Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Einberufung der Regierungskonferenz: Stellungnahme des Europäischen Parlaments (Artikel 48 des Vertrags über die Europäische Union)
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Zwei Jahre sind vergangen, seit die Ablehnung der Verfassung durch zwei Mitgliedstaaten einen Schatten auf die Aktivitäten der Union geworfen hat. Nach einem Jahr des Nachdenkens wurde der deutschen Präsidentschaft im Juni 2006 ein Mandat gegeben, eine Lösung zu finden, die uns in die Lage versetzen würde, aus dieser Sackgasse herauszukommen, und im Namen meiner Kollegen möchte ich der deutschen Präsidentschaft dazu gratulieren, dass sie im Europäischen Rat eine weitgehende Einigung erzielt hat. Ich denke, dass wir alle Grund haben, Kanzlerin Merkel für ihr persönliches Engagement, diese Vereinbarung durch die Abstimmung zu bringen, ganz besonders zu danken.
Wie meine Vorredner bereits sagten, bedeutet die im Europäischen Rat erzielte Vereinbarung, dass ein neuer Reformvertrag ausgearbeitet wird, der den Weg zu einer schnellen Regierungskonferenz im Hinblick darauf ebnet, dass der neue Vertrag rechtzeitig zu den Parlamentswahlen 2009 in Kraft treten kann. Ich empfehle ihn Ihnen allen wärmstens.
Es ist klar, dass viele von Ihnen Teile der Vereinbarung finden werden, die Sie als weniger zufrieden stellend ansehen. Keiner von uns kann behaupten, dass dies genau das Mandat ist, das wir formuliert hätten, wenn es uns vollkommen frei gestanden hätte, dies zu tun. Von Anfang an stand die deutsche Präsidentschaft vor der schwierigen Aufgabe, sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wie wir uns vorwärtsbewegen sollten, in Einklang zu bringen. Diejenigen, die die Verfassungen bereits ratifiziert hatten, wünschten, verständlicherweise, den vorhandenen Text so weit wie möglich in seiner ursprünglichen Form beizubehalten, während andere einen neuen Text verlangten, der sich von dem Verfassungsvertragsentwurf weitgehend unterschied. Der Text stellt daher einen Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen dar. Jetzt hatte jeder die Chance, das Ergebnis zu bewerten, und ich werde mich daher nicht bei den Einzelheiten aufhalten. Ich bin davon überzeugt, dass dies ein ausgewogener Text ist und dass es nicht möglich gewesen wäre, eine bessere Vereinbarung als diese zu erreichen.
Die beim Europäischen Rat erreichte Vereinbarung erteilt der portugiesischen Präsidentschaft ein Mandat, das, weil es allumfassend und im Detail erschöpfend ist, die Regierungskonferenz (RK), die mit der vollen Umwandlung des Mandats in den Text eines Vertrages betraut ist, in die Lage versetzen wird, ihre Arbeit innerhalb möglichst kurzer Zeit abzuschließen. Das Parlament wird in die Arbeit der RK vollständig einbezogen, und der Rat hat den portugiesischen Vorschlag angenommen, dass das Parlament bei dieser Konferenz drei Vertreter haben sollte.
Da ich das Engagement dieses Hohen Hauses im Hinblick auf die Gewährleistung, dass die Union künftig in der Lage sein wird, mit größter Effizienz und demokratischer Legitimität zu handeln, kenne, freue ich mich über diese stärkere Vertretung. Das Parlament wurde offensichtlich während des gesamten zur RK führenden Prozesses konsultiert. Ich weiß, dass der Beitrag der MdEP von der deutschen Präsidentschaft, die ihn bei der Ausarbeitung des Mandats voll berücksichtigte, sehr geschätzt wurde.
Herr Präsident, werte Abgeordnete, der Rat hat das Parlament aufgefordert, seine Stellungnahme zur Abhaltung einer RK vorzulegen, und seine Aussprachen heute in diesem Hohen Haus sind auf diese Stellungnahme gerichtet. Ich möchte Sie ermuntern, Ihre Stellungnahme so schnell wie möglich vorzulegen, damit die Arbeit der RK vor den Sommerferien beginnen kann. Wir sind vollkommen überzeugt davon, dass sie dies tun sollte. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage, dass dieses Ziel in unser aller Interesse liegt.
Sie haben zweifellos einige detaillierte Bemerkungen zu machen, und ich möchte, dass diese bei der RK berücksichtigt werden, hoffe aber, dass Sie gemeinsam das durch diese Präsidentschaft übernommene Mandat unterstützen können. Das ist die einzige Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Arbeit der RK ein Erfolg wird, und die einzige Möglichkeit, der Union aus ihrer gegenwärtigen Sackgasse herauszuhelfen.
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Noch vor nur wenigen Monaten waren nicht gerade viele Beobachter fest davon überzeugt, dass der Europäische Rat das Vertragsüberprüfungsverfahren mit Erfolg neu auflegen würde. Die Meinungen waren europaweit sehr schwankend und es herrschte eine große Bandbreite von Ansichten. Doch dank der bewundernswerten Entschlossenheit von Kanzlerin Merkel und des deutschen Ratsvorsitzes sowie durch wirklich kollektive Bemühungen der Mitgliedstaaten und unserer Einrichtungen erzielte der Europäische Rat im vergangenen Monat eine Einigung zu einem klaren und überzeugenden Mandat für eine neue Regierungskonferenz, und es ist sehr wichtig, dass wir diesen Erfolg heute würdigen.
Gestern hat die Kommission ihren Standpunkt zur Regierungskonferenz angenommen und heute debattieren Sie über den Standpunkt des Parlaments. Dieses Verfahren wird den portugiesischen Ratsvorsitz in die Lage versetzen, die Regierungskonferenz noch in diesem Monat in Gang zu bringen. Nicht nur beim Timing befinden sich unsere Organe im Gleichklang, sondern auch in der Sache, was noch wichtiger ist.
Die Kommission teilt die insgesamt positive Bewertung des Mandats für die Regierungskonferenz, die im Bericht Leinen enthalten ist. Das Mandat enthält viele positive Elemente, die sehr zu begrüßen sind. So wie jeder Kompromisstext stellt auch dieser eine sorgfältig herausgearbeitete Balance zwischen unterschiedlichen Interessen, zwischen Ehrgeiz und politischem Realismus dar, was heißt, dass einige der auf der Regierungskonferenz 2004 angenommen Änderungen nicht mehr enthalten sind. Das ist auch der Grund, weshalb einzelnen Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen zugebilligt wurden.
Ich möchte vier Gründe dafür nennen, weshalb die Kommission glaubt, dass uns dieses Mandat bei der Regierungskonferenz ermöglichen wird, die Europäische Union mit der soliden institutionellen und politischen Grundlage auszustatten, die wir benötigen, um die Erwartungen unserer Bürger zu erfüllen und den Herausforderungen unserer Gesellschaften zu begegnen.
Erstens wird das Mandat die Grundlagen für moderne und verantwortungsvollere Einrichtungen für die erweiterte Union schaffen. Besonders begrüßen wir die Bestimmungen, die die demokratische Legitimation der Europäischen Union auffrischen und verstärken, die Rolle des Europäischen Parlaments stärken und erweitern, die Beratungen des Rates transparenter machen, zu mehr Mitentscheidung und mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit führen sowie die Kompetenzen klarer verteilen.
Die einzelstaatlichen Parlamente werden mehr Möglichkeiten haben, in die Arbeit der Europäischen Union einbezogen zu werden, wobei die Rolle der europäischen Institutionen vollständig respektiert wird. Wir freuen uns auch sehr darüber, dass die Neuerungen zu demokratischer Mitentscheidung, einschließlich Bürgerinitiativen, die in der Verfassung enthalten waren, bewahrt wurden.
Zweitens wird die Union über eine Charta der Grundrechte zum Schutz der Bürger verfügen, deren Text nicht nur deklaratorischer Natur ist, sondern Rechtskraft besitzt. Die Bürger werden in die Lage versetzt, die in der Charta verankerten Rechte gerichtlich einzufordern. Die Charta wird für die europäischen Organe und für die Mitgliedstaaten bei Ratifizierung des EU-Rechts verbindlich, selbst wenn dies nicht für alle zutrifft.
