnock zu diesem wichtigen Bericht, der die Fragen so stellt, wie sie gestellt werden müssen. Er ist ein äußerst nützlicher Beitrag und eine ständige Quelle der Inspiration für die Arbeit der Kommission.
Glenys Kinnock (PSE), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Vielen Dank für Ihr Erscheinen, mit dem Sie dieser Problematik die ihr gebührende Bedeutung in diesem Parlament geben. Ich möchte ferner dem Kommissar für seine freundlichen Bemerkungen danken. Ich glaube, viele von uns bedauern zutiefst die Tatsache; dass es der Rat vorgezogen hat, heute bei den Diskussionen über den G8-Gipfel und die Millenniums-Entwicklungsziele nicht hier vertreten zu sein. Wir bedauern, dass er andere Prioritäten gesetzt hat.
Mein Bericht bietet Gelegenheit, auf halbem Weg Zwischenbilanz über erzielte oder nicht erzielte Fortschritte bei der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele zu ziehen. Natürlich ist es so, dass viele südlich der Sahara gelegenen Länder in Afrika keine Aussicht haben, auch nur eines der Millenniums-Entwicklungsziele zu verwirklichen. Faktisch kein Land in Afrika ist auf dem Weg, die Millenniums-Entwicklungsziele für die Gesundheit von Müttern und Kindern zu erreichen. Deshalb ist unser Ausschuss übereingekommen, dass die Europäische Union bei der Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen sollte, indem sie finanzielle und andere Unterstützung bereitstellt. Die führenden Vertreter der reichen Länder verpflichteten sich 2005 auf dem G8-Gipfel in Gleneagles, die jährliche Hilfe für die armen Länder auf 50 Milliarden US-Dollar anzuheben und damit zu verdoppeln und gleichzeitig sämtliche Schulden zu erlassen.
Im Mai 2005 hatte der Europäische Rat bereits die Agenda für den im Juli desselben Jahres stattfindenden Gipfel in Gleneagles festgelegt. Man hatte sich auf eine – und das ist wichtig – zeitgebundene Verpflichtung von 0,7 % des BIP und den Erlass sämtlicher Schulden geeinigt. Als ich meinen Bericht schrieb, war klar, dass die Glaubwürdigkeit in Bezug auf einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union ernsthaft in Frage gestellt war. In diesem Punkt bin ich ganz anderer Meinung als der Kommissar. Lässt man den Schuldenerlass außer Acht, so geraten einige Mitgliedstaaten in Rückstand. Die Schuldenvereinbarungen für den Irak und für Nigeria wurden so berechnet, dass sich ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Hilfe bietet. Schätzungen zufolge belief sie sich 2006 auf 13 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2010, wenn die Hilfe für Afrika 50 Milliarden US-Dollar jährlich betragen soll, wäre der Schuldenerlass im Wesentlichen berücksichtigt und hätte daher keinen Einfluss mehr auf den Umfang der Hilfe, die ein Land bereitstellt. Aktuellen Schätzungen von Oxfam zufolge wird sich der Fehlbetrag auf schockierende 30 Milliarden US-Dollar belaufen.
Auf dem G8-Gipfel haben sich einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union nachdrücklich für die Erfüllung der Zusagen eingesetzt. Aber, wie Sie sagten, Herr Kommissar, wurden auf dem Gipfel die Zusagen von 2005 zur Aufstockung der Hilfe wiederholt und bestätigt. Wir haben noch immer keine klaren Zeitpläne und verbindliche praktische Verpflichtungen. Wir brauchen mehr konkrete Angaben und klare finanzielle Zusagen, um beispielsweise die Finanzierungslücken für die Länder, die für die „Fast Track Initiative“ im Bereich Bildung bestätigt wurden, zu füllen.
Wir brauchen ferner Klarheit bezüglich der Verpflichtung, den allseitigen Zugang zur Behandlung von HIV/Aids zu verbessern. Man spricht von 5 Millionen Menschen bis 2010. Wir wollen wissen, ob das die Zahl der weltweit Betroffenen ist, denn wenn sie es ist, dann dürften das eher 10 Millionen sein. Betrifft sie lediglich Afrika, dann vermittelt das Kommunique ein etwas anderes Bild. Natürlich fehlt auch hier eine konkrete Fristsetzung. In der Realität ist es so, dass die Entwicklungsländer nicht daran interessiert sind, dass man ihnen einen Scheck in Aussicht stellt oder eine Art Schuldschein übergibt. Sie wollen in der Lage sein, so wie unsere eigenen Regierungen glaubwürdige und kalkulierte Pläne aufzustellen.
Zum Klimawechsel. Alle G8-Länder mit Ausnahme von Russland und den USA haben sich bereit erklärt, ihre Emissionen bis 2050 zu halbieren. Doch auch diesbezüglich muss ich feststellen, dass keine klaren verbindlichen Ziele gesetzt wurden und selbst für die 50 % bis 2050 wurde von den G8 in Deutschland kein Basisjahr vereinbart. Ferner gibt es keine Vereinbarungen zur Begrenzung des Klimawandels auf 2° C. Angesichts der Bedeutung, die wir dem Schuldenerlass und Hilfszusagen beimessen, ist uns klar, dass wir nach wie vor keine Lösung für die ganze Frage des gerechten Handels gefunden haben. Auf dem G8-Gipfel letztes Jahr in St. Petersburg wurde zu einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde aufgerufen, aber es ist klar, dass die tatsächlichen Ereignisse wenig mit dem zu tun haben, worauf sich die Entwicklungsländer glaubten einzulassen, als sie in die Doha-Runde einstiegen. Die G8-Länder haben in Deutschland lediglich wiederholt, was sie vor einem Jahr bereits in St. Petersburg gesagt hatten.
Hinsichtlich der WPA empfehle ich insbesondere Herrn van den Bergs Änderungsantrag, der aufgrund eines Fehlers bei der Zusammenstellung des Ihnen vorliegenden Textes darin leider nicht enthalten ist. Meiner Ansicht nach stellt er eine sehr wertvolle Ergänzung zu der Debatte über WPA dar.
Abschließend möchte ich feststellen, dass es jetzt darauf ankommt, einen Gang hochzuschalten. 2005 marschierten Tausende unserer Bürgerinnen und Bürger weltweit unter dem Transparent „Make Poverty History“ (Setzt der Armut ein Ende). Wir sehen erste Erfolge unserer Hilfe. Es können echte Verbesserungen in Bezug auf die Linderung der Armut, die Zahl der Schulkinder, die Gesundheit und die Rettung von Menschenleben beobachtet werden. Es bedarf jedoch eines echten sozialen und politischen Wandels sowie eines wachsenden Verständnisses dafür, dass wir nicht Wohltätigkeit, sondern Gerechtigkeit für die Entwicklungsländer der Welt fordern.
(Beifall)
Der Präsident. Vielen Dank für Ihre ausgezeichnete Arbeit, Frau Kinnock, und herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Bericht.
Maria Martens, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Millenniums-Entwicklungsziele, die im Jahr 2000 festgelegt wurden, stellen ehrgeizige Pläne dar, die Armut in der Welt bis 2015 drastisch zu verringern. Ende dieses Monats ist Halbzeit, doch ist leider noch längst nicht die Hälfte dieser Ziele verwirklicht. Die Entwicklungsagenda ist erheblich im Verzug. Noch immer sterben zu viele Menschen an Hunger, noch immer haben zu viele Kinder keinen Zugang zur Bildung, noch immer sind zu viele Frauen benachteiligt und noch immer fordern AIDS, Malaria und Tuberkulose zu viele Opfer, und diese Liste ließe sich bedauerlicherweise noch weiter fortsetzen.
Die sowohl qualitative wie quantitative Verbesserung der Hilfe ist eine absolute Notwendigkeit, und viel hängt vom politischen Willen der Länder ab. Selbstredend müssen alle Länder ihr Versprechen einlösen, 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen. Es geht jedoch nicht nur um Geld. Es geht vor allem um bessere und effektivere Hilfe sowie um eine bessere Koordinierung der Hilfe. Phantomhilfe, bei der die Mittel hauptsächlich für Berater, Evaluierungsberichte und Studien ausgegeben werden, muss eingedämmt werden.
Im Namen meiner Fraktion möchte ich noch einige weitere Punkte ansprechen. Als Erstes möchte ich auf die erforderliche Transparenz der Finanzströme hinweisen. Es muss Klarheit darüber bestehen, wohin die Gelder fließen. Zweitens, was den Schuldenerlass anbelangt, so stellen für viele Länder die Schulden ein Problem dar, doch kann und darf der Schuldenerlass keine Belohnung für das Missmanagement der Regierungen sein. Schulden dürfen infolgedessen nur unter strikten Bedingungen wie verantwortungsvolle Staatsführung und Transparenz erlassen werden. Es muss gewährleistet sein, dass die frei gewordenen Mittel tatsächlich für die Armutsbekämpfung verwendet werden. Drittens möchte ich die Bedeutung des Handels unterstreichen. Handel und Öffnung der Märkte können unter bestimmten Voraussetzungen ein kräftiger Motor für Wirtschaftswachstum sein. Die Länder müssen sich dabei auf unsere Unterstützung verlassen können.
Hinsichtlich der Rechte des geistigen Eigentums möchte ich davor warnen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Für die Industrie muss die weitere Forschung auf dem Gebiet der Bekämpfung armutsbedingter Krankheiten attraktiv bleiben. Dazu bedarf es eines gewissen Patentschutzes geistiger Eigentumsrechte.
Was schließlich die sexuelle und reproduktive Gesundheit betrifft, so sind viele Frauen in Entwicklungsländern während und nach der Schwangerschaft hohen Risiken ausgesetzt und riskieren sogar ihr Leben. Viele von ihnen sterben daran unnötigerweise. Hilfe auf diesem Gebiet ist dringendst geboten. Deshalb sind wir für mehr Hilfe zugunsten dieser Frauen.
Margrietus van den Berg, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Leider ist der Rat nicht anwesend, worüber die Sozialdemokratische Fraktion zutiefst enttäuscht ist. Im Jahr 2000 bekannten sich 191 Führer dieser Welt zu der Millenniumserklärung, bis 2015 die extreme Armut auszurotten sowie die Gesundheit und das Wohlergehen der Ärmsten zu verbessern. Heutzutage hat jeder fünfte Erdenbürger keinen Zugang zu den grundlegenden sozialen Dienstleistungen wie Bildung und sauberes Trinkwasser. In genau zweieinhalb Wochen ist Halbzeit auf dem Weg zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele. In dem hervorragenden Bericht von Herrn Kinnock, der unsere uneingeschränkte Zustimmung findet, wird Zwischenbilanz gezogen.
