2. Das europäische Interesse: Erfolg im Zeitalter der Globalisierung (Aussprache)
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wenigstens zwei Fraktionsvorsitzende da sind, den einen hätte ich jetzt fast übersehen, aber er schreitet gerade geschwind zu seinem Platz.
Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über das europäische Interesse: Erfolg im Zeitalter der Globalisierung.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Globalisierung ist nicht einfach nur ein Phänomen, das mit Blick auf seine wirtschaftlichen und technologischen Folgen zu betrachten ist. Für Sie, meine Damen und Herren, für die Mitglieder des Rates der Europäischen Union und in der Tat für alle von uns handelt es sich um ein im Wesentlichen politisches Problem. Es geht dabei um Menschen, die ihre Arbeit verlieren, Regionen in Krisen, sich auflösende Wirtschaftsbereiche und neue Gefahren für Sicherheit und Umwelt, aber es bedeutet auch, neue Arbeitsangebote, neue Produktionssektoren und niedrigere Preise für eine große Bandbreite von Produkten, was eine bessere Aufteilung der finanziellen Mittel und ein Wachstum des Handels mit Waren und Dienstleistungen ermöglicht.
Die Globalisierung hat zu einem beispiellosen Austausch von Ideen und Kontakten zwischen den Menschen geführt. Die Aussichten auf eine sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Bereicherung sind riesig, aber die Risiken, die die verschiedenen Formen eines neuen globalen Ungleichgewichts bergen, sind es auch. Wir sehen uns mit der Herausforderung konfrontiert, diesen neuen und zunehmend fließenden Wechselbeziehungen in einer immer kleineren Welt eine Form zu verleihen. Die Hauptaufgabe unserer Demokratien und eines jeden wirksamen Demokratiekonzepts besteht in erster Linie darin, die Globalisierung zu bewältigen und zu regulieren: Wird es uns gelingen, die politische Kontrolle über die grundlegenden Optionen der wirtschaftlichen Ordnungspolitik und so vieler anderer Aspekte unseres Lebens in den Händen unserer Menschen und unserer gewählten Vertreter zu halten?
Ich bin der festen Auffassung, dass wir Europäer in vielen wichtigen Bereichen nur dann effektiv sein können, wenn es uns gelingt, neue gemeinsame politische Lösungen für die wichtigsten Probleme unserer Zeit, wie beispielsweise Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen, Umweltschutz, Energie, Migration und die Bekämpfung des Terrorismus, zu finden.
Die Europäische Union hat die Bereiche ihrer Innenpolitik aktualisiert, um Wettbewerbsfähigkeit und eine faire und nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Wirtschaftliche Reformen sollten sich an der Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Achtung der Umwelt orientieren. Investitionen in Forschung, Innovation und Bildung müssen der Motor für Wachstum und Beschäftigung sein. Wir sind ja nicht allein und es wäre unverantwortlich, sich nach innen zu richten, in der Überzeugung, dass Eigeninteresse effektiv sein kann. Diese neue Welt hat keine wirksamen Mauern oder Festungen. Wir müssen gemeinsam mit anderen Ländern und Regionen an Ergebnissen arbeiten, die für jeden positiv sind.
Stabilität, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand werden nur dann beständig und von Dauer sein, wenn wir sie teilen. Das ist die Berufung Europas. Wir müssen die Globalisierung unseren Prinzipien und Werten entsprechend gestalten, mit dem Blick nach außen und in alle Richtungen gerichtet, wie wir es in den Sternstunden unserer gemeinsamen Geschichte getan haben.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben mit ihrer Zusammenarbeit gezeigt, dass sie gemeinsame Probleme und Herausforderungen angehen können, indem sie sich ihre 50jährige Integrationserfahrung zu Nutze machen. Der neue Vertrag von Lissabon bietet wirksamere und transparentere institutionelle Bedingungen für die EU, damit diese ihre Rolle in der Welt ausfüllen kann. Die Herausforderung besteht darin, die Errungenschaften der Zeit zu erhalten und zu stärken sowie Wege zu finden, wie wir unsere Interessen verteidigen und unsere gemeinsamen Werte über die Grenzen hinaus verbreiten können.
Die erneuerte Lissabon-Strategie bietet Europa einen Rahmen, um diese Herausforderung anzugehen. Die Einführung eines neuen Politikgestaltungszyklus ist für uns eine Gelegenheit, über den Weg, den wir einschlagen wollen, nachzudenken. Die heute zu diskutierende Mitteilung der Kommission ist ein hervorragender Ausgangspunkt für die Aussprache und legt die Grundlage für Debatten zwischen den Staats- und Regierungschefs auf dem informellen Treffen in Lissabon am 19. Oktober. Unsere Arbeit im Rat basiert auf diesem Dokument und ist der Versuch, ein Textpaket zu definieren, das zur Vorbereitung des nächsten Zyklus der Lissabon-Strategie beitragen soll.
Der ECOFIN-Rat hat in dieser Woche Beschlüsse angenommen, der Rat Wettbewerbsfähigkeit wird am 22. November ebenfalls einige Dokumente verabschieden und der Rat für Beschäftigung plant, am 5. und 6. Dezember die Beschlüsse zur Zukunft der Europäischen Beschäftigungsstrategie im Zusammenhang mit dem nächsten Zyklus der Lissabon-Strategie anzunehmen. Andere Gremien des Rates haben ebenfalls Fragen in Angriff genommen, die die Vorbereitung des neuen Zyklus betreffen. Ich kann bestätigen, dass wir im Wesentlichen mit der Kommission übereinstimmen: Die erneuerte Lissabon-Strategie muss weiterhin der geeignete Rahmen für Europas Reaktion auf die wichtigsten, vor uns liegenden Herausforderungen und insbesondere auf die Globalisierung sein. Europa macht bedeutende Fortschritte. Die in den vier, 2006 ausgewählten vorrangigen Bereichen Beschäftigung, Wissen und Innovation, Unternehmensumfeld und Energie und Klimawandel erklärten Ziele sind noch immer aktuell.
Die Hauptlinien des neuen Zyklus müssen die für die Konsolidierung der Ergebnisse erforderliche Stabilität wahren. Zudem ist es wichtig, gleichzeitig Anpassungen und Verbesserungen vorzunehmen, damit das Potenzial der erneuerten Lissabon-Strategie vollständig ausgeschöpft werden kann. Unsere Priorität muss darin liegen, das Tempo der Reformen zu beschleunigen, um unsere Wirtschaften zu stärken, indem wir uns die Vorteile der Eigendynamik zu Nutze machen, zu der der bereits erzielte Fortschritt geführt hat.
Die EU trägt weltweit Verantwortung und muss mithilfe eines strategischen, kohärenten und entschlossenen Konzepts auf globaler Ebene besser auf die Globalisierung vorbereitet sein. Wir müssen weiterhin mit aller Entschlossenheit Maßnahmen auf nationaler Ebene durchführen, die uns einen wirksameren Umgang mit den Problemen ermöglichen, die aus dem demografischen Wandel, der Qualität der öffentlichen Finanzen und deren langfristiger Nachhaltigkeit, dem Arbeitsmarkt, der Beschäftigung, dem sozialen Zusammenhalt, dem Binnenmarkt, der Wettbewerbsfähigkeit, der Forschung und Innovation, der Energie und dem Klimawandel sowie der Bildung und Ausbildung resultieren.
