11. Verhandlungen über ein interregionales Assoziationsabkommen mit dem Mercosur und neue bilaterale strategische Partnerschaft mit Brasilien (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über Verhandlungen über ein interregionales Assoziationsabkommen mit dem Mercosur und die neue bilaterale strategische Partnerschaft mit Brasilien.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Unserer Auffassung nach muss das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur sämtliche Aspekte, d. h. den politischen, wirtschaftlichen und den Aspekt der Zusammenarbeit, umfassen und es darf nicht nur auf die Förderung von Handel und Investitionen abstellen, sondern muss auch die strategische Verbindung zwischen der Europäischen Union und dieser Region entscheidend stärken. Dieses Abkommen wird die größte Freihandelszone zwischen zwei regionalen Blöcken mit zirka 700 Millionen Einwohnern schaffen, die wirtschaftliche und soziale Integration verstärken, Investitionen fördern und für beide Regionen zu einem beachtlichen Wirtschaftswachstum führen.
Ganz sicher haben die Ergebnisse der Verhandlungen über die Doha-Agenda den Verhandlungsprozess beeinflusst. Gleichwohl dürfen wir das Assoziierungsabkommen nicht aus einem rein wirtschaftlichen Blickwinkel betrachten; hervorgehoben werden muss die Bedeutung seiner politischen Dimension.
Um den qualitativen Sprung, den wir alle in der Beziehung zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur wünschen, auch zu erreichen, ist grundsätzlich die Ausgewogenheit zwischen den politischen und den wirtschaftlichen Komponenten zu berücksichtigen. Jedoch muss festgestellt werden, dass wir uns nach sieben Jahren Verhandlungen in einer Sackgasse befinden. Diese Sackgasse resultiert aus der Diskrepanz beziehungsweise der Unstimmigkeit zwischen den vorgelegten Angeboten.
Einerseits das alle Sektoren umfassende Angebot der Europäischen Union und andererseits das Mercosur-Angebot, in dem Sektoren unberücksichtigt bleiben, die für die Europäische Union sehr wichtig sind. Der portugiesische Ratsvorsitz erwartet, dass das vom Mercosur gezeigte politische Engagement zu einem verbesserten Angebot führt, damit die Kommission die Gespräche mit Blick auf einen raschen Abschluss eines für beide Seiten gerechten und ausgewogenen Abkommens wieder aufnehmen kann.
Die auf dem Gipfel in Lissabon am 4. Juli festgelegte strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Brasilien darf nicht nur als ein Element zur Verstärkung der Beziehungen zu Brasilien verstanden werden, sondern auch als eine Form, um die biregionale strategische Beziehung zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika und insbesondere die Gespräche der Europäischen Union mit dem Mercosur voranzubringen.
Die Gemeinsame Erklärung nach dem Gipfeltreffen mit Brasilien zeigt zweifelsfrei das Streben nach Abschluss der Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur.
Was nun speziell Brasilien betrifft, so markierte diese Partnerschaft – in Anbetracht der wachsenden strategischen Bedeutung dieses Landes auf der internationalen Bühne –, die im Rahmen der Arbeiten der portugiesischen Ratspräsidentschaft vereinbart wurde, ähnlich wie bereits mit Russland, Indien und China festzustellen ist, den Beginn einer neuen Beziehung der Europäischen Union mit Brasilien. Die Partnerschaft wird sich auf der Grundlage eines Aktionsplans entwickeln, der die Stärkung des Dialogs und der Zusammenarbeit in den Bereichen von beiderseitigem Interesse einschließt, die in der Mitteilung der Kommission an den Rat über die strategische Partnerschaft EU-Brasilien vorgestellt werden und die selbstverständlich die Mercosur-Agenda einbezieht.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich bedanke mich dafür, dass ich die Möglichkeit habe, mich zu diesem sehr wichtigen Thema zu äußern. Wie ganz richtig festgestellt wurde, geht die Entscheidung, eine strategische Partnerschaft mit Brasilien einzurichten, zurück auf die erste Mitteilung der Kommission zu Brasilien, in der wir Vorschläge für die Entwicklung unserer Beziehungen zu Brasilien unterbreiteten, und der erste Gipfel zwischen der EU und Brasilien in Lissabon hat diese neue Beziehung bestätigt und untermauert.
Warum eine engere Beziehung mit Brasilien? Die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Brasilien ist eine natürliche Reaktion auf die geopolitischen Realitäten. Brasilien entwickelt sich zunehmend zu einem internationalen Akteur von großem Einfluss in Fragen von globaler Bedeutung wie dem Klimawandel, der Armutsbekämpfung, Frieden, Sicherheit und Multilateralismus. Brasilien hat sich zu einem geachteten Mitglied der Gemeinschaft der Entwicklungsländer entwickelt, was beispielsweise in seinem Vorsitz der G20 in der WTO oder seinem aktiven Engagement für den Süd-Süd-Dialog zum Ausdruck kommt.
Brasilien hat neue Partnerschaften mit allen wichtigen Akteuren wie China, Russland und den USA aufgebaut. Eine engere Partnerschaft mit Brasilien dürfte der Europäischen Union mit Blick auf ein Vorankommen in globalen Fragen von gemeinsamem Interesse sehr zugute kommen.
Die strategische Partnerschaft bietet einen geeigneten Rahmen, wie die Erfahrungen mit allen anderen Mitgliedern der BRICS-Gruppe gezeigt haben. Welche Auswirkungen wird diese Partnerschaft auf Lateinamerika und insbesondere die Mercosur-Region haben? Die Förderung der regionalen Integration ist eine der Säulen der Partnerschaft, was auch in der Mitteilung der Kommission klar zum Ausdruck kommt, und Brasilien sieht das ebenso. Diesen Standpunkt hat auch Präsident Lula auf dem EU-Brasilien-Gipfel sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
Ich kann die Bedeutung des Südkegels für die Europäische Union gar nicht genug betonen. Neben gemeinsamen kulturellen und politischen Werten wie Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit verfügt er über ein enormes Wirtschaftspotenzial, das die beiden einander wirtschaftlich ergänzenden Regionen erschließen können. Die EU ist der wichtigste Handels- und Investitionspartner des Mercosur. Jährlich überqueren Waren und Dienstleistungen im Wert von 50 Milliarden Euro den Ozean. Hinzu kommen die Investitionen der EU in den Mercosur-Ländern, die sich 2005 auf insgesamt etwa 100 Milliarden Euro beliefen.
Vor allem aber glauben wir aufrichtig an das Potenzial eines wirtschaftlich und politisch integrierten Mercosur. Die Einrichtung eines Fonds für strukturelle Konvergenz und des Mercosur-Parlaments sind äußerst ermutigende Signale. Die EU ist ein konsequenter Befürworter dieses Integrationsprozesses, den sie nicht nur mit Worten, sondern auch mit konkreten Taten unterstützt.
Die Europäische Union ist und wird auch künftig der quasi einzige Geber sein, der die Mercosur-Integration unterstützt. In den letzten fünf Jahren wurden Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro gebunden, und im Rahmen der derzeitigen Finanziellen Vorausschau (2007-2013) steht der gleiche Betrag zur Verfügung, der den institutionellen Aufbau des Mercosur, die Stärkung der Zivilgesellschaft und die wirtschaftliche Integration unterstützen soll.
Der Abschluss des Assoziationsabkommens mit dem Mercosur wäre im Integrationsprozess der Region ein enormer Schritt nach vorn. Deshalb setzt sich die Europäische Union nach wie vor für den Abschluss der Verhandlungen ein und möchte bei den Verhandlungen weiter vorankommen, sobald bezüglich der Doha-Entwicklungsrunde mehr Klarheit herrscht.
Die strategische Partnerschaft mit Brasilien ist eine Entscheidung zugunsten von Brasilien und zugunsten des Mercosur. Die beiden Ebenen der Beziehungen – national und regional – werden einander ergänzen und unterstützen. Keinesfalls wird die Partnerschaft die biregionalen Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur ersetzen.
Wir sind uns mit Brasilien vollkommen einig darüber, dass der Mercosur die einzige Plattform für unsere bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen ist und bleibt. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch unsere Zusammenarbeit mit Brasilien, dem größten Mercosur-Mitglied, den regionalen Integrationsprozess nachdrücklich unterstützen können. Die im Rahmen der Zusammenarbeit mit der EU gesammelten gemeinsamen Erfahrungen werden Brasilien ermutigen, die Bemühungen des Mercosur um die Errichtung eines gemeinsamen Marktes und einer politischen Union zu unterstützen.