Drittens wird die Union in die Lage versetzt, im globalen Rahmen mit einer Stimme zu sprechen und die europäischen Interessen besser zu schützen. Wenn wir uns der Globalisierung wirklich stellen und gemeinsamen Fragen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung, Klimawandel, Wettbewerbsfähigkeit und Menschenrechte in der Welt widmen wollen, dann sollte die Union ihr enormes Potenzial vollständig ausschöpfen und gemeinsam handeln.
Viertens beziehe ich mich auf die Politikbereiche, da das Mandat die Fähigkeit der Union zu schnelleren und konsequenteren Entscheidungen in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht entwickelt. Außerdem stärkt es die Rechtsgrundlage, um die Herausforderungen der Energiepolitik und des Klimawandels zu meistern.
Wie können wir diese Veränderungen bewerten? Unserer Ansicht nach ist die Gesamtbilanz positiv: die Herausnahme einiger Elemente, darunter mehrerer symbolischer Art, sowie Änderungen, die die Lesbarkeit des Textes beeinträchtigten, waren notwendige Teile eines Vereinbarungspakets, das von allen Mitgliedstaaten angenommen werden konnte. Ohne das Streben aller Beteiligten nach einem Kompromiss wäre die Sache erfolglos verlaufen.
Der europäische Zug ist wieder zurück auf der Schiene, doch sind wir noch nicht am Ende unserer Reise angekommen und die Bürger müssen an Bord bleiben. Das Mandat ist noch nicht das Endprodukt. Um diesen neuen Konsens zu einer erfolgreichen Regierungskonferenz zu führen, werden der portugiesische Ratsvorsitz, die Mitgliedstaaten und unsere Institutionen enorme Anstrengungen unternehmen müssen. Wir begrüßen besonders die Entscheidung des Europäischen Rates, die Rolle des Europäischen Parlaments bei der Regierungskonferenz zu stärken.
Allerdings werden unsere gemeinsamen Verhandlungsbemühungen für sich genommen nicht ausreichen. Wir alle – die Kommission, die Mitgliedstaaten und das Parlament –, sollten aus dem vorangegangenen Ratifizierungsprozess und aus der Phase des Zuhörens in Bezug auf Plan D einige Lehren ziehen. Ich freue mich, dass der Europäische Rat erkannt hat, wie wichtig es ist, mit den Bürgern zu kommunizieren, ihnen vollständige und umfassende Informationen über die EU zu geben und sie in einen dauerhaften Dialog einzubeziehen. Angesichts der Veränderungen, die zur schlechteren Lesbarkeit des Vertragstextes geführt haben, ist dies von noch größerer Tragweite.
In den kommenden Monaten wird die Kommission einige Ideen vorlegen, wie eine Diskussion rund um den reformierten Vertrag während der Phase seiner Ratifizierung organisiert werden könnte. Wir wollen mit Ihnen im Europäischen Parlament, allen Mitgliedstaaten und den anderen Einrichtungen eng zusammenarbeiten. Gemeinsam sollten wir diese Chance nutzen; gemeinsam sollten wir uns in diesem neuen Prozess ohne Verzug und mit all unserem Elan engagieren.
(Beifall)
Jo Leinen (PSE), Berichterstatter. – Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier eine Debatte fort, die schon seit 9.00 Uhr im Plenum läuft. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die Aussprache über die portugiesische Präsidentschaft mit der Aussprache über unsere Stellungnahme zur Regierungskonferenz zu verbinden, weil diese Regierungskonferenz das Herzstück der portugiesischen Präsidentschaft ist, und ihr Erfolg oder Misserfolg wird sich daran messen, ob wir einen Vertrag von Lissabon bekommen oder nicht.
Die Botschaft, die von unserer Stellungnahme ausgeht, lautet: Das Europäische Parlament gibt grünes Licht für die Einberufung der Regierungskonferenz. Die Frist für die Beratungen dieser Stellungnahme war äußerst knapp, viele Kollegen haben das auch kritisiert, aber wir haben große Anstrengungen unternommen und wir wollen keine Hürden aufbauen. Wir wollen niemandem Steine in den Weg legen, weil wir selbst ein Interesse an einer schnellen Einberufung und auch an einem schnellen Abschluss dieser Regierungskonferenz haben. Wir hoffen, dass es uns gelingt, bereits beim Gipfel im Oktober ein Ergebnis vorweisen zu können. Das ist möglich, weil dieses Mandat sehr präzise ist und die Texte wortwörtlich vorliegen. Insofern sollte es mehr eine Arbeit für Juristen als eine Arbeit für Politiker sein, wenn sich denn alle an die beim Gipfel in Brüssel getroffenen Abmachungen halten.
Und hier kommt der erste Appell an die portugiesische Präsidentschaft: Bleiben Sie hart, bleiben Sie konsequent, lassen Sie nicht zu, dass es erneut zu Disziplinlosigkeit zwischen den Mitgliedstaaten kommt, dass neue Punkte auf die Tagesordnung gesetzt werden, dass Nachforderungen gestellt werden, dass manche vorgeben, etwas nicht verstanden zu haben, was sie tags zuvor sehr wohl verstanden haben. Bleiben Sie hart, bleiben Sie genau auf der Linie des Mandats, dann werden Sie auch Erfolg haben!
Wir sehen, dass es einige Verluste gibt. Wir haben einen Preis zu zahlen, und dabei geht es nicht nur um Symbole. Der Reformvertrag ist konzeptionell etwas anderes als der ursprüngliche Verfassungsvertrag. Die Idee eines Europas der Bürger und der Staaten, und nicht nur eines Europas der Staaten, geht ein Stück weit verloren. Der Artikel 1 verschwindet, und es heißt nur: „Die hohen Vertragsparteien gründen den Reformvertrag“, und nicht mehr „Der Wille der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten“. Man mag das für gering erachten, aber das ist eine Schleifspur, die sich noch einmal als negativ erweisen kann. Wir weisen darauf hin.
Wir sehen auch mit großer Sorge die zunehmende Zahl von Ausstiegsklauseln. Man muss sich fragen, ob noch alle das gleiche Europa wollen. Gibt es noch den politischen Willen für mehr Integration oder haben wir es bereits mit zwei Gruppen von Ländern zu tun, die nur noch künstlich in derselben EU zusammengehalten werden? Diese Frage muss man sich stellen. Das Parlament kritisiert äußerst scharf die von Großbritannien durchgesetzte Ausstiegsklausel für die Grundrechtecharta!
Diese EU will eine Wertegemeinschaft sein. Wir treten in der ganzen Welt mit der Einforderung von Menschenrechten, von Grundrechten auf. Ich höre schon Herrn Putin oder den chinesischen Premierminister sagen: Ihr selbst seid Euch doch gar nicht einig über Eure Grundrechte! Das ist ein Schlag gegen die Glaubwürdigkeit der EU als Ganzes, und es ist auch eine Diskriminierung von Bürgern, die in Großbritannien wohnen, oder auch EU-Bürgern, die dort arbeiten und leben. Wir fordern in unserer Stellungnahme die Institutionen und die Regierungen auf, nochmals alles zu versuchen, um die Einheit des Grundrechteschutzes herzustellen, und das kann auch gelingen! Der Gerichtshof hat hier eine wichtige Rolle zu spielen.
Der Verfassungsvertrag wurde von einem Konvent ausgearbeitet, jetzt haben wir eine Regierungskonferenz, die nach anderen Methoden arbeitet. Trotzdem, Herr Ratspräsident, größtmögliche Transparenz! Veröffentlichen Sie die Dokumente, die zur Beratung vorgelegt werden, verfolgen Sie mit uns und der Kommission eine Strategie des Dialogs mit der Öffentlichkeit und den Bürgern!
Der so genannte vereinfachte Vertrag wird ja leider ein komplizierter Vertrag werden. Hier braucht man auch eine konsolidierte Fassung vor Ende der Regierungskonferenz, und nicht wie bei Amsterdam erst ein Jahr danach. Wir brauchen bei Abschluss der Konferenz einen lesbaren Text. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, diesem Text eine Erklärung beizufügen, in der die Hauptelemente und die wichtigsten Botschaften an die Bürger erklärt werden.
Wir begrüßen natürlich all die Fortschritte. Wir wollen ein wichtiges Etappenziel erreichen, und zwar vor den Europawahlen, damit wir uns im Wahlkampf 2009 auch anderen Themen widmen können. Es liegt also noch harte Arbeit vor uns, aber mit Wille und Engagement muss es gelingen, und das Parlament unterstützt die portugiesische Präsidentschaft.
