2. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
3. Abkommen über Fluggastdatensätze (PNR) mit den USA (eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll
4. Vorstellung des Programms des portugiesischen Vorsitzes (Aussprache)
Der Präsident. Es ist mir eine große Freude, den Präsidenten des Europäischen Rates, den Ministerpräsidenten Portugals, José Sócrates, sehr herzlich hier im Europäischen Parlament willkommen zu heißen.
(Beifall)
Ebenso herzlich willkommen heiße ich wie immer den Präsidenten der Kommission, José Manuel Durão Barroso.
(Beifall)
Wie Sie alle an den Namen sehen, haben wir eine besondere Konstellation. Portugal ist das Zentrum der Europäischen Union. Es ist mir eine große Freude, den Präsidenten des Europäischen Rates, Ministerpräsident José Sócrates, um sein Wort zu bitten.
José Sócrates, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident, lieber Hans-Gert Pöttering, lieber José Manuel Durão Barroso, verehrte Mitglieder des Parlaments! Zu Beginn des halbjährigen portugiesischen Ratsvorsitzes, möchte ich vor den rechtmäßigen Vertretern der Bürger Europas, erneut den wichtigsten Leitsatz dieses Vorsitzes bekräftigen: die Schaffung eines stärkeren Europas für eine bessere Welt!
Um dies zu erreichen, Übernehmen wir eine klare Verpflichtung, nämlich alles uns Mögliche zu tun, um die Zeit der Zweifel und Unsicherheiten im Hinblick auf den Kurs des europäischen Einigungsprozesses hinter uns zu lassen. Wir möchten alle Mitglieder hier, am Sitz der europäischen Demokratie, bitten, uns auf dem Weg zu diesem gemeinsamen Ziel zu unterstützen.
Bekanntermaßen ist Portugal kein Gründungsmitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften. Als wir jedoch 1974, nach 48 Jahren unter einem autoritären Regime, die Demokratie in unserem Land wiederherstellten, bestand unser wichtigstes Ziel darin, den Europäischen Gemeinschaften – wie sie zu dieser Zeit hießen – beizutreten. Wir erreichten dieses Ziel 1986. Nun, da wir den Vorsitz des Ministerrates der Union zum dritten Mal übernehmen, möchte ich Ihnen versichern, dass sich die portugiesische Regierung mit Entschlossenheit und in voller Überzeugung dafür einsetzen wird, die Werte von Frieden, Freiheit, Solidarität und Wohlstand zu fördern und zu stärken, von denen sich die Gründungsmitglieder 1957 leiten ließen – die Werte, die wir, nunmehr 27 Mitgliedstaaten und fast 500 Millionen Bürger, im März in Berlin bekräftigt haben.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem halben Jahr den Stillstand und die Hindernisse überwinden können, die das europäische Einigungswerk zu lange aufgehalten haben. Das Beispiel des europäischen Einigungswerks motiviert viele Menschen und Länder in verschiedenen Teilen der Welt, die die Europäische Union nachdrücklich auffordern, eine aktivere Rolle in der Weltpolitik zu spielen, und denen es schwerfällt, unser Zögern zu verstehen.
Für mich war und wird das europäische Einigungswerk immer eines der edelsten und wichtigsten politischen Vorhaben unserer Zeit sein. Der Aufbau Europas ist wichtig für die europäische Wirtschaft, für die Förderung der europäischen Werte und für die europäischen Bürger. Doch die europäische Integration ist ebenso wichtig für die Bewältigung der globalen Herausforderungen, dafür, die Chancen dieser Zeiten des Wandels wahrzunehmen und eine gerechtere, stabilere und besser entwickelte Welt zu errichten. Nicht nur die Menschen in Europa brauchen ein starkes Europa, auch die Welt braucht ein Europa, das vorausschauend handelt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Sie werden mir sicher zustimmen, dass der Erfolg eines Vorsitzes immer von der Klarheit seines Programms abhängt. Unsere Prioritäten für die nächsten sechs Monate stehen eindeutig fest: die Reform der Verträge, eine Agenda für die Modernisierung der europäischen Wirtschaft und der europäischen Gesellschaft und die Stärkung der Rolle Europas in der Welt.
Die größte Herausforderung liegt natürlich darin, den Prozess der Reformierung der Verträge auf der Grundlage des Mandats fortzusetzen, das der letzte Europäische Rat erteilt hat. Gern würdige ich die Verdienste, die sich die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, mit ihrer Strategie und den Verhandlungen erworben hat. Wir haben sie in den vergangenen sechs Monaten stets unterstützt. Mit Dankbarkeit möchte ich auch die klaren Standpunkte hervorheben, die das Parlament in der Entschließung vertreten hat, die auf der Grundlage des Berichts Barón Crespo-Brok verabschiedet wurde. Sie führte zu einer Einigung zwischen den Mitgliedstaaten, bei der die Schlüsselziele des Verfassungsvertrags bewahrt und die Signale berücksichtigt wurden, die von den Referenden in Frankreich und den Niederlanden ausgingen.
Der Fortschritt, der beim letzten Europäischen Rat erzielt wurde, war nur durch die Impulse möglich, die er vom Europäischen Parlament erhalten hatte. Das Parlament hat in dieser Hinsicht immer eine starke, kohärente und konstruktive Position vertreten und angesichts des damaligen Stillstands niemals resigniert.
Die Einigung, die der Europäische Rat am 21. und 22. Juni erzielte, fand in einem klaren und präzisen Mandat ihren Ausdruck, wie dies Portugal immer für notwendig gehalten hat. Wir sind jetzt in der Lage, voranzuschreiten.
Ich möchte gegenüber dem Parlament deutlich machen, dass ich in einem Punkt keine Zweifel habe. Der entscheidende Moment war im Oktober 2006, als die Staats- und Regierungschefs der drei Länder, die das Trio der Ratsvorsitze bildeten – Deutschland, Portugal und Slowenien –, sich darauf einigten, der Überwindung der institutionellen Sackgasse in ihrem Programm Vorrang einzuräumen. Zu dieser Zeit, im Oktober 2006, hielten nur wenige ein solches Ziel für möglich. Doch nun ist das Ziel in unserer Reichweite.
Wir gehen diese Aufgabe daher mit Zuversicht an und sollten sie nun vollenden, indem wir das Mandat in einen neuen Vertrag münden lassen. Ich weiß, dass wir vor schwierigen und anspruchsvollen Verhandlungen stehen, um eine Einigung herbeizuführen. Ich bin natürlich auf die Probleme vorbereitet, die immer auftauchen, vor allem in der Schlussphase des Verhandlungsprozesses. Ich weiß jedoch, dass wir es schaffen können. Eines ist für mich klar: Unser Mandat besteht nicht darin, das Mandat zu ändern. Unser Mandat besteht darin, das Mandat in einen Vertrag umzusetzen.
Dieses Mandat ist überdies eindeutig. Es ist klar, welche Teile des vorherigen Verfassungsvertrags aufgegeben werden müssen, was in dem Reformvertrag beibehalten und welche neuen Aspekte zum Vertrag von Nizza hinzugefügt werden sollten.
Das Beste, was wir tun können, meine Damen und Herren, ist den politischen Schwung zu nutzen. Wir müssen uns beeilen. Deshalb habe ich beschlossen, die Regierungskonferenz am 23. Juli zu eröffnen, getrennt vom Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“. Am gleichen Tag werden wir einen Vertragsentwurf verteilen, der auf der Grundlage der detaillierten Anweisungen des Mandats ausgearbeitet wurde.
In derselben Woche werden Treffen mit Rechtssachverständigen stattfinden, um den Text zu prüfen und alle etwaigen Schwierigkeiten festzustellen. Die informelle Tagung der Außenminister am 7. und 8. September werden wir nutzen, um Bilanz zu ziehen. Wir werden uns tatkräftig dafür einsetzen, dass die Einigung über den Vertrag während der informellen Tagung des Europäischen Rates am 18./19. Oktober in Lissabon erreicht werden kann. Dies ist unser Ziel, und Sie werden sicher zustimmen, dass dieser Zeitplan dem Geist und dem Wunsch aller europäischen Institutionen entspricht und den Interessen der Union am besten dienen kann.
Ich verlasse mich auf das Europäische Parlament, um dieses Ziel erreichen zu können. Daher habe ich mich auch dafür eingesetzt, dass das Parlament auf der Regierungskonferenz drei Vertreter haben sollte, und nicht zwei wie bisher. Auf diese Weise wird eine größere Repräsentanz dieses Hohen Hauses sichergestellt.
Aus dem gleichen Grund werde ich überdies auch vorschlagen, dass das Parlament durch seinen Präsidenten vertreten wird, wann immer Staats- und Regierungschefs an der Regierungskonferenz teilnehmen.
Ich weiß, dass ich auf den Beitrag aller Institutionen zählen kann. Ich danke der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank für die rasche Abgabe ihrer Stellungnahmen.
Ich bin dem Europäischen Parlament dankbar für seine Bemühungen, seine Stellungnahme ebenfalls heute zu verabschieden und damit die notwendigen Bedingungen für die Aufnahme der Arbeit der Regierungskonferenz noch in diesem Monat zu erfüllen.
Ich weiß, dass ich mich auf den Willen und das Engagement aller Mitgliedstaaten verlassen kann. Dies ist ein Augenblick der Annäherung; alle Institutionen kommen zusammen, um durch eine rasche Entscheidung über den Vertrag einen klares Zeichen dafür zu setzen, dass Europa zuversichtlich und entschlossen ist, Fortschritte bei seiner Einigung zu erreichen.
Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Die Reform der Verträge ist nur eine der Aufgaben, vor denen die Union in den nächsten sechs Monaten steht, und ich möchte, wenn Sie gestatten, einige Minuten darauf verwenden, Ihnen einige andere, äußerst wichtige Themen in der Union darzulegen. Neben den institutionellen Fragen fordern die Bürger Europas Antworten auf Fragen, die unmittelbar mit ihrem täglichen Leben verknüpft sind, mit denen sie anerkennen, dass Europa praktische Ergebnisse vorlegen muss, die etwas bewirken und dabei helfen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Ich glaube, niemand zweifelt daran, dass Europa weiter in die Modernisierung investieren muss.
Vor mehr als sieben Jahren kam António Guterres, der damalige portugiesische Ministerpräsident, in dieses Hohe Haus, um die Lissabon-Strategie vorzustellen. Bis heute ist diese Strategie der Fahrplan für die Modernisierung der europäischen Wirtschaft und der europäischen Gesellschaft.
Daher freut es mich besonders, Ihnen sagen zu können, dass die „Lissabon-Strategie“ wieder im Mittelpunkt unserer Pläne stehen wird. Die im Jahr 2000 festgelegte Strategie mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt durch Investitionen in Wissen und Innovation zu stärken, ist immer noch der richtige Weg nach vorn und wird weiterhin von den wichtigsten politischen Kräften in Europa unterstützt.
Was wir tun werden, ist aktiv zu einer neuen Runde der Lissabon-Agenda beizutragen, die im Frühjahr 2008 während des slowenischen Ratsvorsitzes angenommen wird. Wir werden uns auf diese neue Runde vorbereiten, indem wir das Gleichgewicht zwischen den drei Teilen dieser Agenda beibehalten, nämlich den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten.
Im Rahmen der Überprüfung des Binnenmarktes können wir das Hauptaugenmerk auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die Öffnung der Märkte, die Beseitigung von Rahmenkosten und die Rolle legen, die die Kulturindustrie bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, Wirtschaftswachstum und Innovation spielen kann.
Das nächste Halbjahr wird auch im Hinblick auf politische, energiepolitische und ökologische Fragen besonders bedeutsam sein. Europa kann diesbezüglich nur ein Ziel haben: weiterhin die führende Rolle bei Umweltfragen zu übernehmen, insbesondere bei der Bekämpfung des Klimawandels.
Dazu müssen wir die Diskussion über einen technischen Aktionsplan für Energie und Umwelt fördern und werden die Rolle von Biokraftstoffen vor allem im Kontext des Berichts hervorheben, der aus dem ersten Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und Brasilien hervorging.
Wir wollen der sozialen Dimension der „Lissabon-Strategie“ die Sichtbarkeit und Bedeutung geben, die sie verdient. Zehn Jahre nach dem Start der „Europäischen Beschäftigungsstrategie“ erscheint es uns wesentlich, eine Diskussion über die besten Möglichkeiten einer Abstimmung der Beschäftigungspolitik zu fördern, um die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze im Rahmen des weltweiten Wettbewerbs zu unterstützen. Diese Leitlinie des portugiesischen Ratsvorsitzes wird eng mit der Ausbildung von Humanressourcen, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie der Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung verbunden sein.
Das europäische Sozialmodell mit seiner allseits bekannten Vielfalt fordert von uns, dass wir gemeinsam über die Trägfähigkeit von Renten- und Pensionssystemen nachdenken und auch herausfinden, welche Reformen auf den Arbeitsmärkten und bei den Systemen zum Schutz vor sozialen Risiken notwendig sind. In diesem Zusammenhang sollte es Ziel unserer Debatte über die so genannte Flexicurity sein, ganzheitliche und ausgewogene Lösungen zu finden. Sie sollten sich in gemeinsamen Grundsätzen auf europäischer Ebene niederschlagen, die den unterschiedlichen sozialen Bedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechung tragen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Einer der wichtigsten Schwerpunkte der europäischen Einigung ist für den portugiesischen Ratsvorsitz die Schnittstelle zwischen Freiheit und Sicherheit. In diesem Zusammenhang wird es eine der Prioritäten des Ratsvorsitzes sein, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität zu verstärken.
Der Terrorismus bleibt eine der größten Bedrohungen für Frieden und Sicherheit in der Welt. Demokratien haben keine Angst vor dem Terrorismus und wissen, wie sie angesichts dieser Bedrohung standhaft bleiben. Wenn es ein gutes Beispiel für diese Standhaftigkeit gibt, so wurde es letzte Woche von der britischen Regierung gegeben, der ich die Solidarität aller Länder der Union zum Ausdruck bringen möchte.
Die Bekämpfung des Terrorismus muss daher ein gemeinsames Ziel aller Mitgliedstaaten bleiben, denn nur die europäische Zusammenarbeit ermöglicht es, Terrorismus zu verhindern, uns vor ihm zu schützen und ihn zu bekämpfen.
Der portugiesische Ratsvorsitz wird daran arbeiten, die im Rahmen der EU-Strategie zur Terrorismusbekämpfung laufenden Initiativen und den Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung umzusetzen und die Strategie zur Verhinderung der Radikalisierung und der Anwerbung von Terroristen, die in den nächsten sechs Monaten überprüft wird, kontinuierlich weiterzuführen.
Wir halten es daher für dringend notwendig, einen Ersatz für Herrn de Vries zu finden und die Mittel und das Mandat festzulegen, die es seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger ermöglichen, ihre bzw. seine Aufgaben erfolgreich wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Geschichte hat uns gelehrt, dass es keine Freiheit ohne Sicherheit gibt. Deshalb ist die Sicherheitspolitik der Union auch wichtig, um den offenen und toleranten Charakter der europäischen Gesellschaften zu bewahren.
Daher bin ich stolz, dass SIS-ONE4ALL, die technische Lösung, dank derer die neuen Mitgliedstaaten vollwertige Mitglieder des Schengener Raums werden konnten, und die Grenzen zu diesen Ländern mit dem Ende des portugiesischen Ratsvorsitzes wegfallen werden, von Portugal vorgeschlagen und von einem portugiesischen Unternehmen entwickelt wurde.
Wir werden damit einen der größten Wünsche dieser Bürger erfüllen: die Freizügigkeit von Personen auf dem Gebiet der Union.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte auch ein paar Worte zur Einwanderungspolitik sagen. Wir werden diesem Thema während unseres Vorsitzes besondere Aufmerksamkeit schenken. Europa ist heute ein Raum, der Millionen von Migranten aufnimmt, die hier leben, arbeiten und ihre Kinder großziehen, und deren Beitrag wichtig für das Wachstum der europäischen Wirtschaft ist.
Wir müssen daher eine europäische Einwanderungspolitik konzipieren, mit der die illegale Einwanderung verhindert, aber auch die Aufnahme und Integration legaler Migranten ermöglicht wird, eine Politik der effizienten Zusammenarbeit mit ihren Herkunftsländern, um die Migrationsströme zu unserem gegenseitigen Nutzen zu steuern.
Nur mit einer Politik, die im Herkunftsland und im Bestimmungsland umgesetzt wird, die sowohl die Ursachen als auch die Folgen berücksichtigt, kann das Ausmaß des Phänomens in einer Weise bewältigt werden, die mit unseren Werten und Verantwortlichkeiten vereinbar ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die derzeitige internationale Lage schafft eine besondere Verantwortung der Europäischen Union, und ich möchte nun auf die außenpolitische Agenda der Europäischen Union unter portugiesischem Ratsvorsitz eingehen. Die Bürger Europas sind geeint in ihrer Forderung an uns, eine aktive Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen, gestützt auf die Werte des Völkerrechts, des gegenseitigen Respekts, des Dialogs und der Zusammenarbeit. In gleicher Weise erwartet die internationale Gemeinschaft von der Union, eine engagierte und konsequente Rolle bei internationalen Angelegenheiten zu spielen.
In der zweiten Hälfte des Jahres 2007 stehen Beschlüsse über heikle internationale Fragen an, die nicht aufgeschoben werden können – die Zukunft des Kosovo, die Atompolitik des Iran, die humanitäre Krise in Darfur. Es wird eine Reihe besonders wichtiger bilateraler Gipfeltreffen mit Indien, China, Russland und der Ukraine geben. Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten werden im Kontext, der beim Gipfeltreffen von Washington unter deutschem Ratsvorsitz vorgegeben wurde, so genau überwacht werden, wie dies bei derart strategisch wichtigen Beziehungen erwartet werden kann.
In allen Fällen werden wird unsere Verantwortung als Inhaber des Ratsvorsitzes wahrnehmen und eng mit Javier Solana, dem Hohen Vertreter für die Außenpolitik, und der Europäischen Kommission zusammenarbeiten.
Ich möchte Sie auf drei Initiativen aufmerksam machen, mit denen wir eng verbunden sind, und die besondere Hervorhebung verdienen: das Gipfeltreffen EU-Brasilien, das bereits stattgefunden hat, das Gipfeltreffen EU-Afrika und die Euromed-Treffen.
In dieser ersten Woche des Ratsvorsitzes haben wir bereits das Gipfeltreffen mit Brasilien mit dem Ziel durchgeführt, die Beziehungen auf allen Ebenen auf ein höheres Niveau des gegenseitigen Verständnisses und der engen Zusammenarbeit heben. Diese Initiative liegt den Portugiesen besonders am Herzen, da wir die gleiche Sprache sprechen und einen großen Teil unserer Kultur und Geschichte mit Brasilien teilen. Wir versuchen, die politischen Bedingungen zu schaffen, um, wie mit anderen aufstrebenden Wirtschaftsmächten, förmliche Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen von Europa und Brasilien herzustellen, die uns wiederum dabei helfen, die Art von Beziehungen zu erreichen, die wir zu ganz Lateinamerika haben wollen.
Engere Beziehungen zu Brasilien wirken sich auch in praktischer Weise auf unsere Antwort auf globale Herausforderungen aus. Das Gipfeltreffen mit Präsident Lula in der letzten Woche hat auch eine einmalige Gelegenheit eröffnet, aus der wir nun bei den Verhandlungen der Doha-Runde das Beste machen müssen. Wir werden alles uns Mögliche tun, um die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang zu unterstützen. Ich gehöre zu denen, die der Ansicht sind, dass die Verhandlungen der Doha-Runde eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Globalisierung spielen, und der Abschluss der Verhandlungen sehr günstig ausfallen wird. Dies sollte weiterhin eine Priorität der europäischen Institutionen sein.
Die Euromed-Ministertreffen sind Teil einer Reihe von Verhandlungen, zu der auch der so genannte Barcelona-Prozess und die Neue Nachbarschaftspolitik gehören. Diese Treffen dienen dazu, die Bedeutung zu unterstreichen, die wir der Wiederbelebung der entscheidenden politischen Debatte mit unseren Partnern am südlichen Ufer des Mittelmeers beimessen. Wir haben gemeinsame Anliegen und stehen vor den gleichen Herausforderungen bei Entwicklung und sozialem Zusammenhalt, was die die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit der beiden Seiten des Mittelmeers unterstreicht. Wir sind überzeugt, dass wir mit der Unterstützung und dem Engagement der europäischen Staaten und der maßgeblichen internationalen Institutionen dazu beitragen können, bestimmte Hindernisse in wichtigen Bereichen wie der Steuerung der Migrationsströme und dem potenziellen Beitrag der Diaspora zu ihren Herkunftsländern zu überwinden.
Schließlich schlagen wir vor, ein zweites Gipfeltreffen EU-Afrika abzuhalten, der dem vorherigen Gipfel in Kairo im Jahr 2000 folgt, der, wie Sie sich erinnern, unter portugiesischem Ratsvorsitz stattfand. Ohne bestimmte Schwierigkeiten zu leugnen, die wir bewältigen müssen, sind wir doch davon überzeugt, dass es keine Rechtfertigung für die Tatsache gibt, dass seit mehr als sieben Jahren kein derartiges Treffen auf höchster Ebene stattgefunden hat – und dies bei zwei Kontinenten mit solch engen historischen Verbindungen, die in der heutigen Welt derart voneinander abhängen.
Portugal ist in einer besonders guten Ausgangsposition, um diese Verantwortung zu übernehmen, und zählt sehr stark auf die Afrikanische Union und alle europäischen und afrikanischen Staaten, damit dieses Gipfeltreffen Gelegenheit bietet, den Dialog und die Zusammenarbeit bei Fragen von größtem gemeinsamen Interesse wiederzubeleben. Wir werden daher die Aufgabe übernehmen, eine neue strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika festzulegen, die darauf abzielt, zu unserem gegenseitigen Nutzen eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, den Frieden zu garantieren, endemische Erkrankungen zu bekämpfen und eine ausgeglichene Partnerschaft bei der Steuerung der Migrationsströme zu wahren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, dies ist unser Arbeitsprogramm, das ich nun kurz umrissen habe. Ich bin mir bewusst, dass wir den Vorsitz zu einer Zeit innehaben, in der die internationale Lage äußerst angespannt ist, und dass wir bei der Aufstellung unserer eigenen Ziele ehrgeizig waren. Wir wissen, dass ein Vorsitz nicht allein alle anstehenden Probleme lösen kann, aber wir wissen auch, dass wir etwas bewirken können, wenn wir klare Ziele setzen, wenn wir bei der Art und Weise, in der wir sie verfolgen, bescheiden sind, und wenn wir den Willen zeigen, den notwendigen Konsens zu erreichen.
Viele europäische Philosophen definieren die heutige Welt mit dem Präfix „post” – postdemokratisch, postmodern oder postindustriell – die Welt ist für sie eine „post-Welt”. Diese Begriffe bedeuten ganz einfach, dass wir in einer Welt des Wandels, der raschen Veränderungen leben und noch nicht vollständig verstehen, was vor unseren Augen abläuft.
Unter all diesen Unsicherheiten und unbekannten Faktoren halten wir jedoch eine Sache für sicher: Der schlimmste Fehler in einer sich ändernden Welt ist Stillstand. Diesen Fehler darf Europa nicht begehen. Verehrte Abgeordnete, mit Überzeugung rufen wir dazu auf, dafür zu sorgen, dass Europa nicht still steht und die europäische Einigung auf dem Weg zu einer besseren Welt vorangebracht wird.
(Beifall)
Der Präsident. Herr Präsident des Europäischen Rates! Wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihre Programmrede. Der Beifall hat gezeigt, auf welch große Zustimmung Sie hier im Europäischen Parlament gestoßen sind. Wir danken Ihnen vor allen Dingen für Ihre eindeutige Erklärung, dass das Europäische Parlament auf allen Ebenen der Regierungskonferenz vertreten sein wird. Sie selber haben das persönlich immer unterstützt, und damit ist auch die Voraussetzung gegeben, dass das Europäische Parlament seine Zustimmung zur Einsetzung einer Regierungskonferenz geben kann. Auch der Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat des Rates sehen wir im Europäischen Parlament mit besonderen Erwartungen entgegen.
Nun darf ich den Präsidenten der Kommission, José Manuel Durão Barroso, bitten, zu uns zu sprechen.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst einmal möchte ich den portugiesischen Ministerpräsidenten zu Beginn des portugiesischen Ratsvorsitzes ganz besonders grüßen. Das Programm des portugiesischen Ratsvorsitzes ist ehrgeizig und anspruchsvoll, und die Regierungskonferenz wird natürlich einen herausragenden Platz einnehmen, vor allem bis zur Tagung des Europäischen Rates im Oktober. Aber beim portugiesischen Ratsvorsitz geht es um mehr als die sehr wichtige Frage des Vertrags. Zu den weiteren schwierigen Aufgaben gehören die Außenbeziehungen, darunter wichtige Gipfeltreffen mit vielen unserer Partner, die neu belebte Lissabon-Agenda für Wachstum und Beschäftigung, und Innovation.
Gestern hat die Kommission ihre Stellungnahme zur Regierungskonferenz angenommen. Wie ich vor diesem Hohen Haus bereits sagte, wird sich die nun beginnende Regierungskonferenz stark von ihren Vorläufern unterscheiden. Dank der bereits geleisteten Arbeit, der Bemühungen vor allem des deutschen Ratsvorsitzes, die ich auch loben möchte, und der Tatsache, dass wir so deutliche Fortschritte erreicht haben, können wir sagen, dass dieses Mandat detaillierter ist als je zuvor. Niemals begann eine Regierungskonferenz mit einem solch präzisen Mandat. In einigen Bereichen hat das Mandat zwar den Wortlaut der Regierungskonferenz von 2004, bei anderen wird jedoch eine hoch entwickelte Rechts- und Fachsprache verwendet. Infolge dieser hohen Präzision können wir nun sagen, dass die zentrale Frage nicht mehr seine politische Substanz ist, denn dies wurde beim Europäischen Rat im Wesentlichen geklärt. Es geht vielmehr darum, sich eng an den Inhalt des Mandats zu halten.
Daher muss dies ganz klar sein. Ich möchte den Standpunkt der Kommission verdeutlichen: Wir unterstützen das Mandat uneingeschränkt und sind der Ansicht, dass die Frage nicht mehr erörtert werden muss. Die Krux ist jedoch, wie Herr Sócrates sagte, das Mandat in einen Vertrag umzuwandeln. Es geht nicht um die Schaffung eines neuen Mandats. Dies wäre ganz sicher ein Rückschritt, und meines Erachtens wäre es für uns nicht denkbar, auf etwas zurückzukommen, das einstimmig beschlossen wurde. Es wäre ein Zeichen des eindeutigen Mangels an Vertrauen, würden wir nun versuchen, das Mandat, das alle gebilligt haben, neu auszuhandeln. Es ist unmöglich, ein starkes Europa ohne Vertrauen in den Wert der Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, zu errichten.
Aus Sicht der Kommission ist es auch richtig, dass das Mandat weder ideal noch vollkommen ist. Bei vielen Punkten wären wir anspruchsvoller gewesen. Niemand betrachtet das Mandat als vollkommen, doch so funktioniert die Europäische Union, und hat sie immer funktioniert. Seit 1957 hat sich unser Einigungswerk immer mit Hilfe politischer Kompromisse weiter entwickelt, und nicht mit idealen Lösungen. Auch dieses Mal wird es so sein. Wir sollten auch nicht vergessen, dass wir die Einigung beim Europäischen Rat mit großer Mühe erreicht haben und ihr ein heikler politischer Kompromiss zugrunde lag. Unsere Pflicht ist es, diesen Kompromiss bei der Regierungskonferenz zu bewahren, bis zur abschließenden Ratifizierung.
Die Kommission unterstützt voll und ganz die Absicht des portugiesischen Ratsvorsitzes, eine kurze und intensive Regierungskonferenz abzuhalten. Sie wird am 23. Juli beginnen. Wenn alles gut geht, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um dies zu erreichen, wird sie bei der informellen Tagung des Europäischen Rates im Oktober abgeschlossen. Die Kommission behält sich jedoch das Recht vor, während der Regierungskonferenz Stellung zu Standpunkten und Vorschlägen der Regierungen der Mitgliedstaaten zu nehmen. Wir werden vor allem darüber wachen, dass das Mandat ordnungsgemäß befolgt wird. Wir halten dies für unsere Pflicht.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie wir bereits sagten, geht der portugiesische Ratsvorsitz über diese entscheidende Frage des Vertrags hinaus, und ich stelle mit Zufriedenheit fest, dass der Ministerpräsident und Ratsvorsitzende die Absicht hat, der Lissabon-Strategie besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Lissabon-Strategie für Wachstum und Entwicklung, die wir gemeinsam im Jahr 2005 wiederbelebt haben, bringt gerade einige recht ermutigende Ergebnisse hervor. Die Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union ist von 10 % Mitte der neunziger Jahre auf 7 % im Juni 2007 gesunken.
Unsere Untersuchungen zeigen, dass auch die strukturelle Arbeitslosigkeit zurückgeht, dies ist mittel- und langfristig recht ermutigend für Europa. Unsere Daten zeigen ferner, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen um 50 % zugenommen hat. Diese Zahlen sind in einem Europa, das wir wettbewerbsfähiger, gerechter und integrativer gestalten wollen, sehr willkommen.
Das Wirtschaftswachstum hat ebenfalls sein höchstes Niveau seit 2000 erreicht, in einem Umfeld mit einem höheren Potenzial und Wachstum der europäischen Wirtschaft. Daher glauben wir, dass das jüngste Wachstum strukturell und nicht rein zyklisch ist. Es ist nur fair zu sagen, dass dieser Fortschritt größtenteils auf die Reformen der wiederbelebten Lissabon-Agenda für Wachstum und Beschäftigung zurückzuführen ist. Indem Europa den Regierungen der Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Rahmen für Reformen vorgibt, erleichtert, unterstützt und stärkt es eben diese Reformen, die alle europäischen Regierungen, zugegebenermaßen mit unterschiedlichem Tempo und Ausmaß, auf die eine oder andere Weise durchgeführt haben.
Daher sollte hier betont werden, dass die viel geschmähte Lissabon-Strategie ein entscheidender Faktor bei der wirtschaftlichen und sozialen Modernisierung Europas ist. Doch es gibt keinen Grund zu Selbstzufriedenheit. Es ist noch viel zu tun, um die Wirtschaft Europas wettbewerbsfähiger und die europäische Gesellschaft gerechter zu gestalten. Vor allem müssen wir den Beitrag der Innovation zum Wirtschaftswachstum erhöhen. Ich weiß, dass dies eine der Prioritäten des portugiesischen Ratsvorsitzes ist, und das begrüße ich. Innovation ist die Antriebskraft hinter dem Dreigespann des Plans für Energietechnologie, des Europäischen Technologieinstituts und der ersten Innovations- und Technologiegemeinschaft, die unseres Erachtens insbesondere auf energiepolitische Themen und die Bekämpfung des Klimawandels ausgerichtet sein soll. Wir hoffen, dieses Projekt wird während des portugiesischen Ratsvorsitzes eingeleitet werden. Dies ist das deutlichste Beispiel dafür, dass die wiederbelebte Lissabon-Strategie versucht, die verschiedenen Aspekte miteinander zu verbinden, so wie diesen zentralen Kernaspekt der Bekämpfung des Klimawandels und der Energiesicherheit. Um in diesem Bereich erfolgreich zu sein, müssen wir mehr auf dem Gebiet der Innovation tun, und daher begrüße ich, dass der portugiesische Ratsvorsitz beabsichtigt, die Innovation als ein Hauptthema beim Europäischen Rat im Dezember zu behandeln. Bildung, wissenschaftliche Forschung und Innovation sind ein wesentlicher Teil der europäischen Gesellschaft, die wir in Reaktion auf die dringlichsten Anliegen und Aufgabenstellungen dieses neuen Jahrhunderts begründen wollen.
Um die Ziele zu erreichen, die wir im Kontext der europäischen Energie- und Klimapolitik gesetzt haben, haben wir eine ehrgeizige und konsequente Strategie vorbereitet, um Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Doch um den Erfolg dieser Strategie zu gewährleisten, müssen wir die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im März aufrichtig unterstützen, die einen Wendepunkt in der Geschichte der Energie und der Bekämpfung des Klimawandels darstellen.
Um jetzt Ergebnisse zu erzielen, müssen wir unsere Bemühungen in den Bereichen wissenschaftliche Forschung, technische Entwicklung und Innovation verstärken. Der technologische Plan für saubere Energietechniken ist ein Grundstein dieser Strategie. Die Einrichtung eines Europäischen Technologieinstituts, die im Europäischen Parlament nun so gut aufgenommen wird, trägt auch entscheidend zur Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit bei, indem Bemühungen auf europäischer Ebene und eine bessere Verknüpfung von Wissen und Innovation unterstützt werden.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Wie die Kommission in der Stellungnahme, die gestern angenommen wurde, erklärt, wird der Reformvertrag die Handlungsfähigkeit der Union bei den Außenbeziehungen stärken, dies hat eine hoch symbolische Bedeutung. Zwei der Grundpfeiler des portugiesischen Ratsvorsitzes sind die Reform der Institutionen und die Außenbeziehungen der Union. Die aktive Zusammenarbeit zwischen dem Ratsvorsitz und der Kommission auf dem zweiten Gebiet ist offensichtlich. Letzte Woche haben Herr Sócrates und ich an der Abschlusssitzung der Afrikanischen Union in Accra und am folgenden Tag am ersten Gipfeltreffen EU-Brasilien teilgenommen.
Mit Brasilien, unserem neuesten strategischen Partner, teilen wir ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm. Dazu gehören die Energie, im Wesentlichen die Biokraftstoffe, die wir tragfähig machen wollen, sowie die Bekämpfung des Klimawandels und die Handelsbeziehungen. Zur Frage des Welthandels haben wir Präsident Lula sehr nachdrücklich aufgefordert, eine Einigung bei den Doha-Verhandlungen zu erreichen. Die Kommission unterstreicht die handelspolitische Wichtigkeit von Doha, weil der Handel das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung vorantreibt. Durch Handel wurden Millionen von Menschen in Asien von der Armut befreit, und dies kann weiterhin geschehen, nicht nur in den asiatischen Ländern, sondern auch in Südamerika und Afrika.
Grundlage des Welthandels müssen jedoch multilaterale Bestimmungen und Institutionen sein, und die Europäische Union kann eine entscheidende Rolle bei der Konsolidierung internationaler Regeln und internationaler Governance spielen. Doha ist daher ein sehr wichtiges Thema. Es geht dabei nicht nur um Handel, auch wenn er als solcher wichtig ist. Es geht auch um eine multilaterale Vision. Wir können nicht aktiv den Multilateralismus unterstützen und beim Handel für Unilateralismus eintreten. Wir müssen auch bei dieser Frage Fortschritte erzielen, denn dies ist nicht nur eine Agenda für den Handel, sondern auch für soziale Entwicklung, eine Agenda, die unsere Beziehungen zu den Entwicklungsländern stärken kann.
Im Falle Afrikas ist die strategische Partnerschaft zwischen Europa und Afrika auch sehr bedeutsam für die internationale Stabilität. Die EU ist der wichtigste Geber finanzieller, wirtschaftlicher und technischer Hilfe für Afrika. Europa ist der wichtigste Handelspartner des afrikanischen Kontinents und führt mehr als alle übrigen G8-Staaten ein. Die Kommission, deren Präsident zu sein ich die Ehre habe, betrachtet die Beziehungen zu Afrika von Beginn ihrer Amtsperiode an als eine ihrer wichtigsten Prioritäten. So hat die Kommission beispielsweise ihr erstes EU-Geschichtskolleg außerhalb Europas in Addis Abeba eröffnet, dort fand eine Arbeitssitzung mit der Kommission der Afrikanischen Union statt. Bei den Beziehungen zwischen Europäern und Afrikanern gibt es noch viel zu tun. Das bevorstehende Gipfeltreffen EU-Afrika, das unter portugiesischem Ratsvorsitz stattfindet, ist eine einzigartige Gelegenheit, ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm aufzustellen, einschließlich praktischer Fragen wie Energie, Migration, Bekämpfung des Klimawandels und natürlich Demokratie und Menschenrechte. Wir haben die Pflicht, mit unseren afrikanischen Partnern über Themen wie Demokratie, Menschenrechte und Regierungsführung zu sprechen. Wir haben mit dem übrigen Teil der Welt gesprochen, es wäre unerklärlich, wenn wir nicht auch mit Afrika sprechen würden. Es gibt zugegebenermaßen bestimmte politische und diplomatische Probleme, die gelöst werden müssen. Sie sind sicherlich nicht zu unterschätzen, doch sie können und dürfen kein Hindernis bei einer grundlegenden strategischen Partnerschaft für die Zukunft der Globalisierung sein. Afrika und Europa müssen zusammenarbeiten.
Ich habe mehr als einmal gesagt, dass die EU eine Mission für das 21. Jahrhundert hat, nämlich die Förderung von Recht, Freiheit und Solidarität weltweit. Die EU kann und darf keine Gruppe von Ländern sein, deren Blick nur nach innen gerichtet ist. Sie kann und muss eine Kraft für die Reform und Stabilität in der Welt und für die Verteidigung der europäischen Interessen und die Förderung der europäischen Werte sein. Der afrikanische Kontinent ist zweifellos eine Region, die unsere Unterstützung und unseren Einsatz braucht. Die Europäische Union kann ihre Augen nicht vor dem Drama verschließen, dass sich in ihrer Nachbarschaft abspielt.
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich dem portugiesischen Ratsvorsitz viel Erfolg wünschen und noch einmal den uneingeschränkten Willen der Kommission bekräftigen, mit dem Ratsvorsitz zusammenzuarbeiten. Ich habe völliges Vertrauen in die Fähigkeit Portugals – eines Landes, das seine Bindung an Europa unter Beweis gestellt hat –, der portugiesischen Regierung und allen Behörden sowie allen politischen Kräften des Landes, für Europa zu arbeiten. Wir unterstützen das großartige Motto, das der portugiesische Ratsvorsitz für diesen Zeitraum gewählt hat: Ein stärkeres Europa für eine bessere Welt. Gemeinsam wird es uns gelingen, dieses Ziel zu erreichen.
(Beifall)
Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Sócrates, Herr Barroso, werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion begrüßt das ehrgeizige Motto der portugiesischen Präsidentschaft: „Eine stärkere Union für eine bessere Welt“. Indem sie ihren Gestaltungswillen in den Mittelpunkt ihres Mandats stellt, eifert die portugiesische Präsidentschaft dem deutschen Vorsitz nach. Wenn Sie sich die Dynamik der von Frau Merkel erzielten Ergebnisse zunutze machen, dann werden Sie unter Beweis stellen, Herr Sócrates, dass der Erfolg einer Präsidentschaft von einem starken politischen Willen und einer auf ehrgeizige, aber realistische Prioritäten ausgerichteten Konvergenzstrategie abhängt.
Ihr Erfolg hängt auch von Ihrer Zusammenarbeit mit diesem Parlament ab. Beziehen Sie uns eng in Ihr Wirken und Ihre Entscheidungen ein.
Für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten stellen die institutionelle Reform, die Sicherheit unserer Mitbürger, der weitere Ausbau des Binnenmarktes und die Konsolidierung des Wachstums die unumgänglichen Aufgaben Ihrer Präsidentschaft dar. Die am 21. und 22. Juni erzielte Einigung beinhaltet im Wesentlichen die in dem vorherigen Text enthaltenen Fortschritte. Wenn die Mitgliedstaaten sie bis zum Frühjahr 2009 ratifizieren, kann Europa in Bereichen wie Sicherheit, Wachstum, Energie, Klimawandel und Demographie endlich auf wirkungsvolle, transparente und demokratische Weise entscheiden.
Durch eine Rücknahme der gemachten Zusagen würde die Europäische Union als ein Kartenhaus erscheinen: Wird eine Karte herausgezogen, dann stürzt das ganze Haus ein. Nach Auffassung unserer Fraktion – und insbesondere von Elmar Brok, der sie vertreten wird – muss die Regierungskonferenz der juristischen Fertigstellung der revidierten Verträge dienen und sollte, wie Sie dies wünschen, Herr Sócrates, rechtzeitig bis zur Herbsttagung des Rates abgeschlossen sein.
Herr Sócrates, wenn Sie sich von dem Motto „Eine stärkere Union für eine bessere Welt“ leiten lassen, dann können Sie die Sicherheit unserer Mitbürger nicht übergehen, und Sie haben heute Vormittag ausführlich darüber gesprochen. Die Terroranschläge im Vereinigten Königreich und an anderen Orten Europas, die Beendigung des Waffenstillstandes durch die ETA machen uns Sorgen und erfordern eine europaweite Koordinierung der Terrorismusbekämpfung. Herr Sócrates, ich kenne die Vorbehalte der Mitgliedstaaten gegenüber einer Kooperation in diesem Bereich. Das Prinzip „Jeder für sich“ muss ein Ende haben; an erster Stelle muss die Sicherheit der europäischen Bürger stehen. Angesichts der internationalen Kriminalität, der terroristischen Zellen, der Komplexität der Netzwerke, der Raffinesse der Methoden, insbesondere im Hinblick auf die Migration, besteht die Gefahr, dass wir überrannt werden, und wir müssen daher unverzüglich handeln. Dass der Posten des EU-Koordinators für Terrorismusbekämpfung nicht besetzt ist, kann nicht hingenommen werden. Danke für Ihr Engagement.
Herr Sócrates, wir sollten für unsere Sicherheit die gleiche Entschlossenheit wie für den Klimawandel und die Energie an den Tag legen. Die Opfer der Terroranschläge erfordern von uns Einigkeit. Unter Ihrer Leitung erwarten wir mehr Zusammenhalt sowie eine stärkere Beteiligung Mitgliedstaaten an einem wirksamen System der Antiterrorkoordinierung.
Was die sonstigen Prioritäten wie die weitere Ausgestaltung des Binnenmarktes und die Konsolidierung des Wachstums betrifft, so werden unsere Mitbürger das europäische Ideal nur befürworten, wenn sie feststellen, dass unser Sozialmodell, der freie Waren-, Güter-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr, die Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung sowie Innovation zu einer Vielzahl greifbarer Verbesserungen ihres alltäglichen Lebens führen.
Wenn wir zum leistungsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt werden wollen, dann erfordert dies politischen Willen und Mut. Portugal hatte die Kühnheit zur Strategie von Lissabon. Jetzt hat es Gelegenheit, den besten „Kundendienst“ für sie zu erbringen. Wir legen Wert auf die soziale wie auch die wirtschaftliche Dimension des europäischen Einigungsprozesses.
Herr Sócrates, wir wünschen ebenso wie Sie, dass mit Afrika Fortschritte in der Migrationsfrage erreicht werden und dass unsere Beziehungen mit Brasilien und den Schwellenländern verstärkt werden. So wie Sie betrachten auch wir die transatlantischen Beziehungen als eine unserer Prioritäten. In den letzten Monaten hat unsere Partnerschaft einen erheblichen qualitativen Sprung vollzogen; sie muss nun weiter vorankommen. Unsere Nachbarschaftsbeziehungen mit den Balkanländern, der Ukraine, Belarus und natürlich Russland müssen von entschiedenen Positionen hinsichtlich der Achtung unserer Werte und einem ständigen Dialog bestimmt werden.
Herr Sócrates, die PPE-DE-Fraktion wünscht Ihnen viel Erfolg für die starke Union für eine bessere Welt, die Sie sich von ganzem Herzen wünschen. Wir werden an Ihrer Seite stehen, um die Werte des Friedens und der Solidarität, des Mutes und der Verantwortung zu vertreten.
(Beifall)
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Ziemlich genau vor einem Jahr, am 1. Juli des vergangenen Jahres, gab es ein interessantes Fußballspiel, das Portugal in der Verlängerung durch Elfmeterschießen gewonnen hat. Ein dramatisches Spiel. Und die Portugiesen haben mit großer Nervenstärke alle Elfmeter verwandelt. Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt. Sie haben alles gesagt, was zur Regierungskonferenz zu sagen ist. Sie müssen den Elfmeter jetzt verwandeln. Ich habe nach der Rede, die Sie heute morgen gehalten haben, den Eindruck, Sie haben die gleiche Nervenstärke wie die portugiesische Nationalmannschaft. Wenn Sie also den Elfmeter verwandeln, dann kriegen Sie im Oktober auch den Pokal!
(Beifall)
Wir sind Realisten, Herr Ministerpräsident Sócrates! Was jetzt in dem Mandat verhandelt worden ist, ist nicht alles, was wir uns gewünscht hätten. Aber wir nehmen zur Kenntnis: Mehr war bei den Verhandlungen nicht drin. Ich sage aber ganz klar: Weniger ist auch nicht drin! Sie müssen allen an dieser Regierungskonferenz Beteiligten klar machen: Hinter das, was erreicht worden ist, kann es kein Zurück geben.
Ich will hier eine Bemerkung an die Adresse meines Kollegen Joseph Daul richten. Ich habe sehr wohl vernommen, dass die EVP-ED-Fraktion diese Auffassung vertritt, ich hoffe, dass alle Teile der EVP-ED-Fraktion — bis hinauf zu den Ausschussvorsitzenden Ihrer Fraktion — diese Auffassung vertreten.
(Beifall)
Je höher der Ausschuss, desto unsicherer meine Einschätzung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was würde es nämlich bedeuten, wenn wir zurückgingen? Dann wären wir wieder in der krisenhaften Situation, die wir gerade überwunden haben. Und wenn wir in einer Krise sind, Herr Ratspräsident, dann sind genau jene richtigen Ziele, die Sie beschrieben haben, wiederum nicht zu erreichen. Wie wollen wir eigentlich mit einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten eine kohärente Lissabon-Strategie verwirklichen? Das schließt sich ja geradezu gegenseitig aus.
Ja, Sie haben Recht, wir müssen jetzt die Lissabon-Strategie wieder revitalisieren. Vor drei Jahren ist die Wiederbelebung der Lissabon-Strategie beschlossen worden. Das ist jetzt schon drei Jahre her, und wir sind nicht wesentlich weitergekommen. Dass Sie als Ratspräsidentschaft sagen, wir setzen uns jetzt hin und wollen das wieder anstoßen und intensivieren, ist richtig. Aber es muss vor allen Dingen aus zwei Gründen intensiviert werden: Sie haben Recht, wenn Sie sagen, wir wollen auf Qualifizierung setzen. Wenn wir der wettbewerbfähigste wissensbasierte Kontinent werden wollen, dann müssen wir auf Qualifizierung setzen. Was wir verlangen, ist, dass die Lissabon-Strategie vor allen Dingen eines bringt: soziale Sicherheit.
Wenn wir mehr ökonomisches Wachstum haben — und das haben wir ja, wir haben mehr Jobs, die Reformen wirken, übrigens auch in meinem Land, dank der Regierung Gerhard Schröder wirken sie jetzt —, wenn wir mehr Arbeitsplätze haben, dann brauchen wir vor allem eines: dass das Wachstum dauerhaft ist, und dass es dauerhaft soziale Sicherheit bringt. Sonst ist die Lissabon-Strategie zu nichts nutze.
Wenn wir auf der Suche nach einem Thema sind — Herr Ratspräsident, das haben Sie richtigerweise gesagt —, das uns zwingt, gemeinschaftlich zu handeln, und zwar alle 27, und wo wir eine enorme Unterstützung der Bevölkerung haben, dann ist es der Klimaschutz. Die Live-Earth-Konzerte am vergangenen Wochenende haben uns doch eindrucksvoll vor Augen geführt, mit welchem Enthusiasmus junge Menschen bereit sind, sich für eine Idee einzusetzen. Lassen Sie uns doch diesen Enthusiasmus nutzen. Diese jungen Leute gehen zu dem Konzert, und wenn das Konzert vorbei ist, dann fragen sie: Und was geschieht jetzt?
Bono und Herbert Grönemeyer können nicht die Lösung bieten. Sie können sie vielleicht fördern, bieten müssen wir sie durch konkrete Aktionen. Aber wenn wir sie bieten, wenn wir die hochgesteckten Ziele auch umsetzen, dann bin ich ganz sicher, dass wir die Bevölkerung Europas hinter uns haben, und das ist genau das, was das europäische Projekt braucht.
Wenn ich über den Klimaschutz rede, Herr Ministerpräsident, dann bin ich Ihnen dankbar für Ihre Afrika- und Lateinamerika-Strategie, denn ohne Afrika und ohne Lateinamerika ist dieser Klimaschutz auch nicht zu erreichen. Bei Afrika müssen wir eines sagen: Das Bittere ist, dass dieser Kontinent unter der Erderwärmung am meisten leidet, obwohl er am wenigsten zu dieser Erderwärmung beiträgt. Das ist sehr signifikativ für das Leiden der Afrikaner.
Und für Lateinamerika bin ich Ihnen sehr dankbar. Die Transatlantischen Beziehungen der Europäischen Union beinhalten deutlich mehr als unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Vor allen Dingen sind wir aufgerufen, den lateinamerikanischen Kontinent bei der multilateralen Lösung der internationalen Konflikte, bei der Reform der Vereinten Nationen, bei der Bewältigung der Finanzkrisen, die durch die Finanzmärkte ausgelöst werden, zu unterstützen. Welche Länder haben denn am meisten darunter gelitten? Argentinien z. B., oder auch Brasilien. Die Kooperation unseres Kontinents mit dem lateinamerikanischen Kontinent ist unverzichtbar. Das ist eine Initiative, die unsere Fraktion im Herbst auch ergreifen und unterstützen wird, und wir sind Ihnen dankbar, dass Sie diesen Gipfel organisiert haben.
Es gibt in diesem Haus Menschen, die werden sofort nervös, wenn zwei Männer aus einer Nation nacheinander reden. Herr Präsident! Heute haben wir erlebt, dass ein amtierender portugiesischer Ratspräsident der Linken und ein ehemaliger Ratspräsident der Rechten hier miteinander für Europa arbeiten. Das genau finde ich signifikativ. Die Überwindung dessen, was einen zuhause trennt, um gemeinsam in Europa für alle anderen zu arbeiten, diese Idee der Gemeinsamkeit, der Überwindung des Trennenden, das ist genau das, was die europäische Idee ausmacht. Das ist genau das, was wir brauchen, um Europa zu stärken, denn wie Sie richtigerweise gesagt haben: Nicht Europa braucht sich alleine, die Welt braucht ein einiges und starkes Europa! Das erreicht man, indem man das Trennende überwindet und sich auf das Einigende konzentriert. Deshalb viel Erfolg für Ihre Ratspräsidentschaft!
(Beifall)
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Das Programm, das Sie vorgelegt haben, verknüpft klare Ziele mit starkem Ehrgeiz. Der Erfolg ist ihm nicht automatisch beschieden, aber die Liberaldemokraten hegen die große Hoffnung, dass eine Europäische Union unter den beiden Josés doppelte Kraft hat. Sie scheinen in der Tat um den Lorbeer des Wirtschaftsliberalismus zu wetteifern. In der britischen Zeitung „Daily Mirror“ könnte stehen: „Das ist der einzige Weg, José!“
Wer, wenn nicht Sie beide, könnte die europäischen Regierungen von der Schönheit Lissabons und der Bedeutung seiner Agenda überzeugen? Lassen Sie den Lissabon-Prozess aufleben – wir brauchen die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, das Engagement für Finanzdisziplin und Schuldenmanagement, das Streben nach der Vollendung und Stärkung des Binnenmarkts. Ja, selbst angesichts der populistischen Opposition in Ihren eigenen Parteien. Nicht nur in Asien hat der freie Markt Millionen aus der Armut geholfen – er hat dies allein in den vergangenen zehn Jahren auch für 50 Millionen Menschen in der EU bewirkt. Am wichtigsten ist, dass Europa eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung benötigt, die statt auf der Manipulation des Wechselkurses zur Ankurbelung des exportgetriebenen Wachstums auf der Schaffung von Arbeitsplätzen beruht. Daher begrüßt meine Fraktion insbesondere Ihre Initiative zur Eröffnung der Debatte über Flexicurity. Wir müssen die Sozialschutz- und -leistungssysteme modernisieren, um sie für die Herausforderungen eines globalen Marktes zu wappnen. Wir sollten die Arbeitnehmer schützen, nicht wettbewerbsunfähige Arbeitsplätze. Unser soziales Sicherheitsnetz sollte keine gescheiterten Unternehmen schützen, sondern vielmehr die Menschen darin, indem man sie bei der Suche nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten unterstützt. Das einzige europäische Sozialmodell, das für mich zählt, ist jenes, das unseren Wohlstand absichert, indem es unsere Menschen auf die Zukunft vorbereitet.
Und wenn wir über die Zukunft reden, dann sollten wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht vergessen. Lassen Sie uns überlegen, wie wir die Vorhaben von Göteborg und Lissabon zusammenführen und die Innovationen in den umweltfreundlichen Technologien nutzen können, damit wir innovativer werden, mehr Arbeitsplätze schaffen und weltführend bei der Festlegung der Agenda für den Klimawandel sind.
Herr Ratspräsident! Sie räumen Afrika zu Recht einen besonderen Stellenwert ein – von den Europäern entdeckt, ausgebeutet und dann im Stich gelassen. Die Tatsache, dass Sie den ersten EU-Afrika-Gipfel nach sieben Jahren einberufen haben, sagt alles. Es war viel zu lange der vergessene Kontinent. Afrika braucht Europa, und Europa braucht Afrika, um Migration, Krankheiten und Klimawandel erfolgreich bewältigen zu können.
China bietet Geld für Naturressourcen und Waffen für Geld. Das ist die Straße des Wirtschaftskolonialismus des 21. Jahrhunderts und für Afrika der falsche Weg nach vorn. Europa muss jedoch damit aufhören, in den Dimensionen des Empires zu denken. Lassen Sie uns aus der Vergangenheit lernen und eine neue und großzügige Partnerschaft schmieden.
In Bezug auf justizielle und innenpolitische Fragen begrüßen wir die Tatsache, dass Ihr Ratsvorsitz sich auf verschiedene Maßnahmen konzentrieren will, die den Raum des Rechts in der Europäischen Union stärken werden. Nach den aufschlussreichen Bemerkungen des deutschen Innenministers, Herrn Schäuble, wird meine Fraktion sehr wachsam gegenüber der Aushöhlung ziviler Freiheiten sein, die unsere Gesellschaft untermauern.
(Beifall)
Wir wollen den im Rat angenommenen Rahmenbeschluss über Verfahrensgarantien als eine notwendige Begleitmaßnahme für den Europäischen Haftbefehl ansehen. Und wir warnen vor Reaktionen auf den Terrorismus, die den Charakter unserer Gesellschaft ändern, indem die Freiheiten beschnitten werden, für die Sie während der Nelkenrevolution gekämpft haben.
Vor zwei Wochen applaudierte dieses Parlament dem Rat zur Einigung über ein Mandat für die Regierungskonferenz, doch erfuhren wir vergangene Woche von einem Ihrer Kollegen im Rat, dass das leere Worte waren. Es war ein recht kurzlebiger Triumph. Ich denke, dass ich nicht nur für meine Fraktion, sondern für viele Kollegen in diesem Plenum spreche, wenn ich darauf dränge, dass das auf dem Juni-Gipfel geschnürte Paket nicht aufgetrennt werden sollte.
Von einer Schule auf der Halbinsel Sagres aus erlangte Ihr Land Weltruhm als eine Seefahrernation. Als amtierender Ratspräsident werden Sie diese Fähigkeiten benötigen, um durch die tückischen Gewässer der Verhandlungen mit dem Rat zu steuern.
Wir wünschen Ihnen viel Glück und guten Wind. Boa sorte!
(Beifall)
VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO dos SANTOS Vizepräsident
Brian Crowley, thar ceann an Ghrúpa UEN. – A Uachtaráin, is í an aidhm is mó a bheidh ag an Uachtaránacht seo a chinntiú go síneoidh ceannairí an Aontais Eorpaigh Conradh nua an Aontais Eorpaigh níos déanaí sa bhliain. Tháinig na ceannairí ar shocrú ginearálta polaitíochta ag an gcruinniú mullaigh deireanach ach tá obair mhór fós le déanamh sula mbeidh an conradh cinntithe go hiomlán. Beidh an Phortaingéil i mbun cruinnithe mullaigh go hidirnáisiúnta leis an mBrasaíl, le ceannairí na hAfraice agus le rialtais Mheiriceá, na Síne agus na hIndia.
(EN) Und insbesondere wenn wir über Afrika sprechen, haben wir all die Schwierigkeiten und Bedenken gesehen, die von vielen Kollegen angesprochen wurden, was die Teilnahme gewisser Personen an dieser Konferenz betrifft. Wenn wir zu diesem Afrika-Gipfel zusammenkommen, sollten wir das, statt von der Seitenlinie „Nein“ zu rufen, vielleicht als Chance betrachten, die anderen afrikanischen Länder zu ermutigen, miteinander zu kooperieren und die transparente Methode der Koordination zu wählen, die angemessene demokratische Kontrollen und den Rechten und Freiheiten des Einzelnen angemessene Verfahren umfasst.
Häufig wird Darfur erwähnt, doch nur selten wird ihm echte Beachtung geschenkt, und der Afrika-Gipfel gibt uns eine weitere Chance, die verschiedenen Teile und Elemente des Konflikts zusammenzubringen, um sicherzustellen, dass wir einen klaren Weg finden, der nach vorn weist.
Was den Reformvertrag betrifft – wie Sie richtig erwähnen, wurde das Mandat für die Regierungskonferenz sehr konkret gefasst –, so sollten wir in vielerlei Hinsicht diese Bedingungen erweitern oder ändern, egal was andere Leute denken mögen. Wir fahren am besten, wenn wir mit dem weitermachen, was uns vorliegt und was von den 27 Regierungen gemeinsam beschlossen wurde.
Wenn ich in einem Satz zusammenfassen dürfte, was den Reformvertrag ausmachen sollte, dann wird dieser Vertrag uns die Freiheit geben, die wir anstreben, wobei es nicht die Freiheit ist, zu tun was wir wollen, sondern die Freiheit, alles zu erreichen, was wir uns wünschen. Insbesondere wenn wir von dieser Freiheit reden, dann müssen wir unser Klima und speziell den Klimawandel berücksichtigen. Wie ich in Lissabon sagte, begrüße ich die Tatsache, dass uns der Brasilien-Gipfel die Möglichkeit bot, das ganze Konzept der erneuerbaren Energien vorzubringen und über Möglichkeiten zu beraten, wie der Welthandel neu organisiert und partnerschaftliche Beziehungen zu den Entwicklungsländern hergestellt werden könnten, sowie darüber – was am wichtigsten ist –, wie wir sicherstellen können, dass unsere Bürger die Rechte und Freiheiten haben, in Europa erfolgreich zu sein.
Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident! Ein stärkeres Europa für eine bessere Welt.
(IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Ein stärkeres Europa für eine bessere Welt“: Meiner Fraktion und mir gefällt Ihr Motto wirklich sehr, und ich denke, die Ratspräsidentschaft sollte drei Dinge tun, um zu gewährleisten, dass wir in den kommenden sechs Monaten dieses stärkere Europa im Gedächtnis behalten.
Im Hinblick auf die Regierungskonferenz dürfen Sie keine Toleranz mit denjenigen üben, die die erzielte Einigung aufweichen wollen, sondern Sie müssen indessen Bereiche für mögliche Verbesserungen finden, beispielsweise auf dem Gebiet des Klimawandels, und versuchen, die Öffnung der Regierungskonferenz für die Teilnahme des Europäischen Parlaments und die öffentliche Debatte zu unterstützen und zuzulassen. Für uns sind das die Bedingungen für eine erfolgreiche Reform der Verträge. Diese Reform wird nicht die Letzte sein, denn wir bemühen uns ab jetzt in diesem Hohen Haus um die erneute Einleitung des Ringens um die Europäische Verfassung.
Bei der Lissabon-Strategie wird es unserer Meinung nach keine Fortschritte geben, wenn es Ihnen in den kommenden sechs Monaten nicht gelingt, gemeinsam mit der Kommission und dem Parlament die Agenda gegen den Klimawandel voranzubringen, denn sie kann nicht von der Lissabon-Agenda getrennt werden. Nachdem die Beschlüsse während der deutschen Ratspräsidentschaft getroffen worden sind, ist es nun Zeit zu handeln und die Versuche vieler Mitgliedstaaten, sich im Feilschen und Handeln zu üben, bei dem es jeder Partei nur darum geht, ihre Verpflichtungen auf ein Mindestmaß zurückzuschrauben, zu vereiteln.
Aus diesem Grunde wollen wir – und ich bitte Sie, dies zu berücksichtigen – die Idee eines Pakts für Klimaschutz und Energiesicherheit wiederbeleben, beruhend auf dem Ziel, den Temperaturanstieg auf 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, und auf Instrumenten, die genau wie der Stabilitätspakt Mechanismen zur Verhängung von Sanktionen mit einschließen. Dabei müssen drei Handlungsstrategien verfolgt werden, für die wir in den nächsten sechs Monaten konkrete Ergebnisse erwarten und zu denen ich Sie bitte, schon in dieser Aussprache Stellung zu nehmen: die Frage der Energieeinsparung; der Verkehr, der unverständlicherweise aus den im letzten Frühjahr getroffenen Vereinbarungen ausgeklammert wurde, obwohl er zu 30 % für die Emissionen verantwortlich ist; und die erneuerbaren Energieträger, für die die Barroso-Kommission leider noch nichts getan hat, vor allem mit Blick auf die „Heizen und Kühlen“-Richtlinie.
Das Thema erneuerbare Energieträger ermöglicht es mir, Herr Präsident, Ihre Aufmerksamkeit auf die Frage des Biokraftstoffs und der Beziehungen zu Brasilien zu lenken. Wir sind besorgt: Die mystische Vorstellung und die wundersame Bedeutung, die Präsident Lula dem Biokraftstoff als dem neuen „grünen Gold“ beigemessen hat, gefallen uns nicht; ebenso wenig gefällt uns die Tatsache, dass die Themen Entwaldung, illegale Holzeinfuhr, Ernährungssicherheit und Beitrag Europas zur Entwicklung innovativer Technologien für die erneuerbaren Energiequellen von der Agenda ausgeklammert wurden.
Ich möchte noch kurz eine ähnliche Bemerkung zum Thema Afrika abgeben. Die schönen Worte von Ministerpräsident Sócrates und Kommissionspräsident Barroso haben eine konkrete und beängstigende Kehrseite, die ich Sie zu berücksichtigen bitte: der Druck, den die Europäische Union auf verschiedene afrikanische Länder ausübt, damit sie bis Jahresende das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen unterzeichnen. Die Kommission bedient sich der Gelder aus dem Entwicklungsfonds, um diese Länder zu überzeugen, unter denen es viele gibt, in denen die Bürgergesellschaft dagegen ist, weil eine vollständige Öffnung ihrer Märkte letztendlich nur die Möglichkeiten ihrer Integration in den Weltmarkt verringern und einschränken würde.
Ich hätte Ihnen gern noch viele andere Dinge gesagt, Herr Präsident, aber meine Redezeit ist zu Ende. Ich hoffe, dass ich dies bei anderen Gelegenheiten tun kann.
(Beifall)
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Herr Präsident! Was wir gerade vom Ratspräsidenten gehört haben, beweist, dass dies schon wieder eine vertane Gelegenheit ist, einige der ernsten wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die Änderungen in der Politik und Antworten seitens der Gemeinschaftsorgane bedürfen, auf die Tagesordnung zu setzen: beispielsweise die ungleiche Einkommensverteilung, die zunehmende Arbeitsplatzunsicherheit und die Armut, in der fast 80 Millionen Menschen leben, einschließlich der steigenden Zahl von Arbeitnehmern mit geringem Lohn und weniger Rechten, alten Menschen mit geringfügigen Renten und Frauen und Kindern, denen grundlegende Menschenrechte verweigert werden.
Statt der Änderung der Ziele und Statuten der Europäischen Zentralbank Priorität zu verleihen, um so zu verlangen, dass diese demokratischer Kontrolle unterworfen wird, statt das Steigen der Zinssätze zu bremsen und einer Zunahme der sozialen Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten, besteht er auf seiner fixen Idee mit den in dem neoliberalen und militaristischen Verfassungsvertragsentwurf enthaltenen Hauptempfehlungen und einer größeren Konzentration der Macht der EU-Hauptmächte. Statt für die Rücknahme oder zumindest die grundlegende Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und die Lissabon-Strategie zu kämpfen, um Investitionen im öffentlichen Sektor und bei den KMU anzustoßen, um die Deregulierung und Privatisierung grundlegender Bereiche und öffentlicher Dienste einzuschränken und so mehr mit Rechten versehene Arbeitsplätze zu schaffen und Armut und soziale Ausgrenzung zu vermindern, legt er den Schwerpunkt auf die heilige Kuh des Wettbewerbs, um die Macht der Wirtschafts- und Finanzkonzerne zu stärken. Statt Maßnahmen vorzuschlagen, um die Würde der arbeitenden Menschen zu achten und die zunehmend unsichere Lage von Millionen von Arbeitnehmern, insbesondere Frauen und jungen Menschen, zu lindern – wie mehrere tausend Menschen dies bei der durch den Gewerkschaftsverband CGTP am 5. Juli in Guimarães organisierten Demonstration gefordert haben – sehen wir, dass die Betonung auf Flexicurity liegt, was nichts Anderes bedeutet als Flexiausbeutung der Arbeitnehmer.
Aus diesem Grunde betonen wir die Notwendigkeit einer deutlichen Änderung seitens der EU, und darum sagen wir, es ist an der Zeit, auf die Forderungen der Menschen zu hören, die Demokratie auszuweiten und uns für ein gerechteres, soziales Europa einzusetzen, das sich durch Fortschritt und gerechtere Einkommensverteilung auszeichnet; es ist an der Zeit, das Prinzip souveräner Staaten mit gleichen Rechten zu unterstützen, die internationale Zusammenarbeit und Solidarität zu stärken, uns entschieden für den Frieden einzusetzen, ob im Nahen Osten, in Palästina, im Irak, in Afghanistan oder in Afrika.
Wir bekräftigen erneut unsere Ablehnung eines so genannten Reformvertragsentwurfs, der praktisch nichts weiter ist als eine Neuauflage des Verfassungsvertrages mit Hilfe eines größeren Ablenkungsmanövers, das Volksentscheide umgehen und die Demokratie und die Möglichkeit, dass die Menschen und nationalen Organe ihre Stimme hören lassen, aus Furcht vor pluralistischen Diskussionen und der öffentlichen Meinung in unseren Ländern beschneiden soll. Deshalb wollen wir ein Referendum in jedem Mitgliedsstaat, wie die öffentliche Meinung in unseren Staaten es verlangt.
Patrick Louis, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In einer polnischen Zeitung stand neulich folgender Witz: Welches war das erste europäischen Referendum? Antwort: Als Gott, nachdem er Eva geschaffen hatte, zu Adam sagte: Nun wähle dir eine Frau.
Das Bild stimmt genau. Weit entfernt vom Garten Eden hat die portugiesische Präsidentschaft heute den deutschen Vorsitz abgelöst. Letztere wird gekennzeichnet sein durch seinen Taschenspielertrick, mit dem den Franzosen und den Niederländern der von ihnen per Referendum abgelehnte Text etwas retuschiert und gekürzt doch noch aufgedrückt werden soll. Dieser Minivertrag ist nichts anderes als die verkleidete Verfassung. Vor einigen Jahren schrieb Herr Padoa-Schioppa, der Vater des Euro, in einer französischen Zeitschrift einen Artikel des Inhalts, dass der europäische Einigungsprozess mehr durch aufgeklärten Despotismus als durch Demokratie bedingt sei. Mit dieser plumpen Manipulation wird uns heute ein äußerst treffendes Beispiel dafür geliefert. Wie kann man behaupten, der neue Text entspreche dem von den Franzosen und den Niederländern in den Referenden geäußerten Wunsch, wenn er nicht nochmals einem solchen Test mittels eines Referendums unterzogen wird?
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, zu Beginn der portugiesischen Präsidentschaft in diesem Hause einen Wunsch aussprechen: Wenn verhindert werden soll, dass die Völker Europas sich endgültig von der politischen Klasse abwenden, dann muss die portugiesische Präsidentschaft sich voll und ganz von den überkommenen Methoden trennen und unverzüglich die von den Völkern erwartete einzige wirkliche Reform einleiten: weniger Technokratie, mehr Demokratie.
Bruno Gollnisch, im Namen der ITS-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, bei dieser Gelegenheit nochmals für den großartigen Empfang zu danken, den Ihre Regierung und Sie selbst den Fraktionsvorsitzenden vor Kurzem in Lissabon zuteil haben werden lassen: er zeugt von Ihrem Willen, ernsthaft mit unserem Parlament zusammenzuarbeiten.
Wir können einer Reihe Ihrer Ziele nur zustimmen, deren Ambitioniertheit uns nicht erstaunt. Dazu gehört das Ziel, zur Lösung der Probleme Afrikas beizutragen, die, wie anzuerkennen ist, im Gegensatz zu den Behauptungen einiger Leute nur noch akuter geworden sind, seitdem die europäischen Länder den Kontinent verlassen haben. Dazu gehören ferner die Anstrengungen gegenüber Lateinamerika und insbesondere Brasilien, das Ihnen am Herzen liegt und Ihnen nahesteht – all dies ist legitim. Wie ich bereits Gelegenheit hatte, Ihnen darzulegen, wird die europäische internationale Politik, die Sie entwickeln wollen, meiner Meinung nach nur über Legitimität verfügen und einleuchtend sein, wenn sie sich von der hegemonialen Supermacht unterscheidet, zu der die USA heute geworden sind.
Ich befürchte, Herr Präsident, dass mein Kollege Watson und in seinem Gefolge viele andere zwei Dinge verwechseln: einerseits die notwendige Wiederherstellung der wirtschaftlichen Freiheiten innerhalb einer Nation oder innerhalb einer Zone mit in etwa gleichen Parametern des Sozialschutzes und andererseits das ungebremste Freihandelstum, das sich in einem völlig unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage von Sozialdumping äußert. Tatsache ist, dass sich eine Wirtschaft anfangs nur innerhalb eines schützenden Rahmens entwickeln kann, was man an Japan und China sehen kann, die heute große Partner des Weltmarktes sind.
Was schließlich die Regierungskonferenz betrifft, werden Sie einen Ihnen vorgegebenen Fahrplan anwenden müssen, der ein wahrhaftes Handbuch zur Täuschung der Wähler ist. Man behält die Grundsubstanz einer Verfassung bei, die, wie soeben gesagt wurde, abgelehnt worden ist, und ändert nur das Vokabular. Natürlich werden die Begriffe „Verfassung“, „Außenminister“, „Rahmengesetz“ gestrichen, und die Charta wird nicht im Text erwähnt, sondern lediglich im Amtsblatt veröffentlicht. Beibehalten werden jedoch die Ausweitung der Befugnisse der Union, die Mehrheitsentscheidungen, eine einheitliche Präsidentschaft, was uns heute Ihrer Gegenwart berauben würde, wenn sie schon Geltung hätte. Beibehalten wird alles das, was die Völker nicht gutgeheißen haben und höchstwahrscheinlich ablehnen würden, wenn sie richtig informiert würden.
Herr Präsident, Sie sind der Vertreter einer der Größe nach kleinen, doch aufgrund ihrer großartigen Geschichte höchst ruhmreichen Nation. Dieser Ruhm ist nur möglich gewesen dank des ständigen Kampfes, den Portugal – von seinem Entstehen an durch seine ganze Geschichte hindurch – geführt hat, um seine Unabhängigkeit zu verteidigen. Ich bitte Sie inständig: Machen Sie sich nicht mitschuldig an der Beseitigung des kostbarsten Gutes Ihrer Nation und aller unserer Nationen – unserer nationalen Unabhängigkeit.
Gianni De Michelis (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Sócrates! Wir begrüßen die Darstellung der Leitlinien, denen Portugal in den nächsten Monaten folgen will: Selbstverständlich stimmen wir der Schwerpunktsetzung auf die Regierungskonferenz zu und können Ihnen nur viel Erfolg wünschen, damit Sie das Ziel, das Mandat vollständig und pflichtgetreu in einen neuen Vertrag umzuwandeln, auch erreichen.
Wie Sie selbst sagten, stehen für die Präsidentschaft in den kommenden sechs Monaten neben dieser noch andere Verpflichtungen an. Wir begrüßen die Liste der prioritären Ziele, die Sie sich gesetzt haben, und verstehen die Gründe, aus denen sich Portugal für einige dieser Prioritäten – Lissabon, Afrika, Brasilien – besonders engagieren will. Zugleich möchten wir jedoch hervorheben, dass es, um Ihr Motto zu verwirklichen und den Nachweis zu erbringen, dass ein stärkeres Europa wirklich zu einer besseren Welt führen kann, neben guten Vorsätzen auch Fakten braucht, die jedoch nicht von uns ausgewählt werden, sondern sich aus den objektiven Prioritäten der uns umgebenden Verhältnisse ableiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihre Aufmerksamkeit und die Ihrer Präsidentschaft auf die dringendste Priorität lenken, die durch eine uns nahe Region im Mittelmeerraum – den Nahen Osten – gesetzt wird, für die Europa mehr tun kann und muss. Diese Region war in der jüngsten Vergangenheit nicht sehr präsent, doch nun, da sich die Gefahren zuspitzen und demzufolge auch die Chancen größer werden, muss Europa zeigen, dass es stärker sein kann, um zu einer besseren Welt beizutragen.
João de Deus Pinheiro (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Sie haben sicherlich ebenso wie ich die enorme Zunahme sowohl der Erwartung als auch der Sympathie bemerkt, die Sie auf allen Seiten dieses Hauses hervorgerufen haben, und dafür muss es einen Grund geben. Dieser Grund ist natürlich die entschiedene Weise, auf die Sie jede Einmischung in Bezug auf die bei der Juni-Tagung des Europäischen Rates gefassten Beschlüsse zurückgewiesen haben. Machen Sie weiter so, und Sie werden nach der informellen Tagung des Europäischen Rates im September sicherlich noch mehr Unterstützung erfahren.
Sie erwähnten auch die Strategie von Lissabon und die Notwendigkeit eines neuen Zyklus. Dem stimmen wir alle zu. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass einer der Gründe für das Scheitern der ersten Lissabon-Strategie in dem Kardinalfehler bestand, der Kommission nicht die Zuständigkeit für die Lenkung dieser Strategie zu übertragen, eine Aufgabe, für die sich das Regierungsmodell als ungeeignet erwiesen hat.
In den letzten Jahren hat der Präsident der Kommission versucht, – und dafür verdient er große Anerkennung – dieses schöne Detail zu nutzen, die Strategie voranzubringen. Trotzdem muss der Rat akzeptieren, dass die Kommission noch stärker daran beteiligt werden muss, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, auf die Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrer Rede hingewiesen haben.
Was die Außenbeziehungen angeht, muss gesagt werden, dass Sie es richtig angefangen haben. Der Gipfel mit Brasilien war ein voller Erfolg, wie ich anhand der Bemerkungen von Präsident Lula bei der Konferenz der Präsidenten in Brüssel bestätigen kann.
Ich möchte Ihnen auch sagen, dass weder in Afrika noch in Europa irgendjemand durch Robert Mugabe erpresst werden sollte. Lassen Sie uns das ganz deutlich sagen. Der Gipfel muss der Debatte dienen und darf sich nicht auf ein einziges Hauptthema konzentrieren. Es gibt viele andere Probleme, auf die Sie hingewiesen haben, die Thema unserer Diskussion und unseres Dialogs und unserer Partnerschaft mit Afrika sein müssen.
Nur noch einen Punkt, Herr Präsident. Was die Beziehungen zu Russland angeht, hatten Sie den Mut, Präsident Putin in einer Atmosphäre zu besuchen, die, wie Sie wussten, für Sie ungünstig war. Sie sollten jetzt versuchen, Ihre Kollegen davon zu überzeugen, dass Russland in die Behandlung internationaler Probleme einbezogen werden muss, denn Russland muss Teil der Lösung und darf nicht Teil des Problems sein.
Herr Ministerpräsident, Sie haben die Unterstützung dieses Hohen Hauses, Sie haben sicherlich die Unterstützung der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten für das ehrgeizige Programm, das Sie vorgestellt haben. Ich stehe auf Ihrer Seite und wünsche Ihnen viel Erfolg.
Edite Estrela (PSE). – (PT) Herr Präsident! Als ich dem Ratspräsidenten und dem Präsidenten der Kommission zuhörte, war ich ungeheuer stolz, Portugiesin zu sein. Dies ist ein Augenblick, der in die Geschichte der europäischen Institutionen eingehen wird.
Zum ersten Mal fand in diesem Parlament der europäische Dialog auf höchster Ebene auf Portugiesisch statt. In der Vergangenheit ging die portugiesische Sprache um die ganze Welt. Sie war außerdem die erste europäische Sprache, die den Dialog zwischen Ost und West eröffnete. Heute wird Portugiesisch von mehr als 220 Millionen Menschen auf fünf Kontinenten gesprochen. Wie der portugiesische Dichter António Ferreira einmal sagte: „Lasst die portugiesische Sprache erblühen: möge sie gesprochen, gesungen und gehört werden, und lang möge sie leben.“
Die portugiesische Präsidentschaft hat soeben erst begonnen und bereits ein unauslöschliches Zeichen hinterlassen. Der erste EU-Brasilien-Gipfel war ein Erfolg. Es war dringend notwendig, das B von Brasilien in die strategische Partnerschaft mit den BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) einzubeziehen. Dies ist jetzt geschehen. Jetzt haben sich die Bedingungen für Europa verbessert, um den Beziehungen mit dem Mercosur und den Doha-Verhandlungen neuen Schwung zu verleihen. Die portugiesische Präsidentschaft hatte somit den bestmöglichen Start. Ich hätte gern einen ähnlichen Erfolg bei ihren anderen Prioritäten, einschließlich der Annahme des neuen Vertrags und des zweiten EU-Afrika-Gipfels. Der Dialog mit Afrika ist von wesentlicher Bedeutung für den Kampf gegen illegale Einwanderung und Klimawandel.
In Bezug auf den Vertrag war der Auftrag des Rates, wie der Ministerpräsident uns sagte, klar und deutlich: Es steht nichts zur Debatte. Man hat sich auf den wesentlichen Inhalt geeinigt, alles, was noch gebraucht wird, ist der genaue Wortlaut. Mein Wunsch ist, dass es auf diesem Wege keine Hindernisse gibt. Wir möchten nicht, dass Europa dadurch gelähmt wird, dass es über ein Komma stolpert oder mit einem Wort kollidiert. Dies würde für die Bürger Europas und der Welt im Allgemeinen das schlechtmöglichste Signal aussenden.
Wir Europäer brauchen ein starkes, einiges Europa, das in der Lage ist, den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen. ein stärkeres Europa und eine bessere Welt, und wie Cardoso Pires gesagt haben könnte: E agora, José? (Es ist jetzt an Ihnen, José). Es ist jetzt an der Zeit, an die Arbeit zu gehen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, weil eine erfolgreiche Präsidentschaft ein erfolgreiches Europa bedeutet.
Annemie Neyts-Uyttebroeck (ALDE). – (NL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Ich möchte Portugal zu seinem Vorsitz beglückwünschen und für seine Zusage zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Parlament meinen Dank aussprechen. Seien Sie versichert, Herr Präsident, wir werden Sie beim Wort nehmen.
Wir begrüßen Ihr Vorhaben zur Organisation eines EU-Afrika- sowie eines EU-Brasilien-Gipfels. Was den Gipfel EU-Afrika betrifft, sollte allerdings kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen der EU während Ihres Vorsitzes nicht lediglich theoretischer Art sein dürfen. Ich möchte es ohne Umschweife sagen: auf einem solchen Gipfel ist kein Raum für Führer, die ihr eigenes Volk ins Elend und in Hungersnöte gestürzt haben und damit unbeirrt fortfahren. Eine derart klare Position macht es Ihnen nicht leichter, Herr Präsident, aber das ist nun einmal Folge eines Systems, das wir seinerzeit selbst eingeführt haben. Für den Brasilien-Gipfel wünsche ich Ihnen viel Glück. Brasilien ist ein wichtiges Land, und eine Intensivierung der Beziehungen zwischen der EU und Latein- und Mittelamerika halte ich für eine begrüßenswerte Entwicklung.
Ich möchte Ihnen auch eine Frage stellen. Einer Broschüre über Ihre Ratspräsidentschaft zufolge streben Sie einen Beitrag zur Abrüstung und Nichtweiterverbreitung an. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie ein wenig näher darauf eingehen könnten.
Abschließend möchte ich ein Thema anschneiden, das noch nicht zur Sprache gekommen ist. Zweifellos werden auch Sie, Herr Präsident, im nächsten halben Jahr allen Krisen, die möglicherweise irgendwo auf der Welt auftreten, die Stirn bieten müssen. Eine wird mit Sicherheit ganz oben auf der Agenda stehen, die wir im Übrigen heute Nachmittag erörtern werden, nämlich die Krise im Nahen Osten und in Palästina. Ich hoffe, Sie können auch dazu einen positiven Beitrag leisten.
Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die vom Ratspräsidenten dargelegten Prioritäten des portugiesischen Ratsvorsitzes berechtigen zu großer Hoffnung. Große Bedeutung kommt der Stärkung der transatlantischen Beziehungen zu – nicht nur im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, sondern auch in den Bereichen Wirtschaft und Forschung.
Ebenso bedeutsam sind die Erklärungen des Ratsvorsitzes zur Unterstützung des Stabilisierungsprozesses auf dem Westbalkan und zu einer Entwicklungsstrategie für Afrika, die zusammen mit den afrikanischen Partnern ausgearbeitet werden soll. Wir würden es auch begrüßen, wenn der Ukraine auf dem Gipfel EU – Ukraine die Perspektive einer Mitgliedschaft in der EU gegeben würde.
Bedauerlicherweise hat die portugiesische Ratspräsidentschaft den „neuen Verfassungsvertrag“ als Erbe übernommen. Hoffen wir, dass dieses schwierige Erbe nicht die ehrgeizigen Ziele beeinträchtigt, die sich der Ratsvorsitz gesetzt hat und die für die Zukunft Europas und der Welt wirklich wichtig sind.
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
Alyn Smith (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Als Vertreter Schottlands, einer kleinen Seefahrernation am Atlantik, möchte ich heute unseren portugiesischen Kollegen herzlich gratulieren und Herrn Sócrates für seine Begeisterung, seinen Realismus und seinen Ehrgeiz danken. Ich wünschte nur, meine Heimat Schottland könnte seinen naturgegebenen Platz eines konstruktiven und begeisterten Partnermitgliedstaats einnehmen, doch wir sind auf dem Weg, denn wir haben vieles gemeinsam. Wir wollen Realismus sehen; wir wollen Dynamik sehen; wir wollen Reformen sehen; wir wollen Fortschritte sehen; und mit dem Reformvertrag haben Sie die Chance, dies alles für uns wahr werden zu lassen.
Meine Partei hatte nach entsprechender Abwägung entschieden, dass wir unseren Wählern den vorherigen Wortlaut der Verfassung nicht empfehlen konnten. Doch das liegt in der Vergangenheit, und wir betrachten Ihre Bemühungen mit fairem Herzen und einer offenen und konstruktiven Einstellung. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Die EU ist weit davon entfernt, perfekt zu sein, aber das Gute sollte bewahrt und gefördert werden. Wenn Sie auf den Erfolgen aufbauen können und beseitigen, was nicht funktioniert – vielleicht auch dieses Gebäude! –, hoffe ich, dass ich Ihnen auch im Dezember gratulieren kann.
Miguel Portas (GUE/NGL). – (PT) Ministerpräsident Sócrates sagt, er habe einen klaren und deutlichen Auftrag erhalten. Dem stimme ich zu. Er weiß, dass die Regierungen Spaniens und Luxemburgs argumentieren werden, dass der neue Vertrag derselbe wie der vorherige ist und eine Ratifizierung durch das Parlament verlangen werden. Er weiß auch, dass die Regierungen Frankreichs und der Niederlande genau das Gegenteil sagen werden, um letzten Endes die gleiche Idee zu vertreten, nämlich dass es für niemanden ein Referendum gibt. Ich frage mich, warum er nichts dazu sagt. Werden wir sechs Monate lang aneinander vorbeireden oder werden wir die politische Vision der Einbeziehung der Menschen in die Entscheidung erleben?
Ich bin auch erstaunt, warum er zu gewissen anderen Dingen nichts sagt. Europa verfügt über keine Irakpolitik; muss Washington erst beschließen, seine Jungs heimzuholen, bevor wir eine solche Politik haben können? Europa verfolgt bezüglich des iranischen Kernkraftprogramms zwei Politiken; müssen erst Bomben auf den Iran fallen, bevor wir sehen, dass eine solche Eskalation hätte verhindert werden sollen? Europa verfolgt eine unverantwortliche Politik in Palästina und dem Libanon; in dem einen Fall hat es stets seinen Präsidenten unterstützt, ohne Regierungen anzuerkennen, und in dem anderen unterstützt es die Regierung und stellt sich gegen den Präsidenten. Muss erst alles schief laufen, bevor wir erkennen, dass unsere Rolle darin bestehen sollte, eine innere Einigung zu fördern? Letzten Sommer gab es einen ungeplanten Krieg. Ein Jahr später ist er wiederum bedrohlich nahe. Herr Sócrates, wir werden ihn nur verhindern, wenn wir das auch wollen.
Nigel Farage (IND/DEM). – (EN) Herr Sócrates, Sie sind ein Teil dieser großen Täuschung: der Versuch, die Briten, die Franzosen und die Niederländer dazu zu verleiten, einen Vertrag ohne Referendum zu akzeptieren. Vor kurzem sagten Sie, dass dieser Vertrag weniger föderalistisch sei. Ich frage Sie: weniger föderalistisch als was? Sie können sich das doch nicht ausgedacht haben.
Zum Glück gibt es einige ehrliche Stimmen in der EU, die zugeben, dass es sich im Kern um die Verfassung handelt, und alles, was wir getan haben, Änderungen an der Terminologie waren. Andere sagen, dass wir 90 % oder 99 % von dem haben, was vorher da war.
Ob wir nun das Spiel spielen, das Sie spielen, oder ob wir ehrlich sind – wir alle kennen die Wahrheit. Wenn die Briten nämlich darüber eine Volksbefragung durchführen würden, gäbe es 70 % oder vielleicht mehr Nein-Stimmen. Ich frage mich, ob es nicht für alle besser wäre, wenn die Briten nicht dieser Europäischen Union angehören würden. Warum können wir nicht einfach eine Blitzscheidung durchführen? Wir können das sehr schnell tun; lassen wir die Anwälte beiseite; geben Sie uns ein Freihandelsabkommen, geben Sie uns eine Beziehung nach Schweizer Vorbild. Ich denke, jeder wäre viel glücklicher, also wir wären es auf jeden Fall.
Wo wir gerade dabei sind, ich kann das Gefasel von Ihnen und Herrn Barroso über Afrika und was wir tun müssen, um den Menschen dort zu helfen, einfach nicht ertragen. Ein guter Anfang wäre für Sie, wenn Sie Herrn Mugabe von der Teilnahme am Dezember-Gipfel abhalten könnten: Das würde eine gute Botschaft aussenden.
Aber ich gebe Ihnen eine echte Aufgabe, Sie könnten etwas Gutes tun. Gestern nannte Herr Barroso die EU ein Empire, und wenn es um Afrika geht, Herrgott, dann ist sie das auch. Ich fordere Sie auf, die Fischereiabkommen mit Westafrika zu stoppen. Stoppen Sie Ihre eigene Flotte. Stoppen Sie die spanische Flotte, die die Ressourcen von Westafrika ausplündert und afrikanische Fischer umbringt. Wenn Sie das in Ihrer sechsmonatigen Präsidentschaft tun, dann werden Sie etwas Gutes für Afrika getan haben. Handeln Sie bitte!
Irena Belohorská (NI). – (SK) Obwohl die portugiesische Ratspräsidentschaft vielen Herausforderungen gegenübersteht, von denen die Durchführung einer Regierungskonferenz zur Verhandlung über den Entwurf eines Verfassungsvertrags die größte ist, freue ich mich, dass sie sich auch mit anderen Fragen beschäftigen wird.
Die wichtigsten Themen dabei sind die Strategien für Sektoren, die im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegen, beispielsweise das Gesundheitswesen. In dieser Woche, genauer gesagt am 12. und 13. Juli, werden die Gesundheitsminister zu einem Rundtischgespräch über Strategien für die Gesundheitsfürsorge in Europa zusammenkommen, an dem teilzunehmen ich die Ehre habe. Auf dieser Tagung werden verschiedene Fragen angesprochen wie die Unterschiede in den Gesundheitsfürsorgesystemen der Mitgliedstaaten, die Gesetzgebung im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen, das Problem der steigenden Anzahl von Krebserkrankungen in der Europäischen Union sowie die Mobilität von Patienten und medizinischem Personal. Ich begrüße die Tatsache, dass an den Gesprächen auch Vertreter Sloweniens teilnehmen werden, das vor einiger Zeit erklärt hat, den Kampf gegen den Krebs zu einer der obersten Prioritäten seiner Ratspräsidentschaft zu machen.
Herr Ministerpräsident, ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Timothy Kirkhope (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Dieser Ratsvorsitz beginnt zu einer für die Europäische Union wichtigen Zeit. Ich freue mich außerordentlich, dass Ihr Land und das meine mit dem Heiligen Georg den gleichen Schutzpatron haben, der gegen Drachen kämpfte und sich schwieriger Probleme annahm. Ich hoffe, das wird auch bei diesem Ratsvorsitz der Fall sein. Es freut mich sehr, dass Sie den Problemen Afrikas so großes Augenmerk schenken. Die Not dieses Kontinents und der Kampf gegen weltweite Armut sind Themen, die der britischen Konservativen Partei sehr am Herzen liegen.
Ich muss Sie nach meiner Überzeugung aber auch drängen dafür zu sorgen, dass der EU-Afrika-Gipfel Ende dieses Jahres ohne Robert Mugabe stattfindet. Meine Kollegen, Geoffrey Van Orden eingeschlossen, und ich haben dies immer wieder betont, da ich denke, dass es für unsere Union nicht hinnehmbar wäre, einen solchen Tyrannen in Europa zu begrüßen, während sein Volk offensichtlich leidet und in unseren Gedanken an erster Stelle stehen sollte.
Was den Mandatsentwurf für die Regierungskonferenz betrifft, so mag er sehr präzise sein, er ist aber nicht unbedingt richtig. Wir sind der festen Überzeugung, dass es ein Referendum darüber geben sollte, in welcher Form diese Verfassung erscheinen soll. Im Vereinigten Königreich wird es bestimmt so sein. Wir sind davon überzeugt, dass das Versprechen, ein Referendum zu dieser Frage abzuhalten, das der scheidende – nunmehr ehemalige – Premierminister, Herr Blair, seinem Volk gegeben hat, eingehalten und von seinem Nachfolger, Gordon Brown, umgesetzt werden sollte.
Wir haben weitere schwere Bedenken – schwere Bedenken in Bezug auf unser weiteres Engagement für den freien Wettbewerb, die rechtliche Lage der so genannten britischen Ausnahmeregelung im Zusammenhang mit der Charta der Grundrechte sowie in Bezug auf den Zusammenbruch der dritten Säule. Doch sehe ich einer konstruktiven Debatte zu diesen Themen auf der Regierungskonferenz mit Freude entgegen.
Abschließend möchte ich mich zum heutigen Entschließungsantrag zur Regierungskonferenz äußern, in dem es darum geht, das Problem der zwei Parlamentssitze in das Mandat aufzunehmen. Ich halte das für die perfekte Gelegenheit zu zeigen, dass Europa seinen Menschen zuhört. Die unverändert hohen Kosten für das Hin- und Herziehen zwischen Brüssel und Straßburg untergräbt die Position unseres Parlaments. Diese Angelegenheit sollte bald gelöst werden.
Enrique Barón Crespo (PSE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident! Ich unterstütze das Programm der portugiesischen Ratspräsidentschaft, weil es etwas Schlimmeres als Stillstand gibt, Herr Präsident, nämlich Rückschritt.
(ES) Zurzeit durchleben wir einen Prozess des politischen Realismus. Wir sind nicht ganz zufrieden mit dem Mandat, aber es zeigt unseres Erachtens politischen Realismus.
Wir im Europäischen Parlament und viele Bürgerinnen und Bürger – die meisten von ihnen – wollten den Verfassungsvertrag, aber wir haben die Idee akzeptiert, eine Lösung durch ein Mandat zu suchen, das sehr eindeutig ist, aber ich glaube nicht, dass es jemals ein Mandat mit so vielen Fußnoten gab. Das dürfen wir nicht vergessen.
Wir sind uns alle des Könnens der Rechtsexperten bewusst, wenn es um die Lösung von Problemen geht. Einige Fragen fallen ins Auge. Beispielsweise tagen wir ja hier unter der europäischen Flagge. Was werden wir tun, Herr Präsident? Werden wir die Flagge entfernen oder wird diese Sitzung als illegal betrachtet werden? Das ist ein wichtiger Punkt, der auch etwas Demütigendes hat.
Es gibt noch ein anderes wichtiges Problem, nämlich wie wir dies den Bürgerinnen und Bürgern erklären wollen. Wir werden Verträge mit 1500 Seiten haben, wie Telefonbücher. Wir müssen also einen Weg finden, um die Dinge zu erklären, die wir tun, und dabei müssen wir die Fortschritte, die Rechtspersönlichkeit, die Erweiterung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit und der Mitentscheidung, die Entwicklung in der Außenpolitik usw. erläutern.
Das alles müssen wir erklären, aber das wird keineswegs einfach werden und – da der Teufel im Detail steckt – wir müssen sehr sorgfältig prüfen, wie das Mandat angelegt ist. Ich glaube, das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente und die Zivilgesellschaft werden dies genau verfolgen.
Dessen ungeachtet, Herr Präsident, möchte ich, dass aus der portugiesischen Präsidentschaft ein Lissabon-Vertrag hervorgeht. Ich wünsche mir, dass es ein Reform- und kein Gegenreformvertrag wird.