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
Daniel Varela Suanzes-Carpegna, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der portugiesischen Präsidentschaft und dem Herrn Kommissar für ihre notwendigen und wichtigen Bemerkungen danken, mit denen sie auf den Wortlaut der klaren Anfrage des Ausschusses für internationalen Handel eingehen.
Brasilien ist bekanntlich ein großes und bewundernwertes Land mit einem gewaltigen Potenzial, das an einem entscheidenden Punkt seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung steht. Unsere beiderseitigen Beziehungen sind stabil, und wir können und müssen sie künftig noch ausbauen. Die besonderen Bindungen Brasiliens an Portugal und die Bindungen Portugals an Brasilien sind ebenfalls bekannt, geschätzt und von allen respektiert.
(PT) Wir verstehen sehr wohl die Haltung unserer guten und verehrten portugiesischen Freunde, ihre Interessen und ihre Bedenken, denn sie sind auch die unseren.
(ES) Doch die Europäische Union, die Kommission, der Rat und das Parlament haben sich stets für die Stärkung der regionalen Integration des Mercorsur ausgesprochen, sie haben mit dem Block Verhandlungen geführt und, so weit wie möglich, die regionale Konsolidierung unterstützt.
Wie hier gesagt wurde, spielt Brasilien dabei fraglos eine Schlüsselrolle. Wenn die Mitteilung der Kommission und die vorgeschlagenen strategischen Beziehungen mit Brasilien in diese Richtung gehen, um so besser. Das würde dem Europäischen Parlament Rückhalt geben, das hier in der Debatte und in der Abstimmung über den Bericht zu den Verhandlungen der Europäischen Union mit dem Mercosur, dessen Berichterstatter zu sein ich die Ehre hatte, der vor einem Jahr angenommen wurde und von dem ich hier spreche, seinen Standpunkt zum Ausdruck gebracht hat.
Deshalb musste das Parlament angesichts der Verwirrung, die diese Mitteilung hervorgerufen hat, sicherstellen, dass dieser Punkt geklärt wird und wir informiert werden.
Wir sind uns auch dessen bewusst, dass wir nicht ewig auf den Abschluss eines ambitiösen Abkommens zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur warten können, und wenn der Mercosur selbst keinen Fortschritt bei seiner Integration erzielt und die Verhandlungen der Europäischen Union mit dem Mercosur, mit oder ohne Doha-Abkommen, weiterhin stagnieren, müsste eine Entscheidung in dieser Frage getroffen werden, und da wäre erneut der wichtigste Punkt die Effektivität: ein bilaterales Abkommen mit Brasilien.
Doch bis das geschieht, Herr Präsident, meine Damen und Herren, besteht das Ziel in einem Abkommen mit dem Mercosur. Kurzum, Ja zu Brasilien, doch ohne die Verhandlungen mit dem Mercosur als Ganzem zu beeinträchtigen.
Erika Mann, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Wir haben im INTA-Ausschuss um diese Debatte gebeten, weil wir schlichtweg Sorge haben, da wir sehen, dass wir mehr und mehr Abkommen unterschiedlichen Charakters abschließen, die alle unsere Arbeit im Außenwirtschaftsbereich betreffen und die natürlich auch immer eine außenpolitische Komponente haben. Wir haben bilaterale Freihandelsabkommen, regionale Freihandelsabkommen, Partnerschaftsabkommen sowie strategische Abkommen, und wir machen uns einfach Sorgen, wie diese so zusammengebracht werden können, dass wir ein einheitliches europäisches Konzept haben, wie wir auf die Herausforderungen der Globalisierung im außenpolitischen und Außenwirtschaftsbereich antworten können.
Herr Kommissar, Sie haben mit Recht gesagt, dass Brasilien für uns ein wichtiges Land ist – ich bin im Übrigen sehr dankbar, dass die Ratspräsidentschaft anwesend ist –, und natürlich teilen wir alle diese Meinung. Es ist nicht nur ein wichtiges Land, es ist in vielfacher Hinsicht auch ein phantastisches Land. Nur, die Frage ist: Wie kann man dieses strategische Abkommen vernünftig fusionieren mit der gleichzeitigen Überlegung, ein regionales Abkommen mit Mercosur abzuschließen, das in einem sehr schwierigen Fahrwasser ist? Es ist ja nicht so, dass wir in den Verhandlungen glänzend dastehen. Es ist sehr kompliziert.
Parallel dazu wollen wir ein multilaterales Abkommen im Rahmen der Doha-Runde abschließen. Auch dieses Abkommen sieht nicht gerade so aus, als würden wir es als Glanzleistung über die Bühne bringen, wenn wir es überhaupt über die Bühne bringen. Also wie wollen Sie all das gleichzeitig parallel machen? Das ist unsere Frage.
Und gleichzeitig natürlich auch ein strategisches Abkommen. Welchen Charakter hat ein strategisches Abkommen? Es beinhaltet sehr vieles, wenn man sich das anschaut – zu Brasilien gibt es sehr viele politische Absichtserklärungen, alle sind sehr vernünftig. Und wiederum, wir von meiner Fraktion sind sehr froh, dass sie auch enthalten sind, aber wie wollen Sie das korrespondieren zu den anderen Mitgliedern z. B. in Lateinamerika, mit denen wir Freihandelsabkommen haben? Oder wie wollen Sie das wiederum so rückkommunizieren, dass eine einheitliche europäische Strategie in unsere Handelspolitik hineinkommt, so dass alle Partner das auch verstehen können?
Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar! Der Mercosur ist eine Realität, die der Europäischen Union viel zu verdanken hat. Gewiss ist der Mercorsur vor allem das Ergebnis einer freien und souveränen Entscheidung seiner Mitglieder, daran besteht kein Zweifel, seiner vier und bald fünf Mitglieder, wenn es, wie wir hoffen, keine Hindernisse für die noch ausstehende Ratifizierung des Antrags Venezuelas auf Mitgliedschaft gibt.
Deshalb ist er natürlich der Erfolg seiner Mitglieder. Doch klar ist auch, dass die Europäische Union seit seinen Anfängen 1985 mit der Erklärung von Foz de Iguazú und dem Vertrag von Asunción 1991 an seiner Seite stand, damals, da er noch in den Kinderschuhen steckte, und jetzt, da er eine Realität ist. Sie war dem Mercosur ganz nahe und hat seine Extistenz und seine Ziele unterstützt, geteilt und verteidigt, denn wir wussten, dass die regionalen Beziehungen zwischen dem einen und anderen regionalen Rahmen für sie und auch für uns viele Vorteile bringen.
Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament stets Unterstützung geleistet und dem Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur maximale Impulse verliehen, einem Abkommen, das sich behaupten kann, das ambitiös und auch ausgewogen ist, einem Abkommen, das neben den streng kommerziellen Aspekten auch ein politisches und institutionelles Kapitel sowie ein Kapitel zur Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beinhaltet.
Dies sind die Werte, für die das Europäische Parlament während seiner gesamten Beziehungen mit dem Mercorsur eingestanden ist. Und deshalb sind die Mitglieder dieses Parlaments, die sich im Ausschuss für internationalen Handel mit Außenhandelsfragen befassen, befremdet, wie meine Vorredner sagten, über die Ankündigung eines strategischen bilateralen Abkommens mit Brasilien.
Wir waren uns stets alle einig, dass der regionale Rahmen den effektivsten Weg zur Erreichung dieser Ziele und den eigentlichen Stützpfeiler unserer Beziehungen bilden würde. Es ist klar, dass die wachsende Rolle Brasiliens nicht nur Respekt, sondern auch aufrichtige Glückwünsche verdient. Präsident Lula und seine Regierung arbeiten am Ausbau einer führenden Rolle dieses Landes, das viel zur Stabilität der Region und zum Fortschritt für Millionen von Menschen beiträgt. Wenn wir die Zahlen betrachten, ist jedem bewusst, welch einen wichtigen Einfluss Brasilien auf unsere Handelsbeziehungen mit diesem uns am Herzen liegenden Teil der Welt ausübt und wie sein Gewicht stetig wächst.
Doch eine spezielle strategische Beziehung zwischen der Europäischen Union und Brasilien, wie sie am 30. Mai verkündet wurde, birgt die Gefahr, den regionalen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur zu schaden.
Wir haben gehört, dass der Herr Staatssekretär und der Herr Kommissar versuchen, uns in dieser Hinsicht zu beruhigen, und wir haben ihre Erklärungen vernommen. Doch wir fordern, das Parlament bei diesen Verhandlungen auf dem Laufenden zu halten, denn wir alle verstehen, dass ein spezielles strategisches Abkommen mit Brasilien theoretisch möglich ist, doch wir wollen nichts, was die regionalen Beziehungen schwächen würde, und es erhielte auch nicht unsere Unterstützung.