(Beifall)
Íñigo Méndez de Vigo, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten ist erfreut, dass der Europäische Rat eine Einigung gefunden hat, und deshalb wird meine Fraktion in einigen Minuten für die Entschließung stimmen, so dass die Regierungskonferenz gemäß Artikel 48 zusammentreten kann.
Jetzt ist es jedoch wichtig, dass diese Vereinbarung, die Vereinbarung im Ergebnis der Regierungskonferenz, gut wird. Lassen Sie mich das ganz deutlich sagen. Was wir meinen ist, dass die Konferenz stattfinden soll, aber wir werden sie an ihren Ergebnissen messen.
Für meine Fraktion, die auf dieser Regierungskonferenz von Herrn Brok vertreten sein wird, wird es politisch wichtig sein, als Hüterin der Verfassung zu agieren. Wir wollen, dass sich der Inhalt und das Wesen der Vereinbarung des Europäischen Rates in der endgültigen Einigung über den Vertrag niederschlägt, der im Ergebnis der Regierungskonferenz entsteht.
Eine Frage, die von Herrn Sócrates angesprochen wurde, sind die Referenden. Ich will Ihnen etwas sagen, jetzt, wo niemand zuhört: Vertrauen Sie keinen Parteien, die in der Opposition sind und Referenden fordern. Vertrauen Sie auch nicht jenen, die Referenden verlangen, damit sie mit Nein stimmen können, denn sie wollen Europa ruinieren. Einige wollen die amtierende Regierung zerstören und andere wollen Europa zu Grunde richten.
Daher haben die Worte von Herrn Sócrates heute Vormittag meiner Meinung nach die Sache auf den Punkt gebracht haben. Kein Land darf alle anderen in Schwierigkeiten bringen, und zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir uns alle in dieselbe Richtung bewegen, um Europa aus dieser festgefahrenen Situation zu befreien.
Diese erste Vereinbarung des Europäischen Rates ist ein Anfang, und ich glaube, dass wir jetzt gemeinsam Hand anlegen müssen, damit wir zum Einen eine gute Vereinbarung erreichen und zum Anderen anfangen zu arbeiten, nachdem wir uns von dieser Bürde der Verfassungsblockade befreit haben.
Was mich nämlich wirklich beunruhigt hat, Herr Präsident, ist das Klima des Argwohns und Misstrauens in Europa, das ich auf dem letzten Europäischen Rat erlebt habe. Das muss uns allen Sorgen bereiten und dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen.
(Beifall)
Richard Corbett, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Sozialdemokratische Fraktion begrüßt die Einberufung der Regierungskonferenz, nimmt das Mandat an und unterstützt den Zeitplan.
Viele Redner haben darauf hingewiesen, dass dieses Mandat etwa 90 % des Wortlauts des Verfassungsvertrags beibehält, und das hat Anlass zu vielen Kommentaren gegeben. Ihnen wird jedoch auch bekannt sein, dass jüngste wissenschaftliche Forschungen ergeben haben, dass Menschen und Mäuse zu 90 % genetisch identisch sind. Trotzdem sind die 10 % Unterschied äußerst wichtig. Und so verhält es sich auch mit diesem Mandat: die 10 % Unterschied sind äußerst wichtig.
Die Bezeichnung des Vertrags als Verfassung ist verloren gegangen, es ist nicht gelungen, den Namen des Hohen Vertreters in Außenminister zu ändern und die Vorrangstellung des Gemeinschaftsrechts im Vertrag festzuschreiben, der Verlust der Symbole sowie die zahlreichen Beschränkungen und Ausnahmeregelungen für einzelne Mitgliedstaaten – all das bedeutet, dass für diese Mitgliedstaaten der Prozentsatz – ob nun 90 % oder was auch immer – noch niedriger ist. Dies alles führt zu einem ganz anderen Vertrag als dem Verfassungsvertrag.
Für dieses Hohe Haus und für eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten ist das äußerst bedauerlich. Nichtsdestotrotz werden diese Änderungen eine Ratifizierung des Vertrags in allen 27 Mitgliedstaaten vereinfachen, und das ist der entscheidende Punkt, den wir anerkennen müssen.
Andrew Duff, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Meine Fraktion begrüßt die Aussicht auf eine schnelle und effiziente Regierungskonferenz, die die Ungewissheit im Anschluss an die Reflexionsphase beseitigt, Rechtssicherheit gewährleistet und einen starken Konsens vor dem Hintergrund des Reformvertrags bildet. Natürlich ist das Parlament besonders daran interessiert, auf der Regierungskonferenz das zu bewahren, was im Vertrag von 2004 von Vorteil war. Jedoch sollten wir auch sicherstellen, dass die wachsende Anzahl und die Menge von Ausnahmeregelungen und minimalistischen Fußnoten nicht die Integrität des Korpus des Europäischen Rechts oder die Rechtsprechung der Gerichte unterläuft. Wir werden dafür kämpfen, ein politisches Übergreifen des Protokolls des Vereinigten Königreichs auf die Charta zu verhindern; ein mehrschichtiger Rat ist eine Sache, aber das Parlament kann Staatsbürgerschaften erster und zweiter Klasse nicht zulassen.
Wir sollten den populären Zweifel ausräumen, dass die Regierungskonferenz nichts weiter als eine Großübung in Aufklärungsfeindlichkeit darstellt, mit der bestimmte Staaten von der Zusicherung von Referenden ausgenommen werden sollen, und ich war hocherfreut zu hören, dass Ministerpräsident Sócrates sich dafür einsetzt, dass Volksabstimmungen nicht gegen Parlamente eingesetzt werden dürfen. Wir sollten für größtmögliche Transparenz sorgen, und die verstärkte Rolle des Parlaments, seine übermächtige Stärke und pluralistischere Präsenz auf der Regierungskonferenz werden zu einer solchen Transparenz beitragen.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Anscheinend kennt dieses Hohe Haus – zumindest was den Vertrag anbelangt – kein Wort des Kompromisses oder will es nicht kennen. Ich empfinde die Kritik, die in dem Bericht an den Mandaten geübt wird, als sehr ungerecht. Mein Heimatland Polen hat hier große Flexibilität und Kompromissbereitschaft gezeigt, weshalb ich die kategorischen Aussagen des Berichts, die den offenkundigen Erfolg des Mandats nicht anerkennen wollen, mit Sorge lese.
Neue Bezeichnungen und die Europasymbole im Vertrag würden – entgegen den Aussagen des Berichts – nur zu Missverständnissen führen und den Eindruck erwecken, die Europäische Union trete in eine Phase der Pseudosouveränität ein. Die Flexibilität des Mandats in Bezug auf die Opt-out-Regelung ist Ausdruck von Umsicht und Realismus und nicht von Schwäche. Das gilt ebenso für die Grundrechtecharta.
Über eines dürften wir uns aber in jedem Falle einig sein: In den nächsten zehn Jahren werden wir vieles neu zu überdenken haben, das Abstimmungssystem eingeschlossen. Auch die Regierungskonferenz hat in dieser Hinsicht einige ausgewogene, detaillierte Entscheidungen zu treffen. Ansonsten geraten wir mit der Ratifizierung in eine Sackgasse.
Johannes Voggenhuber, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Seit dem Europäischen Rat in Brüssel verbreitet sich so etwas wie melancholische Zufriedenheit. Vielleicht ist es ja nur der nahende Urlaub. Tatsächlich: Wenn man das Mandat zu dieser Regierungskonferenz betrachtet, dann ist man versucht zu sagen, Europa ist mit einem blauen Auge davongekommen. Ich fürchte nur, der Schlag ist härter. Es ist nicht das Auge der Staaten, das verdunkelt ist. Argwöhnisch betrachtet und belauert man sich, argwöhnisch betrachtet man seine Souveränität. Es ist die Frage, ob Europa nur ein blaues Auge hat oder ob es auf einem Auge blind ist. Auf dem Auge der Bürger, die nicht mehr sehen können, was der eigentliche Charakter dieser Union ist.
Ja, es ist richtig: Das Mandat sichert die zentralen Errungenschaften der Verfassung. Aber das Mandat verschleiert den wahren Charakter Europas, es verbirgt Europa, es verdunkelt die Idee der europäischen Integration. Herr Barón Crespo, ich glaube nicht, dass es eine Übung in politischem Realismus ist, die wir hier vor uns haben. Wir haben es hier mit einem ganz offen aufflammenden Nationalismus, einer Kleinstaaterei und einer Eigenbrötelei der Regierungen zu tun.