Bronisław Geremek (ALDE). – (PL) Herr Präsident! Herr Ratspräsident, ich habe Ihren heutigen Ausführungen aufmerksam zugehört und Ihre Ansprache vor der Republikanischen Versammlung in Lissabon sorgfältig gelesen. Sie haben ein umfassendes Programm für die portugiesische Ratspräsidentschaft vorgestellt, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Ich möchte jedoch meine Lesart Ihres Programms darlegen und drei grundsätzliche Anmerkungen machen.
Die erste bezieht sich – das liegt wohl auf der Hand – auf den neuen Verfassungsvertrag. Der deutsche Ratsvorsitz hat in dieser Sache Fortschritte erzielt und einen schwierigen Kompromiss zustande gebracht. Jeder Mitgliedstaat mag das nun so empfinden, als hätte er in den Verhandlungen etwas verloren – doch gerade darin besteht das Wesen eines Kompromisses. Europa aber hat die Chance erhalten, seine Einheit zu festigen. Das Mandat, das einstimmig angenommen wurde, muss nun auch umgesetzt werden, und kein Land – mein Heimatland eingeschlossen – darf sich seinen Verpflichtungen entziehen. Dem portugiesischen Ratsvorsitz fällt nun die schwierige Aufgabe zu, einen Konsens zu erreichen, damit der Vertrag verabschiedet werden kann. Wie Barón Crespo fordere auch ich dazu auf, ihn in eine für den europäischen Durchschnittsbürger möglichst verständliche Form zu bringen.
Der zweite Punkt ist die Entwicklung einer Politik der europäischen Solidarität – wie die gemeinsame europäische Energiepolitik –, mit der wir unter Beweis stellen, dass Europa seit dem historischen Jahr 1989 nachhaltig und unwiderruflich geeint ist. Ein weiteres Beispiel für eine Politik der Solidarität ist der historische Gedanke von der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, nämlich der vollständigen Öffnung des Schengener Raums für die neuen Mitgliedstaaten. Nur ein Europa ohne Binnengrenzen ist eine wirklich vereinigte Gemeinschaft.
Europa muss – und darauf bezieht sich meine dritte Anmerkung – seinen Verpflichtungen gegenüber der übrigen Welt nachkommen. Portugal hat auf die Bedeutung von Brasilien hingewiesen, das traditionell mit Europa verbunden ist und über ein enormes Entwicklungspotenzial verfügt. Ein Punkt im Programm des Ratsvorsitzes ist aber auch die Erneuerung des Dialogs mit Afrika. Das ist eine überaus wichtige Aufgabe, die aus der historischen Verantwortung Europas für diesen Kontinent mit seinen ungenutzten Naturreichtümern erwächst, der heute aber unter Armut, Krankheiten und ethnischen Konflikten leidet.
Darin bestehen die Herausforderungen unserer Zeit, die der europäischen Integration neue Impulse verleihen können und müssen.
Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die portugiesische Präsidentschaft tut gut daran, sich dem Dialog mit Afrika zu widmen, das vermutlich eher die Präsenz z. B. eines Heeres kleiner und mittlerer europäischer Unternehmen braucht, die in diesen Regionen eine gesunde Wirtschaft ins Leben rufen und Gestalt werden lassen, als eine Invasion von Chinesen und multinationalen Unternehmen, die sich nicht immer von humanitären Zielen leiten lassen. Doch genauso wichtig ist es, von dem Gipfel einen Führer wie Herrn Mugabe auszuschließen, den Europa nicht nur wegen seiner Initiativen und menschenfeindlichen Handlungen, sondern auch wegen seines gegen die Weißen und gegen Europa gerichteten Rassismus verurteilen sollte, denn dem Rassismus muss überall und nicht nur mancherorts gebrandmarkt werden.
Uns beunruhigt allerdings das Eintreten von Herrn Manuel Lobo Antunes für eine extrem schnelle Öffnung gegenüber der Türkei-Frage: Es ist keineswegs erforderlich, das Tempo zu beschleunigen, und zwar aus verschiedenen Gründen, zuallererst deshalb, weil es nach wie vor ein Risiko ist, ein Land in Europa aufzunehmen, in dem das Gesetz der Sharia gilt. Das sind äußerst beunruhigende Fragen, die geopolitische Probleme mit einschließen: Beispielsweise wollen wir nicht, Herr Präsident, dass Europa am Ende an Irak, Iran oder andere Länder dieser Art grenzt.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Herr Präsident! Die portugiesische Präsidentschaft möchte den europäischen Vertrag zur Vollendung bringen und sich zugleich mit den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs befassen. Ich muss darauf hinweisen, dass dies gänzlich unvereinbare und widersprüchliche Prozesse sind. Aus dem neuen Text ist klar ersichtlich, dass der Vertrag auf die Beibehaltung extrem kostspieliger und ineffizienter Sozialsysteme abzielt. Wie außerdem deutlich wird, ergehen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten in bolschewistischen Fantasien über stabile Preise und Vollbeschäftigung. Vor allem aber ist die Union ein weiteres Stück vom fundamentalen Grundsatz des freien und ungehinderten Wettbewerbs abgewichen, der aus dem neuen Vertrag einfach gestrichen wurde.
Herr Präsident, ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass die Ablehnung des freien Wettbewerbs als Triebkraft der europäischen Wirtschaft ein ernstes Warnsignal für alle demokratiebewussten Bürger ist. Von der groben Missachtung wirtschaftlicher Freiheiten ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur groben Missachtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Das Hauptanliegen aller demokratischen Politiker sollte daher die unverzügliche Wiederaufnahme des freien Wettbewerbs in den Vertrag sein.
Elmar Brok (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich nur wenige Bemerkungen machen. Wenige Bemerkungen deshalb, weil ich hinsichtlich der Regierungskonferenz den Anmerkungen sowohl des Kommissionspräsidenten als auch des Ratspräsidenten zustimme. Die Aufgabe der Regierungskonferenz wird es sein, so wenig wie möglich zu machen. Es geht darum, das Mandat des Gipfels zu erfüllen und nicht darum, neue Ideen zu entwickeln. Ich kann mir vieles vorstellen, was zusätzlich in einen solchen Vertrag aufgenommen werden sollte. Ich bin mir bewusst, dass manches, was wir im Konvent hatten, fehlt. Aber dies ist jetzt der historische Augenblick, in dem das, was vereinbart worden ist, in rechtlich verbindliche Texte umgesetzt werden muss. Deswegen glauben wir, dass wir die Ratspräsidentschaft bei diesem klaren commitment für das Mandat zu unterstützen haben, um so schnell wie möglich fertig zu werden.
Ich glaube, dass zwar Symbole und vieles andere – vor allem auch die Transparenz – verloren gegangen sind, aber wir haben seit dem Konvent, an dem auch nationale Parlamentarier mitgearbeitet haben, mehr Demokratie und mehr Effizienz. Die Effizienz ist durch die Ausdehnung der Mehrheitsentscheidung, durch die Regeln in der Außen- und Sicherheitspolitik und manches mehr besser als vorher. Sie könnte noch besser sein, aber sie ist besser als das Gegenwärtige.
Überall dort, wo wir Mehrheitsentscheidungen haben, hat das Europäische Parlament das Mitentscheidungsrecht. Wenn dieser Vertrag zustande kommt, wird das Europäische Parlament in 90-95 % der Fälle ein gleichberechtigtes Mitentscheidungsrecht haben.
Manches wird vergessen: In Zukunft wird der Europäische Rat mit Mehrheit dem Europäischen Parlament im Lichte des Ergebnisses der Europawahl und nach Konsultation des Europäischen Parlaments einen Vorschlag zur Wahl des Kommissionspräsidenten machen. Damit haben wir auch mehr Bürgerrechte, denn der Bürger hat über das Parlament einen direkten Weg zur Kommission, womit eine breite Legitimation verbunden ist. Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt, auch verbunden mit der Charta der Grundrechte. Wenn wir Werte in der Welt vertreten, müssen wir diese Werte bei uns selbst praktizieren und uns rechtlich binden. Deswegen ist die bindende Wirkung der Charta der Grundrechte für die Rechte der Bürger so entscheidend. Die einzigen Betrogenen in dieser Frage sind die Bürger Großbritanniens.
Klaus Hänsch (PSE). – Herr Präsident! Hier und dort hört man, es handele sich nur um eine vertragstechnische Regierungskonferenz. Das ist falsch! Sie, Herr Ratspräsident, haben gezeigt: Die politische Bedeutung liegt darin, auf dieser Regierungskonferenz am vollen Mandat und an nichts als am Mandat festzuhalten. Die politische Bedeutung liegt in dem klaren Willen, die Verhandlungen schon im Oktober abzuschließen, und sie liegt darin, alle 27 Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass dies zu einem historischen Zeitpunkt für Europa der richtige Weg ist. Ich habe keinen Zweifel, dass Sie mit der Klarheit Ihres Programms und mit Ihrem festen politischen Willen Erfolg haben werden!
Mein Fraktionsvorsitzender hat gesagt, Sie bräuchten nur noch vom Elfmeterpunkt den Ball ins Tor zu schießen. Lieber Martin, übersehen wir eines nicht: Das ist nicht das Elfmeterschießen am Ende, das ist ein Elfmeter während des Spiels! Und das Spiel geht weiter. Da folgt noch eine volle zweite Halbzeit, nämlich der Ratifizierungsprozess. Die Erfahrungen in der Vergangenheit zeigen uns, dass da noch das eine oder andere Problem auftauchen könnte. Deswegen wäre es richtig, Herr Ratspräsident, wenn Sie jetzt versuchen würden, Ihre Kolleginnen und Kollegen im Rat informell davon zu überzeugen, dass es in den nächsten zwölf Monaten zu einer schnellen Ratifikation kommen muss. Es wäre gut, wenn die Niederlande und Frankreich, die Nein gesagt haben, als Erste ratifizierten. Und es wäre gut, Herr Ratspräsident, wenn Sie den neuen Premierminister in Großbritannien, Gordon Brown, dafür gewinnen könnten, dass Großbritannien nicht das Schlusslicht des Ratifizierungsprozesses wird, sondern sich an dessen Spitze setzt. Das wäre ein Zeichen für ganz Europa!
Simon Busuttil (PPE-DE). – (MT) Vielen Dank, Herr Präsident! Letzte Woche hatte ich Gelegenheit, gemeinsam mit unserem Fraktionsvorsitzenden Herrn Daul eines der vier Internierungslager in Malta aufzusuchen. Momentan bieten diese Lager Obdach für 1 400 Menschen, alle von ihnen Einwanderer, die unter großen Gefahren das Mittelmeer überquert haben. Dazu muss gesagt werden, dass diese Menschen von unserer maltesischen Seepatrouille vor dem Ertrinken gerettet wurden. Ich habe mich mit einem Einwanderer aus Nigeria unterhalten, einem Land, das über einen großen Reichtum an Naturressourcen verfügen soll. Mit Tränen in den Augen erklärte dieser 17-jährige Junge immer wieder, dass er nach Europa wolle. Er sagte aber auch, dass in Gewahrsam gehalten zu werden immer noch besser sei als nach Nigeria zurückzumüssen. Daran zeigt sich, dass wir bislang mit unserer Politik zur Förderung der Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent gescheitert sind. Eben diese Politik kann jedoch auf lange Sicht den Zustrom von Einwanderern nach Europa eindämmen. Sie muss allerdings mit weiteren politischen Maßnahmen gekoppelt werden, die vordringliche und sofortige Aufmerksamkeit erfordern, wenn die illegale Einwanderung und insbesondere das dahinter stehende Netz der organisierten Kriminalität, das das Unglück dieser Menschen ausnutzt, intensiver bekämpft werden sollen. Wir haben einige von den Booten gesehen, mit denen die Einwanderer übers Mittelmeer kommen. Sie haben alle dieselbe Größe und denselben Motorentyp und befinden sich in einem maroden und erschreckenden Zustand. Meist werden rund 30 Menschen in so ein Boot gepfercht, wodurch so viel Wasser hineinläuft, dass es beim ersten Windstoß oder Wellengang sinkt. Es ist kaum verwunderlich, dass den Einwanderern bei der Abreise aus Libyen gesagt wird, dass die Reise entweder nach Italien oder Malta oder aber in einen nassen Tod führt. Für die Überfahrt werden von jedem Einzelnen 1000 US-Dollar kassiert, insgesamt also 30 000 Dollar, und das ist fast der Reingewinn. Wer weiß, ob diese Gelder nicht in die Finanzierung des Terrorismus fließen. Ich danke Ihnen.
Martine Roure (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Sócrates! Ich begrüße, dass Justiz und Inneres eine der Prioritäten Ihrer Präsidentschaft darstellen, denn wir teilen eine generelle und gemeinsame Vorstellung von der Einwanderung. Wir müssen zweifellos eine wirkliche Politik der Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern einleiten, die auf der Achtung der Grundrechte beruhen muss, doch ist es ebenfalls dringend erforderlich, legale Einwanderungskanäle auf europäischer Ebene zu eröffnen, und wir erwarten eine konstruktive Diskussion mit der Präsidentschaft über die Festlegung der gemeinsamen Rechte der legal in Europa arbeitenden Drittstaatsangehörigen.
Es versteht sich von selbst, dass den wohlklingenden Absichtserklärungen der Europäischen Räte zur europäischen Solidarität im Hinblick auf die Verwaltung der Außengrenzen und der Migrationsströme konkrete Maßnahmen folgen müssen. Daher muss der Rat sich dringend mit der notwendigen Revision – wie ich betonen möchte – der Dublin-II-Verordnung befassen. Des Weiteren zählen wir auf die portugiesische Präsidentschaft, um den Rat zu bewegen, eine Einigung über die Rückkehrrichtlinie herbeizuführen, die das Asylrecht und den Grundsatz der Nichtabschiebung beachtet.
(Beifall)
Luís Queiró (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident! Die europäische Präsidentschaft, die vor wenigen Tagen begonnen hat, sieht sich Herausforderungen gegenüber, die nach Verhandlungsgeschick, politischem Willen und strategischer Vision verlangen.
Zunächst ist da die institutionelle Frage. Jetzt, wo das Mandat für die Regierungskonferenz – wie verlangt, ein klares – beschlossen wurde, hoffen wir, dass es der portugiesischen Regierung möglich sein wird, eine Reform der Verträge in dem Umfang auszuhandeln, der erforderlich ist, um aus der institutionellen Sackgasse herauszukommen. Neben anderen bevorstehenden Änderungen wird es in der Europäischen Union keine wechselnden Präsidentschaften wie Ihre und einen Kommissar pro Mitgliedsstaat geben. Wenn diese nationalen Elemente erst einmal im Namen der Effizienz beseitigt wurden, besteht die größte Aufgabe in der Verminderung des Abstands, der zwischen Bürgern und EU entstanden ist, und der beste Weg dahin ist der Aufbau eines Europas, das Ergebnisse hervorbringt, wenn es um die Sorgen seiner Bürger, wie Wirtschaft und Beschäftigung, geht.
In dieser Hinsicht haben wir kürzlich über „Flexicurity“ gesprochen. Wir sind der Meinung, dass es ohne Beschäftigung kein soziales Modell zu unterstützen gibt und dass Beschäftigung durch wendige, wettbewerbsfähige Firmen gewahrt wird, die sich ständig dem Markt anpassen. Beschäftigungssysteme flexibler zu gestalten, ist nicht die einzige Antwort und auch nicht der einzige Weg, um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu erreichen, die wir befürworten.
Europa wird erfolgreich sein, wenn wir den politischen Willen haben, in die Bereiche zu investieren, in denen es ein besonderes Potential hat, und gleichzeitig in Forschung, Innovation und langfristige Visionen. Ein solcher Bereich ist die neue Europäische Meeresstrategie, zu der das Europäische Parlament bei der heutigen Abstimmung einen wichtigen Beitrag leisten wird. Wenn es um die Nutzung von Ressourcen, Verkehr, Handel, die Umwelt, wissenschaftliche Forschung, den Schutz vor Umweltkatastrophen und auch vor illegalen Praktiken und Verbrechen geht, brauchen wir neue, globale Antworten. Wir erwarten von der portugiesischen Präsidentschaft, dass sie dieser Strategie im geeigneten Moment entscheidenden Auftrieb verleiht.
Zu diesem Thema möchte ich noch ein Letztes sagen. Anliegen wie Frieden, Sicherheit, die Bekämpfung des Terrorismus, die wirtschaftliche Entwicklung in unseren Nachbarstaaten, das Verhindern illegaler Einwanderung und die Energieversorgung sind alles Fragen, die von einem Ansatz, der Verbündete schafft und Partner im Süden einbezieht, profitieren werden. Es gibt überdies einen zunehmenden Bedarf an einer neuen Partnerschaft für das Mittelmeer, und die portugiesische Präsidentschaft ist in einer guten Position, eine Wiederbelebung dieses strategischen Dialogs für die Europäische Union zu fördern.
Herr Ministerpräsident, wir wünschen Ihnen in den kommenden sechs Monaten viel Glück und den allergrößten Erfolg. Wir wissen, dass die Dinge, wenn sie für Sie gut laufen, sicher auch für Europa gut laufen.
Jan Marinus Wiersma (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mit einem dringenden Thema beginnen. Ich habe gerade die Nachricht erhalten, dass in Libyen soeben die Todesstrafe für die bulgarischen Krankenschwestern bestätigt wurde. Ich möchte Herrn Sócrates direkt aufrufen, im Namen der Europäischen Union zu handeln und dafür zu sorgen, dass es eine Art Begnadigung gibt oder ein direkter Kontakt zu Herrn Gaddafi hergestellt wird, damit das Urteil nicht vollstreckt wird.
(Beifall)
Wir sind äußerst schockiert, dass die Gerichte in Libyen die Todesstrafen für Europäer bestätigt haben, die freigelassen und nach Hause in ihre Heimat Bulgarien geschickt werden sollten. Herr Ministerpräsident, ich ersuche Sie dringend, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um den libyschen Behörden die Ansicht des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Union insgesamt deutlich zu machen.
Mich interessieren Ihre Ansichten zu außenpolitischen Fragen: wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Beziehungen zu Russland, wie die Vorbereitung eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens; welche Schritte können Sie einleiten, um in diesem zweiten Halbjahr 2007 zu gewährleisten, dass wir ein Mandat für eine Neuaufnahme und den Beginn von Verhandlungen zum neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen erarbeiten können. Die Gespräche mit den Russen über transparentere Energiebeziehungen und über die Probleme in unserer gemeinsamen Nachbarschaft sind sehr wichtig, wir müssen aber auch in der Lage sein, den Menschenrechtsdialog und die Demokratiedebatte zwischen Russland und der Europäischen Union wiederzubeleben sowie unsere multilaterale Agenda weiterzuentwickeln, ob es nun um Iran, die Zukunft des Systems der Vereinten Nationen, Kyoto oder etwas anderes geht.
Zweitens möchte ich Ihre Ansichten dazu hören, wie Sie sich die weitere Entwicklung in Bezug auf das Kosovo vorstellen, was auch mit unseren Beziehungen zu Russland zu tun hat. Wir freuen uns, dass es jetzt einen Zeitraum von drei oder vier Monaten geben wird, in dem weitere Gespräche stattfinden werden, insbesondere mit der neuen Regierung, die wir wegen der bedeutenden Rolle der in ihr vertretenen Demokratischen Partei tatkräftig unterstützen. Was können Sie tun, um letzten Endes sicherzustellen, dass ein für Serbien akzeptables – vielleicht nicht völlig akzeptables, aber akzeptableres – Ergebnis erzielt wird, das auch die Unterstützung Russlands im Sicherheitsrat haben und die Europäische Union nicht spalten wird? Die Vorschläge von Herrn Ahtisaari sollten eine Grundlage sein, aber wir sollten uns auch darum kümmern, eine UN-Resolution als Grundlage für den künftigen Einsatz der Europäischen Union zu erwirken. Wir erwarten, dass der Kosovo seinen Status letztlich definieren wird.
(Beifall)
Der Präsident. Vielen Dank, Jan Marinus Wiersma! Was die Frage der Krankenschwestern angeht, werde ich – wenn Sie einverstanden sind – nachher, wenn das Plenum gefüllt ist, vor der Abstimmung eine Erklärung abgeben.
Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Die Hausaufgaben sind richtig beschrieben, die Signale Afrika und Lateinamerika richtig gesetzt. Ihre Regierungskonferenz hat die Frage der vertragstechnischen Umsetzung und Implementierung der Substanz des Verfassungsvertrages und der Beschlüsse des Gipfels zu behandeln und keinen neuen Vertrag zu verhandeln.
Sie haben heute gespürt, dass Ihr Problem nicht das Europäische Parlament, nicht die Kommission, nicht die Bürger Europas sein werden. Das einzige Problem, das Sie haben können, sind einige Eitelkeiten von Staats- und Regierungschefs und Mitgliedstaaten im Rat. Daher sage ich Ihnen: Sorgen Sie in Ihrer Ratspräsidentschaft dafür, dass alle das tun, was sie beschlossen haben, dass alle halten, was sie versprochen haben, dass sie zahlen, was sie zugesagt haben — Stichwort Frontex —, dass sie zu Hause verantworten, was sie auf europäischer Ebene vereinbart haben, dass sie konkrete Projekte umsetzen und Regeln einhalten, statt intelligente Interpretationen einzufordern — Stichwort Frankreich. Wenn Sie dafür Sorge tragen, dass getan wurde, was beschlossen wird, erreichen Sie eine neue Dynamik in der Europäischen Union und haben weniger Probleme.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Jede EU-Ratspräsidentschaft bringt neue Herausforderungen, neue Ziele und neue Chancen, aber auch neue potenzielle Fehler und Rückschläge mit sich. Ich habe die Interviews, die der portugiesische Ministerpräsident der Presse zur Ostpolitik der Europäischen Union gegeben hat, aufmerksam gelesen, und was ich gelesen habe, erfüllt mich mit großer Sorge.
Sie sagten – ich zitiere: „… dass wir in den Verhandlungen mit Russland nicht nur das Trennende betonen sollten, sondern auch das, was uns eint ...“ Das ist eine überraschende Feststellung, die sich so interpretieren ließe, dass die EU in ihrer Ostpolitik nun einen anderen Ton anschlägt – einen sehr versöhnlichen und – ich scheue mich nicht, das zu sagen – defätistischen Ton.
Die Europäische Union muss den von der deutschen Ratspräsidentschaft verfolgten Kurs der Solidarität und Einheit beibehalten. Nur die Solidarität ermöglicht uns in unseren Beziehungen zu Russland effektives Handeln. Mangelnde Konsequenz wird uns von unseren Partnern im Osten nur als Schwäche ausgelegt.
Es gibt viele Probleme zu lösen: der fortdauernde Streit über die polnischen Lebensmittelexporte nach Russland und die notwendige Solidarität im Energiebereich, um Moskau die Möglichkeit zu nehmen, Druck auf die einzelnen Mitgliedstaaten auszuüben.
José Sócrates, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen für die Kommentare im Verlauf dieser Debatte und für die kritischen Anmerkungen zu meiner Rede und zu den Plänen des Vorsitzes danken. Sie alle sollen wissen, dass diese Kommentare und kritischen Anmerkungen mit Blick auf meine Aufgaben als Ratspräsident sehr hilfreich für mich sind. Ferner möchte ich einräumen, dass nach dem, was ich generell gehört habe, die Stellungnahmen der MdEP in Bezug auf die Aufgaben der Union für die nächsten sechs Monate weitgehend mit dem Programm übereinstimmen, das ich Ihnen hier vorgestellt habe. Ich freue mich zu sehen, dass ein breiter politischer Konsens darüber besteht, was wir in den nächsten sechs Monaten zu tun haben. Dies ist außerordentlich wichtig für Europa.
Es war übrigens nicht schwierig, diese Prioritäten herauszuarbeiten, da wir uns alle über eine ganz einfache Tatsache im Klaren sind: Europa – die europäische Wirtschaft, die europäische Gesellschaft und die Welt erwarten – dass Europa diesmal seine institutionelle Krise ein für allemal überwindet, denn das, worüber wir in den letzten zwei Jahren nachgedacht haben, wurde von jedem als eine institutionelle Krise angesehen, die Europa nicht zu bewältigen in der Lage war. Wir müssen der Welt und den Europäern das klare Signal übermitteln, dass es uns gelingen wird, diese Krise in den Griff zu bekommen und den toten Punkt zu überwinden. Deshalb freue ich mich zu hören, dass in allen Redebeiträgen der Mitglieder darauf hingewiesen wird, dass wir natürlich vor allem darauf abzielen sollten, so bald wie möglich einen Vertrag abzuschließen.
Ich weiß nicht, ob uns andernfalls Nachteile entstehen, aber es liegt auf der Hand, dass wir dieses Ziel so rasch wie möglich erreichen müssen. So freue ich mich auch darüber, dass die Mitglieder die Ansicht des Vorsitzes unterstützen, dass mit Blick auf einen Vertrag auch die derzeitige politische Lage, das derzeitige politische Klima, die derzeitige politische Annäherung genutzt werden sollten, um das Mandat so rasch wie möglich in einen Vertrag umzuwandeln. Daher stelle ich mit Zufriedenheit fest, dass es für den Zeitplan, den ich hier vorgelegt habe, das Bestreben rasch zu handeln, ebenfalls einen politischen Konsens gibt. Es besteht ja im Übrigen auch kein Grund, dies nicht zu tun. Wie schon gesagt, es entspricht den Erwartungen der europäischen Wirtschaft, der anderen EU-Institutionen und der Welt, dass wir ein rasches Tempo vorlegen.
Bei dem abschließenden Konsens, der Einigung, der gegenseitigen Verpflichtung, die wir erzielt haben, handelt es sich um eine so klare und eindeutige Verpflichtung, dass niemand von uns erwartet, dass wir uns in unendlichen Diskussionen verlieren, zumal diese Diskussionen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Daher freue ich mich zu sehen, dass allgemeines Einvernehmen darüber besteht, dass der Umsetzung des Mandats in einen Vertrag Vorrang eingeräumt werden sollte. Ich bin natürlich auf die Frage des Mandats eingegangen und habe erklärt, dass der Vorsitz eines nicht hat, nämlich die Befugnis, das ihm erteilte Mandat erneut zur Debatte zu stellen oder zu ändern. Dies ist von größter Bedeutung und scheint mir auch die Kernfrage zu sein. Niemand erwartet das, und ich bin sicher, dass alle Mitgliedstaaten, die heute Abend hier vertreten sind und die diese Verpflichtung eingegangen sind, sich der Tatsache voll und ganz bewusst sind, wie sehr dies die Institutionen und Europa selbst diskreditieren würde. Deshalb bin ich sicher, dass keiner der Mitgliedstaaten und keine politische Führungspersönlichkeit diese Möglichkeit befürwortet, und dass Sie mit mir darin übereinstimmen, dass wir uneingeschränkt dazu verpflichtet sind, uns an das Mandat zu halten und es in einen Vertrag umzusetzen.
Ferner möchte ich auf die offensichtliche Tatsache hinweisen, dass die Union von allen abhängt und dass alle gebraucht werden. Ich bin mir der Aufgabe, der sich der Vorsitz stellen muss, sehr wohl bewusst: Es gilt eine Einigung zwischen den 27 Mitgliedstaaten zu erzielen, nicht zwischen 26, nicht zwischen 25, nicht zwischen 24, sondern zwischen allen 27 Mitgliedstaaten. Darin unterscheidet sich eine Union von einem Bündnis. Wir sind kein Bündnis, wir sind eine Union, und eben aus diesem Grund sind wir alle unentbehrlich und müssen alle mit „an Bord“ sein. Deshalb sage ich, dass wir unser Bestes tun werden, um so rasch wie möglich das zu erreichen, was wir alle wollen, nämlich dass Europa im Oktober, bei der ersten Gelegenheit – nicht bei der letzten, sondern bei der ersten Gelegenheit – in der Lage ist, den Europäern und der Welt klar und deutlich zu signalisieren, dass es seine institutionelle Krise überwunden hat.
Ich möchte auch ein Wort zur Ratifizierung des Vertrags sagen. Die Ratifizierung auf nationaler Ebene ist ein Problem der Mitgliedstaaten, kein europäisches Problem. In diesem Augenblick möchte ich, nachdem ich die betreffenden Äußerungen gehört habe, darauf hinweisen, dass an keinem Ort der Welt in liberalen Demokratien die Ratifizierung durch ein Parlament als illegitim bzw. als nicht mit den besten Werten moderner Demokratien vereinbar angesehen wird. Ich glaube, dass der Versuch, die Ratifizierung durch ein Parlament abzuwerten, der repräsentativen Demokratie nicht zur Ehre gereicht. Ich verstehe sehr gut, dass es Menschen gibt, die sich für Referenden aussprechen und sich bei bestimmten Gelegenheiten für die direkte Demokratie einsetzen. Ich finde das sehr positiv und bin der Ansicht, dass Referenden und mehr partizipative Demokratie die Demokratie bereichern. Niemals und unter keinen Umständen habe ich jedoch behauptet, dass eine solche direkte und partizipative Demokratie gegen die repräsentative Demokratie ins Feld geführt werden kann. Das ist nach meinem Dafürhalten falsch, was ich klar und deutlich zum Ausdruck bringen möchte. Unsere Parlamente haben die Befugnis, Verträge zu billigen, und zwar im Namen des Volkes. Das lehrt uns die Theorie der Demokratie, und ich habe so lange mit diesen Werten gelebt, dass ich nicht willens bin, mich von ihnen zu verabschieden, vor allem nicht jetzt.
Zweitens, meine Damen und Herren, möchte ich zu Ihnen über die Außenpolitik sprechen, die im Rahmen dieses Vorsitzes ebenfalls zu unseren Prioritäten zählt. Sie wird eines unserer Schwerpunktthemen darstellen, denn anders geht es ja gar nicht. Betrachtet man die Außenpolitik der EU, so ist leicht festzustellen, dass es hier einige Lücken gibt, die wir natürlich schließen möchten. In einem Fall ist uns das schon gelungen, nämlich mit Blick auf Brasilien.
Tatsächlich hat die EU Gipfeltreffen mit China, Indien und Russland durchgeführt, aber nicht mit dem ebenfalls zu den BRIC-Ländern zählenden Brasilien. Dies ist nie geschehen, obwohl es hätte geschehen müssen, weil ein solcher Gipfel unseren Politiken gegenüber diesen aufstrebenden Wirtschaftsmächten Kohärenz und den Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika einen höheren Stellenwert verleiht und weil diese strategischen Beziehungen auch von maßgeblicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, sich mit Fragen der globalen Governance zu befassen. Nach meinem Dafürhalten ist Europa nunmehr, nachdem es eine strategische Partnerschaft mit Brasilien eingegangen ist, besser in der Lage, Einfluss auf globale politische Fragen zu nehmen.
Eines steht für mich außer Zweifel: Die Europäische Außenpolitik ist durch das auf dem Gipfeltreffen mit Brasilien erzielte Abkommen bereichert worden. Es wird sich zeigen; ich jedenfalls hege große Hoffnungen, dass dieser Gipfel dazu beigetragen hat, ein besseres Klima für den Dialog zwischen Europa und Brasilien zu schaffen, was seinerseits dazu beitragen wird, dass die Doha-Runde und die Verhandlungen über ein Welthandelsübereinkommen fortgesetzt werden können. Ich bin in dieser Hinsicht sehr hoffnungsvoll und gehöre zu denjenigen, die daran glauben, dass sich eine erfolgreiche Doha-Runde und ein in diesem Rahmen erzieltes Übereinkommen vorteilhaft auf die ganze Welt, auf die Regelung der Globalisierung sowie auf die Förderung von mehr Handelsfreiheit und Entwicklung, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern, auswirken wird.
Auch zu Afrika möchte ich ein Wort sagen und darauf hinweisen, dass wir eine speziell auf diesen Kontinent ausgerichtete Politik brauchen. Europa muss entscheiden, ob es voranschreiten oder auf der Stelle treten möchte, und letzteres tun wir nun schon sieben Jahre lang. Es muss etwas unternommen werden, und ich möchte Sie alle daran erinnern, dass wir diese Entscheidung schon vor neun Monaten getroffen haben. Der Europäische Rat hat bereits beschlossen, ein Gipfeltreffen durchzuführen, und auf den letzten drei Tagungen des Europäischen Rates wurde beschlossen, dass dieses Gipfeltreffen in diesem Jahr während des portugiesischen Vorsitzes stattfinden soll. Daher ist die Zeit des Nachdenkens über dieses Thema vorbei. Es gilt das Gipfeltreffen durchzuführen.
Zu dem EU-Afrika-Gipfel möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Zunächst einmal bin ich der Meinung, dass Europa nicht länger den Preis dafür zahlen kann, dass es keinen strukturierten institutionellen und strategischen Dialog mit Afrika führt. Dieser Fehler kommt uns meines Erachtens bereits teuer zu stehen. Wir in Europa, aber auch die Menschen in Afrika zahlen den Preis, und die Tatsache, dass es keinen solchen Dialog gibt, wirkt sich nachteilig auf die Lebenssituation von Menschen aus. Wenn wir hier im Parlament über Menschenrechte und Hunger nachdenken, dann müssen wir auch in Betracht ziehen, dass ein Gipfeltreffen mit Afrika einen beträchtlichen Beitrag leisten könnte, nicht nur wenn es darum geht, Entwicklungsprobleme zu lösen und die Probleme des Hungers in Afrika besser in den Griff zu bekommen, sondern auch mit Blick auf eine angemessenere Antwort auf die Probleme der Regierungsführung und der Menschenrechte in afrikanischen Ländern.
So sehe ich diese Frage. Nun ist Untätigkeit, das Verharren auf dem Status quo, der sicherste Weg, nicht zur Lösung der Probleme beizutragen. Das ist meines Erachtens nicht die richtige Option. Was Afrika betrifft, so möchte ich Ihnen darüber hinaus meine Betroffenheit angesichts der Nachrichten über die bulgarischen Krankenschwestern bekunden, die von meinen Vorrednern erwähnt wurden. Diesen Fall, das möchte ich Ihnen hier mitteilen, haben wir die ganze Zeit über beobachtet. Sie sollen wissen, dass Portugal eines der Länder mit den besten Beziehungen zu den nordafrikanischen Ländern, einschließlich Libyen, ist, und dass wir die Angelegenheit aufmerksam verfolgt haben. Wir sind darüber seit längerer Zeit mit den libyschen Behörden im Gespräch. Während dieser sechs Monate tragen wir eine noch größere Verantwortung und wir sind uns der Tragweite dieser Angelegenheit sehr wohl bewusst. Wir arbeiten daran, und ich habe dies erst kürzlich gemeinsam mit dem Kommissionspräsidenten anlässlich unseres Besuchs in Accra getan. Wir werden alles in unserer Möglichkeit Stehende tun, damit die Sache ein glückliches Ende nimmt. Es besteht noch die Möglichkeit, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Wie gesagt, wir beobachten die Angelegenheit und hoffen, dass Sie sich alle der diplomatischen Brisanz der Materie bewusst sind. Wir wollen dafür sorgen, dass der Fall einer zufriedenstellenden Lösung zugeführt wird. Sie werden verstehen, dass politische Rhetorik nicht immer hilfreich ist, aber Sie alle wissen, dass wir uns nachdrücklich dafür einsetzen, die Angelegenheit zu einem guten Ende zu bringen.
Zwei weitere Themen möchte ich ansprechen. Erstens sei, was den Klimawandel betrifft, darauf hingewiesen, dass ich Umweltminister war, dass ich für eine Amtszeit die Funktion des Umweltministers innehatte und mich daran erinnere, wie schwierig es damals – im Jahr 2000 – war, das Thema Klimawandel überhaupt zur Sprache zu bringen. Diese Schwierigkeiten gehören einer anderen Zeit an. Heute stellt sich die Situation vollkommen anders dar, und ich glaube, wir haben alle erkannt, dass die operative Synthese von Innovation und Energie Klimawandel heißt. In verschiedenen Sektoren ist der Wunsch groß, rasch Maßnahmen zu treffen, aber ich bin der Meinung, und da werden Sie mir zustimmen, dass die Beschlüsse, die wir anlässlich des letzten Frühjahrsgipfels des Europäischen Rats getroffen haben, von wesentlicher Bedeutung waren, um Europa in diesem Bereich Glaubwürdigkeit zu verleihen und es politisch in die Lage zu versetzen, eine führende Rolle zu übernehmen, an vorderster Front zu kämpfen und diesem globalen Problem eine politische Antwort entgegenzusetzen.
Wir werden diese Problematik sehr aufmerksam beobachten. Ich selbst werde – sofern ich dies in meinem Terminkalender unterbringen kann, was ich allerdings beabsichtige – als Vertreter der Europäischen Union in Bali zugegen sein und eine Rede halten, mit der ich den Willen der Europäischen Union bekunden werde, im Rahmen der Maßnahmen nach Kyoto und mit Blick auf die Reaktion der Welt auf den Klimawandel eine Führungsrolle zu übernehmen. Ich möchte jedoch klarstellen, dass wir eine interne Agenda haben, die es umzusetzen gilt, und dass zu dieser Agenda auch der technologische Energieplan, mit dem wir uns gemeinsam mit der Kommission befassen werden, sowie die Schaffung eines Europäischen Technologieinstituts gehören, die wir nachdrücklich unterstützen. Dieses Institut wird seine erste KIC (Knowledge Innovation Community) auf den Weg bringen, und diese erste Initiative zielt richtigerweise auf den Klimawandel ab, was in der Tat von symbolischer Bedeutung ist.
Schließlich ein Wort zum Thema Biokraftstoffe: Es gibt keine magischen Lösungen für alle Probleme, aber Biokraftstoffe sind derzeit die wirksamste Möglichkeit, die CO2-Emissionen im Bereich des Verkehrs zu verringern. Daran habe ich keinen Zweifel, und wenn es einen Weg gibt, der uns weiterbringt, eine angemessene Lösung, die zur Verringerung der Emissionen beiträgt, dann dürfen wir diese meines Erachtens nicht außer Acht lassen, auch nicht, weil sie natürlich in anderen Bereichen weniger günstige Auswirkungen hat. Die Bilanz in puncto Biokraftstoffe ist meines Erachtens sehr positiv und sollte uns ermutigen, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Was schließlich die Frage der Einwanderung betrifft, so möchte ich klarstellen, dass dies während unseres Vorsitzes eines der wichtigsten Themen sein wird. Wir messen dieser Problematik große Bedeutung bei. Europa muss einen klaren Standpunkt zur Einwanderung festlegen. Nach meinem Dafürhalten muss sich die einzig mögliche Einwanderungspolitik, die dem Problem angemessen ist und mit unseren Werten im Einklang steht, auf drei Säulen stützen. Die erste Säule ist die Verhinderung der illegalen Einwanderung, die Erhöhung der Sicherheit an unseren Grenzen und die Bekämpfung dieses Verbrechens gegen die menschliche Würde. Die zweite Säule ist der Einsatz für eine auf Integration ausgerichtete, menschliche Politik. Europa bietet derzeit vielen Millionen Einwanderern Zuflucht, die ebenfalls darauf warten, dass es Festlegungen zur Einwanderung gibt. Die dritte Säule ist eine mit den Herkunftsländern abgestimmte Politik, die es ermöglicht, die Migrationsströme zum gegenseitigen Nutzen zu steuern. Dies sind die drei Säulen, aus denen eine europäische Politik bestehen sollte. Diese sollten jedoch in Dokumenten verankert werden, und deshalb werden wir in den nächsten sechs Monaten Konferenzen veranstalten und weiterhin mit der Kommission und mit Herrn Frattini zusammenarbeiten, um es zu ermöglichen, eine kohärente und umfassende europäische Einwanderungspolitik zu strukturieren und bekanntzumachen, die eine dem Problem angemessene Antwort darstellt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nochmals für ihre Anmerkungen danken und Ihnen abschließend Folgendes sagen: Wir haben unseren Plan, wir gehen diese sechs Monate mit Zuversicht, mit der Energie und dem Willen politischer Führungskräfte an, die während ihres ganzen politischen Lebens stets an das europäische Projekt geglaubt haben. Ich habe bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass ich 1957, im Jahr Europas, geboren und ein Jahr nachdem wir Europa beigetreten sind, ins Parlament gewählt wurde. Ich bin ein europäischer Politiker und daher sehe ich es, wenn ich hierher komme, als größte Ehre an, Europa an solch einem Ort dienen zu dürfen. Aus diesem Grund nehmen wir diese Aufgabe mit Zuversicht in Angriff, mit der Zuversicht von jemandem, der mit dem europäischen Projekt gründlich vertraut ist. Wir haben einen Plan, aber ein Plan ist nicht alles. Natürlich wird es unvorhergesehene Ereignisse geben, Situationen, die in unserem Plan nicht vorgesehen sind, Ereignisse, die uns überraschen werden, denn so ist die Politik; wenn sie nicht so wäre, dann wäre sie nichts für Politiker, die ja dazu da sind, mit unvorhergesehenen Situationen fertigzuwerden. Der Plan leitet uns bei unseren Maßnahmen, und wenn unvorhergesehene und unerwartete Ereignisse eintreten, werden wir da sein, gewappnet mit dem, was für einen Politiker wichtig ist: mit Werten, Grundsätzen und Leitlinien, an denen wir uns bei der Schaffung eines stärkeren Europas im Dienste einer besseren Welt stets orientiert haben.
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Ratspräsident.
Der Präsident. Herr Ratspräsident! Wir haben Vertrauen in Sie! Das Europäische Parlament steht an Ihrer Seite, damit Sie erfolgreich sind. Wenn Sie erfolgreich sind, ist die Europäische Union erfolgreich. Viel Erfolg für Ihre Präsidentschaft!
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, verehrte Abgeordnete! Ich sollte nach den beunruhigenden Nachrichten, die wir erhalten haben, ebenfalls zunächst die Gelegenheit ergreifen, unsere Solidarität mit den bulgarischen Krankenschwestern und ihren Familien sowie mit dem palästinensischen Arzt zum Ausdruck zu bringen. Wir sind über diese Entscheidungen sehr enttäuscht, ich möchte aber auch sagen, dass ich zuversichtlich bin, dass eine Lösung gefunden wird. Ich möchte insbesondere den bulgarischen Krankenschwestern und ihren Familien versichern, dass die Europäische Union in Verbindung mit dem Ratspräsidenten und den Mitgliedsstaaten alles Erdenkliche tun wird, um ihr Recht auf Leben und Freiheit zu schützen.
Herr Ministerpräsident, die Aussprache hat deutlich gezeigt, dass das Parlament die Prioritäten der portugiesischen Ratspräsidentschaft unterstützt. Wie Herr Schulz sagte, kam eine Botschaft der Unterstützung für das europäische Projekt aus verschiedenen politischen und ideologischen Bereichen. Das europäische Projekt kann nicht nur als Eigentum des einen oder anderen politischen oder ideologischen Sektors angesehen werden. Es sollte die politischen Kräfte einen, die als gemeinsames Ziel die Stärkung Europas haben, eines Europa, das den Hoffnungen seiner Bürger entspricht. Genau das haben wir heute hier gesehen. Wir stimmen Ihrer Analyse in Bezug auf die Notwendigkeit der Lösung der institutionellen Frage sehr zu. Tatsache ist, dass die nicht erfolgte Lösung der institutionellen Frage einen Schatten des Zweifels, der Skepsis, der Negativität und manchmal sogar des Zynismus auf alles geworfen hat, was Europa getan hat.
Europa befand sich nicht in der Sackgasse. In den letzten Jahren haben wir erfolgreich schwierige Probleme behandelt, und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen war dabei wichtig. Wir haben einen Haushalt für die nächsten sieben Jahre beschlossen, wir haben beim Europäischen Rat im März einen hart erkämpften Konsens in einer Frage erreicht, die ebenso durch Uneinigkeit geprägt war wie die Dienstleistungsrichtlinie, wir haben erfolgreich das ehrgeizigste Maßnahmenpaket beschlossen, das bisher vorgelegt wurde und den Kampf gegen den Klimawandel betrifft, die Neuauflage der Lissabon-Strategie hat Früchte getragen, und dies dank einer neuen Verwaltungsstruktur. Fakt ist, dass Europa, allgemein gesprochen, eine erfolgreiche Zeit durchlebt; wir haben ein Wirtschaftswachstum, das uns neuen Grund zur Hoffnung gibt, wir schaffen jetzt mehr Arbeitsplätze als unsere US-amerikanischen Partner, und die Eurobarometer-Ergebnisse bestätigen, dass wir den höchsten Grad an Vertrauen in Europa seit acht Jahren erreichen. Die Zeiten sind daher besser.
Fakt ist jedoch auch, dass, solange die institutionelle Frage nicht gelöst ist, dieser Zweifel allgegenwärtig ist, und wir, insbesondere wenn wir uns außerhalb Europas befinden, mit Fragen konfrontiert werden, denen wir die gehörige Bedeutung beimessen müssen. Wir werden gefragt, wie die Europäer die Welt im Kampf gegen den Klimawandel anführen wollen, wie die Europäer Energiesicherheit gewährleisten wollen, wie die Europäer ihre Wirtschaft in eine der gerechtesten, allumfassendsten und wettbewerbsfähigsten der Welt umwandeln wollen, wenn sie nicht in der Lage sind, zu entscheiden, wie ihre eigenen Institutionen arbeiten sollten und welche Entscheidungen sie treffen sollten.
Daher ist dies eine Frage der Glaubwürdigkeit. Darum ist es absolut wichtig, dass wir die institutionelle Frage lösen, und der Ministerpräsident, der Ratspräsident, verlässt uns heute hier mit der, meiner Ansicht nach, sehr deutlichen Unterstützung des Parlaments und sicherlich der Kommission, um eine Lösung in voller Übereinstimmung mit dem Mandat zu finden, und wenn möglich einer Lösung bereits zum Europäischen Rat im Oktober. Dies sollte unser Ziel sein, und dazu, Herr Ministerpräsident, haben sie unsere volle Unterstützung.
Zuletzt möchte ich noch sagen, dass wir die beim Europäischen Rat im Dezember festgelegten Prioritäten sorgfältig zur Kenntnis genommen haben: Einwanderung und Angelegenheiten, die mit der neuen Agenda für Sicherheit, Justiz und Freiheit in Europa verbunden sind. Eine der Verbesserungen, die wir am Vertrag vorgenommen haben, ist der Ausbau unserer Fähigkeit, Maßnahmen in Sachen Justiz, Freiheit und Sicherheit zu ergreifen. Wie meine Vorredner bereits erwähnt haben, sind Einwanderungsfragen vom menschlichen Standpunkt aus gesehen entscheidend – es handelt sich um menschliche Tragödien, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Was die Agenda für Innovation betrifft, so hat der Ministerpräsident gerade die Gelegenheit ergriffen, um seine klare und eindeutige Unterstützung für die Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts sowie die Gründung der ersten Wissens- und Innovationsgemeinschaft zum Ausdruck zu bringen – einer Innovation, die genau auf das Problem des Klimawandels und all das gerichtet ist, was wir tun können, um der Agenda für Innovation neuen Schwung zu verleihen. Das ist eine der Fragen, in der Europa es sich nicht erlauben kann, hinterherzuhinken oder nicht nur vor unseren US-amerikanischen Partnern, sondern auch vor anderen Schwellenmächten zurückzuweichen; Europa muss auf diesem Gebiet entschiedenere Bemühungen unternehmen. Ich bin der Meinung, dass wir mit Recht stolz auf uns sein können, wenn wir diese Ziele erreichen.
Schließlich, sehr geehrte Abgeordnete, können wir im Hinblick auf Afrika ein Problem, das hier diskutiert wurde, nicht akzeptieren, nämlich dass unsere Beziehungen mit einem Kontinent wie dem afrikanischen Kontinent von dem einen oder anderen Diktator, wer immer es auch sein mag, abhängen sollten. Fakt ist, dass Europa partnerschaftliche Beziehungen auf höchster Ebene mit Asien, wo es Diktatoren gibt, und mit Lateinamerika, wo einige Länder ebenfalls keine Demokratien sind, unterhält. Mehr noch, in bestimmten europäischen Hauptstädten wird für einige dieser Diktatoren sogar der rote Teppich ausgerollt. Daher kann ich nicht verstehen, was uns daran hindern sollte, hochrangige Beziehungen zu Afrika zu unterhalten, während wir die Tür für diejenigen offen halten, die die demokratische Entwicklung Afrikas manchmal eigentlich behindern, weil wir auf gewisse Weise durch den einen oder anderen Diktator erpresst werden.
Wir unterstützen daher entschlossen diese Priorität der portugiesischen Präsidentschaft, und es ist sicher, dass die Ziele oder eines der Ziele des Gipfels darin bestehen sollten, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und die Notwendigkeit der Entwicklung unserer Beziehungen zugunsten einer guten Regierungsführung in Afrika und alle Bereiche der Beziehungen zwischen unseren beiden Kontinenten zu diskutieren. Wenn wir dies erreichen, denke ich, können wir mit dieser Präsidentschaft zufrieden sein, weil wir sicher sind, dass wir während dieser sechs Monate weiterhin Fortschritte in Richtung eines stärkeren Europas für eine bessere Welt machen werden, eines Europas, in dem in der Praxis demonstriert wird, dass wir nur durch Zusammenarbeit Ergebnisse hervorbringen können, die wirklich im Interesse der europäischen Bürger sind.
(Beifall)
Der Präsident. Damit ist die Debatte über die portugiesische Präsidentschaft geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Alessandro Battilocchio (NI), schriftlich. – (IT) Neben der Reform der Institutionen, ohne die die Europäische Union nicht die ihr gebührende Rolle in der Welt haben wird, und der Herausforderung, die in dem Erreichen von Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der Lissabon-Strategie besteht, hoffe ich, dass die portugiesische Präsidentschaft imstande ist, das von mir bereits mehrmals als am wichtigsten bezeichnete Kernproblem konsequent zu lösen, nämlich Energieunabhängigkeit und Kampf gegen den Klimawandel.
Energie wird zugleich das Geschäft und das Problem der Zukunft sein, was wir auch an der Besorgnis über die bevorstehende Erschöpfung der nicht erneuerbaren Energiequellen und an den Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls sehen. Nur mit einer angemessenen Unabhängigkeit von externen Lieferanten werden wir gewährleisten können, dass Europa auf lange Sicht eine Führungsrolle in der Weltwirtschaft spielt und eine stärkere Position auf der geopolitischen Bühne innehat, die keinen äußeren Bedrohungen unterliegt. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung, wenn es weltweit Stabilität, Demokratie und die Achtung der Menschenrechte fördern will. Lassen Sie uns deshalb versuchen, unsere Aufmerksamkeit, unsere Kraft und unsere Ressourcen auf das zu konzentrieren, was wir schon haben, die Kernenergie, und was wir haben können, nämlich erneuerbare Energieträger, indem wir die Forschung und die Kofinanzierung durch die Mitgliedstaaten und die Privatwirtschaft fördern, Steuermaßnahmen ergreifen, den Verkehrssektor reformieren und die europäischen Fachkräfte, die aufgrund fehlender Chancen ins Ausland abgewandert sind, zurückrufen.
Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Die portugiesische Präsidentschaft muss sich auf das vorrangige Ziel der Unterzeichnung eines neuen institutionellen Vertrages durch die 27 Mitgliedstaaten kommenden Oktober in Lissabon konzentrieren, umso mehr als das Mandat, das der Regierungskonferenz auf der letzten Tagung des Europäischen Rates übertragen wurde, klar und eindeutig ist.
Die Einleitung einer neuen Runde der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung ist Anlass, der sozialen Dimension insbesondere durch eine bessere Koordinierung der Beschäftigungspolitiken und die Entwicklung der „Flexicurity“ die ihr gebührende Bedeutung und öffentliche Wahrnehmbarkeit zu verleihen, um unsere Mitbürger mit Europa und seinem reformierten Sozialmodell auszusöhnen.
Ich bin überzeugt, dass die portugiesische Präsidentschaft den Regionen in extremer Randlage, mit deren besonderer Situation sie durch Madeira und die Azoren gut vertraut ist, besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen wird, um den für sie bestimmten Gemeinschaftsmaßnahmen, insbesondere denjenigen bezüglich der Nachbarschaftspolitik und der durch die äußerste Randlage bedingten Mehrkosten, neue Impulse zu verleihen.
Der letzte Brüsseler Gipfel muss unbedingt positive Auswirkungen zeitigen und unter Beweis stellen, dass der erneuerte europäische Geist stärker ist als die nationalen Egoismen. Ich wünsche aufrichtig, dass es der portugiesischen Präsidentschaft gelingen möge, den am Ende der deutschen Präsidentschaft zu verzeichnenden bedeutenden politischen Schwung voll zu nutzen.
5. Einberufung der Regierungskonferenz (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Einberufung der Regierungskonferenz: Stellungnahme des Europäischen Parlaments (Artikel 48 des Vertrags über die Europäische Union)
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Zwei Jahre sind vergangen, seit die Ablehnung der Verfassung durch zwei Mitgliedstaaten einen Schatten auf die Aktivitäten der Union geworfen hat. Nach einem Jahr des Nachdenkens wurde der deutschen Präsidentschaft im Juni 2006 ein Mandat gegeben, eine Lösung zu finden, die uns in die Lage versetzen würde, aus dieser Sackgasse herauszukommen, und im Namen meiner Kollegen möchte ich der deutschen Präsidentschaft dazu gratulieren, dass sie im Europäischen Rat eine weitgehende Einigung erzielt hat. Ich denke, dass wir alle Grund haben, Kanzlerin Merkel für ihr persönliches Engagement, diese Vereinbarung durch die Abstimmung zu bringen, ganz besonders zu danken.
Wie meine Vorredner bereits sagten, bedeutet die im Europäischen Rat erzielte Vereinbarung, dass ein neuer Reformvertrag ausgearbeitet wird, der den Weg zu einer schnellen Regierungskonferenz im Hinblick darauf ebnet, dass der neue Vertrag rechtzeitig zu den Parlamentswahlen 2009 in Kraft treten kann. Ich empfehle ihn Ihnen allen wärmstens.
Es ist klar, dass viele von Ihnen Teile der Vereinbarung finden werden, die Sie als weniger zufrieden stellend ansehen. Keiner von uns kann behaupten, dass dies genau das Mandat ist, das wir formuliert hätten, wenn es uns vollkommen frei gestanden hätte, dies zu tun. Von Anfang an stand die deutsche Präsidentschaft vor der schwierigen Aufgabe, sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wie wir uns vorwärtsbewegen sollten, in Einklang zu bringen. Diejenigen, die die Verfassungen bereits ratifiziert hatten, wünschten, verständlicherweise, den vorhandenen Text so weit wie möglich in seiner ursprünglichen Form beizubehalten, während andere einen neuen Text verlangten, der sich von dem Verfassungsvertragsentwurf weitgehend unterschied. Der Text stellt daher einen Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen dar. Jetzt hatte jeder die Chance, das Ergebnis zu bewerten, und ich werde mich daher nicht bei den Einzelheiten aufhalten. Ich bin davon überzeugt, dass dies ein ausgewogener Text ist und dass es nicht möglich gewesen wäre, eine bessere Vereinbarung als diese zu erreichen.
Die beim Europäischen Rat erreichte Vereinbarung erteilt der portugiesischen Präsidentschaft ein Mandat, das, weil es allumfassend und im Detail erschöpfend ist, die Regierungskonferenz (RK), die mit der vollen Umwandlung des Mandats in den Text eines Vertrages betraut ist, in die Lage versetzen wird, ihre Arbeit innerhalb möglichst kurzer Zeit abzuschließen. Das Parlament wird in die Arbeit der RK vollständig einbezogen, und der Rat hat den portugiesischen Vorschlag angenommen, dass das Parlament bei dieser Konferenz drei Vertreter haben sollte.
Da ich das Engagement dieses Hohen Hauses im Hinblick auf die Gewährleistung, dass die Union künftig in der Lage sein wird, mit größter Effizienz und demokratischer Legitimität zu handeln, kenne, freue ich mich über diese stärkere Vertretung. Das Parlament wurde offensichtlich während des gesamten zur RK führenden Prozesses konsultiert. Ich weiß, dass der Beitrag der MdEP von der deutschen Präsidentschaft, die ihn bei der Ausarbeitung des Mandats voll berücksichtigte, sehr geschätzt wurde.
Herr Präsident, werte Abgeordnete, der Rat hat das Parlament aufgefordert, seine Stellungnahme zur Abhaltung einer RK vorzulegen, und seine Aussprachen heute in diesem Hohen Haus sind auf diese Stellungnahme gerichtet. Ich möchte Sie ermuntern, Ihre Stellungnahme so schnell wie möglich vorzulegen, damit die Arbeit der RK vor den Sommerferien beginnen kann. Wir sind vollkommen überzeugt davon, dass sie dies tun sollte. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage, dass dieses Ziel in unser aller Interesse liegt.
Sie haben zweifellos einige detaillierte Bemerkungen zu machen, und ich möchte, dass diese bei der RK berücksichtigt werden, hoffe aber, dass Sie gemeinsam das durch diese Präsidentschaft übernommene Mandat unterstützen können. Das ist die einzige Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Arbeit der RK ein Erfolg wird, und die einzige Möglichkeit, der Union aus ihrer gegenwärtigen Sackgasse herauszuhelfen.
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Noch vor nur wenigen Monaten waren nicht gerade viele Beobachter fest davon überzeugt, dass der Europäische Rat das Vertragsüberprüfungsverfahren mit Erfolg neu auflegen würde. Die Meinungen waren europaweit sehr schwankend und es herrschte eine große Bandbreite von Ansichten. Doch dank der bewundernswerten Entschlossenheit von Kanzlerin Merkel und des deutschen Ratsvorsitzes sowie durch wirklich kollektive Bemühungen der Mitgliedstaaten und unserer Einrichtungen erzielte der Europäische Rat im vergangenen Monat eine Einigung zu einem klaren und überzeugenden Mandat für eine neue Regierungskonferenz, und es ist sehr wichtig, dass wir diesen Erfolg heute würdigen.
Gestern hat die Kommission ihren Standpunkt zur Regierungskonferenz angenommen und heute debattieren Sie über den Standpunkt des Parlaments. Dieses Verfahren wird den portugiesischen Ratsvorsitz in die Lage versetzen, die Regierungskonferenz noch in diesem Monat in Gang zu bringen. Nicht nur beim Timing befinden sich unsere Organe im Gleichklang, sondern auch in der Sache, was noch wichtiger ist.
Die Kommission teilt die insgesamt positive Bewertung des Mandats für die Regierungskonferenz, die im Bericht Leinen enthalten ist. Das Mandat enthält viele positive Elemente, die sehr zu begrüßen sind. So wie jeder Kompromisstext stellt auch dieser eine sorgfältig herausgearbeitete Balance zwischen unterschiedlichen Interessen, zwischen Ehrgeiz und politischem Realismus dar, was heißt, dass einige der auf der Regierungskonferenz 2004 angenommen Änderungen nicht mehr enthalten sind. Das ist auch der Grund, weshalb einzelnen Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen zugebilligt wurden.
Ich möchte vier Gründe dafür nennen, weshalb die Kommission glaubt, dass uns dieses Mandat bei der Regierungskonferenz ermöglichen wird, die Europäische Union mit der soliden institutionellen und politischen Grundlage auszustatten, die wir benötigen, um die Erwartungen unserer Bürger zu erfüllen und den Herausforderungen unserer Gesellschaften zu begegnen.
Erstens wird das Mandat die Grundlagen für moderne und verantwortungsvollere Einrichtungen für die erweiterte Union schaffen. Besonders begrüßen wir die Bestimmungen, die die demokratische Legitimation der Europäischen Union auffrischen und verstärken, die Rolle des Europäischen Parlaments stärken und erweitern, die Beratungen des Rates transparenter machen, zu mehr Mitentscheidung und mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit führen sowie die Kompetenzen klarer verteilen.
Die einzelstaatlichen Parlamente werden mehr Möglichkeiten haben, in die Arbeit der Europäischen Union einbezogen zu werden, wobei die Rolle der europäischen Institutionen vollständig respektiert wird. Wir freuen uns auch sehr darüber, dass die Neuerungen zu demokratischer Mitentscheidung, einschließlich Bürgerinitiativen, die in der Verfassung enthalten waren, bewahrt wurden.
Zweitens wird die Union über eine Charta der Grundrechte zum Schutz der Bürger verfügen, deren Text nicht nur deklaratorischer Natur ist, sondern Rechtskraft besitzt. Die Bürger werden in die Lage versetzt, die in der Charta verankerten Rechte gerichtlich einzufordern. Die Charta wird für die europäischen Organe und für die Mitgliedstaaten bei Ratifizierung des EU-Rechts verbindlich, selbst wenn dies nicht für alle zutrifft.
Drittens wird die Union in die Lage versetzt, im globalen Rahmen mit einer Stimme zu sprechen und die europäischen Interessen besser zu schützen. Wenn wir uns der Globalisierung wirklich stellen und gemeinsamen Fragen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung, Klimawandel, Wettbewerbsfähigkeit und Menschenrechte in der Welt widmen wollen, dann sollte die Union ihr enormes Potenzial vollständig ausschöpfen und gemeinsam handeln.
Viertens beziehe ich mich auf die Politikbereiche, da das Mandat die Fähigkeit der Union zu schnelleren und konsequenteren Entscheidungen in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht entwickelt. Außerdem stärkt es die Rechtsgrundlage, um die Herausforderungen der Energiepolitik und des Klimawandels zu meistern.
Wie können wir diese Veränderungen bewerten? Unserer Ansicht nach ist die Gesamtbilanz positiv: die Herausnahme einiger Elemente, darunter mehrerer symbolischer Art, sowie Änderungen, die die Lesbarkeit des Textes beeinträchtigten, waren notwendige Teile eines Vereinbarungspakets, das von allen Mitgliedstaaten angenommen werden konnte. Ohne das Streben aller Beteiligten nach einem Kompromiss wäre die Sache erfolglos verlaufen.
Der europäische Zug ist wieder zurück auf der Schiene, doch sind wir noch nicht am Ende unserer Reise angekommen und die Bürger müssen an Bord bleiben. Das Mandat ist noch nicht das Endprodukt. Um diesen neuen Konsens zu einer erfolgreichen Regierungskonferenz zu führen, werden der portugiesische Ratsvorsitz, die Mitgliedstaaten und unsere Institutionen enorme Anstrengungen unternehmen müssen. Wir begrüßen besonders die Entscheidung des Europäischen Rates, die Rolle des Europäischen Parlaments bei der Regierungskonferenz zu stärken.
Allerdings werden unsere gemeinsamen Verhandlungsbemühungen für sich genommen nicht ausreichen. Wir alle – die Kommission, die Mitgliedstaaten und das Parlament –, sollten aus dem vorangegangenen Ratifizierungsprozess und aus der Phase des Zuhörens in Bezug auf Plan D einige Lehren ziehen. Ich freue mich, dass der Europäische Rat erkannt hat, wie wichtig es ist, mit den Bürgern zu kommunizieren, ihnen vollständige und umfassende Informationen über die EU zu geben und sie in einen dauerhaften Dialog einzubeziehen. Angesichts der Veränderungen, die zur schlechteren Lesbarkeit des Vertragstextes geführt haben, ist dies von noch größerer Tragweite.
In den kommenden Monaten wird die Kommission einige Ideen vorlegen, wie eine Diskussion rund um den reformierten Vertrag während der Phase seiner Ratifizierung organisiert werden könnte. Wir wollen mit Ihnen im Europäischen Parlament, allen Mitgliedstaaten und den anderen Einrichtungen eng zusammenarbeiten. Gemeinsam sollten wir diese Chance nutzen; gemeinsam sollten wir uns in diesem neuen Prozess ohne Verzug und mit all unserem Elan engagieren.
(Beifall)
Jo Leinen (PSE), Berichterstatter. – Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier eine Debatte fort, die schon seit 9.00 Uhr im Plenum läuft. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die Aussprache über die portugiesische Präsidentschaft mit der Aussprache über unsere Stellungnahme zur Regierungskonferenz zu verbinden, weil diese Regierungskonferenz das Herzstück der portugiesischen Präsidentschaft ist, und ihr Erfolg oder Misserfolg wird sich daran messen, ob wir einen Vertrag von Lissabon bekommen oder nicht.
Die Botschaft, die von unserer Stellungnahme ausgeht, lautet: Das Europäische Parlament gibt grünes Licht für die Einberufung der Regierungskonferenz. Die Frist für die Beratungen dieser Stellungnahme war äußerst knapp, viele Kollegen haben das auch kritisiert, aber wir haben große Anstrengungen unternommen und wir wollen keine Hürden aufbauen. Wir wollen niemandem Steine in den Weg legen, weil wir selbst ein Interesse an einer schnellen Einberufung und auch an einem schnellen Abschluss dieser Regierungskonferenz haben. Wir hoffen, dass es uns gelingt, bereits beim Gipfel im Oktober ein Ergebnis vorweisen zu können. Das ist möglich, weil dieses Mandat sehr präzise ist und die Texte wortwörtlich vorliegen. Insofern sollte es mehr eine Arbeit für Juristen als eine Arbeit für Politiker sein, wenn sich denn alle an die beim Gipfel in Brüssel getroffenen Abmachungen halten.
Und hier kommt der erste Appell an die portugiesische Präsidentschaft: Bleiben Sie hart, bleiben Sie konsequent, lassen Sie nicht zu, dass es erneut zu Disziplinlosigkeit zwischen den Mitgliedstaaten kommt, dass neue Punkte auf die Tagesordnung gesetzt werden, dass Nachforderungen gestellt werden, dass manche vorgeben, etwas nicht verstanden zu haben, was sie tags zuvor sehr wohl verstanden haben. Bleiben Sie hart, bleiben Sie genau auf der Linie des Mandats, dann werden Sie auch Erfolg haben!
Wir sehen, dass es einige Verluste gibt. Wir haben einen Preis zu zahlen, und dabei geht es nicht nur um Symbole. Der Reformvertrag ist konzeptionell etwas anderes als der ursprüngliche Verfassungsvertrag. Die Idee eines Europas der Bürger und der Staaten, und nicht nur eines Europas der Staaten, geht ein Stück weit verloren. Der Artikel 1 verschwindet, und es heißt nur: „Die hohen Vertragsparteien gründen den Reformvertrag“, und nicht mehr „Der Wille der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten“. Man mag das für gering erachten, aber das ist eine Schleifspur, die sich noch einmal als negativ erweisen kann. Wir weisen darauf hin.
Wir sehen auch mit großer Sorge die zunehmende Zahl von Ausstiegsklauseln. Man muss sich fragen, ob noch alle das gleiche Europa wollen. Gibt es noch den politischen Willen für mehr Integration oder haben wir es bereits mit zwei Gruppen von Ländern zu tun, die nur noch künstlich in derselben EU zusammengehalten werden? Diese Frage muss man sich stellen. Das Parlament kritisiert äußerst scharf die von Großbritannien durchgesetzte Ausstiegsklausel für die Grundrechtecharta!
Diese EU will eine Wertegemeinschaft sein. Wir treten in der ganzen Welt mit der Einforderung von Menschenrechten, von Grundrechten auf. Ich höre schon Herrn Putin oder den chinesischen Premierminister sagen: Ihr selbst seid Euch doch gar nicht einig über Eure Grundrechte! Das ist ein Schlag gegen die Glaubwürdigkeit der EU als Ganzes, und es ist auch eine Diskriminierung von Bürgern, die in Großbritannien wohnen, oder auch EU-Bürgern, die dort arbeiten und leben. Wir fordern in unserer Stellungnahme die Institutionen und die Regierungen auf, nochmals alles zu versuchen, um die Einheit des Grundrechteschutzes herzustellen, und das kann auch gelingen! Der Gerichtshof hat hier eine wichtige Rolle zu spielen.
Der Verfassungsvertrag wurde von einem Konvent ausgearbeitet, jetzt haben wir eine Regierungskonferenz, die nach anderen Methoden arbeitet. Trotzdem, Herr Ratspräsident, größtmögliche Transparenz! Veröffentlichen Sie die Dokumente, die zur Beratung vorgelegt werden, verfolgen Sie mit uns und der Kommission eine Strategie des Dialogs mit der Öffentlichkeit und den Bürgern!
Der so genannte vereinfachte Vertrag wird ja leider ein komplizierter Vertrag werden. Hier braucht man auch eine konsolidierte Fassung vor Ende der Regierungskonferenz, und nicht wie bei Amsterdam erst ein Jahr danach. Wir brauchen bei Abschluss der Konferenz einen lesbaren Text. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, diesem Text eine Erklärung beizufügen, in der die Hauptelemente und die wichtigsten Botschaften an die Bürger erklärt werden.
Wir begrüßen natürlich all die Fortschritte. Wir wollen ein wichtiges Etappenziel erreichen, und zwar vor den Europawahlen, damit wir uns im Wahlkampf 2009 auch anderen Themen widmen können. Es liegt also noch harte Arbeit vor uns, aber mit Wille und Engagement muss es gelingen, und das Parlament unterstützt die portugiesische Präsidentschaft.
(Beifall)
Íñigo Méndez de Vigo, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten ist erfreut, dass der Europäische Rat eine Einigung gefunden hat, und deshalb wird meine Fraktion in einigen Minuten für die Entschließung stimmen, so dass die Regierungskonferenz gemäß Artikel 48 zusammentreten kann.
Jetzt ist es jedoch wichtig, dass diese Vereinbarung, die Vereinbarung im Ergebnis der Regierungskonferenz, gut wird. Lassen Sie mich das ganz deutlich sagen. Was wir meinen ist, dass die Konferenz stattfinden soll, aber wir werden sie an ihren Ergebnissen messen.
Für meine Fraktion, die auf dieser Regierungskonferenz von Herrn Brok vertreten sein wird, wird es politisch wichtig sein, als Hüterin der Verfassung zu agieren. Wir wollen, dass sich der Inhalt und das Wesen der Vereinbarung des Europäischen Rates in der endgültigen Einigung über den Vertrag niederschlägt, der im Ergebnis der Regierungskonferenz entsteht.
Eine Frage, die von Herrn Sócrates angesprochen wurde, sind die Referenden. Ich will Ihnen etwas sagen, jetzt, wo niemand zuhört: Vertrauen Sie keinen Parteien, die in der Opposition sind und Referenden fordern. Vertrauen Sie auch nicht jenen, die Referenden verlangen, damit sie mit Nein stimmen können, denn sie wollen Europa ruinieren. Einige wollen die amtierende Regierung zerstören und andere wollen Europa zu Grunde richten.
Daher haben die Worte von Herrn Sócrates heute Vormittag meiner Meinung nach die Sache auf den Punkt gebracht haben. Kein Land darf alle anderen in Schwierigkeiten bringen, und zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir uns alle in dieselbe Richtung bewegen, um Europa aus dieser festgefahrenen Situation zu befreien.
Diese erste Vereinbarung des Europäischen Rates ist ein Anfang, und ich glaube, dass wir jetzt gemeinsam Hand anlegen müssen, damit wir zum Einen eine gute Vereinbarung erreichen und zum Anderen anfangen zu arbeiten, nachdem wir uns von dieser Bürde der Verfassungsblockade befreit haben.
Was mich nämlich wirklich beunruhigt hat, Herr Präsident, ist das Klima des Argwohns und Misstrauens in Europa, das ich auf dem letzten Europäischen Rat erlebt habe. Das muss uns allen Sorgen bereiten und dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen.
(Beifall)
Richard Corbett, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Sozialdemokratische Fraktion begrüßt die Einberufung der Regierungskonferenz, nimmt das Mandat an und unterstützt den Zeitplan.
Viele Redner haben darauf hingewiesen, dass dieses Mandat etwa 90 % des Wortlauts des Verfassungsvertrags beibehält, und das hat Anlass zu vielen Kommentaren gegeben. Ihnen wird jedoch auch bekannt sein, dass jüngste wissenschaftliche Forschungen ergeben haben, dass Menschen und Mäuse zu 90 % genetisch identisch sind. Trotzdem sind die 10 % Unterschied äußerst wichtig. Und so verhält es sich auch mit diesem Mandat: die 10 % Unterschied sind äußerst wichtig.
Die Bezeichnung des Vertrags als Verfassung ist verloren gegangen, es ist nicht gelungen, den Namen des Hohen Vertreters in Außenminister zu ändern und die Vorrangstellung des Gemeinschaftsrechts im Vertrag festzuschreiben, der Verlust der Symbole sowie die zahlreichen Beschränkungen und Ausnahmeregelungen für einzelne Mitgliedstaaten – all das bedeutet, dass für diese Mitgliedstaaten der Prozentsatz – ob nun 90 % oder was auch immer – noch niedriger ist. Dies alles führt zu einem ganz anderen Vertrag als dem Verfassungsvertrag.
Für dieses Hohe Haus und für eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten ist das äußerst bedauerlich. Nichtsdestotrotz werden diese Änderungen eine Ratifizierung des Vertrags in allen 27 Mitgliedstaaten vereinfachen, und das ist der entscheidende Punkt, den wir anerkennen müssen.
Andrew Duff, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Meine Fraktion begrüßt die Aussicht auf eine schnelle und effiziente Regierungskonferenz, die die Ungewissheit im Anschluss an die Reflexionsphase beseitigt, Rechtssicherheit gewährleistet und einen starken Konsens vor dem Hintergrund des Reformvertrags bildet. Natürlich ist das Parlament besonders daran interessiert, auf der Regierungskonferenz das zu bewahren, was im Vertrag von 2004 von Vorteil war. Jedoch sollten wir auch sicherstellen, dass die wachsende Anzahl und die Menge von Ausnahmeregelungen und minimalistischen Fußnoten nicht die Integrität des Korpus des Europäischen Rechts oder die Rechtsprechung der Gerichte unterläuft. Wir werden dafür kämpfen, ein politisches Übergreifen des Protokolls des Vereinigten Königreichs auf die Charta zu verhindern; ein mehrschichtiger Rat ist eine Sache, aber das Parlament kann Staatsbürgerschaften erster und zweiter Klasse nicht zulassen.
Wir sollten den populären Zweifel ausräumen, dass die Regierungskonferenz nichts weiter als eine Großübung in Aufklärungsfeindlichkeit darstellt, mit der bestimmte Staaten von der Zusicherung von Referenden ausgenommen werden sollen, und ich war hocherfreut zu hören, dass Ministerpräsident Sócrates sich dafür einsetzt, dass Volksabstimmungen nicht gegen Parlamente eingesetzt werden dürfen. Wir sollten für größtmögliche Transparenz sorgen, und die verstärkte Rolle des Parlaments, seine übermächtige Stärke und pluralistischere Präsenz auf der Regierungskonferenz werden zu einer solchen Transparenz beitragen.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Anscheinend kennt dieses Hohe Haus – zumindest was den Vertrag anbelangt – kein Wort des Kompromisses oder will es nicht kennen. Ich empfinde die Kritik, die in dem Bericht an den Mandaten geübt wird, als sehr ungerecht. Mein Heimatland Polen hat hier große Flexibilität und Kompromissbereitschaft gezeigt, weshalb ich die kategorischen Aussagen des Berichts, die den offenkundigen Erfolg des Mandats nicht anerkennen wollen, mit Sorge lese.
Neue Bezeichnungen und die Europasymbole im Vertrag würden – entgegen den Aussagen des Berichts – nur zu Missverständnissen führen und den Eindruck erwecken, die Europäische Union trete in eine Phase der Pseudosouveränität ein. Die Flexibilität des Mandats in Bezug auf die Opt-out-Regelung ist Ausdruck von Umsicht und Realismus und nicht von Schwäche. Das gilt ebenso für die Grundrechtecharta.
Über eines dürften wir uns aber in jedem Falle einig sein: In den nächsten zehn Jahren werden wir vieles neu zu überdenken haben, das Abstimmungssystem eingeschlossen. Auch die Regierungskonferenz hat in dieser Hinsicht einige ausgewogene, detaillierte Entscheidungen zu treffen. Ansonsten geraten wir mit der Ratifizierung in eine Sackgasse.
Johannes Voggenhuber, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Seit dem Europäischen Rat in Brüssel verbreitet sich so etwas wie melancholische Zufriedenheit. Vielleicht ist es ja nur der nahende Urlaub. Tatsächlich: Wenn man das Mandat zu dieser Regierungskonferenz betrachtet, dann ist man versucht zu sagen, Europa ist mit einem blauen Auge davongekommen. Ich fürchte nur, der Schlag ist härter. Es ist nicht das Auge der Staaten, das verdunkelt ist. Argwöhnisch betrachtet und belauert man sich, argwöhnisch betrachtet man seine Souveränität. Es ist die Frage, ob Europa nur ein blaues Auge hat oder ob es auf einem Auge blind ist. Auf dem Auge der Bürger, die nicht mehr sehen können, was der eigentliche Charakter dieser Union ist.
Ja, es ist richtig: Das Mandat sichert die zentralen Errungenschaften der Verfassung. Aber das Mandat verschleiert den wahren Charakter Europas, es verbirgt Europa, es verdunkelt die Idee der europäischen Integration. Herr Barón Crespo, ich glaube nicht, dass es eine Übung in politischem Realismus ist, die wir hier vor uns haben. Wir haben es hier mit einem ganz offen aufflammenden Nationalismus, einer Kleinstaaterei und einer Eigenbrötelei der Regierungen zu tun.
Die Union der Bürgerinnen und Bürger – ist es wirklich nur eine Verpackungsfrage, dass sie verschwunden ist und wir wieder vor einer Union der Staaten stehen? War das die Forderung der Menschen, die in Frankreich und in den Niederlanden Nein gesagt haben? Wo sind deren Forderungen nach einem sozialen Europa und nach mehr Demokratie? Ist das nicht realistisch? Ist das nicht notwendig? Ist das nicht die Aufgabe Europas? In welcher Weise haben wir uns bemüht, diese Verfassung in klarer, verständlicher Sprache, in einem verständlichen Dokument niederzulegen? Die Regierungen haben sich seit Monaten nur ein Ziel gesetzt: einen dunklen, chiffrierten, unverständlichen, unleserlichen Vertrag zu schreiben, den die Bürger nicht lesen sollen!
Nein, es ist kein blaues Auge, das Opting-out aus der Grundrechtecharta, es ist der innerste Kern unseres Selbstverständnisses als Wertegemeinschaft. Es ist unerträglich, dass diese Union sich als eine Wertegemeinschaft bezeichnet und es gleichzeitig zulässt, dass ein Teil ihrer Bürgerschaft davon ausgeschlossen ist!
(Beifall)
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich kann verstehen, dass die Verantwortlichen der Union begeistert von der Idee der Wiederbelebung ihrer ehemalige Verfassung sind, auch wenn sie um einige ihrer positiven Elemente beschnitten wurde. In dieser Beziehung stimme ich mit dem überein, was Herr Voggenhuber vorhin ausführte. Schwerer zu verstehen ist für mich hingegen, dass dieselben Verantwortlichen, obwohl sie so überzeugt scheinen, damit den eindringlichsten Wünschen unserer Mitbürger nachzukommen, so viel Mühe aufwenden, um zu verhindern, dass die Bürger sich diesem nicht identifizierten verfassungsmäßigen Objekt zu stark nähern.
Denn wie sollte man die diesen eingeleiteten Prozess charakterisierende sehr spezielle Form von Demokratie anders deuten? Ein für Nichteingeweihte völlig unverständliches Verhandlungsmandat, eine verdächtige Verkürzung des Zeitplans und vor allem eine panische Angst vor eventuellen Referenden. Tief in ihrem Inneren scheinen unsere Verantwortlichen sich zweifellos zu sagen, dass die Änderung von Worten – Verfassung, Minister, Gesetz – und die Streichung der Hinweise auf Hymne und Flagge angesichts der Besorgnisse der Menschen bezüglich des gegenwärtigen europäischen Modells sicherlich nur wenig zählen würden, falls es durch Zufall wieder zu einer öffentlichen grundlegenden Debatte mit dem Niveau und der Intensität derjenigen käme, die einen Teil der Union vor zwei Jahren – aus gutem Grund – erschütterte.
In dem künftigen Vertrag werden die liberalen wirtschaftlichen Strukturen sei es betreffend die Zentralbank, den Wettbewerb, den Freihandel oder den Kapitalverkehr im Wesentlichen unverändert bleiben. Die Grundrechtecharta wird nicht nur, wie bereits ausgeführt, weiterhin ernsthafte Lücken aufweisen, sondern muss auch eine ihrem eigentlichen Wesen vollständig widersprechende Situation, eine in diesem Falle britische Ausnahmeregelung hinnehmen, oder, wenn Sie so wollen, das Recht auf Diskriminierung, das Recht auf Privilegien. Schließlich sind die neuen Bestimmungen zur Sicherheit und Verteidigung, die auf vielen Seiten zu zahlreichen Vorbehalten und Befürchtungen Anlass gegeben hatten, sämtlich wieder aufgegriffen worden. Angesichts dessen braucht nach den Gründen für die unübersehbaren Schwierigkeiten unserer jeweiligen Regierungen wohl nicht weiter gesucht zu werden.
In Spanien und Luxemburg wird man erklären, dass eine neue Volksbefragung überflüssig ist, da das Wesentliche des bereits ratifizierten Vertrags voll und ganz erhalten geblieben ist. In Frankreich und in Schweden hingegen wird die Regierung argumentieren, dass ein Referendum nicht mehr angebracht ist, da sich der Charakter des Textes vollständig verändert hat. In Dänemark und Portugal, wo eine Volksabstimmung vorgesehen war, werden die an dem Vertrag von 2004 vorgenommenen kosmetischen Korrekturen wohl einen feigen Verzicht auf diesen Wahrheitstest rechtfertigen. Einzig und allein in Irland ist ein Referendum heute ebenso unumgänglich wie gestern.
Aus diesen Gründen wird meine Fraktion unter voller Achtung der Meinungsunterschiede und der nationalen Besonderheiten mit der gleichen Entschlossenheit wie in der jüngsten Vergangenheit eine umfassende Aktion zur Information, zur Erläuterung der Hintergründe und zur geistigen Auseinandersetzung über den Inhalt des künftigen Vertrages durchführen, die EU-weit von der gleichen demokratischen Forderung begleitet sein wird: nämlich dass die Völker Europas effektiv konsultiert werden. In einigen Tagen wird die Regierungskonferenz ihre Arbeit beginnen, allerdings bin ich aufgrund der Erfahrungen überzeugt, dass die Würfel noch nicht gefallen sind: auf bald.
(Beifall von links)
Bernard Wojciechowski, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, der neue Vertrag ist ein Köder für die Umsetzung des früheren Verfassungsvertrags. Der Bericht verweist darauf, dass das Mandat die Substanz des Verfassungsvertrags sichert. Zwei Nationen sagten „Nein“. Er ist deshalb kaum etwas anderes als ein rührseliger Versuch zur Föderalisierung der Union um jeden Preis. Er unterstellt auch, das Parlament bekräftige seine Absicht zur Aufrechterhaltung eines offenen Dialogs.
Dieses Parlament ist so arrogant geworden, dass es lustig wäre, wenn es nicht so pathetisch daherkäme. Zu behaupten, wir halten mit irgendjemandem einen offenen Dialog aufrecht, ist schlichtweg ein Witz. Die Unterstützung für den Verfassungsvertrag hat nicht zugenommen. Wissenschaftler und Politiker betrachten ihn als völligen Reinfall. Jeder neue Vertrag sollte die folgenden Aspekte berücksichtigen.
Erstens muss das Endprodukt in allen Mitgliedstaaten nach den Verfassungsbestimmungen ratifiziert und Referenden müssen wiederholt werden. Der Versuch, die Probleme der Integration über die Köpfe der Zivilgesellschaft hinweg zu lösen, ist inakzeptabel.
Zweitens stellte der Verfassungsvertrag einen Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten und den politischen Systemen dar. Der überarbeitete Vertrag wird nicht über die Vereinbarungen jenes Vertrags hinausreichen. Er wird zu einem Zwergenverfassungsvertrag.
Drittens führt der Versuch, einen neuen Vertrag zu schaffen, zu einer beträchtlichen Verzögerung in der gegenwärtigen Phase der politischen Reform der EU. Eine Reform ist möglich, wird jedoch aus irgendeinem Grund nicht weitergeführt. Die Veränderungen in der ersten Säule sind in den Bereichen machbar, die laut EGV vorgesehen sind. Die umgesetzten Reformen innerhalb dieses Prozesses können den zwischenstaatlichen Bereich mit einschließen, vor allem die zweite und dritte Säule.
Es besteht die Möglichkeit, viele Fragen auf der Grundlage internationaler Übereinkommen zu regeln, die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossen wurden. Was die dritte Säule betrifft, so lässt sich ebenfalls eine Stärkung der Strukturen der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit erzielen. Möglich ist die Sicherstellung der demokratischen Legitimierung der EU durch die Durchführung von öffentlichen Ratssitzungen, die Stärkung der einzelstaatlichen Parlamente, die Beratungsrolle und die Übertragung der Befugnis an das Parlament, den Präsidenten der Kommission zu ernennen.
Die Hatz nach einem neuen Vertrag macht überhaupt keinen Sinn. Ein neues Dokument lässt sich nicht durch irgendeine Hintertür umsetzen. Das widerspricht dem Willen der Menschen. Forderungen nach einer Rechtspersönlichkeit, der Einheitswährung oder einem Rotationssystem in der Kommission sind extrem, obwohl in den vergangenen zwei Jahren keine europäische Nation einen solchen Wunsch geäußert hat.
Der Präsident. Herr Kollege, wenn man anderen Vorwürfe macht, sollte man selbst die Redezeit einhalten.
Philip Claeys, im Namen der ITS-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Ich kann nur zu dem Schluss kommen, dass in einem offiziellen Bericht nunmehr auch dieses Parlament klar und deutlich zugibt, was jedermann nach dem europäischen Gipfel von Brüssel feststellen konnte, dass nämlich die europäische Verfassung, die von den niederländischen und französischen Wählern abgelehnt worden ist und die dadurch rein rechtlich nie mehr in Kraft treten konnte, mit juristischen und politischen Kunstgriffen fast in Gänze erhalten bleibt und eingeführt wird.
Die Taktik des heimlichen Durchpeitschens von Teilen dieser Verfassung, die schon nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden auf verschiedenste Weise verfolgt wurde, – man denke nur an die Charta der Grundrechte, die rechtsverbindlich wurde, obgleich der Text unverbindlich ist –, diese Taktik hält nun auch in die offizielle europäische Politik Einzug. Dieses Parlament wäre nicht dieses Parlament, wenn es nicht nach alter Tradition zwischen den so genannten „guten“ Mitgliedstaaten, die blindlings dem föderalen Kredo huldigen und den föderalen Weg beschreiten, und den so genannten „schlechten“ Mitgliedstaaten unterscheiden würde.
Gleichwohl stellt den Gipfel des Zynismus selbstverständlich der Appell dieses Parlaments dar – und ich zitiere wörtlich – „die europäischen Bürger erneut an der Fortsetzung des Verfassungsprozesses zu beteiligen“. In Wirklichkeit hat dieses Parlament in nicht eben wenigen Berichten, allen voran der berüchtigte Bericht Duff-Voggenhuber, das Ergebnis der französischen und niederländischen Referenden vom Tisch gefegt. Diesem Parlament ist der Wille der Bürger, die es vorgeblich vertritt, völlig egal. Dieses Parlament wird langsam aber sicher zum genauen Gegenteil von all dem, was mit wahrer Demokratie zu tun hat.
(Beifall von rechts)
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Wir geben vor, auf der Seite des Volkes zu stehen, erstellen jedoch einen Bericht, der die Befürwortung einer Ratifizierung der umgestalteten Verfassung durch das Volk in auffälliger Weise zu vermeiden sucht. In der Tat wird hier bei der Verabschiedung dieses Berichts mit einer Eile vorgegangen, bei der erforderliche Verfahren in diesem Hohen Hause in einem Maße umgangen werden, das selbst einen Despoten erröten lassen würde!
Wir fordern von den Mitgliedstaaten, dass sie sich an das Mandat der Regierungskonferenz halten, erklären jedoch einseitig, bei der Benutzung von EU-Flagge und Hymne darüber hinaus gehen zu wollen. Wir erklären sofort unsere Entschlossenheit, noch mehr zu fordern, wenn wir diese Verfassungsänderungen durchbekommen haben. Das ist die Falltür dieser Vereinbarung, da sie Eigenergänzungen zulässt, was vor allem bedeutet, dass wir nie wieder das Volk befragen müssten, wenn wir Änderungen an seinem Verfassungsstatus vornehmen wollen.
(Beifall von rechts)
Maria da Assunção Esteves (PPE-DE). – (PT) Europa hat beim letzten Gipfel im Juni einen Schritt nach vorn gemacht. Während der Krise habe ich den Mut nicht verloren und niemanden von diesem gemeinsamen Streben nach einer kosmopolitischen, auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden Gesellschaft ausgeschlossen. Es stimmt, dass ein Konsens in einem erweiterten Europa nicht so einfach zu erreichen ist, aber Europa ist ein moralisches Projekt, eines der Vernunft, ein siegreiches Projekt. Es gibt keinen anderen Weg als Einigkeit und kein anderes Ziel als globale Gerechtigkeit.
Europa wird auf Schichten struktureller Anpassung errichtet: dem Vertrag von Rom und der Erschütterung des Mythos der Grenzen, dem Vertrag von Maastricht und der Unionsbürgerschaft, dem Vertrag von Nizza und der Erweiterung und jetzt dem Reformvertrag und der politischen Integration in eine Demokratie großen Ausmaßes. Der Reformvertrag ebnet einem konstitutionellen Europa noch nicht den Weg – er belässt uns im Großen und Ganzen noch in einem Europa der Regierungen –, aber er setzt der irrigen Argumentation, die lediglich auf Opposition basiert, und dem Irrtum ein Ende, ein Europa der Ergebnisse als im Widerspruch zu einer institutionellen Reform Europas stehend zu sehen.
Die Regierungskonferenz verlangt guten Willen seitens der Regierungen, die Beteiligung von Parlamenten und eine Politik echter Kommunikation. Machen wir uns nichts vor: Ein Referendum trägt weder zur Kommunikation bei noch legitimiert es den neuen Vertrag der Union. In vielen Fällen sind Referenden mit einer populistischen Tendenz verbunden, die nichts mit den sinnvollen Fundamenten von Demokratien zu tun hat. Europas Legitimität kann nur auf einem politischen Prozess ständiger Kommunikation aufgebaut werden, einem, der Politik über Bürokratie stellt, die Prüfung nationaler Parlamente schätzt, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft fördert, Führungsstärke bekräftigt, die Arbeit der Organe bekannt macht und seine alltägliche Politik auf eine Kultur von Rechten und Humanität stützt. Dies ist das legitime Europa.
Harlem Désir (PSE). – (FR) Herr Präsident! Europa besteht nicht nur aus seinen Verträgen; seine Schwierigkeiten sind nicht nur – und auch nicht hauptsächlich – institutioneller Natur. Daher muss die Wiederbelebung Europas über die Politik, über die europäischen Projekte, über den Unionshaushalt erfolgen. Allerdings ist es eine Tatsache, dass die Blockade der institutionellen Reform, die gescheiterte Ratifizierung der Verfassung in mehreren Ländern und die ausgesetzten Ratifizierungsverfahren in anderen Europa in eine Sackgasse geführt, in eine Krise gestürzt und seine Einheit einer harten Prüfung unterzogen haben.
Der erreichte Kompromiss zur Einberufung der Regierungskonferenz und das Mandat bezüglich des künftigen Änderungsvertrags wecken keine große Begeisterung. Alles ist kompliziert in dieser Vereinbarung, die eine Vielzahl von Fußnoten umfasst, so dass der künftige Vertrag keineswegs einfacher wird und schwer verständlich für die Bürger sein wird.
Das im Hinblick auf die Grundrechtecharta gewährte Opt-out ist wirklich ein Armutszeugnis für diejenigen, die es gefordert haben. Wenigstens wird die Charta für die 26 anderen Unionsländer gelten, was diesen zur Ehre gereicht. Doch diese Vereinbarung hat zumindest den Vorteil, dass sie zustande gekommen ist, und zwar zu einem Zeitpunkt, da es für Europa wichtig war, seine Einigkeit zu bekräftigen.
Meiner Meinung nach sollten wir der Regierungskonferenz nicht von vorn herein alle Chancen absprechen, und vor allem – hiermit möchte ich insbesondere auf die Ausführungen meines Kollegen Wurtz reagieren – hat das Mandat für die Einberufung der Regierungskonferenz zumindest einen positiven Aspekt, nämlich als Grundlage für deren Arbeit die institutionellen Neuerungen festzulegen, die in der Mehrzahl im ersten Teil des Entwurfs der europäischen Verfassung enthalten waren. Dies ist ein wesentlicher Punkt, denn der erste Teil der Verfassung wurde in den Ländern, in denen Referenden stattfanden, selbst von dem „Nein“-Lager, von denen, die sich jedenfalls als Anhänger der europäischen Integration ausgeben, kaum in Frage gestellt.
Der künftige Vertrag müsste daher die Elemente umfassen, über die unter allen aufrichtigen Europäern ein Konsens besteht, unabhängig ob sie für oder gegen die Verfassung gestimmt haben: Stärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente, stabile Ratspräsidentschaft, Abstimmung mit doppelter Mehrheit, weniger Sperrminoritäten, weniger einstimmige Entscheidungen insbesondere bei der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit, Verstärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, verstärkte und strukturierte Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungspolitik, die einfacher zu realisieren ist, sowie neue Zuständigkeiten in den Bereichen Energie und Klimawandel.
Des Weiteren gibt es noch zwei Punkte, die im dritten Teil enthalten waren, doch die, wie ich denke, alle fortschrittlichen Europäer beibehalten möchten: die horizontale Sozialklausel und einen Artikel, der den Schutz der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und damit die Annahme einer Richtlinie zugunsten der öffentlichen Dienstleistungen ermöglicht. Ich hoffe, wenn die Regierungskonferenz all diese Punkte übernimmt, dass dann alle Befürworter Europas, ob sie mit „Ja“ oder „Nein“ über den Verfassungsentwurf abgestimmt haben, den künftigen Vertragsentwurf unterstützen werden.