In den vergangenen siebeneinhalb Jahren wurde intensiv an der Verwirklichung dieser Ziele gearbeitet, und es wurden einige erhebliche Fortschritte gemacht. Vor allem in Asien ist die Armut stark zurückgegangen. Die Zahl der Menschen, die weniger als 1 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben, hat sich seit 1990 um mehr als 250 Millionen verringert. Auch in Lateinamerika ist eine deutlich steigende Tendenz festzustellen. In beiden Regionen ist die Anzahl unterernährter Kinder drastisch geschrumpft. Die Kindersterblichkeit sank um mehrere Prozente. Hunderttausende Menschen in Lateinamerika und Asien wurden aus der Armut befreit, worauf diese Regionen und die ganze Welt stolz sein dürfen.
Ein Übelstand in Asien und Lateinamerika ist nach wie vor die enorme Kluft zwischen Arm und Reich. Wir müssen bei der Durchführung von Strategien zur gerechteren Verteilung natürlicher Ressourcen und von Grund und Boden, zu gerechteren Abgaben, weniger Korruption und verantwortungsvollem Regieren behilflich sein. Ungeachtet allen Wachstums und Fortschritts bleiben noch zu viele Menschen von grundlegenden sozialen Dienstleistungen ausgeschlossen. Darauf müssen die europäischen Hilfsprogramme über den Weg der Zivilgesellschaft ausgerichtet sein.
Auf einem Kontinent allerdings hat es bei der Verwirklichung der Millenniumsziele in den vergangenen Jahren Rück- anstatt Fortschritte gegeben. Trotz einzelner heldenhafter Leistungen, trotz der Bemühungen vieler geht es mit Afrika bergab. Voraussichtlich wird keines der Millenniums-Entwicklungsziele rechtzeitig erreicht. In Afrika südlich der Sahara leiden Dreiviertel der Bevölkerungen an HIV/AIDS.
Die Zahl der Hungerleidenden in dieser Region ist um zig Millionen gestiegen. Wie lässt sich nun bei den erfolgreichen Bevölkerungsgruppen ein Umdenken bewirken? Wie können wir dazu beitragen, dass sich durch afrikanische Geschäftsleute, Frauengenossenschaften und Mikrokreditbanken das Blatt wendet? Indem wir erstens nicht nur die Opfer in den Mittelpunkt stellen, sondern auch die Erfolge, einschließlich beispielsweise die Beendigung von Kriegen wie unter anderem in Mosambik, ganz zu schweigen von afrikanischen Spitzendiplomaten wie Kofi Annan, Modehäusern aus Abuja, Winzern aus Südafrika, Piloten aus Ghana, Spitzenfußballspielern aus ganz Afrika und IKT-Unternehmerinnen. Sie werden es sein, die Afrika verändern. Mit ihnen wünsche ich mir eine Partnerschaft. Auf sie muss sich unsere europäische Hilfe konzentrieren. Ihnen müssen Handelsvorteile geboten werden anstatt sie mit unseren zu Schleuderpreisen verkauften Waren zu traktieren.
Es ist Zeit für einen Neubeginn, für eine Wende, nach der es aufwärts geht. Afrika kann nämlich neu erstehen, wenn seine Vorzüge und nationalen Ressourcen und unsere aufrichtige Zusammenarbeit in den Bereichen Hilfe und Handel miteinander kombiniert werden. Aufrichtige Zusammenarbeit bedeutet, dass wir den Europäischen Entwicklungsfonds und unsere Haushaltsmittel für Entwicklungshilfe stärker auf die Millenniums-Entwicklungsziele, auf Bildung und auf Gesundheitsfürsorge ausrichten.
Sie haben Recht, Herr Kommissar, Verträge zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele stellen dafür einen geeigneten Weg dar. Dies schließt auch die G8 mit ein, von denen für wichtige Aufgabenstellungen konkrete Fristen gesetzt wurden. Ehrliche Kooperation bedeutet großzügige Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Afrikanische Unternehmer müssen ihre Produkte auf unserem Markt mit einem Mehrwert absetzen können. Wenn das APS-plus dabei hilfreich sein kann, muss davon Gebrauch gemacht werden. Stellen wir eine afrikanische Mannschaft aus guten Spielern, aus Gewinnern, zusammen und geben wir in der zweiten Halbzeit des Wettspiels um die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 dem afrikanischen Team die Chance, diesen Fußballwettkampf zu gewinnen. Das käme Afrika und auch der übrigen Welt zugute.
Johan Van Hecke, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Es ist wohl kein Zufall, dass in einer Debatte über Entwicklungszusammenarbeit viel Niederländisch gesprochen wird, worüber ich höchst erfreut bin.
Den Ergebnissen der G8 nach zu urteilen, lässt sich sagen, dass es auf dem Weg zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele nur noch einen Schritt nach vorn und zwei zurückgeht. Ja, in Heiligendamm wurde das Thema Afrika kurz angesprochen, sei es auch nur, um Bono und Bob Geldof nicht zu verstimmen. Die Versprechen von 2005 wurden nochmals wiederholt, neue Verpflichtungen wurden aber nicht eingegangen, geschweige denn ein Zeitplan festgelegt. Ich teile die Besorgnis von Herrn Kinnock, dass wir bei diesem Tempo 2015 unser Ziel nicht erreichen werden. Der Bericht unseres Kollegen Kinnock ist übrigens zu einem sehr ausgewogenen Dokument geworden, in dem auch den Anliegen unserer Fraktion Rechnung getragen wurde, die ich hier kurz aufzählen möchte.
Erstens, die 0,7 % dürfen nicht fetischisiert werden. Qualität und Effizienz der gewährten Hilfe sind mindestens genauso wichtig wie deren Quantität. Die so genannten Entwicklungsausgaben bestimmter Regierungen werfen viele Fragen auf, und die Koordinierung lässt häufig zu wünschen übrig. Zweitens, mehr direkte Haushaltshilfe ist unabdingbar, sollen die Millenniums-Entwicklungsziele erreicht werden, aber sie muss an Bedingungen geknüpft werden, in erster Linie an verantwortungsvolles Regieren sowie an die zwingend notwendige Durchführung der parlamentarischen Kontrolle. Drittens, wir sind für einen weiteren Schuldenerlass – keinen linearen, sondern einen an Konditionen gebundenen. Die dadurch frei werdenden Mittel könnten in einen Fonds fließen, der vorrangig für Bildung und Gesundheitsfürsorge eingesetzt wird.
Lassen Sie mich abschließend bemerken, dass die Diskussion, ob dem Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele oder der handelsbezogenen Entwicklungszusammenarbeit Priorität eingeräumt werden soll, Spiegelfechterei ist, an der wir uns nicht beteiligen wollen. Nach unserem Dafürhalten geht es nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Nur die vereinte Anstrengung der internationalen Gemeinschaft kann Afrika heute helfen. Die fortgesetzte Finanzierung der so genannten reproduktiven Rechte, wie z. B. der Abtreibung, durch Europa stellt ein grundlegendes Hindernis für diese Einheit dar.
Abtreibung ist weder in moralischer noch medizinischer Hinsicht eine Antwort auf das Problem der Müttersterblichkeit in Afrika. Wenn wir den afrikanischen Frauen hier helfen wollen, müssen wir medizinische Hilfe, Trinkwasser sowie Bildungsmöglichkeiten und Gesundheitsdienstleistungen bereitstellen. EU-Mittel zur Finanzierung von Abtreibungen in Afrika zu verwenden, ist mit dem Grundsatz der Hilfeleistung unvereinbar.
Das macht alle Bürger der Europäischen Union zwangsläufig zu indirekt Beteiligten. Das ist auch eine Form des moralischen Imperialismus gegenüber Afrika, die von diesem Hohen Haus nicht gebilligt werden kann. Deshalb appelliere ich an Sie, gegen Ziffer 40 und 41 dieses Berichts zu stimmen. Mein Appell richtet sich vor allem an die christdemokratischen Abgeordneten dieses Hauses. Sollte er keinen Erfolg haben, sehen wir uns außerstande, diesen Bericht zu unterstützen.
Frithjof Schmidt, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir ziehen jetzt Halbzeitbilanz bei der großen Anstrengung zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, und diese Bilanz ist schlecht. Das arbeitet der Bericht von Glenys Kinnock klar heraus. Meine Fraktion unterstützt diesen guten Bericht mit großem Nachdruck.
Wenn es politisch so weitergeht, dann werden viele Entwicklungsländer, insbesondere in Afrika, die Millenniums-Entwicklungsziele nicht erreichen und die meisten Industrieländer werden ihre Versprechen zur Leistung finanzieller Hilfe nicht einlösen. Der G8-Gipfel in Heiligendamm in Deutschland war dafür leider ein erneutes Beispiel.
Seit 1999 werden alle zwei Jahre immer wieder die gleichen Versprechungen gemacht und nicht eingelöst. Das erschüttert in den Augen vieler Entwicklungsländer unsere Glaubwürdigkeit als Europäische Union. Die Versprechen von Heiligendamm werden jetzt auf die Versprechen von Gleneagles angerechnet. Sechzig Milliarden US-Dollar für den Global Fund, aber man sagt, das verrechnen wir mit den nicht eingelösten Versprechen von Gleneagles. So etwas nennt man doppelte Buchführung. Das ist ein Verwirrspiel mit Zahlen ohne Verbindlichkeit für die einzelnen Länder.
Ich fand es sehr gut, Herr Kommissar, dass Sie in diesem Zusammenhang hier sehr deutliche Worte gefunden haben. Genau das ist nötig. Es ist unsere Aufgabe als Parlament, das klar zu benennen und entsprechenden Druck zu machen, damit wenigstens die Europäische Union ihren Stufenplan für das Erreichen des 0,7 %-Ziels bei der öffentlichen Entwicklungshilfe bis 2015 genau und ohne Buchungstricks einhält.
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Es handelt sich hier um eine Bilanz des G8-Gipfels. Auf diesem G8-Gipfel wurde eine Klimaerklärung abgegeben, die ganz offensichtlich nichts wert ist. Ich schließe mich den Erklärungen der Umweltorganisationen an. Greenpeace sagt, das sei absolut zu wenig, und der Bund für Umwelt und Naturschutz sagt, das seien schwammige Versprechen, die hier gegeben wurden. Alles ist sehr unverbindlich geblieben.
Herr Louis Michel, ich schließe mich Ihnen an, wenn Sie sagen, dass in Bezug auf Afrika sehr unzureichend diskutiert worden ist. Der Schuldenerlass für die ärmsten Länder ist immer noch überfällig. Da dies aber auch eine Debatte über den G8-Gipfel insgesamt ist, will ich noch einmal daran erinnern, dass diese G8-Staaten keinerlei Legitimation haben. Sie sind selbst ernannte Führer dieser Welt. Dieser G8-Gipfel hat 100 Millionen Euro gekostet, davon allein der Zaun um Heiligendamm schon 12,5 Millionen Euro. Es gab eine sehr erfolgreiche Demonstration von 80 000 Menschen gegen diesen G8-Gipfel, und die falschen und bedauerlichen Ausschreitungen wurden von der Polizei genutzt, um im Nachhinein rechtsstaatliches Vorgehen außer Kraft zu setzen. Wir wissen z. B. inzwischen, dass verdeckte Ermittler von der Polizei unter den Demonstranten waren und wohl auch zu Gewalttaten aufgerufen haben. Auch konnten Anwälte dort kaum ihre Arbeit tun, und Richter wurden zum Anhängsel der Polizei. Die Anwälte mussten lange darum kämpfen, um überhaupt zu den Gefangenen vorgelassen zu werden. Es sind Gefangenenkäfige eingerichtet worden, die Amnesty International klar kritisiert und als nicht in Ordnung bezeichnet hat. Im Umfeld dieses Gipfels wurde eine Repression betrieben, die eines Polizeistaats würdig ist. Bei Repressionen gegen Bürgerinnen und Bürger ist es nicht immer notwendig, in die Ferne zu schweifen, nein, mitten in der Europäischen Union, im Kontext dieses G8-Gipfels, wurden Menschenrechte mit Füßen getreten.
