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Verfahren : 2007/2125(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0341/2007

Eingereichte Texte :

A6-0341/2007

Aussprachen :

PV 24/10/2007 - 17
CRE 24/10/2007 - 17

Abstimmungen :

PV 25/10/2007 - 7.14
CRE 25/10/2007 - 7.14
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2007)0485

Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 24. Oktober 2007 - Straßburg Ausgabe im ABl.

17. Opiumerzeugung für medizinische Zwecke in Afghanistan (Aussprache)
Protokoll
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  Die Präsidentin. - Als nächster Punkt folgt der Bericht von Marco Cappato im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten mit einem Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zur Herstellung von Opium für medizinische Zwecke in Afghanistan (2007/2125(INI) (A6-0341/2007).

 
  
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  Marco Cappato, Berichterstatter. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In diesem Bericht schlagen wir vor, dass das Parlament die Initiative ergreifen und dem Rat in erster Linie im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einen Vorschlag zur Frage der Herstellung von Opium in Afghanistan unterbreiten sollte.

Wir gehen von der Überlegung aus, dass die bisher erzielten Ergebnisse nicht ausreichen. Die Herstellung von Opium zur Produktion von Heroin ist in den vergangenen zwei Jahren um 50 % gestiegen. Es scheint, als wären wir nicht in der Lage, wirksame Mittel zur Verringerung dieses riesigen Produktionsberges zu finden, an dem sich natürlich nicht die Anbauer und Bauern bereichern, sondern die großen internationalen Drogenmafias, die Terroristen und die Taliban.

In dem Bericht wird auch von einer anderen Voraussetzung ausgegangen: dass es zudem einen äußerst mangelhaften Zugang zu Schmerzmitteln gibt. Etwa 80 % der Weltbevölkerung hat überhaupt keinen Zugang zu Schmerzmitteln. Natürlich könnten wir diese Fragen völlig unabhängig voneinander betrachten, aber meiner Auffassung nach ist es die Aufgabe der politischen Institutionen, pragmatisch zu sein und somit zu verstehen, dass es angesichts dieses enormen Produktionsvolumens, das für Heroin verwendet wird während die Versorgung mit einem Produkt desselben landwirtschaftlichen Ursprungs sehr knapp ist, möglich sein sollte, sozusagen beide Ausgangspunkte miteinander zu verknüpfen.

Die im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und von Herrn Gomes im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament eingereichten Änderungsanträge haben ebenso wie die von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten im Plenum vorgelegten Änderungsanträge dazu beigetragen sicherzustellen, dass der uns heute vorliegende Vorschlag kein alternativer, das heißt kein negativer Vorschlag ist, der darauf abstellt, die bisherige Politik von heut auf morgen zu ersetzen.

Wir bitten Sie, den Rat und die Kommission, ein Experiment und die Umsetzung einiger Pilotprojekte zu starten, bei denen ein Teil der Ernte statt wie derzeit zur Herstellung von Heroin zur Herstellung von Schmerzmitteln verwendet wird. Auf der Bedarfsseite könnten Maßnahmen eingeführt werden, um zu versuchen, Schmerzmittel in Kontinente wie Afrika und Asien zu bringen, die praktisch über keine Medikamente dieser Art verfügen.

Deshalb ist der Bericht, so wie er aus dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten hervorgegangen ist und unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge, meiner Meinung nach im Wesentlichen ausgewogen. In ihm wird von der ganz einfachen Annahme ausgegangen, dass es möglicherweise – und ich glaube definitiv – einfacher ist, mit Bauern zu kooperieren, wenn wir vorschlagen, einen Teil ihrer Ernte zu legalen Zwecken zu nutzen, anstatt einfach mit einer Politik der Ausrottung, Ausräucherung und Vernichtung der Plantagen daherzukommen. Eine solche Reaktion schafft eher einen weiteren Grund für Konflikte mit der lokalen Bevölkerung und hat sich zumindest bisher als kontraproduktiv und nicht hilfreich erwiesen.

Daher hoffe ich, dass wir über die verständliche offizielle Linie der europäischen Regierungen und der afghanischen Regierung, die Notwendigkeit der Bekämpfung des Opiumanbaus zu bekräftigen, dass wir über diese offizielle Linie hinaus eine andere Botschaft aussenden können. Das Europäische Parlament ist möglicherweise freier als andere, einen solchen Vorschlag zu unterbreiten. Wir haben diese Verantwortung bereits übernommen und ich hoffe, wir werden sie morgen bei der Abstimmung bekräftigen. Wir sind freier als andere, vorzuschlagen, alternative Experimente durchzuführen und sie pragmatisch, nicht ideologisch, auszuwerten.

Jeder von uns hier hat seine eigenen Ansichten über die internationale Politik und Drogen und über die internationale Politik in Afghanistan. Dieser Bericht soll kein ideologischer Vorschlag sein, sondern ein praktischer Versuch, dazu beizutragen, eine Lösung für etwas zu finden, was wirklich eine globale Tragödie ist.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Auch ich möchte Herrn Cappato herzlich danken – tante grazie!

Ich begrüße die genau zur rechten Zeit stattfindende Aussprache über das Drogenproblem – insbesondere über das Drogenproblem in Afghanistan –, das im Hinblick auf das politische Umfeld und die Sicherheitslage ein bekanntermaßen wichtiges und komplexes Thema darstellt.

Erst vor Kurzem haben wir in New York viele Diskussionen geführt. Während der UN-Generalversammlung fand eine Reihe wichtiger Aussprachen mit Präsident Karzai, mit dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und einer Vielzahl von Ländern statt. In deren Mittelpunkt stand genau diese komplizierte Frage.

Die Aussprache des heutigen Abends trägt zu der umfassenderen Debatte über den Wiederaufbau Afghanistans bei, spricht aber auch die Rolle der Drogen an. Ich möchte Ihnen meine Anerkennung für die Bildung der EP-Delegation für die Beziehungen mit Afghanistan aussprechen. Wir verfolgen Ihre Arbeit mit lebhaftem Interesse und erachten es für sehr wichtig, dass Sie diese in Angriff genommen haben.

Die Drogenindustrie Afghanistans stellt tatsächlich eine gewaltige Hürde für den Fortschritt beim Aufbau des Staates dar. Der jüngste Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) ist beunruhigend. Leider sind sowohl die Kapazitäten des Mohnanbaus als auch die der Verarbeitung in bedeutendem Maße gewachsen. Am meisten sind die südlichen Provinzen Afghanistans mit einem Anteil von 70 % an der Gesamtproduktion betroffen. Der enge Zusammenhang zwischen den Unruhen und der Drogenwirtschaft ist kaum überraschend. Wir dürfen jedoch die positiven Entwicklungen nicht übersehen, besonders in den stabileren Teilen des Landes, wo auf dem Gesundheits- und dem Bildungssektor als auch beim Wirtschaftswachstum greifbare Verbesserungen erreicht worden sind.

In dreizehn Provinzen des nördlichen und mittleren Teils Afghanistans gibt es überhaupt keinen Mohn. Das ist zumindest vielversprechend und etwas, worauf wir aufbauen können. Im Bericht von Herrn Cappato wird ein vollständiges Bild dieser Situation gezeichnet, und ich möchte Ihnen für die ermutigenden Anmerkungen zu dem danken, was die Kommission unternimmt. Es wird auch ganz richtig auf die Verantwortung Afghanistans bei der Bekämpfung der Opiumindustrie hingewiesen. Darüber sind wir uns absolut einig.