(Beifall)
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Ich möchte eine sehr wichtige Sache ansprechen. Ich möchte die Abgeordneten bitten, Änderungsantrag 1 zuzustimmen, in dem die Erweiterung des Mandats der Regierungskonferenz um die Frage der Verlegung des Sitzes des Europäischen Parlaments von Straßburg nach Brüssel gefordert wird. Meine Fraktion steht hinter diesem Beschluss.
Dies ist eine kleine, aber ausgesprochen wichtige Angelegenheit. Ein einziger Sitz würde die Legitimität der Union stärken. Vor einem Jahr haben mehr als eine Million Menschen eine Petition zugunsten eines einzigen Sitzes unterzeichnet, und die Regierungskonferenz ist der geeignete Ort, um dies zu diskutieren und zu entscheiden. Das Parlament entscheidet heute darüber, ob es sich mit der Frage des einen Sitzes befassen oder ob es fortfahren will wie bisher. Wenn wir dafür sind, nur einen Sitz zu haben, dann stimmen wir für Änderungsantrag 1.
Inese Vaidere (UEN). – (LV) Meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament als einzige von den Bürgern gewählte Institution der Europäischen Union hat die Pflicht, seine Entscheidungen verständlich zu machen. Ich möchte darauf hinweisen, dass nicht gründlich genug untersucht worden ist, warum der Verfassungsvertrag in zwei Mitgliedstaaten abgelehnt wurde und in anderen unpopulär war. Meiner Ansicht nach war diese Skepsis zum großen Teil dadurch bedingt, dass die Bürger eine Konzentration der Entscheidungsfindung, behördliche Arroganz, Bürgerferne und übermäßige Bürokratie miterleben. Das ist für sie Grund genug, eine weitere Integration abzulehnen. Unsere Aufgabe ist es, die Bürger in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, anstatt die Entscheidungen an ihrer Stelle zu treffen. Wir müssen mit den Menschen in einer verständlichen Sprache sprechen und nicht im Beamtenjargon. Das muss bei der Regierungskonferenz beachtet werden. Gleichzeitig kommt es auf die Weiterentwicklung des Solidaritätsprinzips bei der Entscheidungsfindung an, beispielsweise im höchst wichtigen Energiebereich. Wir müssen gegenüber den Nicht-EU-Ländern einheitlich auftreten. Hervorheben möchte ich, dass die Europäische Union ungeachtet ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten ein erfolgreiches Vorhaben ist.
Gérard Onesta (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Ich appelliere zuerst an die Kommission und insbesondere an den Rat, in dieser Angelegenheit ein Mindestmaß an Anständigkeit und Bescheidenheit an den Tag zu legen, denn der großartige Erfolg, den man uns hier zu verkaufen versucht, verdeckt nur notdürftig einen Rückschritt.
Ich will mich nicht aufhalten mit dem unwürdigen Verhalten einiger Staats- bzw. Regierungschefs, die ihr öffentlich und feierlich gegebenes Wort verleugnet haben, ob zur Charta wie Herr Blair oder bei den Abstimmungen im Rat wie die Brüder Kaczynski. Wir gehen von einer Verfassung, die wir verlieren – die Worte haben eine Bedeutung –, einer Verfassung, die ein Zeichen des Vertrauens in unsere gemeinsamen Werte und Perspektiven ist, zu einem so genannten vereinfachten Vertrag über. Vereinfacht – welch schlechter Witz! Die Fußnoten sind länger als der Vertrag selbst. Wir haben es also mit einem Zeichen des gegenseitigen allgemeinen Misstrauens zu tun, und es gibt zahlreiche Blockaden: Opt-out bei der Charta, wodurch Bürger zweiter Klasse entstehen; Blockaden bei den Abstimmungen im Rat bis 2017 und darüber hinaus mit dem Kompromiss von Ioannina; sowie eine zwar integrierte, doch sogleich wieder behinderte Auslandsvertretung.
Natürlich muss diese Regierungskonferenz ein Mandat bekommen. Alles nur nicht der Vertrag von Nizza, denn dieser bedeutet das Ende. Doch all denen, die sich für Europa schämen, sage ich: Nichts Solides kann auf Misstrauen aufgebaut werden, insbesondere wenn dies sich gegen die Bürger richtet, denn man nimmt sich nicht einmal die Zeit für Absprachen, nicht die Zeit für die Mitentscheidung des Parlaments – diese Debatte ist nur eine Scheindebatte –, nicht die Zeit, um die Zustimmung der Bürger einzuholen, oder die Zeit für Aufklärung. Allerdings ist schnelles Handeln geboten, um die Tatsache zu verschleiern, dass die Politiken nicht mehr auf dem Tisch liegen, sondern unter dem Teppich. Für all das wird leider eines Tages ein Preis zu zahlen sein.
Abschließend, Herr Präsident, möchte ich, weil regieren vorausschauen heißt, angesichts der Unfähigkeit der Kommission und des Rates, den nächsten Schritt zu planen, das Parlament aufrufen, sich einen Ruck zu geben und mit seiner Abstimmung seine feste Entschlossenheit zu bekräftigen, seine künftige Macht zu nutzen, um den Vertrag abzuändern, damit der europäische Motor endlich richtig in Gang kommt.
(Beifall von der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz)
Maciej Marian Giertych (NI). – (PL) Herr Präsident! Heute ist ein schwarzer Tag für die Europäische Union und auch für die Demokratie. Die politische Führung der Europäischen Union einschließlich dieses Hohen Hauses, der Europäischen Kommission und der Regierungen der Mitgliedstaaten versucht, ihre Wähler und ihr Volk zu betrügen. Man erwartet von uns, dass wir eine europäische Verfassung unterstützen, die von den Wählern schon einmal abgelehnt wurde.
Heute gilt, was Angela Merkel gesagt hat, nämlich andere Formulierungen zu verwenden, aber die rechtliche Substanz wie den Namen des Vertrages, die Bezeichnung der Rechtsakte der Europäischen Union oder des Amtes des EU-Außenministers beizubehalten. Genau das ist geschehen.
Wir sprechen über ein Dokument mit einem anderen Namen und anderen Formulierungen, das im Wesentlichen aber dasselbe ist. Angeblich besitzt es weniger Gewicht, damit es keiner Volksabstimmung unterworfen zu werden braucht. Das ist ein Versuch, die eigene Wählerschaft, das eigene Volk zu betrügen. Heute ist wirklich ein schwarzer Tag – ein Tag größter Schmach.
Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Giertych antworten, dass ich in diesem Hohen Haus schon eine Menge Müll gehört habe, aber das war wahrscheinlich der größte Müll, den ich mir je anhören musste.
Ich möchte in diesem Plenum ein wenig Positivismus verbreiten. Es hört sich so an, als ob wir auf einer Art Beerdigung des neuen Vertrags wären. Doch denke ich, dass wir dies gerade nicht tun, vielmehr sind wir dabei, in eine neue Phase einzutreten.
Ich möchte drei Punkte ansprechen. Erstens hat der portugiesische Ratsvorsitz mein volles Vertrauen. Ich erinnere mich an die Arbeit am Vertrag im Vorfeld von Nizza mit dem portugiesischen Ratsvorsitz, mit den Herren da Costa und Lourtie. Sie leisten stets eine hervorragende Arbeit. Trotzdem möchte ich ihnen einen Rat geben: Seien Sie etwas vorsichtig mit dem Sekretariat des Rates, da der Teufel im Detail steckt und sich Jean-Claude Piris in Detailfragen sehr gut auskennt.
Zweitens möchte ich sagen, dass Politik und Wirtschaft meiner Meinung nach Hand in Hand gehen. Wir haben heute schon sehr oft in diesem Plenum vernommen, dass wir nur eine Wirtschaftsunion wollen oder nur für eine politische Union eintreten. Ich zähle zu der Kategorie von Abgeordneten, die beides für notwendig halten: Wir brauchen einen freien und unverzerrten Wettbewerb und wir brauchen auch eine politische Union, und dieser Vertrag gibt uns wirklich beides. Die Ausnahmeregelungen beunruhigen mich nicht allzu sehr, da uns die Geschichte lehrt, dass, wann immer es Ausnahmen gab, zu guter Letzt die Weisheit siegte und die Menschen ihr folgten.
Abschließend sollten wir das Positive sehen. Wir müssen das Kapitel abschließen. Vor uns auf dem Tisch liegt ein Vertrag bzw. ein Vertragsentwurf. Sehen wir es positiv: Nutzen wir die Rechtspersönlichkeit, die wir haben, nutzen wir die qualifizierte Mehrheit, die wir haben, nutzen wir das Mitentscheidungsverfahren, das wir haben, nutzen wir die Charta, nutzen wir den Präsidenten, nutzen wir den Außenminister. Alles, was ich heute sage wollte, ist, dass dies ein neuer Anfang ist, wir haben einen fantastischen Vertrag, lassen Sie uns damit leben und weitermachen.
(Beifall von rechts)
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Wir sprechen heute über einen guten und ausgewogenen Bericht, für den ich mit Freuden stimmen werde. Er sendet den Regierungen der Mitgliedstaaten, den nationalen Parlamenten und den Bürgern der EU eine klare Botschaft: Die Europäische Union wird reformiert, und die Reform ist auf dem richtigen Weg.
Mit dem Bericht wird auch versucht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Europäische Union und ihre Institutionen wiederherzustellen. Und gerade in diesem Zusammenhang – mit Blick auf dieses Vertrauen – geben die Stimmen einiger Mitgliedstaaten, die Vorbehalte gegenüber dem verbindlichen Charakter der Grundrechtecharta haben, Anlass zu großer Sorge. Ich frage mich, wie diese Regierungen ihren Bürgern klarmachen wollen, dass sie die grundlegenden Errungenschaften der europäischen Demokratie nicht nutzen dürfen und ihnen nicht die Rechte zugestanden werden, die ihre Nachbarn in der EU haben.
Wird der Widerstand gegen die Grundrechtecharta zu einer neuen Spaltung Europas in Bürger erster Klasse und Bürger zweiter Klasse führen, wobei die Bürger erster Klasse in den Genuss aller in der Charta verankerten Rechte kommen, die den Bürgern zweiter Klasse vorenthalten werden? Sollten wir eine solche Spaltung zu Beginn des 21. Jahrhunderts hinnehmen? Das lehne ich entschieden ab, zumal wir, wie der portugiesische Ratsvorsitz dies vorschlägt, ein stärkeres Europa in einer stärkeren Welt wollen.
(Beifall)
Bogdan Pęk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Mit diesem Vertrag werden keine Reformen in Gang gesetzt, sondern nur die Risse verdeckt. Ziel des Vertrages ist es, die darin enthaltene Wahrheit zu verschleiern.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit reden die Europäische Union und die klugen Köpfe in diesem Hohen Haus von Ehrlichkeit und von den Werten, auf denen die Europäische Union fußt. Gibt es in der heutigen Welt, in der Geschichte der Menschheit einen höheren Wert als die Wahrheit? Mit Sicherheit nicht.
Dieser Vertrag entstellt die Wahrheit, denn unter dem Deckmantel seiner überarbeiteten Fassung wird auf äußerst betrügerische Art und Weise versucht, den Verfassungsvertrag, der von der Öffentlichkeit abgelehnt wurde, durchzusetzen. Dieser Weg führt nirgendwo hin.
Herr Präsident, Sie haben heute hier in diesem Hause einmal mehr gezeigt, dass Sie in der Lage sind, Rednern, die gegen den Vertrag sind, das Wort zu entziehen, während diejenigen, die Ihnen zustimmen, fast eine Minute mehr Redezeit erhalten. Hierin zeigt sich Ihr ganz eigenes Verständnis von Gerechtigkeit.
(Beifall)
Der Präsident. Herr Kollege, Sie hatten eine Minute Redezeit. Sie haben eine Minute und 23 Sekunden gesprochen. Sie haben länger gesprochen, und der Präsident war sehr tolerant mit Ihnen. Vielleicht haben Sie die Fairness, das auch einzusehen.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Wir haben bereits heute Morgen – wie ein Redner hervorgehoben hat, ab 9 Uhr – längere Zeit über dieses Problem des Vertrags debattiert, und ich bin daher der Meinung, dass die meisten wichtigen Bemerkungen und Stellungnahmen bereits abgegeben wurden, von denen viele sicherlich interessant waren und aus denen die portugiesische Präsidentschaft natürlich ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen wird.
Ich war Mitglied des Europäischen Konvents, zusammen mit mehreren der in diesem Hohen Haus vertretenen MdEP, und habe auch an der Regierungskonferenz 2004 teilgenommen. Ich behaupte nicht, dass ich von 2004 bis heute keinen Grund gehabt hätte, besorgt zu sein und sogar den Glauben zu verlieren, aber ich wusste stets, dass Europas treibende Kraft der Kompromiss und die Bereitschaft, sich vorwärtszubewegen, sind. Heute kann ich Ihnen klar sagen, dass diese Bereitschaft, sich vorwärtszubewegen, diese Bereitschaft, Kompromisse zu schließen, eine Einigung zu erreichen, meiner Ansicht nach wieder da ist.
Wir konnten uns im Europäischen Rat keinen Fehlschlag erlauben und haben nicht versagt, daher lassen Sie uns Europa, seinen Bürgern und der Welt ein eindeutiges Zeichen geben, dass dies ein Projekt für die Zukunft ist, ein Projekt, das den Europäern dient, ein Projekt, das der Welt dient. Natürlich mögen wir mit dem durch den Europäischen Rat angenommenen Mandat nicht alle zufrieden sein, aber lassen Sie keinen Zweifel daran, dass dieses Mandat uns einen Vertrag mit effizienteren Institutionen, demokratischerer Entscheidung und geeigneteren Reaktionen sowohl auf die internen Probleme der Union als auch die externen Probleme, die die Union angehen muss, geben wird.
Dies ist und wird das Mandat sein, das wir brauchen. Wir werden sicherlich den Vertrag erhalten, den die Bürger Europas sich lange gewünscht haben. Wie der Ministerpräsident Portugals hier sagte: „Wir haben das Mandat, wir haben nicht den Vertrag“, und das Mandat, das wir erhalten haben, soll nicht dieses Dokument ändern, sondern einen neuen Vertrag schaffen. Das ist unser Ziel, und wir werden das mit all unserer Kraft und all unserer Überzeugung tun.
Wir wollen diese Aufgabe im Oktober erledigt haben, und ich hoffe, im Oktober in der Lage zu sein, hier gute Nachrichten über einen neuen Vertrag für unsere Union verkünden zu können. Wir dürfen daher keinerlei Mangel an Disziplin zulassen, wie ein Mitglied dieses Hohen Hauses andeutete. Ich möchte Ihnen auch versichern, dass alle portugiesischen Präsidentschaften durch Transparenz, Kommunikation mit Bürgern und Kommunikation mit den Institutionen gekennzeichnet sind. Wir werden natürlich genau so fortfahren, und ich kann Ihnen versichern, dass dies eine der Verpflichtungen der portugiesischen Präsidentschaft ist.
Wie ich bereits sagte, hoffe ich, im Oktober einige gute Nachrichten für Sie zu haben.
(Beifall)
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Es muss einen Standpunkt geben zwischen Pangloss und seinem Überoptimismus und Eyeore, dem Esel, der alles für hoffnungslos hält. Es kommt in der Politik sehr selten vor, dass man ein zweites Leben erhält, und ich beziehe mich hier nicht auf Internet-Rollenspiele. Denken Sie daran, dass vor einem knappen Jahr der Verfassungsvertrag oder die Idee eines neuen Vertrags für tot, künstlich am Leben erhalten oder im Koma liegend erklärt wurde. Und nun erörtern wir ein Ratifizierungsverfahren, das schon bald eingeleitet werden soll.
Ich denke, dass uns wechselseitige Beschuldigungen kein Stück weiterbringen werden, und habe als Abschlussbemerkungen zu dieser Aussprache zwei Dinge vorzubringen. Erstens, bei der Charta der Grundrechte gefallen der Kommission die Ausnahmeregelungen nicht. Uns wäre es lieber gewesen, keine Ausnahmen vorzusehen. Doch vor welcher echten politischen Wahl haben wir gestanden? Sie bestand darin, entweder eine abgeschwächte Charta ohne Rechtskraft zu haben oder eine für die EU-Organe rechtsverbindliche Charta mit Wahlmöglichkeit oder die Beibehaltung des vollen Wortlauts der Charta. Unter diesen Umständen würde ich eine Charta bevorzugen, die rechtsverbindlich ist, und eine Wahlmöglichkeit dagegen ist auch eine Wahlmöglichkeit dafür, sodass nichts festgeschrieben ist.
Zweitens möchte ich sagen, dass ich davon ausgehe, dass die Abgeordneten des Parlaments eine Ratifizierung im Parlament in demokratischer Hinsicht für nicht weniger legitim halten als Volksabstimmungen.
(Beifall)
Einige Euroskeptiker hoffen natürlich darauf, dass sich die Herausforderung, Bürger über eine solch komplizierte Materie wie einem Vertrag zu informieren und sie zu engagieren, in eine Waffe umwandeln lässt, die die weitere europäische Integration zunichte machen kann. Aber ich glaube nicht, dass wir das zulassen sollten.
(Beifall)
Außerdem sind wir alle, unabhängig davon, welche Ratifizierungsmethode die Mitgliedstaaten wählen, dazu verpflichtet, die Bürger in ganz Europa zu informieren, sie einzubeziehen, mit ihnen zu reden und zu diskutieren. Dieser Sache müssen wir uns gemeinsam annehmen und dabei umfassend und geordnet zusammenarbeiten. Auf diese Weise werden auch wir als Kommission unseren Beitrag leisten. In diesem Sinne werde ich schon bald mit einem solchen Plan für ein ordentliches, demokratisches, offenes und transparentes Ratifizierungsverfahren auf Sie zukommen.
Damit wünsche ich auch dem portugiesischen Ratsvorsitz alles Gute für die Eröffnung der Regierungskonferenz.
(Beifall)
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet gleich statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – (EN) Die letzten beiden Jahre waren in Bezug auf den Vertragsreformprozess nicht umsonst. Folgende fünf Schritte wurden benannt und deren Umsetzung in die Wege geleitet:
1. Gemäß Mandat vom Juni 2006 erstellte der deutsche Ratsvorsitz einen Bericht.
2. Der Europäische Rat stimmte der Einberufung einer Regierungskonferenz zu.
3. Der Staffelstab des Ratsvorsitzes wurde an die Portugiesen übergeben und es ist nun ihre vordringlichste Aufgabe, einen Vertragsentwurf zu erarbeiten.
4. Die Regierungskonferenz soll ihre Arbeit zum Ende dieses Jahres abgeschlossen haben.
5. Die Ratifizierung wird vor den Europa-Wahlen im Jahre 2009 erwartet.
Was jetzt in Wirklichkeit passiert, ist ein vorsichtigeres Herangehen: Der verfassungsbezogene Aspekt des Vertrags wurde umstrukturiert, um die Verfassungsgegnerschaft zu besänftigen. Andererseits haben grundlegende Neuerungen überlebt, die ursprünglich im Verfassungsvertrag enthalten waren, wobei die Tatsache, dass die EU eine Rechtspersönlichkeit darstellen wird, die wichtigste von allen ist.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE). – (FR) Auf der letzten Tagung des Europäischen Rates im Juni 2007 haben die Staats- und Regierungschefs eine gute Übereinkunft gefunden, um Fortschritte in Richtung auf ein politisches Europa zu machen. Bedauerlich finde ich, dass sich unsere Freunde vom Vereinigten Königreich wieder einmal dadurch abgehoben haben, dass sie die Anwendung der Grundrechtecharta sowie eine vollständige Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres ablehnten. Auch wenn sie praktisch beibehalten wurden, bedaure ich, dass die EU-Symbole (Fahne, Hymne, Leitspruch) aus dem offiziellen Text verschwunden sind. Obwohl ich eine föderale Europäische Union ablehne, da ich zutiefst von dem äußerst großen Nutzen der Nationen für das Wohlergehen der Völker überzeugt bin, so denke ich doch, dass die Bürger Bezugspunkte zur Identifizierung der politischen Union brauchen. Ich hoffe, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht werden kann. Des Weiteren wird uns der Wegfall des Hinweises auf das Konzept „eines Binnenmarkts mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb“ im Rahmen eines komplexer gewordenen weltweiten Wettbewerbs in die Lage versetzen, die Kraft unserer Europäischen Union besser zugunsten der Produzenten und nicht nur der Konsumenten zu nutzen. Ich begrüße das Auftreten des Präsidenten der Französischen Republik, Nicolas Sarkozy, der sein ganzes Talent für ein starkes und geeintes Europa einzusetzen vermocht hat.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Mit 200 Worten:
1. Das Mandat für die RK behält die treibende Kraft des Inhalts des 2005 abgelehnten Vertrags bei.
2. Was die Kräfte hinter der Herbeiführung der kapitalistischen Integration Europas zu tun versuchen, ist die Wiedereinführung des föderalistischen, neoliberalen, militaristischen qualitativen Schrittes, der in der abgelehnten „Europäischen Verfassung“ enthalten ist, durch die Hintertür.
3. Dies zeigt einen ernstzunehmenden Mangel an Achtung der Wünsche des französischen und holländischen Volkes, wie sie in deren Referendum zum Ausdruck kamen.
4. Wenn Portugal in Bezug auf die institutionellen Fragen lediglich das Mandat als Grundlage nimmt, während die Hauptmächte ihr Gewicht im Entscheidungsprozess in der EU verstärken, verliert es:
- bei der Gewichtung der Stimmen im Rat,
- das Recht zur Veto-Ausübung,
- an Souveränität,
- Mitglieder des Europäischen Parlaments,
- einen ständigen Kommissar.
5. Das Mandat bestätigt die Basis neoliberaler Politiken der EU, die die Wurzel der ernsten sozialen und wirtschaftlichen Probleme sind, vor denen Portugal steht.
6. Das Mandat institutionalisiert die Militarisierung der EU.
7. Dies bedeutet, dass der Inhalt des Mandats allein ausreichen würde, die Abhaltung verbindlicher Referenden zu dem pseudoneuen Vertragsentwurf zu rechtfertigen, und diese Forderung ist angesichts dessen, dass das Problem die unannehmbare Aufzwingung der wesentlichen treibenden Kraft eines Vertrages ist, der bereits abgelehnt wurde, umso legitimer.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), în scris. – Mandatul Consiliului European depăşeşte impasul constituţional în care Uniunea Europeană se află de mai bine de doi ani, dar în acelaşi timp sacrifică unele prevederi esenţiale.
Consiliul European a decis ca simbolurile europene să fie excluse din viitorul tratat; consider acest lucru ca fiind regretabil şi susţin modificarea Regulamentului de procedură al Parlamentului pentru a adopta în mod oficial steagul şi imnul Uniunii Europene. Cetăţenii europeni respectă aceste simboluri, pe care le consideră familiare şi apropiate, după cum indică cel mai recent Eurobarometru. În România, 76% dintre cetăţeni asociază simbolurile UE cu un sentiment de încredere; de aceea, sunt convinsă că steagul Uniunii Europene va fi şi în continuare arborat cu mândrie în ţara mea.
Mandatul defineşte, de asemenea, stabilirea unei noi componenţe a Parlamentului European. Ca singurul organ ales al Uniunii şi cel care este menit să reprezinte cel mai fidel cetăţenii, consider că Parlamentul European trebuie să respecte întru totul principiul proporţionalităţii în desemnarea numărului de europarlamentari din fiecare stat. Reprezentarea fiecărei ţări nu trebuie să fie stabilită prin negocieri politice, ci trebuie să reflecte mărimea populaţiilor statelor membre.
Nu în cele din urmă, consider esenţială includerea clauzei de solidaritate în domeniul energetic. Aceasta va asigura cadrul legislativ pe baza căruia Uniunea Europeană îşi va putea proteja mai bine interesele şi întări independenţa energetică.
6. Erklärung des Präsidenten
Der Präsident. (EN) Heute hat der libysche Oberste Gerichtshof das Todesurteil bestätigt, das über die fünf bulgarischen Krankenschwestern und den palästinensischen Arzt verhängt wurde, die seit Februar 1999 in Libyen in Haft sind. Sie werden beschuldigt, hunderte von libyschen Kindern absichtlich mit HIV infiziert zu haben. Ich bin zutiefst beunruhigt über diese Nachricht, die für alle erschütternd ist, besonders natürlich für die Krankenschwestern und den Arzt sowie für ihre Angehörigen und Freunde.
Ich habe im April einige der Familienangehörigen getroffen, und ich möchte sie unserer Solidarität und Unterstützung in dieser schweren Zeit versichern. Ich möchte ihnen auch eine Botschaft der Hoffnung senden. Das ist nicht das Ende des Verfahrens. Die Sache wird nun an den Hohen Justizrat Libyens übergeben. Wir sind überzeugt, dass die libyschen Behörden die notwendigen Maßnahmen treffen werden, um das Todesurteil zu revidieren und aufzuheben und so den Weg für eine schnelle Lösung dieser Situation frei zu machen.
Wir bekräftigen erneut unsere grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe, die eine Verletzung der Menschenwürde darstellt. Wir bekunden unsere Solidarität mit den HIV-/AIDS-Opfern im Krankenhaus von Benghazi. Wir appellieren an die libyschen Regierungsstellen, Nachsicht zu zeigen und die fünf bulgarischen Krankenschwestern und den palästinensischen Arzt freizulassen.
(Anhaltender Beifall)
7. Abstimmungsstunde
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)
Robert Atkins (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Es ist absurd, dass wir mit der Abstimmung über die 48-seitige Abstimmungsliste erst um 12.40 Uhr beginnen. Sie, Herr Präsident, haben alles für einen pünktlichen Beginn der Abstimmung über diese langen Abstimmungslisten getan. Wir hätten um 11.00 Uhr anfangen müssen und nicht erst um 12.40 Uhr. Ich fordere Sie auf, zur üblichen Ordnung zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass dies nicht wieder vorkommt.
(Beifall)
7.1. Tagungskalender 2008 (Abstimmung)
7.2. Einberufung der Regierungskonferenz (Abstimmung)
Jo Leinen (PSE), Berichterstatter. – Herr Präsident! Wir geben mit dieser Stellungnahme grünes Licht für die Einberufung der Regierungskonferenz. Die Zeit für die Erstellung des Berichts und für die Beratungen war äußerst knapp. Das konnte jedoch nicht anders sein, einige Kollegen kritisieren das auch. Es gibt zwei Minderheitenansichten, die der Stellungnahme beigefügt sind — eine von Marco Cappato und eine von Bernard Wojciechowski. Doch wie bereits gesagt: Wir standen unter Zeitdruck.
Aber außergewöhnliche Situationen verlangen auch ein besonderes Maß an Flexibilität, und ich möchte mich hier bei allen Mitgliedern meines Ausschusses für die Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit, für die Beratung des Antrages sowie für die Abstimmung am Montagabend bedanken. Wir haben die Geschäftsordnung eingehalten, wir können heute abstimmen.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Leinen dankbar, dass er das Bestehen von Minderheitenansichten hervorgehoben hat. Gemäß Artikel 2 unserer Geschäftsordnung sind wir weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden. Das gilt sowohl für die Sachverhalte als auch meines Erachtens für die Methoden. Ein System, kraft dessen wir im Zusammenhang mit einem Beschluss, der Folgen für die kommenden Jahre oder Jahrzehnte haben wird, eineinhalb Stunden Zeit für die Vorlage von Änderungsanträgen zu den ursprünglichen Fassungen und nicht einmal diese Zeit im Ausschuss hatten, ist eine Art Weisung, nicht zu diskutieren, die das Parlament in Bezug auf eine so wichtige Frage erhalten hat.
Das ist kein Formalismus: Da die Stellungnahme dieses Parlaments vorgeschrieben ist, hätten wir diese Pflicht nutzen können, um die Beschlüsse zur Einberufung dieser Regierungskonferenz positiv zu beeinflussen. Stattdessen haben wir von selbst darauf verzichtet und ebenso darauf verzichtet, ein Parlament zu sein und die Befugnisse auszuüben, die uns zur Verfügung stehen. Das ist der Grund für die Minderheitenansicht.
- Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 1
Alexander Alvaro (ALDE). – Herr Präsident! Nachdem im Vorfeld der Abstimmung einige Kollegen auf mich zugekommen sind, nutze ich nochmals die Gelegenheit zu betonen, dass der Antrag, der Regierungskonferenz das Mandat zu geben, auch die Sitzfrage des Europäischen Parlaments anzusprechen, von zahlreichen Mitgliedern dieses Hauses eingereicht worden ist. Insofern: Wenn Sie dieses Signal geben wollen, dann haben Sie heute die Gelegenheit dazu!
– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 9
Monica Frassoni (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Ich schlage einen mündlichen Änderungsantrag zu diesem Änderungsantrag vor, um dem Wort „Referendum“ das Wort „europäisches“ voranzustellen, sodass es dann „europäisches Referendum“ heißen würde.
(Der mündliche Änderungsantrag wird nicht berücksichtigt.)
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
7.3. Verschmelzung und Spaltung von Aktiengesellschaften (Abstimmung)
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission möchte vor der Abstimmung die folgende Erklärung abgeben:
„Die Kommission hofft, dass heute alle Institutionen einen akzeptablen Kompromiss finden werden, denn es kommt darauf an, das Finanzprogramm „Ziviljustiz“ so schnell wie möglich anzunehmen. Wir sind bereits in Verzug. Wenn wir heute keine akzeptable Lösung finden, dann ist klar, dass das Programm „Ziviljustiz“ nicht mehr rechtzeitig angenommen werden wird, um noch 2007 in Kraft treten zu können, und das hätte sehr negative Folgen.
Ohne dieses Finanzprogramm wird die Kommission nicht in der Lage sein, Vereine oder andere Akteure der Zivilgesellschaft bzw. Studien und Projekte zu unterstützen, die für die Entwicklung der Politik im Bereich der Ziviljustiz von grundlegender Bedeutung sind.
Die Kommission könnte den Kompromiss unterstützen, der im Änderungsantrag 2 enthalten ist, der dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates eine neue Erwägung hinzufügt, in der das Recht des Parlaments, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 3 des Beschlusses 1999/468/EG unterrichtet zu werden und insbesondere den Entwurf eines Jahresprogramms für das Finanzprogramm „Ziviljustiz“ zugeleitet zu bekommen, wenn er dem Verwaltungsausschuss übermittelt wird, festgeschrieben wird. Dem Parlament sollten außerdem die Abstimmungsergebnisse und die Kurzniederschriften der Sitzungen des Verwaltungsausschusses vorgelegt werden.
Die Kommission bekräftigt zudem, dass sie den Entwurf des Jahresprogramms direkt an den Vorsitzenden des zuständigen parlamentarischen Ausschusses – den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres – weiterleiten und das Parlament unverzüglich über eventuell daran vorgenommene Änderungen informieren wird.
Die Kommission bekräftigt ebenso nachdrücklich wie in den Briefen von Vizepräsident Frattini an den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, dass sie bereit ist, dem federführenden Parlamentsausschuss auf Wunsch beizuwohnen, um die Mitglieder des Ausschusses mit allen notwendigen Informationen zum Entwurf des Jahresprogramms zu versorgen“.
7.5. Wasserpolitik der Gemeinschaft (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (Abstimmung)
Brian Simpson (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich würde Sie bitten zu prüfen, ob der entsprechende Teil von Änderungsantrag 64 mit dem Änderungsantrag 62, der angenommen wurde, vereinbar ist.
Der Präsident. (EN) Ja, genau das werden wir tun.
7.11. Gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) (Abstimmung)
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte lediglich die Aufmerksamkeit der Übersetzungsdienste auf die Qualität der französischen Übersetzung lenken. Das französische Äquivalent für Aufsicht ist „supervision“ und nicht contrôle oder surveillance. Hedge Fonds sind „fonds alternatifs“ und Parlamentsausschuss ist mit „commission parlementaire“ zu übersetzen.
Der Präsident. Wir werden diese Korrekturen um der Reinheit der französischen Sprache willen gebührend berücksichtigen.
Ieke van den Burg (PSE), Berichterstatterin. – (EN) Für die Abstimmung über diese Ziffer schlage ich vor, die mündlichen Änderungsanträge zurückzuziehen und stattdessen die PPE-DE-Fraktion zu fragen, ob wir uns darauf einigen können, dass der von ihr eingebrachte Änderungsantrag 5 und der von der ALDE-Fraktion eingebrachte Änderungsantrag 17 miteinander vereinbar sind und wir deshalb über beide Anträge abstimmen können. Ist das der Fall, so werden wir auch für Ihren Änderungsantrag stimmen. Ist das nicht der Fall, so werden wir dagegen stimmen und ich kann dann meinen Änderungsantrag 23 zurückziehen.
– Vor der Abstimmung über Ziffer 34:
Ieke van den Burg (PSE), Berichterstatterin. – (EN) Ich würde in Ziffer 34 einfach das Wort „Gruppe“ ergänzen, sodass es die „Europäische Investitionsbank-Gruppe“ ist und nicht nur die Bank.
(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)
7.13. Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (Abstimmung)
Jacek Protasiewicz (PPE-DE), Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen nur darauf hinweisen, dass Änderungsantrag 11 und 12 keine neuen Texte sind, die hinzugefügt wurden, sondern dass sie lediglich von woanders an diese Stelle gesetzt wurden. Eine der Fraktionen hat eine namentliche Abstimmung gefordert, und ich möchte sie darauf aufmerksam machen, dass dieser Text – auch wenn sie dagegen stimmen – im Bericht verbleibt, nur eben an einer anderen, weniger passenden Stelle. Deshalb bitte ich Sie, für Änderungsantrag 12 zu stimmen.
– Vor der Abstimmung über Ziffer 3:
Jacek Protasiewicz (PPE-DE), Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte noch etwas klarstellen: Nur weil wir jetzt getrennt über Ziffer 3 und 4 abstimmen, heißt das nicht, dass die Änderungsanträge des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter herausgenommen werden. Dieser Text wird als Änderungsantrag 20 und 21 an anderer Stelle eingefügt. Sie verbleiben also im Text, allerdings an einer anderen Stelle.
– Vor der Abstimmung über Ziffer 4:
Luigi Cocilovo (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl wir soeben die Erklärung des Berichterstatters gehört haben, möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn wir Ziffer 4 annehmen, über die wir sogleich abstimmen werden, wir uns vergegenwärtigen müssen, dass der Text von Änderungsantrag 21 genau der gleiche ist wie der von Ziffer 4. Wenn wir also so verfahren, wird derselbe Text doppelt in dem Bericht erscheinen. Wenn wir den Text umstellen wollen, sollten wir die erste Ziffer ablehnen und dann den Änderungsantrag annehmen.
Der Präsident. Herr Protasiewicz, bitte klären Sie die Bedenken von Herrn Cocilovo.
Jacek Protasiewicz (PPE-DE), Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Herr Cocilovo hat Recht. Wenn wir gegen die Streichung von Ziffer 3 und 4 stimmen, heißt das, dass wir uns dann bei einer Abstimmung über Änderungsantrag 20 und 21 mit derselben Sache befassen. Deshalb ersuche ich das Hohe Haus, dass wir jetzt dagegen und dann für Änderungsantrag 20 und 21 stimmen, was bedeutet, dass der Text derselbe bleibt und nur an einer passenderen Stelle im Bericht eingefügt wird.
– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 37:
Astrid Lulling (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Könnten Sie der Französisch-Kabine übermitteln, dass es sich nicht um Erwägungen, sondern um Ziffern handelt.
Der Präsident. – Es sieht beinahe so aus, als würde man sich hier in diesem Hohen Haus verbünden, um für die Verteidigung der französischen Sprache einzutreten. Das ist sehr gut.
– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 21:
Jacek Protasiewicz (PPE-DE), Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Darf ich darauf hinweisen, dass wir jetzt im Ergebnis der Abstimmung über Ziffer 3, die nicht gestrichen wurde, und über Änderungsantrag 20, der angenommen wurde, im Bericht nun zwei Ziffern desselben Inhalts haben. Deshalb bitte ich Sie, gegen Änderungsantrag 20 zu stimmen, da wir diesen Text vorher an seinem alten Platz belassen hatten.
Nikolaos Sifunakis (PSE). – (EL) Wir erkennen Sie heute gar nicht wieder, Sie sind etwas langsam.
Der Präsident. Vielen Dank für diese moralischen Ansporn, Herr Sifunakis.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe eine kurze Anmerkung zu Änderungsantrag 10. Der ursprüngliche Änderungsantrag war offenbar falsch ins Deutsche übertragen worden, sodass in der Übersetzung genau das Gegenteil vom englischen Original stand, denn der englische Text ließ mehrere Auslegungen zu. Es geht jetzt also darum, diese Mehrdeutigkeit aufzuheben. Es tut mir leid, dass nicht genug Zeit war, um das mit allen Fraktionen zu klären, doch ich hoffe, dass sie den Änderungsantrag unterstützen werden, da ja damit nicht der Text an sich geändert werden soll. Es geht hier lediglich um eine Klarstellung und eindeutige Formulierung.
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich denke, menschlich gesehen ist es angebracht, diese Abstimmungsstunde zu schließen, selbst wenn es notwendig wird, sie morgen um 11.30 Uhr fortzusetzen.
(Beifall)
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich möchte das voll und ganz unterstützen. Wir müssen jetzt mit der Abstimmung aufhören. Es ist nicht seriös, wenn wir noch weiter abstimmen, noch dazu über solch lange Berichte. Im Notfall müssen wir morgen die Redezeiten etwas kürzen oder exakt einhalten, so dass wir um 11.30 Uhr mit der Abstimmung beginnen können.
Der Präsident. Gemäß Ihrem Antrag unterbrechen wir hier die Abstimmungsstunde.
8. Stimmerklärungen
– Tagungskalender des Europäischen Parlaments – 2008
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. (SV) Auch wenn wir gegen die Plenarsitzungen des Parlaments in Straßburg sind, haben wir gegen den Vorschlag gestimmt, die Sitzungen in Straßburg um den Donnerstag zu kürzen. Wir wollen, dass die Tätigkeit des Parlaments nach Brüssel verlegt wird, doch eine Veränderung, die auf die Streichung des Donnerstags beschränkt ist, würde die Arbeit des Parlaments lediglich weniger effizient machen. Die mit einer solchen Veränderung verbundenen Einsparungen sind geringfügig und die Umweltgewinne unwesentlich, da auch zukünftig die gleichen Transporte durchgeführt und dieselben Räumlichkeiten genutzt werden.
Wir wollen eine echte Veränderung mit einem einzigen Sitz und Arbeitsort des Parlaments in Brüssel, was wir auch im Bericht Leinen zur Regierungskonferenz vorgeschlagen haben.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für all die Änderungsanträge zum Tagungskalender gestimmt, die eine Reduzierung der Zeit zum Ziel hatten, die das Europäische Parlament in Straßburg verbringt. Die Stadt ist schön und ihre Menschen sind wunderbar. Doch wir müssen mit diesem Wanderzirkus Schluss machen, der die europäische Bevölkerung jährlich bis zu 400 Millionen GBP kostet und der zugleich verhindert, dass die Union effektiv arbeitet. Dieses Parlament braucht einen einzigen Arbeitsort, sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Wir müssen alles Notwendige tun, um dieses Ziel zu erreichen.
Timothy Kirkhope (PPE-DE), schriftlich. (EN) Meine britischen Kollegen von der PPE-DE-Fraktion und ich sind der Meinung, dass das Europäische Parlament einen ständigen Sitz haben muss – in Brüssel. Wir engagieren uns seit vielen Jahren für ein Ende der Existenz zweier Sitze und damit für ein Ende der 200 Millionen EUR pro Jahr, die sie den Steuerzahler kosten und der Millionen Pfund, die sie den britischen Steuerzahler kosten. Außerdem machen uns die Umweltauswirkungen der durch die Existenz zweier Tagungsorte entstehenden CO2-Emissionen ernsthaft Sorgen.
Wir haben einen Änderungsantrag zum Tagungskalender 2008 unterstützt, der keine Donnerstags-Sitzungen mehr in Straßburg vorsah. Das ist keine Alternative zu unserer grundsätzlichen Position, in Straßburg gar keine Tagungen mehr abzuhalten, sondern eine Anerkennung der Tatsache, dass die derzeit geltenden Verträge zwölf Sitzungen in Straßburg vorschreiben. Wir fordern den Europäischen Rat auf, dieses Thema in das Mandat für die Regierungskonferenz aufzunehmen, die das einzige Forum ist, das diese Angelegenheit lösen kann.
Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Es liegt auf der Hand, dass der Entscheidungsprozess in der Union klarer abgesteckt werden muss. Das muss doch nicht bedeuten, dass sich die Union in Richtung einer Föderation mit einer starken Zentralmacht entwickeln sollte. Ich habe dafür gestimmt, die Macht vorrangig bei den Mitgliedstaaten zu belassen und die Union nur mit den Befugnissen auszustatten, die die unabhängigen Mitgliedstaaten bereit und willens sind, ihr zu übertragen.
Was die Abstimmung darüber angeht, ob sich die Regierungskonferenz mit der Frage des Parlamentssitzes befassen sollte, so bin ich nicht der Meinung, dass dieses Thema auf die Tagesordnung der Regierungskonferenz gehört. Sollte sie sich dennoch mit dieser Angelegenheit befassen und sollten wir beschließen, dass wir nur einen Sitz haben wollen, was eine vernünftige Lösung wäre, dann denke ich, dass Straßburg der beste Ort wäre, weil Straßburg die wirkliche europäische Hauptstadt ist. Allerdings wäre es wohl nicht realistisch.
Jan Andersson, Göran Färm, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. (SV) Wir haben für den Bericht gestimmt, teilen jedoch nicht die Auffassung, dass die Streichung der Symbole wie Flagge und Hymne aus dem neuen Vertragsentwurf bedauerlich ist. Ebenso wenig glauben wir, dass der Entwurf den Eindruck von Misstrauen gegenüber der Union erweckt und den Bürgern falsche Signale sendet.
Es ist gut, dass der hauptsächliche Inhalt des ursprünglichen Verfassungsentwurfs beibehalten wird. Besonders wichtig ist, dass die Erweiterung erleichtert sowie Tarifverträge und das Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen nach nationaler Praxis gestärkt werden und sich die Transparenz in der Union verbessert.
Johannes Blokland (IND/DEM), schriftlich. (NL) Ich habe soeben gegen Herrn Leinens Entschließungsantrag über die Einberufung der Regierungskonferenz gestimmt, und zwar nicht deshalb, weil ich gegen die Einberufung der Regierungskonferenz bin, denn ich befürworte das Zustandekommen eines neuen Vertrags.
Der Grund für mein „Nein“ liegt darin begründet, dass der Entschließungsantrag nach wie vor an zu vielen Stellen auf bestimmte Elemente des Verfassungsvertrags wie die Verwendung des Terminus „Verfassung“ und der Symbole der Union abhebt. Erleichtert bin ich indes, dass ein neuer Vertrag frei von dieser verfassungsmäßigen Symbolik ist – eine Position, die übrigens auch von der niederländischen Regierung vertreten wird. Hierdurch wird die EU zum Teil ihres Souveränitätsanspruchs entledigt.
Ebenso wenig kann ich mich in den harschen Worten erkennen, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, die für sich ein Opt-out von der Charta in Anspruch genommen haben. Selbst ohne explizite Erwähnung in einem neuen Vertrag bleibt die Charta rechtsverbindlich. An sich geht es also vor allem um ein Stück Symbolik.
Ich habe gerade deshalb gegen diesen Entschließungsantrag gestimmt, weil darin der Verfassungsanspruch der Union hochgehalten wird. Das Europäische Parlament täte besser daran, sich am Rat ein Beispiel zu nehmen und das Zustandekommen eines neuen Vertrags mit einem gewissen Maß an gesundem Menschenverstand und Sachlichkeit zu betrachten.
Jens-Peter Bonde (IND/DEM), schriftlich. (DA) In dem Bericht geht es dem Berichterstatter rasch von der Hand, die Einberufung einer Regierungskonferenz zu billigen, die während der Sommerpause im Geheimen tagen soll, um öffentliche Aufmerksamkeit und Auseinandersetzungen mit den Wählern zu vermeiden.
Die Junibewegung schlägt stattdessen eine offene und demokratisch gewählte Versammlung zur Erarbeitung eines neuen Dokuments vor, das in allen EU-Mitgliedstaaten zur Abstimmung gestellt wird.
Am 23. Juni 2007 verabschiedete der Brüsseler Gipfel einen Text, in dem die gesetzlichen Verpflichtungen der Bürger und Mitgliedstaaten mit den in der abgelehnten Verfassung genannten identisch sind.
Der Begriff „Verfassung“ gerät aus dem Blickfeld, wird jedoch mit der ausdrücklichen Anerkennung der Interpretation des EU-Rechtssystems durch den Europäischen Gerichtshof als ein speziell konstitutionelles System juristisch wieder eingeführt.
Eine Flagge, eine Nationalhymne oder ein Nationalfeiertag werden nicht mehr erwähnt, sind aber nach wie vor unverändert vorhanden.
Der Außenminister erhält einen neuen Titel, jedoch ist dieser so übermäßig lang, dass die Presse ihn als Außenminister bezeichnen wird. An seinen Vollmachten ändert sich nichts. Die einzige wirkliche Veränderung ist die Verlängerung des Zeitraums bis zur Einführung der Beschlussfassung mit doppelter Mehrheit von sieben auf zehn Jahre, womit die größten Länder, insbesondere Deutschland und – vielleicht – die Türkei viel mehr Macht bekommen.
An den gesetzlichen Verpflichtungen hat sich nichts geändert, und Referenden sollten wenigstens in jenen Ländern stattfinden, die dies beschlossen hatten.
Am einfachsten wäre es, in allen EU-Ländern am selben Tag ein Referendum durchzuführen. So hätten wir das Urteil der Menschen, und ihnen haben wir als Parlamentarier zu dienen. Siebenundsiebzig Prozent der EU-Bürger wollen ein Referendum, nur 20 Prozent sind dagegen.
Die Junibewegung unterstützt daher die Unterschriftenkampagne.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. (PT) Ich habe für den Bericht Leinen über die Einberufung der Regierungskonferenz gestimmt, weil ich davon überzeugt bin, dass wir im Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft in der Lage sein werden, den toten Punkt zu überwinden und die noch verbleibenden Hindernisse bei der Umsetzung des europäischen Projekts zu beseitigen, so dass wir „ein stärkeres Europa für eine bessere Welt“ aufbauen können.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Mit der Annahme des Bericht und der darin enthaltenen Ziffer 8 hat das Parlament gerade das Mandat des Europäischen Rates für die Regierungskonferenz anerkannt und begrüßt, und damit die Tatsache, dass es „viel von der Substanz des Verfassungsvertrags bewahrt“.
Trotz einer massiven Kampagne, den wahren Umfang und die wahren Ziele des Mandats zu verschleiern, wird immer deutlicher, dass bei dieser „grundlegenden Veränderung“ alles beim Alten geblieben ist, das heißt, das Ziel besteht darin, die legitime Ablehnung des so genannten Verfassungsvertrages durch die Bevölkerung Frankreichs und der Niederlande zu umgehen und zu verhindern, dass die Bevölkerung der einzelnen Mitgliedstaaten ihre Ansichten zu einem „neuen“ Vertrag frei äußern kann.
Die Mehrheit im Parlament möchte sogar noch weiter gehen. Sie bedauert den Verlust bestimmter wichtiger Punkte, die während der Regierungskonferenz von 2004 vereinbart worden waren, und bringt ihre „feste Entschlossenheit zum Ausdruck, nach den Wahlen 2009 ... neue Vorschläge für eine weiter reichende Verfassungslösung für die Union vorzulegen“.
Wir möchten nochmals erklären, dass es an der Zeit ist, auf die Forderungen der Bevölkerung zu hören und uns zu einem faireren Europa, zum sozialen Forschritt und zu einer besseren Einkommensverteilung zu bekennen. Es ist an der Zeit, den Grundsatz souveräner, gleichberechtigter Staaten zu respektieren, die Zusammenarbeit und Solidarität auf internationaler Ebene zu stärken und ein eindeutiges Friedensbekenntnis abzulegen.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. (EN) Ich bin darüber enttäuscht, dass das Hohe Haus den Änderungsantrag 1 von Herrn Alvaro und anderen abgelehnt hat, dessen Ziel es war, das Mandat der künftigen, mit der Revision der geltenden Verträge betrauten Regierungskonferenz um das Thema eines einzigen Sitzes des Europäischen Parlaments in Brüssel zu erweitern. Ich kann es gar nicht fassen, dass 380 meiner Kolleginnen und Kollegen für eine Fortsetzung dieser andauernden Farce sind, die wir alle erdulden müssen.
Der Bericht enthält weitere Punkte, die es mir schwermachen würden, für ihn zu stimmen. Doch allein schon das Unvermögen, mit dem Thema des einzigen Sitzes umzugehen, macht es mir unmöglich, auch nur daran zu denken, für den Bericht zu stimmen.
Robert Goebbels (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe mich bei der Abstimmung über die Entschließung zur bevorstehenden Regierungskonferenz der Stimme enthalten, weil der letzte europäische Gipfel meiner Meinung nach sein Ziel der Wiederbelebung Europas verfehlt hat. Wir werden bestenfalls einen minimalistischen Vertrag bekommen, der sicherlich einige Fortschritte ermöglichen, doch dem Vereinigten Königreich neue Opt-out-Möglichkeiten eröffnen wird. Dies betrifft insbesondere die Grundrechtecharta. Wie soll der Europäische Gerichtshof diese Charta anwenden, wenn sie im Vereinigten Königreich nicht gilt?
Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, da er meiner Ansicht nach völlig wirklichkeitsfremd ist. Die Bevölkerung Frankreichs und die der Niederlande haben in Volksabstimmungen den Entwurf des Vertrags über eine Verfassung für Europa abgelehnt. Wären beispielsweise in Schweden, Dänemark und Großbritannien ebenfalls Referenden durchgeführt worden, hätte sicherlich eine Mehrheit der Wähler in diesen Ländern den Entwurf ebenfalls abgelehnt. Jetzt hat der Gipfel die Symbole gestrichen und den Vorschlag für eine EU-Hymne und eine EU-Flagge abgelehnt. Was jedoch die zukünftigen legislativen Möglichkeiten der EU gegenüber den Mitgliedstaaten betrifft, unterscheidet der jetzige Vorschlag sich nicht von dem abgelehnten.
Es ist auch interessant festzustellen, wie die föderalistische Mehrheit im Europäischen Parlament im Berichtsentwurf versucht, die Ablehnung der Hymne und der Flagge zu umgehen.
Ich habe für eine Ausweitung des Mandats der Regierungskonferenz gestimmt, damit der Sitz des Europäischen Parlaments von Straßburg nach Brüssel verlegt werden kann.
Was die Volksabstimmungen über den neuen Vertrag betrifft, muss meiner Ansicht nach jedes Land selbst darüber entscheiden, ob es ein Referendum durchführt oder nicht. Ich meine, die Länder sollten dies tun, aber das Europäische Parlament als Institution sollte sich dabei nicht einmischen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Das wirkliche Ausmaß der aktuellen Machenschaften um den so genannten neuen Vertrag widerspiegelt sich in der heute von der Mehrheit im Parlament angenommenen Entschließung.
Zwei Aspekte gilt es dabei hervorzuheben:
- Die Entschließung bestätigt, dass die nicht ernst zu nehmende (und falsche) „Reflexionsperiode“ lediglich dazu verwendet wurde, die falsche Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Inhalt des abgelehnten Vertrages bewahrt werden muss. Diese Bestätigung ist nunmehr in dem Mandat für die „neue“ Reform der Verträge verankert.
- Den unglaublichen Zynismus und die unglaubliche Scheinheiligkeit der Mehrheit im Parlament, zu der, darauf sei nachdrücklich hingewiesen, die politischen Kräfte gehören, die die verschiedenen Regierungen der EU-Länder beherrschen, und die nach der Ablehnung von Änderungsanträgen, in denen die Durchführung von Referenden zu dem so genannten neuen Vertrag verlangt wurde, „die Regierungskonferenz und die Kommission (aufforderte), konkrete Vorschläge zu erarbeiten, um die europäischen Bürger erneut an einem Dialog zur Fortsetzung des Verfassungsprozesses zu beteiligen“.
Es gilt, einen Vorgang aufs Schärfste zu verurteilen, der uns wesentliche Inhalte eines bereits abgelehnten Vertrages aufzwingen soll, indem durch entsprechende Manipulation die Durchführung verbindlicher nationaler Volksabstimmungen verhindert wird. Aus diesem Grunde haben wir gegen das Mandat für die Regierungskonferenz und gegen diese Entscheidung des Parlaments gestimmt.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. (EN) Ich bin mit diesem Änderungsantrag nicht einverstanden, da er darauf besteht, in allen Mitgliedstaaten Referenden abzuhalten, in denen dies möglich ist. Das ist eine direkte Verletzung des Subsidiaritätsprinzips, denn allein den Mitgliedstaaten obliegt die Entscheidung, ob sie ein Referendum abhalten wollen oder nicht.
Anna Hedh (PSE), schriftlich. (SV) Meiner Ansicht nach unterscheidet sich der neue Vertragsentwurf kaum von dem früheren, weshalb ich diesen Bericht nicht unterstützen kann. Zur Abstimmung wurden Änderungsanträge vorgelegt, die die Durchführung von Volksabstimmungen vor jedweden Änderungen am Vertrag fordern. Auch wenn ich persönlich für eine Volksabstimmung über den neuen Vertrag in Schweden bin, meine ich, es wäre ein Fehler, Referenden auf EU-Ebene zu fordern. Es ist nicht Sache des Europäischen Parlaments, über die Durchführung von Referenden in den Mitgliedstaaten zu entscheiden.
Timothy Kirkhope (PPE-DE), schriftlich. (EN) Meine britischen Kollegen von der PPE-DE-Fraktion und ich haben gegen diesen Bericht gestimmt, weil wir mit dem Mandatsentwurf für die vorgeschlagene Regierungskonferenz grundsätzlich nicht einverstanden sind. Wir sind der Meinung, dass der Wortlaut des Mandatsentwurfs für die Regierungskonferenz, wie er auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2007 vereinbart wurde, mit Ausnahme der Bezeichnung der Europäischen Verfassung entspricht, die von den Bürgern Frankreichs und der Niederlande in ihren 2005 durchgeführten Referenden abgelehnt wurde.
Des Weiteren möchten wir klarstellen, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs – da sie der britischen Bevölkerung fest versprochen hat, ein Referendum über diese Europäische Verfassung abzuhalten – sowohl eine moralische Verpflichtung als auch eine demokratische Pflicht hat, alle neuen Verträge, die aus der Regierungskonferenz hervorgehen und die Kompetenzen und Befugnisse Großbritanniens auf die Europäische Union übertragen, vorzulegen.
Marie-Noëlle Lienemann (PSE), schriftlich. – (FR) Ich halte es für nicht hinnehmbar, dass das Europäische Parlament den Antrag abgelehnt hat, ein Referendum über den neuen institutionellen Vertrag abzuhalten.
Das „Nein“ des französischen und des niederländischen Volkes bei der Volksabstimmung über den alten Verfassungsentwurf hat nämlich gezeigt, dass zwischen dem zum Ausdruck gebrachten Willen der Völker und dem der Staats- und Regierungschefs sowie der – nationalen wie europäischen – gewählten Volksvertreter eine enorme Diskrepanz besteht. Dieser neue Vertrag kann daher nur durch eine erneute Volksbefragung legitimiert werden. Das Beste wäre ein europäisches Referendum.
Das Europäische Parlament wundere sich nicht, wenn es sich mit solchen Berichten in den Augen der Bürger in Misskredit bringt!
David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich befürworte die Einberufung der Regierungskonferenz sehr, doch dieser Bericht enthielt viele Punkte, die über das vom Rat genehmigte Mandat hinausgingen, und ich konnte den Bericht daher nicht unterstützen. Ich hoffe jedoch sehr, dass es der Regierungskonferenz gelingen wird, die Verträge zu reformieren.
Andreas Mölzer (ITS), schriftlich. Damit die EU-Bürger diesmal tunlichst wenige Möglichkeiten haben, sich gegen die neue Version der EU-Verfassung auszusprechen oder gar Widerstand zu formieren, will man das Ganze im Eilverfahren über die Bühne bringen. Aber diese durchschauen durchwegs, wenn man ihnen einreden will, es handle sich um ein neues Werk, obgleich die Substanz im Wesentlichen gleich geblieben ist und sich nur die Verpackung geändert hat. Während man einerseits von einem neuen Werk redet, verlautbart man andererseits, dass neuerliche Volksabstimmungen nicht nötig seien. Das Gegenteil ist der Fall!
Dieses Vorgehen wird die EU den Bürgern sicherlich ebenso wenig näher bringen wie die Tatsache, dass noch mehr Kompetenzen nach Brüssel abgegeben werden, eine erneute Chance zur Definition unserer Grenzen vertan ist und man hinsichtlich der Türkei-Verhandlungen verabsäumt hat, die Notbremse zu ziehen. Wir brauchen ein föderalistisches Europa, in welchem der Souverän Volk seine Mitspracherechte wieder umfassender ausüben kann. Erst dann sind wir auf einem wirklich zukunftsträchtigen Weg, alles andere sind Tagträume einer abgehobenen EU-Elite, deshalb habe ich den Bericht auch abgelehnt.
Cristiana Muscardini (UEN), schriftlich. (IT) Ich erkläre meine Zustimmung zur Einberufung der Regierungskonferenz, die, gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 21. und 22. Juni dieses Jahres, den Auftrag haben wird, Änderungen zu den bestehenden Verträgen auszuarbeiten. Damit wird eine lange Übergangsphase zu Ende gehen, in der die Union nicht nur Illusionen verlor, sondern auch erlebt hat, dass Ideale bestätigt und Hoffnungen aufgefrischt wurden. Eines ist sicher: Der Versuch, das Monopol der politischen Legitimation der Nationalstaaten – ein Erbe des Westfälischen Vertrags aus dem 17. Jahrhundert – zu brechen, ist gescheitert. Das Europa, das zu erkennen ist – das der Europarealisten –, muss imstande sein zu beweisen, dass eine Union souveräner Staaten zum wirksamen Handeln fähig ist, wenn sie dem gemeinsamen Willen Ausdruck verleiht. Geschieht das nicht, wird Europa seine Hoffnungen, eine wichtige Rolle in den internationalen Beziehungen und im Gleichgewicht der Großmächte zu spielen, für lange Zeit aufgeben müssen.
Ich begrüße die Ausweitung der Beteiligung unseres Hohen Hauses an den Beratungen der Konferenz und ich hoffe aus Gründen der Transparenz, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit auch in Form eines Entwurfs einer konsolidierten Fassung der Verträge veröffentlicht werden. Das Europa der Völker und Nationen nimmt Gestalt an. Ich hoffe inständig, dass uns die Konferenz im Hinblick auf diese Zukunftsperspektive nicht enttäuschen möge.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Bericht über die Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu Zusammenhalt und zum Inhalt der Regierungskonferenz stellt selbst die reaktionäre Vereinbarung des EU-Rates über den „Reformvertrag“, wie die wiederbelebte, jedoch schlimmere Version der „Europäischen Verfassung“ genannt wird, in den Schatten. Konservative und Sozialdemokraten – einschließlich aller Abgeordneten der PASOK und der Neuen Demokratie – sowie Liberale und Grüne haben die Vereinbarung begeistert aufgenommen, um den reaktionären EU-Vertrag festzuschreiben und noch mehr zum Schlechten zu verändern. Selbst der Rat wird übertroffen, indem noch einschneidendere reaktionäre Veränderungen gefordert werden, darunter die Einführung einer gemeinschaftlichen Verfassungsordnung, welche den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten festschreiben und die Souveränität des supranationalen Konstrukts EU, an das nahezu alle souveränen Rechte der Mitgliedstaaten abgetreten werden, weiter stärken wird.
Gleichzeitig haben es diese Kräfte geschlossen abgelehnt, den neuen Vertrag den Völkern Europas in Referenden in den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorzulegen. Sie beweisen damit ihre völlige Missachtung des Willens der Völker Europas, insbesondere derer, die die „Europäische Verfassung“ bereits in Referenden ablehnten, ihre deutliche Angst vor den Bürgern und die Benutzung des Europäischen Parlaments als Gremium zur pseudodemokratischen Legitimierung all dieser gegen die Arbeiterklasse gerichteten und reaktionären Politiken der ΕU.
Marco Pannella (ALDE), schriftlich. (IT) Herr Präsident, sehr geehrte Mitglieder des Rates und der Kommission! Leider wurde schon 1942 im Manifest von Ventotene Ihr Europa der Nationen prophetisch als Hauptgefahr im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Europa, dem Vaterland Europa, entlarvt. Am 14. Februar 1984 überwand das Europäische Parlament diese tödliche Politik. Nun hat der Europäische Rat aus Rache einen echten Blitzkrieg im Stil von General Erwin Rommel gestartet, um uns zum Gehorsam zu zwingen – ein Gehorsam, der heute postwendend und unrühmlich geleistet wurde – wie „Parlamente“ aus den 30er Jahren, Faschisten oder Kommunisten oder kontinentale Feiglinge.
Ihr habt Angst vor Worten; vor unserer Hymne, unserem Symbol, unserem Namen, vor „Gesetzen“ – doch das ist ein verbotener Begriff, Ihr bevorzugt den Ausdruck „Richtlinien“. Jene Tage sind vorbei; nun kommt sogleich die Zeit des Großen Frankreichs, des Starken Deutschlands, der klerikalen und autoritären, wenn nicht rassistischen Partei in Polen, eines Italiens, das für nichts und somit für alles gut ist. Ihr habt Angst, wie sie für die Starken und Übermächtigen typisch ist. Wir wollen gegen diesen Niedergang kämpfen – als europäische Föderalisten im Namen derjenigen, die verraten wurden: Spinelli, Adenauer, Schuman, De Gasperi, Monnet. Als radikale Föderalisten, die der transnationalen und parteiübergreifenden gewaltlosen Radikalen Partei angehören, und darüber hinaus als Mitglieder der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, die, wie wir befürchten, heute einen Fehler macht. Ich hoffe, der Fehler möge bei uns liegen, doch leider bin ich davon überzeugt, dass dem nicht so ist. Es lebe das Vaterland Europa! Ich stimme mit „Nein“!
Tobias Pflüger (GUE/NGL), schriftlich. Warum ich gegen den EU-“Reformvertrag“ und das Mandat der Regierungskonferenz stimme:
Irlands Regierungschef Ahern sagt: „Etwa 90 Prozent des Kernpakets bleiben gegenüber dem europäischen Verfassungsvertrag unverändert“. Das ist analytisch zutreffend, allerdings Betrug an der Bevölkerung in Frankreich und den Niederlanden.
„Das zweite Kapitel enthält die auf der Regierungskonferenz 2004 geänderten Bestimmungen des Titels V des bestehenden EUV (einschließlich des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich)“. (Mandat Regierungskonferenz)
Damit sollen alle Regelungen des Verfassungsvertrags für den Militärbereich in den neuen EU-Reformvertrag übernommen werden. Konkret sollen vertraglich festgeschrieben werden:
1.EU-Aufrüstungsverpflichtung;
2. EU-Rüstungsagentur (nun auch im Vertrag);
3.Neue Militärinterventionsoptionen wie „Abrüstungsmaßnahmen“, sprich
gewaltsame „Entwaffnungsmissionen“;
4.Militärische Unterstützung von Drittländern „bei der Bekämpfung des
Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“;
5.Enge Kooperation von EU und NATO;
6.Keine parlamentarische Kontrolle bei der Außen- und Militärpolitik;
7.Der EuGH hat in der Außen- und Militärpolitik keinerlei
Entscheidungskompetenzen;
8. Militärische Solidaritätsklausel bei der Terrorismusbekämpfung;
9. EU-Battle-Groups für schnelle weltweite EU-Militärinterventionen (nun auch
11.Ermöglichung eines eigenständigen EU-Militärhaushalts zusätzlich zu
einzelstaatlichen Militärhaushalten.
EU-Aufrüstung und EU-Militarisierung werden beschleunigt. Der Militärbereich war das Rückgrat des Verfassungsvertrages. Der absehbare Reformvertrag ist ebenfalls ein Militärvertrag.
Konrad Szymański (UEN), schriftlich. (PL) Entgegen den Aussagen des Berichts würden neue Bezeichnungen und die Europasymbole im Vertrag nur zu Missverständnissen führen und den Eindruck erwecken, die Europäische Union trete in eine Phase der Pseudosouveränität ein.
Die Flexibilität des Mandats in Bezug auf die Opt-out-Regelung ist Ausdruck von Umsicht und Realismus und nicht von Schwäche. Das gilt ebenso für die Grundrechtecharta. Die heftige Reaktion auf die Charta bestärkt nur den Verdacht, dass ihre Befürworter lediglich die rechtliche Zuständigkeit der Europäischen Union durch die Hintertür ausdehnen wollen.
Die Kritik, die im Bericht Leinen an dem Mandat geübt wird, geht zu weit und macht einen Kompromiss zur Reform schwierig. Deshalb stimme ich gegen den Bericht.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht von Frau Kauppi über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 78/855/EWG des Rates betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften und der Richtlinie 82/891/EWG des Rates betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften hinsichtlich des Erfordernisses der Prüfung des Verschmelzungs- oder Spaltungsplans und der Erstellung eines Berichts durch einen unabhängigen Sachverständigen gestimmt.
Es ist üblich, den Nutzen der von juristischen Personen zu erfüllenden Verpflichtungen insbesondere hinsichtlich der dadurch entstehenden Verwaltungskosten zu prüfen. Es ist jedoch angebracht, neben den Interessen der juristischen Einheit auch die Interessen Dritter wie Aktionäre, Arbeitnehmer, Lieferanten, Banken, Steuer- oder Sozialverwaltungen sorgfältig zu prüfen. Des Weiteren wäre es angebracht gewesen, die von der Europäischen Kommission gemachten Angaben durch eine Analyse der internationalen Praktiken in diesem Bereich zu ergänzen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich habe heute ebenfalls dafür gestimmt, der Kommission die Befugnis zu übertragen, flexible Änderungen an Anhängen vorzunehmen, um bestimmte technische Anforderungen und Vorschriften für Fahrzeugkontrollen festzulegen. Dabei geht es um Maßnahmen, die nicht die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie betreffen, aber ich möchte trotzdem sagen, dass ältere Fahrzeuge nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch wegen der hohen Luftverschmutzung rascher aus dem Verkehr gezogen werden sollten. Auf der anderen Seite verteuern wir die Produktion von Neufahrzeugen durch zunehmend strenge Emissionsnormen und erschweren damit unseren weniger begüterten Mitbürgern den Fahrzeugkauf, was wiederum zur Folge hat, dass immer mehr ältere Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß unterwegs sind. Ich appelliere an die Kommission, einen Plan zur Erhöhung der Ersatzrate von Fahrzeugen in der Europäischen Union zu verabschieden.
Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. (PT) Diese Initiative ist Bestandteil der neuen Finanzierungsinstrumente für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für den Zeitraum 2007-2013, bei denen wir bereits eine Einigung über die meisten unserer Programme erzielt haben. Was jedoch die spezifischen Programme „Ziviljustiz“ und „Drogenprävention und -aufklärung“ betrifft, bestehen im Hinblick auf das anzuwendende Komitologieverfahren noch immer Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Parlament einerseits und dem Rat und der Kommission andererseits.
Ich freue mich, dass es uns endlich gelungen ist, eine Einigung zwischen den drei Organen zu erzielen, und wir damit auf die notwendige kontinuierliche Umsetzung der neuen Finanzierungsprogramme reagieren, die für die Kofinanzierung von Projekten sowie für Gemeinwohlmaßnahmen in diesen Bereichen bestimmt sind.
Jede weitere Verzögerung würde zweifellos äußerst negative Konsequenzen in diesem Bereich und für die Begünstigten nach sich ziehen; eine Verzögerung würde die Vorbereitung eines Rahmenprogramms auf dem Gebiet des europäischen Vertragsrechts gefährden und die Arbeit des Europäischen Justiziellen Netzes beeinträchtigen.
Einige dieser Aktivitäten, wie das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen, hätten bereits seit Anfang 2007 finanzielle Unterstützung erhalten müssen, was jedoch nicht möglich war, weil dieses Programm noch nicht angenommen ist.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht von Frau Lienemann über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse gestimmt. Ebenfalls befürwortet habe ich die von sechs Fraktionen, darunter die der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, eingereichte Serie von technischen Änderungsanträgen, mit denen klargestellt werden soll, dass die Änderung dieser Richtlinie unter die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu dem Beschluss 2006/512/EG zur Einführung des Regelungsverfahrens mit Kontrolle für eine Reihe von Basisrechtsakten fällt, zu denen der Vorschlag für diese Richtlinie gehört. Allerdings finde ich es bedauerlich, dass die Europäische Kommission sich nicht um mehr Sorgfalt bei der Abfassung ihrer Texte bemüht, um die Komitologievereinbarung zu berücksichtigen, so dass das Parlament gezwungen ist, für die Einhaltung der jeweiligen Befugnisse zu sorgen. Die Kommission sollte auf das Bild achten, das sie abgibt, wenn sie ständig mehr Macht anstrebt. Dieses Verhalten der Europäischen Kommission verärgert die Bürger.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht von Karl-Heinz Florenz über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse gestimmt. Ebenfalls befürwortet habe ich die von sechs Fraktionen, darunter die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, eingereichte Serie von technischen Änderungsanträgen, mit denen klargestellt werden soll, dass die Änderung dieser Richtlinie unter die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu dem Beschluss 2006/512/EG zur Einführung des Regelungsverfahrens mit Kontrolle für eine Reihe von Basisrechtsakten fällt, zu denen der Vorschlag für diese Richtlinie gehört. Allerdings finde ich es bedauerlich, dass die Europäische Kommission, die über das Monopol zur Gesetzesinitiative verfügt, sich nicht um mehr Sorgfalt bei der Abfassung ihrer Texte bemüht, um die Komitologievereinbarung (Durchführung von Texten durch die Kommission) zu berücksichtigen, so dass das Parlament gezwungen ist, für die Einhaltung der jeweiligen Befugnisse zu sorgen. Die Kommission sollte auf das Bild achten, das sie abgibt, wenn sie ständig mehr Macht anstrebt. Dieses Verhalten der Europäischen Kommission verärgert die Bürger.
Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich glaube, dass die Postliberalisierung wichtig ist. Genauso wichtig ist jedoch, dass wir das Ganze um zwei Jahre verschoben haben und nun der Postmarkt erst ab 2011 geöffnet wird.
Mehr Wettbewerb ist auch in der Briefzustellung die richtige Vorgehensweise. Das bringt Vorteile für die Wirtschaft und für die Konsumenten, aber eben nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es muss eine Garantie der Briefzustellung in der gewohnten Qualität und zu einem normalen Preis geben. Dies muss auch in abgelegenen Gebieten wie in Berggebieten oder auf Inseln möglich sein. Das ganze Liberalisierungspaket darf auch nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter der Postdienste ausgetragen werden. Deshalb habe ich für das Paket gestimmt.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Als polnischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments unterstütze ich alle Lösungen für einen freien Markt und die Dienstleistungsfreiheit. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass die rasche Liberalisierung des Postsektors, die heute durchgesetzt wurde, mehr schaden als nützen könnte, denn sie führt auf lange Sicht zur Liquidation der nationalen Postunternehmen wie der Polnischen Post, die solchen europäischen Großkonzernen wie DHL und Deutsche Post geopfert werden. Deshalb habe ich gegen den Bericht Ferber gestimmt.
Die Verbraucher haben ein Recht auf freien Wettbewerb, doch darf der Postmarkt nicht vorschnell auf Kosten der schwächeren Unternehmen, die für einen verschärften Wettbewerb noch nicht gerüstet sind, und auf Kosten Tausender von Arbeitsplätzen in Polen und den anderen EU-Mitgliedstaaten geöffnet werden.
Zsolt László Becsey (PPE-DE). – (HU) Ich persönlich befürworte den Kompromiss zur Liberalisierung der Postdienste. Bezüglich eines Abschnittes habe ich mich jedoch aus folgenden Gründen der Stimme enthalten. In Artikel 7a werden die Staaten aufgezählt, für die ein Übergangszeitraum bis 2013 gilt. Meine Stimmenenthaltung beruht darauf, dass es in meinen Augen inakzeptabel ist, die Begründung für die Gewährung eines Übergangszeitraums für bestimmte Gruppen von Staaten ohne Einzelfallprüfung en bloc anzugeben. Darunter befinden sich die neuen Mitgliedstaaten, was ich als besonders beleidigend empfinde, da mein Heimatland und die anderen neuen Mitgliedstaaten auf diese Weise als Dritteweltstaaten abqualifiziert werden, denn es wurde nicht im Einzelnen geprüft, wer diesen Aufschub erhalten soll und aus welchen Gründen.
Ebenso inakzeptabel finde ich es, in bestimmten Fällen einfach pauschal zu erklären, kleine Länder sollten einen Übergangszeitraum erhalten, denn welches sind diese kleinen Länder? Wir sollten daher mit größerer Präzision vorgehen und genauer angeben, wen wir meinen. Ich hoffe, dies wird in der zweiten Lesung berücksichtigt.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Dieser Kompromiss ist in jeder Hinsicht ein Widerspruch in sich. Wir liberalisieren die Postdienste, damit der Wettbewerb den Verbrauchern ein breiteres Dienstleistungsspektrum, bessere Qualität und niedrigere Preise bringt; gleichzeitig befürchten wir, dass die Universaldienste den marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht gewachsen sind, und deshalb wird die Liberalisierung reguliert. Als Befürworterin eines fairen Wettbewerbs habe ich für Änderungsantrag 2 gestimmt, damit für alle Akteure im Binnenmarkt dieselben Pflichten gelten wie für die Universaldienstleister. Den „Rosinenpickern“, die so vehemente Lobbyarbeit gegen den Vorschlag betrieben haben, gefällt das natürlich überhaupt nicht. Änderungsantrag 6 war wichtig für eine transparente Rechnungslegung, damit die Kosten der profitablen Unternehmensbereiche nicht den Universaldienstkosten zugeschlagen werden. Neue Technologien konkurrieren zwar mit den Postdienstleistungen, drängen sie aber nicht aus dem Markt. Selbst wenn die Briefzustellungen rückläufig sind, sind doch die Paketdienste eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Interneteinkaufs. Es liegt also nicht im Interesse der Verbraucher oder der Wirtschaft, die Postdienstleistungen einem ungewissen Schicksal auszuliefern.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Wir haben soeben eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste in der Gemeinschaft angenommen.
Diese neue Richtlinie sendet viele positive Signale über die Qualität von Dienstleistungen in der Europäischen Union aus. Dazu gehören die Zugänglichkeit und nicht zuletzt die Abschaffung der Monopols, das nationale Postdienstleister noch für Postsendungen unter 50 g hatten. Ich war für eine Lösung, mit der das Monopol im Dezember 2010 abgeschafft worden wäre, also zwei Jahre später als von der Kommission vorgeschlagen. Der Hintergrund dafür war, und hier stimme ich einigen Mitgliedern des federführenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr zu, dass in den Teilen der Europäischen Union, die mehr Zeit für die Beförderung von Postsachen zu Zielorten am anderen Ende der EU benötigen, dies zu erschwinglichen Preisen möglich sein sollte.
Für die neuen Mitgliedstaaten, einschließlich der Slowakei, sollte der Termin für die Liberalisierung der 31. Dezember 2012 sein, um sicherzustellen, dass die beste Methode für die Erbringung der Universaldienste gefunden werden kann. Ich denke, wir haben die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Termine und der Finanzierung in ausgewogener Weise und zum Wohle der Bürger in allen Mitgliedstaaten beigelegt.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Die gegenwärtige Liberalisierung der Postdienste bedeutet eine Öffnung dieses Sektors für viele Interessenten.
Ich bin überzeugt davon, dass die positiven Veränderungen auch den Bürgern zugute kommen werden, da ein stärkerer Wettbewerb zu besseren Dienstleistungen und der Entwicklung innovativer Produkte für die Verbraucher führt, die dann je nach Bedarf aus einer großen Palette von Produkten und Preisen wählen können. Aus diesen Gründen habe ich für den Bericht des Kollegen Ferber gestimmt, mit dem das Europäische Parlament den letzten Schritt zur Abschaffung des Monopols bei der Beförderung von Postsendungen mit einem Gewicht von weniger als 50 g gegangen ist. Zugegebenermaßen können Veränderungen im Postsektor nicht über Nacht durchgeführt werden. Darum hat das Europäische Parlament die Richtlinie über die Liberalisierung der Postdienste einfühlsam und verantwortungsbewusst erarbeitet, um diese Dienstleistungen in keinem Teil der EU zu gefährden.
Dank der Änderungsanträge von Abgeordneten der neuen Mitgliedstaaten können die neuen EU-12 sowie Länder mit einer großen Anzahl Inseln unter bestimmten Bedingungen eine Ausnahmeregelung für diese Dienstleistungen und deren Anbieter bis zum 31. Dezember 2012 erhalten, sofern es für die Erhaltung der Universaldienste erforderlich ist. Das Europäische Parlament hat in seinem Bericht auch Menschen mit Behinderungen nicht vergessen. In Änderungsantrag 47 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, kostenlose Postdienstleistungen für Blinde und Sehbehinderte zu erbringen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Wir haben Herrn Ferbers Bericht über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste angenommen. Jeder Bürger der Europäischen Union sollte meines Erachtens die freie Wahl haben, mit welchem Postdienst er einen Brief, eine Postkarte oder ein Paket verschicken will.
Die Öffnung des Marktes bringt den Konsumenten und den Nutzern von Postdiensten Vorteile und bedeutet für den Postsektor – vor allem in den neuen Mitgliedstaaten – weitere Umstrukturierungen, Kostensenkung. Innovation, die Einführung neuer Dienstleistungssegmente einschließlich elektronischer Dienstleistungen und die Chance, wettbewerbsfähig zu werden und sich auf dem Postmarkt zu behaupten.
Hoffen wir, dass sich mit der Öffnung des Marktes für Postdienste die Qualität der angebotenen Dienste und die Kundenorientiertheit verbessern. Mehr Betreiber auf dem Postmarkt bedeuten mehr Wettbewerb, niedrigere Preise und ein größeres Angebot an Dienstleistungen.
Saïd El Khadraoui (PSE). – (NL) Herr Präsident! Gemeinsam mit den flämischen Sozialdemokraten haben wir für sämtliche Änderungsanträge gestimmt, einschließlich der Kompromissänderungsanträge, die gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag einen Fortschritt darstellen.
Letzten Endes haben wir uns jedoch dafür entschieden, die Vorlage abzulehnen, um ein starkes Signal unserer anhaltenden Sorge auszusenden. Im Grunde wurden den Mitgliedstaaten eine Menge Hausaufgaben aufgegeben, um sicherzustellen, dass die Liberalisierung zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Sozialgesetze für alle Betreiber gelten und dass sie bis 2010 nachweisen können, wie sie die Bereitstellung des Universaldienstes in einem Wettbewerbsmarkt finanzieren wollen. Unserer Auffassung nach wäre es besser gewesen, vor einer endgültigen Entscheidung abzuwarten.
Kader Arif (PSE), schriftlich. – (FR) Die neue Postrichtlinie, gegen die ich gestimmt habe, ist ein Schulbeispiel, an dem sich die ideologische Verbohrtheit der Kommission ablesen lässt. Die Abschaffung des reservierten Bereichs der Sendungen unter 50 Gramm bedeutet das Todesurteil für den öffentlichen Postdienst.
Die Kommission und gewisse Mitglieder dieses Parlaments wollen uns glauben machen, dass der „postalische Universaldienst“ mit dieser Richtlinie gewährleistet bleibt. Durch die Abschaffung des reservierten Bereichs als Finanzierungsart entsteht eine unlösbare Gleichung: Die Mitgliedstaaten – deren Haushalte bereits begrenzt sind – sollen den Universaldienst finanzieren. Es gibt keinen wirtschaftlichen oder rationalen Grund, den „reservierten Bereich“ als mögliche Finanzierungsart auszuschließen, es sei denn, man will den postalischen Universaldienst in Frage stellen.
Arbeitsplatzunsicherheit, Reduzierung der Anzahl der Postämter, Erhöhung der Gebühren für Privatleute, Ende des Einheitstarifes und damit des gleichen Zugangs zum Postdienst – genau dafür ist soeben gestimmt worden. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die öffentlichen Dienstleistungseinrichtungen als EU-weites Netzwerk arbeiten können. Dies ist möglich und wünschenswert, wenn wir eine wirkliche europäische Gemeinschaft schaffen wollen.
Mit dieser Richtlinie verzichten wir auf die ureigenste Funktion der Politik: die Regulierung und die Festlegung von Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstätigkeit und den Markt, um Ziele im Zusammenhang mit Landesplanung, Solidarität, Entwicklung usw. zu erreichen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den ausgezeichneten Bericht von Herrn Ferber über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste gestimmt. Als Erstes begrüße ich, dass die stufenweise und kontrollierte Liberalisierung gemäß der Entschließung des Rates von 1994 bei gleichzeitig dauerhaft garantierter Bereitstellung des Universaldienstes durchgeführt wird. Der zwischen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa erzielte politische Kompromiss ist vernünftig und ausgewogen. Der vom Parlament vorgeschlagene Termin 31. Dezember 2010 ist realistischer als der 1. Januar 2009, den die Kommission vorgeschlagen hatte.
Ich habe für mehrere Änderungsanträge gestimmt, durch die sichergestellt werden soll, dass die Finanzierung des Universaldienstes in einem völlig liberalisierten Markt jederzeit garantiert ist und dass die Definition dieses Universaldienstes eine Abholung und eine Zustellung zu der Wohnadresse oder den Geschäftsräumen jeder natürlichen oder juristischen Person an jedem Werktag selbst in abgelegenen oder dünn besiedelten Gebieten gewährleistet. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass in ländlichen und dünn besiedelten Gebieten Zugangspunkte in ausreichender Zahl eingerichtet werden.
Bernadette Bourzai (PSE), schriftlich. – (FR) Ich haben gegen den Entwurf der Postrichtlinie gestimmt, denn die Änderungen, die das Parlament an dem Vorschlag der Kommission zur vollständigen Liberalisierung des Postsektors ab 1. Januar 2009 vorgenommen hat, und insbesondere die Verschiebung um zwei Jahre halte ich für unzureichend.
Paradoxerweise wird diese neue Etappe der Liberalisierung zu zusätzlichen öffentlichen Ausgaben führen, da die Mitgliedstaaten gleichzeitig durch die Kommission gezwungen werden, eine Finanzierungsart für die Universaldienstverpflichtungen zu wählen.
Doch die drei vorgeschlagenen Finanzierungsmöglichkeiten sind bereits in einigen Mitgliedstaaten erprobt worden und haben zu zahlreichen Streitfällen geführt. Zudem ist die Aufrechterhaltung des reservierten Bereichs (bzw. des Restmonopols für Sendungen unter 50 Gramm) nicht mit einbezogen worden, obwohl dies eine der wirkungsvollsten und transparentesten Finanzierungsmöglichkeiten ist. Die Beibehaltung des reservierten Bereichs ist eine politische Option, die ich befürworte, die jedoch die Kommission und – wie sich heute gezeigt hat – die Mehrheit der Europaabgeordneten ablehnt.
Ich denke nicht, dass die Ziele der Kommission, den Service in Bezug auf Qualität, Preis und Auswahl zu verbessern und das Wachstumspotenzial des Sektors freizusetzen, auf diese Weise erreicht werden können. Ich befürchte im Gegenteil das Schlimmste für die Zukunft der ländlichen Gebiete, der Bergregionen und der Inseln.
Françoise Castex (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe gegen die Liberalisierung der Postdienste gestimmt. Des Weiteren habe ich für den Antrag auf Zurückweisung der Richtlinie gestimmt, weil die Gründe für diesen Vorschlag widersprüchlich und in Bezug auf die Universaldienstgarantie nicht erreichbar sind, da die dafür vorgesehenen Finanzierungsmöglichkeiten nicht das Recht aller europäischen Bürger auf tägliche Abholung und Zustellung der Briefsendungen gewährleisten.
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass die grundsätzliche Festlegung eines Termins für das Auslaufen der Richtlinie 97/67nicht den Ergebnissen der Befragung der betroffenen sozialen Akteure und der Mitgliedstaaten entspricht. Diese haben auf die Notwendigkeit verwiesen, die Garantien für den Universaldienst in einheitlicher, proportionaler und gerechter Weise aufrechtzuerhalten.
Meiner Meinung nach bietet dieser Vorschlag keinerlei Gewähr für eine ernsthafte Lösung der sozialen Aspekte dieser Liberalisierung, um Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und Sozialdumping zu vermeiden.
Charlotte Cederschiöld, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. (SV) Wir haben in der Schlussabstimmung zum Bericht Ferber über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste den angenommenen Kompromiss befürwortet.
Damit unterstützen wir den schnellst möglichen Weg zu einer vollständigen Liberalisierung der Postdienste in Europa. Gleichzeitig bedauern wir den starken Widerstand gegen die Erfüllung früherer Absichten, die Liberalisierung bis spätestens 2009 abzuschließen. Der heutige Beschluss ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn wir gehofft hatten, die Postdienste innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums vollständig deregulieren zu können, innerhalb dessen die EU durch den Lissabon-Prozess zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt werden soll.
Robert Goebbels (PSE), schriftlich. – (FR) Die Beseitigung des letzten Postmonopols war keineswegs notwendig, um einen Binnenmarkt im Dienste der Verbraucher zu gewährleisten. Die Kommission erarbeitet solche Vorschläge einzig und allein aus ideologischen Gründen aufgrund des Druckes von Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, den skandinavischen Ländern, d. h. der Verfechter des ungezügelten freien Marktes. Es ist kein Zufall, dass sich dieselben Länder einer stärkeren politischen Einigung Europas widersetzen. Selbst in den USA bleibt beim US Postal Service die Endzustellung aus offensichtlichen Gründen des Arbeitsplatzschutzes im öffentlichen System. Auch wenn das Europäische Parlament einigen Ländern, darunter dem meinigen, einen Aufschub gewährt hat, dient diese Liberalisierung nicht dem Normalbürger.
Bruno Gollnisch (ITS), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Ferber zur Liberalisierung des Postsektors regelt keines der vom Kommissionstext aufgeworfenen Probleme: weder die Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen – vor allem derer, die nicht in der Richtlinie erwähnt werden und insbesondere in Frankreich existieren, wie die Zeitungszustellung zu verringerten Gebühren, Landesplanung, Zustellung an 6 von 7 Tagen, die Bankdienste für alle – noch die implizite Infragestellung des Einheitstarifs und des Tarifausgleichs durch die Verpflichtung zur Kostendeckung, die (praktische bzw. finanzielle) Beteiligung privater Wirtschaftsteilnehmer an den Universaldienstverpflichtungen usw.
Da dieser Text auf einer lückenhaften, in einigen Punkten fehlerhaften Studie beruht, die die tatsächlichen Ergebnisse von zehn Jahren teilweise liberalisierter Postdienste geflissentlich übergeht, konnte er nur von schlechter Qualität sein und musste in einen faulen Kompromiss münden. Er führt zu Rechtsunsicherheit und stellt eine soziale Gefahr dar. Damit wird das wirkliche Ziel der Kommission schlaglichtartig erhellt. Es geht wie immer bei solchen Dossiers viel weniger darum, die für die Öffentlichkeit und das Gemeinwesen erbrachten Dienstleistungen wirksamer und kostengünstiger zu gestalten, sondern vielmehr darum, die öffentlichen Monopole zu zerschlagen und privaten – vorzugsweise multinationalen – Betreibern zu ermöglichen, die rentablen Märkte abzuschöpfen.
Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Ich bin generell skeptisch bezüglich der Auswirkungen einer Deregulierung der Postdienste auf den durchschnittlichen Verbraucher, insbesondere in dünn besiedelten Gebieten.
Ich habe für den Vorschlag des Europäischen Parlaments gestimmt, aber auch wichtige Änderungsanträge unterstützt, in denen beispielsweise gefordert wird, dass eine Abholung und eine Zustellung der Post zu der Wohnadresse bzw. den Geschäftsräumen jeder natürlichen oder juristischen Person an jedem Werktag gewährleistet sein muss sowie dass in einem wettbewerbsfähigen und liberalisierten Markt die Verpflichtung bestehen sollte, kostenlose Dienste für Blinde und Sehbehinderte zu erbringen. Außerdem habe ich für eine Reihe von Vorschlägen gestimmt, die den Mitgliedstaaten größere Freiheit einräumen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Deregulierung des Postmarktes und Diensten im gesamtgesellschaftlichen Interesse herzustellen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Einmal mehr setzt sich die Mehrheit im Parlament für die vollständige Liberalisierung eines öffentlichen Dienstes ein, in diesem Falle der Postdienste, und gefährdet damit die Rechte und Interessen der Bevölkerung und der Arbeitnehmer in diesem Sektor.
Wir bedauern sehr, dass unser Vorschlag zur Ablehnung dieser Kommissionsinitiative nicht angenommen wurde, mit der die Liberalisierung der Postdienste in der gesamten EU vollendet und der Wettbewerb in diesem supranationalen Binnenmarkt gefördert werden soll.
Ebenso bedauern wir die Ablehnung der Änderungsanträge, in denen wir dargelegt haben, dass die Mitgliedstaaten die ausschließlichen Rechte in einem reservierten Bereich behalten und die sozialen und Beschäftigungsrechte des Sektors sichern sollten, darunter die Beachtung von Beschäftigungsbedingungen und Systemen der sozialen Sicherheit, die durch Rechtsvorschriften oder Tarifverträge geschaffen wurden.
Obwohl bestimmte Aspekte im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag verbessert wurden, bestätigt der Bericht die totale Liberalisierung des Postdienstes und verschiebt diese lediglich bis zum 31. Dezember 2010 und erreicht damit das in der ersten Richtlinie von 1997 festgelegte Ziel, nämlich die Zerschlagung eines gewinnbringenden öffentlichen Sektors, des Postsektors, und seiner Übergabe in die private Hand.
Hierbei handelt es sich in aller Deutlichkeit um eine EU-Politik, auf die Arbeitnehmer und die Bürger der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten in geeigneter Weise antworten müssen.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. (EN) Ich unterstütze den Änderungsantrag 63, der dafür sorgt, dass genügend Zugangs- und Abholpunkte eingerichtet werden, die den Bedürfnissen der Nutzer in ländlichen und dünn besiedelten Gebieten Rechnung tragen, voll und ganz. Es ist angemessen, dass die Mitgliedstaaten die Mindestzahl der Zugangs- und Abholpunkte festlegen sollten, damit der Universaldienst garantiert werden kann. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt ist ein Ziel der EU-Politik, und dieser Änderungsantrag wird dabei helfen, dieses spezielle Ziel zu erfüllen. Wenn wir den Markt im Postsektor öffnen, dann kommt es darauf an, allen Nutzern adäquate Dienstleistungen anzubieten.
Stanisław Jałowiecki (PPE-DE), schriftlich. (PL) Leider kann ich Herrn Ferbers Bericht nicht unterstützen. Es kommt mitunter vor, dass aus einem durchaus annehmbaren Vorschlag der Europäischen Kommission nach seiner Behandlung im Parlamentsausschuss ein Dokument geworden ist, dem man nicht zustimmen kann. Das ist hier der Fall.
Erstens: Die Änderungsanträge, über die im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr abgestimmt wurde, sind im Grunde gar kein Kompromiss. Das ist ein klarer Sieg für die Staatsmonopole, die sich gegen Veränderungen sperren. Sie können sicher sein, dass es in den Jahren, die sie zusätzlich zur Verfügung haben, keine notwendigen Reformen geben wird und wir in einigen Jahren wieder Demonstrationen vor dem Parlament erleben werden.
Zweitens: Sorge bereitet mir das wiederholte Argument von Vertretern der „alten“ Mitgliedstaaten, die „neuen“ Mitgliedstaaten seien für die Liberalisierung noch nicht gerüstet. Diese „Verteidiger“ der polnischen, ungarischen und tschechischen Post verteidigen in Wirklichkeit die Brancheninteressen der französischen, belgischen und luxemburgischen Monopole. Das ist ein unlauteres Spiel.
Und schließlich das Datum. Da wird statt des 1. Januars des nächsten Jahres der 31. Dezember des Vorjahres genannt. Das ist ein Marketingtrick, denn Sachen für 9,99 Euro verkaufen sich auch leichter als solche für 10 Euro. Wollen wir das Vertrauen der Öffentlichkeit wirklich auf diese Weise zurückgewinnen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Fernand Le Rachinel (ITS), schriftlich. – (FR) In Frankreich ist La Poste kein gewöhnliches Unternehmen; es ist ein staatliches Unternehmen, das von revolutionären Gewerkschaftern geführt wird. Es ist ein öffentliches Dienstleistungsunternehmen, das völlig von privaten, korporatistischen Interessen beherrscht wird.
Warum sollte man sich mühen, die französische Post als öffentlichen Dienstleistungserbringer zu verteidigen, wenn er in Wirklichkeit gar keiner ist? Der Kunde hat nichts zu sagen, und die Gewerkschaften behaupten, in seinem Sinne zu handeln. Der oberste Chef (der Staat) und die Aktionäre (jeder Franzose) haben panische Angst, das System könnte durch gewisse, von allmächtigen und totalitären Gewerkschaften vertretene Arbeitnehmer blockiert werden.
Es gibt keinerlei Gegengewalt, um die Rechte und Befugnisse auszugleichen, die sich diese Arbeitnehmer angemaßt haben, und das Allgemeininteresse wird mit Füßen getreten.
Soll die französische Post liberalisiert werden? Soll man diesem völlig korrupten System an den Kragen gehen, das nicht danach strebt, den Kunden zufriedenzustellen, sondern nur Teil des Privatsektors zu werden, zu demonstrieren und die Beibehaltung von so genannten gesicherten „Pfründen“ zu fordern?
Die Antwort ist eindeutig: ja und möglichst schnell. Die französische Post muss jetzt größte Anstrengungen unternehmen, um ihre wesentlichen Nachteile auszugleichen, die in einer enormen Lohnsumme, der Rentenlast und einer komplizierten, schwerfälligen, kostspieligen und mangelhaften Organisation bestehen.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. Ich stimme für den gemeinsamen Kompromiss zur vollständigen Öffnung der EU-Postmärkte zum 1. Januar 2011.
