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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0435/2007

Aussprachen :

PV 14/11/2007 - 2
CRE 14/11/2007 - 2

Abstimmungen :

PV 15/11/2007 - 5.5
CRE 15/11/2007 - 5.5

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 14. November 2007 - Straßburg Ausgabe im ABl.

2. Das europäische Interesse: Erfolg im Zeitalter der Globalisierung (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wenigstens zwei Fraktionsvorsitzende da sind, den einen hätte ich jetzt fast übersehen, aber er schreitet gerade geschwind zu seinem Platz.

Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über das europäische Interesse: Erfolg im Zeitalter der Globalisierung.

 
  
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  Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. (PT) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Globalisierung ist nicht einfach nur ein Phänomen, das mit Blick auf seine wirtschaftlichen und technologischen Folgen zu betrachten ist. Für Sie, meine Damen und Herren, für die Mitglieder des Rates der Europäischen Union und in der Tat für alle von uns handelt es sich um ein im Wesentlichen politisches Problem. Es geht dabei um Menschen, die ihre Arbeit verlieren, Regionen in Krisen, sich auflösende Wirtschaftsbereiche und neue Gefahren für Sicherheit und Umwelt, aber es bedeutet auch, neue Arbeitsangebote, neue Produktionssektoren und niedrigere Preise für eine große Bandbreite von Produkten, was eine bessere Aufteilung der finanziellen Mittel und ein Wachstum des Handels mit Waren und Dienstleistungen ermöglicht.

Die Globalisierung hat zu einem beispiellosen Austausch von Ideen und Kontakten zwischen den Menschen geführt. Die Aussichten auf eine sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Bereicherung sind riesig, aber die Risiken, die die verschiedenen Formen eines neuen globalen Ungleichgewichts bergen, sind es auch. Wir sehen uns mit der Herausforderung konfrontiert, diesen neuen und zunehmend fließenden Wechselbeziehungen in einer immer kleineren Welt eine Form zu verleihen. Die Hauptaufgabe unserer Demokratien und eines jeden wirksamen Demokratiekonzepts besteht in erster Linie darin, die Globalisierung zu bewältigen und zu regulieren: Wird es uns gelingen, die politische Kontrolle über die grundlegenden Optionen der wirtschaftlichen Ordnungspolitik und so vieler anderer Aspekte unseres Lebens in den Händen unserer Menschen und unserer gewählten Vertreter zu halten?

Ich bin der festen Auffassung, dass wir Europäer in vielen wichtigen Bereichen nur dann effektiv sein können, wenn es uns gelingt, neue gemeinsame politische Lösungen für die wichtigsten Probleme unserer Zeit, wie beispielsweise Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen, Umweltschutz, Energie, Migration und die Bekämpfung des Terrorismus, zu finden.

Die Europäische Union hat die Bereiche ihrer Innenpolitik aktualisiert, um Wettbewerbsfähigkeit und eine faire und nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Wirtschaftliche Reformen sollten sich an der Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Achtung der Umwelt orientieren. Investitionen in Forschung, Innovation und Bildung müssen der Motor für Wachstum und Beschäftigung sein. Wir sind ja nicht allein und es wäre unverantwortlich, sich nach innen zu richten, in der Überzeugung, dass Eigeninteresse effektiv sein kann. Diese neue Welt hat keine wirksamen Mauern oder Festungen. Wir müssen gemeinsam mit anderen Ländern und Regionen an Ergebnissen arbeiten, die für jeden positiv sind.

Stabilität, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand werden nur dann beständig und von Dauer sein, wenn wir sie teilen. Das ist die Berufung Europas. Wir müssen die Globalisierung unseren Prinzipien und Werten entsprechend gestalten, mit dem Blick nach außen und in alle Richtungen gerichtet, wie wir es in den Sternstunden unserer gemeinsamen Geschichte getan haben.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben mit ihrer Zusammenarbeit gezeigt, dass sie gemeinsame Probleme und Herausforderungen angehen können, indem sie sich ihre 50jährige Integrationserfahrung zu Nutze machen. Der neue Vertrag von Lissabon bietet wirksamere und transparentere institutionelle Bedingungen für die EU, damit diese ihre Rolle in der Welt ausfüllen kann. Die Herausforderung besteht darin, die Errungenschaften der Zeit zu erhalten und zu stärken sowie Wege zu finden, wie wir unsere Interessen verteidigen und unsere gemeinsamen Werte über die Grenzen hinaus verbreiten können.

Die erneuerte Lissabon-Strategie bietet Europa einen Rahmen, um diese Herausforderung anzugehen. Die Einführung eines neuen Politikgestaltungszyklus ist für uns eine Gelegenheit, über den Weg, den wir einschlagen wollen, nachzudenken. Die heute zu diskutierende Mitteilung der Kommission ist ein hervorragender Ausgangspunkt für die Aussprache und legt die Grundlage für Debatten zwischen den Staats- und Regierungschefs auf dem informellen Treffen in Lissabon am 19. Oktober. Unsere Arbeit im Rat basiert auf diesem Dokument und ist der Versuch, ein Textpaket zu definieren, das zur Vorbereitung des nächsten Zyklus der Lissabon-Strategie beitragen soll.

Der ECOFIN-Rat hat in dieser Woche Beschlüsse angenommen, der Rat Wettbewerbsfähigkeit wird am 22. November ebenfalls einige Dokumente verabschieden und der Rat für Beschäftigung plant, am 5. und 6. Dezember die Beschlüsse zur Zukunft der Europäischen Beschäftigungsstrategie im Zusammenhang mit dem nächsten Zyklus der Lissabon-Strategie anzunehmen. Andere Gremien des Rates haben ebenfalls Fragen in Angriff genommen, die die Vorbereitung des neuen Zyklus betreffen. Ich kann bestätigen, dass wir im Wesentlichen mit der Kommission übereinstimmen: Die erneuerte Lissabon-Strategie muss weiterhin der geeignete Rahmen für Europas Reaktion auf die wichtigsten, vor uns liegenden Herausforderungen und insbesondere auf die Globalisierung sein. Europa macht bedeutende Fortschritte. Die in den vier, 2006 ausgewählten vorrangigen Bereichen Beschäftigung, Wissen und Innovation, Unternehmensumfeld und Energie und Klimawandel erklärten Ziele sind noch immer aktuell.

Die Hauptlinien des neuen Zyklus müssen die für die Konsolidierung der Ergebnisse erforderliche Stabilität wahren. Zudem ist es wichtig, gleichzeitig Anpassungen und Verbesserungen vorzunehmen, damit das Potenzial der erneuerten Lissabon-Strategie vollständig ausgeschöpft werden kann. Unsere Priorität muss darin liegen, das Tempo der Reformen zu beschleunigen, um unsere Wirtschaften zu stärken, indem wir uns die Vorteile der Eigendynamik zu Nutze machen, zu der der bereits erzielte Fortschritt geführt hat.

Die EU trägt weltweit Verantwortung und muss mithilfe eines strategischen, kohärenten und entschlossenen Konzepts auf globaler Ebene besser auf die Globalisierung vorbereitet sein. Wir müssen weiterhin mit aller Entschlossenheit Maßnahmen auf nationaler Ebene durchführen, die uns einen wirksameren Umgang mit den Problemen ermöglichen, die aus dem demografischen Wandel, der Qualität der öffentlichen Finanzen und deren langfristiger Nachhaltigkeit, dem Arbeitsmarkt, der Beschäftigung, dem sozialen Zusammenhalt, dem Binnenmarkt, der Wettbewerbsfähigkeit, der Forschung und Innovation, der Energie und dem Klimawandel sowie der Bildung und Ausbildung resultieren.

Zudem muss das Lissabon-Programm der Gemeinschaft im neuen Zyklus eine wichtige Rolle spielen, indem es wirksamere Garantien für die erforderliche Kohärenz der Reformen bietet. Das Parlament und die Eigenverantwortlichkeit des Rates müssen gestärkt und der Austausch guter Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten muss ausgebaut werden. Migration muss im Zusammenhang mit der Globalisierung eine wichtige Rolle spielen, weil sie zur Steigerung des Wachstumspotenzials beiträgt und Anpassungen erleichtert. Einem jüngsten Bericht über die Auswirkungen der Situation auf die Mobilität von Arbeitskräften zufolge, der dem Rat in dieser Woche vorgelegt wurde, wird das demografische Wachstum der EU zunehmend von Migrationsströmen unterstützt. Zu berücksichtigen ist, wie entschieden sie zu einer Steigerung der Flexibilität beitragen, die zur Bewältigung von Krisen und zum Ausgleich einer geringeren Mobilität innerhalb von Regionen erforderlich ist.

In diesem globalisierten Kontext muss die außenpolitische Dimension der Lissabon-Strategie gestärkt und entwickelt werden, indem die politischen und wirtschaftlichen Ziele und die sozialen und ökologischen Normen über ihre Grenzen hinaus getragen werden. Wie Sie wissen, war das der Punkt, der bei den Gesprächen der Staats- und Regierungschefs auf dem informellen Treffen in Lissabon, wo wir insbesondere Fragen zur Instabilität des Finanzmarktes und zum Klimawandel entwickelt haben, angesprochen wurde. Diese interessante und anregende politische Aussprache, an der der Präsident dieses Hauses ebenfalls teilgenommen hat, hat unser Vertrauen in die Zukunft gestärkt.

Wie der portugiesische Premierminister José Sócrates hier bereits betont hat, hat Europa die Pflicht, den Globalisierungsprozess anzuführen. Es ist dazu in der Lage, wobei es Vorteile aus den neuen Möglichkeiten ziehen kann – auch im Bereich der Ideen und des kulturellen Austauschs. Durch die Stärkung der Beziehungen zwischen den Völkern und der Wechselbeziehungen zwischen den Nationen trägt die EU wesentlich zu Frieden und weltweiter Stabilität bei. Europa verfügt über die politischen und institutionellen Bedingungen, um beständig auf die Herausforderungen zu reagieren, die die Globalisierung in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt mit sich bringt, und kann von daher Einfluss auf den Globalisierungsprozess nehmen. Wir benötigen eine stärkere strategische Zusammenarbeit mit unseren Partnern, um eine neue globale Agenda zu entwickeln, die die gegenseitige Öffnung der Märkte, bessere Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales, Finanzen und geistiges Eigentum und die nötige Unterstützung der Leistungsfähigkeit der Institutionen in Entwicklungsländern kombiniert.

Wie der portugiesische Premierminister am Ende des informellen Treffens in Lissabon ebenfalls angekündigt hat, wird auf dem Europagipfel am 13. und 14. Dezember eine Erklärung zur Globalisierung verabschiedet werden. Das wird den Bürgern und der Welt die Entschlossenheit und das Engagement der führenden europäischen Länder zeigen, die Fähigkeit der EU anzuregen, Einfluss auf die Globalisierungsagenda zu nehmen und die richtigen Antworten zu finden.

Die vor uns liegenden Herausforderungen sind sowohl schwer als auch inspirierend und die portugiesische Präsidentschaft wird sich ihnen weiterhin verpflichtet fühlen. Wie immer zählen wir darauf, dass das Europäische Parlament die EU und einzelstaatliche, auf globaler Ebene abgestimmte Maßnahmen, durch die Europa seine Verantwortung im globalen Kontext übernehmen und die zukünftigen Herausforderungen erfolgreich bewältigen kann, unterstützt.

Wir neigen manchmal dazu zu vergessen, was Europa für so viele Menschen in dieser globalisierten Welt bedeutet. Die Bilder von Migranten, die an unseren Stränden angespült werden, erinnern uns auf schreckliche Weise an die Realität und daran, wie privilegiert wir hier in Europa sind, in einer Bastion der Hoffnung darauf, dass es möglich ist, ein Modell zu entwickeln, das basierend auf Partnerschaft, Zusammenarbeit und geteilter Verantwortung Frieden, Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz miteinander kombiniert.

Nicht nur unser Erfolg als Europäer steht auf dem Spiel. Das Motto unserer Präsidentschaft lautet, wie Sie wissen, „eine stärkere Union für eine bessere Welt“, und wir sind ehrlich der Auffassung, dass Europa beim Aufbau einer gerechteren und ausgewogeneren Welt eine bedeutende Rolle spielen muss.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Herr Präsident, Herr Staatssekretär für Europäische Angelegenheiten der Ratspräsidentschaft, meine Damen und Herren! Globalisierung ist für diese Generation Europäer das zentrale Thema. Sie berührt das Leben unserer Bürger auf die eine oder andere Weise, sodass es angemessen ist, sie auf der Europäischen Agenda ganz nach oben zu setzen.

Wie Sie wissen, bin ich persönlich davon überzeugt, dass die Europäische Agenda des 21. Jahrhunderts weitestgehend um das Thema Globalisierung organisiert werden muss, wobei die Werte und Prinzipien, die das europäische Projekt immer ausgemacht haben, natürlich gewahrt werden. Globalisierung muss jedoch auch als eine Chance für Europa verstanden werden, seine Interessen in dieser zunehmend von einander abhängenden Welt zu verteidigen und durchzusetzen. Daher freut es mich sehr, an der Aussprache über diese Frage im Europäischen Parlament teilnehmen zu können.

Wie der Herr Staatssekretär gerade gesagt hat, hat das Dokument der Kommission, das im vergangenen Monat über das europäische Interesse erstellt wurde, zu einer hervorragenden Aussprache auf dem informellen Ratstreffen in Lissabon geführt. Mich hat der anregende Konsens, der rund um unsere Ideen, wie auf die Globalisierung zu reagieren ist, gefunden wurde, besonders ermutigt. Ferner möchte ich der portugiesischen Präsidentschaft für ihre anhaltende Unterstützung dieser globalen Europäischen Agenda und die Notwendigkeit, die Lissabon-Strategie so zu gestalten, dass sie auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren kann, danken.

Wir unterstützen außerdem die Idee, auf dem Europäischen Rat im Dezember eine Erklärung über die Globalisierung abzugeben. Das wäre eine hervorragende Möglichkeit, diesen Konsens zu festigen, der auch hier im Europäischen Parlament gefördert werden muss, indem wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu einer solch wichtigen Frage entwerfen.

Die Europäische Union hat tatsächlich eine schrittweise und ehrliche europäische Antwort auf die Globalisierung entwickelt, die die Europäer dazu ermutigt, das Beste aus diesem Phänomen zu machen. Diese Antwort bestätigt die legitimen Sorgen jener, die mit dem Wandel konfrontiert sind, denn wir dürfen nicht vergessen, dass manche Menschen nachteilig betroffen sein werden. Auch für sie benötigen wir eine Antwort.

Ich bin der Auffassung, dass das europäische Interesse darin besteht, das richtige Gleichgewicht zu schaffen. Die Antwort darf keinesfalls beängstigend oder defätistisch sein, sondern muss auf Vertrauen basieren. In den letzten Monaten ist noch ein weiteres neues Interesse hinzugekommen: Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben offenbart, wie sehr die Gesundheit der europäischen Wirtschaft an globale Entwicklungen gekoppelt ist. Gleichzeitig haben extreme Klimabedingungen gezeigt, wie schwerwiegend die potenziellen Folgen des Klimawandels sind, und wie dringend eine Antwort auf dieses Problem gefunden werden muss. Wir sehen jeden Tag, dass Arbeitsplätze in Europa, Energie in Europa, die Gesundheit unserer Menschen und die Lebensqualität in ganz Europa von einer globalen Dimension berührt werden.

(EN) Herr Präsident! Meines Erachtens sollten wir von einem Standpunkt der Zuversicht ausgehen. Wir verfügen über Erfahrungen als bedeutendste Wirtschaft und wichtigster Exporteur der Welt. Wir haben innovative Wege zur Lösung neuer Probleme beschritten – ich denke dabei z. B. an den Emissionshandel –, und wir verfügen über einige ganz klare Grundregeln, mit denen wir bisher gut gefahren sind.

Erstens ist es unsere Pflicht, unsere Bürger zu schützen, ohne protektionistisch zu sein. Wir sollten unsere Politiken so ausrichten, dass andere denselben Weg wie wir einschlagen und sich öffnen. Wir sollten keine Türen zuschlagen; wir sollten vielmehr andere veranlassen, ihre Türen zu öffnen. Für Europa als wichtigsten Exporteur der Welt wäre Protektionismus ein aussichtsloses Unterfangen.

Zweitens sind wir zwar offen, aber nicht naiv. Das bedeutet, dass es nicht unsere Aufgabe ist, uns jenen gegenüber großzügig zu zeigen, die bestimmte Schlüsselprinzipien ignorieren. Das ist auch der Geist, der unseren jüngsten Vorschlägen zugrunde liegt, um zu gewährleisten, dass die Vorschriften für Investitionen im Energiebereich für Drittstaatsunternehmen gelten.

Drittens bietet ein regelbasiertes System zahlreiche Vorteile, und aufgrund ihrer Erfahrungen verfügt die Europäische Union über ausgezeichnete Voraussetzungen zur Schaffung einer guten Grundlage für die Regulierung auf globaler Ebene – eine konkrete Möglichkeit zur Gestaltung der Globalisierung. Seien wir doch ehrlich: Für offene Volkswirtschaften bedarf es einiger Regeln. Ohne Institutionen funktionieren Märkte nicht, und wir haben in der Europäischen Union mehr als jeder andere Erfahrungen bei der Zusammenführung unterschiedlicher Regeln, der Zusammenführung unterschiedlicher nationaler Erfahrungen gesammelt. Deshalb glaube ich wirklich, dass wir besser als jede andere Einrichtung in der Welt in der Lage sind, die Globalisierung zu gestalten, wobei wir unser Modell für diesen Globalisierungsabschnitt, in den wir jetzt eintreten, niemandem aufzwingen, sondern es nur vorschlagen wollen.

Wir verfügen außerdem über einige Instrumente, die uns helfen sollten, uns der Globalisierung mit Zuversicht zu stellen. Dass der Euro eine Kraft der Stabilität im internationalen Finanzsystem ist, das war noch nie so deutlich wie heute. Die Fähigkeit, mittels Gemeinschaftsvorschriften verbindliche Ziele für Treibhausgase und erneuerbare Energien aufzustellen, verleiht uns zudem eine beispiellose Glaubwürdigkeit, und uns steht ein bewährter Reformhebel in Form der erneuerten Lissabon-Strategie in Europa zu Gebote.

Als wir 2005 die Wiederbelebung der Lissabon-Strategie in Angriff nahmen, ging es uns darum, sie in verschiedenen Punkten zu verbessern. Mittels einer klar definierten Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission haben wir die Eigeninitiative und Verantwortlichkeit erhöht. Mithilfe länderspezifischer Empfehlungen haben wir die Aufgabenverteilung präzisiert. Jetzt verfügt jeder Mitgliedstaat über ein eigenes nationales Reformprogramm, und jeder Mitgliedstaat akzeptiert, dass die Durchführung dieser Reformen eine kollektive Anstrengung darstellt. Außerdem haben wir die Finanzinstrumente der Union für Wachstum und Arbeitsplätze neu ausgerichtet.

Die Bemühungen tragen jetzt Früchte. Trotz der aktuellen Bedenken ist die Bilanz positiv: In der Europäischen Union der 27 sind in den letzten zwei Jahren fast 6,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstanden; im Zeitraum 2007-2009 wird mit acht Millionen Arbeitsplätzen gerechnet. Die Lissabonner Reformen haben zweifellos das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft gestärkt.

Zu Selbstzufriedenheit besteht allerdings kein Anlass: Die Aufgabe ist noch längst nicht gelöst. Die Mitgliedstaaten und die Union müssen die Reformen mit aller Konsequenz fortsetzen. Das ist der beste Weg, um die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft angesichts ungewisser wirtschaftlicher Aussichten zu stärken.

Die 2006 vereinbarten vier Bereiche für vorrangige Maßnahmen bilden den richtigen Rahmen für Lissabon: Forschung und Innovation; ein besseres Unternehmensumfeld (mit weniger Bürokratie und besseren Bedingungen für Investitionen); Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und die wichtigen Themen Energie und Klimawandel. Diese Bereiche und die Definition dieser Bereiche haben für eine gezieltere Ausrichtung der Strategie gesorgt. Natürlich besteht eine enge wechselseitige Beziehung zwischen diesen Bereichen. Ohne hoch qualifizierte Arbeitnehmer und mehr Forschung und Innovation werden wir uns nie zu einer wissensbasierten, kohlenstoffarmen Wirtschaft entwickeln.

Ich möchte den Punkt der Forschung und Innovation hervorheben. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und dem Europäischen Parlament dafür danken, dass es die Forderung der Kommission nach einem Wissensdreieck von Forschung, Bildung und Innovation unterstützt hat. Ich möchte Ihnen wirklich danken und Sie darauf aufmerksam machen, dass wir für den Fortbestand von Galileo als einem großartigen europäischen Projekt unbedingt zusammenarbeiten müssen, und ich möchte Ihnen für Ihre Unterstützung für das EIT-Projekt danken.

Was die Notwendigkeit eines europäischen Raums des Wissens betrifft, so kommen wir voran. So war eines der neuen Elemente in unserem Dokument eben die Vorstellung der Idee einer fünften Freiheit – der freien Wissenszirkulation in der Europäischen Union.

Es wird uns nie gelingen, eine neue Dynamik zu entwickeln, wenn wir nicht das richtige Klima für unsere KMU schaffen. In Europa gibt es 23 Millionen KMU. Deshalb glaube ich, dass die gemeinsame Inangriffnahme aller dieser Bereiche zu deren erfolgreichem Zusammenspiel und damit zum Erreichen aller unserer Ziele beitragen kann.

Bevor wir den nächsten Dreijahreszyklus in Angriff nehmen, müssen wir die Strategie unter Berücksichtigung der gezogenen Lehren und der neuen Umstände aktualisieren. Dabei muss die soziale Dimension stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Größere Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung sind die beste Waffe im Kampf gegen Ungleichbehandlung und soziale Ausgrenzung, denn wie ich bereits sagte, profitieren nicht alle von der Globalisierung. Wenn wir uns die Unterstützung durch die Bürger der Europäischen Union für unsere Agenda sichern wollen, dann sollten wir zur gegebenen Zeit die Bedenken im Hinblick auf die soziale Dimension berücksichtigen. Deshalb hat die Kommission beispielsweise eine Anpassung an den Globalisierungsfonds vorgeschlagen, eben weil wir von Anfang an erkannt haben, dass diese Bereiche konkrete Reaktionen erfordern.

Mut macht mir vor allem, dass sich die Sozialpartner auf das Paket von Flexicurity-Prinzipien geeinigt haben, das die Kommission vor der Sommerpause vorgeschlagen hatte. Auf der Tagung des informellen Europäischen Rates in Lissabon hörten wir sehr viel Gutes über diese Einigung zwischen den europäischen Sozialpartnern. Ich hoffe, dass der Europäische Rat im Dezember seine Zustimmung zu diesen Grundsätzen geben kann. Damit bietet sich den einzelnen Mitgliedstaaten eine sehr gute Grundlage für die Gestaltung eines ausgewogeneren Verhältnisses zwischen Flexibilität und Sicherheit auf ihren Arbeitsmärkten.

Konsequente Umsetzung der ausstehenden Reformen, die Betonung von Bildung und Fortbildung, konkrete Schritte, um Europa in eine kohlenstoffarme Gesellschaft zu verwandeln: All das sind unseres Erachtens die Schwerpunkte für den nächsten Zyklus.

Die integrierten Leitlinien bieten ein wichtiges Instrument für die Koordinierung, einen gemeinsamen Rahmen, in dem unterschiedliche Mitgliedstaaten ihre jeweiligen nationalen Reformagenden verfolgen können. Analysen und Rückmeldungen aus den Mitgliedstaaten zeigen, dass die Leitlinien greifen. Sie bilden die Grundlage für das Lissabon-Programm der Gemeinschaft. Ich glaube, dass sie zwar aktualisiert werden sollten, aber wenn sie nicht kaputt sind, sollten wir sie auch nicht reparieren.

Wir müssen auch verstärkt dafür sorgen, dass die Lissabon-Strategie in allen Mitgliedstaaten im gleichen Tempo vorankommt. Ein langsameres Reformtempo in einem Mitgliedstaat hat natürlich Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten. Außerdem sollten Parlamente, Sozialpartner, sowie lokale und regionale Behörden stärker einbezogen werden.

Das Engagement dieses Hohen Hauses für die Lissabon-Strategie hat maßgeblich zur Erhaltung der Dynamik beigetragen. Gemeinsam mit Vizepräsident Verheugen und dem gesamten Kollegium sehe ich der Vertiefung unserer gemeinsamen Arbeit an der Schwelle zum nächsten Zyklus der Lissabon-Agenda mit Freude entgegen.

Die Verbindung zwischen der Globalisierung und Lissabon bietet uns eine ausgezeichnete Möglichkeit, um zu demonstrieren, dass die europäische Wirtschaftsagenda in der heutigen Zeit unverzichtbar ist: Sie ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft für Europa. Wirtschaftsreformen, eine globale Vision, eine kohlenstoffarme Wirtschaft, all das sind ineinander greifende Ziele, die parallel verfolgt werden müssen, und nur die Europäische Union kann die weitreichende Wirkung und Kohärenz bieten, die Europa so dringend braucht. Nur gemeinsam können wir verfolgen, was wir in unserem Dokument als „das europäische Interesse“ bezeichnen.

Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass es dabei meines Erachtens nicht nur um das europäische Interesse geht. Ich glaube wirklich, dass die Welt im Zeitalter der Globalisierung auch ein engagierteres Europa braucht – mit unseren Interessen, die wir schützen und verteidigen, aber auch mit unseren Werten, den Werten der Freiheit und der Solidarität, die in diesem Zeitalter der Globalisierung Bestand haben müssen.

(Beifall)

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, lieber Hans-Gert, Herr amtierender Ratspräsident Manuel Lobo Antunes, Herr Kommissionspräsident José Manuel Barroso! Die Globalisierung ist für unsere Mitbürger kein abstrakter Begriff. Sie ist eine Realität, die im tagtäglichen Leben der Europäer spürbar wird, und diese blicken auf ihre Regierungen und Institutionen, von denen sie Lösungen für die mit der Globalisierung verbundenen Probleme erhoffen.

In dieser Hinsicht erwarten unsere Mitbürger sehr viel von der Europäischen Union. Sie erwarten Schutz und Sicherheit: physische Sicherheit vor den terroristischen Bedrohungen und Schutz vor den Unwägbarkeiten der Finanzmärkte. Sie erwarten von uns auch, dass wir die Versorgung mit Lebensmitteln und die Lebensmittelsicherheit gewährleisten; doch im vergangenen Sommer hat die starke Erhöhung der Getreidepreise die Verbraucherpreise in die Höhe schießen lassen. Die europäischen Verbraucher wollen sicher sein, dass zu günstigen Preisen importierte Produkte alle Sicherheitsgarantien aufweisen. Diese Frage ist von besonderer Aktualität: Angesichts der nahenden Weihnachtszeit müssen wir in der Lage sein, den Eltern und Großeltern garantieren zu können, dass das Spielzeug, das sie ihren Kindern schenken werden, frei von jeglichen Gesundheitsrisiken ist.

Wenn die Globalisierung zum Wohlstand beitragen soll, muss sie gerecht sein. Sie muss ebenfalls von ethischen Regeln flankiert werden, die beispielsweise Kinderarbeit verbieten. Die Globalisierung darf nicht zulasten der Schwächsten gehen, sondern muss ein Instrument zur Bekämpfung von Ungleichheiten innerhalb jedes Landes wie auch zwischen den einzelnen Ländern sein. Die Globalisierung muss zur Erhöhung der Kaufkraft der Ärmsten in der Gesellschaft beitragen. Wir haben uns stets für den freien Handel ausgesprochen, doch auf der Grundlage von strengen Regeln. Die Öffnung der Europäischen Union gegenüber der übrigen Welt ist eine Triebkraft für die Weltwirtschaft, und zahlreiche Unternehmen wollen sich in Europa niederlassen. Sie müssen unsere Regeln akzeptieren, unsere Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutznormen einhalten.

In fünfzig Jahren hat die Europäische Union einen funktionierenden Binnenmarkt zu schaffen vermocht, in dem die Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften stets die Regel war. Es ist an der Europäischen Union, ihre Know-how zu exportieren und ihren Partnern zu helfen, die Standards bei der Produktion und der Qualitätskontrolle zu erhöhen. Mit einigen von ihnen sind wir dabei schon auf dem richtigen Weg. Die erfolgreiche erste Tagung des Transatlantischen Wirtschaftsrates letzten Freitag in Washington ist ein positives Zeichen, und jetzt müssen wir verstärkte Anstrengungen unternehmen, um Brasilien, China und Indien an ihre Verantwortung zu erinnern. Gegenüber Afrika sind wir ein wenig nachsichtiger.

Um die externen Herausforderungen zu meistern, müssen wir einerseits unseren Binnenmarkt durch die Bereitstellung von mehr Mitteln für Forschung und Entwicklung stärken und andererseits Forschung und Innovation stärker zwischen den Mitgliedstaaten koordinieren. Die Globalisierung bietet neue Möglichkeiten, doch man muss sich auch auf sie einstellen, beispielsweise durch Weiterbildung während des gesamten Berufslebens.

Meine Fraktion begrüßt die neuen Initiativen im Rahmen der Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung, wie den von der Kommission vorgeschlagenen „Small Business Act“, denn die mittelständischen Betriebe leisten einen äußerst wichtigen Beitrag zur Stabilität und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa.

Meine Damen und Herren, wir Politiker werden immer stärker mit der Herausforderung konfrontiert, die die Energieproblematik darstellen. Ohne eine gemeinsame Energiesicherheits- und Umweltpolitik wird die Europäische Union weiterhin anfällig bleiben. Angesichts eines Ölpreises von fast 100 USD pro Barrel besteht für Europa dringender Handlungsbedarf. Wir brauchen eine europäische Energiepolitik, die unsere Versorgungssicherheit sowie ein dauerhaftes Wachstum dieses Sektors gewährleistet. Wir müssen eine Grundsatzdiskussion über die erneuerbaren Energien führen und die Möglichkeiten der zivilen Nutzung der Kernenergie für die Energieversorgung ausloten.

Diese Debatten müssen in voller Transparenz erfolgen, um das Problembewusstsein unserer Mitbürger zu erhöhen und ihre Unterstützung zu gewinnen. Letztlich wollen wir eine sauberere, effizientere und sicherere Energie für Europa. Europa muss seine Interessen nicht nur in Bezug auf Handel und Weltwirtschaft festlegen, sondern auch im Bereich der Kultur, der Sprache und der Tradition. Wenn wir an gemeinsamen Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung arbeiten, werden wir in der Lage sein, die legitimen Interessen unserer Mitbürger zu wahren, ohne in Protektionismus zu verfallen.

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Titel dieser Debatte drückt aus, dass das Europäische Parlament mit dem Rat und der Kommission gemeinsam darüber diskutieren soll, welche Rolle Europa, die europäischen Institutionen und ihre Mitgliedstaaten, bei der Bewältigung der Chancen und der Risiken der Globalisierung spielen wollen. Das führt auch dazu, dass wir klar machen müssen — und das wird heute in der Debatte auch klar —, dass es unterschiedliche Betrachtungsweisen und einen Wettbewerb unterschiedlicher Herangehensweisen an die Bewältigung der Globalisierungsfolgen gibt.

Die Verhandlungen um die heute zu verabschiedende Entschließung haben gezeigt, es gibt einen schwerwiegenden Unterschied, es gibt einen Graben in vielen Bereichen zwischen dem, was die Rechte in diesem Hause sich vorstellt, und dem, was wir als Sozialdemokratische Fraktion wollen. Wir werden deshalb das, was wir in dieser Debatte sagen, als die Parameter beschreiben, die wir anlegen, wenn wir bewerten, welche Rolle die Institutionen zu spielen haben, insbesondere die Kommission. Denn wenn ich Ihnen sehr aufmerksam zugehört habe, auch dem Kollegen Daul, dann gibt es einige Übereinstimmungen, Herr Kommissionspräsident, aber es gibt auch einige deutliche Unterschiede.

Jeder, der sich um das Amt des Kommissionspräsidenten bewirbt, jetzt oder in Zukunft, wird sich, was unsere Fraktion angeht, an einigen wesentlichen Punkten messen lassen müssen, gerade bei der Rolle, die die Kommission in der globalisierten Wirtschaft spielen soll. Die makroökonomische Politikkoordination, wie das so schön heißt — man könnte z. B. auch sagen die gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik — hat sich zu orientieren am Grundsatz der Sozialpolitik. Der wirtschaftliche Fortschritt in Europa muss dazu führen, dass es mehr soziale Stabilität gibt. Europa muss dafür sorgen, dass wirtschaftlicher Fortschritt in der Welt zu mehr Gleichberechtigung in der Welt führt. Auch das ist Sozialpolitik! Das Soziale nach Innen und das Soziale nach Außen ist unser gemeinsamer Maßstab.

Ökonomischer Fortschritt als Grundvoraussetzung für soziale Sicherheit, und nicht umgekehrt, wie wir hier in ein paar Verhandlungsbeiträgen gehört haben. Dass weniger soziale Sicherheit in Europa die Quelle von ökonomischem Fortschritt sein soll, das ist ein absolut falscher Ansatz. Wer glaubt, Europa könne dazu dienen, die sozialen Errungenschaften abzubauen, sozusagen im Windschatten der Globalisierung als Mitnahmeeffekt, liegt falsch. Deregulierte Märkte führen zur Profitmaximierung und Reduzierung von sozialen Standards: Das ist vielleicht das Bild, das die Rechte in diesem Haus hat. Das haben wir nicht. Wir sagen, das Erfolgsmodell Europas war sozialer Fortschritt und ökonomischer Fortschritt — das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Daran hat sich für uns nichts geändert.

(Beifall)

Das war ein interessanter Zwischenruf des Kollegen Daul, den sollte das Haus auch hören: Zuerst die Ökonomie. Nein! Ökonomie und Soziales gemeinschaftlich, das ist der entscheidende Punkt, und das ist der Irrtum der rechten Politik in Europa. Und seien wir klar: Die überwiegende Mehrheit der Regierungen im Rat sind Mitte-Rechts-Regierungen, und die Kommission ist ja kein Eldorado des Sozialismus. Sie sind ein Mitte-Rechts-Politiker, und die Mehrheit Ihrer Kommissare auch. Deshalb beobachten wir die Aktionen der Kommission mit großer Aufmerksamkeit, wenn es darum geht, die Glaubwürdigkeit Ihrer Ausführungen zu messen.

Natürlich Forschung, Innovation und Bildung, natürlich eine umweltschonende und die sozialen Ressourcen stabilisierende Binnenmarktsentwicklung. Ja, absolut! Aber dann brauchen wir auch die entsprechenden Richtlinienvorschläge der Kommission. Dann brauchen wir die entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen, um das abzusichern. Da gibt es einiges Positives, das unterstützen wir, da gibt es aber auch manches, was wir hinterfragen müssen.

Wir brauchen auch eine effektivere Verwaltung. Ob man das, wie das in den Titeln heißt, bessere Lissabon Governance nennen muss, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob die gemeine Bürgerin oder der gemeine Bürger auf der Straße versteht, was wir damit meinen. Und wenn Sie von Verwaltungsvereinfachung reden und dazu den früheren bayerischen Ministerpräsidenten brauchen — herzlichen Glückwunsch, da wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

Was wir aber in jedem Fall brauchen — und da haben wir eine große Übereinstimmung mit Ihnen, Herr Kommissionspräsident: Dieser Wildwestkapitalismus, der an den Finanzmärkten herrscht, der ganze Volkswirtschaften bedroht, jawohl, der braucht internationale Regeln. Dann lassen Sie uns in Europa mit den Regeln anfangen! Deshalb erwarten wir ganz konkret — und dabei haben Sie unsere Unterstützung — Kontrolle, Transparenz und übrigens auch Machtbegrenzung der internationalen Finanzkapitalisten. Das ist einer der entscheidenden Punkte für sozialen Fortschritt in Europa.

Zum Abschluss, Herr Präsident, lieber Hans-Gert, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen: Das, was wir heute diskutieren, die Frage, wie wir uns in der Globalisierung aufstellen, und die Frage, welche Einflüsse Europa — und zwar Europa als institutionalisiertes Europa, Sie als Kommission, wir als Parlament — tatsächlich ausüben kann, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen: Daran werden wir auch von den Wählerinnen und Wählern gemessen werden. Wenn es nur dabei bleibt, dass wir bei jeder generellen Aussprache schön beschreiben, was wir wünschen, aber nicht den konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen hier und in den Mitgliedstaaten folgen, dann ist das nutzlos. Deshalb erwarten wir, dass das, was wir hier beschreiben, auch in unserer gemeinsamen Entschließung in konkrete Politik umgesetzt wird.

(Beifall von links)

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Schulz! Wenn Sie die Redezeit maßgeblich überziehen durften, hat das nichts damit zu tun, wie Sie den Präsidenten angesprochen haben, sondern die überzogene Zeit geht dann am Ende von der Redezeit Ihrer Fraktion ab.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wir haben gerade die Sprache der Vergangenheit vernommen:

Die Rede der Vergangenheit!

(EN) Andere wissen vielfach besser als wir, dass wir bereits in einer globalen Gesellschaft leben. Indien, China und Brasilien haben die sich bietenden Chancen optimal genutzt, während man in weiten Teilen Europas fürchtet, von der Globalisierungswelle überrollt zu werden.

In seiner gestrigen Rede sprach Präsident Sarkozy davon, dass die Zukunft Europas ganz unterschiedlich aussehen kann, und stellte unsere Wettbewerbs-, Energie- und Erweiterungspolitik zur Debatte.

Herrn Barrosos Gesichtsausdruck während des größten Teils dieser Rede sagte mehr als alle seine Worte heute Morgen. Wenn Europa untätig bleibt, weil die Staats- und Regierungschefs – unter Verweis auf die Sorgen der Bürger – die Agenda der EU anfechten, dann verpassen wir die Chance auf Gestaltung der Globalisierung entsprechend den kollektiven Interessen Europas.

Nicht die Bürger müssen wir überzeugen, sondern die Mitgliedstaaten. Eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass die Bürger in der Europäischen Union und nicht in den nationalen Regierungen den Akteur sehen, der die Globalisierung am besten bewältigen kann.

Man braucht sich nur anzuschauen, wie die Globalisierung das europäische Staatswesen erdbebengleich erschüttert. Einige Vertreter des rechten Flügels ziehen sich angesichts globaler Herausforderungen vom Konservatismus in den Nationalismus zurück oder von der christlichen Demokratie in die christliche Autokratie. Der Riss der Globalisierung verläuft mitten durch die PPE.

Auf der linken Seite verzögern Kurt Beck und seine Freunde dringend erforderliche Reformen. Das hat Franz Müntefering gesehen und mit den Füßen abgestimmt. Und doch haben die Visionäre den Reformbedarf erkannt und ihn in das neue Manifest der europäischen Sozialisten aufgenommen, das treffenderweise in Porto angenommen wurde.

Die politische Spaltung verläuft bei der Wirtschaftspolitik nicht mehr zwischen links und rechts, sondern zwischen jenen, die auf globale Herausforderungen mit Abschottung reagieren, und jenen, die – zusammen mit den liberalen Demokraten – eine offene Gesellschaft befürworten.

Herr Barroso, Sie haben die Unterstützung der Mehrheit in diesem Haus für den Ansatz Ihrer Kommission in Bezug auf die Globalisierung. Aber diese Mehrheit rekrutiert sich nicht aus einer politischen Familie. Es kann sogar passieren, dass sie Europas politische Familien auseinander treibt und neu zusammenfügt.

Die Globalisierung wird unsere Politik in zunehmendem Maße prägen. Nicht die Globalisierung im engeren ökonomischen Sinn, wie er in dieser Mitteilung definiert wird – obwohl ein starker Euro und wirksame Wettbewerbsregeln sowie die Regulierung der Märkte in unser aller Interesse sind –, sondern in einem weiteren, in einem holistischeren Sinn, der sich auch auf das Wachstum der Weltbevölkerung und die Migration, den Klimawandel und die Energiesicherheit sowie das mit dem Terrorismus in Verbindung stehende internationale organisierte Verbrechen erstreckt.

Ist das nicht die Bestätigung, die wir brauchen, um „dem europäischen Kontinent die Möglichkeit“ zu eröffnen, „sein Gewicht in die Waagschale zu werfen“, wie in diesem Dokument angemahnt wird, um unsere „kritische Masse“ zu nutzen, um die Europäer in die Lage zu versetzen, „die Globalisierung mitzugestalten“, wie in der Mitteilung der Kommission gefordert wird?

Wenn dem so ist, Herr Barroso, wo sind Ihre Politiken? Ihr Zeitplan? Ihr umfassender Ansatz? Man hat uns ein aktives Vorgehen versprochen. Stattdessen bietet man uns ein Papier an, das reich an Phrasen und arm an Vorschlägen ist. Das kann bezüglich Europas Reaktion auf die Globalisierung nicht das letzte Wort sein. Ich warte auf Ihre Überprüfung des Binnenmarktes, um zu sehen, wie Sie unter schwierigen Bedingungen Wachstum und Beschäftigung ankurbeln wollen, sowie Ihre Politik zur legalen Migration und hoffe, dass darin auch die Sorgen der Herkunftsländer Berücksichtigung finden.

Meine Kollegen und ich warten auf dringende Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Wir halten zudem die soziale Gesundheit und die ökonomische Vitalität für wichtig. Um einen globalen Markt zu schaffen, brauchen wir einen neuen globalen Sozialvertrag, der die konkurrierenden Forderungen nach Flexibilität und Fairness unter einen Hut bringt, weil, wie uns Martin Luther King lehrte, die Gerechtigkeit überall in Gefahr ist, wenn irgendwo Unrecht geschieht.

Deshalb muss die Union die Lissabon-Agenda, bei der der Schwerpunkt auf der Wettbewerbsfähigkeit liegt, die Cardiff-Agenda mit Schwerpunkt auf den sozialen Rechten und die Göteborg-Agenda mit ihrem Umweltschwerpunkt zusammenführen.

Die Welt braucht eine starke geeinte Union, um Ungerechtigkeit, Konflikte und Armut in allen Teilen der Welt zu bekämpfen, weil wir zu den wenigen Akteuren gehören, die in der Lage sind, globale Probleme in Angriff zu nehmen, und wenn wir das nicht tun, wird es keiner tun.

Das bedeutet, dass die Heuchelei in Bezug auf Handelstarife ein Ende haben muss und wir uns um eine faire Lösung für die Entwicklungsländer in Doha bemühen müssen; dass wir eine Einigung zu den Kohlenstoffemissionen in Bali erzielen müssen, wobei wir unseren kollektiven Einfluss nutzen müssen, um die USA an Bord zu holen, und dass wir einen internationalen Ansatz für die Finanzmärkte entwickeln müssen, in dessen Mittelpunkt die aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit, die Annäherung der Standards und die Äquivalenz der Vorschriften stehen müssen.

Eine für alle Beteiligten gerechte Lösung dieser Aufgabenstellungen erfordert mehr Globalisierung und nicht weniger. Wir leben in einer vernetzten Welt, einer Welt, in der Solidarität auf globaler Ebene ebenso wichtig ist wie Solidarität zwischen den europäischen Bürgern.

Und wir müssen, um mit Victor Hugo zu sprechen, dem Tag entgegensehen, wo es keine anderen Schlachtfelder mehr geben wird als die Märkte, die sich dem Handel öffnen, und der Geist, der sich den Ideen öffnet.

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Globalisierung ist ein Phänomen, das in vielerlei Hinsicht irreversibel ist. Einzelne Länder der Europäischen Union sollten das nicht nur verstehen, sondern auf diese Veränderungen praktisch reagieren. Die Maßnahmen der EU dürfen allerdings nicht die wirtschaftlichen Interessen souveräner Staaten beeinflussen, z. B. durch das Festlegen ungerechtfertigter Begrenzungen von CO2-Emissionen, die der Wirtschaft von Ländern wie Polen ernsthaften Schaden zufügen werden.

Andererseits dürfen diese politischen Maßnahmen nicht zum Verlust nationaler Identität führen. Während Länder in Asien sich erfolgreich an die neue Situation anpassen und ihre Wirtschaften rasch wachsen, diskutieren wir im Europäischen Parlament so maßgebliche Fragen wie Rückspiegel land- und forstwirtschaftlicher Zugmaschinen sowie Rolle und Bedeutung von Zirkussen in der Europäischen Union und Ähnliches.

Die EU bringt ständig neue Verordnungen heraus, was einen wirksamen Wettbewerb zunehmend erschwert. Sie sieht die Realität scheinbar nicht, was die heutigen Reden sozialdemokratischer Vertreter offenbart haben. Ich hoffe, die heutige Aussprache wird mithelfen, unsere Art des Denkens über Globalisierung in eine europäische Sichtweise umzugestalten.

 
  
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  Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich glaube, dass diese spezielle Mitteilung in Anbetracht des Ernstes der Lage ein Ausdruck absoluter Phantasielosigkeit ist.

Es findet sich darin keine wirkliche Definition der Globalisierung. Normalerweise bezieht sie sich auf die ökonomische Seite – darüber möchte ich sprechen.

In diesem Papier wird festgestellt, dass wir vor einer dritten industriellen Revolution stehen. Ich denke, wir müssen einige Lehren aus den industriellen Revolutionen der Vergangenheit ziehen. Das betrifft beispielsweise die Tatsache, dass dabei die Umweltkosten nicht umfassend berücksichtigt wurden und dass die sozialen Kosten nicht umfassend berücksichtigt wurden. Es wird davon ausgegangen, dass die Rohstoffpreise niedrig bleiben werden, und zwar oft auf Kosten der ärmsten Länder der Welt; dass wir für unseren Handel die Öffnung der Märkte auch in Ländern erzwingen können, in denen noch keine soziale Infrastruktur und kein solider öffentlicher Sektor existieren; dass wir uns vor der Sirene der Gegenseitigkeit hüten müssen, wenn es sich nicht um gleichberechtigte Partner handelt. Es gibt auch Fälle, in denen wir die Rolle der Märkte für die Erreichung der sozialen Ziele überschätzt haben, und auch die wirtschaftliche Konsolidierung ist nicht unproblematisch, vor allem dann, wenn sie auf der Grundlage einer Schuldenwirtschaft und der Spekulation anstelle der Realität erfolgt und damit die wirtschaftliche Stabilität stark gefährdet.

Bei dem neuen Kontext, mit dem wir es zu tun haben, geht es nicht nur um den Klimawandel. Es geht um Peak Oil, das Ölfördermaximum, und was das für die Chancen von Entwicklungsländern bedeutet; es geht um die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele.

Es stimmt, wir müssen den Handel, die soziale Dimension und die Umweltdimension wieder ins Gleichgewicht bringen. Die WTO stellt den Handel über die Produktionsmethoden und alles andere, das uns das Recht gibt zu sagen, dass wir ein Problem damit haben, wie bestimmte Güter hergestellt werden, weil deren Herstellung nicht unseren Standards genügt. Wir haben es vorgezogen, dies nicht in die entsprechenden Regeln aufzunehmen.

In Bezug auf Wachstum tun wir so, als zähle nur die Quantität und nicht die Qualität und nicht das, was sich in unserer eigenen Gesellschaft entwickelt. Ich begrüße die Konferenz der Kommission, die nächste Woche zu dieser Problematik stattfinden wird, obwohl wir uns seit Jahren damit hätten beschäftigen sollen.

Wie werden wir mit unserem Agrarsektor verfahren? Wie mit unserem Fremdenverkehrssektor und angesichts des Klimawandels mit so vielen anderen Bereichen? Wir sind nicht der Ansicht, dass wir die Leitlinien unverändert beibehalten können. Unserer Ansicht nach müssen wir uns erneut mit ihnen befassen.

Was die allgemeine und berufliche Bildung angeht, so erfordert die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung jetzt, dass wir dabei auch den Klimawandel und den ökologischen Fortschritt in Betracht ziehen. Darauf wurde meines Erachtens nicht ernsthaft Bezug genommen. Dazu gibt es überhaupt keine europäische Strategie.

Wie werden wir die kohlenstoffarme Gesellschaft bewerkstelligen, von der wir immer sprechen? Das Dokument enthält dazu keine Aussagen, die uns diesbezüglich zuversichtlich stimmen würden.

Und auch mit der Frage der sozialen Integration müssen wir uns nochmals befassen. Bei der Bezahlung gibt es nach wie vor beträchtliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wir sind noch immer weit entfernt von existenzsichernden Löhnen, und bei der Flexicurity muss auch die finanzielle Sicherheit des Einzelnen berücksichtigt werden.

Auch die Integration von Lissabon und Göteborg steht noch immer aus. Das ist eine Herausforderung. Das Dokument hat sich dieser Herausforderung nicht gestellt, und auch bezüglich des Parlaments bin ich mir dessen nicht so sicher.

 
  
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  Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(CS) Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meine Enttäuschung über die Endfassung des Entschließungsentwurfs zum Ausdruck bringen. Ich bin in zweierlei Hinsicht enttäuscht. Erstens ist es schade, dass es lange Zeit unmöglich war, eine Einigung zu erzielen, und dass eine mehrheitliche Einigung erst im letzten Augenblick und unter Zeitdruck erreicht werden konnte, wofür – meiner Meinung nach – mit ungebührlichen Zugeständnissen in grundlegenden Fragen bezahlt worden ist. Zweitens bin ich enttäuscht, weil die Entschließung entgegen dem Titel des Dokuments nicht die europäischen Interessen widerspiegelt und – wichtiger noch – nicht einmal den Interessen der Mehrheit der europäischen Bürger entspricht.

Diese zweifache Enttäuschung rührt aus meiner Analyse des gemeinsamen Entschließungsantrags her, der in keiner Weise die negativen Auswirkungen der Globalisierung berücksichtigt und den Bürgern praktisch nur die Möglichkeit bietet, die Globalisierung hinzunehmen, wie sie beispielsweise eine Flut hinnehmen würden. Meiner Meinung nach kann man weder Globalisierung noch Flut mögen, geschweige denn, sie einfach hinzunehmen. Normal wäre es zu versuchen, diese Prozesse zu beeinflussen und ihren negativen Auswirkungen vorzubeugen. Davon steht in der Entschließung allerdings nichts: Sie bietet nicht einmal ein Modell einer nachhaltigen globalen Entwicklung.

Unsere Fraktion hat sich in ihrem Antrag für eine Entschließung insbesondere auf die folgenden Sachverhalte konzentriert:

die Bekämpfung der Armut, da die Statistiken zeigen, dass ca. 80 Millionen Menschen in der Europäischen Union über ein Einkommen verfügen, das unter 60 % des nationalen Durchschnittseinkommens liegt;

wir haben die Erfordernis effizienterer Instrumente zur Gewährleistung der Rechte der Bürger, so beispielsweise auf Zugang zu angemessener und gut bezahlter Beschäftigung sowie sozialen Mindestnormen, unterstrichen;

bezüglich der Lissabon-Strategie haben wir betont, dass eine neue integrierte Strategie für Nachhaltigkeit und Solidarität anstelle der derzeitigen Lissabon-Strategie notwendig ist, die ein effektives Werkzeug zur Umsetzung bereitstellt.

Gestern haben sich einige Fraktionen auf eine gemeinsame Entschließung geeinigt und den Vorschlag unserer Fraktion dabei vollständig ignoriert. Damit haben sie eindeutig gezeigt, dass sie wirtschaftlichen Belangen mehr Bedeutung beimessen als sozialen Rechten und Gerechtigkeit. Aus den oben genannten Gründen wird unsere Fraktion die Entschließung nicht unterstützen.

 
  
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  Godfrey Bloom, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Gestern konnten wir uns an einer wunderbar cleveren Rede des französischen Präsidenten erfreuen. Ich habe dem kleinen redegewandten Mann aufmerksam zugehört. Er hat sich unerschütterlich für den freien Handel eingesetzt. Doch falls andere Länder für Protektionismus wären, so wäre er das auch. Er ist ein unerschütterlicher Befürworter der Demokratie. Die Menschen hätten ein Recht darauf, dass ihre Meinung Gehör findet, nur damit sie dann – wie im Falle der Meinung der Menschen in Frankreich und in den Niederlanden – ignoriert wird. Er sei, wie er uns versicherte, zuallererst Europäer, aber durch und durch Franzose, zuallererst Franzose, aber Europäer durch und durch. Na gut, ein wenig ungarischer Gulasch ist auch dabei.

Wir brauchen europäische Land-, See- und Luftstreitkräfte, damit wir unsere friedlichen europäischen Werte möglichst weit verbreiten können, denn wir dürfen keinesfalls wieder Krieg führen. Wir müssen auf unseren demokratischen Institutionen aufbauen, aber, wie es scheint, nicht so sehr. Die Franzosen können nicht noch ein Referendum haben, weil das womöglich ein englisches Referendum nach sich ziehen würde, und natürlich wissen wir alle, dass die Briten die neue Verfassung – oh pardon – den „Vertrag“ ablehnen würden.

Wir müssen, so sagt er, mehr in uns gehen und dafür sorgen, dass es mehr Mutterschaft gibt, nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer; mehr Gemütlichkeit am heimischen Herd, vor allem für die Armen, ob sie die nun wollen oder nicht. Um eine Redensart, eine alte englische Redensart wieder aufleben zu lassen – es macht mir wirklich Spaß, die besten Dolmetscher der Welt auf die Probe zu stellen – es war alles Humbug!

 
  
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  Dimitar Stoyanov, im Namen der ITS-Fraktion. – (BG) Zu Beginn möchte ich die Kommission und den Rat daran erinnern, dass die Globalisierung kein Prozess ist, der an sich existiert, dass Europa ein wichtiger Faktor in der Weltpolitik ist und dass die Politik, die Europa verfolgt, die weitere Entwicklung der Globalisierung mitgestaltet.

Und genau das ist der Punkt, in dem ich die Strategie der Kommission nicht verstehe. Will die Kommission nun eine Politik verfolgen, mit der die Globalisierung weiterentwickelt wird oder mit der dieser Prozess gebremst wird? Ich möchte Sie außerdem darauf aufmerksam machen, dass ein gemeinsamer Markt allein noch keine Garantie für Europas Erfolg im Entwicklungsprozess der Globalisierung ist.

Der Rat hat erklärt, dass die Wettbewerbsfähigkeit seiner Auffassung nach sehr wichtig ist; allerdings gibt es in der Europäischen Union derzeit neue Volkswirtschaften, die schwach und selbst auf dem Binnenmarkt nicht wettbewerbsfähig sind.

Die Kommission ihrerseits hat betont, dass für sie die Entwicklung der Lissabon-Strategie höchste Priorität besitzt mit Blick die Umsetzung ihrer Pläne im Zusammenhang mit der Globalisierung.

Speziell für Bulgarien gehe ich davon aus, dass die Lissabon-Strategie fehlschlagen wird, weil mein Land – wie wir wiederholt festgestellt haben – bei seinem EU-Beitritt noch nicht dafür bereit war. Wie können wir folglich die Interessen der europäischen Bürger schützen, wenn wir uns nicht bestimmter Formen des Protektionismus bedienen?

Die offene Gesellschaft, von der Graham Watson spricht, bedeutet schlichtweg Verrat an den schwächeren Volkswirtschaften in der Union. Wenn uns die globale Solidarität wichtiger ist als die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft, wozu brauchen wir die Gemeinschaft dann überhaupt?

Unter diesen Bedingungen würde eine künftige Weiterentwicklung der Globalisierung mit den schwachen Volkswirtschaften, die ein großes Handelsdefizit haben und selbst auf dem Binnenmarkt nicht wettbewerbsfähig sind, diese Volkswirtschaften weiter bis zum Zusammenbruch unter Druck setzen und diese Volkswirtschaften, die darum gekämpft haben, einen normalen Weg der Entwicklung zu beschreiten, wie Kartenhäuser einstürzen lassen.

 
  
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  Jana Bobošíková (NI).(CS) (Der Beginn des Redebeitrags war unhörbar) ... sich darum bemühen, dass Europa als Akteur auf dem Weltmarkt so stark wie nur möglich ist. Um das zu erreichen, müssen allerdings die Verhandlungen über den Welthandel abgeschlossen, die Subventionen für die europäischen Landwirte gekürzt und die US-Zölle gesenkt werden. Es ist außerdem notwendig, gegenüber China im Rahmen der WTO fester aufzutreten und die systematische Anwendung von Antidumpingmaßnahmen zu forcieren. Wenn wir uns der Globalisierung erfolgreich stellen wollen, müssen wir die Bürde der übermäßigen Regulierung beseitigen, die die kleinen und mittleren Unternehmen behindert. Genau das hatte die Barroso-Kommission versprochen; sie ist dann aber am Anfang des Weges stecken geblieben.

Die Union würde auch stärker werden, wenn die Türkei und die Ukraine beiträten und wenn sie eine richtige Wirtschaftspartnerschaft mit Russland pflegen würde. Die Einwanderungspolitik ist ungesund. Anstatt Endziel für Arme zu sein, sollte Europa ein Ziel für die Fachkräfte werden, die derzeit nach China und in die USA abwandern. Wenn wir die Probleme der Globalisierung wirklich lösen wollen, muss die Union vor allem in die Lage versetzt werden, auf der internationalen Bühne mit einer Stimme zu sprechen; andernfalls wird sie nicht ernst genommen. Ich hoffe, dass die Staatschefs im Dezember zu der gleichen Schlussfolgerung gelangen.

Gestatten Sie mir ein paar abschließende Bemerkungen. Mein Kollege Schulz sprach von einem Wildwestkapitalismus, der auf den Finanzmärkten herrscht. Das war die übliche Rhetorik in den tiefsten Zeiten des Kommunismus, als die Finanzkapitalisten als „Wall-Street-Gangster“ bezeichnet wurden. Wir alle wissen, wohin diese Haltung für die Volkswirtschaften des Ostblocks letztendlich geführt hat.

 
  
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  Timothy Kirkhope (PPE-DE). (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Präsidenten des Rates und dem Kommissionspräsidenten für Ihre Erklärungen zu dieser grundlegenden Frage zur europäischen Zukunft danken.

Europa muss sich, um überleben und gedeihen zu können, den Herausforderungen der Globalisierung stellen, und wir müssen diese Herausforderungen annehmen und die damit verbundenen Chancen erkennen und nicht nur die Bedrohungen. Die Umsetzung der Lissabon-Agenda für ist die gedeihliche Entwicklung Europas von zentraler Bedeutung, und es muss uns gelingen, bei den Welthandelsgesprächen endlich eine Einigung zu erzielen. Wir müssen die Gemeinsame Agrarpolitik reformieren, und wir müssen nicht nur unseren Landwirten, sondern auch denen in der Dritten Welt faire Bedingungen anbieten. Wir müssen die Deregulierungsagenda gezielter vorantreiben, so dass die Privatwirtschaft und die Industrie eine Chance haben, sich im echten Wettbewerb gegen China und Indien zu behaupten. Außerdem müssen wir Frau Merkels Bemühungen um die Schaffung eines gemeinsamen transatlantischen Marktes konsequenter unterstützen.

Ich begrüße die jüngste Erklärung des Kommissionspräsidenten zur Globalisierung, in der er feststellte, die Daseinsberechtigung der EU für das 21. Jahrhundert bestehe eindeutig darin, Europa fit zu machen für die globalisierte Welt. Und zu diesem Zweck, sagte er, müssen wir in die Menschen, in Wachstum, Arbeitsplätze, in Energiesicherheit, den Kampf gegen den Klimawandel und in Fairness gegenüber den Verbrauchern investieren. Ferner stellte er fest, dass Protektionismus den Reichtum Europas nicht mehren könne; Protektionismus würde zur Verarmung unserer Bürger und nicht zu deren Schutz beitragen. Das ist eine Erklärung von entscheidender Bedeutung, die sich alle europäischen Regierungen zu Herzen nehmen sollten.

Im Bereich der Finanzdienstleistungen und der Rechnungslegung entwickeln sich die europäischen Normen rasch zu globalen Normen, und darauf bin ich stolz. Der richtige Weg für Europa besteht darin, das europäische Sozialmodell radikal zu reformieren, die Arbeitsmärkte mit mehr Flexibilität auszustatten und die Deregulierung und den Abbau bürokratischer Hindernisse für die Privatwirtschaft fortzusetzen.

Natürlich müssen wir bei der Bekämpfung des Klimawandels den Ton angeben, und ich begrüße die Entscheidung des Parlaments, die Emissionen des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem aufzunehmen. Das ist ein weiterer Ausdruck unserer Bereitschaft, der globalen Gemeinschaft mit gutem Beispiel voranzugehen.

Im Kampf gegen die Armut müssen wir dafür sorgen, dass die Programme der EU glaubwürdig, kostengünstig und ergebnisorientiert sind. Wir müssen die Handelsmöglichkeiten für die Entwicklungsländer verbessern und in Afrika wirklich etwas bewirken.

Wir sollten stolz sein auf das, was wir erreicht haben, aber es gibt noch viele Chancen, die wir nutzen sollten.

 
  
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  Robert Goebbels (PSE).(FR) Herr Präsident! Bei den Verhandlungen über den Entschließungsentwurf zur Herausforderung der Globalisierung habe ich ermessen können, welche Kluft zwischen der Linken und der Rechten in diesem Parlament besteht. Meine Kollegen von der PPE und der ALDE haben versucht, die Millionen einfacher Menschen zu kritisieren, die die positiven Auswirkungen der Globalisierung bezweifeln, wenn sie den Arbeitsplatzabbau aufgrund von Betriebsverlagerungen oder Betriebszusammenschlüssen bzw. -übernahmen erleben oder wenn sie ihre mageren Einkünfte mit den märchenhaften Bezügen der Manager vergleichen, die im Übrigen Lohnmäßigung predigen.

Meiner Auffassung nach ist die Globalisierung ein notwendiger Prozess, insbesondere um den ärmeren Ländern den Zugang zu den internationalen Märkten zu verschaffen, damit sie den Lebensstandard ihrer Bevölkerung anheben können. Doch lassen wir uns nicht von Schlagworten täuschen! Den von den Liberalen so gepriesenen idealen Markt gibt es nicht. Der Wettbewerb ist notwendig, doch niemals frei.

Betrachten wir beispielsweise den Energiemarkt. 90 % der weltweiten Energieressourcen werden von souveränen Staaten kontrolliert. Der Erdölmarkt wird von einem Kartell beherrscht. Auf dem Erdgasmarkt bildet sich gerade ein weiteres Kartell heraus. Die Preisbildung ist nicht transparent und betrifft nur knapp 40 % des Welthandels. Ein Drittel des Endpreises fließt in die Taschen einer langen Kette von Unterhändlern, von Spekulanten, deren wirtschaftlicher Beitrag gleich Null ist. Wenn die Spekulanten mit ihren Zweckgesellschaften Schiffbruch erleiden, dann pumpen die Zentralbanken Milliarden in das Finanzsystem, um allgemeine Instabilität zu verhindern, doch im Grunde fungieren sie damit als Spekulationsversicherer.

Einige CEO müssen gehen, doch landen sie dank ihrer goldenen Fallschirme weich, während Millionen von Verbrauchern die Schulden über den Kopf wachsen und sie ihre Häuser unter Wert verkaufen müssen. Innerhalb von sechs Monaten haben fast eine halbe Million US-Amerikaner ihre private Zahlungsunfähigkeit erklären müssen. Die europäische Wirtschaft tritt auf der Stelle. Die Kommission korrigiert ihre Wirtschaftsprognosen nach unten, doch in ihren politischen Vorschlägen begnügt sie sich mit Beschwörungen. Darin heißt es, es werden mehr Wachstum und mehr neu geschaffene Arbeitsplätze gebraucht, was durch eine bessere Koordinierung und mehr Forschung und Entwicklung erreicht werden soll, man müsse sich den neuen sozialen Realitäten stellen.

Doch wo sind die Finanzmittel dafür? Wo die Ressourcen? Kommissionspräsident Barroso will die integrierten Leitlinien nicht verbessern, die Rechte nicht über die Wirtschaftskoordinierung diskutieren. Sarkozy spricht pompös über alles und nichts, doch war in dreißig Minuten nicht ein einziges Mal das Wort „sozial“ zu vernehmen. Aber alle Meinungsumfragen bestätigen, die Menschen wollen eine sozialere Politik, mehr Sicherheit, mehr Kaufkraft, bessere öffentliche Dienstleistungen.

Die Bürgermeister von zehn europäischen Hauptstädten haben kürzlich eine Erklärung zur Verteidigung von für alle erschwinglichen gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen unterzeichnet. Doch was tut die Kommission? Sie versteckt sich hinter einem dem künftigen Vertrag beigefügten jämmerlichen Protokoll, das die Subsidiarität nur für nichtwirtschaftliche Dienstleistungen garantiert, damit die von den einfachen Europäern geforderten öffentlichen Dienstleistungen besser abgebaut werden können. Meine Fraktion wird nicht akzeptieren, dass sich die Kommission so aus ihrer Verantwortung stiehlt. Gemeinsam mit den Bürgermeistern, dem Ausschuss der Regionen, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Gewerkschaften werden wir den politischen Kampf für ein sozialeres Europa führen, das die öffentlichen Dienstleistungen zu einer Priorität macht.

(Beifall)

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė (ALDE).(LT) Viele EU-Bürger sind angesichts der Änderungen ihres Lebensumfelds durch die Globalisierung besorgt. Unsere Pflicht als Politiker ist es, dafür eine Lösung anzubieten. Das Parlament ermutigt die Mitgliedstaaten häufig, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, aber ich möchte hervorheben, dass wir bei uns selbst beginnen sollten. Die Vorbereitung dieser Entschließung war harte Arbeit und es war nicht leicht, die Stellungnahmen aller Ausschüsse zusammenzufassen und eine allgemeine Stellungnahme zu verfassen. Daher möchte ich vorschlagen, dass wir häufiger versuchen sollten, die Stellungnahmen der verschiedenen Ausschüsse und verschiedene Entschließungen in einer gemeinsamen Stellungnahme zusammenzufassen, damit wir den EU-Bürgern in abgestimmter Art und Weise erklären können, was wir tun werden.

Eine andere wichtige Frage betrifft unsere Rolle als Global Player. Ich möchte betonen, dass wir in der Welt eine aktive Rolle spielen sollten. Die Europäische Union ist zurzeit aufgrund der Erweiterung und der daraus resultierenden neuen Möglichkeiten der größte Staatenbund. Wir müssen Hauptakteur sein, ob wir nun wollen oder nicht. Ungeachtet dessen habe ich den Eindruck, dass wir uns Zeit lassen, als warteten wir darauf, dass jemand anders mit einer Lösung daherkommt. Im Rahmen der Außenbeziehungen der Lissabon-Strategie müssen wir eine aktive Außenpolitik verfolgen.

In Bezug auf die Innenpolitik möchte ich unterstreichen, wie wichtig es ist, dass wir unsere Prioritäten überarbeiten. Jüngsten Untersuchungen zufolge ist der Grund für das Hinterherhinken der Europäischen Union in Bezug auf Wachstum und Produktivität nicht der Mangel an Computern oder technischer Ausstattung. Der Grund liegt darin, dass wir Managementprobleme haben. Wir ziehen nicht alle Vorteile aus dem Binnenmarkt, und es gelingt uns nicht, gute Bedingungen für den Warenverkehr und die Ausweitung des Finanzmarktes zu schaffen. Und noch eine Frage: Ist es richtig, dass die oberste Priorität der EU für die Zukunft die Entwicklung von Technologien ist? Könnte es nicht sein, dass die Lebensmittelproduktion zur obersten Priorität wird, wie die Experten uns warnen?

Kurz gesagt, in Bezug auf unseren Wirtschaftsmarkt sollten wir unseren Standpunkt ändern und der Erweiterung des Binnenmarktes Vorrang einräumen. Was die Sozialpolitik betrifft, die hier vielfach angesprochen wurde, so teile ich die Auffassung, dass sie auf unserer Agenda ganz oben stehen sollte. Aber auch sie muss aktiv sein. Wir müssen die Tendenz, bestimmte Menschen zu unterstützen, aufgeben. Unsere Rolle sollte darin bestehen, ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Menschen sollten nicht dazu gedrängt werden, Schmarotzer zu werden. Sie müssen aktiv am Markt teilnehmen. Deshalb wäre es klug, in soziale Bereiche zu investieren, die künftig helfen, geistiges Kapital zu akkumulieren und einen Produktivitätsanstieg zu sichern.

Abschließend möchte ich betonen, dass eine stärkere Koordination der EU-Organe wichtig ist. Diese Entschließung und die Aussprache heute sind Beispiele für eine gute Koordination. Ich hoffe, dass wir in der Zukunft Gelegenheit haben werden, diese Fragen nicht nur abends, sondern auch tagsüber zu diskutieren.

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN). - (GA) Herr Präsident! Ein starkes, faires Handelssystem unter der Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation liegt im Interesse der EU. Daher ist nicht hinnehmbar, dass sich die Doha-Verhandlungsrunde allein um weitere Zugeständnisse der EU bei der Landwirtschaft dreht, die letztlich nur 5 % des Welthandels ausmacht. Was ist mit den übrigen 95 %? Könnte es sein, dass hier kapituliert wurde?

Meines Erachtens ist Kommissar Mandelson, wenn es um die Landwirtschaft der EU geht, zu sehr zum Nachgeben bereit. Derzeit tritt er für eine Senkung des Einfuhrtarifs im Agrarsektor um 46 % ein. Doch wie Präsident Sarkozy gestern hier im Parlament sagte, müssen wir unsere einheimischen Nahrungsmittelquellen aufrechterhalten. Amerika beispielsweise hat bislang bei der Frage der Landwirtschaft noch keinen Zentimeter nachgegeben. Dies zeigt allein schon das kürzlich veröffentlichte Landwirtschaftsgesetz der USA.

Wir müssen bei den Welthandelsverhandlungen in den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen voranschreiten. Der durchschnittliche Zollsatz liegt in der EU bei 4 %, in Asien und Südamerika liegt der vergleichbare Satz bei 30 %. Sobald die indischen und chinesischen Märkte in den Software- und Telekommunikationssektoren geöffnet sind, besteht die Möglichkeit, Fortschritte durch Wettbewerb zu erreichen. Ferner sollte die Vereinfachung nicht nur für Zollverfahren gelten, sondern auch für künftige Handelsabkommen.

 
  
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  Pierre Jonckheer (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission! Meiner Auffassung nach fehlt etwas in dem uns vorliegenden Dokument und auch in der Rede von Herrn Barroso, nämlich eine echte Analyse sowie Vorschläge zur Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte, zum Bestehen von internationalen Steueroasen, zum Kampf gegen die internationale Finanzkriminalität sowie zur internationalen Fiskalität, zu den Finanzströmen an sich.

Meiner Meinung nach wird die diesbezügliche internationale Debatte der Realität nicht gerecht. Ich finde weder in den schriftlichen Dokumenten noch in der Rede des Kommissionspräsidenten irgendeine einigermaßen sachdienliche Initiative zu diesen doch immerhin äußerst besorgniserregenden Themen. Dabei ist der Zusammenhang mit dem Klimawandel und der bevorstehenden Debatte in Bali, die auch einen finanziell äußerst bedeutsamen Aspekt, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der hilfsbedürftigsten Länder bei ihrem Beitritt zum zweiten Kyoto-Protokoll, aufweist, unübersehbar.

Dazu sind, wie wir alle wissen, beträchtliche Summen an öffentlichen Geldern erforderlich. Woher sollten diese kommen? Obwohl ich weiß, dass es sehr schwer ist, solche Fragen in den internationalen Gremien ganz oben auf die Tagesordnung zu bringen, bin ich überzeugt, dass der Verzicht oder die Weigerung, dies zu tun, unserer eigenen internationalen Politik Schaden zufügt.

Meine zweite Bemerkung betrifft den weltweiten Kampf um Standards, besonders Umwelt- und Sozialstandards, doch speziell Umweltstandards.

Das Dokument der Kommission ist sehr allgemein gehalten, wie Herr Watson bereits feststellte, und ich teile diese Ansicht. Auf Seite 6 heißt es: „Als Ergebnis der sektoralen bilateralen Gespräche mit Drittländern bildet sich allmählich ein neues internationales Konzept heraus, in dessen Mittelpunkt Zusammenarbeit bei der Rechtsetzung, Konvergenz der Normen und Gleichwertigkeit der Vorschriften stehen.“ Ich möchte jedoch genauer wissen, Herr Vizepräsident, was dies für die Aufrechterhaltung der europäischen Umweltstandards bedeutet. Was bedeutet dies für deren künftige Weiterentwicklung und praktisch für deren Propagierung auf internationaler Ebene, die Herr Barroso angesprochen hat?

Ich bin umso beunruhigter, da aus Presseartikeln über die gegenwärtigen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Südkorea hervorgeht, dass wir uns bei der Verteidigung der Standards, zumindest der Sozialstandards, in einer schwächeren Position befinden als die USA.

Sie schulden uns genaue Antworten auf diese Fragen.

 
  
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  Sahra Wagenknecht (GUE/NGL). - Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Globalisierung ist kein naturläufiger Prozess – auch wenn das gerne so dargestellt wird –, sie ist selbst das Ergebnis von Politik. Sie wurde politisch gemacht mit jeder Maßnahme zur weiteren Deregulierung und Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs. Sie wird politisch gemacht mit jeder Erpressung eines Entwicklungslandes, seinen Kapitalmarkt zu öffnen, ausländische Übernahmen zuzulassen. Sie wird gemacht von den Industriestaaten und nicht zuletzt von der Europäischen Union.

Was der Begriff der Globalisierung eigentlich umschreibt, ist ja gar nicht so sehr die Internationalisierung der Wirtschaft, sondern die von keiner nationalen Regulierung mehr behinderte Macht von Vermögensbesitzern, Banken und Konzernen, ihr Geld ohne Rücksicht auf soziale Konsequenzen dahin zu schieben, wo es die höchste Rendite bringt. Darin eingeschlossen ist dann eben auch die Macht, die einzelnen Länder als Standorte gegeneinander auszuspielen und so immer bessere Voraussetzungen für Profitmaximierung zu erzwingen.

Hinter dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit verbirgt sich letztlich genau das: sinkende Unternehmenssteuern, zerstörte Sozialsysteme, brutales Lohndumping. Mit anderen Worten: ein immer weniger kontrollierter Kapitalismus. In diesem Sinne hat die Globalisierung natürlich nicht nur Verlierer, sie hat auch sehr satte Profiteure. Zu ihnen gehören nicht zuletzt die europäischen Konzerne, die sich im Zuge dieser Globalisierung zu global players entwickelt haben und deren Gewinnentwicklung in den letzten Jahren ja wirklich nichts zu wünschen übrig ließ. Der großen Mehrheit allerdings kommt diese Entwicklung nicht zugute. Im Gegenteil: Ungezügelter Kapitalismus, das ist das Faustrecht des Kapitalstarken, und das ist die Unterdrückung und Ausbeutung des Kapitalschwachen.

Der vorliegenden Entschließung, die solche Verhältnisse schönredet, wird unsere Fraktion nicht zustimmen. Wir werden stattdessen weiter für eine andere wirtschaftliche Ordnung in Europa kämpfen, für eine Wirtschaftsordnung, in der Menschen nicht nur Kostenfaktoren sind und in der Länder auch mehr sind als bloße Wirtschaftsstandorte.

 
  
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  Witold Tomczak (IND/DEM).(PL) Herr Präsident! Wir müssen zwischen zwei Realitäten unterscheiden: dem Phänomen der Globalisierung und dem Programm des Globalismus.

Globalisierung ist das Ergebnis der Entwicklung neuer Technologien in Bereichen wie Verkehr, Kommunikation, Datenerfassung und -verarbeitung. Globalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, stellt aber auch neue Bedrohungen dar. Es liegt an uns, wie wir sie nutzen.

Auf der anderen Seite, ist Globalismus ein Programm, das auf die Erschaffung einer supranationalen Weltmacht abzielt. Das Programm steht der Freiheit von Völkern und Nationen entgegen und dient der Verherrlichung einiger weniger, die über das meiste Kapital und die globale Infrastruktur in einer Weise verfügen, die ihnen ermöglicht, ihre eigenen selbstsüchtigen Interessen im Rahmen eines globalen Landes zu befriedigen. Es dient auch nicht dem Wohle der Völker und Nationen. Im Wesentlichen ist das ein totalitäres Programm. Es steht pazifistischen Idealen entgegen und löst Kriegsgefahren aus.

Europa sieht sich mit der Versuchung konfrontiert, die Rechte seiner eigenen Nationen zu unterlaufen, um die Rolle, die seine kosmopolitischen Eliten im Weltgeschehen spielen, zu stärken. Dieser Versuchung nachzugeben, würde bedeuten, das jahrhundertealte Erbe europäischer Nationen, das auf der Achtung der Menschenrechte und der Rechte der menschlichen Gesellschaft beruht, auszulöschen.

Im Zeitalter der Globalisierung wäre Europas Erfolg die Wahrung der Menschenrechte, der Rechte von Familien und Nationen, die in der Entwicklung von Organen zum Ausdruck kommt, die Achtung für ihre Leistungen garantieren. Der Erfolg Europas wird es sein, anderen Völkern und Nationen in der Welt zu zeigen, wie Freiheit und Würde für die Bürger geschaffen werden können. Es wäre eine Katastrophe für Europa, schlüge es den Weg eines totalitären Globalismusprogramms ein.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (ITS).(FR) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ob Globalisierung, Internationalisierung oder – wie der Jesuit Teilhard de Chardin es nannte – Planetisierung, es ist ganz offensichtlich: Wir erleben gegenwärtig eine zweite Globalisierung, die umfassender ist als die der 1990er Jahre, weil sie sowohl finanzieller, wirtschaftlicher, sprachlicher, migratorischer und ideologischer Art ist und dabei von einem vorherrschenden Modell gesteuert wird: dem Markt.

Die negativen Auswirkungen dieser Globalisierung sind ebenfalls ganz offensichtlich: in der südlichen Hemisphäre, in Indien und China, eine grenzenlose Ausbeutung der Menschen, des Bodens, der Wälder, der Seen und Flüsse sowie die Gefährdung der Menschenrechte. Hier im Norden sind es Betriebsverlagerungen, Arbeitsplatzvernichtung, die finanzielle Destabilisierung unserer Sozialsysteme sowie angesichts der Bevölkerungsalterung und der Kosten für die Hochbetagten das Risiko, dass sich Europa in ein geriatrisches Ruanda verwandelt mit all dem, was dies an Missachtung des Lebens und Verletzung der Menschenrechte mit sich bringt.

Wie reagiert man auf diese Realitäten, die klar auf der Hand liegen? Man setzt auf Beschwörungen, auf Verniedlichung und Gottvertrauen. Die Beschwörungen sind zum Beispiel in unseren gegenwärtigen Debatten und Entschließungen zu hören. Die politischen Beschwörungen bestehen darin, die Lissabonner Strategie oder die wettbewerbsfähigste Wirtschaft zu preisen. Man wird an Chruschtschow vor der UNO in den 1960er Jahren erinnert, der das kapitalistische System überholen wollte. Es ist Harry Potters Antwort auf die Globalisierung.

Dann bedient man sich der Verniedlichung. Das beste Beispiel dafür ist der Globalisierungsfonds: eine Handvoll finanzieller Leckerli. Da man die Dinge nicht in den Griff bekommt, richtet man die Blicke gen Himmel. Im Namen des Vaters Adam Smith, des Sohnes Ricardo und des Heiligen Geistes des Marktes wird auf dem globalen Altar der Freihandelsideologie das Opfer des Abbaus und schließlich der Abschaffung der Zölle gebracht.

All das ist fauler Zauber. Doch die größte Erfindung Europas, die ihm vor 2500 Jahren dank seiner Ingeniosität gelang, ist das logische Denken, die Vernunft. Und die Vernunft sagt uns: Freier Handel ist notwendig, doch ebenso notwendig ist der Schutz unserer sozialen und kulturellen Errungenschaften. Wir müssen also einen Weg finden, um den freien Handel und die Sicherheit der Menschen miteinander in Einklang zu bringen.

Dies kann mit einem neuen Zollverfahren geschehen: dem Verfahren der anrechnungsfähigen Zollgebühren. Bei diesem Verfahren muss zwar der Exporteur die Gebühren zahlen, doch dafür wird ihm in gleicher Höhe ein Betrag gutgeschrieben, der dann bei Käufen im Importland verrechenbar ist. Mit dieser neuen Generation von variablen, rückzahlbaren, handelsfähigen und anrechenbaren Zöllen kann das allbekannte Problem der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ungleichgewichte im Handel zwischen Norden und Süden gelöst werden.

 
  
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  Jim Allister (NI). (EN) Herr Präsident! Angesichts der zunehmenden Zahl von Unternehmen, die gen Osten ziehen, bedeutet Globalisierung für immer mehr unserer Wähler Trostlosigkeit.

Erst vor zwei Wochen kündigte das Unternehmen Seagate Technology in Limavady, einer Stadt in meinem Wahlkreis, an, dass es schließen werde. Der damit verbundene Verlust von 960 Arbeitsplätzen ist ein schwerer Schlag für diese Kleinstadt. Es ist nicht nur die Verlockung billiger Arbeitskräfte, die unser verarbeitendes Gewerbe vernichtet, sondern auch die erdrückende Last der Vorschriften für die europäische Industrie.

Präsident Sarkozy hatte Recht, als er gestern sagte, die EU habe ein Recht darauf, sich vor derart verheerenden Schäden zu schützen; ich wünschte, sie würde das auch tun. Zwei Sofortmaßnahmen würden helfen: die Senkung der Schwelle für den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung. Der Verlust von eintausend Arbeitsplätzen in Paris ist schlimm, aber in einer kleinen Stadt wie Limavady ist er eine Katastrophe. Für kleinere Volkswirtschaften sollte diese Schwelle niedriger angesetzt werden. Zweitens sollte die EU ihr Verbot für die Gewährung staatlicher Beihilfen lockern, damit Maßnahmen wie eine bescheidene Senkung der Kommunalabgaben für Unternehmen zur Erhaltung unseres verarbeitenden Gewerbes beitragen können. Ich würde die Kommission bitten, in diesen beiden Punkten rasch zu reagieren.

 
  
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  Werner Langen (PPE-DE). - Herr Präsident! Wenn man den Reden hier zugehört hat, insbesondere jenen von Frau Wagenknecht und Herrn Schulz, dann kann man feststellen, dass dort von einer Zeit die Rede war, die glücklicherweise längst überwunden ist. Es waren Sprüche aus der sozialistischen Mottenkiste, die uns in den Fragen der Globalisierung überhaupt nicht voranbringen.

Jeder hier im Saal weiß, dass wirtschaftliche Freiheit, Wohlstandsentwicklung und das Sozialmodell gleichzeitig möglich sind. Europa ist das beste Beispiel dafür. So wie wir den Euro als inneres Fitnessprogramm im Europäischen Binnenmarkt eingeführt haben, so haben wir die Lissabon-Strategie mit allen Vorbehalten und allen Problemen als Fitnessprogramm im Globalisierungswettbewerb. Wir haben doch überhaupt keinen Grund, uns zu verstecken. Es ist absolut irreal, wie hier darüber geredet wird.

Die Globalisierung ist die Triebfeder der Demokratie und des Wohlstands für die unterentwickelten Länder. Es ist doch nicht so, dass es nur negative Beispiele gibt, wie hier in den letzten Reden dokumentiert wurde, sondern alle profitieren davon: die Entwicklungsländer, die Schwellenländer, auch die entwickelten Länder, die sich einen überbordenden Staat geleistet haben, den die Leistungsträger nicht mehr bezahlen können. Wir können nicht alles zurückdrehen, und Europa ist das Modell weltweit. Warum verschweigen wir das eigentlich? Warum sagen wir nur die negativen Dinge?

Natürlich kann man über Wildwestmanieren an den Finanzmärkten sprechen. Ja, wir brauchen eine internationale Koordinierung. Wir brauchen eine internationale Begrenzung, eine internationale Aufsicht. Aber wer hat hier davon gesprochen, außer dem Kollegen Goebbels, dass es dort auch Fehlentwicklungen gibt, die im System liegen, die wir bisher nicht begrenzen konnten? In Japan gilt die Regel, dass der oberste Manager maximal das Zwanzigfache des Durchschnittsarbeiters verdienen kann. Mit welcher Begründung wird in Europa und den USA das Tausendfache zugelassen? Darüber können wir reden, aber doch nicht die Globalisierung insgesamt schlechtmachen, die uns mehr Chancen bietet, die Freiheit und Wohlstand gleichzeitig verbindet.

 
  
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  Anne Van Lancker (PSE). - (NL) Herr Präsident, Herr amtierender Ratsvorsitzender, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass die Kommission die externe Dimension als einen neuen Bestandteil der Lissabon-Strategie anerkennt. Wir sollten jedoch vor allem nicht vergessen, dass die Globalisierung auch Auswirkungen auf unsere eigene, interne europäische Politik hat.

Die Lissabon-Strategie war gut für das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze, das ist richtig. Aber es ist auch richtig, dass nicht jeder davon profitiert hat. In Europa hat die Globalisierung die Kluft zwischen denjenigen mit Kenntnissen und denjenigen ohne Kenntnisse erheblich vertieft.

Ich bin daher froh, dass die Kommission und der Rat der Arbeitsminister der sozialen Dimension künftig größere Aufmerksamkeit schenken werden, denn es gibt immer noch zu viele Menschen – schlecht ausgebildete Menschen, Menschen mit Behinderungen, ältere Arbeitnehmer, Migranten –, die keinen Zugang zu angemessener Ausbildung und guten Beschäftigungsaussichten haben. Sechs Millionen Jugendliche verlassen die Schule ohne Zeugnis, 72 Millionen leben in Armut am Rande der Gesellschaft, und Europa hat sogar 14 Millionen arme Erwerbstätige.

Wirtschaftlicher Wohlstand sollte allen zugute kommen, meine Damen und Herren. Deshalb möchte ich drei weitere Punkte hervorheben.

Erstens: Es ist klar, dass sich die neue Generation politischer Instrumente für Lissabon sehr viel stärker auf soziale Eingliederung, Chancengleichheit, Verringerung der Armut und einen angemessenen sozialen Schutz konzentrieren muss. Die soziale Dimension muss wieder einen Platz unter den integrierten Leitlinien erhalten.

Zweitens: Es muss größerer Nachdruck darauf gelegt werden, dass die Mitgliedstaaten ihre Zusagen für Beschäftigung und Ausbildung tatsächlich erfüllen. Wirtschaftswachstum bedeutet nicht automatisch hochwertige Arbeitsplätze – dazu muss es eine klare Verpflichtung seitens der Mitgliedstaaten geben.

Drittens: Es muss sehr viel mehr in Partnerschaft getan werden. Eine gute Strategie für Wachstum, Arbeitsplätze und soziale Eingliederung erfordert auch einen Beitrag der nationalen Parlamente, der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft.

Daher ist meine Fraktion nicht der Ansicht, dass die nächste Generation der Instrumente für die Lissabon-Strategie lediglich „business as usualbedeutet. Der Vizepräsident der Kommission sollte einsehen, dass es viele Gründe gibt, kritische Anpassungen an das Lissabon-Paket vorzunehmen.

 
  
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  Bernard Lehideux (ALDE).(FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die fortgesetzte Debatte für und gegen die Globalisierung hat genauso viel Sinn wie eine Debatte am Weihnachtstag für oder gegen den Winter.

Die einzig wirkliche Frage für uns besteht doch darin, wie die Europäische Union versuchen kann, diese unaufhaltsame Tendenz zu einer Chance für ihre Völker zu machen. Was die europäischen Bürger erwarten, sind zweckdienliche Reformen zur Verbesserung der Beschäftigung und zu ihrer Unterstützung im Wandel.

Bisher ähnelt die Lissabonner Strategie eher dem Stück Warten auf Godot. Man hört viel von ihr, man erwartet sie ungeduldig, doch man begegnet ihr nie. Diejenigen, die den Schlüssel für den Erfolg der Lissabonner Strategie in den Händen halten, d. h. die Mitgliedstaaten, müssen die Voraussetzungen schaffen, um die festgelegten Ziele erreichen zu können. Wir erwarten von ihnen Initiativen sowie eine vollständige und objektive Bewertung ihrer Ergebnisse.

Ich will nicht nur ein vollständig schwarzes Bild von der Lage zeichnen. Es gibt auch einige ermutigende Anzeichen, wie den Anpassungsfonds, der funktioniert, auch wenn seine Effektivität noch zu bewerten bleibt. Zudem ist hervorzuheben, dass die Sozialpartner sich zum ersten Mal in Europa auf eine Analyse der auf den Arbeitsmärkten zu bewältigenden Herausforderungen geeinigt haben. Sie haben sich auch darauf verständigt, die Mitgliedstaaten aufzufordern, Flexicurity-Maßnahmen durchzuführen, die die beiden Elemente Flexibilität und Sicherheit sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber miteinander kombinieren.

Abschließend möchte ich Sie dringend auffordern, Herr Barroso, die soziale Dimension der Lissabonner Strategie nicht zu opfern, weil Sie der Meinung sind, diese wäre ein Wettbewerbsnachteil. Die Bürger erwarten von Europa, dass es sich ihrer Sorgen annimmt, und die Unternehmen erwarten, dass es eine Politik zur Bekämpfung von weit verbreitetem Sozialdumping umsetzt.

 
  
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  Wojciech Roszkowski (UEN).(PL) Herr Präsident! Das Dokument der Kommission enthält viele Worte über den Platz der Europäischen Union im Globalisierungsprozess, aber liefert es konkrete Antworten auf unsere Fragen? Das bezweifle ich.

Das Dokument vermittelt den Eindruck, dass gute EU-Verordnungen das Wachstum der EU und den Wohlstand der Bürger sicherstellen. Indes hängen Wachstum und Wohlstand von den Bemühungen der Bürger ab, die effizienter und produktiver denn je und auch effizienter und produktiver als Bürger in anderen Ländern sein müssen.

Gute Verordnungen reichen nicht, um künftig wirtschaftliches Wachstum in der Europäischen Union zu garantieren. Es ist nicht ausreichend, das Wirtschaftsniveau der alten mit dem der neuen Mitgliedstaaten, die schneller wachsen als der EU-Durchschnitt, gleichzusetzen. Die Auswirkungen der Wirtschaftsmigration aus Niedriglohnländern in Länder mit hohen Lohnkosten reichen nicht aus.

Künftiges Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union wird von Europas Wettbewerbsfähigkeit abhängen, aber stattdessen geht es in dem Dokument der Kommission vor allem um den Schutz sozialer Errungenschaften. Das ist ja schön und gut, aber das sind nicht die Gründe für das Wachstum, sondern das Ergebnis. Während wir diese sozialen Errungenschaften schützen, dürfen wir nicht vergessen, dass Wachstum auf Innovation, eine erhöhte Effizienz der Tätigkeiten, größere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen ist.

 
  
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  Jill Evans (Verts/ALE). (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Rat und der Kommission für ihre Erklärungen danken. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die EU bei dieser Entwicklung eine sehr positive Rolle spielen kann. Doch bisher hat die wirtschaftliche Globalisierung die Umweltdegradation beschleunigt, die Bedingungen für Arbeitnehmer verschlechtert und soziale Ungleichgewichte vergrößert.

Auf lokaler Ebene bedeutet das unsichere Arbeitsplätze und – schlimmer noch – den Verlust von Arbeitsplätzen im verarbeitenden und im Dienstleistungsgewerbe, wovon ich mir in meiner walisischen Heimat aus erster Hand ein Bild machen konnte. Dort wurde vor einigen Monaten eine Fabrik von Burberry geschlossen, und damit gingen in einer sehr armen Region, einer Konvergenzregion, Hunderte von Arbeitsplätzen verloren.

Für die Unternehmen ist es einfacher geworden, ihre Standorte auf der Suche nach den billigsten Arbeitskräften zu verlagern, wobei sie die Konsequenzen ihres Tuns wenig kümmert, und zwar trotz freiwilliger Vereinbarungen über die soziale Verantwortung der Unternehmen, die sich wie im Falle von Burberry ganz wunderbar lesen, aber in der Praxis wenig bedeuten.

Die Folgen für kleine Kommunen sind verheerend, dabei sind diese Städte und Dörfer, wie wir schon gehört haben, der Schlüssel für Arbeitsplätze und Wachstum, die der eigentliche Zweck der Lissabon-Agenda sind. All das führt zu Politikverdrossenheit und beweist, dass der Markt stärker ist als die Demokratie.

Hier kann die EU helfend eingreifen, indem sie zur Verbesserung der arbeitsrechtlichen und sozialen Normen beiträgt und die Kosten des Klimawandels in den Marktpreis integriert, um ein Umweltdumping zu vermeiden. Die Auswirkungen der Globalisierung machen den sozialen Schutz für Arbeitnehmer und Kommunen umso wichtiger.

Ich teile die Ansicht, dass die Lösung darin bestehen muss, Kleinbetriebe zu unterstützen und dauerhafte nachhaltige und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, und ich hoffe, dass der Vorschlag für eine Regelung für kleine Unternehmen dazu beitragen wird, dieses Ziel langfristig zu erreichen.

 
  
  

VORSITZ: RODI KRATSA-TSAGAROPOULOU
Vizepräsidentin

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL). (PT) Frau Präsidentin! In dieser Aussprache ist es richtig, hervorzuheben, dass der Erfolg der Europäischen Union von ihrer Antwort auf Solidarität und wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt abhängt. Wenn die Europäische Union weiterhin unter einer hohen Armut leidet, die 17 % der Bevölkerung oder etwa 80 Millionen Menschen in der EU der 27 betrifft, wenn die Unsicherheit im Bereich Beschäftigung und der prozentuale Anteil armer Arbeiter steigen, muss unsere grundlegende Priorität darin bestehen, neoliberale Politiken aufzugeben und einer Beschäftigung, die mit Rechten, angemessenen Löhnen, einem verstärkten sozialen Schutz und qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen für alle verbunden ist, den Vorrang einzuräumen. Dadurch können produktive Investitionen durch Kleinst- und Kleinbetriebe und eine fairere Verteilung des produzierten Wohlstands unterstützt werden, damit die reale Konvergenz der Mitgliedstaaten gefördert, Entwicklung und sozialer Fortschritt unterstützt und eine Kooperationspolitik mit den Ländern der Dritten Welt umgesetzt werden können.

 
  
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  Patrick Louis (IND/DEM).(FR) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Mitbürger, die auch Arbeitnehmer, Verbraucher und Steuerzahler sind, haben sehr wohl begriffen, dass die Europäische Union, wie sie gegenwärtig verfasst ist, keinen Schutzwall gegen die Exzesse der finanziellen Globalisierung darstellt, sondern ihr Trittbrett.

Seit nunmehr zwanzig Jahren verspricht man uns eine leuchtende Zukunft dank des Euros und der Öffnung der Grenzen; das gaukelte man uns vor, um unsere Zustimmung zum Maastrichter Vertrag im Jahr 1992 zu erreichen. Doch im Gegensatz dazu wird unsere Produktionsbasis immer stärker ausgelagert und hinterlässt Millionen von Arbeitslosen, Industriebrachen und menschenleere ländliche Gebiete.

Wenn Präsident Sarkozy hier in diesem Saal für eine Schutzfunktion Europas plädiert, könnte man fast glauben, er habe niemals für den Maastrichter oder den Lissabonner Vertrag gestimmt. Wenn er in der Pose von General de Gaule seine Bereitschaft erklärt, in der WTO Widerstand gegen alle Verhandlungen leisten zu wollen, die nachteilig für die Interessen unseres Landes seien, dann klingt das wunderbar. Allerdings vergisst er dabei, dass Frankreich keinerlei Vetorecht hat und dass dort einzig und allein ein Brüsseler Kommissar verhandelt, der das ihm von den Mitgliedstaaten erteilte Verhandlungsmandat nie einhält.

Die gleichen Illusionen werden deutlich, wenn er sich – auch hier wieder zu Recht – gegen die deflationistische Besessenheit der unabhängigen Europäischen Zentralbank in Frankfurt wendet. Doch wem soll man glauben? Dem Mann, der vor den Fernsehkameras die Souveränität Frankreichs verkündet, oder dem, der die nationale Souveränität in einem europäischen Vertrag aufgibt? In Wirklichkeit bekräftigt der Lissabonner Vertrag doch die Logik der bestehenden Verträge, die uns daran hindern, den Eurokurs zu steuern, unsere Märkte zu schützen und unsere Interessen in den Welthandelsverhandlungen durchzusetzen.

Zwar wird im Vertrag der Schutz der Bürger als Ziel erwähnt, doch ist dies eine bloße politische Erklärung ohne Rechtsfolgen. Insbesondere verstärkt er die Vollmachten und die Unabhängigkeit der Kommission wie der EZB, die beide Verfechter der Feihandelsideologie sind. Das Protokoll Nr. 6 sowie die Artikel 3 und 4 des EG-Vertrags bekräftigen deren dogmatische Auffassung von einem schrankenlosen Wettbewerb, der durch keine nationalen Interessen, keine Grenzen und keine Rücksicht auf die Demokratie eingeschränkt wird.

Wir denken, dass die Franzosen und die Europäer etwas anderes wollen. Wir sollten den wirklichen freien Handel wieder zu Ehren kommen lassen, den Handel zwischen Nationen, der sie bereichert und sie nicht ihres Schutzes und ihrer Identität beraubt.

 
  
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  Udo Bullmann (PSE). - Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kommission will in den nächsten drei Jahren Vorschläge zur Neuausrichtung der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik in der Europäischen Union unterbreiten. Das ist gut so, weil bisher ja nichts auf dem Tisch ist! Das Papier vom Oktober, aus dessen Anlass wir hier diskutieren, ist ein kurzes Papier – nebenbei gesagt ist das immer gut, wenn man ein kurzes Papier vorlegt – aber es ist auch ein flaches Papier, es ist ein dünnes Papier, aus dem wir nicht entnehmen können, in welche Richtung die Reise gehen soll.

Die Kommission muss uns bei einem Widerspruch helfen und diesen Widerspruch auflösen: Wenn man das Deckblatt, die Einleitung, die Debatte heute in diesem Haus nimmt, ist von riesigen Herausforderungen die Rede: von der Globalisierung, dem Klimawandel, der Diskussion um die internationalen Finanzmärkte, von den großen Herausforderungen, denen wir uns in allen Mitgliedstaaten gegenübersehen. Aber wenn wir die Diskussion dann weiterverfolgen, wenn wir ins Praktische kommen, wird gesagt: Nein, wir brauchen keine Veränderungen in den Leitlinien der praktischen Politik. Das ist unverständlich! Es ist völlig unverständlich, weil sich dadurch natürlich die Frage ergibt: Was ist das für ein Diskurs über Globalisierung? Ist das eine Ausrede dafür, dass wir im praktischen Vollzug unserer Sozialpolitik, unserer Umweltpolitik und unserer Wirtschaftspolitik nicht handeln, oder ist es wirklich die Chance, die Realität zu erkennen und den Menschen in den Ländern der Europäischen Union Antworten auf ihre dringenden Fragen und Nöte zu geben?

Ich will einige weitere Fragen aufwerfen: Wenn es richtig ist, dass unsere Zukunft die ökologische Industriegesellschaft ist, warum ist es dann so schwierig, in der Kommission, mit der Kommission und auch in diesem Haus über die vernünftige Investitionspolitik zu reden, die wir brauchen, um das meistern zu können? Warum können wir nicht über Gebäudesanierungsprogramme reden, warum können wir nicht über moderne Verkehrsmittel und Verkehrssysteme reden, die wir brauchen, um das bewältigen zu können? Warum ist es fast verboten, über eine gute Investitionspolitik zu reden? Und warum steht das nicht im Programm der Kommission? Warum steht das nicht – ich hoffe, es gibt noch Veränderungen – dann auch im Arbeitsprogramm zu Lissabon?

Wenn wir über das Bildungsdreieck reden – die Notwendigkeit von Erziehung und Innovation –, warum können wir nicht den Pakt für die Jugend praktisch machen und jedem Jugendlichen in der Europäischen Union eine qualifizierte Ausbildung garantieren, damit er mit Sachverstand und Intelligenz am Umbau der Industriegesellschaft mitwirken kann? Das sind die praktischen Herausforderungen, auf die wir antworten wollen!

 
  
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  Marco Cappato (ALDE). - (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, auch in dieser Aussprache hat es Redner gegeben, für die wirtschaftliche Freiheit ein Gegensatz zu Garantie und Schutz sozialer Rechte und der Bekämpfung von Armut ist.

Diesem Gegensatz zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialen Rechten haftet ein Geruch des letzten Jahrhunderts an, er ist in der Politik unseres Europa nicht mehr aktuell. Wir haben zweifellos die Pflicht, sicherzustellen, dass die Bestimmungen zum Schutz der wirtschaftlichen Freiheit vor Monopolen, zur Transparenz der Finanzmärkte uneingeschränkt Anwendung finden und gewährleistet ist, dass die Kosten der Umweltverschmutzung übernommen werden. Dies hat mit Sicherheit grundlegende Bedeutung! Aus Sicht der sozialen Rechte halten uns nun jedoch alte Systeme der sozialen Sicherheit, die auf Körperschaften und organisierte Arbeit ausgerichtet sind und die den Arbeitslosen und den Menschen, die sich weiterhin außerhalb sozialer Garantien und sozialen Schutzes befinden, nichts nützen, davon ab, den Ärmsten in unseren Ländern zu helfen.

In meinem Land, Italien, zwingt ein System die Menschen mehr oder weniger dazu, im Alter von 58 oder 59 in Rente zu gehen; gleichzeitig haben nur 20 % der Arbeitslosen einen sozialen Schutz. Das ist das Problem, vor dem die Ärmsten stehen: nicht Globalisierung oder wirtschaftliche Freiheit, sondern die Tatsache, dass die Instrumente der sozialen Sicherung alt, überholt und ihrer Zeit hinterher sind. Diese Mechanismen müssen überdacht werden, und dabei können die Strategie von Lissabon und die Kommission helfen.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Ich möchte nicht die gleichen alten banalen Feststellungen über die Vorteile der Globalisierung wiederholen. Es dürfte auch sinnvoll sein, im Europäischen Parlament eine kritische Meinung zum Globalismus zu äußern.

Für mich veranschaulicht der kanadische Philosoph John Ralston Saul unsere Aussprache am besten. Ich widme seine Worte dem Chor jener, die Loblieder über die Globalisierung singen, die heute im Europäischen Parlament das gleiche Lied singen. Globalismus ist eine Ideologie, die viele Elemente der typisch westlichen Religion enthält. Globalismus ist der Glaube an eine einzige Idee, die alternative Ansichten ausschließt. Ihr liegt die Überzeugung von der Vormacht der Wirtschaften über andere Lebensbereiche und die Gewissheit zugrunde, dass mit Ausnahme des Liberalismus alle Wirtschaftstheorien versagt haben und es keinen anderen Weg gibt.

Diese Überzeugung ist aus der Freisetzung globaler Kräfte durch den Liberalismus hervorgegangen, die den Liberalismus als den richtigen Weg nach vorn unterstützen und andere Ansätze falsch erscheinen lassen. Allerdings täuscht sich der Globalismus in dem Glauben, dass die Ökonomie der Motor der Zivilisation ist. In den letzten zwanzig oder dreißig Jahren haben wir gelernt, alles wirtschaftlich zu betrachten. Nicht einmal Marx ist so weit gegangen. Er sagte, Ökonomie sei wichtig, ging aber nicht so weit zu sagen, dass alles nur aus dem Blickwinkel des Gewinns betrachtet werden solle.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das heute von der Kommission vorgelegte Thema steckt voller Widersprüche. Gestatten Sie mir, zwei Punkte hervorzuheben:

Zunächst betont die Kommission, die Anpassungsfähigkeit an die Globalisierung müsse schneller gesteigert werden, um die Entwicklung des Lebensstandards unserer Bürger sicherzustellen. Das entspricht angesichts der Erfolglosigkeit der Lissabon-Strategie nicht der gegenwärtigen Situation. Die Wahrheit ist, dass die verschärften Wettbewerbspolitiken zu einer noch größeren Ungleichheit bei der Verteilung von Reichtum und Produktionskapazität führen. Lediglich die Europäische Kommission vermag eine Wohlstandssteigerung oder die Beseitigung der ungleichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten festzustellen.

Zweitens erfahren wir aus dem Dokument, dass die Kommission an einem sozialen Europa arbeitet. Das ist eine Idee, über die wir schon sehr viel gehört, für die wir aber noch keine Beweise gesehen haben. Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel anführen: Seit 2002 ist der Kraftstoffpreis in den Mitgliedstaaten um 35 bis 50 % gestiegen. Das schmälert, wie viele andere Dinge auch, den Geldbeutel der Geringverdiener, und anscheinend enthält keine der sozialen Wirtschaftsstrategien der Kommission eine Lösung für dieses Problem.

 
  
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  Daniel Caspary (PPE-DE). - Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen! Unser europäisches Interesse, im Zeitalter der Globalisierung zu bestehen, das bedeutet vor allem, wir müssen unsere Chancen nutzen. Wir diskutieren in der Öffentlichkeit viel zu oft die Auswirkungen, die negativ sind. Wir diskutieren darüber, wenn Unternehmen Arbeitsplätze abschaffen oder ins Ausland verlagern müssen. Aber wir reden viel zu wenig darüber, was alles an guten Dingen entsteht.

Wenn ich zum Beispiel meinen Wahlkreis anschaue, meine Heimatregion: Mittlerweile geht 74 % der Industrieproduktion aus meinem Wahlkreis ins Ausland. Wir profitieren entschieden von der Globalisierung. Auch in meiner Heimatregion werden leider Mitarbeiter entlassen von Unternehmen, die nicht mehr profitabel sind, aber deutlich mehr können von anderen Unternehmen, die von der Globalisierung profitieren, die sich darauf eingestellt haben, eingestellt werden, und wir haben deutlich zurückgehende Arbeitslosenzahlen. Hierüber reden wir leider zu selten.

Um die Globalisierung zu gestalten, ist die Europäische Union wichtig. 480 Millionen Europäer müssen gemeinsam ihre Interessen und Werte vertreten. Wir sind heute schon die offenste Volkswirtschaft, aber wir brauchen weltweit Marktzugang. Wir müssen mehr auf Reziprozität achten. Nichttarifäre Handelshemmnisse und anderes sind untragbar. Wir müssen uns gegen unfaire Handelspraktiken wehren können. Dazu brauchen wir Handelsschutzinstrumente. Und dazu brauchen wir einen Kommissar, der nicht unglaubhaft und nicht arrogant die Europäische Union nach außen vertritt, sondern der im Handelsbereich offensiv unsere Interessen kollegial und vertrauensvoll vertritt. Wir müssen geistiges Eigentum besser schützen, wir müssen uns vermehrt für globale Regelungen und Standards einsetzen, wir müssen die WTO stärken und wir brauchen die transatlantische Partnerschaft.

Wenn wir diese Hausaufgaben erledigen, und wenn die Kommission diese Hausaufgaben erledigt, dann können wir wirklich die Globalisierung nutzen und gestalten, um für die Bürgerinnen und Bürgern insgesamt auch in Zukunft ein Leben in Freiheit und Wohlstand zu sichern.

 
  
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  Edite Estrela (PSE). - (PT) Erfolg im Zeitalter der Globalisierung ist die große Herausforderung für die Europäische Union. Die Frage lautet: Wie können Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt miteinander in Einklang gebracht werden, mit anderen Worten, Globalisierung mit Regulierung?

Die Lissabon-Strategie liefert die Antwort und der Vertrag von Lissabon wird die Entscheidungsfindung erleichtern, aber der Erfolg hängt vor allem davon ab, dass Europa die Globalisierung vielmehr als eine Chance denn als eine Bedrohung versteht. Wir müssen verstehen, was in China und Indien vor sich geht. China hat Großbritannien, Frankreich und Italien auf der Liste der am stärksten industrialisierten Länder überholt, es hat die Vereinigten Staaten als Hauptexporteur technologischer Produkte überholt und riesige finanzielle Reserven angehäuft.

Was Indien betrifft, so kennen nur wenige Menschen den Namen „TATA“. 2006 war der Börsenwert der Automobile herstellenden Niederlassung von TATA höher als der von General Motors, und niemand hatte jemals vom MITTAL-Konzern gehört, bis er ein Angebot für eine feindliche Übernahme gegen ARCELOR vorgelegt und in Paris, Brüssel und Luxemburg Panik ausgelöst hat.

Allerdings darf man die andere Seite des asiatischen Wunders nicht vergessen. Das ist eine Leidensgeschichte, die auf die Komplizenschaft der Regierung in Peking mit westlichen multinationalen Unternehmen zurückzuführen ist, die ihre Produktionen verlegt haben, um von billigen Arbeitskräften und einem nicht vorhandenen Wohlfahrtsstaat zu profitieren.

Inzwischen ist es so, dass die Herausforderungen bei der Bekämpfung der Erderwärmung in Asien gewonnen oder verloren werden. Europa muss hart bleiben und im internationalen Handel auf Gegenseitigkeit bestehen, darf aber nicht systematisch protektionistische Politiken annehmen. Es stimmt, dass der chinesische Wettbewerb aufgrund niedriger Löhne, mangelhafter politischer und gewerkschaftlicher Rechte, Produktfälschungen und der unterbewerteten Währung unfair ist. Das alles stimmt. Es stimmt aber auch, dass es 800 Millionen Chinesen und 700 Millionen Inder gibt, die auf ein bescheidenes Mindesteinkommen und Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit erpicht sind. Das sind Herausforderungen für ein stärkeres Europa und eine bessere Welt.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE). (EN) Frau Präsidentin! Ich glaube ebenfalls, dass unsere Reaktion auf die Globalisierung nicht von Angst bestimmt sein sollte, sondern einem Gespür für die damit verbundenen Chancen in Verbindung mit intelligenter Anpassung.

Wie im Entschließungsentwurf festgestellt wird, ist die EU als globaler Akteur einer der Hauptnutznießer der offenen Weltwirtschaft. Bei all der Antiglobalisierungsrhetorik in Europa wird das nicht immer deutlich. Ich stimme Herrn Czarnecki zu, der sagte, dass sich der Liberalismus über die ganze Welt verbreitet hat. Aber im Gegensatz zu ihm bin ich froh darüber.

Die EU kann ihr Ziel nur erreichen, wenn sie aktiv und organisiert auf der Weltbühne agiert, und das gilt ganz besonders im Hinblick auf die Migration. Ich bin dankbar dafür, dass ein Absatz, den ich für die ALDE-Fraktion entworfen habe, fast unversehrt Eingang in den endgültigen Entschließungsantrag gefunden hat. Ich glaube wirklich, dass die Migration den gleichen Stellenwert auf der EU-Agenda verdient wie der Klimawandel und die Energie. Wir erleben den Druck von außen; wir sehen die sozialen Spannungen und sogar den Rassismus in der EU. Dennoch gibt es keine umfassende EU-Politik weder zur legalen noch zur illegalen Zuwanderung oder zur Integration.

Abschließend sei noch festgestellt, dass wir nicht vergessen sollten, welche Möglichkeiten die globale Kommunikation und vor allem das Internet für die Förderung der Menschenrechte bieten. Nun gut, vielleicht ist es nicht ganz so zwangsläufig, wie wir einmal dachten – man braucht sich beispielsweise nur anzuschauen, wie erfolgreich China die Zensur praktiziert –, dennoch stellen die Globalisierung sowie das Internet und andere globale Kommunikationsmittel eine große und sehr positive Kraft dar. Auch das ist Teil der Globalisierung.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel (UEN).(PL) Frau Präsidentin, verehrte Kollegen des Rates und der Kommission! Wie im Leben des Menschen auf die Kindheit die Zeit der Jugend folgt, so scheint die Globalisierung eine natürliche Phase in der Entwicklung der Menschheit und deren nächste Herausforderung zu sein.

In dieser schwierigen Aussprache über diese sich stets ändernde und unbekannte Frage möchte ich sagen, dass paradoxerweise alle meine Vorredner sowohl von der Linken als auch der Rechten des Hauses zu einem beträchtlichen Grad richtig liegen.

Das Wichtigste ist, dass geeignete Richtlinien und Verordnungen für eine gerechte Aufteilung der Vorteile der Globalisierung geschaffen werden müssen. Denn schon anhand der einfachen Definition von Globalisierung wird klar, dass es sich um ein weit verbreitetes Phänomen handelt. Es reicht nicht, dass nur die Europäische Union über solche Organe und Verordnungen verfügt – sie müssen von der ganzen Welt akzeptiert werden. Herr Barroso hat zu Recht gesagt, dass die Europäische Union der Welt ein ausgewogenes und gerechtes Globalisierungsmodell vorschlagen solle.

 
  
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  Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Das Thema unserer heutigen Debatte wird falsch verstanden. Erfolg im Zeitalter der Globalisierung schützt weder Europas Interesse noch den Wohlstand der Arbeitnehmer in den EU-Ländern, sondern lediglich das Interesse des Kapitals. Im Zuge der Globalisierung zielt die von Geschäftsinteressen und multinationalen Unternehmen sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf internationaler Ebene gebildete neue Ordnung auf eine Vervielfachung der Kapitalgewinne durch stärkere Ausbeutung der Arbeitnehmer ab.

Die gestrigen Äußerungen von Herrn Sarkozy über die Globalisierung bestätigen, dass sich die EU auf das große Kapital verlässt. Sie unterstreichen die Intensität der Konflikte zwischen imperialistischen Ländern und die Absicht, die EU als Rammbock gegen andere große imperialistische Zentren und vor allem gegen die Errungenschaften und berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer zu benutzen. Der gemeinsame Nenner all dieser Bemühungen ist ein kräftiger Angriff auf die Arbeiter. Gesunkene Löhne, längere Arbeitszeiten, Anpassung an die Bedürfnisse des Kapitals, ein höheres Rentenalter, Flexibilität und Sicherheit und die Umstrukturierung von Arbeitsbeziehungen sind das Kernstück der Lissabon-Strategie.

Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass die harte Wirklichkeit von Millionen von Arbeitern nicht mit Begriffen aus der Globalisierung beurteilt werden kann. Außerdem ist niemand von den von der Kommission und dem Rat vorgebrachten Argumenten zum Umweltschutz überzeugt.

 
  
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  Robert Sturdy (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Es ist für Kommissar Verheugen sehr schwierig, sich alles anzuhören, was in diesem Saal gesagt wird, aber es wurden natürlich einige sehr eindringliche Aussagen getroffen, und ich hoffe, dass er diese in Betracht zieht.

Ich habe Herrn Barroso aufmerksam zugehört. Meines Erachtens hat er ein Argument benutzt, dem ich nur zustimmen kann, dass die Europäische Union nämlich von der Globalisierung profitieren kann. Herr Toussas hat gerade sehr heuchlerisch von der Arbeiterklasse gesprochen, aber ohne Globalisierung, ohne Industrie und Privatwirtschaft in der Europäischen Union wird es keine Arbeitsplätze für die Menschen geben. Was mir allerdings große Sorge bereitet, das waren Herrn Sarkozys gestrige Ausführungen. Steuern wir wieder auf das alte Frankreich, ein protektionistisches Frankreich, zu, oder bildet sich ein Frankreich heraus, das sich auf die neue Generation einstellt? Das erinnert mich an die Unterzeichnung der Erklärung zum Beitritt zur WTO durch China in den USA. Präsident Clinton hatte zehn Jahre lang erfolgreich verhindert, dass China unterzeichnet. Als Präsident Bush sie unterzeichnete, schauten seine Berater zurück und sagten: „Oh Gott, China hat unterschrieben! Was haben wir getan?“ Sie haben damit u. a. einige großartige Chancen für uns ermöglicht.

Wir müssen in China und Indien eine Chance sehen. Wir dürfen nicht die Zugbrücken hochfahren, die Bewachung verschärfen und die Tore verriegeln, denn Europa bieten sich hier enorme Chancen, die wir nutzen müssen. Herr Caspary hat ganz richtig auf die Beschäftigung in seinem Wahlkreis verwiesen. Ich weiß, dass es sehr schwierig ist, die Arbeitsplätze zu erhalten, aber wenn wir uns vom globalen Markt fernhalten, versperren wir uns damit unseren weiteren Weg. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine riesige Chance haben, wenn wir der Globalisierung aufgeschlossen gegenüberstehen. Wir müssen Dinge wie Freihandelsabkommen in Betracht ziehen. Marokko hat gerade ein Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet. Das müssen wir prüfen.

Abschließend möchte ich die Kommission bitten, der Industrie und der Privatwirtschaft keine Steine in den Weg zu legen. Sehen Sie sich mit Rechtsvorschriften vor, die europäischen Chancen zum Nachteil gereichen.

 
  
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  Pervenche Berès (PSE).(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident! Vorhin stellte Kommissionspräsident Barroso fest, dass die Europäische Union zweifelsohne besonders dazu prädestiniert sei, eine weltweite Regulierung durchzusetzen. Damit hat er Recht. Doch dazu müssen auch wir unsere Hausaufgaben machen. Zu den Instrumenten, über die wir in der Union zur Bewältigung dieser Herausforderungen verfügen, gehört auch eines, das wir Leitlinien im Bereich der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik nennen. Ich befürchte, dass die Kommission jetzt versucht, diese notwendigen Leitlinien angesichts der Globalisierung unter den Teppich zu kehren. Doch sie sind nutzbringend, und wir müssen sie revidieren.

Wir müssen dies erstens tun, weil die Staats- und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates im März dieses Jahres die bestmögliche Strategie angenommen haben, die es der Union ermöglicht, die Globalisierung sowie die Herausforderungen der Energieversorgung und des Klimawandels anzugehen. Wenn wir für die Umsetzung dieser Strategie nicht alle der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, einschließlich der Leitlinien und vielleicht vor allem der Leitlinien, dann werden wir nichts erreichen und nur Enttäuschung im Hinblick auf die Fähigkeit der Union zur Bewältigung der Globalisierung auslösen.

Wir müssen dies ebenfalls tun, weil Kommissar Almunia selbst anerkannt hat, dass die Fragen der Wechselkurse, des Ölpreises und der tatsächlichen Auswirkungen der Subprime-Krise auf die Wirtschaft der EU die Wachstumsprognosen der Europäischen Union beeinträchtigen werden, weshalb er diese nach unten korrigiert hat, und zwar von 2,9 auf 2,4 % für die Union insgesamt und von 2,6 auf 2,2 % für die Eurozone.

Wir müssen dies weiterhin tun, weil wir den Hoffnungen der Völker nachkommen müssen und weil, was immer auch Nicolas Sarkozy denken mag, die Frage des sozialen Europas ein wirkliches Thema ist, dass Sie angehen müssen, wenn Sie sich künftig nicht die Missbilligung der europäischen Bürger zuziehen wollen.

Der letzte Grund, aus dem wir es tun müssen, ist heute von Kommissar Almunia aufgezeigt worden, als er anerkannte, dass angesichts der derzeitigen internationalen Lage das europäische Wachstum hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, vom Binnenkonsum abhängt.

Ist es vorstellbar, dass vor diesem Hintergrund eines umfassenden Wandels das Einzige, was sich nicht ändert, die Leitlinien sein sollen? Ist es vorstellbar, dass das einzige Instrument, über das die Union verfügt, um die Wirtschafts- und Sozialpolitiken der Mitgliedstaaten zu steuern, unverändert bleiben soll?

Ich möchte den Kommissionsvertreter und den Vizepräsidenten bitten, Präsident Barroso zu übermitteln, dass die Leitlinien geändert werden müssen, dass der neue Kontext berücksichtigt werden muss, damit sich die Union intern mit den besten verfügbaren Instrumenten zur Bewältigung der Herausforderungen der Globalisierung ausstattet.

 
  
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  Wolf Klinz (ALDE). - Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Diejenigen, die verbal für eine gerechtere Welt eintreten, sind nicht zimperlich, die Globalisierung als Ursache für Schwierigkeiten in der eigenen Wirtschaft auszumachen. Sie fordern daher weniger Markt, mehr Regulierung und mehr staatliche Eingriffe. Dabei bietet die Globalisierung die echte Chance, zum Win-win-Szenario zu werden, da sie es den Schwellenländern und Nachzüglern der Weltwirtschaft ermöglicht, Anschluss zu finden, und uns die Chance bietet, neue Märkte für anspruchsvolle, hochwertige Produkte, Anlagen und Dienstleistungen zu entwickeln.

Um diese Chancen zu nutzen, müssen wir allerdings unsere Hausaufgaben machen: noch mehr Anstrengungen bei Ausbildung, Weiterbildung – vor allem arbeitsloser Jugendlicher – und lebenslangem Lernen, noch mehr Forschung und Entwicklung, noch mehr Investitionen in Innovation und Ökologie, noch mehr Kreativität bei der Gestaltung der Wertschöpfungsketten und Prozesse unserer Wirtschaft, noch mehr freies Unternehmertum. Ohne Behinderung führt die Globalisierung zu offeneren Märkten und mehr Wettbewerb. Alle Konsumenten profitieren davon.

Widerstehen wir der Versuchung, unsere Wirtschaft schützen zu wollen! Dieser Schutz würde sehr schnell zum reinen Protektionismus entarten. Fördern wir stattdessen die unserer Wirtschaft innewohnenden Kräfte, sich ständig zu erneuern! Investieren wir in die Technologien der Zukunft, dann werden wir diese auch gewinnen!

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Die Wirtschaft sollte allen Menschen dienen, nicht anders herum. Die natürlichen Geschwindigkeitsunterschiede beim Kapitalverkehr und der Arbeitskräftefluktuation im Zeitalter der Globalisierung führen zu einem schwindelerregenden Absinken der Beschäftigungsstandards. Die Produktion wird in Gebiete mit immer niedrigeren Löhnen und immer gefährlicheren Arbeitsbedingungen verlegt. Das führt zum Verlust von Arbeitsplätzen für Menschen in Regionen mit höheren Beschäftigungsstandards. Die Kaufkraft von Arbeitnehmern und die Nachfrage nach Verbrauchsgütern sinken.

Wenn die Europäische Union im Zeitalter der Globalisierung erfolgreich sein möchte, muss sie wirksame Instrumente zur Bekämpfung des Sozialdumpings sowie zur Aufrechterhaltung und zum Schutz der sozialen Dimension entwickeln.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Meines Erachtens leistet die Kommission einen sehr wertvollen Beitrag zur Globalisierungsdebatte.

Ich sehe in der Globalisierung keine Gefahr, sondern eine Chance. Europa verfügt über die Voraussetzungen, um sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir haben eine hoch entwickelte Infrastruktur, entsprechende Bildungssysteme, Technologie, Kapitalmärkte, und es bilden sich florierende Inlandsmärkte heraus.

Es kann gar nicht genug betont werden, dass Europas Stärke in einem Binnenmarkt liegt, der als Sprungbrett für unsere Unternehmen auf den Weltmarkt fungiert. Überall in Europa entstehen Innovationen. Ihre Verbreitung, die Europa Wohlstand bringt, darf nicht durch Bürokratie behindert werden. Das ist meine spezielle Bitte an Kommissar Verheugen. Der Abbau der Bürokratie in Europa ist für die Globalisierung und die europäische Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Unser besonderes Augenmerk muss dabei den KMU gelten. Auf sie muss sich die Kommission konzentrieren. Es wurde bereits viel erreicht, doch Steuerhindernisse beispielsweise behindern noch immer die Geschäftstätigkeit in Europa.

Leistungsfähige Unternehmen benötigen eine entsprechende Arbeitnehmerschaft, und die könnte sich bald zu einer knappen Ressource in Europa entwickeln. Europas demographische Entwicklung erfordert die Zuwanderung. In diesem Punkt sind uns andere Regionen der Welt weit voraus, und das schlägt sich in ihrer Wirtschaftskraft nieder. Das ist eine schwierige Frage, die eine ausgewogene Berücksichtigung aller Interessen erfordert, nicht zuletzt die der Arbeitgeber. Natürlich ist das ein europäisches Problem, denn ohne mobile Arbeitnehmer gibt es keine Wettbewerbsfähigkeit. Pläne wie die „Blaue Karte“ sind in diesem Zusammenhang zu begrüßen.

Ein weiteres Element, bei dem Freizügigkeit, gepaart mit einer gewissen Beständigkeit, erforderlich ist, ist das Kapital. Finanzielle Stabilität ist eine unerlässliche Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges und wirtschaftlich sicheres Europa. Global gesehen, zählen die Finanzmärkte zu den leistungsstarken Sektoren Europa. Sie gehören zu unseren neuen erfolgreichen Branchen. Dank einer marktgeführten Regulierung, die hier nicht mit Laxheit gleichzusetzen ist, erleichtert die Innovation dem Sektor ein europaweites Funktionieren, und das ist unerlässlich.

Was die übrige Welt angeht, so sollte sich Europa als starker globaler Akteur etablieren. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen Einigkeit demonstrieren, und dazu kann die Kommission einen Beitrag leisten.

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Ich sehe lieber die Möglichkeiten, die die Globalisierung mit sich bringt, als ihre Probleme, aber das hängt davon ab, wie wir in Europa agieren. Meiner Ansicht nach sollten wir langfristiger in eine gute Umwelt, in Forschung und Entwicklung sowie in die Menschen und das lebenslange Lernen investieren. Die Kommission lässt jedoch außer Acht – und das ist der Fehler in ihrem Dokument –, dass wir die soziale Dimension vernachlässigen.

Die gegenwärtige Entwicklung in Europa ist gekennzeichnet durch ein echtes Wachstum und zunehmende Beschäftigung, aber auch durch stärkere Ausgrenzung, größere Ungleichheiten und immer mehr unsichere Beschäftigungsverhältnisse sowie – nicht zuletzt in Deutschland – durch eine zunehmende Anzahl von Arbeiten, mit denen man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, sondern als Ergänzung zum Lohn Sozialhilfe beziehen muss. Wir müssen Wachstum und Beschäftigung mit einer sozialen Dimension verbinden, die zu einer Verringerung der Unterschiede zwischen den Menschen und den Regionen in Europa beiträgt. Das war auch ein Thema bei der Diskussion in Guimarães, an der ich während der Sitzung der Arbeits- und Sozialminister teilgenommen habe.

Die portugiesische Ratspräsidentschaft ist bestrebt, die Frage der Integrierten Leitlinien voranzutreiben, diese Leitlinien zu ändern, um die Verknüpfung mit sozialen Aspekten wesentlich deutlicher zu machen und diese stärker einzubeziehen.

Die Kommission will das jedoch nicht; sie will die Leitlinien nicht ändern. Diese müssen aber geändert werden. In unserer Entschließung haben wir uns darauf geeinigt, dass wir neue Leitlinien wollen, die die soziale Dimension einbeziehen und natürlich auch die Frage der sich verändernden Sicherheit und der „Flexicurity“ aufgreifen. Das sollte sich auch die Kommission zu eigen machen, damit wir die Fragen des Wachstums stärker mit der sozialen Dimension verknüpfen.

Darüber hinaus müssen wir auch die Lissabon-Strategie verankern, die gegenwärtig auf der Ebene der Mitgliedstaaten sowie auf regionaler und lokaler Ebene keine Verankerung besitzt. Es gibt viele Menschen, die die Lissabon-Strategie nicht kennen. Wir müssen sie integrieren und dafür sorgen, dass die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft ebenfalls mit diesen Fragen – soziale Dimension, Wachstum und Beschäftigung – arbeiten. Es ist von großer Bedeutung, dass alle diese Themen miteinander verknüpft sind.

 
  
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  Samuli Pohjamo (ALDE).(FI) Frau Präsidentin! Ich möchte eine nördliche Perspektive in diese Debatte einbringen. Vor zirka zwei Jahren arbeitete ich in einer regionalen Entwicklungsorganisation nahe dem Polarkreis und der russischen Grenze. Für diese abgelegene Region war die Globalisierung gleichermaßen eine Bedrohung und eine Chance. Wir begannen mit der Entwicklungsarbeit, wobei wir auf unsere eigenen Stärken vertrauten und die Globalisierung nutzten. Unternehmen, der öffentliche Sektor, das Bildungssystem und die Hochschulen bündelten ihre Ressourcen, um einen produktiven und innovativen Lebensraum aufzubauen. Durch die Vernetzung mit globalen Kompetenznetzen wurde die Wissensbasis gestärkt, ganz im Sinne der Lissabon-Strategie. Gleichzeitig wurden Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien ins Leben gerufen. Die Ergebnisse sind ermutigend. Ein spezielles Beispiel ist das schnelle Wachstum des internationalen Tourismus in der Region. Ich glaube, dass diese Region anderswo in Europa als ein nützliches Modell dienen könnte, und die EU sollte diese Art Tätigkeit viel stärker fördern.

 
  
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  Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). - (NL) Frau Präsidentin, Europas Gestalt wird durch den Binnenmarkt, die Liberalisierung des Binnenmarktes und die Liberalisierung des Weltmarktes, die Globalisierung, geprägt. Dies hat uns nicht nur Wohlstand, sondern auch eine stabile Demokratie gebracht. Wir müssen uns daher – und ich spreche hier vor allem von Aspekten des Handels – vor einer übermäßig defensiven Strategie und insbesondere vor protektionistischen Handelsinstrumenten vorsehen.

Frau Präsidentin, Europas Wettbewerbsfähigkeit ist durch eine offene Haltung gegenüber der Welt besser gedient. Deshalb erachte ich es als wichtig, der Öffnung wirtschaftlicher Märkte in Nicht-EU-Staaten mehr Vorrang einzuräumen, insbesondere in den aufstrebenden Industrieländern wie Indien, Brasilien und China, denn das gewaltige Wachstumspotenzial dieser Märkte ist eine Chance für die europäischen Unternehmen und eine Chance für die europäische Wirtschaft. Diese Schwellenländer müssen im Gegenzug ihre Märkte für unsere Unternehmen öffnen. Und im Interesse der Gegenseitigkeit fordere ich die Kommission dringend auf, in ihren Verhandlungen dementsprechend Druck auf diese Länder insbesondere auszuüben.

Wir haben mit einer Delegation des Ausschusses für internationalen Handel Singapur besucht, und wir sahen, dass amerikanische Unternehmen sehr viel besseren Zugang erhalten als europäische, Frau Präsidentin. Das wollen wir nicht hinnehmen. Daher müssen wir proaktiv handeln. Wir sind schließlich die weltweit größte Wirtschaft. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, sollten wir in der Lage sein, unsere Macht zur Öffnung dieser Märkte zu nutzen. Dann werden Importabgaben und nichttarifäre Handelshemmnisse beseitigt, Frau Präsidentin. In unserer Strategie für den Marktzugang müssen wir diesen entstehenden Märkten Vorrang einräumen.

 
  
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  Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Europa wurde gebeten, seinen Bürgern eine andere Facette der Globalisierung zu zeigen. Dabei geht es ist nicht um ungehinderten Wettbewerb, sondern um soziale Solidarität, Umverteilung, Diversifizierung und kulturelle Werte.

Die Europäische Kommission muss das kulturelle Ethos der EU sowohl in diesem internen Dialog als auch bei der Öffnung der EU für die übrige Welt mit Wirtschafts- und Sozialpolitiken sowie mit Politiken in den Bereichen Umwelt, Sicherheit, tragfähige Entwicklung und Immigration fördern und stärken. Im Rahmen ihres jährlichen Legislativprogramms, der Lissabon-Strategie und der Stärkung des an die Reformen anschließenden Vertrags muss die Kommission die folgenden kulturellen Bereiche fördern:

Zunächst muss sie die Kulturwirtschaft auf der Grundlage qualitativ hochwertiger, innovativer Angebote stärken und der europäischen Wirtschaft zugleich produktive und innovative Chancen eröffnen. Dieser Bereich ist für den interkulturellen Dialog außerordentlich wichtig.

Zweitens muss sie das „Wissensdreieck“ aus Forschung, Bildung und Innovation stärken. Leider wird das noch nicht durch gesetzgeberische Maßnahmen gestützt, wenngleich das eines der Ziele der EU sein sollte.

Innovation im Bereich der Kultur darf kein Luxus sein, in dessen Genuss einige wenige multinationale Unternehmen kommen, sondern muss eine horizontale Politik für KMU sein.

Frau Präsidentin, die Europäische Kommission und der Rat müssen ihre Positionen klar definieren, um die Herausforderungen der Globalisierung bestehen zu können. Sie müssen dies in einem offenen, zunächst mit den einzelstaatlichen Parlamenten geführten, Dialog tun. Globalisierung kann als Teil der europäischen Geschichte dargestellt werden, wenn sie mit dem Ethos der europäischen Kultur erfüllt wird.

 
  
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  Sharon Bowles (ALDE). (EN) Frau Präsidentin! Der Globalisierung wird die Schuld an allem gegeben – von der Bevölkerungsexplosion über den Klimawandel bis zur Ausbeutung. Doch das sind nur die Ergebnisse menschlichen Tuns, so wie der Wettbewerb. Darwin nannte das natürliche Auslese.

Europas Bürger haben Angst. Wir müssen sie aufklären, aber nicht, indem wir feststellen, dass wir eine Politik auf EU-Ebene brauchen, damit wir uns der Herausforderung einer globalisierten Wirtschaft stellen können. Da wird mir selbst angst, wenn ich höre, dass wir keine entsprechende Politik haben.

Die EU verfügt auf supranationaler Ebene über eine einzigartige Macht, mit der sie Prozesse gestalten und Auswüchse in Frage stellen kann. Im Juli war in der „Financial Times“ zu lesen, dass Brüssel die Regulierungshauptstadt der Welt sei, die keiner zwischen Washington und Tokio ignorieren könne. Wenn wir schon über solche Möglichkeiten verfügen, dann sollten wir sie auch nutzen, aber klug. Welchen Sinn hat eine Agenda für die Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie nicht dazu dient, unsere Position in der Welt zu erhalten? Welchen Sinn hat ein Binnenmarkt, wenn es uns nicht gelingt, ihn ordnungsgemäß zu vollenden? Schluss mit den feigen Ausreden. Sinn und Zweck der EU ist es, Herausforderungen zu meistern. Genau das müssen wir jetzt tun, bevor wir der natürlichen Auslese zum Opfer fallen.

 
  
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  Cristobal Montoro Romero (PPE-DE).(ES) Frau Präsidentin, sehr geehrte Vertreter des Rates und der Kommission! Für Europa ist die Globalisierung gut, Europa muss die Globalisierung unterstützen.

Wir sind Zeuge einer noch langsamen, aber unumkehrbaren Auflösung der Grenzen in der Welt; eines Prozesses, in dessen Ergebnis innerhalb von weniger als 20 Jahren über 400 Millionen Menschen aus der Armut befreit werden konnten, und im Jahr 2007 wird zum ersten Mal China dasjenige Land, diejenige Region in der Welt sein, das bzw. die am meisten zum Weltwirtschaftswachstum beiträgt. China, nicht die Europäische Union, meine Damen und Herren!

Das bedeutet letzten Endes, dass die Globalisierung eine Herausforderung, zugleich aber auch eine große Chance ist. Sie ist eine Herausforderung insofern, als eine Öffnung zu mehr Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung führt – und genau das müssen wir den europäischen Bürgern erklären. Es bereitet mir wieder Sorge, das Wort „Protektionismus“ in diesem Plenum zu hören.

Protektionismus ist eine Verneinung der Globalisierung und eine Verneinung der Europäischen Union. Es ist nicht notwendig, die Bürger durch Protektionismus zu schützen, wenn die Bürger selbst die Hauptakteure ihres Wirtschaftswachstums und ihres Wohlstands sind. Wir müssen den Menschen diese Fähigkeit zurückgeben und dementsprechend auch Selbstkritik innerhalb der Europäischen Union üben.

Das ist so, weil wir in der Europäischen Union unsere Hausaufgaben nicht machen, wenn unser Wachstum zu gering ist, wenn wir auch Mitverantwortung für die Krise der globalen Finanzmärkte tragen und wenn wir letztendlich nicht alles tun, was wir in unserem eigenen Hause, vor unserer eigenen Haustür tun müssten, um das Wirtschaftswachstum im Mittelstand anzukurbeln und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, denn wir brauchen deutlich mehr Arbeitsplätze, als durch den Prozess der Wirtschaftsöffnung entstehen können.

Die Lissabon-Agenda ist in der Tat wegweisend: Die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts, die Sanierung der öffentlichen Finanzen, die Reformierung und Modernisierung unseres Arbeitsmarkts, unser Festhalten an der Reform des Umweltschutzes und den erneuerbaren Energien und letztlich die Öffnung Europas bedeuten eine wirkliche Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Europa.

 
  
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  Enrique Barón Crespo (PSE).(ES) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, es ist äußerst angebracht, dass die Diskussion über die Globalisierung unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft stattfindet, weil Portugal ein Land ist, dessen Flagge bekannt ist, weil die Portugiesen beim Beginn der Globalisierung durch die Europäer Vorreiter waren und weil die Globalisierung keine Heimsuchung ist, die über uns hereinbricht. Wir Europäer leiteten den Prozess der Globalisierung während der Renaissance – als wir weniger weit entwickelt waren als die Chinesen und die Inder – ein, und so sieht uns die übrige Welt.

Heute, mit dem Vertrag von Lissabon, werden wir nun auch Pioniere in einem Prozess sein, den ich „postimperiale Globalisierung“ nennen würde. Wir erobern keine neuen Kontinente, sondern wir geben eine Antwort, mit der wir – aus freiem Willen – die von Staaten und Völkern geteilten Werte vereinen und mit der wir ein Beispiel für jene Art von Globalisierung geben können, die am nötigsten ist und bei der es sich um die politische und soziale Globalisierung handelt.

Hier wurde von einer übereilten, unkontrollierten finanziellen Globalisierung gesprochen, obwohl wir, nur zum Beispiel, einen Europäer an der Spitze des Internationalen Währungsfonds haben. In der WTO stellen wir den Hauptblock und tragen eine konkrete Verantwortung. Was aber fehlt? Es fehlt genau daran, dass wir nicht in der Lage sind, in einer globalisierten Welt Antworten zu finden, die einer solchen Welt entsprechen. Konkret gibt es zwei zentrale, problematische Aspekte, die unser aktives Handeln erfordern: nicht nur im Bereich des Handels und der technologischen Entwicklung, sondern bei der umfassenden Verteidigung der Menschenrechte, insbesondere der Arbeiterrechte, für die es die Internationale Arbeitsorganisation gibt, und außerdem bei den Verhandlungen und der Politik, die notwendig sind, um dem Klimawandel die Stirn zu bieten.

In jedem Fall, Frau Präsidentin, glaube ich – und damit schließe ich –, dass wir Europäer kein Recht haben, die Globalisierung pessimistisch zu sehen. Wir haben sie gesucht und müssen uns jetzt innovative Antworten einfallen lassen.

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE).(PL) Frau Präsidentin, Herr Präsident! Es liegt auf der Hand, dass wir nicht in der Lage sein werden, alle Probleme der Globalisierung in nur einer Erklärung und mit nur einer Maßnahme zur Förderung der Lissabon-Strategie zu lösen. Allerdings ist die Erklärung des Rates und der Kommission gut, weil in ihr darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Globalisierung weder ein Fluch ist noch eine Bedrohung sein muss, sondern für die Bürger Europas etwas Positives sein könnte, und dass sich die EU bei ihren Maßnahmen hauptsächlich von der Sorge um die Bürger und von ihren Tätigkeiten leiten lassen sollte.

Ich bin für vier Tätigkeitsbereiche. Erstens: das Wissensdreieck, insbesondere die Innovation. Mir ist klar, dass es hier besonders wichtig ist, schnell zu agieren, um zumindest das Europäische Technologieinstitut in Gang zu bringen.

Zweitens: das Unternehmensumfeld. Das bedeutet einen vollständig offenen und freien Binnenmarkt ohne Monopole, mit offenem Wettbewerb, weniger Regulierung und weniger Bürokratie, wofür sich der Vizepräsident der Kommission, Günter Verheugen, so mutig einsetzt.

Drittens der Bereich Personal: Dazu gehören die Migrationsprobleme und primär die Bekämpfung des Braindrains, d. h. bessere Ausbildungsmöglichkeiten, attraktivere Investitionen und eine soziale, auf den Errungenschaften der Wirtschaft basierende Dimension der EU.

Viertens und letztens: Energie und Klimawandel. Hier geht es um eine gemeinsame Energiepolitik, der wir uns meiner Meinung nach alle bewusst sind, und um die Senkung der Emissionen. Allerdings kann eine Senkung der Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union allein nicht das Weltklima retten. Aus diesem Grund benötigen wir eine politisch starke EU, denn nur eine starke EU kann die Vereinigten Staaten, China und Indien dahingehend beeinflussen, die Klimaschutzrichtlinien zu erfüllen.

Was die Senkung der Treibhausgasemissionen in der EU betrifft – ja, ich bin dafür, aber ich in auch für eine politisch starke EU, d. h. die schnellstmögliche vollständige Ratifizierung des Europäischen Vertrags.

 
  
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  Gary Titley (PSE). (EN) Frau Präsidentin! Hoffentlich, und ich sage hoffentlich, wird der Lissabon-Vertrag den Schlusspunkt unter ein Kapitel in der Geschichte der Europäischen Union setzen, und zwar das Kapitel des Wachstums der EU, der Konsolidierung sowie des Friedens und der Stabilität auf dem Kontinent, des Abbaus von Handels- und Wirtschaftshemmnissen zwischen den Mitgliedstaaten und der institutionellen Entwicklung, die zur Erreichung all dieser Dinge erforderlich war. Doch jetzt müssen wir ein neues Kapitel aufschlagen, ein Kapitel, das nach außen gerichtet ist, mit dem wir uns den Herausforderungen der Globalisierung stellen.

Wir brauchen ein global ausgerichtetes Europa, das eine komplett neue Agenda für die Globalisierung aufstellt, eine Agenda, die auf den Grundsätzen der Offenheit, Fairness und der Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fußt. Die Herausforderungen sind uns bekannt – sie wurden im Rahmen dieser Aussprache ausführlich erörtert. Die beiden wichtigsten sind meines Erachtens der Klimawandel und die Migration, aber die Aufrechterhaltung eines hohen Wachstums und der Beschäftigung sind ebenfalls wichtig. Wir brauchen eine moderne und effektive Sozialagenda. Wir müssen den Terrorismus und die Kriminalität bekämpfen und uns für die Sicherheit über unsere Grenzen hinaus einsetzen. Auch die Armut gilt es zu bekämpfen. Und wie Frau Bowles eben sagte, verfügen wir ja über entsprechende Politiken. Doch seien wir offen: Wir kommen nur schleppend voran. Der Fortschritt ist ungleichmäßig und nicht immer sehr effektiv.

Wenn wir die Globalisierung wirklich bewältigen wollen, dann brauchen wir eine radikale und grundlegende Schwerpunktverlagerung, und zwar nicht nur in unseren Politiken, sondern in unserem Denken in der Europäischen Union überhaupt. Jetzt geht es einfach darum, dass wir handeln, dass wir etwas tun. Wir müssen dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten ihr Versprechen einlösen, denn wir haben einen EU-Rahmen. Was wir nicht haben, das sind 27 Mitgliedstaaten, die alle zu ihrem Wort stehen, und wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, Versprechen einzulösen und das Potenzial der EU maximal zu nutzen.

 
  
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  Alexander Radwan (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Globalisierung in zwei Minuten – ich probier's. Meine erste Bitte ist, dass wir mit dem Thema Globalisierung in der Diskussion ein Stück weit ehrlich umgehen. Die Region, aus der ich komme, Bayern, lebt zu 50 % vom Export. Viele Menschen sind globalisierungskritisch, aber wenn man sie fragen würde – Sind Sie damit einverstanden, dass Sie die Weltmärkte nicht mehr bedienen können? – wären sie damit nicht einverstanden.

Auch wenn wir uns hier in den Zuschauerreihen umschauen und die Frage stellen würden: Wer wäre denn damit einverstanden, keine preiswerten Produkte – seien es Elektroartikel, Textilien oder aus anderen Bereichen – zu kaufen? Niemand wäre einverstanden. Jeder weiß, dass die Importe aus diesen Ländern dazu führen, dass die Inflationsrate in den letzten Jahren so niedrig ist, wie sie ist. Dieses gehört zur Ehrlichkeit, auch wenn wir regelmäßig darüber reden, dass Globalisierung eine Bedrohung ist.

Europa muss die Globalisierung gestalten, denn wir profitieren bis jetzt als Hersteller wie als Konsumenten davon. Darum geht es zum Beispiel – und das ist für Kommissar Verheugen und für Europa sehr wichtig: die Entbürokratisierung. Damit meine ich jetzt nicht nur die Kommission, sondern ich meine auch das Parlament und den Rat. Wir reden jetzt über Globalisierung, danach werden wir aber die Bodenschutzrichtlinie verabschieden, wo mehr Bürokratie hinzukommt. Wir sollen also auch ein stringentes Handeln in Europa haben. Und wir sollen Europa gestalten!

Wenn wir die Subprime-Krise in den USA betrachten, dann ist es notwendig zu sehen, dass internationale Finanzmärkte verflochten sind und wir Europäer mitgestalten müssen. Wie gehen wir mit Rating-Agenturen um, wie gehen wir mit Hedgefonds um? Da ist leider Gottes der zuständige Kommissar McCreevy bis jetzt nicht an der Spitze der Bewegung, den Amerikanern und anderen Märkten Vorgaben zu machen, sondern Europa hinkt hinterher.

Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Europa gut auf die Globalisierung vorbereitet ist. Wir profitieren davon, wir müssen es den Menschen erklären, wir müssen uns für Mindeststandards einsetzen – wobei das keine europäischen Standards sein werden –, und dann sind wir vorbereitet, fit und die Profiteure der Globalisierung. Die Wahl, ob Globalisierung stattfindet oder nicht, wird nicht in Brüssel oder Straßburg entschieden.

 
  
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  Magda Kósáné Kovács (PSE).(HU) Danke, Frau Präsidentin! Ich spreche als Vertreterin einer Region, die sich ihr Schicksal nach dem Krieg nicht aussuchen konnte. Unser Land und der glücklichere Teil Europas waren durch einen Stacheldrahtzaun getrennt, aber nicht einmal der konnte die unerwarteten Auswirkungen der Globalisierung aufhalten.

Wir haben im Jahr 2000 damit begonnen, uns mit Wettbewerbsfähigkeit und Solidarität im Rahmen der Strategie zu Gunsten der Arbeit und Arbeiter und der Lissabon-Strategie vertraut zu machen. Seitdem hat das Pendel viele Male zugunsten des Kapitals ausgeschlagen, und es war zu befürchten, dass die menschliche Seite der Strategie untergehen würde.

Wettbewerbsfähigkeit und Arbeit sind unbestreitbar und historisch gesehen untrennbare Konzepte, und wir beginnen zu begreifen, dass lohnende Arbeit nur ein Teil eines lohnenswerten Lebens ist. Zu einem lohnenswerten Leben gehören auch eine Grundsicherheit, der Beitrag zu einem gesunden Leben und zur Entwicklung, weniger Diskriminierung und akzeptable Lebensbedingungen.

Aber Europa sollte sich selbst nicht nur als Verteidigerin von Werten sehen, sondern Generationen träumen lassen, indem es den europäischen Bürgern und Bürgern aus Drittstaaten, die die Dinge in die Hand nehmen wollen, Möglichkeiten eröffnet. Und aus genau diesem Grund darf Solidarität nicht nur ein Motto bleiben. Sie muss den Menschen, die aktiv werden können, Chancen und Möglichkeiten eröffnen.

Meine Damen und Herren, der Arbeitsmarkt und das Kapital, das stets Gewinne fordert, sind rücksichtslos selektiv. Neues Personal erfordert Investitionen zu einem höheren Preis als dem Kapital lieb ist. Nur wer mobil ist, kann Arbeit finden. Das Europa der Werte kann nicht hinnehmen, dass Menschen am Beginn ihrer Karriere, ältere Menschen, durch Armut Isolierte, jene, die gezwungen sind, sich neue Fertigkeiten anzueignen und Zigeuner, die unter vielen Belastungen zu leiden haben, keine Arbeit finden. Damit vor allem die künftigen Generationen nicht unter dieser Benachteiligung zu leiden haben, sichern die Gemeinschaftsmittel, die für uns ausgegeben werden, ihnen nicht nur ein Leben, das zu leben sich lohnt, sondern sie tragen auch zur weiteren Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit bei. Vielen Dank, Frau Präsidentin.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Aus dieser Aussprache lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Darstellung des europäischen Modells auf dem globalen „Riesenbildschirm“ sowohl Chancen als auch Risiken birgt.

Insgesamt wird die Globalisierung von den europäischen Bürgern als ein externes Phänomen wahrgenommen: Sie führt zu keiner offensichtlichen regulierenden oder politischen Intervention Europas. Daher muss mit dem europäischen Aktionsplan gezeigt werden, dass tatsächlich ein sichtbares, messbares europäisches Interesse verteidigt wird. Zudem muss für ein globales Verständnis geworben werden.

Was die Außenhandelsagenda der EU betrifft, so bin ich der Auffassung, dass neben anderen Aspekten vorrangig die Bedingungen für einen wechselseitigen Marktzugang und einen gleichberechtigten Wettbewerb gewährleistet werden müssen, wie der französische Präsident Sarkozy gestern in diesem Haus nachdrücklich betont hat.

Der strenge europäische Rechtsrahmen für den Umweltschutz und den Schutz der öffentlichen Gesundheit für Verbraucher und Arbeitnehmer ist ein wichtiger Hinweis auf die politische und institutionelle Reife der Union. Wenn das allerdings kein langwieriger Wettbewerbsnachteil für die Union sein soll, müssen auch andere international führende Akteure entsprechend reagieren.

Das Zusammenspiel der inneren und äußeren Aspekte der Lissabon-Strategie wird das europäische Modell im Bereich Regierungsführung weltweit voranbringen. Allerdings prallt das Modell auf geringere Regelungsstrenge und weniger rechtlich bindende Vollständigkeit in der WTO und in anderen internationalen Organisationen. Die Union ist gefordert, auf einer höheren Ebene der internationalen Zusammenarbeit eine führende und konstruktive Rolle einzunehmen. Sie ist gefordert, im Interesse einer zunehmenden Angleichung der Rechtsvorschriften der Vereinbarung bindender Verpflichtungen und der Annahme internationaler Normen Priorität einzuräumen.

 
  
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  Stephen Hughes (PSE). - (EN) Frau Präsidentin! Wir haben eine sehr umfassende Aussprache erlebt, und ich möchte zum Schluss die Sozialpolitik als produktiven Faktor in den Mittelpunkt stellen.

Ziel des Pakets integrierter Leitlinien war es, die Politikfelder des Lissabon-Prozesses Wirtschaft, Soziales und Nachhaltigkeit zusammenzuführen, doch in der Praxis ist im Falle der Beschäftigungsleitlinien aus der Integration Unterordnung geworden. Die Beschäftigungsleitlinien sind praktisch unsichtbar geworden, wobei die enormen Unterschiede, die zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich der Erfüllung einer Reihe von Indikatoren und Zielen im Rahmen der Beschäftigungsstrategie zur Jugendarbeitslosigkeit, der Integration älterer Arbeitnehmer – verschiedener Faktoren – bestehen, kaum noch auszumachen sind. In einigen Mitgliedstaaten sind die Ausgaben für lebenslanges Lernen und aktive Arbeitsmarktmaßnahmen in den letzten fünf Jahren sogar zurückgegangen – sie haben sich nicht erhöht, sondern sind gesunken. Das ist für den Lissabon-Prozess insgesamt eine Katastrophe.

Deshalb muss die Beschäftigungsstrategie im nächsten Zyklus des Lissabon-Prozesses stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Ich möchte auf einen weiteren Punkt verweisen. Der gemeinsame Entschließungsantrag, über den wir heute diskutieren, unterstreicht an einigen Stellen, wie wichtig menschenwürdige Arbeit und die Qualität der Arbeit sind. Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Kommission dem Konzept der Beschäftigungssicherheit den Vorzug vor dem der Arbeitsplatzsicherheit gibt, was sowohl im Grünbuch zum Arbeitsrecht wie auch in der Mitteilung zur Flexicurity deutlich wird. Im Rahmen unserer Arbeit im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zum Thema Flexicurity machen wir deutlich, dass sowohl die Beschäftigungssicherheit als auch die Arbeitsplatzsicherheit wichtig sind.

Was ein raschen Veränderungen unterliegendes flexibles Unternehmen braucht – ein Unternehmen, das seine Fertigungsstraße alle sechs Monate und seine IT-Konfiguration alle vier Monate ändert –, das sind anpassungsfähige, qualifizierte, loyale und engagierte Mitarbeiter und kein zersplitterter und von Planungsunsicherheit geprägter Arbeitsmarkt. Wir werden also unser Bestes tun, um ein gutes Paket von Flexicurity-Prinzipien zu erarbeiten, aber sie müssen dann eine Änderung der Leitlinien bewirken. Präsident Barroso sagte vorhin, dass nicht repariert zu werden braucht, was nicht kaputt ist. Nun, sie sind kaputt und müssen repariert werden.

 
  
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  Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Ich beglückwünsche die Kommission zu ihrem ausgezeichneten Dokument und möchte lediglich die folgenden vier Punkte hervorheben.

Der erste betrifft die wissensbasierte Wirtschaft. Ich halte die in diesem Dokument gefundene Formulierung, dass der freie Austausch von Ideen und Forschern die vier Grundfreiheiten in der EU vielleicht um eine fünfte ergänzen könnte, für außerordentlich gelungen, und ich würde mir eine entsprechende Entwicklung wünschen.

Bezugnehmend auf das, was Herr Hughes eben sagte, glaube ich, dass dieser Punkt wirklich deutlich macht, wo wir stehen. Wir diskutieren im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten darüber, dass wir uns von der Idee der einfachen Arbeitsplatzsicherheit zugunsten der Beschäftigungssicherheit lösen wollen, indem wir uns für die Beschäftigungsfähigkeit und die Qualifizierung einsetzen. Auf diese Weise kann Erfolg für Europa im Zeitalter der Globalisierung Erfolg für den Einzelnen – Erfolg für die Menschen – bedeuten, und dieser Aspekt sollte in der EU viel stärker im Mittelpunkt stehen.

Der zweite Punkt betrifft die KMU. Es wird auf eine Vielzahl neuer Vorschläge für Ende 2008 verwiesen. Das begrüße ich, aber es gibt ein „Aber“: Wir sollten unsere Aufmerksamkeit nicht auf neue Vorschläge verlagern, deren Vereinbarung in der Zukunft ansteht, sondern uns jetzt auf die Umsetzung der eingegangen Verpflichtungen konzentrieren. Dabei möchte ich vor allem gegenüber Herrn Verheugen auf die Vereinfachung der EU-Rechtsvorschriften und die Verringerung ihres Umfangs um 25 % verweisen. Wir brauchen hier spürbare Fortschritte in allen Bereichen, und zwar möglichst bald, weil davon vor allem die KMU profitieren werden. In diesem Zusammenhang würde ich eine umfassende Überprüfung der Arbeitszeitrichtlinie anregen, wobei wir alle uns von unseren herkömmlichen Denkmustern lösen sollten, und ich meine wirklich jeden von uns, auch die Europaabgeordneten.

Beim dritten Punkt geht es um den Binnenmarkt. Die Aufnahme einer externen Dimension ist ja schön und gut, aber erst einmal sollten wir die interne Dimension bewältigen und unseren Binnenmarkt vollenden, bevor wir uns unseren externen Höhenflügen hingeben. An die Adresse von Herrn Schulz und auch Herrn Hughes möchte ich feststellen, dass ich ebenfalls durchaus der Meinung bin, dass es dabei nicht nur um unseren wirtschaftlichen Fortschritt geht, sondern dass damit auch sozialer Fortschritt verbunden ist.

Abschließend eine Bemerkung persönlicherer Natur. Die einzige Sache, über die ich in dem Dokument wirklich stolpere, ist die allererste Zeile auf der Titelseite, welche lautet: „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen“. Ich weiß, dass es den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen gibt – obwohl mir nicht ganz klar ist, wieso –, aber bitte erheben Sie sie nicht in den gleichen Rang wie die beiden Mitentscheidungsinstitutionen.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE-DE).(SK) Das Phänomen der Globalisierung ist immer deutlicher wahrnehmbar. In einer solchen Situation muss die Europäische Union recht schnell handeln und entscheiden, ob die Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht nur erhalten, sondern auch verstärkt wurde. Sie muss entscheiden, ob die Lissabon-Strategie, das Instrument, mit dem sie sichergestellt werden soll, Lösungen in den Bereichen Innovation, Energie, Migration, Bildung und Demografie bieten kann. All dies muss das Wachstum und die Fähigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, fördern.

In Bezug auf die Umwelt stehen wir vor neuen Herausforderungen wie die CO2-Emissionen, der Einsatz von Pestiziden, Vorräte an sauberem Wasser und Wasserquellen, Bodenschutz und Landwirtschaft. Und nicht zuletzt stehen wir vor Herausforderungen im Gesundheitswesen und bei Epidemien sowie bei der Bekämpfung von Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Zunahme aller Arten von Krebs.

Meine Damen und Herren, die Globalisierung stellt uns vor weitere Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und Migration, und die Bedrohung durch Kriminalität und Terrorismus nimmt ständig zu. Demnächst, wenn neun neue Mitgliedstaaten dem Schengen-Raum beitreten, werden wir sehen, wie die letzten Überreste des Eisernen Vorhangs und des geteilten Europas verschwinden. Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um diesen gemeinsamen Raum umfassend zu kontrollieren, damit illegale Einwanderer, durch die sich die Sicherheitslage in den Mitgliedstaaten verschärft, nicht hinein gelangen können. Darüber hinaus trete ich für einen verantwortungsbewussten Ansatz bei den Arbeitsgenehmigungen für legale Migranten ein: Wir müssen gründlich darüber nachdenken und qualifizierte Arbeitskräfte für die Beschäftigungssektoren auswählen, in denen sie am nötigsten sind.

Ich glaube auch – und ich möchte, dass die Kommission dies zur Kenntnis nimmt –, dass die älteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union die unsinnigen Beschränkungen bei der Beschäftigung von Bürgern aus den neuen Mitgliedstaaten aufheben werden. In der heutigen Situation ist das ein unbegreiflicher Anachronismus.

 
  
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  Tokia Saïfi (PPE-DE).(FR) Frau Präsidentin! Die Europäische Union darf nicht zum Opfer der Globalisierung werden oder ihren Bürgern den Eindruck vermitteln, dass sie in eine Entwicklung hineingezogen werden, die sich ihrem Einfluss entzieht. Daher besteht die Frage nicht mehr darin, ob die Globalisierung gut oder schlecht ist, sondern ob wir gerüstet sind, sie zu beeinflussen und mitzugestalten. Zur Bewältigung dieser Herausforderung muss die Europäische Union Wettbewerbsfähigkeit mit wirtschaftlicher und sozialer Kohäsion vereinbaren. Die Verstärkung der multilateralen Regeln ist ein Teil dieses Prozesses.

In einem offenen Wirtschaftssystem besteht der beste Weg, um die Achtung der Verbraucher- und der Bürgerrechte zu gewährleisten, in der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und in der Herstellung eines fairen und gerechten Marktes, der die Umwelt- und Sozialstandards berücksichtigt. Bis ein international anerkanntes Regelsystem vorliegt, ist es daher äußerst wichtig, die bestehenden kommerziellen Verteidigungsinstrumente aufrechtzuerhalten und nicht zu schwächen, denn sie sind unsere einzigen effektiven Instrumente zur Dumpingabwehr. Ja, es ist möglich, dass Europa seine Bürger schützt, ohne in Protektionismus zu verfallen. Europa muss ebenfalls in die Sektoren investieren, die künftig sein wirtschaftliches Gewicht bestimmen, nämlich Forschung, Innovation und Entwicklung sauberer Technologien.

Um diejenigen zu unterstützen, die die größten Schwierigkeiten haben, von der Globalisierung zu profitieren, muss Europa seine Solidaritätsinstrumente ausbauen nach dem Beispiel des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung oder des Flexicurity-Ansatzes. Die rechtzeitige Einstellung auf den Wandel und die Durchführung von Reformen sind im Interesse Europas, um dem internationalen Wettbewerb standhalten zu können. Die Europäische Union besitzt die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen zur Bewältigung dieser Herausforderung.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE).(FI) Frau Präsidentin! Erfolg bei der Globalisierung ist eine entscheidende Voraussetzung für den europäischen Wohlstand, denn sie ist der Schöpfer seines materiellen Inhalts. Nun, da der Drei-Jahres-Zyklus der erneuerten Lissabon-Strategie zu Ende geht, müssen wir die Aufmerksamkeit insbesondere auf die externe Dimension richten. Dabei möchte ich insbesondere auf drei Aspekte eingehen.

Erstens, mit der Energie, ihrer Versorgung und ihrer hinreichenden Verfügbarkeit, steht und fällt

die Stärke der Gesellschaften in einem globalen, vom Wettbewerb geprägten Umfeld. Die Situation in Europa scheint in dieser Hinsicht nicht gerade angenehm zu sein. Der Verlust an Energieautarkie ist eine ernste Herausforderung für die EU. Bereits heute importieren wir die Hälfte unserer Energie aus Ländern außerhalb der EU, und Prognosen zufolge wird die Abhängigkeit von Importen zunehmen. Über entschlossene Anstrengungen zur Steigerung der Energieautarkie hinaus brauchen wir eine starke Außenpolitik im Bereich der Energie, eine gemeinsame Stimme, Solidarität und Importsicherheit.

Das zweite zentrale Thema ist der Klimawandel, ein globales Phänomen, das weltweit negative Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft hat, und für das globale Lösungen gefunden werden müssen. Einseitige Maßnahmen verfälschen den Wettbewerb und führen zu Kohlenstofflecks. In Verbindung mit der Globalisierung rücken folgende Hypothesen in den Vordergrund: die Unvermeidlichkeit eines globalen Systems des Emissionshandels, die zwingende Verpflichtung aller industrialisierten Länder und aufstrebenden Volkswirtschaften, sich dem System anzuschließen, und die Beseitigung von Schranken für den Zugang zum Markt für saubere Technologien.

Drittens, die EU sollte sich stets der Genialität Schumanns bewusst sein, dass nämlich in unserer Erfolgsgeschichte die Wirtschaft dazu da ist, unseren gemeinsamen Zielen, dem Wohl des Menschen, dem Frieden und der Stabilität zu dienen. Unsere kulturelle Tradition ist für uns Verpflichtung, uns für eine humanere Welt, die die Menschenrechte achtet, einzusetzen. Nur dann kann die Globalisierung im Interesse aller sein. Nur dann werden wir verhindern, dass uns die Welt aus den Händen gleitet.

 
  
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  Panayiotis Demetriou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Die Bürger Europas scheinen das historische Phänomen der Globalisierung eher mit Skepsis zu betrachten – viele von ihnen gar mit Angst und einer vollkommen negativen Einstellung. Das hängt mit der Revolution der Weltwirtschaft und dem sozialen Gefüge Europas zusammen. Vorurteile, Angst und vor allem Untätigkeit und passive Beobachtung von Entwicklungen sind jedoch keine Art, mit der neuen Ordnung der Weltbühne umzugehen. Die Situation lässt sich nicht rückgängig machen. Die Globalisierung wird bleiben, ganz gleich, ob uns das gefällt oder nicht. Das große „globale Dorf“, wie Präsident Barroso sagte, wird gebaut.

Die EU muss Europas Interessen schützen. Daher muss sie methodisch, planerisch, kollektiv und dynamisch in den Globalisierungsprozess einbezogen werden, um in dem neuen Weltsystem geeignete Verfahrensregeln zu erarbeiten. Die EU muss vorankommen. Sie muss sich natürlich für das Wohlbefinden der Bürger Europas, aber auch der Bürger der Welt einsetzen. Als ein auf Prinzipien und Werten beruhendes Bündnis muss die Union ihrem im Dienste des Menschen stehenden Wesen einen Ehrenplatz zuweisen und es international fördern. Sie muss den wirtschaftlichen Wettbewerb in wahren Wetteifer umwandeln, um dadurch Freiheit, Demokratie, den Grundsatz rechtmäßigen Handelns, soziale Gerechtigkeit, Achtung der Menschenrechte, Umweltschutz und das friedliche Zusammenleben von Nationen und einzelnen Menschen zu fördern. Das ist die Rolle, die die EU im Globalisierungsprozess spielen kann und spielen muss.

 
  
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  Marianne Thyssen (PPE-DE). - (NL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Aussprache kommt nicht zu früh. Die Globalisierung ist eine Tatsache. Jede Generation hat ihre eigenen Herausforderungen, heißt es. Nun, unsere Herausforderung besteht darin, so gut wir es können auf die neuen Umstände zu reagieren, die die Globalisierung mit sich bringt.

Die beste Reaktion ist natürlich, der Globalisierung keinen Widerstand zu leisten – wie einige dies immer noch von uns verlangen. Wir können und wollen das nicht. Es wäre für uns in Europa in jedem Fall besonders kontraproduktiv, da wir mehr als andere von Rohstoffen, Energie, Märkten für den Verkauf unserer Erzeugnisse und, angesichts unserer alternden Bevölkerung, auch von Arbeitskräften abhängen.

Unsere Antwort muss darin bestehen, mit der Globalisierung mitzugehen und sie besser zu gestalten. Dies bedeutet, Abkommen schließen und internationale Regeln festlegen. Als Europa sind wir für den Abschluss innergemeinschaftlicher Abkommen gut ausgebildet. Wir sollten daher diese Erfahrung nutzen, um auf internationaler Ebene stärker die Führung zu übernehmen.

Dies, Frau Präsidentin, sollten wir mit dem nötigen Selbstvertrauen und angeregt von den Werten tun, die auch unsere Maßnahmen innerhalb der EU bestimmen, die Werte, die wir im Reformvertrag und in der Charta der Grundrechte so gut zum Ausdruck gebracht haben.

Meine Damen und Herren, die Versicherung von gestern, der Schwerpunkt des Arbeits- und Legislativprogramms der Kommission für 2008 liege auf dem Wunsch, mit der Globalisierung besser umzugehen, ist ein gutes Zeichen. Ein Zeichen, dass es ernst gemeint ist. Die Tatsache, dass das Thema Globalisierung auch beim informellen Gipfeltreffen von Lissabon erörtert wurde, zeigt, dass die Lissabon-Strategie eine neue externe Dimension braucht.

Als Koordinatorin der Fraktion für die Lissabon-Strategie möchte ich betonen, dass diese Strategie uns wach gerüttelt hat. Nach und nach, stoßweise kommen wir nun voran. Der erste Dreijahreszyklus nach der Halbzeitüberprüfung ist fast zu Ende, und vielleicht ist eine neue Anpassung nötig. Ich möchte vorschlagen, Frau Präsidentin, dass wir uns von nun an weniger auf Zielvorgaben, Prozentzahlen und Statistiken konzentrieren und mehr auf echte Zielsetzungen: Innovation, ein gutes Unternehmensklima, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum sowie mehr und bessere Arbeitsplätze.

Letztlich müssen wir auf ein Ziel hin arbeiten, das wir hoffentlich alle gemeinsam haben, nämlich gute Chancen für eine angemessene Lebensqualität möglichst vieler Menschen.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE).(CS) Wie Europa in der Vergangenheit mit der Moderne zurechtgekommen war, ist zu bewundern, doch in Anbetracht der Globalisierung wissen wir nicht, wie wir eine geeignete Strategie finden können, die Europa in die Lage versetzen würde, eine Schlüsselrolle zu spielen. Der erste Schritt bei dieser Suche besteht in der Einsicht, dass der Lissabon-Strategie eine außenpolitische Dimension fehlt und dass sie Teil einer komplexeren wirtschaftlichen und sozialen Strategie werden muss. Eine solche Strategie müsste den Konflikt zwischen der stark regulierten europäischen Wirtschaft und dem liberalisierten Welthandel genau herausarbeiten und uns ein Instrument zur Minimierung dieses Konflikts, der Europa weniger wettbewerbsfähig macht, an die Hand geben.

Die zwei Gründe, die die Regulierung innerhalb eines gemeinsamen Wirtschaftsraums rechtfertigen, sind lauterer Wettbewerb und ein hohes Verbraucherschutzniveau. Beide Gründe werden allerdings zunehmend durch Unmengen von Billigwaren aus Drittländern und gefälschten Artikeln unterwandert. Wir stehen vor beängstigenden Aufgaben, wie zum Beispiel der Kontrolle des gigantischen Volumens von Importwaren, die die europäischen Sicherheitsstandards nicht erfüllen.

Der Kernpunkt unserer komplexen Strategie muss das Bemühen um die Annäherung der ordnungspolitischen Mechanismen sein, mit anderen Worten die Schaffung globaler Richtlinien und Normen, und zwar nicht nur im technischen Bereich, sondern im Bereich der Ökologie, des Sozialen und der Sicherheit. Eine Möglichkeit, diesen Prozess zu unterstützen, besteht darin, beharrlich die Einhaltung der Menschenrechte in Drittländern zu verlangen. Die Redefreiheit ermöglicht es den Bürgern dieser Länder, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern, und das wiederum trägt zur Konvergenz von der anderen Seite aus bei.

Unsere neue Energiepolitik ist eine gute Antwort auf die Problematik der Globalisierung und geht mit gutem Beispiel voran. Wir müssen jedoch auch andere Politikbereiche überprüfen, die nach und nach Teil einer adäquaten, komplexen Strategie für den Umgang mit der Globalisierung werden sollten. Von Relikten wie beispielsweise der Agrarpolitik müssen wir uns trennen.

Wenn wir ein wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne bleiben wollen, dürfen wir nicht nur reagieren: Wir müssen aktiv an der Schaffung von Regeln für die globale Konvergenz sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU mitarbeiten. Europa muss sich etwas verändern. Sollte es dies nicht tun, erwartet uns das Schicksal des gekochten Froschs: Das Wasser wird ganz allmählich zum Kochen gebracht, und dann ist es zu spät, um aus dem Topf zu springen.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). - Frau Präsidentin! Europa sei gut auf die Globalisierung vorbereitet, sagte mein Vorredner, Alexander Radwan. Doch die Globalisierung neuen Zuschnitts läuft doch jetzt schon seit achtzehn Jahren! Und wir gleiten direkt von der Globalisierungsfalle – das „war“ und „wurde“, dieses Zurückdrängen des breiten Massenwohlstands und der Angriff auf die Demokratie – in die Europafalle, weil der Sündenfall der Politik seinerzeit das Scheitern eines vernünftigen Vertrags in Nizza war. Dort wurde vorschnell erweitert statt vertieft.

Darum sind jetzt der Kern des Problems die Bürokratie, die Milliardenverschwendung und – jawohl – auch die falsche politische Rekrutierung von Eliten in Europa. Gerade Sie, Herr Kommissar Verheugen, sind ja ein Beispiel dafür. Die unsäglichen persönlichen Angriffe gegen Sie starteten, als Sie versucht haben, die Bürokratie unter Kontrolle zu bringen. Jetzt gibt es einen neuen, dem man wieder am Sessel sägt, wir werden sehen, was der mit der Bürokratie zuwege bringt.

Das wird so nicht funktionieren! Wenn uns das nicht gelingt, wird die politische Handlungsfähigkeit der Union weiter lahmliegen, und wir werden an den Herausforderungen der Globalisierung scheitern.

 
  
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  Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Frau Präsidentin, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Das war wirklich eine lange und ausführliche Aussprache, und von allen Aussprachen, an denen ich hier im Namen der Präsidentschaft teilgenommen habe, war diese die mit der längsten Teilnehmerliste und den meisten Abgeordneten, die ihre Meinung kundgetan haben. Hierbei handelt es sich definitiv um eine topaktuelle Frage von großer Bedeutung, aber lassen Sie uns ganz klar festhalten, dass es auch eine schwierige und kontroverse Frage ist, die zu einer Vielzahl von Stellungnahmen, Analysen und Kommentaren geführt hat. Ich würde als gemeinsame Schlussfolgerung festhalten, dass die Globalisierung gekommen ist, um zu bleiben und sich in vielerlei Hinsicht zu entwickeln und zu manifestieren.

Es führt kein Weg zurück. Es ist nicht möglich, rückwärts zu gehen. Wir können die Geschichte nicht rückgängig machen. Die Globalisierung selbst ist das Ergebnis unseres Wegs in die Zukunft. Bei allem, was wir tun, analysieren und entscheiden müssen, geht es natürlich um die Frage, wie wir das Beste aus der Globalisierung machen und den größten Nutzen daraus ziehen, während wir gleichzeitig alle mit ihr verbundenen bekannten Risiken senken oder ausräumen und immer im Hinterkopf behalten – das ist für mich sehr wichtig –, dass Globalisierung der Menschheit und den Bürgern dienen muss, und nicht umgekehrt. Nicht die Menschheit, die Bürger oder die Menschen müssen der Globalisierung dienen.

Es besteht ferner wenig Zweifel daran, dass, wenn wir in Europa das Beste aus dem, was die Globalisierung zu bieten hat, machen und Vorteile daraus ziehen wollen, wir unsere Unternehmen, ganz gleich ob große oder kleine und mittlere Unternehmen, mit den Instrumenten und Verfahren ausstatten müssen, die es ihnen ermöglichen, den Herausforderungen der wirtschaftlichen Globalisierung zu begegnen. Wir müssen die Qualifikationen anheben und europäische Bürger schulen und darüber hinaus unser Sozialmodell reformieren. Dabei geht es nicht darum, dieses Modell zu verkleinern oder zu schwächen, ganz im Gegenteil. Wir müssen es stärken und so anpassen, dass es den Herausforderungen und Bedrohungen der Globalisierung erfolgreich begegnen kann. Im Bereich Umwelt gilt es zu erkennen, dass die Europäische Union bewiesen hat, dass sie die Umwelt schützt. Und sie hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, den Weg in die Zukunft auf eine Art zu weisen, wie es kein anderer regionaler Zusammenschluss in der Welt getan hat. Die Verhandlungen, die im Dezember in Bali aufgenommen werden, werden das klar zeigen.

Abschließend muss ich auch auf die „außenpolitische Dimension“ der Lissabon-Strategie zu sprechen kommen, die so eng mit der Globalisierung zusammenhängt. Die Idee ist, andere einzuladen, die diesen Weg mit uns gehen und diese Schwierigkeiten und Herausforderungen der Globalisierung mit uns gemein haben, auch wirtschaftliche, soziale und ökologische Werte und Grundsätze mit uns zu teilen, und natürlich klarzustellen, dass die Globalisierung nur dann für jeden ein Erfolg sein wird, wenn wir uns auf eine soziale, wirtschaftliche und ökologische Welt einigen, die für und zugunsten aller reguliert wird. Das ist grundlegend. Lassen Sie uns nicht naiv sein, meine Damen und Herren. Wir sind der Auffassung, dass wir, wie ich bereits gesagt habe, mit solider Politik, festen Grundsätzen und festen Werten erreichen können, was eines unserer grundlegenden Ziele ist – die Globalisierung in den Dienste der Menschheit zu stellen.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitteilung der Kommission über das europäische Interesse, die die Grundlage für die heutige Debatte war, ist nichts anderes als eine Art Impulsreferat. Das ist nicht der Lissabon-Plan für die nächsten drei Jahre. Das ist ein Dokument, mit dem die Diskussion im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament angeregt werden sollte, damit die Kommission die Ergebnisse dieser Diskussion einbeziehen kann in die Vorschläge, die für den nächsten Lissabon-Zyklus gemacht werden. Diese Vorschläge werden erst im Dezember gemacht. Sie liegen heute nicht auf dem Tisch, und deshalb sind die Damen und Herren Abgeordneten, die die Kommission kritisiert haben, sie hätte keine konkreten Vorschläge vorgelegt, einem Irrtum erlegen.

Darum ging es heute nicht. Es ging heute für die Kommission darum, zu erfahren, was Sie, die Vertreter der europäischen Wählerinnen und Wähler der Kommission auf den Weg zu geben haben für die Formulierung dessen. Und da möchte ich gerne positiv auf vieles, was hier gesagt worden ist, reagieren.

Die Leitlinien werden das zentrale Instrument des neuen Lissabon-Pakets bleiben. Der Präsident hat auch klargemacht: Das Instrument hat sich bewährt, und das Instrument als solches werden wir nicht verändern, aber es wird selbstverständlich so gefasst sein, dass es uns erlaubt ist, die Erfahrungen der letzten drei Jahre in angemessener Weise zu berücksichtigen und die Themen, die in den letzten drei Jahren stärker in den Vordergrund getreten sind, auch mit mehr Gewicht zu behandeln.

Ich möchte einige Beispiele dafür nennen: Wir werden mehr Gewicht auf die Verbindung der Themen Wettbewerbsfähigkeit, Energie und Umwelt legen müssen. Das ist heute in dieser Debatte mehrfach gefordert worden. Das ist vollkommen richtig. Es muss Schluss sein mit den isolierten Politiken. Wir brauchen einen vollständig integrierten Ansatz. Wir müssen mehr Wert legen auf die Herausarbeitung konkreter Vorschläge, wie wir den globalen Wettbewerb, den wir ja wollen, zu gleichen und fairen Bedingungen herstellen, also die externe Dimension der Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen sehr viel mehr Wert legen auf die Frage, wie der Strukturwandel sozial begleitet wird. Und das schien mir heute in der Debatte quer durch alle Fraktionen die ganz große Frage zu sein. Sie ist ja auch berechtigt.

Lassen Sie mich dazu etwas sagen. Ich halte es für eine falsche Sicht, Investitionen in soziale Stabilität und soziale Sicherheit als Geschenke, als Wohltaten hinzustellen. Sie sind im Gegenteil auch Investitionen in die ökonomische Leistungsfähigkeit. Denn es ist doch ganz eindeutig, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas davon bestimmt ist, dass wir eine hochmotivierte, hochleistungsfähige Arbeitnehmerschaft haben, und die haben wir deshalb, weil wir ein hohes Lohnniveau und ein hohes Niveau an sozialer Sicherheit haben.

Es ist nicht so, dass wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte im Gegensatz zueinander stehen, sondern es ist vollkommen so, wie es heute mehrfach gesagt wurde, dass diese beiden Dinge einander ergänzen und bedingen. Ich halte das für einen sehr wichtigen Gesichtspunkt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass allein schon vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir in immer mehr Regionen und Sektoren einen Mangel an ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften haben, die Frage nach der Beschäftigungsfähigkeit viel schärfer gestellt werden muss als bisher. Also ich denke, da sind wir uns in weiten Teilen einig.

Ich möchte aber gerne auch noch darauf hinweisen, dass auch die Kommission der Auffassung ist, dass die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die wir in jüngster Zeit erlebt haben, Anlass zu internationaler, multilateraler Handlung sein müssen. Das kann man nicht einfach so laufen lassen, denn es ist so, wie gesagt worden ist: Es handelt sich um einen eingebauten, strukturellen Defekt des internationalen Finanzsystems. Es handelt sich nicht um individuelles Versagen der Manager, die jetzt mit Abfindungen von zwischen 100 und 200 Millionen Dollar in die Wüste geschickt werden, sondern es ist ein struktureller Defekt.

Ich möchte noch drei ganz kurze Bemerkungen machen zu der großen Debatte, die heute hier zum Thema Globalisierung stattgefunden hat. Erstens: Es ist in dieser Debatte so schwer, eine gemeinsame europäische Politik zu finden, weil es keine Einigung darüber gibt, was eigentlich das europäische Interesse ist. In unserer täglichen Arbeit sind wir nämlich ständig konfrontiert mit einer ganz unterschiedlichen Definition des europäischen Interesses. Je nachdem, wie die Lage gerade ist, ist das europäische Interesse niedrige Preise im Supermarkt des einen Mitgliedslandes oder ein hohes Beschäftigungsniveau in der Industrie eines anderen Landes. Und das ist ein Gegensatz, den man nicht so ohne weiteres auflösen kann. Oder ein hohes Beschäftigungsniveau in der Stahlindustrie in Lüttich — ein ganz aktuelles Beispiel — oder ein hohes Niveau bei den Umweltstandards im europäischen Emissionshandel. Wir stehen ständig vor diesen Konflikten, und es gibt keine einheitliche Linie zwischen 27 Mitgliedstaaten in der Frage, was hier das europäische Interesse ist.

Zweitens: Wir können nicht so handeln, dass wir sagen: Globalisierung war so lange gut, wie sie in der Beherrschung der armen Länder des Südens durch die reichen Länder des Nordens bestand. So lange war sie gut. Und die Globalisierung ist schlecht, wo die Länder des Südens zu Wettbewerbern werden. Das geht nicht. Und was auch nicht geht, ist, mit der Forderung nach hohen ökologischen und sozialen Standards an die sich entwickelnden Regionen heranzutreten, selber aber nicht bereit zu sein, die eigene Politik zu ändern.

Was ich heute in Europa höre, ist, China, Indien, die müssen ihre ökologischen und sozialen Standards ändern. Das ist ja richtig, aber die Chinesen und die Inder empfinden das als reinen europäischen Protektionismus, denn wir haben unseren Wohlstand begründet, indem wir niedrigere soziale Standards und niedrigere ökologische Standards benutzten, und jetzt sagen wir den anderen, wir wollen das behalten, was wir haben, aber Ihr dürft es nicht kriegen.

Diese Politik, meine Damen und Herren, ist zum Scheitern verurteilt. Ich sage Ihnen das. Das einzige, was funktioniert, ist, wir müssen diesen sich entwickelnden Volkswirtschaften demonstrieren, dass ein anderer Weg möglich ist. Dass es möglich ist, die ökologische und soziale Herausforderung in eine ökonomische Chance zu verwandeln. Deshalb ökologische Industriepolitik.

Über diesen Punkt, glaube ich, sind wir uns weitgehend einig, und vor dem Hintergrund dessen wird die Kommission jetzt intensiv daran arbeiten, die Vorschläge für den nächsten Lissabon-Zyklus auf den Tisch zu legen. Sie werden dann im März vom Frühjahrsrat behandelt, so dass das Europäische Parlament ausreichend Gelegenheit hat, vor der abschließenden Beschlussfassung im März nächsten Jahres seine Meinung zu den konkreten Aktionen und den konkreten Vorschlägen zu sagen.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. – Danke für die Zusammenfassung, Herr Kommissar.

Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sieben Entschließungsanträge eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12 Uhr statt.

(Gekürzt gemäß Artikel 142 der Geschäftsordnung)

 
  
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  Edit Herczog (PSE), schriftlich. (HU) Herr Präsident, Rat, Kommission, meine Damen und Herren! Als Folge der Globalisierung werden mehr und mehr Länder demokratisch und gehen zum freien Welthandel über. Das zeigt den Erfolg der Politik des Friedens und der Demokratie, die Europa seit einem halben Jahrhundert verfolgt. Auf der anderen Seite ist die Tatsache, dass einige Länder mitunter Vorteile aus dem internationalen Handel ziehen, weil sie illegale Instrumente nutzen, ein Zeichen dafür, dass der Übergang zur Verfassungsmäßigkeit allmählich erfolgt und nicht sofort perfekt ist. Aus eben diesem Grund sollte Europa weiterhin die Förderung und die Stärkung der Demokratie als Ziel verfolgen.

Wie erfolgreich wir im daraus entstehenden globalen Wettbewerb sind, hängt von uns ab. Als Verfasserin des Berichts über die Globalisierung weiß ich, dass wir die Herausforderungen erkannt haben, und dass es nun an der Zeit ist, zu handeln.

Wir müssen daran denken, dass unser heutiger Wohlstand unseren Enkelkindern erhalten bleiben muss, und zwar so, dass die anderen Völker der Welt sich unterdessen auch in diese Richtung entwickeln können. Werden sie die Kraft haben? Werden sie eine bewohnbare Umwelt haben? Darum geht es bei der europäischen Energiepolitik und dem Aufbau einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.

Wir müssen sicherstellen, dass jeder in Europa, unabhängig von seiner Herkunft und seiner Situation, und jedes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe und seinem Sitz, all seine Kräfte und besten Fähigkeiten entwickeln kann. Darum geht es, wenn wir über gleiche Möglichkeiten, den Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft, Innovationspolitik und die neue europäische Politik für KMU sprechen.

Wir müssen in das digitale Zeitalter eintreten und dazu alle Bereiche und jeden digital integrieren.

Kurz gesagt, wir verfügen bereits über alle Instrumente, wir müssen nur diesen Schritt tun. Lassen Sie uns an die Arbeit gehen!

 
  
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  Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Globalisierung ist ein nicht aufzuhaltender Prozess. Der Erfolg der Europäischen Union bei dieser Globalisierung ist nicht vorherbestimmt. Für einige ist die Lissabon-Strategie, wie sie bisher umgesetzt wurde, kein Erfolgsrezept. In der Tat handelt es sich nur um eine Strategie auf dem Papier, und selbst auf halbem Wege, 2005, war klar, dass das Hauptziel, nämlich das Rennen gegen die USA in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, nicht erreicht wurde.

Zwischenzeitlich sind andere Herausforderungen in Form des wirtschaftlichen Angriffs aus China, Indien oder anderen asiatischen Ländern hinzugekommen. Bisher hat die Vielzahl spürbarer Ziele die Tatsache verdeckt, dass es am politischen Mut, auf nationaler Ebene Strukturreformen durchzuführen, mangelt. Das ist aber die Ebene, auf der über ein möglicherweise innovatives und dynamisches Europa entschieden wird. Aufgrund dieses fehlenden Mutes sucht die Europäische Union nach Ersatzlösungen, indem sie beispielsweise ihre Hoffnungen auf eine radikale Änderung des gemeinschaftlichen Haushalts setzt, d. h. auf zunehmende öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Das reicht nicht, wenn es nicht Hand in Hand mit der Fähigkeit einhergeht, mit Unterstützung innovativer Unternehmen aus dem privaten Finanzsektor auch Risiken gemeinsam auf sich zu nehmen.

Eine Lösung in Form des Europäischen Technologieinstituts zeigt, dass der Trend in Richtung institutionelle Lösungen geht, während der Fonds zur Anpassung an die Globalisierung ein Zeichen für das Ausmaß der übertriebenen europäischen Sorgen ist. Die passende Antwort auf die schweren Aufgaben der Globalisierung liegt in der vollständigen Marktliberalisierung und in einer mutigen Reform des europäischen Sozialmodells.

 
  
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  Joseph Muscat (PSE), schriftlich. – (EN) Um im Zeitalter der Globalisierung Erfolg zu haben muss die Europäische Union eine europäische Politik für ausländische Direktinvestitionen erarbeiten.

Wir brauchen eine Politik für folgende Bereiche:

- Eingehende ausländische Direktinvestitionen, das sind Direktinvestitionen in der Europäischen Union mit Ursprung außerhalb der EU;

- Ausgehende ausländische Direktinvestitionen, das sind Direktinvestitionen in Drittländern mit Ursprung in der Europäischen Union

- Interne ausländische Direktinvestitionen, das sind Direktinvestitionen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Ursprung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Es stimmt, dass wir über Elemente einer solchen Politik verfügen, wie beispielsweise das Siebte Rahmenprogramm, das die Voraussetzungen schafft, um Investoren in den Bereichen Forschung und Entwicklung anzulocken.

Doch das ist nur ein Teil der Geschichte, wenn auch ein wichtiger.

Fakten und Zahlen verdeutlichen die immense Rolle, die ausländische Direktinvestitionen in der Weltwirtschaft von heute spielen bzw. den Stellenwert, den Europas ausländische Direktinvestitionen im Vergleich zur übrigen Welt haben.

Aus diesen Angaben geht hervor, dass wir zur Untersetzung der Lissabonner Ziele eine übergeordnete europäische Politik für ausländische Direktinvestitionen brauchen, um die Vorzüge ausländischer Direktinvestitionen für unsere Menschen maximal zu nutzen.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Heutzutage sehen die Europäer ganz und gar nichts Ungewöhnliches darin, mit dem Rucksack durch Lateinamerika zu reisen, mit Freunden in Afrika online zu chatten und CDs in den USA zu bestellen. Durch die Globalisierung ist die Welt geschrumpft. Vor allem die junge Generation sieht in Europa den eigenen Hinterhof und in der Welt nicht mehr als die Heimatstadt.

Trotzdem haftet dem Begriff der Globalisierung etwas Negatives an. Von vielen wird befürchtet, dass aufgrund der Globalisierung Länder mit niedrigen Lohnkosten Europa die Arbeitsplätze wegnehmen werden.

Es ist eine der wichtigen Aufgaben der EU, diese Ansichten zu ändern. Und das tut sie, indem sie nachweist, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam stark genug sind, um die Globalisierung nicht nur zu überleben, sondern sogar von ihr zu profitieren. Wie in der Erklärung festgestellt wird, ist Europa der weltgrößte Exporteur von Waren und Dienstleistungen und die zweitgrößte Destination ausländischer Direktinvestitionen. Bezüglich der Beschäftigung kann festgestellt werden, dass 2006 insgesamt 3,5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen wurden!

Sicher, vieles muss noch verbessert werden: Europas Innovationspolitik könnte einige Impulse gut vertragen, die globalen Märkte bedürfen der Regulierung, und die Verhinderung des Klimawandels sollte nicht nur das Problem der Europäer sein. Dennoch steht für mich außer Zweifel, dass die EU die Prüfung, die die Globalisierung darstellt, mit fliegenden Fahnen bestehen wird.

 
  
  

VORSITZ: EDWARD MCMILLAN-SCOTT
Vizepräsident

 
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