Zudem muss das Lissabon-Programm der Gemeinschaft im neuen Zyklus eine wichtige Rolle spielen, indem es wirksamere Garantien für die erforderliche Kohärenz der Reformen bietet. Das Parlament und die Eigenverantwortlichkeit des Rates müssen gestärkt und der Austausch guter Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten muss ausgebaut werden. Migration muss im Zusammenhang mit der Globalisierung eine wichtige Rolle spielen, weil sie zur Steigerung des Wachstumspotenzials beiträgt und Anpassungen erleichtert. Einem jüngsten Bericht über die Auswirkungen der Situation auf die Mobilität von Arbeitskräften zufolge, der dem Rat in dieser Woche vorgelegt wurde, wird das demografische Wachstum der EU zunehmend von Migrationsströmen unterstützt. Zu berücksichtigen ist, wie entschieden sie zu einer Steigerung der Flexibilität beitragen, die zur Bewältigung von Krisen und zum Ausgleich einer geringeren Mobilität innerhalb von Regionen erforderlich ist.
In diesem globalisierten Kontext muss die außenpolitische Dimension der Lissabon-Strategie gestärkt und entwickelt werden, indem die politischen und wirtschaftlichen Ziele und die sozialen und ökologischen Normen über ihre Grenzen hinaus getragen werden. Wie Sie wissen, war das der Punkt, der bei den Gesprächen der Staats- und Regierungschefs auf dem informellen Treffen in Lissabon, wo wir insbesondere Fragen zur Instabilität des Finanzmarktes und zum Klimawandel entwickelt haben, angesprochen wurde. Diese interessante und anregende politische Aussprache, an der der Präsident dieses Hauses ebenfalls teilgenommen hat, hat unser Vertrauen in die Zukunft gestärkt.
Wie der portugiesische Premierminister José Sócrates hier bereits betont hat, hat Europa die Pflicht, den Globalisierungsprozess anzuführen. Es ist dazu in der Lage, wobei es Vorteile aus den neuen Möglichkeiten ziehen kann – auch im Bereich der Ideen und des kulturellen Austauschs. Durch die Stärkung der Beziehungen zwischen den Völkern und der Wechselbeziehungen zwischen den Nationen trägt die EU wesentlich zu Frieden und weltweiter Stabilität bei. Europa verfügt über die politischen und institutionellen Bedingungen, um beständig auf die Herausforderungen zu reagieren, die die Globalisierung in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt mit sich bringt, und kann von daher Einfluss auf den Globalisierungsprozess nehmen. Wir benötigen eine stärkere strategische Zusammenarbeit mit unseren Partnern, um eine neue globale Agenda zu entwickeln, die die gegenseitige Öffnung der Märkte, bessere Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales, Finanzen und geistiges Eigentum und die nötige Unterstützung der Leistungsfähigkeit der Institutionen in Entwicklungsländern kombiniert.
Wie der portugiesische Premierminister am Ende des informellen Treffens in Lissabon ebenfalls angekündigt hat, wird auf dem Europagipfel am 13. und 14. Dezember eine Erklärung zur Globalisierung verabschiedet werden. Das wird den Bürgern und der Welt die Entschlossenheit und das Engagement der führenden europäischen Länder zeigen, die Fähigkeit der EU anzuregen, Einfluss auf die Globalisierungsagenda zu nehmen und die richtigen Antworten zu finden.
Die vor uns liegenden Herausforderungen sind sowohl schwer als auch inspirierend und die portugiesische Präsidentschaft wird sich ihnen weiterhin verpflichtet fühlen. Wie immer zählen wir darauf, dass das Europäische Parlament die EU und einzelstaatliche, auf globaler Ebene abgestimmte Maßnahmen, durch die Europa seine Verantwortung im globalen Kontext übernehmen und die zukünftigen Herausforderungen erfolgreich bewältigen kann, unterstützt.
Wir neigen manchmal dazu zu vergessen, was Europa für so viele Menschen in dieser globalisierten Welt bedeutet. Die Bilder von Migranten, die an unseren Stränden angespült werden, erinnern uns auf schreckliche Weise an die Realität und daran, wie privilegiert wir hier in Europa sind, in einer Bastion der Hoffnung darauf, dass es möglich ist, ein Modell zu entwickeln, das basierend auf Partnerschaft, Zusammenarbeit und geteilter Verantwortung Frieden, Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz miteinander kombiniert.
Nicht nur unser Erfolg als Europäer steht auf dem Spiel. Das Motto unserer Präsidentschaft lautet, wie Sie wissen, „eine stärkere Union für eine bessere Welt“, und wir sind ehrlich der Auffassung, dass Europa beim Aufbau einer gerechteren und ausgewogeneren Welt eine bedeutende Rolle spielen muss.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. − (PT) Herr Präsident, Herr Staatssekretär für Europäische Angelegenheiten der Ratspräsidentschaft, meine Damen und Herren! Globalisierung ist für diese Generation Europäer das zentrale Thema. Sie berührt das Leben unserer Bürger auf die eine oder andere Weise, sodass es angemessen ist, sie auf der Europäischen Agenda ganz nach oben zu setzen.
Wie Sie wissen, bin ich persönlich davon überzeugt, dass die Europäische Agenda des 21. Jahrhunderts weitestgehend um das Thema Globalisierung organisiert werden muss, wobei die Werte und Prinzipien, die das europäische Projekt immer ausgemacht haben, natürlich gewahrt werden. Globalisierung muss jedoch auch als eine Chance für Europa verstanden werden, seine Interessen in dieser zunehmend von einander abhängenden Welt zu verteidigen und durchzusetzen. Daher freut es mich sehr, an der Aussprache über diese Frage im Europäischen Parlament teilnehmen zu können.
Wie der Herr Staatssekretär gerade gesagt hat, hat das Dokument der Kommission, das im vergangenen Monat über das europäische Interesse erstellt wurde, zu einer hervorragenden Aussprache auf dem informellen Ratstreffen in Lissabon geführt. Mich hat der anregende Konsens, der rund um unsere Ideen, wie auf die Globalisierung zu reagieren ist, gefunden wurde, besonders ermutigt. Ferner möchte ich der portugiesischen Präsidentschaft für ihre anhaltende Unterstützung dieser globalen Europäischen Agenda und die Notwendigkeit, die Lissabon-Strategie so zu gestalten, dass sie auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren kann, danken.
Wir unterstützen außerdem die Idee, auf dem Europäischen Rat im Dezember eine Erklärung über die Globalisierung abzugeben. Das wäre eine hervorragende Möglichkeit, diesen Konsens zu festigen, der auch hier im Europäischen Parlament gefördert werden muss, indem wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu einer solch wichtigen Frage entwerfen.
Die Europäische Union hat tatsächlich eine schrittweise und ehrliche europäische Antwort auf die Globalisierung entwickelt, die die Europäer dazu ermutigt, das Beste aus diesem Phänomen zu machen. Diese Antwort bestätigt die legitimen Sorgen jener, die mit dem Wandel konfrontiert sind, denn wir dürfen nicht vergessen, dass manche Menschen nachteilig betroffen sein werden. Auch für sie benötigen wir eine Antwort.
Ich bin der Auffassung, dass das europäische Interesse darin besteht, das richtige Gleichgewicht zu schaffen. Die Antwort darf keinesfalls beängstigend oder defätistisch sein, sondern muss auf Vertrauen basieren. In den letzten Monaten ist noch ein weiteres neues Interesse hinzugekommen: Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben offenbart, wie sehr die Gesundheit der europäischen Wirtschaft an globale Entwicklungen gekoppelt ist. Gleichzeitig haben extreme Klimabedingungen gezeigt, wie schwerwiegend die potenziellen Folgen des Klimawandels sind, und wie dringend eine Antwort auf dieses Problem gefunden werden muss. Wir sehen jeden Tag, dass Arbeitsplätze in Europa, Energie in Europa, die Gesundheit unserer Menschen und die Lebensqualität in ganz Europa von einer globalen Dimension berührt werden.