Georgios Karatzaferis, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Zunächst bin ich der Ansicht, dass kein Bürger auf der Welt Vertrauen in diesen G8-Gipfel hat. Er erinnert an die Feudalherren von vor 400 Jahren, die zusammenkamen und bestimmte Dinge beschlossen, ohne das Volk mitreden zu lassen. Dies ist moderner Feudalismus. Die G8 wird tagen, und es wird eine Lotterie veranstaltet, um zu bestimmen, welche acht Delegierten aus armen Ländern teilnehmen können. Wir reden über Afrika. Nennen Sie mir den Namen eines großen Krankenhauses in ganz Afrika. Würden Sie sich in Tansania behandeln lassen, Herr Präsident, wenn Sie eine schwere Krankheit hätten? Sie würden sich nach Deutschland oder England begeben. Nennen Sie mir den Namen einer großen Bank, die ihren Firmensitz in Afrika hat. Alle Großbanken, denen wir unser Geld anvertrauen, sitzen in der nördlichen Hemisphäre. Es handelt sich hier um eine besondere Form des Rassismus, zu der wir uns endlich bekennen sollten. Oder aber es wird zumindest eine Art von Rassismus gegenüber diesen Ländern geduldet. Was wir ihnen geben, ist wie das Trinkgeld, das wir unserem Fensterputzer geben.
Wir brauchen eine Entscheidung, eine Ideologie, der zufolge alle Bürger der Welt denselben Anspruch auf Demokratie und Gesundheit und Mitwirkung an den Entscheidungen haben, die sie betreffen. Ich bin nicht der Meinung, dass das, was heute geschieht, Demokratie ist. Wir teilen den Reichtum, wir verursachen überall auf der Welt Krebs, während sich die Supermacht Amerika weigert, Kyoto zu unterstützen, mit dem Ergebnis, dass Tod und Erderwärmung uns alle heimsuchen, und die Menschen haben kein Mitspracherecht. Deshalb brauchen wir mehr Demokratie, besseren Zugang und stärkere Achtung vor den Bürgern, vor allem in Ländern, in denen die Demokratie noch nicht hell genug leuchtet. Wir müssen vorsichtig sein, weil wir sonst eine neue AIDS-Epidemie aus Afrika bekommen, die katastrophaler als das AIDS sein wird, das so viele Bürger der nördlichen Hemisphäre ins Jenseits schickt.
Koenraad Dillen, im Namen der ITS-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle erfreut fest, dass der Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe wieder bei uns ist. Wir wissen, dass er sehr beschäftigt ist. Die Auszeit als Kommissar, die er sich genommen hat, um bei den Parlamentswahlen in Belgien eine aktive Rolle zu spielen, ist wohl zu Ende – und die Auszeit dieses EU-Kommissars hat sich für seine Partei sicherlich gelohnt, wozu ich ihn beglückwünschen möchte. Nichtsdestotrotz konstatieren wir mit Bewunderung und einiger Verwunderung, dass er selbst nach seiner Auszeit an beiden Fronten aktiv bleibt: hier in diesem Plenarsaal als Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit, aber auch in Brüssel, wo fieberhaft an der Bildung einer neuen belgischen Regierung gearbeitet wird und wo der Kommissar die französischsprachige Grüne Partei meines Landes heute zur Regierungsbeteiligung auffordert. Es ist wahrlich keine leichte Aufgabe, den Job eines EU-Kommissars mit dem eines belgischen stellvertretenden „Informateurs“, der im Auftrag der Krone die Möglichkeiten einer Kabinettsbildung sondiert, zu kombinieren. Dabei erhebt sich wohl auch die Frage, ob diese Mischung nicht zu einer möglichen Befangenheit führen könnte und ob die Neutralität der Kommission hierdurch nicht in Frage gestellt wird.
Von dieser Bemerkung abgesehen sollten wir uns – und ich spreche jetzt über den Bericht Kinnock – lieber der Frage zuwenden, inwieweit unser Ansatz bei den Millenniums-Entwicklungszielen wissenschaftlich fundiert ist. Diese provozierende Frage wurde von Amir Attaran gestellt, einer Autorität auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit an der Universität Ottawa in Kanada. Herr Attaran hegt tatsächlich erhebliche Bedenken gegen die wissenschaftliche Grundlage dieser Ziele und vor allem dagegen, wie ihre Erreichung gemessen wird. Als Beispiel nennt er die Zielvorgabe in puncto Malaria und erklärt, dass selbst Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation einräumen, sich der betreffenden Daten, die angegeben werden, nicht sicher zu sein. Indem sie sich auf ungewisse Statistiken stützt, baut die UN in Bezug auf die Verwirklichung eines Teils der Millenniums-Entwicklungsziele laut Herrn Attaran auf Treibsand. Wissenschaftliche Zuverlässigkeit muss auch bei der Entwicklungszusammenarbeit oberstes Gebot sein. Es ist an der Zeit, dass über dieses Thema eine ausführliche Debatte geführt wird.
Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin und meinen Kolleginnen und Kollegen für die hervorragende Arbeit, die sie geleistet haben, sowie für die Unterstützung, die sie meinen Änderungsanträgen im Entwicklungsausschuss angedeihen ließen, meinen Dank aussprechen.
Ich möchte auf einige Punkte näher eingehen. Der Kampf gegen AIDS muss, vor allem in Anbetracht der letzten UN-Berichte und der spärlichen Ergebnisse, die bisher im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele erreicht wurden, weiterhin eine Priorität für die internationale Gemeinschaft bleiben, eine unerschütterliche Verpflichtung und eine Verantwortung, die auf den Industrieländern lastet. Und zwar, weil es unmöglich ist, fortwährend von wirtschaftlicher Entwicklung, Bildung und Gesundheitsinfrastruktur zu sprechen, wenn die Erwerbsbevölkerung, die diese Reformen durchführen könnte, trotz Therapien und Medikamenten, die offenkundig noch nicht ausreichen und nicht effizient genug sind, Tag um Tag weiter dezimiert wird.
Dem Bericht von UNAIDS zufolge waren 2006 zwischen 4 und 6 Millionen Neuinfektionen zu verzeichnen, und im selben Jahr traten 3 Millionen Todesfälle auf, von denen 2/3 auf das südlich der Sahara gelegene Afrika entfielen, die Region also, für die die Millenniums-Entwicklungsziele hauptsächlich gelten. Es handelt sich um über 8 000 Todesfälle pro Tag, eine Zahl, die wirklich unhaltbar ist.
In diesem Kampf und im Kampf gegen die Armut im Allgemeinen haben wir unsere Ziele um Längen verfehlt, und die Ausreden jener Länder, die, wie leider auch mein Heimatland, die ohnehin minimalen Verpflichtungen – daran sei erinnert –, die sie gegenüber der internationalen Gemeinschaft eingegangen sind, noch nicht erfüllt haben, können nicht länger hingenommen werden. Von den Regierungen der Geberländer müssen wir darüber hinaus nicht nur eine effizientere Entwicklungshilfe, sondern auch größtmögliche Kohärenz mit ihrer Handelspolitik verlangen, denn Entwicklungshilfe zu leisten bedeutet vor allem, den Ländern in Schwierigkeiten die Chance zu geben, sich mit ihren eigenen Mitteln wieder aufzurichten.
Vor uns liegen also neue Herausforderungen, Aufgaben, Prüfungen und Verpflichtungen. Hoffen wir, dass Europa diesmal wirklich in der Lage ist, die ihm gebührende Rolle wahrzunehmen.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ende des Zweiten Weltkrieges, als die Konzentrationslager befreit wurden, sagten wir: „Nie wieder!“ Nie wieder sollte sich die Unmenschlichkeit von Menschen gegen Menschen wiederholen. Wir in diesem Hohen Haus und all jene, die letzte Woche am G8-Gipfel teilgenommen haben, wissen, dass jedes Jahr Millionen von Kindern im Alter von bis zu fünf Jahren sterben, weil sie keinen Zugang zu Impfstoffen haben, die für uns im so genannten Westen seit 30 Jahren selbstverständlich sind. Das ist noch viel beschämender als das, was in den Konzentrationslagern passiert ist, weil wir wissen, dass es passiert. Es passiert vor unseren Augen. Und was tun wir? Wir haben die Führungsrolle abgegeben. Wir haben die Führungsrolle an Rockstars abgegeben – und wir sollten dem Herrgott für sie danken, denn wenn wir sie nicht hätten, wer würde dann Druck ausüben? Es fehlt Europa in erschreckender Weise an politischem Durchsetzungsvermögen.
Wenn wir davon sprechen, wie wir Europa den Bürgern vermitteln, dann denken wir, wir können zu den Bürgern über Verfassungsverträge und dergleichen sprechen. Das ist Nonsens. Wie ich bereits sagte, reden die Bürger in den Kneipen von Dublin oder in deutschen Restaurants nicht über Verfassungsverträge. Aber schauen Sie sich die Menschen an, die nach Gleneagles kamen, die sich frei genommen haben, um nach Gleneagles zu marschieren, die all diese Rockkonzerte über die Dritte Welt besucht haben. Warum stellen wir uns nicht an die Spitze dieser Menschen? Wo sind die europäischen Staatsmänner und –frauen? Wir haben allenthalben Politiker – und noch dazu schlechte Politiker. Kein Delors, kein Kohl.
Hier ist Führungsstärke gefragt, und die G8 haben uns im Stich gelassen. Sie haben nicht die Führungsstärke gezeigt, die diese Problematik verdient, und dieses Haus darf nicht zulassen, dass das so bleibt. Wir müssen darauf bestehen, dass Politiker im Westen, in der Europäischen Union und im Rahmen der G8 in dieser Frage Führungsstärke zeigen. Alles andere ist inakzeptabel, und Sie, Herr Präsident, müssen dazu ebenfalls einen Beitrag leisten. Sie könnten in diesem Haus mit gutem Beispiel vorangehen. Sie könnten Einfluss auf jene nehmen, die in der Lage sind, Änderungen zu bewirken. Wir können etwas bewirken. Wir dürfen diese schwache Leistung nicht hinnehmen. Der G8-Gipfel war für die Menschen eine große Enttäuschung. Er hat deutlich gemacht, dass es uns an Staatsmännern, Staatsfrauen und führungsstarken Politikern fehlt, und ich hoffe, dass sich das ändert.