Liam Aylward, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Das brasilianische Rindfleisch und die damit verbundenen Probleme beherrschen noch immer die Schlagzeilen, zumal davon auch die europäischen Landwirte und Verbraucher betroffen sind. Als irisches Mitglied des Europäischen Parlaments habe ich bei einem Zusammentreffen mit dem brasilianischen Botschafter bei der Europäischen Union im Mai dieses Jahres und noch einmal Ende August meine Bedenken bezüglich der brasilianischen Rindfleischexporte in die EU zum Ausdruck gebracht. Sie betreffen das illegale Entfernen von Marken, den Schmuggel von Rindern aus Gebieten mit Maul- und Klauenseuche über die Grenze und unzureichende Tests der Rinder.
Die EU verfolgt zu Recht eine Politik der Regionalisierung, wonach bei einem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in einem Land nur das betroffene Gebiet von der Rindfleischausfuhr ausgenommen wird. Diese Politik hat sich 2001 in Irland und in diesem Sommer im Vereinigten Königreich bewährt, da unverzüglich strenge Maßnahmen der Rückverfolgbarkeit ergriffen wurden. Ein solches Niveau der Rückverfolgbarkeit existiert in Brasilien nicht, und das ist aus EU-Sicht inakzeptabel. In der EU müssen Rinderzüchter strenge von der Kommission vorgegebene Auflagen erfüllen. Ich fordere die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass die gleichen Standards und Regelungen, wie sie derzeit in der EU gelten, in Brasilien angewendet werden, um gleiche Ausgangsbedingungen für alle Beteiligten zu schaffen. Ich freue mich, dass Kommissarin Fischer Boel nächsten Monat Brasilien besuchen wird, und ich hoffe, dass sie danach eine Antwort auf die berechtigten Sorgen der europäischen Landwirte und Verbraucher haben wird.
Alain Lipietz, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Ich denke, wir sollten nicht um den heißen Brei herumreden. Das Problem ist nicht der Respekt, den wir diesem bedeutenden Land Brasilien schulden, das Problem ist die derzeit stattfindende Wende in den internationalen Beziehungen.
Herr Mandelson und offenbar die Generaldirektion Handel haben das Ideal des Multilateralismus aufgegeben und sich der bilateralen Praxis der USA angeschlossen. Bisher bestand das Markenzeichen der europäischen Position im internationalen Handel darin, dass man zumindest einen Bi-Regionalismus angestrebt hat, also Gespräche von Region zu Region. Nun heißt es, man spreche mit Brasilien, wie man auch mit Indien spricht: als ob man in gewisser Weise die Erinnerung an den britischen Imperialismus mittels der Erinnerung an einen portugiesischen oder spanischen Imperialismus kompensieren müsste! Indien ist zweieinhalb mal so groß wie Europa, einschließlich der Türkei. Indien ist dreimal so groß wie ganz Lateinamerika.
Unser Ziel ist die Schaffung einer multipolaren Welt. Wir müssen also zunächst die Vereinigung des Mercosur und der Andengemeinschaft unterstützen, danach die Vereinigung der gesamten südamerikanischen Staatengemeinschaft.
Insofern haben wir nichts gegen Gespräche, sei es mit Bolivien oder auch mit Brasilien, aber wir müssen immer im Hinterkopf behalten, dass es uns um Vereinigung und nicht um Spaltung gehen muss. In der Rangfolge unserer Prioritäten muss der Mercosur vor Brasilien stehen, und wenn wir Gespräche mit Brasilien führen, müssen wir die Konsequenzen bedenken, die dies, auch in Bezug auf unsere Verhandlungen mit dem ASEAN im Zuckersektor, nach sich ziehen kann.
Helmuth Markov, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar! Auch wenn die Verhandlungen mit dem Mercosur nur langsam vorankommen, sollte die EU der Regierung Brasiliens und unseren anderen Partnern das eindeutige Signal senden, dass sie keine bilateralen Abkommen mit einzelnen Regierungen abschließen wird, die den Integrationsprozessen in den jeweiligen Regionen entgegenstehen: nicht mit Brasilien, das Mitglied des Mercosur und in Zukunft potenziell der Unasur ist, nicht mit Kolumbien oder Peru, die Mitglieder der Andengemeinschaft sind und ebenfalls potenzielle Mitglieder der Unasur.
Die Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit dem Mercosur sind keine Kleinigkeiten. Die Zukunft der Landwirtschaft, nicht nur die der großen Agrarindustrie, und des Dienstleistungssektors, Industrialisierung, Technologietransfer, Zugang zu Medikamenten, das sind alles Fragen, auf die wir gemeinsam mit unseren lateinamerikanischen Partnern Antworten finden müssen, wenn es uns tatsächlich um echte Kooperation mit dieser Region geht. Unser Ziel sollte ein Kooperationsprozess sein, bei dem die Interessen der Bürger im Mittelpunkt stehen. Zusammenarbeit darf sich nicht nur darauf beschränken, Marktanteile und Zugang zu Energie und Wasser aufzuteilen oder Patente auf geistiges Eigentum zu verteilen.
Meine Fraktion hat es sehr begrüßt, dass Brasilien auch gegen die Einwände der Pharmaindustrie wichtige Schritte unternommen hat, um – wie Thailand – den Zugang zu Medikamenten zu verbessern. Solche Schritte sollten von Kommission und Rat unterstützt werden. Wir begrüßen auch, dass Brasilien sich bereit erklärt hat, das Problem der Zerstörung des Regenwaldes im Amazonasgebiet zu diskutieren, denn das ist essenziell für die Stabilisierung des Klimas.
Auch wenn sich die Zerstörung in den letzten zwei Jahren verlangsamt hat, gestoppt ist sie nicht. Das Drängen sowohl der Europäischen Union als auch der USA und anderer Akteure um Zugang zu Biokraftstoffen, insbesondere Ethanol, statt ihr Konsumverhalten besser zu kontrollieren, ist eine weitere Gefahr für den Regenwald und die Nahrungsmittelsicherheit.
Gelegentlich hören wir von brasilianischen Behörden, dass das Land seine Agrarindustrie ausbauen muss, um seine finanzielle Situation zu verbessern, weil es insbesondere vor dem Problem der Auslandsverschuldung steht. Wie Sie wissen, versuchen neue Regierungen in der Region, neue Wege zur Lösung dieses Problems zu gehen. Bolivien, Ecuador, Nicaragua, Venezuela, Paraguay und Argentinien haben sich zusammengeschlossen, um eine Bank des Südens zu schaffen und damit unabhängig von Weltbank und IWF zu werden. Das ist auch eine gute Neuigkeit, selbst wenn wir als Europäische Union Anteilseigner an den anderen Banken sind und dadurch Kreditvergaben einbüßen. Aber dann müssen wir eben unsere Art und Weise der Konditionalität beenden.
Die Europäische Union sollte dabei nicht passiv zuschauen, sondern aktiv werden und diese Ansätze, die völlig im Einklang mit unseren eigenen Zielen der Kooperation und des Umweltschutzes stehen, bestärken und ausbauen.
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Es ist vielsagend, dass die neue bilaterale strategische Partnerschaft mit Brasilien unter portugiesischem Vorsitz zustande gekommen ist. Ich schätze die Tatsache, dass jeder Mitgliedstaat während seiner Ratspräsidentschaft Spielraum hat, der EU-Politik seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Allerdings sei hinzugefügt, dass die Mitgliedstaaten diesen Spielraum nur nutzen sollten, solange sie die Kontinuität der derzeitigen politischen Agenda der EU nicht außer Acht lassen.
Gerade aus diesem Grund teile ich die Sorge, die ich in der hier von uns erörterten Frage spüre. Die Europäische Union strebt schon seit geraumer Zeit den Abschluss eines interregionalen Assoziationsabkommens mit dem Mercosur an. Dieses Ziel wird durch die bilaterale strategische Partnerschaft mit Brasilien durchkreuzt.
Erstens, die anderen Mercosur-Länder fühlen sich durch die Europäische Union betrogen. Anstelle eines interregionalen Abkommens bevorzugt die Union offensichtlich eine bilaterale Vereinbarung. Von der Kommission möchte ich daher wissen, welche Initiativen sie ergreift, um diese Bedenken in Ländern wie Argentinien, Uruguay, Paraguay zu zerstreuen. Die Handelsbeziehungen mit diesen Ländern sind für die Union ebenso wichtig.
Ein zweiter Grund für meine Sorge um den Mercosur liegt in der Stabilität und dem politischen Kurs dieser Zusammenarbeit. In den letzten Jahren ist deutlich zu erkennen, dass sich Brasilien als natürlicher Führer des Kontinents auf globaler Ebene nachdrücklicher profilieren möchte. Dies äußert sich nicht nur in einer selbstbewussteren Rolle innerhalb der WTO, sondern beispielsweise auch in dem Wunsch nach einem Sitz im Sicherheitsrat.
Das führt dazu, dass Brasilien weniger Interesse an seiner eigenen Rolle auf dem Kontinent zeigt. Der Mercosur nimmt schließlich nur 10 % der brasilianischen Exporte ab. Die Bereitschaft des Landes zu Investitionen in anderen Mercosur-Ländern scheint daher auch weniger ausgeprägt zu sein. Mit seinem Erscheinen auf der Weltbühne zeigt Brasilien, dass es sich seiner Rolle in der Region entwachsen fühlt.
Die Kehrseite dieser brasilianischen Politik ist die Bedrohung der Stabilität und des politischen Kurses des Mercosur. Nach dem Rückzug Brasiliens strebt Venezuela die führende Rolle innerhalb des Mercosur und damit auf dem gesamten Kontinent an. Mit Ölgeldern und antiwestlicher Rhetorik bemüht sich Chávez um eine Stärkung seiner Position in der Region. Venezuela verfolgt eine protektionistische, nach innen gerichtete Wirtschaftspolitik, in der wichtigen Wirtschaftszweigen die Wiederverstaatlichung droht. Für Freihandel und Öffnung der Märkte gibt es mittlerweile keinen Raum mehr. Ich nehme an, der Rat und die Kommission sind sich bewusst, dass diese Entwicklungen Folgen für die Länder Südamerikas haben werden, auf jeden Fall jedoch auch für die Wirtschafts- und Handelsinteressen der Union in diesem Gebiet.
Ich appelliere an den Rat und die Kommission, die Existenz einer bilateralen Partnerschaft mit Brasilien zur Umkehr der von mir soeben geschilderten Tendenz zu nutzen. Die Union muss Brasilien dazu bringen, dass es das neue politische Gewicht der bilateralen Partnerschaft mit der EU in die Waagschale wirft, um erneut politische Führung innerhalb des Mercosur und auf dem Kontinent an den Tag zu legen. Damit soll die weitere Ausdehnung der isolationistischen Politik von Ländern wie Venezuela und Bolivien auf dem Kontinent verhindert werden.
Gestatten Sie mir abschließend eine Bemerkung zum Inhalt der Partnerschaft. Nach meinem Dafürhalten sollte sich die EU-Partnerschaft mit Brasilien inhaltlich nicht nur auf Themen wie Bioethanol konzentrieren, sondern gleichermaßen darauf, die Doha-Runde auf den Weg zu bringen. Die Rolle Brasiliens bestand bis heute doch vorwiegend in dem Erzielen einzelner Erfolge im Agrarbereich, in Bezug auf NAMA und Dienstleistungen indes ist das Land wahrlich nicht kompromissbereit.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Meines Erachtens sollten die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur in den kommenden Monaten Vorrang in unserer Arbeit haben. Trotz der zahlreichen Probleme, die wir gegenwärtig haben, überwiegen die Vorteile der multilateralen Zusammenarbeit mit dieser Region, da die Zusammenarbeit mit allen mit dem Mercosur assoziierten Staaten aufrechterhalten und gleichzeitig vertieft werden kann, und zwar unabhängig von deren ökonomischer Position in der Region.
Der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur könnte die Schaffung der größten Freihandelszone der Welt zum Ergebnis haben, was sich in einem signifikanten Anstieg des Handelsvolumens niederschlagen und die Position beider Partner, der Europäischen Union und der Mercosur-Länder, in der Weltwirtschaft stärken wird. Es liegt auf der Hand, dass von einem solchen Abkommen vor allem Klein- und Mittelbetriebe sowohl in der EU als auch in Lateinamerika profitieren werden, und uns allen ist klar, dass expandierende KMU neue Arbeitsplätze bedeuten, hochwertigere Dienstleistungen und soziales Wohlergehen.
Meines Erachtens ist die Partnerschaft mit Brasilien, unserem größten Partner in dieser Region, von besonderer Bedeutung, und wir sollten sie ausbauen. Das sollte jedoch im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Mercosur geschehen, und das bedeutet, dass wir zunächst eine Vereinigung unter der Schirmherrschaft des Mercosur bilden müssen. Erst dann können wir auf dieser Grundlage die bilaterale Zusammenarbeit mit einzelnen lateinamerikanischen Ländern aufnehmen. Der Ausbau der Zusammenarbeit mit nur einem Land der Region könnte sich nachteilig auf frühere Abkommen auswirken und sich zu einem Faktor entwickeln, der die Arbeit an einem Assoziationsabkommen mit dem Mercosur behindert.
Deshalb sollte meiner Ansicht nach, und das möchte ich nochmals betonen, der Abschluss einer ehrgeizigen Vereinbarung mit dem Mercosur, die für alle Beteiligten – die EU und die lateinamerikanischen Länder, die sich zum Mercosur zusammengeschlossen haben – von Vorteil ist, für uns Vorrang haben, und als stärkstes Land der Region sollte Brasilien der Motor für diesen Verhandlungsprozess sein.
Edite Estrela (PSE). – (PT) Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die strategische Partnerschaft EU-Brasilien schadet weder dem regionalen Gleichgewicht noch den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der EU mit anderen Partnern Lateinamerikas. Ganz im Gegenteil, befördert sie, wie in der Gemeinsamen Erklärung des Gipfels EU-Brasilien vom vergangenen 4. Juli bekräftigt wird, diese Beziehungen.
Die heutige Anfrage hat das Verdienst, eine Diskussion über die Beziehungen EU-Lateinamerika und EU-Brasilien – beide äußerst wichtig – anzustoßen. Wie bereits erklärt wurde, füllt die Partnerschaft zwischen der EU und Brasilien eine Lücke. Es war inakzeptabel, dass in den strategischen Partnerschaften der Europäischen Union mit den BRIC-Ländern das „B“ für Brasilien fehlte. Der portugiesische Ratsvorsitz tat deshalb gut daran den Gipfel EU-Brasilien zu fördern, ähnlich wie er es 2000 mit dem ersten Gipfel EU-Indien, der den Beziehungen zu den übrigen Ländern der Region nicht zum Nachteil gereichte, getan hat.
Deshalb sind jetzt die Voraussetzungen, damit Europa den Beziehungen zum Mercosur und den Doha-Verhandlungen einen neuen Impuls verleihen kann, besser. Die Verstärkung des Dialogs zwischen der EU und Brasilien ist deshalb mehr als sinnvoll, da er die Vertiefung der Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen wie Energiesicherheit und nachhaltige Entwicklung, biologische Vielfalt, Klimawandel, Kampf gegen Armut und Ausgrenzung, Förderung der Demokratie und der Menschenrechte usw. ermöglicht. Aufgrund seines demografischen Gewichts, seiner wirtschaftlichen Entwicklung und politischen Stabilität ist Brasilien zwangsläufig ein Hauptakteur auf der internationalen Bühne.
Europa kann nur gewinnen, wenn es Brasilien als einen strategischen Partner betrachtet. Wie der Herr Staatssekretär bereits erklärte, darf die Beziehung zwischen der Union und Brasilien nicht nur in einem rein wirtschaftlichen Kontext gesehen werden. Dies wäre eine beschränkte Sichtweise, die die historischen Bande, die kulturellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten, die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und die zahlreichen gemeinsamen Interessen auf den verschiedensten Gebieten außer Acht lässt.
Johan Van Hecke (ALDE). – (NL) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Glauben die Südamerikaner selbst noch an ein interregionales Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur? Genau diese Frage sollten wir uns meines Erachtens stellen. Die Mercosur-Länder beschreiten zwei unterschiedliche Wege in der Handelsstrategie. Einerseits die Weiterentwicklung des Mercosur, aber andererseits wie im Falle Brasiliens der Abschluss möglichst vieler bilateraler Handelsabkommen, um die eigene Marktstellung zu sichern, notfalls auf Kosten anderer Mercosur-Mitglieder. Mitunter ähnelt es einer Mischung aus argentinischem Tango und brasilianischer Samba. Und dennoch, solange beide Seiten, EU und Mercosur, weiterhin an den Nutzen einer breiten Zusammenarbeit zwischen beiden Kontinenten glauben, besteht Hoffnung, trotz des Drucks vonseiten des US-Präsidenten Bush zur Schaffung einer Amerikanischen Freihandelszone. Mit 34 Ländern ist der Enthusiasmus der Mercosur-Mitglieder nicht eben groß. Sie sind enttäuscht über die mangelnde Unterstützung durch die USA während der jüngsten schweren Wirtschaftskrise. Europa gilt schon jetzt als wichtigster Handelspartner des Mercosur, obgleich es noch ein immenses Wachstumspotenzial zwischen beiden Handelsblöcken gibt. Wenn wir dann noch etwas gegen die Uneinigkeit der Mercosur-Länder unternehmen können, beispielsweise durch Zusammenarbeit bei multilateralen Handelsgesprächen wie der WTO, in denen die EU und der Mercosur nicht selten gemeinsame Interessen haben, dann kommen wir einem interregionalen Abkommen vielleicht erneut ein wenig näher.
Seán Ó Neachtain (UEN). – (GA) Herr Präsident! Ich möchte eine Bemerkung zum Handel zwischen Europa und Brasilien machen, und zwar zum Standard, der hier in Europa für die Fleischproduktion gilt, und zu den strengen Regeln, die wir für den europäischen Fleischhandel vorschreiben. Ungeachtet dessen akzeptieren wir, dass Fleisch aus Brasilien – wo derartige Vorschriften nicht gelten – eingeführt wird. Meines Erachtens ist es an der Zeit, dass sich die Kommission selbst mit der Angelegenheit befasst und eigene Fragen stellt. Warum gibt es einen so großen Unterschied zwischen den hier einzuhaltenden strengen Normen und dem in Brasilien erlaubten Standard, was die Rückverfolgbarkeit des Fleischs, die Kennzeichnung des Viehbestands und die Maul- und Klauenseuche angeht? Es ist an der Zeit, dass die Kommission diese Fragen anspricht, da die große Diskrepanz im Bereich der Normen die Kunden ernsthaft beunruhigt. Der Handel ist die eine Sache; die Gesundheit für das Leben ist aber eine ganz andere.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar! Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass Brasilien aufgrund seiner Größe, seiner Bevölkerungszahl, seiner Naturreichtümer und vor allem seiner Rolle auf der internationalen Bühne – ich denke an die Rolle, die das Land bei der Reform des Systems der Vereinten Nationen, in der Frage des gesamten Themas des Klimawandels und der Debatte über Energieressourcen spielt – die von der Kommission vorgelegte Mitteilung insofern völlig rechtfertigt, als eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und dem großartigen Land Brasilien von Nutzen sein kann.
Und diese strategische Partnerschaft muss nach meiner Auffassung drei Sichtweisen beinhalten: eine globale, eine regionale und eine bilaterale.
Doch es ist eine Sache, Brasilien die Behandlung zuteil werden zu lassen, die ihm als wichtiges Land zukommt, eine andere, dass die Europäische Union ihre bisherigen Bemühungen um den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur nicht fortsetzt. Meiner Meinung nach hatte die Kommission das mit ihrer Mitteilung nicht beabsichtigt; ich denke, wir können aus dieser Mitteilung eindeutig schließen, dass die beiden Hypothesen völlig miteinander vereinbar sind: auf der einen Seite die strategische Dimension mit Brasilien und auf der anderen eine entschlossene Unterstützung der Integrationsprozesse, von denen die Europäische Union das vollkommenste und sichtbarste Beispiel darstellt.
Eine andere Frage ist, dass das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur nicht zu den Bedingungen zustande kommt, die wir uns gewünscht hätten, und dieses Abkommen wird jetzt schon zu lange hinausgezögert. Die Frage ist legitim: Bis wann wird die Europäische Union noch auf den Abschluss dieses Abkommens warten?
Meines Erachtens müssen wir die regionalen Integrationsprozesse unterstützen, und nur mit dieser Perspektive, nur in dieser Dimension werden wir die Vorteile der Vereinigung und Integration verstehen.
David Martin (PSE). – (EN) Herr Präsident! Die Prioritäten dieses Hauses bei Handelsverhandlungen sind klar. Erstens wollen wir eine erfolgreiche multilaterale Runde. Zweitens wollen wir erfolgreiche biregionale Absprachen und für den Notfall – aber nur für den Notfall – streben wir eine Verbesserung der bilateralen Absprachen an.
Ich muss zugeben, dass ich, als ich das erste Mal von der Priorität hörte, die wir dem strategischen Partnerschaftsabkommen mit Brasilien einräumen, das Gefühl hatte, dass wir ein Land belohnen, das bei den multilateralen Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde zu unseren schwierigsten Partnern zählte. Ich dachte auch, dass wir damit den Mercosur unterminieren, denn ohne Brasilien gibt es keinen Mercosur. Doch nachdem ich mir die Ausführungen des Rates heute Morgen angehört und mit meinen portugiesischen Kollegen gesprochen habe, bin ich überzeugt davon, dass ein erfolgreiches strategisches Partnerschaftsabkommen mit Brasilien die Doha-Runde tatsächlich erleichtern könnte, wenn es uns gelingt, Einvernehmen zwischen uns und einem der Hauptakteure von Doha zu erzielen.
Wenn es uns gelingt, Lösungen für einige unserer komplexeren wirtschaftlichen Probleme zu finden, so würde dies den Abschluss des Mercosur-Abkommens erleichtern, und natürlich würde ein gutes Abkommen mit Brasilien signalisieren, dass wir das Land bei der Lösung seiner größten innenpolitischen Probleme, dem Kampf gegen soziale Ausgrenzung und Armut, unterstützen. Ich bin zwar noch nicht vollends überzeugt, aber mir ist klarer geworden, dass ein Abkommen zwischen der EU und Brasilien heute wünschenswerter ist als noch vor einigen Wochen.
Nathalie Griesbeck (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In einem internationalen geopolitischen Kontext, der sich in einem immer stärker ausgeprägten Wandlungsprozess befindet, hat unser Parlament bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es die Stärkung einer Partnerschaft zwischen unseren beiden Kontinenten mit unbeirrbarer Entschlossenheit voranbringen möchte.
Meines Erachtens muss der Mercosur diese neue Einheit bilden. Er kann uns bei der Suche nach ehrgeizigen, ausgewogenen und politischen Antworten auf die Fragen aus den Bereichen Energieversorgung, Reduzierung des Treibhauseffekts oder auch Qualität unserer Agrarerzeugnisse unterstützen.
Diese regionale Einbindung Südamerikas kann aber weder vorangebracht werden noch effizient sein, wenn wir lieber Handelsgespräche mit einem der Mercosur-Mitgliedstaaten führen, als partnerschaftlich mit der neuen Organisation in ihrer Gesamtheit zusammenzuarbeiten.
Ich persönlich setze mich dafür ein, dass die regionale Einbindung, die meines Erachtens eine Triebfeder für Stabilität und Wohlstand in dieser Weltregion, wie übrigens auch für uns selbst, darstellt, unterstützt und begleitet wird. Außerdem fände ich es bedauerlich, wenn sich die Mercosur-Mitgliedstaaten aufgrund unseres fehlenden politischen Willens von diesem wichtigen Vorhaben abwenden und somit diese Chance für unsere beiden Kontinente, den lateinamerikanischen und den europäischen Kontinent, nicht ergreifen würden.
Dies würde uns eindeutig von der US-Politik unterscheiden, die auf die Einrichtung einer ausgedehnten wirtschaftlichen Freihandelszone abzielt, die den gesamten amerikanischen Kontinent umfassen soll.
Luís Queiró (PPE-DE). – (PT) Stellen wir uns die Frage nach dem Beitrag einer strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Brasilien für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und dem Mercosur mit Blick unter anderem auf den Abschluss des so ersehnten und so oft hinausgeschobenen Abkommens, kann es nach meinem Dafürhalten nur eine einzige Antwort geben: Dieser Beitrag ist außerordentlich wichtig.
Gleichzeitig muss unterstrichen werden, dass eine strategische Partnerschaft zwischen der Union und Brasilien immer gerechtfertigt ist und dass der einzige Makel die bereits verlorene Zeit ist. Von den vier so genannten BRIC-Ländern – Brasilien, Russland, Indien und China – war Brasilien das einzige Land, mit dem die Union bis zum Gipfel am vergangenen 4. Juli kein Treffen auf höchster Ebene durchgeführt hat. Das ist umso ungewöhnlicher, wenn wir bedenken, dass Brasilien die größte regionale Macht in Südamerika ist. Es ist eine Demokratie mit den jungen Demokratien innewohnenden Schwächen, die für dieselben Werte wie wir eintritt. Es ist ein traditioneller und verlässlicher Verbündeter und ein extrem wichtiger Wirtschaftspartner sowohl auf regionaler Ebene als auch auf Ebene der Weltwirtschaft.
Aus all diesen Gründen ist eine strategische Partnerschaft mit Brasilien gerechtfertigt, denn es ist als Land an sich ein strategischer Partner der Europäischen Union. Aber es gibt darüber hinaus noch weitere Gründen für die Vertiefung der Beziehung zu Brasilien und die Entwicklung einer strategischen Partnerschaft. Wie in der Mitteilung der Kommission zum Ausdruck gebracht wird, kann und muss diese Beziehung ein Motor für die Entwicklung des Dialogs mit dem Mercosur sein. Die beiden Partnerschaften stehen nicht im Widerspruch zueinander, sie ergänzen einander. Darüber hinaus kann und muss sie ein Faktor sein, der der Suche nach Lösungen im Rahmen der Welthandelsorganisation förderlich ist. Und schließlich kann und muss die Beziehung ein Zeichen dafür sein, dass die Europäische Union die besondere Bedeutung dieses Landes in den internationalen Beziehungen anerkennt und sie dieser Tatsache im Rahmen der Diskussion über die Reform der Vereinten Nationen Rechnung tragen wird.
Herr Präsident, es wird immer notwendiger, dass die Europäische Union auf globaler Ebene als Wirtschaftspartner agiert. Die strategische Partnerschaft mit Brasilien ist ein Signal dafür, dass wir diesen Weg weiter verfolgen wollen. Das ist der Weg, den wir beschreiten müssen, wenn wir ein Abkommen mit dem Mercosur erreichen wollen. Der Ausschluss Brasiliens aus den privilegierten bilateralen Beziehungen wäre eine Ungerechtigkeit und vor allem ein schwer wiegender politischer Fehler.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Herr Präsident! Ich möchte die Bedeutung dieses Dokuments unterstreichen. Als Mitglied der Delegation EU–Mercosur möchte ich gleichzeitig die Bedeutung der Region hervorheben. Es ist eine große und bevölkerungsreiche Region, die viel versprechend ist und der zu mehr Wirtschaftswachstum verholfen werden muss.
Diese Region verfügt über viele natürliche Ressourcen, und die Europäische Union nimmt in der Tat 25 % der Ausfuhren aus der Mercosur-Region auf. Die Unterstützung dieser Region ist wichtig für ihre wirtschaftliche Entwicklung sowie für ihre industrielle Entwicklung; ihre Rolle beim Klimawandel wird außerordentlich wichtig sein, und aus diesem Grund müssen wir die regionale Integration unterstützen.
Gemäß der Strategie für 2007-2013 ist ein Fünftel der Haushaltsmittel für die Beziehungen zum Mercosur für die Finanzierung der Bildung und den Aufbau der Informationsgesellschaft vorgesehen. Das ist äußerst wichtig, wenn wir bedenken, dass die Analphabetenrate in Brasilien bei ungefähr 90 % liegt. Meiner Meinung nach spielt Brasilien auch deswegen eine wichtige Rolle, weil fast die Hälfte der Bevölkerung der Mercosur-Region in diesem Land lebt. Ich betone nochmals, dass der Klimawandel äußerst wichtig ist und dass der Region eine wichtige Rolle zukommt.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Es steht außer Zweifel, dass Brasilien eine bedeutende Rolle in der Weltwirtschaft spielt. Daher ist ein weiterer Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Brasilien wünschenswert.
Die EU ist der wichtigste Handelspartner von Brasilien, während Brasilien auf Rang zwölf der wichtigsten Handelspartner der EU rangiert. Die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Brasilien sollte meines Erachtens keinen Keil in den En-bloc-Ansatz gegenüber der Mercosur-Region treiben.
Dennoch kann diese Beziehung in zweierlei Hinsicht eine ergänzende Rolle spielen. Zum einen bei den multilateralen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) und zum anderen im Hinblick auf den Freihandelsraum zwischen der EU und dem Mercosur. Dieses Gebiet wird das größte Gebiet der interregionalen Zusammenarbeit sein; es wird ein Schlaglicht auf die schleppenden Fortschritte in den in Frage stehenden multilateralen Verhandlungen und den interregionalen Verhandlungen werfen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Fortschritten bei den Verhandlungen beider Bereiche.
Beim Freihandelsraum zwischen der EU und dem Mercosur sind so wie bei der Doha-Runde der WTO Probleme in Bezug auf den Handel mit Agrarerzeugnissen aufgetreten. Brasilien kommt hier eine besonders wichtige Rolle zu. In Anbetracht seines Einflusses auf die wirtschaftliche Stabilität und die Integration in der Region sollte Brasilien einen kreativen Beitrag zu einem ausgewogenen und ehrgeizigen Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur leisten.
Auf der Ebene der WTO kann Brasilien nicht erwarten, dass sich nur die Märkte für Agrarerzeugnisse in den entwickelten Mitgliedstaaten weiter öffnen. Herr Kommissar, Herr Ratsvorsitzender, so wie andere aufstrebende Volkswirtschaften muss auch Brasilien seinen Teil der Verantwortung in den laufenden Verhandlungen der Doha-Runde übernehmen, indem es sich ernsthaft zur Öffnung besonders protektionistischer Märkte verpflichtet und die Vorschriften und Regeln der WTO einhält.
Józef Pinior (PSE). – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Minister! Ich möchte eingangs feststellen, dass der portugiesische Ratsvorsitz nach meiner Überzeugung im Hinblick auf die Gestaltung einer strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Brasilien die richtige Strategie verfolgt. Meines Erachtens sollte die Europäische Union diese Partnerschaft schnellstmöglich in die Wege leiten und unter Dach und Fach bringen. Brasilien spielt in der modernen globalisierten Welt eine klare wirtschaftliche und kulturelle Rolle, und auch auf der Ebene der UNO spielt Brasilien eine eindeutige Rolle.
Eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Brasilien verleiht der beiderseitigen Zusammenarbeit neue Impulse und wird sich positiv auf die aktuelle politische, kulturelle und wirtschaftliche Ordnung im Weltmaßstab auswirken. Ich wiederhole, sie wird zur Verbesserung der politischen Harmonie im globalen Maßstab beitragen.
Ich glaube nicht, dass diese strategische Partnerschaft die Entwicklung einer strategischen Partnerschaft mit dem Mercosur in irgendeiner Weise behindern wird. Eine Partnerschaft mit dem Mercosur erfordert eine strategische Partnerschaft mit Brasilien.
Vasco Graça Moura (PPE-DE). – (PT) Die Durchführung des Gipfeltreffens mit Brasilien stand von Anfang an auf dem Programm der portugiesischen Ratspräsidentschaft. Es lag auf der Hand, dass die Seiten vorschlagen würden, die Grundlagen für eine strategische Partnerschaft zu legen. Es macht also keinen Sinn, wenn wir uns jetzt über die Gleichgültigkeit gegenüber dem Mercosur und die unangebrachte beziehungsweise übereilte Begünstigung Brasiliens überrascht oder besorgt zeigen.
Das Gewicht, das der brasilianische Handelsmarkt für die europäischen Exporteure hat, darf nicht unterschätzt werden. Die Europäische Union darf die Möglichkeit, eine strategische Partnerschaft mit Brasilien zu entwickeln, nicht verspielen. Die Fakten zeigen, dass die jeweiligen Beziehungen der Europäischen Union zum Mercosur und zu Brasilien bereits jetzt dazu verurteilt sind, in zwei Geschwindigkeiten voranzuschreiten. Das ist nicht das Bestmögliche, aber es zeigt sich nicht, dass die höhere dieser Geschwindigkeiten der anderen zum Nachteil gereicht. Im Gegenteil, sie kann sogar ein größerer Anreiz für eine gewisse Beschleunigung sein.
Brasilien ist heute eine aufstrebende Weltmacht, die einzige von allen Mitgliedstaaten des Mercosur mit einem Anteil von 85 % am Mercosur-Markt. Es ist eine repräsentative Demokratie, einer der wichtigsten Handelspartner der Europäischen Union und ein Land, dessen 200 Millionen Einwohner eine der weltweit am weitesten verbreiteten europäischen Sprachen – Portugiesisch – sprechen und dessen zivilisatorische und kulturelle Werte eng verwandt mit den europäischen sind. Ungeachtet der Vorteile, die ein echter Fortschritt in den Beziehungen mit dem Mercosur für die Europäische Union bedeuten würde, gab es noch gibt es meiner Ansicht nach gewichtige Argumente, den Fortschritt und die Vertiefung unserer Beziehung zu Brasilien hinauszuzögern. Es ist auch nicht Aufgabe der Europäischen Union, die internen Höhen und Tiefen zwischen den Mitgliedstaaten des Mercosur im Auge zu behalten.
Gegenteiliges zu denken und die Umsetzung der für die Union äußerst wichtigen Ziele auf ungewisse Zeit zu verschieben, hieße, bei allem Respekt, sich einem mit der gegenwärtigen Situation unvereinbaren Wunschdenken hinzugeben und so zu tun, als hätten sich unsere Absichten und Wünsche erfüllt, während dies nicht der Fall ist und wir nicht wissen, wann dies der Fall sein wird.
Sérgio Sousa Pinto (PSE). – (PT) Der Versuch der regionalen Integration im Mercosur ist im Wesentlichen sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich erfolgreich verlaufen. Der Beitrag des Mercosur zur Stärkung der Demokratie in der Region und der Anstieg des Handelsvolumens innerhalb dieses Blocks sind unstrittig.
In der Tat befinden sich die Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur gegenwärtig in einer Sackgasse, weil man darauf wartet, dass die Doha-Runde zu neuen Kompromissen und Vereinbarungen als möglichen neuen Ausgangspunkt für unsere bilateralen Handelsgespräche führen wird. Auch wenn ich nicht als zu pessimistisch erscheinen möchte – wir laufen Gefahr, dass das einzige Ergebnis der Doha-Gespräche darin bestehen wird, dass wir kostbare Zeit verstreichen haben lassen. Die EU muss zum Erfolg der südamerikanischen regionalen Integration beitragen und dazu alles in ihrer Macht Stehende für den Erfolg der Verhandlungen zwischen den beiden Blöcken unternehmen.
Unsere Beziehung muss viel mehr umfassen als nur ein reines Freihandelsabkommen. Zur Diskussion steht hier ein globales Abkommen, das weit über Zahlen und Mengen von Handelsgütern hinausgeht. Das Assoziierungsabkommen schließt die Zusammenarbeit und den politischen Dialog als wesentliche Grundpfeiler unserer zukünftigen Beziehung ein.
Niemand zweifelt heute daran, dass die Europäische Union Iberoamerika und sein bedeutendes Instrument, den Mercosur, für ihr Ziel einer ausgewogeneren und multilateralen internationalen Ordnung braucht.
Die Gemeinsame Erklärung des Präsidenten der Europäischen Kommission und des amtierenden Präsidenten des Mercosur – dem Präsidenten Uruguays, Tabaré Vásquez – auf dem Treffen am 19. September, in der zum Jahresende eine gemeinsame öffentliche Erklärung der beiden Blöcke zur Umwelt und zum Klimawandel versprochen wird, ist ein ausdrucksvolles Beispiel dieser politischen Zusammenarbeit. Der Mercosur verspricht erfolgreich in der wirtschaftlichen Integration und der politischen Stärkung Südamerikas auf der internationalen Bühne zu sein, das ist jedoch kein Grund dafür, dass wir die unwiderlegbare politische Präsenz Brasiliens – allein schon kraft der Fakten die führende Macht Südamerikas – vergessen oder nicht sehen wollen. Brasilien ist die Seele und der Motor des Mercosur. Mit seinen 190 Millionen Einwohnern, einer Wirtschaft, die annähernd 75 % des Mercosur-BIP ausmacht, ist Brasilien das einzige BRIC-Land, mit dem die Union bis heute kein Gipfeltreffen durchgeführt hat.
Meine Damen und Herren, es ist absurd zu glauben, die Europäische Union sei in der Lage, Brasilien Lektionen über die Bedeutung des Mercosur zu erteilen oder sich zum Champion des Mercosur noch vor Brasilien zu ernennen. Das ist absolut lächerlich. Desgleichen ist Brasilien das einzige Mitgliedsland des Mercosur, das einen Platz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anstrebt, den es auch verdient und der ganz Lateinamerika in dieser wichtigen Institution Stimme verleihen wird.
Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich war in der Vergangenheit ein Fürsprecher der regionalen Integration in Lateinamerika durch die präferenzielle Unterstützung für regionale multilaterale Blöcke wie den Mercosur mit Beteiligung der EU. Doch bedauerlicherweise ist der Mercosur bei aller kultureller Nähe seiner Mitgliedsländer (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) politisch im Vergleich zu den nationalen Interessen schwach, was die Errichtung eines Binnenmarktes nach europäischem Vorbild in der Region erschwert, wenngleich dies natürlich langfristig unser Ziel sein sollte.
Die jüngste Entscheidung Venezuelas, dem Mercosur beizutreten, wirkt sich angesichts der gegen den freien Markt gerichteten Äußerungen von Chávez nachteilig auf dessen Funktionsweise aus und verstärkt den Protektionismus innerhalb des Mercosur, dessen Gespräche mit der EU vor einiger Zeit zum Erliegen gekommen sind. Deshalb begrüße ich die Tatsache, dass sich die EU – wie im Juli vereinbart – stattdessen für eine strategische Partnerschaft mit Brasilien einsetzt, einem Wirtschaftsgiganten, dessen Anteil am Welthandel im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern jedoch noch gering ist, und zwar eben deshalb, weil es Brasilien bisher versäumt hat, profitable bilaterale Freihandelsabkommen abzuschließen, und zu großes Vertrauen in den Mercosur gesetzt hat.
Im Gegensatz zu Mexiko, das bereits über eine Vereinbarung mit der EU verfügt und der andere bedeutende Akteur im Lateinamerika der Gegenwart ist, sah sich der brasilianische Präsident durch die mit Petrodollars finanzierte Großzügigkeit von Chávez gegenüber Argentinien gezwungen, Mercosur-Themen zu ignorieren, was dem argentinischen Präsidenten wiederum die Möglichkeit bot, seinen protektionistischen Standpunkt auszubauen.
Das populistische Ecuador rührt sich ebenfalls und tritt trotz seiner Mitgliedschaft in der von Venezuela angeführten antiamerikanischen Handelsinitiative „Bolivarische Alternative für Amerika“ (ALBA) dem Mercosur bei.
Bei einer Auseinandersetzung zwischen Argentinien und Uruguay wurde unlängst deutlich, dass der Mercosur nicht in der Lage ist, die Differenzen seiner Partner im Zusammenhang mit der von der finnischen Firma Botnia am Grenzfluss Uruguay errichteten Papierfabrik wirksam beizulegen. Herr Kirchner, der argentinische Präsident, hat das Projekt nicht gestoppt. Gleichzeitig hat er seinen Nachbarn – und Mercosur-Partner – Uruguay dadurch verärgert, dass er die supranationalen Institutionen des Mercosur daran gehindert hat, in diesem Streit zu vermitteln. Was hat er stattdessen getan? Er hat den spanischen König um Vermittlung gebeten.
David Casa (PPE-DE). – (MT) Herr Präsident! Uns liegt heute ein Abkommen vor, dass die bedeutende Rolle der Europäischen Union auf der weltpolitischen Arena bekräftigt und konsolidiert – eine Rolle, der wir große Bedeutung beimessen müssen, weil auch sie den Erfolg dieser Union von Staaten ausmacht. Dieses Abkommen unterstreicht, dass wir nicht nur die Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten stärken, sondern auch zu Ländern auf anderen Kontinenten und insbesondere zu Ländern, die die Heimat von Milliarden von Menschen europäischer Herkunft sind, wie die Länder Latein- und Mittelamerikas. Die weitere Stärkung dieser Beziehungen mittels Dialog und des Austauschs von Gedanken liegt im Interesse beider Seiten. Wir müssen jedoch für den Schutz der Demokratie in jenen Ländern sorgen, die in den Genuss unserer Unterstützung kommen. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass jegliche Unterstützung, ob direkter oder indirekter Art, auf die Reduzierung der Armut, die Verbesserung der Gleichberechtigung und nicht zuletzt auf den Abbau des Ungleichgewichts zwischen den beiden Regionen der Welt ausgerichtet ist. Dabei müssen wir uns stets von den Grundsätzen der Transparenz und Rechenschaftspflicht leiten lassen. Bei sämtlichen Verhandlungen sollte der Schwerpunkt auf dem Schutz der freien Meinungsäußerung und der Grundrechte liegen. Während die Europäische Union jedem Land zu bestimmten Zeiten bei Bedarf ganz spezielle Hilfe zur Verfügung stellt, müssen wir gewährleisten, dass dies in einem strukturierten Rahmen erfolgt und niemand zu kurz kommt, damit der Reichtum gerecht verteilt wird. Als Abgeordnete dieses Parlaments müssen wir uns mit größtem Nachdruck für die Förderung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur einsetzen und ermitteln, wie Schwachpunkte überwunden werden können, damit wir die Wirksamkeit und den Erfolg dieser Beziehungen sichern können. Ausgehend davon, dass neue Herausforderungen wie der Klimawandel zunehmend unsere Agenda bestimmen, sollten wir in diesen Beziehungen den Beginn einer strategischen Partnerschaft sehen, die eine ökologische Dimension annimmt und in eine nachhaltige Entwicklung mündet, die sich für beide Seiten auszahlt.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Vielen Dank für ihre Redebeiträge.
Bei früheren Anlässen hatte ich bereits die Gelegenheit, dem Europäischen Parlament Erläuterungen, Begründungen und Informationen zum ersten Gipfel EU-Brasilien, zu seinen Ergebnissen und seinen Zielen zu geben. Zudem wurde die Bedeutung dieser strategischen Partnerschaft mit Brasilien ausführlich von zahlreichen Damen und Herren Abgeordneten in der heutigen Aussprache unterstrichen. Ich kann daher nur begrüßen, dass die Abgeordneten, die anfangs noch Zweifel oder größere Bedenken hinsichtlich des Willens der portugiesischen Initiative zu haben schienen, heute der strategischen Entscheidung, die Portugal als Land, das den Ratsvorsitz innehat, aber auch die Europäische Union in ihrer Gesamtheit in Bezug auf Brasilien getroffen haben, offensichtlich doch mehr zugeneigt sind.
Natürlich wurde und wird hier über die Bedeutung Brasiliens in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht sowie in den Bereichen Umwelt und Energie als wesentliche Realitäten in der Welt von heute, die wir nicht außer Acht lassen dürfen, gesprochen. Es wäre schon seltsam, wie hier unterstrichen wurde, wenn die Europäische Union zwar mit Russland, Indien und China strategische Beziehungen, strategische Partnerschaften haben sollte, jedoch keine mit Brasilien. Wir glauben, dass wir diese Lücke geschlossen haben, und wir glauben auch, dass alle in einigen Jahren diese Initiative des portugiesischen Ratsvorsitzes entschieden begrüßen werden. Gleichwohl haben wir stets ganz deutlich erklärt, dass diese strategische Partnerschaft, wie sie die Europäische Union unserem Verständnis nach mit Brasilien entwickeln sollte, keineswegs andere Beziehungen, die wir auch auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet mit dem Mercosur ausbauen wollten, ausgeschlossen beziehungsweise eingeschränkt hat.
Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen sagen, dass ich mich darüber freue, gehörte Portugal doch stets zu den Ländern der Europäischen Union, die für eine enge, tief gehende, solidarische Beziehung zu den Ländern des Mercosur in allen Aspekten dieser Beziehung eingetreten sind. Deshalb sind wir weder zögerlich noch wollen wir, dass hier der Eindruck entsteht, dass eine Partnerschaft mit Brasilien eine enge Partnerschaft mit den Ländern des Mercosur ausschließt beziehungsweise ausschließen könnte.
Diese Sichtweise, die anstatt eine ergänzende eine ausschließende Sichtweise sein könnte, scheint uns nicht hilfreich zu sein und vor allem scheint sie unserer Auffassung nach nicht der Wahrheit zu entsprechen, ganz im Gegenteil. Im Übrigen wird – wie hier bereits bekräftigt wurde – in der Abschlusserklärung des Gipfels EU-Brasilien ausdrücklich und unmissverständlich gesagt, dass die Europäische Union und Brasilien gemeinsam daran arbeiten werden, dass dieses Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur letztlich auch zustande kommt.
Uns allen sind die Unwegsamkeiten bekannt, die das Assoziierungsabkommen EU-Mercosur überwinden musste. Wir befinden uns tatsächlich in einer Sackgasse, die bekanntermaßen weitgehend mit den Fragen des Handels zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur zu tun hat. In der Zwischenzeit wurde die Doha-Runde eingeleitet, und das, was dort geschieht, hatte natürlich ebenfalls Einfluss auf die handelspolitische Dimension der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur.
Ich möchte Ihnen jedoch ganz klar sagen, dass, sobald nach Auffassung des portugiesischen Ratsvorsitzes die Mindestvoraussetzungen geschaffen sind, um diese Debatte und diese Beziehung wiederzubeleben, wir nicht zögern werden; ferner versichern wir Ihnen, dass Portugal, wenn nicht während des portugiesischen Ratsvorsitzes, dann als Mitgliedstaat – wie es dies immer getan hat und stets sein Ziel war – die Aufmerksamkeit seiner Partner auf die effektive Notwendigkeit lenken wird, die Verhandlungen für das Assoziierungsabkommen mit dem Mercosur in allen seinen Aspekten wieder in Gang zu setzen.
Abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir erwägen, möglichst noch während der portugiesischen Ratspräsidentschaft, ein Treffen auf hoher Ebene zwischen der Troika und den Ländern des Mercosur abzuhalten. Wir sind dabei, diese Möglichkeit zu prüfen, und zwar, wie gesagt, als Eventualität für die Agenda des portugiesischen Ratsvorsitzes, die, wie Sie alle wissen, äußerst umfangreich und sehr komplex ist, doch werden wir unser Möglichstes tun, um – auch auf politischer Ebene – diese Debatte mit den Ländern des Mercosur wieder aufnehmen zu können.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich bin ebenfalls sehr dankbar für die Atmosphäre, die Aussprache und die große Offenheit in dieser Frage. Ich denke, wir müssen auf die aktuellen Gegebenheiten reagieren, und zum Glück haben wir jetzt wesentlich mehr bedeutende Partner für die multilaterale Zusammenarbeit als vielleicht vor zehn oder zwanzig Jahren. Die Realität sieht so aus, dass Brasilien als einziges Land der BRICS-Gruppe noch fehlt; es ist eins der fünf Länder, die regelmäßig von den G8 zu ihren Gipfeln eingeladen werden, und es ist ein Land, in das die EU soviel investiert wie in Russland, China und Indien zusammen. Wir haben es hier also mit einem wirklich wichtigen Partner zu tun.
Dabei muss vor allem auch erwähnt werden, dass die strategische Partnerschaft die übergeordneten Prioritäten, einschließlich der Zusammenarbeit mit Lateinamerika und dem Mercosur, ergänzt: Eines der gemeinsamen strategischen Ziele im Rahmen der Partnerschaft ist die Förderung der regionalen Integration und eines Assoziationsabkommens mit dem Mercosur.
Es wurde viel über den Inhalt gesagt, und es wurden einige Bedenken geäußert. Wir haben die entsprechenden Probleme in Angriff genommen. Was beispielsweise die Lebensmittelsicherheit betrifft, so wurde in der ersten Hälfte dieses Jahres ein umfangreiches Inspektionsprogramm vor allem für Rindfleisch, Fischereiprodukte und Geflügel durchgeführt. Die Lebensmittelsicherheit konnte wesentlich verbessert werden, und viele Mängel wurden beseitigt, aber natürlich geht die Arbeit weiter, wie einige von Ihnen sagten, sogar auf politischer Ebene. Die Kommissarin wird nächsten Monat nach Brasilien reisen, um Gespräche über diesen Bereich zu führen, und dies ist ein sehr wichtiger Bereich für die Vertiefung der Zusammenarbeit.
Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass die Doha-Entwicklungsrunde erfolgreich zu Ende gebracht wird. Wir tun an allen Fronten alles in unseren Kräften Stehende, damit uns dies hoffentlich noch vor Jahresende gelingt.
Ich möchte kurz auf die Maßnahmen eingehen, die zur Förderung der Zusammenarbeit mit anderen Ländern ergriffen werden sollten. Es gibt da einen Bereich, den ich als ein gutes Beispiel anführen möchte. So ist Brasilien das erste lateinamerikanische Land, das in unserem Forschungsprogramm mitarbeitet, und das könnte meines Erachtens der Ausgangspunkt für die schrittweise Einbeziehung anderer Länder sein. Es geht also nicht gegen die anderen; wir haben es hier mit einer der wichtigsten Volkswirtschaften und einem der wichtigsten Partner der Region zu tun, und die Zusammenarbeit insgesamt nimmt weiter zu. Dies ergänzt unsere Bemühungen um mehr Integration auf dem lateinamerikanischen Kontinent.
Die Kommission wird Ihrer Bitte entsprechen und Sie über den Fortgang auf dem Laufenden halten. Wir warten jetzt auf die politische Reaktion der brasilianischen Seite auf die Mitteilung. Ausgehend davon werden wir uns gegenseitig um die Erarbeitung eines Vorschlagsentwurfs für einen Aktionsplan bemühen, den wir dann hoffentlich vereinbaren und umsetzen werden.
Abschließend möchte ich dem Vorsitz für sein Engagement und seinen sehr positiven Beitrag danken, und zwar nicht nur zu diesem ersten historischen Gipfel, sondern auch zur Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der EU und Brasilien und zwischen der EU und dem Mercosur generell.