(EN) Herr Präsident! Meines Erachtens sollten wir von einem Standpunkt der Zuversicht ausgehen. Wir verfügen über Erfahrungen als bedeutendste Wirtschaft und wichtigster Exporteur der Welt. Wir haben innovative Wege zur Lösung neuer Probleme beschritten – ich denke dabei z. B. an den Emissionshandel –, und wir verfügen über einige ganz klare Grundregeln, mit denen wir bisher gut gefahren sind.
Erstens ist es unsere Pflicht, unsere Bürger zu schützen, ohne protektionistisch zu sein. Wir sollten unsere Politiken so ausrichten, dass andere denselben Weg wie wir einschlagen und sich öffnen. Wir sollten keine Türen zuschlagen; wir sollten vielmehr andere veranlassen, ihre Türen zu öffnen. Für Europa als wichtigsten Exporteur der Welt wäre Protektionismus ein aussichtsloses Unterfangen.
Zweitens sind wir zwar offen, aber nicht naiv. Das bedeutet, dass es nicht unsere Aufgabe ist, uns jenen gegenüber großzügig zu zeigen, die bestimmte Schlüsselprinzipien ignorieren. Das ist auch der Geist, der unseren jüngsten Vorschlägen zugrunde liegt, um zu gewährleisten, dass die Vorschriften für Investitionen im Energiebereich für Drittstaatsunternehmen gelten.
Drittens bietet ein regelbasiertes System zahlreiche Vorteile, und aufgrund ihrer Erfahrungen verfügt die Europäische Union über ausgezeichnete Voraussetzungen zur Schaffung einer guten Grundlage für die Regulierung auf globaler Ebene – eine konkrete Möglichkeit zur Gestaltung der Globalisierung. Seien wir doch ehrlich: Für offene Volkswirtschaften bedarf es einiger Regeln. Ohne Institutionen funktionieren Märkte nicht, und wir haben in der Europäischen Union mehr als jeder andere Erfahrungen bei der Zusammenführung unterschiedlicher Regeln, der Zusammenführung unterschiedlicher nationaler Erfahrungen gesammelt. Deshalb glaube ich wirklich, dass wir besser als jede andere Einrichtung in der Welt in der Lage sind, die Globalisierung zu gestalten, wobei wir unser Modell für diesen Globalisierungsabschnitt, in den wir jetzt eintreten, niemandem aufzwingen, sondern es nur vorschlagen wollen.
Wir verfügen außerdem über einige Instrumente, die uns helfen sollten, uns der Globalisierung mit Zuversicht zu stellen. Dass der Euro eine Kraft der Stabilität im internationalen Finanzsystem ist, das war noch nie so deutlich wie heute. Die Fähigkeit, mittels Gemeinschaftsvorschriften verbindliche Ziele für Treibhausgase und erneuerbare Energien aufzustellen, verleiht uns zudem eine beispiellose Glaubwürdigkeit, und uns steht ein bewährter Reformhebel in Form der erneuerten Lissabon-Strategie in Europa zu Gebote.
Als wir 2005 die Wiederbelebung der Lissabon-Strategie in Angriff nahmen, ging es uns darum, sie in verschiedenen Punkten zu verbessern. Mittels einer klar definierten Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission haben wir die Eigeninitiative und Verantwortlichkeit erhöht. Mithilfe länderspezifischer Empfehlungen haben wir die Aufgabenverteilung präzisiert. Jetzt verfügt jeder Mitgliedstaat über ein eigenes nationales Reformprogramm, und jeder Mitgliedstaat akzeptiert, dass die Durchführung dieser Reformen eine kollektive Anstrengung darstellt. Außerdem haben wir die Finanzinstrumente der Union für Wachstum und Arbeitsplätze neu ausgerichtet.
Die Bemühungen tragen jetzt Früchte. Trotz der aktuellen Bedenken ist die Bilanz positiv: In der Europäischen Union der 27 sind in den letzten zwei Jahren fast 6,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstanden; im Zeitraum 2007-2009 wird mit acht Millionen Arbeitsplätzen gerechnet. Die Lissabonner Reformen haben zweifellos das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft gestärkt.
Zu Selbstzufriedenheit besteht allerdings kein Anlass: Die Aufgabe ist noch längst nicht gelöst. Die Mitgliedstaaten und die Union müssen die Reformen mit aller Konsequenz fortsetzen. Das ist der beste Weg, um die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft angesichts ungewisser wirtschaftlicher Aussichten zu stärken.
Die 2006 vereinbarten vier Bereiche für vorrangige Maßnahmen bilden den richtigen Rahmen für Lissabon: Forschung und Innovation; ein besseres Unternehmensumfeld (mit weniger Bürokratie und besseren Bedingungen für Investitionen); Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und die wichtigen Themen Energie und Klimawandel. Diese Bereiche und die Definition dieser Bereiche haben für eine gezieltere Ausrichtung der Strategie gesorgt. Natürlich besteht eine enge wechselseitige Beziehung zwischen diesen Bereichen. Ohne hoch qualifizierte Arbeitnehmer und mehr Forschung und Innovation werden wir uns nie zu einer wissensbasierten, kohlenstoffarmen Wirtschaft entwickeln.
Ich möchte den Punkt der Forschung und Innovation hervorheben. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und dem Europäischen Parlament dafür danken, dass es die Forderung der Kommission nach einem Wissensdreieck von Forschung, Bildung und Innovation unterstützt hat. Ich möchte Ihnen wirklich danken und Sie darauf aufmerksam machen, dass wir für den Fortbestand von Galileo als einem großartigen europäischen Projekt unbedingt zusammenarbeiten müssen, und ich möchte Ihnen für Ihre Unterstützung für das EIT-Projekt danken.
Was die Notwendigkeit eines europäischen Raums des Wissens betrifft, so kommen wir voran. So war eines der neuen Elemente in unserem Dokument eben die Vorstellung der Idee einer fünften Freiheit – der freien Wissenszirkulation in der Europäischen Union.
Es wird uns nie gelingen, eine neue Dynamik zu entwickeln, wenn wir nicht das richtige Klima für unsere KMU schaffen. In Europa gibt es 23 Millionen KMU. Deshalb glaube ich, dass die gemeinsame Inangriffnahme aller dieser Bereiche zu deren erfolgreichem Zusammenspiel und damit zum Erreichen aller unserer Ziele beitragen kann.
Bevor wir den nächsten Dreijahreszyklus in Angriff nehmen, müssen wir die Strategie unter Berücksichtigung der gezogenen Lehren und der neuen Umstände aktualisieren. Dabei muss die soziale Dimension stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Größere Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung sind die beste Waffe im Kampf gegen Ungleichbehandlung und soziale Ausgrenzung, denn wie ich bereits sagte, profitieren nicht alle von der Globalisierung. Wenn wir uns die Unterstützung durch die Bürger der Europäischen Union für unsere Agenda sichern wollen, dann sollten wir zur gegebenen Zeit die Bedenken im Hinblick auf die soziale Dimension berücksichtigen. Deshalb hat die Kommission beispielsweise eine Anpassung an den Globalisierungsfonds vorgeschlagen, eben weil wir von Anfang an erkannt haben, dass diese Bereiche konkrete Reaktionen erfordern.