Allerdings muss ich anmerken, dass dies nur der Fall ist, da es ansonsten auf Grund der fehlgeleiteten Gesetzgebung nach Wunsch der Kommission schon 2009 zu einer Liberalisierung gekommen wäre.
Wichtig ist, dass die Richtlinie eine flächendeckende Versorgung garantiert und gewährleistet. Dies bedeutet, dass allen Nutzern ein Mindestangebot an qualitativ hochwertigen Diensten zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung steht. Dieser so genannte Universaldienst muss auch sicherstellen, dass „eine Abholung und Zustellung an jedem Werktag selbst in abgelegenen oder dünn besiedelten Gebieten“ sichergestellt wird. Sollte ein Dienstanbieter diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, so müssen die Mitgliedstaaten für diesen Fall angemessenen Strafen festsetzen und auch durchführen.
Festzuhalten bleibt auch, dass die Richtlinie Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen wie Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten, bezahlte Mindestjahresurlaube, Mindestlohnsätze, Gesundheitsschutz, Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz nicht berührt. Auch in die Beziehung zwischen den Sozialpartnern greift die Richtlinie nicht ein (z. B. das Recht, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, das Streikrecht und das Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen).
Als letzten Punkt möchte ich festhalten, dass ich gegen die Verlängerung der Frist für die so genannten „neuen EU-Mitgliedsstaaten“ um zwei Jahre stimme, weil ich der Auffassung bin, dass wir in einem Europa und nicht in einem geteilten Europa leben.
Marie-Noëlle Lienemann (PSE), schriftlich. – (FR) Ich kann diese völlige Deregulierung und die Abschaffung des „reservierten Bereichs“ der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Auftrag der Post nicht akzeptieren.
Durch diese durchgängige Öffnung für den Wettbewerb werden der Einheitstarif, die Gleichbehandlung der Regionen und die Anwesenheit des Postdienstes in benachteiligten Sektoren in Frage gestellt. Selbst in den USA gilt der Wettbewerb nicht obligatorisch für Standardsendungen –von unter 50 Gramm –, und deren Zustellung erfolgt durch eine föderale Behörde.
Es liegt auf der Hand, dass die Ausgleichsleistungen für den auf ein Mindestmaß reduzierten Universaldienst in keiner Weise ausreichen, den gemeinwirtschaftlichen Dienst aufrechtzuerhalten, und mit der Verlängerung des Termins für die Umsetzung dieser Liberalisierung wird im Grunde nichts geregelt.
Der Europäische Ministerrat hat kürzlich die Realisierung eines dem Vertrag beigefügten „Protokolls über Dienste von allgemeinem Interesse“ beschlossen.
Es wäre normal, jede weitere Öffnung dieser Dienste für den Wettbewerb auszusetzen.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Ich habe gegen den Bericht Ferber gestimmt, weil er das dogmatisch neoliberale Herangehen an den wichtigen Sektor der Postdienste stärkt, der im öffentlichen Interesse liegt. Die Europäische Kommission hat kompromisslos auf ihren ursprünglichen Vorschlägen bestanden – ungeachtet der scharfen Reaktionen von zehn traditionellen Erbringern universeller Postdienste, darunter der Griechischen Post, Petitionen von Tausenden Bürgern und der Warnungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes und des Verbands der Postangestellten. Hinzu kommt, dass die erforderlichen Studien zu den Auswirkungen der Liberalisierung des Marktes auf die 27 Mitgliedstaaten noch nicht abgeschlossen sind.
Mit der übereilten Öffnung des Marktes und im Grunde der Abschaffung des „Universaldienstprinzips“ steht von vornherein fest, dass Tausende Arbeitsplätze vernichtet werden und zugleich der Zugang der Bürger zu billigen, qualitativ hochwertigen Postdiensten eingeschränkt wird. Für die Bewohner abgelegener und schlecht erreichbarer Berg- oder Inselregionen, deren Belieferung für die Unternehmen nicht profitabel ist, werden die Folgen sogar noch gravierender sein.
Die Verschiebung des Inkrafttretens der neuen Richtlinie ist nur von untergeordneter Bedeutung, zögert sie die negativen Auswirkungen doch lediglich um zwei Jahre hinaus.
Außerdem sind die Erfahrungen in den Ländern, in denen der Markt bereits vollständig liberalisiert wurde, bislang alles andere als positiv.
Die Forderung nach Liberalisierung der Postdienste „weil wir das wollen“ schafft womöglich mehr Probleme als Lösungen.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Ein Europa, das Lösungen für die Alltagsprobleme seiner Bürger bieten kann, darf nur mit den besten Dokumenten und Beispielen ausgerüstet sein. Hinsichtlich der Rechtsvorschriften zur Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste sehen wir daher keinen Grund, warum Systeme, die auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage effizient funktionieren, zerstört werden sollen, wenn dies mit einer vorteilhaften Entwicklung des Marktes und mit Sicherungen für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes einhergeht.
Obwohl ich grundsätzlich nicht gegen die Liberalisierung der Postdienste bin, möchte ich an dieser Stelle noch einmal meine Auffassung anführen, dass kein wirtschaftliches oder rationales Argument dafür spricht, vom „reservierten Bereich“ von Möglichkeiten der Finanzierung des Universaldienstes abzukehren. Eine Finanzierung über den reservierten Bereich ist transparent und neutral, frei von staatlichen Beihilfen und in Bezug auf Transaktionskosten und Rechtsstreitigkeiten sparsam, und sie wird von der volkswirtschaftlichen Theorie akzeptiert.
Beweise dafür finden sich in Portugal, wo alle Dienste liberalisiert oder liberalisierungsbereit sind, was jedoch nicht im Widerspruch zur Finanzierung des Universaldienstes aus Mitteln des reservierten Bereichs steht. Wir dürfen die Bedeutung des reservierten Bereichs für den territorialen und sozialen Zusammenhalt und für die Verhinderung einer Verödung abgelegener und schlecht zugänglicher Gegenden nicht ignorieren.
Frédérique Ries (ALDE), schriftlich. – (FR) Wie die große Mehrheit meiner Kollegen habe auch ich für den Ferber-Bericht gestimmt, d. h. für eine vollständige und gesteuerte Liberalisierung der Postdienste zum 1. Januar 2011.
Denn der heute angenommene Kompromiss entspricht zwei Konzepten, von denen ich als Liberale viel halte: dem einer offenen Marktwirtschaft, die unvereinbar mit de facto oder de jure bestehenden Monopolen ist, sowie dem der speziellen Interessen der Verbraucher, die von einem wirklichen und fairen Wettbewerb hauptsächlich in Bezug auf die Preise, aber nicht nur in dieser Hinsicht profitieren müssen.
Es gibt nämlich einen weiteren ausschlaggebenden Faktor: die menschliche Dimension. Ich begrüße es, dass in der Abstimmung heute Mittag diese Dimension berücksichtigt worden ist, indem eine soziale Regulierungsklausel eingeführt, die wesentliche Rolle der Postdienste hinsichtlich des sozialen und territorialen Zusammenhalts nochmals unterstrichen und die letzte Entscheidung hinsichtlich der Finanzierung des Universaldienstes den Mitgliedstaaten überlassen wurde.
Dies alles sind positive Signale, die die europäischen Postangestellten beruhigen dürften und ebenfalls ermöglichen dürften, die von bestimmten linken Abgeordneten geschickt aufrechterhaltenen falschen Vorstellungen zu korrigieren: Die Liberalisierung eines Sektors bedeutet nicht seine Privatisierung; diese Richtlinie bedeutet nicht die Schließung von Postämtern!
Martine Roure (PSE), schriftlich. – (FR) Dieser Vorschlag der Kommission ist darauf gerichtet, die Märkte der Postdienste entsprechend dem in der gegenwärtigen Postrichtlinie vorgesehenen Termin bis 2009 vollständig für den Wettbewerb zu öffnen. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission einen Text vorgelegt, der die Finanzierung des Universaldienstes durch den „reservierten Bereich“ beenden und diesen durch neue Finanzierungsinstrumente ersetzen soll.
Ich lehne die vollständige Liberalisierung der Postdienste ab. Denn die Post erfüllt einen öffentlichen Versorgungsauftrag, den wir aufrechterhalten müssen. Daher habe ich einen Änderungsantrag mit unterzeichnet und in der Abstimmung befürwortet, in dem die Wiedereinführung des „reservierten Bereichs“ als Finanzierungsart für den Universaldienst gefordert wird. Gegenwärtig ist nämlich die Beseitigung des „reservierten Bereichs“ wirtschaftlich keineswegs gerechtfertigt. Diese Finanzierungsart, die gegenwärtig sehr gut funktioniert, sollte eine der den Mitgliedstaaten gebotenen Optionen sein.
Da diese Option nicht vom Plenum des Europäischen Parlaments berücksichtigt worden ist, habe ich gegen den endgültigen Text gestimmt, um meine Ablehnung dieser ungerechtfertigten Liberalisierung zum Ausdruck zu bringen.
Peter Skinner (PSE), schriftlich. (EN) Ich kann den allgemeinen Ansatz, der aus den Kompromissvorschlägen der Kollegen von der PSE und anderen in diesem Haus hervorgeht, unterstützen. Mir sind Garantien für die Gewährleistung des Universaldienstes und seiner Finanzierung besonders wichtig. Wenn man bedenkt, welche Auswirkungen das auf unsere Gemeinden haben wird, dann müssen zwei Dinge unbedingt direkt angegangen werden. Erstens, dass sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern und zweitens, dass die ländlichen und abgelegenen Gebiete wie bisher ausreichend versorgt werden. Das sind einige der Herausforderungen, die berücksichtigt werden müssen, wenn der Bericht als ein Dokument ernst genommen werden soll, von dem alle europäischen Bürger profitieren.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. (NL) Der Bericht Ferber ist ein weiterer Bericht über die Liberalisierung von Universaldiensten, in dem die riesige Chance vertan wird, neben dem Freiheitsideal auch den Gleichheitsgrundsatz in einem sozialen Europa zu gewährleisten.
Postdienste dürfen ruhig miteinander in den Wettbewerb treten, aber ob sich dadurch die Qualität verbessert und die Preise sinken, bleibt abzuwarten. Ich halte es für unverantwortlich, dass die neue Richtlinie keine eindeutigen Garantien für die Qualität des so genannten reservierten Bereichs bietet, dass seine Finanzierung unklar bleibt und dass die Sozialvereinbarungen, die in Tarifverträgen verankert sind, nicht zwingend eingehalten werden müssen. Wenn sich der Markt im Jahr 2009 vollständig öffnet, ist ungewiss, ob in entlegeneren Gebieten dieselben Dienstleistungen zum gleichen Preis wie in dicht besiedelten Ballungszentren geboten werden. Das Versenden und Empfangen von Briefen zu einem vernünftigen Preis ist ein Grundrecht.
Erbringer von Postdiensten werden außerdem alles daransetzen, ihre Kosten möglichst gering zu halten, um sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. Feste Arbeitsplätze werden in unsichere Teilzeitjobs umgewandelt. Die Briefträger werden unterbezahlt sein, viele werden entlassen, noch mehr Poststellen droht die Schließung, und binnen kurzer Zeit haben wir neben den roten Briefkästen auch blaue, gelbe und grüne! Ich befürworte den Bericht nicht.
Konrad Szymański (UEN), schriftlich. (PL) Die bürokratischen Hindernisse für Unternehmen, die innerhalb des europäischen Marktes Arbeitnehmer entsenden, sind nichts anderes als eine moderne Form des Protektionismus, der sich vor allem gegen die neuen Mitgliedstaaten richtet, wie der Fall „Vaxholm“ und der Fall „Viking Line“ zeigen.
Diese Entwicklung, die die Grundsätze des gemeinsamen Marktes, des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung gefährden, wird durch die Entschließung nur noch verstärkt. Deshalb habe ich dagegen gestimmt.
Marc Tarabella (PSE), schriftlich. – (FR) Die heutige Abstimmung über die Liberalisierung der Postdienste ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und der Sozialdemokratischen Fraktion in Europäischen Parlament. Dieser Kompromiss bedeutet jedoch eindeutig die endgültige Liberalisierung des letzten Sektors der Postaktivitäten, der noch von den öffentlichen Behörden verwaltet wird, und dies ohne jede Garantie hinsichtlich der Finanzierung des Universaldienstes und der Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze der 1,6 Millionen Postangestellten in Europa. Als Mitglied der PSE-Fraktion und Schattenberichterstatter des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz konnte ich trotz der Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag der Kommission nur dagegen stimmen, dass damit für die Liberalisierung grünes Licht gegeben wird.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die heute mit den Stimmen der Abgeordneten der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, der Sozialdemokraten, der Liberalen und anderer politischer Kräfte verabschiedete Entschließung des Europäischen Parlaments zur Liberalisierung der Postdienste ist für die Beschäftigten des Sektors und darüber hinaus ein schwerer Schlag.
Der Vorschlag ebnet den Weg zur Übertragung der Infrastrukturen und des Sektors der öffentlichen Postdienste insgesamt an Unternehmensgruppen, um deren Profite zu erhöhen.
Das Argument, der Wettbewerb würde zu sinkenden Preisen führen, ist ein Märchen, weil es angesichts der vorgeschlagenen Regelungen für die Abschaffung einheitlicher Preise und die Bedingungen für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes zu Preiserhöhungen und einer Verschlechterung der Postdienste kommen wird.
Die Arbeits- und Sozialrechte der Beschäftigten werden ungerechtfertigt beschnitten, indem flexible Beschäftigungsformen zunehmen, Tarifvereinbarungen ausgehebelt werden, und vieles andere mehr.
Die Einhaltung des rechtsstaatlich geschützten Postgeheimnisses ist nicht gewährleistet, da Sendungen von Privatpersonen befördert werden, ohne jede Garantie und bei sehr geringen Möglichkeiten zu überprüfen, ob das Postgeheimnis und der Schutz personenbezogener Daten gewahrt sind.
Postdienste sind ein soziales Gut.
Die Kommunistische Partei Griechenlands hat gegen den Vorschlag zur Liberalisierung der Postdienste gestimmt.
Bernadette Vergnaud (PSE), schriftlich. – (FR) Durch die Beseitigung des reservierten Bereichs, der die Finanzierung des Universaldienstes als Garantie für qualitätvolle öffentliche Dienstleistungen für alle ermöglichte, sowie durch die mangelnde Harmonisierung aufgrund der den Mitgliedstaaten überlassenen Entscheidung über die Finanzierungsart wird die vollständige Liberalisierung der Postdienste zum Verlust der Solidarität zwischen städtischen und ländlichen Regionen, zur Bereicherung der Aktionäre sowie zur Erhöhung der öffentlichen Verschuldung der örtlichen Gebietskörperschaften führen. Daher habe ich für den Änderungsantrag zur Wiederherstellung des reservierten Bereichs gestimmt, der über 70 % der Europäer zufrieden stellt. Als Mitglied der PSE-Fraktion bin ich für ein „postalisches“ Europa mit modernen öffentlichen Dienstleistungsunternehmen, doch nicht um den Preis des Verlustes von Arbeitsplätzen und der menschlichen sowie regionalen Solidarität.
Das Paradoxe an diesem Vorschlag ist, dass die Liberalisierung ohne eine neue Richtlinie am 1. Januar 2009 in Kraft treten würde. Ein von der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke eingereichter Antrag auf Ablehnung würde das Inkrafttreten dieser Liberalisierung per 1. Januar 2009 bewirken, denn zu diesen Zeitpunkt würde einzig und allein die Richtlinie von 2002 gelten. Daher habe ich diesem Antrag nicht zugestimmt. Hingegen habe ich für den Antrag auf Ablehnung des Textes, der gleichzeitig den Wegfall des Termins 1. Januar 2009 vorsah, gestimmt. Selbstverständlich habe ich gegen den endgültigen Text gestimmt.
Dominique Vlasto (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Es war mein Wunsch, für den von Herrn Ferber erreichten Kompromiss zu stimmen, denn er verbessert den ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission in mehreren Punkten.
So gewährt er den europäischen Postdiensten zusätzliche Zeit, in der sie sich auf die Öffnung für den Wettbewerb vorbereiten können, die nicht wie ursprünglich von der Kommission vorgesehen 2009 erfolgen wird, sondern auf den 1. Januar 2011 verschoben wurde.
Ich habe den Kompromiss auch unterstützt, weil er die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Angestellten des Postsektors schützen wird. Die Marktliberalisierung kann nicht auf Kosten der Arbeitnehmer erfolgen, selbst wenn sie den Verbrauchern Vorteile bringt.
Unsere Zustimmung bringt auch Garantien im Bereich des territorialen Zusammenhalts mit sich, denn sämtliche Nutzer können sicher sein, dass an mindestens fünf Tagen in der Woche auf dem gesamten Unionsgebiet Post abgeholt und zugestellt wird.
Allerdings verbleibt eine beträchtliche Schwierigkeit, die das Hauptproblem der zweiten Lesung darstellen wird. Ich meine die Finanzierung des Universaldienstes. Wir brauchen Finanzierungsmechanismen, die juristisch abgesichert und dauerhaft sind. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Wirtschaftsakteure des Sektors, ohne die ich mich nicht auf eine vollständige Liberalisierung des Sektors festlegen kann.
Colm Burke, Avril Doyle, Jim Higgins, Mairead McGuinness und Gay Mitchell (PPE-DE), schriftlich. (EN) Wir haben gegen die Änderungsanträge 58 (Artikel 14 a (neu)), 59 (Artikel 15 (neu)) und 61 (Absatz 2 a (neu)) gestimmt.
Wir sind der Meinung, dass die sozialen Aspekte der Beschäftigung im Luftverkehr einer Prüfung bedürfen, dass diese jedoch auf der Grundlage der optimalen Verfahren mit adäquaten Recherchen und angemessenen Anhörungen erfolgen sollte. Die Europäische Kommission hat eine entsprechende Studie initiiert. Es empfiehlt sich daher, die Schlussfolgerungen dieser Studie abzuwarten, um festzustellen, ob nach Meinung der Kommission Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene benötigt werden und wenn ja, welche.
Christine De Veyrac (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Dieser Bericht ist wichtig, weil er das Recht des Binnenmarktes für den Luftverkehr modernisiert, um insbesondere eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu erreichen und gleiche Bedingungen für alle Luftfahrtgesellschaften zu schaffen.
Besonders freue ich mich darüber, dass die Änderungsanträge 35 und 61, für die ich gestimmt habe, mit großer Mehrheit angenommen worden sind. Mit dem erstgenannten Antrag wird eine Klarstellung der Vorschriften gefordert, die auf Arbeitnehmer, die in einem anderen Land als dem der sie beschäftigenden Fluggesellschaft eingesetzt sind, anzuwenden sind.
Mit dem zweiten Änderungsantrag wird die Kommission aufgefordert, eindeutige Rechtsvorschriften für diesen Bereich vorzulegen.
Ich halte es in der Tat für wichtig, dass im gegenwärtigen Kontext, in dem der Luftverkehr sich ständig ausweitet und die Gesellschaften Niederlassungen in verschiedenen EU-Ländern eröffnen, das für die Arbeitnehmer dieser Niederlassungen geltende Recht in eindeutiger Form festgelegt wird.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Wir bedauern, dass unsere Änderungsanträge abgelehnt wurden. Darin
- wurde betont, „dass sich die Deregulierung negativ auf die Qualität der Beschäftigung und der Arbeitsbedingungen auswirkt und dass ihre wirklichen Effekte auf Fragen der Sicherheit und der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Flotte bewertet werden sollten“;
- ging es um die Sicherstellung der Wahrung der Arbeitnehmerrechte und des Tarifvertragsrechts:
„Arbeitsverträge und Beschäftigungsbedingungen von Flugzeugbesatzungen richten sich nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und allen damit zusammenhängenden Rechten des Landes, in dem der Arbeitnehmer in der Regel seine Pflichten ausübt und in das er nach Abschluss seiner Tätigkeit zurückkehrt, selbst wenn der betreffende Arbeitnehmer zeitweilig in ein anderes Land entsandt wird.“
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Sozialvorschriften der Gemeinschaft und die nationalen Sozialvorschriften im Bezug auf die Beschäftigten eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft, das seine operationelle Basis außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats hat, in dem dieses Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft seinen Hauptgeschäftssitz hat, ordnungsgemäß angewendet werden.“
Ein weiterer Änderungsantrag von uns garantierte die Einbeziehung von Arbeitnehmervertretungen bei Beschlussfassungen zum Luftverkehrssektor.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. Ich stimme für mehr Preistransparenz bei Flugtickets.
Bislang ist es so gewesen, dass Flugpreise meistens ohne Angaben diverser Kostenfaktoren veröffentlicht worden sind. In Zukunft sollen nun Passagiere bereits während der Buchung Informationen über den tatsächlichen Flugpreis sowie über alle anfallenden Kosten wie Steuern, Flughafengebühren und Buchungskosten im Internet und in Reisebüros erhalten. Dies ist eine wichtige Maßnahme, um dagegen anzugehen, dass falsche Lockangebote und missverständliche Preisauskünfte den Konsumenten zum Kauf eines vermeintlich billigen Angebots bewegen, welches sich im Nachhinein als deutlich teurer als angekündigt herausstellt.
Bezüglich der Sicherheitsabgaben muss der Verbraucher über deren genaue Höhe und Anwendung informiert werden. Sicherheitssteuern und -abgaben müssen transparent sein und dürfen ausschließlich zur Deckung der auf den Flughäfen und während des Fluges an Bord anfallenden Kosten verwendet werden.
David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, der sich mit irreführender Werbung und Informationen für Fluggäste auseinandersetzt. Insbesondere begrüße ich die Tatsache, dass ab sofort alle Flugpreise inklusive aller zusätzlich zum eigentlichen Flugpreis berechneten Steuern, Gebühren und Entgelte, die bei Bekanntgabe der Flugpreise bekannt sind, veröffentlicht werden müssen. Meiner Meinung nach leistet dieser Bericht einen großartigen Beitrag zur Stärkung der Verbraucherrechte.
Marianne Thyssen (PPE-DE), schriftlich. (NL) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! In den Werbekampagnen für Flugtickets gewinnt man den Eindruck, man könne für eine Handvoll Euro durch ganz Europa fliegen. Im Augenblick der Bezahlung kommt dann die Ernüchterung. Plötzlich kommen allerhand zusätzliche Kosten zum Ticketpreis in Form von Gebühren, Zuschlägen und Steuern hinzu. Das Parlament setzt heute diesen üblen Praktiken Grenzen. Das ist eine begrüßenswerte Entwicklung, und deshalb erhält der Bericht des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr meine uneingeschränkte Unterstützung. Der Verbraucher im Luftverkehr hat Anspruch auf einen fairen und transparenten Preis ohne unangenehme Überraschungen. Nach der Einführung zusätzlicher Schutzrechte für die Fluggäste bei Überbuchung, Streichung oder Verspätung ihrer Flüge ergreift das Europäische Parlament einmal mehr die Initiative zum Schutz von Fluggästen. Es kommt jetzt darauf an, dass die Mitgliedstaaten zügig wirksame Sanktionen für den Fall vorsehen, dass die neuen Bestimmungen nicht angewendet werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE), în scris. Am votat pentru raportul DeGutis privind „Regulile comune în domeniul aviaţiei civile” deoarece textul asigură reprezentarea tuturor punctelor de vedere exprimate. Consider pozitiv faptul că va fi asigurată nediscriminarea bazată pe locul de rezidenţă a operatorului de turism sau a pasagerului, deşi regret că nu s-a aprobat nediscriminarea pe baza canalelor de distribuţie. Astăzi, este posibil ca un bilet de avion Bucureşti-Bruxelles pentru acelaşi zbor operat de aceeaşi companie aeriană să coste diferit dacă biletul este cumpărat la Bucureşti, faţă de preţul biletului cumpărat la Bruxelles.
De asemenea, un pas important este protecţia ce va fi asigurată pasagerilor, prin noul text, în caz de faliment al operatorului aerian, situaţie care devine din ce în ce mai posibilă într-o epocă a operatorilor mici.
În altă ordine de idei, din păcate, chiar dacă există reguli privind protecţia pasagerilor în situaţii de întârzieri sau chiar anulări de zboruri, aceştia nu îşi cunosc drepturile şi implicit nu şi le pot apăra. Noi, deputaţii europeni, reprezentăm cetăţenii Europei şi iată că prin acest regulament se asigură condiţii mai bune pentru pasagerii ce utilizează transportul aerian. Avem datoria să ne asigurăm că pasagerii îşi cunosc drepturile şi implicit şi le pot apăra.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht von Frau van den Burg in Reaktion auf das Weißbuch der Kommission zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-2010 gestimmt. Ich begrüße es, dass der Bericht die Kommission zu ihren Prioritäten beglückwünscht: Konsolidierung des europäischen Finanzmarktes, Beseitigung der Hindernisse für den freien Kapitalverkehr und Verbesserung der Kontrolle der Finanzdienstleistungen. Die Konzentrationsrisiken, die Aufmerksamkeit gegenüber neuen alternativen Finanzinstrumenten, der Zugang zu Finanzmitteln, insbesondere zu Mikrokrediten, die Analyse des Systemrisikos von schweren Finanzkrisen u.ä. sind alles Themen, bei denen die europäischen Bürger eine höhere Sicherheit durch die Regulierung und Kontrolle dieser Aktivitäten erwarten. Die unzureichende Finanzkultur der Bürger ist ein weiteres Problem, das Anlass zu Sorge gibt.
Ich gratuliere meinem Kollegen Jean-Paul Gauzès, Verfasser der Stellungnahme des Rechtsausschusses, zu seiner Arbeit. Er unterstreicht zu Recht die Bedeutung von Folgeabschätzungen für sämtliche neuen europäischen Rechtsvorschriften bzw. für erhebliche legislative Änderungen, die von der Europäischen Kommission nur sehr unzureichend durchgeführt werden.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Die beiden Haupttrends auf den Finanzmärkten sind die Konzentration der größten Finanzunternehmer und das exponentielle Wachstum so genannter alternativer Investitionsaktivitäten, also der Derivaten- und Hedge-Fonds-Märkte.
Nahezu 30 große internationale Akteure kontrollieren derzeit das gesamte Geschäft und beherrschen den Markt in der ganzen Welt. Die Konzentration der Finanzgeschäfte auf nationaler Ebene geht zügig voran, wobei die peripheren und kleinen Märkte in den neuen Mitgliedstaaten und in den südlichen Ländern wie z. B. Portugal durch große ausländische Unternehmen dominiert werden.
Der Einsatz von Finanzierungsinstrumenten, die auf ein rein spekulatives Glücksspiel ausgerichtet sind und die große Geldsummen konzentrieren, zum Beispiel Steuerparadiese, die Deregulierung der Hauptmärkte und die schiere Gesetzlosigkeit der Kapitaltransaktionen in der Welt bergen systemische und operationelle Risiken in sich, die zu Wirtschafts- und Finanzkrisen führen.
Die einzigen Nutznießer dieses Prozesses sind die großen multinationalen Konzerne, in Europa mit Unterstützung des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen.
Uns wurde noch immer nicht mitgeteilt, warum Steuerparadiese nicht abgeschafft und warum Kapitalbewegungen nicht besteuert werden.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. (EN) Ich befürworte die Löschung des Wortes „Besteuerung“ aus Ziffer 22, da ich nicht der Meinung bin, dass die Kommission einen geeigneten und realisierbaren Regulierungs- und Aufsichtsrahmen für Besteuerung vorbereiten sollte.
Eoin Ryan (UEN), schriftlich. (EN) Im Großen und Ganzen findet das Weißbuch der Kommission zur Finanzdienstleistungspolitik meine Unterstützung.
Ich befürworte die Maßnahmen, mit denen Hemmnisse für die Entwicklung des EU-Finanzdienstleistungsmarktes beseitigt werden sollen. Hingegen kann ich die Aussage nur schwerlich unterstützen, ein gesetzlicher Rahmen für Renten müsse durch eine harmonisierte Besteuerungsgrundlage gestützt werden. Es wäre nicht klug vom Parlament, eine solche Aussage zu unterstützen, ohne die Ergebnisse der detaillierten technischen Analyse zu kennen, auf die sich der letzte Rat „Wirtschaft und Finanzen“ geeinigt hat. Es ist nicht belegt, dass die Verknüpfung von Renten und harmonisierter Besteuerungsgrundlage gut für die Altersversorgung ist.
Es fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kommission, über die Machbarkeit eines legislativen Rahmens für Besteuerung nachzudenken. Für das Thema Besteuerung sind die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig.
Alternative Investitionsvehikel – Hedgefonds und private Beteiligungspositionen – stellen für die Finanzstabilität der EU keine Gefahr da. Ich bin daher nicht der Meinung, dass wir Rechtsvorschriften für diesen Bereich brauchen. Meines Erachtens müssen wir uns auf die Durchsetzung der geltenden Vorschriften, die Marktdisziplin und die kontinuierliche Überwachung dieses Sektors durch Bankregulatoren konzentrieren. Ich begrüße es, dass die Industrie auf dem jüngsten G8-Treffen einen freiwilligen Verhaltenskodex eingeführt hat.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. (PL) Ich stimme für den Bericht von Frau Ieke van den Burg über die Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-2010 – Weißbuch.
Die Berichterstatterin behandelt wichtige Fragen im Zusammenhang mit der effektiven Bereitstellung von Finanzdienstleistungen auf dem europäischen Kapitalmarkt wie die schwach ausgeprägte Integration der Finanzmärkte für Privatkunden, die Bedeutung der Anforderungen für mobile grenzüberschreitende Nutzer sowie gesamteuropäische Finanzdienstleistungen mit Pilotfunktion wie Renten-, Hypotheken- und Versicherungsprodukte.
Wie die Berichterstatterin richtig feststellt, müssen grundlegende Finanzdienstleistungen allen Bürgern zugänglich gemacht werden. Wichtig sind auch die Verbesserung der Ausbildung in Finanzfragen, die Einbindung der Nutzer in den Entscheidungsprozess sowie die Förderung des Finanzwissens und der Schulung der Verbraucher.
Große Aufmerksamkeit wird in dem Bericht dem Regulierungs- und Aufsichtsrahmen geschenkt, wobei hervorgehoben wird, dass die gegenwärtige Beaufsichtigung einiger komplexer neuer Produkte und ihrer Interaktionen und Auswirkungen auf makroökonomischer Ebene sich als unzureichend erweisen könnte.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Der Berichterstatter hat mit seinem Bericht Vorschläge vorgelegt, die größere Flexibilität mit größtmöglicher Sicherheit kombinieren, und das im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Er macht diesen Vorschlag mit dem Ziel der Beschäftigungssicherheit für Arbeitnehmer und der Standortsicherung und der Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmer.
Es muss aber klargestellt werden, dass Beschäftigungssicherheit nicht mehr einen Arbeitsplatz für das ganze Leben bedeutet, sondern letzten Endes die Möglichkeit, stets Arbeit zu finden. Dafür müssen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das reicht vom lebenslangen Lernen bis zur Schaffung positiver Rahmenbedingungen, so dass etwa Familie und Beruf miteinander vereinbar werden.
Wichtig ist, dass für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategien die Sozialpartnerschaft funktioniert. Das ist national zwar in Ordnung und funktioniert, auf europäischer Ebene gibt es hier aber einen gewissen Nachholbedarf.
Der Bericht insgesamt ist als sehr positiv zu bewerten, daher habe ich für den Bericht gestimmt.
Lena Ek (ALDE). – (SV) Ich unterstütze den Bericht, möchte aber drei grundlegende Punkte anführen, über die im Plenum nicht abgestimmt werden konnte.
Der erste sind die Belange von Kleinunternehmen. Selbstverständlich kann man die Flexibilität und Sicherheit für die Arbeitnehmer erhöhen und dennoch gleichzeitig einfachere Regelungen für Kleinunternehmer schaffen. Der Bericht hat dies in keiner Weise berücksichtigt, was ich zutiefst bedauere.
Der zweite Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist das skandinavische Konzept, oder wie es im Bericht formuliert wird, das skandinavische Beispiel. Es gibt jedoch sehr große Unterschiede zwischen den skandinavischen Ländern. Die ehemalige sozialdemokratische Regierung Schwedens hat nicht genug für Flexibilität und Sicherheit getan, was dazu geführt hat, dass die Situation in Schweden sich deutlich von der in Dänemark unterscheidet. Das gilt insbesondere für die Jugendarbeitslosigkeit, die in Schweden über dreimal so hoch ist wie in Dänemark.
Als dritten und letzten Punkt möchte ich die Sicht auf die Stellung der Frauen anführen, die in einer altmodischen Auffassung von der Gleichstellung zum Ausdruck kommt.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ein nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen stehen im Mittelpunkt der Lissabon-Strategie. Die Modernisierung des Arbeitsrechts ist ein entscheidender Aspekt für den Erfolg und die Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Unternehmen, und sie unterstreicht die Notwendigkeit, sowohl die Arbeitsmarktflexibilität zu fördern als zur gleichen Zeit auch Wert auf Arbeitplatzsicherheit zu legen.
Obwohl ich diesen Bericht unterstützt habe, tat ich dies doch unter dem Vorbehalt, dass es für die Modernisierung des Arbeitsrechts keine Patentlösung gibt und dass insbesondere abgewartet werden muss, wie sich die Gesetzgebung auf die KMU auswirken wird einschließlich eines unnötigen bürokratischen Aufwands. Ich finde auch, dass das Grünbuch zu viel Gewicht auf „normale“ Arbeitsverträge legt und dass darin sowohl die verschiedenen atypischen Arbeitsvereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als auch die Vorteile unterschätzt werden, die beide Parteien davon haben. Das Grünbuch geht auch nicht darauf ein, wie es kommt, dass diese Flexibilität noch nicht durch die Richtlinie über befristete Arbeitsverhältnisse, die Richtlinie über Teilzeitarbeit und die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern gewährleistet wird, die allen Mitgliedstaaten, die diese Richtlinien vollständig umgesetzt haben, einen einfachen, EU-weiten Schutz bieten.
Vor allem aber muss sich jede Reform des Arbeitsrechts sowohl auf die Auswirkungen auf die Beschäftigung als auch auf die Auswirkungen auf die Produktivität konzentrieren.
Koenraad Dillen (ITS). – (NL) Herr Präsident! Meine Partei teilt die Auffassung, dass Flexibilität nicht zu Lasten eines bestmöglichen arbeitsrechtlichen Schutzes der Arbeitnehmer gehen darf, wo immer sie auch beschäftigt sind. Gleichwohl widerstrebt es uns völlig, dass diese soziale Sicherheit auf europäischer Ebene ausgebaut werden soll. Nur zum Schein verweist der Bericht auf das Subsidiaritätsprinzip und die Methode der offenen Koordinierung. Deshalb sagen wir hier klipp und klar, dass jeder Ansatz eines sozialen Schutzes auf europäischer Ebene gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt und diese Europäische Union weiter auf den Irrweg eines zentralistischen Superstaats drängt. Das Subsidiaritätsprinzip beinhaltet, dass die Europäische Union einzig und allein bei der Förderung von grenzüberschreitender Arbeitsmobilität tätig werden kann.
Die Einmischung dieses Parlaments wird weiter durch seinen Appell an die Mitgliedstaaten veranschaulicht, ihren Arbeitsmarkt nicht mehr abzuschotten, sondern für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten völlig zu öffnen. Wir sagen also „Ja“ zu Flexibilität und „Ja“ zu sozialer Sicherheit, aber „Nein“ zu einem europäischen Superstaat, der auch auf diesem Gebiet mitmischen will.
Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie gesehen, wie all unsere Kolleginnen und Kollegen zur Mittagszeit entschwunden sind? Sie haben sogar eine Unterbrechung beantragt, sie haben darum gebeten und dann sind sie alle zum Mittagessen entwischt. Warum schaffen wir das Mittagessen nicht ab? Eine Mahlzeit pro Tag ist genug... Hätten wir das Mittagessen abgeschafft, würden die Mitglieder, die verschwunden sind, erfahren, wie die Rentner in Europa leben. Sie können nur einmal am Tag essen, weil die Renten, die auch aus der Berufstätigkeit resultieren, von der Herr Protasiewicz spricht, so niedrig sind, dass sie nicht mehr als eine Mahlzeit pro Tag erlauben.
In Italien berichten heute alle Tageszeitungen über Rentenerhöhungen, Erhöhungen, die lächerlich sind. Daher wünsche ich mir für die Zukunft, dass eine Mahlzeit der EP-Mitglieder gestrichen wird und die Renten in ganz Europa angehoben werden, obwohl Rentenerhöhungen nicht zu den Aufgaben Europas gehören.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den ausgezeichneten Bericht von Herrn Protasiewicz über das Grünbuch der Kommission zur Modernisierung des Arbeitsrechts gestimmt, die zur Erreichung des Ziels der Lissabon-Strategie erforderlich ist, d. h. zur Erzielung eines nachhaltigen Wachstums, das die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen ermöglicht. Wir müssen die Flexibilität, die eine Voraussetzung für die Anpassung an die Marktvolatilität ist, welche wiederum nur aus der Volatilität der Verbraucher resultiert, unbedingt mit der Sicherheit in Einklang bringen, die einen Grundwert des europäischen Sozialmodells darstellt.
Es ist schon erstaunlich, dass die Europäische Kommission den unbefristeten Arbeitsvertrag als überholt betrachtet, und ich bin froh darüber, dass das Europäische Parlament bekräftigt hat, dass der unbefristete Vollzeitarbeitsvertrag die allgemeine Form des Beschäftigungsverhältnisses ist und als Bezugspunkt gilt.
Des Weiteren müssen die Rolle der Sozialpartnern bei der Reform des Arbeitsmarktes sowie der unbestreitbare Nutzen von Tarifverträgen für die Reform des Arbeitsrechts ständig hervorgehoben werden. Von daher ist es erforderlich, dass die Sozialpartner von den vom gegenwärtigen Vertrag gebotenen rechtlichen Möglichkeiten stärkeren Gebrauch machen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Bei dieser Abstimmung ist es der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten erwartungsgemäß gelungen, einige ihrer Vorschläge durchzudrücken, die eine größere Flexibilität und weniger Rechte für Arbeitnehmer zum Ziel haben. Aus diesem Grunde und entsprechend unserem Standpunkt im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten haben wir gegen diesen Bericht gestimmt.
Es erfüllt uns mit größter Sorge, dass das Parlament erneut einen neoliberalen Kurs einschlägt und auf die Forderungen des Großkapitals eingehend eine weitere Deregulierung des Arbeitsrechts empfiehlt.
Die im Grünbuch der Kommission gesetzten Prämissen stellen, wie dieser Bericht nicht bestreitet, einen schwerwiegenden Anschlag auf die Rechte der Arbeitnehmer dar, die sie sich in jahrhundertelangem Einsatz erkämpft haben. Trotz einiger Widersprüche wird zur Anwendung und zur Ausweitung flexibler Arbeitsverträge angehalten, mit weniger Lohn und weniger sozialen Rechten, längerer Arbeitszeit und einer Verschlechterung der Bedingungen für die soziale Sicherheit und die Altersversorgung der Arbeitnehmer.
Ebenso sehr besorgt sind wir über den eindeutigen Versuch, die Arbeitnehmer in die Irre zu führen, indem alles, was derzeit nicht durchgesetzt wird, sowie das Arbeitsrecht zur Begründung dieser Attacke herangezogen wird. Dabei handelt es sich um einen Versuch, etwas, das derzeit rechtswidrig ist, zu legalisieren.
Den Menschen und den Arbeitnehmern ist diese Lage völlig klar, wie die verschiedenen Demonstrationen gegen diese Politik zeigen, so unlängst erst unter Beteiligung von Tausenden Arbeitnehmern in Guimarães.
Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Der Berichtsentwurf enthält mehrere interessante Ansichten. Zum einen wird in Erwägung N festgestellt, „dass Hunderttausende von Frauen keine andere Wahl haben und irreguläre Beschäftigungsbedingungen akzeptieren müssen, entweder weil sie außerhalb ihres eigenen Haushalts als Hausangestellte arbeiten oder weil sie ältere Familienangehörige versorgen müssen.“
Gleichzeitig werden die skandinavischen Länder an zwei Stellen als Vorbild genannt, was zeigt, dass ein hohes Kündigungsschutzniveau und Standardarbeitsverhältnisse sehr wohl mit einem hohen Beschäftigungswachstum vereinbar sind (Ziffer 13) und dass die spezifische Form einiger in Skandinavien üblichen kollektiven Maßnahmen in Einklang mit dem EG-Vertrag steht und von der Kommission zu respektieren ist (Ziffer 18).
Ich möchte nur unterstreichen, dass die Lage der Frauen auf dem Arbeitsmarkt in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist. Über die Organisierung der Kinder- und Altenbetreuung muss auf der Grundlage von Diskussionen und den Ergebnissen allgemeiner Wahlen in jedem Mitgliedstaat selbst entschieden werden. Ich persönlich bin der Ansicht, dass Schweden auf dem Weg zu einer gleichgestellten Gesellschaft bereits ein gutes Stück vorangekommen ist und ein Beispiel dafür darstellt, wie Frauen in die Lage versetzt werden können, auf den Arbeitsmarkt zu gelangen. Es ist jedoch Sache der Wähler in jedem Mitgliedstaat, darüber zu entscheiden, welches Modell sie in ihrem eigenen Land wünschen.
Marie-Noëlle Lienemann (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe nicht für den Bericht gestimmt, der im Namen der Modernisierung eine neue Etappe der Flexibilität in der Arbeitswelt eröffnen will, wobei eine Flexicurity vorgespiegelt wird, deren Sicherheitsdimension leider faktisch null ist.
Es handelt sich um eine durchgängige, sofortige und feststehende Flexibilität, während die Sicherheit selten, unbestimmt und auf später verschoben ist. Nichts bleibt verschont – weder die Arbeitszeit, die Gehälter, die Garantien, noch die Arbeitsbedingungen. Wir sind Lichtjahre weit von der Verteidigung eines europäischen Sozialmodells entfernt. Wenn Flexicurity gewollt wird, sollten wir mit mehr Sicherheit beginnen, denn den Arbeitnehmern wird zuviel Flexibilität aufgezwungen!
David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, der sich auf die Beschäftigungssicherheit für ein ganzes Arbeitsleben konzentriert, statt einzelne Arbeitsplätze zu schützen. Ich glaube, dass es in der EU leichter werden muss, einen Arbeitsplatz zu finden und von einem Arbeitsplatz zum nächsten zu wechseln.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Ich habe es – wie die gesamte Europäische Linke – abgelehnt, für den Bericht Protasiewicz über Flexicurity zu stimmen, weil der Schutz stabiler Beschäftigung und die Sicherheit der Arbeitnehmer zugunsten der Flexibilität der Beschäftigungsverhältnisse ausgehöhlt werden. Mit dem neuen Begriff Flexicurity wird versucht, neoliberale Zielsetzungen zu bemänteln. Im Namen der Wettbewerbsfähigkeit und des Profits der Unternehmen wird der Stellenabbau erleichtert und für Unternehmen „kostenlos“, während die Kosten für den Schutz junger Arbeitsloser in vollem Umfang auf die Gesellschaft insgesamt abgewälzt werden.
Aus der Verantwortung der Unternehmen für die Arbeitnehmer wird die Verantwortung der Gesellschaft für die Arbeitslosen. Tarifverhandlungen und die Rolle der Gewerkschaften verlieren im Rahmen des neuen Modells drastisch an Bedeutung. Einzelverträge werden immer mehr zur Regel, wodurch die Arbeitgeber leichter Entlassungen vornehmen können, ohne Angabe von Gründen, und die Möglichkeit der Organisation in Gewerkschaften wird radikal beschränkt. Mit ihren Vorschlägen sowohl im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten als auch im Plenum strebt die Europäische Linke im Schulterschluss mit den Gewerkschaften nach Schutz aller Arbeitnehmer, unabhängig, auf Grund welchen Vertrages sie beschäftigt sind.
Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, dass das Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen einen wichtigen Bestandteil des Arbeitsrechts darstellt. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, stabile, reguläre Beschäftigung zu unterstützen und die Rechte der Arbeitnehmer, die arbeitsrechtlichen Normen und ein hohes Maß an sozialem Schutz zu gewährleisten und auszubauen.
Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. (SV) Der politische Inhalt des Berichts ist im Großen und Ganzen gut, aber leider wird zu viel Arbeitsrecht auf die EU-Ebene gezogen. Dabei besteht langfristig die Gefahr einer Unterminierung des nationalen Arbeitsrechts und des schwedischen Modells, da der Schwerpunkt auf dem Markt liegt und die Rechte dominiert. Aus diesem Grunde kann ich nicht für den Bericht stimmen, sondern enthalte mich der Stimme.
Schmidt, Olle (ALDE), schriftlich. (SV) Ich unterstütze den Bericht, möchte aber drei grundlegende Punkte anführen, über die im Plenum nicht abgestimmt werden konnte.
Der erste sind die Belange von Kleinunternehmen. Selbstverständlich kann man die Flexibilität und Sicherheit für die Arbeitnehmer erhöhen und dennoch gleichzeitig einfachere Regelungen für Kleinunternehmer schaffen. Der Bericht hat dies in keiner Weise berücksichtigt, was ich zutiefst bedauere.
Der zweite Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist das skandinavische Konzept, oder wie es im Bericht formuliert wird, das skandinavische Beispiel. Es gibt jedoch sehr große Unterschiede zwischen den skandinavischen Ländern. Die ehemalige sozialdemokratische Regierung Schwedens hat nicht genug für Flexibilität und Sicherheit getan, was dazu geführt hat, dass die Situation in Schweden sich deutlich von der in Dänemark unterscheidet. Das gilt insbesondere für die Jugendarbeitslosigkeit, die in Schweden über dreimal so hoch ist wie in Dänemark.
Als dritten und letzten Punkt möchte ich die Sicht auf die Stellung der Frauen anführen, die in einer altmodischen Auffassung von der Gleichstellung zum Ausdruck kommt.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. (NL) Europa ist erst dann ein soziales Europa, wenn es ihm gelingt, in einem gemeinsamen Markt mit Freizügigkeit ein System von sozialen Mindeststandards für jeden Typ Arbeitnehmer zu verankern. Darum geht es übrigens auch im Grünbuch der Kommission über ein moderneres Arbeitsrecht. Im Bericht Protasiewicz heißt es, bei jeder Reform des Arbeitsrechts solle dem Gleichstellungs- und dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz, der menschenwürdigen Arbeit, dem Schutz aller Arbeitnehmer (ungeachtet der Vertragsform) und der notwendigen Rolle der Sozialpartner und anderer repräsentativer Organisationen der Zivilgesellschaft beim Zustandekommen des Arbeitsrechts Rechnung getragen werden.
Ein verbessertes Arbeitsrecht kann sich an Veränderungen anpassen, Arbeitnehmer schützen und Unsicherheit begrenzen. Wenn das Arbeitsrecht den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden will, dann sind zudem starke Instrumente vonnöten, um die zunehmende Schattenwirtschaft und die Ausbeutung zu zügeln. Der Bericht drängt ferner auf mehr Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten, damit die Rechtssicherheit, beispielsweise bei grenzüberschreitender Beschäftigung, zunimmt.
Ich werde den Bericht unterstützen, obgleich ich einen Hinweis auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit vermisse und es einigen Passagen etwa in Bezug auf Arbeitszeiten, (Zugang zu anstatt Anspruch auf) Ausbildung an der nötigen Schlagkraft mangelt sowie der Zusammenhang zwischen Arbeitsrecht und lebenslangem Lernen und Bildung fehlt.
Konrad Szymański (UEN), schriftlich. (PL) Nachdem die vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten vorgeschlagenen und vom Europäischen Parlament gebilligten Abänderungen in den Bericht aufgenommen wurden, zielt dieser nun darauf ab, diese ausgesprochen unflexiblen arbeitsrechtlichen Regelungen auf breiter Ebene durchzusetzen. Das macht es schwierig, neue Arbeitsplätze zu schaffen, und verdammt viele zu Arbeitslosigkeit.
Zudem werden diese negativen Erfahrungen auf Länder mit einem wettbewerbsfähigeren Arbeitsmarkt übertragen.
Deshalb habe ich den Bericht bei der Abstimmung nicht unterstützt.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Bericht ist das Ergebnis eines weiteren politischen Kompromisses der inzwischen bekannten Koalition aus politischen Vertretern der europäischen Plutokratie: der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, der Sozialdemokraten und der Liberalen, und geht in eine völlig reaktionäre, arbeitnehmerfeindliche Richtung. Der Bericht
erachtet die reaktionären Reformen im Arbeitsrecht für notwendig, um zur Erreichung der Ziele der Lissabon-Strategie beizutragen;
verkündet, dass für die Arbeitnehmer Sicherheit im Erwerbsleben wichtiger ist als der Schutz von Arbeitsplätzen;
akzeptiert und bestätigt die Notwendigkeit flexibler Arbeitszeitmodelle, um den „Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ zu entsprechen;
befördert die Vorstellung von Klassenzusammenarbeit zwischen den „Sozialpartnern“ im Interesse der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen;
versucht, Tarifverträge von einem Instrument zur Verteidigung der Interessen der Arbeitnehmer in ein „Instrument zur Förderung von Sozialpartnerschaft“ zu verwandeln.
Der Bericht unterstützt die der „Flexicurity“ zugrunde liegende Philosophie sowie die Logik und die Zielsetzungen des Grünbuchs.
Die Kommunistische Partei Griechenlands hat gegen den Bericht gestimmt und verurteilt den gefährlichen Versuch der politischen Wortführer der Monopole, der zum Nachteil der arbeitenden Klasse und der Beschäftigten überhaupt unterstützt wird.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Die Realisierung der Europäischen Union bedeutet Realisierung der Wirtschaftskooperationen, und daraus entsteht als Konsequenz freier Arbeitnehmerverkehr, der zunehmend verwirklicht wird. Die Entsenderichtlinie, um die es hier geht, ist dabei das notwendige Steuerinstrument, um Lohndumping auf der einen Seite und Wettbewerbsverzerrungen auf der anderen Seite zu verhindern. Die Überprüfung der Umsetzung dieser Richtlinie durch die Kommission hat aber Probleme bei der Kontrolle der Richtlinie in den Mitgliedstaaten aufgezeigt. Die Richtlinie ist aber nur dann gut und in Ordnung, wenn die notwendigen Kontrollinstrumente auf der Ebene der Mitgliedstaaten tatsächlich funktionieren und Sanktionen vorgesehen sind.
Sollte die Konsequenz der Kommission aus diesem Monitoring sein, die Kontrollen zu reduzieren oder zu vereinfachen, wäre das zweifelsohne der falsche Weg und müsste abgelehnt werden. Vielmehr appelliere ich, dass sichergestellt wird, dass durch die Kontrollen nationale Kollektivvertragsregelungen und nationale Lohnregelungen nicht unterlaufen werden.
Françoise Castex (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Vorschlag für eine Entschließung zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen gestimmt.
Ich bin überzeugt, dass die vollständige Anwendung der Richtlinie 96/71/EG ausschlaggebend ist, um zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen der freien Dienstleistungserbringung und dem Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere vor Sozialdumping, zu gelangen.
Meiner Meinung nach wäre es angebracht, dass in den Mitgliedstaaten, in denen die Richtlinie über Tarifverträge umgesetzt wird, die Sozialpartner direkten Zugang zu Informationen über die Unternehmen erhalten, die Arbeitnehmer entsenden, um in der Lage zu sein, eine wirksame Kontrolle auszuüben.
Des Weiteren fordere ich die Mitgliedstaaten auf, über eine künftige Revision ihrer gesetzlichen Regelungen zu den Definitionen und Instrumenten nachzudenken, um Briefkastenfirmen und Scheinselbständigkeit bekämpfen zu können.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Da die Zahl der Fälle von Ausbeutung der Arbeitnehmer, vor allem Zeitarbeitnehmer, in den verschiedensten EU-Ländern immer mehr zunimmt, ist es enttäuschend, dass das Parlament kein deutliches Zeichen gegenüber der Kommission gesetzt hat, die derzeit kein Ende dieser Erscheinung fordert und auch nicht klar und deutlich die Einhaltung der grundlegenden Mindeststandards für den Arbeitnehmerschutz und der Bedingungen für die Beschäftigung von entsandten Arbeitnehmern verlangt.
In einigen Punkten geht der angenommene Text nicht so weit wie der Text zur Entsendung von Arbeitnehmern, den wir unlängst annehmen konnten, nämlich der Bericht Schröder. Daher stimmen wir dagegen.
Wir sind außerordentlich enttäuscht, dass unsere Vorschläge abgelehnt wurden, insbesondere die Vorschläge, dass das Entsendeunternehmen einen Rechtsvertreter im Gastland haben sollte, dass die notwendigen Dokumente am Arbeitsplatz aufbewahrt werden sollten, dass bei rechtswidrigen Handlungen eine Untersuchung zur Feststellung der Haftpflicht durchgeführt werden sollte und dass die Anwerbung von Arbeitnehmern unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bekämpft werden sollte.
Wir verurteilen aufs Schärfste, dass in der Mitteilung der Kommission mit zweierlei Maß gemessen wird, da Maßnahmen für den Arbeitnehmerschutz als unverhältnismäßig gelten, die ungenügende Umsetzung der Richtlinie infolge der unzureichenden Kontrolle in bestimmten Mitgliedstaaten jedoch nicht als unverhältnismäßig betrachtet und noch nicht einmal geprüft wird.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. (EN) Die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern bietet – ordnungsgemäß umgesetzt – den entsandten Arbeitnehmern einen gewissen Schutz, doch aus Berichten der Kommission geht hervor, dass die Richtlinie in vielen Fällen schlecht eingehalten wird und den Arbeitnehmern deshalb nicht der Schutz zuteil wird, auf den sie Anspruch haben. Das hat zu Sozialdumping und zunehmenden Verschlechterungen geführt. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten eine Voraberklärung seitens des Dienstleistungserbringers verlangen können, um ihm eine Überprüfung der Einhaltung der Beschäftigungsbedingungen zu ermöglichen.
José Albino Silva Peneda (PPE-DE), schriftlich. (PT) Ich unterstütze den Entschließungsantrag, da auch ich der Ansicht bin, dass die Mobilität der Arbeitnehmer in der Europäischen Union gefördert werden muss. Eine höhere Mobilität wird dem Binnenmarkt Auftrieb geben, was wiederum zu größerem Wirtschaftswachstum und zu mehr Arbeitsplätzen führen wird.
Der Binnenmarkt der EU verfügt noch in einigen Bereichen über ein großes Entwicklungspotenzial, insbesondere im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Ausgehend von den recht unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der verschiedenen Mitgliedstaaten vertrete ich nachdrücklich die Auffassung, dass eine Harmonisierung des Arbeitsrechts weder möglich noch wünschenswert ist.
Dennoch sollten meines Erachtens in der gesamten Union Anstrengungen unternommen werden, um eine Einigung über die Definition des Status „Arbeitnehmer“ und „Selbständiger“ zu erzielen. Ebenso notwendig ist es, die korrekte Umsetzung der verschiedenen bereits geltenden europäischen Richtlinien sicherzustellen, insbesondere in Bezug auf die Entsendung von Arbeitnehmern.
Vor allem kommt es darauf an, die Abstimmung und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten auf der Grundlage transparenter Kriterien zu verbessern.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Richtlinie 96/71/ΕG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen sowie die Mitteilungen der Europäischen Kommission (KOM(2006)0159 vom 4. April 2006 und KOM(2007)0304 vom 13. Juni 2007) werden von den Monopolen im Rahmen der arbeitnehmerfeindlichen Politik der EU und den Regierungen der Mitgliedstaaten genutzt, um Tarifverträge und die Lohn- und Sozialrechte der Arbeitnehmer ganz allgemein zu untergraben, um die Profite des Kapitals zu maximieren.
Unserer Ansicht nach sind die in dem besagten Entschließungsantrag zur Entsendung von Arbeitnehmern enthaltenen Vorschläge nicht nur ungeeignet, diese gegen die Interessen der breiten Masse gerichtete Politik aufzuhalten, sondern werden auch von den Monopolen dazu genutzt, mit Hilfe der Entsendung von Arbeitnehmern immer öfter „ungleichen Lohn für gleiche Arbeit“ zu zahlen. Aus diesem Grund hat die Fraktion der Kommunistischen Partei Griechenlands im Europäischen Parlament gegen den Entschließungsantrag zur Entsendung von Arbeitnehmern gestimmt.
Der Präsident. Die Erklärungen zu den Abstimmungen sind geschlossen.
9. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 14.25 Uhr unterbrochen und um 15.05 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
10. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
Es ist mir zunächst eine große Freude, den Präsidenten der Eurogruppe, den luxemburgischen Ministerpräsidenten und Staatsminister Jean-Claude Juncker sehr herzlich zu begrüßen. In gleicher Weise ist es mir eine große Freude, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hier im Europäischen Parlament begrüßen zu dürfen. Das Mitglied der Kommission Joaquín Almunia darf ich auch sehr herzlich begrüßen.
Dariusz Rosati (PSE), Berichterstatter. – (PL) Herr Präsident! Ich freue mich, den nunmehr zweiten Bericht des Europäischen Parlaments über den Jahresbericht der Europäischen Kommission zum Euroraum vorstellen zu dürfen. Der Kommissionsbericht gibt Aufschluss über die wirtschaftliche Lage im Euroraum im Jahr 2007.
Die Ergebnisse des Berichts sind Grund zur Genugtuung. Das Wirtschaftswachstum im Euroraum stieg auf 2,7 % – das beste Ergebnis seit dem Jahr 2000, während die Arbeitslosenquote auf 7,6 % und damit auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren fiel. Gleichzeitig hat der Euroraum bei der Stabilisierung der Weltwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Dieses insgesamt optimistische Bild darf jedoch nicht über bestimmte negative Entwicklungen hinwegtäuschen, auf die wir in unserem Bericht eingehen. Erstens: Die steuerliche Anpassung kommt vor allem in Ländern mit hohen Haushaltsdefiziten zu langsam voran, zumal der Stabilitäts- und Wachstumspakt die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, mittelfristig einen möglichst ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dazu muss in guten Zeiten ein Haushaltsüberschuss erwirtschaftet werden, um in Zeiten der Rezession Rücklagen zu haben. Kritikwürdig ist in diesem Zusammenhang das Verhalten einiger Mitgliedstaaten, die den gegenwärtigen Aufschwung nicht dazu nutzen, um bei den öffentlichen Ausgaben die notwendigen Kürzungen vorzunehmen.
Zweitens: Das Parlament weist darauf hin, dass die guten Durchschnittswerte für den gesamten Euroraum erhebliche Divergenzen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf die wirtschaftliche Lage verdecken. Besorgniserregend ist vor allem, dass die Wirtschaft einiger Länder an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßt, was sehr häufig darauf zurückzuführen ist, dass der Produktivitätszuwachs hinter dem Lohnwachstum zurückbleibt.
Drittens: Wir plädieren für die Fortführung der Strukturreformen, wie sie in den Leitlinien der neuen Lissabon-Strategie gefordert werden. Wir müssen die restlichen Hindernisse auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten schneller abbauen und die Integration der Arbeits- und Finanzmärkte stärker fördern, die für das reibungslose Funktionieren der Euro-Zone eine wichtige Rolle spielen. Wir möchten vor allem auf die rasche Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie hinweisen, was zu einem schnelleren Anstieg der Arbeitsproduktivität und zu einem Rückgang der Inflation im Dienstleistungssektor geführt hat. Das ist insofern sehr wichtig, als der Dienstleistungssektor 70 % des BIP in der Euro-Zone ausmacht.
Viertens: Das Parlament unterstreicht die Bedeutung einer Erweiterung des Euroraums für die Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie der gemeinsamen Währung. Wir begrüßen die Entscheidung, Zypern und Malta in die Euro-Zone aufzunehmen und rechnen damit, dass alsbald weitere Länder folgen werden. Wir möchten darauf hinweisen, dass die Bewertung, ob ein Bewerberland hinreichend auf den Beitritt zur Euro-Zone vorbereitet ist, transparent sein und auf einheitlichen Kriterien basieren muss, an deren wirtschaftlicher Zweckdienlichkeit und politischer Bedeutung kein Zweifel bestehen darf.
Im Zusammenhang damit fordern wir die Kommission und den Rat auf, eine ernsthafte Debatte über die nominalen Konvergenzkriterien in Gang zu setzen.
Abschließend möchte ich hervorheben, wie wichtig eine verantwortungsbewusste Staatsführung und eine intensivierte Koordination der Politikansätze im Euroraum sind, wenn wir die Chancen, die die gemeinsame Währung bietet, voll nutzen wollen. Ich begrüße die Entscheidung der Eurogruppe vom April dieses Jahres zur Verabschiedung von Leitlinien für die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Wir erwarten, dass die Umsetzung dieser Leitlinien strikt überwacht wird. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Juncker der vollen Unterstützung des Parlaments in dieser Frage versichern.
Ich beglückwünsche Kommissar Almunia zu diesem zweiten Kommissionsbericht über die wirtschaftliche Lage im Euroraum und hoffe, dass die nächsten Berichte ebensolch gute Neuigkeiten enthalten wie dieser.
Gay Mitchell (PPE-DE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Es freut mich, dass dieser Bericht gemeinsam mit dem Bericht über den Euroraum erörtert wird. Ich möchte noch hinzufügen, dass der Bericht, den ich vorstelle, vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung einstimmig angenommen wurde.
Beginnen möchte ich mit der wirtschaftlichen Lage. Seit 2006 ist die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone zu einem selbsttragenden Prozess geworden, wobei die Binnenmarktnachfrage Hauptmotor dieses Prozesses ist. 2006 wurden zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen, und die Arbeitslosenquote sank von 8,4 % auf 7,6 %. Im Zusammenhang mit dieser Erholung möchte ich die Hauptpunkte dieses Berichts hervorheben. Vor dem Hintergrund der kürzlich festzustellenden Erholung sind weitere Zinsanhebungen mit Vorsicht vorzunehmen, damit das Wirtschaftswachstum nicht gefährdet wird. Es kommt wesentlich darauf an, dass die Löhne nach Maßgabe der Produktivitätsentwicklung steigen, um die Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten zu erhalten und die Schaffung von Arbeitsplätzen in einem inflationsfreien Umfeld zu ermöglichen. Die Haushaltskonsolidierung ist von zentraler Bedeutung und in wirtschaftlich günstigen Zeiten umso notwendiger, um ein längerfristiges Wachstum zu erreichen.
In dem Bericht wird vermerkt, dass seit der Einführung der Eurozone kleinere Volkswirtschaften bessere Leistungen erzielt haben als größere Volkswirtschaften, wobei insbesondere Irland, Finnland, Griechenland, Luxemburg und Spanien eine höhere durchschnittliche Wachstumsrate zu verzeichnen haben als der Durchschnitt der Eurozone. Aus diesen Entwicklungen können vielleicht manche Lehren gezogen werden. Im Bericht wird Besorgnis über den anhaltenden Wertzuwachs des Euro gegenüber den meisten bedeutenden ausländischen Währungen geäußert. In Artikel 111 des Vertrags wird die Zuständigkeit der Wechselkurspolitik dem Rat übertragen, wobei jedoch nicht ausgeführt wird, mit welchen Mitteln diese Zuständigkeit wahrzunehmen ist.
Es werden die Eurogruppe, der Rat und die EZB ersucht, ihre jeweiligen Zuständigkeiten umfassend wahrzunehmen und zu koordinieren. Darüber hinaus wird die EZB aufgefordert, die Entwicklung der Verwendung des Euro als Reservewährung durch die Zentralbanken aufmerksam zu beobachten und im Rahmen ihres Jahresberichts über die internationale Rolle des Euro eine Quantifizierung und Analyse dieser Entwicklung vorzulegen und dabei ihre Folgen insbesondere für den Wechselkurs zu untersuchen. Herr Trichet wird sich noch gut erinnern, dass ich ihn jedes Mal, wenn er in den letzten zwei Jahren im Ausschuss für Wirtschaft und Währung erschien, auf die Frage der Immobilienpreise angesprochen habe. Dieses Thema liegt mir immer noch sehr am Herzen. Daher wird die EZB im Bericht aufgefordert, diese Entwicklung sorgfältig zu beobachten, da sie möglicherweise Auswirkungen auf die realwirtschaftlichen Größen hat. Zudem enthält der Bericht die Aufforderung an die EZB, Lösungsansätze mit entsprechenden Vorteilen vorzulegen, wie etwa Einbindung von Immobilien in den harmonisierten Verbraucherpreisindex oder Ausarbeitung eines spezifischen Indikators oder Vorlage von Vorschlägen für besondere Maßnahmen auf nationaler Ebene aufgrund von Ungleichheiten zwischen nationalen Märkten.
Ich werde später noch auf die Formel der Federal Reserve Bank eingehen. Vielleicht ist es an der Zeit, eine EZB-Formel zu entwickeln, um Prognosen zur wahrscheinlichen Auswirkung der Anhebung der Zinssätze auf die Immobilienpreise zu ermöglichen. Darüber hinaus spreche ich in meinem Bericht die Frage der Kreditvergabe an Schuldner mit geringer Kreditwürdigkeit an und schlage vor, aus den potenziellen Schwierigkeiten, die die Wirtschaft der USA mit dieser Form der Kreditvergabe hat, zu lernen.
Kurz möchte ich noch auf eine Frage eingehen, die besonders für Irland von Belang ist, die aber auch für andere Mitglieder der Eurozone von Interesse sein könnte. Im letzten Jahr sagten die Immobilienmakler in Irland folgende Anstiege der Immobilienpreise voraus: Hook and McDonald gingen von 9 %, Sherry Fitzgerald von 8 % bis 10 % und Friends First und die IIB von 7 % aus, während die Allied Irish Banks einen Anstieg von 3 bis 6 % prognostizierten. Aus dem aktuellen Irish Permanent tsb/ESRI-Index geht hervor, dass die Immobilienpreise zwischen Januar und Mai 2007 aber stattdessen um 2,1 % fielen und in Irland von einem weiteren Preisrückgang auszugehen ist. „Sub-prime lending“ – also die Kreditvergabe an Personen mit geringem oder unregelmäßigem Einkommen oder solche, die in der Vergangenheit Probleme bei der Kreditrückzahlung hatten – wird Hochrechnungen zufolge in diesem Jahr in Irland auf einen Umfang von 4 Milliarden Euro anwachsen. Wenn der Durchschnittskredit zwischen 200 000 und 400 000 EUR betrug, gab es allein in Irland zwischen 10 000 und 20 000 Kreditverträge dieser Art. Diese Form der Kreditvergabe ist auf dem irischen Markt noch relativ neu und erfordert im Allgemeinen einen doppelt so hohen Hypothekensatz, um den Kreditgebern für das höhere Risiko einen, wie sie selbst ihn nennen, „Ausgleich“ zu verschaffen. In einem Fall hat eine in Irland tätige Kreditanstalt seit 2005 bereits 30 Häuser wieder in Besitz genommen.
Auch in Großbritannien gibt es Anzeichen dafür, dass das „sub-prime lending“ Sorgen bereitet. Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass die Federal Reserve Bank in den USA über eine Formel verfügt. Einem ehemaligen Ökonomen dieser Bank zufolge gibt diese Formel an, dass die Preise üblicherweise, wenn die Immobilienpreise mehrere Jahre lang durch niedrige Zinssätze in die Höhe getrieben wurden, bei einem Anstieg der Zinssätze ungefähr 18 Monate bis zwei Jahre danach zu fallen beginnen. Meines Erachtens sollte sich die EZB an diese Formel halten und eine eigene Formel entwickeln, weil wir es momentan denen, die in der Branche tätig sind, überlassen, Prognosen zu erstellen. Und das sind in der Branche nun einmal diejenigen – Finanzinstitute usw. –, die am meisten davon profitieren.
Die Kommission wird im Bericht aufgefordert, die Qualität der Kontrollen an Off-Shore-Standorten von Hedgefonds zu bewerten. Es wird noch einmal auf die bereits angesprochenen Punkte in Bezug auf die demokratische Aufsicht und die Notwendigkeit der Veröffentlichung zusammenfassender Protokolle eingegangen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Zinssätze für Überziehungskredite innerhalb der Eurozone zwischen 7 % und 13,5 % liegen, was von der EZB bewertet werden sollte.
Gegen Ende des Berichts wird darauf hingewiesen, dass letztes Jahr 11,3 Milliarden Banknoten im Wert von 628,2 Milliarden Euro im Umlauf waren, wobei das Wachstum der Zahl der Banknoten im Wert von 50 Euro, 100 Euro und 500 Euro Anlass zu Besorgnis gibt, da allein die Anzahl der 500-Euro-Scheine um 13,2 % gestiegen ist. In meinem Bericht wird mit Unterstützung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Zusammenhang mit der Verwendung dieser hohen Banknotenwerte das Problem krimineller Aktivitäten angesprochen, was eine weitere Prüfung durch die EZB erfordert. Ich hoffe, dass Herr Trichet auf diesen Bericht eingehen kann und vor allem – nicht heute, aber vielleicht über einen gewissen Zeitraum hinweg –, meinen Vorschlag einer sich am Beispiel der Federal Reserve Bank orientierenden EZB-Formel in Erwägung ziehen kann, damit die wahrscheinlichen Auswirkungen einer Anhebung der Zinssätze auf die Immobilienpreise in den Mitgliedstaaten der Eurozone ganz genau gemessen werden können.
Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Eurogruppe. (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Präsident der Europäischen Zentralbank, Frau Ausschussvorsitzende, meine Herren Berichterstatter, sehr geehrte Damen und Herren!
Wir haben in Europa die inhaltliche Diskussion durch einfache Feststellungen ersetzt. Wir werden in das Parlament eingeladen – von dem kaum etwas zu sehen ist –, in das so genannte Plenum, und es wird, wie ich feststelle, über die Bedingungen des täglichen Lebens der Europäer gesprochen, was natürlich zur Glaubwürdigkeit unserer Institutionen beiträgt.
Die europäischen Zeitungen, insbesondere die dieser Woche, berichten über die Gespräche, die auf einer kürzlichen Zusammenkunft der Eurogruppe mit einem abendlichen Besucher, den wir zu empfangen die Freude hatten, geführt worden sein sollen. Ich las eine Zusammenfassung dieser langen Debatten in Leitartikeln, die kaum 25 Zeilen ausmachen, und wir beklagen uns, dass die Europäer schlecht über die europäische Realität informiert sind! Sei es drum!
Hingegen kann ich mit Vergnügen feststellen, dass es zwischen der Substanz des Berichts unseres Freundes Rosati und unseren gemeinsamen Überlegungen in der Eurogruppe, abgesehen von einigen Nuancen, kaum Unterschiede gibt, denn nach unserem gemeinsamen Befund ist das Wachstum in Europa wieder im Ansteigen begriffen, es weitet sich aus, es setzt sich fort, wobei die wesentliche Frage darin besteht, ob wir in einigen Monaten sagen können, dass dieser anhaltende Wiederaufschwung, dieser Wachstumsanstieg die Behauptung zulässt, dass sich das Wachstumspotenzial der Europäischen Union und insbesondere des Euroraums wesentlich verstärkt hat. Wir sind darin einig, dass das Ausmaß der Unterbeschäftigung, der Arbeitslosigkeit abgenommen hat. Wir haben den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit sehr langer Zeit. Daran besteht kein Zweifel. Gleichwohl bleibt hervorzuheben, dass die Europäische Union, die ein Beispiel für die Welt sein will, aber immer noch eine strukturelle Arbeitslosigkeit von über 7 % aufweist, keinen Grund hat, Beifall von anderen zu erwarten oder von sich zu behaupten, sie hätte das Phänomen der Arbeitslosigkeit auf unserem Kontinent besiegt.
Die Defizite verkleinern sich. Zwischen 2005 und 2006 war eine deutliche Verbesserung des Zustandes der europäischen öffentlichen Finanzen festzustellen. Dies gilt insbesondere für das Defizit. Sein Stand sank von 2,5 im Jahr 2005 auf 1,6 im Jahr 2006, was deutlich macht, dass sich die korrektive Komponente des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspaktes bewährt hat – trotz der Warnungen aller Art, die wir im Zusammenhang mit der Änderung des Paktes erhielten.
Allerdings haben wir in Bezug auf die präventive Komponente des Pakts noch Mühe, die gleichen Erfolge zu erzielen wie die bei der Sanierung der öffentlichen Finanzen mit dem korrektiven Teil des Paktes. Für uns, die Mitglieder der Eurogruppe – wir sind gegenwärtig 13 und werden vom 1. Januar an 15 sein –, steht weiterhin die Effizienz der Politiken im Vordergrund, die umgesetzt werden müssen, damit die präventive Komponente des Paktes sich wirklich entwickelt und in Schwung kommt.
Wenn es der Wirtschaft gut geht, wenn die Wachstumsraten zu so großer Befriedigung Anlass geben, wenn das Wirtschaftswachstum wieder anzieht, dann versteht es sich von selbst, dass diese Zeiten – die wir auf Franglais „good times“ nennen – genutzt werden müssen, um die strukturellen Defizite unserer öffentlichen Finanzen nach unten zu korrigieren. Daraus ergibt sich die Bedeutung, die wir der raschen Erreichung des mittelfristigen Ziels beimessen, was beinhaltet, dass die Mitgliedstaaten des Euroraums ihre Bemühungen verstärken müssen, um fristgemäß ihr mittelfristiges Ziel zu erreichen.
Wie Ihnen nicht entgangen sein wird, ist zu diesem Punkt auf dem informellen Treffen der Eurogruppe am 20. April in Berlin ein bindender Beschluss gefasst worden, denn wir haben festgelegt, dass alle Mitgliedstaaten das mittelfristige Ziel bis 2008 bzw. 2009 erreichen sollen. Einigen von ihnen gelang es, einen Aufschub bis 2010 zu erreichen, ohne dass ihre jeweiligen Fälle im Einzelnen geprüft wurden. Es war jedoch niemals die Rede davon, dass die Frist bis 2012 verlängert wird. Dies war auch der Hauptpunkt, als wir neulich, am Wochenanfang, ein Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten hatten, der gekommen war, was zu begrüßen ist, um uns in der Eurogruppe die neuen Orientierungen und die neuen Ziele der französischen Wirtschafts- und Haushaltspolitik zu erläutern. Wir befürworten ausdrücklich das eingeleitete Reformpaket, denn es handelt sich um von der Regierung und dem französischen Präsidenten gewollte Strukturreformen, doch wir verweisen mit Nachdruck darauf, was wir von Frankreich erwarten und fordern: Es muss wie die anderen Mitgliedstaaten der Eurozone das Halbzeitziel erfüllen, das wir für den 1. Januar 2010 festgelegt haben. Diese Bemerkung ist an Frankreich gerichtet, doch sie kann leicht auch auf südlicher gelegene Länder zutreffen und ökumenisch gesehen, auf alle Mitgliedstaaten der Eurozone. Doch wir haben Zusagen erhalten bezüglich einer Verringerung des Defizits von 2008 gegenüber 2007, bezüglich des von den französischen Behörden akzeptierten Grundsatzes, dass alle konjunkturbedingten Mehreinnahmen im Vergleich zu den Haushaltsansätzen für den Abbau des Defizits und der Verschuldung eingesetzt werden.
Wir sind alle der Meinung, denn dies ist ein Thema, das die Presse sowohl in Frankreich als auch jenseits des Rheins beschäftigt – wir befinden uns ja in Straßburg –, dass kein Land letzten Montag im Rahmen der Eurogruppe in keiner Arbeitssprache der Europäischen Union versucht hat, die Unabhängigkeit der EZB in Frage zu stellen. Falls sich im Übrigen dies jemand erlauben sollte, dann würde es nicht ausreichen, einem unangebrachten Gedanken beredten Ausdruck zu verleihen, sondern es müssten auch die Verträge eingehalten werden. Wir haben eine unabhängige Zentralbank gewollt, und wir haben eine unabhängige Zentralbank bekommen. Sie wird selbstverständlich eine unabhängige zentrale Währungsbehörde bleiben.
(Beifall)
Der starke Euro ist ein weiteres viel debattiertes Thema. Doch es ist nicht festzustellen, dass die Minister der Eurogruppe unter den gegenwärtigen Umständen oder gar heute behaupten, dass der starke Euro das Wirtschaftswachstum im Euroraum beeinträchtigen könnte. Wir denken vielmehr, dass die Mitgliedstaaten, denen diese Stärke der europäischen Währung gegenüber der Außenwelt, die Ausdruck der Intensität des Wirtschaftsaufschwungs in Europa ist, zu schaffen macht, intern durch die Einleitung der notwendigen Strukturreformen dafür sorgen sollten, dass ihr einzelstaatliches Wirtschaftssystem, d. h. ihre System unter der Eurozone, wettbewerbsfähiger wird.
Ich habe die Ausführungen Ihres Berichterstatters in seinem Bericht zu den Auswüchsen bei bestimmten Elementen der Lohnpolitik aufmerksam zur Kenntnis genommen. Eine Vielzahl von Managern erhält Vergütungen, die in keiner Weise den wiederholten Appellen sowohl der Bank als auch der Eurogruppe zu einer wohlverstandenen Lohnmäßigung entsprechen, d. h. einer Lohnmäßigung, die dem Tempo der Produktivitätssteigerungen angemessen ist. Man darf sich nicht wundern, dass die europäischen Arbeitnehmer ein Europa nicht mehr verstehen, in dem die einen Unsummen ohne viel Arbeit, gemessen an dem dafür erforderlichen Arbeitsaufwand, verdienen, und die anderen sich damit abfinden müssen, die von uns an sie gerichteten Appelle zur Lohnmäßigung zu akzeptieren, zu erdulden. (Beifall) Was sich hier anfängt breitzumachen, ist wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit. Darauf müssen wir reagieren.
Ich stimme Ihrem Berichterstatter darin zu, dass die externe Vertretung des Euroraumes stärker und einheitlicher gestaltet werden sollte, ohne damit jedoch sagen zu wollen, ich hätte seine Absicht in allen Einzelheiten verstanden, wenn er für eine Einzelvertretung der Eurozone auf internationaler Ebene eintritt.
Trotz seiner Qualitäten wird es Jean-Claude Trichet nicht gelingen, zu erreichen, dass ich mich von der europäischen Bühne zurückziehe. Dort bin ich, und dort bleibe ich. Und ich meinerseits habe keinerlei Ambition, keinerlei Neigung, die mich veranlassen würde, den Rücktritt des anderen Jean-Claude zu forcieren. Wer von uns beiden sollte im Übrigen auf die Idee kommen, die Kommission aus der externen Vertretung der Eurozone zu verdrängen? Die externe Vertretung der Eurozone kann einheitlich sein, auch wenn wir zu dritt sind, sofern Einigkeit unter den drei die Eurozone nach außen vertretenden Partnern besteht. Und diese Einigkeit besteht. Jeder weiß genau, dass wir in den wesentlichen Punkten der internen wie externen Geldpolitik genau dieselben Ideen und Ansichten vertreten.
Ich habe mich, Herr Präsident, in meinen Ausführungen auf das Wesentliche beschränkt, denn dazu veranlasst mich Ihre Geschäftsordnung, die ich besonders streng empfinde, wenn es darum geht, auf anschaulichere Art von den wesentlichen und, wie das Parlament häufig sagt, tagtäglichen Problemen der Europäer zu sprechen.
Jean-Claude Trichet, EZB. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen heute den Jahresbericht 2006 der Europäischen Zentralbank vorzulegen. Er ist ein wichtiges Instrument, um gegenüber den Bürgern Europas, ihren gewählten Vertretern, dem Parlament, Rechenschaft über die Währungspolitik und unsere Tätigkeit in unseren Zuständigkeitsbereichen abzulegen.
Ich werde Ihnen zunächst einen kurzen Überblick über die wirtschaftlichen und geldpolitischen Entwicklungen im Jahr 2006 geben und die geldpolitischen Maßnahmen der EZB erläutern. Danach möchte ich einige Anmerkungen zur Finanzmarktstabilität sowie zum Thema Zahlungsverkehrssysteme machen.
(EN) Ich werde mit den Wirtschafts- und Währungsfragen beginnen. Im Jahr 2006 konnte die Geldpolitik der EZB weiterhin die mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen auf einem mit der Preisstabilität vereinbaren Niveau verankern, was die Glaubwürdigkeit der EZB bei der Durchführung ihrer Geldpolitik widerspiegelt. Wie der Berichterstatter bereits sehr eindringlich darlegte, verzeichnete die Wirtschaft der Eurozone 2006 das größte Wachstum seit dem Jahr 2000. Trotz der Auswirkungen der hohen und schwankenden Ölpreise stieg das reale BIP um 2,9 % an, im Vorjahr waren es nur 1,5 % gewesen. Der wirtschaftliche Aufschwung weitete sich im Laufe des Jahres 2006 allmählich aus, und wurde mit der Zeit immer mehr zu einem selbsttragenden Prozess, wobei die Binnenmarktnachfrage Hauptmotor dieses Prozesses ist. Die jüngsten Daten und Erhebungen sind nach wie vor weitgehend positiv und stützen somit die Einschätzung, dass die Konjunktur im Eurogebiet auch im zweiten Quartal 2007 eine erfreuliche Entwicklung nahm. Auch die mittelfristigen Perspektiven sind günstig, und es sind die Bedingungen für ein anhaltendes nachhaltiges Wachstum in der Eurozone vorhanden.
Was die Preisentwicklung betrifft, so betrug die jährliche HVPI-Inflationsrate im Jahr 2006 durchschnittlich 2,2 % und wies somit im Vergleich zum Vorjahr keine Änderungen auf. Sie lag damit über der Zielmarke des EZB, wonach die Inflation mittelfristig bei knapp unter 2 % zu halten ist. Obwohl dieses Ergebnis im Wesentlichen den Anstieg der Öl- und Rohstoffpreise widerspiegelt und die Inflation im ersten Halbjahr 2007 etwas weniger als 2 % betrug, besteht kein Grund zur Selbstzufriedenheit.
Die mittelfristigen Aussichten für die Preisstabilität sind nach wie vor Aufwärtsrisiken unterworfen. Da die Kapazitätsauslastung der Wirtschaft im Euroraum hoch ist und die Lage auf den Arbeitsmärkten sich allmählich bessert, ergeben sich Zwänge, die vor allem zu über unseren Erwartungen liegenden Lohnentwicklungen führen könnten. Darüber hinaus könnte der Druck der Preisgestaltung in Marktsegmenten mit geringem Wettbewerb in einem solchen Umfeld zunehmen. Unsere Einschätzung, dass in Sachen Preisstabilität die Aufwärtsrisiken überwiegen, hat sich im gesamten Zeitraum von Anfang 2006 bis Mitte 2007 durch die Gegenprüfung der wirtschaftlichen Analyse anhand der monetären Analyse bestätigt. Die deutliche Dynamik des Währungs- und Kreditwachstums in den Jahren 2006 und 2007 spiegelte einen anhaltenden Aufwärtstrend des fundamentalen Geldmengenwachstums wider, was ebenfalls zur Anhäufung von Liquidität beitrug.
Um den Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität, die in den wirtschafts- und währungspolitischen Analysen der EZB ermittelt wurden, zu begegnen, hat der EZB-Rat, wie Sie wissen, den geldpolitischen Kurs seit Ende 2005 in acht Schritten allmählich angepasst. Wie ich am vergangenen Donnerstag bei der Erläuterung der Einschätzung des EZB-Rats sagte, ist die Geldpolitik der EZB nach den Anpassungen der Leitzinsen nach wie vor akkommodierend, mit insgesamt günstigen Finanzierungsbedingungen, kräftigem Geld- und Kreditwachstum und hoher Liquidität im Eurogebiet. Durch entschiedenes und rechtzeitiges Handeln wird nach wie vor langfristig Preisstabilität gewährleistet. Der EZB-Rat wird weiterhin alle Entwicklungen genauestens verfolgen, damit die Risiken nicht mittelfristig zum Tragen kommen.
Was die Haushaltspolitik angeht, teilt die EZB die im Entschließungsentwurf geäußerte Auffassung, dass die Haushaltskonsolidierung wesentlich und gerade in wirtschaftlich guten Zeiten besonders notwendig ist, um ein längerfristiges Wachstum zu erzielen. Für den EZB-Rat muss ich, wie bereits vom Berichterstatter und vom Präsidenten der Eurogruppe sehr richtig gesagt wurde, bekräftigen, wie wichtig es ist, dass alle Regierungen die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Haushaltskonsolidierung einhalten und dass alle betroffenen Länder ihren Verpflichtungen nachkommen, die sie bei der Sitzung der Eurogruppe in Berlin am 20. April 2007 eingegangen sind. Wie in Berlin vereinbart, könnten die meisten Länder des Euroraums, wenn sie sich die günstige Konjunkturentwicklung zunutze machen, ihre mittelfristigen Ziele im Jahr 2008 oder 2009 erreichen, wobei sie alle anstreben sollten, diese spätestens 2010 zu verwirklichen.
Ich muss sagen, dass wir es auch sehr begrüßen, dass der ECOFIN-Rat die Maßnahmen zur Verbesserung von Qualität und Effizienz der öffentlichen Finanzen so sehr hervorhebt.
Ich komme nun zur Strukturpolitik. In dem vom ECON-Ausschuss angenommenen Entschließungsantrag wird mehrmals auf die wirtschaftlichen Unterschiede, die innerhalb der Eurozone bestehen, eingegangen. Zunächst möchte ich hervorheben, dass das Inflationsgefälle zwischen den Ländern des Euro-Währungsgebiets nicht mehr so groß und historisch betrachtet eher gering ist. Die Höhe der aktuellen Inflation und die unterschiedlichen Ergebnisse, die wir momentan haben, ähneln denen, die zwischen den verschiedenen Regionen und Bundesstaaten der USA bestehen, deren Wirtschaftsraum kontinentale Ausmaße und damit eine ähnliche Größenordnung wie der unsere aufweist. Andererseits bedeutet eine einheitliche Währung auch eine einheitliche Geldpolitik und einen einheitlichen Wechselkurs gegenüber anderen Währungen. Daher ist es umso wichtiger, zu gewährleisten, dass alle nationalen Mechanismen zur Anpassung an Schocks perfekt funktionieren. Das effiziente und reibungslose Funktionieren der wirtschaftlichen Anpassungen innerhalb der Eurozone erfordert die Beseitigung von institutionellen Barrieren, die flexible Lohn- und Preisbildungsmechanismen behindern, sowie die Vollendung des Binnenmarkts und daher einen verstärkten grenzüberschreitenden Wettbewerb. Wohldurchdachte Strukturreformen, die von den nationalen Regierungen umgesetzt werden, sind in der Tat unerlässlich, wenn das Funktionieren der Waren-, Arbeits- und Finanzmärkte gewährleistet und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden soll.
Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass ein freier und unverfälschter Wettbewerb das langfristige Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördert und die Wahrung der Preisstabilität in der Eurozone ermöglicht.
Ich möchte noch kurz auf die Finanzmarktstabilität eingehen, die, wie ich weiß, dem Parlament sehr am Herzen liegt. Wir erkennen die positive Rolle an, die Hedgefonds bei der Erhöhung von Effizienz und Liquidität auf den Finanzmärkten spielen. Wir sollten uns allerdings auch darüber im Klaren sein, dass Hedgefonds zugleich eine Risikoquelle für die Stabilität des Finanzsystems sein können. Vor diesem Hintergrund ist der Bericht über Highly Leveraged Institutions (HLI), der im März 2007 auf Wunsch der G8 vom Forum für Finanzmarktstabilität veröffentlicht wurde, sehr willkommen. Er enthält einige Empfehlungen an die Aufsichtsbehörden, Gegenparteien der Hedgefonds und Investoren sowie die Hedgefondsbranche selbst, denen ich mich voll und ganz anschließe. Was die Rolle angeht, die die Branche spielen muss, so werden wir mehr denn je den Vorschlag befürworten, dass sich der Hedgefonds-Sektor an hohen fachlichen Standards orientieren soll und dass von der Branche vorgegebene Benchmarks ein geeignetes Instrument zur Verfolgung dieses Ziels wären. In dieser Hinsicht stellt die jüngste Initiative der Branche zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Prüfung bewährter Verfahren eine willkommene Entwicklung dar, und ich sehe dem Ergebnis dieser Arbeit erwartungsvoll entgegen.
Bei meinen abschließenden Bemerkungen geht es um die Integration von Zahlungssystemen in Europa. Ich habe mit Zufriedenheit festgestellt, dass der Ansatz des Einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums und des Projekts TARGET 2 sehr positiv ist und wir im Eurosystem weiterhin unsere entsprechende Rolle spielen werden.
Was das Wertpapierabwicklungssystem T2S angeht, so haben wir ein Governance-Modell für die Entwicklungsphase eingeführt, das durch die Einrichtung einer Beratungsgruppe für T2S, in der alle Marktakteure vertreten sind, sämtliche interessierten Kreise einbeziehen wird. Im April 2007 haben wir eine offizielle öffentliche Konsultation über die Grundsätze und Vorschläge im Zusammenhang mit dem Projekt T2S in die Wege geleitet. Die erste vorläufige Beurteilung der Stellungnahmen zeigt, dass das Echo im Allgemeinen positiv ausgefallen ist. Zu 67 Vorschlägen gingen insgesamt 3200 Stellungnahmen von 56 Instituten ein, wobei in 60 % dieser 3200 Stellungnahmen völlige Zustimmung zu den Vorschlägen geäußert wurde, während nur 6 % völlige Ablehnung zum Ausdruck brachten. Sämtliche Rückmeldungen wurden veröffentlicht und werden sehr sorgfältig geprüft.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Präsident der Europäischen Zentralbank, meine Damen und Herren! Ich halte es für sehr begrüßenswert, dass wir erstmals diese Aussprache über die Lage des Euro-Währungsgebiets führen. Sie ist die zweite, die wir nach der ersten im Anschluss an den ersten Bericht der Kommission über den Euroraum und gleichzeitig den Bericht über die Europäische Zentralbank abgehalten haben, die zu einem umfassenden Denkprozess über die Lage der Eurozone, dem Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion und den Zukunftsaussichten führte.
Ich muss Herrn Rosati und Herrn Mitchell für die hervorragenden Berichte danken, die sie uns vorgelegt haben, und dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung für seine Arbeit in der Debatte über die Vorschläge, die wir heute hier beraten.
Das ordentliche Funktionieren der Eurozone ist für unsere Bürger eine Sache von entscheidender Bedeutung. Ich muss Ihnen jedoch gleich zu Beginn sagen, mir bereitet es Sorge, dass viele europäische Bürger, die täglich in Euro rechnen und zahlen, keine große Zufriedenheit mit der Einheitswährung äußern, obwohl sich die Wirtschaft des Euroraums eindeutig erholt, das Wirtschaftswachstum über unserem Potenzial – und über dem der Vereinigten Staaten – liegt, die Eurozone von einem Aufschwung profitiert, der, wie Herr Trichet gesagt hat, auf der Binnennachfrage basiert, was vor einigen Jahren noch nicht der Fall war.
Es ist ein Aufschwung mit Investitionen, die sehr zufrieden stellend wachsen und künftige Verbesserungen unserer Wirtschaft ankündigen, und mit einer Wirtschaft, die zur Schaffung von – im letzten Jahr – zwei Millionen Arbeitsplätzen in den Ländern der Eurozone beiträgt. Und dies alles mit einer praktisch ausgewogenen Handelsbilanz, einer derzeitigen Inflationsrate von unter 2 % und einer Stabilität, die sich jedes Wirtschaftsgebiet der Welt wünschen würde.
Ich glaube, dass alle, die Kommission natürlich, aber auch der Rat und insbesondere die Eurogruppe, die Europäische Zentralbank und das Europäische Parlament die Aufgabe haben, unseren Bürgern zu erläutern, dass dieses europäische Projekt acht Jahre nach seinem Inkrafttreten jetzt sehr gute Ergebnisse zeigt. Dazu soll diese Debatte meiner Ansicht nach beitragen.
Aber sie muss uns auch helfen, aus Erfahrungen zu lernen, festzustellen, welche Elemente der Wirtschafts- und Währungsunion nicht so funktionieren, wie wir es uns vor acht Jahren vorgestellt haben, und die Anpassungen und politischen Entscheidungen umzusetzen, damit es in Zukunft noch besser läuft als im Moment, so positiv die Gegenwart auch aussehen mag. Nach der gestrigen Tagung des ECOFIN-Rates werden noch mehr Europäer in den Genuss dieser gegenwärtigen Vorteile kommen. Gestern fasste der ECOFIN-Rat formell die letzten Beschlüsse, die erforderlich sind, um zu bestätigen, dass die Eurozone im Januar 2008 durch Malta und Zypern erweitert wird. Am 1. Januar dieses Jahres trat Slowenien bei. Im nächsten Jahr werden schon drei neue Mitgliedstaaten zur Wirtschafts- und Währungsunion gehören und gemeinsam mit 318 Millionen anderen Europäern mit der Einheitswährung zahlen.
Ich halte für sehr positiv, was gestern debattiert und zur allseitigen Zufriedenheit beschlossen wurde, nicht nur von den 15 Mitgliedern des Euroraums, sondern auch von den anderen 12 Staaten, für die die Einheitswährung noch nicht gilt, und das ist ein Punkt, der hier besonders betont werden sollte.
Was die Wirtschaftslage betrifft, werde ich nicht ins Detail gehen, da Herr Juncker und Herr Trichet dies bereits getan haben.
Zur Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die meiner Ansicht nach mit der derzeitigen Verbesserung der Wirtschaftslage und dieser Wirtschaftsstabilität im Euro-Währungsgebiet zu tun hat, muss ich mich Herrn Juncker anschließen und sagen, dass sich die Umsetzung des korrektiven Teils des überarbeiteten Stabilitätspakts, des Defizitverfahrens, sehr günstig auswirkt. In diesem Jahr haben wir drei Defizitverfahren gegen drei Mitglieder der Eurozone eingestellt. Dazu gehören auch die beiden führenden Volkswirtschaften, Frankreich und Deutschland, die kein übermäßiges Defizit mehr haben.