Der Präsident. Vielen Dank, Herr Mitchell. Ich weiß es zu würdigen, dass Sie dem Präsidenten des Europäischen Parlaments einen so hohen Stellenwert beimessen, aber er war nicht nach Heiligendamm eingeladen.
Ana Maria Gomes (PSE). – (PT) Völkermord in Darfur, tiefe Krisen in Simbabwe, Somalia, Äthiopien und Nigeria, Korruption, Pandemien, Desertifikation, Waffenlieferungen, Wettlauf um Erdöl und andere Naturreichtümer – das alles sind Faktoren, die in Afrika immer mehr Konflikte heraufbeschwören und die Zahl der Verzweifelten, die ihr Leben riskieren, um nach Europa oder dorthin, wo sie bessere Bedingungen finden, zu gelangen, anwachsen lässt. Deshalb ist es deprimierend festzustellen, dass man auf dem G8-Gipfel sich darauf beschränkt hat, die nicht eingehaltenen Versprechen von Gleneagles einfach zu wiederholen. Wie der Bericht Kinnock zur Halbzeit gut dokumentiert, müssen die europäischen Regierungen und die Kommission die Millenniumsziele erst einmal als Priorität begreifen.
Speziell in Afrika müssen die Millenniumsziele Grundlage jedweder Sicherheits- und Entwicklungsstrategie sein, und deshalb darf die auf dem EU-Afrika-Gipfel im Dezember zu beschließende gemeinsame Strategie für die Zusammenarbeit nicht als Gelegenheit zu einem weiteren reinen „Fototermin“ verkommen. Im Ergebnis dieses Gipfels müssen sich die europäischen und afrikanischen Behörden im Interesse der Umsetzung der Millenniumsziele auf stufenweise zu erfüllende Verpflichtungen festlegen und Strategien erarbeiten, die auch Nachfolgeregierungen binden und über engstirnige, der Sache unangemessene Bemühungen, China unbedingt übertrumpfen zu wollen, hinausgehen.
In die Stärkung der demokratischen Institutionen und der Zivilgesellschaften in den afrikanischen Ländern zu investieren, heißt auch in jene zu investieren, die für Menschenrechte, für die Rechte der Frauen und für die bürgerlichen Freiheiten in Afrika kämpfen. Das heißt für die EU und ihre afrikanischen Partner, dass sie voneinander die Erfüllung verbindlicher Abkommen – wie des Cotonou-Abkommens – einfordern müssen. Ohne Justiz und ohne Rechtsstaat kann es keine gute Regierungsführung und schon gar keine nachhaltige Entwicklung geben.
Toomas Savi (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zur Zwischenbilanz bei den Millenniums-Entwicklungszielen zwei Anmerkungen machen.
Erstens liegt es auf der Hand, dass die Beseitigung der Armut in der Welt eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts für die gesamte Menschheit darstellt. Für mich als Arzt ist es ganz klar, dass Armut und Krankheiten wie HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose Hand in Hand gehen und einen „Tsunami“ auslösen, der jedes Jahr Millionen von Menschenleben auslöscht. Es ist bedauerlich, dass aus dieser schrecklichen Tragödie eine nichts sagende alltägliche Zahl geworden ist. Die Beseitigung der Armut setzt die Ausrottung dieser Krankheiten und die Stärkung des Gesundheitswesens in Afrika durch die Bereitstellung zumindest der angekündigten 60 Milliarden US-Dollar durch die G8-Länder in den nächsten Jahren voraus. Die heutige Welt hat die Chance, diese Krankheiten in die Geschichtsbücher zu verbannen, und das muss uns gelingen.
Ich begrüße auch die Entscheidung der G8, dass 100 % der Schulden, die die hoch verschuldeten armen Länder beim IWF, der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank haben, erlassen werden sollen.
Die Millenniums-Entwicklungsziele können nur unter friedlichen Bedingungen erreicht werden. Das bedeutet, dass viele lokale militärische Konflikte in Afrika beendet werden müssen, vor allem die anhaltende Krise in Darfur, die mit der Missachtung grundlegender Menschenrechte einhergeht.
Zweitens möchte ich feststellen, dass die neuen Mitgliedstaaten, die noch vor kurzem offizielle Entwicklungshilfe erhielten und die seit einigen Jahren ein rasches BIP-Wachstum verzeichnen, nicht nur ihre festgesetzten Ziele erreichen, sondern ihre Beiträge erhöhen sollten. Selbstverständlich unterstütze ich Frau Kinnocks Bericht.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Sie auf drei Punkte aufmerksam machen. Bedauerlicherweise geht die von der Union der Fünfzehn für die Verwirklichung der Millenniumsziele bereitgestellte Hilfe – berechnet als Prozentsatz vom BIP – zurück. Die meisten Länder haben nicht einmal das Zwischenziel von 0,33 % erreicht. Im Bereich der Grundbildung machen die bereitgestellten Mittel nur 23 % und im Gesundheitsbereich 36 % des Bedarfs aus.
Nur 18 der 60 bedürftigen Länder wurden die Auslandsschulden erlassen. Das sind dennoch wichtige Entscheidungen, denn damit wird nicht nur die oftmals nicht tragbare finanzielle Belastung dieser Länder verringert, sondern die Länder, die von ihren Schulden entlastet wurden, haben damit, wie die Weltbank feststellte, ihre Ausgaben zu Bekämpfung der Armut verdoppelt.
Drittens: Am wirksamsten kann den armen Ländern geholfen werden, wenn die am stärksten entwickelten Länder der Welt ihnen Zugang zu ihren Märkten gewähren und die Entwicklung von Klein- und Kleinstunternehmen in den armen Ländern unterstützt wird.
Schließlich müssen auch die Entwicklung der örtlichen Gebietskörperschaften und der NRO gefördert sowie ein zentrales System für die Verwaltung der aus dem EU-Haushalt bereitgestellten Hilfe geschaffen werden, da nur auf diese Weise die Effektivität verbessert sowie Bürokratie und Korruption begrenzt werden können.
Margrete Auken (Verts/ALE). – (DA) Herr Präsident! Ich möchte Frau Kinnock für ihren ausgezeichneten Bericht zur Zwischenbilanz bei den Millenniums-Entwicklungszielen danken. Es freut mich insbesondere, dass wir eine Neubewertung von handelsbezogener Hilfe, Entwicklungshilfe und Landwirtschaftsbeihilfen fordern. Unsere verurteilungswürdige Praxis, mit einer Hand zu geben und mit der anderen oft sogar mehr zu nehmen, muss ein Ende haben. Gleichzeitig wird im Bericht auf eine Reihe extrem wichtiger Bereiche eingegangen, in denen Hilfe geleistet wird. Nichtsdestoweniger haben wir ihn nur mit Mühe durch den Ausschuss für regionale Entwicklung bekommen. Viele Änderungsanträge der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten wurden nur knapp abgelehnt. Wären sie angenommen worden, wäre der Bericht letztlich deutlich verwässert worden.
Ansonsten enthält der Bericht nur Versprechen, die die Mitgliedstaaten vor langer Zeit feierlich und mit großem Tamtam den armen Ländern gegeben haben sowie heftige Kritik an der Tatsache, dass diese Versprechen bislang nicht erfüllt wurden. Der Bericht weist deutlich darauf hin, dass die Praxis des Schuldenerlasses als clevere Möglichkeit, Verpflichtungen nachzukommen, verwerflich ist. Schulden werden in den Geberländern häufig abgeschrieben oder oft sogar vollständig amortisiert, was dazu führt, dass die Länder, die auf diese Weise Gelder in Form von Beihilfe erhalten, die reichen Geberländer sind. Der Anstand gebietet, dass wir dies nicht zulassen. Das Parlament sollte gemeinschaftlich diese Art der Gaunerei ablehnen.
Wir sollten auf Kritik und Selbstkritik beharren. Unsere Glaubwürdigkeit hat gelitten, denn Versprechen sollte man halten. Die Millenniums-Entwicklungsziele sowie die in den großspurigen Reden auf dem G8-Gipfel vergangene Woche zu den Problemen Afrikas dargelegten Ziele sind von Wichtigkeit. Die Tatsache, dass der Rat sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, heute in diesem Hause anwesend zu sein, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie ernst er seine Versprechen nimmt. Es ist faktisch schwierig zu verstehen, wie wir den Rat ernst nehmen sollen, wenn er sich selbst nicht ernst nimmt.
Man sollte sich jedoch nicht ausschließlich darauf konzentrieren, wie die Mitgliedstaaten die an sie gestellten Forderungen umgehen bzw. sich so einfach wie möglich aus der Pflicht zur Erfüllung der Vorgaben stehlen können. Wir sollten uns gemeinsam darauf einigen, wie wir unser Ziel, die Armut bis 2015 zu halbieren, erreichen können. Wenn wir darüber hinaus unsere Glaubwürdigkeit in den Entwicklungsländern wahren wollen, müssen wir streng darauf achten, dass wir unsere Versprechen tatsächlich auch erfüllen. Wir sollten uns bemühen, Wege zu finden, wie eine solche Überwachung erfolgen kann. Keiner von uns darf künftig ungestraft davonkommen, wenn er unsere Verpflichtungen ignoriert.
Vittorio Agnoletto (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der G8-Gipfel steht für ein eklatantes Versagen bei der Bekämpfung der Armut und der globalen Erwärmung. Die müden Rituale eines Gipfels, der, obwohl er legitim ist, inzwischen der Geschichte zuwiderläuft, wenn man den Widerstand gegen die Einbeziehung der Schwellenländer wie Brasilien, Südafrika, China und Indien bedenkt, spiegelten sich in der Inhaltslosigkeit seiner Schlusserklärungen wider.
2005 in Schottland hatten sich die reichen Länder feierlich verpflichtet, die öffentliche Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2010 auf 50 Milliarden Dollar jährlich zu erhöhen, wobei die Hälfte davon Afrika zugute kommen sollte, um die Erreichung der von den Vereinten Nationen für 2015 festgelegten Entwicklungsziele zu gewährleisten.
Zwei Jahre danach sind entsprechend den Verlautbarungen des unter dem Vorsitz von Kofi Annan tätigen Africa Progress Panel lediglich 10 % der zugesagten Mittel auch wirklich aufgebracht worden. Und als wäre nichts geschehen, haben die G8-Länder in Rostock eine neue, sehr vage und absichtlich irreführende Verpflichtung bezüglich der Bereitstellung von 60 Milliarden Dollar für die AIDS-Bekämpfung übernommen. Es wurde keine Frist festgesetzt und für die Hälfte des Betrags wurden faktisch die Verpflichtungen wieder eingesetzt, die die US-Regierung bereits bis 2013 eingegangen war. Die Aufstockung um 3 Milliarden jährlich über die Zusagen hinaus, die bereits von anderen Regierungen, u. a. auch von den europäischen, gemacht wurden, reicht jedoch nicht aus, um die humanitäre Notsituation in Bezug auf AIDS und andere Pandemien zu bewältigen.