Mut macht mir vor allem, dass sich die Sozialpartner auf das Paket von Flexicurity-Prinzipien geeinigt haben, das die Kommission vor der Sommerpause vorgeschlagen hatte. Auf der Tagung des informellen Europäischen Rates in Lissabon hörten wir sehr viel Gutes über diese Einigung zwischen den europäischen Sozialpartnern. Ich hoffe, dass der Europäische Rat im Dezember seine Zustimmung zu diesen Grundsätzen geben kann. Damit bietet sich den einzelnen Mitgliedstaaten eine sehr gute Grundlage für die Gestaltung eines ausgewogeneren Verhältnisses zwischen Flexibilität und Sicherheit auf ihren Arbeitsmärkten.
Konsequente Umsetzung der ausstehenden Reformen, die Betonung von Bildung und Fortbildung, konkrete Schritte, um Europa in eine kohlenstoffarme Gesellschaft zu verwandeln: All das sind unseres Erachtens die Schwerpunkte für den nächsten Zyklus.
Die integrierten Leitlinien bieten ein wichtiges Instrument für die Koordinierung, einen gemeinsamen Rahmen, in dem unterschiedliche Mitgliedstaaten ihre jeweiligen nationalen Reformagenden verfolgen können. Analysen und Rückmeldungen aus den Mitgliedstaaten zeigen, dass die Leitlinien greifen. Sie bilden die Grundlage für das Lissabon-Programm der Gemeinschaft. Ich glaube, dass sie zwar aktualisiert werden sollten, aber wenn sie nicht kaputt sind, sollten wir sie auch nicht reparieren.
Wir müssen auch verstärkt dafür sorgen, dass die Lissabon-Strategie in allen Mitgliedstaaten im gleichen Tempo vorankommt. Ein langsameres Reformtempo in einem Mitgliedstaat hat natürlich Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten. Außerdem sollten Parlamente, Sozialpartner, sowie lokale und regionale Behörden stärker einbezogen werden.
Das Engagement dieses Hohen Hauses für die Lissabon-Strategie hat maßgeblich zur Erhaltung der Dynamik beigetragen. Gemeinsam mit Vizepräsident Verheugen und dem gesamten Kollegium sehe ich der Vertiefung unserer gemeinsamen Arbeit an der Schwelle zum nächsten Zyklus der Lissabon-Agenda mit Freude entgegen.
Die Verbindung zwischen der Globalisierung und Lissabon bietet uns eine ausgezeichnete Möglichkeit, um zu demonstrieren, dass die europäische Wirtschaftsagenda in der heutigen Zeit unverzichtbar ist: Sie ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft für Europa. Wirtschaftsreformen, eine globale Vision, eine kohlenstoffarme Wirtschaft, all das sind ineinander greifende Ziele, die parallel verfolgt werden müssen, und nur die Europäische Union kann die weitreichende Wirkung und Kohärenz bieten, die Europa so dringend braucht. Nur gemeinsam können wir verfolgen, was wir in unserem Dokument als „das europäische Interesse“ bezeichnen.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass es dabei meines Erachtens nicht nur um das europäische Interesse geht. Ich glaube wirklich, dass die Welt im Zeitalter der Globalisierung auch ein engagierteres Europa braucht – mit unseren Interessen, die wir schützen und verteidigen, aber auch mit unseren Werten, den Werten der Freiheit und der Solidarität, die in diesem Zeitalter der Globalisierung Bestand haben müssen.
(Beifall)
Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, lieber Hans-Gert, Herr amtierender Ratspräsident Manuel Lobo Antunes, Herr Kommissionspräsident José Manuel Barroso! Die Globalisierung ist für unsere Mitbürger kein abstrakter Begriff. Sie ist eine Realität, die im tagtäglichen Leben der Europäer spürbar wird, und diese blicken auf ihre Regierungen und Institutionen, von denen sie Lösungen für die mit der Globalisierung verbundenen Probleme erhoffen.
In dieser Hinsicht erwarten unsere Mitbürger sehr viel von der Europäischen Union. Sie erwarten Schutz und Sicherheit: physische Sicherheit vor den terroristischen Bedrohungen und Schutz vor den Unwägbarkeiten der Finanzmärkte. Sie erwarten von uns auch, dass wir die Versorgung mit Lebensmitteln und die Lebensmittelsicherheit gewährleisten; doch im vergangenen Sommer hat die starke Erhöhung der Getreidepreise die Verbraucherpreise in die Höhe schießen lassen. Die europäischen Verbraucher wollen sicher sein, dass zu günstigen Preisen importierte Produkte alle Sicherheitsgarantien aufweisen. Diese Frage ist von besonderer Aktualität: Angesichts der nahenden Weihnachtszeit müssen wir in der Lage sein, den Eltern und Großeltern garantieren zu können, dass das Spielzeug, das sie ihren Kindern schenken werden, frei von jeglichen Gesundheitsrisiken ist.
Wenn die Globalisierung zum Wohlstand beitragen soll, muss sie gerecht sein. Sie muss ebenfalls von ethischen Regeln flankiert werden, die beispielsweise Kinderarbeit verbieten. Die Globalisierung darf nicht zulasten der Schwächsten gehen, sondern muss ein Instrument zur Bekämpfung von Ungleichheiten innerhalb jedes Landes wie auch zwischen den einzelnen Ländern sein. Die Globalisierung muss zur Erhöhung der Kaufkraft der Ärmsten in der Gesellschaft beitragen. Wir haben uns stets für den freien Handel ausgesprochen, doch auf der Grundlage von strengen Regeln. Die Öffnung der Europäischen Union gegenüber der übrigen Welt ist eine Triebkraft für die Weltwirtschaft, und zahlreiche Unternehmen wollen sich in Europa niederlassen. Sie müssen unsere Regeln akzeptieren, unsere Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutznormen einhalten.
In fünfzig Jahren hat die Europäische Union einen funktionierenden Binnenmarkt zu schaffen vermocht, in dem die Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften stets die Regel war. Es ist an der Europäischen Union, ihre Know-how zu exportieren und ihren Partnern zu helfen, die Standards bei der Produktion und der Qualitätskontrolle zu erhöhen. Mit einigen von ihnen sind wir dabei schon auf dem richtigen Weg. Die erfolgreiche erste Tagung des Transatlantischen Wirtschaftsrates letzten Freitag in Washington ist ein positives Zeichen, und jetzt müssen wir verstärkte Anstrengungen unternehmen, um Brasilien, China und Indien an ihre Verantwortung zu erinnern. Gegenüber Afrika sind wir ein wenig nachsichtiger.
Um die externen Herausforderungen zu meistern, müssen wir einerseits unseren Binnenmarkt durch die Bereitstellung von mehr Mitteln für Forschung und Entwicklung stärken und andererseits Forschung und Innovation stärker zwischen den Mitgliedstaaten koordinieren. Die Globalisierung bietet neue Möglichkeiten, doch man muss sich auch auf sie einstellen, beispielsweise durch Weiterbildung während des gesamten Berufslebens.
Meine Fraktion begrüßt die neuen Initiativen im Rahmen der Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung, wie den von der Kommission vorgeschlagenen „Small Business Act“, denn die mittelständischen Betriebe leisten einen äußerst wichtigen Beitrag zur Stabilität und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa.
Meine Damen und Herren, wir Politiker werden immer stärker mit der Herausforderung konfrontiert, die die Energieproblematik darstellen. Ohne eine gemeinsame Energiesicherheits- und Umweltpolitik wird die Europäische Union weiterhin anfällig bleiben. Angesichts eines Ölpreises von fast 100 USD pro Barrel besteht für Europa dringender Handlungsbedarf. Wir brauchen eine europäische Energiepolitik, die unsere Versorgungssicherheit sowie ein dauerhaftes Wachstum dieses Sektors gewährleistet. Wir müssen eine Grundsatzdiskussion über die erneuerbaren Energien führen und die Möglichkeiten der zivilen Nutzung der Kernenergie für die Energieversorgung ausloten.