Ebenso haben wir das Defizitverfahren gegen Griechenland eingestellt. Verfahren laufen zurzeit noch gegen zwei Länder des Euroraums, Italien und Portugal. Wenn sich die Entwicklung wie bisher fortsetzt, wird Italien bis Ende dieses Jahres sein übermäßiges Defizit ausgeglichen haben und unter 3 % bleiben, und Portugal wird, wenn nicht in diesem Jahr, dann bis Ende 2008, sein übermäßiges Defizit korrigiert haben, wie vom Rat gefordert wurde.
Die Umsetzung dieses Elements des Paktes in der Eurozone, das das bekannteste und hervorstechendste Element ist und für das die Kommission und der Rat über die stärksten und schlagkräftigsten Instrumente verfügen, verläuft somit zufrieden stellend.
Es ist der präventive Teil, der uns jetzt Sorgen bereitet. Die Eurogruppe hat ihn am Montag diskutiert und im ECOFIN-Rat stand er gestern auf der Tagesordnung. Diese Debatte ist die aktuellste und schwierigste in guten wirtschaftlichen Zeiten, denn dann verursacht es größere Probleme, nicht wirtschaftlich, sondern politisch, die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und der Instrumente in Händen der Kommission und des Rates zur Unterstützung dieser Korrektur der öffentlichen Finanzen unter die Grenze von 3 % mit Blick auf dieses mittelfristige Ziel der strukturellen Ausgewogenheit fortzusetzen. Es sind aus rechtlicher Sicht schwächere Instrumente und sie müssen auf politischem Konsens, auf Gruppenzwang und auf der Überzeugung beruhen, dass dies eine notwendige Voraussetzung für ein nachhaltiges Wachstum darstellt.
Wir haben kürzlich – erst diese Woche – wieder über die Lage in Italien beraten, eines der Länder mit übermäßigem Defizit, aber wir müssen jetzt überlegen, wie sein Konsolidierungsprozess vorangebracht werden kann, und die Überlegung bereitet große Schwierigkeiten. Glücklicherweise müssen wir nicht so viel über die Situation in Deutschland diskutieren, weil in der Haushaltskonsolidierung Deutschlands große Fortschritte erzielt wurden. Außerdem haben wir begonnen, über die Lage in Frankreich zu sprechen.
Ich werde Ihnen meine Ansicht über die Debatte am Montag in der Eurogruppe mitteilen und die Worte von Herrn Juncker ergänzen. Eine Tatsache ist viel versprechend. Der französische Präsident hat sich gegenüber den Finanzministern des Euro-Währungsgebiets, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank und dem Kommissionspräsidenten verpflichtet, ein sehr einschneidendes Reformprogramm auf den Weg zu bringen, dessen Einzelheiten er bis September festlegen wird.
Es gibt da noch eine zweite sehr positive Tatsache. Er hat zugesagt, den gesamten Haushaltsüberschuss für die Haushaltskonsolidierung und den Schuldenabbau zu verwenden. Und, etwas Neues, in der Tagung der Eurogruppe bemerkte er: „Wenn ich das Defizit 2010 ausgleichen kann, dann will ich es 2010 tun“. Das war vor der Tagung der Eurogruppe nicht klar. Doch es stimmt auch, dass er hinzufügte: „Wenn ich es nicht kann, werde ich es 2012 tun müssen“.
Diese Erklärung war am Montag allerdings nicht abgeschlossen, denn ein anderes Element dieses Treffens, das ich für sehr wichtig halte, ist, dass die Debatte über die französische Haushaltsstrategie, und die Debatte über die Haushaltsstrategie in jedem anderen Land, im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakt stattfinden wird, wie es bisher der Fall war. Dabei wird Frankreich ein überarbeitetes Stabilitätsprogramm vorlegen, das die Kommission und der Rat analysieren werden, und die Minister im Rat, in der Eurogruppe und im ECOFIN-Rat werden ihre Stellungnahme zu dem von Frankreich vorgelegten Programm der Haushaltsanpassung und -konsolidierung abgeben.
Das muss meiner Ansicht nach besonders hervorgehoben werden, denn einige haben die Ereignisse der letzten Tage als den zweiten Tod des Paktes – den manche schon 2003 für tot erklärt hatten – interpretiert. Ich glaube, er lebt und ist gesund und munter. Das Problem besteht darin, dass er in guten Zykluszeiten schwer umzusetzen ist, in einigen Ländern ganz besonders. Doch dafür gibt es ja die Instrumente des Pakts: Sie sollen helfen, diese Schwierigkeiten zu überwinden.
Herr Präsident, ich möchte abschließend eine kurze Bemerkung zu dem Stellenwert machen, die der neue Vertrag haben wird, wenn er in Kraft tritt, um der Eurogruppe eine größere institutionelle Kompetenz zu verleihen und die Gouvernance der Wirtschafts- und Währungsunion zu verbessern, wo sowohl intern als auch extern noch ein langer Weg vor uns liegt. Ich hoffe, dass Ihnen die Kommission in der nächsten Debatte, anlässlich des 10. Jahrestags des Beschlusses über die Einführung des Euro, im Mai 2008, eine vollständige Analyse vorlegen kann, wie die Wirtschafts- und Währungsunion derzeit funktioniert und wie sie funktionieren sollte.
Andreas Schwab, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Meine Herren Präsidenten, Herr Kommissar! Zunächst möchte ich den Berichterstattern, den Kollegen Mitchell und Rosati, sehr herzlich für ihre Arbeit danken. Mit der gemeinsamen Geldpolitik unter der Verantwortung der EZB und dem Euro als gemeinsamer Währung haben die Mitgliedstaaten des Euroraums auf dem Gebiet der Geld- und Währungspolitik den höchsten denkbaren Integrationsgrad erreicht. Im Gegensatz zur gemeinsamen Währungspolitik ist die Wirtschaftspolitik aber nicht vergemeinschaftet, und deswegen liegt die wirtschaftspolitische Verantwortung nach wie vor in den Händen der nationalen Regierungen und Parlamente.
Ein hoher Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz der an der Währungsunion teilnehmenden Länder ist die Grundvoraussetzung für eine stabile, starke europäische Währung. Und vor diesem Hintergrund freue ich mich sehr, Herr Juncker und Herr Trichet, über die Aussagen, die Sie heute hier gemacht haben. Man konnte ja in der vergangenen Woche und am Anfang dieser Woche in der Presse sehr viel lesen. Es ließe sich zusammenfassen mit dem Satz: Der Berg kreißte und er gebar eine Maus.
Ich freue mich über die Klarheit und die Festigkeit Ihrer Aussagen, aber ich glaube, dass die Diskussion über die Frage, wie der Euro und die Bedingungen, die ihn prägen, in Zukunft auszulegen sind, weitergehen wird. Und diese Diskussion erfordert von allen Beteiligten erhebliche Festigkeit.
Als Vertreter der jungen Generation möchte ich alle am Euro beteiligten Mitgliedstaaten dringend dazu auffordern, die Konsolidierungsbemühungen und die Haushaltsdisziplin der nationalen Haushalte nicht aufzugeben. Vor diesem Hintergrund erinnere ich an Montesquieu, der gesagt hat, es gehe darum, den „esprit de la loi“ einzuhalten. Der Grundvertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion muss eingehalten werden, auch wenn sich die Regierungen verändern. Es gilt hier, Montesquieus Ratschlag, der sicherlich nicht falsch war, uneingeschränkt zu befolgen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat, der in der vergangenen Woche erheblich für Zündstoff gesorgt hat, diesen Kurs verließe, würden andere, weiter nördlich liegende Mitgliedstaaten folgen, und die Konsequenzen für die Konsolidierung und die Haushaltspolitik in der Europäischen Union wären verheerend.
Deswegen, Herr Juncker und Herr Trichet, bleiben Sie hart, bleiben Sie fest, und lassen Sie sich von diesem Weg auch in den nächsten Jahren nicht abbringen!
Der Präsident. Kollege Schwab, Montesquieu zu bemühen, ist in diesem Fall natürlich besonders nahe liegend.
Benoît Hamon, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich kann dem Drang nicht widerstehen, auf die Ausführungen von Herrn Junker und seines abendlichen Gastes zu antworten, indem ich dem Ersteren rate, sich nicht von seinem abendlichen Gast täuschen zu lassen, insbesondere im Hinblick auf die Art der Defizite, die er im Begriff ist, in Frankreich zu verursachen. Nebenbei bemerkt, diese Defizite haben nichts zu tun mit neuen Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, wie dies die Lissabonner Strategie anregt, sondern sind im Wesentlichen auf eine Steuersenkung von 14 Milliarden Euro für die wohlhabendsten Schichten in Frankreich zurückzuführen, was die meisten Ökonomen veranlasst, sich Fragen über deren angebliche positiven Effekte auf das Wachstum in der EU zu stellen. Hiermit schließe ich meine Zwischenbemerkung.
Jetzt möchte ich Herrn Mitchell für seinen Bericht und die in diesem Zusammenhang im Ausschuss für Wirtschaft und Währung geleistete Arbeit danken. Dieser Bericht markiert bedeutende Fortschritte und Neuerungen, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Beratungen und der Entscheidungen der Europäischen Zentralbank sowie auf die Demokratisierung der Ernennungsverfahren. In diesem Text wird des Weiteren zu größerer Vorsicht in Bezug auf eine eventuelle Fortsetzung der Zinserhöhungen aufgerufen, um den Aufschwung nicht zu gefährden; ferner zur Vorsicht gegenüber den Hedge Fonds, um zu einer Verstärkung der Aufsicht und Regulierung im Interesse von finanzieller Stabilität und Transparenz zu gelangen. Schließlich begrüßen wir den im Ausschuss für Wirtschaft und Währung erreichten Konsens über die Notwendigkeit, massiv in Forschung, Bildung und Ausbildung zu investieren.
Nach diesen Bemerkungen komme ich auf die Frage der Wechselkurse zurück, denn im Gegensatz zu dem vorherrschenden Fatalismus und Immobilismus möchten wir darauf verweisen, dass Instrumente zum Handeln bestehen. So ist in Artikel 111 des Vertrags festgelegt, ich zitiere: „Besteht gegenüber einer oder mehreren Drittlandswährungen kein Wechselkurssystem (…), so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit entweder auf Empfehlung der Kommission und nach Anhörung der EZB oder auf Empfehlung der EZB allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik gegenüber diesen Währungen aufstellen.“ Deshalb fordern wir von Ihnen, Herr Juncker, Herr Trichet, Herr Almunia allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik gegenüber den Währungen unserer Hauptpartner und –konkurrenten anstatt einer generellen Laissez-faire-Politik und wenig glaubwürdigen Erklärungen über das Nichtvorhandensein wirtschaftlicher Auswirkungen eines stark überbewerteten Euros.
Des Weiteren möchte ich noch einige Worte zu einer Frage sagen, in der es nach wie vor große Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Seiten dieses Parlaments gibt. Wie Sie, Herr Juncker, stellen auch wir fest, dass der Lohnanteil am BIP der Eurozone ständig sinkt, während gleichzeitig die Bezüge, die goldenen Handschläge und sonstigen Stock-Options von Direktoren und Managern von Großunternehmen eine wirkliche Provokation für die europäischen Arbeitnehmer darstellen, deren Kaufkraft im Sinken begriffen ist.
Wie Sie, Herr Almunia, fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn in jedem Land der EU oder zumindest der Eurozone. Die Sozialpartner zu ermutigen, sich auf deutliche Lohnerhöhungen zu einigen, wie dies die Sozialpartner in der deutschen Metallindustrie getan haben, bedeutet nicht nur, auf dem Weg zu einer besseren Aufteilung der Früchte des Wachstums voranzukommen, sondern aus unserer Sicht auch, durch größeres Vertrauen der Haushalte und erhöhten Konsum einen Beitrag zur Verstetigung des Wachstums zu leisten.
12. Tagesordnung
Der Präsident. Wegen der großen Arbeitsbelastung dieser Woche und nachdem die heutigen Abstimmungen nicht zu Ende geführt werden konnten, beginnt die morgige Sitzung um 9.30 Uhr und die Abstimmungsstunde bereits um 11.30 Uhr.
(Das Parlament stimmt dem zu.)
13. Euroraum (Jahresbericht 2007) – EZB-Jahresbericht 2006 (Fortsetzung der Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Fortsetzung der Aussprache über den Euroraum (2007) – Europäische Zentralbank (2006).
Andrea Losco, im Namen der ALDE-Frakion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Sehr geehrter Herr Trichet, sehr geehrter Herr Juncker, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Europäische Parlament kann mit Genugtuung behaupten, dass der Euroraum ein Schlüsselelement für Stabilität in der Weltwirtschaft darstellt.
Wie die Berichterstatter, Herr Rosati, und, in diesem zweiten Bericht, Herr Mitchell so brillant erläutert haben, kann das Parlament die unumstrittenen günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen im Jahre 2006 in Bezug auf Wachstum und insbesondere Beschäftigung mit der Schaffung von zwei Millionen neuen Arbeitsplätzen gleichsetzen, wie dies bereits erwähnt wurde. Das ist ein positiver Trend, den die Mitgliedstaaten des Eurogebiets dank einer gesunden und vorsichtigen Finanzpolitik und ihrer Bemühungen um die Durchführung der notwendigen Strukturreformen zu erreichen vermochten, wobei Letztere auch das Ergebnis einer wachsenden gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit sind, die die Mitgliedschaft im Eurogebiet mit sich bringt.
Nichtsdestotrotz müssen wir uns einige Fragen stellen, deren wichtigste bereits in dem Bericht von Kommissar Almunia aufgeworfen wurde: Wie nehmen die Bürger diesen Konjunkturaufschwung wahr? Welche Vorteile hat er für die einzelnen Bürger? Leider hat die Öffentlichkeit, über die offiziellen Daten hinaus, eigentlich noch keine spürbaren Effekte bemerkt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die wiederholten Forderungen nach Lohnzurückhaltung, die unter bestimmten Umständen sicher wirtschaftlich begründet sein mögen, in Wirklichkeit vom Alltagsleben der einzelnen Bürger weit entfernt sind, und demzufolge haben derzeit einige Mitgliedstaaten, darunter auch Italien, das starke soziale Spannungen erlebt, offenkundig objektive Schwierigkeiten, die gesamten Mehreinnahmen dem Defizitabbau zuzuweisen.
Deshalb glaube ich, dass wir, unter Einhaltung der mittelfristig übernommenen Verpflichtungen, eine Herausforderung bewältigen müssen, die da lautet: Wie können wir die rigiden Regeln der Wirtschaft mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit in Einklang bringen?
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich melde mich in dieser Aussprache zu Wort, weil ich auf zwei Punkte aufmerksam machen möchte.
Erstens: 2006 war für die Länder der Euro-Zone ein ungewöhnlich gutes Jahr, und darüber sollten wir uns freuen. Das BIP ist von 1,4 % im Jahr 2005 auf 2,7 % gestiegen, während die Arbeitslosenquote auf 7,6 % und damit auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren fiel. Diese Ergebnisse wurden bei einer seit 2005 stabilen Inflationsrate von 2,2 % und einem geringerem Haushaltsdefizit erzielt. Es verwundert jedoch, dass diese Zahlen noch immer schlechter ausfallen als die entsprechenden Zahlen für Wachstum, Arbeitslosigkeit, Inflation und Haushaltsdefizit in drei Staaten, die nicht der Euro-Zone angehören, nämlich im Vereinigten Königreich, in Schweden und Dänemark. Sie sind auch schlechter als die Jahreswerte der Wirtschaft der Vereinigten Staaten.
Zweitens: Beide Berichte enthalten eine Unmenge von Zahlen, und darauf haben wir uns konzentriert. Allem Anschein nach sind Zahlen aber nicht für jeden das Wichtigste. Der neu gewählte französische Präsident sagte in einem Interview, dass Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung außerordentlich wichtig seien und die Staatschefs sie deshalb zu ihrer ureigenen Sache machen müssten. Zudem schade die außergewöhnliche Stärke des Euro, die auf die jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank zurückzuführen ist, den europäischen Exporteuren. Zudem bekundete der französische Präsident seine Absicht, die Steuern zu senken und das Haushaltsdefizit zu erhöhen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit künftig zu verringern.
Ich komme gleich zum Schluss. Ich habe jedoch kein Wort der Kritik gehört, weder vom Präsidenten des Europä ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Alain Lipietz, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Herrn Juncker sagen, dass er keinen Anstoß daran nehmen möge, dass wir so wenige im Plenarsaal sind. Ich selbst wäre gern in meinem Büro geblieben und hätte ihn gern in Großaufnahme auf meinem Fernsehbildschirm gesehen. Die Bedingungen für eine Debatte sind in diesem Saal recht schwierig.
Ich möchte zunächst und vor allem zum Ausdruck bringen, wie sehr ich davon angetan bin, dass der Bericht Mitchell in so hohem Maße mit den Debatten übereinstimmt, die im Ausschusses für Wirtschaft und Währung seit Jahren geführt werden. Zum ersten Mal liegt uns ein relativ einvernehmlicher Bericht vor, mit dem Einigung in Punkten verzeichnet werden kann, zu denen bisher unterschiedliche Auffassungen zwischen uns bestanden.
Dies betrifft erstens den Gedanken, dass Strukturreformen durchgeführt werden können, mit denen eine Steigerung der potenziellen Wachstumsrate im Vergleich zu den 90er Jahren möglich ist oder sich bereits vollzieht.
Zweitens wurde nun endlich ausdrücklich bestätigt, dass die Arbeitsmarktreformen nicht etwa auf eine bedingungslose Lohnzurückhaltung hinauslaufen, sondern, wie sich Herr Juncker ausdrückte, auf eine durch ihre der Verhältnismäßigkeit zum Produktivitätswachstum gekennzeichnete Lohnzurückhaltung, und dass dieses Wachstum durch eine Aufwertung des Humankapitals, durch Bildung und Forschung, jedoch nicht durch den Abbau sozialer Garantien zu erzielen ist.
Der dritte große Fortschritt des Berichts von Herrn Mitchell besteht darin, dass die Frage des Artikels 111 EGV endlich korrekt betrachtet wird. Es liegt in der Verantwortung des Rates, die Wechselkurspolitik zu bestimmen. Ich möchte Herrn Juncker sagen, dass er sich auch anhören sollte, was Herr Gallois zur Wettbewerbsfähigkeit von Airbus sagt. Man kann nicht behaupten, dass es ein spezielles Land gibt, das Schwierigkeiten hat, sich den derzeitigen Wechselkursen anzupassen.
In Ziffer 10 der Entschließung von Herrn Mitchell appellieren wir an Herrn Juncker, sich mit Herrn Almunia zu einigen, und das ist begrüßenswert.
Jacky Henin, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Die Europäische Union braucht nicht Governance, sondern politisches Einwirkungen auf ihre Wirtschaften, um eine Form von Wachstum zu fördern, das stabile und vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Die Politik der Europäischen Zentralbank ist schädlich, denn ihr einziges Ziel besteht in einer möglichst niedrigen Inflationsrate, während sie auch strukturpolitische Faktoren, wie etwa das Wachstum, berücksichtigen sollte, wie es die US-Notenbank tut.
Die Einführung des Euro, ohne dass gleichzeitig auf der Ebene der betroffenen Staaten ein Bundeshaushalt geschaffen wurde, führte zum Verlust des Instruments der Abwertung, ohne dass andere Schutzverfahren bereitgestellt worden wären. Unter diesem Gesichtspunkt wirkt die Unterbewertung des Dollars wie eine Massenvernichtungswaffe im Hinblick auf die europäischen industriellen Kapazitäten, und auch Ihre selbstzufriedenen Reden können diese real existierenden, unerträglich hohen Kosten der Überbewertung des Euro nicht vertuschen. Die europäischen Arbeitnehmer und Bürger bezahlen einen hohen Preis für diesen Fehler.
Das Euro-Währungsgebiet kann in seiner derzeitigen Form nicht weiter bestehen. Die Satzung der Zentralbank und das Management des Euro selbst müssen dringend geändert werden. Es bedarf dringend der Einrichtung von Zollschutzmechanismen. Es ist an der Zeit, Industriepolitiken einzuführen, die den Schutz lebenswichtiger Interessen der Völker der EU gewährleisten und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Verteidigung der gemeinsamen Interessen der europäischen Arbeitnehmer ermöglichen.
John Whittaker, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Das Wirtschaftswachstum ist auf einem hohen Niveau, die Arbeitslosigkeit ist gesunken, die Defizite der öffentlichen Haushalte sind leicht rückläufig, doch nun werden Befürchtungen laut, dass dieses Wachstum durch den hohen Devisenwert des Euro in Gefahr geraten könnte. Wenngleich Herr Juncker diese Sorge nicht teilt, wird von Herrn Sarkozy und anderen eine aktive Steuerung dieses Wechselkurses gefordert. Im Bericht von Herrn Mitchell werden die Bestimmungen erläutert, mit denen die Zuständigkeit für die Wechselkurspolitik den Mitgliedstaaten übertragen wird, und die Finanzminister der Eurozone werden aufgerufen, ihre Einflussnahme auf den Wechselkurs mit der Europäischen Zentralbank abzustimmen.
In dem Bericht heißt es weiter, dass die Freiheit der EZB, ihre Zinssätze zur Kontrolle der Inflation einzusetzen, durch solche Maßnahmen nicht untergraben werden sollte. Anscheinend ist uns nicht klar, wie das System funktioniert. Die EZB muss ihre Zinssätze senken, damit der Eurokurs sinkt. Doch das würde bedeuten, dass die EZB ihr Inflationsziel aufgeben muss. Heute, in einer Zeit der freien Kapitalströme, ist es nicht möglich, Inflation und Wechselkurs gleichzeitig unter Kontrolle zu halten.
Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit, nämlich die Einführung von Devisenkontrollen. Vielleicht ist das ja das eigentliche Ziel der Beteiligten. Dies würde mit den Äußerungen von Herrn Sarkozy übereinstimmen, der den französischen Protektionismus aufrechterhalten will, und es wäre katastrophal für die Marktwirtschaften der Eurozone.
Sergej Kozlík (NI). – (SK) Ich möchte unterstreichen, dass die unterschiedlichen Inflationsraten weitgehend das Ergebnis struktureller Faktoren sind, und nicht einer instabilen Politik.
In den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich die Gehälter verdoppelt, und der Anteil energie- und rohstoffintensiver Produktion ist in diesen Ländern größer als in den weiter entwickelten Staaten des Euroraums. Gleichzeitig ist der Hauptteil dieser Produktion für den Euroraum vorgesehen. Deshalb sind die neuen Mitgliedstaaten anfälliger für Preisschwankungen bei Energie und Rohstoffen. Außerdem fungieren sie als Puffer, indem sie Preisauswirkungen auf die Mitglieder des Euroraum auffangen. Der Inflationsdruck in den neuen Mitgliedstaaten kann auch das Ergebnis des Zusammenspiels von hohem Wachstum, steigender Produktivität und der Annäherung an die Standards der weiter entwickelten Länder sein.
Das ist schließlich eines der Ziele der EU-Mitgliedschaft.
Ich unterstütze daher die Forderung nach einer Überarbeitung der Konvergenzkriterien, insbesondere im Hinblick auf die Inflation, damit sie nicht zu einem Instrument für die Schaffung neuer Teilungen in Europa werden.
Cristóbal Montoro Romero (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Trichet, Herr Juncker! Zunächst möchte ich Herrn Rosati und insbesondere Herrn Mitchell zur Qualität ihrer Berichte beglückwünschen.
Ich glaube, dass wir, wirtschaftlich gesehen, eine viel versprechende Zeit in Europa durchleben. Unser Ziel ist das Wachstum der Produktion und der Wirtschaftstätigkeit. Das spiegelt sich derzeit in neuen Beschäftigungsmöglichkeiten und einer unter Kontrolle gehaltenen Inflation wider.
Die wichtige Aufgabe besteht jetzt in der Konsolidierung des Wirtschaftswachstums, einem Ziel, das wir nicht erreichen werden, ohne unsere institutionellen Probleme zu lösen. Die Frage in den Berichten ist, ob wir einen zyklischen Aufschwung oder eine substanziellere Wirtschaftsbewegung durchleben.
In diesem Zusammenhang dürfen wir uns nicht mit der Vorstellung abfinden, dass Europa ein potenzielles Wachstum von 2 % hat. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Wachstumsraten von jetzt an gleichschalten. Kurz gesagt, es gilt, mehr Arbeitsplätze und mehr KMU zu schaffen.
In dieser Frage muss die Europäische Zentralbank auch die Empfehlungen des Berichts von Herrn Mitchell berücksichtigen, nämlich Besonnenheit bei der Anhebung der Zinssätze, weil den Entscheidungen, die bei den Regierungen liegen müssen, Entscheidungen über Reformen und viel weit reichenderen Entscheidungen zur Bekämpfung des Protektionismus nicht vorgegriffen werden sollte. Das größte Problem, vor dem wir in Europa stehen, sind die Phrasen über Protektionismus, die sich gegen den Geist der europäischen Integration richten.
Mit einem Wort, dies ist eine günstige Zeit für die Wirtschaft, die unter anderem zu nutzen ist, um sicherzustellen, dass dieses Wachstum anhält und die europäischen Bürgerinnen und Bürger bestärkt werden, den Euro als eine ihrer Quellen für Wohlergehen und Wohlstand und vor allem für neue Beschäftigungschancen zu erkennen.
Ieke van den Burg (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte meine kurze Redezeit nutzen, um im Namen der PSE-Fraktion unsere ausdrückliche Unterstützung für den Stabilitäts- und Wachstumspakt – es ist notwendig, dies mehrfach zu wiederholen – und insbesondere für die Reform des Pakts zum Ausdruck zu bringen. Wir haben den Pakt verbessert, damit der Konjunkturzyklus und wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt werden können. Diese neuen Regelungen müssen ordnungsgemäß angewandt werden, nicht willkürlich, wie dies derzeit der Fall ist. Aus diesem Grund begrüße ich die Äußerungen von Herrn Juncker und Herrn Almunia, und es ist gut, dass wir dies auch im Namen meiner Fraktion zum Ausdruck bringen.
Es gibt zwei spezifische Fragen, auf die ich eingehen möchte und zu denen ich Ihre Einschätzung, Herr Trichet, Herr Juncker und Herr Almunia, hören möchte. Ich freue mich sehr, dass Sie heute gemeinsam an dieser Aussprache teilnehmen. Eine dieser Fragen betrifft die Lohnzurückhaltung. Wir unterstützen den Grundsatz, dass sich die Lohnentwicklung am Produktivitätszuwachs orientieren sollte, und wir freuen uns, dass dies seit über zehn Jahren der Fall ist. Nun ist es jedoch an der Zeit, die Früchte des Wachstums zu verteilen und dort, wo die Löhne unter dem Produktivitätszuwachs liegen und einen kleineren Anteil des BIP ausmachen, muss ebenfalls eine Anpassung vorgenommen werden. Vielleicht können Sie zu diesem Punkt Stellung nehmen. Ich weiß, dass Herr Juncker und Herr Almunia sich ebenfalls in diesem Sinne geäußert haben. Ich möchte vor allem den Präsidenten der EZB bitten, uns seine Sichtweise zu diesem Thema mitzuteilen.
Meine zweite Frage betrifft nicht nur die Hedge-Fonds, sondern auch Ziffer 19 des Berichts von Herrn Mitchell über die Schuldenumstrukturierung von Unternehmen. Diese beiden Punkte sind von großer Bedeutung für die Finanzstabilität, und ich möchte Sie fragen, wie sie Ihrer Ansicht nach zu bewerten sind und welche Vorgehensweise Sie vorschlagen.
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Ich möchte zunächst beiden Berichterstattern für ihre konstruktive Arbeit danken. Die Europäische Zentralbank erfüllt ihre Aufgaben gut. Auch wenn die Debatte zuweilen etwas hitzig wird, gelingt es Herrn Trichet stets, die Gefühle mit einem eines Diplomaten würdigen Sprachgebrauch zu beruhigen. Die EZB ist wesentlich offener und transparenter geworden, aber die Forderung des Parlaments nach der Veröffentlichung der Protokolle bleibt bestehen. Das hat sich bei anderen Zentralbanken gut bewährt und würde der EZB weitere Stärke und ein noch höheres Ansehen verleihen. Wir wiederholen auch unseren Wunsch nach einem offeneren Wahlverfahren für das Direktorium der EZB.
Die Verteidigung der Unabhängigkeit der EZB und des Ziels der Preisstabilität ist von größter Bedeutung. Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa gewährt der EZB sowie Jean-Claude Trichet and Jean-Claude Juncker ihre volle Unterstützung in dieser zentralen Frage. Wir wissen, dass eine beständige Stabilitätspolitik eine grundlegende Voraussetzung für ein wachsendes Europa ist.
Einige von uns sind beunruhigt darüber, dass sich die schrillen Töne aus dem französischen Präsidentschaftswahlkampf jetzt leider fortsetzen. Die Sitzung am Montag in Brüssel hat diese Bedenken nicht gemindert. Sie sind ebenfalls im Ausschuss vorhanden, auch wenn Herr Juncker versucht, uns zu beruhigen, und sie sind gleichfalls aus der heutigen umfassenden Aussprache hier im Hause herauszuhören. Der Bericht enthält Formulierungen, die als Vorwand dafür genutzt werden könnten, die Unabhängigkeit der EZB in Frage zu stellen und eine stärkere politische Einmischung zu erreichen. Derartige Entwicklungen lehnen wir ab. Ich meine damit die Formulierungen in Ziffer 10, die insbesondere, wie dies auch Kollege Hamon tat, auf Artikel 111 des Vertrags verweisen. Es wäre äußerst unglücklich, wenn unser Bericht in irgendeiner Weise als Infragestellung der EZB aufgefasst werden könnte.
Wiesław Stefan Kuc (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die guten makroökonomischen Ergebnisse der Länder des Euroraums belegen, welch großen Einfluss die Wirtschafts- und Währungsunion darauf hat. Darin bestand ja auch das Ziel der Einführung einer gemeinsamen Währung in der Europäischen Union. Die stärkere Integration in verschiedenen Bereichen wirkt sich positiv auf Entwicklung und Fortschritt aus. Die Probleme mit der europäischen Verfassung, dem Abstimmungssystem und der Stärke einiger Mitgliedstaaten behindern jedoch eine weitere Integration.
Das von Präsident Prodi vorausgesagte Europa der zwei Geschwindigkeiten ist leider Wirklichkeit geworden. Das wird auch an der Einführung des Euro in den Mitgliedstaaten deutlich. Wenn der Euro über einen Zeitraum von drei Jahren in einem oder auch in zwei Mitgliedstaaten eingeführt wird, so ist das nicht gerade ein durchschlagender Erfolg. Wir müssen diesen Prozess intensivieren und beschleunigen und damit der Entwicklung und der Integration neue Impulse verleihen. Wir sollten diese Chance nutzen.
Zum Schluss möchte ich beiden Berichterstattern meinen herzlichen Glückwunsch aussprechen.
Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Es ist jetzt knapp vier Jahre her, dass in Schweden eine Volksbefragung zum Euro durchgeführt wurde, bei der eine große Mehrheit die Einführung des Euro als Landeswährung ablehnte. Es gab und gibt viele Argumente dagegen, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten. Zum einen ist dieses ein sehr instabiles politisches Projekt und zu anderen ist es für ein Land äußerst problematisch, nicht selbst über seine Zinssätze bestimmen zu können, um auf die Konjunkturzyklen zu reagieren. Diese Ängste haben sich als gerechtfertigt erwiesen, und es zeigt sich jetzt, wie sich dies alles auf diejenigen Länder auswirkt, die ihre Währung gegen den Euro eingetauscht haben.
Hat Schweden Nachteile dadurch, dass es die Krone behalten hat? Kürzlich durchgeführte Untersuchungen haben ergeben, dass es Auswirkungen auf den Handel gegeben hat, die allerdings unerheblich sind. Wichtiger ist, was Schweden dadurch gewonnen hat, dass es den Euro nicht eingeführt hat. Wir hatten völlig andere Möglichkeiten, unsere Entwicklung zu steuern, da die Zinsen an die schwedischen Verhältnisse angepasst werden können, ohne dass die schwedische Zentralbank Rücksicht auf die Konjunktur in anderen Ländern nehmen muss. Daher meine ich, im Gegensatz zu dem, was Kommissar Almunia hier im Hause gesagt hat, dass das schwedische „Nein“ respektiert werden muss und auch Schweden, ebenso wie Dänemark und Großbritannien, förmlich davon entbunden werden sollte, dem Euroraum beitreten zu müssen. Alles andere wäre äußerst undemokratisch.
Zsolt László Becsey (PPE-DE) – (HU) Ich bin froh, dass diese Aussprache jetzt stattfindet, sodass ich aufgrund einiger Parallelen zwischen den beiden Themen auf einige Konsequenzen für die Erweiterung verweisen kann. Vor allem begrüße ich, dass nicht nur Vertreter aus den Kandidatenländern für den Euroraum und der Berichterstatter, sondern auch mein deutscher Kollege, Herr Schwab, das Problem erkannt haben, dass sich das Verständnis des Vergleichslandes in Bezug auf das Inflationskriterium für die Aufnahme in den Euroraum – das sind alle Mitgliedstaaten – von dem für das EZB-Ziel unterscheidet, das sich auf die 13 Mitgliedstaaten bezieht.
Trotz des Antwortschreibens, das wir gestern von Herrn Almunia erhalten haben, muss das Parlament auch weiterhin darauf bestehen, dass der Reformvertrag eine Korrektur enthält, die sich logisch aus der Bildung des Euroraums ergibt. Es ist übrigens ein Ausdruck von Doppelmoral, wenn man keine Maßnahmen gegen übermäßige Inflation für die Mitgliedstaaten des Euroraums festlegt, von denen, die ihm beitreten wollen, jedoch schärfere Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung erwartet.
Ich möchte auch unterstreichen, dass der Bezugswert für den Euro zwar auf 27 Mitgliedstaaten basiert, im EZB-Direktorat die gleiche Definition nur auf 13 Staaten basiert, denn mir ist nicht bekannt, dass Bürger von Staaten außerhalb des Euroraums eine Rolle in diesem Gremium spielen. Somit hat der Begriff „Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ im Vertrag für mich eine doppelte Bedeutung.
Es ist viel von Solidarität die Rede, von der aber in Bezug auf die Verwendung von Euro-Banknoten nichts zu merken ist. Die kleinste Banknote, der 5-Euro-Schein, übersteigt den Wert der kleinsten Banknoten der nationalen Währungen in den neuen Mitgliedstaaten um ein Vielfaches, was deren Bürger zwingen wird, beutelweise Münzen mit sich herumzutragen. Gleichzeitig gibt es den größten Nennwert, den 500-Euro-Schein, dessen Wert in diesen Ländern oft der Rente eines halben Jahres entspricht. Ich selbst bin seit Wochen nicht in der Lage, mit einem solchen Schein zu bezahlen, nicht einmal hier in Straßburg oder Brüssel. Wenn jemand ihn mir wechseln könnte, wäre ich sehr dankbar. Was aber könnte man damit in Riga anfangen?
Ich möchte noch hinzufügen, dass Herr Rosati eine sehr interessante Bemerkung über die Ausweitung der vier Grundfreiheiten auf den Binnenmarkt gemacht hat. Aber ich habe auch eine Frage dazu: Wie ist es möglich, dass diejenigen, die gegenwärtig an der Währungsintegration teilnehmen, aus Angst vor slowakischem Arbeitsdumping die Freizügigkeit der Arbeitnehmer blockieren können? Wie können EU-Vorschriften indirekt arbeitsintensive Tätigkeiten aus den Dienstleistungen ausklammern?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich hoffe, dass die Ausweitung des Euroraums in Richtung Osten, auf das ehemalige sowjetische Einflussgebiet, in Kürze beginnen wird.
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Juncker, Herr Trichet, Herr Almunia! Ich glaube, dies ist eine gute Woche für den Euro. Zunächst, weil der makroökonomische Dialog zum Euro-Währungsgebiet zum ersten Mal hier, im Europäischen Parlament, stattfindet. Ich hoffe, dass dies der Auftakt zu einer guten Gewohnheit ist. Der Euro wird in dieser Aussprache aus der Sicht des Parlaments beleuchtet, worüber ich mich freue.
Außerdem ist dies auch die Woche, in der ein neu gewählter Präsident der Republik gespürt hat, dass er das, was er seinem Land vorschlagen möchte, persönlich im Rahmen der Eurogruppe vertreten muss. Mir scheint, dass dies vor einigen Jahren in diesem Land nicht möglich gewesen wäre, in dem man der Ansicht war, dass die Haushaltsstrategie der nationalen Souveränität unterliegt. Die kollektive Aussprache darüber, was die Verwaltung des Euro bedeutet, ist weiter vorangekommen, was ich sehr erfreulich finde. Sie haben um das Recht ersucht, die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Steuergeschenke in Höhe von dreizehn Milliarden Euro zu bewerten, und ich kann mich Ihrem Vorschlag nur anschließen.
Ich möchte Sie indes auffordern, künftig noch weiter zu gehen. Zunächst, weil ich der Ansicht bin, dass es mit dem Einsatz der präventiven Waffe des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht möglich ist, das zu erreichen, was wir benötigen, nämlich eine Ex-ante Koordinierung, um die künftigen strategischen Investitionen zu koordinieren und sich gemeinsam im Voraus auf die zu erwartenden Auswirkungen der Strukturreformen einzustellen, denn was sich im Zusammenhang mit Strukturreformen in einem Land vollzieht, wirkt sich auch auf die anderen Länder aus.
Weiterhin möchte ich Sie auffordern, die Debatte zur Frage der Wechselkurse zu eröffnen. Dies ist eine Frage, die Sie gemäß Artikel 111 EGV berechtigt sind, anzusprechen, auch auf der Ebene des Rates. Sie sollte entsprechend der Aufforderung in Artikel 99 EGV auch als Frage von gemeinsamem Interesse angesehen werden.
Vladimír Železný (IND/DEM). – (CS) Frau Präsidentin! Die Einführung der Einheitswährung sollte eigentlich der Vollendung des Binnenmarktes dienen. Heute aber ist die Europäische Union einem starren politischen Integrationskurs verhaftet und will einen überregulierten Superstaat schaffen, anstatt die wirtschaftlichen Freiheiten herbeizuführen, die 1957 den Grundstein für den Gemeinsamen Markt bildeten und bis heute nicht vollständig realisiert worden sind. Die gescheiterte Annahme der Bolkestein-Richtlinie, die fortbestehenden Hindernisse für Produktionsverlagerungen an kostengünstigere Standorte in der Union, die Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedstaaten und weitere protektionistische und rechtliche Einschränkungen der Binnenmarktfreiheit machen aus dem Euro eine künstliche Währung. Dadurch haben wir jetzt eine Binnenwährung in einem Nicht-Binnenmarkt. Ein typisches Beispiel dafür ist, dass einerseits ein knallharter Kampf um Zugeständnisse im Stabilitätspakt geführt wird, ohne den einige der großen EU-Staaten ihrer Meinung nach nicht leben können, während andererseits den neuen Mitgliedstaaten sinnlose und längst überholte Bedingungen für den Beitritt zur Eurozone auferlegt werden, die keine gebührende Rücksicht auf das notwendige Inflationsniveau und andere Indikatoren nehmen, bei denen es sich im Grunde nur um nebensächliche und unwesentliche Manifestationen äußerst dynamischer Wirtschaften handelt, deren Wachstumsrate über dem EU-Durchschnitt liegt. Die Engstirnigkeit der Eurozone und die Nichtgewährung wirtschaftlicher Freiheiten in einem unfairen Nicht-Binnenmarkt machen den Euro zu einer unsicheren und halbherzigen Währung.
(EN) Frau Präsidentin! Bitte gestatten Sie mir eine technische Anmerkung. Auf der Anzeige, die über Ihrem Platz angebracht ist, wird mein Name seit mehreren Monaten falsch angezeigt. Das „ý“ am Ende meines Namens fehlt. Ich bitte Sie, dies zu beachten.
Othmar Karas (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich begrüße auch das dreiblättrige Euro-Kleeblatt.
Der Euro ist eine Erfolgsstory. Der Euro ist die erfolgreichste Antwort der EU auf die globalen Herausforderungen. Der Euro und die vier Freiheiten sind die wichtigsten Eckpfeiler eines starken Binnenmarktes. Die Maastricht-Kriterien und der Stabilitäts- und Wachstumspakt sind für mich die erfolgreichsten ordnungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union. Die Eurogruppe hat ab 1.1.2008 eine absolute Mehrheit unter den EU-Staaten. Das begrüßen wir und heißen die Staaten Malta und Zypern herzlich willkommen.
Ich halte es für bedrückend, dass wir uns schon darüber freuen, dass ein Staatschef zusagt, seine Hausaufgaben zu erfüllen. Die Hausaufgaben zu erfüllen, ist eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen die Regeln einhalten, statt sie protektionistisch zu interpretieren.
Wir freuen uns darüber, dass es Konjunkturgewinne gibt, und wir verlangen, dass einerseits die Konjunkturgewinne zum Defizitabbau und zur Reduzierung der Staatsschulden verwendet werden und auf der anderen Seite die Mitarbeiter an den Gewinnen beteiligt werden.
Wir stellen die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht in Frage. Sie ist eine Garantin dieses erfolgreichen Eurokurses. Unabhängigkeit der EZB und einheitliche Außenvertretung der Eurozone sind jedoch kein Widerspruch. Das einheitliche Auftreten der Eurozone nach außen hat nichts damit zu tun, dass sich die drei Herren gemeinsam in die Wechselkurse einmischen. Den Wechselkurs bestimmt der Markt, und die Zinssätze bestimmt die Europäische Zentralbank. Das sage ich gegenüber der Linken.
Wir alle loben jetzt den Euro und die Daten. Aber wir haben vergessen, den Euro auch als Gewinn für die Bürgerinnen und Bürger Europas zu interpretieren und darzustellen. Machen wir deutlich, wieviel wir uns an Wechselkurskosten ersparen! Machen wir deutlich, was der Euro für die Stabilität der Eurozone und den Binnenmarkt bedeutet! Vergessen wir das nicht, dass wir derzeit besser dastehen als der Dollar, ist auch Ausdruck des Erfolges! Bei der Einführung des Euro haben die Bürger dies von uns verlangt.
Robert Goebbels (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich habe den Eindruck, dass ich es hier mit einer Aussprache zu tun habe, in der man zum Narren gehalten wird: zum Narren gehalten werden unsere Gäste, die sich einem leeren Plenarsaal gegenüber sehen; zum Narren gehalten sieht man sich rechts, wo man sich über einen angeblichen Verlust der Unabhängigkeit der EZB erregt, während die Europäische Zentralbank unabhängig ist und bleiben wird. Frankreich hat seine Verfassung geändert, um diese Unabhängigkeit zu ermöglichen. Um die Satzung der EZB zu ändern, bedürfte es der Zustimmung von 27 Regierungen und 28 Parlamenten, darunter dem Unseren. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit!
Im Übrigen leistet die EZB recht gute Arbeit. Als internationale Reservewährung steht der Euro an zweiter Stelle, seit dem Jahr 2000 stieg der Euro um rund 25 % gegenüber dem Dollar. Das bedeutet niedrigere Kosten für unsere Rohstoff-, Erdöl- und Gaskäufe. Die Inflation im Euro-Währungsgebiet ist niedriger als in den USA oder in Großbritannien. Wenn ich der EZB gegenüber einen Vorwurf zu machen habe, dann aufgrund ihrer zu starken Fixierung auf die Inflationsbekämpfung. Die Inflation ist schädlich, vor allem für die wirtschaftlich Schwachen, da aber der Inflationsdruck derzeit begrenzt ist, könnte die EZB die Wirtschaftspolitik der EU stärker unterstützen.
Die Kaufkraft vieler Europäer hat abgenommen, was die EZB nicht daran hindert, Lohnzurückhaltung zu predigen. Ich hoffe, dass Herr Trichet auch Präsident Sarkozy gegenüber Zurückhaltung anmahnt, der von Frankreich eingegangene Verpflichtungen nicht einhält, um den Reichen Steuergeschenke zu machen.
Die letzte Narretei: Was ist eine Europäische Charta der Grundrechte wert, wenn sie nicht unionsweit angewendet wird? Wie kann der Europäische Gerichtshof die Charta anwenden, wenn sie im Vereinigten Königreich nicht angewendet wird? Diese letzte Frage ist natürlich an den großen Europäer, meinen Landsmann Jean-Claude Juncker, gerichtet.
Jean-Paul Gauzès (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Juncker, Herr Trichet, meine Damen und Herren! Es ist weder abwegig noch ein Widerspruch, die Schlussfolgerungen der uns vorliegenden ausgezeichneten Berichte zu befürworten und das kühne und entschiedene Wirken der französischen Regierung zur Durchführung von notwendigen Reformen sowie zur Förderung des Wachstums zu unterstützen. Es ist weder abwegig noch ein Widerspruch, weil Frankreich nach Europa zurückgekehrt ist. Indem der Präsident der Französischen Republik feierlich sein Eintreten für die europäische Einigung bekundete, leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Neubelebung Europas und zur Beendigung des Stillstands, zu dem es gekommen war. Die während des Gipfeltreffens in Brüssel dank der Bemühungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel erzielte Einigung ist das erste konkrete Beispiel dafür.
Eines der Vorhaben ist die bessere Funktionsweise des Euro-Währungsgebiets. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der seit 1999 den Rahmen für die Haushalte der Länder des Euro-Währungsgebiets vorgibt und die Haushaltsdisziplin bestimmt, die von den Mitgliedstaaten einzuhalten ist, um übermäßige Defizite zu vermeiden, muss konsequent angewendet werden, denn er trägt zur Währungsstabilität bei. Selbstverständlich stellt Frankreich im Gegensatz zu anders lautenden Behauptungen die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht infrage. Sie sind nach wie vor von grundsätzlicher Bedeutung. Allerdings müssen dessen Kriterien eingehalten werden, ohne dabei das Ziel des Wachstums aus dem Blickfeld zu verlieren. Er muss intelligent und dynamisch angewendet werden.
In diesem Sinne lag dem Präsidenten der Französischen Republik daran, die notwendigen Erläuterungen zu dem anspruchsvollen Strukturreformprogramm zu geben, das er umsetzen will. Der fruchtbare Dialog, der in Gang gekommen ist, ermöglichte eine Klärung der Standpunkte. Nicolas Sarkozy hat seinen Willen bekräftig, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um das für 2010 gesetzte Ziel einzuhalten, wenn der von diesen Maßnahmen erwartete Wachstumsschub die erhoffte Wirkung im Bereich der Steuereinnahmen bringt. Schon jetzt hat sich Frankreich verpflichtet, sein öffentliches Haushaltsdefizit von 2007 an auf 2,4 % zu senken. In den Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung wird es kein Nachlassen geben, um die Staatsverschuldung zu senken.
Auch ich bin der Ansicht, dass die Rolle der Eurogruppe gestärkt werden muss. Unter der Führung eines ständigen und kompetenten Präsidenten muss sie ihr Streben nach Kohärenz und Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken fortsetzen. Damit könnte sie ferner unter Berücksichtigung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ein nützliches Gegengewicht bei der Umsetzung einer auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichteten Wirtschaftspolitik darstellen.
Vladimír Maňka (PSE). – (SK) In der vergangenen Woche habe ich an Gesprächen im Finanzministerium in Dublin teilgenommen.
Die irische Wirtschaft hatte in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt eine Wachstumsrate von bemerkenswerten 6 % zu verzeichnen. Das Pro-Kopf-BIP liegt 40 % über dem EU-Durchschnitt und die Arbeitslosenrate bei 4,2 %, so dass die Iren mit Sicherheit das Beschäftigungsziel der Lissabon-Strategie erreichen. Sorgen macht ihnen jedoch, dass die Inflationsrate in diesem Jahr 5 % erreicht. Wäre Irland nicht bereits Mitglied des Euroraums, könnte das Land nach den gegenwärtig geltenden Kriterien heute nicht beitreten. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass die strukturelle Inflation in schnell wachsenden Wirtschaften höher ist. Eine solche Situation ist Bestandteil der Währungsunion.
Die Inflation ist Teil des Prozesses, insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten, die versuchen, Anschluss an die weiter entwickelten Staaten zu finden. Rat und Kommission sollten daher eine neue Analyse und Überprüfung der Konvergenzkriterien vornehmen. Es ist sehr wichtig, die politische Diskussion über die Anwendung dieser Kriterien für die zukünftigen Mitglieder des Euroraums weiterzuführen.
Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Eurogruppe. (FR) Frau Präsidentin! Zum Abschluss der Aussprache ergreife ich das Wort, um zu dem, was gesagt, oder auch nicht gesagt wurde, einige Bemerkungen zu machen.
Zunächst möchte ich die Lohnpolitik ansprechen, denn das ist ein Thema, das mich beschäftigt und mir Sorgen bereitet. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern, wenn die derzeitige Politik fortgesetzt wird, d. h. wenn der Graben zwischen denen, die arbeiten, und denen, die von sich sagen, dass sie Arbeit schaffen, weiter vertieft wird. Die Europäer und vor allem die einfachen und bescheidenen Europäer, die nicht weniger intelligent als die anderen sind, können diesen mit jedem Tag tiefer werdenden Graben zwischen denen, die haben, und denen, die gern hätten, nicht begreifen.
(Beifall)
Ich glaube, es gibt noch andere, die diese Ansicht teilen, unter ihnen der Präsident der Zentralbank, der sich jüngst entschieden gegen diese ständig anwachsende Kluft gewandt hat. Meiner Ansicht nach müssen wir uns weiterhin an den Grundsatz der Lohnmäßigung halten. Ich glaube, für die Lohnzurückhaltung gibt es eine einfache Erklärung: Solange die Löhne in Übereinstimmung mit den Produktivitätszuwächsen steigen, ziehen die Lohnsteigerungen weder den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, noch eine Zunahme der Inflation nach sich. Wenn hingegen die Löhne den durch die Produktivitätssteigerung vorgezeichneten Weg verlassen, könnten und würden wir auf jeden Fall ein Problem bekommen. Meiner Ansicht nach müssen wir über moderne Mittel und Wege nachdenken, die gewährleisten, dass eine möglichst große Zahl von Menschen an den Früchten des Wachstums teilhaben kann. Nicht alles vollzieht sich über nominale Lohnerhöhungen. Wir müssen über mögliche Formen der Teilhabe der Arbeitnehmer, über Möglichkeiten der Gewinnbeteiligung und weitere Möglichkeiten der Lohnbildung nachdenken, die es einer möglichst großen Zahl von Menschen erlauben würden, an den Ergebnissen des Wirtschaftswachstums teilzuhaben, wobei Letzteres übrigens nicht grundsätzlich verdammt oder kritisiert werden sollte, wie dies in manchen Kreisen üblich ist. Es sollte vielmehr als ein Instrument angesehen werden, das es dem Euro-Währungsgebiet und der Europäischen Union erlaubt, ihre Erwerbsquote zu erhöhen und ausgehend davon die Arbeitslosenquote im Vergleich zu ihrem derzeitigen Stand zu senken. Wir wollen Wachstum, weil wir Beschäftigung wollen, doch wir wollen nicht, dass Wachstum ein Ziel an sich ist.
Was die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb des Euro-Währungsgebiets anbelangt, so sage ich – wie übrigens der Präsident der Zentralbank auch, woran Sie den Grad unserer Übereinstimmung ermessen können –, dass es sehr wohl einen Widerspruch gibt zwischen dem Umstand, dem gleichen Währungsgebiet anzugehören, und dem Umstand, nicht vollständig an den vier Freiheiten teilzuhaben. Daher stimme ich denen zu, die sagen, dass zum Beispiel die slowenischen Arbeitnehmer die Möglichkeit haben sollten, sich frei auf dem Territorium des Euro-Währungsgebiets zu bewegen. Aber Sie werden weder im Vertrag, noch in den Vereinbarungen über den Beitritt Bestimmungen finden, aufgrund derer wir sagen können: Ja, die slowenischen Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, sich auf dem Territorium der zwölf Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets frei zu bewegen, nicht aber auf dem Territorium der anderen, und Sie werden auch keine Bestimmungen finden, die uns erlauben zu sagen: Nein, die tschechischen, die slowakischen und die polnischen Arbeitnehmer dürfen sich nicht frei bewegen, sondern nur die Mitglieder des Euro-Währungsgebiets sind dazu berechtigt. Ich habe nicht alle Teile des Vertrags, ja nicht einmal den kleinsten Teil verfasst, aber man kann der Schwerfälligkeit nicht entrinnen, von der mitunter alle diese Texte geprägt sind. Darüber müssen wir also diskutieren, aber uns muss bewusst sein, dass diese Frage nicht allein auf der Ebene des Euro-Währungsgebiets gelöst werden kann. Sie muss auf der Ebene der gesamten Europäischen Union gelöst werden.
Es wurde viel über denjenigen gesprochen, den ich „unseren abendlichen Besucher“ bei der Zusammenkunft der Eurogruppe letzten Montag nannte. Dies ist übrigens, Herr Hamon, ein Ausdruck, der aus einer Zeit in der Geschichte des Elysée-Palastes stammt, die mit der heutigen nicht ganz vergleichbar ist, denn vor dem Präsidenten der Eurogruppe pflegten bereits andere die Gewohnheit, abendliche Besucher zu empfangen. Dies war mehr eine Erscheinung der 1980er Jahre in Frankreich. In Europa ist dieses Phänomen eher neu, und wir werden sehen, ob es den Beginn einer großen Tradition darstellt oder ob es sich auf ein einmaliges Phänomen beschränkt, das der Vergangenheit angehört.
Abgesehen davon möchte ich kurz auf einige Verpflichtungen verweisen, die Frankreich eingegangen ist. Erstens: Frankreich stellt die Haushaltskonsolidierung nicht ein, Frankreich pausiert nicht bei seinen Bemühungen um die Konsolidierung seiner Finanzen. Zweitens: Das Defizit 2008,….
(In Beantwortung eines Zwischenrufs von Herrn Goebbels)
...Ja, Herr Goebbels, man wird sehen. Ich bin für die französische Haushaltspolitik nicht zuständig, also wird man sehen… Außerdem möchte ich Ihnen sagen, verehrter Kollege Goebbels, dass wir diese Debatte nicht zu führen brauchten und am Montagabend keinen Besuch gehabt hätten, wenn die französischen Staatsfinanzen sich der gleichen Gesundheit erfreuen würden wie die des Landes, für das ich zuständig bin.
(Heiterkeit)
Die französische Verpflichtung gilt uneingeschränkt, und Frankreich wird alles tun, um 2010 sicher ans Ziel zu kommen, genauso wie wir uns alle im April dieses Jahres dazu verpflichtet haben. Frankreich ist nicht das einzige Land, dem es schwerfällt, diesen Termin einzuhalten. Wir werden mit der gleichen Strenge und Beharrlichkeit die Ergebnisse der anderen Länder prüfen, denen es möglicherweise nicht gelingen wird, unter den gegebenen Bedingungen das Ziel rechtzeitig zu erreichen, aber die Eurogruppe erwartet, dass alle Mitgliedstaaten ihr mittelfristiges Ziel spätestens 2010 erreichen. Frankreich wird uns im September ein aktualisiertes Stabilitätsprogramm übermitteln, damit die Kommission und die Eurogruppe gemeinsam prüfen können, ob die von der französischen Regierung eingeleiteten Strukturreformen geeignet sind, das gewünschte Ergebnis zu erzielen, d. h. die Wiederbelebung des französischen Wachstums und die Gewährleistung der längerfristigen Tragfähigkeit der französischen Staatsfinanzen. Ich bin gerade dabei, den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner geänderten Fassung zu zitieren.
Was die Erweiterung des Euro-Währungsgebiets betrifft, und unabhängig von der Diskussion über die Beitrittskriterien, die sich ergeben könnte, möchte ich vor dem Parlament wiederholen, dass das Euro-Währungsgebiet und die Eurogruppe selbstverständlich kein geschlossenes Gebiet und kein geschlossener Klub sind. Alle Mitgliedstaaten, die den Beitrittskriterien entsprechen, können nicht nur dem Euro-Währungsgebiet angehören, sondern müssen es sogar. Und kein Mitglied des Euro-Währungsgebiets, sei es ein Staat oder ein Politiker, kann einen Beitrittsantrag zum Euro-Währungsgebiet ablehnen. In diesem Punkt sind die Verträge eindeutig.
Darüber können wir natürlich diskutieren und wir werden es zweifellos auch tun, aber dann muss gründlich diskutiert werden und grundlegende Fragen dürfen nicht ausgespart bleiben, wie zum Beispiel: Sollen sich die Kriterien eher an einer nominalen Lesart orientieren, wozu uns die Verträge auffordern, oder sollen wir vielmehr eine reale Konvergenz anstreben? Ich habe bereits die neuen Mitgliedstaaten – ein Ausdruck, den ich nach wie vor verabscheue – vor dem Begriff der realen Konvergenz gewarnt. Den Mitgliedstaaten, denjenigen, die als neue Mitgliedstaaten bezeichnet werden, nützt es in Wirklichkeit nichts, wenn wir auf Untersuchungen zurückgreifen, die eher auf der realen Konvergenz als auf der nominalen Lesart beruhen, aber dies ist eine Debatte, die wir in den kommenden Monaten führen können.
Ich habe die Frage, die mir mein Freund Robert Goebbels am Ende seines Redebeitrags zur Grundrechtecharta in Europa gestellt hat, nicht richtig verstanden. Ich sehe keinen schlüssigen Zusammenhang zu der Aussprache, die wir gegenwärtig führen, es sei denn, es ginge darum, zur Sprache zu bringen, dass das Vereinigte Königreich keinen Grund mehr hat, ein Opt-out von der Grundrechtecharta zu fordern, dass es keinen Grund mehr hat, weiterhin um jeden Preis ein Opt-out im Währungsbereich in Anspruch nehmen zu wollen. Ich bin übrigens der Ansicht, dass das Vereinigte Königreich eines Tages auf seinem Territorium – noch vor Anwendung der Einheitswährung – die Grundrechterklärung anwenden wird, denn der Augenblick wird kommen, da es dies selbst will, weil man sich nicht ewig der Vernunft entziehen kann.
Aus der positiven Kombination der Grundrechtecharta und der Erklärung des Europarates zum gleichen Thema wird sich dann eine Lösung ergeben, die es dem Europäischen Gerichtshof durch die Verbindung dieser beiden Rechtsquellen ermöglichen wird, dafür zu sorgen, dass in diesem und anderen Punkten die Rechtsprechung unter Beweis stellt, dass sie mitunter der Realität voraus ist, die von jenen, die mehr Europa wollen, und von jenen, die leider weniger davon wollen, gestaltet wird. Der bedeutende Beitrag, den das Europäische Parlament zu unseren Debatten leistet, besteht in der Regel darin, dass es sich auf der Seite jener befindet, die mehr Europa wollen. Es bringt uns nichts ein, wenn wir jeden Tag weniger Europa wollen oder das bestehende Europa stückweise an die verkaufen, die ein Werk zerschlagen möchten, das, seit wir mit seinem Aufbau begonnen haben, unaufhörlich wächst und die Welt beeindruckt.
(Beifall)
Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB. – (EN) Frau Präsidentin! Ich habe fünf Anmerkungen zu der Frage. Als Erstes möchte ich nochmals betonen, dass die Berichte von Herrn Rosati und Herrn Mitchell sehr beeindruckend sind und zahlreiche wichtige Anregungen und Empfehlungen enthalten.
Zu den Anmerkungen von Herrn Schwab kann ich sagen, dass die Frage der institutionellen Philosophie natürlich eine Rolle spielt. Im Euro-Währungsgebiet gibt es derzeit 13 und ab Januar nächsten Jahres 15 mustergültige politische Demokratien. Künftig werden es 25 oder sogar noch mehr sein. Es ist unwahrscheinlich, dass sich im Rahmen der normalen Abläufe unserer demokratischen Systeme drei- oder viermal im Jahr Änderungen ergeben. Die Verpflichtungen, die innerhalb der Eurogruppe eingegangen wurden, werden entweder eingehalten oder nicht. Wenn sie nicht eingehalten werden, gibt es auch keine Eurogruppe, die Autorität besitzt, was, wie ich glaube, der Wunsch und das Ziel aller beteiligten Länder ist.
Mein zweiter Punkt bezieht sich auf die Beschäftigung. Zahlen sind Zahlen. Ich höre immer wieder, dass der Euro nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen bestimmt ist, dass wir ein Problem mit dem Wachstum und der Beschäftigung haben und so weiter. Der Euro wurde auf der Grundlage einer weltweit geltenden Philosophie geschaffen, nach der Preisstabilität sowie glaubwürdiges Handeln zur Sicherung der Preisstabilität die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind. Das ist die Entscheidung, die die Europäer getroffen haben, und damit stehen sie nicht allein, denn dies ist die allgemeine Meinung. Was besagen die Zahlen? Mehr als 12 Millionen Arbeitsplätze wurden seit der Einführung des Euro geschaffen – mehr als 12 Millionen; zwei Millionen, wie der Berichterstatter soeben sehr anschaulich erläutert hat, sind allein im Jahr 2006 entstanden. Seit der Euro-Einführung haben wir sogar mehr Arbeitsplätze geschaffen als die USA. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 25 Jahren. Damit geben wir uns nicht zufrieden, und das ist gut so, denn wir müssen noch viel mehr tun. Wir sollten es aber nicht hinnehmen, wenn behauptet wird, dass der Euro die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert. Das ist nicht wahr und das können wir beweisen.
Was unser sehr beharrliches Festhalten an der Preisstabilität anbelangt, habe ich bereits erläutert, dass die Preisstabilität zu den Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum und die nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen gehört. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass diese Haltung von unseren Bürgern ausdrücklich befürwortet wird. Alle Umfragen zeigen, dass sie sich mit überwältigender Mehrheit für die Preisstabilität aussprechen und dass sie mit der gegenwärtigen Situation nur bedingt zufrieden sind. Sie ermutigen uns, alles zu tun, um unsere Glaubwürdigkeit zu wahren. Wenn wir heute auf einen Zeitraum von 50 Jahren bezogen eine Inflationsrate von 4,67 % und auf einen Zeitraum von 30 Jahren bezogen eine Inflationsrate von 4,65 % haben (die Rate für 50 Jahre gilt für Frankreich, wo Anleihen eine Laufzeit von 50 Jahren haben, und die Rate für 30 Jahre bezieht sich auf Deutschland), so liegen diese Zahlen deutlich unter der zehnjährigen Inflationsrate in den Vereinigten Staaten. Warum liegen diese Inflationsraten auf einem so niedrigen Niveau? Weil wir glaubwürdig sind – glaubwürdig in unseren Maßnahmen zur Gewährleistung der Preisstabilität über einen Zeitraum von 30 und sogar mehr als 50 Jahren hinweg. Das sind die positiven Auswirkungen unserer Glaubwürdigkeit in Europa.
Die Frage des Wechselkurses ist ebenfalls sehr wichtig. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Bestimmungen eindeutig sind – sie sind im Vertrag festgelegt. Es sind genau dieselben Bestimmungen, die in Deutschland seit der Gründung der Bundesbank nach dem Zweiten Weltkrieg gelten. Es sind genau dieselben Bestimmungen, die im französischen System angewandt werden, das im Januar 1994 eingeführt wurde, als die Banque de France, wie im Vertrag von Maastricht festgelegt und von beiden politischen Lagern in Frankreich einstimmig beschlossen, ihre Unabhängigkeit erhielt. Wie Herr Goebbels erläutert hat, wurde die Verfassung der Fünften Republik geändert, um die Zentralbank unabhängig zu machen.
Die Bestimmungen sind also eindeutig. Es sind dieselben Bestimmungen, die auch in mehreren anderen Ländern gelten. In der Praxis bedeutet das, wie dies von einem Abgeordneten bereits ausführlich erläutert worden ist, dass wir Teil eines flexiblen Wechselkursmechanismus sind und dass wir ein Forum haben, in dem wir diese Fragen erörtern können, nämlich die G7. Jean-Claude Juncker und ich haben die G7-Erklärung gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern – der amerikanischen Notenbank und dem Finanzminister –, mit unseren japanischen Partnern und mit unseren anderen Partnern, dem Vereinigten Königreich und Kanada, unterzeichnet.
Mit diesen Beteiligten haben wir seit der Einrichtung des flexiblen Wechselkurssystems offene Fragen erörtert. Das bedeutet nicht, dass die Situation einfach oder sehr erfreulich ist, aber wir sollten unter den gegenwärtigen Umständen so verantwortungsbewusst wie möglich handeln und sicherstellen, dass dieser Dialog geführt wird, untereinander natürlich, aber auch mit unseren Partnern. Es ist undenkbar, dass wir Maßnahmen treffen, die im Widerspruch zu den Wünschen unserer Partner stehen. Das wird nicht funktionieren.
Frau Präsidentin! Ich möchte Sie nicht mit der Wiederholung dessen langweilen, was wir bereits gesagt haben, aber gemeinsam übermitteln wir China die Botschaft, dass wir mit der gegenwärtigen Situation nicht zufrieden sind. Wir wiederholen damit natürlich, was unsere japanischen Freunde bereits gesagt haben, die ebenfalls der Auffassung sind, dass die Märkte ihre derzeitigen Rahmendaten nicht umfassend berücksichtigen. Was die USA anbelangt, haben wir gemeinsam darauf hingewiesen, dass wir die Äußerung des Finanzministers und der Währungsbehörde, ein starker Dollar gegenüber dem Euro sei in ihrem Interesse, zur Kenntnis genommen haben. Ich werde darauf nicht weiter eingehen, aber wir müssen ganz genau wissen, wie der Sachverhalt ist.
Ich komme nun zum letzten Punkt, der ebenfalls sehr wichtig ist: die Unabhängigkeit. Ich habe sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen, dass alle europäischen Regierungen bekräftigt haben, dass sie die Unabhängigkeit der Zentralbank uneingeschränkt respektieren. Jean-Claude Juncker hat das soeben im Namen der Eurogruppe gesagt. Die Unabhängigkeit ist im Vertrag festgeschrieben und sie ist absolut unverzichtbar für die Glaubwürdigkeit. Wie können wir in den nächsten 50 Jahren glaubwürdig sein, wenn wir nicht von all denen, die Entscheidungen treffen – hier in Europa, in New York, in Tokio, in Singapur, in Hongkong oder anderswo –, als unabhängig angesehen werden? Sie vertrauen uns, weil wir unabhängig sind, aber die Unabhängigkeit beruht nicht nur darauf, dass unsere Partner, die Exekutiven, den Vertrag uneingeschränkt erfüllen, auch wir selbst spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Ich möchte im Namen des EZB-Rates Folgendes sagen – wenn ich könnte, würde ich dies in mehreren Sprachen sagen, um sicherzustellen, dass alle die Botschaft klar verstehen!
(FR) Ich werde die Unabhängigkeit der EZB unter allen Umständen mit größter Konsequenz bewahren. Meine 18 Mitarbeiter und ich beabsichtigen, den Vertrag in diesem Punkt wie auch in allen anderen strikt einzuhalten. Es geht um den Vertrag, den Vertrag als Ganzes und nichts anderes als den Vertrag.
Als Präsident wahre ich mit größter Entschlossenheit die Unabhängigkeit der EZB unter allen Umständen. Meine 18 Kollegen und ich beabsichtigen, den Vertrag strikt einzuhalten, den Vertrag, den gesamten Vertrag, und nur den Vertrag.
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Frau Präsidentin! Zum Abschluss dieser sehr interessanten Aussprache möchte ich eine ganz kurze Bemerkung zur Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts machen, denn in dieser Debatte – wie in vielen anderen innerhalb und außerhalb dieses Parlaments – fordern einige Leute die Kommission und den Rat – vor allem die Kommission, und zwar mit vollem Recht – zu einer konsequenten Umsetzung des Pakts auf. Ich stimme dem voll und ganz zu.
Die Kommission und ich selbst beabsichtigen, dem Rat vorzuschlagen, den Pakt so anzuwenden wie er ist, wie er vereinbart wurde. Das heißt, eine entschlossene Anwendung, ohne Ausnahmen, ohne Verletzung der Bestimmungen, was keine starre Anwendung bedeutet. Wir haben schlechte Erfahrungen mit Fällen, wo Konsequenz mit Starrheit verwechselt wurde. Entschlossenheit heißt nicht Starrheit, sie bedeutet Strenge gegenüber unterschiedlichen und schwierigen Situationen, sie erfordert eine Kombination aus Festigkeit und Flexibilität, wenn das Ziel darin besteht, die Haushaltsdisziplin herzustellen, die eine notwendige Voraussetzung für das Wirtschaftswachstum darstellt.
Ich komme nun zu meiner zweiten Überlegung. Einige Abgeordnete haben angesprochen, dass wir weitere Anstrengungen unternehmen müssen, um anhaltendes Wachstum zu erhalten und Wachstum und Beschäftigung zu verlängern. Wir müssen den Binnenmarkt weiterentwickeln, darüber wird noch vor Jahresende eine Aussprache stattfinden.
Die Kommission hat dem Rat eine Analyse zu der Frage zugesagt, wie der Binnenmarkt funktioniert und wie er sich nach unserer Auffassung weiterhin entwickeln muss. Es handelt sich um eine wichtige Debatte, die eine Fortsetzung von Diskussionen bildet wie jenen, die in diesem Parlament und im Rat über die Dienstleistungsrichtlinie geführt wurden – und wir werden jetzt sehen, wie sie umgesetzt wird –, eine Debatte, die mit der wachsenden Integration der Finanzdienstleistungen im Zusammenhang steht, einem entscheidenden Thema für die Verbesserung des Funktionierens der Eurozone.
Wir müssen weiter über die Lissabon-Strategie sprechen, und in den kommenden Monaten werden wir die Revision der integrierten Leitlinien, der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und der Beschäftigungsleitlinien diskutieren.
Die Strukturreformen im Rahmen der Lissabon-Strategie beginnen, Früchte zu tragen. Die guten Ergebnisse, die hervorragenden Resultate im Beschäftigungsbereich, die der Präsident der Europäischen Zentralbank gerade genannt hat, wären ohne die zur Lissabon-Strategie gehörenden Arbeitsmarktreformen nicht möglich gewesen, und ich glaube ebenso wenig – obwohl uns noch nicht alle Daten für die Analyse vorliegen –, dass es möglich sein wird, einige der Produktivitätssteigerungen in den letzten Quartalen zu erklären, ohne sie mit dem Wirtschaftszyklus, aber auch mit einigen Reformen auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten sowie mit bestimmten Prozessen in Verbindung zu bringen, oder ohne die, um es zu wiederholen, konsequente und nachdrückliche, aber nicht blinde Anwendung der Wettbewerbsregeln, die die Kommission ganz besonders überwachen muss.
Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Frage des Arbeitsentgelts. Sie wurde wiederholt angesprochen und Herr Juncker bereits darauf geantwortet. Ich bin hier vor dem Parlament schon verschiedene Male und in Diskussionen außerhalb dieses Hauses darauf eingegangen.
Ich stimme mit dem Standpunkt von Herrn Juncker voll und ganz überein. Das Arbeitsentgelt muss sich im Einklang mit der Produktivität entwickeln. Wenn sich die Produktivität erhöht, muss sich diese Erhöhung in der Entwicklung des Arbeitsentgelts niederschlagen. Wir können keine Lohnverhandlungen in Abhängigkeit von der Produktivität empfehlen, wenn diese nicht wächst, und dann diese Empfehlung vergessen, wenn die Produktivität steigt.
Ich habe jedoch den Eindruck, dass wir auch nicht die Notwendigkeit aus den Augen verlieren dürfen, die Lohnentwicklung moderat zu gestalten, nicht an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen und, was die Eurozone angeht, sehr sorgfältig die Gründe und Alternativen für die auseinander laufende Entwicklung der Lohnstückkosten zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zu analysieren, die erhebliche Probleme für die Länder verursachen kann, die dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Deshalb empfehle ich, diese Debatte etwas mehr zu vertiefen. Wir dürfen uns nicht nur auf das Arbeitsentgelt konzentrieren, sondern müssen auch über die Entstehung von Ungleichheiten sprechen, denn – und ich verknüpfe dies mit dem letzten Gedanken, den ich in dieser Debatte ansprechen möchte – die Wahrnehmung des Euro durch die Bürger ist ein wichtiges Element ihrer Sichtweise von Europa und dem europäischen Gedanken.
Die Wahrnehmung des Euro wird zweifellos von der Auffassung der Bürger über die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst, und wir müssen ihnen die Wahrheit sagen. Wenn die Wirtschaft schlecht läuft, müssen sie es erfahren, aber auch, wenn die Wirtschaft besser läuft. Jetzt, wo sich die Wirtschaftslage verbessert, müssen wir diese Verbesserungen auch den Bürgern vermitteln, deren individuelle wirtschaftliche Situation ihnen vielleicht keinen Blick auf die Gesamtentwicklung unserer Volkswirtschaften bietet.
Doch diese Wahrnehmung der Wirtschaftslage, der Auswirkungen des europäischen Aufbaus, der Wirtschafts- und Währungsintegration auf die einzelnen Wirtschaften wird auch von der Verunsicherung in Bezug auf die Zukunft, die Zukunft der sozialen Schutzsysteme, der Konsequenzen der Globalisierung und der Alterung der Bevölkerung beeinträchtigt. Auf dieses Gefühl der Ungewissheit müssen wir reagieren, ohne die Grundlagen der Wirtschafts- und Währungsunion, die wir heute analysiert haben, zu gefährden.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am Donnerstag, dem 12. Juli statt.
14. Palästina (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu Palästina.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Ich möchte Ihnen sagen, dass es der aufrichtige Wunsch des Rates ist, mit dem Europäischen Parlament über die dramatischen Ereignisse in Gaza im vergangenen Monat zu sprechen, wie es auf der Plenarsitzung am 19. Juni gefordert worden war.
Der Rat und die Kommission haben sofort reagiert, wie in den Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juni deutlich gemacht wurde, wo wir erklärt haben, dass wir die Bevölkerung in Gaza nicht im Stich lassen. Alle Anstrengungen werden unternommen, um zu gewährleisten, dass humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt, ob nun durch finanzielle Unterstützung oder durch Bemühungen auf politischer Ebene, damit Israel die humanitären Konvois in das Gebiet lässt. Auch unsere Mission zur Unterstützung der Grenzbehörden in Rafah bleibt einsatzbereit. Wenn sich alle Seiten über die Wiederaufnahme der Mission verständigen können und wenn es die Bedingungen im Gebiet zulassen, dann wird die Europäische Union den regulären Betrieb an diesem Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten wieder unterstützen.
Wir unterstützen die Notstandsregierung von Premierminister Salam Fayad. Die Beziehungen zwischen dieser Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde und der EU wurden unverzüglich normalisiert. Israel hat ebenfalls besondere Verpflichtungen. Es muss ebenso handeln und endlich alle palästinensischen Steuer- und Zolleinnahmen zur Verfügung stellen sowie den Zugang zum Westjordanland und Gaza und die dortige Bewegungsfreiheit erleichtern, damit die Palästinenser wirtschaftlich tätig werden können. Israel muss vor allem zu dem glaubwürdigen Friedensprozess beitragen, für den sich führende palästinensische Politiker wie Präsident Abbas und Premierminister Fayad einsetzen. Das wäre eine gewaltige Hilfe.
Die Ernennung von Tony Blair zum neuen Beauftragten des Quartetts lässt keinen Zweifel daran, dass die internationale Gemeinschaft sich weiterhin aktiv in dieser Frage engagiert. Wir freuen uns, dass sich der frühere britische Premierminister für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt hat, und hoffen aufrichtig, dass seine Tätigkeit dazu beitragen wird, die Rolle der Europäischen Union im Friedensprozess zu stärken.
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Seit der letzten Aussprache in diesem Hohen Haus hat sich die Situation in den besetzten palästinensischen Gebieten grundlegend geändert.
Es gibt einige begrüßenswerte Entwicklungen. Israel hat endlich die Überweisung der Steuer- und Zolleinnahmen wieder aufgenommen, die Europäische Union hat die Normalisierung ihrer Beziehungen zur palästinensischen Autonomiebehörde beschlossen und es gibt eine neue palästinensische Regierung unter der Führung von Ministerpräsident Salam Fayyad. Nach dreimonatiger Unterbrechung wurden die bilateralen Gespräche zwischen Abbas und Olmert wieder aufgenommen. Und schließlich war ich ebenso wie viele andere sehr erleichtert über die Nachricht, dass der BBC-Korrespondent Alan Johnston nach über dreimonatiger Gefangenschaft freigelassen worden ist.
Doch nachdem die Hamas nun im Gazastreifen die Macht übernommen hat, ist die Gefahr jetzt groß, dass es zu einer Spaltung zwischen Teilen der palästinensischen Gebiete kommt. Die Bevölkerung von Gaza ist von der Welt abgeschnitten, und die Spannungen zwischen den palästinensischen Gruppen waren noch nie so groß wie heute. Die Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates ist zumindest in Gefahr.
Wir müssen uns weiter für die Entwicklung einer politischen Perspektive einsetzen, damit Frieden und Wohlstand für die Region geschaffen werden können. Ich hoffe, dass das anstehende bilaterale Treffen zwischen Präsident Abbas und Ministerpräsident Olmert, das, wie zu hoffen ist, am 16. Juli stattfinden wird, zur Formulierung einer glaubwürdigen politischen Perspektive für das palästinensische Volk beitragen und den Weg für ihr späteres gemeinsames Gespräch mit dem Nahost-Quartett ebnen wird.
Ich hoffe, das Quartett kann seine Zusammenarbeit mit den arabischen Partnern fortsetzen, und ich freue mich auf das nächste Treffen des Quartetts, das voraussichtlich nächste Woche stattfinden wird und bei dem all diese Punkte besprochen werden können. Ich begrüße die Ernennung von Tony Blair zum Sondergesandten des Quartetts, die sicher dazu beitragen wird, dass wir im Nahost-Friedensprozess eine noch aktivere Rolle spielen. Zusammen mit der arabischen Friedensinitiative kann er dem Prozess neuen Schwung verleihen. Ich werde ihn und die Mitarbeiter seines Teams in Jerusalem selbstverständlich in jeder erdenklichen Weise unterstützen, so wie wir auch Jim Wolfensohn unterstützt haben.
Was die Bereitstellung von Hilfen anbelangt, hat die Kommission sehr schnell auf die neue Situation reagiert. Ich habe ein Schreiben von Ministerpräsident Fayyad erhalten, in dem er mitteilt, was am dringendsten gebraucht wird. Wir sind bereit und kümmern uns natürlich auch schon um die Bereitstellung unserer Hilfen, damit wir die neue Regierung unterstützen können. Das Quartett und der Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ haben eine Verlängerung des zeitlich befristeten internationalen Mechanismus (TIM) bis Ende September gebilligt. Zur Finanzierung von TIM-Maßnahmen im dritten Quartal haben wir bei der Haushaltsbehörde die Bereitstellung von 80 Millionen Euro beantragt. Ich freue mich und danke Ihnen dafür, dass der Haushaltsausschuss in dieser Woche der Bereitstellung dieser Mittel zugestimmt hat. Wir können nun so lange Unterstützung leisten, bis die Verlängerung des TIM ausläuft. Wie von Salam Fayyad erbeten, wird derzeit eine direkte Finanzhilfe für die palästinensische Autonomiebehörde in Form eines Programms zur Begleichung der Zahlungsrückstände des privaten Sektors vorbereitet. Dies wird sich nicht nur auf die finanzielle Situation der palästinensischen Autonomiebehörde, sondern auch auf die finanzielle Situation des palästinensischen Privatsektors positiv auswirken. Zurzeit prüfen wir, welche Mittel dafür verwendet werden können.
Die Kommission hat ihre langjährigen Bemühungen zum Aufbau der Institutionen für einen zukünftigen palästinensischen Staat wieder aufgenommen. Darüber hinaus leisten wir technische Unterstützung für das Finanzministerium. Ein Projekt zur Unterstützung des Finanzministeriums im Bereich der internen Kontrolle und der Rechnungsprüfung wurde soeben auf den Weg gebracht, und zwei weitere Projekte sollen in Kürze beginnen. Das eine betrifft die Zollverwaltung und das andere die Steuerverwaltung.
Abschließend noch ein paar Worte zu Gaza. Wir werden die Bevölkerung von Gaza natürlich nicht im Stich lassen, und wir werden auch das Ziel eines lebensfähigen palästinensischen Staates nicht aufgeben. Wir leisten humanitäre Unterstützung und Soforthilfe für die Menschen in Gaza, und die ECHO-Partner sind vor Ort im Einsatz. Über TIM werden Mittel für Sozialbeihilfen und Brennstoff bereitgestellt. Die Lage könnte sich aber weiter verschlechtern, weil der Zugang zum Gaza-Streifen nach wie vor problematisch ist. Deshalb müssen wir noch intensiver mit Ägypten und Israel zusammenarbeiten, damit wir eine Öffnung der Grenzübergänge Rafah und Karni erreichen. Durch die anhaltende Schließung dieser Übergänge wird die reibungslose Einreise von humanitären Helfern und die Einfuhr von Hilfsgütern erschwert, und es ist zu hoffen, dass dies keine verheerenden Folgen für die Wirtschaft im Gazastreifen haben wird.
Die Grenzübergänge müssen sowohl für humanitäre Zwecke als auch für den Handel offen sein. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, wird dies schwerwiegende Folgen für die Sicherheit der gesamten Region, für den zukünftigen palästinensischen Staat und auch für den Haushalt der Kommission haben. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Bevölkerung von Gaza ohne Außenhilfe nicht mehr überleben kann.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Morgen wird das Parlament eine neue Entschließung über die Lage im Nahen Osten annehmen, bei der wir auf der Grundlage der üblichen Verfahren einen Konsens erreicht haben.
Doch darüber hinaus gibt es zwei Punkte, Herr Präsident, die ich in dieser Rede ansprechen möchte. Der erste ist die Ernennung des ehemaligen Premierministers Tony Blair zum Sondergesandten des Nahost-Quartetts. Offensichtlich, und das ist eine Frage, die ich an den Ratsvorsitz richten möchte, gehört es zum Aufgabenbereich dieses Amtes, die korrekte Verwendung der Mittel der internationalen Gemeinschaft für die Region zu garantieren.
Der zweite Punkt, auf den ich eingehen will, Herr Präsident, ist das von 10 Außenministern unterzeichnete Schreiben, unter ihnen auch der portugiesische Außenminister, der gleichzeitig Ratspräsident ist. Dieses Schreiben wurde vom Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entschieden kritisiert.
In dem Schreiben heißt es, dass die Union in ihrer Nahostpolitik an Überzeugungskraft eingebüßt hat; es wird die erdrückende Behauptung aufgestellt, die Roadmap sei gescheitert und wir alle trügen die Verantwortung für diese Situation; und es wird angedeutet, dass die von der Union und der gesamten internationalen Gemeinschaft auferlegten Bedingungen zur Zuspitzung der Lage beigetragen haben.
Ich möchte den Ratsvorsitz fragen, ob er – wie es nach meiner Ansicht der Fall ist – diesen Äußerungen zustimmt. Ferner würde ich gern wissen, ob es sich nur um persönliche Erklärungen des portugiesischen Ministers handelt oder ob sie im Namen der EU abgegeben wurden.
Herr Präsident, abschließend habe ich auch noch Fragen zu den Vorschlägen in diesem Schreiben, der Durchführung einer internationalen Konferenz über die Lage im Nahen Osten und der Mobilisierung einer internationalen Streitmacht, wie der NATO, oder unter Kapitel VII der UN-Charta, die mit der Überwachung einer Waffenruhe und der Erhaltung des Friedens beauftragt wird.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, liebe Frau Kommissarin! Angesichts der Situation im Nahen Osten werden jetzt viele Krokodilstränen vergossen. Dabei hätte man doch eigentlich wissen müssen, dass es sehr leicht so weit kommen könnte. Natürlich war die Selbstzerstörungskraft der palästinensischen politischen Kräfte nicht genau absehbar, aber wo war denn die Unterstützung von Israel für Präsident Abbas in den letzten Jahren? Wann haben wir laut aufgeschrieen, weil Herr Abbas nicht unterstützt worden ist? Wo war denn die visionäre und selbständige Strategie der Europäischen Union? Und warum, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin, übergehen wir einfach die Kritik von Herrn De Soto an der Politik des Quartetts? Ist es unser schlechtes Gewissen? Ist es die Einsicht, dass hier wirklich etwas schief gelaufen ist? Denn, Kollege Salafranca, wir müssen doch zugeben, dass etliches schief gelaufen ist.
Ich will jetzt dennoch nicht in der Vergangenheit herumstöbern, weil es ja um die Zukunft geht. Was bleibt zu tun? Meine Fraktion hat vor kurzem unter Federführung von Pasqualina Napoletano eine Nahost-Konferenz abgehalten, und wir kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie die zehn Außenminister, die das kürzlich in einem Artikel kundgetan haben. Ich hätte mir gewünscht, dass alle Außenminister dies gemeinsam getan hätten. Wir brauchen eine tatkräftige Unterstützung für die Regierung Abbas/Fayad, wenigstens jetzt. Aber wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, eine solche Unterstützung würde bedeuten, dass die Probleme mit der Hamas gelöst sind oder dass die Probleme mit der Hamas militärisch zu lösen sind, indem wir Abbas-Truppen aufrüsten. Das ist ja, was einige glauben! Die Herzen und die Hirne der Wählerinnen und Wähler von Hamas werden wir so sicherlich nicht gewinnen.
Wir brauchen auch endlich eine Anerkennung der Grenzen von 1967 durch Israel — zumindest als Ausgangspunkt der Verhandlungen. Zugegeben, da wird sich einiges verschieben. Wir brauchen eine umfassende Diskussion über alle Aspekte, von der Flüchtlingsrückkehr bis zur Mauer. Diese Dinge sind nicht leicht lösbar, aber sie müssen offen und ehrlich diskutiert werden. Und wir brauchen auch eine Einbeziehung des arabischen Friedensplans, um einen wirklichen Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn zu erreichen.
Das Ziel muss die Verhinderung von Gewalt sein. Aber wir sollten gerecht sein. Wenn wir von einer Seite Gewaltverzicht verlangen, dann sollten wir das auch von der anderen Seite fordern, und das war in den vergangenen Monaten nicht der Fall.
Ein Wort zu Tony Blair und seiner Aufgabe: Wir hätten ein besseres Gefühl, hätte Tony Blair in seiner etwa zehnjährigen Regierungszeit eine aktive, progressive und erfolgreiche Nahostpolitik betrieben. Wir haben eine solche Politik nicht gesehen. Mag sein, dass sich Tony Blair jetzt von manchen Fesseln — atlantischen und sonstigen Fesseln — befreien und eine andere Rolle spielen kann. Wenn dem so ist, werden wir das sehr begrüßen. Wir wünschen ihm zum Wohle der Region viel Glück, aber er muss sich sehr anstrengen, um eine andere Politik zu betreiben als in den vergangenen Jahren.
Annemie Neyts-Uyttebroeck, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Die bisherigen Beiträge haben bereits klar gezeigt, dass sich unsere Einstellung zur Lage im Nahen Osten im Allgemeinen und zur Problematik Israel-Palästina im Besonderen grundlegend geändert hat.
Auch ich werde Zeugnis dafür ablegen, aber ich werde mich nicht – im Gegensatz zu einigen – von diesen Haltungen quasi distanzieren, denn ich fühle mich auch im Namen meiner Fraktion im Grunde mitverantwortlich für das, was bislang passiert ist – oder auch nicht. Es wäre zu einfach zu sagen: das sind diese oder jene, und wir sind die Guten, denn wir wissen, was von jetzt an geschehen muss. Meines Erachtens sind wir alle mitverantwortlich für den Gang der Dinge, für das Nichthandeln einiger Länder oder das späte Handeln anderer.
Wie dem auch sei, was in Gaza geschah, erweckte den Anschein eines völligen Stillstands, aber zugleich hat es einige Entwicklungen in Gang gesetzt, die gewissermaßen Windows of Opportunities darstellen. Dazu gehören die mutige Haltung des Präsidenten der Palästinensischen Behörde und des Ministerpräsidenten, die Wiederaufnahme der Gespräche mit Israel, die Befreiung Alan Johnstons, die uns selbstverständlich erfreut, und die Freilassung einiger palästinensischer Gefangener. Gleichwohl möchten wir, dass noch mehr Menschen freigelassen werden.
Die erneute Initiative der Arabischen Liga, die außerordentlich wichtig ist, und die signalisierte Bereitschaft seitens Ägyptens, Jordaniens und anderer arabischer Länder zu einem erheblich stärkeren Engagement, zu einer wesentlich größeren Beteiligung an weiteren Gesprächen, all das sind hoffnungsvolle Zeichen. Das soll selbstverständlich nicht heißen, die Lage in Gaza sei für die Beteiligten nicht schlimm. Deshalb begrüße ich die erneuten Initiativen der Kommission ebenso wie die Tatsache, dass Israel, obgleich es damit viel zu lange gewartet hat, endlich mit der Überweisung der Steuergelder an die Palästinensische Behörde begonnen hat.
Ich komme zum Schluss – denn ich möchte Ihrem Wunsch, Herr Präsident, mich an meine Redezeit zu halten, nachkommen –, und möchte an uns alle appellieren, jetzt gemeinsam den politischen Mut aufzubringen und entschlossen an der Lösung zu arbeiten, die uns allen im Grunde bekannt ist: zwei lebensfähige Staaten, die in international anerkannten Grenzen friedlich nebeneinander leben. Wenn wir zu diesem politischen Mut fähig sind, wir alle, und unsere kleinen und mitunter großen Differenzen zur Seite schieben, dann wird vielleicht im Osten noch die Sonne aufgehen.
Liam Aylward, thar ceann an Ghrúpa UEN. – A Uachtaráin, cuirim fáilte mór roimh an sceál gur scaoileadh an t-iriseoir, Alan Johnson, ón BBC saor ó Gaza tar éis dó a bheith gafa le ceithre mhí anuas. Tá áthas ó chroí orm go bhfuil sé saor agus go bhfuil sé sa bhaile anois lena mhuintir agus lena chairde. Cuirim fáilte freisin roimh shocrú rialtas Iosrael an deireadh seachtaine seo caite 250 príosúnach a scaoileadh saor. Ach tá cúrsaí daonnachta in Gaza dona go fóill. Caithfear ord agus eagar a chur ar an soláthar bia atá ag dul isteach go muintir na Palaistíne. Níor cheart cead a thabhairt d'údaráis Iosrael cosc a chur ar an mbia ag teorainn Gaza agus Iosrael.
(EN) Das größte Problem für die Bevölkerung von Gaza ist die humanitäre Situation. Die Tatsache, dass die Hamas nun die Kontrolle über Gaza und die Fatah die Kontrolle über das Westjordanland übernommen hat, hilft der palästinensischen Sache um keinen Deut weiter. Es heißt im Grunde nur, dass man den Palästinensern nun vorwerfen kann, dass sie gleichzeitig zwei unterschiedliche Ziele verfolgen. Anders ausgedrückt, kann Israel den Umstand, dass die Palästinenser uneinig sind und derzeit nicht mit einer Stimme sprechen, als Vorwand benutzen. Ich glaube außerdem, dass die Europäische Union in einer sehr starken Position ist, um die Rolle des Vermittlers in vielen politischen Fragen im Nahen Osten zu übernehmen. Europa muss sich noch stärker politisch engagieren, um sicherzustellen, dass ein Bürgerkrieg vermieden wird.
Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Sie, Herr Antunes, und neun Ihrer Kollegen haben sich für einen neuen Ansatz in Palästina ausgesprochen. Das ist ein guter Ausgangspunkt. Im Bericht von Herrn de Soto, dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, wird die Strategie des Quartetts entschieden kritisiert, und auch die Union selbst kommt nicht gerade gut weg. Diese Strategie vermochte weder die politische Normalisierung der Hamas, noch die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen durch Israel, noch die Einheitsbestrebungen der Palästinenser zu fördern. Die derzeitige Katastrophe vollzieht sich im menschlichen, im wirtschaftlichen und sozialen sowie im politischen Bereich. Welcher neue Ansatz soll nun angewendet werden?
Die Europäische Union, Frau Kommissarin, ist keine karitative Einrichtung. Sie hat sich politisch zu engagieren und in erster Linie eine glaubwürdige Perspektive für eine endgültige Lösung des Konflikts aufzuzeigen. Das im Friedensplan der Arabischen Liga enthaltene Potenzial muss dazu vollständig ausgeschöpft werden. Die Union muss sich für eine internationale Friedenskonferenz einsetzen, in die alle beteiligten Parteien einbezogen werden. Sie muss dies mit aller Entschiedenheit tun, selbst wenn dies bedeutet, das Quartett dabei an die Hand nehmen zu müssen. Die Union muss alle Wege nutzen, um die israelischen Behörden in die Lage zu versetzen, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und im rechtlichen Bereich für die palästinensische Zivilbevölkerung greifbare Ergebnisse zu erzielen. Die Union sollte ihre Verantwortung am Grenzübergang von Rafah wahrnehmen und gegebenenfalls öffentlich auf Hindernisse hinweisen, die ihr bei der Ausübung ihrer Kontrollmission in den Weg gestellt werden. Die Blockade um den Gazastreifen, die günstige Voraussetzungen für den Ausbruch von Gewalt schafft und den Gewaltakt der Hamas nach sich zog, muss aufgehoben werden. Der Personen- und Warenverkehr zwischen Gaza und dem Westjordanland sowie zwischen Gaza und Israel muss wiederhergestellt werden.
Abschließend möchte ich feststellen, Herr Präsident, dass die Union in diesem Falle ihren Partnern vorschlagen sollte zu prüfen, ob der Einsatz einer internationalen Truppe angebracht wäre, sodass der Frieden alle Chancen erhält.
Luisa Morgantini, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe wirklich, dass Tony Blair nach den Fehlern, die er im Irak-Krieg begangen hat, nun in einer Wiedergutmachungsphase ist und dabei helfen kann, den Palästinensern Frieden und Gerechtigkeit und den Israelis Frieden zu bringen. Deshalb bin ich wirklich sehr dankbar für den Beitrag der zehn Außenminister Europas, die Tony Blair vier Hauptprobleme für seine Arbeit vorgegeben haben. Dabei handelt es sich um dringende und wirklich dramatische Fragen.