Was die globale Erwärmung anbelangt, so wurde es als Erfolg begrüßt, dass kein Beschluss gefasst wurde. Das Ergebnis der dreitätigen Sitzungen, die 120 Millionen Euro gekostet haben, war die Verweisung eines etwaigen Abkommens über die Begrenzung der Kohlendioxidemissionen an die UNO. Es wird kein einziges Versprechen gehalten werden können, wenn nicht die herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle in Frage gestellt werden.
Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Ich freue mich, dass der Juristische Dienst des Europäischen Parlaments festgestellt hat, dass es falsch ist, sich in diesem Bericht auf die nicht ratifizierte EU-Verfassung zu beziehen.
Die von mir vertretene Juniliste hat konsequent unterstrichen, dass es verwerflich ist, auf die EU-Verfassung zu verweisen, da die Bevölkerung zweier EU-Mitgliedstaaten in Volksbefragungen diese klar und deutlich abgelehnt hat. Um die Verfassung als Rechtsgrundlage oder Referenz anwenden zu können, muss sie einhellig ratifiziert werden. Ich appelliere an das Parlament, dies zukünftig zu respektieren.
Die reichen Länder der Welt haben eine moralische Verpflichtung, den Entwicklungsländern einen Teil ihres Wohlstandes abzugeben. Somit unterstütze ich von ganzem Herzen die in den Millenniums-Entwicklungszielen festgelegten wichtigen Zielsetzungen. Nach Ansicht der Juniliste sollten Entwicklungshilfefragen ausschließlich von den einzelnen Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit Organisationen behandelt werden, die über eine umfassende internationale Legitimität und lange Erfahrungen verfügen.
Die Rolle der EU sollte in diesem Zusammenhang vor allem in der Abwicklung der destruktiven Fischereiabkommen liegen, die die Union mit armen Entwicklungsländern abschließt, sowie in der drastischen Reformierung der protektionistischen Handels- und Agrarpolitik. Diese erschwert den Landwirten in armen Entwicklungsländern den Absatz ihrer Erzeugnisse auf dem europäischen Markt.
Anna Ibrisagic (PPE-DE). – (SV) Herr Präsident! Wir sprechen hier im Parlament oft darüber, wie viel wir gegenwärtig an Entwicklungshilfe zahlen und wie viel Geld wir zukünftig dafür aufwenden sollten. Dabei behaupten wir ständig, dass die Entwicklungshilfemittel nicht ausreichen und die Millenniums-Entwicklungsziele nicht erreicht werden. Wir werden diese Ziele nicht erreichen, wenn die Entwicklungsländer keine Hilfe erhalten, die es ihnen ermöglicht, ihre Wirtschaften zu entwickeln und sich damit selbst zu helfen.
Die Kollegen hier im Hause, die mich kennen, wissen, dass ich Schweden vertrete, aber vor 14 Jahren als Flüchtling aus Bosnien gekommen bin. Ich weiß daher, dass Menschen, die sich in einer schwachen Position befinden und Hilfe benötigen, solche Hilfe haben wollen, die dazu führt, dass sie sich in kurzer Zeit selbst helfen können und so schnell wie möglich selbstständig und unabhängig werden und dann keine Hilfe mehr benötigen. Was sie absolut nicht wollen, sind Leute, die Mitleid mit ihnen haben, und Hilfe, die zur Abhängigkeit von Hilfe auch in Zukunft führt. Auch vor diesem Hintergrund sollte meine Kritik an diesem Bericht betrachtet werden, wenn ich eine noch stärkere Betonung des Handels und seiner positiven Bedeutung für die Entwicklung fordere.
Ein weiteres Thema, das im Bericht ebenfalls nicht ausreichend betont wurde, ist die Liberalisierung. Die Ansicht, dass die Entwicklungshilfe erhöht werden sollte, ohne dass von den Entwicklungsländern beispielsweise eine Reduzierung ihrer Schulden verlangt wird, bedeutet, dass Entwicklungshilfe gewährt wird, ohne Forderungen nach Liberalisierung oder Schuldensanierung zu stellen. Ohne eine Liberalisierung wachsen jedoch die Schulden immer weiter an und es kommt zu der Situation, die ich zu Beginn meiner Ausführungen beschrieben habe, in der die Hilfe zur Abhängigkeit von Hilfe führt – zu einem Zustand, der niemals eintreffen darf.
Der Präsident. Vielen Dank, Anna Ibrisagic. Wenn man Ihren Namen zur Kenntnis nimmt, würde man nicht glauben, dass Sie so großartig schwedisch sprechen. Das ist ein tolles Beispiel.
Anne Van Lancker (PSE). – (NL) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Kinnock zu einem zwar kritischen, aber meines Erachtens überaus sachdienlichen Bericht herzlich beglückwünschen. Dem Kommissar möchte ich für seine Betrachtungen im Anschluss an den G8-Gipfel von Heiligendamm danken. Ich kann Ihnen übrigens versichern, Herr Kommissar, dass ich Ihre Skepsis in Bezug auf das Ergebnis weitgehend teile.
2005 waren sich alle darin einig, dass die Millenniums-Entwicklungsziele erreichbar sind, sofern entsprechende Anstrengungen unternommen und Mittel bereitgestellt werden. Knapp zwei Jahre später stößt dieser Gedanke offensichtlich auf wesentlich geringere Begeisterung, denn über eine Wiederholung der Versprechungen von 2005 gehen die Staats- und Regierungschefs der G8 nicht hinaus. Wie einige unserer Kollegen hervorgehoben haben, vermochten die G8-Länder keinen für die Einlösung der Versprechen dringend notwendigen Zeitplan zu erstellen. Es besteht kein konkreter Finanzierungsplan, um Länder für ihre Zusagen und deren eventuelle Nichterfüllung in die Pflicht zu nehmen, und schon jetzt ist klar, dass es den G8-Ländern nicht gelingen wird, die notwendigen höheren Gänge einzulegen, um die Hilfe bis 2010 zu verdoppeln.
Allein schon bei der Bekämpfung von HIV/AIDS besteht ein riesiger Fehlbetrag. 2007 beträgt das Defizit nicht weniger als 9 Milliarden. Die auf dem Gipfel von Gleneagles gemachten Versprechen, bis zum Jahr 2010 den allgemeinen Zugang zur HIV-Prävention, -Behandlung und -Pflege zu gewährleisten, sind noch längst nicht erfüllt. Nur jeder sechste AIDS-Patient erhält Medikamente. Etwa alle zwölf Sekunden stirbt jemand an AIDS und 70 % der neuen HIV-Infektionen treten in Afrika südlich der Sahara auf. Das ist völlig inakzeptabel. 50 Milliarden US-Dollar, Herr Kommissar, für HIV, AIDS, Tbc und Malaria sind ganz einfach nicht genug, soll der Verpflichtung der G8 auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit rechtzeitig nachgekommen werden.
Gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung. Die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele ist nicht nur eine Geldfrage, sondern auch eine Frage von Rechten. Ohne den allgemeinen Zugang beispielsweise zu sexueller und reproduktiver Gesundheit lässt sich die Armut unmöglich bekämpfen. Ich hoffe, Herr Kommissar, Europa wird hier weiterhin eine Vorreiterrolle spielen.
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (ES) Herr Präsident! 2005 in Gleneagles erregten die G8-Führer Aufsehen mit ihrer Verpflichtung, 42 Milliarden für die Gesundheitshilfe in Afrika, insbesondere für AIDS, Malaria und Tuberkulose, zur Verfügung zu stellen.
2007 haben wir ein neues Versprechen von 44 Milliarden Euro. Ist das wirklich eine neue Zusage? Wir wissen es nicht. Oder ist es nur eine neue Form, ihr Versagen zu verschleiern, so wie es alle wichtigen NRO anprangern, die diese Berechnung aus nächster Nähe verfolgen? Es existiert kein konkreter Zeitplan und es ist nicht klar, in welcher Verbindung diese neue Verpflichtung mit den vorangegangenen Zusagen steht.
Wir müssen den Bürgern sagen, dass die Taten unserer Regierungen nicht mit ihren Worten übereinstimmen. Dieselben Regierungsverantwortlichen, die sehen, wie die Menschen in Panik aus Afrika in ihre Länder fliehen und dabei bereit sind, ihr Leben zu riskieren und im Mittelmeer umzukommen, bringen ihre große Betroffenheit angesichts dieser dramatischen Bilder zum Ausdruck, erfüllen aber ihre Versprechen nicht, wenn es darum geht, sie in politische Beschlüsse zu fassen.
Es sind Zusagen für mehr Hilfe notwendig – insbesondere natürlich für Gesundheit und Bildung. Diese Zusage muss aber auch auf den Verhandlungstisch gelegt werden. In ihrem Kommuniqué beschreibt die G8 den Erfolg der Doha-Runde als lebenswichtig für das Wirtschaftswachstum des afrikanischen Kontinents. Lebenswichtig, sagt die G8.
Nun, wenn wir von Afrika sprechen, wäre es heuchlerisch von uns, unsere humanitäre Erklärung und Hilfe von unserer Haltung am Verhandlungstisch der Doha-Runde zu trennen, und ich spreche hier nicht nur von der Europäischen Union, sondern von der gesamten ersten Welt, jener ersten Welt, die im Rahmen der G8 zusammenkommt.
Wir dürfen nicht den freien Handel, den Warenaustausch, die Bedeutung, die Doha für diese Länder haben kann, von dem trennen, was wir über humanitäre Belange und Hilfe sagen. Am Verhandlungstisch müssen unsere Zusagen zu etwas mehr werden, als einem Angebot in barer Münze.
Und schließlich muss die Hilfe in einem vernünftigen Rahmen erfolgen. Wir begrüßen die Unterstützung der G8 für das Infrastruktur-Konsortium für Afrika, das ICA. Sie ist eine konkrete Maßnahme, die ich hier besonders hervorheben möchte.
Eoin Ryan (UEN). – (EN) Herr Präsident! Auch ich möchte Frau Kinnock zu ihrem ausgezeichneten Bericht gratulieren. Es ist schwierig, sich bei diesem Thema auf eine Minute zu beschränken, aber ich werde es versuchen. Die Schwierigkeit besteht meines Erachtens nicht nur darin, wie viel Geld von der EU oder der westlichen Welt für Afrika bereitgestellt oder nicht bereitgestellt wird, sondern das Problem ist auch, wie diese Hilfe verwaltet und koordiniert wird. Wir alle wissen um die Zwänge, die aus einer schlechten Regierungsführung in afrikanischen Ländern resultieren. In vielen Fällen bewirkt die Hilfe etwas, aber die Bereitstellung von Hilfe wird der Armut ohne gute Regierungsführung nie ein Ende setzen.