Die Union der Bürgerinnen und Bürger – ist es wirklich nur eine Verpackungsfrage, dass sie verschwunden ist und wir wieder vor einer Union der Staaten stehen? War das die Forderung der Menschen, die in Frankreich und in den Niederlanden Nein gesagt haben? Wo sind deren Forderungen nach einem sozialen Europa und nach mehr Demokratie? Ist das nicht realistisch? Ist das nicht notwendig? Ist das nicht die Aufgabe Europas? In welcher Weise haben wir uns bemüht, diese Verfassung in klarer, verständlicher Sprache, in einem verständlichen Dokument niederzulegen? Die Regierungen haben sich seit Monaten nur ein Ziel gesetzt: einen dunklen, chiffrierten, unverständlichen, unleserlichen Vertrag zu schreiben, den die Bürger nicht lesen sollen!
Nein, es ist kein blaues Auge, das Opting-out aus der Grundrechtecharta, es ist der innerste Kern unseres Selbstverständnisses als Wertegemeinschaft. Es ist unerträglich, dass diese Union sich als eine Wertegemeinschaft bezeichnet und es gleichzeitig zulässt, dass ein Teil ihrer Bürgerschaft davon ausgeschlossen ist!
(Beifall)
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich kann verstehen, dass die Verantwortlichen der Union begeistert von der Idee der Wiederbelebung ihrer ehemalige Verfassung sind, auch wenn sie um einige ihrer positiven Elemente beschnitten wurde. In dieser Beziehung stimme ich mit dem überein, was Herr Voggenhuber vorhin ausführte. Schwerer zu verstehen ist für mich hingegen, dass dieselben Verantwortlichen, obwohl sie so überzeugt scheinen, damit den eindringlichsten Wünschen unserer Mitbürger nachzukommen, so viel Mühe aufwenden, um zu verhindern, dass die Bürger sich diesem nicht identifizierten verfassungsmäßigen Objekt zu stark nähern.
Denn wie sollte man die diesen eingeleiteten Prozess charakterisierende sehr spezielle Form von Demokratie anders deuten? Ein für Nichteingeweihte völlig unverständliches Verhandlungsmandat, eine verdächtige Verkürzung des Zeitplans und vor allem eine panische Angst vor eventuellen Referenden. Tief in ihrem Inneren scheinen unsere Verantwortlichen sich zweifellos zu sagen, dass die Änderung von Worten – Verfassung, Minister, Gesetz – und die Streichung der Hinweise auf Hymne und Flagge angesichts der Besorgnisse der Menschen bezüglich des gegenwärtigen europäischen Modells sicherlich nur wenig zählen würden, falls es durch Zufall wieder zu einer öffentlichen grundlegenden Debatte mit dem Niveau und der Intensität derjenigen käme, die einen Teil der Union vor zwei Jahren – aus gutem Grund – erschütterte.
In dem künftigen Vertrag werden die liberalen wirtschaftlichen Strukturen sei es betreffend die Zentralbank, den Wettbewerb, den Freihandel oder den Kapitalverkehr im Wesentlichen unverändert bleiben. Die Grundrechtecharta wird nicht nur, wie bereits ausgeführt, weiterhin ernsthafte Lücken aufweisen, sondern muss auch eine ihrem eigentlichen Wesen vollständig widersprechende Situation, eine in diesem Falle britische Ausnahmeregelung hinnehmen, oder, wenn Sie so wollen, das Recht auf Diskriminierung, das Recht auf Privilegien. Schließlich sind die neuen Bestimmungen zur Sicherheit und Verteidigung, die auf vielen Seiten zu zahlreichen Vorbehalten und Befürchtungen Anlass gegeben hatten, sämtlich wieder aufgegriffen worden. Angesichts dessen braucht nach den Gründen für die unübersehbaren Schwierigkeiten unserer jeweiligen Regierungen wohl nicht weiter gesucht zu werden.
In Spanien und Luxemburg wird man erklären, dass eine neue Volksbefragung überflüssig ist, da das Wesentliche des bereits ratifizierten Vertrags voll und ganz erhalten geblieben ist. In Frankreich und in Schweden hingegen wird die Regierung argumentieren, dass ein Referendum nicht mehr angebracht ist, da sich der Charakter des Textes vollständig verändert hat. In Dänemark und Portugal, wo eine Volksabstimmung vorgesehen war, werden die an dem Vertrag von 2004 vorgenommenen kosmetischen Korrekturen wohl einen feigen Verzicht auf diesen Wahrheitstest rechtfertigen. Einzig und allein in Irland ist ein Referendum heute ebenso unumgänglich wie gestern.
Aus diesen Gründen wird meine Fraktion unter voller Achtung der Meinungsunterschiede und der nationalen Besonderheiten mit der gleichen Entschlossenheit wie in der jüngsten Vergangenheit eine umfassende Aktion zur Information, zur Erläuterung der Hintergründe und zur geistigen Auseinandersetzung über den Inhalt des künftigen Vertrages durchführen, die EU-weit von der gleichen demokratischen Forderung begleitet sein wird: nämlich dass die Völker Europas effektiv konsultiert werden. In einigen Tagen wird die Regierungskonferenz ihre Arbeit beginnen, allerdings bin ich aufgrund der Erfahrungen überzeugt, dass die Würfel noch nicht gefallen sind: auf bald.
(Beifall von links)
Bernard Wojciechowski, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, der neue Vertrag ist ein Köder für die Umsetzung des früheren Verfassungsvertrags. Der Bericht verweist darauf, dass das Mandat die Substanz des Verfassungsvertrags sichert. Zwei Nationen sagten „Nein“. Er ist deshalb kaum etwas anderes als ein rührseliger Versuch zur Föderalisierung der Union um jeden Preis. Er unterstellt auch, das Parlament bekräftige seine Absicht zur Aufrechterhaltung eines offenen Dialogs.
Dieses Parlament ist so arrogant geworden, dass es lustig wäre, wenn es nicht so pathetisch daherkäme. Zu behaupten, wir halten mit irgendjemandem einen offenen Dialog aufrecht, ist schlichtweg ein Witz. Die Unterstützung für den Verfassungsvertrag hat nicht zugenommen. Wissenschaftler und Politiker betrachten ihn als völligen Reinfall. Jeder neue Vertrag sollte die folgenden Aspekte berücksichtigen.
Erstens muss das Endprodukt in allen Mitgliedstaaten nach den Verfassungsbestimmungen ratifiziert und Referenden müssen wiederholt werden. Der Versuch, die Probleme der Integration über die Köpfe der Zivilgesellschaft hinweg zu lösen, ist inakzeptabel.
Zweitens stellte der Verfassungsvertrag einen Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten und den politischen Systemen dar. Der überarbeitete Vertrag wird nicht über die Vereinbarungen jenes Vertrags hinausreichen. Er wird zu einem Zwergenverfassungsvertrag.
Drittens führt der Versuch, einen neuen Vertrag zu schaffen, zu einer beträchtlichen Verzögerung in der gegenwärtigen Phase der politischen Reform der EU. Eine Reform ist möglich, wird jedoch aus irgendeinem Grund nicht weitergeführt. Die Veränderungen in der ersten Säule sind in den Bereichen machbar, die laut EGV vorgesehen sind. Die umgesetzten Reformen innerhalb dieses Prozesses können den zwischenstaatlichen Bereich mit einschließen, vor allem die zweite und dritte Säule.
Es besteht die Möglichkeit, viele Fragen auf der Grundlage internationaler Übereinkommen zu regeln, die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossen wurden. Was die dritte Säule betrifft, so lässt sich ebenfalls eine Stärkung der Strukturen der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit erzielen. Möglich ist die Sicherstellung der demokratischen Legitimierung der EU durch die Durchführung von öffentlichen Ratssitzungen, die Stärkung der einzelstaatlichen Parlamente, die Beratungsrolle und die Übertragung der Befugnis an das Parlament, den Präsidenten der Kommission zu ernennen.
Die Hatz nach einem neuen Vertrag macht überhaupt keinen Sinn. Ein neues Dokument lässt sich nicht durch irgendeine Hintertür umsetzen. Das widerspricht dem Willen der Menschen. Forderungen nach einer Rechtspersönlichkeit, der Einheitswährung oder einem Rotationssystem in der Kommission sind extrem, obwohl in den vergangenen zwei Jahren keine europäische Nation einen solchen Wunsch geäußert hat.