Diese Debatten müssen in voller Transparenz erfolgen, um das Problembewusstsein unserer Mitbürger zu erhöhen und ihre Unterstützung zu gewinnen. Letztlich wollen wir eine sauberere, effizientere und sicherere Energie für Europa. Europa muss seine Interessen nicht nur in Bezug auf Handel und Weltwirtschaft festlegen, sondern auch im Bereich der Kultur, der Sprache und der Tradition. Wenn wir an gemeinsamen Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung arbeiten, werden wir in der Lage sein, die legitimen Interessen unserer Mitbürger zu wahren, ohne in Protektionismus zu verfallen.
(Beifall)
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Titel dieser Debatte drückt aus, dass das Europäische Parlament mit dem Rat und der Kommission gemeinsam darüber diskutieren soll, welche Rolle Europa, die europäischen Institutionen und ihre Mitgliedstaaten, bei der Bewältigung der Chancen und der Risiken der Globalisierung spielen wollen. Das führt auch dazu, dass wir klar machen müssen — und das wird heute in der Debatte auch klar —, dass es unterschiedliche Betrachtungsweisen und einen Wettbewerb unterschiedlicher Herangehensweisen an die Bewältigung der Globalisierungsfolgen gibt.
Die Verhandlungen um die heute zu verabschiedende Entschließung haben gezeigt, es gibt einen schwerwiegenden Unterschied, es gibt einen Graben in vielen Bereichen zwischen dem, was die Rechte in diesem Hause sich vorstellt, und dem, was wir als Sozialdemokratische Fraktion wollen. Wir werden deshalb das, was wir in dieser Debatte sagen, als die Parameter beschreiben, die wir anlegen, wenn wir bewerten, welche Rolle die Institutionen zu spielen haben, insbesondere die Kommission. Denn wenn ich Ihnen sehr aufmerksam zugehört habe, auch dem Kollegen Daul, dann gibt es einige Übereinstimmungen, Herr Kommissionspräsident, aber es gibt auch einige deutliche Unterschiede.
Jeder, der sich um das Amt des Kommissionspräsidenten bewirbt, jetzt oder in Zukunft, wird sich, was unsere Fraktion angeht, an einigen wesentlichen Punkten messen lassen müssen, gerade bei der Rolle, die die Kommission in der globalisierten Wirtschaft spielen soll. Die makroökonomische Politikkoordination, wie das so schön heißt — man könnte z. B. auch sagen die gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik — hat sich zu orientieren am Grundsatz der Sozialpolitik. Der wirtschaftliche Fortschritt in Europa muss dazu führen, dass es mehr soziale Stabilität gibt. Europa muss dafür sorgen, dass wirtschaftlicher Fortschritt in der Welt zu mehr Gleichberechtigung in der Welt führt. Auch das ist Sozialpolitik! Das Soziale nach Innen und das Soziale nach Außen ist unser gemeinsamer Maßstab.
Ökonomischer Fortschritt als Grundvoraussetzung für soziale Sicherheit, und nicht umgekehrt, wie wir hier in ein paar Verhandlungsbeiträgen gehört haben. Dass weniger soziale Sicherheit in Europa die Quelle von ökonomischem Fortschritt sein soll, das ist ein absolut falscher Ansatz. Wer glaubt, Europa könne dazu dienen, die sozialen Errungenschaften abzubauen, sozusagen im Windschatten der Globalisierung als Mitnahmeeffekt, liegt falsch. Deregulierte Märkte führen zur Profitmaximierung und Reduzierung von sozialen Standards: Das ist vielleicht das Bild, das die Rechte in diesem Haus hat. Das haben wir nicht. Wir sagen, das Erfolgsmodell Europas war sozialer Fortschritt und ökonomischer Fortschritt — das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Daran hat sich für uns nichts geändert.
(Beifall)
Das war ein interessanter Zwischenruf des Kollegen Daul, den sollte das Haus auch hören: Zuerst die Ökonomie. Nein! Ökonomie und Soziales gemeinschaftlich, das ist der entscheidende Punkt, und das ist der Irrtum der rechten Politik in Europa. Und seien wir klar: Die überwiegende Mehrheit der Regierungen im Rat sind Mitte-Rechts-Regierungen, und die Kommission ist ja kein Eldorado des Sozialismus. Sie sind ein Mitte-Rechts-Politiker, und die Mehrheit Ihrer Kommissare auch. Deshalb beobachten wir die Aktionen der Kommission mit großer Aufmerksamkeit, wenn es darum geht, die Glaubwürdigkeit Ihrer Ausführungen zu messen.
Natürlich Forschung, Innovation und Bildung, natürlich eine umweltschonende und die sozialen Ressourcen stabilisierende Binnenmarktsentwicklung. Ja, absolut! Aber dann brauchen wir auch die entsprechenden Richtlinienvorschläge der Kommission. Dann brauchen wir die entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen, um das abzusichern. Da gibt es einiges Positives, das unterstützen wir, da gibt es aber auch manches, was wir hinterfragen müssen.
Wir brauchen auch eine effektivere Verwaltung. Ob man das, wie das in den Titeln heißt, bessere Lissabon Governance nennen muss, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob die gemeine Bürgerin oder der gemeine Bürger auf der Straße versteht, was wir damit meinen. Und wenn Sie von Verwaltungsvereinfachung reden und dazu den früheren bayerischen Ministerpräsidenten brauchen — herzlichen Glückwunsch, da wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Was wir aber in jedem Fall brauchen — und da haben wir eine große Übereinstimmung mit Ihnen, Herr Kommissionspräsident: Dieser Wildwestkapitalismus, der an den Finanzmärkten herrscht, der ganze Volkswirtschaften bedroht, jawohl, der braucht internationale Regeln. Dann lassen Sie uns in Europa mit den Regeln anfangen! Deshalb erwarten wir ganz konkret — und dabei haben Sie unsere Unterstützung — Kontrolle, Transparenz und übrigens auch Machtbegrenzung der internationalen Finanzkapitalisten. Das ist einer der entscheidenden Punkte für sozialen Fortschritt in Europa.
Zum Abschluss, Herr Präsident, lieber Hans-Gert, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen: Das, was wir heute diskutieren, die Frage, wie wir uns in der Globalisierung aufstellen, und die Frage, welche Einflüsse Europa — und zwar Europa als institutionalisiertes Europa, Sie als Kommission, wir als Parlament — tatsächlich ausüben kann, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen: Daran werden wir auch von den Wählerinnen und Wählern gemessen werden. Wenn es nur dabei bleibt, dass wir bei jeder generellen Aussprache schön beschreiben, was wir wünschen, aber nicht den konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen hier und in den Mitgliedstaaten folgen, dann ist das nutzlos. Deshalb erwarten wir, dass das, was wir hier beschreiben, auch in unserer gemeinsamen Entschließung in konkrete Politik umgesetzt wird.
(Beifall von links)
Der Präsident. − Herr Kollege Schulz! Wenn Sie die Redezeit maßgeblich überziehen durften, hat das nichts damit zu tun, wie Sie den Präsidenten angesprochen haben, sondern die überzogene Zeit geht dann am Ende von der Redezeit Ihrer Fraktion ab.
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wir haben gerade die Sprache der Vergangenheit vernommen:
Die Rede der Vergangenheit!