Um Mahmoud Abbas, dem palästinensischen Volk und Israel zu helfen, ist es meines Erachtens unerlässlich, ein lösungsorientiertes Abkommen zu schließen und eine brutale militärische Besetzung, die nunmehr über 40 Jahre währt, zu beenden. Das ist sehr wichtig, doch die Krisensituation ist ebenso wichtig.
Als Europäische Union haben wir Verantwortung wahrzunehmen: die Wiedereröffnung des Grenzübergangs von Rafah, wo 6 000 Menschen ohne ein Dach über dem Kopf, ohne alles, ausharren und nicht nach Hause zurück können. Wir müssen dafür sorgen, dass die unterstützende Grenzkontrollmission EU BAM funktioniert. Was die politischen Gefangenen anbelangt, so ist es ohne Frage notwendig, dass Gilad Shalit freigelassen wird, doch dasselbe gilt für die palästinensischen politischen Gefangenen, darunter Marwan Barghouti, was als politischer Einigungs- wie auch als Friedensfaktor im Nahen Osten wirken kann.
Jana Hybášková (PPE-DE). – (EN) Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass der Entschließungsantrag, über den wir morgen abstimmen werden, von mir und unserer Fraktion begrüßt wird.
Wir freuen uns, dass das Quartett darin nicht kritisiert wird, wie dies von einigen Fraktionen erwartet worden war. Ganz im Gegenteil, darin wird eine künftige Ausweitung seiner Tätigkeit sogar unterstützt. Im Entschließungsantrag wird klar und eindeutig Verständnis und Unterstützung für die außerordentlichen Beschlüsse von Mahmoud Abbas bekundet. Im Entschließungsantrag werden die vertrauensbildenden Gespräche zwischen der Regierung von Salam Fayyad und der Regierung des Staates Israel sowie die Erneuerung der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zwischen ihnen zur Kenntnis genommen.
Wir begrüßen die Entscheidung über die Steuer- und Zolleinnahmen sowie den Beginn der Freilassung von politischen Gefangenen in Israel. Gleichwohl muss Mahmoud Abbas die notwendigen Schritte zur Schaffung einer echten Demokratie, zur Einrichtung eines Forums für die politischen Parteien und für die Zusammenarbeit mit der jungen Fatah einleiten.
Israel sollte die Aufhebung der ab Dezember 2000 errichteten Straßensperren ernsthaft prüfen und den Ausbau der Siedlungen stoppen. Ägypten sollte in die Lösung des Gaza-Problems eingebunden werden.
Die Entsendung internationaler Truppen nach Gaza wäre ein enormes Risiko für uns alle, und für die Europäische Union sollte die Zusammensetzung der vorgeschlagenen internationalen Konferenz eine Frage von größter Bedeutung sein. Syrien sollte für seine außenpolitischen Maßnahmen zur Verantwortung gezogen werden. Nur dann kann es sich am Dialog beteiligen und zu einer Lösung beitragen.
Wir versuchen, der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland so gut es geht mit finanziellen Mitteln und auf jede andere erdenkliche Weise zu helfen. 90 % der Bevölkerung des Westjordanlands sind jedoch Bauern, die der Volksgruppe der Fellachen angehören. Sie sind von der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse abhängig. Wir fordern Israel auf, den Warenverkehr nicht zu blockieren, und meine Frage ist, wie wir angesichts unserer heuchlerischen Haltung, die wir im Agrarsektor einnehmen, reagieren werden. Sind wir bereit, unsere Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus dem palästinensischen Westjordanland zu öffnen?
Alyn Smith (Verts/ALE). – (EN) Ich danke Frau Ferrero-Waldner und den Kollegen aller Fraktionen dieses Hauses für ihre Anteilnahme am Schicksal von Alan Johnston, der zu unser aller Freude frei und sicher nach Hause in meinen schottischen Wahlkreis zurückkehren konnte. Doch dies ist nur ein Lichtblick in einem unendlichen Ozean des Schmerzes, und wir müssen unseren eigenen Anteil an diesem Scheitern anerkennen.
Ich teile die Auffassung von Frau Ferrero-Waldner, dass es langfristig durchaus Grund zum Optimismus geben kann. Bei dem Besuch, den ich, Frau Morgantini und andere im vergangenen Jahr ins Westjordanland und nach Gaza unternommen haben, war jedoch nicht zu übersehen, dass die Politik der EU nur ein Heftpflaster, aber kein Heilmittel ist.
Das Quartett hat in den Augen des überwiegenden Teils der arabischen Welt seine Glaubwürdigkeit verloren. Zumindest ist es bei vielen Palästinensern in Verruf geraten. Die EU sollte sich ihrer Verantwortung stellen und beweisen, dass sie echte Führungskompetenz besitzt und ehrliche Absichten hat.
Die Ernennung von Tony Blair zum Sondergesandten sehe ich ebenso kritisch wie einige meiner Kollegen. Ich spreche als britischer Abgeordneter im Europäischen Parlament, wenn ich sage, dass es ein schrecklicher Gedanke für mich ist, dass diese Person, deren Ansehen schweren Schaden genommen hat, den Friedensprozess im Nahen Osten glaubwürdig vertreten soll. Dies ist wichtig, denn wir brauchen nur an die Bombenanschläge in Glasgow und London zu denken, um zu erkennen, dass die – direkten oder indirekten – Folgen unseres fortwährenden Versagens in Palästina uns alle einholen.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Leider fehlt uns die Zeit, die Situation in Palästina zu analysieren. Wir befinden uns im Europäischen Parlament, und von uns werden prompte Antworten auf eine außerordentlich dringende und komplizierte Frage erwartet.
Ich werde mich deshalb nur zu vier wichtigen Punkten äußern:
Erstens, die Europäische Union ist für die gegenwärtige Situation verantwortlich, weil sie die Regierung der nationalen Einheit nicht unterstützt hat.
Zweitens, die Lösungen und Schritte, die wir jüngst vonseiten des Quartetts und Israels gesehen haben, mögen auf den ersten Blick Präsident Abbas unterstützen, jedoch stellen sie ihm weitere Hindernisse in den Weg, eine brauchbare Lösung für das Problem der faktischen Teilung Palästinas zu finden.
Drittens, ich rufe alle Beteiligten auf, sich mit aller Kraft für die Einheit einzusetzen, weil das die einzige Möglichkeit ist, aus der Krise herauszukommen.
Mein vierter und letzter Punkt betrifft die humanitäre Situation, die sowohl in Gaza als auch im Westjordanland tragisch ist. Insbesondere in Gaza müssen unverzüglich Maßnahmen eingeleitet werden, um das wirtschaftliche und soziale Überleben der Bewohner zu sichern.
Abschließend möchte ich den Rat und die Kommission ersuchen: Irgendwann einmal, selbst wenn es zwischen Hamas und Fatah zu einer Einigung kommt, müssen Sie über die künftige Politik der Union auf diesem Gebiet entscheiden. Dabei dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden – dass die Europäische Union gezielt mit nur einer Hälfte der Regierung verhandelt und die andere ausdrücklich ignoriert, ungeachtet dessen, ob die gesamte Regierung aus freien und demokratischen Wahlen hervorgegangen ist.
Eugen Mihăescu (ITS). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir in unserem globalen Dorf Europa lamentieren derzeit darüber, dass sich auf dem Platz vor unseren Grenzen Menschen gegenseitig die Kehle durchschneiden. Anstatt einzugreifen, weinen und jammern wir wie alte Frauen. So etwas nennt man unterlassene Hilfeleistung für Menschen in Not, ein Vergehen, das laut Gesetz unter Strafe steht. Ein großer Weiser sagte einmal, dass die Heiligen und die Propheten mehr wert sind als Künstler, Gelehrte, Staatsmänner, Soldaten und Händler. Aber wo sind heute die Weisen und die Propheten?
Wir könnten derzeit einen neuen Heiligen Franziskus von Assisi gebrauchen. Dieser lebte ebenfalls in einer Zeit der Kreuzzüge, aber er nahm Anteil an den anderen, an jenen, die von den Kreuzzüglern bekämpft wurden. Er tat alles, um sie aufzusuchen. Schließlich sagte er während des fünften Kreuzzuges, bei der Belagerung von Damietta in Ägypten, bekümmert über das Verhalten der Kreuzzügler „Ich habe das Böse und die Sünde gesehen“. Erschüttert vom Anblick der Toten auf den Schlachtfeldern, überschritt der Heilige Franziskus die Frontlinien. Er wurde gefangen genommen, in Fesseln gelegt und zum Sultan Saladin gebracht, dessen Geburtsort Tikrit war. Die Zusammenkunft muss ganz außergewöhnlich verlaufen sein, denn nach einem Gespräch, das bis spät in die Nacht hinein dauerte, ließ der Sultan den Heiligen Franziskus am nächsten Morgen, ohne dass ihm ein Leid geschah, in das Lager der Kreuzzügler zurückkehren.
Ich denke, dass dabei jeder dem anderen seine Gründe darlegte, dass der Heilige Franziskus über Jesus Christus sprach und der Sultan Passagen aus dem Koran vorlas, und dass sie sich schließlich über die Botschaft einigten, die der arme Heilige Franziskus von Assisi überall verkündete: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“.
Tony Blair war einer der Kreuzzügler im Irak. Kann er der Heilige Franziskus werden, den Europa im Mittleren Osten braucht?
Edward McMillan-Scott (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Die palästinensische Frage und die Beziehungen zwischen Palästina und Israel sind ein Thema, das nicht nur Familien, sondern auch die Fraktionen in diesem Hohen Haus wie auch in anderen Parlamenten auf der ganzen Welt, ja sogar Institutionen spaltet. Genau diese Institutionen, die wir hier vertreten, und die Rolle, die wir in den letzten Jahren im Quartett gespielt haben, sind heute ein Problem. Einige hoffen, dass die Ernennung von Tony Blair mit seinem ganz spezifischen Auftrag für das palästinensische Volk den Prozess wiederbeleben wird. Ich bin mir dessen nicht so sicher. Ich halte es für wichtig, dass die Werte, die für die Entstehung der Europäischen Union maßgeblich waren, weiterhin ein erstrebenswertes Ziel für alle Völker des Nahen Ostens sind, ganz besonders aber für Palästina und Israel.
Ebenso wie alle anderen teile ich die Freude über die Freilassung von Alan Johnston. Ich gehöre zu den Schirmherren des BBC World Service Trust. Alan Johnston berichtete aus Gaza über die Wahlen, aus denen im Januar 2005 Abu Mazen als Sieger hervorging, sowie über die Wahl einer von der Hamas geführten palästinensischen Regierung im Januar 2006. Das Dilemma für die demokratischen Nationen – die gemeinhin als „der Westen“ bezeichnet werden – war, ob sie diese Hamas-Regierung anerkennen sollten oder nicht. Nun, wir wissen, wie die Entscheidung ausgefallen ist, und die Konsequenzen tragen wir bis heute. Ich frage mich, ob die Europäische Union wirklich zufrieden zurückblicken und feststellen kann, dass sie in dieser Phase eine angemessene Rolle gespielt hat.
Ich begrüße es, dass im Europäischen Parlament nun über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten diskutiert wird, wie ich es bereits vor zweieinhalb Jahren vorgeschlagen hatte. Ich freue mich, dass wir Ende August Gastgeber einer Konferenz der Vereinten Nationen sein werden, aber ich glaube nach wie vor, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, intensive Arbeit, die von den europäischen Abgeordneten gemeinsam mit den gewählten Parlamentariern der arabischen Welt – dazu gehören sicher auch einige, mit denen wir normalerweise lieber nichts zu tun haben möchten – geleistet werden muss. In Zukunft müssen wir anders an die Dinge herangehen.
Geoffrey Van Orden (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Es wurde gesagt, dass es fünf Krisen im Nahen Osten gibt, die miteinander verbunden sind. Wir sehen, dass der Iran bei all diesen Krisen seine Hand im Spiel hat. Es mag sein, dass Gaza von der Hamas kontrolliert wird, aber die Hamas ist nicht ihr eigener Herr: Das letzte Wort hat Teheran. Vielleicht wäre es deshalb zutreffender, zu sagen, dass es im Nahen Osten nur einen Konflikt gibt, nämlich den Konflikt zwischen Extremisten und Gemäßigten. Wir haben die Verpflichtung, die gemäßigten Kräfte zu ermutigen und zu unterstützen.
Es besteht die Gefahr, dass die Hamas von einigen als eine Art soziale Einrichtung mit einer bestimmten Gesinnung angesehen wird. Dies wäre ein fataler Fehler: Die Hamas ist im Grunde nichts anderes als eine Terrororganisation. Sie bezieht ihre Macht aus Einschüchterung und Mord und hat das Ziel, ihre eigene verzerrte Sichtweise des Islam einer verängstigten Bevölkerung aufzudrängen. Ich erinnere mich nur allzu gut an den Appell der Palästinenserin Dr. Hannan Ashrawi, die internationales Ansehen genießt, anlässlich der Parlamentswahlen vor 18 Monaten: Sie sagte: „Wir müssen die Kräfte der Finsternis besiegen“.
Die Bewohner von Gaza haben keine echte Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung. Unterdessen ist Israel fortwährenden Angriffen ausgesetzt, und gestern wurden Mörsergranaten von Gaza aus auf den Grenzübergang Kerem Shalom abgefeuert, über den humanitäre Hilfslieferungen von Ägypten aus nach Gaza gelangen.
Wir dürfen bei aller Freude und Erleichterung über die Freilassung von Alan Johnston nicht vergessen, dass wir nicht das Geringste über die Situation des Gefreiten Shalit wissen, der vor einem Jahr entführt wurde. Gestern waren Angehörige seiner Familie hier im Parlament.
Was ist also die Erkenntnis, die wir aus dieser unübersichtlichen und gefährlichen Gemengelage ziehen können? Israel hat besonnen reagiert: Es hat die Regierung von Salam Fayyad anerkannt, es hat Hunderte von palästinensischen Gefangenen freigelassen, es hat die Überweisung von rund 400 Millionen US-Dollar an Steuern, die von den Palästinensern bezahlt wurden, veranlasst und es hat sich aktiv an den Gesprächen unter Leitung der palästinensischen Autonomiebehörde beteiligt. Es ist jedoch eine dritte Partei – entweder aus der arabischen Welt oder aus Europa – notwendig, damit echte Fortschritte erreicht werden können. Die 2002 ins Leben gerufene arabische Friedensinitiative ist nach wie vor der vielversprechendste Weg, und ich bin sicher, dass Israel dies erkannt hat. Ebenso wie wir die gemäßigten Kräfte unterstützen und die Terroristen bekämpfen müssen, müssen sich die gemäßigten arabischen Regierungen aktiver und flexibler am Friedensprozess beteiligen: politisch, wirtschaftlich und finanziell. Dies ist in unserem – und in deren – Interesse.
Philip Claeys, im Namen der ITS-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Vielen Dank für Ihr Verständnis. Die Europäische Union muss die pragmatischen Kräfte im Lager der Palästinenser unterstützen. Das bedeutet, die Hilfe und Mittel sollten an die Palästinensische Behörde am Westjordanufer und nicht an die Hamastan in Gaza geschickt werden.
Wir müssen zudem bei den israelischen Behörden auf die Überweisung der Zölle an die Palästinenserbehörde am Westjordanufer drängen sowie darauf, dass die Einschränkungen des Personenverkehrs zwischen dem Westjordanufer und Israel soweit wie möglich abgebaut werden. Es ist wirklich immens wichtig, dass der Einfluss von Iran zurückgedrängt wird.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, dass ich zunächst Frau Ferrero-Waldner grüße und dass ich auch die Aufmerksamkeit auf ihren ersten Beitrag lenke, in dem sie sehr konkret und aufschlussreich über das Vorgehen der Europäischen Union in Palästina im Auftrag der Kommission sprach, wofür ich sehr dankbar bin.
Ich möchte kurz auf zwei Fragen eingehen, die hier von Herrn Salafranca aufgeworfen wurden. Die erste betrifft die Ernennung von Tony Blair zum Gesandten des Nahost-Quartetts und die zweite den von zehn Außenministern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichneten Brief.
Ich meine, dass wir uns über die Ernennung von Tony Blair freuen sollten, und zwar erstens, weil er Europäer ist, zweitens, weil er Präsident des Europäischen Rates war und drittens, weil er ein in internationalen Angelegenheiten außerordentlich erfahrener Politiker ist und zum Teil auch deshalb, weil er ein Mann mit Überzeugungen ist. Deshalb bin ich der Auffassung, dass das Nahost-Quartett, die Europäische Union und wir alle als Europäer durch diese Ernennung nur gewinnen, und wir sollten ihn so gut unterstützen, wie wir können. Sein Mandat ist klar umrissen und bekannt, und Tony Blair wird selbstverständlich im Rahmen des ihm übertragenen Mandats handeln. Natürlich hoffen wir, dass seine Tätigkeit den Friedensprozess im Nahen Osten voranbringen wird, und wir wünschen für seine Aufgabe alles Gute.
Zu dem erwähnten Brief muss ich sagen, dass er im Rahmen einer speziellen informellen Gruppe von Ministern verfasst und unterschrieben wurde, und der portugiesische Außenminister hat ihn genau in dieser Eigenschaft unterschrieben. Wenn Sie sich den Brief anschauen, dann steht da nicht Luis Amado, Außenminister, an den Ratspräsidenten der Union, sondern Luis Amado, Außenminister Portugals, und ausschließlich auf dieser Grundlage ist der Brief unterschrieben worden.
Man mag mit seinem Inhalt oder Wortlaut einverstanden sein oder nicht, aber eines halte ich für wichtig: Zumindest im Geiste wird auf die Dringlichkeit, die Komplexität, die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, dass die Europäische Union als Ganzes eine zentrale Rolle bei der Lösung dieses Konflikts spielt, der vor 40 Jahren begann, und damit der Forderung entspricht, die viele Abgeordnete dieses Hohen Hauses erhoben haben, dass nämlich die Europäische Union nichts unversucht lassen soll, um in dieser Sache eine entscheidende Rolle zu spielen. Ich muss sagen, verehrte Abgeordnete, dass wir uns während unserer Präsidentschaft – natürlich in Zusammenarbeit mit der Kommission – bemühen werden, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um Ergebnisse zu erzielen und um dafür zu sorgen, dass der Friedensprozess im Nahen Osten voranschreitet, dass er einen echten Fortschritt erfährt.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich werde mich ganz kurz fassen. Wir müssen uns in dieser Diskussion auf die positiven Elemente in diesem überaus schwierigen Friedensprozess konzentrieren und versuchen, das Puzzle so zusammenzusetzen, dass Fortschritte erreicht werden können.
Ich hoffe, dass das nächste Treffen des Quartetts ein solcher Fortschritt sein wird, bei dem, wie ich glaube, die politische Perspektive und die politische Lösung wenigstens keine absoluten Tabuthemen mehr sein werden.
Außerdem möchte ich auf all die Verbesserungen hinweisen, die mit jedem Tag für die Palästinenser erreicht werden: die Bereitstellung internationaler Hilfen, die Vorbereitungen für den Aufbau von Institutionen und Regierungsstrukturen für den palästinensischen Staat und die Pläne zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Palästina. In diesem Kontext sind wir auch bereit, unser Interimsassoziationsabkommen mit der palästinensischen Autonomiebehörde wiederzubeleben, das unter anderem die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Palästina ermöglicht, wenn auch auf der Basis bestimmter Quoten natürlich.
Wir alle versuchen, unser Bestes zu tun, aber es hängt auch vom politischen Willen der beiden Seiten ab, den wir leider nicht ersetzen können.
Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 12. Juli 2007, statt.
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Pakistan.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Ich freue mich über die Gelegenheit, hier über Pakistan zu sprechen, zweifellos ein sehr wichtiges Land, das vielleicht nicht immer die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhält. Ich weiß, dass für einige Abgeordnete die Beziehungen zu Pakistan von besonderem Interesse sind, und deshalb freue ich mich über diese Möglichkeit, den Standpunkt des Rates zu diesem Land darzustellen und Ihre Meinung zu hören.
Die Lage in Pakistan entwickelt sich jetzt im Vorfeld der Wahlen rasant, und wir hoffen, dass die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament in den kommenden Monaten gut bleibt. Die Europäische Union pflegt seit vielen Jahren Beziehungen mit Pakistan, die im Jahr 1976 begannen, als unser erstes Kooperationsabkommen entstand.
Leider waren unsere Beziehungen in den letzten Jahren aus mehreren Gründen nicht mehr so eng, wie es sich beide Seiten gewünscht hätten. Aus diesem Grund hat die Europäische Union 2005 begonnen, ihre Politik gegenüber Pakistan zu überprüfen, denn der Rat hat erkannt, dass bestimmte Probleme im Land Herausforderungen darstellten. Man war sich auch grundsätzlich einig, dass die einzige wirksame Politik wäre, entschlossen an einem regelmäßigen Kontakt zur pakistanischen Regierung festzuhalten. Aus dieser Entscheidung heraus entstand die gemeinsame Erklärung zwischen der Europäischen Union und Pakistan, die am 8. Februar in Berlin angenommen wurde. Damit wurde unser politischer Dialog formalisiert, und der Weg war frei für die vollständige Umsetzung des Kooperationsabkommens von 2004, auch bekannt als Abkommen der dritten Generation.
Die Beziehungen der Europäischen Union zu Pakistan beruhen somit seit Anfang dieses Jahres auf einer neuen Grundlage. Wir haben die Hoffnung, dass dies zu einer besseren Verständigung zwischen beiden Seiten beitragen wird. Dies ist ein Schritt in einem langfristigen Prozess zum Aufbau einer hoffentlich fruchtbaren Zusammenarbeit. Es bedeutet auch eine Anerkennung der Bedeutung, die die EU Pakistan als Partnerland beimisst.
Auch wenn wir unseren langfristigen Kurs festgelegt haben, gibt es zugleich einige Fragen, die wir kurzfristig lösen müssen. Wir wissen, dass es im Parlament angesichts der jüngsten Ereignisse gewisse Befürchtungen gibt, von denen wir einige teilen. Die gesamte letzte Woche haben uns die Kämpfe um die Rote Moschee in Islamabad in Atem gehalten. Ich will jetzt nicht diskutieren, was zu der derzeitigen Lage geführt hat. Vielmehr möchte ich die Entscheidung der Regierung begrüßen, sich denen entgegenzustellen, die Intoleranz predigen. Natürlich hätten wir alle gern einen friedlichen Ausweg aus der Sackgasse erlebt, aber es ist wichtig, dass die Regierung gegen den radikalen Extremismus Position bezogen hat. Man muss zwischen denen unterscheiden, die Gewalt predigen, und denen, die friedlich demonstrieren.
Mit großer Sorge hat der Rat die im Mai in Karatschi ausgebrochene Gewalt zur Kenntnis genommen. Es muss unbedingt alles getan werden, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Durch den ständigen Kontakt zu den Botschaften der Europäischen Union in Islamabad beobachtet der Rat die Situation in Pakistan sehr aufmerksam. Wir hoffen, dass sich alle Seiten zurückhalten und dass vor allem die für die Wahrung der öffentlichen Ordnung Verantwortlichen verhältnismäßig vorgehen und so wenig Gewalt wie möglich im Umgang mit Zivilpersonen anwenden.
Der Rat verfolgt auch sehr genau den Fall des Obersten Richters am Obersten Gerichtshof Iftikhar Chaudhry. Es ist wichtig, dass der Prozess gegen Chaudhry nach fairen Regeln und ohne unangebrachte Einmischungen verläuft. Auch den Medien müssen die Freiheit haben, ihrer Informationspflicht ohne Einschüchterungen nachzukommen. Alles in allem ist es der Wunsch der Europäischen Union, dass Pakistan weiterhin den Weg der aufgeklärten Mäßigung unter Achtung der internationalen demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze beschreitet. Auf diesem Verständnis basieren unsere Beziehungen. Wie es in Artikel 1 des Kooperationsabkommens aus dem Jahre 2004 heißt, ist die Achtung der Menschenrechte und demokratischen Prinzipien ein wesentliches Element dieses Abkommens. Auf dieser Grundlage wollen wir arbeiten.
Pakistan steht mit der Durchführung der allgemeinen Wahlen 2007 vor einer Entscheidung. Die Europäische Union unterstützt in vollem Umfang alle Schritte, die im Sinne einer nachhaltigen Demokratie, der Stärkung der demokratischen Institutionen und der verantwortungsvollen Staatsführung in Pakistan unternommen werden. Die Europäische Union hält es daher für wichtig, dass die bevorstehenden Parlamentswahlen in Pakistan frei und regulär ablaufen. Wir halten es ebenfalls für wichtig, dass der neue Präsident Pakistans rechtmäßig gewählt wird. Der ausschlaggebende Punkt ist, dass die Regierung über die Kraft verfügt, die sich aus einer demokratischen Legitimität ergibt. Das wird notwendig sein, damit sie sich den vielen Herausforderungen in Pakistan stellen kann.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie der Herr Ratspräsident soeben sagte, haben wir alle die Ereignisse um die Rote Moschee in Islamabad verfolgt, und aus den jüngsten Berichten geht hervor, dass das Gelände größtenteils geräumt wurde und die Operation in die Endphase eingetreten ist. Ich hoffe sehr, dass wir keine Menschenleben mehr beklagen müssen. Mich hat es geschockt, dass diese Szenen sich mitten im Zentrum der pakistanischen Hauptstadt abgespielt haben und dass hunderte Frauen und Männer daran beteiligt waren. Es ist sehr bedauerlich, dass diejenigen, die nach wie vor Widerstand leisten, die friedliche Lösung, wie Herr Lobo Antunes sagte, nicht akzeptiert haben.
Ich weiß die Geduld der Regierung sehr zu schätzen, die versucht, eine Verhandlungslösung herbeizuführen, um Blutvergießen zu verhindern, vor allem, weil Kinder gezwungen wurden, gegen ihren Willen und den ihrer Eltern in der Moschee auszuharren. Diese Zwischenfälle haben den Menschen in Pakistan und der ganzen Welt deutlich vor Augen geführt, welche Gefahren von religiösem Fundamentalismus und Intoleranz für uns und eine im Wesentlichen gemäßigte und friedliche Gesellschaft ausgehen können.
In den letzten Monaten haben die Studenten und Geistlichen der Roten Moschee versucht, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das nicht die Richtung ist, die die Bevölkerung Pakistans einschlagen möchte. Die Regierung tut Recht daran, entschieden gegen dieses Phänomen vorzugehen. Andere Ereignisse, darunter mehrere Bombenanschläge in letzter Zeit in der nordwestlichen Grenzprovinz und der mutmaßliche Anschlag gegen das Flugzeug von Präsident Musharraf am vergangenen Freitag verdeutlichen ganz klar, dass Pakistan wachsam und entschlossen bleiben muss, damit Terrorismus und Extremismus nicht die Oberhand gewinnen.
Die EU-Politik muss sich weiterhin konstruktiv mit Pakistan auseinandersetzen. Die wichtigsten Ziele unsere Engagements sind die Förderung der regionalen und inneren Stabilität und der Demokratisierung sowie die Unterstützung des Landes bei der Festigung seiner Position als gemäßigter muslimischer Staat. Es freut mich, dem Parlament mitteilen zu können, dass am 24. Mai das erste Treffen des gemischten Ausschusses im Rahmen des Kooperationsabkommens der dritten Generation in Islamabad stattfinden konnte. Dieses Treffen bot eine gute Gelegenheit, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Pakistan zu eröffnen, zum Beispiel durch die Einrichtung eines Unterausschusses für gute Regierungsführung und Menschenrechte als Forum für einen intensiveren Dialog in diesem Bereich.
Darüber hinaus haben wir die Finanzmittel für unsere Zusammenarbeit mit Pakistan für die nächsten vier Jahre auf 200 Millionen Euro aufgestockt, vor allem in den Bereichen ländliche Entwicklung und Bildung. Unser Ziel ist es, damit zu einem wohlhabenderen und stabileren Pakistan beizutragen.
Das politische Umfeld Pakistans ist momentan sehr unsicher. Es wird zurzeit viel über den möglichen Ausgang der nächsten Wahlen spekuliert. Eine dieser Spekulationen basiert auf dem von Präsident Musharraf angekündigten Plan, sich durch das Parlament bereits vor den Parlamentswahlen wiederwählen zu lassen. Oder aber Präsident und Oppositionsparteien treffen eine Vereinbarung, die zu vorgezogenen Wahlen und einer möglichen Wiederwahl Musharrafs durch das neue Parlament führen könnte.
Da in Pakistan Ende dieses Jahres entscheidende Parlamentswahlen stattfinden werden, halte ich es für unbedingt notwendig, weiterhin die demokratischen Einrichtungen zu stärken und einen integrativeren politischen Prozess in Gang zu bringen. Wie Sie wissen, ist Pakistan für uns ein Schwerpunktland für eine mögliche EU-Wahlbeobachtungsmission. Die von der Sondierungsmission im vergangenen Monat übermittelten Ergebnisse werde ich genauestens prüfen und dann entscheiden, ob zu gegebener Zeit eine Mission entsendet wird.
Meines Erachtens gibt es erhebliche Bedenken hinsichtlich der Erstellung der Wählerlisten. Auf ihnen fehlen offenbar mehrere Millionen Wähler, und es sollte dringend etwas unternommen werden, das in Ordnung zu bringen.
Abschließend sei gesagt, dass wir genau prüfen müssen, ob es ratsam wäre, eine Wahlbeobachtungsmission zu entsenden, wenn es erhebliche Bedenken in Bezug auf die Bedingungen für demokratische Wahlen gibt, wie ich soeben betonte, und wir müssen die Entwicklungen in den nächsten Wochen und Monaten genauestens beobachten.
Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich kritisiere die pakistanische Regierung bereits seit geraumer Zeit, angefangen von der Tolerierung der Weiterverbreitung von Kernwaffen durch A. Q. Kahn bis zu der skandalösen Behandlung religiöser Minderheiten. Mitunter war ich auch skeptisch, ob Präsident Musharraf – der angeblich unser Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus ist – wirklich entschlossen ist, radikale islamistische Dschihadisten tatsächlich zu bekämpfen und zu verhindern, dass junge Menschen, einschließlich EU-Bürger, in den strengen Deobandi-Madrassas ausgebildet werden.
Nun erleben wir den blutigen Sturm auf die Rote Moschee, in der bewaffnete Islamisten sich mit Frauen und Kindern verkrochen haben. Musharraf zufolge unterhielten die Kämpfer Verbindungen zur Al-Qaida. Warum ließ man diesen Konflikt seit Januar schwelen, als die Sicherheitskräfte die illegale Besetzung von Land, die Anhäufung von Waffen und die Entführung von Frauen in den Moschee-Komplex ignorierten? Geschah dies alles im Hinblick auf einen blutigen Showdown? Oder um zu zeigen, welches Risiko Extremisten darstellen, und dem Westen die gegen den Terror gerichtete Haltung des Präsidenten zu demonstrieren? Denn der Westen hatte in der letzten Zeit öfter Kritik geübt und behauptet nun, dass der allzu mächtige pakistanische Militärgeheimdienst ISI den Talibantruppen insgeheim geholfen hat, sich in den Grenzregionen mit Afghanistan neu zu sammeln.
Es wird auch behauptet, dass Abdul Aziz, der Geistliche, der die Kämpfer der Roten Moschee anführte, familiäre Bindungen zum ISI besaß. Diese Krise ist ganz sicher eine willkommene Ablenkung für Präsident Musharraf, der jetzt wegen der Entlassung seines Obersten Richters unter Druck steht und zu begründen versucht, warum er weitere fünf Jahre regieren muss, und es natürlich darauf abgesehen hat, den beherrschenden Einfluss der pakistanischen Armee zu erhalten.
Die EU sollte zu Recht die Instabilität eines islamischen Staates mit Atomwaffen fürchten, und ich fordere Präsident Musharraf jetzt auf, zwei ehemaligen zivilen, säkularen Ministerpräsidenten zu gestatten, aus dem Exil zurückzukehren, bei demokratischen Wahlen gegen gefährliche Extremisten anzutreten und beim Aufbau eines toleranten und demokratischen Landes zu helfen, das Präsident Musharraf überleben kann.
Robert Evans, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Diese Aussprache ist wichtig und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Es ist interessant, dass drei Redner aus dem Vereinigten Königreich stammen, aber das ist den Gemeinden geschuldet, die wir vertreten. Wir wissen, dass die Menschen in ganz Europa sich angesichts der Lage in Pakistan und der momentanen Ungewissheit im Hinblick auf Präsident Musharraf – und seine Zukunft –Sorgen machen, und uns ist klar, dass dies in engem Zusammenhang mit der Zukunft seines Landes steht.
Ich möchte mich nicht so kritisch äußern wie Dr. Tannock, aber in dem Entschließungsantrag, den wir vorgelegt haben, kommt unsere Besorgnis zum Ausdruck, weil viele von uns das Land besucht haben – wir sind sowohl hier als auch in Pakistan mit dem Präsidenten zusammengekommen. Wir wünschen Pakistan viel Glück. Wir wissen um die sehr realen Herausforderungen, vor denen das Land steht, nicht zuletzt die Bewältigung der sehr schwierigen Aufgabe der Terrorismusbekämpfung in seinem eigenen Hoheitsgebiet. Wir respektieren die internationale Rolle, die es bei der weltweiten Terrorismusbekämpfung gespielt hat. Wir wissen zu schätzen, was es bereits unternommen hat, und versprechen, es bei seinen weiteren Bemühungen zu unterstützen.
Der Kampf gegen den Terrorismus darf allerdings nicht als Vorwand für die Vertuschung von ungesetzlichem Handeln oder Fehlverhalten dienen. Die Frau Kommissarin sprach von dem schwerwiegenden Zwischenfall in der Roten Moschee; das tat auch Herr Dr. Tannock, der auch auf die Entlassung des Obersten Richters Chaudhry und das, was darauf folgte, einging.
Ich möchte noch einmal auf die Wahlen zurückkommen, über die sowohl die Kommissarin als auch Herr Lobo Antunes bereits sprachen. Der Vertreter des Rates sagte, dass wir Schritte in Richtung dauerhafter Demokratie unterstützen – selbstverständlich tun wir das! Ich anerkenne und begrüße den Einsatz der Kommissarin für eine Untergruppe für verantwortungsvolle Regierungsführung und Menschenrechte für Pakistan.
Heute möchte ich Präsident Musharraf bitten, dafür zu sorgen, dass die bevorstehenden Wahlen nicht nur stattfinden, sondern auch in einem Umfeld durchgeführt werden, das dazu beiträgt, dass eine internationale Beobachtermission – entweder von der Europäischen Union oder anderen – ihnen eine rechtmäßige Durchführung bescheinigen kann. Das ist für die Glaubwürdigkeit jedes pakistanischen Präsidenten bzw. jeder Regierung und ohnehin für jede Regierung auf der ganzen Welt unerlässlich.
Ganz speziell hoffe ich, dass bei den Vorbereitungen dieser Wahlen gewährleistet wird, dass sie korrekt durchgeführt werden, was auch bedeutet, dass mehr Frauen sich als Kandidatinnen aufstellen lassen können. Wie die Frau Kommissarin sagte, dürfen die Wählerlisten nicht unkontrolliert bleiben, sondern es muss gewährleistet sein, dass niemand fehlt.
Für die Wahlen brauchen wir eine freie und offene Presse, die Journalisten müssen sich sicher fühlen, um sagen und schreiben zu können, was sie wollen. Ich hoffe, dass die Übergangsregierung in der Übergangszeit, wenn die Wahlen stattfinden, absolut neutral ist.
Pakistan ist ein großes Land mit einem stolzen Volk und einer viel zu problembeladenen Geschichte. Ich bin mir sicher, im Sinne aller Abgeordneten dieses Parlaments zu sprechen, wenn ich sage, dass das Europäische Parlament bereit ist, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um Pakistan in schwierigen Zeiten zu unterstützen, damit es wachsen kann, und ihm als eine voll funktionsfähige und friedliche Demokratie zur Seite stehen.
Sajjad Karim, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Die tragischen Ereignisse an der Roten Moschee in Islamabad zeigen, dass Pakistan einer eindeutigen und allgegenwärtigen Bedrohung durch extremistische Ideologien ausgesetzt ist. Sie stellen eine Gefahr für die Mehrheit der gemäßigten Pakistanis und die in Afghanistan stationierten NATO-Truppen dar. Diese Ereignisse hatten auch Auswirkungen auf Peshawar, Balochistan, Waziristan und Bajor, was beweist, dass die Extremisten mittlerweile auch in vielen anderen Teilen des Landes Fuß gefasst haben.
Doch die Tatsache, dass die Mehrheit der Pakistanis die Gewalt der Kämpfer verurteilt, zeigt, dass Extremisten nur eine kleine Minderheit in Pakistan darstellen. Die Regierung muss eben diesen mehrheitlich gemäßigten Kern für sich gewinnen, wenn sie einen umfassenden politischen Konsens erzielen will.
Die Beziehungen zwischen der EU und Pakistan beruhen auf dem Eintreten für Demokratie, Frieden und Stabilität, Handel und Entwicklung und der Achtung der Menschenrechte. In diesem Jahr haben Rat und Kommission wesentliche Schritte zur Stärkung dieser Beziehungen eingeleitet, und wir müssen unseren Einfluss als einer der Hauptgeber in der Region weiterhin geltend machen, um das Leben der Menschen in Pakistan zu verbessern.
Die EU muss die in Pakistan laufenden Projekte in den Bereichen Gesundheit und Bildung weiterhin unterstützen, damit die ärmsten Teile der Bevölkerung eine echte Alternative zu den Madrassas haben. Wir müssen darauf bestehen, dass die Regierung die Unabhängigkeit der Justiz, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte des pakistanischen Volkes im Vorfeld der demokratischen Wahlen respektiert. Wir müssen alle Versuche zur Beseitigung der Rede- und Medienfreiheit verurteilen und uns solidarisch mit den Juristen des Landes zeigen, indem wir die Entlassung des Obersten Richters missbilligen.
Abschließend sei gesagt, dass die Europäische Union dem Präsidenten unmissverständlich klarmachen muss, dass der Übergang zu einer Zivilregierung durch freie und gerechte Wahlen ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
VORSITZ: MAREK SIWIEC Vizepräsident
Der Präsident. Ich teile Ihnen mit, dass ich gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge erhalten habe.(1)
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 12. Juli 2007, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Neena Gill (PSE), schrifltich. – (EN) Ich mache mir große Sorgen, dass die zerbrechliche Demokratie Pakistans in Gefahr ist. Die Entlassung des Obersten Richters und das darauf folgende Vorgehen der Medien verheißen nichts Gutes für freie und gerechte Wahlen. Es wird viel über offizielle und inoffizielle Einschüchterungen gegenüber Juristen und den Missbrauch des Antiterrorgesetzes zur Strafverfolgung politischer Gegner berichtet.
Von Pakistanis habe ich gehört, dass die gemäßigten Parteien, Journalisten und die Zivilgesellschaft an den Rand gedrängt und zugleich extremistische Gruppen gestärkt werden, damit sie mehr Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können.
Ich bedauere es sehr, dass durch die jüngsten Unruhen Zivilisten ums Leben kamen, und ersuche Präsident Musharraf dringend, dafür zu sorgen, dass die pakistanischen Behörden die Menschenrechte uneingeschränkt respektieren. Darüber hinaus möchte ich dem Präsidenten nahelegen, seine der EP-Delegation bei deren Pakistanreise im Dezember 2006 gegebenen Versprechen einzuhalten, bei denen es um den Übergang zu einer Zivilregierung und die Einigung auf die Schaffung demokratischer Einrichtungen ging – am allerwichtigsten sind jedoch seine Versprechen im Hinblick auf die Medienfreiheit. Rat und Kommission fordere ich auf, gegenüber Pakistan unmissverständlich ihre Meinung in Bezug auf die Wiederherstellung der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte zum Ausdruck zu bringen.
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über die zukünftige Einigung über Kosovo.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Eine kurze Erklärung zum Kosovo. In den letzten Jahren sind zweifellos bedeutende Fortschritte bei der Stabilisierung im westlichen Balkan zu verzeichnen. Zur Absicherung dieser Fortschritte bleibt aber eine entscheidende Herausforderung bestehen: der Abschluss des Prozesses zur Festlegung des künftigen Status des Kosovo und die Umsetzung des Ergebnisses mit einem strategischen Ziel.
Gefragt ist wird eine rechtzeitige und nachhaltige Lösung, die den Grundstein für ein demokratisches Vielvölker-Territorium Kosovo schafft, das einen Rechtsstaat aufbaut und die regionale Stabilität und die europäische Perspektive der Region fördert. Die Festlegung des Status des Kosovo ist eine entscheidende Voraussetzung für die Festigung der Stabilität in der Region. Die Europäische Union hat sowohl wirtschaftlich als auch politisch viel in den Balkan investiert, und deshalb wollen wir nicht, dass die Region erneut destabilisiert wird.
Da der Kosovo eine Region in Europa ist, sollte sich die Europäische Union bei den Bemühungen, die mit dem Kosovo in Zusammenhang stehenden Fragen zu lösen, besonders engagieren. Deshalb muss mit Hilfe des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sehr schnell eine Lösung gefunden werden. Der Status Quo ist nicht haltbar.
Gemäß der Erklärung der Außenminister der Europäischen Union am 18. Juni in Luxemburg hat der Rat den Sondergesandten Martti Ahtisaari seiner Unterstützung versichert und seinen Standpunkt bekräftigt, dass sein umfassender Vorschlag die Grundlage für die Regelung des Status des Kosovo durch eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates darstellt.
Die Europäische Union setzt unermüdlich ihre Bemühungen fort, um die rechtzeitige Verabschiedung einer solchen Resolution durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sicherzustellen, die auch eine Grundlage für die Präsenz der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft schafft. Entscheidend für die Verwirklichung dieses Ziels wird sein, dass die Mitgliedstaaten weiterhin einen einheitlichen Standpunkt vertreten und dass sie konsequent und geschlossen gegenüber dem Kosovo auftreten. Der Rat hat ebenfalls seine Überzeugung bekräftigt, dass die Lösung dieser Frage ganz und gar einzigartig und ohne Beispiel ist.
Die Europäische Union ist weiterhin bereit, eine maßgebliche Rolle bei der Umsetzung der Resolution über den künftigen Status des Kosovo zu leisten. Unsere Planung vor Ort ist weit vorangeschritten und basiert auf der umfassenden Herangehensweise, die der Rat im Dezember 2006 beschlossen hat, sowie auf der Annahme, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine neue Resolution verabschieden wird, die der Europäischen Union ein klares Mandat erteilt.
Wir tun alles, um einen erfolgreichen Übergang zu sichern, und arbeiten dafür eng mit der UN-Mission im Kosovo zusammen, die zugesichert hat, dass sie bis zum Ende ihres Mandats ihre operativen Kräfte in voller Stärke beibehalten wird.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Der zukünftige Status des Kosovo ist die letzte noch offene Statusfrage, die durch den Zerfall Jugoslawiens entstanden ist. In dieser Phase ist es unerlässlich, dass sich der UN-Sicherheitsrat bewegt. Dessen Mitglieder müssen ihren Pflichten in Bezug auf die Lösung der Statusfrage nachkommen und einen multilateralen Rahmen schaffen, damit in der gesamten Region ein dauerhaftes Ergebnis erzielt wird.
Ich fordere Serbien auf, in der nächsten Phase des Prozesses eine konstruktive Rolle zu spielen. Ich fordere alle Beteiligten auf, nicht einseitig vorzugehen und weder Erklärungen abzugeben noch mit Vetos zu drohen, da das nur unser aller Interesse an einer stabilen Region, die ein integraler Bestandteil der Europäischen Union werden kann, abträglich wäre.
Im März haben Sie hier im Parlament eine Entschließung zum Kosovo angenommen. Meines Erachtens denken unsere Organe in vielerlei Hinsicht ähnlich. Sie waren der Auffassung, dass die einzige dauerhafte Lösung darin besteht, alle Gemeinschaften zu respektieren, den Kosovo bei seinem wirtschaftlichen Wiederaufbau zu unterstützen und zum Schutz der Interessen aller ethnischen Gemeinschaften eine internationale Präsenz zu schaffen.
Im Juni bekräftigte der Rat, dass die EU den UN-Sondergesandten Martti Ahtisaari und seinen umfassenden Vorschlag als Grundlage für die Lösung der Statusfrage und eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates unterstützt.
Wir befürworten den Vorschlag als den bestmöglichen Kompromiss, mit dem gewährleistet werden kann, dass alle Gemeinschaften im Kosovo eine Zukunft haben, in der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fest verankert sind.
Die Hauptaspekte dieses Vorschlags sind die Bausteine jeder modernen Gesellschaft. Sie umfassen den Schutz der Rechte der Gemeinschaften, den Schutz des kulturellen und religiösen Erbes und die grundlegenden verfassungsrechtlichen und sicherheitspolitischen Vorschriften. All dies ist für einen demokratischen und multiethnischen Kosovo unerlässlich.
Kurz gesagt, wir müssen jetzt drei Dinge tun. Erstens müssen wir die Statusfrage ohne unnötige Verzögerungen klären. Zweitens müssen wir die wesentlichen Aspekte des aktuellen Lösungsvorschlags beibehalten, und drittens müssen wir die europäischen Bestrebungen des Kosovo und die Annäherung an die Europäische Union weiterhin unterstützen.
Als Kommissionsmitglied habe ich bereits mehrere Instrumente im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses eingeführt. Die Kommission setzt sich für einen regelmäßigen Dialog zu den Reformen ein. Wir geben großzügig Unterstützung. Wir überwachen die Fortschritte auf der Grundlage der Europäischen Partnerschaft und haben regionale Kooperationsaktivitäten mit dem Kosovo eingeleitet.
Die Verzögerung des Prozesses nur um der Verzögerung Willen ist eine potenziell gefährliche Sache. Sie kann kaum zur Annäherung der diametral entgegengesetzten Positionen bezüglich des Status beitragen, aber sie könnte das Risiko der Instabilität erhöhen.
Daher müssen wir den Kosovaren zeigen, dass Bewegung in ihre Angelegenheit kommt und dass es eine Lösung geben wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Hardliner die Oberhand gewinnen, denn dann würden der Balkan und Europa die Konsequenzen tragen müssen.
Der Kosovo ist in der Tat eine zutiefst europäische Angelegenheit. Es gilt, unbedingt eine dauerhafte Lösung zu erlangen. Wie Sie in Ihrer Entschließung vom März sagten, ist es für die Stabilität und Weiterentwicklung der gesamten Region unerlässlich, eine Lösung auf der Grundlage von Herrn Ahtisaaris Vorschlag zu finden. Sowohl Serbien als auch der Kosovo sollen – wie auch ihre Nachbarn – Teil der EU werden, da die Zukunft des westlichen Balkans in der EU liegt.
In der Tat sind weder Russland noch die Vereinigten Staaten von den Geschehnissen auf dem Balkan so direkt betroffen wie die Europäer. Es ist Europa, das den Preis zahlen würde, wenn der Statusprozess scheitert, und deshalb sollte der Status des Landes nicht durch einseitige Erklärungen oder Vetodrohungen geklärt werden, sondern durch effektiven und verantwortungsvollen Multilateralismus. Eine dauerhafte Lösung kann in der Tat am besten durch einen gemanagten und multilateralen Prozess erreicht werden.
Abschließend möchte ich noch einmal wiederholen, dass die Verzögerung des Statusprozesses nur um der Verzögerung Willen zu gar nichts führen wird. Wir würden damit nur Gefahr laufen, eine Instabilität im Kosovo herbeizuführen, das Leid in Serbien verlängern und die Bewegung der Region in Richtung Europäische Union verzögern.
Daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem Europa, die EU und ihre Mitgliedstaaten Führungsstärke an den Tag legen und dazu beitragen müssen, eine dauerhafte Lösung für den Kosovo herbeizuführen. Das sind wir dem Land schuldig. Das sind wir dem Balkan und Europa schuldig.
Bernd Posselt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich danke dem Herrn Kommissar für seine sehr klaren Worte. Auch der neue UNO-Generalsekretär hat gestern nochmals bekräftigt, dass weiteres Nichtstun in der Statusfrage eine ernsthafte Gefahr für den Frieden ist. Wenn der zu 90 Prozent von Albanern bewohnte Kosovo nicht endlich das bekommt, was ihm zusteht, nämlich eine international kontrollierte Unabhängigkeit, dann droht dort wirtschaftliche Instabilität und auch politische Unruhe. Aus diesem Grunde ist es höchste Zeit, dass sich eine realistische Linie durchsetzt.
Dieses Haus hat sich mit 75 Prozent für den Ahtisaari-Plan ausgesprochen. Es hat klar gesagt, dass es für eine international kontrollierte Unabhängigkeit ist. Auch die Kommission und die Mehrheit der Mitgliedstaaten haben ebenso wie die USA diese Linie vertreten. Deshalb ist es höchste Zeit, die Blockade im Weltsicherheitsrat zu beenden. Der russisch-serbische Nationalismus darf nicht länger einer Friedenslösung im Wege stehen, die den Serben im Kosovo weitgehende international garantierte Rechte sichert, wie sie sonst in keinem europäischen Land für eine Minderheit vorhanden sind.
Wir müssen endlich eine Lösung vorantreiben, denn gerade für unsere unbedingt notwendige EU-Mission brauchen wir sowohl eine stabile internationale Rechtsgrundlage als auch eine breite Zustimmung im kosovarischen Volk, sollen wir dort nicht als Besatzungsmacht wahrgenommen werden. Deshalb ist es wichtig, endlich mit Augenmaß an diese politische Lösung, die überfällig ist, heranzugehen.
Herr Präsident, ich möchte Ihnen ganz klar sagen, dass wir es nicht akzeptieren können, dass sich der Westen in einer Falle verfängt, die so aussieht, dass die serbische Verfassung Gebietsansprüche auf Kosovo erhebt und die Russen sagen, sie legen ein Veto ein, solange Serbien nicht zustimmt – was es dann aber wegen dieser jetzt in einem fragwürdigen Referendum geschaffenen Verfassung nicht kann. So wird künstlich eine Blockade erzeugt, die eine ernste Friedensgefahr darstellt.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten verlaufen eben doch nicht so zügig, wie sich das vielleicht einige wünschen. Ich sehe die Gefahr, die der Herr Kommissar hier angesprochen hat. Aber ich sehe auch eine Chance. Diese Chance sollte man nützen und nicht alles nur negativ sehen. Was wollen wir? Wir wollen Serbien durch ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen und durch die Visa-Erleichterungen – wenn Serbien mit dem ICTY zusammenarbeitet – Signale geben, dass es in der Europäischen Union willkommen ist, und wir wollen, dass diese permanente Selbstbezichtigung und der Minderwertigkeitskomplex ein Ende haben.
Zweitens wollen wir das Kosovo in eine Neuregelung auf der Basis des Ahtisaari-Plans einbeziehen. Das heißt nicht, dass das eine oder andere nicht veränderbar wäre. Dazu braucht es jedoch Gespräche und die Bereitschaft der serbischen und der kosovarischen Vertreter, miteinander zu reden. Ich glaube nicht, dass sie sich einigen werden, aber sie sollen zumindest ausräumen, was ausräumbar ist. Beide Seiten sollten Verantwortung zeigen, denn sie müssen auch in Zukunft miteinander in dieser Region leben, vor allem, wenn sie den europäischen Weg gehen wollen. Eine Gefährdung der Stabilität können wir nicht gebrauchen.
Es geht also nicht um ein Aufschieben um des Aufschiebens willen – da bin ich vollkommen mit dem Kommissar einer Meinung –, sondern darum, die Zeit bewusst zu nutzen. Ich bin sehr erfreut über die Aussage des Ministerpräsidenten des Kosovo, dass er in den nächsten Monaten keinen einseitigen Schritt unternehmen möchte. Das ist besser als manches, was ich hier in diesem Parlament höre. Ich bin auch sehr erfreut über die USA, wenn es stimmt, dass sie das ebenfalls nicht unterstützen werden, denn der Hauptbetroffene wäre die Europäische Union. Wir fordern Russland sicherlich auf, sein Veto und seine Blockadehaltung aufzugeben. Russland kann für Abchasien und Transnistrien nichts gewinnen, was es nicht ohnehin schon durch militärische Gewalt bekommen hat.
Jetzt geht es darum, einen friedlichen Übergang zu schaffen. Es liegt auch im Interesse des Kosovo und Albaniens, wenn Serbien möglichst eng in die Neuregelung einbezogen wird und auch Serbien klare europäische Signale bekommt. Etwas Besseres können sich auch Albanien und die Albaner im Kosovo nicht wünschen.
Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Leider konnte ich die Rede des Kommissars nicht verfolgen, da ich mit anderen parlamentarischen Aufgaben befasst war. Doch nach dem, was ich gehört habe, stimme ich generell zu, dass zwar die Zeit ausläuft, wir aber nicht das Gefühl haben, unter Druck zu stehen, weil es, wenn wir heute keinen Beschluss fassen, an der Schwelle Europas einen gewalttätigen Konflikt geben würde, wie uns einige weismachen wollen. In dieser Hinsicht sind die Erklärungen des Premierministers des Kosovo besonders willkommen und müssen positiv aufgenommen werden.
Erstens, wir müssen uns bemühen, die Position Serbiens zu verstehen, und ein Signal der Achtung an Serbien richten, der Achtung vor seiner Geschichte, seiner Gegenwart und seiner Zukunft. Es ist klar, dass Serbien zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof aufgefordert werden muss, aber ebenso klar ist, dass die Gefahr besteht, dass einige Aussagen der EU in Serbien als respektlos aufgefasst werden.
Zweitens, es gibt etwas, das nach meiner Meinung Berücksichtigung finden sollte, zumindest seitens der EU und aller an der rechtlichen und politischen Zukunft beteiligten Akteure, nämlich die wirtschaftliche Lage des Kosovo.
Wenn man einigen Rednern so zuhört, könnte man berechtigterweise den Eindruck gewinnen, dass nur eine Unabhängigkeitserklärung, nur eine UN-Resolution zur Festlegung der rechtlichen Zukunft des Kosovo zu Wohlstand in Pristina führen, Beschäftigung für tausende Menschen in einem Gebiet mit mehr als 50 % Arbeitslosigkeit schaffen und die Art wirtschaftlicher Stabilität erreichen wird, die Investitionen bringt.
Das trifft nicht zu. Was fehlt, ist ein Wirtschaftsplan für den Kosovo. Ein Kosovo ohne existenzfähige Wirtschaft, ruiniert und mit 70 % Arbeitslosigkeit wird für uns alle eine Tragödie bleiben. Jetzt ist der Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir einen gewissen Einfluss ausüben können, der nach meiner Ansicht keine solche Unabhängigkeit zur Bedingung stellen sollte; vielmehr können wir den Wirtschaftsstrukturen des Kosovo helfen, egal ob wir einen unabhängigen Kosovo für die Zukunft sehen oder nicht. Das ist die verantwortungsvolle Aufgabe der EU, der sie meines Erachtens nicht nachkommt.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Ich möchte dem Herrn Kommissar und dem Ratspräsidenten für ihre Äußerungen danken.
Martin Luther King sagte einmal, dass Frieden nicht nur Gewaltfreiheit, sondern auch Gerechtigkeit erfordert. Führt man sich die tragische Geschichte der gesamten Balkanregion vor Augen, so ist einer der Aspekte, den es schon seit so langer Zeit nicht mehr gibt, die Idee der Gerechtigkeit. Es kann keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben.
Durch Martti Ahtisaaris Vorschläge haben wir die Möglichkeit, diesen großen Schritt zu tun, diesen Sprung zu bewerkstelligen, nicht nur den Frieden, sondern auch die Gerechtigkeit in ihm zu finden. In einer idealen Welt hätte es den Menschen selbst überlassen werden müssen, das Problem zu lösen, aber sie waren damals nicht in der Lage, zusammenzukommen und die Lösung zu finden, weswegen ihnen eine Lösung vorgeschlagen werden musste. Hier bietet sich uns nun die beste Gelegenheit, nach einer lange währenden, gerechten, friedlichen Lösung zu suchen, bei der den verschiedenen Traditionen und Völkern vor Ort Rechnung getragen wird.
Es ist unerlässlich, dass wir nicht nur dem Kosovo eine neue Chance geben, sondern auch die einzigartigen und besonderen Bedürfnisse Serbiens berücksichtigen. Wir müssen unbedingt einen Dialog nicht nur mit dem Kosovo, sondern auch mit Serbien führen, um sie zu ermutigen, sich nach vorn zu bewegen und beim Neuaufbau des Staates einen neuen Weg zu beschreiten.
Auch in Irland habe ich in den letzten zehn Jahren die Erfahrungen gemacht, dass eines der Schlüsselelemente in Bezug auf die Lösung von Konflikten und die Beseitigung von Diskriminierung und Hass der Dialog ist. Beide Seiten müssen miteinander ins Gespräch kommen und dürfen den Dialog nicht unterbrechen. Dies mag zwar langsam und schwierig vonstatten gehen, ist aber die einzige Möglichkeit, eine gerechte Lösung für dieses Problem zu finden.
Joost Lagendijk, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in den letzten Tagen die Äußerungen der EU-Vertreter zu Kosovo, insbesondere zu der künftigen Rolle der EU genau verfolgt hat, muss zwangsläufig verwirrt sein.
Selbstverständlich versucht in New York jedermann, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen: wie können wir eine Resolution des Sicherheitsrats gewährleisten? Mit anderen Worten, wie verhindern wir ein russisches Veto? Natürlich unternehmen alle ihr Möglichstes, um die Einheit in der Europäischen Union zu wahren, und selbstverständlich rufen wir die Kosovaren auf, Ruhe zu bewahren. Soweit ist alles klar.
Wie jedoch sieht die Rolle der EU in naher Zukunft im Einzelnen aus, und wann wird die EU ihr gerecht? Eine zufällige Auswahl aus den Zeitungen der letzten paar Tage ergibt Folgendes: Cristina Gallach, Herrn Solanas Sprecherin, zufolge wird die EU ihre Verantwortung übernehmen und eine Entscheidung über Kosovo treffen, wenn Russland weiterhin „Nein“ sagt. Anders ausgedrückt: auch wenn es keine Resolution gibt, wird die Europäische Union handeln. Am 10. Juli erklärt Herr Solana selbst: wir können ohne Mandat keine Mission entsenden, und deshalb erwarten wir eine Resolution. Ein anonymer EU-Diplomat verlautbart am selben Tag: die EU hofft, die neue UN-Resolution wird es ihr gestatten, eine umfangreiche Mission zu entsenden, selbst wenn die Zukunft der Provinz unklar bleibt. Mit anderen Worten, ein Mandat wird erteilt, aber über die Unabhängigkeit brauchen wir uns noch nicht zu äußern.
Kommissar, Rat, sagen Sie uns endlich, was mindestens in einer Resolution stehen muss, damit die EU kurzfristig eine Mission nach Kosovo schickt. Und wann diskutieren wir eigentlich über die Entsendung einer Mission? Ursprünglich sollte das vier Monate nach einer Resolution geschehen. Ist die EU jetzt zur Entsendung einer Mission bereit, obgleich es in Sachen Unabhängigkeit noch nichts Neues gibt? Ich bitte um Klarstellung, die sind Sie uns und den Wählern schuldig.
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Wenn man ganz offen ist, ist ja im Moment relativ klar, dass sich die Situation in einer Sackgasse befindet. Es gibt Erklärungen von Seiten Serbiens und Russlands, dass sie eine diktierte Unabhängigkeit nicht akzeptieren werden, und es gibt inzwischen auch die Äußerung von Herrn Bush, der sagt, er will eine einseitige Unabhängigkeit des Kosovo. Somit ist die Rolle der Europäischen Union in der jetzigen Situation wesentlich.
Es gibt aber eine ganze Reihe von Punkten, die da wenig hilfreich sind, z. B. die Äußerung von Herrn Barroso, die Europäische Union sei so etwas wie ein „Empire“. Das bestätigt so manches, aber es ist in dieser Situation nicht sehr hilfreich. Die EU ist selbst Partei, und die EU will quasi infolge der UNMIK ein Protektorat im Kosovo aufbauen. Es ist völlig klar: Den „Ahtisaari-Plan pur“ wird es so nicht geben, und das muss endlich allgemein so akzeptiert werden. Es bedarf einer völkerrechtlich korrekten Lösung, d. h. auch der Zustimmung Serbiens zu der Gesamtsituation.
Wir brauchen hier im Europäischen Parlament ganz dringend Informationen über die geplante ESVP-Mission im Kosovo. Wir haben diese Informationen immer noch nicht, und es ist dringend notwendig, dass wir sie bekommen.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Wir sprechen heute über die territoriale Integrität Serbiens und die Zukunft des Kosovo, wo tagtäglich grundlegende Menschenrechte verletzt werden. Die serbische Bevölkerung sieht sich einer humanitären Krise gegenüber, und das gemeinsame christliche Erbe Europas wird von islamischen Terroristen systematisch zerstört. Ich bin erstaunt, dass die Geschehnisse und die derzeitige Lage im Kosovo der internationalen Öffentlichkeit oft so einseitig präsentiert werden, was den Serben schadet. Der beispiellose Plan, dem Kosovo die Unabhängigkeit zu gewähren, bedeutet, dass die territoriale Integrität Serbiens zerstört wird und der Konflikt weiter eskaliert. Die Entscheidung, das Kosovo von Serbien zu trennen, gefährdet die Stabilität des gesamten europäischen Kontinents, was in vielen anderen Teilen Europas, in denen ethnische Konflikte schwelen, einen Dominoeffekt auslösen könnte.
Es erfüllt mich mit Sorge, dass die Behörden der Europäischen Union in diesen Balkankonflikt eingreifen wollen, wozu sie weder das Recht noch den Auftrag haben. Über die Zukunft Europas und der Welt sollten souveräne Staaten und Völker auf internationalen Foren wie der UNO entscheiden. Deshalb danke ich Russland und den Ländern im UN-Sicherheitsrat, die eine Verschiebung der Grenzen in Europa ablehnen. Ich danke Ihnen.
Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). – (SK) Die internationale Gemeinschaft steht vor einer außerordentlich wichtigen Aufgabe. Es muss über die Zukunft des Kosovo und das Zusammenleben der verschiedenen Gemeinschaften in dieser Region auf der Grundlage der Gleichberechtigung entschieden werden. Die acht Jahre der Stabilisierung und der Suche nach der besten Lösung gipfelten in dem umfassenden Vorschlag von Herrn Ahtisaari, der eine Möglichkeit für eine friedliche Zukunft des Kosovo bietet.
Das erfordert jedoch eine gemeinsame Herangehensweise der gesamten Union. Die Verhinderung einer Lösung würde gefährliche Spannungen und sogar kriegerische Auseinandersetzungen in dieser Region zur Folge haben, was niemand will. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass die kontrollierte Selbstverwaltung des Kosovo mit Unterstützung einer ständigen internationalen Präsenz erst nach einem endgültigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats errichtet werden kann. Die ablehnende Haltung Serbiens, hartnäckig unterstützt durch die Russische Föderation, darf unsere Entschlossenheit nicht aufweichen. In der gegebenen Situation müssen wir in jedem Fall auf der Grundlage einer rationalen Einschätzung der Ursachen für dieses komplexe Problem agieren, die acht Jahre zurückreichen, in die Zeit, als internationale Truppen nach den blutigen Ereignissen dort die Verwaltung dieses Gebietes übernahmen.
Diese besondere Situation und die darauf folgenden Entwicklungen haben gezeigt, dass die Integration des Kosovo in Serbien unrealistisch ist. Serbien hat de facto seinen Anspruch auf dieses Territorium verloren. Trotz der Besorgnis einiger europäischer Politiker und Mitgliedstaaten der Union, z. B. der Slowakischen Republik, wo sich im Zusammenhang mit dem Kosovo-Problem eine schizophrene Geisteshaltung entwickelt hat, bin ich überzeugt davon, dass diese Lösung keinen Präzedenzfall für andere Länder schaffen wird. Die Ausgangslage im Kosovo war untypisch und außergewöhnlich. Ein wesentlicher Stabilitätsfaktor für diese Region ist die Schaffung einer Gemeinschaft gleichberechtigter Bürger, in der Minderheiten ein Rechtssystem garantiert wird, das ihnen die Bewahrung und Entwicklung ihrer Identität ermöglicht. Im Fall der serbische Volksgruppe bedeutet das erweiterte Autonomie.
Es ist von größter Wichtigkeit, den Entscheidungsprozess in der UNO zu beschleunigen. Nur Stabilität und Frieden in dieser Region können die Zukunftsaussichten des Balkans, insbesondere von Serbien und dem Kosovo, auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft sichern.
Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Herr Präsident! Ich möchte mich Herrn Swobodas Ausführungen anschließen. Ich denke, der nunmehr mit dem Sicherheitsrat vereinbarte Aufschub bietet Raum für einen weiteren massiven Versuch, im Sicherheitsrat Übereinstimmung zu erzielen. Eine solche Übereinstimmung bildet im Grunde die Basis für alles: für die Einheit in der Europäischen Union, für das künftige Handeln der EU im Kosovo, aber auch dafür, das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zusammenzuhalten.
In diesem Sinne gilt es zugleich, den Serben zu zeigen – obgleich wir Ahtisaaris Vorschläge befürworten, weil sie die Grundlage dessen bilden, was das Kosovo nach unserem Wunsch erreichen soll –, dass wir noch einen ernsthaften Versuch unternehmen und mit ihnen Gespräche darüber führen wollen, was sich vielleicht noch ändern kann, welche Zugeständnisse noch möglich sind. Wir dürfen die neue Regierung Serbiens nicht links liegenlassen, denn nach wie vor ist es wichtig, gute Beziehungen zu diesem Land zu unterhalten.
Ich freue mich, dass Kommissar Rehn in den vergangenen Wochen in den Kontakten, den Beziehungen und den Verhandlungen mit der neuen Regierung zahlreiche Fortschritte gelungen sind. Gleichwohl dürfen wir Fortschritte in den Beziehungen zu Serbien nicht mit der Kosovo-Frage verwechseln. Kurzum, es bedarf massiver Anstrengungen, um noch einen Konsens herbeizuführen, und vielleicht erzielen wir am Ende auch eine vernünftige Vereinbarung, mit unseren serbischen Partnern in der Region uneins zu sein.
Erik Meijer (GUE/NGL). – (NL) Herr Präsident! Bereits im Herbst 2006 wurde deutlich, dass der Bericht Ahtisaari in Richtung Unabhängigkeit gehen wird, mit Sondermaßnahmen zum Schutz der serbischen und anderen Minderheiten. Klar wurde damals ebenfalls, dass Serbien dem nicht zustimmen wird und auf ein russisches Veto im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zählte.
Seitdem erhebt sich die Frage, ob ein solches Veto zu einer einseitigen Anerkennung des Kosovo als Staat durch andere Staaten wie die USA und die EU führen wird. Das ist das kontroverse Modell, mit dem Deutschland im Jahr 1992 vor europäischen oder internationalen Entscheidungen die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens anerkannte.
Gehen Sie davon aus, dass dieses Modell notfalls wieder angewendet wird? Lässt sich die Anwendung des umstrittenen Modells verhindern, indem das Gebiet nördlich von Kosovska Mitrovica, wo die serbischen Bewohner des Kosovo konzentriert sind, an Serbien zurückgegeben wird? Werden in diesem Fall Serbien und die Russische Föderation noch ihren Segen geben?
Doris Pack (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hatten wir ja gehofft, dass das Kosovo inzwischen keine internationale Angelegenheit mehr wäre, sondern die Politiker dort in Eigenverantwortung handeln könnten.
Leider aber wirkt das Erbe, das Milošević hinterlassen hat, über seinen Tod hinaus und belastet die heutige demokratische Regierung in Serbien sehr. Mit Mitgliedern dieser Regierung habe ich 1996 in Belgrad gegen Milošević demonstriert, und ich wünsche mir nichts mehr, als dass gerade diese Regierung Serbien in die Europäische Union führen kann. Ich habe aber auch das von Milošević installierte Apartheidsregime im Kosovo von 1989 bis zur Nato-Intervention miterlebt. Ich bedaure, dass sich in Serbien immer noch allzu viel Nationalismus in die Diskussion einschleicht. Wenn es Belgrad wirklich um die Lebensqualität der Serbien im Kosovo ginge und nicht um den Verlust ihres Territoriums, dann müsste Belgrad dem Ahtisaari-Plan zustimmen. Er räumt den Serben im Kosovo einen Grad an Selbstbestimmung ein, von dem andere Minderheiten in Serbien und auf dem ganzen Balkan eigentlich nur träumen können.
Wenn die UMRIK jetzt abzieht und wir in Ermangelung eines Sicherheitsratsbeschlusses das Vakuum nicht füllen können, stehen wir vor einer ausweglosen Situation. Lieber Herr Kommissar, darauf haben Sie uns keine Antwort gegeben. Wieder einmal scheinen die Europäer wie schon so oft auf dem Balkan nicht bereit, den als notwendig erkannten Schritt auch wirklich zu tun.
Diese Entscheidungsunfähigkeit ist ein sehr großes Problem und sie wird noch zu großen Schwierigkeiten führen. Wir haben kein Interesse daran, dass die Kosovo-Frage auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. Die Kollateralschäden eines Nichthandelns werden ungeheuerlich sein.
Russland war wie viele andere Staaten in der Kontaktgruppe vertreten. Darum weiß Russland sehr genau, dass es überhaupt keine Verhandlungen zwischen Belgrad und Priština gegeben hat. Die Forderungen nach Verhandlungen jetzt, nach der Aussetzung des Ahtisaari-Plans und der Aussetzung einer Resolution im Sicherheitsrat, sind unrealistisch. Deswegen bitte ich ganz herzlich, dass wir dem Kommissar folgen und alles daran setzen, den Interessen Russlands, die weder im Kosovo noch in Serbien, sondern irgendwo anders liegen, entgegenzukommen, womit diese Frage gelöst sein wird.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Eine Vereinbarung, die die Albaner belohnt und nur Strafe für die Serben vorsieht, wird nicht dauerhaft sein. Die EU sitzt aufgrund der schlechten russisch-amerikanischen Beziehungen und der zunehmenden Machtpolitik Russlands in einer Falle. Wir dürfen der russischen Erpressung nicht nachgeben, aber ohne Russland gibt es keine gute oder dauerhafte Lösung. Ebenso wenig dürfen wir der albanischen Erpressung nachgeben, denn ohne Hilfe der EU ist das Kosovo als unabhängiges Land nicht überlebensfähig.
Serbien hat in den letzten Jahrzehnten durch seine Taten gegen die Kosovoalbaner seine Glaubwürdigkeit ebenso wie das Kosovo verloren, sodass im Ergebnis dessen ein unabhängiges Kosovo unvermeidlich ist. Diese Frage muss weiter diskutiert werden, wobei jedoch einseitige Schritte unter allen Umständen zu vermeiden sind. Der Ahtisaari-Plan ist zum Teil gut, aber nicht ausreichend. Der Teil zu den Minderheiten ist positiv zu bewerten, ebenso wie der über die territoriale Autonomie. Gleichzeitig wird ganz Europa dafür verantwortlich gemacht, dass jahrzehntelang versäumt wurde, die Fragen der nationalen Selbstbestimmung und territorialen Autonomie anzupacken. Diese müssen geklärt werden.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, dass ich zunächst Herrn Rehn begrüße, da ich bei meinem ersten Beitrag dazu keine Gelegenheit hatte, und ich möchte das jetzt nachholen.
Ich würde gern ganz kurz vier oder fünf Dinge anmerken. Erstens möchte ich unterstreichen, was ich in meinem ersten Beitrag gesagt habe: dass einfach den Status Quo im Kosovo beizubehalten nicht zukunftsfähig ist; wir müssen Fortschritte erzielen. Wir sind überzeugt, dass die Beibehaltung des Status Quo ein großer Fehler wäre, für den wir einen hohen Preis zu zahlen hätten.
Zweitens, wie hier mehrere Abgeordnete bereits festgestellt haben, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Europäische Union eine einheitliche Position bewahrt, das heißt, die Mitgliedstaaten müssen in der Kosovo-Frage weiterhin geeint auftreten. Wir haben als Mitgliedstaat mehrmals dazu aufgerufen und bekräftigen das jetzt während unserer Präsidentschaft natürlich. Wir möchten nicht, dass sich die Europäische Union noch einmal geteilt ist, besonders in einer grundlegenden Frage, die obendrein auf europäischem Territorium besteht. Deshalb haben wir die Europäische Union und die Mitgliedstaaten stets aufgerufen, bei der Suche nach einer Lösung für die festgefahrene Situation im Kosovo Geschlossenheit zu wahren.
Drittens, unserer Meinung nach sollten wir alle diplomatischen Anstrengungen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen fortsetzen, um zu einer neuen Resolution des Sicherheitsrates über das Kosovo zu kommen. Diese Resolution dient, wie gesagt, als Grundlage für die internationale und EU-Präsenz im Kosovo. Wir müssen unsere Anstrengungen und unser Engagement verstärken, und die Präsidentschaft wird sich im Rahmen ihrer Befugnisse im Sicherheitsrat weiterhin aktiv um eine solche neue Resolution bemühen.
Uns ist abschließend auch völlig klar, dass wir den Ländern des westlichen Balkan eine echte europäische Perspektive anbieten müssen, vor allem Serbien, das alle geforderten Kriterien und Bedingungen für diese europäische Perspektive erfüllt. Mit Freude haben wir den Beschluss zur Kenntnis genommen, die Verhandlungen mit Serbien über ein Stabilisierungs- und Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union wieder aufzunehmen. Wir halten diesen Schritt für entscheidend. Serbien diese europäische Perspektive zuzusichern ist von grundlegender Bedeutung, weil das ein wichtiger Faktor für die Stabilität in der gesamten Balkanregion ist.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte mit Serbien beginnen. Seine europäische Perspektive ist in Reichweite, deren letztendliches Ziel die EU-Mitgliedschaft ist, sobald alle Bedingungen für einen EU-Beitritt erfüllt sind. Das ist unser Ausgangspunkt in unseren Beziehungen zu Serbien.
Nachdem die neue demokratische Regierung – die europa- und reformorientiert ist –, gebildet wurde und nachdem diese sich der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien eindeutig verpflichtet und entsprechende effektive und praktische Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtung durchgeführt hatte, konnten wir die Verhandlungen über ein Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen mit Serbien vor ungefähr einem Monat wieder aufnehmen. Es empfiehlt sich, darauf hinzuweisen, dass dieses Abkommen, abgesehen davon, dass es vor allem für die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen ein sehr bedeutendes Abkommen ist, auch das Tor zum Kandidatenstatus für die Europäische Union darstellt. Dies habe ich im Rahmen der öffentlichen Diskussion in Serbien mehrmals wiederholt und werde es auch weiterhin tun und zeigen, dass Serbien eine europäische Zukunft hat, solange es bereit ist, die Bedingungen, die diese Zukunft stellt, zu erfüllen.
Wir können nicht erwarten, dass es Zugeständnisse im Hinblick auf den Kosovo geben wird, weil Serbien auf dem Weg nach Europa ist, aber wir können erwarten, dass die politische Diskussion in Serbien sich endlich von einer nationalistischen Vergangenheit weg und zu einer europäischen Zukunft hinbewegt. Was wir erwarten können ist, dass, wenn es über einen begrenzten Zeitraum weitere Gespräche gibt, Serbien bei diesen Gesprächen dann eine konstruktive Haltung einnimmt und einen realistischen Ansatz verfolgt und nicht dieselben abgedroschenen Floskeln wiederholt, die wir schon in den letzten Jahren vernommen haben.
Mein zweiter Punkt ist folgender: Für eine gewisse Zeit werden die politischen und sicherheitspolitischen Fragen im Kosovo international überwacht werden müssen. Das Ziel dieser Überwachung muss dabei ganz klar sein: die Überwachung der Umsetzung einer Statusregelung, die die Rechte aller Gemeinschaften und die nachhaltige Entwicklung des Kosovo gewährleistet. Dafür brauchen wir eine Resolution des UN-Sicherheitsrates. Offen gesagt, ist es schwierig, unter politisch unsicheren Bedingungen zu arbeiten, wenn der Prozess beim UN-Sicherheitsrat noch nicht abgeschlossen ist.
Wir können zu Recht erwarten, dass alle ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ihrer Verantwortung in Bezug auf die künftige Sicherheit und Stabilität Europas nachkommen. Wir können zu Recht erwarten, dass alle Mitglieder des Sicherheitsrates ihre großen Pflichten erfüllen.
In der Kommission wird sehr daran gearbeitet sicherzustellen, dass die EU zivile Missionen entsenden kann, um die Umsetzung der Statusregelung zu überwachen. Diese Mission wird sich von der UNMIK unterscheiden, und wir brauchen eine solide Rechtsgrundlage in Form einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, um den Erfolg dieser Mission garantieren zu können.
Alles in allem zeigen der Kosovo und seine Statusprozess, wie dringend wir bessere Leitungs- und Koordinierungsmechanismen brauchen, die der Reformvertrag enthalten sollte. Es ist wirklich höchste Zeit, effektivere und effizientere Instrumente einzuführen, damit die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU auch funktionieren kann.
Der Präsident Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die Frage der Zukunft des Kosovo ist Teil der Nachwirkungen der schrecklichen Kriege auf dem Balkan. Es geht hier um ein Gebiet im Herzen Europas. Eine Aufschiebung der Lösung kommt nicht in Frage.
Ich berufe mich hier auf Präsident Ahtisaari, der 14 Monate lang die Verhandlungen zwischen den Serben und Kosovaren geführt hat und sagte, dass eine Lösung nicht nur im Interesse der Menschen im Kosovo, sondern auch von entscheidender Bedeutung für den Frieden und die Stabilität in der Region sein wird.
Dem muss man einfach beipflichten. Im März kam er zu dem Schluss, dass es keine Basis für eine Einigung der Parteien gebe. Daraufhin schlug er die Unabhängigkeit des Kosovo vor.
Dieser Plan erfährt große internationale Unterstützung. Es ist an der Zeit, nach vorn zu blicken und natürlich nicht die Rechte der serbischen Minderheit im Kosovo aus den Augen zu verlieren.
Slowenien ist als erster der ehemals jugoslawischen Staaten der EU beigetreten. Mazedonien ist Beitrittskandidat. Die übrigen Länder stehen Schlange.
Hoffentlich werden sie alle eines Tages Mitglieder und werden die Grenzen der Vergangenheit ihre Bedeutung verlieren. Manchmal müssen Grenzen erst gezogen werden, um beseitigt zu werden – das scheint im Kosovo der Fall zu sein.
Kommissar Rehn zufolge unterstützt die Kommission Präsident Ahtisaaris Plan. Wir sollten das meines Erachtens auch tun.
17. Fortschrittsbericht über die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien 2006 (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Erik Meijer im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Fortschrittsbericht über die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien 2006 (2006/2289(INI)) (A6-0214/2007).
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Bekanntlich hat der Europäische Rat im Dezember 2005 beschlossen, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen. Dabei berücksichtigte er insbesondere die deutlichen Fortschritte des Landes bei der Vervollständigung der gesetzlichen Grundlagen im Sinne des Rahmenabkommens von Ohrid sowie die Bemühungen für die Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens.
Der Europäische Rat hob damals ebenfalls hervor, dass neue Etappen auf dem Weg zur Erfüllung einiger in seinen Schlussfolgerungen genannten Bedingungen erwogen werden müssten. Ein Jahr später, im Dezember 2006, begrüßte der Rat die von der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien erreichten Fortschritte, bedauerte jedoch, dass die Reformen 2006 an Tempo verloren hatten. Unter diesen Umständen mahnte der Europäische Rat im Dezember 2006 eine Beschleunigung der Reformen auf wesentlichen Gebieten und die Verwirklichung der als vorrangig für die europäische Partnerschaft bezeichneten Aufgaben an, um im Beitrittsprozess voranzukommen.
Das für den 24. Juli in Brüssel anberaumte nächste Treffen des Stabilisierungs- und Assoziierungsrates mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien wird eine Gelegenheit sein, die Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zu prüfen und die im Rahmen dieses Abkommens entstandenen maßgeblichen Fragen ebenso wie weitere bilaterale und internationale Probleme zu besprechen, die von beiderseitigem Interesse sein könnten.
Auf der Grundlage der Jahresberichte der Kommission, deren nächster für den Herbst angekündigt ist, wird der Rat eine gründlichere Bewertung der von der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien erreichten Fortschritte bei der Erfüllung der von der Europäischen Union formulierten Bedingungen und Anforderungen vornehmen.
Hinsichtlich der Entwicklung im Land misst die Europäische Union stabilen und arbeitsfähigen demokratischen Institutionen und einem effektiven politischen Dialog sehr große Bedeutung bei. Dies sind die wesentlichen Faktoren für die Fortführung des Beitrittsprozesses zur Europäischen Union. In diesem Zusammenhang begrüße ich es, dass die beiden Parteien EVMRO-DPMNE und DUI am 29. Mai 2007 zu einer Übereinkunft über den künftig zu beschreitenden Weg bei gegenseitig interessierenden Fragen gelangt sind und in der Folge die DUI ins Parlament zurückgekehrt ist. Der Rat hofft nun, dass der politische Dialog über grundlegende nationale Fragen zwischen allen im Parlament vertretenen politischen Parteien und zwischen allen rechtmäßigen politischen Institutionen fortgesetzt wird.
Eine konstruktive politische Atmosphäre muss beibehalten werden, damit sich das Land auf die wesentlichen, für eine Annäherung an die Europäische Union notwendigen Reformen konzentrieren kann. Zu den Dingen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, gehören die Stärkung der öffentlichen Verwaltung, der tatsächliche Vorrang von Recht und Gesetz, die Reform des Justizwesens, die Bekämpfung der Korruption und die weitere Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens.
Ebenso ist in diesem Zusammenhang das Rahmenabkommen von Ohrid zu erwähnen, dessen vollständige und kontinuierliche Umsetzung ein wesentliches Element der politischen Kriterien und entscheidend für die Weiterführung des Beitrittsprozesses zur Europäischen Union ist. Hierbei ist es wichtig, weiterhin volles Vertrauen in den Badinter-Grundsatz zu setzen. Wir hoffen auch, dass es weitere Fortschritte auf solchen Gebieten wie der Dezentralisierung und der ausgewogenen Vertretung gibt. Die Reformen im Zusammenhang mit Ohrid müssen auf der Grundlage eines breitest möglichen Abkommens und in Geist und Buchstabe des Rahmenabkommens voran gebracht werden.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich der portugiesischen Ratspräsidentschaft und Herrn Lobo Antunes dafür danken, dass die Präsidentschaft der EU-Politik gegenüber dem westlichen Balkan Priorität einräumt, wie uns heute erneut vor Augen geführt wurde. Das ist sehr bedeutsam für die Zukunft Europas.
In Herrn Meijers Bericht werden viele der Fragen angesprochen, bei denen die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien auf ihrem Weg in die Europäische Union Herausforderungen bewältigen muss, und zwar vor allem im politischen Bereich. Ich bin davon überzeugt, dass die Annahme einer Entschließung durch das Parlament einen wichtigen Beitrag zum Prozess der Einbindung des Landes in die EU leisten wird.
Ich begrüße es, dass die Bedeutung der Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid aus dem Jahr 2001 in dem Entschließungsantrag so sehr hervorgehoben wird. In diesem Abkommen wurden nicht nur Versöhnung und Stabilität in Aussicht gestellt: Es war vielmehr auch ein bemerkenswertes Beispiel für die schwierige, aber lohnenswerte Kunst, im Interesse der Allgemeinheit Kompromisse zu schließen.
Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien wurde in der Region zum Vorbild für die Förderung einer multiethnischen Gesellschaft in einem einheitlichen, demokratischen Staat und für die Festlegung von Mechanismen, die ein auf einem Konsens basierendes Konzept für ethnienübergreifende Fragen ermöglichen. Dieses Konzept war in der Tat entscheidend für den Beschluss der EU, dem Land im Dezember 2005 den Kandidatenstatus zu verleihen. Es gilt, diese Linie während des gesamten Beitrittsprozesses weiterzuverfolgen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Kommission die beim politischen Dialog zwischen der Regierung und Teilen der Opposition erzielten Fortschritte.
Der Dialog ist wirklich entscheidend, um die Stabilität und das Funktionieren der Institutionen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass sich die Umsetzung der Reformen auf so viele Bereiche wie möglich erstreckt.
Wir sehen der Fortsetzung dieses Dialogs nun erwartungsvoll entgegen. Wir freuen uns auch darauf, dass er vertieft wird, vor allem im Parlament, und praktische, echte Ergebnisse zeitigt. Die zwischen der VMRO und DUI erzielte politische Einigung muss jetzt unbedingt angemessen umgesetzt werden.
Weitere wichtige Aufgaben sind die wirksame Umsetzung der Polizei- und Justizreform sowie die Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen.
In Ihrem Bericht wird zu Recht die positive Rolle anerkannt, die die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien in der Region gespielt hat und auch nach wie vor spielt. Dennoch muss das Land unserer Meinung nach immer noch in seinen Bemühungen um regionale Zusammenarbeit und gute nachbarschaftliche Beziehungen bestärkt werden.
Die Kommission wird die Fortschritte dieses Landes in unserem jährlichen Fortschrittsbericht beurteilen, der am 7. November angenommen wird. Wir werden auch einen Vorschlag für eine neue Partnerschaft und einen Fahrplan für Reformen vorlegen, die das Land in den nächsten Jahren durchführen muss.
Alles in allem hat das Land noch enorm viel Arbeit vor sich, und seine Fortschritte auf dem Weg nach Europa werden anhand seiner Fähigkeit zur Erfüllung der politischen Kriterien beurteilt werden.
Abschließend sei gesagt, dass noch viele Herausforderungen zu bewältigen sind. Die Fortschritte auf dem Weg zur Integration in die EU hängen von der politischen Führung des Landes ab. Ich bin davon überzeugt, dass die Regierung und das Parlament der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien die vernünftigen und fundierten Vorschläge und Empfehlungen in Ihrem Entschließungsantrag beherzigen werden.
Erik Meijer (GUE/NGL), Berichterstatter. – (NL) Herr Präsident! Die ehemalige Föderative Republik Jugoslawien ist in sechs international anerkannte Staaten zerfallen, und demnächst kommt wahrscheinlich Kosovo hinzu. Augenfällig ist, dass die Europäische Union für jeden dieser sieben Staaten eine andere Vorgehensweise gewählt hat.
Slowenien ist bereits mehr als drei Jahre Mitgliedstaat, mit Kroatien wird erfolgreich verhandelt, und Mazedonien genießt seit 2005 ohne jegliche Verhandlungen den Status eines Beitrittskandidaten. Mit den übrigen Regionen wird lediglich über Stabilisierung und Assoziierung gesprochen, wobei Serbien und Bosnien erheblich ins Hintertreffen geraten sind, weil sie die daran geknüpften Bedingungen nicht erfüllt haben.
All das steht in krassem Gegensatz zur gleichzeitigen Aufnahme Estlands, Lettlands und Litauens im Jahr 2004, die bis 1991 von der Sowjetunion besetzt waren, sowie Tschechiens und der Slowakei, die bis 1993 zusammen einen gemeinsamen Staat bildeten. Ich habe mich stets dafür ausgesprochen, dass zumindest der Beitrittsprozess Kroatiens und Mazedoniens möglichst gleichzeitig stattfindet, und zu meinem Leidwesen bleibt Mazedonien aufgrund der Aussetzung der Verhandlungen nun schon zwei Jahre hinter Kroatien zurück.
Damit will ich nicht sagen, Mazedonien sei voll und ganz reif für den Beitritt. Gravierende Umweltverschmutzung und der komplizierte Status von Gewerkschaften entsprechen nicht dem, was in Europa normal ist. Auch bei anderen Beitrittsländern festgestellte Probleme auf dem Gebiet der Korruption und der Rechtsprechung sind noch nicht gelöst. Die Rolle des Staates bei der Entführung eines deutschen Staatsbürgers durch US-Ermittler in Afghanistan ist noch nicht geklärt. Die heutige Regierung hat in ihrer Anfangsphase unverhältnismäßig großen Nachdruck auf das Wirtschaftswachstum gelegt, unter anderem durch extrem niedrige Steuern, die das Land ruinieren können. Diese und andere Probleme bedürfen in den nächsten Jahren einer Lösung.
Zwei andere Dinge beherrschen jedoch die öffentliche Meinung und die Medien innerhalb und außerhalb Mazedoniens. Zum einen die Beziehungen zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen in diesem Land, zum anderen das Verhältnis zu den Nachbarländern, insbesondere Griechenland. Andere europäische Staaten, vor allem Belgien und die Schweiz, aber auch Spanien, Italien und Finnland haben es vorgemacht, wie man die Bewohner trotz erheblicher Unterschiede in Sprache und Kultur erfolgreich auf eine gleichberechtigte Stufe stellen kann. In den ersten Jahren der Unabhängigkeit wurde zu leichtfertig der Eindruck erweckt, Mazedonien sei vor allem der Staat von Menschen, die die mazedonische Sprache sprechen, die mit Bulgarisch und in geringerem Maße mit Serbisch verwandt ist. Mittlerweile ist erfreulicherweise allgemein anerkannt, wie wichtig Bildung und Verwaltung in der eigenen Sprache für die große albanische Bevölkerungsgruppe ist, die im Nordwesten die Mehrheit bildet.
Zudem werden enge Beziehungen zu dem künftigen Nachbarstaat Kosovo angestrebt, einem Land, mit dem zahlreiche Einwohner durch familiäre Bande verbunden sind. Die jüngsten Vereinbarungen der größten Regierungspartei und der größten Partei der albanischsprachigen Bewohner, die die Parlamentssitzungen über Monate boykottierten, geben Hoffnung auf Versöhnung und eine zunehmend gleichberechtigte Stellung der albanischsprachigen Bevölkerungsgruppe. Auch die Angehörigen der zahlreichen kleineren Bevölkerungsgruppen, die Roma und die Türken zählen zu den bekanntesten, haben ein Recht auf Gleichbehandlung, Partizipierung an der Beschlussfassung und der Ausübung staatlicher Funktionen. Mazedonien präsentiert sich nunmehr selbst als multiethnischer Staat, und das schafft Verpflichtungen.
Mazedonien ist die Bezeichnung für ein geografisches Gebiet mit einer langen Geschichte und wechselnden Bewohnern, einige gehören heute zu Griechenland und zu Bulgarien. Der Gebrauch ein und desselben Namens für einen Staat, der einen Teil des Gebietes umfasst, hat Widersprüche geweckt. Bulgarien, der Staat, der 1878 gezwungen war, den bereits seinem Hoheitsgebiet zugeschlagenen Teil Mazedoniens größtenteils an die Türkei zurückzugeben, und später zusehen musste, wie dieses Gebiet von Serbien eingenommen wurde, hat sich mit den Nachbarn, die ihre Unabhängigkeit erlangten, versöhnt und als erster Staat den verfassungsmäßigen Namen Republik Mazedonien anerkannt.
Das Nachbarland Griechenland hingegen wehrt sich seit der Unabhängigkeit 1991 vehement gegen diesen verfassungsmäßigen Namen. Heutzutage vertritt Griechenland die Auffassung, der Name Mazedonien sei hinnehmbar, sofern aus einem Zusatz hervorgeht, dass es sich lediglich um einen Teil des historischen Gebiets Mazedonien handelt. Die Verwendung dieser Bezeichnung ohne Zusatz, wenn dies mit dem Gebrauch von Symbolen aus der griechisch-mazedonischen Geschichte einhergeht, weckt in Griechenland den Verdacht, dass Ansprüche auf das Gebiet der drei Provinzen im Norden Griechenlands gestellt werden, die denselben Namen tragen.
Nicht überrascht haben mich die Aufforderungen, die ich in meiner Funktion als Berichterstatter erhalten habe, um einseitig Partei für einen der widerstreitenden Standpunkte der beiden Nachbarländer zu ergreifen. Ich bleibe neutral und meine, beide Seiten sollten so bald als möglich eine Lösung für einen konstruktiven Umgang mit ihren lang anhaltenden Meinungsverschiedenheiten finden. Dazu gehören Vereinbarungen, um jegliche Provokationen in Bezug auf Symbole und Landkarten zu vermeiden und zurückzuschrauben. Die Öffentlichkeit beruft sich beiderseits der Grenze zwar auf den Nationalstolz ihrer Politiker, will aber auch Ruhe und Zusammenarbeit. Ohne vernünftige Vereinbarungen besteht die Gefahr, dass sich der Beitritt Mazedoniens zur Europäischen Union unnötig verzögert, obgleich sowohl die einheimische Öffentlichkeit als auch die in Griechenland den Beitritt wünschen.
Anna Ibrisagic, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SV) Wenn immer wir über ein Land und seine Beziehungen zur EU diskutieren, verwandelt sich die Debatte häufig in eine Aufzählung von Dingen, die wir an diesem Land für gut halten oder von Punkten, die wir glauben, kritisieren zu müssen. Oft vergessen wir den allgemeinen Hintergrund und die breitere Perspektive. Wenn wir über die EU und die Erweiterung sprechen, ist zu oft von wirtschaftlicher Zusammenarbeit, Geld und den Kosten der Erweiterung die Rede. Viel zu selten betrachten wir die Erweiterung ausgehend vom sicherheitspolitischen Aspekt und die europäische Zusammenarbeit ausgehend vom Friedensaspekt. Mazedonien und seine Annäherung an die EU ist ein typisches Beispiel für eine Lehre, die wir manchmal vergessen, aber an die die Geschichte des Balkans uns immer wieder erinnert. Mit seiner geopolitischen Lage ist Mazedonien eine wertvolle Ressource, die einen großen Beitrag zur Sicherheit in der Region leisten kann. Die gleiche geopolitische Lage kann jedoch auch große Herausforderungen und manchmal auch große Belastungen für das Land bedeuten. Daher ist es von größter Bedeutung, dass wir Mazedonien deutliche Aussichten auf einen EU-Beitritt geben, was ja in diesem Bericht auch getan wird. Solche Aussichten – nicht nur für Mazedonien, sondern für die gesamte Region – können ausschlaggebend dafür sein, ob der Weg zurück zu den Konflikten der Vergangenheit oder der Weg nach vorn in eine Zukunft der Freiheit und Demokratie eingeschlagen wird. Die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der EU bringt allerdings auch eine Reihe von Pflichten mit sich. Der Kampf gegen die Korruption muss fortgesetzt werden, die Zusammenarbeit zwischen der Bevölkerungsmehrheit und den verschiedenen Minderheiten muss verstärkt, und zahlreiche Reformen müssen eingeleitet werden. Ich glaube allerdings, dass die Mazedonier sich dieser Pflichten und der noch zu leistenden Arbeit bereits bewusst sind, da sie schon eine Reihe von Reformen durchgeführt haben, die erforderlich sind, damit das Land so schnell wie möglich wieder mit seiner europäischen Familie vereint werden kann. Ich spreche von Wiedervereinigung, weil Mazedonien Teil von Europa ist und immer gewesen ist. Ohne ein sicheres Mazedonien wird es keine Sicherheit auf dem Balkan geben, und ohne Frieden und Sicherheit auf dem Balkan bekommen wir kein friedliches und sicheres Europa.