Der Präsident. Herr Kollege, wenn man anderen Vorwürfe macht, sollte man selbst die Redezeit einhalten.
Philip Claeys, im Namen der ITS-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Ich kann nur zu dem Schluss kommen, dass in einem offiziellen Bericht nunmehr auch dieses Parlament klar und deutlich zugibt, was jedermann nach dem europäischen Gipfel von Brüssel feststellen konnte, dass nämlich die europäische Verfassung, die von den niederländischen und französischen Wählern abgelehnt worden ist und die dadurch rein rechtlich nie mehr in Kraft treten konnte, mit juristischen und politischen Kunstgriffen fast in Gänze erhalten bleibt und eingeführt wird.
Die Taktik des heimlichen Durchpeitschens von Teilen dieser Verfassung, die schon nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden auf verschiedenste Weise verfolgt wurde, – man denke nur an die Charta der Grundrechte, die rechtsverbindlich wurde, obgleich der Text unverbindlich ist –, diese Taktik hält nun auch in die offizielle europäische Politik Einzug. Dieses Parlament wäre nicht dieses Parlament, wenn es nicht nach alter Tradition zwischen den so genannten „guten“ Mitgliedstaaten, die blindlings dem föderalen Kredo huldigen und den föderalen Weg beschreiten, und den so genannten „schlechten“ Mitgliedstaaten unterscheiden würde.
Gleichwohl stellt den Gipfel des Zynismus selbstverständlich der Appell dieses Parlaments dar – und ich zitiere wörtlich – „die europäischen Bürger erneut an der Fortsetzung des Verfassungsprozesses zu beteiligen“. In Wirklichkeit hat dieses Parlament in nicht eben wenigen Berichten, allen voran der berüchtigte Bericht Duff-Voggenhuber, das Ergebnis der französischen und niederländischen Referenden vom Tisch gefegt. Diesem Parlament ist der Wille der Bürger, die es vorgeblich vertritt, völlig egal. Dieses Parlament wird langsam aber sicher zum genauen Gegenteil von all dem, was mit wahrer Demokratie zu tun hat.
(Beifall von rechts)
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Wir geben vor, auf der Seite des Volkes zu stehen, erstellen jedoch einen Bericht, der die Befürwortung einer Ratifizierung der umgestalteten Verfassung durch das Volk in auffälliger Weise zu vermeiden sucht. In der Tat wird hier bei der Verabschiedung dieses Berichts mit einer Eile vorgegangen, bei der erforderliche Verfahren in diesem Hohen Hause in einem Maße umgangen werden, das selbst einen Despoten erröten lassen würde!
Wir fordern von den Mitgliedstaaten, dass sie sich an das Mandat der Regierungskonferenz halten, erklären jedoch einseitig, bei der Benutzung von EU-Flagge und Hymne darüber hinaus gehen zu wollen. Wir erklären sofort unsere Entschlossenheit, noch mehr zu fordern, wenn wir diese Verfassungsänderungen durchbekommen haben. Das ist die Falltür dieser Vereinbarung, da sie Eigenergänzungen zulässt, was vor allem bedeutet, dass wir nie wieder das Volk befragen müssten, wenn wir Änderungen an seinem Verfassungsstatus vornehmen wollen.
(Beifall von rechts)
Maria da Assunção Esteves (PPE-DE). – (PT) Europa hat beim letzten Gipfel im Juni einen Schritt nach vorn gemacht. Während der Krise habe ich den Mut nicht verloren und niemanden von diesem gemeinsamen Streben nach einer kosmopolitischen, auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden Gesellschaft ausgeschlossen. Es stimmt, dass ein Konsens in einem erweiterten Europa nicht so einfach zu erreichen ist, aber Europa ist ein moralisches Projekt, eines der Vernunft, ein siegreiches Projekt. Es gibt keinen anderen Weg als Einigkeit und kein anderes Ziel als globale Gerechtigkeit.
Europa wird auf Schichten struktureller Anpassung errichtet: dem Vertrag von Rom und der Erschütterung des Mythos der Grenzen, dem Vertrag von Maastricht und der Unionsbürgerschaft, dem Vertrag von Nizza und der Erweiterung und jetzt dem Reformvertrag und der politischen Integration in eine Demokratie großen Ausmaßes. Der Reformvertrag ebnet einem konstitutionellen Europa noch nicht den Weg – er belässt uns im Großen und Ganzen noch in einem Europa der Regierungen –, aber er setzt der irrigen Argumentation, die lediglich auf Opposition basiert, und dem Irrtum ein Ende, ein Europa der Ergebnisse als im Widerspruch zu einer institutionellen Reform Europas stehend zu sehen.
Die Regierungskonferenz verlangt guten Willen seitens der Regierungen, die Beteiligung von Parlamenten und eine Politik echter Kommunikation. Machen wir uns nichts vor: Ein Referendum trägt weder zur Kommunikation bei noch legitimiert es den neuen Vertrag der Union. In vielen Fällen sind Referenden mit einer populistischen Tendenz verbunden, die nichts mit den sinnvollen Fundamenten von Demokratien zu tun hat. Europas Legitimität kann nur auf einem politischen Prozess ständiger Kommunikation aufgebaut werden, einem, der Politik über Bürokratie stellt, die Prüfung nationaler Parlamente schätzt, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft fördert, Führungsstärke bekräftigt, die Arbeit der Organe bekannt macht und seine alltägliche Politik auf eine Kultur von Rechten und Humanität stützt. Dies ist das legitime Europa.
Harlem Désir (PSE). – (FR) Herr Präsident! Europa besteht nicht nur aus seinen Verträgen; seine Schwierigkeiten sind nicht nur – und auch nicht hauptsächlich – institutioneller Natur. Daher muss die Wiederbelebung Europas über die Politik, über die europäischen Projekte, über den Unionshaushalt erfolgen. Allerdings ist es eine Tatsache, dass die Blockade der institutionellen Reform, die gescheiterte Ratifizierung der Verfassung in mehreren Ländern und die ausgesetzten Ratifizierungsverfahren in anderen Europa in eine Sackgasse geführt, in eine Krise gestürzt und seine Einheit einer harten Prüfung unterzogen haben.
Der erreichte Kompromiss zur Einberufung der Regierungskonferenz und das Mandat bezüglich des künftigen Änderungsvertrags wecken keine große Begeisterung. Alles ist kompliziert in dieser Vereinbarung, die eine Vielzahl von Fußnoten umfasst, so dass der künftige Vertrag keineswegs einfacher wird und schwer verständlich für die Bürger sein wird.
Das im Hinblick auf die Grundrechtecharta gewährte Opt-out ist wirklich ein Armutszeugnis für diejenigen, die es gefordert haben. Wenigstens wird die Charta für die 26 anderen Unionsländer gelten, was diesen zur Ehre gereicht. Doch diese Vereinbarung hat zumindest den Vorteil, dass sie zustande gekommen ist, und zwar zu einem Zeitpunkt, da es für Europa wichtig war, seine Einigkeit zu bekräftigen.
Meiner Meinung nach sollten wir der Regierungskonferenz nicht von vorn herein alle Chancen absprechen, und vor allem – hiermit möchte ich insbesondere auf die Ausführungen meines Kollegen Wurtz reagieren – hat das Mandat für die Einberufung der Regierungskonferenz zumindest einen positiven Aspekt, nämlich als Grundlage für deren Arbeit die institutionellen Neuerungen festzulegen, die in der Mehrzahl im ersten Teil des Entwurfs der europäischen Verfassung enthalten waren. Dies ist ein wesentlicher Punkt, denn der erste Teil der Verfassung wurde in den Ländern, in denen Referenden stattfanden, selbst von dem „Nein“-Lager, von denen, die sich jedenfalls als Anhänger der europäischen Integration ausgeben, kaum in Frage gestellt.
Der künftige Vertrag müsste daher die Elemente umfassen, über die unter allen aufrichtigen Europäern ein Konsens besteht, unabhängig ob sie für oder gegen die Verfassung gestimmt haben: Stärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente, stabile Ratspräsidentschaft, Abstimmung mit doppelter Mehrheit, weniger Sperrminoritäten, weniger einstimmige Entscheidungen insbesondere bei der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit, Verstärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, verstärkte und strukturierte Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungspolitik, die einfacher zu realisieren ist, sowie neue Zuständigkeiten in den Bereichen Energie und Klimawandel.