Sagen möchte ich jedoch, dass ich die in dem Bericht gezogenen Schlussfolgerungen nicht – zumindest noch nicht – teilen kann, in denen vorgeschlagen wird, den Opiummohn für medizinische Zwecke, wenn auch nur versuchsweise, zu legalisieren. Auf den ersten Blick ist das ein verlockender Vorschlag, aber leider gibt es für Afghanistans vielschichtiges Drogenproblem keine Patentlösung.

Ich möchte Sie an einigen meiner Bedenken teilhaben lassen. Länder wie Australien, die Türkei und Indien, die bereits Rohopium für medizinische Zwecke erzeugen, verfügen für gewöhnlich über ein effektives Strafverfolgungssystem, zudem werden dort keine großflächigen Konflikte ausgetragen. Selbst dann ist die Durchführung äußerst schwierig. Dort, wo diese Bedingungen nicht erfüllt sind, wird das legal angebaute Opium sofort in andere Kanäle geleitet, wie wir es in Peru und Bolivien beobachten konnten. Im Falle Afghanistans, so fürchten wir, würde der legale Anbau ganz klar zum illegalen Anbau nur noch hinzukommen, anstatt ihn zu verdrängen. Darüber hinaus bleibt die legale Opiumproduktion für die ortsansässigen Bauern unattraktiv, denn deren Einnahmen würden lediglich rund 25-30 % dessen betragen, was sie gegenwärtig auf dem Schwarzmarkt erzielen können.

Die Umsetzung eines solchen Programms ist kompliziert und nur mit Subventionen für die Qualitätsüberwachung und mit der Verteilung von medizinischen Produkten durchführbar. Sollen wir das aus Steuermitteln finanzieren? Die afghanische Regierung, die bekanntermaßen schwach ist und über schwache Institutionen verfügt, vermag leider zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, ein solches Programm zu leiten – und deshalb sagte ich „noch nicht“.

In einigen Teilen des Landes existiert zurzeit einfach gar keine Regierungsgewalt, ganz zu schweigen von einer zuverlässigen Regierungsgewalt. Das trifft insbesondere auf die instabilen südlichen Provinzen zu, wo der Großteil des Opiums produziert wird. Letztendlich hat die afghanische Regierung selbst – und das ist ein entscheidender Punkt – jegliche legale Opiumproduktion ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund sendet die politische Botschaft dieses Berichts wirklich nicht das richtige Signal an unsere afghanischen Partner. Es kann sogar ins Gegenteil umschlagen. Die unbequeme und nicht zu bestreitende Wahrheit ist, dass der Wiederaufbau Afghanistans weitaus mehr Zeit und Mittel in Anspruch nehmen wird. Außerdem wird viel Ausdauer von Nöten sein, wenn wir in diesem vom Krieg erschütterten Land eine nachhaltige Entwicklung herbeiführen wollen.

Fortschritte beim Aufbau des Staates sind nur mit mehr Entschlossenheit auch seitens der politischen Führung Afghanistans erreichbar, besonders auf lokaler Ebene. Das war, nebenbei bemerkt, auch die Botschaft, die in New York von uns ausgegangen ist. Ich stimme zu, dass es höchste Zeit ist, spürbare Maßnahmen gegen die Korruption zu ergreifen. Das waren nicht nur leere Worte, denn wir versuchen auch, beim Aufbau eines zuverlässigen Justizwesens und eines tatsächlich funktionierenden Polizeiapparats Unterstützung zu leisten, um die einfache afghanische Bevölkerung zu überzeugen, die oft skeptisch bleibt.

Hierfür gibt es eine ganz klare Lösung. Diese besteht in der Nationalen Strategie Afghanistans zur Drogenbekämpfung, die durch die internationale Gemeinschaft unterstützt wird und alle notwendigen Komponenten enthält. Sie verdient tatsächlich unsere volle Unterstützung, denn sie ist eine umfassende Strategie, die Verbote, die Information der Öffentlichkeit, die Strafverfolgung der aktenkundigen Drogenhändler und die Förderung der Entwicklung auf lokaler Ebene umfasst.

Dort, wo so sorgfältig aufeinander abgestimmte Strategien zur Anwendung gekommen sind, haben die Bauern den Mohnanbau bereits aufgegeben und zwar dauerhaft. In diesem Zusammenhang besteht in der Kommission die Auffassung, dass der Vorschlag, den Opiummohn zu legalisieren, die Arbeit untergräbt, die sie gegenwärtig auf anderen Sektoren leistet, insbesondere im Hinblick auf die Durchsetzung von Recht und Ordnung.

 
  
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  Carlo Fatuzzo, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe keinen Zweifel daran, dass Herr Cappato, mit dem ich seit langem befreundet bin, verzweifelt versucht, einen Beitrag zur Bekämpfung der Drogen in der Welt zu leisten und den unglücklichen jungen oder älteren Menschen zu helfen, die am Rande des Todes leiden und denen mit Drogen geholfen werden kann. Jedoch kann ich ihm leider nicht folgen.

Leider, das wiederhole ich, teile ich die Auffassung des Berichterstatters nicht. Meines Erachtens rührt das Problem daher, dass sein Vorschlag Afghanistan betrifft, einen Staat, in dem die Unsicherheit nicht größer sein könnte. Ja, der Irak ist vielleicht weniger sicher, aber Afghanistan ist kaum der Ort, an dem man beginnen sollte, Bauern davon zu überzeugen, das aufzugeben, was für sie der sehr lukrative Anbau von Mohnblumen ist und stattdessen Saaten zu nehmen, die anständiger sind, eher dem alten Testament entsprechen und besser mit den zivilisierten landwirtschaftlichen Methoden einhergehen, die wir alle kennen.

Aus dem Bericht selbst geht klar hervor, dass die größte Menge der weltweit vorhandenen Drogen, etwa die Hälfte, aus Afghanistan stammt und dass der Anbau von Opium in Afghanistan illegal ist. Obgleich er illegal ist, ist dieses Land dennoch die Quelle von etwa der Hälfte der Rohstoffe, die nötig sind, um junge Menschen zu töten oder sie zu Opfern von Drogenhändlern werden zu lassen, die sie bekanntermaßen in den Drogenkonsum ziehen, der ihnen und der Gesellschaft insgesamt Schaden zufügt.

Ich bin der Auffassung, dass es nur eine wirksame Waffe gibt, alle Drogenhändler, beginnend mit den afghanischen Bauern, die meiner Meinung nach die ersten Drogenhändler sind, zu bekämpfen. Unsere Unfähigkeit, sie zu kontrollieren und zu überwachen heißt, dass Prävention der einzige Weg ist, um Drogen zu bekämpfen und so dazu beizutragen, den Opium-Anbau so weit es geht zu reduzieren.

Aus diesem Grund widerspricht die PPE-DE-Fraktion diesem Teil des Berichts Cappato und ich denke, dass das, was ich gerade sage, jedem einleuchtet, ganz gleich, wie das Ergebnis morgen aussehen mag.

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Ana Maria Gomes , im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Ich muss dem Berichterstatter, Herrn Cappato, sowohl zu seinem ausgesprochen nützlichen Bericht als auch zu seiner Bereitschaft zur Berücksichtigung von Anregungen gratulieren, damit in der Einigung möglichst viele Aspekte berücksichtigt werden können.

Seine ursprünglichen Absichten waren löblich, denn er wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Durch die Legalisierung der Mohnerzeugung und der Opiumproduktion für medizinische Zwecke wäre nicht nur der Heroinproduktion in Afghanistan, sondern auch dem weltweiten Schmerzmittelmangel ein Ende gesetzt worden.