So könnte geprüft werden, ob es sinnvoll ist, dass einzelne europäische Staaten oder Gruppen von Mitgliedstaaten eine koordinierende Rolle bei der Verwaltung der Hilfe in einzelnen afrikanischen Ländern übernehmen. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt, der dazu beitragen würde, die Geberländer für die von ihnen bereitgestellte Hilfe verantwortlich zu machen. Gleichzeitig wäre dies ein Beispiel für die Anwendung bewährter Praktiken bei der Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele.
Ich sage das ausgehend von meinen Erfahrungen, die ich als Minister der irischen Regierung bei meiner Arbeit mit armen Bevölkerungsgruppen in Dublin und anderen europäischen Städten gesammelt habe, und zwar war dabei eine Regierungsbehörde zuständig für die Koordinierung sämtlicher Fördermittel, die diese Gruppen von uns bekamen, und das war sehr erfolgreich. Meines Erachtens könnte in Bezug auf Afrika auf europäischer oder globaler Ebene in gleicher Weise verfahren werden.
Ich habe nicht genug Redezeit dafür, aber der Handel ist die andere große Frage. Ohne Handel wird es Afrika nicht gelingen, sich aus der Armut zu befreien. Das ist ein anderes Problem, das angegangen werden muss. Auf jeden Fall glaube ich, dass wir die Art und Weise, in der wir in Afrika unser Geld ausgeben und Maßnahmen durchführen, viel besser koordinieren müssen. Mit besserer Koordinierung könnten wir in diesem Bereich Verbesserungen erzielen. Wie wir alle wissen, ist das keine einfache Aufgabe, und es gibt keine einfachen Lösungen, aber wir müssen etwas an der Art und Weise ändern, in der wir den ärmsten Menschen in Afrika unsere Hilfe bereitstellen.
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
Kathalijne Maria Buitenweg (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Erfreulicherweise konnte heute hier auf Fortschritte in einigen Regionen hingewiesen werden, doch ist die Situation in Schwarzafrika, wie meine Vorredner, unter anderem Herr Van den Berg, dargelegt haben, noch dramatisch. Es muss geografisch unterschieden werden, aber auch nach Geschlecht. Präsident Bush ist mittlerweile überzeugt, dass zur Bekämpfung von AIDS mehr unternommen werden muss, da sowohl Frauen als auch Männer davon betroffen sind. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies eine wesentliche Voraussetzung ist, bevor mehr Mittel bereitgestellt werden können.
Müttersterblichkeit gibt es definitionsgemäß nur bei Frauen. Eine Verbesserung bei den sexuellen und reproduktiven Rechten ist nicht erkennbar. Offensichtlich ist ein Frauenleben für viele weniger wert. Südlich der Sahara stirbt jede 16. Frau an den Folgen der Schwangerschaft, etwa bei der Geburt oder durch unsichere Abtreibungen. Wie Sri Lanka zeigt, werden durch Investitionen Frauenleben tatsächlich gerettet. Herr Szymánski, Wasser und Arzneimittel allein reichen nicht aus. Frauen müssen selbst bestimmen können, ob sie schwanger werden möchten. Schwierige Entscheidungen, beispielsweise über Abtreibungen, müssen individuell getroffen werden und dürfen nicht Bestandteil allgemeiner, genereller Erklärungen sein, die hier von unseren bequemen Bänken aus abgegeben werden.
Herr Kommissar, Sie haben Recht, die EU ist ein wichtiger Geldgeber und erfüllt dabei auch eine wichtige Rolle. EU-Länder haben jedoch ihre Versprechen von Kairo ebenfalls noch nicht eingelöst. Welchen Mechanismus gedenken Sie im Hinblick darauf in Gang zu setzen?
Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Kinnock, für ihren Bericht danken, der, wäre er rechtzeitig angenommen worden, den in der G8 versammelten Staatschefs sowie der ganzen Völkergemeinschaft die klare Botschaft vermittelt hätte, dass es unbedingt eines entschlossenen Handelns zur Herbeiführung eines Kurswechsels bedarf.
Das fordern Millionen von Menschen, die immer noch an Hunger, Durst und Krankheiten oder durch Kriege sterben. Es wäre zwar nicht ausreichend, doch immerhin schon viel, wenn die G8-Länder und die internationale Gemeinschaft zu ihren Verpflichtungen stehen würden. Wenn jedoch die strukturellen Ursachen von Armut und Unterentwicklung nicht angegangen werden, werden weiterhin Menschen sterben.
Kommissar Michel hat Recht, wenn er von der Notwendigkeit abgestimmter und kohärenter Strategien an mehreren Fronten spricht, wie Quantität und Qualität der öffentlichen Entwicklungshilfe, Schuldenerlass und Überarbeitung der internationalen Handelsregeln sowie, das steht außer Frage, Übernahme von Verantwortung, Transparenz und verantwortungsvolle Regierungsführung seitens der Entwicklungsländer.
Ich möchte einige Punkte hervorheben. Was die Qualität der Hilfe anbelangt, so muss vor allem Schluss gemacht werden mit der äußerst schädlichen Praxis von Hilfen, die an wirtschaftliche und geopolitische Interessen gebunden sind, sowie mit der Inkohärenz zwischen Entwicklungs-, Handels- und Agrarpolitik der Europäischen Union. Außerdem müssen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen überdacht und muss nach alternativen, mit der Erreichung der MDGs zu vereinbarenden Wegen gesucht werden, um die Verhandlungen der Doha-Runde aus der Sackgasse herauszuführen.
Die drei Millenniums-Entwicklungsziele, die Gesundheitsfragen betreffen, werden nie erreicht werden, wenn kein allgemeiner Zugang zu den Behandlungsmethoden und Medikamenten gewährleistet wird. Zu oft wird durch die internationalen Bestimmungen über geistiges Eigentum das vorrangige Recht von Millionen Menschen auf Gesundheit und auf Leben zugunsten der Profite der multinationalen Pharmaunternehmen verletzt. Die enttäuschenden Vereinbarungen, die auf dem G8-Gipfel getroffen wurden, machen auch die Widersprüchlichkeit der Großmächte in der Welt deutlich, die 5 % des Betrags, den sie für Massenvernichtungswaffen ausgeben, für Entwicklung bereitstellen.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich meinerseits möchte Frau Kinnock zu ihrem Initiativbericht über ein derart wichtiges Thema beglückwünschen.
Für das Europäische Parlament ist es zur Hälfte des Zeitraums, der für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele vereinbart wurde, aufschlussreich festzustellen, wie weit wir noch davon entfernt sind, sie zu erreichen, und als Folgerung daraus einige der Mittel zu ändern, mit denen wir sie erreichen wollen.
Es ist bedauerlich, dass zahlreiche Länder in der ärmsten Region der Welt, im subsaharischen Afrika, noch weit davon entfernt sind, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Die Millenniums-Entwicklungsziele werden mit Sicherheit erst dann erreicht werden, wenn die ärmeren Entwicklungsländer mehr und bessere Hilfe erhalten, um damit ihre eigenen einheimischen Ressourcen ergänzen zu können.
Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union, die G8 und die Europäische Union müssen den aktuellen Schätzungen Folge leisten, denen zufolge es notwendig ist, die Hilfe für Afrika auf rund 3,7 Milliarden Euro jährlich zu erhöhen.
Darüber hinaus muss die Europäische Union als größter Geber humanitärer Hilfe mit ihren Bemühungen fortfahren, die Schulden der Entwicklungsländer streichen zu lassen.
Jedoch muss ich gestehen, dass ich am meisten über das Unvermögen besorgt bin, das Ziel im Bildungswesen zu erreichen. Einhundertundzwanzig Millionen Kinder, davon 65 Millionen Mädchen, haben niemals eine Schule besucht. Zusätzlich zu Ziel 2, das vorsieht, allen Kindern eine kostenlose Grundschulausbildung zu ermöglichen, enthielten die Schlussfolgerungen des Weltkindergipfels 1990 das Ziel des allgemeinen Zugangs zur Bildung bis zum Jahr 2000, wobei mindestens 80 % der Kinder eine Grundschulausbildung durchlaufen haben sollten. Leider sind wir weit von diesem Ziel entfernt. Die Entwicklungsländer müssen sich bewusst werden, dass sie, wenn sie nicht in die Qualität ihrer Humanressourcen investieren, auf ewig zu demselben Entwicklungsstand verurteilt sind.
Linda McAvan (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zum G8-Gipfel sprechen und zwei Anmerkungen machen. Die erste betrifft den Klimawandel. Das war eine erfreuliche Nachricht, denn die USA haben sich bereit erklärt, im UN-Prozess zu verbleiben. Die schlechte Nachricht ist, dass keine verbindlichen Ziele vereinbart wurden, und in mancher Hinsicht noch schlimmer ist, dass es uns nicht gelungen ist, die aufstrebenden Volkswirtschaften wie Indien, Brasilien und China in den Prozess einzubinden.
Herr Kommissar, wir haben in Vorbereitung auf Bali noch sehr viel zu tun. Ich weiß, dass der Klimawandel nicht in Ihr Ressort fällt, aber als für die Entwicklung zuständiger Kommissar spielen Sie in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Dynamik im Kampf gegen den Klimawandel eine Schlüsselrolle, denn, wie Sie wissen, zahlen die Armen in den Entwicklungsländern schon jetzt den Preis für den Klimawandel. Deshalb hoffe ich, dass Sie dieser Problematik oberste Priorität einräumen.
Während die Armen einen hohen Preis zahlen, lassen es die Reichen, wenn wir uns einmal die Auslandshilfe – den anderen Hauptaspekt der G8 – anschauen, bei Lippenbekenntnissen bewenden. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die G8 bezüglich ihrer Hilfszusagen für die Entwicklungsländer noch weit von ihrem Ziel entfernt sind, wobei einige EU-Länder eine besonders schlechte Bilanz aufweisen.
Herr Kommissar, ich befürchte, dass wir uns in zwei oder drei Jahren an dieser Stelle erneut über mangelnde Fortschritte im Bereich Auslandshilfe beklagen werden. Das Versprechen, die Hilfe zu verdoppeln, wurde auf einem EU-Gipfel abgegeben. Führen Sie Buch darüber, oder müssen wir uns darauf verlassen, dass die NRO uns die Ergebnisse vorhalten? Eigentlich sollten wir einen Anzeiger für den Klimawandel und die Hilfe in Betracht ziehen, denn, was Herr Mitchell vorhin in Bezug auf die Glaubwürdigkeit und die EU sagte, stimmt. #???# Die Menschen werden uns danach beurteilen, was wir im Hinblick auf Probleme erreichen, die ihnen wirklich am Herzen liegen: die Bekämpfung des Klimawandels und der Armut. Die Verfassung ist für uns wichtig, aber nicht für die Öffentlichkeit. Deshalb müssen wir in diesen Fragen konkrete Ergebnisse vorweisen können, andernfalls wird unsere Glaubwürdigkeit gegenüber der Welt da draußen leiden.
Feleknas Uca (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr Kommissar Michel, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei Frau Kinnock für ihren Bericht bedanken. Aus zeitlichen Gründen gehe ich an dieser Stelle nur auf einen Punkt ein, der in dem Bericht bedauerlicherweise kaum Erwähnung findet. Die zentrale Bedeutung von menschenwürdiger Arbeit als Mittel zur Beseitigung von Armut spielt meines Erachtens eine enorme Rolle bei der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele. Wo stehen wir heute, was diese Ziele angeht?