(EN) Andere wissen vielfach besser als wir, dass wir bereits in einer globalen Gesellschaft leben. Indien, China und Brasilien haben die sich bietenden Chancen optimal genutzt, während man in weiten Teilen Europas fürchtet, von der Globalisierungswelle überrollt zu werden.
In seiner gestrigen Rede sprach Präsident Sarkozy davon, dass die Zukunft Europas ganz unterschiedlich aussehen kann, und stellte unsere Wettbewerbs-, Energie- und Erweiterungspolitik zur Debatte.
Herrn Barrosos Gesichtsausdruck während des größten Teils dieser Rede sagte mehr als alle seine Worte heute Morgen. Wenn Europa untätig bleibt, weil die Staats- und Regierungschefs – unter Verweis auf die Sorgen der Bürger – die Agenda der EU anfechten, dann verpassen wir die Chance auf Gestaltung der Globalisierung entsprechend den kollektiven Interessen Europas.
Nicht die Bürger müssen wir überzeugen, sondern die Mitgliedstaaten. Eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass die Bürger in der Europäischen Union und nicht in den nationalen Regierungen den Akteur sehen, der die Globalisierung am besten bewältigen kann.
Man braucht sich nur anzuschauen, wie die Globalisierung das europäische Staatswesen erdbebengleich erschüttert. Einige Vertreter des rechten Flügels ziehen sich angesichts globaler Herausforderungen vom Konservatismus in den Nationalismus zurück oder von der christlichen Demokratie in die christliche Autokratie. Der Riss der Globalisierung verläuft mitten durch die PPE.
Auf der linken Seite verzögern Kurt Beck und seine Freunde dringend erforderliche Reformen. Das hat Franz Müntefering gesehen und mit den Füßen abgestimmt. Und doch haben die Visionäre den Reformbedarf erkannt und ihn in das neue Manifest der europäischen Sozialisten aufgenommen, das treffenderweise in Porto angenommen wurde.
Die politische Spaltung verläuft bei der Wirtschaftspolitik nicht mehr zwischen links und rechts, sondern zwischen jenen, die auf globale Herausforderungen mit Abschottung reagieren, und jenen, die – zusammen mit den liberalen Demokraten – eine offene Gesellschaft befürworten.
Herr Barroso, Sie haben die Unterstützung der Mehrheit in diesem Haus für den Ansatz Ihrer Kommission in Bezug auf die Globalisierung. Aber diese Mehrheit rekrutiert sich nicht aus einer politischen Familie. Es kann sogar passieren, dass sie Europas politische Familien auseinander treibt und neu zusammenfügt.
Die Globalisierung wird unsere Politik in zunehmendem Maße prägen. Nicht die Globalisierung im engeren ökonomischen Sinn, wie er in dieser Mitteilung definiert wird – obwohl ein starker Euro und wirksame Wettbewerbsregeln sowie die Regulierung der Märkte in unser aller Interesse sind –, sondern in einem weiteren, in einem holistischeren Sinn, der sich auch auf das Wachstum der Weltbevölkerung und die Migration, den Klimawandel und die Energiesicherheit sowie das mit dem Terrorismus in Verbindung stehende internationale organisierte Verbrechen erstreckt.
Ist das nicht die Bestätigung, die wir brauchen, um „dem europäischen Kontinent die Möglichkeit“ zu eröffnen, „sein Gewicht in die Waagschale zu werfen“, wie in diesem Dokument angemahnt wird, um unsere „kritische Masse“ zu nutzen, um die Europäer in die Lage zu versetzen, „die Globalisierung mitzugestalten“, wie in der Mitteilung der Kommission gefordert wird?
Wenn dem so ist, Herr Barroso, wo sind Ihre Politiken? Ihr Zeitplan? Ihr umfassender Ansatz? Man hat uns ein aktives Vorgehen versprochen. Stattdessen bietet man uns ein Papier an, das reich an Phrasen und arm an Vorschlägen ist. Das kann bezüglich Europas Reaktion auf die Globalisierung nicht das letzte Wort sein. Ich warte auf Ihre Überprüfung des Binnenmarktes, um zu sehen, wie Sie unter schwierigen Bedingungen Wachstum und Beschäftigung ankurbeln wollen, sowie Ihre Politik zur legalen Migration und hoffe, dass darin auch die Sorgen der Herkunftsländer Berücksichtigung finden.
Meine Kollegen und ich warten auf dringende Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Wir halten zudem die soziale Gesundheit und die ökonomische Vitalität für wichtig. Um einen globalen Markt zu schaffen, brauchen wir einen neuen globalen Sozialvertrag, der die konkurrierenden Forderungen nach Flexibilität und Fairness unter einen Hut bringt, weil, wie uns Martin Luther King lehrte, die Gerechtigkeit überall in Gefahr ist, wenn irgendwo Unrecht geschieht.
Deshalb muss die Union die Lissabon-Agenda, bei der der Schwerpunkt auf der Wettbewerbsfähigkeit liegt, die Cardiff-Agenda mit Schwerpunkt auf den sozialen Rechten und die Göteborg-Agenda mit ihrem Umweltschwerpunkt zusammenführen.
Die Welt braucht eine starke geeinte Union, um Ungerechtigkeit, Konflikte und Armut in allen Teilen der Welt zu bekämpfen, weil wir zu den wenigen Akteuren gehören, die in der Lage sind, globale Probleme in Angriff zu nehmen, und wenn wir das nicht tun, wird es keiner tun.
Das bedeutet, dass die Heuchelei in Bezug auf Handelstarife ein Ende haben muss und wir uns um eine faire Lösung für die Entwicklungsländer in Doha bemühen müssen; dass wir eine Einigung zu den Kohlenstoffemissionen in Bali erzielen müssen, wobei wir unseren kollektiven Einfluss nutzen müssen, um die USA an Bord zu holen, und dass wir einen internationalen Ansatz für die Finanzmärkte entwickeln müssen, in dessen Mittelpunkt die aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit, die Annäherung der Standards und die Äquivalenz der Vorschriften stehen müssen.
Eine für alle Beteiligten gerechte Lösung dieser Aufgabenstellungen erfordert mehr Globalisierung und nicht weniger. Wir leben in einer vernetzten Welt, einer Welt, in der Solidarität auf globaler Ebene ebenso wichtig ist wie Solidarität zwischen den europäischen Bürgern.
Und wir müssen, um mit Victor Hugo zu sprechen, dem Tag entgegensehen, wo es keine anderen Schlachtfelder mehr geben wird als die Märkte, die sich dem Handel öffnen, und der Geist, der sich den Ideen öffnet.
Mirosław Mariusz Piotrowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Globalisierung ist ein Phänomen, das in vielerlei Hinsicht irreversibel ist. Einzelne Länder der Europäischen Union sollten das nicht nur verstehen, sondern auf diese Veränderungen praktisch reagieren. Die Maßnahmen der EU dürfen allerdings nicht die wirtschaftlichen Interessen souveräner Staaten beeinflussen, z. B. durch das Festlegen ungerechtfertigter Begrenzungen von CO2-Emissionen, die der Wirtschaft von Ländern wie Polen ernsthaften Schaden zufügen werden.
Andererseits dürfen diese politischen Maßnahmen nicht zum Verlust nationaler Identität führen. Während Länder in Asien sich erfolgreich an die neue Situation anpassen und ihre Wirtschaften rasch wachsen, diskutieren wir im Europäischen Parlament so maßgebliche Fragen wie Rückspiegel land- und forstwirtschaftlicher Zugmaschinen sowie Rolle und Bedeutung von Zirkussen in der Europäischen Union und Ähnliches.