Unglücklicherweise sind wir auf mehrere praktische Probleme gestoßen, wie beispielweise die Instabilität der afghanischen Institutionen und ihr Unvermögen, die Opiumproduktion zu regulieren, die Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Tragbarkeit eines solchen Plans und die Gefahr einer möglichen Wiederaufnahme der Opiumproduktion in einigen der dreizehn afghanischen Provinzen, die die Produktion eingestellt haben.

Mit den Änderungsanträgen meiner Fraktion sollte der Fokus des Berichts wieder auf die wesentlichen Aspekte gelenkt werden: die Bekämpfung der Opiumproduktion in Afghanistan, die nicht nur das Land, sondern auch seine Nachbarstaaten betrifft. Die illegal aus diesem Opium erzeugten Drogen betrachten einige insbesondere in Europa als die wahren Massenvernichtungswaffen.

Im Kampf gegen die Opiumproduktion müssen wir die besonderen Merkmale der verschiedenen afghanischen Regionen berücksichtigen. Nur eine Kombination von Maßnahmen kann zum Erfolg führen. Erstens muss etwas gegen die Korruption unternommen werden, die in den zentralen Verwaltungseinheiten des Landes um sich greift, insbesondere im Innenministerium und bei der Polizei, und alle Strategien im Kampf gegen die Opiumproduktion blockiert. Zweitens müssen die etwa 30 wichtigsten Drogenhändler, die in einem Bericht der UNO und der Weltbank von 2006 genannt werden, gestellt, verhaftet und verurteilt werden, damit dieser mörderische Handel gestoppt werden kann. Drittens muss die NATO die afghanischen Bemühungen zur Bekämpfung des Drogenhandels unterstützen, indem sie Labors und Lager zerstört und Drogentransporte verhindert. Viertens müssen die Maßnahmen zur Mohnvernichtung umsichtig und selektiv durchgeführt werden und sich auf Gebiete konzentrieren, in denen Landwirte über tatsächliche Alternativen verfügen.

Nun komme ich zu den Punkten, in denen wir mit dem Berichterstatter übereinstimmen. Wir alle sprechen uns gegen die von den USA befürwortete wahllose Ausräucherung von Mohnpflanzungen aus, weil dadurch lediglich die Stellung der Taliban gestärkt und die Heroinproduktion nicht nennenswert reduziert würde.

Abschließend sollte im Zusammenhang mit einem Maßnahmenpaket zur Drogenbekämpfung in Afghanistan der Vorschlag des Berichterstatters geprüft werden, ein Pilotprojekt zur legalen Herstellung von auf Opium basierenden Schmerzmitteln einzuleiten. Mit diesem Bericht soll vor allem der Europäische Rat ermutigt werden, den Kampf gegen die Heroinproduktion in Afghanistan mit Einfallsreichtum und Engagement aufzunehmen. Es bieten sich keine einfachen Lösungen für dieses Problem, doch wir wissen, dass wir den von den Taliban und El Quaida verfochtenen Terrorismus und aggressiven Obskurantismus nur dann besiegen können, wenn wir Afghanistan aus den Fängen des Drogenhandels befreien.

Ich komme nun zum Abschluss, Herr Präsident. Dieser Bericht ist als dringend Appell an die Mitgliedstaaten zu verstehen, sich nach allen Kräften für den wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau eines Landes einzusetzen, das schwer von blutigen Konflikten getroffen wurde und von ausgesprochen großer Bedeutung für die regionale und internationale Sicherheit ist.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE). - (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich zu dieser Problematik persönlich und nicht im Namen meiner Fraktion äußern.

Die Produktion illegalen Opiums ist in Afghanistan aufgeblüht, seit die USA und ihre Verbündeten in diesem Land präsent sind. Und das geschah trotz der Errichtung verschiedener Behörden zur Bekämpfung der Drogenproduktion und der Programme zur Bekämpfung von Betäubungsmitteln, für die zuweilen große Summen von EU-Steuergeldern eingesetzt werden.

Dabei kann selbst ein Blinder sehen, dass die Afghanen weiterhin Opium produzieren werden, ganz gleich, was da komme. Die Ursache hierfür ist ganz simpel. Die Behörden zur Bekämpfung von Betäubungsmitteln nehmen weltweit an Größe, Anzahl und Kompetenz zu, und sie leisten eine immer effektivere Arbeit. Deshalb gelingt es ihnen, immer größere Mengen an Drogen zu beschlagnahmen. Da jedoch die Nachfrage seitens der Drogenabhängigen unverändert bleibt und kriminelle Drogenhändler weiterhin riesige Profite aus ihren illegalen Opiumlieferungen an diese kranken Menschen erzielen, steigen die Preise für Opiate und die Profite aus dem Handel mit Opium erhöhen sich weiter.

Somit folgen die Afghanen lediglich den Grundprinzipien des freien Marktes. Sie steigern ihre Produktion, um die Nachfrage des illegalen Handels zu befriedigen und um ihre Profite zu erhöhen. Es ist also ein völliger Trugschluss zu erwarten, dass die Unterstützung weiterer Programme für den Kampf gegen das Opium in Afghanistan einen beachtenswerten Effekt haben wird.

Der einzige Weg, der Opiumproduktion in Afghanistan oder anderswo wirksam zu begegnen, ist, sich weltweit mit dem Drogenproblem auseinanderzusetzen. Die einzige vernünftige Möglichkeit, dies zu tun, ist die Legalisierung der Drogen und die Anerkennung der Tatsache, dass Drogenabhängige keine Kriminellen sondern Kranke sind, die Hilfe brauchen.

Wenn diesen Abhängigen therapeutische Drogen unter strenger ärztlicher Kontrolle angeboten würden, verbesserten sich die Möglichkeit, schwerwiegende Nebenwirkungen zu verhindern, sowie die Möglichkeit der Entgiftung deutlich. Gleichzeitig würden die mit dem Drogenhandel einhergehende Kriminalität verschwinden und sämtliche Polizeibehörden für die Drogenbekämpfung überflüssig, was zu Haushaltseinsparungen ohnegleichen führte.

Die dem zugrunde liegende Logik ist so einfach, aber die Politiker in aller Welt haben Schwierigkeiten, sie zu begreifen.

 
  
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  Salvatore Tatarella, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die in Herrn Cappatos Bericht angesprochene Angelegenheit ist extrem sensibel und erfordert eine vorsichtige Bewertung durch das Europäische Parlament, um zu verhindern, dass irreführende und desaströse Lösungen vorgelegt werden, auch wenn sich dahinter gute Absichten verbergen.

Ich möchte zwei Punkte hervorheben. Erstens könnte der Anstieg der Opiumproduktion und -erzeugnisse in Afghanistan den Wiederaufbau des Landes und die bereits schwierige Stabilisierung des Rechtsstaates in der von Leid gekennzeichneten Region unterlaufen. Zweitens ist der steigenden Produktion von Opium – um 30 % in diesem Jahr – keine angemessene Antidrogen-Strategie entgegengesetzt worden.