Des Weiteren gibt es noch zwei Punkte, die im dritten Teil enthalten waren, doch die, wie ich denke, alle fortschrittlichen Europäer beibehalten möchten: die horizontale Sozialklausel und einen Artikel, der den Schutz der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und damit die Annahme einer Richtlinie zugunsten der öffentlichen Dienstleistungen ermöglicht. Ich hoffe, wenn die Regierungskonferenz all diese Punkte übernimmt, dass dann alle Befürworter Europas, ob sie mit „Ja“ oder „Nein“ über den Verfassungsentwurf abgestimmt haben, den künftigen Vertragsentwurf unterstützen werden.
(Beifall)
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Ich möchte eine sehr wichtige Sache ansprechen. Ich möchte die Abgeordneten bitten, Änderungsantrag 1 zuzustimmen, in dem die Erweiterung des Mandats der Regierungskonferenz um die Frage der Verlegung des Sitzes des Europäischen Parlaments von Straßburg nach Brüssel gefordert wird. Meine Fraktion steht hinter diesem Beschluss.
Dies ist eine kleine, aber ausgesprochen wichtige Angelegenheit. Ein einziger Sitz würde die Legitimität der Union stärken. Vor einem Jahr haben mehr als eine Million Menschen eine Petition zugunsten eines einzigen Sitzes unterzeichnet, und die Regierungskonferenz ist der geeignete Ort, um dies zu diskutieren und zu entscheiden. Das Parlament entscheidet heute darüber, ob es sich mit der Frage des einen Sitzes befassen oder ob es fortfahren will wie bisher. Wenn wir dafür sind, nur einen Sitz zu haben, dann stimmen wir für Änderungsantrag 1.
Inese Vaidere (UEN). – (LV) Meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament als einzige von den Bürgern gewählte Institution der Europäischen Union hat die Pflicht, seine Entscheidungen verständlich zu machen. Ich möchte darauf hinweisen, dass nicht gründlich genug untersucht worden ist, warum der Verfassungsvertrag in zwei Mitgliedstaaten abgelehnt wurde und in anderen unpopulär war. Meiner Ansicht nach war diese Skepsis zum großen Teil dadurch bedingt, dass die Bürger eine Konzentration der Entscheidungsfindung, behördliche Arroganz, Bürgerferne und übermäßige Bürokratie miterleben. Das ist für sie Grund genug, eine weitere Integration abzulehnen. Unsere Aufgabe ist es, die Bürger in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, anstatt die Entscheidungen an ihrer Stelle zu treffen. Wir müssen mit den Menschen in einer verständlichen Sprache sprechen und nicht im Beamtenjargon. Das muss bei der Regierungskonferenz beachtet werden. Gleichzeitig kommt es auf die Weiterentwicklung des Solidaritätsprinzips bei der Entscheidungsfindung an, beispielsweise im höchst wichtigen Energiebereich. Wir müssen gegenüber den Nicht-EU-Ländern einheitlich auftreten. Hervorheben möchte ich, dass die Europäische Union ungeachtet ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten ein erfolgreiches Vorhaben ist.
Gérard Onesta (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Ich appelliere zuerst an die Kommission und insbesondere an den Rat, in dieser Angelegenheit ein Mindestmaß an Anständigkeit und Bescheidenheit an den Tag zu legen, denn der großartige Erfolg, den man uns hier zu verkaufen versucht, verdeckt nur notdürftig einen Rückschritt.
Ich will mich nicht aufhalten mit dem unwürdigen Verhalten einiger Staats- bzw. Regierungschefs, die ihr öffentlich und feierlich gegebenes Wort verleugnet haben, ob zur Charta wie Herr Blair oder bei den Abstimmungen im Rat wie die Brüder Kaczynski. Wir gehen von einer Verfassung, die wir verlieren – die Worte haben eine Bedeutung –, einer Verfassung, die ein Zeichen des Vertrauens in unsere gemeinsamen Werte und Perspektiven ist, zu einem so genannten vereinfachten Vertrag über. Vereinfacht – welch schlechter Witz! Die Fußnoten sind länger als der Vertrag selbst. Wir haben es also mit einem Zeichen des gegenseitigen allgemeinen Misstrauens zu tun, und es gibt zahlreiche Blockaden: Opt-out bei der Charta, wodurch Bürger zweiter Klasse entstehen; Blockaden bei den Abstimmungen im Rat bis 2017 und darüber hinaus mit dem Kompromiss von Ioannina; sowie eine zwar integrierte, doch sogleich wieder behinderte Auslandsvertretung.
Natürlich muss diese Regierungskonferenz ein Mandat bekommen. Alles nur nicht der Vertrag von Nizza, denn dieser bedeutet das Ende. Doch all denen, die sich für Europa schämen, sage ich: Nichts Solides kann auf Misstrauen aufgebaut werden, insbesondere wenn dies sich gegen die Bürger richtet, denn man nimmt sich nicht einmal die Zeit für Absprachen, nicht die Zeit für die Mitentscheidung des Parlaments – diese Debatte ist nur eine Scheindebatte –, nicht die Zeit, um die Zustimmung der Bürger einzuholen, oder die Zeit für Aufklärung. Allerdings ist schnelles Handeln geboten, um die Tatsache zu verschleiern, dass die Politiken nicht mehr auf dem Tisch liegen, sondern unter dem Teppich. Für all das wird leider eines Tages ein Preis zu zahlen sein.
Abschließend, Herr Präsident, möchte ich, weil regieren vorausschauen heißt, angesichts der Unfähigkeit der Kommission und des Rates, den nächsten Schritt zu planen, das Parlament aufrufen, sich einen Ruck zu geben und mit seiner Abstimmung seine feste Entschlossenheit zu bekräftigen, seine künftige Macht zu nutzen, um den Vertrag abzuändern, damit der europäische Motor endlich richtig in Gang kommt.
(Beifall von der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz)
Maciej Marian Giertych (NI). – (PL) Herr Präsident! Heute ist ein schwarzer Tag für die Europäische Union und auch für die Demokratie. Die politische Führung der Europäischen Union einschließlich dieses Hohen Hauses, der Europäischen Kommission und der Regierungen der Mitgliedstaaten versucht, ihre Wähler und ihr Volk zu betrügen. Man erwartet von uns, dass wir eine europäische Verfassung unterstützen, die von den Wählern schon einmal abgelehnt wurde.
Heute gilt, was Angela Merkel gesagt hat, nämlich andere Formulierungen zu verwenden, aber die rechtliche Substanz wie den Namen des Vertrages, die Bezeichnung der Rechtsakte der Europäischen Union oder des Amtes des EU-Außenministers beizubehalten. Genau das ist geschehen.
Wir sprechen über ein Dokument mit einem anderen Namen und anderen Formulierungen, das im Wesentlichen aber dasselbe ist. Angeblich besitzt es weniger Gewicht, damit es keiner Volksabstimmung unterworfen zu werden braucht. Das ist ein Versuch, die eigene Wählerschaft, das eigene Volk zu betrügen. Heute ist wirklich ein schwarzer Tag – ein Tag größter Schmach.
Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Giertych antworten, dass ich in diesem Hohen Haus schon eine Menge Müll gehört habe, aber das war wahrscheinlich der größte Müll, den ich mir je anhören musste.
Ich möchte in diesem Plenum ein wenig Positivismus verbreiten. Es hört sich so an, als ob wir auf einer Art Beerdigung des neuen Vertrags wären. Doch denke ich, dass wir dies gerade nicht tun, vielmehr sind wir dabei, in eine neue Phase einzutreten.
Ich möchte drei Punkte ansprechen. Erstens hat der portugiesische Ratsvorsitz mein volles Vertrauen. Ich erinnere mich an die Arbeit am Vertrag im Vorfeld von Nizza mit dem portugiesischen Ratsvorsitz, mit den Herren da Costa und Lourtie. Sie leisten stets eine hervorragende Arbeit. Trotzdem möchte ich ihnen einen Rat geben: Seien Sie etwas vorsichtig mit dem Sekretariat des Rates, da der Teufel im Detail steckt und sich Jean-Claude Piris in Detailfragen sehr gut auskennt.