VORSITZ: LUISA MORGANTINI Vizepräsidentin
Józef Pinior, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! In dem Bericht von Erik Meijer über die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien werden die Fortschritte, die dieses Land seit seiner Absichtserklärung in Bezug auf den Beitritt zur Europäischen Union erzielt hat, positiv eingeschätzt. Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament teilt die Aussage dieses Berichts.
Ich möchte die Fortschritte hervorheben, die Mazedonien bei der Erfüllung der politischen Kopenhagener Kriterien sowie der Umsetzung der Empfehlungen der Europäischen Partnerschaft von 2005 und des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens erzielt hat. Besonders wichtig ist die korrekte Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid durch die mazedonischen Behörden, das in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Union geschlossen wurde und allen Bürgern ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft die Bürgerrechte und die politischen Rechte garantiert. Mit dem Rahmenabkommen von Ohrid wurde in Mazedonien ein Reformprozess in Gang gesetzt, der dem multiethnischen, multikulturellen und multireligiösen Charakter des Landes uneingeschränkt Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang müssen die verantwortungsbewusste Außenpolitik der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und der Beitrag des Landes zu Sicherheit und Frieden in der Welt hervorgehoben werden. Schließlich möchte ich die gute Zusammenarbeit zwischen den Behörden und hier ganz besonders dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und dem Europäischen Parlament unterstreichen.
Das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben in Mazedoniens Gesellschaft und die Einhaltung von Buchstaben und Geist des Rahmenabkommens von Ohrid spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Bemühungen des Landes um einen Beitritt zur Europäischen Union geht. Ich möchte einmal mehr die politische Schlussfolgerung dieses Berichts unterstreichen: Die Reformen in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien sollten in eine künftige Mitgliedschaft in der Europäischen Union münden.
István Szent-Iványi, im Namen der ALDE-Fraktion. – (HU) Mazedonien ist seit zwei Jahren offizieller Beitrittskandidat und hat unbestreitbar eine europäische Perspektive. Dennoch wissen wir immer noch nicht, wann die Beitrittsverhandlungen beginnen. Nach Ansicht der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa sollten diese Verhandlungen bereits nächstes Jahr beginnen, was aber größtenteils von Mazedonien abhängt.
Mazedonien hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen und dabei beachtliche Erfolge erreicht, aber es bleibt noch viel zu tun. Es sind Reformen in der öffentlichen Verwaltung sowie bei Justiz und Polizei erforderlich, und auch der Kampf gegen die Korruption muss verstärkt werden.
Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass die Reformen seit den Wahlen im Juni des vergangenen Jahres an Schwung verloren haben, und fordern daher unsere mazedonischen Freunde auf, die Vorbereitungen für den Beitritt mit neuer Kraft in Angriff zu nehmen. Dabei halten wir die vollständige Umsetzung des Rahmenabkommen von Ohrid für bedeutsam, denn wir wollen, dass die Verhandlungen so schnell wie möglich beginnen.
Es ist erfreulich, dass die größte Oppositionspartei nach einem halbjährigen Boykott wieder in das Parlament zurückgekehrt ist. In einer Demokratie muss eine demokratische Partei die Interessen der Wähler im Parlament vertreten, weshalb wir ihre Rückkehr befürworten und begrüßen.
Die Verwendung des verfassungsmäßigen Namens von Mazedonien ist unserer Ansicht nach eine bilaterale Angelegenheit. Dieses ungelöste Problem darf kein Hindernis für den Beitritt Mazedoniens sein, wobei wir gleichzeitig hoffen, dass die Verhandlungen unter UNO-Vermittlung in Kürze zu einem für alle Seiten befriedigenden Abschluss kommen werden. Wir hoffen auf ein positives Ergebnis.
Schließlich begrüßen wir auch den erfolgreichen Abschluss der Gespräche über Visaerleichterungen. Wir halten es für äußerst wichtig, dass es nach dem 1. Januar für mazedonische Bürger wesentlich leichter wird, in die EU einzureisen, betrachten dies aber nur als einen ersten Schritt. Unser Hauptziel ist es, dass in Kürze, d. h. in absehbarer Zukunft, alle Mazedonier visafrei in die EU einreisen können.
Hanna Foltyn-Kubicka, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Mazedoniens Platz ist in einem vereinten Europa – daran kann kein Zweifel bestehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Land in nicht allzu ferner Zukunft der Europäischen Union als gleichberechtigtes Mitglied beitreten wird.
Zuvor jedoch muss sich das Land noch zahlreichen Herausforderungen stellen. Es muss mehr für den Umweltschutz tun und die Wirtschafts- und Verwaltungsreform fortführen. Das Wichtigste aber ist, Vertrauen aufzubauen und eine echte Gleichberechtigung aller ethnischen Gruppen zu garantieren.
Das Rahmenabkommen von Ohrid ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. In dem Bericht Meijer wurden auch die Bereiche herausgestellt, in denen Mazedonien durch die Umsetzung zahlreicher Festlegungen des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens und bei der Einhaltung der Kopenhagener Kriterien beträchtliche Fortschritte erzielt hat. Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um die mazedonischen Behörden in diesem Prozess zu unterstützen und schnellstmöglich echte Beitrittsgespräche aufzunehmen.
Bürger Mazedoniens – wir erwarten Euch.
Angelika Beer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Erlauben Sie mir, im Namen der Fraktion der Grünen die Kolleginnen und Kollegen aus dem mazedonischen Parlament, die als Delegation dieser Debatte folgen, im Europäischen Parlament herzlich willkommen zu heißen. Das ist ein gutes Signal, denn wir hatten uns große Sorgen gemacht, weil die albanische Partei DUI über Monate das Parlament boykottiert hat. Jetzt sind sie alle zusammen wieder hier, d. h. auch dieser Reformstau ist überwunden.
Herr Kommissar Rehn, Sie haben vorher den Reformgipfel erwähnt, und wir können sagen, Frau Merkel hat als Präsidentin der Europäischen Union wirklich einen Erfolg zu verbuchen. Wir haben kein Absorptionsproblem mehr, die Debatte ist beendet, es hängt jetzt von den Reformen in den Kandidatenländern an, ob wir sie aufnehmen können oder nicht.
An dieser Stelle möchte ich etwas zur EU sagen. Ich frage die Europäische Union, wie wir glaubwürdig die wichtigen Reformen aller Beitrittsländer einfordern wollen, wenn ein Mitgliedstaat wie Großbritannien für sich beansprucht, seinen Bürgern die Grundrechte verwehren zu können. Hier besteht eine Glaubwürdigkeitslücke, die nicht die Bewerberländer zu füllen haben, sondern die Europäische Union. Wir können die Ausklammerung von Grundrechten innerhalb Europas nicht akzeptieren.
Mazedonien hat massive Fortschritte gemacht, und wir treten für eine schnelle Aufnahme Mazedoniens in die EU ein. Deshalb meine Bitte an den Kollegen, der nach mir spricht: Er hat eine Minute Zeit, seine Änderungsanträge zurückzuziehen, mit denen er permanent versucht, das Abkommen zwischen Mazedonien und Griechenland zu torpedieren, und damit eine friedliche Lösung verhindert.
Georgios Karatzaferis, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Natürlich muss die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Europa beitreten. Das stellt niemand in Abrede. Allerdings dürfen wir bestimmte Fragen nicht unterbewerten, die sowohl der Rat als auch die Kommission unterschätzt haben, obwohl der Berichterstatter auf die Beziehungen zwischen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Griechenland eingegangen ist.
Griechenland kann nicht umhin, gegen dieses Land zu sein, solange es irredentistische Rechte für sich in Anspruch nimmt. Sie erheben sogar durch ihre Verfassung Gebietsforderungen. In den heute verwendeten Schulbüchern wird gelehrt, dass Griechenland Territorium der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien okkupiert.
Verstehen Sie, was das bedeutet? Wenn Sie morgen diese Arroganz bestärken, tragen Sie praktisch das nächste Pulverfass in den Balkan.
Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien muss begreifen, dass all dies – Anspruch auf die Geschichte eines anderen Landes erheben, auf einen Namen, der ihnen nicht zusteht – bis 1945 hieß es Vardarska – das Gebiet in große Gefahr bringt. Griechenland wird hartnäckig sein, wenn Skopje sich nicht mäßigt und eine vermittelnde Position bezüglich dieser Ansprüche einnimmt.
Димитър Стоянов, от името на групата ITS. – Първо към г-н комисаря, искам да кажа, че Македония отдавна не е унитарна държава.
Македония стана жертва на една терористична банда, на един международен заговор срещу нея, на една банда от наркотрафиканти, подкрепени от международната общност, които веят знамето на великоалбанския шовинизъм и на радикалния ислям.
На Македония с т.нар. Охридско рамково споразумение й беше наложен един диктат, който не съществува никъде другаде в момента в никоя демократична държава, нито в този парламент, нито никъде, слава Богу. Диктат на една малка общност над волята на многото в тази държава.
Освен това искам да обърна една забележка към господин докладчика. За съжаление, трябва да се постараете малко повече да се запознаете с историята, защото в Македония, получили сте някаква представа, но в Македония не се говори македонски език.
И това ще го обясня с факта, който споменахте, че през 1878 г. 85 % от населението се е определяло като българи. Македония трябва да дойде в Европейския съюз. Аз подкрепям нейното присъединяване, за да получи някаква справедливост в крайна сметка.
Giorgos Dimitrakopoulos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst dem Berichterstatter, Herrn Meijer, für seine Zusammenarbeit während der gesamten Zeit bei der Formulierung bestimmter Änderungsantrage danken.
Natürlich bin auch ich für die europäische Perspektive und Zukunft der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Aber gerade wegen dieser europäischen Perspektive und Zukunft sollte die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien nicht vergessen, dass der Status eines Beitrittskandidaten nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringt, wozu auch gutnachbarschaftliche Beziehungen gehören und die Notwendigkeit, für vorhandene Probleme mit Nachbarländern gemeinsam akzeptable Lösungen zu finden, wie in der Salzburger Erklärung und natürlich im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess vorgesehen ist.
Sie darf auch nicht vergessen, dass in der Frage der Landesbezeichnung ohne Zweifel Verhandlungen unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wieder aufgenommen werden müssen, und dass die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien in guter Absicht und mit gutem Willen und einer konstruktiven Haltung an den Verhandlungstisch kommen muss. Das war stets die Position der internationalen Gemeinschaft.
Gleichermaßen dürfen wir das jüngste Verhalten der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien nicht außer Acht lassen, so die Umbenennung des Flughafens in „Alexander der Große“ und eine kürzlich vom Minister für Verkehrswesen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien abgegebene Erklärung, er würde diesen Namen unter keinen Umständen ändern. Ein solches Verhalten ist mit den Buchstaben und dem Geist des Interimsabkommens von 1995, das auf dem Prinzip gutnachbarschaftlicher Beziehungen beruht, unvereinbar.
Dieses Gebaren muss aufhören. Ich komme zum Schluss, es wurden zahlreiche Änderungsanträge eingereicht. Einige davon müssen angenommen werden, zum Beispiel jene, die auf Verbesserung der Passvorschriften abzielen, wohingegen andere, die den Luftverkehr betreffen, wie Änderungsantrag 12…
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Wir haben die europäische Perspektive der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien stets unterstützt und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau und zur Demokratisierung der Institutionen beigetragen.
Gerade Griechenland ist in den letzten Jahren und nach Unterzeichnung des Interimsabkommens das Land mit dem wichtigsten Wirtschafts- und Investitionsprofil in Skopje und hat zur Schaffung Tausender Arbeitsplätze beigetragen.
Gleichzeitig haben wir realistisch daran gearbeitet, eine für beide Seiten akzeptable Lösung für die noch offene Namensfrage zu finden.
Die Namensfrage ist keine bilaterale Angelegenheit zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Den Rahmen für die Lösung bilden die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates, das Interimsabkommen und die entsprechenden Beschlüsse der Europäischen Union.
Jeder, der übereilt die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien mit ihrem Namen gemäß ihrer Verfassung, in Verletzung des institutionellen Rahmens der UN und der Europäischen Union, anerkannte, hat den Bemühungen, für die internationale Bezeichnung (ich betone das) eine achtbare Kompromisslösung zu finden, einen Bärendienst erwiesen und schürt die Unnachgiebigkeit und das nationalistische Klima unter der politischen Führung unseres Nachbarlandes.
Wir stimmen zu, dass ein Weg aus dieser Sackgasse gefunden werden muss.
Bogusław Rogalski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Im Jahr 2005 erlangte die Republik Mazedonien den Status eines Kandidatenlandes für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Vor seinem Beitritt zur EU muss das Land in einem nationalen Abkommen das Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gruppen auf der Grundlage von Demokratie und Gleichberechtigung regeln. Dieses Kriterium muss erfüllt werden, bevor Mazedonien Mitglied der EU wird. Das Land muss ein kohärentes Verwaltungs- und Bildungswesen aufbauen, das den sprachlichen und ethnischen Unterschieden in einer Weise Rechnung trägt, die ein harmonisches Zusammenleben der ethnischen Gruppen und verschiedenen nationalen Minderheiten ermöglicht.
Außerdem muss Mazedonien bezüglich seines Namens zu einer raschen Einigung mit Griechenland gelangen. Griechenland muss hier mehr Flexibilität zeigen, denn die Frage des Namens darf unter keinen Umständen als Hindernis für die Aufnahme von Verhandlungen und den Beitritt Mazedoniens zur Europäischen Union herhalten.
Wir lassen uns in Bezug auf Mazedonien nicht von Emotionen, sondern von den Kopenhagener Kriterien leiten.
Doris Pack (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Mazedonien hat bereits einen guten Teil des Weges in die EU zurückgelegt, es ist ein Beitrittskandidat. Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU ist unterzeichnet, aber das ist nur der leichteste Teil der Übung. Es wartet viel Arbeit auf die mazedonische Politik.
Die Umsetzung dieses Abkommens in praktische Gesetzgebung ist sicher mühsam, aber sie muss tatkräftig angegangen werden, zum Beispiel im Justizwesen, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in der Finanzpolitik und besonders im Bereich der Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung. Das ist die vordringlichste Aufgabe der Regierung und des Parlaments.
Mazedonien hat einen blutigen Konflikt mithilfe der internationalen Gemeinschaft überwunden und muss nun in der Folge dringend das Ohrid-Abkommen zügig umsetzen. Das Badinter-Verfahren ist ein nützliches Instrument bei Fragen, die die albanische Bevölkerungsgruppe betreffen. Es darf jedoch nicht dazu führen, dass notwendige Gesetzgebung verhindert wird, und es darf nicht als Handlungsanweisung für die Bildung einer Regierung verstanden werden.
Es ist bedauerlich, dass das Verhältnis Mazedoniens zum Nachbarn Griechenland, der – wie wir schon gehört haben – in Mazedonien sehr viel investiert, noch immer durch die Namensfrage getrübt ist. Nationalistische Töne auf beiden Seiten sind dabei nicht hilfreich. Die Auswirkungen dieses getrübten Verhältnisses reichen bis hin zur doppelten Visavergabe an Mazedonier durch Griechenland. Natürlich kann diese ungelöste bilaterale Frage den Weg Mazedoniens in die EU nicht blockieren. Dennoch sollte im Interesse aller eine baldige Lösung des Problems mithilfe des UN-Vermittlers möglich sein.
Die ungeklärte Situation im Nachbarland Kosovo hat dazu geführt, dass sich in Mazedonien ein ehemaliger albanischer Kämpfer und jetziger Abgeordneter im Parlament erboten hat, mit 10 000 albanischen Kämpfern aus Mazedonien die Unabhängigkeit des Kosovo zu erstreiten.
Die albanische Bevölkerung – das ist mein Aufruf von hier – sollte wirklich darauf bedacht sein, sich in Mazedonien um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern und die Lösung der Kosovo-Frage denen zu überlassen, die dafür gewählt sind!
Кристиан Вигенин (PSE). – Уважаеми колеги, днес обсъждаме напредъка на Република Македония в една по-оптимистична атмосфера: Европейският съвет вече отвори пътя за институционалната реформа, която е задължителна предпоставка за всяко бъдещо разширяване.
За периода на краткото си съществуване като държава Македония премина през различни кризи и много трудности, но запази стабилността си и възможностите си за развитие и просперитет. Именно тази жизнеспособност и перспективите за бъдещето трябва да бъдат източник на самочувствие за македонските граждани, а не подправената история или присвоените чужди исторически личности и символи.
За Македония са особено важни добросъседските отношения със страните-членки на Европейския съюз – България и Гърция. Има какво да се желае в тази посока и аз обръщам внимание на няколкото колеги от фракцията на „зелените“, че борейки се за правата на несъществуващо македонско малцинство в България например, всъщност дават „храна“ на националистите и от двете страни на границата и влошават перспективите на страната. За европейските социалисти е особено важно да се съхрани междуетническият диалог, а така също приоритетно да се решават проблеми като безработицата, остарялата инфраструктура и регионалните дисбаланси.
В заключение искам да подчертая, че ние ще подкрепяме реформите в Република Македония и се надяваме страната да стартира преговорите за присъединяване към Европейския съюз още в първата половина на 2008 г.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Nur eine kurze Bemerkung. Wie schon gesagt, ich glaube, dass uns der Assoziierungsrat mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien am 24. Juli eine genauere Vorstellung über die im Land erzielten Fortschritte im Rahmen der angestrebten Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union vermitteln wird. Natürlich erwarten wir auch den Fortschrittsbericht, den uns die Kommission im Herbst über den Beitrittsprozess der FYROM vorlegen wird.
Der Standpunkt der Kommission zu dieser Frage wird sicherlich sehr wichtig für die Präsidentschaft und die Mitgliedstaaten sein. Wenn die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien die Kriterien erfüllt, die ihr den Weg zu Beitrittsverhandlungen eröffnen, dann sollten diese Verhandlungen selbstverständlich beginnen.
Hier ist auch mehrmals die Frage nach dem Namen bzw. der Bezeichnung des Landes aufgeworfen worden. Während der ersten portugiesischen Präsidentschaft 1992 war ich Mitglied des portugiesischen Teams – mit Lord Carrington und dem Botschafter José Cutileiro –, das mit dem Problem Ex-Jugoslawiens beauftragt war, und schon damals stellte sich diese Frage. Ich sehe, dass 15 Jahre später das Problem immer noch besteht. Ich hoffe, dass die Seiten sich an den Verhandlungstisch setzen und eine beiderseitig akzeptable Lösung finden können.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Ihnen für eine sehr stichhaltige und verantwortungsvolle Aussprache danken. Ich stimme Frau Ibrisagic voll und ganz zu, die den sicherheitspolitischen Aspekt der EU-Erweiterung betonte. Wir sprechen häufig nur von der Integrationsfähigkeit, aber glücklicherweise konnte der Europäische Rat im vergangenen Dezember unseren Konsens in Sachen Erweiterung bekräftigen, und zwar mit Unterstützung des Parlaments und auf Initiative der Kommission hin.
Dieser neue Konsens zur Erweiterung erfasst beide Seiten der Medaille: erstens die strategische Bedeutung der Erweiterung für die Sicherheit und die Stabilität, für die Förderung unserer Werte Demokratie und Menschenrechte und zweitens die Berücksichtigung der Integrationsfähigkeit der Union. Beide Seiten sind notwendig und beide Seiten sind wichtig für einen sorgfältig gesteuerten EU-Beitrittsprozess.
In dieser Hinsicht ist die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ein Paradebeispiel. Im Jahr 2001 stand das Land noch am Rande eines Bürgerkriegs. 2005 wurde ihm bereits der Kandidatenstatus verliehen. In dieser Hinsicht haben wir es also mit einer Erfolgsgeschichte zu tun.
Letztes Jahr erfolgten die Fortschritte bei den Reformen nicht ganz so schnell, aber das ist ein weiterer Grund dafür, warum 2007 das Jahr sein sollte, in dem das Land wieder den Weg nach Europa einschlägt, und zwar durch die entschiedenen Reformen, die zu praktischen Ergebnissen führen. Daher sollten die Regierung und sämtliche Parteien sich nicht ausschließlich mit dem Termin für den Beginn der Beitrittsverhandlungen befassen, sondern eher den Reformprozess ganz entschieden und mit praktischen Ergebnissen weiterführen.
Die Reformen bilden den Weg, der ans Ziel der Eröffnung der Verhandlungen und dann eines Tages zu deren Abschluss führen wird. Dafür sollte das Ziel des EU-Beitritts nicht zu einem politischen Spielball der Parteien werden: Vielmehr sollten alle Parteien gemeinsam dieses Ziel verfolgen und ein politisches Klima fördern, das der erfolgreichen Durchführung der notwendigen Reformen zuträglich ist.
Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die parlamentarische Delegation des Landes heute hier in Straßburg ist, und ich bin davon überzeugt, dass sie diese wichtige Botschaft mit nach Skopje nehmen wird.
Zu guter Letzt stellt die Kommission fest, dass es, wie Herr Lobo Antunes bemerkte, in der letzten Zeit keine Fortschritte in der Frage des Ländernamens gegeben hat. Das gilt so ziemlich für die letzten 15 Jahre. Die Kommission hofft, dass beide Seiten ihre Bemühungen erneuern und einen konstruktiven Ansatz verfolgen können, um unter Aufsicht der Vereinten Nationen eine für beide Seiten akzeptable Verhandlungslösung zur Länderbezeichnung zu finden und somit zu einer regionalen Zusammenarbeit und zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen beizutragen.
Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 12. Juli 2007, statt.
18. TRIPS-Abkommen und Zugang zu Arzneimitteln (Aussprache)
Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über
- die mündliche Anfrage an den Rat über das TRIPS-Abkommen und den Zugang zu Arzneimitteln von Gianluca Susta und Johan Van Hecke im Namen der ALDE-Fraktion, Kader Arif im Namen der PSE-Fraktion, Georgios Papastamkos im Namen der PPE-DE-Fraktion, Vittorio Agnoletto und Helmuth Markov im Namen der GUE/NGL-Fraktion, Carl Schlyter im Namen der Verts/ALE-Fraktion, Cristiana Muscardini im Namen der UEN-Fraktion (O-0036/2007 – B6-0130/2007)
- die mündliche Anfrage an die Kommission über das TRIPS-Abkommen und den Zugang zu Arzneimitteln von Gianluca Susta und Johan Van Hecke im Namen der ALDE-Fraktion, Kader Arif im Namen der PSE-Fraktion, Georgios Papastamkos im Namen der PPE-DE-Fraktion, Vittorio Agnoletto und Helmuth Markov im Namen der GUE/NGL-Fraktion, Carl Schlyter im Namen der Verts/ALE-Fraktion, Cristiana Muscardini im Namen der UEN-Fraktion (O-0037/2007 – B6-0131/2007).
Gianluca Susta (ALDE), Verfasser. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Schattenberichterstattern und dem Sekretariat des Ausschusses für internationalen Handel für die Unterstützung, die sie mir bei meiner Arbeit angedeihen ließen, danken. Für uns ist der Zugang der ärmsten Länder zu Arzneimitteln eine Priorität, und das gilt auch im Hinblick auf die internationalen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind. Deshalb können wir uns nicht damit zufrieden geben, das Protokoll zum TRIPS-Übereinkommen blind zu akzeptieren und das Problem somit als gelöst zu betrachten.
Sehr geehrte Mitglieder der Kommission, sehr geehrte Mitglieder des Rates, allgemeine Verpflichtungen genügen nicht mehr. Die Europäische Union kann und muss mehr tun, und wenn es unrealistisch ist, eine Neuverhandlung des Protokolls anzuregen, muss der Rat, wenn er die Zustimmung des Europäischen Parlaments haben will, die strikte Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung übernehmen, dass der durch den WTO-Beschluss vom 30. August 2003 geschaffene Mechanismus das Problem nur teilweise löst. Das bedeutet sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Patentgesetze auf Artikel 30 des TRIPS-Übereinkommens zurückgreifen und im Hinblick auf die Erfordernisse der öffentlichen Gesundheit in einführenden Mitgliedstaaten die Herstellung und Ausfuhr von Arzneimitteln genehmigen können.
Es bedeutet, das Mandat der Kommission bei der Aushandlung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den ärmsten Ländern zu begrenzen, damit nicht über Bestimmungen verhandelt wird, die über das TRIPS-Übereinkommen hinausgehen. Es bedeutet, die Entwicklungsländer zu unterstützen, die die im TRIPS-Übereinkommen vorgesehene Flexibilität nutzen, um grundlegende Medikamente zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen. Es bedeutet, gemeinsame Beschaffungsstrategien zu unterstützen, um bei der Herstellung von bezahlbaren Generika für größenbedingte Einsparungen zu sorgen und Direktinvestitionen in lokale Produktionsanlagen zu fördern.
Es bedeutet, die Arbeit der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe für öffentliche Gesundheit, Innovation und geistiges Eigentum bei der Weltgesundheitsorganisation tatkräftig zu unterstützen. Es bedeutet, dass die Europäische Union zusätzliche Sofortmaßnahmen ergreifen muss, um den Technologietransfer, die Forschung, den Aufbau von Kapazitäten und regionale Beschaffungssysteme in den ärmsten Gebieten der Welt voranzutreiben. Es bedeutet, Finanzmittel in einer bestimmten Höhe zur Verfügung zu stellen, um Produktionsanlagen für Arzneimittel im Besitz von Staatsangehörigen in Entwicklungsländern auszubauen oder zu schaffen, sowie die EU-Finanzhilfe für öffentlich-private Partnerschaften aufzustocken, die in der Forschung und Entwicklung von für Entwicklungsländer besonders wichtigen Arzneimitteln tätig sind.
Wir glauben daher, dass wir einen aktiven Beitrag zur Bewältigung dieses Problems geleistet haben, das, wie uns die Bilder aus den ärmsten Teilen der Welt zeigen, sehr dringend ist. Nun sind der Rat und die Kommission am Zuge, und wenn wir schnelle, konkrete und keine allgemein gehaltenen Antworten erhalten, wird das Europäische Parlament unverzüglich die geforderte Zustimmung erteilen.
Kader Arif (PSE), Verfasser. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn es unser Wunsch war, dem Rat und der Kommission heute Fragen zu stellen, dann deshalb, weil sich im Zusammenhang mit der von uns verlangten Zustimmung zur Änderung des TRIPS-Übereinkommens, mit der die Übergangslösung vom August 2003 endgültig werden soll, zahlreiche Fragen erheben. Denn nach der im Ausschuss zu diesem Mechanismus geführten Aussprache waren alle gehörten Experten einig in ihrer Kritik an dieser Lösung, die den Problemen der Länder, die über keine Produktionskapazitäten für Arzneimittel verfügen, und damit den Schwierigkeiten der Bevölkerung dieser Länder, Zugang zu Gesundheitsleistungen zu erhalten, nur in geringem Umfang gerecht wird.
Während dieser Mechanismus rasch eine wirksame Antwort bringen sollte, wird er als kompliziert, ja sogar unwirksam beurteilt. Trotz der Verpflichtung des Rates und der Kommission dem Parlament gegenüber wurde keine Bewertung vorgenommen. Daher bestehen Zweifel an diesem Mechanismus. „Er wurde nie bewertet, weil er nie genutzt wurde“, antwortet uns die Kommission, die behauptet, dass dies nicht besagt, dass er unwirksam ist. Das ist schöne Rhetorik, bei der die Logik auf den Kopf gestellt wird, aber es handelt sich keinesfalls um eine begründete Antwort. Die Fragen, die sich die Abgeordneten stellen, lauten folgendermaßen: Warum wurde von dieser Lösung niemals Gebrauch gemacht? Wird sie dem Ausmaß des Problems gerecht? Wenn nicht, welche neuen Maßnahmen müsste die Union treffen, um das vorgegebene Ziel zu erreichen? Es darf keine Diskrepanz zwischen den verkündeten Absichten und dem, was getan wird, bestehen.
In ihren Erklärungen unterstützt die Union die Erklärung von Doha, die Flexibilitäten des TRIPS-Übereinkommens sowie die Staaten, die es anwenden. Sie verpflichtet sich auch, nicht die Anwendung neuer Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums auf die Entwicklungsländer zu fordern, die strenger als die in der WTO geltenden sind, denn das würde den tatsächlichen Zugang zu den Arzneimitteln untergraben. Doch diese Erklärungen sind nicht in die Praxis umgesetzt worden.
Beginnen wir damit, dass wir uns darüber verständigen, worüber wir reden. Was versteht man beispielsweise unter Flexibilität? Für uns beinhaltet dieser Begriff sämtliche Flexibilitäten, nicht nur die Lösung von 2003. Aber die Kommission bezieht sich in ihren Äußerungen ausschließlich auf diese. Wie definieren wir die Regelungen zum geistigen Eigentum, die über das TRIPS-Abkommen hinausgehen? Meinen wir die gleichen? In ihren Erklärungen sagt die Kommission, solche Regelungen nicht anzuwenden zu wollen, doch die geführten Verhandlungen widerspiegeln nicht unbedingt diese Verpflichtung. Die Kommissionsvertreter rechtfertigen mitunter sogar deren Anwendung im Interesse der Betrugsbekämpfung, was allerdings zu einem ganz anderen Thema gehört. Des Weiterem muss jedem Land, das ein wie auch immer geartetes Flexibilitätsinstrument anwendet, eindeutige politische Hilfe erwiesen werden, was aber praktisch nicht geschieht.
Wir fordern Transparenz und die Übereinstimmung zwischen den Äußerungen in der Öffentlichkeit und den Verhandlungen, die hinter geschlossenen Türen geführt werden. Wir sind überzeugt, dass das angesprochene Problem weit über die einfache Zustimmung zu einem internationalen Protokoll hinausgeht. Es geht um ein politisches und humanitäres Problem von großer Tragweite, das einen echten politischen Willen erfordert, der der bestehenden Aufgabe angemessenen ist. Wir wünschen jetzt klare Verpflichtungen, und zwar in vielen Punkten, die alle in unserer Entschließung enthalten sind, über die morgen abgestimmt werden soll. Dazu soll vor unserer Abstimmung eine gemeinsame politische Erklärung mit dem Parlament angenommen werden. Wir werden uns nicht mit einer x-ten Aussprache ohne konkrete Verpflichtung begnügen. Wir wollen eine feierliche Verpflichtung des Rates und der Kommission, mit der gewährleistet wird, dass sich Europa aktiv für die Suche nach neuen Lösungen einsetzt und dass Europa entsprechend dem Wunsch unserer Mitbürger danach strebt, im Kampf um den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln für alle weltweit eine führende Rolle zu spielen.
Georgios Papastamkos (PPE-DE), Verfasser. – (EL) Frau Präsidentin! Ich danke meinen werten Kollegen für ihre Zusammenarbeit, die es uns ermöglicht hat, den gemeinsamen Entschließungsentwurf zu formulieren.
Wie Sie wissen, hat die Union bei der Erzielung der diskutierten Vereinbarung im Rahmen der WTO eine entscheidende Rolle gespielt. Sie gehört zu den wenigen Mitgliedern, die interne Umsetzungsvorschriften verabschiedet haben. Wir erkennen natürlich, dass von den vorgesehenen Mechanismen bisher kein Gebrauch gemacht wurde.
Zweifel an der Wirksamkeit des im Protokoll zum TRIPS-Abkommen vorgesehenen Mechanismus sind begründet. Allerdings war die Änderung des TRIPS-Abkommens Ergebnis langwieriger und mühsamer Verhandlungen im Rahmen der WTO. Bei einer Neuverhandlung, selbst wenn diese für möglich gehalten würde, wäre das Ergebnis ungewiss.
Die Union ist aufgerufen, den entsprechenden Mechanismus mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln einsatzbereit zu machen. Gleichzeitig muss der Transfer von Know-how, Technologie und Forschung in Entwicklungsländer unterstützt werden.
Zwangslizenzen sind nur ein Aspekt der Probleme in Bezug auf das Gesundheitswesen in Entwicklungsländern. Ebenso erforderlich sind Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitssysteme und Infrastrukturen. Gezielte Entwicklungshilfe der Union kann hier eine wichtige Rolle spielen.
Ich möchte auch die Bedeutung von Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Umleitung von Handelsströmen hervorheben. Die Arzneimittel müssen die Menschen in den Ländern erreichen, für die dieser Mechanismus geschaffen wurde, und müssen dort verbleiben. Ich bin der Meinung, dass die Europäische Union die Änderung des TRIPS-Abkommens so schnell wie möglich akzeptieren muss.
Abschließend möchte ich bemerken, dass ein globales Herangehen erforderlich ist, das sowohl Prävention als auch Behandlung beinhaltet.
(Beifall)
Vittorio Agnoletto (GUE/NGL), Verfasser. – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der in dem Beschluss vom 30. August 2003 vorgesehene Ausfuhrmechanismus hat so viele Beschränkungen und technisch-administrative Hemmnisse eingeführt, dass er, wie „Ärzte ohne Grenzen“ in einer Publikation vom September 2006 unterstricht, bisher nicht genutzt werden konnte. Das Parlament hatte bereits in einer Entschließung vom 2. Dezember 2004 von Rat und Kommission gefordert, dass sie eine konkrete Verpflichtung eingehen.
Am 30. November 2006 vertrat das Europäische Parlament erneut einen entschlossenen Standpunkt zur Frage des Arzneimittelzugangs im Süden der Welt und nahm einstimmig eine Entschließung an, in der es die Kommission aufforderte, und ich zitiere, „fünf Jahre nach der Annahme der Doha-Erklärung zuzugeben, dass deren Anwendung ein Misserfolg war, da die WTO weder von einem Export- oder Importland noch aufgrund des Beschlusses des Allgemeinen Rates der WTO vom 30. August 2003 über die Umsetzung des § 6 der Erklärung von Doha irgendeine Mitteilung über Zwangslizenzen erhalten hat.“ Als Zweites forderte das Parlament, „gemeinsam mit den Entwicklungsländern innerhalb der WTO die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um das TRIPS-Übereinkommen und dessen auf dem Beschluss vom 30. August 2003 beruhenden Artikel… zu ändern, insbesondere um das komplexe, zeitraubende Verfahren für die Genehmigung von Zwangslizenzen abzuschaffen.“
Bis heute, sechs Monate später, haben weder Rat noch Kommission, obwohl sie von allen Fraktionen dazu aufgefordert wurden, das Europäische Parlament keiner Antwort gewürdigt. Bis zum bitteren Ende einen Mechanismus zu verteidigen wie den vom 30. August 2003, der Wort für Wort in die Änderung des TRIPS-Übereinkommens, die die EU ratifizieren will, übernommen wurde, ist Indiz für eine eindeutige Parteinahme: Es bedeutet, sich auf die Seite der multinationalen Pharmakonzerne zu stellen und Millionen von Patienten in den armen Ländern Krankheiten zu überlassen, die für sie tödlich sind, wie AIDS, Tuberkulose, Malaria und Dutzende andere vergessene Krankheiten, ohne Forschung und ohne Behandlung. Das ist eine Wahl, die dieses Hohe Haus aufgrund seiner Überzeugung, wonach die Menschenrechte aller Vorrang gegenüber dem Profit einiger weniger haben, nicht akzeptieren kann.
Carl Schlyter (Verts/ALE), Verfasser. – (SV) Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt und müssen, um eine Behandlung zu erhalten, das gesamte Jahreseinkommen Ihrer Familie auf den Tisch legen. Oder Sie gehen zum Arzt und sind gezwungen, zwischen Medikamenten für sich und Essen für Ihre Kinder zu wählen. Vor diese Wahl werden heute Millionen von Menschen gestellt. Vor zwei Jahren war ich Mitbegründer der Drugs for Neglected Diseases Initiative. Viele von uns hier im Parlament haben die Initiative ergriffen, diesen Bericht zu erstellen, und wir hatten eine ausgezeichnete Zusammenarbeit. In diesen Fragen herrscht große Einigkeit. Ich möchte gegenüber der Kommission unterstreichen, dass das Parlament die Notwendigkeit von Vorschriften, die den Zugang zu Arzneimitteln regeln, sehr ernst nimmt. Gegenwärtig sterben jährlich 12 Millionen Menschen aufgrund mangelnder Versorgung mit Arzneimitteln, insbesondere solchen gegen tropische Krankheiten. Die Patienten sind arm, und es lohnt sich nicht, für sie zu forschen, sodass es keine neuen Arzneimittel gibt. Darum müssen wir einerseits das Problem des Zugangs zu den vorhandenen Arzneimitteln lösen, andererseits aber auch die Frage der Forschung und Entwicklung von neuen Arzneimitteln, denn die betroffenen Länder werden sich nie aus der Armut erheben können, wenn ihre Bevölkerung krank zu Hause liegt. Die TRIPS-plus-Bestimmungen dürfen auf keinen Fall in die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen aufgenommen werden und die Möglichkeiten dieser Länder unterminieren, ihre Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen.
Meine Redezeit reicht nicht einmal aus, um alle Abkürzungen für die verschiedenen patentbezogenen Fragen aufzuzählen, die die Kommissionen in den Verhandlungen zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen durchsetzen will. Wir möchten darum bitten, damit aufzuhören.
Was die Forschung betrifft, benötigen wir einen Fonds auf EU-Ebene oder eine weltweite globale Ertragsteuer für pharmazeutische Unternehmen. Ansonsten erhalten wie nie die Arzneimittel, die diese Menschen aus ihrer Armut herausführen können. Das Recht auf Überleben steht über allen anderen Rechten.
Cristiana Muscardini (UEN), Verfasserin. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Herrn Susta und allen meinen Kolleginnen und Kollegen danken, die diese sektorübergreifende Arbeit und den Start dieser politischen Initiative möglich gemacht haben, mit der für die Einwohner der ärmsten Länder der Welt der Zugang zu Arzneimitteln zu vernünftigen und erschwinglichen Preisen gewährleistet werden soll. Extreme Armut ist ein hartes soziales Los, doch wenn sie, was oft der Fall ist, mit schweren Krankheiten einhergeht, ist sie heilloses Elend: Das ist die zentrale Botschaft, die wir vermitteln wollen.
Die in der WTO erzielte Vereinbarung, die vielleicht der einzige praktikable Rechtsweg im Rahmen des Multilateralismus ist, um den Zugang zu preiswerten Arzneimitteln zu erleichtern, hinterlässt große Verwirrung in vielerlei Hinsicht. Es wurde, sicher in lobenswerter Absicht, eine Ausnahmeregelung geschaffen, die jedoch nicht greift: und zwar wegen der Einschränkungsklauseln, von denen sie begleitet ist; wegen der unzähligen und komplizierten Verwaltungsformalitäten, die ihre Anwendung schwierig machen, und weil die Länder, die für den vorgeschlagenen Mechanismus in Betracht kämen, praktisch nicht in der Lage sind, seine Vorteile zu nutzen.
Wenige Länder haben dieses Instrument bisher ratifiziert und – was noch schlimmer ist – kein einziges Land hat die Unterstützung durch dieses Instrument beantragt. Es muss in aller Ruhe untersucht werden, was nicht funktioniert und wie dem Abhilfe geschaffen werden kann. Wir müssen den Mut haben, weitere Schritte zu unternehmen, und zur Kenntnis nehmen, dass die De-Minimis-Vereinbarung das Grundproblem nur teilweise löst, wodurch die Wirksamkeit der Multilateralismus-Regeln der WTO in Frage gestellt wird. Es gilt, auf europäischer Ebene Maßnahmen vorzuschlagen, die über das Abkommen hinausgehen und einen soliden Beitrag zur Zugänglichkeit preiswerter Arzneimittel und somit zur Rettung von Menschenleben leisten können.
Wir müssen den Forschungs- und Technologietransfer fördern, um die Arzneimittelproduktion in den armen Ländern zu erleichtern. Wir müssen wachsam sein – und das ist Aufgabe der Kommission –, weil zu oft gefälschte Arzneimittel in die armen Länder geschickt werden, weshalb wir diese Verfälschung des internationalen Handels entschieden bekämpfen müssen. Doch vor allem müssen wir uns verpflichten, Wachsamkeit zu üben, um sicherzustellen, dass die Bürger der armen Länder nicht auch noch diese Kränkung hinnehmen müssen.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Am 6. Dezember 2006 ersuchte der Rat das Europäische Parlament gemäß Artikel 133 und 300 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um seine Zustimmung zum Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates über die Annahme des am 6. Dezember 2005 in Genf unterzeichneten Protokolls zur Änderung des TRIPS-Abkommens.
Bei der Ausarbeitung dieses Protokolls, dank dessen die Bürger der Entwicklungsländer verbesserten Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln erhalten, und den Verhandlungen darüber spielte die Gemeinschaft unter politischen Gesichtspunkten eine Hauptrolle. Dies war einer der größten Erfolge im Vorfeld der WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2005 in Hongkong.
Die Tatsache, dass sich dieses Forum für Welthandelsnormen mit einer für die Entwicklungsländer derart wichtigen Frage beschäftigt hat, stellt eine konkrete Anwendung der Grundsätze der Kohärenz in der Entwicklungspolitik dar, die 2005 zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission vereinbart wurden. Sie stellt auch einen bedeutenden konkreten Schritt zur Erfüllung des Millenniumsentwicklungsziels 6 dar zur Bekämpfung von HIV-AIDS, Malaria und anderen Krankheiten dar.
Eine Reihe von Mitgliedern der WTO, darunter auch die USA, haben das Protokoll bereits ratifiziert, und es ist zu wünschen, dass die Gemeinschaft als Hauptbefürworterin der Maßnahme bis spätestens 1. Dezember 2007 dem Beispiel folgt, sobald die internen Verfahren innerhalb der Kommission, des Rates und des Parlaments abgeschlossen sind.
Was sowohl die technischen als auch die weiter reichenden Fragen angeht, die von den Damen und Herren Abgeordneten gestellt worden sind, so ist der Rat nicht für die Bewertung der Wirksamkeit des Mechanismus zuständig, der durch Beschluss der WTO vom 30. August 2003 geschaffen wurde. Der Rat ist sich der Komplexität des Themas bewusst, betont jedoch die grundlegende politische Bedeutung, die der Ratifizierung des Protokolls für die Entwicklungsländer zukommt. Der Rat hat nicht die Absicht, das der Kommission übertragene Mandat auf dem Gebiet wirtschaftlicher Partnerschaftsabkommen zu ändern, wenn sich diese im Endstadium der Verhandlungen befinden.
Die Mitgliedstaaten, die gemeinsam mit der Kommission den EEF-Ausschuss bilden, werden sich bemühen, dafür zu sorgen, dass ausreichende Mittel zur Erfüllung des Millenniumsziels 6, insbesondere für die AKP-Staaten, zur Verfügung gestellt werden. Der Rat nutzt diese Gelegenheit, um das Europäische Parlament aufzufordern, seiner wesentlichen institutionellen Rolle gerecht zu werden, damit die Europäische Gemeinschaft diesem wichtigen Protokoll zustimmen kann und die Handelsnormen so abgeändert werden können, dass sie den Interessen von Millionen Menschen in den Entwicklungsländern besser dienen.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie das Parlament ist auch die Kommission der Ansicht, dass der Zugang zu Arzneimitteln für arme Entwicklungsländer von enormer politischer und humanitärer Bedeutung ist. Die Kommission hat einige Initiativen eingeleitet, um armen Entwicklungsländern im Rahmen bestehender Programme den Zugang zu Arzneimitteln zu ermöglichen.
Die Europäische Gemeinschaft setzt sich seit jeher an vorderster Front für TRIPS und den Zugang zu Arzneimitteln ein. In der WTO haben wir eine aktive Rolle gespielt und fast unvereinbare Positionen einander angenähert. Die Entwicklungsländer waren der Europäischen Union für ihre Rolle als ehrlicher Makler äußerst dankbar.
Die Diskussion innerhalb der WTO führte zunächst zur Annahme der Erklärung von Doha im November 2001. In dieser Erklärung wird das Recht der WTO-Mitglieder bekräftigt, die Flexibilitäten des TRIPS-Abkommens uneingeschränkt zu nutzen, auch die Zwangslizenzen. Für die Länder, die selbst keine Arzneimittel herstellen und die vom TRIPS-Abkommen eingeführten Zwangslizenzen nicht effektiv nutzen können, wurde im August 2003 eine vorübergehende Ausnahme von den üblichen Bestimmungen des Patentrechts beschlossen.
Gemeinsam mit dem Rat hat das Parlament diese Entscheidung – die Verordnung (EG) Nr. 816/2006 – umgesetzt, indem es sie in erster Lesung annahm, damit Generikahersteller patentrechtlich geschützte Arzneimittel für den Export in bedürftige Länder produzieren können, die selbst nicht über ausreichende Produktionskapazitäten verfügen.
Mit dem Protokoll zur Änderung des TRIPS-Abkommens soll diese Entscheidung in eine dauerhafte und rechtssichere Lösung umgewandelt werden. Diese in das TRIPS-Abkommen einzuführenden Flexibilitäten können dazu beitragen, Menschenleben zu retten, ohne das Patentsystem zu untergraben, das einen der wichtigsten Anreize für die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel darstellt.
Wir sind nun ganz am Ende dieses WTO-Prozesses angelangt, dessen letzter Schritt die Annahme der Änderung des TRIPS-Abkommens ist.
Nun komme ich zu den speziellen Fragen, die in der mündlichen Anfrage gestellt wurden. Die Antworten habe ich mit meinem Kollegen Mandelson, der innerhalb der Kommission für Handelsfragen zuständig ist, abgesprochen.
Ich möchte vier konkrete, kurz zusammengefasste Punkte anführen. Erstens ist der durch den WTO-Beschluss vom August 2003 und das Protokoll zum TRIPS-Abkommen geschaffene Mechanismus das Ergebnis langer und schwieriger Verhandlungen zwischen fast 150 Ländern und steht für eine Ausgewogenheit, die nur sehr schwer herbeizuführen war. Dieser Mechanismus darf nur als Teil einer größeren Frage, nämlich des Zugangs zu erschwinglichen Arzneimitteln für Entwicklungsländer, gesehen werden, was weit über das Thema Patentrecht hinausgeht.
Zweitens kann die Kommission bestätigen, dass die Europäische Gemeinschaft verpflichtet ist, in die Wirtschaftspartnerschafts- und sonstigen künftigen bilateralen und regionalen Abkommen mit armen Entwicklungsländern keine TRIPS-plus-Bestimmungen aufzunehmen, die sich auf den Zugang zu Arzneimitteln auswirken oder die Flexibilitäten des TRIPS-Abkommens unterminieren könnten, die in der Erklärung von Doha zum TRIPS-Abkommen und zur öffentlichen Gesundheit enthalten sind.
Drittens ermutigt die Kommission Pharmaunternehmen dazu, Regelungen wie zum Beispiel ein Preisstaffelungssystem einzuführen, bei dem Arzneimittel in armen und Entwicklungsländern zu erheblich niedrigeren Preisen verkauft werden als in den Industrieländern.
Viertens unterstützt die Kommission die lokalen Produktionskapazitäten. Die Herstellung vor Ort kann den Wettbewerb anregen und die Pharmazeutika verbilligen. Auch gilt es, den Technologietransfer zu fördern, damit die vor Ort hergestellten Pharmazeutika den international vereinbarten Standards entsprechen.
Abschließend sei gesagt, dass das Parlament sich hoffentlich vergewissern konnte, dass der Zugang zu Arzneimitteln für die Kommission weiterhin Priorität hat. Jetzt, da das Europäische Parlament alle Fakten in den Händen hält, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, und angesichts der Rolle, die die Europäische Gemeinschaft bei der Herbeiführung dieser dauerhaften Lösung gespielt hat, wäre es bedauerlich, wenn die Europäische Gemeinschaft sie nicht rechtzeitig annehmen könnte. Parlament und Kommission müssen unbedingt weiterhin eng zusammenarbeiten, um den armen Entwicklungsländern den Zugang zu Arzneimitteln zu ermöglichen.
Margrietus van den Berg, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Jährlich sterben etwa 6 Millionen Menschen an den Folgen von Aids, Malaria oder Tuberkulose. Jährlich erhalten Millionen Menschen, besonders in Afrika, nicht die Behandlung, die ihr Leben retten könnte, und zwar nicht deshalb, weil es keine Arzneimittel gäbe, sondern einfach deshalb, weil sie diese nicht bezahlen können. Was immer auch der genaue Grund sein mag, das ist selbstverständlich ein regelrechter Skandal.
Seit 2003 gilt eine befristete WTO-Regelung für Länder, die nicht über die Kapazität für die eigene Herstellung preisgünstiger Arzneimittel für ihre Bevölkerung verfügen. Was der Kommissar erklärt hat, trifft zu. In Doha errangen wir 2003 einen großen Sieg, als wir in diesem Punkt den Durchbruch schafften. Dafür verdient die EU enorme Anerkennung. Wir können endlos über die Ursachen diskutieren, das Problem ist, dass diese Regelung in der Praxis bislang noch nicht funktioniert. Und all diese Millionen von Menschen haben nicht diese Arzneimittel erhalten, das wollen wir jedoch unbedingt, und deshalb haben wir diesen Durchbruch damals begrüßt.
Nun bitten Sie das Europäische Parlament um Zustimmung, damit diese Vereinbarung auf Dauer gilt. Bevor dieses Parlament seine Unterschrift unter diese Regelung setzen kann, die bis heute nicht durchführbar ist – mit allen zugrunde liegenden Ursachen und Schwierigkeiten –, wollen wir selbstverständlich feste Garantien. Der Kommissar und der Rat haben versucht, ein paar Dinge zu sagen.
Zunächst gilt es, eine durchführbare Regelung anzuwenden, da dies einfach mehr Unterstützung – praktisch, rechtlich und politisch – für die betreffenden Länder erfordert. Wie wir wissen, halten es viele für recht kompliziert, tatsächlich davon Gebrauch zu machen. Ich empfehle, so zu verfahren, wie wir es damals bei den Handelsgesprächen getan haben, nämlich ein europäisches Billigmedizinteam, das „A-Team“ der Europäischen Union, einzurichten, damit man sozusagen unmittelbar Hilfe leisten kann. Nicht nur finanziell, sondern auch in Form von Information und Rechtsberatung.
Zweitens. Sie, die Europäische Union, haben, wenn ich recht verstanden habe, zugesagt, keine TRIPS-plus-Bestimmungen in bilaterale Abkommen aufzunehmen. Das wäre ein ganz entscheidendes Element, wenn es denn klar und deutlich vom Rat bestätigt wird.
Drittens. Die langfristige Lösung besteht darin, die Entwicklungsländer in die Lage zu versetzen, die Produktion selbst in die Hand zu nehmen, was natürlich die Entwicklungsperspektive ins Spiel bringt. Das Know-how ist vorhanden. Einige Länder wie Tansania praktizieren das auch. Meines Erachtens wäre eben dieses europäische A-Team abermals mühelos dazu in der Lage. Gehen Sie in diese Richtung, dann können wir unterschreiben.
Sharon Bowles, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Die Änderung des TRIPS-Abkommens ist sowohl überfällig als auch ihrer Zeit voraus. Überfällig ist sie insofern, als es seit Langem notwendig ist, ärmeren Länder den Zugang zu Arzneimitteln zu erleichtern. Sie ist ihrer Zeit voraus, weil die Ausweitung der Patentregelungen auf Arzneimittel in Indien und anderen Ländern im Jahr 2005 noch nicht greift. Es dauert Jahre, bis ein Medikament entwickelt und klinisch geprüft ist, und erst danach kommt diese Änderung überhaupt zum Tragen. Sie könnte sich allerdings früher bemerkbar machen, wenn das indische Patentamt nicht daran festhält, Patente abzulehnen, bei denen geringfügige Änderungen an alten Arzneimitteln vorgenommen werden.
Die Änderung allein kann das Problem nicht lösen, dass noch verfügbare Generika jetzt nicht erschwinglich sind, aber durch die Änderung wird im TRIPS-Abkommen der Grundsatz verankert, dass für Exportprodukte ganz legitim Zwangslizenzen eingeräumt werden können, wodurch auch in anderen Artikeln die Zwänge des rechtmäßigen Interesses des Patentinhabers gelockert werden.
Vittorio Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, ob die Kommission und der Rat hier sind, um uns zum Narren zu halten. Ich werde das Präsidium fragen, ob ich eine Tonaufzeichnung der heutigen Sitzung bekommen kann, denn ich denke, ihr Abspielen in Afrika erklärt besser als alle Worte die absolute und totale Gleichgültigkeit des Rates und der Europäischen Kommission gegenüber dem Problem der Arzneimittelzugänglichkeit.
Wenn Ihnen alle Fraktionen diese Frage nach einer Regelung stellen, die seit drei Jahren in Kraft ist und nicht ein einziges Mal funktioniert hat, dann geben Sie zur Antwort, diese Regelung werde den Entwicklungsländern den Zugang zu Arzneimitteln ermöglichen? Wo sie ihn doch in den letzten drei Jahren nicht ermöglicht hat! Können Sie etwa zaubern? Soweit zum Rat.
Die Kommission sagt uns: „Wir haben so hart gearbeitet, um dieses Übereinkommen zu erzielen“. Doch wenn dieses Abkommen nicht funktioniert – ob man sich nun viel oder wenig dafür eingesetzt hat –, muss es geändert oder müssen zumindest andere Wege gefunden werden, um voranzukommen.
Kommission und Rat sprechen darüber hinaus von einer „Forderung an die Pharmaunternehmen, dem Süden der Welt niedrigere Preise anzubieten“, was genau dasselbe heißt wie: „Lasst die Pharmaunternehmen selbst etwas Gutes tun, denn wir sind völlig unfähig, ein Recht zu gewährleisten“. Sie sprechen außerdem von einer „Erhöhung der lokalen Produktionskapazitäten im Süden der Welt“. Aber wie denn? Es ist fortwährend vom Technologietransfer die Rede und es wird absolut nichts in den Süden der Welt transferiert. Diese Regelungen behindern die Produktion!
Das sind nur schöne Worte, und dann kommen Sie hier her, um zu behaupten, auf diesem Wege würden die Millenniums-Entwicklungsziele erreicht werden. Ich habe den Eindruck, aufseiten der Kommission und des Rates besteht ein völliges Desinteresse an der Frage, die wir aufgeworfen haben.
David Martin (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Kommission und Rat erinnern uns zu Recht daran, dass im Jahr 2003 die Öffnungsklausel in diesem Hohen Hause als großer Durchbruch für den Zugang zu Arzneimitteln begrüßt wurde, aber meines Erachtens ist es angebracht, als Parlament die anderen beiden Organe daran zu erinnern, dass vier Jahre danach noch kein einziger Patient ein Arzneimittel erhalten hat. Wie andere bereits vor mir sagten, sind die Gründe dafür vielfältig. Zum Teil liegt es an den Kosten für die Nutzung der Öffnungsklausel, zum Teil an der Vielschichtigkeit des Mechanismus selbst und zum Teil an dem wirtschaftlichen Druck, den gewisse Länder und Pharmaunternehmen auf andere Länder ausüben.
Die Kommission sagt zu Recht, dass wir über diese Öffnungsklausel nicht noch einmal verhandeln können. Wir hatten es hier mit einer sehr komplizierten Abmachung zu tun, und darum bitten wir auch gar nicht. Unser Standpunkt lautet: Wenn wir dieser Öffnungsklausel unsere Zustimmung geben sollen, dann soll die Kommission sich dazu verpflichten, die Entwicklungsländer technisch, finanziell und politisch zu unterstützen, damit sie diesen Mechanismus auch nutzen können. Die vier von Kommissar Rehn genannten Punkte haben alle ihre Gültigkeit und sind begrüßenswert, aber er muss über sie hinausgehen und klarmachen, dass er die Unterstützung liefern wird, die die Entwicklungsländer brauchen, um heute und nicht erst in zehn oder zwanzig Jahren Zugang zu Arzneimitteln zu erhalten.
Johan Van Hecke (ALDE). – (NL) Frau Präsidentin! Dank meines Berichts von Dezember 2005 wurde in erster Lesung ein Kompromiss über eine Verordnung erzielt, die die einheitliche Anwendung des Beschlusses der WTO vom 30. August 2003 in der EU gewährleistet.
Fast vier Jahre später sieht es jedoch danach aus, als sei dieser Beschluss lediglich eine leere Hülse. Was damals befürchtet wurde, bewahrheitet sich jetzt. Das System ist viel zu kompliziert und funktioniert nicht. Ich teile Herrn Agnolettos Bestürzung über die Antwort des Rates, der es vermocht hat, jeder vom Parlament ausgedrückten Frage oder Sorge auszuweichen.
Die Ratifizierung des TRIPS-Protokolls sollte die EU zu einem gründlichen Nachdenken und vor allem zu einer kohärenteren Politik zwingen, die die ärmsten Länder in die Lage versetzen sollte, ihre eigene Kapazität zur Herstellung lebenswichtiger Arzneimittel aufzubauen. Ohne ein starkes Signal in diese Richtung, Frau Präsidentin und Herr Susta, bin ich nicht davon überzeugt, dass wir einfach so unsere Unterschrift unter diese Verzichtserklärung setzen sollten.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie ich bereits sagte, spielte die Gemeinschaft unter politischen Gesichtspunkten bei der Ausarbeitung dieses Protokolls, dank dessen die Bürger der Entwicklungsländer verbesserten Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln erhalten, und den Verhandlungen darüber eine Hauptrolle.
Kommissar Olli Rehn hat hier auch eindeutig erklärt, dass dieses Ergebnis nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen erzielt wurde, und nach unserer Auffassung handelt es sich in Anbetracht der Umstände um ein ausgewogenes Ergebnis. Mir bleibt damit nur noch, erneut an das Parlament zu appellieren, diesem wichtigen Protokoll zuzustimmen, damit die Handelsnormen so geändert werden können, dass sie den Interessen von Millionen Menschen in den Entwicklungsländern besser dienen.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Vielen Dank für diese sehr verantwortungsbewusste Aussprache zu einem äußerst bedeutenden Thema. Ich möchte auf eine Frage antworten, die von David Martin und einigen anderen Rednern gestellt wurde und bei der es darum ging, was die Kommission unternimmt, um die Technologietransfers zu unterstützen, die die Herstellung erschwinglicher wichtiger Arzneimittel vor Ort ermöglichen sollen. Dabei ging es auch darum, was wir im Bereich Prävention, Behandlung und Betreuung bei HIV, Malaria und Tuberkulose tun.
Dies ist eines der Ziele einer speziellen Initiative zur Gewährung von Unterstützung für armutsbedingte Krankheiten in den Entwicklungsländern, in deren Rahmen in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 81,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden. Die Europäische Union zählt auch zu den größten Geldgebern für die pharmazeutische und gesundheitsbezogene klinische Forschung, die auch die Erforschung der Gesundheitssysteme und den Kapazitätsaufbau in verschiedenen afrikanischen Ländern südlich der Sahara im Rahmen der Partnerschaft zwischen Europa und den Entwicklungsländern im Bereich klinische Versuche umfasst. Während des Durchführungszeitraums des Sechsten Forschungsrahmenprogramms betrug die Hilfe der EU für Forschung und Entwicklung im Bereich armutsbedingter Krankheiten zudem mehr als 455 Millionen Euro. Im gleichen Zeitraum wurden innerhalb der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit weitere 78 Millionen Euro für verschiedene Projekte ausgegeben, die sich mit den Bereichen vernachlässigte Infektionskrankheiten, Erforschung der Gesundheitssysteme und reproduktive Gesundheit befassten.
Wie Sie sehen, unternimmt die Kommission einiges, um den Entwicklungsländern und vor allem den am wenigsten entwickelten Ländern zu helfen, ihren Zugang zu erschwinglichen Medikamenten und die inländischen Produktionskapazitäten zu verbessern.
Reicht das aus? Wahrscheinlich nicht. Ist die Kommission bereit, mehr zu tun? Ja, sofern wir über die notwendigen Mittel verfügen. Und hier handelt es sich um einen Bereich, in dem das Parlament eine Schlüsselrolle spielen muss.
Es wurde eine weitere wichtige Frage angesprochen: die Tatsache, dass der Mechanismus noch nicht angewandt wurde, was impliziert, dass er nicht funktioniert. Es ist wichtig zu wissen, wie Zwangslizenzen funktionieren. Der Mechanismus kann genutzt werden, ohne dass irgendeine Zwangslizenz tatsächlich erteilt wird. Der Sinn der Zwangslizenzen besteht hauptsächlich in dem Druckmittel, das sie den Entwicklungsländern verschaffen, wenn es um die Preisverhandlungen mit den Pharmaunternehmen geht. Anders ausgedrückt können Zwangslizenzen die erwarteten Ergebnisse liefern, d. h. Medikamente erschwinglicher machen, ohne tatsächlich erteilt worden zu sein.
Abschließend sei gesagt, dass das Parlament sich hoffentlich davon überzeugen konnte, dass der Zugang zu Arzneimitteln für die Kommission und die Europäische Union nach wie vor hohe Priorität hat. Wir hoffen, dass das Parlament so bald wie möglich seine Zustimmung zum Protokoll erteilt. Eine Verzögerung oder Weigerung seitens der Europäischen Union könnte man jenseits unserer Grenzen nicht verstehen. Das würde die Glaubwürdigkeit der EU insgesamt in diesem Bereich und als internationaler Partner allgemein untergraben.
Die Präsidentin. – Zum Abschluss der Aussprache wurde gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung ein Entschließungsantrag(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 12. Juli 2007, statt.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Glyn Ford (PSE), schriftlich. – (EN) Das im Jahr 2001 den Entwicklungsländern zugestandene Recht, Generika herstellen zu dürfen, wurde sehr begrüßt. Aber, wie natürlich nur allzu offensichtlich ist, verfügen viele Entwicklungsländer weder über die technologischen Kapazitäten noch die Finanzmittel dafür.
Mit dem Abkommen vom August 2003, wonach dem ursprünglichen WTO-Abkommen ein Anhang hinzugefügt wird, damit diese Länder Generika importieren dürfen, sollte dieses Problem gelöst werden. Doch vier Jahre danach ist noch kein einziges Entwicklungsland dazu in der Lage. Vier Jahre danach hat noch kein einziger Patient ein Medikament erhalten.
Wir müssen nicht nur beschließen, den Anhang zu unterzeichnen, sondern auch dafür sorgen, dass die erforderlichen Mittel und der notwendige Wille vorhanden sind, um das, was bisher bloße Worte waren, in die Tat umzusetzen.
(Die Sitzung wird um 20.10 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
19. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
20. Fragestunde (Anfragen an den Rat)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0133/2007).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an den Rat.
Anfrage Nr. 1 von Manuel Medina Ortega (H-0448/07)
Betrifft: Hilfen für die Rettung Schiffbrüchiger
Gedenkt der Rat in Anbetracht der Tatsache, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union in eklatanter Weise seinen internationalen Verpflichtungen zur Rettung von Schiffbrüchigen nicht nachkommt und sich weigert, auf seinem Staatsgebiet Personen aufzunehmen, die von Schiffen anderer Mitgliedstaaten gerettet wurden, Maßnahmen zu ergreifen, um auf dem gesamten Hoheitsgebiet der Union sicherzustellen, dass er seinen Verpflichtungen gerecht wird, und gegebenenfalls auch Hilfen für Privatpersonen und öffentliche Institutionen vorzusehen, die die Aufgaben übernehmen, die sich aus seinen humanitären Verpflichtungen im Rahmen des Völkerrechts ergeben?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Wie dem Herrn Abgeordneten bekannt ist, ist der Rat nicht in der Lage, zu überprüfen, ob die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen Verpflichtungen auf Grund internationaler Übereinkommen erfüllen.
Die gegenwärtige Lage an den südlichen Seegrenzen der Europäischen Union wurde in der Sitzung des Rates am 12. Juni erörtert. Der Rat hat die Absicht, eine gründliche Analyse bestimmter Vorschläge vorzunehmen, die von Malta zu den jüngsten Vorfällen im Mittelmeer unterbreitet wurden, und wird dabei die entsprechenden internationalen Instrumente wie die SOLAS- und SAR-Übereinkommen berücksichtigen. Er wird auch der Untersuchung der Kommission über die internationalen Rechtsinstrumente auf dem Gebiet der illegalen Einwanderung über das Meer gebührende Beachtung schenken.
Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit zur Kenntnis genommen, Frontex mit den Mitteln auszustatten, die für die wirksame Ausübung ihres Auftrags erforderlich sind, und die Kommission beabsichtigt, ihren Funktionshaushalt für 2007 zu erhöhen. Die Mitgliedstaaten wurden auch aufgefordert, ihrer Verpflichtung nachzukommen und dafür zu sorgen, dass Ausrüstung im Zentralregister für die verfügbare technische Ausrüstung bereitgestellt wird.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Ratspräsident! Zunächst möchte ich Ihnen für die Beantwortung meiner Anfrage danken. Ich wünsche der portugiesischen Präsidentschaft viel Erfolg, Erfolg, den wir alle brauchen.
Weiterhin, Herr Ratsvorsitzender, möchte ich meine große Sorge über die Unzulänglichkeit der Vereinbarungen vom 2. Juni äußern. Die EU als reichste Staatengemeinschaft der Welt kann nicht erlauben, dass ein Land dutzende von Schiffbrüchigen im Meer umkommen lässt, weil praktische Maßnahmen fehlen. Ich glaube, der EU stehen genügend Mittel zur Verfügung, und dennoch sind die Mittel, die wir für die Bewältigung derartiger Situationen haben – vor allem Frontex – völlig unzulänglich. Ein solches Verhalten der EU aufgrund fehlender wirtschaftlicher Mittel ist beschämend und unannehmbar.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Zunächst möchte ich dem Herrn Abgeordneten für seine freundlichen Worte danken, mit denen er der portugiesischen Präsidentschaft Glück gewünscht hat.
Ich möchte ihm sagen, dass die portugiesische Präsidentschaft diese Frage nicht nur für wichtig, sondern für eine Priorität hält. In seiner Rede heute Vormittag hier im Saal hatte der portugiesische Ministerpräsident bei der Erläuterung der Prioritäten während der sechsmonatigen portugiesischen Präsidentschaft Gelegenheit zu betonen, dass die Fragen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der illegalen Einwanderung für die portugiesische Präsidentschaft vorrangig seien und dass wir ihnen intensive Bemühungen und große Aufmerksamkeit widmen werden, jedoch immer unter einem humanitären Blickwinkel, der für uns von grundlegender Bedeutung ist.
Wie Sie wissen, hat der letzte Europäische Rat bereits einige Maßnahmen in diesem Bereich getroffen. Selbstverständlich könnten wir immer noch mehr tun, und vielleicht müssen wir mehr tun. Ich wiederhole aber, dass wir diese Frage als vorrangig betrachten. Sie nehmen einen herausgehobenen Platz im Prioritätenprogramm der portugiesischen Präsidentschaft ein, sodass der Herr Abgeordnete sicher sein kann, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um den berechtigten Besorgnissen, die er hier geäußert hat, entgegenzuwirken.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 2 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0451/07)
Betrifft: Angemessene und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in den Mitgliedstaaten
Das Fehlen angemessener und kostengünstiger Kinderbetreuungseinrichtungen stellt häufig ein Hemmnis für die gleichberechtigte Beteiligung von Männern und Frauen am Erwerbsleben sowie die ausgewogene Pflichtenverteilung innerhalb der Familie dar.
Im Achtzehnmonatsprogramm der drei Vorsitze (Dokument 17079/06 von Dezember 2006) weist der portugiesische Vorsitz darauf hin, dass er die Förderung qualitativ hochwertiger Dienstleistungen für die Betreuung von Kindern und anderen abhängigen Personen auf der Grundlage der Beschlüsse des Rates von Barcelona (2002) unterstützen wird.
Was gedenkt der Rat zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass diese Dienstleistungen angemessen und von hoher Qualität sind?
Wie kann im Rahmen der Vorschläge zur Gewährleistung der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben über die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen sichergestellt werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit gefördert wird und die atypische Arbeit sowie die beruflichen Fähigkeiten anerkannt werden, die sich Arbeitnehmer im Rahmen theoretischer und zusätzlicher Ausbildung angeeignet haben?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Die Frau Abgeordnete hat eine Frage aufgeworfen, die im Zusammenhang mit den laufenden Veränderungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt im Lichte der Lissabon-Strategie höchst angebracht ist.
Was die spezielle Frage der Frau Abgeordneten nach den vom Rat beabsichtigten Maßnahmen und der möglichen Auswirkung der Vorschläge in diesem Bereich betrifft, so kann der Rat gesetzgeberisch natürlich nur auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission tätig werden. So ist es in den Verträgen festgelegt.
Derzeit werden keine Legislativvorschläge auf dem Gebiet der Kinderbetreuung geprüft. Die Gewährleistung einer angemessenen Leistung und der Qualität dieser Dienste fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Zwar wurden die Barcelona-Ziele überall in der Europäischen Union umgesetzt, doch wurden sie vom Rat im Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter bekräftigt, der im März 2006 verabschiedet wurde. Damals beschloss der Rat, dass die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungsstrukturen im Einklang mit den nationalen Zielen jedes Mitgliedstaats gesteigert werden müsse.
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass der Rat ebenfalls seine Verpflichtung in Bezug auf familienfreundliche Politiken einschließlich der Kinderbetreuung in den Schlussfolgerungen vom 30. Mai 2007 über die Bedeutung familienfreundlicher Politiken in Europa und den Aufbau einer Europäischen Allianz für Familien bekräftigt hat.
Die Frau Abgeordnete hat auch das Achtzehnmonatsprogramm der deutschen, der portugiesischen und der slowenischen Präsidentschaft erwähnt, in dem als eines der Hauptziele der drei Präsidentschaften festgelegt ist, das europäische Sozialmodell weiterzuentwickeln, das ein integrierender Bestandteil der Lissabon-Strategie ist. In dem Programm ist auch festgelegt, dass in diesem besonderen Zusammenhang das Schwergewicht auf eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Privatleben, geeignete Infrastrukturen für die Kinderbetreuung und die Unterstützung der Alten und Behinderten gelegt werde.
In Rahmen ihrer Bemühungen, dieses Ziel zu erreichen, veranstaltet die portugiesische Präsidentschaft auch eine Konferenz über die Vereinbarkeit von Arbeit, Privatleben und Familie: Neue Herausforderungen für die Sozialpartner und die öffentlichen Politiken. Die Konferenz findet vom 12. bis 13. Juli 2007 in Lissabon statt, beginnt also morgen.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Auch ich begrüße die neue Ratspräsidentschaft und danke dem Vertreter der portugiesischen Ratspräsidentschaft für seine Antwort.
Der 12. und 13. Juli ist tatsächlich schon morgen bzw. übermorgen. Um das Interesse aller neu zu beleben, möchte ich fragen, ob Maßnahmen im Rahmen von Qualifikationen geplant werden können, ein Thema, zu dem uns weitere legislative Entschließungen des Rates und des Parlaments vorliegen.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Vielen Dank, Frau Abgeordnete, für Ihre liebenswürdigen Worte, mit denen Sie der portugiesischen Präsidentschaft Erfolg gewünscht haben. Bei der Lektüre der Prioritäten für das Halbjahr der portugiesischen Präsidentschaft werden Sie sich wohl der Aufmerksamkeit und Bedeutung bewusst geworden sein, die wir diesen sozialen Fragen und insbesondere den sozialen Fragen beimessen, die das Verhältnis zwischen Arbeit und Familie betreffen.
Was die spezielle Frage betrifft, die Sie jetzt stellen, so ist der Rat selbstverständlich bereit, sämtliche Vorschläge zu prüfen und in Betracht zu ziehen, wobei natürlich der Kommission eine wesentliche Rolle auf diesem Gebiet zukommt. Sobald die Kommission uns ergänzende oder andere Maßnahmen auf diesem Gebiet vorschlägt, ist der Rat selbstverständlich bereit, sie zu diskutieren und zu erörtern. Da die portugiesische Präsidentschaft die Bedeutung der Sozialpolitik und des europäischen Sozialmodells im Rahmen ihres Präsidentschaftsprogramms in der Tat hervorhebt, fühlt sie sich natürlich besonders angespornt, die Vorschläge zu erwägen, die ihr unterbreitet werden.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 3 von Sarah Ludford (H-0454/07)
Betrifft: Fehlende Einigung über Rahmenbeschlüsse zu Verfahrensrechten
Ist der Rat stolz darauf, dass er nicht in der Lage war, sich auf eine Maßnahme betreffend die juristischen Rechte von Verdächtigten und Angeklagten im gesamten EU-Raum (den vorgeschlagenen Rahmenbeschluss über Verfahrensrechte in Strafverfahren) zu einigen? Welches Signal wird an die Partner der EU gesandt, wenn sich die 27 EU-Mitgliedstaaten nicht auf Garantien zur Sicherstellung einer gerechten Behandlung und eines fairen Verfahrens in einer Maßnahme einigen können, die als ein wesentlicher Zusatz zum Europäischen Haftbefehl angesehen und in Aussicht gestellt wurde? Wie kann damit die Stimme der EU, die sich für die Menschenrechte in der Welt einsetzt, gestärkt werden? Was wird der portugiesische Ratsvorsitz tun, um dieses in höchstem Maße notwendige Instrument wiederzubeleben?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Der Rat bedauert, dass es auf seiner Tagung am 12. und 13. Juni in Luxemburg nicht möglich war, eine Einigung in dieser Angelegenheit zu erzielen, obwohl die Prüfung und Annahme dieses Rahmenbeschlusses nicht nur für den deutschen Ratsvorsitz, sondern auch für die vorangegangenen Präsidentschaften seit der Vorlage des Kommissionsvorschlags beim Rat am 28. April 2004 zu ihren Prioritäten gehörten.
In diesem Zusammenhang möchte ich die Frau Abgeordnete daran erinnern, dass sich der Rat am 1. und 2. Juni 2006 auf die Grundsätze geeinigt hat, die für die anschließenden Arbeiten an diesem Vorschlag gelten sollten. Es wurde beschlossen, dass der Geltungsbereich des vorgeschlagenen Rahmenbeschlusses auf das Recht auf Information, das Recht auf unentgeltlichen Rechtsbeistand, das Recht auf einen Dolmetscher und das Recht auf die Übersetzung der Verfahrensdokumente beschränkt werden sollte. Auf seiner Tagung am 15. und 16. Juni forderte der Rat zum Abschluss der Verhandlungen über die Verfahrensrechte in Strafverfahren auf. In seiner Sitzung am 19. April 2007 beschloss der Rat, dass die Arbeit in dieser Angelegenheit mit dem Ziel fortgesetzt werden solle, auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni einen Konsens über den Geltungsbereich des Rechtsinstruments zu erzielen. Dabei galt es die Frage zu klären, ob die Union die Zuständigkeit besitzt, Rechtsvorschriften für rein einzelstaatliche Verfahren zu erlassen, oder ob die Rechtsvorschriften – und ich möchte darauf hinweisen, dass mindestens 21 Mitgliedstaaten diese Auffassung teilten – nur für grenzüberschreitende Fälle gelten sollten.
Ich möchte betonen, dass insbesondere die deutsche Präsidentschaft jede erdenkliche Anstrengung unternommen hat, um einen Konsens in dieser Angelegenheit herbeizuführen, bedauerlicherweise ohne Erfolg. Die portugiesische Präsidentschaft wird sich ihrerseits bemühen, in dieser Frage voranzukommen, und zurzeit sind wir dabei, den Inhalt des Dossiers zu prüfen, das als Ergebnis der Debatten in der Ratstagung am 12. und 13. Juni 2007 vorliegt.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) In einigen Mitgliedstaaten werden die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention schlecht umgesetzt, weswegen wir eine Maßnahme brauchen, die das Recht auf Information, Prozesskostenhilfe, Dolmetschleistungen usw. beinhaltet. Der Europarat hat den Rahmenbeschluss begrüßt und damit den beispielsweise vom Vereinigten Königreich vorgebrachten Behauptungen, dass er die EMRK unterminiert, völlig den Boden entzogen. Ich begrüße die Äußerungen des Ratsvorsitzes.
Herr Ratspräsident, sind Sie der Meinung, dass die zu erwartenden Änderungen am Vertrag im Sinne des Übergangs zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und zur Mitentscheidung hier hilfreich sein werden? Werden Sie vielleicht versuchen, die verstärkte Zusammenarbeit durchzusetzen? Werden Sie versuchen, so etwas wie einen Vertrag von Prüm für die Rechte der Bürger zu fördern – vielleicht auf Initiative der Mitgliedstaaten hin? Wie werden Sie in der Praxis dafür sorgen, dass wir diese absolut unerlässliche Maßnahme einführen, um den europäischen Haftbefehl und andere Maßnahmen, die die Strafverfolgung einfacher gemacht haben, so anzupassen, dass unsere Bürger wissen, dass ihre Rechte in der EU wirklich von Bedeutung sind?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Es ist meiner Ansicht nach noch ein wenig zu früh, um alle Fragen, die Sie an mich gerichtet haben, erschöpfend zu beantworten. Es war nur eine Frage, die aber mehrere Absätze und mehrere offene Möglichkeiten enthielt. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass unsere Präsidentschaft erst vor einigen Tagen begonnen hat. Wir prüfen gegenwärtig den Inhalt der Dossiers, um festzustellen, wie wir in dieser Angelegenheit vorankommen können.
Sie haben zum Beispiel von der Erleichterung des Mitentscheidungsverfahrens durch die qualifizierte Mehrheit, eine häufigere Anwendung der qualifizierten Mehrheit gesprochen. Meines Wissens findet sich diese Möglichkeit derzeit nicht in den Verträgen, sondern lässt sich im so genannten Reformvertrag finden, der noch nicht einmal das Verhandlungsstadium in der Regierungskonferenz erreicht hat. Ich kann der Frau Abgeordneten jedoch versichern, dass wir, wie Sie meiner Rede entnommen haben werden, dieser Frage große Bedeutung und Dringlichkeit beimessen. In Anbetracht des bisherigen Verlaufs des gesamten Prozesses und angesichts der ganzen Geschichte dieser Frage werden wir uns bemühen, die Lösung zu finden, die am ehesten die Unterstützung aller Mitgliedstaaten verdient.
Der Präsident. Da die Fragestellerin nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 4 hinfällig.
Anfrage Nr. 5 von Bernd Posselt (H-0459/07)
Betrifft: Verstärkte Zusammenarbeit in der Mittelmeerpolitik
Wie beurteilt die Ratspräsidentschaft die von Frankreichs Staatspräsident Sarkozy vorgeschlagene Idee einer verstärkten Zusammenarbeit in der Mittelmeerpolitik, und welche Maßnahmen plant der Rat, um ein Scheitern des Barcelona-Prozesses zu verhindern?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Selbstverständlich begrüßt die Präsidentschaft jede Initiative und jeden Vorschlag im Rahmen der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Ländern des Mittelmeerraums, dessen Ziel die Stärkung der Zusammenarbeit Europa-Mittelmeer ist. Diese Region war immer eine Region mit höchster Priorität für die Europäische Union und wird es auch bleiben.
Zurzeit sind uns keine spezifischen Einzelheiten der vom französischen Staatspräsidenten geäußerten Vorstellungen auf diesem Gebiet bekannt, sodass ich nicht in der Lage bin, Stellung dazu zu nehmen.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Ich habe zwei kurze Zusatzfragen. Erstens: Was können Sie sich vorstellen, um die Zusammenarbeit mit Nordafrika zu verbessern und zu intensivieren? Da fehlt im Moment einiges. Zweitens: Könnten Sie sich die Mittelmeergemeinschaft als eine Alternative zu einer EU-Vollmitgliedschaft der Türkei vorstellen?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) In unserem Dokument mit den Prioritäten der portugiesischen Präsidentschaft werden Sie auch die Stärkung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Mittelmeerraum wie auch unsere Absicht gefunden haben, im Rahmen der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft eine Reihe von Ministertreffen auf hoher Ebene über verschiedene Themen zu veranstalten. Es handelt sich also um einen Bereich, einen wichtigen Bereich, dem die portugiesische Präsidentschaft, wie auch der portugiesische Ministerpräsident heute in der Aussprache über die Prioritäten der portugiesischen Präsidentschaft eindeutig erklärt hat, ihre volle Aufmerksamkeit widmen wird.
Zur Zusammenarbeit oder Union Europa-Mittelmeer, das heißt zu dem Vorschlag des französischen Präsidenten, wiederhole ich, was ich bereits gesagt habe: Es ist für uns notwendig und uns ist daran gelegen, eine bessere Kenntnis der konkreten Vorschläge zu erlangen, die an uns herangetragen werden, damit wir anschließend das Bild der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Mittelmeerraum in seiner Gesamtheit vollständig und umfassend einer Betrachtung unterziehen können.
Der Präsident. Anfrage Nr. 6 wird nicht behandelt, da sie sich auf einen Gegenstand bezieht, der bereits auf der Tagesordnung dieser Tagung steht.
Da sie dasselbe Thema betreffen, werden die folgenden Anfragen gemeinsam behandelt:
Anfrage Nr. 7 von Mairead McGuinness (H-0464/07)
Betrifft: EU-Einfuhren von brasilianischem Rindfleisch
Die Hinweise verdichten sich, dass die Standards und Kontrollen im brasilianischen Rindfleischsektor äußerst mangelhaft, weit verbreitetem Missbrauch ausgesetzt und in keiner Weise so streng sind wie die entsprechenden für europäische Landwirte geltenden Vorschriften – aber dennoch lässt die EU weiterhin Einfuhren von brasilianischem Rindfleisch zu.
Gedenkt der Rat vor diesem Hintergrund zu handeln, um die europäischen Rindfleischerzeuger und -verbraucher zu schützen und zu gewährleisten, dass Erzeuger und Verbraucher sicher sein können, dass das gesamte Rindfleisch auf dem europäischen Markt den gleichen hohen Standards entspricht?
Anfrage Nr. 8 von Liam Aylward (H-0468/07)
Betrifft: Gesonderte Übereinkunft zwischen der EU und Brasilien über den Rindfleischsektor
Kann der Rat mitteilen, ob er beabsichtigt, eine individuelle Übereinkunft zwischen der EU und Brasilien hinsichtlich der brasilianischen Rindfleischeinfuhren in die EU herbeizuführen, falls bei den WTO-Verhandlungen in den kommenden Monaten keine Fortschritte erzielt werden. Muss der Rat, um eine solche Übereinkunft zwischen der EU und Brasilien voranzubringen, Kommissionsmitglied Mandelson das Mandat erteilen, eine solche Vereinbarung zu treffen, oder ist Kommissionsmitglied Mandelson bereits im Rahmen seines Verhandlungsmandats befugt, eine solche Übereinkunft zu treffen?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Ich möchte die verehrten Abgeordneten bitten, die Antwort der deutschen Präsidentschaft auf die mündliche Anfrage H-0394/07 vom 20. Juni 2007, die also noch nicht lange zurückliegt, nachzuschlagen.
Der Rat möchte zunächst allgemein unterstreichen, dass es hinsichtlich der neuen Legislativvorschläge selbstverständlich an der Kommission ist, von ihrem Initiativrecht Gebrauch zu machen. Was die spezielle Frage der Rindfleischimporte betrifft, müssen wir berücksichtigen, dass die Kommission für die Anwendung der Schutzklausel zuständig ist. Daher hat der Rat keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen der Kommission auf diesem Gebiet.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Die Antwort war kurz, aber die Frage ist sehr ernst und wird sich nicht einfach in Luft auflösen. Worum es hier geht, ist der zwischen Brasilien und Europa bestehende Unterschied in den Standards; was wir von unseren Herstellern verlangen und was unsere Verbraucher erwarten und was mit dem aus Brasilien in die EU eingeführten Rindfleisch geschieht.
Ich stelle fest, dass Sie, Herr Ratspräsident, in Ihren Prioritäten ein besonderes Verhältnis zu Brasilien erwähnen und einen spezifischen politischen Dialog mit diesem Land anbahnen möchten. Ich betone, dass wir uns mit einem entsprechenden Einfuhrverbot befassen und bin der Meinung, dass dies im Hinblick auf die Sicherheit und den Schutz der Verbraucher das Mindeste ist, was wir in Betracht ziehen sollten.
Was das Handelsabkommen angeht, bitte ich Sie, auf diese konkrete Frage einzugehen und zu sagen, wie wahrscheinlich es ist.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) In aller Kürze möchte ich Ihnen, Herr Präsident, für Ihre freundlichen Worte danken, mit denen Sie der portugiesischen Präsidentschaft Erfolg gewünscht haben, und dem Hause mitteilen, dass auf Initiative dieser Präsidentschaft kürzlich in Lissabon der erste EU-Brasilien-Gipfel stattgefunden hat. Nach meiner Auffassung wird dieses Gipfeltreffen die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Brasilien ein für allemal und entschieden prägen, die wir natürlich auf ein neues Niveau heben möchten. Es ist vorgesehen, dass dieser strategische Dialog, den wir mit Brasilien herstellen werden, alle Fragen umfasst, die Fragen der Wirtschaft, des Handels, der Energie und des Klimawandels. Ich bin der Meinung, dass diese und andere Fragen in diesem Bereich weiterhin ihren Platz haben werden. Dies möchte ich der Frau Abgeordneten sagen.
Der Präsident. Die Anfragen Nr. 9 und 10 werden nicht behandelt, da sie sich auf einen Gegenstand beziehen, der bereits auf der Tagesordnung dieser Tagung steht.
Die Anfragen Nr. 11 bis 13 wurden zurückgezogen.
Da die Fragesteller nicht anwesend sind, sind die Anfragen Nr. 14 bis 18 hinfällig.
Anfrage Nr. 19 von Luisa Morgantini (H-0496/07)
Betrifft: Absetzung eines kurdischen Bürgermeisters wegen mehrsprachiger kommunaler Dienstleistungen
Der türkische Staatsrat hat am 14. Juni beschlossen, den kurdischen Bürgermeister Abdullah Demirbas zu entlassen und den Gemeinderat des Distrikts Sur in der Stadt Diyarbakir aufzulösen, weil Verwaltungsdienstleistungen in türkischer, kurdischer, englischer und syrischer Sprache angeboten wurden. Nach einer Erhebung von 2006 liegt der Anteil der kurdischsprachigen Bürgerinnen und Bürger in diesem Verwaltungsbezirk bei 72 %.
Jeder Mensch hat das Recht, seine Muttersprache zu benutzen. Mit diesem Akt verletzt die Türkei die Rechte von Minderheiten auf dem Gebiet der Kultur, der Sprache und der Meinungsfreiheit. Dies stellt einen Verstoß gegen fundamentale Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Europäische Union dar.
Beabsichtigt der Rat, Maßnahmen zu ergreifen, um auf diese schwerwiegende Verletzung von Rechten zu reagieren? Wird er dieses Thema im Dialog mit den türkischen Behörden ansprechen, damit Bürgermeister und Gemeinderat wieder eingesetzt werden, um das friedliche Zusammenleben aller in der Türkei lebenden Menschen zu garantieren?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Dank der Leistungsfähigkeit aller meiner Mitarbeiter wurde die Anfrage 19, auf die Sie sich bezogen haben, leicht und rasch gefunden, und ich freue mich, Ihnen die Antwort darauf geben zu können.
Nach unserer Auffassung verfolgt die Türkei auf dem Gebiet der Minderheitenrechte weiterhin einen restriktiven Kurs. Bei den kulturellen Rechten wurden bekanntlich Gesetzesänderungen dahingehend vorgenommen, dass Unterricht und Rundfunk in anderen Sprachen als dem Türkischen erlaubt sind. Im staatlichen Bildungswesen bestehen jedoch Beschränkungen beim Erlernen dieser Sprachen fort. Darüber hinaus gelten nach wie vor allgemeine Beschränkungen für den Gebrauch anderer Sprachen als des Türkischen sowohl in der Politik als auch beim Zugang zum öffentlichen Dienst.
Es versteht sich, dass die Türkei auf diesem Gebiet neue und nachhaltige Bemühungen unternehmen muss. Die Türkei muss die kulturelle Vielfalt gewährleisten und die Achtung und den Schutz der Minderheiten gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Grundsätzen des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten im Einklang mit der bewährten Praxis der Mitgliedstaaten fördern.
Es kann und darf keinen Zweifel geben, dass die Europäische Union dieser Frage als integrierendem Bestandteil des im Gange befindlichen Reformprozesses in der Türkei große Bedeutung beimisst und die Fortschritte auf diesem Gebiet weiterhin verfolgen und sorgfältig bewerten wird.
Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort ist im Prinzip ganz richtig, obwohl ich auch gefragt hatte, ob Sie beabsichtigen, das Problem konkret anzugehen.
Ich hatte den spezifischen Fall eines kurdischen Bürgermeisters angeführt, der entlassen wurde, weil er kommunale Dienstleistungen in seiner Sprache erbracht hatte, in einem Ort, wo 72 % der Bevölkerung Kurden sind. Deshalb wollte ich fragen, ob der Rat Maßnahmen zu ergreifen gedenkt, um dieses Thema im Dialog zu behandeln und z. B. zu verlangen, dass der Bürgermeister wieder eingesetzt wird, denn inzwischen ist es sogar verboten, die Ortsschilder in Kurdisch zu verfassen, und das Amt des Gouverneurs von Diarbakir stellte sich z. B. gestern gegen den Gemeinderat und entließ ihn praktisch, weil er Straßennamen sowohl in kurdischer als auch in türkischer Sprache ausweisen wollte.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Ich möchte der Frau Abgeordneten in aller Kürze sagen, dass alle Fragen im Zusammenhang mit dem Dialog über Fragen wie die Menschenrechte und die Achtung von Minderheiten einer sehr genauen und sorgfältigen Überwachung durch die EU unterliegen. Dies gilt für diesen und für andere Fälle. Seien Sie versichert, dass wir das tun.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Ich hatte mich mit einer Zusatzfrage gemeldet. Die Türkei kündigt immer Gesetzesänderungen an, verabschiedet die Gesetze aber nicht, und die Realität wird außerdem schlechter. Deshalb frage ich ganz konkret: Glauben Sie, dass dieses Sprachgesetz, von dem Sie reden, und auch das Religionsgesetz, das wir angemahnt haben, noch in diesem Jahr verabschiedet werden? Was tut der Rat, wenn sie nicht in diesem Jahr verabschiedet werden?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Abgeordneter, in dieser Angelegenheit kann ich nur meinem Wunsch und meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass es tatsächlich so kommt. Faktisch liegt es in der Zuständigkeit der nationalen Behörden der Türkei, die Gesetze zu beschließen, die sie verabschieden wollen. Der Rat verfügt, wie Sie sich denken können, über keine Mittel, um die Türkei zur Verabschiedung von Gesetzen zu zwingen. Selbstverständlich kann er den Willen und den Wunsch danach äußern und seine Zufriedenheit bekunden. Das haben wir im Übrigen auch, wie Sie wissen, im Rahmen des Verhandlungsprozesses über den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union getan. Zweifellos haben diese Fragen auch Aus- und Rückwirkungen auf diesen Verhandlungsprozess.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 20 von Leopold Jósef Rutowicz (H-0497/07)
Betrifft: Sicherheit der Energieversorgung für die Europäische Union in den nächsten 20 Jahren
Der Bezug traditioneller Energierohstoffe stößt auf immer größere Schwierigkeiten. Energierohstoffe werden zunehmend instrumentalisiert, um politischen Druck auszuüben.
Welchen Grad an Energieversorgungssicherheit beabsichtigt der Rat, für die Europäische Union zu erreichen? Gibt es ein operatives Maßnahmenprogramm für die nächsten 20 Jahre, das die Sicherheit der Energieversorgung gewährleistet?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Ich möchte sagen, dass die Versorgungssicherheit zu den drei Zielen der Energiepolitik der Gemeinschaft gehört; der Zweck dieser Politik ist der höchste Grad an Energiesicherheit. Wie bei anderen Gemeinschaftspolitiken müssen aber auch in der Energiepolitik andere Faktoren berücksichtigt werden, wie die Kosten, Binnenmarktvorschriften und vor allem die großen Ziele der Europäischen Union auf dem Gebiet des Klimawandels. Die Energiesicherheit ist im Übrigen kein objektives und quantifizierbares Ziel, das sich beziffern lässt. Sie muss als dynamischer Prozess gesehen werden, der vom Zusammenwirken der Europäischen Union mit den Drittstaaten sowie von den Vorlieben der Bürger der Europäischen Union in Bezug auf den Energiemix und die technische Entwicklung abhängt.
Die Antwort nun auf die erste Frage lautet, dass der Rat kein Ziel für die Energiesicherheit festgelegt hat, wie es von dem Herrn Abgeordneten erwähnt wurde, noch ist dem Rat bekannt, dass die Kommission einen derartigen Legislativvorschlag ausarbeitet. Der Ratsvorsitz möchte auch betonen, dass eines der Hauptziele der Entwicklung und Umsetzung der inneren und äußeren Energiepolitik der Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten darin besteht, die Versorgungssicherheit der Europäischen Union zu gewährleisten und zu verbessern. Dies wurde bekanntlich in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates am 8. und 9. März 2007, die in dieser Hinsicht als nahezu historisch gelten können, erneut bekräftigt.
Die Hauptelemente der Energiepolitik der Gemeinschaft, die unmittelbar oder mittelbar zu einer erhöhten Versorgungssicherheit beitragen und die in den nächsten 20 Jahren weiterhin die Hauptantriebskräfte für eine verbesserte Versorgungssicherheit der Europäischen Union bilden werden, wie der Herr Abgeordnete erwähnt hat, sind erstens die Diversifizierung bei den Energiequellen wie den Energielieferanten; zweitens die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien; drittens eine höhere Energieeffizienz und viertens die Stärkung der Energienetze der Gemeinschaft.