Aus diesen Gründen ist der vorgelegte Vorschlag aus dem Bericht meines Erachtens völlig akzeptabel. Ich möchte dabei jedoch hervorheben, dass:

1. die erforderlichen Mengen Morphin bereits mit besonderen Lizenzen und vorbehaltlich der Überwachung durch das Büro der Vereinten Nationen für Drogenbekämpfung und das afghanische Ministerium für Drogenbekämpfung hergestellt werden;

2. das Internationale Suchtstoffkontrollamt angibt, dass es weltweit bereits einen Überschuss an Opiaten zur medizinischen Verwendung gibt;

3. dass eine aufwändige Herstellung von Morphin dazu führen würde, dass mehr Drogen hergestellt werden, die den Bedarf an Drogen auf dem Weltmarkt schließlich decken würden. Wenn es sie erst einmal billig auf dem Markt gibt, wären sie für alle verfügbar.

Wir sollten uns stattdessen gegen die Herstellung, den Handel und die illegale Verbreitung von Drogen stellen – und zwar in jedem Fall und mit allen Mitteln. Die Nachfrage sollte durch eine wertebasierte Politik und fortwährende, weit verbreitete Präventionsmaßnahmen und Informationskampagnen speziell unter jungen Menschen gedrosselt werden.

In einem Land wie Afghanistan könnte die Lösung aus diesem Bericht angesichts der Bedingungen, die dort gegenwärtig herrschen, als ein Zeichen der Kapitulation und der Niederlage verstanden werden. Sie könnte die Maßnahmen, die die internationale Gemeinschaft, die Europäische Union, die Vereinten Nationen und die Agenturen für Wiederaufbau in Afghanistan mit durch finanzielle Anreize unterstützten Programmen für eine Umstellung von Opiumplantagen hin zu anderen Saaten, ergreifen, unterlaufen.

Abschließend möchte ich kurz erwähnen, dass das Internationale Suchtstoffkontrollamt die Entscheidung der afghanischen Regierung, den Vorschlag zur Legalisierung des illegalen Opiumanbaus abzulehnen und ihre Zusage, sich an die Verpflichtungen aus internationalen Verträgen zu halten, gebilligt hat.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(ES) Frau Präsidentin! Zu Beginn möchte ich betonen, dass dieser Bericht äußerst wichtig und mutig ist und zum rechten Zeitpunkt kommt. Die beiden drängenden Fragen, auf die er eingeht, verdienen politische Aufmerksamkeit und eine politische Antwort, die offenkundig noch nicht erfolgt ist.

Während die Besorgnis über die Sicherheitslage und die Situation der Opiumproduktion in Afghanistan ständig wächst, ist die Notwendigkeit der weltweiten Lieferung von Analgetika eines der größten humanitären Probleme unserer Zeit, leider auch eines der am wenigsten beachteten.

Der Berichterstatter, Herr Cappato, hatte mit der Erarbeitung dieses Berichts keine leichte Aufgabe, deshalb ist er umso bemerkenswerter, und ich bekräftige nochmals meine Unterstützung und die meiner Fraktion. Wie er selbst sagte, ist die Verbindung zwischen den beiden Fragen nicht einfach und auch nicht notwendigerweise unmittelbar, doch es obliegt uns Politikern, die komplexen Realitäten zu analysieren, um komplexe Lösungen für die komplexen Probleme zu finden. Genau das tut dieser Bericht.

Was die Sicherheit in Afghanistan betrifft, so besteht kein Zweifel, dass sie eine Priorität sein muss, wenn wir die Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramme mit einer Garantie für die Zukunft umsetzen wollen. Das Problem besteht allerdings darin, dass bestimmte bewaffnete Gruppen gerade aufgrund einer fehlenden Regelung für die Opiumproduktion finanziert werden. Wir wissen auch, dass ein illegaler Opiumanbau und -handel stattfindet, der 40 % des Bruttoinlandsprodukts Afghanistans ausmacht.

Angesichts dieser Situation halte ich es für zweckmäßig, zumindest Initiativen wie die des Senlis Council zu prüfen und zu berücksichtigen, der eine Regelung zur Genehmigung des Opiumanbaus für medizinische Zwecke in Afghanistan vorschlägt. Das beträfe hauptsächlich die Produktion von schmerzstillenden Mitteln wie Morphium und Kodein, die auch an andere Länder verkauft werden könnten, die aufgrund der Präferenzhandelsabkommen gegenwärtig kaum geringen oder keinen Zugang zu derartigen lebenswichtigen Medikamenten haben.

Es ist bedauerlich, dass dieser Vorschlag im Moment und unter den realen Bedingungen keine stärkere Unterstützung seitens der Kommission oder der afghanischen Regierung selbst hat. Doch noch mehr Sorge bereitet die Tatsache, dass die als Alternativen gepriesenen Maßnahmen häufig in der chemischen Vernichtung bestehen, wie die US-Behörden wieder und wieder betonen. Sollte diese Maßnahme ausgeführt werden, würde sie den Taliban ein neues Argument liefern, um ihre Positionen zu vertreten und würde höchstwahrscheinlich dazu führen, dass die Bauerngemeinschaften zu Rebellenlagern werden.

Sie würde zudem sehr gravierende gesundheitliche und Umweltfolgen haben. Es ist von Anfang an klar, dass bei der Besprühung aus der Luft, die vermutlich für Afghanistan vorgeschlagen wird, auch die Menschen in den behandelten Gebieten und in der Umgebung von der Kontaminierung betroffen werden. Das zeigte sich Anfang des Jahres, als diese Praxis von Kolumbien angewendet wurde, um die Kokainproduktion entlang der Grenze zu Ecuador auszuräuchern, und sich dieses Land daraufhin in Den Haag beschwerte und Klage einreichte.

Ich bin kein Experte und natürlich ist die Frage der chemischen Mittel viel komplexer, doch meiner Ansicht nach sollten wir uns einiger dieser Katastrophen bewusst sein, die durch Napalm und abgereichertes Uran verursacht wurden. Wir dürfen so etwas nicht zum dritten Mal wiederholen, und ich hoffe, wir tun es nicht.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE-DE).(SK) Die Herstellung von Opium muss kontrolliert werden. Die gesamte internationale Gemeinschaft muss überall in der Welt sehr viel mehr in die Kontrolle der Herstellung von Opium eingreifen. Die Anstrengungen der UNO, ihres Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) und der Weltgesundheitsorganisation, mit denen die Nutzung von Opiaten zur Schmerzbehandlung reguliert werden soll, sind notwendig, aber immer noch unzureichend. Gleichzeitig darf die internationale Gemeinschaft keinen uneingeschränkten Gebrauch von Opiaten und deren Missbrauch durch Drogenabhängige zulassen.

Meiner Ansicht nach ist es unsere Pflicht, den Kampf gegen den Missbrauch harter Drogen nicht aufzugeben, denn sie zerstören irreversibel das Leben ihrer Konsumenten. Ich bin auch nicht dafür, dass die Gesellschaft den Abhängigen Drogen liefert, anstatt sich zu bemühen, sie umzuerziehen und in die Wirklichkeit zurückzuführen. Worum geht es eigentlich im Cappato-Bericht? Hier findet sich der Standpunkt, dass die internationale Gemeinschaft an einem Mangel an Opiaten leide oder in naher Zukunft einem solchen Mangel ausgesetzt sein könne, weshalb diese Droge unter bestimmten Bedingungen in Afghanistan gekauft werden müsse.

Opiate sind in der Tat für die Behandlung verschiedener Krankheiten, zur postoperativen Schmerzlinderung und nicht zuletzt für die Behandlung von Patienten mit bösartigen Tumorerkrankungen notwendig. Gleichwohl weist diese Theorie grundsätzlich einige Mängel auf, die in der gegenwärtigen Situation nicht ignoriert werden dürfen. In erster Linie ist dies die derzeit instabile politische Lage in Afghanistan. Dort müssen wir einerseits gegen die Taliban und andererseits gegen den illegalen Opiumhandel kämpfen, der in entscheidendem Maße nicht nur die afghanische Wirtschaft, sondern auch die Politik und die Außenbeziehungen beherrscht. Ich habe starke Zweifel und Befürchtungen und will auch sogleich erklären, weshalb das meiner Ansicht nach so nicht gelingen kann. Die Projekte zum legalen Mohnanbau für die Opiumherstellung können auch deshalb nicht funktionieren, weil das Internationale Suchtstoffkontrollamt ein Land nur im Nachhinein mit Sanktionen belegen kann, das Land aber einen Teil der Ernte an den Schwarzhandel verlieren wird.

Die internationale Nachfrage ist gleich bleibend. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, allein über die Opiumernte zu wachen. Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass die Regierung den Kampf gegen die Drogenhändler verlieren wird. Der Wettbewerb wird die Opiumpreise in die Höhe treiben, und die Bauern, die die Mohnfelder legal bewirtschaften, werden sich dem Schwarzhandel zuwenden. Zudem, und das ist sehr wichtig, sind die afghanischen Preise im Vergleich nicht wettbewerbsfähig; in Australien kostet ein Kilo Morphin 56 USD, in Indien 159, in der Türkei 250. In Afghanistan kann der Preis pro Kilo auf bis zu 450 USD steigen.

Was nun die Nutzung zu medizinischen Zwecken anbelangt: Würde das afghanische Opium zu medizinischen Produkten verarbeitet, trüge das nur zu einer weiteren Übersättigung des Marktes bei. Ich komme schon zum Schluss, Frau Präsidentin. Ich bin aus mindestens vier Gründen dagegen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Mohnanbau in Afghanistan unterstützen: unzureichende Infrastruktur, mangelnde ökonomische Wettbewerbsfähigkeit, gewaltige Expansion in die falsche Richtung, und letzten Endes herrscht gegenwärtig auf dem Weltmarkt kein Mangel an Opiaten.

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Zunächst möchte ich Herrn Cappato für seine Arbeit an diesem Bericht danken. Der Bericht war eine große Herausforderung, zielt er doch darauf ab, eine Antwort auf eines der schwierigsten Probleme unserer Zeit zu finden.

Die Opiumproduktion in Afghanistan steigt von Jahr zu Jahr. Dem jüngsten Jahresbericht zufolge ist die Opiumproduktion mittlerweile doppelt so hoch wie noch vor zwei Jahren. In der Praxis verfügt Afghanistan gegenwärtig über ein Monopol an der Versorgung mit der tödlichsten Droge der Welt. Das macht 93 % der weltweiten Opiatproduktion aus. Unser Präsident gehört zu denen, die glauben, das Schicksal Afghanistans sei unsere gemeinsame Angelegenheit. Der heldenhafte Kampf des afghanischen Volkes zu Zeiten des Kalten Krieges hat zur Verbreitung der Freiheit in der heutigen Welt und zum Fall des Eisernen Vorhangs in Europa beigetragen. Die Europäische Union ist nun moralisch verpflichtet, in Afghanistan militärische, administrative und wirtschaftliche Hilfe zu leisten.

Dazu gehört auch die Unterstützung bei der Bekämpfung der Drogenproduktion in Afghanistan. Es sei daran erinnert, dass die afghanischen Anbauer Opiate hauptsächlich wegen der finanziellen Gewinne herstellen. Das sollten wir bedenken, wenn wir das Europäische Hilfsprogramm zur Lösung des Problems aufstellen. Deshalb möchte ich die mutigen Vorschläge, die Herr Cappato in seinem Bericht vorlegt, loben. Sie können ein guter Beitrag zu einer Lösung der fraglichen Situation sein.

Einer dieser Vorschläge sieht Beihilfen vor, die über die Einführung eines wissenschaftlichen Pilotprojekts zur Herstellung von Mohnblumen zu medizinischen Zwecken vergeben werden, die dann weitere Forschungen nach sich ziehen, um herauszufinden, inwieweit die Vergabe von Lizenzen zu einer Verringerung der Armut, einer Diversifikation der ländlichen Wirtschaft, zu einer Entwicklung generell und einer verbesserten Sicherheit beitragen kann. Kurz gesagt, es geht hierbei nicht darum, zu moralisieren, sondern darum, dass die Europäische Union einen wirksamen Beitrag zur Lösung dieses Problems in Afghanistan leistet.

 
  
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  Horia-Victor Toma (ALDE).(RO) Aus dem Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung über die „Drogenindustrie in Afghanistan“ aus dem Jahr 2007 geht hervor, dass die Opiumproduktion eine Rekordmenge von 8 200 Tonnen und damit 93 % der weltweiten Opiaterzeugung erreicht hat. Demzufolge stammen 40 % des afghanischen Bruttoinlandsprodukts aus der Erzeugung von und dem illegalen Handel mit Opium. An diesem Prozess sind 2,9 Millionen Menschen beteiligt. Nichtsdestotrotz werden 80 % der weltweit legal verfügbaren Opiumderivate von zehn Ländern verbraucht, während in über 150 Staaten aufgrund des illegalen Opiumhandels grundlegende Behandlungsengpässe bestehen.

Es muss betont werden, dass sich die Taliban und Terrorgruppen hauptsächlich über den illegalen Drogenhandel finanzieren. Zudem werden die von der internationalen Gemeinschaft finanzierten Maßnahmen zur Ausrottung und Vernichtung von Drogen von den politischen und militärischen Stammesführern für ihre eigenen Zwecke und zur Ausschaltung des Wettbewerbs genutzt. Angesichts dessen bin ich der Überzeugung, dass ein strategischer und ausgewogener Ansatz zur Reduzierung und Kontrolle der Opiumerzeugung auch soziale und wirtschaftliche Alternativen beinhalten sollte, um die Bildung eines Rechtsstaats und demokratischer Institutionen in Afghanistan zu unterstützen. Eine solche Maßnahme könnte daher eine der grundlegenden Lösungen für die Prävention und die Zerschlagung des Terrorismus darstellen.

Frau Präsidentin! Ich denke, dass ein Antidrogenplan in Afghanistan, der die Kontrolle der Opiummengen durch die Herstellung von Analgetika und anderen Derivaten ermöglicht, eine und nicht die einzige wirtschaftliche Alternativlösung und ein Mittel zur Reduzierung des Mohnanbaus darstellen könnte.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich Kommissarin Ferrero-Waldner zu der hervorragenden Leistung der Altenburger Sängerknaben gratulieren, die wir gerade gehört haben. Ich bin wirklich beeindruckt.

Nun muss ich allerdings zu weniger erfreulichen Themen kommen, nämlich dem Bericht Cappato. Meine Vorredner haben immer wieder die 40 % des BIP erwähnt, weil das der Anteil des afghanischen BIP ist, der angeblich durch die Herstellung von Betäubungsmitteln generiert wird. Diese Zahl wurde hingenommen, aber ich möchte hervorheben, dass unsere Vertreter in Afghanistan vor einem Jahr vor dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten eindeutig zu anderen Feststellungen gelangt sind. Sie haben erklärt, dass der Anteil am BIP bei über 50 % liegt, was sogar noch mehr ist. Es widerstrebt mir, dies zu erläutern, aber mindestens 10 % der Bevölkerung Afghanistans lebt von der Drogenproduktion und dem Drogenhandel. Darüber hinaus sollten wir auch sehen, dass die Soldaten der internationalen Streitkräfte gemeinsam mit den in dem Land stationierten Amerikanern an diesem Handel beteiligt sind.

Meines Erachtens ist dies ein risikoreicher Vorschlag, wenngleich ich natürlich auch anerkennen muss, dass er einige Vorteile mit sich bringt. Ich bin jedoch zutiefst davon überzeugt, dass der Vorschlag eher zur Legalisierung des Drogenhandels als zu medizinischer Hilfe führen wird.

 
  
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  Vittorio Agnoletto (GUE/NGL).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht hier nicht einfach nur darum, festzuhalten, dass 92 % des weltweit verfügbaren Opiums in Afghanistan angebaut werden, sondern darum, den Aufwärtstrend festzustellen. 2001 wurden den Daten des UN-Büros für Drogenbekämpfung zufolge 8 000 Hektar für den Opiumanbau verwendet, wogegen es 2006 165 000 waren; 2001 wurden 185 Tonnen geerntet, 2006 waren es 6 100.

Das bedeutet offensichtlich, dass die gegenwärtige Strategie der Vernichtung der Ernte durch Ausräucherung zu nichts führt. Vielmehr hat sie soziale Konsequenzen, die in der Folge dazu führen werden, dass die Opiumherstellung spiralartig ansteigt. Andere Saaten als Opium werden vernichtet, die Bauern werden immer ärmer und landen schließlich in den Händen von Drogenhändlern, vor allem den Taliban und den Warlords, die bequem in der Regierung sitzen.

Deshalb ist das Ziel, Bauern eine Unterstützung zu bieten, die sich zumindest zu Beginn auf einem ähnlichen finanziellen Niveau bewegen muss wie gegenwärtig, und die sie aus der Abhängigkeit von Drogenhändlern befreit. Dieser Plan wird das Problem natürlich nicht lösen, aber das gibt auch niemand vor. Wir sprechen über ein Experiment in einem begrenzten Raum. In einem vom Krieg gebeutelten Land, in dem rivalisierende Banden die Ländereien kontrollieren, könnte es anders nicht sein. Dennoch ist es insofern ein Schritt nach vorn, als dass zumindest ein Teil des Opiums nicht zu Heroin wird, sondern zu Morphin. Das ist meines Erachtens für den Westen und die gesamte Welt von Vorteil.

Außerdem bin ich der Auffassung, dass wir klarstellen müssen, dass es bereits Bestimmungen für die Morphinherstellung gibt. Mir ist nicht bekannt, Frau Kommissarin, dass es all diese Probleme in Indien oder der Türkei gibt. Wenn dem so ist, dann brauchen wir Bestimmungen. Die vor uns liegende Entschließung sieht eine Regulierungsfunktion internationaler Gremien vor: nicht für Afghanistan insgesamt, was gegenwärtig nicht zu machen ist, sondern für ein extrem begrenztes Gebiet.

Ferner verdeutlichen internationale medizinische Verbände, dass auch heute noch ein Bedarf an Morphin herrscht, nicht nur im Süden der Welt, sondern paradoxerweise auch im Norden. Das muss natürlich zu offiziellen Preisen verkauft werden, aber es ist ein Schmerzmittel und meines Erachtens hat jeder ein Recht darauf, einschließlich afrikanischer und armer Menschen. Und wo wir über Kosten sprechen: Es kostet zweifelsohne weniger, solche Maßnahmen zu ergreifen und Preiskontrollen für Morphin einzuführen, als die Entscheidung, mit den vorhandenen Methoden Saaten zu vernichten, die zu nichts führt.

Eine letzte Anmerkung: Ich begrüße, dass diese Aussprache pragmatisch geführt wird und nicht wie ein Streit zwischen den Befürwortern einer Liberalisierung oder Legalisierung von Drogen und den Verfechtern eines Verbots. Wir versuchen, praktische und pragmatische Maßnahmen zu ergreifen, um einem Teil der afghanischen Bevölkerung zu helfen.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE). - (EN) Frau Präsidentin! Es ist unabdingbar, dass aus Opium gewonnene Substanzen wie Diamorphin (auch als Heroin bekannt) für medizinische Zwecke, insbesondere zur Schmerzlinderung, zur Verfügung stehen, jedoch beschaffen die Terroristen der Taliban 20 – 40 % ihrer Geldmittel über den Mohnanbau, wodurch es ihnen möglich wird, NATO-Soldaten zu töten. Bedauerlicherweise ist die afghanische Opiumproduktion in diesem Jahr um 34 % angewachsen, und macht weltweit einen Anteil von 90 % des Angebots aus.

Truppen meines Landes, des Vereinigten Königreichs, kämpfen als Teil der Internationalen Schutztruppe (ISAF) unter Führung der NATO gegen die Taliban. Sie verfügen weder über das Mandat noch über das Personal, ein groß angelegtes Projekt des Mohnanbaus für medizinische Zwecke zu überwachen – beziehungsweise in diesem Fall, die Ernte zu vernichten. Sie haben bereits genug damit zu tun, zu sehen, wie sie Geschossen entkommen, sie brauchen nicht auch noch Teilzeit-Gemüsebauern werden.

Als Arzt habe ich aber Verständnis für die Position der British Medical Association, die den Mohnanbau – unter strenger Kontrolle – befürwortet, um die Versorgung mit Schmerzmitteln stets sicherzustellen. Mein Parlamentskollege aus dem Vereinigten Königreich, der Abgeordnete Tobias Ellwood, hat viel für die Entwicklung eines Sechsjahresplanes unternommen, um die Mohnkulturen in Afghanistan stufenweise durch Marktkulturen zu ersetzen und somit von der Opiumproduktion für medizinische Zwecke wegzuführen.

Daher sollten wir das Konzept eines strikt begrenzten Pilotprogramms zur Genehmigung wenigstens überprüfen und uns dabei der Gefahr bewusst sein, dass es die Taliban für illegale Zwecke für sich vereinnahmen könnten. Jeder Versuch wird zwangsläufig auf ein sehr kleines Gebiet begrenzt sein müssen. Es wird der Unterstützung durch eine Reihe von Partnerorganisationen bedürfen, wenn es gelingen soll. Natürlich können wir nicht unsere tapferen Truppen von ihrer grundlegenden Aufgabe, dem Kampf gegen den Terrorismus, abziehen, aber es könnte insgesamt eine günstige Wirkung erzielt werden.

Beim Thema der EU-Hilfe für Afghanistan, muss die EU weitaus koordinierter an die Entwicklung der Infrastruktur und die Bekämpfung der Korruption herangehen, ansonsten werden die Taliban tatsächlich die Oberhand gewinnen, weil wir die Taliban im Süden des Landes kaum kontrollieren können.

Der Westen muss vor den Realitäten in Afghanistan endlich die Augen öffnen. Die internationalen Organisationen koordinieren ihre Aktionen nicht richtig. Die zügellose Korruption der afghanischen Regierung zeigt uns, dass die Provinzen gegenüber der Staatsführung des Präsidenten Karzai in Kabul die Geduld verlieren.

Das derzeit praktizierte Modell der Zentralregierung ist angesichts der Vielfalt der Interessen und Ethnien im ganzen Land untauglich, in dem es in der Vergangenheit traditionell noch nie eine starke Zentralregierung gab. Die Provinzen erhalten gegenwärtig keinen Handlungsspielraum, um ihre Ziele unabhängig von Kabul zu verfolgen. Es gibt keinen langfristigen Wirtschaftsplan, nach dem das reichlich zur Verfügung stehende Wasser nutzbar gemacht werden könnte. 92 % davon fließen aus dem Land – was sträflich und absurd ist. Der Bau von Staudämmen und Bewässerungssystemen würde den gewerbsmäßigen Anbau von Obst und Gemüse erlauben.

Afghanistan war einmal berühmt für seine Granatäpfel, die zurzeit bei den Verfechtern der Naturkost sehr in Mode sind. Der Aufbau eines dringend benötigten Eisenbahnsystems würde helfen, solche Waren auf den internationalen Markt zu befördern.

Frau Kommissarin, wenn das Land vor der politischen und wirtschaftlichen Katastrophe bewahrt werden soll, liegt noch eine Menge Arbeit vor uns, die keinen Aufschub duldet.

 
  
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  Richard Howitt (PSE). - (EN) Frau Präsidentin! Als jemand, der lange Zeit die Begasung als Mittel zur Drogenvernichtung als untauglich, oftmals als kontraproduktiv und immer verbunden mit Nebenwirkungen auf die menschliche Gesundheit abgelehnt hat, tut es mir leid, dass die Resolution diese Haltung mit dem verknüpft, was ich für einen fehlgeleiteten Versuch zur Förderung der legalen Opiumproduktion in Afghanistan halte. Die Resolution zitiert den Bericht des Senlis Council, der den Eindruck einer weltweiten Mohnknappheit vermittelt – das hat jedoch nichts mit Papaver, sondern nur etwas mit Palaver zu tun. Das Internationale Suchtstoffkontrollamt legt dar, dass die weltweiten Vorräte an legalen Opiaten die Nachfrage für zwei Jahre decken, während der in London ansässige Johnson Matthey, größter Morphinproduzent der Welt, einen weltweiten Überschuss von mehr als 250 Tonnen bestätigt.

Die Kommissarin hat recht, wenn sie einwendet, die Bedingungen in Afghanistan ließen nicht zu, dass die afghanischen Bauern Nutzen daraus zögen. Das ist nur eine von vielen zwingenden Voraussetzungen im Resolutionsentwurf. Opiummohn wird auf weniger als 4 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche angebaut. Der legale Anbau würde sich zum illegalen Anbau hinzugesellen und diesen nicht verdrängen. Laut einer Umfrage der unabhängigen Asia Foundation sprachen sich 80 % der afghanischen Bevölkerung gegen den Handel mit Drogen aus. Die afghanische Regierung lehnt ihn ab, und Präsident Karzai bezeichnet Opium als „Feind der Menschheit“. Gerade in den Wochen vor der Aussaat des Mohns, würde hiervon genau das falsche politische Signal ausgehen.

Ich zolle dem Berichterstatter allen Respekt, aber in dieser Frage wird das Hohe Haus zu meinem Bedauern geteilter Meinung sein. Mohn für medizinische Zwecke ist eine verlockende Aussage, die Wahrheit ist jedoch stattdessen, dass durch Opium Gewalt und Unsicherheit in Afghanistan finanziert werden. Mohn für Korruption und Terrorismus wäre die treffendere Aussage.

 
  
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  Bogdan Golik (PSE).(PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich möchte meine Unterstützung für den Vorschlag einer Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zur Herstellung von Opium für medizinische Zwecke in Afghanistan zum Ausdruck bringen. Ferner möchte ich dem Berichterstatter zu seinem Mut gratulieren. Die Bekämpfung des illegalen Drogenhandels ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Die Europäische Union muss ihre Maßnahmen mit dem Ziel organisieren, dass sie einerseits Drogen wirksam kontrolliert und die Versorgung der Welt mit Drogen reduziert und andererseits die Verfügbarkeit von Schmerzmitteln erhöht und deren Preis senkt.

Der Vorschlag, die Opiumproduktion zu legalisieren, um den Bedarf der internationalen Pharmaindustrie zu decken, kann ein sinnvoller Weg sein, die genannten Ziele zu erreichen. Wie beispielsweise in der Türkei und Australien könnten auch in Afghanistan Zulassungen für den Anbau von Mohn zur Herstellung nützlicher Schmerzmittel wie Morphin oder Codein vergeben werden. Wenn die Zulassungen allerdings Form annehmen sollen, müssen die besonderen Bedingungen in Afghanistan berücksichtigt werden.

Afghanistan ist weltweit der führende Lieferant von Rohstoffen zur Herstellung von Opiaten. Die Opiumproduktion und der Opiumhandel in Afghanistan sind ein wichtiger Wachstumsfaktor des BIP, die Grundlage für den grenzüberschreitenden Handel, die Haupteinkommensquelle für die Anbauer und für den Großteil der Gesellschaft die einzige Möglichkeit, Land, Arbeit und Kredite zu erhalten. Die Legalisierung des Mohnanbaus in Afghanistan ist nur dann sinnvoll, wenn die richtigen Bedingungen geschaffen werden. Die Sicherheitslage muss verbessert und das Land politisch stabil werden, wenn die nationalen Behörden eine wirksame Kontrolle des Verfahrens zur Herstellung von Opium gewährleisten sollen. Es bedarf einer wirksamen Demokratie und des Zugangs zu Staatskrediten für die Bauern. Darüber hinaus sollte die Abwicklung wirtschaftlicher Aktivitäten reguliert werden.

 
  
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  Inger Segelström (PSE).(SV) Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst Marco Cappato für einen interessanten Bericht danken. Ich bin im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres für die Finanzielle Vorausschau für das Drogenprogramm verantwortlich. Wir waren im Ausschuss bestrebt, in unserer Arbeit konkret festzulegen, wie dem schädlichen Drogenkonsum und dem Drogenangebot entgegengewirkt werden kann. Deshalb ist meiner Meinung nach die Diskussion über Afghanistan sehr wichtig, denn von dort kommt der größte Teil des Heroins (93 %), das unsere Jugendlichen auf der Straße umbringt. Wenn es möglich ist, durch die Produktion von Opium für medizinische Zwecke die Kontrolle und Produktion für einige Landwirte unter Aufsicht der EU und der UNO umzustellen, sollten wir dieses Projekt befürworten. Das sage ich, obwohl ich aus Schweden komme, einem Land mit umfassenden Anti-Drogen-Programmen und einer sehr restriktiven Drogenpolitik. Ich halte dies jedoch leider nicht für ausreichend, so dass wir auch andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen müssen, wie beispielsweise die Energieproduktion. Aber die Bauern brauchen Arbeit und Versorgungsmöglichkeiten, weshalb wir im Europäischen Parlament unsere Verantwortung wahrnehmen und weitere Maßnahmen fordern müssen. Wir wollen 40 %t des BIP ersetzen, dafür müssen wir auch Verantwortung übernehmen! Was Ziffer 1 Buchstabe a betrifft, nämlich die Empfehlung an den Rat, die Ausräucherung als Mittel zur Vernichtung der Mohnpflanzen in Afghanistan im Rahmen integrierter Entwicklungsprogramme abzulehnen, bin ich anderer Ansicht. Ich meine, wir müssen auch diese Methode untersuchen, um den gegenwärtig erreichten toten Punkt, an dem nichts geschieht, zu überwinden. Schließlich noch einige Worte zum Überangebot. Das bedeutet nicht, dass es einen größeren Bedarf an Schmerzmitteln unter den Ärmsten der Welt, bei Frauen und Kindern, gibt. Sie verwenden im Vergleich zu uns in der EU sehr wenig Schmerzmittel. Lassen Sie uns also einen globalen Standpunkt beziehen und in der EU und der UNO gemeinsam mit Afghanistan konstruktive Lösungen finden, um Frieden und Demokratie zu unterstützen und Terrorismus und Drogen zu bekämpfen. Vielen Dank.

 
  
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  Marco Cappato (ALDE).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte etwas zur Bedarfs- und zur Versorgungsseite sagen.

Was den Bedarf angeht, haben Herr Tatarella, der jetzt nicht mehr hier ist, und Herr Howitt das Problem der Überproduktion angesprochen: die Tatsache, dass das gegenwärtig verfügbare Opium tatsächlich den Bedarf an Opium zur Verarbeitung in Opiate für Drogen übersteigt. Das stimmt, allerdings nur für den gegenwärtigen Bedarf.

In dem Bericht wird versucht, sich mit der potenziellen Nachfrage zu befassen. Etwa 80 % der Weltbevölkerung haben in keinerlei Weise Zugang zu Schmerzmitteln, auch nicht für die am häufigsten durchgeführten Operationen, für Amputationen oder die Versorgung von Krebspatienten. Darüber sprechen wir, und das Internationale Suchtstoffkontrollamt trägt teilweise die Verantwortung dafür, dass wir keine globale Politik zur Förderung von Schmerzmitteln haben.

Was die Versorgung angeht, so möchte ich so frei sein und der Kommissarin sagen, dass dieses vorgeschlagene Pilotprojekt in der Tat etwas kosten würde, Gelder des Steuerzahlers. Das stimmt, aber die gegenwärtige Politik kostet Unmengen von Steuergeldern.

Deshalb ist das Problem ganz einfach. Wir möchten Sie bitten zu prüfen, ob es schwieriger und kostenintensiver ist, daherzugehen und gewaltsam Saaten aus einem Gebiet herauszureißen, die dann aller Wahrscheinlichkeit nach in das benachbarte Gebiet verlegt würden, oder aber diese Ernte aufzukaufen und vor Ort unter Aufsicht der internationalen Gemeinschaft zu verarbeiten, so dass sie nicht zur Herstellung von Heroin, sondern direkt dort zur Herstellung von Medizin verwendet werden kann. Die zweite Alternative ist meiner Meinung nach auch für die europäischen Bürger und Steuerzahler weniger kostenintensiv.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich meine, das war eine sehr aufschlussreiche Aussprache. Abermals bringe ich Herrn Cappatos mutigem Konzept Anerkennung entgegen. Ich möchte jedoch nochmals einwenden und sagen: Ja, es trifft zu, dass unsere Strategie noch nicht erfolgreich gewesen ist. Doch wie ich bereits ausgeführt habe, handelt es sich nicht ausschließlich um eine auf die Drogen gerichtete Strategie, sondern um eine außerordentlich vielschichtige Sachlage. Wir befinden uns in einer Postkonfliktsituation, und selbstverständlich sind die verschiedenen Kräfte bereits vor Ort: die NATO, die Europäische Union und die UN. Genau das war Gegenstand unserer Treffen in New York.

Lassen Sie mich nun auf die Drogenproblematik zurückkommen. Im Hinblick auf Angebot und Nachfrage existieren tatsächlich Probleme. Was die Nachfrage betrifft, so besteht gemäß dem Internationalen Suchtstoffkontrollamt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Nachfrage nach zusätzlichem legalen Opium für medizinische Zwecke. Und ich vernehme, dass die weltweite Nachfrage in der Tat schon gedeckt ist und die Türkei und Indien ihre Produktion in den Jahren 2005 und 2006 verringert haben. Die Vorratslager waren so gut gefüllt, dass sie weltweit für zwei Jahre ausreichten. Das ist die eine Seite. Ich verstehe, wenn Sie sagen, dass es vielleicht in anderen Teilen der Welt Menschen gibt, denen der Zugang zu ärztlicher Behandlung selbst ohne Schmerzlinderung verwehrt ist. Ich sehe das ein. Dies ist jedoch ein Aspekt, den Sie aus dem Zusammenhang lösen. So sieht die Situation heute tatsächlich aus.

Was das Angebot anbelangt, wollen wir auch einen Blick auf die Mengenverhältnisse werfen. Afghanistan ist, was von einigen Kollegen schon angesprochen wurde, das Land mit dem größten Anteil an Opium und Drogen: 8 200 Tonnen. Selbst wenn es die Genehmigung erhalten würde, legal zu produzieren, wäre das lediglich für eine kleine Menge möglich, und diese fiele sehr gering aus. Wenn also die Möglichkeit bestünde, würde sich diese meines Erachtens auf gerade einmal fünf Tonnen der Opiumproduktion belaufen. Setzen wir nun fünf Tonnen ins Verhältnis zu 8 200 Tonnen, so ist das gar nichts! Damit sehen Sie also, weder aufseiten des Angebotes noch aufseiten der Nachfrage haben wir ein wirklich ausgeglichenes Verhältnis.

Deshalb bin ich der Meinung, dass Ihr Konzept, abgesehen von der sehr komplexen Sachlage, mutig ist, und ich pflichte ihm bei. Trotzdem bin ich der Auffassung, dass es für Afghanistan in dieser Phase vielleicht nicht sinnvoll ist. Im Gegenteil, unsere strategische Aufgabe besteht meines Erachtens darin, die Unterstützung für Afghanistans langfristige Entwicklung und Alternativangebote zum Mohnanbau für die Bauern miteinander zu verknüpfen, was mit einer verbesserten Staatsführung einhergehen muss. Daher werden Justiz und Polizei im Fokus unserer künftigen Bemühungen stehen, so wie wir das bereits begonnen haben.

Darüber hinaus waren wir auch bezüglich der Agenda zum Lebensunterhalt für die ländliche Bevölkerung federführend und haben zur Unterstützung der legalen Beschäftigung beigetragen. Zu diesem Zweck unterstützt die Europäische Kommission die Nationale Drogenbekämpfungsstrategie der Afghanischen Regierung mit den Initiativen zur Angebotskontrolle und Nachfragereduzierung sowie zur Verbesserung der Staatsführung. Zum Beispiel haben wir die Treuhandfonds für Recht und Ordnung bisher mit etwa 135 Millionen Euro unterstützt, für die nächsten beiden Jahre ist eine Summe von 70 Million Euro vorgesehen.

Weiterhin möchte ich darauf verweisen, dass wir als die Europäische Union und die Europäische Kommission, die wir uns auf die Entwicklung der ländlichen Regionen, auf die gesundheitliche Betreuung und auf die Justiz konzentriert haben, und zusätzlich die Reform von Polizei und Justiz sowie den alternativen Anbau fördern, nicht den gesamten Aufgabenkomplex in Afghanistan schultern können. Darauf möchte ich den Abgeordneten, Herrn Tannock, aufmerksam machen, denn er wendet sich, so meine ich, ausschließlich an uns, die Europäische Kommission und die Europäische Union, obwohl noch zahlreiche andere einflussreiche Akteure zur Verfügung stehen. Nach meinem Dafürhalten müssen wir alle gemeinsam unseren Beitrag leisten. Dahingehend unternehmen wir verstärkt Bemühungen, diese Aufgabe mit Hilfe einer sorgfältig abgestimmten Strategie zu bewältigen, die in einem Punkt auch auf die Drogenbekämpfung gerichtet sein wird. Deshalb wiederhole ich, dass es nach meiner Auffassung hierfür möglicherweise zu früh ist.

 
  
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  Die Präsidentin. - Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

 
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