Wenn wir eine Halbzeitbilanz ziehen, so fällt diese in meinen Augen katastrophal aus. Die meisten der Millenniums-Entwicklungsziele wurden nicht einmal ansatzweise erreicht und werden realistischen Schätzungen zufolge auch bis 2015 nicht erreicht werden. Dies ist ein Armutszeugnis für die Geberländer. Daran ändern auch Zeitungsmeldungen zu vermeintlichen Erfolgen des G8-Gipfels nichts.
Nirj Deva (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Frau Kinnock hat wie stets einen guten Bericht erarbeitet, aber einen guten Bericht zu erarbeiten, wie wir das in diesem Parlament alle tun, reicht nicht aus.
Besonders bedenklich stimmt mich, dass Frau Kinnock in Ziffer 40 und vor allem in Ziffer 41 ihres Berichts den Aktionsplan von Maputo erwähnt. Nach meinem Verständnis fördert der Aktionsplan von Maputo Abtreibungen und geht weit über die Erklärung von Kairo hinaus. Die UNO-Erklärung der Rechte des Kindes stellt fest, dass das Kind in Ermangelung körperlicher und geistiger Reife der besonderen Sicherheit und Pflege vor und nach der Geburt bedarf, einschließlich eines ausreichenden rechtlichen Schutzes.
Angaben der UNO zufolge verhungern jährlich weltweit etwa 8,5 Millionen Menschen. Dem stehen 46 Millionen Kinder gegenüber, die laut WHO jedes Jahr abgetrieben werden. Das entspricht in etwa der Bevölkerung von Spanien. Das heißt, dass man vom Zeitpunkt der Empfängnis an ein fünfmal größeres Risiko hat, abgetrieben zu werden als an Hunger zu sterben. Man sollte die 46 Millionen Abtreibungen auch im Vergleich zu den insgesamt 56 Millionen Menschen, die jährlich weltweit sterben, sehen.
Diesen 46 Millionen Abtreibungen stehen auch 70 000 Frauen gegenüber, die sich bedauerlicherweise für eine illegale Abtreibung entscheiden und daran sterben. Damit ergibt sich folgendes Verhältnis: Auf jede Frau, die schwanger wird und dann an den Folgen einer illegalen Abtreibung stirbt, kommen 650 lebensfähige Kinder, die im Mutterleib, der von der Natur eigentlich als der sicherste Ort der Welt für die Entwicklung eines Babys eingerichtet wurde, abgetrieben werden.
Ich fordere meine Kollegen nachdrücklich auf, gegen die Ziffern 40 und 41 zu stimmen, die mit Müttersterblichkeit, um die es angeblich bei MDG 5 geht, nichts zu tun haben. Noch haben diese Ziffern etwas mit sexuellen oder reproduktiven Rechten zu tun, denn Abtreibung hat keinen Bezug zur Sexualität: Sie ist nicht gesund, sie hat natürlich nichts mit Reproduktion zu tun – ganz im Gegenteil – und sie ist meines Erachtens keinesfalls ein Recht.
Åsa Westlund (PSE). – (SV) Herr Präsident! Mich haben die Worte meines Vorredners sehr berührt, und mir fällt daher das Sprechen etwas schwer. Aber ich werde dennoch versuchen, mich an das zu halten, was ich eigentlich sagen wollte.
Als ich zur Schule ging, habe ich gelernt, dass die Menschen in Afrika deshalb hungern, weil sie die Bäume in ihrer Umgebung gerodet hatten, so dass dort nichts mehr wachsen konnte. In gewisser Weise hatten sie damit also ihre Situation selbst verschuldet. Heute deutet immer mehr darauf hin, dass in Wirklichkeit wir in der reichen Welt durch unseren Lebensstil und unsere erheblichen Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen Klimaveränderungen in Afrika südlich der Sahara verursacht haben, in deren Ergebnis die Menschen dort nicht mehr in der Lage sind, sich selbst mit Nahrungsmitteln und Wasser zu versorgen. Das verleiht zweifellos der Armut in der Welt eine andere Perspektive. Wenn wir selbst sie verursacht haben, wird unsere Verantwortung für die Beseitigung der Armut umso größer.
Der Bericht von Frau Kinnock enthält einen besonderen Abschnitt über den Klimawandel. Darin wird unsere Verantwortung unterstrichen, dafür zu sorgen, dass unser Kohlendioxidausstoß nicht die ärmsten Menschen auf der Welt trifft. Um das zu erreichen, müssen wir unsere Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren und die Entwicklungsländer bei der Bewältigung der enormen Umstellungen in der Welt unterstützen.
Dabei geht es um alle möglichen Fragen, von der Bewältigung höherer Wasserstände bis zur Ermöglichung der Produktion erneuerbarer Energie in den Entwicklungsländern, die die Möglichkeit dazu haben und sich so selbst aus der Armut erheben können.
Wenn die Welt die Millenniums-Entwicklungsziele erreichen soll, müssen wir uns mehr auf diese Überlegungen konzentrieren und ihnen höhere Priorität einräumen. Wenn wir ernsthaft die Sterblichkeit beispielsweise durch HIV, AIDS und unsichere Schwangerschaften verringern wollen, dürfen wir nicht zulassen, dass die freie Entscheidung der Menschen und ihre Möglichkeiten des Schutzes vor lebensbedrohlichen Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften durch religiöse Vorstellungen behindert werden. Reproduktive Rechte, Informationen über legalen Schwangerschaftsabbruch und Zugang zu Schwangerschaftsverhütungsmitteln sind und bleiben notwendige Bestandteile unserer Arbeit zum Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele. Alles andere sind nur Vorurteile, und ich bin erstaunt, sie hier in diesem Hause zu hören. Wir sollten doch aufgeklärter sein.
Tokia Saïfi (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die heutige Aussprache sollte uns Anlass sein, mit klarem Blick auf den Weg zu schauen, den wir bis zur Realisierung der Millenniumsziele im Jahr 2015 noch vor uns haben. Hier sei daran erinnert, dass diese Ziele im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit wesentlich sind und dass sie Anreiz zu einer effizienten und kohärenten Hilfe sein müssen. Mit dem Näherrücken des Termins sollten wir angesichts der mageren Ergebnisse, die bisher insbesondere im subsaharischen Afrika erreicht wurden, anspruchsvoller sein und unsere Anstrengungen verstärken, um unsere Versprechen einlösen zu können. Angesichts der Herausforderungen muss die Europäische Union ihrer politischen Rolle voll gerecht werden, um die Mittel für die Entwicklung und die Effizienz ihrer Aktion auf dem afrikanischen Kontinent zu verstärken.
2015 rückt mit großen Schritten näher. Es ist also jetzt nicht die Zeit zu verschnaufen oder die Hände in den Schoß zu legen. Als weltweit wichtigster Geber für Entwicklungshilfe verfügt die Europäische Union über die Mittel, um den Ländern des Südens dabei behilflich zu sein, sich zu stabilisieren und einen wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Entwicklungsprozess zu durchlaufen: Deshalb sollten wir nun, da die Mittel verfügbar sind, über die Sicherung der Effizienz nachdenken, damit die Hilfe konkrete und nachhaltige Ergebnisse zeitigt.
Dies erfordert die Mobilisierung aller Akteure. Es geht hier nicht um Barmherzigkeit gegenüber diesen Ländern, sondern um Entwicklungshilfe. Bezüglich der Realisierung dieser grundlegenden Ziele wurden zahlreiche Versprechen gemacht. Genannt seien die Verpflichtungen, die bei dem äußerst enttäuschenden G8-Gipfel abgegeben wurden, der beschlossen hat, Hilfsgelder in Höhe von 44 Milliarden Euro für die Bekämpfung von Pandemien in Afrika bereitzustellen, und der die Verpflichtung von 2005 erneuert hat.
Wir wollen hoffen, dass diese Versprechen nicht nur leere Worte bleiben. Deshalb müssen diese Initiativen sich jetzt in konkreten und messbaren Aktionen niederschlagen. Dringendes Handeln ist geboten. Intensivieren wir unsere Anstrengungen in einem partnerschaftlichen Geist, um den Termin 2015 nicht zu verpassen.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Eine Minute ist sehr wenig, um sich zu einem derart umfangreichen Thema zu äußern. Der Grundton einiger der Beiträge in dieser Aussprache hat mich doch etwas erschüttert, und ich frage mich, ob afrikanische Frauen, wenn wir sie nach ihren Wünschen fragen würden, auch so antworten würden, wie wir es heute gehört haben. Die Frauen, mit denen ich in Malawi gesprochen habe, sprachen natürlich von der Notwendigkeit für Bildung, für Nahrungsmittel, für Arbeitsplätze und Hoffnung, und ich dachte, dass die Millenniums-Entwicklungsziele genau dafür sorgen würden, aber es ist klar, dass wir diese Ziele nicht rechtzeitig erreichen werden.
In den mir verbleibenden 30 Sekunden möchte ich vor allem auf den Aspekt des Handels in diesem Zusammenhang eingehen. Dabei sind die Ziffern 83 und 89 besonders interessant. So wird angedeutet, dass die WTO-Verhandlungen zur Lösung einiger der Probleme Afrikas beitragen könnten. Gleichzeitig aber wird in Ziffer 89 eindeutig festgestellt, dass die am wenigsten entwickelten Länder kaum von einer umfassenden Handelsliberalisierung profitieren werden, und ich glaube, dass die Afrikaner Handelshemmnisse auf ihrem eigenen Kontinent beseitigen und sich sehr gründlich mit dieser Problematik befassen müssen, während wir in Europa sie bei der Entwicklung des Handels mit der übrigen Welt unterstützen sollten. Doch wir würden gern mehr tun, und ich hoffe, dass diese Aussprache dazu beiträgt.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist natürlich immer frustrierend, wenn man innerhalb kürzester Zeit auf eine Flut von Anmerkungen reagieren muss, die in der Mehrzahl sehr berechtigt waren. Ich teile weitestgehend die Bemerkungen, die Urteile und die Ideen, die hier zum Ausdruck gebracht wurden.
Zunächst zu den G8. Ich muss sagen, dass auch ich sehr enttäuscht bin, dass die G8-Gipfel zu einer im Wesentlichen rituellen Veranstaltung werden, und ich muss zu meinem Bedauern feststellen: Je ritueller die Veranstaltung wird, desto mehr verliert sie an Glaubwürdigkeit, und früher oder später wird man sich fragen, ob sie wirklich noch von Nutzen ist.