Die EU bringt ständig neue Verordnungen heraus, was einen wirksamen Wettbewerb zunehmend erschwert. Sie sieht die Realität scheinbar nicht, was die heutigen Reden sozialdemokratischer Vertreter offenbart haben. Ich hoffe, die heutige Aussprache wird mithelfen, unsere Art des Denkens über Globalisierung in eine europäische Sichtweise umzugestalten.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich glaube, dass diese spezielle Mitteilung in Anbetracht des Ernstes der Lage ein Ausdruck absoluter Phantasielosigkeit ist.
Es findet sich darin keine wirkliche Definition der Globalisierung. Normalerweise bezieht sie sich auf die ökonomische Seite – darüber möchte ich sprechen.
In diesem Papier wird festgestellt, dass wir vor einer dritten industriellen Revolution stehen. Ich denke, wir müssen einige Lehren aus den industriellen Revolutionen der Vergangenheit ziehen. Das betrifft beispielsweise die Tatsache, dass dabei die Umweltkosten nicht umfassend berücksichtigt wurden und dass die sozialen Kosten nicht umfassend berücksichtigt wurden. Es wird davon ausgegangen, dass die Rohstoffpreise niedrig bleiben werden, und zwar oft auf Kosten der ärmsten Länder der Welt; dass wir für unseren Handel die Öffnung der Märkte auch in Ländern erzwingen können, in denen noch keine soziale Infrastruktur und kein solider öffentlicher Sektor existieren; dass wir uns vor der Sirene der Gegenseitigkeit hüten müssen, wenn es sich nicht um gleichberechtigte Partner handelt. Es gibt auch Fälle, in denen wir die Rolle der Märkte für die Erreichung der sozialen Ziele überschätzt haben, und auch die wirtschaftliche Konsolidierung ist nicht unproblematisch, vor allem dann, wenn sie auf der Grundlage einer Schuldenwirtschaft und der Spekulation anstelle der Realität erfolgt und damit die wirtschaftliche Stabilität stark gefährdet.
Bei dem neuen Kontext, mit dem wir es zu tun haben, geht es nicht nur um den Klimawandel. Es geht um Peak Oil, das Ölfördermaximum, und was das für die Chancen von Entwicklungsländern bedeutet; es geht um die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele.
Es stimmt, wir müssen den Handel, die soziale Dimension und die Umweltdimension wieder ins Gleichgewicht bringen. Die WTO stellt den Handel über die Produktionsmethoden und alles andere, das uns das Recht gibt zu sagen, dass wir ein Problem damit haben, wie bestimmte Güter hergestellt werden, weil deren Herstellung nicht unseren Standards genügt. Wir haben es vorgezogen, dies nicht in die entsprechenden Regeln aufzunehmen.
In Bezug auf Wachstum tun wir so, als zähle nur die Quantität und nicht die Qualität und nicht das, was sich in unserer eigenen Gesellschaft entwickelt. Ich begrüße die Konferenz der Kommission, die nächste Woche zu dieser Problematik stattfinden wird, obwohl wir uns seit Jahren damit hätten beschäftigen sollen.
Wie werden wir mit unserem Agrarsektor verfahren? Wie mit unserem Fremdenverkehrssektor und angesichts des Klimawandels mit so vielen anderen Bereichen? Wir sind nicht der Ansicht, dass wir die Leitlinien unverändert beibehalten können. Unserer Ansicht nach müssen wir uns erneut mit ihnen befassen.
Was die allgemeine und berufliche Bildung angeht, so erfordert die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung jetzt, dass wir dabei auch den Klimawandel und den ökologischen Fortschritt in Betracht ziehen. Darauf wurde meines Erachtens nicht ernsthaft Bezug genommen. Dazu gibt es überhaupt keine europäische Strategie.
Wie werden wir die kohlenstoffarme Gesellschaft bewerkstelligen, von der wir immer sprechen? Das Dokument enthält dazu keine Aussagen, die uns diesbezüglich zuversichtlich stimmen würden.
Und auch mit der Frage der sozialen Integration müssen wir uns nochmals befassen. Bei der Bezahlung gibt es nach wie vor beträchtliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wir sind noch immer weit entfernt von existenzsichernden Löhnen, und bei der Flexicurity muss auch die finanzielle Sicherheit des Einzelnen berücksichtigt werden.
Auch die Integration von Lissabon und Göteborg steht noch immer aus. Das ist eine Herausforderung. Das Dokument hat sich dieser Herausforderung nicht gestellt, und auch bezüglich des Parlaments bin ich mir dessen nicht so sicher.
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meine Enttäuschung über die Endfassung des Entschließungsentwurfs zum Ausdruck bringen. Ich bin in zweierlei Hinsicht enttäuscht. Erstens ist es schade, dass es lange Zeit unmöglich war, eine Einigung zu erzielen, und dass eine mehrheitliche Einigung erst im letzten Augenblick und unter Zeitdruck erreicht werden konnte, wofür – meiner Meinung nach – mit ungebührlichen Zugeständnissen in grundlegenden Fragen bezahlt worden ist. Zweitens bin ich enttäuscht, weil die Entschließung entgegen dem Titel des Dokuments nicht die europäischen Interessen widerspiegelt und – wichtiger noch – nicht einmal den Interessen der Mehrheit der europäischen Bürger entspricht.
Diese zweifache Enttäuschung rührt aus meiner Analyse des gemeinsamen Entschließungsantrags her, der in keiner Weise die negativen Auswirkungen der Globalisierung berücksichtigt und den Bürgern praktisch nur die Möglichkeit bietet, die Globalisierung hinzunehmen, wie sie beispielsweise eine Flut hinnehmen würden. Meiner Meinung nach kann man weder Globalisierung noch Flut mögen, geschweige denn, sie einfach hinzunehmen. Normal wäre es zu versuchen, diese Prozesse zu beeinflussen und ihren negativen Auswirkungen vorzubeugen. Davon steht in der Entschließung allerdings nichts: Sie bietet nicht einmal ein Modell einer nachhaltigen globalen Entwicklung.
Unsere Fraktion hat sich in ihrem Antrag für eine Entschließung insbesondere auf die folgenden Sachverhalte konzentriert:
– die Bekämpfung der Armut, da die Statistiken zeigen, dass ca. 80 Millionen Menschen in der Europäischen Union über ein Einkommen verfügen, das unter 60 % des nationalen Durchschnittseinkommens liegt;
– wir haben die Erfordernis effizienterer Instrumente zur Gewährleistung der Rechte der Bürger, so beispielsweise auf Zugang zu angemessener und gut bezahlter Beschäftigung sowie sozialen Mindestnormen, unterstrichen;
– bezüglich der Lissabon-Strategie haben wir betont, dass eine neue integrierte Strategie für Nachhaltigkeit und Solidarität anstelle der derzeitigen Lissabon-Strategie notwendig ist, die ein effektives Werkzeug zur Umsetzung bereitstellt.
Gestern haben sich einige Fraktionen auf eine gemeinsame Entschließung geeinigt und den Vorschlag unserer Fraktion dabei vollständig ignoriert. Damit haben sie eindeutig gezeigt, dass sie wirtschaftlichen Belangen mehr Bedeutung beimessen als sozialen Rechten und Gerechtigkeit. Aus den oben genannten Gründen wird unsere Fraktion die Entschließung nicht unterstützen.