Zweitens möchte ich sagen, dass Politik und Wirtschaft meiner Meinung nach Hand in Hand gehen. Wir haben heute schon sehr oft in diesem Plenum vernommen, dass wir nur eine Wirtschaftsunion wollen oder nur für eine politische Union eintreten. Ich zähle zu der Kategorie von Abgeordneten, die beides für notwendig halten: Wir brauchen einen freien und unverzerrten Wettbewerb und wir brauchen auch eine politische Union, und dieser Vertrag gibt uns wirklich beides. Die Ausnahmeregelungen beunruhigen mich nicht allzu sehr, da uns die Geschichte lehrt, dass, wann immer es Ausnahmen gab, zu guter Letzt die Weisheit siegte und die Menschen ihr folgten.
Abschließend sollten wir das Positive sehen. Wir müssen das Kapitel abschließen. Vor uns auf dem Tisch liegt ein Vertrag bzw. ein Vertragsentwurf. Sehen wir es positiv: Nutzen wir die Rechtspersönlichkeit, die wir haben, nutzen wir die qualifizierte Mehrheit, die wir haben, nutzen wir das Mitentscheidungsverfahren, das wir haben, nutzen wir die Charta, nutzen wir den Präsidenten, nutzen wir den Außenminister. Alles, was ich heute sage wollte, ist, dass dies ein neuer Anfang ist, wir haben einen fantastischen Vertrag, lassen Sie uns damit leben und weitermachen.
(Beifall von rechts)
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Wir sprechen heute über einen guten und ausgewogenen Bericht, für den ich mit Freuden stimmen werde. Er sendet den Regierungen der Mitgliedstaaten, den nationalen Parlamenten und den Bürgern der EU eine klare Botschaft: Die Europäische Union wird reformiert, und die Reform ist auf dem richtigen Weg.
Mit dem Bericht wird auch versucht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Europäische Union und ihre Institutionen wiederherzustellen. Und gerade in diesem Zusammenhang – mit Blick auf dieses Vertrauen – geben die Stimmen einiger Mitgliedstaaten, die Vorbehalte gegenüber dem verbindlichen Charakter der Grundrechtecharta haben, Anlass zu großer Sorge. Ich frage mich, wie diese Regierungen ihren Bürgern klarmachen wollen, dass sie die grundlegenden Errungenschaften der europäischen Demokratie nicht nutzen dürfen und ihnen nicht die Rechte zugestanden werden, die ihre Nachbarn in der EU haben.
Wird der Widerstand gegen die Grundrechtecharta zu einer neuen Spaltung Europas in Bürger erster Klasse und Bürger zweiter Klasse führen, wobei die Bürger erster Klasse in den Genuss aller in der Charta verankerten Rechte kommen, die den Bürgern zweiter Klasse vorenthalten werden? Sollten wir eine solche Spaltung zu Beginn des 21. Jahrhunderts hinnehmen? Das lehne ich entschieden ab, zumal wir, wie der portugiesische Ratsvorsitz dies vorschlägt, ein stärkeres Europa in einer stärkeren Welt wollen.
(Beifall)
Bogdan Pęk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Mit diesem Vertrag werden keine Reformen in Gang gesetzt, sondern nur die Risse verdeckt. Ziel des Vertrages ist es, die darin enthaltene Wahrheit zu verschleiern.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit reden die Europäische Union und die klugen Köpfe in diesem Hohen Haus von Ehrlichkeit und von den Werten, auf denen die Europäische Union fußt. Gibt es in der heutigen Welt, in der Geschichte der Menschheit einen höheren Wert als die Wahrheit? Mit Sicherheit nicht.
Dieser Vertrag entstellt die Wahrheit, denn unter dem Deckmantel seiner überarbeiteten Fassung wird auf äußerst betrügerische Art und Weise versucht, den Verfassungsvertrag, der von der Öffentlichkeit abgelehnt wurde, durchzusetzen. Dieser Weg führt nirgendwo hin.
Herr Präsident, Sie haben heute hier in diesem Hause einmal mehr gezeigt, dass Sie in der Lage sind, Rednern, die gegen den Vertrag sind, das Wort zu entziehen, während diejenigen, die Ihnen zustimmen, fast eine Minute mehr Redezeit erhalten. Hierin zeigt sich Ihr ganz eigenes Verständnis von Gerechtigkeit.
(Beifall)
Der Präsident. Herr Kollege, Sie hatten eine Minute Redezeit. Sie haben eine Minute und 23 Sekunden gesprochen. Sie haben länger gesprochen, und der Präsident war sehr tolerant mit Ihnen. Vielleicht haben Sie die Fairness, das auch einzusehen.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Wir haben bereits heute Morgen – wie ein Redner hervorgehoben hat, ab 9 Uhr – längere Zeit über dieses Problem des Vertrags debattiert, und ich bin daher der Meinung, dass die meisten wichtigen Bemerkungen und Stellungnahmen bereits abgegeben wurden, von denen viele sicherlich interessant waren und aus denen die portugiesische Präsidentschaft natürlich ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen wird.
Ich war Mitglied des Europäischen Konvents, zusammen mit mehreren der in diesem Hohen Haus vertretenen MdEP, und habe auch an der Regierungskonferenz 2004 teilgenommen. Ich behaupte nicht, dass ich von 2004 bis heute keinen Grund gehabt hätte, besorgt zu sein und sogar den Glauben zu verlieren, aber ich wusste stets, dass Europas treibende Kraft der Kompromiss und die Bereitschaft, sich vorwärtszubewegen, sind. Heute kann ich Ihnen klar sagen, dass diese Bereitschaft, sich vorwärtszubewegen, diese Bereitschaft, Kompromisse zu schließen, eine Einigung zu erreichen, meiner Ansicht nach wieder da ist.
Wir konnten uns im Europäischen Rat keinen Fehlschlag erlauben und haben nicht versagt, daher lassen Sie uns Europa, seinen Bürgern und der Welt ein eindeutiges Zeichen geben, dass dies ein Projekt für die Zukunft ist, ein Projekt, das den Europäern dient, ein Projekt, das der Welt dient. Natürlich mögen wir mit dem durch den Europäischen Rat angenommenen Mandat nicht alle zufrieden sein, aber lassen Sie keinen Zweifel daran, dass dieses Mandat uns einen Vertrag mit effizienteren Institutionen, demokratischerer Entscheidung und geeigneteren Reaktionen sowohl auf die internen Probleme der Union als auch die externen Probleme, die die Union angehen muss, geben wird.
Dies ist und wird das Mandat sein, das wir brauchen. Wir werden sicherlich den Vertrag erhalten, den die Bürger Europas sich lange gewünscht haben. Wie der Ministerpräsident Portugals hier sagte: „Wir haben das Mandat, wir haben nicht den Vertrag“, und das Mandat, das wir erhalten haben, soll nicht dieses Dokument ändern, sondern einen neuen Vertrag schaffen. Das ist unser Ziel, und wir werden das mit all unserer Kraft und all unserer Überzeugung tun.
Wir wollen diese Aufgabe im Oktober erledigt haben, und ich hoffe, im Oktober in der Lage zu sein, hier gute Nachrichten über einen neuen Vertrag für unsere Union verkünden zu können. Wir dürfen daher keinerlei Mangel an Disziplin zulassen, wie ein Mitglied dieses Hohen Hauses andeutete. Ich möchte Ihnen auch versichern, dass alle portugiesischen Präsidentschaften durch Transparenz, Kommunikation mit Bürgern und Kommunikation mit den Institutionen gekennzeichnet sind. Wir werden natürlich genau so fortfahren, und ich kann Ihnen versichern, dass dies eine der Verpflichtungen der portugiesischen Präsidentschaft ist.
Wie ich bereits sagte, hoffe ich, im Oktober einige gute Nachrichten für Sie zu haben.
(Beifall)
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Es muss einen Standpunkt geben zwischen Pangloss und seinem Überoptimismus und Eyeore, dem Esel, der alles für hoffnungslos hält. Es kommt in der Politik sehr selten vor, dass man ein zweites Leben erhält, und ich beziehe mich hier nicht auf Internet-Rollenspiele. Denken Sie daran, dass vor einem knappen Jahr der Verfassungsvertrag oder die Idee eines neuen Vertrags für tot, künstlich am Leben erhalten oder im Koma liegend erklärt wurde. Und nun erörtern wir ein Ratifizierungsverfahren, das schon bald eingeleitet werden soll.
Ich denke, dass uns wechselseitige Beschuldigungen kein Stück weiterbringen werden, und habe als Abschlussbemerkungen zu dieser Aussprache zwei Dinge vorzubringen. Erstens, bei der Charta der Grundrechte gefallen der Kommission die Ausnahmeregelungen nicht. Uns wäre es lieber gewesen, keine Ausnahmen vorzusehen. Doch vor welcher echten politischen Wahl haben wir gestanden? Sie bestand darin, entweder eine abgeschwächte Charta ohne Rechtskraft zu haben oder eine für die EU-Organe rechtsverbindliche Charta mit Wahlmöglichkeit oder die Beibehaltung des vollen Wortlauts der Charta. Unter diesen Umständen würde ich eine Charta bevorzugen, die rechtsverbindlich ist, und eine Wahlmöglichkeit dagegen ist auch eine Wahlmöglichkeit dafür, sodass nichts festgeschrieben ist.
Zweitens möchte ich sagen, dass ich davon ausgehe, dass die Abgeordneten des Parlaments eine Ratifizierung im Parlament in demokratischer Hinsicht für nicht weniger legitim halten als Volksabstimmungen.
(Beifall)
Einige Euroskeptiker hoffen natürlich darauf, dass sich die Herausforderung, Bürger über eine solch komplizierte Materie wie einem Vertrag zu informieren und sie zu engagieren, in eine Waffe umwandeln lässt, die die weitere europäische Integration zunichte machen kann. Aber ich glaube nicht, dass wir das zulassen sollten.
(Beifall)
Außerdem sind wir alle, unabhängig davon, welche Ratifizierungsmethode die Mitgliedstaaten wählen, dazu verpflichtet, die Bürger in ganz Europa zu informieren, sie einzubeziehen, mit ihnen zu reden und zu diskutieren. Dieser Sache müssen wir uns gemeinsam annehmen und dabei umfassend und geordnet zusammenarbeiten. Auf diese Weise werden auch wir als Kommission unseren Beitrag leisten. In diesem Sinne werde ich schon bald mit einem solchen Plan für ein ordentliches, demokratisches, offenes und transparentes Ratifizierungsverfahren auf Sie zukommen.
Damit wünsche ich auch dem portugiesischen Ratsvorsitz alles Gute für die Eröffnung der Regierungskonferenz.
(Beifall)
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet gleich statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – (EN) Die letzten beiden Jahre waren in Bezug auf den Vertragsreformprozess nicht umsonst. Folgende fünf Schritte wurden benannt und deren Umsetzung in die Wege geleitet:
1. Gemäß Mandat vom Juni 2006 erstellte der deutsche Ratsvorsitz einen Bericht.
2. Der Europäische Rat stimmte der Einberufung einer Regierungskonferenz zu.
3. Der Staffelstab des Ratsvorsitzes wurde an die Portugiesen übergeben und es ist nun ihre vordringlichste Aufgabe, einen Vertragsentwurf zu erarbeiten.
4. Die Regierungskonferenz soll ihre Arbeit zum Ende dieses Jahres abgeschlossen haben.
5. Die Ratifizierung wird vor den Europa-Wahlen im Jahre 2009 erwartet.
Was jetzt in Wirklichkeit passiert, ist ein vorsichtigeres Herangehen: Der verfassungsbezogene Aspekt des Vertrags wurde umstrukturiert, um die Verfassungsgegnerschaft zu besänftigen. Andererseits haben grundlegende Neuerungen überlebt, die ursprünglich im Verfassungsvertrag enthalten waren, wobei die Tatsache, dass die EU eine Rechtspersönlichkeit darstellen wird, die wichtigste von allen ist.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE). – (FR) Auf der letzten Tagung des Europäischen Rates im Juni 2007 haben die Staats- und Regierungschefs eine gute Übereinkunft gefunden, um Fortschritte in Richtung auf ein politisches Europa zu machen. Bedauerlich finde ich, dass sich unsere Freunde vom Vereinigten Königreich wieder einmal dadurch abgehoben haben, dass sie die Anwendung der Grundrechtecharta sowie eine vollständige Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres ablehnten. Auch wenn sie praktisch beibehalten wurden, bedaure ich, dass die EU-Symbole (Fahne, Hymne, Leitspruch) aus dem offiziellen Text verschwunden sind. Obwohl ich eine föderale Europäische Union ablehne, da ich zutiefst von dem äußerst großen Nutzen der Nationen für das Wohlergehen der Völker überzeugt bin, so denke ich doch, dass die Bürger Bezugspunkte zur Identifizierung der politischen Union brauchen. Ich hoffe, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht werden kann. Des Weiteren wird uns der Wegfall des Hinweises auf das Konzept „eines Binnenmarkts mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb“ im Rahmen eines komplexer gewordenen weltweiten Wettbewerbs in die Lage versetzen, die Kraft unserer Europäischen Union besser zugunsten der Produzenten und nicht nur der Konsumenten zu nutzen. Ich begrüße das Auftreten des Präsidenten der Französischen Republik, Nicolas Sarkozy, der sein ganzes Talent für ein starkes und geeintes Europa einzusetzen vermocht hat.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Mit 200 Worten:
1. Das Mandat für die RK behält die treibende Kraft des Inhalts des 2005 abgelehnten Vertrags bei.
2. Was die Kräfte hinter der Herbeiführung der kapitalistischen Integration Europas zu tun versuchen, ist die Wiedereinführung des föderalistischen, neoliberalen, militaristischen qualitativen Schrittes, der in der abgelehnten „Europäischen Verfassung“ enthalten ist, durch die Hintertür.
3. Dies zeigt einen ernstzunehmenden Mangel an Achtung der Wünsche des französischen und holländischen Volkes, wie sie in deren Referendum zum Ausdruck kamen.
4. Wenn Portugal in Bezug auf die institutionellen Fragen lediglich das Mandat als Grundlage nimmt, während die Hauptmächte ihr Gewicht im Entscheidungsprozess in der EU verstärken, verliert es:
- bei der Gewichtung der Stimmen im Rat,
- das Recht zur Veto-Ausübung,
- an Souveränität,
- Mitglieder des Europäischen Parlaments,
- einen ständigen Kommissar.
5. Das Mandat bestätigt die Basis neoliberaler Politiken der EU, die die Wurzel der ernsten sozialen und wirtschaftlichen Probleme sind, vor denen Portugal steht.
6. Das Mandat institutionalisiert die Militarisierung der EU.
7. Dies bedeutet, dass der Inhalt des Mandats allein ausreichen würde, die Abhaltung verbindlicher Referenden zu dem pseudoneuen Vertragsentwurf zu rechtfertigen, und diese Forderung ist angesichts dessen, dass das Problem die unannehmbare Aufzwingung der wesentlichen treibenden Kraft eines Vertrages ist, der bereits abgelehnt wurde, umso legitimer.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), în scris. – Mandatul Consiliului European depăşeşte impasul constituţional în care Uniunea Europeană se află de mai bine de doi ani, dar în acelaşi timp sacrifică unele prevederi esenţiale.
Consiliul European a decis ca simbolurile europene să fie excluse din viitorul tratat; consider acest lucru ca fiind regretabil şi susţin modificarea Regulamentului de procedură al Parlamentului pentru a adopta în mod oficial steagul şi imnul Uniunii Europene. Cetăţenii europeni respectă aceste simboluri, pe care le consideră familiare şi apropiate, după cum indică cel mai recent Eurobarometru. În România, 76% dintre cetăţeni asociază simbolurile UE cu un sentiment de încredere; de aceea, sunt convinsă că steagul Uniunii Europene va fi şi în continuare arborat cu mândrie în ţara mea.
Mandatul defineşte, de asemenea, stabilirea unei noi componenţe a Parlamentului European. Ca singurul organ ales al Uniunii şi cel care este menit să reprezinte cel mai fidel cetăţenii, consider că Parlamentul European trebuie să respecte întru totul principiul proporţionalităţii în desemnarea numărului de europarlamentari din fiecare stat. Reprezentarea fiecărei ţări nu trebuie să fie stabilită prin negocieri politice, ci trebuie să reflecte mărimea populaţiilor statelor membre.
Nu în cele din urmă, consider esenţială includerea clauzei de solidaritate în domeniul energetic. Aceasta va asigura cadrul legislativ pe baza căruia Uniunea Europeană îşi va putea proteja mai bine interesele şi întări independenţa energetică.