Zusätzlich zu diesen großen Zielen und politischen Leitlinien werden in dem im März angenommenen Aktionsplan des Europäischen Rates eine Reihe anderer Maßnahmen aufgeführt, etwa die Untersuchung von Gaslagereinrichtungen, die Entwicklung wirksamer Krisenreaktionsmechanismen und die Schaffung einer Energiebeobachtungsstelle, die zu einer höheren Versorgungssicherheit für die Europäische Union insgesamt und für jeden einzelnen Mitgliedstaat führen.
Leopold Józef Rutowicz (UEN). – (PL) Ich danke Ihnen vor allem für die überaus ausführliche Antwort, möchte aber gleichzeitig fragen, ob es ein Investitionsprogramm gibt, da Investitionen im Energiebereich eine langfristige Angelegenheit und sehr kostenintensiv sind. Ist ein solches Programm geplant?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Was wir vorbereiten, ist genau das, was ich erklärt habe, und ist die Folge des Europäischen Rates vom März.
Selbstverständlich ist es jetzt Sache des Rates, auf der Grundlage der Vorschläge der Europäischen Union konkret, tatsächlich das in die Praxis umzusetzen, was vor allem strategische Beschlüsse, politische Beschlüsse, Leitlinienentscheidungen waren. Der Herr Abgeordnete sollte nicht daran zweifeln, dass die Dringlichkeit und Bedeutung der Energiefragen bedeuten, dass diese Präsidentschaft und andere künftige Präsidentschaften ihnen absoluten Vorrang auf der innen- wie der außenpolitischen Agenda der Union einräumen werden. Selbstverständlich müssen die europäischen Institutionen an diese Frage zumindest in den nächsten Jahren in umfassender, gründlicher Weise herangehen, und in diesem Punkt kann es, ich wiederhole es, nicht den geringsten Zweifel geben.
Der Präsident. Da die Fragesteller nicht anwesend sind, sind die Anfragen Nr. 21 bis 24 hinfällig.
Anfrage Nr. 25 von Marian Harkin (H-0515/07)
Betrifft: Von Großbritannien ausgehandeltes Protokoll zur Charta der Grundrechte
Kann der Rat im Lichte des vor kurzem von Premierminister Tony Blair ausgehandelten Protokolls zur Charta der Grundrechte sowie der beiden Delegationen, die sich das Recht vorbehalten haben, dem britischen Protokoll beizutreten, mitteilen, ob sich seiner Ansicht nach die Rechte der Bürger in diesen drei Mitgliedstaaten in irgendeiner Weise von den Rechten der Bürger in den anderen Mitgliedstaaten unterscheiden, und wenn ja, die Unterschiede erläutern?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident! Ich möchte sagen, dass es weder dem Rat noch dem amtierenden Ratspräsidenten zusteht, sich zu dem im Ergebnis der Verhandlungen des Europäischen Rates im Juni zustande gekommenen Mandat für die Regierungskonferenz zu äußern; dies gilt insbesondere für die Frage der Charta.
In dieser Angelegenheit kann ich jedoch auf das von allen Mitgliedstaaten beschlossene Mandat für die Regierungskonferenz verweisen. Anhang 1 zu Mandat Nr. 5, Fußnote 19, ist im Protokoll aufgeführt; mit anderen Worten, die Auswirkungen des Protokolls sind im Protokoll selbst festgelegt.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Zunächst möchte ich dem portugiesischen Ratsvorsitz für seine kurze Antwort danken und ihm alles Gute wünschen. Ich freue mich auf eine gute Arbeitsbeziehung.
Wenn Sie sagen, dass der Rat diese Frage nicht beantworten kann, gehe ich davon aus, dass – was das Vereinigte Königreich und Polen, aber auch Irland angeht –, das Vereinigte Königreich mit gutem Grund nach einer Ausnahmeregelung gesucht hat und dass Polen und Irland sich das Recht vorbehalten haben, dasselbe zu tun.
Entweder hat die Charta der Grundrechte eine gewisse Substanz und Bedeutung oder eben nicht. Sie ist entweder reine Augenwischerei oder wirklich ernst zu nehmen. Als irischer EP-Abgeordneter mache ich mir wirklich große Sorgen, dass die Rechte der Bürger in meinem Land weniger wert sind als die der Bürger anderer EU-Staaten, wenn mein Land diese Charta nicht unterzeichnet.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Ich möchte hinzufügen, dass die portugiesische Präsidentschaft ein von allen 27 Mitgliedstaaten beschlossenes Mandat des Europäischen Rates erhalten hat. Es ist Sache der portugiesischen Präsidentschaft, dieses Mandat in ihrer Amtszeit in den neuen Reformvertrag umzuwandeln, was wir rasch zu tun hoffen, weil die Europäische Union diesen neuen Reformvertrag braucht.
Der Präsident. Die Fragestunde ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 21.40 Uhr unterbrochen und um 22.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: DIANA WALLIS Vizepräsidentin
21. Demokratische Aufsicht im Rahmen des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit (Aussprache)
Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur demokratischen Aufsicht im Rahmen des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, heute hier zu sein. Ich möchte dem Parlament und vor allem den Mitgliedern des Entwicklungsausschusses für den konstruktiven Dialog danken, den wir im Rahmen der demokratischen Prüfung der Entwürfe der Strategiepapiere führen konnten.
Mehrmals, vor allem in meinem gemeinsam mit meinem Kollegen Louis Michel an den Vorsitzenden des Entwicklungsausschusses gerichteten Schreiben vom 26. März habe ich unsere Verpflichtung wiederholt, die Anmerkungen des Ausschusses zu den Strategiepapieren bei der Ausarbeitung der jährlichen Aktionsprogramme und der Umsetzung unserer Projekte und Programme genau zu prüfen. Wir befinden uns jetzt in der Vorbereitungsphase dieser Programme. Einige davon wurden bereits an Sie weitergeleitet, und die restlichen werden Sie gemäß Artikel 8 des Komitologiebeschlusses im Herbst erhalten. Zusammen mit diesen jährlichen Aktionsprogrammen werden Ihnen auch synoptische Tabellen zugesandt, in denen genau erklärt wird, inwiefern Ihre Anmerkungen berücksichtigt wurden oder warum dies nicht möglich war.
In einem separaten Schreiben an Herrn Borrell habe ich in dieser Woche erläutert, wie wir Ihre Anmerkungen berücksichtigt haben und wie diese in die jährlichen Aktionsprogramme eingearbeitet wurden, die Ihnen bereits zugegangen sind. Daher bin ich ein wenig enttäuscht, jetzt von einem Entschließungsantrag zu hören, in dem die Planung der Kommission in Frage gestellt wird. Ich hoffe, dass dies nicht unseren Geist des offenen Dialogs und der Zusammenarbeit in Frage stellt, den wir auch weiterzuverfolgen bereit sind.
Lassen Sie mich nun einige Punkte anführen, die vom Parlament bei mehreren Gelegenheiten angesprochen wurden, vor allem in Ihrem Entschließungsantrag. Wir fühlen uns natürlich dem übergeordneten Ziel der Armutsminderung und der Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele im Rahmen des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit – DCI – verpflichtet. Ich möchte ganz unmissverständlich darauf hinweisen, dass alle im Rahmen unserer Länderstrategiepapiere geplanten Tätigkeiten Entwicklungsmaßnahmen sind und in die im DCI festgelegten prioritären Sektoren fallen. Wie ich an dieser Stelle hervorheben möchte, steht in der Verordnung aber auch, dass wir in Abhängigkeit von den jeweiligen Entwicklungskontakten und dem Bedarf der einzelnen Länder verschiedene Ansätze verfolgen müssen, da zum Beispiel der Entwicklungsbedarf Bangladeschs anders ist als der Brasiliens. Wir stimmen mit dem Parlament überein, dass Gesundheit und Bildung eine wesentliche Rolle spielen, wenn es um die Beseitigung der Armut und das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele geht.
Jetzt möchte ich aber gerne die Verpflichtung der Kommission bekräftigen, bis 2009 den vereinbarten Richtwert von 20 % für die sozialen Sektoren zu erzielen, und zwar durch Projektprogramme oder an diese Sektoren gebundene Budgethilfe, wobei sämtliche geografischen Gebiete erfasst werden. Die ersten Mehrjahresrichtprogramme für den Zeitraum 2007-2010 weisen bereits einen eindeutigen Beitrag zum allgemeinen Richtwert für die medizinische Grundversorgung und die Bildung auf. Das wurde in den noch nicht genehmigten jährlichen Aktionsprogrammen für 2007 bestätigt. Sobald Projekte und Programme sich in der Durchführungsphase befinden, werden wir dem Parlament genaue Statistiken vorlegen.
Was den Anspruch auf öffentliche Entwicklungshilfe anbelangt, so möchte ich Ihnen versichern, dass wir bei der Ausarbeitung der jährlichen Aktionsprogramme dafür gesorgt haben und dies auch in Zukunft tun werden, dass die DCI-Bestimmungen in Bezug auf die Kriterien der OECD/DAC für die geografischen Programme eingehalten werden und zugleich die in der Verordnung für die thematischen Programme vorgesehene Flexibilität zum Tragen kommt. Natürlich wird im Rahmen der Halbzeitüberprüfung, mit der im Jahr 2009 begonnen wird, eine offizielle Beurteilung dieser Einhaltung erfolgen. Die Kommission wird Vorschläge zur Änderung der Verordnungen unterbreiten, wenn sie dies für angemessen halten sollte.
Was die Anhörungen der Beteiligten angeht, so war uns allen klar, dass bei den Anhörungen selbst noch weitere Verbesserungen erforderlich sind, so auch bei der Einbeziehung der lokalen und regionalen Behörden. Prinzipiell sollte unsere Entwicklungshilfe von den Partnerländern gesteuert werden und die nationalen Entwicklungspläne ergänzen. Daher tun wir alles, um die nationalen Behörden jedes Landes dazu anzuhalten, ihre Parlamente, die regionalen und lokalen Behörden und die Zivilgesellschaft als Ausdruck guter Regierungsführung zu ihren eigenen Entwicklungsplänen zu befragen.
In unseren jährlichen Aktionsprogrammen wird genauer erklärt, was wir in puncto Anhörungen unternommen haben. Ein gutes Beispiel dafür ist das jüngste jährliche Aktionsprogramm für Kambodscha. In Bezug auf die übrigen Gebermaßnahmen hat die Kommission alle verfügbaren Informationen weitergegeben, als sie ihre Strategiepapiere und die Ergebnisse auf dem Wege zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele vorstellte. Wie Ihnen auch, liegt uns sehr daran, einen Gesamteindruck von den Aktivitäten aller Geldgeber zu bekommen, und wir setzen alles daran, mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, und zwar im Rahmen eines neuen Standard-Mix.
Was die Einbeziehung übergreifender Themen wie Förderung der Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, Demokratie, gute Regierungsführung und ökologische Nachhaltigkeit betrifft, so steht all dies selbstverständlich auf unserer Agenda, denn es zählt seit jeher zu unseren wichtigsten Zielen. Sie können versichert sein, dass wir dies in der Durchführungsphase in die Tat umsetzen werden.
Was Ihren Punkt zur Budgethilfe betrifft, so möchte ich betonen, dass die Kommission strenge Auswahlkriterien anwendet, die vor jeder entsprechenden Zuteilung von Budgethilfe erneut geprüft werden. In den Bereichen Politik und Strategie, makroökonomische Stabilität und öffentliche Finanzverwaltung habe ich versucht, bei den Ländern, die Budgethilfe erhalten sollten, den Hauptaspekten Ihrer Entschließung gerecht zu werden. Sie können versichert sein, dass Sie ausführliche Informationen zu Ihren Anmerkungen erhalten, wenn wir Ihnen im Rahmen Ihres „droit de regard“ im Zuge der Komitologie die jährlichen Aktionsprogramme zusenden. Die Kommission ist bereit, die jährlichen Aktionsprogramme in den einschlägigen Gremien des Parlaments zu erörtern.
Gay Mitchell, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich weiß die Kommentare und den Inhalt der Antwort der Frau Kommissarin sehr zu schätzen und muss sagen, dass ich von ihr auch nichts anderes erwartet hätte. Während des gesamten DCI-Prozesses war die Kommissarin uns oft, wenn wir nicht weiterkamen, eine große Hilfe und hat versucht, uns voranzubringen, ebenso wie auch ihr Kollege Louis Michel.
Mit Freude habe ich vernommen, was sie über die jährlichen Aktionsprogramme sagte, weil wir wirklich etwas unternehmen müssen, was das Schreiben der Kommissionsmitglieder Ferrero-Waldner und Michel an Frau Morgantini und mich als Berichterstatter über das DCI angeht, denn aus diesem Schreiben ging klar hervor, dass das Parlament selbst entscheidet, welche Strukturen es schaffen und welche Programme und Strategiepapiere es prüfen wird.
In Anbetracht dessen, dass das DCI erst im vergangenen Dezember gebilligt wurde und das Ganze für uns alle ziemlich neu ist, muss ich sagen, dass das Parlament sofort alles gut im Griff hatte. Wo dies nicht so war, sind mir einige sehr negative Berichte über die Haltungen einiger Kommissionsmitglieder zu den jährlichen Aktionsprogrammen zu Ohren gekommen. Aus meiner eigenen Erfahrung als Vorsitzender des Arbeitskreises C heraus, der einige lateinamerikanische Länder untersucht hat, muss ich sagen, dass die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert hat. Und meines Erachtens sollte die Frau Kommissarin zur Fortsetzung der guten Zusammenarbeit anregen, weil es insgesamt eine gute Atmosphäre und eine hervorragende Arbeitsbeziehung schafft. Dadurch können wir alle unsere besten Erfahrungen einbringen, wenn es um die Bewältigung der Fragen geht, die uns allen am Herzen liegen, seien es die Millenniums-Entwicklungsziele oder die Bedürfnisse der sehr armen Menschen in einem von Leid geplagten Teil der Welt.
Ich möchte betonen, wie wichtig der jetzige Zeitraum ist. Kommission und Parlament haben bereits viel getan, damit die EU ihre Entwicklungspolitik besser umsetzen kann. Bei den Verhandlungen über das Instrument für Entwicklungszusammenarbeit haben wir unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass wir uns nicht in das Detailmanagement einmischen wollen, das der Kommission und dem Rat vorbehalten ist – wir wollen aber eine Kontrollfunktion wahrnehmen. Darauf hat das Parlament Anspruch, und die Kommission sollte hier keine Einmischung des Parlaments befürchten. Wir, die Kommission und der Rat, sollten Partner sein und danach streben, effektiv zu sein und nicht, in einen Konkurrenzkampf zu treten, und versuchen, Dinge für uns zu behalten. Wie können wir zusammenarbeiten, um den Ländern, denen wir zu helfen versuchen, wirksam Unterstützung zukommen zu lassen?
Die ersten Schritte des neuen DCI-Rahmens werden bereits eingeleitet, und wir alle sind dafür verantwortlich, dass dies auf richtige Art und Weise geschieht. Das DCI hat formelle Strukturen und erkennt die wichtige Funktion an, die das Parlament mit seiner Rolle als Kontroll- und Beratungsinstanz spielen sollte. Es war eine harte Arbeit, die von der Kommission ausgearbeiteten Strategiepapiere genauestens durchzusehen und Standpunkte zu den verschiedenen Aspekten dieser Strategien zu formulieren. Ich erwarte von der Kommission eine genaue Prüfung unserer Positionen zu den Strategiepapieren.
Im Rahmen unserer Kontrollfunktion müssen wir darauf bestehen, dass sich die Politik stets auf das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele konzentriert, die auf die Minderung einiger der schlimmsten Formen der Armut weltweit abzielen. Das Parlament muss stets entsprechende zufriedenstellende Zusicherungen erhalten.
Mich hat es Anfang des Jahres sehr beeindruckt, als die deutsche Ratspräsidentschaft sagte, sie werde die AKP-Papiere genau so an das Parlament weiterleiten wie die Papiere für die Länder in Asien und Lateinamerika.
Jetzt weiß ich, dass ein Mitgliedstaat – auch wenn ich hier vielleicht etwas unfair bin – diesbezüglich einige Einwände hatte. Ich weiß, dass es eine Vielzahl solcher Papiere gibt, und ich finde es sehr gut, dass dies in irgendeiner Weise von der PPV oder den AKP-Mitgliedstaaten angesprochen werden soll. Aber im Gegensatz zum Europäische Parlament tagen die Paritätische Parlamentarische Versammlung und das afrikanische, karibische bzw. pazifische Haus dieser Versammlung nicht ständig, und es gibt auch keine Strukturen, um diese Untersuchungen zu bewältigen.
Wir haben drei ständige Ausschüsse und könnten vielleicht ganz selektiv einige Aspekte auswählen und diese prüfen. Aber das sollte keinesfalls bedeuten, dass das Parlament hier nicht die Dokumente, die es prüfen will, prüfen und so gut wie möglich untersuchen muss.
Unser Ziel sollte immer darin bestehen, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Wir sind keine Konkurrenten. Wir können zusammenarbeiten. Zwei Jahre lang haben wir während der Entstehungsphase des DCI versucht, die Kommission und andere davon zu überzeugen, dass es uns tatsächlich darum ging, ein wirklich gutes Instrument zu schaffen. Als man uns schließlich zuhörte, ist uns das auch gelungen.
Frau Kommissarin, schenken Sie schlechten Ratschlägen kein Gehör! Hören Sie nicht auf diejenigen, die uns Hindernisse in den Weg stellen! Wir sitzen im selben Boot. Wir möchten die Millenniums-Entwicklungsziele erreichen. Enthalten Sie dem Parlament keine Informationen vor, die ihm als Kontrollinstanz zu Recht zustehen. Sie werden feststellen, dass wir es an Großzügigkeit, Effektivität und Hilfsbereitschaft nicht mangeln lassen.
Vielen Dank für Ihren Beitrag zur heutigen Diskussion.
Die Präsidentin. Bevor ich Herrn van den Berg das Wort erteile, stelle ich mit gewissem Bedauern fest, dass dies offenbar seine letzte Rede in diesem Hohen Hause sein wird, da er sich von nun an anderen Dingen widmen wird. Jeder von uns wünscht Ihnen alles Gute, Herr van den Berg, auch wenn wir Ihren Weggang bedauern.
Margrietus van den Berg, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Ich stimme dem zu, was Herr Mitchell in Verbindung mit den AKP-Strategiepapieren ausgeführt hat. Am 1. Januar dieses Jahres trat das neue Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit, in dessen Mittelpunkt die Millenniums-Entwicklungsziele stehen sollten, in Kraft. Nun ist die Zeit gekommen, einmal zu prüfen, ob diese Gesetze und Grundsätze in die Praxis umgesetzt worden sind.
In den vergangen Monaten haben wir im Entwicklungsausschuss der Prüfung der Landesstrategiepapiere viel Zeit gewidmet. Die Mitarbeiter, Mitglieder des Europäischen Parlaments und Sekretariate haben allesamt hart in den Ausschüssen und im Parlament gearbeitet. Nach einer sorgfältigen Überprüfung der Strategiepapiere für die Länder und Regionen Südamerikas, Asiens und des südlichen Afrikas haben wir festgestellt, dass sechs spezielle Fälle von insgesamt einer riesigen Zahl von Papieren rechtlich nicht hinreichend untermauert waren, weshalb wir sie mittels Entschließungen zurückgesandt haben. In anderen Fällen haben wir mit Briefen reagiert und einige Fragen gestellt.
Frau Kommissarin, während der demokratischen Prüfung stießen wir außerdem auf einige grundlegende Probleme, Probleme, mit denen Sie zweifellos auch in der Kommission zu kämpfen haben. Das primäre Ziel des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit ist die Beseitigung der Armut und die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele. Das ist ein übergeordnetes Ziel, das nach unserem Dafürhalten in den Landesstrategiepapieren nicht hinreichend herausgestellt wurde, zum Teil deshalb, weil sie noch den Stempel der früheren Papiere im alten Stil tragen.
Ich möchte die Kommission an unsere feste Zusage von 20 % erinnern. Ich schätze das, was die Kommissarin gerade erklärt hat: sie garantiere, diese 20 % würden in 2009 erreicht. Wenn das so klipp und klar gesagt wird, dann vertrauen wir darauf. Gefördert werden kann dies durch die Verträge betreffend die Millenniums-Entwicklungsziele. Schließlich wird Finanzhilfe gewährt, und diese muss selbstverständlich den Anforderungen entsprechen, wie Sie ganz richtig gesagt haben. Stellen Sie sich jedoch vor, das geschieht und die entsprechenden Verträge betreffend die Millenniums-Entwicklungsziele können auslaufen. Das bedeutet zumindest, man weiß von der betreffenden Regierung, dass sie einige Dinge auf dem Gebiet der Grundbildung und der Gesundheitsversorgung unternimmt. Dann ist eine deutlichere Einbeziehung in die 20 % gerechtfertigt. Sonst bleibt das recht vage.
Auch ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass im nächsten Jahr 50 Millionen Euro aus dem thematischen Programm des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit „Investieren in Menschen“ in den Weltfonds fließen. Der Weltfonds ist wunderbar, das befürworten wir. Im vergangenen Jahren gaben wir 62 Millionen Euro. Das bedeutet allerdings in der Praxis, das nur sehr wenige Mittel für die anderen Ziele, die in diesem Gesetz aufgelistet sind, übrig bleiben. Geschieht dies zwei Jahre nacheinander, dann scheitert man. Darauf möchte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken. Dies erfordert Konsultationen mit den AKP-Partnern und dem Europäischen Entwicklungsfonds.
Es muss aber etwas geschehen, denn sonst ist das thematische Programm „Investieren in Menschen“ eine leere Hülse. Das Europäische Parlament wird notwendigenfalls ohne Zögern von seinem Haushaltsinstrument Gebrauch machen. Ralf Walter ist in dieser Beziehung emsig – Sie kennen ihn –, er ist in diesem Punkt kompromisslos. Allerdings, Frau Kommissarin, wollte ich heute Abend nicht den Max Mackie Messer aus der Dreigroschenoper geben, denn schließlich sind Sie in hellblau erschienen, und ich bin guter Stimmung, denn dies ist meine letzte Rede.
Gestatten Sie mir abschließend eine persönliche Bemerkung. Wie Sie sagten, bin ich zum 1. September zum Kommissar der Königin in Groningen ernannt. Ich möchte meinen Kollegen und Mitarbeitern sowie allen in den Kommissionssekretariaten recht herzlich für die enorme Unterstützung danken, die ich sowohl von Kommissar Michel als auch von Kommissarin Ferrero-Waldner erfahren habe. Am 28. August werde ich im Parlament Abschied nehmen, und ich hoffe, Sie alle an diesem Tag noch einmal zu sehen. Aber fürs Erste: ich wünsche Ihnen allen alles Gute.
Die Präsidentin. Vielen Dank für Ihren Beitrag zur Arbeit dieses Hohen Hauses.
Mikel Irujo Amezaga, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin! Für meinen Vorredner war es die letzte Rede und für mich ist es die erste im Plenum. Ich hoffe darauf, dass Sie mir gegenüber Wohlwollen zeigen.
Zu Beginn muss ich darauf verweisen, dass der Prozess zur Annahme der Verordnung zur Schaffung eines Instruments für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI), wie Sie wissen, quälend, kompliziert und manchmal von vielen Schwierigkeiten begleitet war. In der Tat wurde die erste Antwort des Parlaments, die auf die Ablehnung des Vorschlags an sich hinauslief, seinerzeit vom Entwicklungsausschuss einstimmig angenommen und von den drei Ausschüssen, die ihre Stellungnahmen dazu abgaben, ebenso einstimmig unterstützt. Dadurch wurden die Kommission und der Rat an den Verhandlungstisch geführt und schließlich beide Institutionen überzeugt, die Mitentscheidungsbefugnis des Parlaments zu respektieren. Das alles wissen wir schon.
Bekanntlich wurde der Vorschlag letztendlich angenommen, obwohl viele der Gründe, die vor mehr als einem Jahr Bedenken hervorriefen, nach wie vor nicht ausgeräumt sind.
Im Laufe des Jahres hat das Parlament drei Vorschläge unterbreitet, sie hat die Kommission ermahnt, ihre Befugnisse nicht zu überschreiten, und sie aufgefordert, den Zustand zu korrigieren, was diese im Übrigen nicht getan hat. Die Kommission sollte auch daran erinnert werden, was geschehen kann, wenn sie die Komitologie mit diesem Parlament übertreibt.
Das Parlament bewegt sich vorwärts, ohne sich die Dinge sorgfältig anzusehen, und ich denke, allein die Tatsache, dass diese Entschließung im Entwicklungsausschuss einstimmig angenommen wurde, ist doch sehr vielsagend.
Beispielsweise legt die DCI-Verordnung fest, dass „die Gemeinschaft einen Entwicklungsprozess fördert, der vom Partnerland selbst gesteuert wird und für den dieses die Verantwortung übernimmt“. Wir würden jedoch gern wissen, ob es Kontakte mit den Parlamenten dieser Partnerländer vor der Annahme von Strategiedokumenten gab und, falls ja, ob Einzelheiten über diese Treffen zur Verfügung stehen.
Die DCI-Verordnung fördert auch Ansätze zur Einbeziehung und Beteiligung sowie eine breite Einbindung aller Sektoren der Gesellschaft in den Entwicklungsprozess und den nationalen Dialog, doch wir haben keine Informationen darüber, ob diese Kontakte wirklich stattgefunden haben oder nicht.
Wir sind weiterhin der Ansicht, dass nur wenige oder keine Informationen zu der Frage vorliegen, inwieweit das DCI diese Strategiepapiere finanziert hat. Wir wollen wissen, ob für diese Strategiepapiere andere Finanzierungsquellen verwendet wurden und, falls ja, wie viele von ihnen aus diesen Quellen finanziert werden. Kurz gesagt, gibt es Programme in den Strategiepapieren, die kein Profil der Millennium-Entwicklungsziele haben, wie in der DCI-Verordnung festgelegt wird? Sollte dies der Fall sein, wie viel Geld wurde für diese Programme bereitgestellt?
Unsere Fraktion hat noch immer diese und viele andere Zweifel. Vielleicht werden sie vom Entwicklungsausschuss in diesen Mitteilungen geklärt, die Sie gerade angekündigt haben. Wir haben allerdings nicht vergessen, dass die DCI-Verordnung immerhin sieben Mal Transparenz als entscheidendes Element für die Umsetzung der Programme nennt. Unseres Erachtens müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen müssen und dass die Kommission dafür sorgen muss, dass dieses Parlament umfassend unterrichtet ist, um die Zweifel zu zerstreuen, die durch die Art und Weise entstanden sind, in der dieses Instrument in den letzten sechs Monaten gehandhabt wurde.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Frau Präsidentin! Letztes Jahr haben wir während des finnischen Vorsitzes einen wichtigen Kompromiss über das Instrument für Entwicklungszusammenarbeit (DCI) erzielt, das heißt, die Gemeinschaft kann ihren Verpflichtungen bei der Entwicklungshilfe künftig nachkommen und eine kontinuierliche Finanzierung der externen Beziehungen gewährleisten.
Die DCI-Verordnung berücksichtigt die Multidimensionalität von Armut. Damit bildet sie eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklungszusammenarbeit und für die Minderung von Armut. Wenn wir die Millennium-Entwicklungsziele erreichen wollen, brauchen wir passende Instrumente. Die vorliegende Verordnung ist der erste Schritt zur Stärkung der Definition der Politik der Entwicklungszusammenarbeit, die vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD ausgearbeitet worden ist. Das ist entscheidend dafür, dass Mittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen sind, auf keinen Fall benutzt werden, um andere politische Ziele zu erreichen.
Leider hat die Praxis mit dem Inhalt der Verordnung nicht Schritt gehalten. Die Kommission hat in ihren Entwürfen für Länderstrategiepapiere wiederholt ihre Exekutivvollmachten überschritten und die Ziele des DCI außer Acht gelassen. Das Parlament hat in seinen Entschließungen schon oft betont, dass das Hauptziel dieser Strategiepapiere nicht die Beseitigung der Armut war. Sie haben also die Anforderungen der offiziellen Entwicklungshilfe, wie sie der Entwicklungshilfeausschuss der OECD definiert hat, nicht erfüllt.
Die Kommission darf die wesentlichen Inhalte des DCI und die zentralen Konzepte der OECD-Politik der Entwicklungszusammenarbeit nicht weiter ignorieren. Nach der Verordnung kann die Förderung nur in Form von Budgethilfe erfolgen, sofern die Verwaltung der öffentlichen Finanzen eines Landes hinreichend transparent ist. Die Kriterien für die Gewährung von Entwicklungshilfe müssen strikt angewendet werden. Sehr wichtig ist auch die Unterstützung für die parlamentarische Kontrolle der Partnerländer. Schließlich ist die schwache Kontrolle in den Drittländern weitgehend dafür verantwortlich, dass die repräsentative Demokratie nicht gegen die Launen starker Regierungen ankommen kann.
Ziemlich enttäuscht bin ich auch darüber, dass die Kommission sich sehr unwillig gezeigt hat, bei ihrer eigenen Initiative mit uns zu kooperieren. Die Kommission sollte bedenken, dass das Europäische Parlament eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung des DCI spielt.
Ana Maria Gomes (PSE). – (PT) Zum ersten Mal hat das Parlament im Rahmen dieses neuen Instruments eine Überwachungsrolle hinsichtlich der nationalen Strategien gespielt. Nach meiner Meinung war der Dialog zwischen Parlament und Kommission sehr konstruktiv und sollte als Beispiel für eine weitere mögliche und wünschenswerte Zusammenarbeit dienen, wie im Falle der AKP-Länder. Allerdings gibt es in der Zusammenarbeit zwischen den beiden Organen noch Raum für Verbesserungen, vor allem bei der gemeinsamen Datennutzung.
Das Parlament hält es für sehr wichtig, eine Klarstellung darüber zu erhalten, wie die verschiedenen nationalen Strategien in ihrer Gesamtheit zu der finanziellen Verpflichtung beitragen können, 20 % der verfügbaren Mittel für die Gesundheitsgrundversorgung und die Bildung bereitzustellen. Was die in verschiedenen nationalen Strategiedokumenten aufgeführten Prioritäten betrifft, so bedauere ich es, dass im Allgemeinen keine größeren Investitionen in die Millenniumsentwicklungsziele zu verzeichnen sind. Das Ziel dieses Finanzinstruments ist die Bekämpfung der Armut, insbesondere durch die Erreichung dieser Ziele. Einige nationale Strategiedokumente enthalten Aktivitäten in Verbindung mit dem Handel, der höheren Bildung, der Zivilluftfahrt und selbst mit der Förderung der Europäischen Union in den Empfängerländern.
Das Parlament begreift die Bedeutung einiger dieser Maßnahmen insbesondere für die Behörden der betreffenden Länder. Allerdings bin ich der Ansicht, dass unsere und die Priorität der Kommission die Aktivitäten sein sollten, die unmittelbar auf die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele gerichtet sind, die eine weitaus unmittelbarere Wirkung im Kampf gegen die Armut haben. Sie dürfen nicht vergessen werden, wie es manchmal geschieht.
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Parlament nicht auf alle Anfragen, die während dieses Prozesses an die Kommission gerichtet wurden, eine Antwort erhalten hat. Ich bin sicher, dass wir sie erhalten werden, wie uns im Übrigen heute auch die Frau Kommissarin mitgeteilt hat, und dafür danke ich ihr.
(EN) Ich finde es sehr schade, dass Herr van den Berg uns verlässt, wie Sie, Frau Präsidentin, vorhin sagten. Niemand ist unersetzlich, aber es gibt Menschen, die leichter ersetzt werden können als andere. Das ist bei Max natürlich nicht der Fall! Besonders wir Sozialdemokraten werden ihn schmerzlich vermissen.
Josep Borrell Fontelles (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Sie wissen sehr gut, dass die Prüfung der Umsetzung des Instruments für die Entwicklungszusammenarbeit jetzt ein sehr wichtiger Teil der Arbeit des Ausschusses ist, den zu leiten ich die Ehre habe.
Wir messen diesem Prozess große Bedeutung bei, und ich hoffe, dass die Kommission die Kommentare dieses Parlaments umfassend berücksichtigt.
Gerade das Parlament muss dafür Sorge tragen, dass das Hauptziel des DCI, die Bekämpfung der Armut, erreicht wird und die für dieses Instrument vorgesehenen Mittel in vollem Umfang für diese Aktivität eingesetzt werden. Es muss ferner gewährleisten, dass 20 % für Erziehung und Gesundheit zur Verfügung gestellt werden, und uns ist noch nicht klar, wie dieses Ziel der 20 % in 2009 zu erreichen ist.
Frau Kommissarin, es ist sehr wichtig, dass alle beteiligten Akteure konsultiert werden und die Querschnittsthemen wie die Förderung der Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, verantwortungsvolle Staatsführung, Rechte von Kindern und indigenen Völkern, ökologische Nachhaltigkeit und Bekämpfung von Krankheiten wie AIDS in allen Programmen und für alle Länder ebenfalls angemessen berücksichtigt werden.
Genau das wollen wir mit unserer demokratischen Analyse Ihrer Vorschläge erreichen, und wir hoffen, dass sich unser Beitrag und die Arbeit, die wir investiert haben und die vom Geist der Zusammenarbeit getragen wurde, in den jährlichen Aktionsplänen widerspiegeln.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Wir haben sehr oft zusammengearbeitet, und zumindest in meinen Augen war dies ein konstruktiver Dialog im Zeichen demokratischer Kontrolle. Er umfasste zahlreiche parlamentarische Aussprachen und viele Meinungsaustausche zwischen den Abgeordneten dieses Hohen Hauses und mir sowie meinem Kollegen Louis Michel und vielen Kommissionsbeamten. Wir haben auch einen regen Schriftverkehr geführt – zuletzt, wie ich vorhin erwähnte, mit Herrn Borrell Fontelles. Wie bereits gesagt, wurde über drei parlamentarische Entschließungen abgestimmt, und eine vierte wird zurzeit noch diskutiert.
Jetzt beginnen wir eine neue Phase: die Durchführung der Projekte und Programme, bei der jedes Organ eine spezielle Rolle spielen wird. Ich stimme Herrn Mitchell zu, dass das Parlament für die Kontrolle zuständig ist. Dem können wir absolut beipflichten, nicht jedoch dem Detailmanagement, und wir werden dem Parlament – seien Sie versichert – ein Höchstmaß an Informationen zukommen lassen.
Herrn van den Berg möchte ich sagen, dass wir natürlich zuallererst Ihre großartige Arbeit würdigen wollen, die sie in entwicklungspolitischen Fragen geleistet haben, aber auch und vor allem als leitender Beobachter bei schwierigen Missionen. Ihren ausgewogenen Ansatz bei diesen Gelegenheiten weiß ich sehr zu schätzen.
Was die spezielle Frage betrifft, um die es hier heute geht – die Konsultationen zu dem thematischen Programm „In die Menschen investieren“ –, so werde ich Louis Michel über die bereits angesprochene Forderung nach Konsultationen zwischen bzw. mit den AKP-Partnern in Kenntnis setzen.
Was die verbliebenen Fragen anbelangt, so kann ich nur sagen, dass wir wirklich versucht haben, alles zu berücksichtigen. Aber bitte gestehen Sie uns auch zu, dass wir eine verantwortungsbewusste Organisation sind und es mit verantwortungsbewussten Akteuren zu tun haben. Wenn wir als Partner kooperieren können, werden Sie in uns einen sehr verantwortungsvollen Partner finden.
Die Präsidentin. Zum Abschluss der Aussprache wurde ein Entschließungsantrag(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag dem 12. Juli 2007 statt.
Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zu Naturkatastrophen.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! In diesem Jahr hat die Kommission das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz zweimal angewandt, und zwar auf den Antrag Griechenlands und Zyperns hin, um Brände, vor allem Waldbrände, zu bekämpfen. Durch dieses Verfahren können die Mitgliedstaaten und andere teilnehmende Staaten in Europa ihre Solidarität zum Ausdruck bringen, indem sie im Falle von Katastrophen Unterstützung anbieten, wobei die Kommission die zur Verfügung gestellte Hilfe koordiniert und ermöglicht.
Durch die Entwicklungen der jüngsten Zeit wurde der Weiterentwicklung der Rolle der Kommission im Bereich Katastrophenschutz in positiver Weise neuer Schwung verliehen. Die im Juni vom Rat erzielte politische Einigung über die Neufassung des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz stärkt das rechtliche Mandat der Kommission, sich für die Koordinierung der operativen Tätigkeiten einzusetzen. Durch diese Neufassung kann die Kommission die Orientierungsfunktion des Verfahrens stärken. Durch das im März 2007 angenommene Finanzierungsinstrument für den Katastrophenschutz erhält die Kommission eine zentralere Rolle, vor allem im Hinblick darauf, den Mitgliedstaaten Zugang zu Transportdienstleistungen zu verschaffen und den Transport der entsprechenden Hilfe zu finanzieren.
Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten oder Kandidatenländer Hilfe aus dem EU-Solidaritätsfonds beantragen. Bisher sind bei der Kommission in diesem Jahr drei Anträge auf finanzielle Unterstützung eingegangen. Diese betreffen die Überschwemmungen auf der Kanarischen Insel El Hierro, den Orkan Kyrill in Deutschland und den tropischen Zyklon Gamède im französischen Überseedepartment La Réunion.
In Griechenland führten extreme Hitze und Trockenheit in Verbindung mit starken Winden zu einem katastrophalen Anstieg von Waldbränden und wilden Bränden. Bis zum 28. Juni gab es dort mehr als 120 Brände. Griechenland nahm das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz in Anspruch und bat um zusätzliche Löschflugzeuge und -hubschrauber, die auch zur Bekämpfung von Waldbränden eingesetzt werden können. Fünf Mitgliedstaaten boten ihre Hilfe an. Insgesamt wurden sieben Canadair-Maschinen angeboten – von Frankreich, Italien, Portugal und Spanien – und dankend angenommen. Innerhalb von zwei Stunden wurden zwei Candair-Maschinen aus Italien mobilisiert. Glücklicherweise konnten die Waldbrände bis zum Montag, dem 2. Juli, unter Kontrolle gebracht werden, woraufhin die Maschinen in ihre Herkunftsländer zurückkehrten. Am Samstag, dem 30. Juni, bat Zypern um Hilfe bei der Bekämpfung der katastrophalen Waldbrände im Troodos-Gebirge. Italien schlug die Entsendung zweier Candair-Maschinen vor. Zum Glück besserte sich die Lage vor Ort schnell und die Hilfe war nicht mehr vonnöten, so dass die bereits auf dem Weg befindlichen Maschinen zu ihrer Basis zurückkehren konnten.
Bisher hat keines der beiden Länder bezüglich der Beantragung von Mitteln aus dem Solidaritätsfonds Kontakt zur Kommission aufgenommen. In diesen beiden Fällen, und wann auch immer Mitgliedstaaten katastrophale Ereignisse bewältigen müssen, sind die Kommissionsdienststellen bereit, das Katastrophenschutzverfahren unverzüglich anzuwenden, Unterstützung zu leisten und mit Rat zur Seite zu stehen, sollten die betroffenen Länder die Beantragung derartiger Mittel in Erwägung ziehen.
Konstantinos Hatzidakis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Vor einigen Tagen haben gewaltige Brände mein Heimatland Griechenland heimgesucht, und letztes Jahr um diese Zeit sprachen wir über ähnliche, sogar noch größere Brände in Spanien und Portugal.
Zweifellos kann die Europäische Union bei der Verhinderung derartiger Naturkatastrophen und beim Aufgreifen dieser Probleme einen Beitrag leisten und einen zusätzlichen Nutzen erbringen.
Was die Verhinderung anbelangt, ist die Europäische Union hier zur Mitwirkung berechtigt und meiner Ansicht nach auch verpflichtet, da viele dieser Naturkatastrophen – seien es Brände oder Überschwemmungen – nicht an Landesgrenzen Halt machen.
Für das sofortige Eingreifen kann das von der Kommissarin erwähnte Beispiel als typisch gelten: die Bereitstellung von Hilfe durch andere Mitgliedstaaten, und deshalb ist meiner Ansicht nach ein organisierteres Eingreifen der Europäischen Union erforderlich, mit europäischen Zivilschutzkräften.
Schließlich gibt es auch noch die Frage der Entschädigung. Zypern mag noch nicht um Unterstützung gebeten haben, aber wie Sie wissen, müssen Daten zusammengetragen werden, und wenn der für die Regulierung durch den Solidaritätsfonds erforderliche Schwellenwert erreicht ist, kann ein entsprechendes Gesuch eingereicht werden.
Sie wissen aber auch, Frau Kommissarin, dass die Annahme der neuen Verordnung über den Solidaritätsfonds durch den Rat schon lange in der Schwebe ist – einer Verordnung, die uns inzwischen bekannte Entwicklungen und Probleme berücksichtigt.
Auch hier ist Trägheit aufseiten des Rates insgesamt festzustellen. Das Parlament hat das Problem wiederholt hervorgehoben, und wir hätten gern aktive Unterstützung von der Kommission, weil wir irgendwann von der Theorie zur Praxis kommen müssen.
Wir haben das Thema Naturkatastrophen bei vielen Gelegenheiten diskutiert und erwarten von der Europäischen Union mehr Eigeninitiative.
Linda McAvan, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich begrüße diese Aussprache und die Möglichkeit, Sie auf die Verwüstungen aufmerksam zu machen, die die Überschwemmungen Ende Juni in Nordengland, in der Region Yorkshire and the Humber, angerichtet haben.
Ich weiß, dass viele gesagt haben, sie hätten dies bereits im Fernsehen verfolgt. Aber ich möchte diesem Hohen Haus vor Augen führen, dass die Folgen nicht verschwunden sind. Heutigen Schätzungen zufolge sind in der gesamten Region 2 400 Unternehmen und mehrere zehntausend Häuser betroffen. Darüber hinaus erlitten die öffentliche Infrastruktur, Eisenbahnstrecken, Straßen, das Stromnetz, die Wasserversorgung, Telefonleitungen, Schulen und Felder enorme Schäden. In den Regionen, die am schwersten betroffen wurden, sind noch immer viele Familien obdachlos und zahlreiche Fabriken und örtliche Unternehmen sowie Bahnhöfe geschlossen.
Sie sprachen vom Solidaritätsfonds, und es wurden auch potenzielle Reformen desselben erwähnt. Ich hoffe, dass die britische Regierung den Gesamtschaden schätzen lassen wird, der in Nordengland, Yorkshire and the Humber, entstanden ist, und dass die Kommission jede etwaige Beantragung von Mitteln aus dem Solidaritätsfonds wohlwollend behandeln wird
Was die Mobilisierung von Strukturfondsmitteln angeht, habe ich mit Verantwortlichen im Ziel-1-Sekretariat gesprochen, denen zufolge es die Möglichkeit gibt, diese Mittel zu mobilisieren, um vor allem Unternehmen beim Umgang mit der Krise zu helfen.
Im Hinblick auf die Zukunft wurde viel darüber diskutiert, ob es sich hier nur um ein einmaliges ungewöhnliches Wetterereignis oder bereits um die Auswirkungen des Klimawandels handelte. Ich begrüße nachdrücklich das Grünbuch der Kommission über die Anpassung an den Klimawandel. Es stellt meines Erachtens ein sehr wichtiges Werk und etwas dar, bei dem wir alle dafür sorgen müssen, dass wir keine Fehler machen, damit wir nicht jedes Jahr wieder über Naturkatastrophen dieser Art diskutieren müssen.
Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Das Feuer vom 29. Juni 2007 in der Nähe der Dörfer Pelendri und Saita im Troodos-Gebirge, auf das Sie und Herr Hatzidakis Bezug nahmen, war eines der schlimmsten, das sich in den letzten dreißig Jahren auf Zypern ereignete.
Begünstigt wurde die Ausbreitung des Feuers durch widrige Umstände, vor allem die Hitzewelle, die starken Winde und die Unzugänglichkeit des Gebiets. Trotz sofortiger Mobilisierung der zuständigen Dienste und des Einsatzes aller verfügbaren Mittel, sowohl am Boden als auch in der Luft, entstand gewaltiger Schaden. Insgesamt fiel ein Gebiet von rund 12 Quadratkilometern den Flammen zum Opfer, der Schaden lässt sich auf 15 350 000 Pfund beziffern.
Zu den Schäden an der Umwelt zählen die Zerstörung von Biotopen, von Lebensräumen für Flora und Fauna am Boden und in Stauseen sowie der Landschaft und des Mikroklimas des Gebiets; diese lassen sich nicht in Zahlen ausdrücken, sind jedoch womöglich größer als alle anderen.
Betroffen ist eine verhältnismäßig abgelegene, gebirgige Gegend, deren Bewohner zum großen Teil von ländlichem Tourismus leben, der für lange Zeit unwiderruflich geschädigt sein wird, da die Schönheit der Natur, wegen der die in- und ausländischen Besucher kamen, zerstört ist.
Ich ersuche die Kommission deshalb, einem eventuellen Antrag der Republik Zypern auf sofortige und dringende Finanzierung aus dem Solidaritätsfonds zuzustimmen und die unverzügliche Schaffung europäischer Einsatzkräfte für Naturkatastrophen zu genehmigen.
Georgios Karatzaferis, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich bin sicher, Sie stimmen in die Trauer ein, die seit heute Nachmittag in Griechenland herrscht. Drei Feuerwehrleute sind ums Leben gekommen, ein weiterer wird mit Verbrennungen am ganzen Körper auf der Intensivstation des Krankenhauses Rethymnon behandelt.
Sie wollten einen Brand bekämpfen, der sich am frühen Nachmittag in einem Gebiet mit nicht besonders viel Vegetation, eher Buschwerk, ausgebreitet hatte. Die Männer starben, und das Fahrzeug, in dem sie unterwegs waren, wurde ebenfalls Opfer der Flammen. Das ist die tragische Bilanz dieses Sommers.
Es ist wichtig, dass drei Menschen verbrannt sind. Einerseits beweist es den Opfermut dieser jungen Männer; andererseits aber auch die mangelhafte Ausbildung.
Frau Kommissarin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie gehören zu den Menschen, denen wir vertrauen. Wir schützen in der Tat Wälder am anderen Ende der Welt. Der Amazonas geht uns alle an, obwohl er so weit entfernt ist; er geht uns deshalb etwas an, weil er Sauerstoff produziert. Viel mehr sollten uns jedoch die Wälder interessieren, die nur ein Zehntel so weit entfernt sind wie der Amazonas. Es muss etwas getan werden.
Wenn, wie Frau Hübner sagte, zwei Regierungen Griechenlands über sieben Jahre keinen einzigen Euro aus dem Kohäsionsfonds zum Schutz der Wälder erhalten haben, muss die Kommission die Initiative ergreifen. Hier ist mein Vorschlag: Die Europäische Union sollte eigene Löschflugzeuge anschaffen und in besonders gefährdeten Gebieten stationieren. Wir wollen nicht, dass ein Land sie vom anderen borgt, selbst wenn es in diesem anderen Land zum fraglichen Zeitpunkt keine Brände gibt. Es müssten 100 bis 150 europäische Löschflugzeuge zur Verfügung stehen und in den am stärksten gefährdeten Gebieten stationiert werden, um die Wälder zu schützen.
Leidtragend ist nicht nur Griechenland, ist nicht nur Portugal, sondern immer ganz Europa. Brände treten punktuell auf. Seit dem politischen Umschwung, also innerhalb der letzten 33 Jahre, sind die Waldflächen in Griechenland um 50 % zurückgegangen. Mag sein, Frau Ferrero, dass es in Österreich viel Wald gibt, aber in Griechenland gibt es nicht mehr so viele Wälder.
Wir begehen ein Verbrechen. Neulich brannte die wichtigste grüne Lunge Athens, der Nationalpark Parnitha, nur 15 Kilometer entfernt von einer Stadt, in der fünf Millionen Menschen leben. Sauerstoff ist knapp, und natürlich entstehen Gefahren nicht nur durch Brände; sie entstehen auch durch Überschwemmungen, zu denen es kommt, wenn ein Wald niedergebrannt ist.
Europa muss mehr Initiativen ergreifen, denn ich fürchte sehr, dass man manchmal nicht in der Lage ist, sich mit diesen aktuellen Themen zu beschäftigen. Die Wälder brennen. Die Temperaturen steigen. In Griechenland wurden neulich die höchsten Werte seit 100 Jahren gemessen. Wie wir wissen, wird das Kyoto-Protokoll nicht von allen akzeptiert. Die Industrie verändert die Atmosphäre, in der Folge steigen die Temperaturen, und es kommt häufiger zu Bränden.
Wir müssen effizient werden, damit wir unseren Kindern eine menschenwürdige Welt hinterlassen, eine Welt, in der sie leben können.
Димитър Стоянов, от името на групата ITS. – България изживя ужаса на горските пожари през 2000 г., когато много високите температури в България предизвикаха множество горски пожари.
За съжаление, тогава обаче остана и едно друго впечатление – впечатлението, че много хора, които искаха да извършват незаконна дейност, използваха жегите, за да запалват гората, с цел след това защитените гори, които вече са изгорели (под предлог, че това е естествено природно бедствие), да бъдат изсечени и изнесени от България и дървесината им да бъде използвана.
В последните две години проблемът в България от гледна точка на природните бедствия са наводненията. Така беше през 2005 г., когато буквално цялата ни страна беше залята. Около една четвърт от населението пострада тогава или беше засегнато пряко или непряко от наводненията.
Тази година отново имаше голям риск от наводнения, които последваха след голямо засушаване, което унищожи по-голямата част от реколтата в България и значително тежко засегна земеделските производители. След това последваха наводнения. След това отново в момента в България има голямо засушаване. Тя е много близко до Гърция. Появиха се и първите горски пожари в България и положението започва да става сериозно.
Преди 2 години – 2005 г. (големите наводнения, които споменах), България, въпреки че тогава още не беше член на Европейския съюз, използва европейски фондове, използва европейска помощ, използва включително средства, получи средства от Фонда за солидарност.
Но аз искам тук да подкрепя г-н Karatsaferis в нещо много важно. Защото аз така и не видях какъв е резултатът. И никой всъщност в България не видя какъв е резултатът от това европейско финансиране. Ние получихме средства от Европейския съюз, но 2 години по-късно отново се появи заплаха за природно бедствие с подобен мащаб като това от 2005 г. Отново имаше наводнения, отново имаше риск за скъсване на язовири и за значително по-голямо утежняване на ситуацията. Само това, че времето се промени – спряха дъждовете и отново започна да грее слънце и да става горещо, не допусна това.
Т.е. това, което имам предвид е, че българското правителство, което управлява от 2005 г., получи някакви европейски средства от Фонда за солидарност, но аз не виждам те да са използвани. И бих желал Комисията, която дава пари, особено на новите държави-членки, да контролира много внимателно тяхното използване, защото може да има недобросъвестни хора в управлението, които да искат да използват тези средства не по предназначението, по което са отпуснати. Затова призовавам Комисията за по-голям контрол върху средствата, които отпуска, свързани с природните бедствия.
Gerardo Galeote (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin! Es ist schrecklich, dass wir wieder über Naturkatastrophen sprechen müssen, dieses Mal über die Brände, die in einigen Mitgliedstaaten gewütet haben.
Ich möchte daran erinnern, dass vor drei Jahren im Gebiet von Huelva in meiner Region, Andalusien, ein Brand ausgebrochen war. Im Jahr danach hatten wir in der Provinz Guadalajara ein verheerendes Feuer, das elf Menschenleben kostete, und im vergangenen Jahr ereignete sich in Galicien ein Brand von ähnlich gewaltigem Ausmaß.
Lassen Sie mich sagen, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dass das Parlament gehandelt hat. Es entsandte Delegationen nicht nur in mein Land, sondern in alle betroffenen Mitgliedstaaten. Diese Delegationen hatten ein großes soziales Echo und weckten die Hoffnung, dass die EU in ihrer solidarischen Haltung in der Lage sei, wirksam zu reagieren.
Wir haben in dem Ausschuss, den zu leiten ich die Ehre habe, gemeinsam mit der Kommission hart gearbeitet, um den Solidaritätsfonds so zu reformieren, dass er an die derzeitigen Gegebenheiten angepasst werden kann, weil es fast unmöglich ist, meine Damen und Herren, den Solidaritätsfonds im Fall von Brandkatastrophen zu mobilisieren.
Der Rat übertrug Herrn Barnier – dem ehemaligen Kommissar für Regionalpolitik und jetzigen Minister in der französischen Regierung – die Aufgabe, einen Bericht über die Schaffung einer europäischen Katastrophenschutztruppe zu erarbeiten. Dieser Bericht wurde sehr wohlwollend aufgenommen und auf einer öffentlichen Anhörung vorgestellt, die dazu in diesem Parlament anberaumt worden war.
Die Wahrheit ist, dass es die deutsche Präsidentschaft ablehnte, dieses Thema zu behandeln, und wir hoffen nun, dass der portugiesische Vorsitz seine Kollegen im Rat erfolgreich überzeugen kann, den vorliegenden Vorschlag, der von der Kommission erarbeitet und vom Parlament geändert wurde, in Betracht zu ziehen.
Ich glaube, Frau Präsidentin, dass wir selbst eine gemeinsame Aktion der Kommission und des Parlaments ins Leben rufen müssen, denn das fordern die europäischen Bürgerinnen und Bürger und darin besteht unsere Aufgabe und unsere Pflicht.
Ich kann Ihnen versichern, dass meine Fraktion dafür Sorge tragen wird, dass dies perfekt an die Entschließung anknüpft, die wir im September annehmen werden.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Frau Kommissarin! Wir beklagen heute den Tod dreier Feuerwehrmänner, die auf Kreta ums Leben kamen, und sprechen ihren Familien unser tief empfundenes Beileid aus. Leider muss gesagt werden, dass diese Tragödie nicht unvermeidbar war. Die griechische Regierung hat nichts getan, sie zu verhindern, obwohl sie sie in ihrem jüngsten Bericht an die Kommission vorhergesehen hatte, in dem sie bedenkliche Mängel bei der Koordinierung zwischen den Ministerien und einen Mangel an präventiver Planung einräumte.
Allerdings hat Griechenland – wie ebenfalls in dem genannten Bericht erwähnt – seine Ergebnisse beim Schutz der Wälder zwischen 2001 und 2004 eindrucksvoll verbessert. Die tragischen Ereignisse in Griechenland 2007 erinnern uns daran, dass es Brände wohl leider immer geben wird. Es wird aber auch immer gute oder schlechte Maßnahmen zu ihrer Verhütung und Bekämpfung geben. Weshalb es zu dem aktuellen Rückschritt gekommen ist, muss von Europa untersucht werden.
Ich bitte Sie deshalb, ein Untersuchungsteam der Kommission nach Griechenland zu entsenden und den Solidaritätsfonds zur Unterstützung meines Landes zu aktivieren. Die Brände haben breite Schneisen im griechischen und europäischen Walderbe hinterlassen, und weshalb es nicht gelungen ist, diese Brände zu löschen, daraus kann ganz Europa Lehren ziehen.
Im letzten Jahr gab Kommissar Dimas in seiner Antwort auf meine Frage zu erkennen, er hätte der griechischen Regierung gegenüber dreimal betont, die Kommission sei bereit, Unterstützung zur Brandbekämpfung nach Griechenland zu entsenden, und Griechenland hätte dies dreimal abgelehnt. In diesem Jahr hat die griechische Regierung, inzwischen von uns wachgerüttelt, tatsächlich die von Ihnen erwähnten Mechanismen aktiviert. Das konnte allerdings nichts mehr retten, da die Regierung es versäumt hat, all die anderen bekannten schwerwiegenden Mängel anzugehen.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Während wir hier sitzen und diese Aussprache führen, sind bei einem Feuer auf Kreta drei Männer ums Leben gekommen. In Griechenland und anderswo wurden Tausende Morgen Wald vernichtet, die auch Erbe und Eigentum der Europäischen Union sind.
Ich möchte an dieser Stelle nicht auf Mängel und die Verantwortung von Regierungen verweisen. Ich möchte zu mehr Solidarität vonseiten der Europäischen Union aufrufen, damit wir die Wälder als unser gemeinsames Erbe schützen können.
Es müssen mehr Mittel aus dem Solidaritätsfonds und aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Verfügung gestellt werden. Die Vorschläge Barnier, die auf den Schreibtischen der Kommission Staub ansammeln, müssen endlich aktiviert werden. Es muss ein Fonds zum Schutz unserer Wälder eingerichtet werden, um Brände zu verhindern, und es muss die Möglichkeit geprüft werden, eine Richtlinie über den Schutz vor der Gefahr von Bränden zu erlassen, ähnlich der zu Überschwemmungen.
Anstatt die Theorie des Klimawandels zu diskutieren, müssen wir als Europäische Union etwas tun, um unsere Wälder als unser Erbe zu schützen.
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – Vin astăzi în faţa dumneavoastră pentru a aduce în discuţie un subiect extrem de grav cu care se confruntă mai multe ţări din Uniunea Europeană şi din întreaga lume, printre care şi România, şi anume fenomenele meteorologice extreme, evident asociate cu efectele lor asupra comunităţilor locale. Cauza, evident o ştim cu toţii, dar poate facem încă mult prea puţin pentru reducerea efectelor acesteia: încălzirea globală.
Încălzirea şi poluarea sunt două procese care se potenţează reciproc. Temperaturile tot mai mari fac ca poluarea să se accentueze, iar poluarea tot mai mare ridică temperaturile. Oraşele din România, în general, au un grad de poluare de trei ori mai mare decât cele din Europa. Cele mai poluate zone ale României se află în partea de nord-vest a ţării, unde oraşele Baia Mare şi Copşa Mică, de exemplu, au fost incluse în clasamentul celor mai poluate treizeci şi cinci de localităţi ale lumii. Ca urmare a încălzirii globale, România va fi alături de Spania, Grecia şi Italia, printre ţările care vor resimţi cel mai puternic schimbările vremii din 2015. Zece judeţe din sudul României vor deveni aride în următorii douăzeci de ani şi multe culturi de plante de aici vor dispărea.
Situaţia României nu este una singulară în Uniunea Europeană şi, de aceea, aveam nevoie să acţionăm împreună, în temeiul principiului solidarităţii, care stă la baza construcţiei europene. Trebuie să acţionăm pe două planuri: combaterea acestor fenomene extreme şi eliminarea, sau măcar reducerea, cauzelor care stau la baza acestor fenomene. În ceea ce priveşte combaterea efectelor dezastrelor naturale, fondurile pe care Uniunea Europeană le poate aloca sunt de real folos comunităţilor şi oamenilor care trec prin asemenea experienţe traumatizante. Pot fi îmbunătăţite sistemele de irigaţii, în cazul secetei, pot fi reparate şcoli sau spitale distruse de inundaţii, într-un cuvânt oamenii pot simţi că solidaritatea europeană nu este doar un concept golit de conţinut.
În acelaşi timp, este de datoria noastră, a Parlamentului European, ca împreună cu Comisia şi Consiliul, să colaborăm pentru o alocare cât mai rapidă a acestor fonduri, să reducem birocraţia. Să ne gândim ce se întâmplă cu oamenii care rămân fără adăpost în urma inundaţiilor din toamna acestui an, iar fondurile ajung abia în primăvara anului viitor. Cum îşi vor petrece ei iarna?
Mai mult, cauzele care stau la baza acestor fenomene trebuie atacate în mod coerent şi unitar de către Uniunea Europeană. Avem nevoie de mai multe acţiuni de conştientizare, de comunicare cu cetăţenii, pentru că doar împreună cu ei putem reuşi. Fiecare oficial european are datoria ca acolo unde a fost ales să aducă în dezbatere ce se poate face pentru a combate efectele încălzirii globale. Artiştii au tras deja un semnal de alarmă important, dar a venit acum rândul politicienilor să preia ştafeta.
María Sornosa Martínez (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! In Großbritannien sind extrem heftige Niederschläge gefallen, die sich über ganz Nordeuropa fortsetzen werden.
Südeuropa leidet unter Waldbränden und Dürren, und mit den Hitzwellen beschleunigt sich die Versteppung. Angesichts dieser ernsten Probleme, mit denen wir in der EU konfrontiert sind, vertrete ich die Auffassung, dass unter anderem die Wiederaufforstungsmaßnahmen verstärkt werden müssen. Diese Frage sollte auf der bevorstehenden Konferenz der Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung der Vereinten Nationen behandelt werden, die im September in Madrid stattfindet.
Da diese Naturkatastrophen in absehbarer Zukunft immer häufiger auftreten werden, wäre eine größere Koordinierung zwischen den Zivilschutzdiensten und eine effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit wünschenswert. Sie haben davon gesprochen, doch wir würden gern noch etwas darüber hinausgehen.
Schließlich halte ich es für entscheidend, dass die Kommission den Solidaritätsfonds beim Auftreten solcher Naturkatastrophen unverzüglich einsetzt, da ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen schrecklich sind. In der jetzigen Zeit ist Solidarität gefragt.
Edite Estrela (PSE). – (PT) Jedes Jahr gibt es eine neue Tragödie in einem anderen Mitgliedstaat. In Südeuropa werden Hunderttausende Hektar Waldland vernichtet, während in Nordeuropa Überschwemmungen Verwüstung und Tod mit sich bringen.
Jedes Jahr sagen wir im Parlament dasselbe. Wir äußern unser Bedauern über die Verluste und versprechen, die Mängel zu beseitigen. Gut gemeinte Worte sind nicht genug. Es ist einerseits notwendig, Katastrophen durch die Bekämpfung des Klimawandels und umweltfreundliche Maßnahmen, insbesondere die Reduzierung der CO2-Treibhausgasemissionen, die die Erderwärmung verursachen, zu verhindern.
Andererseits muss die Europäische Union, wenn sich eine Katastrophe ereignet, rasch und angemessen reagieren. Das erwarten die Bürger, und wir müssen einsehen, dass der Solidaritätsfonds für die Bedürfnisse nicht ausreicht, ebenso wenig wie der Zivilschutzmechanismus, der bereits verbessert wurde, immer so rasch wie nötig reagiert.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich werde so schnell wie möglich antworten.
Zunächst möchte ich sagen, dass ich wie immer den Verlust von Menschenleben sehr bedaure. Hier kamen Feuerwehrleute aus Griechenland und Menschen in Spanien und anderen Ländern ums Leben.
Ich selbst komme aus einem Land, in dem auch aufgrund von Überschwemmungen viele Menschen ums Leben kamen. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass es vor einigen Jahren, als ich noch österreichische Außenministerin war, sehr schlimme Überschwemmungen in der Tschechischen Republik, in Österreich, Deutschland und vielen anderen Ländern gab. Es war meine Regierung, die diesen Solidaritätsfonds ins Leben gerufen hat. Ich weiß also, wie notwendig dies ist und kann Ihnen versichern, dass wir den Solidaritätsfonds weiterhin anwenden werden, allerdings nur zusätzlich zu den Bemühungen, die auf nationaler Ebene unternommen werden müssen. Das ist der eine Punkt, der – das muss ich sagen – hier nicht zur Sprache kam.
Aber selbstverständlich kann ich alle Sorgen, die geäußert wurden, verstehen, weil ich selbst Brände miterlebt habe, vor allem im Süden Europas. Ich weiß also, was das bedeutet und kann Sie somit voll und ganz verstehen.
Während die neue interinstitutionelle Vereinbarung die Finanzierung des Fonds bis 2013 garantiert, bedauere ich es, und das muss ich ganz offen sagen, dass der Rat bisher nicht wohlwollend auf die gemeinsamen Bemühungen der Kommission und des Parlaments um die weitere Verbesserung des Instruments des Solidaritätsfonds reagiert hat. Im April 2005 legte die Kommission dem Parlament und dem Rat ihren Vorschlag für eine überarbeitete Solidaritätsfondsverordnung – und darum geht es hier meines Erachtens – vor, deren wesentlichste Aspekte eine große Reichweite haben und Vorschusszahlungen und Vereinfachungen betreffen. Der Vorschlag wurde hier sehr wohlwollend aufgenommen, doch im Rat wurden, wie ich bereits sagte, bisher keinerlei Fortschritte erzielt.
Während des finnischen Ratsvorsitzes wurde der Vorschlag nicht weiter erörtert, und trotz unserer Bemühungen hat die deutsche Ratspräsidentschaft, wie während der Aussprache ebenfalls erwähnt wurde, die Frage nicht wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Hoffentlich kann das in Zukunft bewerkstelligt werden, weil es meiner Meinung nach wichtig ist.
Schlussendlich, was den Bericht Barnier betrifft, sind wir auch bemüht, das bestehende Katastrophenschutzverfahren kontinuierlich zu stärken. In meinen Augen ist der Bericht Barnier nach wie vor eine große Quelle der Inspiration für diese Arbeit.
Auf lange Sicht ist ein effektiveres System vonnöten, um bestmöglich auf Natur- und andere Katastrophen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft reagieren zu können. Es findet ein allmählicher Übergang von einem Koordinierungsmechanismus zu einer Art europäischem Zivilschutz statt, wie im Bericht Barnier erwähnt wird, und das ist eine positive Entwicklung. Dabei könnte dann auf den Modulen aufgebaut werden, die die Kommission und die Mitgliedstaaten derzeit entwickeln.
Abschließend möchte ich sagen, dass es zu den Fragen Klima und Reduzierung der Treibhausgasemissionen ein großes Paket gibt, das die Kommission allen Mitgliedstaaten auf den Tisch gelegt hat und das die Mitgliedstaaten des Europäischen Rates im Frühjahr angenommen haben. Meines Erachtens ist alles vorhanden und muss jetzt nur noch umgesetzt werden.
Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der nächsten Plenartagung statt.
23. Statistisches Programm der Gemeinschaft (2008-2012) – Rechtzeitige Übermittlung und Verifizierung der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Daten (Aussprache)
Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
– den Bericht von Zsolt László Becsey im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Statistische Programm der Gemeinschaft 2008 bis 2012 (KOM(2006)0687 – C6-0427/2006 – 2006/0229(COD)) (A6-0240/2007), und
– die mündliche Anfrage an die Kommission über die rechtzeitige Übermittlung und Verifizierung der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Daten an die Kommission von Zsolt László Becsey und Alexander Radwan im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten (O-0024/2007 – B6-0123/2007).
Zsolt László Becsey (PPE-DE), Berichterstatter und Verfasser. – (HU) Ich bin sehr zufrieden, da es jetzt nach der ersten Lesung so aussieht, als könnten wir den für eine gemeinsame Entscheidung erforderlichen Konsens noch vor der Sommerpause erreichen. Dahinter steckt eine umfassende Arbeit der drei Institutionen.
Lassen Sie mich zunächst die ausgezeichnete Arbeit des Ausschusses loben. Sein Vorschlag widerspiegelt in hervorragender Weise die gegenwärtigen Prioritäten der Gemeinschaft sowie den Mechanismus des gegenwärtigen Vertrags von Nizza. Meine besondere Anerkennung gilt der deutschen Ratspräsidentschaft, speziell Herrn Radermacher, dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, der durch das Vorlegen eines unglaublich hohen Tempos die Erarbeitung und die Kenntnisnahme des Standpunkts des Rates ermöglicht hat. Die Prioritäten des Europäischen Parlaments wurden somit bereits im Laufe der Arbeit berücksichtigt.
Die gleiche Anerkennung gebührt auch den Schattenberichterstattern der beiden anderen großen Fraktionen, der Sozialdemokraten und der Liberalen. Dank ihrer Arbeit hat sich eine überwältigende Mehrheit im Ausschuss für Wirtschaft und Währung hinter den gemeinsamen Kompromiss gestellt.
Was hat das Parlament in diesem gemeinsamen Text erreicht? Ein wichtiges Ergebnis ist, dass im Hauptteil die Liste der ansonsten sorgfältig ausgewählten und vom Ausschuss als Prioritäten empfohlenen Themen erweitert wurde. So wurden Überlegungen in Bezug auf Innovation, menschliche Entwicklung, territorialen Zusammenhalt und demografische Herausforderungen ebenfalls aufgenommen. Damit ist die Liste der Prioritäten ausgewogen, ohne überladen zu sein.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist meiner Ansicht nach der Kompromiss, der im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen auf nationaler und lokaler Ebene sowie im Bereich des Statistikmanagements erreicht wurde. Ich hoffe, dies wird auch hinsichtlich der Qualität Früchte tragen, was ein besonders wichtiger Punkt ist, der später im Zusammenhang mit der mündlichen Anfrage zur Zuverlässigkeit makroökonomischer Vorausschätzungen und kurzfristiger statistischer Daten angeschnitten wird.
Worauf hat dann der Berichterstatter sein Hauptaugenmerk gelegt? Neben der Verbesserung der Qualität und schnellen Verfügbarkeit statistischer Leistungen halte ich die Erleichterung der finanziellen und administrativen Belastungen für meine Hauptaufgabe, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Wichtig war mir ebenfalls, sicherzustellen, dass die Anforderungen der Vorschriften nicht zu einem Widerspruch zwischen dem Schutz individuell übermittelter kommerzieller Daten und der Pflicht zur Bereitstellung allgemeiner statistischer Daten führen.
Es ist uns auch gelungen, die Belastung durch die Übermittlung der im Rahmen internationaler Verpflichtungen, in erster Linie der UN, geforderten Daten zu verringern, vor allem Dank der Flexibilität der Schattenberichterstatter. Eine große Herausforderung stellen auch unsere eigenen sowie die internationalen Verpflichtungen dar, aber in dieser Hinsicht erwarte ich ein vorsichtigeres Herangehen, was wir auch befürwortet haben. Wir dürfen uns im Bereich der statistischen Möglichkeiten und des Exports von Know-how nicht übernehmen.
Ich halte es weiterhin für ein gutes Ergebnis, dass wir uns zu den Hauptpunkten der Halbzeitrevision im Jahre 2010 einigen konnten. Auf dieser Grundlage würde ich gern einen Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie sehen, die dazu beiträgt, die politischen Probleme des statistischen Konzepts zu bewältigen, die das Arbeitsprogramm eines anderen, neuen Parlaments und Ausschusses bestimmen, und sicherstellt, dass unsere neuen Kollegen ihre Arbeitsprogramme direkt in den eindeutigen Rahmen der statistischen Arbeit aufnehmen können.
Außerdem haben wir die wesentlichen Herausforderungen berücksichtigt, denen wir ebenfalls 2010 gegenüberstehen, nämlich die GAP-Reform und die der Finanzdienstleistungsrichtlinie, das Inkrafttreten der Dienstleistungsrichtlinie, die Einführung neuer Gemeinschaftspolitiken, die Einbeziehung von Immigration, Kriminalität und Klimawandel in die statistische Überprüfung.
Der größte Erfolg des Parlaments besteht darin, dass ab Januar 2010 die Halbzeit-Zwischenberichte nicht nur den Mitgliedern des Europäischen Statistischen Systems und den Sachverständigenausschüssen übermittelt werden, sondern gemäß dem Vorschlag auch formell dem Rat und dem Parlament vorgelegt werden. Im Ergebnis dessen werden diese wesentlichen Institutionen sie ab der nächsten Mandatsperiode bei der Beurteilung der strategischen und taktischen Tagesprobleme berücksichtigen können.
Auf dem Gebiet der sektoralen Prioritäten wurden Anliegen des Parlaments ebenfalls erfolgreich in den Bericht eingearbeitet. Genannt seien in diesem Zusammenhang nur die Herausforderungen im Zusammenhang mit den Indikatoren der menschlichen Entwicklung, der Urbanisierung, der Gleichstellung der Frau und der Messung der Agglomerationsprozesse.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte jetzt mit einer anderen Fragestellung fortfahren. Es besteht große Hoffnung, dass das makroökonomische Kontrollsystem sowie die Tatsache, dass die Wirtschaftspolitik eines Mitgliedstaats von gemeinsamem Interesse ist, zusammen mit dem Wachstums- und Stabilitätspakt dazu beitragen, dass innerhalb der Europäischen Union größerer Sicherheit herrscht als außerhalb. Der EG-Vertrag weist eine gemeinsame Verantwortung für die Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten aus, und ich nehme an, auch für ihre Misserfolge. Das Europäische Parlament stimmt über die Kommission ab und überwacht sie. Die Kommission wiederum beaufsichtigt Eurostat.
Seit 2004 haben Probleme in Griechenland und Ungarn schwerwiegende Defizite dieses Systems offen gelegt. In beiden Ländern gab es Manipulationen der Wirtschaftspolitik sowie Datenmanipulationen, die sogar Wahlen beeinflusst haben und nicht nur im Nachhinein umfassende Korrekturen erforderlich gemacht, sondern auch das Vertrauen in die gemeinsamen Institutionen untergraben haben. Das Eurobarometer zeigt in Ungarn einen starken Vertrauensverlust.
In Ungarn gab es seit 2004 ständige Abweichungen von mehreren Prozentpunkten zwischen den vorhergesagten Ergebnissen und der später festgestellten Realität. Zwischen Ende 2005 und Ende 2006 gab es erhebliche Diskrepanzen, beispielsweise zeigte die Höhe der Schulden im Vergleich zum BIP eine Abweichung von über 10 Prozentpunkten, mit anderen Worten, eine erhebliche Kluft zwischen der vorhergesagten und der anschließend festgestellten Realität.
Leider ist Herr Almunia jetzt nicht anwesend, denn wenn er zuhören würde, könnte er hören, dass 2005 und 2006 die irreführenden Einschätzungen der Regierung Beachtung gefunden haben und nicht Marktvoraussagen wie die von Goldman Sachs und Standard & Poor. Der Markt hat die Katastrophe wahrgenommen und auch die rechtswidrige Entlassung von Mitarbeitern des Amtes für Statistik registriert. Doch das Vorhersagesystem war ein Fiasko.
Die beschämendste Situation gab es im Mai 2006. Zu dieser Zeit sagte Herr Almunia voraus, dass alle Kennzahlen sich in Ungarn verbessern würden, dass die Inflation gering und das Wachstum stark sein würde, während der Ministerpräsident außerordentlich schwere Probleme vorhersah und ein Sparprogramm ankündigte. Er gab zu, dass die Regierung Telefongespräche mit Herrn Almunia geführt und alle möglichen Tricks angewendet hatte. Danach hob Herr Almunia – er würde das jetzt hören, wenn er hier wäre – die Hände über den Kopf: Wir hatten die Renten nicht in das Defizit einbezogen, wir hatten die versteckten Defizite der Staatsbetriebe nicht mit aufgenommen, wir wussten nicht, wie wir mit der Autobahn verfahren sollten. Meiner Meinung nach ist das alles doppelzüngiges Gerede.
Schließlich gab der ungarische Ministerpräsident betrügerische politische Absprachen zu, leider auch mit einem Kommissionsmitglied, wie sich zeigte. Derartige „Taschenspielertricks“ sollten nie wieder möglich sein, denn es wird in Kürze und auch in Zukunft Wahlen geben, und nur die Wahrheit kann helfen. Ich meine daher, die Kommission muss ebenfalls diese politischen Schlussfolgerungen anerkennen, denn der Preis für diesen Mangel an Glaubwürdigkeit wird letztendlich nicht von uns, sondern von den Bürgern Ungarns gezahlt.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Zunächst möchte ich Herrn Becsey und dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Parlaments für den hervorragenden Bericht über das Statistische Programm der Gemeinschaft für 2008-2012 danken.
Damit wird es möglich sein, die Rechtsgrundlage rechtzeitig anzunehmen und das Programm im Jahr 2008 ohne Probleme zu beginnen. Das Statistische Programm der Gemeinschaft stellt den Rahmen für die Erstellung sämtlicher Statistiken sowie des Finanzrahmens für die Erstellung der Gemeinschaftsstatistiken während des Planungszeitraums dar. Statistiken sind ein Schlüsselelement der Politik und insofern hat sich das neue Programm tatsächlich hauptsächlich mit den aktuellen Prioritäten der Union von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu nachhaltiger Entwicklung und Sicherheit befasst. Die Änderungsanträge des Parlaments, die auf die Stärkung der Gender- und regionalen Dimensionen in der Statistik abzielen und die Berichterstattungspflichten konkretisieren, werden von der Kommission besonders begrüßt.
Ich möchte daher dem Berichterstatter, Herrn Becsey, sowie dem Ausschuss für regionale Entwicklung noch einmal für ihre wertvollen Bemühungen danken, der Gemeinschaft für die nächsten fünf Jahre eine solide Grundlage für die Erstellung von Statistiken zu verschaffen. Was die Haushaltstatistiken und die mündliche Anfrage der Herren Becsey und Radwan betrifft, so stimmt die Kommission natürlich zu, dass die Qualität der Finanzdaten entscheidend für das korrekte Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion und ihres Haushaltsüberwachungssystems sowie für die Bewertung der Konvergenzkriterien ist, wenn es um die Beurteilung des Antrags eines Mitgliedstaats auf Beitritt zur Eurozone geht.
Wie alle anderen Statistiken auch, müssen auch Haushaltstatistiken revidiert werden. Daten werden routinemäßig revidiert, wenn neue Informationen über Transaktionen der Regierung vorgelegt werden oder wenn Fehler oder Unstimmigkeiten ermittelt und korrigiert werden. Revisionen finden auch im Rahmen vorrangiger Bemühungen um die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften statt. Für Statistiker sind Daten in der Regel erst frühestens nach vier Jahren endgültig. Die meisten Revisionen im Bereich Haushaltsstatistiken sind geringen Ausmaßes und haben keine wesentlichen Auswirkungen auf Wirtschaftsanalysen und Haushaltskontrollen.
Bedauerlicherweise gab es auch einige Beispiele umfangreicherer Revisionen bei den Haushaltsstatistiken, die die Haushaltskontrolle unter Druck gesetzt haben. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass diese Revisionen in den meisten Fällen nicht überraschend kamen. Ihnen gingen öffentliche Erklärungen von Eurostat voraus, in denen darauf hingewiesen wurde, dass die ursprünglich von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten nicht mit den Rechnungslegungsvorschriften übereinstimmten, so dass sich eine entsprechende Änderung seitens der Mitgliedstaaten erforderlich machte. Wann immer es nötig war, hat Eurostat selbst von den Mitgliedstaaten übermittelte Daten revidiert. Gemäß Verordnung 2103/2005 hat Eurostat regelmäßig dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Qualität der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Haushaltsdaten erstattet und wird dies auch in Zukunft tun.
Was die Prognosen betrifft, so beurteilt die Kommission diese und die von den Mitgliedstaaten in ihren Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen enthaltenen Hochrechnungen regelmäßig, indem sie sie mit den eigenen Prognosen vergleicht. Bei mehreren Mitgliedstaaten hat die Kommission mehrmals öffentlich darauf hingewiesen, dass die in den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen enthaltenen Haushaltsprognosen auf optimistischen makroökonomischen Hochrechnungen basierten.
Darüber hinaus hat die Kommission auf Fälle aufmerksam gemacht, in denen die nationalen Prognosen nicht mit den Rechnungslegungsvorschriften für spezielle Transaktionen übereinstimmten, oder in denen die den Prognosen zugrunde liegenden geplanten politischen Maßnahmen noch nicht bestätigt waren. Bei der Erstellung ihrer eigenen Prognosen vergleicht die Kommission ihre Zahlen systematisch mit den Hochrechnungen des IWF, der OECD und anderer Organisationen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die von der Kommission veröffentlichten Prognosen – sowohl die makroökonomischen als auch die Haushaltszahlen – nicht tendenziös und mindestens ebenso verlässlich wie die anderer Konjunkturbeobachter sind.
Mieczysław Edmund Janowski (UEN), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. – (PL) Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Becsey für seinen Bericht. Ich möchte ihm meinen zweifachen Dank aussprechen – einmal als Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für regionale Entwicklung und zum zweiten als Vertreter meiner Fraktion.
Ich werde mich nicht mit der Definition von Statistik aufhalten, sondern möchte lediglich feststellen, dass diese Wissenschaft Phänomene und Prozesse mit Massencharakter quantitativ bewertet. Ihr Ziel ist es, die Gesetzmäßigkeiten zu beurteilen, nach denen diese Prozesse ablaufen, und sie zu quantifizieren. Statistik ermöglicht auch eine Zusammenfassung der Ergebnisse von Analysen und eine Evaluierung ihrer Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Ich sage das aus gutem Grund, bilden statistische Daten doch oftmals die Grundlage für wichtige Entscheidungen auf lokaler und regionaler sowie auf nationaler, europäischer und sogar auf internationaler Ebene.
Deshalb ist es zu begrüßen, dass wir über ein statistisches Programm der Gemeinschaft für den Zeitraum 2008 – 2012 verfügen. Die objektive und verantwortungsbewusste Aufbereitung statistischer Daten ist außerordentlich wichtig. Ihre Erhebung ist aber mit Kosten verbunden. Ich möchte die Frau Kommissarin deshalb fragen, ob unser ehrgeiziges Fünfjahresprogramm finanziell ausreichend ausgestattet ist.
Es geht hier um eine Maßnahme, die 27 Mitgliedstaaten mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen in diesem sensiblen Bereich umfasst. Ich möchte deshalb eine zweite Frage stellen: Was wurde getan, um die bestmögliche Koordinierung der statistischen Analysen zu gewährleisten? Die Frau Kommissarin war so freundlich hervorzuheben, wie wichtig die Stellungnahme des Ausschusses für regionale Entwicklung ist. Ich möchte ihr für diese schmeichelhafte Einschätzung danken.
Nun zu den regionalen Fragen. Mit dem Finanzrahmen für den Zeitraum 2007 – 2013 stellt die Europäische Union über ein Drittel ihres Haushalts für Maßnahmen der Regionalpolitik bereit und setzt damit den Grundsatz der Kohäsion und der Solidarität zwischen Regionen mit ganz unterschiedlichem Entwicklungsstand um. Hier geht es um das Geld der europäischen Steuerzahler, das auf keinen Fall verschwendet werden darf. Deshalb brauchen wir objektive, umfassende und zuverlässige Verfahren, um die Umsetzung der Strukturpolitik zu überwachen. Gibt es solche Verfahren? Dazu bedarf es der Erhebung und Verarbeitung statistischer Daten sowohl auf der Ebene der Gemeinschaft – der Mitgliedstaaten – als auch auf regionaler und auch lokaler Ebene.
Die Daten müssen vergleichbar sein – sowohl mit Daten aus Drittstaaten als auch mit Daten, die innerhalb der Europäischen Union erhoben werden, da oft Vergleiche zu anderen Ländern angestellt werden. Die Ausrichtung auf kurzfristige oder befristete Ziele und technische Probleme haben zu zeitweiligen Unterbrechungen bei der Erhebung statistischer Daten geführt, was fatale Folgen hatte.
Regionale Statistiken basieren auf der Nomenklatur der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS). Hier erhebt sich die Frage, ob die auf dieser Grundlage gewonnenen Informationen immer völlig zuverlässig sind. Ich habe da so meine Bedenken, vor allem dann, wenn zwischen dem Entwicklungsstand und dem Lebensstandard einer Provinzhauptstadt und der übrigen Region eine große Lücke klafft.
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der Entwicklungsindex für die Länder oder Regionen: Ist das Pro-Kopf-BIP ein hinreichender Maßstab? Wie sollte die Arbeitslosenquote gewichtet werden? Wie kann die Lebensqualität in einer bestimmten Region gemessen werden usw.? Das sind wichtige Fragen, und ich weiß, dass es hierfür keine einfachen Lösungen gibt.
Wir reden in diesem Hohen Haus oft von Innovation. Wir brauchen also verlässliche Daten für die Bereiche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation. Die Frage ist hier, wie die Daten, die oft aus inoffiziellen Quellen stammen, verglichen werden können. Wie lässt sich die Dynamik von Veränderungen definieren?
Nun eine Frage mit sozialem Hintergrund. Wir erleben einen Wandel, der mit einer starken Migration – vor allem der Arbeitnehmer – einhergeht. Welche Auswirkungen hat das auf die soziale Lage und die Familien? Wir dürfen nicht vergessen, dass die hohe Zuverlässigkeit statistischer Daten stets von der Zuverlässigkeit der Informationsquelle abhängt, was wiederum die Vertraulichkeit und häufig auch die Anonymität der Primärdaten voraussetzt.
Abschließend möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass das statistische Programm der Gemeinschaft der Umsetzung der Hauptziele der Europäischen Union förderlich ist. Die Haltung von Eurostat sowie des polnischen Zentralamtes für Statistik bestärken mich darin. Ich hoffe, dass dem wirklich so ist.
Othmar Karas, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Zuerst einmal herzliche Glückwünsche und meinen Dank an den Berichterstatter, der ja in seinem Bericht die Forderungen erhebt, dass der legislative und der statistische Zyklus aufeinander abgestimmt werden sollen, dass der bürokratische Aufwand für die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu reduzieren ist, dass die Qualität der Daten sichergestellt, d. h. verbessert werden muss, und dass es noch ergänzend die Einbeziehung einer Reihe von Indikatoren im sozialen und makroökonomischen Bereich geben sollte.
Er hat aber auch gleichzeitig darüber unterrichtet, dass wir eine Anfrage an die Kommission gerichtet haben, und diese Anfrage hat zwei Hintergründe: Der eine Hintergrund ist die immer wieder auftretende Kritik an den unvollständig gelieferten statistischen Daten der Mitgliedstaaten — Stichwort: Griechenland, Portugal, Italien, Ungarn. In einem Land hat sogar der Ministerpräsident zugegeben, dass er ganz bewusst die Daten frisiert und der Öffentlichkeit und der Kommission nicht die Wahrheit gesagt hat, nämlich jener von Ungarn.
Der zweite Hintergrund ist, dass viele Forderungen bis heute nicht umgesetzt sind. Ich möchte auf einige hinweisen: Der Kommission muss das Recht eingeräumt werden, die überlieferten Daten vor Ort zu überprüfen. Es muss Gespräche geben können mit den Nationalbanken, mit den Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsministerien, mit den Wirtschaftsforschungsinstituten, vor Ort durch die Kommission. Wir dürfen nicht abhängig sein von dem, was man uns liefert.
Die Daten, die die Kommission hat, müssen mit den Daten der Europäischen Zentralbank abgeglichen werden. Es gibt hier unterschiedliche Daten, die eine unterschiedliche Aussagekraft haben, sie gehören abgeglichen.
Drittens: Vor allem in der Frage des Haushaltes, des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der Maastricht-Kriterien, d. h. aller Euro-relevanten Daten, muss es zu einem gemeinsamen Abschlussbericht zwischen der Europäischen Zentralbank, der Kommission und den Mitgliedstaaten kommen.
Wir brauchen einheitliche, transparente Datenerhebungsgrundlagen. Wir alle kennen bei den Arbeitslosenstatistiken die Statistiken aus dem Mitgliedstaat und die der Europäischen Union. Je nach politischem Bedarf wird die eine gegen die andere ausgespielt. Das verunsichert, schafft keine Transparenz und erzeugt nur Misstrauen.
Ieke van den Burg, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Auch ich möchte zunächst dem Berichterstatter zu seiner hervorragenden Arbeit an diesem Bericht über das Statistische Programm für 2008-2012 gratulieren. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Statistiken unerlässlich sind, und dass es wichtig ist, wie wir an die korrekten Daten kommen.
Ich stimme zu, dass es sich hier nicht nur um eine technische Frage handelt, wie anhand dieser Aussprache und vor allem der mündlichen Anfrage deutlich wird, sondern auch um eine Frage hoher politischer Relevanz, und zwar nicht nur, weil Politiker versuchen, sich in Statistiken einzumischen, sondern auch, weil sie versuchen, solche Fälle zu nutzen, um in Opposition zur Regierungskoalition oder der vorherigen Koalition zu treten und diese für die Übermittlung falscher Daten verantwortlich zu machen. Das sind Dinge, die wir um jeden Preis vermeiden sollten.
Meines Erachtens besteht die einzige Lösung darin, unabhängige Statistikämter und Garantien für unabhängige, angemessene und qualitativ hochwertige statistische Daten sowie einiger weiterer Aspekte, die Herr Karas erwähnte: nämlich dieselben Datenerhebungsgrundlagen, etc. einzuführen.
Ich habe den Eindruck, Frau Kommissarin, dass Ihr Kollege, Herr Almunia, an dieser Frage bereits sehr viel getan hat, und dass bereits Einiges in Gang gebracht wurde. Ich beziehe mich zum Beispiel auf die entsprechende Verordnung und vor allem auf Dossiers mit Vorschlägen zu Rechtsvorschriften über die richtige Abfassung von Statistiken und die gute Führung von statistischen Ämtern, womit wir uns momentan befassen.
Den Herren Becsey und Karas muss ich sagen, dass es mich überrascht hat, dass ihre Fraktion keinerlei Interesse für diese Gesetzesvorschläge, die wir zurzeit erörtern, gezeigt hat, weil wir hier Garantien für richtiges Verhalten in Bezug auf Daten schaffen können und weder Kommission noch Eurostat berechtigt sind, hier wirklich einzuschreiten oder die Bereitstellung von Daten zu zentralisieren. Wir müssen innerhalb des geltenden Zuständigkeitsbereichs und Mandats agieren, und meines Erachtens leistet die Frau Kommissarin hervorragende Arbeit, indem sie versucht, dies so umfassend wie möglich zu tun.
Ich hoffe, dass wir eine konstruktive Aussprache über diese Verbesserung der Regierungsführung in diesem Bereich und über diese zu schaffenden besseren Bedingungen führen können, statt uns gegenseitig und die jeweiligen Oppositionsparteien dafür verantwortlich zu machen, diese Daten nicht richtig zur Verfügung zu stellen. Hoffentlich wird es in Zukunft einen konstruktiven Ansatz dafür geben.
Andrea Losco, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte den Berichterstatter, Herrn Becsey, zu seiner ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen. Er hat einen signifikanten Beitrag zur Annahme in erster Lesung geleistet, was ein Beweis dafür ist, dass dieses Parlament gut arbeitet. Wie schon von der Frau Kommissarin, aber auch von anderen Rednern gesagt wurde, besteht der Zweck der Gemeinschaftsstatistiken darin, die Entwicklung, Umsetzung und Bewertung der gemeinschaftspolitischen Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen. Die Europäische Union unterbreitet und verwirklicht ihre Politik im Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialbereich just auf der Grundlage dieser Informationen; daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass sie die reale Situation möglichst getreu wiedergeben müssen, indem sie ein „Abbild“ der Idealzustände, aber auch der konkreten Bedürfnisse der Bürger liefern.
Was die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa angeht, so kann ich in diesem Hohen Haus bestätigen, dass wir prinzipiell den von der Kommission vorgelegten Vorschlag entschlossen unterstützen, denn wir sind uns bewusst, dass sie wichtige Probleme und Themen behandelt hat wie Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Solidarität, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, nachhaltige Entwicklung, Sicherheit, weitere Erweiterung der Europäischen Union. Ich denke, dass wir als Europäisches Parlament richtig gehandelt haben, diesen Vorschlag zu ergänzen, indem wir die Innovation und die menschliche Entwicklung, den regionalen Zusammenhalt und die demografischen Herausforderungen, vor denen die europäische Gesellschaft steht, hinzufügten.
Unserem Beitrag lag daher der Ansatz zugrunde, den Kommissionsvorschlag zu ergänzen und nicht zu entstellen. In der Tat gibt es unserer Überzeugung nach ein aktuelles Problem, das wir in der Endphase der Annahme dieses Berichts aufgedeckt haben: Es geht um die Qualität der Daten, die auch die Garantie für die Qualität der Entscheidungsfindung ist. Deshalb haben wir in den endgültigen Text, der Gegenstand eines Kompromisses ist, das Konzept der Erstellung der jährlichen statistischen Arbeitsprogramme und der Notwendigkeit, die optimale Nutzung der Ressourcen zu berücksichtigen, aufgenommen. Das hängt mit dem Grundsatz der besseren Rechtsetzung zusammen, den wir bereits gebilligt haben, insbesondere vor dem Hintergrund der Mitteilung der Kommission über die Verringerung des Beantwortungsaufwands, Vereinfachung und Prioritätensetzung im Bereich der Gemeinschaftsstatistik.
Schließlich glaube ich, dass wir einige bedeutsame Ergänzungen vorgenommen haben: eine Forderung an die Kommission, Ex-ante-Analysen zu den finanziellen Auswirkungen geplanter neuer statistischen Tätigkeiten durchführen, die zusätzliche Belastungen für die Mitgliedstaaten mit sich bringen, sowie die Einbeziehung von Durchführbarkeitsstudien, um zu einer Qualitätskennzeichnung der amtlichen europäischen Statistiken zu kommen und die Glaubwürdigkeit des Europäischen Statistischen Systems zu stärken, zu dem EUROSTAT, die nationalen statistischen Ämter und andere Stellen gehören, die in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken zuständig sind. Das Ziel besteht ohne jeden Zweifel darin, über unabhängige zentrale Statistiken zu verfügen, doch daran müssen wir noch arbeiten.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Erstens möchte ich sagen, dass uns ein ehrgeiziges Programm vorliegt – aber haben wir auch die finanziellen Mittel dafür? Ja, ich glaube schon. Die Mittelausstattung für den Programmzeitraum 2008-2012 ist gegenüber dem vorherigen Zeitraum tatsächlich um 15 % erhöht worden. Das ist meines Erachtens eine größere Erhöhung als die durchschnittliche Aufstockung für die Finanzielle Vorausschau 2007-2013. Das wäre also nach meinem Dafürhalten erledigt.
Zur Koordinierung möchte ich sagen, dass dieses Parlament zurzeit einen Vorschlag der Kommission zur Einrichtung eines hochrangigen Beratungsgremiums untersucht, das dann die Handhabung des europäischen Statistiksystems und die Koordinierung der Erstellung von Statistiken verbessern wird, was meiner Meinung nach wichtig sein wird.
Herrn Karas möchte ich auch sagen, dass er absolut Recht hat. Wir als Kommission haben die Möglichkeit, die von den Mitgliedstaaten angewandte Methode zu prüfen. Aber leider können wir nicht darüber hinausgehen und die Daten selbst prüfen. Ich glaube, die Kommission hat das bereits versucht, doch leider wollten die Mitgliedstaaten bisher zumindest nicht weiter gehen. Vielleicht sollte man das den Mitgliedstaaten noch einmal nahelegen.
Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 12. Juli 2007, statt.
24. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll