2. Zuwanderung – Strategischer Plan zur legalen Zuwanderung – Politische Prioritäten bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung von Drittstaatsangehörigen (Aussprache)
Die Präsidentin . – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
- die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Zuwanderung
- den Bericht von Frau Lilli Gruber im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Strategischen Plan zur legalen Zuwanderung (2006/2251(INI)) (A6-0322/2007) und
- den Bericht von Herrn Javier Moreno Sánchez im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über Politische Prioritäten bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung von Drittstaatsangehörigen (2006/2250(INI)) (A6-0323/2007).
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident! Herr Kommissar! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Europäische Union steht noch immer vor großen Herausforderungen, wenn es um Lösungen für die Frage der sich verändernden Zuwanderungssituation geht.
Der im Dezember 2005 vom Europäischen Rat verabschiedete Gesamtansatz zur Migrationsfrage bildet weiterhin den grundlegenden Rahmen für die Formulierung einer Antwort auf diese Herausforderung. Mit der Billigung des Gesamtansatzes hat der Europäische Rat die Notwendigkeit eines ausgewogenen, umfassenden und integrierenden Konzepts unterstrichen, das politische Ansätze zur Bekämpfung illegaler Einwanderung beinhaltet und in Zusammenarbeit mit Drittstaaten die Vorteile der legalen Zuwanderung zum Tragen kommen lässt. Mehrere Ratspräsidentschaften in Folge haben die Umsetzung des Gesamtansatzes zu ihrer vorrangigen Aufgabe gemacht.
Der Gesamtansatz zur Migration ist nicht statisch, sondern wurde vom Europäischen Rat angesichts von Ereignissen und Fortschritten auf dem Weg der Umsetzung präzisiert und weiterentwickelt, so dass er heute Bestandteil der umfassenden Einwanderungspolitik der Europäischen Union ist.
Auf seiner Tagung vom 21. und 22. Juni dieses Jahres nahm der Europäische Rat Schlussfolgerungen zur Erweiterung und Förderung des Gesamtansatzes an. In den Schlussfolgerungen wird insbesondere die Anwendung des Gesamtansatzes auf die östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der EU sowie die Entwicklung von Partnerschaften für zirkuläre Migration und Mobilität zwischen der EU und Drittstaaten begrüßt.
Wie wichtig die Anwendung des Gesamtansatzes ist, hat sich auch anhand von Vorkommnissen in diesem Sommer gezeigt, vor allem angesichts von Ereignissen an den südlichen Seegrenzen der EU. Bei der weiteren Umsetzung des Gesamtansatzes müssen die zu ergreifenden Maßnahmen sowohl Schritte zur Bekämpfung illegaler Einwanderung als auch Maßnahmen zur Schaffung von Möglichkeiten für legale Zuwanderung umfassen.
Der Rat hat sich bemüht, auf dem Weg zur Erreichung dieser beiden untrennbar miteinander verknüpften Zielstellungen Fortschritte zu erzielen. Auf der Juni-Tagung wurde die Lage an den südlichen Grenzen des Mittelmeeres erörtert. Der Rat hat die Wichtigkeit der Rolle bestätigt, die Frontex zukommt, und entschieden, auf der Grundlage der maltesischen Vorschläge neue Anstrengungen zu unternehmen. Im Ergebnis dieser Bemühungen hat der Rat auf seiner Tagung vom 18. September die Schlussfolgerungen zur Verstärkung der Überwachung der südlichen Seegrenzen der EU gebilligt. In einigen dieser Schlussfolgerungen wird zu dringendem Handeln aufgerufen, um aktuelle Maßnahmen und bestehende Vereinbarungen zu stärken. Die Mitgliedstaaten sind angehalten, jene EU-Mitglieder bilateral zu unterstützen, die aufgrund ihrer geografischen Lage und dem Stand der Kooperation mit angrenzenden Drittstaaten dem Druck illegaler Einwanderung in besonderem Maße ausgesetzt sind. So erstreckt sich die Zusammenarbeit beispielsweise auf Rückführungsmaßnahmen, Aufnahmebedingungen oder Zuständigkeiten für Asylbewerber, Flüchtlinge und Minderjährige.
Die Schlussfolgerungen unterstreichen zudem die Notwendigkeit, die Durchführung gemeinsamer Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten in diesem Bereich zu intensivieren, vor allem im Hinblick auf die Überwachung ihrer eigenen Grenzen, die Übernahme von Verantwortung für Such- und Rettungsoperationen, die Bekämpfung von Menschenhandel und Schleusertum sowie für den Aufbau eines wirksamen Rahmens für die Rückübernahme illegaler Einwanderer.
Der Stellenwert einer engen Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurde hervorgehoben. Ein weiteres Schlüsselelement bildet der Versuch, die Aktivitäten von Frontex zu verstärken, vor allem durch Einrichtung von langfristig ausgerichteten gemeinsamen Operationen und die Ausdehnung der Aktivitäten innerhalb des europäischen Küstenpatrouillennetzes.
Im Hinblick auf langfristige Maßnahmen hat der Rat die Kommission aufgefordert, einen Bericht über mögliche Zusatzmaßnahmen in Verbindung mit einer detaillierten Analyse bestimmter Vorschläge von Malta und einer Studie zu den einschlägigen Aspekten des Seerechts vorzulegen sowie im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion über das Grünbuch der Kommission zum künftigen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem eine entsprechende Verpflichtung zur Bildung von Expertenteams für Asylfragen abzugeben.
Der Verantwortung von Frontex für den wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen durch die Mitgliedstaaten kommt wachsende Bedeutung zu. Bekanntlich hat Frontex erst im Oktober 2005 seine Arbeit aufgenommen, aber in diesem relativ kurzen Zeitraum konnte die Agentur ihre Einsatzfähigkeit entwickeln und bereits wichtige Schritte zur Verstärkung der Sicherheit an den EU-Außengrenzen unternehmen, indem man sich auf die Bekämpfung der illegalen Einwanderung konzentriert hat. Verschiedene von Frontex koordinierte gemeinsame Operationen haben schon stattgefunden. Andere laufen gegenwärtig im Atlantik und im Mittelmeer. Einen besonderen Höhepunkt bildete der Startschuss für das europäische Küstenpatrouillennetz, der im Mai dieses Jahres gegeben wurde. Langfristig soll es in das künftige europäische Überwachungssystem integriert werden.
Ein weiteres bedeutsames Ereignis war die Verabschiedung der Verordnung über die Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke, die auch als RABITs bekannt sind. Die Verordnung ist vom Rat im Juli dieses Jahres gebilligt worden und am 20. August in Kraft getreten. Sie sieht einen Mechanismus für die Bereitstellung schneller operativer Hilfe über einen begrenzten Zeitraum für einen in einer außergewöhnlichen und dringenden Krisensituation um Unterstützung ersuchenden Mitgliedstaat vor, insbesondere bei Ankunft einer hohen Zahl von Drittstaatsangehörigen an den Außengrenzen, die versuchen, auf illegalem Wege in die EU zu gelangen.
Aktuell ist Frontex dabei, die Verordnung umzusetzen. Damit die von Frontex koordinierten Operationen jedoch Wirkung zeigen, muss unbedingt die erforderliche Ausrüstung zur Verfügung stehen. In Übereinstimmung mit der Frontex-Verordnung hat die Agentur einen zentralisierten Katalog von Grenzschutzmaterialien unter der Bezeichnung CRATE eingerichtet. Er enthält bereits ein umfangreiches Verzeichnis von Hubschraubern, Flugzeugen, Schiffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, die die Mitgliedstaaten für von Frontex koordinierte Operationen bereitstellen.
Was rechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung betrifft, haben die zuständigen Stellen des Rates bereits mit der Analyse des Vorschlags für eine Richtlinie des Parlaments und des Rates begonnen, die die Verhängung von Sanktionen gegen Arbeitgeber von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen regelt. Die Kommission hat den Vorschlag, der auf die Bekämpfung illegaler Beschäftigung als Anreiz für illegale Einwanderung abzielt, im Mai 2007 vorgelegt.
Um eine schnelle Einigung zu erzielen, hat der Rat im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger hohe Priorität eingeräumt. Die zuständigen Stellen des Rates prüfen ihn gegenwärtig.
Zur Rückübernahmepolitik ist zu sagen, dass nach dem Inkrafttreten des Rückübernahmeabkommens mit Russland im Juni bereits eine Entscheidung über die Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens mit der Ukraine getroffen wurde. Außerdem sind schon eine Reihe von Rückübernahmeabkommen mit den Ländern des westlichen Balkans und der Republik Moldau geschlossen worden. All diese Abkommen werden rechtswirksam, sobald das Europäische Parlament seine Stellungnahme abgegeben hat.
Ich möchte nun auf den Strategischen Plan zur legalen Zuwanderung eingehen. Wie Sie wissen, setzen der Rat und der portugiesische Vorsitz den Schwerpunkt auf die Förderung der legalen Zuwanderung. Die Ratspräsidentschaft hat am 13. und 14. September eine hochkarätige Konferenz zur Frage der legalen Einwanderung in Lissabon veranstaltet, auf der Minister, hochrangige Beamte und namhafte Wissenschaftler sowie Vertreter des EU-Parlaments und der Kommission zusammentrafen. Auf der Konferenz wurde versucht, Lösungen für die Probleme der legalen Zuwanderung zu finden, wie beispielsweise legale Migrationswege und die Steuerung von Migrationsströmen, Integration und die Lissabon-Agenda sowie Zuwanderung und Entwicklung. Die Ergebnisse der Konferenz werden in den kommenden Monaten große Bedeutung für die Gestaltung unserer Arbeit haben.
In Kürze wird der Rat darüber hinaus mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Rahmenrichtlinie über die Rechte von Zuwanderern beginnen, die sich legal zu Arbeitszwecken in einem Mitgliedstaat aufhalten und dazu eine EU-weit einheitliche Aufenthaltsgenehmigung schaffen. Außerdem sind Vorschläge für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von hoch qualifizierten Arbeitskräften geplant, die die Kommission hoffentlich in den nächsten Wochen präsentieren wird. Diese beiden Vorschläge stellen in Verbindung mit anderen Maßnahmen, die in den kommenden Jahren erarbeitet werden, die nächsten Schritte in dem von der Kommission im Januar 2006 präsentierten strategischen Plan zur legalen Zuwanderung dar.
Der Rat hat bereits mit der Prüfung der vorgeschlagenen Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG zwecks Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf Personen mit internationalem Schutzstatus begonnen. Der Vorschlag zielt darauf, Personen mit internationalem Schutzstatus die Möglichkeit zu geben, eine langfristige Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Der Rat erwartet noch die Stellungnahme des Parlaments, damit dieses Entwurfsinstrument zügig verabschiedet werden kann.
Zum Thema der auswärtigen Beziehungen im Bereich der Zuwanderung muss ich Ihnen mitteilen, dass der Rat die Anwendung des Gesamtansatzes zur Migration entsprechend den Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2005 und 2006 aktiv verfolgt hat. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auch auf die Schlussfolgerungen zur Ausdehnung und Stärkung des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage lenken, die der Rat im Juni gebilligt hat. Im Dezember 2006 hat der Europäische Rat die Kommission aufgefordert, Vorschläge zu erarbeiten, wie der Gesamtansatz auf die östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der EU angewendet werden kann. Außerdem sollten Möglichkeiten zur Einbeziehung der legalen Zuwanderung in die EU-Außenpolitik vorgeschlagen werden, um eine ausgewogene Partnerschaft mit Drittstaaten zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes in den Mitgliedstaaten zugeschnitten ist. Darüber hinaus sollte die Kommission Möglichkeiten und Mittel für die Ermöglichung der zeitweiligen zirkulären Migration vorschlagen und detaillierte Vorschläge vorlegen, wie Informationen über die verschiedenen Formen legaler Wanderungsbewegungen zwischen der EU und Drittstaaten effizienter aufbereitet und bereitgestellt werden können.
Die Kommission hat auf diese Aufforderung hin zwei Mitteilungen vorgelegt. Nach ihrer Billigung hat der Vorsitz dem Rat einen Schlussfolgerungsentwurf mit dem Ziel präsentiert, die Arbeit in den von der Kommission benannten Maßnahmenbereichen aufzunehmen.
Das Euromed-Ministertreffen zur Migration wird im November stattfinden. Ziel des Treffens ist es, Initiativen und Aktionen für die Umsetzung von migrationsrelevanten Themen auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus gilt auch Afrika besondere Aufmerksamkeit, denn der 2005 mit den afrikanischen Staaten aufgenommene Dialog soll weiter vorangetrieben und intensiviert werden. Vorrang wurde auch der Beobachtung der Ministertreffen zu Migration und Entwicklung gegeben, die im Juli 2006 in Rabat sowie im November 2006 in Tripolis stattgefunden haben. Auf den Ministertreffen – das erste im regionalen, das zweite im kontinentalen Maßstab – wurde eine Reihe von Handlungsfeldern herausgearbeitet, in denen die Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern von Migranten verstärkt werden kann.
Der Rat bemüht sich in diesem Bereich aktiv darum, die in Rabat und Tripolis vereinbarten Programme in konkrete Maßnahmen zu überführen.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Vertreter des Rates sehr dankbar, dass er unser gemeinsames Vorgehen in groben Zügen dargelegt hat, und ich möchte besonders den beiden Berichterstattern, Frau Gruber und Herrn Moreno Sánchez, für die beiden Berichte danken, die wir heute erörtern und zu denen wir unsere Stellungnahmen abgeben.
Eine erste Erwägung ist sicherlich, welche Wegstrecke Europa in so kurzer Zeit zurückgelegt hat, mit anderen Worten eine optimistische Feststellung. Wir alle erinnern uns daran, dass bis zum Gipfel von Hampton Court im Oktober 2005 sogar bezweifelt wurde, Europa könne eine gemeinsame Migrationsstrategie verfolgen. Heute ist das nicht nur eine Losung für uns alle, sondern wir führen bereits einige Maßnahmen durch, die beschlossen wurden und erste beachtliche Früchte zu tragen beginnen.
Dies beweist, dass Europa eine Rolle bei der Steuerung der globalen, unaufhaltsamen Migration übernehmen muss, denn die nationalen Maßnahmen der Mitgliedstaaten reichen nicht mehr aus. Es zeigt auch, dass ein europäisches Vorgehen vorteilhaft für Europa selbst, für die Mitgliedstaaten und für all unsere Partner ist, was sowohl für die südliche Dimension – hauptsächlich die afrikanischen Länder – als auch für unsere östlichen Nachbarn gilt, denn es wurde schon erwähnt, dass die Kommission den Vorschlag unterbreitet hat, den Gesamtansatz nach Osten, d. h. auf die Migrationsströme aus dem Osten, auszudehnen. Dem hat der Rat vollends zugestimmt.
Wir sprechen stets von einem Gesamtansatz. Wir sind uns wohl alle einig, dass das bedeutet, die externe Dimension unlösbar mit den internen Einwanderungsmaßnahmen zu verbinden. Wir dürfen uns nicht nur auf die Steuerung der Migration innerhalb unseres Gebiets beschränken; wir müssen uns auch mit den tieferen Wurzeln der Migrationsbewegung befassen, die zu einem Großteil immer noch aus verzweifelten Menschen besteht, die vor Verfolgung, Armut oder Krieg fliehen und keine Wahl haben, ihr Vaterland zu verlassen oder dort zu bleiben. Sie müssen ihre Heimat um des Überlebens willen verlassen.
Daher ist klar, dass die tieferen Wurzeln der Migration nicht mit einem bloßen Sicherheitskonzept, mit den Mittelmeerpatrouillen angegangen werden können, die allerdings ein wesentliches Instrument für den Schutz des Gebiets um die Kanarischen Inseln waren und auch bleiben werden. Dies kann nicht unsere alleinige Strategie sein, und sicher müssen wir uns mit einer realen Forderung der EU-Mitgliedstaaten befassen: der Steuerung der legalen Zuwanderung. Sie ist eine der besten Methoden, um die illegale Einwanderung zu bekämpfen.
Je besser wir die Wirtschaftsmigration in den Griff bekommen – was wir müssen –, desto mehr werden wir den grauen, undurchsichtigen Bereich der illegalen Einwanderung eindämmen. Deshalb habe ich zuerst über legale Zuwanderung gesprochen, mit der wir uns vor einigen Tagen auf einem bedeutsamen Treffen in Lissabon befasst haben. Wir haben über Zukunftsperspektiven gesprochen, und ich gewann den Eindruck, den dieses Parlament, wie ich hoffe, bestätigen wird, dass dies ein günstiger politischer Moment ist, um uns frei von Ideologien mit der Wirtschaftsmigration zu beschäftigen.
Offen gestanden, müssen wir das in dem Bewusstsein tun, dass wir Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten brauchen, dass wir keine Panik machen dürfen, indem wir hohe Zahlen verbreiten, die einen falschen Eindruck vermitteln könnten. Einige Beobachter, aber auch einige brisante Presseartikel verlautbarten: „Wir sind bereit, 20 Millionen legale Zuwanderer aufzunehmen.“ Solche Zahlen sind, offen gesagt, gefährlich. Es ist eine Sache, auf einen unbestreitbaren Bevölkerungstrend hinzuweisen: Europa überaltert und die Zahl der Arbeitnehmer wird aufgrund des Bevölkerungsschwunds sinken; eine ganz andere Sache ist es aber, sich schon jetzt Zahlen auszudenken, die erst in 50 Jahren zutreffen werden.
Lassen Sie uns deshalb alle Aspekte dieses Phänomens angehen, angefangen mit dem Bevölkerungsrückgang in Europa. Der zweite Aspekt betrifft indessen die Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität der europäischen Wirtschaft. Hierfür brauchen wir Arbeitskräfte in all jenen Bereichen, von denen heute viele unserer europäischen Mitbürger, sagen wir mal, ein wenig abgerückt sind. Der dritte Faktor ist allerdings, dass die Einwanderung nicht die einzige Lösung sein kann, um den Bevölkerungsschwund in Angriff zu nehmen.
Wir dürfen zum Beispiel nicht außer Acht lassen, dass, während wir von Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern sprechen, wir noch Hindernisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus der EU aufrechterhalten. Einige unserer EU-Bürger genießen noch keine uneingeschränkte Beschäftigungsfreiheit in allen anderen EU-Staaten. Dies wird im Fachjargon als „Gemeinschaftspräferenz“ bezeichnet, muss jedoch mit einer politischen Aktion anstatt mit einem bürokratischen Begriff erklärt werden. Das bedeutet, Europa wird erst dann ein wirklicher Raum der Arbeitsmobilität sein, wenn die Hindernisse für unsere europäischen Arbeitnehmer – und damit meine ich offenkundig die aus den neuen Mitgliedstaaten – beseitigt sein werden. Das wäre also ein weiterer Aspekt, den wir berücksichtigen müssen.
Der vierte Aspekt hat zur Folge, dass wir es ablehnen, den Bevölkerungsschwund als etwas zu betrachten, vor dem wir kapitulieren müssen, indem wir sagen: Was soll’s, es kommen ja Arbeitnehmer aus Afrika. Wir müssen uns um unseren Bevölkerungsrückgang wie um unsere Zukunft sorgen. Deshalb sind zum Beispiel Maßnahmen zur Förderung der Familie und der Geburtenhäufigkeit von uns Europäern in diesem Rahmen genauso wichtig wie die Steuerung der Migrationsphänomene außerhalb Europas.
Um all dies zu bewerkstelligen, treffen wir offenkundig einige Maßnahmen, und einige sind bereits im Migrationsbereich getroffen worden. Ich kann Ihnen sagen, dass wir gerade die Ausschreibung für die Einrichtung des EU-Zuwanderungsportals starten. Diese Ausschreibung, die, wie ich hoffe, in wenigen Monaten abgeschlossen sein wird, wenn es die Bürokratie erlaubt, wird uns zum ersten einheitlichen Zuwanderungsportal Europas verhelfen. Das Portal wird uns den Zugriff auf Arbeitsmöglichkeiten, Stellenangebote, Arbeitsuchende, Bereiche, in denen eine Arbeitskräftenachfrage besteht, ermöglichen usw. usf. Es wird Europas Potenzial in diesem Bereich wesentlich stärken.
Der Europäische Integrationsfonds ist endlich Realität geworden. Wir haben bei anderen Gelegenheiten darüber diskutiert, und Sie haben Ihre Zustimmung bekundet. Ich muss zugeben, dass der Rat das Finanzierungsvolumen gegenüber meinem ursprünglichen Vorschlag etwas beschnitten hat, doch wurde er auf den Weg gebracht. Uns steht fast eine Milliarde Euro zur Verfügung, um diesen umfassenden Bereich der Migrationsstrategie anzugehen. Ohne Integration gibt es keine Zuwanderung. Der Europäische Fonds besteht jetzt. Wir finanzieren Sprachkurse und Berufsbildungslehrgänge in den Herkunftsländern. Die ist eine weitere Vorbedingung, um die Wirtschaftsmigration zu steuern: Wenn die Ankommenden keine Berufsausbildung absolviert haben, die wir in diesem oder jenem Bereich verlangen, und wenn sie nicht die Sprachen der Länder sprechen, in denen sie arbeiten, werden sie letztendlich ins gesellschaftliche Abseits gedrängt, was wir nicht wollen. Die Europäische Union finanziert bereits Maßnahmen in diesem Bereich.
Wie Sie wahrscheinlich wissen, wird die Kommission in wenigen Tagen auf meinen Vorschlag hin zwei Legislativtexte annehmen. Der Vertreter des Rates sprach davon. Es werden zwei Richtlinien, zwei ziemlich innovative Richtlinien sein, wobei die erste hoch qualifizierte Arbeitnehmer betrifft. Damit sollen gewiss keine Zahlenspiele betrieben werden: Wie viele Ingenieure werden in Italien und wie viele Ärzte werden in Belgien gebraucht. Darüber werden die Regierungen und zugleich die Arbeitsmärkte der betreffenden Länder entscheiden. Wir sind vielmehr daran interessiert, Europa im Vergleich zu Mitwettbewerbern wie USA, Kanada und Australien attraktiver zu machen, die 95 % der hoch qualifizierten nicht-europäischen Arbeitnehmer, d. h. aus afrikanischen oder asiatischen Ländern, für sich gewannen, während wir in Europa insgesamt ganze 5 % anzuwerben vermochten. Das sind zu wenig!
Hinter der Idee einer europäischen Blue Card verbirgt sich Folgendes: Ein in einem bestimmten Land benötigter hoch qualifizierter Arbeitnehmer erhält nach einer gewissen Zeit das Recht, sich, wohlgemerkt ohne Formalitäten und komplizierte Prozeduren, in einen anderen Mitgliedstaat der EU zu begeben, falls er dort ebenfalls einen Job hat. Der Betreffende hat das Recht, wenn er es wünscht, in sein Herkunftsland zurückzukehren und, wenn er will, wiederum nach einer bestimmten Zeit, erneut nach Europa zu kommen. Diese Art zirkulärer Migration kann außerdem die dauerhafte Abwanderung von Spitzenkräften aus den Herkunftsländern verhindern.
Die zweite Richtlinie, die sich auf ein gemeinsames Bündel von Rechten für Wirtschaftsmigranten bezieht, wird zweifellos ebenso bedeutsam sein, denn zum ersten Mal wird es eine kombinierte Arbeits-/Aufenthaltserlaubnis in einem einzigen Dokument geben. Der Betreffende reist in Europa ein, um zu arbeiten. Ich spreche selbstverständlich nicht von Asylbewerbern oder Familienzusammenführungen; ich spreche von denen, die aus Arbeitsgründen zu uns kommen: den Wirtschaftsmigranten. Bei ihnen kann im Prinzip nicht zwischen Aufenthalt und Arbeit getrennt werden, und ein derartiges Dokument muss verständlich sein.
Es liegt auf der Hand, dass dies eine Harmonisierung der Rechte einleiten wird. In manchen Mitgliedstaaten wird das Recht auf gesundheitliche Betreuung nicht uneingeschränkt gewährt, in anderen hingegen sehr wohl. Der Vorschlag, den die Kommission dem Rat und dem Parlament vorlegen wird, wird es selbstverständlich den Mitgliedstaaten überlassen, über dieses Niveau hinauszugehen, wenn zum Beispiel bereits nationale Regelungen bestehen, die günstiger sind. Gewiss verlangen wir nicht, dass ein eher vorbildliches Land seinen Rechtestandard senkt, sondern wir fordern, dass die weniger vorbildlichen ihr Niveau der Rechte auf soziale, bildungspolitische, gesundheitliche und andere Dienstleistungen anheben.
2008 werde ich Vorschläge zu anderen Kategorien von Arbeitsmigranten vorlegen: Saisonarbeitnehmer, bezahlte Auszubildende – d. h. diejenigen, die bezahlte Ausbildungskurse besuchen – und so genannte innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen in verschiedenen Städten Europas ansässig ist, würde die Versetzung innerhalb dieses Unternehmens erleichtert, ohne dass die Verfahren in allen Ländern von vorn aufgerollt werden müssten. Und dann sind selbstverständlich die unqualifizierten Arbeitnehmer an der Reihe. Sie bilden die größte Gruppe, die genauer untersucht werden muss. Anstatt diesbezüglich einen Legislativvorschlag auszuarbeiten, würde ich lieber – was Anfang kommenden Jahres geschehen wird – Optionen unterbreiten, offene Vorschläge, zu denen dann Stellungnahmen und Empfehlungen eingeholt werden, ehe ein bestmöglicher Vorschlag formuliert wird. Wir sprechen hier nicht von kleineren Gruppen, sondern von der überwiegenden Mehrheit, die ohne eine Berufsausbildung nach Europa kommt. Es gibt viele Elemente, die es dabei zu berücksichtigen gilt.
Ein zentraler Aspekt – ich zitiere aus dem Bericht von Frau Gruber – ist die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, um die Abwanderung von Spitzenkräften, den so genannten Brain Drain, zu vermeiden. Dieser Aspekt liegt mir besonders am Herzen. Ich erwähnte bereits, dass das Konzept der zirkulären Migration speziell darauf abzielt, einen dauerhaften Kräfteabzug zu verhindern. Mit einigen afrikanischen Ländern südlich der Sahara wurde beispielsweise schon eine Zusammenarbeit eingeleitet, um zu prüfen, wie die besten Fachkräfte, die für einen gewissen Zeitraum in Europa arbeiten, nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer genutzt und wie sie zum Nutzen ihrer Herkunftsländer beschäftigt und eingesetzt werden können.
Das ist ein offener Dialog, den ich in den nächsten Monaten energisch fortführen möchte, auch dank der umfassenden Unterstützung der vorangegangenen Präsidentschaften sowie der gegenwärtigen, der portugiesischen Präsidentschaft. Hierfür bieten sich uns zwei großartige Gelegenheiten, nämlich zwei Gipfeltreffen: der Europa-Mittelmeer-Gipfel, der ja bereits erwähnt wurde, und der EU-Afrika-Gipfel der Regierungschefs. Dieser Gipfel wird uns, wie ich glaube und hoffe, voranbringen, denn ich erwarte natürlich, dass die Regierungschefs bei diesem Europa-Afrika-Gipfeltreffen eine richtige Erklärung über die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika in Fragen der Migration, Mobilität und Beschäftigung annehmen.
Ich denke, damit werden wir einen großen Schritt nach vorn machen, auch weil, wie wir uns mit dem portugiesischen Vorsitz geeinigt hatten, der Vorschlag, den wir unter deutschem Vorsitz, d. h. mit dem Arbeitsminister und dem Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, erörterten, auf der ersten gemeinsamen Tagung der Innen- und der Arbeitsminister vorangebracht werden soll. Anfang Dezember wird erstmals eine greifbare politische Maßnahme durchgeführt, bei der die verschiedenen Faktoren der Migrationsstrategie gebündelt werden: Es geht also nicht mehr nur um die Sicherheit, sondern auch um den Wirtschafts- und den Beschäftigungsfaktor, der aus all den bereits angeführten Gründen äußerst wichtig ist.
Ein weiteres Thema betrifft die Kooperationsabkommen mit den Herkunftsländern. Diesbezüglich hat die Kommission begonnen, versuchsweise Maßnahmen mit einigen Ländern durchzuführen. Kurz gesagt, wir haben, Länderprofile erarbeitet. Kein Land ist wie das andere, wir können den Migrationsstrom aus Mali nicht genau so steuern wie den aus dem Senegal. Jedes Land hat sein eigenes Profil und muss dementsprechend behandelt werden.
Im Anschluss daran bieten wir Partnerschaftsmöglichkeiten als Teil eines komplexen Abkommens an. Wir haben sie schlicht „Kooperationsplattformen“ genannt. Das sind Abkommen mit einer Themenplattform, auf die es sich zu einigen gilt: gemeinsame Bekämpfung des Menschenhandels gemäß der Erkenntnis, dass er im Herkunftsland beginnt; dann Ausrottung der Korruption, die diesen Menschenhandel deckt; Steuerung der Arbeitsmöglichkeiten durch Information und berufliche sowie sprachliche Bildung. Wir haben das erste Job-Zentrum in Bamako, der Hauptstadt Malis, mit EU-Geldern finanziert und eröffnet. Und wir haben gesagt, dass wir in diesem Zentrum Informationen über die europäischen Rechtsvorschriften und die Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, d. h. die Ausbildungslehrgänge, vermitteln werden – was wir inzwischen schon tun. Mali war das erste Land, das sein Interesse bekundet hat, und deshalb haben wir diese Maßnahme mit diesem Land schon umgesetzt haben. Ähnlich wollen wir mit anderen Ländern verfahren, wenn sie an uns herantreten.
Doch nun zur Integration: Die Integration ist, um es auf den Punkt zu bringen, ein wesentlicher Bestandteil der Migrationspolitik, und selbstverständlich muss der Fonds für all jene Politikmaßnahmen genutzt werden, die der sozialen Eingliederung der Migranten dienen, die sich an unsere Regeln halten. Schließlich ist auch die illegale Einwanderung Teil unserer politischen Strategie. Ich weiß und ich freue mich darüber, dass der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres den Bericht von Herrn Weber über die europäische Rückführungspolitik angenommen hat. Wir werden ihn später erörtern, aber er ist ebenso wichtig.
Illegale Einwanderung zu bekämpfen bedeutet, der Schwarzarbeit, die ein Pull-Faktor für illegale Beschäftigung ist, keinen Vorschub zu leisten. Sie wissen, dass der Anteil der Migranten, die in Europa ihre Arbeit verlieren, wächst. Das bereitet uns ernste Sorge. Früher gab es Arbeit für viele Menschen – Saisonarbeit, Landwirtschaft, Fremdenverkehr, Bauwesen –, doch nun macht sich leider eine steigende Arbeitslosigkeit bemerkbar. Was sollen wir mit diesen Erwerbslosen tun?
Deshalb dürfen wir die illegale Beschäftigung nicht fördern, müssen wir Arbeitgeber, die illegale Einwanderer beschäftigen, bestrafen, müssen wir eine Rückführungspolitik gewährleisten, bei der die grundlegenden Menschenrechte geachtet, zugleich aber unsere Ziele klar und entschlossen verfolgt werden. Wir können Illegalität und wiederholte Fälle ungesetzlichen Verhaltens nicht dulden.
Die europäische Agentur Frontex hat geholfen, Tausende von illegalen Migranten aufzuhalten. Sie hat allein im letzten Sommer über 1 200 Menschen gerettet, die andernfalls umgekommen wären, wie so viele andere umgekommen sind, und wir haben den Einsatzkräften der Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber der Frontex-Missionen dafür zu danken. Frontex hat jedoch auch zu einer Verringerung der Ströme illegaler Migranten in den Patrouillengebieten beigetragen. Frontex war, ist und bleibt deshalb ein Schlüsselinstrument dieses Gesamtansatzes.
Abschließend, Frau Präsidentin, möchte ich betonen, dass wir uns in den nächsten Jahrzehnten, und nicht nur in den nächsten Monaten, mit der Einwanderung befassen werden müssen. Deshalb wäre es gut für Europa, sich bewusst zu machen, dass sich ihm eine einzigartige Gelegenheit bietet, auch in diesem Bereich eine Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen.
Lilli Gruber (PSE), Berichterstatterin. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einwanderung ist weder eine Ausnahmesituation noch ein vorübergehendes Phänomen. 2006 gab es in der EU-27 18,5 Millionen Einwanderer. Die Ursachen sind, wie Sie wissen, vielfältiger Natur: Krieg, Armut, Umweltkatastrophen, grausame Diktaturen in vielen Regionen der Welt. Die Europäische Union ist einer der großen globalen Akteure und muss deshalb ihr Zögern aufgeben und Strukturmaßnahmen festlegen, um diese Herausforderung, die uns alle betrifft, zu bewältigen: Allein werden wir gar nichts erreichen!
Vieles wurde zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung getan, doch das ist nicht genug. Der wichtigste Weg, um gegen die illegale Migration vorzugehen, ist die Schaffung legaler Möglichkeiten zur Einreise in die Europäische Union. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, und aus diesem Grund haben Javier Moreno Sánchez und ich beschlossen, unsere Berichte zusammen vorzustellen.
Unsere Wirtschaftssysteme könnten ohne die zugewanderten Arbeitnehmer nicht mehr funktionieren, und ohne ihre Sozialbeträge wäre unser Wohlfahrtssystem dem Untergang geweiht, denn es ist durch sinkende Geburtenraten gefährdet. Die Eurostat-Zahlen sprechen eine klare Sprache: 2050 wird ein Drittel der 490 Millionen Europäer älter als 65 Jahre sein. Der Aktionsplan der Kommission von 2005 war ein wichtiger Schritt nach vorn, weil er konkrete Vorschläge zur Schaffung einheitlicher legaler Zuwanderungsmöglichkeiten auf Unionsebene enthielt, wobei die Verantwortung für die Festlegung der Einreisequoten selbstverständlich bei den Mitgliedstaaten verbleibt.
Von den fünf Richtlinien, die Sie, Herr Kommissar Frattini, in den kommenden Monaten vorlegen werden, messen wir derjenigen Priorität bei, die einen gemeinsamen Rahmen von Rechten für die Migranten sicherstellt. Ich wünsche Ihnen das Allerbeste, denn wir alle wissen, dass die Verhandlungen im Rat sicher nicht leicht sein werden, doch das Parlament wird Ihnen seine Unterstützung nicht versagen. Auch deshalb ist es erforderlich, dass unsere Mitentscheidungsbefugnisse gewährleistet werden und das Vetorecht im Rat abgeschafft wird.
Mein Bericht wurde im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mit nur einer Gegenstimme einstimmig angenommen, und ich danke den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen herzlichst für ihre loyale Unterstützung. In dem Bericht fordern wir den Zugriff auf harmonisierte und zuverlässige statistische Daten auf EU-Ebene. Es ist unmöglich, Gesetze zur Zuwanderung zu erlassen, ohne deren wirkliches Ausmaß zu kennen; ohne sichere Zahlen wird sie leicht zu einem Propagandamittel.
Dieses Phänomen muss ohne Demagogie, ohne Populismus und ohne Tabus angegangen werden. Deshalb halte ich ein höheres Verantwortungsbewusstsein der Politiker und der Journalisten bei der Behandlung eines so sensiblen Themas für äußerst wichtig. Beide Gruppen spielen nämlich, wie Sie wissen, eine zentrale Rolle im Integrationsprozess.
Integration ist ein zweiseitiger Prozess mit Rechten und Pflichten auf beiden Seiten, der auf die aktive Beteiligung der Migranten am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben des Aufnahmelandes nicht verzichten kann. Ich stimme Ihnen zu, Herr Frattini, wenn Sie vom Gleichbehandlungsgrundsatz in Bezug auf die sozialen und wirtschaftlichen Rechte sprechen, denn die Grundrechte schließen gleichen Lohn, Sicherheit am Arbeitsplatz, aber auch Anerkennung von Qualifikationen, Übertragbarkeit von Rentenansprüchen, Familienzusammenführung und die Gewährung eines Rechtsstatus für Frauen, der unabhängig von dem ihres Ehegatten ist, mit ein.
Was die Richtlinie über hoch qualifizierte Arbeitnehmer angeht, so kann die so genannte Blue Card vielleicht ein hervorragender Pull-Faktor für Fachkräfte sein, die Europa dringend benötigt. Wir würden gern etwas mehr über diese Blue Card erfahren, Herr Frattini, denn immerhin sind heute in Europa, wie sie in Erinnerung brachten, nur 5 % der Arbeitnehmer hoch qualifiziert, während 85 % Ungelernte sind.
Für diesen letztgenannten Kreis von Arbeitnehmern muss die Richtlinie über die Saisonarbeitnehmer ein Rechtsvakuum füllen, und nach meinem Dafürhalten muss denjenigen unter ihnen, die sich an die Regeln halten, die Möglichkeit des vorrangigen Zugangs zu anderen Formen des befristeten oder dauerhaften Aufenthalts geboten werden. Begrüßenswert wären allerdings offene Vorschläge, „Optionen“, wie Sie sie nannten, Herr Frattini, für gering qualifizierte oder unqualifizierte Migranten. Wie lange müssen wir noch warten, bis wir eine entsprechende Richtlinie haben werden? Meine Frage ist vor allem an den Rat gerichtet.
Meine Redezeit ist abgelaufen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir fordern von den Regierungen und vom Rat mehr Realismus und mehr Mut. Eine verantwortungsvolle Politik ist gefragt, um den Ängsten und der Unsicherheit in unserer zunehmend unsteten Gesellschaft zu begegnen. Es gibt keine dichten Grenzen, und wir werden nicht von Migranten überschwemmt! Zuwanderung ist eine Notwendigkeit, und wenn sie vernünftig gesteuert wird, kann sie eine Bereicherung für eine Bürgergesellschaft sein, die die Unterschiede achtet.
(Beifall)
Javier Moreno Sánchez (PSE), Berichterstatter. – (ES) Frau Präsidentin, Herr Vizepräsident der Kommission, Herr Ratsvorsitzender, Frau Gruber, meine Damen und Herren! Sich die Zukunft Europas und unserer Gesellschaften im Zeitalter der Globalisierung ohne Einwanderung vorzustellen, entbehrt jeder Realität. Die Einwanderung ist für die demografische Stabilität, das Wirtschaftswachstum und die kulturelle Vielfalt der EU notwendig und gut.
Wir brauchen legal eingewanderte Arbeitskräfte mit Rechten und Pflichten, keine Sklaven. Die Entwicklung und der Erfolg einer legalen Einwanderungspolitik hängen weitgehend von einem beständigen Kampf gegen die Kehrseite der Medaille ab: die illegale Einwanderung.
Die Steuerung und Kontrolle dieser illegalen Einwanderungsströme überschreiten die Möglichkeiten einer individuellen Aktion der Mitgliedstaaten, und das ist fraglos der heikelste Aspekt der von der Europäischen Union auszuarbeitenden gemeinschaftlichen allgemeinen Einwanderungspolitik.
Die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte der letzten Zeit, die internationalen Konflikte und der Klimawandel werden die illegale Zuwanderung in die EU noch verstärken. Die Ströme entwickeln sich schneller als unsere politische Reaktion und werden nicht von allein zum Halt gebracht. Es gilt, jetzt zu handeln.
Wir begrüßen und unterstützen den Ansatz der Kommission. Er ist wichtig für die Entwicklung einer kohärenteren und effektiveren Politik der Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer uneingeschränkten Achtung der Menschenwürde und der Grundrechte, im Geist der Solidarität, in gemeinsamer Verantwortung, Transparenz und gegenseitigem Vertrauen.
Erstens brauchen wir sichere Land-, Luft- und Seegrenzen durch eine integrierte Kontrolle und Überwachung, und dabei sind Frontex und RABIT der Weg, den wir einschlagen müssen: der Weg zu gemeinsamer Verantwortung und Solidarität.
Meine Damen und Herren, Frontex funktioniert. Wo Operationen stattfanden, wurden Leben gerettet, und die illegale Einwanderung wurde erheblich reduziert. Die illegalen Einwanderer mussten sich nach anderen Routen umsehen, wie kürzlich in Spanien und Italien festgestellt wurde.
Doch Frontex ist ein neu geborenes Kind der EU, das nur wachsen und seine Aufgabe erfüllen kann, wenn es die Unterstützung seiner Eltern, der Mitgliedstaaten, erhält, die wir auffordern möchten, ihren Verpflichtungen nachzukommen, indem sie die notwendigen menschlichen und logistischen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Weiterhin ist es wichtig, als Abschreckungsmittel eine europäische Rückführungspolitik unter voller Achtung der Menschenrechte zu errichten und sich für den Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten einzusetzen. Wir wünschen uns die Verabschiedung einer Rückführungsrichtlinie während der portugiesischen Präsidentschaft.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen politischen Mut und Energie, um den größten Anreiz für die illegale Einwanderung zu bewältigen: die illegale Beschäftigung. Wir müssen den Kampf gegen die Mafiagruppen und skrupellosen Unternehmer gewinnen, die illegale Einwanderer ausbeuten. Das ist ein Geschäft, hinter dem viele Interessen und viel Geld stehen, und das verlangt eine entschiedene und konsequente Antwort.
Wir müssen, wie Sie sagten, Herr Vizepräsident, mit Nulltoleranz gegen die illegale Beschäftigung vorgehen, um die Schattenwirtschaft zu reduzieren, die die Sogwirkung hervorruft. Die psychologische Dimension liegt auf der Hand. Wenn keine Möglichkeiten für eine illegale Beschäftigung in der EU bestehen, gibt es weniger Anreize für eine Einwanderung in die Union.
Gleichzeitig fordern wir die Mitgliedstaaten auf, entschlossene Maßnahmen mit entsprechenden finanziellen Mitteln zu ergreifen, um den Menschenhandel durch eine justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit zu bekämpfen, wobei besonderes Augenmerk auf die Schutzbedürftigsten – Frauen und Kinder – zu legen ist und gewährleistet werden muss, dass sie Zugang zu Gesundheitsfürsorge und Bildung erhalten.
Im außenpolitischen Bereich sind Dialog und enge Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern erforderlich. Es gilt, den auf den Ministerkonferenzen von Rabat und Tripolis und auf dem Weltforum von Brüssel begonnenen Weg fortzusetzen, wobei besonderer Nachdruck auf den Zusammenhang zwischen Einwanderung und Entwicklung zu legen ist.
Wir müssen die Einwanderung zu einem Entwicklungsfaktor in den Herkunftsländern und den Aufnahmeländern machen und sicherstellen, dass wir mithilfe der partnerschaftlichen Entwicklung die tieferen Ursachen der illegalen Einwanderung gemeinsam angehen.
Ferner ist es notwendig, die positiven Auswirkungen der von den Einwanderern in die Heimat überwiesenen Gelder bei der Entwicklung ihrer jeweiligen Länder zu maximieren und die Möglichkeit von Mikrokrediten auszuloten.
Darüber hinaus müssen wir eine kohärente Außenpolitik verfolgen, um die Vereinbarkeit der Handelsziele und der Entwicklungshilfe zu gewährleisten, sodass die weniger entwickelten Länder ihre Produkte exportieren können und nicht ihre Bürger exportieren müssen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede nicht abschließen, ohne allen Berichterstattern zu danken, mit denen ich eng und konstruktiv zusammengearbeitet habe, wie sich in dem breiten Konsens widerspiegelt, der im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zustande kam.
Begehen wir keinen Fehler, meine Damen und Herren, wir müssen der illegalen Einwanderung sowie ihren Ursachen und Kanälen den Kampf ansagen, doch wir dürfen nicht die illegalen Einwanderer bekämpfen, denn sie sind keine Kriminellen: Emigration ist kein Verbrechen. Wir müssen dem populistischen fremdenfeindlichen Diskurs, der Einwanderung mit Unsicherheit, Verbrechen, Terrorismus und Arbeitslosigkeit gleichsetzt, ein Ende setzen. Niemand wandert aus Lust und Laune aus, er tut es immer aus einer Notwendigkeit heraus. Ergreifen wir Maßnahmen, um diese Notwendigkeit zu beseitigen, damit Auswanderung zu einer persönlichen Entscheidung wird.
(Beifall)
Manolis Mavrommatis (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. – (EL) Frau Präsidentin! Vor allem möchte ich Lilli Gruber und Javier Moreno Sánchez zu der ausgezeichneten Arbeit, die sie geleistet haben, sowie zu der Zusammenarbeit bei der Erarbeitung der beiden Berichte beglückwünschen.
Die EU-Kommission hat sich auf eine echte gemeinsame Zuwanderungspolitik festgelegt, die von den 27 Mitgliedstaaten angenommen werden soll. Zuwanderung ist untrennbar mit Entwicklung verbunden und angesichts des demografischen Problems, vor dem die EU heute steht, ist die legale Zuwanderung jetzt Teil der Lösung vieler europäischer Probleme und stellt kein weiteres Problem dar.
Die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, hat es dem Entwicklungsausschuss ermöglicht, in der Rolle des Europäischen Parlaments gleiche Rechte für beide Geschlechter durchzusetzen, um die am stärksten gefährdeten Gruppen wie Frauen und Kinder zu schützen und den neu eingereisten Migranten Informationspakete und Sprachunterricht zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus wurde dem Brain Drain aus Regionen wie Afrika Rechnung getragen, wo ein akuter Bedarf an Personal im Gesundheitswesen besteht. Jedes Mal, wenn ein Doktor in dem Bestreben sein Land verlässt, in der EU eine bessere Zukunft aufzubauen, wird die Not in diesen Bereichen größer.
Daher begrüßen wir den Vorschlag der Kommission, die zirkuläre Migration zu verstärken. Migranten haben damit die Möglichkeit, nach einem Zeitraum von einem Jahr in ihr Heimatland zurückzukehren und die in den EU-Mitgliedsstaaten erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen mit zurückzunehmen.
Wichtig ist ferner, dass die Kommission mehr Informationen über den Rechtsrahmen bereitstellt, unter den die „zirkuläre Migration“ fällt. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei Herrn Kommissar Franco Frattini für das Einfühlungsvermögen bedanken, das er in den letzten beiden Jahren in Sachen Zuwanderung bekundet hat, sowie für seine ständigen Bemühungen, die 27 Mitgliedstaaten für eine Einigung über eine gemeinsame Zuwanderungspolitik zu gewinnen.
(Beifall)
Maria Badia i Cutchet, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur und Bildung. – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Als Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung habe ich betont, wie wichtig es ist, die mit der Einwanderung verbundenen sozialen, Bildungs- und kulturellen Aspekte zu berücksichtigen. Diese Faktoren leisten einen entscheidenden Beitrag zum Wirtschaftwachstum und zum sozialen Zusammenhalt. Dabei geht es auch darum, die Integration dieser Menschen in den Aufnahmeländern zu fördern und somit gegenseitiges Misstrauen abzubauen.
Im Bildungsbereich habe ich vorgeschlagen, Maßnahmen für den Zugang von Einwanderern zum Bildungssystem und ihre Integration in das Bildungssystem unter Anerkennung der in den Drittländern erworbenen akademischen und beruflichen Befähigungsnachweise vorzusehen.
Um die Abwanderung von Fachkräften zu verhindern, haben wir auf den Vorschlag der Kommission verwiesen, die Anstellung von einheimischen Arbeitskräften in jenen Ländern zu unterstützen, in denen die Abwanderung von qualifiziertem, ausgebildetem Personal die soziale und wirtschaftliche Situation destabilisieren könnte.
Abschließend möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung und Verantwortung der Medien lenken, wenn sie sowohl in den Herkunftsländern als auch in den Aufnahmeländern Informationen verbreiten. Es gilt zu verhindern, dass ein verzerrtes Bild vom Phänomen der Zuwanderung vermittelt wird.
Maria Panayotopoulou-Kassiotou (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (EL) Frau Präsidentin! Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter bedauert, dass sowohl in der Mitteilung der Kommission über den Strategischen Plan zur legalen Zuwanderung als auch in dem Text, über den wir heute abstimmen sollen, kaum Bezug auf das Problem der Gleichstellung der Frauen genommen wird.
Deshalb fordern wir die Kommission, die Mitgliedstaaten und die verschiedenen Gruppierungen im Rat, die in diesem Bereich Verantwortung tragen, auf, ihre Bemühungen zu verstärken. Die Koordinierung der Maßnahmen zur legalen Zuwanderung muss den Rechten von Migrantinnen, die doppelt diskriminiert werden, besonderen Schutz gewähren. Illegaler Zuwanderung muss entgegengetreten werden; sie fördert Netzwerke verschiedener Formen der Ausbeutung von schutzbedürftigen Männern, Frauen und Kindern.
Wir unterstreichen die Bedeutung eines globalen Konzepts für eine legale Zuwanderungspolitik. Zweiseitige Integrationsmaßnahmen müssen aufgenommen werden, um sowohl die Akzeptanz der Aufnahmegesellschaften als auch die Integrationsbereitschaft der Migranten und Migrantinnen zu stärken.
Dazu tragen Frauen und ihre Familien in erheblichem Maße bei. Die Familienzusammenführung muss erleichtert werden, indem den Frauen ein unabhängiger Status zuerkannt wird. Wir müssen gegen Diskriminierung, Amputationen, Zwangsheirat, Polygamie, Ehrenverbrechen und Gewalt jeglicher Art in der Herkunftsgesellschaft ankämpfen und die legale Entwicklung der Kompetenzen von Frauen fördern.
Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar Frattini, Herr amtierender Ratspräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Zuwanderung ist, weil sie oft mit menschlichen Dramen verbunden ist, eine politische Frage ganz besonderer Art. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei und europäischer Demokraten ist sich des Ernstes dieser Aussprache bewusst, und wir denken an die Hunderte Menschen, die den Traum von Europa mit dem Leben bezahlt haben. Die Achtung vor dem Leben ist und bleibt bei der Gestaltung unserer Zuwanderungspolitik vorrangig.
Ich beglückwünsche die Berichterstatter zu ihrer Arbeit und Herrn Kommissar Frattini zu seinem Engagement und seiner politischen Entschlossenheit. Wir haben die Aufgabe, alles zu tun, um die Migrationsströme zu steuern. Gefragt sind der Zusammenhalt unserer Gesellschaft, unsere Aufnahmefähigkeit für Zuwanderer und unsere Entschlossenheit zur Bekämpfung von Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Um die Zuwanderung zu steuern, sind ein Ansatz auf der Grundlage der Achtung der Menschenwürde und des Realismus und ein solider Rechtsrahmen unerlässlich.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn von Zuwanderung die Rede ist, muss zwischen Asylbewerbern, zeitweiligen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten, welche weitaus in der Überzahl sind, unterschieden werden. Was diese letztgenannte Kategorie betrifft, so muss wiederum zwischen illegaler Zuwanderung, für die die Europäische Union zuständig ist, und legaler Zuwanderung, die in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt, unterschieden werden.
Was die illegale Zuwanderung betrifft, so sind wir für strikte Maßnahmen. Europa muss sich seiner Verantwortung stellen und gegen die Geißel der Mafia-Gruppen kämpfen, die Profit aus menschlichem Elend ziehen. Wir anerkennen die erzielten Fortschritte wie die Gründung der Agentur Frontex, den Europäischen Fonds „Außengrenzen“ oder die Einsetzung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke. Das ist jedoch nicht ausreichend, und es fehlt an Humanressourcen sowie an materiellen und finanziellen Mitteln. Wir sind bereit, diese Instrumente mit den notwendigen zusätzlichen Mitteln auszustatten. Um jedoch effizient arbeiten zu können, müssen die Mitgliedstaaten, die unsere Grenzen bewachen, nach gemeinsamen Normen vorgehen. Von grundlegender Bedeutung ist die Erarbeitung eines wirklichen Gemeinschaftsprotokolls zum Schutz der Außengrenzen, verbunden mit einem entsprechenden Monitoringsystem.
Gegenüber den Migrationsströmen sind unsere Mitgliedstaaten nicht alle in der gleichen Lage. Wir sollten uns jedoch davor hüten, einen Unterschied zwischen den Mitgliedstaaten, die unsere Grenzen bewachen, und den übrigen Mitgliedstaaten zu machen. Im Süden und im Osten unserer Union ist die Aufgabe ungeheuer groß. Hier muss die Solidarität voll zum Tragen kommen, und es gilt, mit technischen, logistischen und finanziellen Mitteln die Mitgliedstaaten zu unterstützen, die in vorderster Front einer massiven illegalen Zuwanderung ausgesetzt sind. Obgleich die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung Maßnahmen an unseren Außengrenzen erforderlich macht, müssen doch auch im Innern des europäischen Hoheitsgebietes Anstrengungen unternommen werden. Zwischen 10 und 15 Millionen Menschen leben illegal auf unserem Territorium.
Da das Leitprinzip unserer Demokratien in der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz besteht, ist eine Politik der systematischen Rückführung illegal eingereister Personen in die Herkunftsländer dringend geboten. Die Rückführung der illegalen Einwanderer muss von der Europäischen Union unter strikter Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden. Wir wollen, dass Europa ein Zufluchtsort für jene bleibt, die vor Verfolgung auf der Flucht sind, und daher lehnen wir die massenhafte Regularisierung von illegalen Zuwanderern ab. Sie stellt keine Lösung dar und vermittelt den Illegalen und den potenziellen Zuwanderern die Illusion, dass sie früher oder später einen legalen Status erhalten. Diese Regularisierungen tragen vor allem dazu bei, die kriminellen Netzwerke, die Geschäfte mit illegaler Zuwanderung und mit Menschenhandel treiben, zu verstetigen. Wir begrüßen den Vorschlag der Kommission, Sanktionen gegen Arbeitgeber zu verhängen, die illegale Zuwanderer beschäftigen.
Was nun die gegenwärtige Lage hinsichtlich der legalen Zuwanderung betrifft, so ist unsere Fraktion der Auffassung, dass die Verpflichtung des Herkunftslandes, gegen die illegale Zuwanderung zu kämpfen, eine Vorbedingung bei Verhandlungen mit Drittländern sein muss. Natürlich fällt die Frage der legalen Zuwanderung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht der Union. Jedoch müssen wir im Sinne von mehr Effizienz und Kohärenz unsere Anstrengungen auf der Ebene der EU-27 besser koordinieren. Weiterhin müssen auch die Möglichkeiten der Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Zulassung von hoch qualifizierten Arbeitnehmern und solchen mit bestimmten speziellen Kompetenzen auf den europäischen Arbeitsmarkt geprüft werden. Der Vorschlag einer europäischen Blue Card verdient es, eingehender geprüft und erörtert zu werden, ebenso wie das Projekt der zirkulären Migration für nicht qualifizierte Arbeitnehmer.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Zuwanderung hängt von dem Gleichgewicht zwischen einem starken sozialen Zusammenhalt und der Öffnung für Andere sowie der Achtung der Rechtsstaatlichkeit ab. Wir wollen keineswegs unsere Türen zuschlagen, sondern wollen sicher gehen, wie es andere Regionen in der Welt auch tun, dass künftige Zuwanderer angemessen in unserer Gesellschaft aufgenommen und integriert werden.
Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes den Berichterstattern meinen Dank aussprechen; sie haben eine Arbeit geleistet, die nicht nur absolut gewissenhaft, sondern auch zielgerecht war.
Ich möchte mit einem Bild beginnen, das wir alle seit Monaten im Kopf haben: Es ist das Foto von 40 Schiffbrüchigen, die sich zwei Tage und Nächte im Zentrum des Mittelmeers an ein Tunfischnetz geklammert hatten. Damals schien es wichtiger, den Fang zu retten anstatt das Leben dieser Verzweifelten, die von dem Fischkutter, der auf sie traf, nicht an Bord genommen wurden. Ich sage das, weil, wie der Herr Kommissar betonte, ein Gesamtansatz für Migrationsfragen vonnöten ist, der aber differenziert sein muss. Ein Ansatz, bei dem Ausgewogenheit und Solidarität miteinander verbunden werden können und bei dem es – wie Frau Gruber erwähnte – keine Tabus geben darf.
Einwanderung kann nicht nur als Sicherheitsproblem betrachtet werden. Sie ist eine notwendige Herausforderung für Europa, ein Faktor der Integration und der gesellschaftlichen Entwicklung, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Kommissar Frattini wies darauf hin, dass Europa eine Rolle zu spielen hat; wir stimmen ihm zu. Europa ist gefordert, sofern es sich des Themas in seiner ganzen Vielschichtigkeit anzunehmen vermag.
In den wenigen mir noch verbleibenden Sekunden möchte ich auf die drei Grundprinzipien aufmerksam machen, die in diesen beiden Berichten enthalten sind. Die wirksamste Methode zur Eindämmung der illegalen Einwanderung ist die Schaffung legaler Zuwanderungsmöglichkeiten, sofern die gleichen Rechte und Pflichten für die Migranten und für die Aufnahmeländer gewährleistet sind.
In puncto illegale Einwanderung muss der Grundsatz der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten eingeführt werden, denn sie betrifft alle Mitgliedstaaten und nicht nur die Mittelmeeranrainer. Außerdem muss, wie viele Kollegen hier zu bedenken gaben, die illegale Einwanderung bekämpft werden, indem in den Herkunftsländern Bedingungen für die Beseitigung der Ursachen für die tiefe Verzweiflung dieser flüchtigen Menschen geschaffen werden – der tieferen Wurzeln, von denen Kommissar Frattini sprach.
Und schließlich die Achtung der Menschenrechte, Frau Präsidentin, die ein notwendiger Grundsatz unserer Politik bleibt. Der europäische Integrationsprozess wird nur kraftvoll und sinnvoll sein, wenn wir vermeiden können, dass Europa seine Türen vor den Migranten verschließt.
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Was könnte die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Einwanderungspolitik besser belegen als der Fall der tunesischen Fischer? Alles was man über dieses tragische Geschehen weiß – von den Migranten auf einem Schlauchboot auf hoher See bis zu den Menschenschmugglern, die sie darauf verfrachteten, und den Behörden, die ihre Retter einsperrten –, zeugt vom Scheitern der europäischen Migrationspolitik.
Bei jeder menschlichen Tragödie in einem hoffnungslosen Jahrzehnt des Nichtstuns haben Liberale und Demokraten eine einfache Frage gestellt: Wie viele Menschen müssen umkommen, ehe die Regierungen einsehen, dass eine hochgezogene Zugbrücke zur Festung Europa niemandem dienlich ist? Die Migration in den Griff zu bekommen, liegt genauso in unserem Interesse wie im Interesse derer, die an unsere Küsten gelangen wollen oder die für diesen Versuch den Tod in Kauf nehmen. Während der Populismus eine im Feuer der Angst geschmiedete Politik vorangetrieben hat, sollten wir lieber den Tatsachen ins Auge blicken.
Tatsache Nr. 1: In den kommenden zwanzig Jahren wird Europa zwanzig Millionen Arbeitskräfte verlieren – Arbeitskräfte, die in unseren Dienstleistungsbranchen tätig sind und mit deren Steuern Dienstleistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger finanziert werden.
Tatsache Nr. 2: Die nationalen Regierungen verschrecken die Menschen, die Europa braucht, wenn wir auf einem unbarmherzigen globalen Markt bestehen – ja, überleben – wollen. 85 % der klügsten Köpfe, denen unsere Bürokratie, unsere Sturheit und unsere der Freizügigkeit entgegenstehenden Hindernisse verleidet sind, wandern nach Amerika und Australien aus.
Tatsache Nr. 3: Unter zwanzig Migranten, die Europa erreichen, finden sich nur drei Fachkräfte; die meisten sind ungelernt, verzweifelt und mittellos. Die Vorschläge von Kommissar Frattini sprechen dieses Problem nur zur Hälfte an, indem sie auf Frau Hennis-Plasschaerts Vorstellungen von einer europäischen Green Card aufbauen, mit der die Bildungslücken ausgefüllt werden sollen. Aber dieser Plan einer Blue Card weist selbst Lücken auf: Kein Wort zum Beispiel von jenen Arbeitnehmern, die wir im Gastgewerbe, im Gesundheitssektor oder im Fremdenverkehr benötigen. Er könnte auf wirtschaftliche und demografische Herausforderungen eingehen, wenn das begleitet wäre von der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten, doch er unternimmt wenig, um der Herausforderung illegaler Migranten an unseren Südgrenzen zu begegnen.
Begehen wir keinen Fehler: Die Kommission macht es sich bequem, wenn sie meint, wir könnten für uns das Beste herausnehmen und den Rest übrig lassen. Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Getrieben von Armut, Hunger, Elend und Krieg, werden die Menschen das Mittelmeer überqueren, ob sie nun unseren Kriterien entsprechen oder nicht. Und warum? Weil wir mit unserer Agrar- und Fischereipolitik ihre Produkte preislich unterbieten und ihre natürlichen Ressourcen plündern.
Natürlich müssen wir an Europas Grenzen patrouillieren. Zu Recht fordert der Bericht Moreno Sánchez, dass man Frontex mit dem erforderlichen Budget, dem Personal und der Ausrüstung ausstattet, damit die Agentur ihre Arbeit tun kann – wiewohl die Herausnahme Gibraltars aus Frontex, womit der Zaun quasi ein Loch erhält, offen gestanden, nicht zu glauben ist. Längerfristig indes kann den derzeitigen Tendenzen nur mit einer umfassenden EU-Politik begegnet werden, die Menschenschmuggler bestraft, legale Einwanderungsrouten vorsieht und Hoffnung weckt, wo heute Verzweiflung herrscht.
In Wahrheit haben wir nur eine Möglichkeit des Umgangs mit den Entwicklungsländern: Entweder wir nehmen ihre Waren, oder wir nehmen ihre Menschen. Wenn wir weniger hereinlassen wollen, müssen wir ihnen zu Hause helfen, wie es in Frau Grubers Bericht richtig heißt. Deshalb muss die portugiesische Ratspräsidentschaft ihre Bemühungen verstärken und die landwirtschaftlichen Zölle senken sowie Doha zu einem erfolgreichen Abschluss bringen; deshalb muss die Kommission eine großzügige Agenda für Afrika ausarbeiten, in der Geld und Marktöffnung mit der Achtung der Menschenrechte mit Rechtsstaatlichkeit verbunden werden, um den Menschen die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Heimat zu vermitteln.
Herr Lobo Antunes, Herr Frattini, halten Sie Ihre nächste Ratstagung in der Einwanderungshalle auf Ellis Island in New York ab. Lernen Sie aus unserer Geschichte der Auswanderung nach Westen, wenn Sie sich auf den EU-Afrika-Gipfel im Dezember vorbereiten. Die Migration wird nicht aufhören: Sie wird angetrieben von dem berauschenden Cocktail aus Verzweiflung und Hoffnung, sie folgt dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, aber sie birgt, sofern man sie richtig im Griff hat, das Potenzial in sich, Europa zu bereichern und voranzubringen.
(Beifall)
Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur illegalen Einwanderung gibt es bereits verschiedene Richtlinien und weitere werden vorgelegt werden, doch das eigentliche Problem, das noch nicht gelöst wurde, bleibt die Verhinderung der illegalen und unkontrollierten Einwanderung sowie die einheitliche Festlegung und Gewährleistung der Achtung der in den Unionsländern geltenden Gesetze und Regeln: Das ist eine unerlässliche Voraussetzung des bürgerlichen Zusammenlebens.
Ich danke Herrn Kommissar Frattini für die Vorschläge, die er uns präsentiert hat. Das Problem ist jedoch nach wie vor ernst, denn es gibt Gerichtsurteile – ich nenne Fälle aus Deutschland und Italien –, wonach die Eltern eines daheim isolierten Mädchens strafrechtlich nicht verfolgt werden konnten oder dem Scheidungsbegehren einer mehrfach von ihrem Ehemann verprügelten Frau nicht stattgegeben wurde, da solche Verhaltensweisen nach Auffassung der Richter den Regeln und Traditionen der Herkunftsländer der Migranten entsprechen. All das ist wirklich schlimm, auch in Anbetracht des Entwurfs des Reformvertrags, der zwar die Schaffung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik vorsieht, jedoch auf sich warten lässt, während wir doch sofort eine gemeinsame Strategie brauchen, um die illegale Einwanderung einzudämmen.
Im Februar 2004 verfasste ich die Stellungnahme des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zur Frontex-Agentur, die 2004 ins Leben gerufen wurde und seit 2005 in Betrieb, doch immer noch mit unzureichenden Ressourcen ausgestattet ist. Oft hat sie nicht die Mittel, um nicht nur die offiziellen Außengrenzen kontrollieren zu können, sondern auch die Grenzen unserer Länder, die stärker überwacht werden müssen. Um eine gerechte Gesellschaft ohne offene oder unterschwellige Konflikte zu gestalten, deren Risiken offensichtlich sind – einschließlich der Gefahr einer Entstellung unserer andersartigen Identitäten –, brauchen wir eine starke Politik zur Bekämpfung illegalen Verhaltens. Wir fordern von Kommission und Rat nicht nur eine verstärkte Überwachung der EU-Grenzen, sondern auch harmonisierte Rechtsvorschriften zur zügigen und strengen Bestrafung der Menschenhändler und zur Förderung wirksamerer Abkommen mit den Herkunftsländern der Migranten.
Der Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde verträgt sich nicht mit schwachen Politikmaßnahmen, die die Terrorismusgefahr und die soziale Unzufriedenheit verstärken. Auch aus diesem Grund geben wir zu bedenken, dass das Fehlen einer gemeinsamen Regelung des Asylrechts die Lage verschlimmert, doch können wir seitens der Fraktionen nicht viele Aktivitäten erkennen.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte der Kommission, dem Rat und unseren beiden Berichterstattern dafür danken, dass sie endlich die Komplexität der Probleme und die Notwendigkeit eines in sich geschlossenen Vorgehens zur Kenntnis nehmen. Wir wissen, dass die Migration aus unserem Leben nicht wegzudenken ist, wir wissen, dass sie ein Potenzial für die Entwicklung darstellt, und wir wissen, dass auch viele Unionsbürger – genauso wie jene Menschen, die aus dem subsaharischen Afrika kommen – dorthin gehen, wo sie verdienen oder lernen wollen oder wo sie sich ein besseres Leben erhoffen
Wir begrüßen die Hinwendung zur Gleichberechtigung für alle Migrantengruppen hier, denn wir fürchten, dass ein sektorales Herangehen, nämlich verschiedenen Arbeitnehmern unterschiedliche Rechte zu gewähren, zu einer noch größeren Komplexität führen kann.
Es geht uns aber auch darum, für jene einen Status zu finden, die aufgrund von Konflikten zurzeit nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können und daher mittellos sind und oft auf der Straße leben.
Wir begrüßen auch den Ruf nach mehr Aufrichtigkeit seitens der Mitgliedstaaten in der Frage des Bedarfs an zugewanderten Arbeitskräften in unseren derzeitigen Volkswirtschaften. Die Globalisierung hat die Migration beschleunigt, und ich bin mir grundsätzlichen mit jenen Abgeordneten einig, die über die Notwendigkeit gesprochen haben, unsere Handelsvorschriften zu ändern. Wie hieß es doch? Wenn ihr unseren Fisch nehmt, nehmt ihr auch unsere Fischer. In diesem Fall möchte ich jenen Abgeordneten nahe legen, keine Krokodilstränen über die Not gewisser Migranten zu vergießen – und in diesem Haus nicht für Fischereiabkommen und nicht für Handelsvorschriften zu stimmen, mit denen anderswo Volkswirtschaften zugrunde gerichtet werden.
Wir tun auch Recht daran, in dieser Debatte die Beschäftigung zu beleuchten und über Gleichberechtigung, gleichen Lohn, gute Inspektion zu sprechen, was gut für alle Arbeitnehmer ist, die über ihre Rechte Bescheid wissen müssen. Wenn wir uns Sorgen über den Brain Drain machen, müssen wir auch an Maßnahmen denken, wie wir unsere eigenen Facharbeiter zum Hierbleiben veranlassen können. Wir müssen die Fachkenntnisse der zu uns kommenden Migranten nutzen und weiterentwickeln, und EQUAL hat uns da fantastische Beispiele geliefert, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Und wenn wir für hoch qualifizierte Facharbeiter attraktiv werden wollen, dann ist das nicht nur eine Frage von Freizügigkeit; es ist auch eine Frage, wie wir mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fertig werden, die ebenfalls viele hoch qualifizierte Menschen davon abhalten, in die Europäische Union zu kommen.
(Beifall)
Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommissar Frattini hat heute zuerst über legale Zuwanderung und dann über illegale Einwanderung zu uns gesprochen. Würde die Politik der Europäischen Union der Logik seiner Worte folgen, würde ich ihm zustimmen, doch leider ist das nicht der Fall.
Die Politik der Europäischen Union sprach in den letzten Jahren vor allem die Sprache der Einreiseverweigerungen, der Kriminalisierung der Migranten, der repressiven Maßnahmen, des Heraufbeschwörens des Schreckgespenstes der Invasion, und jetzt endlich beginnen wir über Einreisepolitik zu sprechen. Daher können wir uns alle damit einverstanden erklären, dass die Politik der legalen Zuwanderung von grundlegender Bedeutung für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung ist, sie ist von grundlegender Bedeutung, um den Menschenhandel zu unterbinden, die glückverheißenden Überfahrten zu verhindern und zu vermeiden, dass das Mittelmeer immer mehr zu einem Friedhof unter freiem Himmel wird. Allerdings müssen wir konsequent sein. Bevor also Einreiseverweigerungsmaßnahmen vorgeschlagen werden, müssten wir daher erörtern, wie die Kanäle für die legale Zuwanderung erweitert werden können und wie wir uns der demografischen Herausforderung stellen können.
Ich habe nicht ganz verstanden, worauf sich Kommissar Frattini heute bezog, ob er etwa von Presseindiskretionen gesprochen hat. Die Prognose bezüglich der 20 Millionen Zuwanderer bis 2030 hat doch die Europäische Kommission selbst in ihrem Grünbuch aufgestellt, wo sie erklärte, aufgrund der demografischen Probleme der Europäischen Union würden wir bis 2030 20 Millionen Zuwanderer benötigen. Doch 20 Millionen Zuwanderer bedeutet nicht, dass sie alle qualifiziert wären. Wir zäumen das Pferd vom Schwanz her auf: Zuerst führen wir Zurückweisungsmaßnahmen durch, dann beschließen wir Maßnahmen zur Aufnahme qualifizierter Migranten und zum Schluss nehmen wir uns des größeren Problems an, was mit all den Übrigen geschehen soll.
Meiner Ansicht nach sollte die Politik der letzten Jahre gründlich analysiert und auch bewertet werden. Es sollte ferner geprüft werden, wie unsere künftige Politik der Einreiseverweigerung aussehen soll; eine 18 Monate dauernde Verwaltungshaft ist meiner Meinung nach an sich ein Verbrechen und eine systematische Menschenrechtsverletzung.
Des Weiteren sollten die Frontex-Maßnahmen untersucht werden. Dieses Jahr haben wir 45 Millionen Euro ausgegeben; Frontex hat 90 Bedienstete und in diesem Sommer vier Einsätze durchgeführt. Ich glaube nicht, dass wir mit der Politik von Frontex zufrieden sein können, denn sie hat der Zurückweisung und nicht der Lebensrettung Vorrang eingeräumt.
Ich möchte mit folgender Feststellung schließen: Rettungsmaßnahmen müssen Priorität haben. Die Kommission soll uns heute, u. a. auf Antrag unseres Fraktionsvorsitzenden, über den Fall der sieben tunesischen Fischer berichten, die in Italien inhaftiert waren, weil sie 44 Migranten gerettet hatten. Ich hoffe, Kommissar Frattini kann Licht in diese Angelegenheit bringen, die eine logische Folge der Kriminalisierung der Einwanderung ist.
Roger Knapman, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Der arme Herr Frattini irrt noch immer im Labyrinth von Hampton Court, während wir sehen müssen, wie sich die EU immer mehr von der Demokratie entfernt. Vergleichen wir unsere Position – nicht zum ersten Mal – mit der der Schweiz.
Die Schweiz ist sich bewusst, dass lokales Wissen entscheidend für eine Einwanderungspolitik ist. Die EU ist bestrebt, die Kontrolle der Zuwanderung über die Ebene nationaler Regierungen hinaus zu zentralisieren. Die Schweiz hingegen dezentralisiert sie, wo immer es möglich ist, und siedelt sie auf der Ebene ihrer Kantone an. In der Schweiz wird über die jährliche Zuwanderungsquote zum Teil von der Bundesregierung und zum Teil von den Kantonen entschieden. Vorschläge für eine Einwanderungs-Bundesbehörde wurden dort abgelehnt.
Die Schweizer Kantone und ihre langjährige Tradition auf dem Gebiet der direkten Demokratie stellten bislang die historischen Triebkräfte einer Einwanderungspolitik dar, die im Dienste der Volkswirtschaft steht und die gewährleistet, dass Einwanderer fest in die schweizerische Gesellschaft integriert werden. Wie Professor Windisch von der Universität Genf gegenüber der französischen Stiftung für politische Innovation in ihrem Mitteilungsblatt vom April 2006 äußerte, hatte sich die schweizerische direkte Demokratie – offen und von Anfang an – Problemen der Einwanderung und der Integration mithilfe von – Gott bewahre! – Referenden und Volksinitiativen zu stellen. Er fährt fort: „Im Unterschied zu einem extrem zentralistischen Land wie Frankreich wurde die Debatte sowohl auf Bundesebene als auch auf der Ebene der Kantone und Kommunen geführt, womit die Reaktion der Kommunen gefragt war, und sie umfasste solche Initiativen wie die Einrichtung eines Integrationsbüros in jedem Kanton sowie die geografische Verteilung von Neuankömmlingen.“
Für diejenigen unter uns, die im Unterschied zu den Schweizern nicht das Glück hatten, außerhalb der EU zu leben, besteht die Lehre darin: In der Schweiz funktioniert die Einwanderungspolitik deshalb, weil über sie entsprechend den lokalen und nationalen Bedürfnissen entschieden wird und weil die lokalen Gemeinschaften und nicht die gesichtslose, zentralisierte Bürokratie für die Integration von Migranten auf der Grundlage ihrer eigenen Bedürfnisse zuständig sind. In Großbritannien, das nun einmal zeitweilig der EU angehört, entfernt sich die Einwanderungspolitik immer weiter von diesem Quell lokalen Wissens, und wir von der britischen Independance Party haben uns beeilt, auf die Mängel eines solchen Vorgehens hinzuweisen.
Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst den beiden Berichterstattern für ihre hervorragende Arbeit. Die Förderung und Regulierung der legalen Zuwanderung ist die einzige tragfähige Lösung, um nicht nur die migrationsbedingte Kriminalität zu bekämpfen, sondern auch die Menschenrechte zu schützen und zu gewährleisten. Wie jeder andere Unionsbürger auch müssen die Migranten mit entsprechenden Rechten und Pflichten in die jeweiligen Gemeinschaften integriert und aufgenommen werden.
Vor einem Jahr war ich Verfasser der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses zu dem Bericht über das Überschreiten der Außengrenzen. Wie damals möchte ich hervorheben, wie wichtig es für Europa ist, entsprechende Ressourcen bereitzustellen, um menschenwürdige Auffanglager, Schulungen für unser Personal, den Zugang ausländischer Bürger zu Informationen über ihre Rechte und Pflichten, schwere Strafen für diejenigen, die sich die illegale Einwanderung zunutze machen, und vor allem eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Nach dem Start von Frontex müssen der Agentur ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt und die anderen von der Migration betroffenen Nachbarländer so tatkräftig wie möglich einbezogen werden.
Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE). – (ES) Ja, Herr Präsident. Es tut mir Leid, ich hatte einige Probleme mit dem Dolmetschen, und wenn Sie mir ein paar Sekunden gestatten, möchte ich einfach sagen, dass …
(Der Redner spricht in baskischer Sprache.)
Ich entschuldige mich: Ich wollte am Europäischen Tag der Sprachen nur einige Worte auf Baskisch sagen, da wir, wie in dieser Debatte schon erklärt wurde, keine Kriminellen sind; wir möchten nur in unserer eigener Sprache sprechen.
Alfredo Antoniozzi (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Herrn Vizepräsident Frattini nur bescheinigen und ihm danken, dass er einen Aktionsplan vorgelegt hat, der endlich eine solide Grundlage für die zukünftige Debatte über illegale Einwanderung und die Maßnahmen in diesem Bereich bildet.
Was den Bericht angeht, so halte ich ihn für einen ausgewogenen Text, der das Ergebnis zweckgerichteter Verhandlungen und bedeutsamer, zwischen den verschiedenen Fraktionen ausgehandelter Kompromissänderungsanträge ist, die uns eine breite Zustimmung zu diesem Text ermöglichen werden und dank derer wir somit als Parlament die zukünftige Arbeit der Europäischen Kommission an diesem Thema unterstützen können. Ich möchte hervorheben, dass der Standpunkt der PPE-DE-Fraktion bei der Ausarbeitung dieses Berichts wesentlich zu der dringend benötigten Ausgewogenheit und Substanz beigetragen hat.
Die entscheidenden Grundsätze des Standpunkts, den unsere Fraktion stets zum Thema Einwanderung vertreten hat, wurden bestätigt. Von diesen Grundsätzen möchte ich unsere Verpflichtung zur entschiedenen und entschlossenen Bekämpfung der illegalen Einwanderung, die Förderung einer engeren Verbindung zwischen legaler und illegaler Einwanderung und die Suche nach besseren Dialog- und Integrationsmechanismen für Migranten nennen.
Der Bericht kann ohne Übertreibung zweifellos als europäischer Bericht bezeichnet werden, eben weil er die Migration als ein Phänomen betrachtet, das sowohl mit seinen positiven als auch mit seinen negativen Aspekten von allen europäischen Partnern gemeinsam angepackt werden muss. Sie müssen sich solidarisch zeigen und auch Probleme, die manche Länder stärker betreffen als andere, mit der gleichen Aufmerksamkeit und Entschiedenheit angehen. Der Untergang eines Bootes mit illegalen Migranten vor Sizilien oder vor den Kanarischen Inseln oder anderswo muss als gemeinsames Problem betrachtet werden.
Gelinde gesagt bedarf es einer Politik zur Koordinierung der Einwanderung auf europäischer Ebene. Der vorliegende Bericht weist in die richtige Richtung und bestätigt damit diese Überzeugung, wobei jedoch die vollständige Wahrung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die mengenmäßige Steuerung der Migrationsströme eindeutig bekräftigt wird.
Bárbara Dührkop Dührkop (PSE). – (ES) Herr Präsident! Wie alle anderen auch möchte ich zunächst den Berichterstattern zu ihrer ausgezeichneten Arbeit gratulieren.
Die Einwanderung ist bekanntlich kein neues Phänomen, doch neu ist ihr gewaltiger Anstieg in den letzten Jahren, was auf die zunehmende Armut und die Tatsache zurückzuführen ist, dass immer mehr Länder in Armut versinken.
Daher besteht die wichtigste Aufgabe meiner Ansicht nach jetzt darin, die Migrationsströme zu kontrollieren, sie nach den wirklichen Bedürfnissen zu gliedern, eine bessere Integration dieser Menschen in den Aufnahmeländern zu sichern und gleichzeitig die Überwachung unserer Grenzen durch Maßnahmen zu verstärken, die die Rückführung in die Herkunftsländer ermöglichen.
Vor allem müssen wir die Menschenhandelmafias bekämpfen. Es ist wichtig, eine Antwort zu finden und den menschlichen Tragödien im Zusammenhang mit der illegalen Einwanderung ein Ende zu setzen; in diesem Punkt stimmen wir überein.
Doch die Grenzkontrollen sollten von allen Mitgliedstaaten gemeinsam durchgeführt werden. Gemeinsame Verantwortung und Solidarität müssen Hand in Hand gehen.
Nun einige Worte zu Frontex, wo eine gute Arbeit geleistet wurde. Damit wende ich mich an den Rat, der uns gerade eine lange Liste von Schiffen und Hubschraubern verlesen hat. Jetzt würde ich gern wissen: Wo sind sie? Es reicht nicht, dass sie nur auf der Liste stehen. Ich bin auch der Ansicht, dass die Vorgehensweise des Rates schizophren ist, wenn er mehr Unterstützung für Frontex verlangt und gleichzeitig das Budget der Agentur um 2,5 % kürzt, und zwar vor dem Hintergrund, dass die Mittel für 2007 bereits ausgeschöpft sind.
Doch wir wissen, dass der Zustrom von Einwanderern trotz Frontex anhält, egal ob wir den festen Willen haben, ihn zu kontrollieren: Gefordert ist der Wille, keine Rechtsvorschriften, denn Kommission und Rat haben sich gegen eine einheitliche Richtlinie über die legalen Bedingungen zur Einwanderung in die EU entschieden.
Es ist, als ob sich alles, worauf wir in Tampere gehofft haben, alles, wofür unsere Sozialdemokratische Fraktion so energisch eingetreten ist, einfach in Rauch aufgelöst hat.
Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE). – (NL) Herr Präsident! In einer Welt, die in zunehmendem Maße von regionalen Konflikten geprägt ist, in der eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich besteht und in der die Mobilität zunimmt, wird die Steuerung von Migrationsströmen immer bedeutsamer und gleichzeitig schwieriger. Ist die Europäische Union in der Lage, in der Frage von legaler und illegaler Zuwanderung ihrer Verantwortung in Form eines umfassenden Maßnahmenpakets gerecht zu werden? Diese Debatte führen wir nun schon eine Weile. Dazu gehören: die Push-Faktoren, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen, die Pull-Faktoren, die sie verleiten, zu gehen, die Bedeutung von Hilfe vor Ort, die oft unmenschlichen Umstände, unter denen Menschen leben, die beabsichtigte Aufteilung der Pflichten zwischen den Mitgliedstaaten, die Rückführung von illegalen Zuwanderern, die fehlenden Möglichkeiten für legale Zuwanderung, die Gefahr des Brain Drain sowie die demografischen Veränderungen, mit denen die EU konfrontiert ist. All diese Aspekte sind bzw. werden in der nächster Zeit im Rahmen von Richtlinien, Aktionsplänen und anderen Instrumenten behandelt. In dieser Hinsicht möchte ich Herrn Kommissar Frattini danken. Am vergangenen Donnerstag haben Sie Ihre Ziele auf der Konferenz „Shaping migration strategies“ (Gestaltung von Migrationsstrategien), die ich gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen organisiert habe, erneut leidenschaftlich dargelegt.
Herr Ratspräsident, ich bewundere die Aussagen von Minister Socrates. Die Länder der Europäischen Union tragen in der Tat historische Verantwortung gegenüber jenen, die nun in die entgegengesetzte Richtung reisen. Als amtierender Ratspräsident haben Sie sich sehr ehrgeizige Ziele gesteckt. Doch die Realität zeigt uns, dass die EU noch einen langen Weg vor sich hat, wenn es um die Übernahme globaler Verantwortung geht. In vielen Mitgliedstaaten wird die Migrationsdebatte sehr polarisiert geführt. Es wird nicht zwischen Asylsuchenden und Wirtschaftsmigranten unterschieden, wobei Letztere sich oftmals illegal im Land aufhalten. Integrationsprobleme dominieren die Diskussion. Die sozialen Sicherungssysteme stünden angeblich auf dem Spiel und passt man nicht auf, wird der Durchschnittsmigrant einem Terroristen gleichgestellt. Leider ist es viel zu oft kaum möglich, diese Fragen offen, ehrlich und transparent zu diskutieren. Bedauerlicherweise kommt dies auch in den quälend langsamen Entscheidungsprozessen im Rat zum Ausdruck, wenn dieser sich für die Harmonisierung entscheidet, man sich am Ende dann aber doch auf die niedrigstmöglichen Mindeststandards einigt. Werden konkrete Maßnahmen beschlossen, so geschieht dies stets auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners. Ja, ich bin von Natur aus ein ungeduldiger Mensch – um das einmal nebenbei zu bemerken.
In Wirklichkeit jedoch fehlt es vielen Mitgliedstaaten an Ehrgeiz. Die mangelnde Solidarität ist empörend. Ich erwähne nur Frontex, aber Beispiele gäbe es viele. Wann machen die Mitgliedstaaten deutlich, dass sie eine langfristige Vision verfolgen, dass sie sich nicht länger von Angst treiben lassen, dass sie sich nicht mehr von einem kritischen Artikel auf der Titelseite ihrer Zeitungen oder den nächsten Wahlen leiten lassen. Mit wohlklingenden Schlussfolgerungen des Rates erreichen wir nichts. Darum lautet meine Frage an Sie, Herr Ratspräsident: Wie werden Sie sicherstellen, dass sich diese Situation ändert? Sind Sie bereit, dem neuen Vertrag vorzugreifen und dem Parlament gesetzgebende Kompetenzen zu übertragen, wenn es um die neuen Richtlinien für legale Zuwanderung wie beispielsweise die Blue Card geht? Dies, Herr Ratspräsident, wäre das richtige Signal.
Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Doyle warnt uns vor den Gefahren der einfachen Lösungen. Die konkreten Ergebnisse der Agentur Frontex, die mit ganz anderen Mitteln ausgestattet werden müsste, zeigen, dass sich etwas bewegt und etwas erreicht wird. Die Politik Frankreichs, die in die richtige Richtung geht, könnte als Vorbild dienen. Ebenso einige richterliche Entscheidungen, beispielsweise in Italien, wo damit begonnen wird, die an illegale Einwanderer vermieteten Wohnungen zu beschlagnahmen. Solche praktischen Maßnahmen sollten europaweit durchgeführt werden.
Doch was für Spitzfindigkeiten hören wir von der wohlmeinenden und aufgeschlossenen Linken! Es tut mir Leid, Frau Gruber, aber es wundert mich, aus dem Munde einer so intelligenten Person, wie Sie eine sind, zu hören, die legale Zuwanderung könne gefördert und die illegale Einwanderung bekämpft werden, wenn die Türen für legale Zuwanderer geöffnet werden. Genau das Gegenteil trifft doch zu! Durch die Ausrottung des Übels der Illegalität können wir den Weg frei machen für das, was, auch zahlenmäßig, akzeptabel und tolerierbar ist, anders gesagt, für eine reguläre, saubere und transparente Zuwanderung. Haben Sie jemals von der Mafia gehört? Es stimmt, dass dieses Wort in Ihrem Bericht nicht vorkommt, ebenso wenig wie das Wort Terrorismus, doch Mafia und Terrorismus verdienen am Menschenhandel und am Tod der armen illegalen Migranten und werden dadurch noch stärker. Das sollten auch Sie begreifen, denn das ist nicht schwer!
Kathalijne Maria Buitenweg (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Ich möchte Ihnen aus einem vom Europäischen Parlament finanzierten Forschungsbericht vorlesen. Dort steht:
(EN) ‘One can reasonably conclude that the number of people who died at the European borders has increased significantly since controls were extended to the external borders in 1995.’
(NL) Herr Präsident! Im Grunde ist nicht die Zahl der Menschen gestiegen, die einen Weg nach Europa suchen, sondern die Grenzen werden entschieden besser bewacht, so dass die Menschen wesentlich schwierigere und gefährlichere Routen wählen. Im betreffenden Bericht wird auch erwähnt, dass:
(EN) ‘The European Council’s proposals will probably increase human costs because of the intensified security and surveillance orientation.’
(NL) Herr Präsident! Ich würde mich sehr über eine entsprechende Reaktion seitens der Kommission und des Rates freuen. Nach meinem Dafürhalten sollten wir uns nicht auf derartige Forschungsergebnisse stützen. Vielmehr sollten wir selbst Informationen über die tödlichen Grenzübertritte sammeln. Teilen Sie diese Ansicht und wer sollte diese Daten dann erfassen?
Herr Präsident! Ich plädiere nicht für die gänzliche Abschaffung von Grenzkontrollen, aber ich befürworte eine größere Zahl legaler Zuwanderungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang möchte ich der Kommission auch ein Lob für den Vorschlag einer Blue Card aussprechen. Die Bezeichnung verweist auf die blaue Farbe in der Europäischen Flagge, aber offenbar geht es in erster Linie um die Sterne. Es handelt sich dabei um eine Art Eintrittskarte für besser ausgebildete Menschen, was an sich sehr gut ist, aber der Ergänzung bedarf. Es freut mich, dass die Kommission nach ihren Worten daran arbeiten will. Ich bin gespannt auf ihre Vorschläge, stellen sie doch eine – wie ich meine notwendige – Ergänzung zu den bisherigen Vorschlägen dar.
Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Völkerwanderungen hat es in der gesamten Geschichte der Menschheit gegeben. Sie waren eine der fundamentalsten Triebkräfte dieser Geschichte. Wenn wir von der Migration zwischen Ländern sprechen, dann geht es dabei um grundlegende Fragen, um existenzielle Fragen der Freiheit des Menschen. Haben die Menschen nicht das Recht zu wählen, wo in der Welt sie leben wollen? Nichts davon steht hier im Grunde zur Diskussion. Der moderne Wohlfahrtsstaat ist aufgrund der Unterschiede im Lebensstandard unvereinbar mit freier Einwanderung und nur schwer zu vereinbaren mit einer stärkeren Migration überhaupt.
Einwanderung zur Verjüngung der eigenen Bevölkerung ist nach Ansicht von Forschern eine tot geborene Idee. Die Einwanderung von Familienangehörigen hat nur geringe Auswirkungen auf die demografische Struktur. Um beispielsweise die Bevölkerung eines Landes wie Japan zu verjüngen, müssten 50-75 % aller Bewohner dieses Landes Einwanderer sein.
Der Brain Drain ist für viele Entwicklungsländer ein großes Problem. Hier wird im Prinzip vorgeschlagen, andere Länder ihrer ausgebildeten Bevölkerung zu berauben. Wir brauchen eine neue Herangehensweise.
Marine Le Pen (ITS). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Zahlen aus dem Jahresbericht 2006 über die Tätigkeit von Eurodac, einem biometrischen Instrument, das europaweit zur Überprüfung von Asylbewerbern verwendet wird, besagen, dass die Zahl der Personen, die eine der Grenzen der Union illegal überschritten haben, gegenüber 2005 um 64 % gestiegen ist. Dieser beunruhigende Anstieg beweist nur, so dies denn noch nötig wäre, dass Europa nicht in der Lage ist, seine Außengrenzen zu kontrollieren und die exponentielle Zunahme der illegalen Zuwanderung, vor allem aus Afrika, in den Griff zu bekommen.
Das einzig Erleichternde in diesem Bericht ist, dass das Parlament sich bewusst geworden zu sein scheint, dass die massenhaften Regularisierungen von illegal in das Hoheitsgebiet der Union gelangten Zuwanderern keine Lösung an sich darstellen und die Probleme nicht beseitigt haben. Halleluja! Damit es endlich zu dieser Erkenntnis kam, war es immerhin notwendig, dass Spanien, Belgien, Frankreich, Italien und die Niederlande diese gefährliche Regularisierungspolitik betrieben, die unweigerlich einen so genannten Sogeffekt ausübte und damit auch die Migrationsströme ihrer europäischen Nachbarn beeinflusste.
Lassen Sie es uns jedoch positiv sehen. Das ist immerhin ein Anfang, aber, um die illegale Zuwanderung wirksam bekämpfen zu können, gilt es dringend eine einzige Maßnahme zu ergreifen: die Wiedereinführung der Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union. Denn diesem armseligen Etwas von Frontex, einer leeren Hülle mit zu wenig Personal und Ausrüstungen, das im Übrigen nicht einmal die Unterstützung bestimmter europäischer Länder genießt, die darauf bedacht sind, ihre Souveränität in Fragen der Steuerung der Zuwanderung zu bewahren, wird es niemals gelingen, Europa aus diesem Teufelskreis herauszuführen.
Europa selbst ist schuld an dieser ständigen und exponentiell steigenden Zuwanderung, indem es die kriminellen Schengener Übereinkommen abgeschlossen hat. Diese gilt es schnellstens aufzukündigen.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Die Europäische Union hat eine umfangreiche Gesetzgebung zur Migrationspolitik. So gibt es die Genfer Konventionen, das Dubliner Übereinkommen, mehrere Verordnungen und eine Vielzahl von Richtlinien.
Allerdings ist ihre Umsetzung äußerst problembehaftet, und der schiere Umfang an Regelungen und Bestimmungen macht das gesamte System undurchsichtig. Darüber hinaus werden die Gesetze der Mitgliedstaaten oftmals nicht bestimmungsgemäß angewendet und Flüchtlinge und Asylbewerber häufig in einen Topf geworfen.
Da die Zeit begrenzt ist, werde ich mich auf die Frage der Kinder beschränken, die nicht von ihren Eltern begleitet werden und ihr Heimatland verlassen, um in einem anderen Land Asyl zu beantragen: Genau 5 % aller Asylsuchenden sind Kinder. Uns liegen Statistiken vor, aus denen hervorgeht, wie viele Kinder Asyl beantragt haben, aber es ist nicht bekannt, wie viele die Grenzen überschritten haben, ohne um Asyl nachgesucht zu haben. Bekannt ist, wie viele Asyl bekommen haben, aber es gibt keine Angaben darüber, was mit abgelehnten Asylbewerbern geschieht.
Hinzu kommt, dass bei Ankunft in einem Land Kindern ein Rechtsvertreter zugeordnet werden muss, der ihre Interessen vertritt. Allerdings ist nicht klar definiert, was im besten Interesse eines Kindes liegt. Beim Rechtsvertreter eines Kindes sollte es sich nicht um einen unerfahrenen Ehrenamtlichen, Studierenden oder eine Rechtsperson handeln, die sich in einem Interessenskonflikt befindet.
Patrick Gaubert (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Voller Freude habe ich in den letzten Tagen den Aufruf der Sozialdemokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments zur Kenntnis genommen, heute eine Aussprache ohne jede Demagogie führen zu wollen. Im Übrigen finde ich, wenn ich Ihnen heute zuhöre, dass Ihre Positionen sich geradezu gefährlich denen meiner Fraktion annähern.
Ich bin einverstanden mit Frau Gruber, dass die Mitgliedstaaten die Zuwanderung nicht mehr jeder für sich in seinem Eckchen Europas steuern können. Ich bin ebenfalls einverstanden mit Herrn Sánchez, wenn er sagt, dass wir den Auswanderungsländern dabei helfen wollen, sich zu entwickeln, damit die Leute zu Hause bleiben. Ich bin einverstanden mit Herrn Fava, wenn er sagt, dass Europa entschlossen gegenüber den Arbeitgebern auftreten muss, die die Arbeitskräfte skrupellos ausbeuten.
Es gibt Leute, die Zuwanderung mit Gewalt gleichsetzen und behaupten, die Zuwanderer seien die Ursache aller Übel ihres Landes. Diese Leute teilen nicht die Grundwerte der Europäischen Union.
Glücklicherweise gibt es aber auch Menschen, die auf humane Weise gegen die illegale Zuwanderung kämpfen, welche nur moderne Sklaven hervorbringt, und die legale Zuwanderung unterstützen, die in wirtschaftlicher, kultureller und geistiger Hinsicht eine Chance für uns alle sein kann.
Wir im Europäischen Parlament wissen, dass dieses Problem nicht durch bloße Maßnahmen auf nationaler Ebene gelöst werden kann. Der einzige Weg kann nur in einer abgestimmten europäischen Politik bestehen. Wir haben Frontex nicht geschaffen, um in Südeuropa Ertrunkene aus dem Meer zu fischen oder um im Osten verhungerte und verdurstete Kinder zu bergen. Frontex ist keine unüberbrückbare Grenze, es ist ein Mittel, um den allzu massenhaften Zustrom von Zuwanderern zu vermeiden, der menschlich und materiell nicht zu bewältigen ist.
Die Überwachung unserer Grenzen ist kein technisches und auch kein militärisches Problem, sondern eine politische Angelegenheit. Ich bin ebenso wie Sie auf der Suche nach der realistischsten, der menschlichsten Lösung. Wie wir alle wissen, ist sie hier um den europäischen Tisch, zwischen uns und den Verantwortlichen der Herkunftsländer der Zuwanderung zu finden. Es ist an uns, eine neue Form der effizienteren Ko-Entwicklung anzuregen, die zu einer intelligenten Steuerung der Migrationsströme und zu einer friedlichen Ankunft von Zuwanderern in der Europäischen Union führen wird.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Zuwanderer können sich ihr Schicksal nicht aussuchen. Wir hingegen haben die Wahl: nämlich sie mit Aufmerksamkeit, Würde und Verständnis zu empfangen. Wir können dort Erfolg haben, wo andere so lange gescheitert sind!
(Beifall)
Martine Roure (PSE). – (FR) Herr Präsident! Wir haben diese gemeinsame Debatte gewollt, denn heute ist es unmöglich, zu einer echten effizienten und kohärenten europäischen Zuwanderungspolitik zu gelangen, wenn wir diese beiden Themen nicht gemeinsam und auf Gemeinschaftsebene erörtern.
Unsere Länder haben jahrelang eine restriktive Migrationspolitik betrieben, doch diese hat die Migranten nicht aufgehalten. Im Gegenteil, sie kommen weiterhin nach Europa unter großen persönlichen Gefahren, um bessere Lebensbedingungen zu suchen, und für viele von ihnen ist dies eine Frage des Überlebens. Heute ist die Welt ein globales Dorf, und wir werden nie in der Lage sein, diejenigen aufzuhalten, die vor Elend und Verzweiflung fliehen. Bestimmte Leute hängen der Vorstellung von der Schließung unserer Grenzen an, doch sie sind völlig verantwortungslos.
Es ist letztlich eine Frage der Moral und der Solidarität, und wir müssen allen in Not befindlichen Ländern helfen. Deshalb wünsche ich übrigens, dass wir diese Debatte nicht auf Frontex beschränken. Zwar muss der Europäische Rat uns erklären, warum Frontex gezwungen war, Mitte August seine Aktionen im Mittelmeerraum aus Mangel an operationellen Mitteln einzustellen. Doch die Frage, auf die wir uns wirklich konzentrieren müssen, besteht darin, wie wir es denen, die dies wünschen, ermöglichen, in geregelter Form nach Europa zu gelangen?
Wir müssen natürlich die Möglichkeit der Einführung einer europäischen Blue Card prüfen: Diese sollte es Migranten ermöglichen, sich frei, in transparenter Weise und gefahrlos zwischen Europa und den Herkunftsländern zu bewegen. Gleichzeitig kommt es darauf an, dass die Kommission zuvor einen Vorschlag unterbreitet, um einen gemeinsamen Sockel an Rechten von Migranten festzulegen. Viele von ihnen werden in unseren Ländern in skandalöser Weise ausgebeutet. Wir müssen uns voll bewusst werden, dass es in der heutigen sich verändernden Welt dringend geboten ist, den Ländern, die noch im Elend leben, eine harmonische Entwicklung zu ermöglichen. Das ist unsere Aufgabe. Jeder Mensch muss das Recht haben, im Lande seiner Herkunft zu leben, doch unter den gegenwärtigen Umständen gibt es diese Wahl nicht.
Schließlich hoffe ich, dass die Mitgliedstaaten das Mandat der Regierungskonferenz respektieren, bei Fragen der legalen Zuwanderung zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit und zur Mitentscheidung überzugehen. Ich möchte wiederholen, dass dies absolut notwendig ist, um eine kohärente europäische Politik zu betreiben.
Jean-Marie Cavada (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr amtierender Ratspräsident! Endlich können wir gemeinsam über die illegale Zuwanderung und die so genannte legale Zuwanderung beraten: die beiden Seiten einer Medaille, ohne die bislang kein Land seine Einwanderungspolitik wirklich zum Erfolg führen konnte. Den meisten von ihnen ist es lediglich gelungen, wahlbezügliche Ungleichgewichte zu schaffen, wodurch die Probleme nur noch verschlimmert werden, denn das ist das Letzte, was gebraucht wird, um diese grundlegend zu lösen.
Heute kann kein Mitgliedstaat behaupten, seine Zuwanderungspolitik allein regeln zu wollen, und das Drama dieser Europäischen Union besteht darin, dass viele unserer Länder sich in der Geschichte mehr als zwei Jahrhunderte lang Migrationsproblemen ausgesetzt sahen, unter denen sie seinerzeit litten. Heute wird politisches Klein-Klein betrieben, aber ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, eine Stufe höher zu gehen. In einem Raum der Freizügigkeit betreffen die Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat getroffen werden, unmittelbar auch die Nachbarländer. Ebenso sind die Außengrenzen nunmehr gemeinsame Grenzen aller Länder der Union; daher können die Mitgliedstaaten im Süden und im Osten der EU nicht allein und hilflos dem massenhaften Zustrom der Migranten ausgesetzt werden, wie es in Malta, auf den Kanaren, in Lampedusa, im Osten und nun sogar im Nordwesten der Union geschieht.
Deshalb ist Solidarität geboten, und es bedarf nunmehr eines echten politischen Willens, den ich bei den Mitgliedstaaten nicht ausreichend gegeben sehe. Wir können keine echte europäische Zuwanderungspolitik entwickeln, wenn wir nicht das in den gegenwärtigen Verträgen bestehende Ungleichgewicht beseitigen: Die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung muss zu einer echten Gemeinschaftsangelegenheit werden, und die lähmende Einstimmigkeit in der Politik der legalen Zuwanderung ist heute nicht länger hinnehmbar.
Deshalb möchte ich nochmals die Notwendigkeit betonen, für die Politik der legalen Zuwanderung und der Integration, wie dies in dem Mandat der Regierungskonferenz gesagt wird, die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und die Mitentscheidung mit dem Europäischen Parlament vorzusehen. Das ist das einzige Mittel, um effizient und demokratisch auf eine der größten Herausforderungen für die Europäische Union zu antworten.
Roberts Zīle (UEN). – (LV) Herr Präsident! Herr Kommissar! Es freut mich außerordentlich, dass das Parlament im Rahmen der Unterstützung des Gemeinschaftsansatzes versucht, auch einwanderungstechnische Rechtsprobleme in meinem Heimatland Lettland zu lösen, die mit dem Beschäftigungsmangel in verschiedenen Sektoren wie dem Bau- und Gastronomiegewerbe zu tun haben. Ja, viele Menschen haben Lettland den Rücken gekehrt, um legal in diesen Bereichen in anderen EU-Ländern zu arbeiten und Bürger aus Nicht-EU-Staaten haben sowohl legal als auch illegal diese Arbeit in unserem Land übernommen. Für jene Personen, die ein starkes Interesse verspüren, in Zuwanderungsfragen die Rolle des Europäischen Parlaments zu stärken und die der Mitgliedstaaten, insbesondere der kleinen Staaten, zu beschränken, möchte ich gern eine andere Schwerpunktsetzung vornehmen. Wir sollten alle Anstrengungen unternehmen, um verschiedene Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, die Zutrittsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt für die Beitrittsländer von 2004 aufzuheben, ganz zu schweigen von der Haltung gegenüber den 2007 beigetretenen Ländern, die selbst die illegale Beschäftigung von EU-Bürgern fördert. Bleiben Sie sich treu, meine Damen und Herren! Vielen Dank.
Hélène Flautre (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Wenn Sie legale Zuwanderungskanäle vorschlagen, die im Wesentlichen durch die wirtschaftlichen Bedürfnisse Europas motiviert sind, die nur wenig Sensibilität für die realen Bedürfnisse der Bevölkerung im Süden der Union aufweisen, entscheiden Sie faktisch weniger über die Zahl der Migranten in Europa als vielmehr über diejenigen unter den Migranten, die legal auf unser Hoheitsgebiet gelangen können. Und was ist mit den Anderen?
Den Anderen bleibt die alptraumhafte Reise. Hinderung am Verlassen ihres Heimatlandes, Aufgreifen auf hoher See, inoffizielle Kanäle, Ingewahrsamnahme, Rettung oder Ertrinken im Meer – ich möchte Sie wieder und wieder sagen hören, dass die Rettung aus Seenot eine universelle, grundlegende Aufgabe ist, angesichts des Falls der sieben tunesischen Fischer, das ist das Mindeste, was wir erwarten können –, gewaltsame Rückführung, endloses Umherirren in abweisenden Transitländern, schwere Verletzung der Menschenrechte und vieles mehr.
Als Kommissar für Recht, Freiheit und Sicherheit müsste die Achtung der Menschenrechte Ihr Hauptanliegen sein – ebenso wie sie unser Hauptanliegen ist –, und Sie verfügen auf diesem Gebiet über große Vollmachten, wie wir wissen, ja geradezu immense Vollmachten!
Wenn tschetschenischen Staatsbürgern das Asyl in der Slowakei verweigert wird und sie dann über die Ukraine nach Russland ausgewiesen werden, wie wollen Sie dann garantieren, dass sie nicht Opfer von Misshandlungen werden? Wie lautet die Bilanz der ersten Rückübernahmeabkommen, die die EU in diesem Bereich ausgehandelt hat? Wie wollen Sie bei diesen Kettenrückführungen garantieren, dass es nicht zu Repressionshandlungen kommt?
Wenn Boote mit Migranten auf hoher See von Frontex-Patrouillen abgefangen werden, wie wollen Sie dann garantieren, dass die Menschen an Bord tatsächlich die Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen, und dass diese Patrouillen Minderjährige in deren übergeordneten Interesse gesondert behandeln, wie es das Völkerrecht fordert?
Abschließend frage ich Sie, ob Sie uns eindeutig erklären können, warum Sie keine proaktive Politik betreiben, um die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu bewegen?
Pedro Guerreiro (GUE/NGL). – (PT) In einem einminütigen Redebeitrag kann man nur herausstellen, dass den repressiven, sicherheitsorientierten Maßnahmen ein Ende bereitet werden muss, mit denen sowohl weibliche als auch männliche Zuwanderer kriminalisiert werden, die nach sinnvoller Beschäftigung und einem menschenwürdigen Leben streben. Hafteinrichtungen für Migranten müssen geschlossen und die unmenschliche Politik der Rückführung gestoppt werden. Fremdenhass, Rassismus und alle politischen Ansätze, die diese fördern, sowie diesbezügliche Korruption sind zu bekämpfen. Die Lage von Wanderarbeitnehmern muss gesetzlich geregelt werden, indem ihre Arbeits- und Sozialrechte garantiert werden. Das ist eine notwendige Voraussetzung für die Beendigung der unannehmbaren Ausbeutung dieser Menschen. Außerdem besteht Bedarf an einer wirksamen Integrationspolitik, die vor allem auch die Familienzusammenführung umfasst.
Unserer Ansicht nach stellt die Entwicklung einer gemeinsamen Migrationspolitik keine angemessene Reaktion auf die genannten Herausforderungen und Probleme dar, wie die Ergebnisse anderer Felder gemeinsamer Politik zeigen. Die Zuwanderung gestaltet sich in jedem EU-Land unterschiedlich. Bei den diesbezüglichen politischen Entscheidungen muss die Souveränität jedes Staates geachtet werden, wodurch natürlich die in diesem Bereich auf EU-Ebene erforderliche Zusammenarbeit nicht behindert werden sollte. Statt einer gemeinsamen Politik brauchen wir einen anderen politischen Ansatz und anders geartete Maßnahmen, durch die die Rechte von Zuwanderern wirksam geschützt und die eigentlichen Ursachen der Migration beseitigt werden.
Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Schluss mit dieser politischen Scheinheiligkeit! Das Recht auf Asyl und das Recht auf Zuwanderung von Menschen, die aus ein und derselben Zivilisation hervorgegangen sind, sind nicht das Problem. Im Wesentlichen geht es doch um die Zuwanderung aus einer anderen Zivilisation, und diese bringt für niemanden Vorteile.
Die Zuwanderung von Arbeitsuchenden stellt eine doppelte Ungerechtigkeit dar: Sie beraubt Herkunftsländer der Kompetenzen, für die sie bezahlt haben, und drückt im Aufnahmeland den Arbeitsmarkt nach unten und nimmt den einheimischen Arbeitslosen die Chance auf einen Arbeitsplatz.
Die Zuwanderung zum Zwecke des Empfangs von Sozialleistungen ist mit zwei Nachteilen behaftet: Sie entwurzelt arme Menschen, die durch das Blendwerk der westlichen Welt hypnotisiert werden, und destabilisiert in den Aufnahmeländern die Sozialbudgets, die in dem begrenzten und schützenden Rahmen der Nation geschaffen wurden und nur dort überdauern können.
Die Europäische Union braucht somit – im Gegensatz zu dem, was vor einem Monat an den Wänden des Abgeordnetenrestaurants in Brüssel zu lesen war, keine Zuwanderung. Im Gegenteil, Europa braucht eine eigene Familien- und Bevölkerungspolitik, eine Politik der souveränen Zusammenarbeit zwischen den Nationen, eine Grenzpolitik und nicht Frontex. Die Welt muss zum einen begreifen, dass Frieden nicht durch Zuwanderung entsteht, sondern durch selbstbestimmte Entwicklung, und zum anderen, dass die wahre Proletarisierung dann einsetzt, wenn Menschen ihrer kulturellen Wurzeln beraubt werden.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Dass ein Nationalstaat seine eigenen Grenzen kontrollieren und gemäß seinen Erfordernissen seine Einwanderungspolitik ändern kann, ist ein anschaulicher Beweis seiner Souveränität.
József Szájer (PPE-DE). – (HU) Sehr geehrte Damen und Herren! Die Unzulänglichkeiten der europäischen Einwanderungspolitik und die Schwierigkeiten mit gemeinsamen Aktionen haben den Rückhalt unterminiert, den gemeinsame Werte wie die Freizügigkeit für EU-Bürger in der Gesellschaft genießen.
Die Binnengrenzen sind geöffnet worden, aber bislang fehlt noch eine gemeinsame Migrationspolitik. Das ist völlig absurd, denn gleichzeitig haben die europäischen Bürger das Gefühl, die offenen Grenzen innerhalb der EU führten zu unkontrollierter Einwanderung. Wenn wir den Frieden in unseren Gesellschaften wahren und öffentliche Unterstützung für die Freizügigkeit sichern wollen, brauchen wir ein starkes Europa, stärker, als es sich gegenwärtig in der Zuwanderungsfrage präsentiert. Allerdings sollte man in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Mitgliedstaaten noch immer zahlreichen Beschränkungen im Rahmen der Einwanderungspolitik unterliegen, obwohl sie Bürger Europas sind.
Nach Auffassung der Europäischen Volkspartei sind folgende Aspekte für eine angemessene und transparente gemeinsame europäische Migrationspolitik vonnöten: Erstens, Solidarität unter den Mitgliedstaaten, wodurch die Möglichkeit einseitiger Entscheidungen ausgeschlossen wird, die aufgrund der offenen Grenzen alle betreffen wie im Falle der Entscheidung der spanischen Regierung. Zweitens muss die Würde des Menschen als Leitprinzip gelten.
Drittens muss konsequent gegen illegale Einwanderung vorgegangen werden. Ein Parlamentskollege der sozialistischen Fraktion äußerte vor einer Weile, Zuwanderung sei keine Straftat. Nichtsdestotrotz, meine Damen und Herren, macht sich jede Person strafbar, die europäische Bestimmungen und Regelungen der Mitgliedstaaten verletzt. Darum spricht man auch von illegaler Einwanderung. Um illegale Einwanderung zu bekämpfen, müssen die Außengrenzen wirksamer gesichert werden als dies gegenwärtig der Fall ist. Außerdem sind gesetzliche Vorschriften für die Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer erforderlich.
Viertens müssen bestehende Bestimmungen für die illegale Einwanderung –entschuldigen Sie, ich meinte Bestimmungen für die legale Einwanderung – gestärkt und transparenter gemacht werden, wobei der Arbeitskräftebedarf in unseren Ländern in größerem Maße Berücksichtigung finden muss.
Fünftens darf die Einwanderungspolitik nicht an unseren Grenzen beginnen. Obwohl die Europäische Union eine der größten Hilfsorganisationen der Welt ist, legen wir erstaunlicherweise nicht viele Bedingungen im Hinblick auf Korruption, Achtung der Menschenrechte und Demokratie in den Empfängerländern fest. Unter dieses Kapitel muss ein Schlussstrich gezogen werden. Bedingungen dieser Art müssen den Empfängerstaaten auferlegt werden. Ceterum censeo: Europa braucht eine schlagkräftigere Einwanderungspolitik.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Vor einigen Jahrzehnten wanderten Millionen unserer europäischen Mitbürger nach Amerika, Australien, Südafrika und in andere europäische Länder aus. Sie waren nicht reich, aber sie entrannen der Armut.
Wir haben gefordert, dass sie akzeptiert und ihnen Rechte gegeben werden. Mit dem Geld, das sie nach Hause schickten, haben sie unsere Volkswirtschaften unterstützt. Anlässlich unserer nationalen Feiertage wehen tausende von italienischen, griechischen und irischen Flaggen in diesen Ländern. Sie lieben die Länder, in die sie gegangen sind, aber sie dürfen auch ihre Herkunftsländer lieben; niemand fühlt sich durch diese doppelte Liebe bedroht. Sie haben die Volkswirtschaften und den kulturellen und demokratischen Reichtum der Aufnahmeländer gefördert und gestärkt.
Daher sollte Zuwanderung keinesfalls in erster Linie als eine Sache für die Polizei behandelt werden, geschweige denn als mögliche Quelle des Terrorismus, so wie letztlich in Europa darüber diskutiert wurde.
Die Zuwanderungspolitik sollte allumfassend sein und eine Vielzahl von Aspekten beinhalten:
- erstens die Verbesserung der legalen Migrationskanäle,
- zweitens die Bekämpfung der illegalen Einwanderung, insbesondere die unmenschlichen Ringe des Migrantenhandels; und die Achtung der Menschenrechte in den Aufnahmezentren. Das einzige Verbrechen dieser Menschen besteht darin, in armen oder vom Krieg zerrütteten Ländern geboren worden zu sein;
- drittens die Gründe für das Anwachsen von Migrantenströmen: Kriege, Armut, Unterentwicklung, Diktaturen; Europa muss diese Phänomene in seiner Außen- und Wirtschaftspolitik angehen;
- viertens sollten wir fragen, weshalb Europa für Zuwanderer so attraktiv ist. Gleichzeitig müssen wir gegen illegale Beschäftigung kämpfen;
- fünftens die demografischen, Forschungs-, Bildungs- und Wirtschaftsbedürfnisse der Europäischen Union; wir müssen die unbedingt benötigten Arbeitskräfte anlocken;
- sechstens die Achtung der Grundrechte;
- siebentens die Schaffung einer europäischen Brücke zwischen Völkern und Kulturen und damit unsere Außenpolitik stärken.
Nur ganz wenige der genannten Aspekte erfordern einen Polizeieinsatz. Andererseits werden Politiker mit Einfühlungsvermögen und Kühnheit benötigt. Ich bin froh, dass die Kommission nach der anfänglichen Betonung des polizeibetonten Ansatzes jetzt ein wesentlich besseres Gesamtkonzept vorlegt. Mein Glückwunsch, Herr Frattini!
Mogens Camre (UEN). – (DA) Herr Präsident! Im Mittelpunkt des Problems, mit dem wir uns hier befassen, steht das demografische Ungleichgewicht in der Welt. Die Legalisierung der illegalen Einwanderung wird keines der Probleme lösen. Noch weniger wird das die Steuerung der Einwanderung nach einem einheitlichen Komplex von Regelungen tun. Helfen kann da nur die Unterstützung der Entwicklung und des Demokratieaufbaus. Die EU-Mitgliedstaaten sind so unterschiedlich, dass einheitliche Regelungen unmöglich verwaltet werden können. In Dänemark steht mehr als die Hälfte aller Einwanderer aus nicht westlichen Ländern für den Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, und unter denjenigen, die sich auf dem Arbeitsmarkt befinden, herrscht hohe Arbeitslosigkeit. Das ist darauf zurückzuführen, dass in unserem Land hohe Mindestlöhne und hohe Sozialleistungen gezahlt werden, so hoch, dass nur wenige in diesem Parlament verstehen können, dass es in Dänemark ganz einfach nicht möglich ist, Personen ohne Qualifikationen in den Arbeitsmarkt zu bringen, und zwar unabhängig von der Nationalität der betreffenden Person und unabhängig von ungeheuren finanziellen Fördermaßnahmen.
Der in allen Mitgliedstaaten beobachtete Widerstand gegen eine zunehmende Einwanderung aus fremden Kulturen sollte ausreichen, das Europäische Parlament zu veranlassen, stärker auf seine Wähler zu hören.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident! Jede Einwanderungsdebatte muss sich auf zumindest vier Fakten stützen. Die Menschen werden weiterhin ihr Leben aufs Spiel setzen, um nach Europa zu kommen, egal wie viele Mauern, Gefängnisse oder Schiffe wir bereitstellen. Die Menschen kommen nicht nach Spanien, Malta oder Italien, sondern nach Europa. Alle Studien machen deutlich, dass die EU die Einwanderer braucht, um das derzeitige Niveau des Wohlfahrtstaates aufrechtzuerhalten. Doch noch immer ist der Missbrauch alarmierend hoch, den skrupellose Geschäftemacher mit diesen Menschen treiben, indem sie ihre verletzliche Situation ausnutzen, um sie auszubeuten.
Wenn das tatsächlich stimmt – und ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dies schon nachgewiesen wurde und nicht das Ergebnis von Vorurteilen oder Mutmaßungen ist –, dann müssen wir jetzt eine vernünftige und intelligente europäische Politik für den Zugang an unseren Grenzen entwickeln. Menschen aufzuhalten, die sie überqueren, ist für die Kontrolle des Prozesses nicht hilfreich, sondern erhöht lediglich die Dramatik der Situation.
Ferner müssen wir unseren Aufnahmeprozess verantwortungsvoll durchführen und den Einwanderern den Status von Asylanten oder Flüchtlingen sowie jeder Person eine individuelle Behandlung und realistische Lösungen garantieren.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Wir haben die Berichte unserer beiden Kollegen sorgfältig gelesen. Sie enthalten keine Vorschläge, die sich wesentlich von den vom Rat und der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen und Strategien unterscheiden.
Bei Frontex, wofür mehr Gelder gefordert werden, handelt es sich nicht nur um einen Mechanismus für die Sicherung unserer Grenzen; die Agentur kann ebenso als eine Plattform für die Kontrolle von Nicht-EU-Staaten, die an die EU grenzen, genutzt werden. Die Lösung für den Kampf gegen illegale Zuwanderung besteht nicht in der Einrichtung von Unterdrückungs- und Interventionsmechanismen. Wir dürfen keine Auffanglager errichten, biometrische Angaben in zentralen Datenbanken erfassen oder all jene, die versuchen, unsere Grenzen zu überschreiten, durchweg entweder als Terroristen oder als Verbrecher zu behandeln.
Auch ist die Schaffung eines Rahmens von Rechten für die legale Zuwanderung keine Möglichkeit, die illegale Zuwanderung zu bekämpfen. Wir dürfen diesen Rahmen nicht weiter als Vorwand für die Durchsetzung von Maßnahmen nutzen, die der Europäischen Union insgesamt nützen, die Rechte der Migranten selbst jedoch nicht in Betracht ziehen.
In der entsprechenden Erklärung wird die Verwendung von biometrischen Daten nicht kritisiert; hier wird nicht unterschieden zwischen Kontrollen und Steuerung der Zuwanderung, noch wird den Migranten Beachtung geschenkt, die nicht in die Kategorien der Personen mit nützlichen intellektuellen Fähigkeiten oder der wichtigen einfachen Arbeitskräfte fallen, die den Interessen der Multis dienen.
Zuwanderung ist ein zweiseitiges Verhältnis von Angebot und Dialog, Austausch und gegenseitiger Einflussnahme, Zusammenarbeit und Achtung für Völker und Einzelpersonen, Verständnis und Garantie der Chancengleichheit. Daher ist es unsere Pflicht, Politiken zu fördern, die von diesem Ansatz – und nur diesem Ansatz – ausgehen.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Manfred Weber (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute viel über Migranten gesprochen. Ich möchte jetzt einmal den Blick darauf richten, was unsere Bürger uns fragen. Wir haben nämlich die Frage der Bürger, dass wir in der Europäischen Union Millionen Arbeitslose haben, und wir sprechen hier gleichzeitig über den Zuzug von Hochqualifizierten. Es wird uns als Politiker noch viel Kraft kosten, unseren Bürgern zu erklären, dass wir bei den Hochqualifizierten die besten Köpfe dieser Welt brauchen.
Die Bürger stellen uns auch die Frage: Nehmt ihr unsere Sorge in diesem Zusammenhang ernst? Wir reden über zirkuläre Migration. In meinem Heimatland haben wir in den letzten Jahrzehnten türkische Mitbürger ins Land geholt, um sie als Arbeitkräfte einzusetzen. In Tschechien haben wir Vietnamesen. Die zirkuläre Migration – sprich: das Heimgehen dieser Gastarbeiter – hat in diesen Ländern bisher nicht funktioniert. Wie wollt ihr dieses Problem lösen? Wie passt das zusammen?
Wir werden auch den Bürgern gegenüber klarstellen müssen, dass wir die Migranten in der Pflicht sehen, sich zu integrieren – wie es der Kollege Lambrinidis vorhin gesagt hat –, die Sprache zu lernen und sich um Integration zu bemühen. Wir werden nur dann auf Verständnis für eine europäische Migrationspolitik – für eine legale Zuwanderung – stoßen, wenn wir bei der illegalen Zuwanderung klar sagen: Illegale müssen Europa auch wieder verlassen. Nur dann werden wir Zustimmung für legale Zuwanderung bekommen.
Das Allerwichtigste, das aus meiner Sicht in dem Bericht steht, ist die klare Zusage an die europäischen Bürgerinnen und Bürger: Wir werden die Frage der Quoten, wie viele Menschen auf einen Arbeitsmarkt kommen, nach wie vor in nationaler Kompetenz belassen. Dort besteht viel mehr Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
Ich bedanke mich bei unseren beiden Berichterstattern, die einen guten Bericht vorgelegt haben. Ich möchte für meine Fraktion, die EVP-ED-Fraktion, zum Ausdruck bringen, dass wir uns freuen, dass sich auch die Kollegen der linken Parteien im Parlament in vielen Bereichen auf unsere Position zubewegt haben, wenn es um eine robuste Rückführungspolitik, wenn es um die Fragestellung geht, dass wir die Quoten in nationaler Entscheidung lassen, und wenn wir eine effektive Grenzsicherung aufbauen. Für mich ist es eine große Freude, dass wir als EVP-ED-Fraktion uns hier durchsetzen konnten.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Europa braucht eine gemeinsame Einwanderungspolitik. Von Tampere bis Den Haag, von Claude Moraes und Patrick Gaubert bis zu den beiden heutigen hervorragenden Berichten und sämtlichen in der Zwischenzeit von der Kommission veröffentlichten Mitteilungen, die die unterschiedlichen Halte auf der Strecke markieren, an denen es bereits gelungen ist klarzustellen, dass eine strenge Migrationspolitik keinen Selbstzweck erfüllt.
Unsere Aufgabe besteht darin, zu koordinieren und zu differenzieren. Die komplexen Phänomene, bei denen es sich um Faktoren der Migration handelt, müssen koordiniert werden. Dazu gehören unter anderem auch Wirtschaftsmigranten und illegale Einwanderer, von denen Asylsuchende, Menschen, die im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten einreisen, und jene, die durch Behörden unter Umständen zu rechtswidrigem Verhalten getrieben wurden, zu unterscheiden sind.
Bislang haben wir, die neuen Mitgliedstaaten, als Transitländer fungiert, aber jetzt werden auch wir zu Zielländern, wodurch unsere Verantwortung zunimmt, da auch wir neue Arbeitskräfte brauchen. Dabei geht es nicht um zusätzliche physische Muskelkraft oder graue Zellen, sondern um unverbrauchte Arbeitskraft für unseren Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund begrüße ich Verordnungen, die Hinweise auf den Platz von Einwanderern in unseren Arbeitsmärkten enthalten. Daneben befürworte ich den Ansatz für gemeinsame Gesetze und Instrumente, die im Rahmen des gemeinsamen Gesetzesplans vorgeschlagen worden sind.
Abschließend möchte ich betonen, dass die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern einen Weg in eine menschenwürdige Zukunft eröffnet, in der die Frage der legalen und illegalen Einwanderung keine einschneidende Entscheidung darstellt, die das ganze Leben verändert und die nicht bedeutet, aus seiner Heimat zu fliehen, sondern in der Migration als ein Zeitraum betrachtet wird, in dem die Bedingungen für die Rückkehr durch Verständnis, Verständigung und Integration geregelt werden. Vielen Dank, Herr Präsident.
Simon Busuttil (PPE-DE). – (MT) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kommissar! Die Agentur Frontex bemüht sich nach Kräften, allerdings muss ich feststellen, wir sind noch weit von der Erreichung der erforderlichen Ergebnisse entfernt. Die Mittelmeer-Mission von Frontex im vergangenen Juli sorgte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum für eine Halbierung der Zahl von Einwanderern in meinem Heimatland Malta. Dennoch wurde die Mission zu unserer Verwunderung Ende Juli abgebrochen. Daraufhin verdoppelten sich im August die Zahlen gegenüber dem Vorjahr. In diesem Monat wurde die Frontex-Mission fortgesetzt, aber trotzdem steigen die Zahlen im Vergleich zum vorjährigen September. Was bedeutet das, Herr Präsident? Zunächst heißt das, Frontex muss weiter gestärkt werden, weshalb das Parlament auch bereit ist, den Haushalt von Frontex zu erhöhen, statt ihn zu senken, wie der Rat dies zu versuchen trachtet. Es zeigt auch, dass die Mitgliedstaaten, die Frontex eine Vielzahl von Booten, Hubschraubern und Flugzeugen versprochen hatten, ihre Versprechen nicht halten. Ich erwarte von Frontex und der Kommission, dass sie in dieser Sache mit dem Parlament zusammenarbeiten, damit die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung nachkommen. Gleichzeitig bedeutet dies auch, dass mehr getan werden muss, damit Drittländer wie Libyen mit uns im Einwanderungsbereich an einem Strang ziehen. Allerdings heißt dies auch, Herr Präsident, dass die europäische Einwanderungspolitik noch immer scheinheilig ist. Alle sind sich darüber einig, dass der Schutz des Lebens von Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, an oberster Stelle stehen sollte. Daran besteht kein Zweifel. Aber fragt man, so wie Malta dies getan hat, wer die vor dem Ertrinken geretteten Menschen aufnehmen möchte, so herrscht tiefes Schweigen.
Wolfgang Kreissl-Dörfler (PSE). – Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass endlich erkannt wurde, dass es nicht angeht, nur die illegale Migration gemeinsam zu bekämpfen, sondern dass es auch umfassender Konzepte bedarf, um die legale Migration gemeinsam zu bearbeiten und zu koordinieren, gerade in einem Raum ohne Grenzen. Das kann aber nicht allein die Aufgabe der Innenminister sein, die sich bei der Abwehr illegaler Migranten schnell einig sind, sondern es muss auch die der Arbeits- und Sozialminister sein.
Daher begrüße ich die Initiative von Rat und Kommission, die entsprechenden Fachressorts einzubinden, zum Beispiel auch unseren Vizekanzler, Herrn Müntefering. Denn: Legale Migration heißt auch immer Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt und damit auch in die sozialen Sicherungssysteme.
Wir müssen aber auch verstärkt die Ursachen dafür bekämpfen, warum viele Menschen ihr Heil in der Flucht aus ihren desolaten Staaten suchen. Wir müssen legale Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Die Blue Card und zirkuläre Migration sind ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Noch ein Satz zu Frontex: Es ist eine Schande, was manche Mitgliedstaaten da aufführen. Solidarität, die immer angemahnt wird, muss für alle EU-Staaten gelten, nicht nur für einige wenige, und die Flüchtlinge müssen meiner Meinung nach nach einem festzulegenden Schlüssel auf alle Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Das kann nicht nur Sache von Malta oder den Kanarischen Inseln oder von Griechenland sein. Frontex kann letztendlich nur so gut sein, wie es die Mitgliedstaaten zulassen.
Und noch am Rande zu Frontex: Frontex benennt ja seine Aktionen immer nach Begriffen aus der griechischen Mythologie, z. B. Nautilus. Aber wenn ich eine der nächsten Aktionen Hydra nenne, dann halte ich das für eine Geschmacklosigkeit, und das ist abzuändern. Denn wer sich etwas in der griechischen Mythologie auskennt, weiß, was Hydra bedeutet.
(Beifall)
Agustín Díaz de Mera García Consuegra (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte ein paar Bemerkungen machen und lediglich auf einige Statistiken verweisen. Nach Eurostat haben sich 45 % der Ausländer, die 2006 nach Europa kamen, dafür entschieden, in Spanien zu bleiben. Zwischen dem 21. und dem frühen Morgen des 24. September landeten 595 Personen aus der Subsahara an spanischen Stränden. Seit Anfang des Jahres haben allein 11 000 Einwanderer die Kanarischen Inseln erreicht, davon 9 000 seit der Ingangsetzung der Mission Hera am 23. April.
Trotz der Operationen Frontex, Hera, Hermes, Nautilus, Poseidon und Malta machen die Ziffern deutlich, dass die organisierten Menschenhändler die notwendigen Mittel besitzen, um unsere Kontrollmechanismen zu umgehen und neue Wege über das Meer zu finden. Ein Beispiel dafür sind die große Zahl von Einwanderern, die an der Ostküste Spaniens ankommen, oder die mehr als 4 000 Einwanderer aus Sri Lanka und Pakistan, die an den Stränden Guinea (Conakry) darauf warten, nach Europa gebracht zu werden.
Daher gilt es, den Missionen zur Ermittlung und Verhaftung der organisierten Bandenmitglieder und der Verstärkung der polizeilichen und internationalen Zusammenarbeit durch die Schaffung gemeinsamer Ermittlungsteams Vorrang einzuräumen. Die Operationen von Frontex müssen in den Krisenregionen eine ständige Einrichtung bleiben. Wichtig ist, dass der Rat der Entwicklung des europäischen Grenzpatrouillennetzes stärkere Impulse verleiht, um die Kontroll- und Überwachungsaufgaben zu verbessern.
Die EU muss insgesamt Kooperationsabkommen und Informationskampagnen unterstützen und fördern, nicht nur auf sprachlicher und professioneller Grundlage; es ist notwendig, dass sich auch die Herkunfts- und Transitländer der Gefahren, die diese Einwanderer auf sich nehmen, und des Risikos, dabei ihr Leben zu verlieren, bewusst sind.
Letztendlich ist eine Koordinierung der Einwanderungspolitik auf europäischer Ebene erforderlich, um permissive Gesetze und Legalisierungsprozesse zu verhindern, die eine „Sogwirkung“ auslösen. Weiterhin geht es darum, eine großzügige und humanitäre Asylpolitik und den erforderlichen internationalen Schutz voranzubringen.
Ich möchte hier zum Schluss kommen, Herr Präsident. Man kann gegenüber dem Rat nicht von 20 % Solidarität sprechen. Frontex ist mit 80 % für Charterschiffe, Flugzeuge, Kraftstoff beteiligt, mit allem außer Materialabschreibung. Deshalb muss sich der Rat für eine Solidarität von 20 % einsetzen und darf nicht doppelzüngig einer Politik das Wort reden, von der die gesamte Europäische Union betroffen ist.
Inger Segelström (PSE). – (SV) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst den Berichterstattern für ihre hervorragende Arbeit danken. Ich freue mich, dass es für Arbeitgeber und Privatpersonen jetzt schwerer wird, Personen illegal anzustellen. Illegale Beschäftigung, beispielsweise im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung, betrifft zumeist Frauen, oft Migrantinnen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die jeweilige Person selbst, sondern auch auf die Sozialversicherungs- und Finanzsysteme sowie den Wettbewerb in den betroffenen Ländern. Außerdem freut mich, dass die Bekämpfung des Menschenhandels, von dem vor allem Frauen und Kinder betroffen sind, die den größten Teil der Opfer ausmachen, weiter unterstützt wird. Vielen Dank auch dafür, dass der Ansatz, die Zahl der Opfer innerhalb von zehn Jahren mit dem Ziel zu halbieren, diesen Praktiken für immer ein Ende zu setzen, Unterstützung gefunden hat.
Andererseits bin ich enttäuscht, dass ich von den Konservativen im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres keine Unterstützung erhalten habe, wenn es darum geht, Frauen und Kindern zu helfen, aus diesem Teufelskreis auszubrechen und ein neues Leben aufzubauen. Mit der Annahme von Änderungsantrag 29 besteht jetzt eine neue Chance, Frauen und Kindern zu helfen, damit sie in der EU bleiben können, oder aber sie bei der Rückkehr zu unterstützen. Stimmen Sie dafür, damit es für die Frauen ein Leben nach dem Menschenhandel gibt.
Ich freue mich ebenfalls, dass wir Flüchtlingslager außerhalb der EU weiterhin ablehnen. Ich möchte jedoch davor warnen, dass wir als Arbeitskräfte Wirtschaftsmigranten bekommen werden, wenn wir nicht auch ihren Familien, Partnern und Kindern die Einwanderung gestatten. Dann nämlich werden vor allem junge Männer kommen, was keiner Gesellschaft in der EU zum Vorteil gereicht.
Wir sprechen von den Grenzen der EU. Es ist wichtig, dass Personen, die in Menschenhandel, Kriminalität, Drogengeschäfte, Waffenhandel und Geldwäsche involviert sind, von der EU ferngehalten und gleichzeitig Schutzbedürftige in einer humanen EU aufgenommen werden. Sie sind das Rückgrat der EU und dürfen nicht von der gemeinsamen Zukunft der Union ausgeschlossen werden. Migration ist wichtig für uns, nicht nur hier und jetzt, sondern auch für zukünftige Generationen. Wir müssen sowohl auf globaler, als auch auf unserer eigenen Ebene Wohlstand schaffen.
Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr amtierender Ratspräsident! Herr Vizepräsident der Kommission! Verehrte Damen und Herren! Die heutige Aussprache stützt sich auf zwei Berichte, die unverkennbar zwei komplementäre Ansätze darstellen: zum einen der strategische Plan zur legalen Zuwanderung und zum anderen die politischen Prioritäten bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung von Drittstaatsangehörigen. Den einen zu bevorzugen und den anderen nicht zu beachten, wäre ein kapitaler Fehler. Sie sind zwei Seiten einer Medaille. Heutzutage ist Migration eine Massenerscheinung. Schätzungen zufolge leben gegenwärtig zirka 26 Millionen Migranten legal bzw. illegal in der Europäischen Union. Die Zuwanderung ist ein Phänomen, das eindeutig eine europäische Dimension hat, nicht nur weil jeder einzelne Mitgliedstaat für sich genommen diese nicht effizient steuern kann, sondern vor allem weil eine Änderung der Zuwanderungspolitik durch ein EU-Mitglied Auswirkungen auf die Migrationsströme und deren Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten haben kann.
Herr Vizepräsident der Kommission! Wie man unschwer erkennt, befürworte ich die Idee der „Blue Card“ sowie die Einrichtung eines EU-Zuwanderungsportals mit umfangreichen Informationen über die Modalitäten und Möglichkeiten der legalen Zuwanderung in die Europäische Union. Ich begrüße die Entscheidung, die Vorstellung von einer einzigen Richtlinie nach Jahren des Stillstands im Rat aufzugeben und einen progressiven Ansatz zu wählen, wonach in den kommenden drei Jahren vier Vorschläge für sektorspezifische Richtlinien unterbreitet werden. Darüber hinaus möchte ich die Notwendigkeit von politischen Maßnahmen im Bereich Entwicklungshilfe unterstreichen, die unter anderem die Unterzeichnung von Abkommen mit Drittstaaten über die effiziente Steuerung der Zuwanderung zum Inhalt haben. Die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern spielt im Kampf gegen den Menschenhandel und illegale Beschäftigung eine Schlüsselrolle.
Abschließend, Herr Präsident, müssen die Grenzkontrolle sowie der Einsatz verfügbarer Ressourcen wie Frontex und die RABITs (Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke) gewährleistet werden, die über die für ihre Arbeit notwendigen Mittel verfügen müssen.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Migration stellt nicht nur in Südeuropa ein Problem dar. Sie betrifft die gesamte Union, so auch mein Heimatland Polen, das im Nordosten des Kontinents liegt.
Polens östliche Grenze ist die längste Landgrenze der EU, für deren Sicherheit wir uns verantwortlich zeichnen. Außerdem hat die Agentur Frontex, in die hohe Erwartungen gesetzt werden, ihren Sitz in Warschau. Frontex wurden bestimmte Pflichten und Zuständigkeiten übertragen. Darum sollte auch sichergestellt werden, dass die Agentur über die nötigen Werkzeuge und Ressourcen verfügt, damit sie ihre Arbeit aufnehmen und unsere Grenzen wirksam schützen kann.
Fast drei Millionen meiner Landsleute haben Polen in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt. Sie sind in andere Mitgliedstaaten der EU gegangen, um die Vorteile des Binnenmarktes für sich zu nutzen. Allerdings sind auch Tausende von Menschen aus dem Fernen Osten, beispielsweise aus Korea und Vietnam, zu uns gekommen. Natürlich gibt es daneben Zuwanderer aus der Ukraine und Belarus. Wir brauchen diese Neuankömmlinge, denn sie helfen uns, Polen aufzubauen.
Aus diesem Grund begrüße ich die Berichte von Frau Gruber und Herrn Moreno Sánchez, allen voran den Bericht über die Zuwanderungspolitik, denn die darin enthaltenen Prämissen verleihen der Einwanderung ein freundliches Antlitz, indem Möglichkeiten für legale Zuwanderung eröffnet werden. Die beiden Berichte ergänzen sich hervorragend. Gemeinsam mit dem Vorschlag für eine Richtlinie, die Sanktionen gegen Arbeitgeber von illegalen Einwanderern vorsieht, an dem der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres momentan arbeitet, bilden sie ein solides rechtliches Fundament für die Zuwanderungspolitik der Union. Es freut mich, dass das Parlament dabei eine maßgebliche Rolle spielt.
Gestatten Sie mir eine abschließende Anmerkung. Zuwanderung sollte nicht als Problem betrachtet werden. Wir sollten sie vielmehr als eine Chance für ein alterndes Europa begreifen! Wir sollten von der Energie und dem Enthusiasmus jener Menschen profitieren, die legal zu uns kommen und sie an der Errichtung neuer Staaten und unseres gemeinsamen Europas teilhaben lassen!
Barbara Kudrycka (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wo der Schwerpunkt im Bericht über die illegale Einwanderung liegt. Er befasst sich nämlich hauptsächlich mit dem Mittelmeerraum. Außerdem ist er Ausdruck übertriebenen Vertrauens in die Aktionsinstrumente der Gemeinschaft.
Uns ist allen klar, dass die Verantwortung für Grenzkontrollen bei den Mitgliedstaaten liegt. In dieser Hinsicht hängt jedoch noch immer viel von der Bereitschaft spezifischer Dienste der betreffenden Mitgliedstaaten ab, trotz Hinweisen auf den Grundsatz der Subsidiarität und der Existenz von Frontex.
Die Situation an der südöstlichen Außengrenze erfordert Aufmerksamkeit, finanzielle Ressourcen und ein gemeinsames Vorgehen, auch wenn es sich gegenwärtig nicht um eine Hauptroute der illegalen Einwanderung handelt.
Darüber hinaus kann die Erweiterung des Schengen-Gebiets die migrationsbedingten Probleme weiter vergrößern. Darum ist die EU-Politik für die legale Zuwanderung ein so wichtiges Thema. Um die legale Wirtschaftsmigration zu steuern, müssen zunächst das Potenzial und die Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb der EU nutzbar gemacht werden.
Übergangsfristen für die Öffnung der Arbeitsmärkte für Bürger aus den neuen Mitgliedstaaten sowie die selektive Aufhebung dieser Regelung durch eine Öffnung der Arbeitsmärkte lediglich für hoch qualifizierte Arbeiter stellen eine ernsthafte Gefährdung aller Bemühungen für eine gemeinsame Zuwanderungspolitik für Drittstaatsangehörige dar.
Auch die im Rahmen der legalen Zuwanderung zum Tragen kommenden kulturellen und geografischen Faktoren spielen eine Rolle. Aufgrund ihrer geografischen Lage sowie kulturellen und sprachlichen Ähnlichkeiten neigen die Mitgliedstaaten offenbar eher dazu, eine Migrationspolitik für spezifische Drittstaaten zu verfolgen. Ich meine jene Staaten, deren Bürgern es am leichtesten fällt, sich in die europäische Kultur zu integrieren und sich an die europäischen Werte aufgrund der Nähe und Verwandtschaft, und sei es nur aufgrund der Sprache, anzupassen. Diese Art der legalen Zuwanderung hat damit doppelten Mehrwert.
Josep Borrell Fontelles (PSE). – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Mittelmeer bildet die Grenze mit den größten Ungleichheiten weltweit. In Bezug auf Wirtschaft und Einkommen sind die gewaltigen Unterschiede zwischen beiden Seiten Ursache für einen Menschenstrom, der nicht allein von Polizeikräften kontrolliert werden kann.
Im Sommer 2006 hatte ich Gelegenheit, Kommissar Frattini zu gratulieren, weil er und einige spanische Fischer die Ehre Europas retteten, indem sie einer Gruppe von auf dem Meer treibenden Menschen zu Hilfe kamen, und dann erlebten wir eine beschämende Schacherei, bei der es um die Frage ging, was mit ihnen geschehen sollte. Doch ein Jahr später, Herr Kommissar, sind wir jetzt besser in der Lage, dieses Problem zu bewältigen?
Wir kommen wirklich sehr langsam voran, in einem Tempo, das mit dem Ernst des Problems, mit dem wir konfrontiert sind, nicht vereinbar ist. Dieses Problem werden wir nicht lösen können, wenn sich die Herkunftsländer nicht weiterentwickeln. Das müssen wir in unsere Köpfe hineinbekommen. Es wird uns nicht gelingen, das Problem ohne Entwicklung in den Herkunftsländern zu meistern, denn auch wenn wir eine große Zahl von Einwanderern benötigen, können wir nicht den gesamten demografischen Überschuss der Subsahara-Region von Afrika verkraften.
Was hier zudem vor sich geht, ist eine verhängnisvolle Kombination aus Hunger auf der einen Seite und Satellitenfernsehen auf der anderen. Der leere Topf in der Küche und die Satellitenschüssel voller Erwartungen sind der beste Nährboden für illegale Einwanderung, die wir nur kontrollieren können, indem wir zur Entwicklung der Herkunftsländer beitragen und die eigentliche „Sogwirkung“, die illegale Beschäftigung, verhindern.
(Beifall)
Philip Bradbourn (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Das Thema, über das wir heute beraten, gehört zweifellos zu den wichtigsten Themen für Europa, und es stellt jeden einzelnen Mitgliedstaat vor unterschiedliche Herausforderungen. Deshalb dürfen wir – ob es sich nun um illegale oder legale Einwanderung dreht – nicht den Weg vorgefertigter Lösungen gehen. Entscheidungen über Einwanderungsfragen müssen ein souveränes Recht eines jeden Mitgliedstaats bleiben.
Ich bin jedoch für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, wo Gemeinsamkeiten festzustellen sind und wo sie zum Nutzen aller gereicht. Und wie andere Redner möchte ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses vor allem auf das Frontex-System lenken, für dessen Organisation wir vor kurzem weitere 12 Millionen Euro freigegeben haben.
Von Anfang an hat das System darunter gelitten, dass Mitgliedstaaten Mittel gefordert haben, aber ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind. Wenn dieses Projekt Erfolg haben soll, müssen wir sicherstellen, dass diese zugesagten Mittel bei Bedarf für dessen Funktionieren bereitgestellt werden.
Das ist allerdings nur ein Mittel im Kampf zur Verhinderung illegaler Einwanderung. Wir müssen nach neuen und innovativen Lösungen an der eigentlichen Quelle suchen, dort wo die Migranten ihre Reise antreten. Wir müssen nach zielgerichteten Kampagnen in den Herkunftsländern suchen und klarstellen, dass die Tür nach Europa nicht offen steht. Vor allem müssen wir auch die Menschenhändler ins Visier nehmen.
Zur anderen Seite der Medaille gehört, dass unsere Mitgliedstaaten eine wirksame Einbürgerungspolitik betreiben, um jene abzuschrecken, die die illegale Einwanderung bevorzugen und organisieren.
Zusammenfassend kann ich also sagen, dass die Mitgliedstaaten Zusammenarbeit brauchen, nicht Regulierung. Mit einer Einheitsvariante löst man nicht die Probleme der Einwanderer, und wir dürfen nicht in die Denkfalle tappen, ‚mehr Europa’ sei die Lösung.
Louis Grech (PSE). – (MT) Herr Präsident! Zugegebenermaßen hat das anhaltende Engagement von Kommissar Frattini in den vergangenen Monaten in Verbindung mit der Schwerpunktsetzung des portugiesischen Vorsitzes einige Früchte getragen, trotz erheblicher bürokratischer Hürden und dem spürbaren Mangel an Solidarität in mancher Hinsicht, wodurch die Wirksamkeit einer Reihe von Initiativen gehemmt wurde. Dieses tragische Thema verdient jedoch eine gemeinsame europäische Politik, die auf die dringende Lösung von grundsätzlichen Problemen ausgerichtet ist. Dazu gehören: die Verabschiedung von Maßnahmen zur Lastenverteilung zwischen allen EU-Mitgliedstaaten, die Überarbeitung der Dublin-II-Verordnung gemäß dem Vorschlag in Ziffer 18 des Berichts Sánchez, die Bereitstellung angemessener finanzieller Mittel oder anderweitige Unterstützung, einschließlich die Bereitstellung von Geldmitteln für Infrastrukturprojekte, sowie eine Bewertung der Machbarkeit bzw. die Errichtung von Zentren wie Arbeitsvermittlungsstellen in den Herkunfts- und Transitländern, die Entwicklung einer realistischen Rückführungspolitik, die Umsetzung einer zeitnahen Integrationspolitik und die Bekämpfung des organisierten Verbrechens, darunter des Menschenhandels, sowie der Kampf gegen Fremdenhass und Rassismus. Bedauerlicherweise gibt es keine im Mittelmeer ansässige europäische Agentur, die die gemeinsame Zuwanderungs- und Asylpolitik entwickelt. Frontex wird nie in der Lage sein, diese Herausforderung zu meistern, wenn sich ihr Aufgabenspektrum nicht erheblich verändert. Abschließend, Herr Präsident, möchte ich den beiden Berichterstattern danken, die in deutlichen Worten aufgezeigt haben, wie rückständig die EU auf diesem Gebiet ist. Sie haben die Rechte und die Würde von Einwanderern angesprochen, die häufig Opfer politischer Unterdrückung, Armut und der organisierten Kriminalität sind. Ferner sind sie auf die Schwierigkeiten kleiner Mitgliedstaaten wie Malta eingegangen, die eine überdurchschnittliche Last tragen, wobei oft von wirklicher Solidarität keine Rede sein kann.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Meine Damen und Herren! Europa steht vor zwei Herausforderungen. Einerseits haben wir die alternde Bevölkerung und den Bevölkerungsrückgang und andererseits klopfen Hunderttausende, ja sogar Millionen Menschen aus Entwicklungsländern, die unbedingt legal oder illegal zu uns kommen wollen, an die Tore im Süden und Osten der Union. Dieser Herausforderung muss sich die Europäische Union durch gemeinsame Anstrengungen stellen. Kein Land, wie groß es auch immer sein mag, kann dieses Problem alleine lösen.
Deshalb begrüße ich die Bemühungen der Kommission, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen wie die Unterstützung von Frontex bei der Verhütung illegaler Migration. Ein weiteres Beispiel ist die Bewältigung der legalen Einwanderung mit Hilfe des Blue-Card-Systems bzw. durch Kooperationsabkommen mit den Ursprungsländern. Außerdem begrüße ich die heutige wiederholte Aufforderung von Kommissar Frattini an die Länder der Europäischen Union, die ihre Arbeitsmärkte noch nicht für ihre Mitbürger aus den neuen Mitgliedstaaten geöffnet haben, dies möglichst bald zu tun.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde mich kurz halten. Das war sicher eine der vielfältigsten, detailreichsten und umfassendsten Aussprachen, die ich je im Rat oder Parlament zu leiten hatte oder der ich beiwohnen durfte. Aus dieser Debatte habe ich zahlreiche Anregungen, Ratschläge und Vorschläge mitgenommen, die nach meinem Dafürhalten von außerordentlicher Wichtigkeit sind und für die künftige Arbeit grundlegende Bedeutung tragen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich meines Erachtens die berechtigte Schlussfolgerung ziehen, dass die Europäische Union über eine abgestimmte und umfassende Strategie für die Lösung der Zuwanderungsfrage verfügt und schon ein Stück des Weges zur Umsetzung der Politik zurückgelegt hat, die die physische und praktische Ausformung der Strategie bildet. Selbstverständlich wird es Verzögerungen und Zweifel geben, und natürlich wird an einigen Stellen mehr Ehrgeiz vonnöten sein, aber ich möchte unterstreichen, dass alles im Einklang mit unseren Lebensverhältnissen steht und mit den Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Meiner Auffassung nach sind wir auf dem richtigen Weg und können bzw. müssen mit Bestimmtheit voranschreiten, um den Gesamtansatz zur Migration wirklich umzusetzen.
Unserer Meinung nach bilden zwei Wörter das Fundament dieser Politik: Humanität und Solidarität. Humanität, weil der Ansatz sich auf Menschen stützt und auf Menschen ausgerichtet ist. Die Frage der Humanität spielt für die Präsidentschaft immer eine wichtige Rolle. Wie bereits erwähnt, reden wir von Menschen, die den Wunsch haben, an unseren Gesellschaften teilzuhaben und berechtigterweise nach einem besseren Leben für sich und ihre Familien streben. Diese menschliche Sehnsucht, diesen Wunsch muss man in jeder Hinsicht respektieren. Der andere Schlüsselbegriff lautet Solidarität, weil die Migrationsproblematik, wie bereits gesagt, nicht von einem oder selbst zwei oder drei Mitgliedstaaten allein gelöst werden kann. Dieses Problemfeld betrifft alle. Darum bedarf es einer gemeinsamen Antwort. Zum Glück existiert unserer Überzeugung nach ein zunehmend offenkundiges Bewusstsein für die Notwendigkeit, die beiden Konzepte – Humanität und Solidarität – bei der Festlegung und Umsetzung der europäischen Zuwanderungspolitik zu vereinen.
Ein gemeinsames Instrument für die Bekämpfung illegaler Einwanderung wurde bereits eingerichtet – die seit zwei Jahren bestehende Agentur, die unter dem Namen Frontex bekannt ist. In dieser Zeit hat sie – wenngleich mit einigen Schwierigkeiten – die ersten Schritte zurückgelegt und ihre Sache gut gemacht. Fraglos müssen wir unsere Bemühungen verstärken, um sie mit den erforderlichen Instrumenten auszurüsten, damit sie ihren Gründungszweck effizienter, schneller und präziser erfüllen kann. Nach unserem Dafürhalten hat dieses kollektive Instrument bislang gezeigt, dass seine Schaffung nötig und sinnvoll war.
Im Kontext der legalen Zuwanderung wurde heute bereits zu Recht die Notwendigkeit einer Intensivierung des Dialogs mit Drittstaaten erwähnt, insbesondere jenen Ländern, von denen Migrationsströme ausgehen. Dieser Dialog hat fundamentale Bedeutung. Wie gesagt teile ich die Ansicht, man werde nie eine dauerhafte Lösung für das Problem finden, wenn die Ursachen der Migration in den Herkunftsländern nicht untersucht, analysiert und in gewisser Weise ausgeräumt werden.
In diesem Bereich wurde der Dialog mit Afrika verstärkt. Es steht zu hoffen, dass auf dem nächsten Europa-Afrika-Gipfel gewichtige Ergebnisse erzielt werden und damit letztlich legale Zuwanderung im Kontext der Migration und des Dialogs zur Migrationsfrage mit den Herkunftsländern ermöglicht wird. Der portugiesische Vorsitz hat der legalen Zuwanderung einen hohen Stellenwert auf seiner Agenda für die sechsmonatige Ratspräsidentschaft zuerkannt. Auch die Kommission ist in diesem Bereich tätig gewesen und hat Vorschläge vorgelegt, die unserer Ansicht nach äußert interessant klingen und während unserer Präsidentschaft erörtert werden, in der hoffentlich, wie ich bereits sagte, beträchtliche Fortschritte erzielt werden können.
Als Resümee lässt sich feststellen, dass wir trotz der Schwierigkeiten, trotz der großen Probleme, vor denen wir stehen, unserer Überzeugung nach den richtigen Weg eingeschlagen haben. An der einen oder anderen Stelle müssen wir etwas mehr Ehrgeiz an den Tag legen. Hier und dort müssen wir schneller agieren, aber nach meiner Ansicht kann kein gutgläubiger Mensch leugnen, dass in den vergangenen Jahren viel erreicht worden ist.
Selbstverständlich begrüßt und unterstützt der Rat die Aussprache mit dem Europäischen Parlament. Die Frage der Mitbestimmung und des Reformvertrages wurden heute zur Sprache gebracht. Wie Ihnen bekannt ist, wurzelt der Reformvertrag in einem vom Europäischen Rat und damit allen Mitgliedstaaten gebilligten Mandat. Entscheidungen dieser Art müssen von allen Mitgliedstaaten getroffen werden, natürlich nicht nur vom Vorsitz. Auf jeden Fall bin ich überzeugt davon, dass im Reformvertrag so wie auch im Verfassungsvertrag äußerst wichtige Maßnahmen enthalten sind, um das Mitentscheidungsverfahren auf viele Rechtsetzungsinitiativen in der EU auszuweiten.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke ebenfalls all jenen, die sich in dieser äußerst wichtigen Aussprache zu Wort gemeldet haben. Ich denke, Europa muss dieses globale Phänomen, das Millionen von Kindern, Frauen und Männern und alle Kontinente betrifft, wirklich geschlossen angehen.
Als Erstes wurde gesagt – und ich stimme dem zu –, dass gesetzwidriges Verhalten bekämpft werden muss, indem gegen die Schlepper und gegen diejenigen, die die illegalen Einwanderer ausbeuten, vorgegangen und eine Rückführungspolitik betrieben wird, die glaubwürdig ist und zugleich die persönlichen Rechte, die Würde jedes Menschen achtet. Die Europäische Union hat bereits Rückführungsmaßnahmen durchgeführt und kann damit fortfahren. Ich erinnere daran, dass in vielen Fällen das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge mit Rückführungsmaßnahmen betraut worden ist, um eben die größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte zu gewährleisten.
Ich denke, eine europäische Politik müsste Hilfen, Achtung der Menschenrechte, Handelspolitik mit Afrika und Einwanderung miteinander verbinden. Ich pflichte uneingeschränkt Herrn Watsons weisen Worten in Bezug auf diese Länder zu: „Entweder wir nehmen ihre Erzeugnisse oder wir nehmen ihre Menschen“. Darüber müssen wir nachdenken, gerade weil die Strategie umfassend sein muss und die Handelsbeziehungen oder unsere Entwicklungshilfepolitik mit Afrika nicht ausklammern darf.
Die Kontrolle der Außengrenzen ist ebenso unerlässlich. Einige haben davon gesprochen, andere haben Zweifel angemeldet. Ich denke, dass Frontex unterstützt werden muss. Die Agentur muss unterstützt werden, weil in diesem Sommer nicht nur Menschenleben gerettet wurden, die andernfalls verloren gewesen wären, sondern weil die Bediensteten von Frontex eine erhebliche Zahl von Personen festgenommen haben: 400 Personen, die Mitglieder von Schlepperorganisationen sind, wurden festgenommen und den Behörden übergeben. Das ist eine beträchtliche Zahl, denn sie bezieht sich nur auf den letzten Sommer.
Deshalb hoffe ich, dass dieses Parlament die Notwendigkeit anerkennt, im Haushalt 2008 für Frontex mehr Mittel bereitzustellen. Ich weiß, dass es einen Änderungsantrag gibt, in dem vorgeschlagen wird, 30 % der Verwaltungsausgaben von Frontex mit sofortiger Wirkung einzufrieren. Ich hoffe, dieser Vorschlag wird noch einmal überdacht und das Budget wird im Gegenteil sogar aufgestockt, unbeschadet der Kontrolle und der vollen Verantwortung für die Ausgabentätigkeiten.
Natürlich wurde auch sehr viel von Wirtschaftsmigration gesprochen. Der detaillierte Vorschlag für eine EU-Arbeitserlaubnis, den ich ausarbeiten werde, bedeutet mitnichten, dass wir in Brüssel entscheiden werden, wie viele Migranten in den einzelnen Ländern benötigt werden. Das bleibt Sache der nationalen Regierungen und des nationalen Marktes eines jeden Landes, und deshalb möchte ich all jene beruhigen, die diesbezüglich Fragen oder Bedenken angemeldet haben. Jeder Mitgliedstaat wird frei darüber entscheiden können, wie viele Arbeitnehmer aus Drittstaaten er für jede Kategorie benötigt. Doch eins geht nicht, meine Damen und Herren, nämlich dass ein Mitgliedstaat behauptet, er habe gar keinen Bedarf, und dann fortfährt, die illegale Einwanderung und die Ausbeutung von Schwarzarbeitern zu tolerieren. Das geht nicht an, und deshalb brauchen wir europäische Regeln.
Es ist klar, dass uns die Migration zu einem universellen Wert führt, den einige erwähnt haben: die Mobilität zwischen den Völkern. Hier sehe ich Chancen, aber auch Rechte. Rechte gehen immer mit Pflichten einher! Eine Politik, die zwar Rechte, aber keine Pflichten betrifft, wäre undenkbar. Wir können und wollen weder unsere europäischen Gesetze noch unsere Finanzmittel jemand anderem aufzwingen, wenn unsere Partner nicht damit einverstanden sind. Deshalb sollten wir ganz klar festlegen, dass unsere Idee, unsere Politik eine Partnerschaft beinhaltet, das heißt einen umfassenden Pakt mit den Herkunfts- und Transitländern der Migranten.
So ein Pakt muss als eine Schlüsselkomponente die uneingeschränkte Achtung unserer Gesetze, der Grundrechte, unserer absoluten und universellen Werte in unserem Territorium umfassen: Leben, die Würde einer jeden Frau und eines jeden Mannes, Achtung vor dem Individuum. Das bringt mich auf die Integration.
Integration der Migranten bedeutet Respekt vor ihrer Geschichte und ihrer Religion, weil sie für uns alle eine Bereicherung sind, doch es bedeutet auch, dass unsere Traditionen, unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Religion von ihnen geachtet werden. Integration, so wie ich sie sehe, bedeutet daher Teilhabe.
Ehrlich gesagt, ist es nicht möglich, diejenigen per Gesetz zu integrieren, die sich nicht integrieren wollen, die nicht bereit sind, einen Schritt nach vorn zu machen, die meinen, Europa könne noch Zwangsehen oder Polygamie zulassen. Das ist nicht hinnehmbar, denn wir haben unsere Gesetze und unsere universellen Werte.
Und dies wiederum heißt Bildung, heißt Sprachen erlernen, heißt Berufsausbildung, heißt reguläre Arbeit und Ablehnung jeder Ungesetzlichkeit. So kann der Illegalität getrotzt werden. Jemand hat diesen Gedanken erwähnt, dem ich besonders beipflichte: Migranten, die Straftaten begehen, sind die ärgsten Feinde der ehrlichen Zuwanderer, die einer regulären Arbeit nachgehen und regulären Lohn beziehen.
Deshalb müssen wir unseren besorgten Bürgern diese Politik erklären: Sie müssen keine Angst vor der Einwanderung als solcher, sondern nur vor denjenigen haben, die straffällig werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Kriminellen bestraft werden, denn andernfalls geben wir den Bürgern kein Signal, dass sie differenzieren müssen, und überlassen sie dieser Angst und dieser Sorge, die, wenn sie nicht bewältigt werden, dann in Rassismus und Fremdenhass umschlagen, ein schreckliches Phänomen, das gleichwohl im Gebiet der Europäischen Union zunimmt.
Schlussendlich, Herr Präsident, müssen die Politiker die Weichen stellen. Ich glaube, unsere Weichenstellung muss ein globaler Pakt von Rechten und Pflichten sein, der zwischen Gleichgestellten, zwischen gleichberechtigten Partnern geschlossen wird. In diesem Pakt darf nicht der eine bestimmen und der andere akzeptiert; und es darf auch niemand Forderungen an uns richten, die wir nicht akzeptieren können. Das ist nötig, weil wir von Menschen, von ihrer Würde und ihren Rechten sprechen. Wir sprechen weder von einem wirtschaftlichen noch von einem administrativen Heilmittel.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
(Die Sitzung wird um 11.45 Uhr unterbrochen und um 12.00 Uhr wieder aufgenommen.)
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Illegale Zuwanderung ist ein etwas paradoxes Konzept. Ich wuchs in einem politischen System auf, in dem bestimmte Wörter von den Machthabern und ihrer Propaganda a priori als positiv bzw. negativ besetzt waren. So wurde beispielsweise das Wort „international“ als positiv klassifiziert, wohingegen „kosmopolitisch“ als negativ galt. Wir müssen aufpassen, nicht in eine ähnliche semantische Falle zu tappen. Da Fremdenhass schlecht ist, kann man den Schutz vor illegaler Einwanderung kaum als etwas Gutes für ein Land oder die EU betrachten. Sicherlich ist er eher ein notwendiges Übel.
In meiner Heimatstadt Poznań hat jemand die Worte „Niemand ist illegal“ an eine Wand geschrieben. Manchmal lohnt es sich, kurz innezuhalten und zu überlegen, ob ein Mensch wirklich illegal sein kann. Nicht nur auf dem Atlantik und im Mittelmeer riskieren Menschen ihr Leben, um die Grenzen der EU zu überwinden. Vergangene Woche ist eine Tschetschenin mit ihren drei kleinen Töchtern an der Grenze zwischen der Ukraine und Polen ums Leben kommen. Sie flohen vor der Tragödie, die sich in ihrer Heimat abspielt. Es kann kaum überraschen, dass Menschen versuchen, aus Tschetschenien zu fliehen und sogar bereit sind, dafür ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Die Anwesenheit von mehreren Millionen Einwanderern in Europa, die illegal in die EU gekommen sind, stellt ein sehr reales Problem dar. Auf dem Wege zu einer Lösung müssen wir allerdings die universellen Werte im Kopf behalten, auf die sich die europäische Integration stützt. Darüber hinaus sollte man aus dem einfachen Grund, dass der Mensch an sich keine negative Erscheinung ist, nicht vergessen, dass Einwanderung per se kein negatives Phänomen darstellt.
Katalin Lévai (PSE), schriftlich. – (HU) Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Von den unqualifizierten Einwanderern aus den Entwicklungsländern leben 85 % in der Europäischen Union und nur 5 % in den USA, wohingegen lediglich 5 % der hoch qualifizierten Zuwanderer in die Länder der so genannten alten Welt gehen, während mehr als die Hälfte von der US-Wirtschaft angelockt wird. Es freut mich, dass im Bericht von Frau Gruber unter anderem versucht wird, diesen Prozess anzuhalten und umzukehren.
Meiner Ansicht nach müssen wir Möglichkeiten finden, um hoch qualifizierte Arbeitskräfte anzuwerben und gleichzeitig den „Brain Drain“ aus den Entwicklungsländern zu verhindern. Der Begriff „hoch qualifizierte Arbeitskräfte“ sollte daher definiert und allgemeine Ausbildungskriterien in der EU standardisiert und festgelegt werden.
In diesem Falle stehe ich nicht hinter der Kommission mit ihrem Prinzip „Je mehr, desto besser“. Ich teile die Auffassung, dass die fünf Richtlinien zusammengefügt werden sollten. Weniger Bürokratie erweist sich sicher auch für qualifizierte Arbeitnehmer als attraktiv.
Bevor wir die Richtlinie(n) erarbeiten, schlage ich vor, eine erste Folgenabschätzung durchzuführen, in der auch soziale Faktoren berücksichtigt werden. Mit Hilfe dieser Bewertung könnte gewährleistet werden, dass die EU, indem sie die wirklichen Interessen der Bürger vertritt, mit Hilfe der erarbeiteten Gesetzgebung Millionen von Euros spart.
Der Vorschlag von Herrn Frattini für die Einführung von Quoten für legale Einreisen könnte meines Erachtens zu einem Rückgang der illegalen Zuwanderung in der EU beitragen, aber sie könnte auch zu einer wirksameren Steuerung der illegalen Zuwanderung in Drittstaaten führen.
Statt der im Bericht vorgeschlagenen EU-Arbeitserlaubnis hat das „EU-Blue Card“-System meiner Ansicht nach größere Erfolgsaussichten hinsichtlich der Erreichung der erhofften Zielstellungen für die legale Zuwanderung.