Ich habe gehört, wie jemand, ich glaube von der linken Seite des Saales, die Frage nach der Repräsentativität oder der Legitimität der G8 stellte. Ich halte das für eine berechtigte Frage. Ganz offenkundig werden ganze Felder der geopolitischen und demografischen Realität nicht vertreten, was zu bedauern ist. Die G8-Gipfel werden zunehmend zu einem Beauty contest, und man sieht mit größtem Bedauern, dass das Konzept selbst in dem Maße diskreditiert wird, wie die Jahr für Jahr wiederholten Versprechen nicht eingehalten werden. Man kann aus solchen Zusammenkünften zwar stets einige positive Aspekte herauslesen, aber das reicht nicht aus, um uns zu der Überzeugung zu bringen, dass sie besonders nützlich und aufrichtig sind.
Ich muss mich zwangsläufig ein wenig auf meine Eindrücke verlassen, um auf einige der pointiertesten Bemerkungen zu antworten. Zunächst was HIV/AIDS betrifft: Die beiden wichtigsten Kanäle für die Gewährung der Finanzhilfe der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Bekämpfung von HIV/AIDS bestehen in der Unterstützung der Länder zur Stärkung des Gesundheitssektors, besonders in Afrika, und in der Bereitstellung von Mitteln über thematische Haushaltslinien. Sie dürfen mir glauben, dass wir hier alle uns zu Gebote stehenden Mittel einsetzen. Die in 21 afrikanischen Ländern durchgeführten Gesundheitsprogramme belaufen sich auf 396 Millionen Euro, weitere 62 Millionen Euro sind für die nächsten Monate vorgesehen. Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass die Gemeinschaft mit Mitteln aus thematischen Haushaltslinien und aus dem AKP-Fonds des achten und neunten EEF einen Beitrag zum Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria leistet, in dem wir den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates innehaben. Seit Gründung dieses Fonds im Jahr 2002 hat die Europäische Gemeinschaft insgesamt 522,5 Millionen Euro für den Zeitraum 2002-2006 überwiesen. Zusammen mit den Beiträgen der Mitgliedstaaten ist die Europäische Union damit der Hauptgeldgeber für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria.
Ein Wort zum Klimawandel, um einem Abgeordneten zu antworten: Ich teile voll und ganz Ihre Sorge bezüglich der Gefahr, die der Klimawandel für die Entwicklungsländer und ihre Bemühungen zur Realisierung der Millenniumsziele darstellt. Meiner Auffassung nach müssen die Fragen der Klimaveränderung in die Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden. Wir haben bereits im Jahr 2003 einen Aktionsplan der Europäischen Union zum Thema Klimawandel und Entwicklung verabschiedet, den wir gemeinsam mit den Mitgliedstaaten umsetzen. Die Fortschritte bei der Umsetzung dieses Aktionsplans werden gegenwärtig bewertet und machen deutlich, dass er zwar eine gute Grundlage für die gemeinsame Aktion der Europäischen Union darstellt, dass jedoch die derzeitige Form seiner Umsetzung nicht der Bedeutung und dem Umfang der Herausforderung gerecht wird.
Daher beabsichtige ich, eine Strategie zu entwickeln, um unsere Zusammenarbeit mit den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländern zu vertiefen. Es gilt, eine globale Allianz zum Thema Klimawandel zu schaffen, die den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Entwicklungsländern über die Reduzierung der Emissionen und die Anpassung an den Klimawandel verstärken soll. Ich werde in Kürze mit Ihnen über die Einzelheiten dieses Vorschlags beraten. Dies ist dann etwas Konkretes.
Auf die Abkommen über die Wirtschaftspartnerschaft will ich nicht ausführlich eingehen. Lassen Sie mich nur sagen, dass ich zu denen gehöre, die davon überzeugt sind, dass es keine echte Entwicklung – im Sinne der Schaffung von Einkünften, mit denen sich die sozialen Dienste und der allgemeine Zugang zu den Dienstleistungen des Staates finanzieren lassen –, geben wird, wenn nicht der Zugang zum Handel und die wirtschaftliche Dynamik gewährleistet sind. Von daher sind die Abkommen über die Wirtschaftspartnerschaft, wie wir sie verstehen und umsetzen, genau genommen reine entwicklungspolitische Abkommen. Priorität hat dabei nicht die kommerzielle Dimension, sondern die Entwicklung!
Die in dieser Frage zwischen einigen Leuten und mir möglicherweise bestehenden Meinungsverschiedenheiten sind bekannt und müssen als gegeben hingenommen werden. Die Entscheidung, die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bis Ende 2007 abzuschließen, wurde von der Europäischen Union und den AKP-Ländern gemeinsam getroffen. Die in diesem Zusammenhang geführten Debatten und Auseinandersetzungen waren nützlich, denn sie haben dazu geführt, dass längere Übergangsperioden akzeptiert, die Spezifik bestimmter sensibler Produkte anerkannt und auch das Prinzip der Finanzierung von regionalen Fonds zum Ausgleich von Einnahmenverlusten durch die Abschaffung der Zollschranken akzeptiert wurden. Auf diese Frage werden wir noch zurückkommen, aber es ist zweifellos der in diesem Hause geführten Aussprache, die besonders durch Frau Kinnock und andere angestoßen wurde, zu verdanken, dass die Kommission, die Partner und die Betroffenen sehr viel flexiblere Vorschläge vorgelegt haben, die der Realität besser Rechnung tragen.
Nach meiner Überzeugung sind Schuldenerlasse ein Beitrag zur Entwicklungsfinanzierung. Diese Position hat nichts Außergewöhnliches. Sie gründet sich ganz einfach auf unseren gemeinsamen Bezugsrahmen in der Entwicklungspolitik, auf den europäischen Konsens, den das Europäische Parlament und die Kommission vor knapp anderthalb Jahren gebilligt haben. Der europäische Konsens bezieht sich auf die OECD-Definition der staatlichen Entwicklungshilfe und schließt Schuldenerlasse ein. Die Europäische Union hat sich im Übrigen verpflichtet, nachhaltige Lösungen für das Problem der unerträglichen Verschuldung zu finden.
Davon abgesehen, haben Sie natürlich Recht, Frau Kinnock. Jeder hofft – an erster Stelle natürlich ich -, dass diese Schuldenerlässe zusätzlich erfolgen. Und Sie haben ebenfalls Recht, wenn Sie sagen, dass das in Wirklichkeit nur ein One-Shot ist und dass die Länder, wenn sie ihre Verpflichtungen einhalten wollen, notwendigerweise in den nächsten Jahren die Beträge, die sie für ihre Entwicklungshilfepolitik aufwenden, real und absolut aufstocken müssen. Dies ist im Übrigen die Botschaft, die die Kommission in ihrer Mitteilung vom April an die Mitgliedstaaten gerichtet hat.
Was die Veränderung der Regeln der OECD betrifft – eine Frage, die in jüngster Zeit aufgeworfen wurde –, so halte ich sie nicht für notwendig. Meiner Meinung nach würde die Infragestellung dieser Regeln sogar das Risiko in sich bergen, eine Diskussion über die Anspruchsberechtigung für andere Finanzbeiträge zu eröffnen, die meiner Meinung nach nichts mit den Entwicklungspolitiken zu tun haben. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht sagen. Jeder wird genau wissen, woran ich denke.
Zu der wichtigen Frage der sozialen und menschlichen Entwicklung möchte ich sagen – und dies tue ich umso lieber als Herr Deva, der zu dieser Frage gesprochen hat, ein Mann ist, der meine ganze Achtung genießt –, dass ich Ihren Standpunkt nicht teile. Die Kommission unterstützt die Politiken und die Aktionen, die es Männern und Frauen gestatten, frei und sachkundig über die Zahl und die zeitliche Abfolge der Geburten zu entscheiden und die ihnen auch den Zugang zu Beratungsstellen für Familienplanung und sexuelle Gesundheit sowie zu qualifiziertem Geburtshilfepersonal ermöglichen.
Leider kann ich Ihre Position nicht teilen, die ich für viel zu radikal halte und die mir dem Begriff der individuellen Freiheit nicht genügend Rechnung zu tragen scheint. Ich sehe da einen philosophischen Unterschied, den man akzeptieren muss. Die Menschen sind unterschiedlich, Herr Deva, wir sind nicht zwangsläufig alle gleich, und meiner Meinung nach sind das Autoritäts- und das Unterordnungsargument zweischneidig. Wenngleich ich verstehe, dass Sie sagen, man könne eine Abtreibung weder praktisch noch prinzipiell akzeptieren, so meine ich, dass man sich auch einem religiösen Grundsatz nicht unterwerfen kann. Das ist zumindest meine Meinung.
Lassen Sie mich noch einen Punkt anführen, den ich für wichtig halte und der die Effizienz der Hilfe betrifft. Meiner Meinung nach wäre die Hilfe – sei sie international, europäisch oder anderer Art – sehr viel effizienter, wenn wir alle – ich will hier keine Schuldzuweisung betreiben – etwas weniger auf unsere eigene Fahne bedacht wären. Ich glaube, wenn wir wirklich das Ziel im Auge haben, das Elend zu lindern und den Ärmsten der Welt zu helfen, anstatt darauf zu sehen, wer was tut und wie jeder das, was er tut, auch sichtbar machen kann, dann würden wir sehr viel effizienter sein. Aus diesem Grunde arbeiten und handeln wir nach einem Verhaltenskodex, um zu versuchen, die Mitgliedstaaten dazu zu bringen, mehr Koordinierung, größere Geschlossenheit und eine rationalere Arbeitsteilung zu akzeptieren, weil wir nur so mehr Effizienz erreichen können.
Aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, denn ich höre Ihnen gut zu – fast alle teilen diesen Standpunkt, und Regierungen, Minister, Premierminister machen dies in ihren Reden zu einem ständigen Leitmotiv –, dass diese Ziele in der Praxis noch längst nicht erreicht sind. Wir haben im Vorfeld Analysen für die nationalen Strategiedokumente erstellt, und wir haben eine gemeinsame Programmplanung vorgeschlagen. Heute kann ich Ihnen sagen, dass für die Programmplanung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds schätzungsweise etwa zehn Mitgliedstaaten beschlossen haben, an gemeinsamen Planungen teilzunehmen, aber auch sie werden sich nicht durchgängig an allen Planungen beteiligen. Es gibt sehr wenige Fälle gemeinsamer Programmplanungen. Das ist aber das Ziel. Das Ziel besteht nicht darin, zu wissen, wer was tut, sondern wer es am besten tut.
Wie ich bereits sagte, besteht die Kommission nicht darauf, unbedingt alle Fäden in der Hand zu behalten. Sie ist bereit, Verantwortung zu delegieren und Verantwortliche zu kofinanzieren, sozusagen Pilotländer für bestimmte Themen oder bestimmte Projekte, sobald mit einer solchen Delegierung ein höherer Mehrwert erzielt wird, als wenn wir allein handeln. In diese Richtung sollte man versuchen zu gehen. Ich bleibe optimistisch, denn meiner Meinung nach werden wir beim Vorangehen den Beweis erbringen, dass Effizienz von koordiniertem, geschlossenem und harmonisiertem Handeln abhängt, denn dies ist der Schlüssel für Effizienz.
Der Präsident. – Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung über den Bericht von Glenys Kinnock findet morgen statt.