Godfrey Bloom, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Gestern konnten wir uns an einer wunderbar cleveren Rede des französischen Präsidenten erfreuen. Ich habe dem kleinen redegewandten Mann aufmerksam zugehört. Er hat sich unerschütterlich für den freien Handel eingesetzt. Doch falls andere Länder für Protektionismus wären, so wäre er das auch. Er ist ein unerschütterlicher Befürworter der Demokratie. Die Menschen hätten ein Recht darauf, dass ihre Meinung Gehör findet, nur damit sie dann – wie im Falle der Meinung der Menschen in Frankreich und in den Niederlanden – ignoriert wird. Er sei, wie er uns versicherte, zuallererst Europäer, aber durch und durch Franzose, zuallererst Franzose, aber Europäer durch und durch. Na gut, ein wenig ungarischer Gulasch ist auch dabei.
Wir brauchen europäische Land-, See- und Luftstreitkräfte, damit wir unsere friedlichen europäischen Werte möglichst weit verbreiten können, denn wir dürfen keinesfalls wieder Krieg führen. Wir müssen auf unseren demokratischen Institutionen aufbauen, aber, wie es scheint, nicht so sehr. Die Franzosen können nicht noch ein Referendum haben, weil das womöglich ein englisches Referendum nach sich ziehen würde, und natürlich wissen wir alle, dass die Briten die neue Verfassung – oh pardon – den „Vertrag“ ablehnen würden.
Wir müssen, so sagt er, mehr in uns gehen und dafür sorgen, dass es mehr Mutterschaft gibt, nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer; mehr Gemütlichkeit am heimischen Herd, vor allem für die Armen, ob sie die nun wollen oder nicht. Um eine Redensart, eine alte englische Redensart wieder aufleben zu lassen – es macht mir wirklich Spaß, die besten Dolmetscher der Welt auf die Probe zu stellen – es war alles Humbug!
Dimitar Stoyanov, im Namen der ITS-Fraktion. – (BG) Zu Beginn möchte ich die Kommission und den Rat daran erinnern, dass die Globalisierung kein Prozess ist, der an sich existiert, dass Europa ein wichtiger Faktor in der Weltpolitik ist und dass die Politik, die Europa verfolgt, die weitere Entwicklung der Globalisierung mitgestaltet.
Und genau das ist der Punkt, in dem ich die Strategie der Kommission nicht verstehe. Will die Kommission nun eine Politik verfolgen, mit der die Globalisierung weiterentwickelt wird oder mit der dieser Prozess gebremst wird? Ich möchte Sie außerdem darauf aufmerksam machen, dass ein gemeinsamer Markt allein noch keine Garantie für Europas Erfolg im Entwicklungsprozess der Globalisierung ist.
Der Rat hat erklärt, dass die Wettbewerbsfähigkeit seiner Auffassung nach sehr wichtig ist; allerdings gibt es in der Europäischen Union derzeit neue Volkswirtschaften, die schwach und selbst auf dem Binnenmarkt nicht wettbewerbsfähig sind.
Die Kommission ihrerseits hat betont, dass für sie die Entwicklung der Lissabon-Strategie höchste Priorität besitzt mit Blick die Umsetzung ihrer Pläne im Zusammenhang mit der Globalisierung.
Speziell für Bulgarien gehe ich davon aus, dass die Lissabon-Strategie fehlschlagen wird, weil mein Land – wie wir wiederholt festgestellt haben – bei seinem EU-Beitritt noch nicht dafür bereit war. Wie können wir folglich die Interessen der europäischen Bürger schützen, wenn wir uns nicht bestimmter Formen des Protektionismus bedienen?
Die offene Gesellschaft, von der Graham Watson spricht, bedeutet schlichtweg Verrat an den schwächeren Volkswirtschaften in der Union. Wenn uns die globale Solidarität wichtiger ist als die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft, wozu brauchen wir die Gemeinschaft dann überhaupt?
Unter diesen Bedingungen würde eine künftige Weiterentwicklung der Globalisierung mit den schwachen Volkswirtschaften, die ein großes Handelsdefizit haben und selbst auf dem Binnenmarkt nicht wettbewerbsfähig sind, diese Volkswirtschaften weiter bis zum Zusammenbruch unter Druck setzen und diese Volkswirtschaften, die darum gekämpft haben, einen normalen Weg der Entwicklung zu beschreiten, wie Kartenhäuser einstürzen lassen.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) (Der Beginn des Redebeitrags war unhörbar) ... sich darum bemühen, dass Europa als Akteur auf dem Weltmarkt so stark wie nur möglich ist. Um das zu erreichen, müssen allerdings die Verhandlungen über den Welthandel abgeschlossen, die Subventionen für die europäischen Landwirte gekürzt und die US-Zölle gesenkt werden. Es ist außerdem notwendig, gegenüber China im Rahmen der WTO fester aufzutreten und die systematische Anwendung von Antidumpingmaßnahmen zu forcieren. Wenn wir uns der Globalisierung erfolgreich stellen wollen, müssen wir die Bürde der übermäßigen Regulierung beseitigen, die die kleinen und mittleren Unternehmen behindert. Genau das hatte die Barroso-Kommission versprochen; sie ist dann aber am Anfang des Weges stecken geblieben.
Die Union würde auch stärker werden, wenn die Türkei und die Ukraine beiträten und wenn sie eine richtige Wirtschaftspartnerschaft mit Russland pflegen würde. Die Einwanderungspolitik ist ungesund. Anstatt Endziel für Arme zu sein, sollte Europa ein Ziel für die Fachkräfte werden, die derzeit nach China und in die USA abwandern. Wenn wir die Probleme der Globalisierung wirklich lösen wollen, muss die Union vor allem in die Lage versetzt werden, auf der internationalen Bühne mit einer Stimme zu sprechen; andernfalls wird sie nicht ernst genommen. Ich hoffe, dass die Staatschefs im Dezember zu der gleichen Schlussfolgerung gelangen.
Gestatten Sie mir ein paar abschließende Bemerkungen. Mein Kollege Schulz sprach von einem Wildwestkapitalismus, der auf den Finanzmärkten herrscht. Das war die übliche Rhetorik in den tiefsten Zeiten des Kommunismus, als die Finanzkapitalisten als „Wall-Street-Gangster“ bezeichnet wurden. Wir alle wissen, wohin diese Haltung für die Volkswirtschaften des Ostblocks letztendlich geführt hat.
Timothy Kirkhope (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Präsidenten des Rates und dem Kommissionspräsidenten für Ihre Erklärungen zu dieser grundlegenden Frage zur europäischen Zukunft danken.
Europa muss sich, um überleben und gedeihen zu können, den Herausforderungen der Globalisierung stellen, und wir müssen diese Herausforderungen annehmen und die damit verbundenen Chancen erkennen und nicht nur die Bedrohungen. Die Umsetzung der Lissabon-Agenda für ist die gedeihliche Entwicklung Europas von zentraler Bedeutung, und es muss uns gelingen, bei den Welthandelsgesprächen endlich eine Einigung zu erzielen. Wir müssen die Gemeinsame Agrarpolitik reformieren, und wir müssen nicht nur unseren Landwirten, sondern auch denen in der Dritten Welt faire Bedingungen anbieten. Wir müssen die Deregulierungsagenda gezielter vorantreiben, so dass die Privatwirtschaft und die Industrie eine Chance haben, sich im echten Wettbewerb gegen China und Indien zu behaupten. Außerdem müssen wir Frau Merkels Bemühungen um die Schaffung eines gemeinsamen transatlantischen Marktes konsequenter unterstützen.
Ich begrüße die jüngste Erklärung des Kommissionspräsidenten zur Globalisierung, in der er feststellte, die Daseinsberechtigung der EU für das 21. Jahrhundert bestehe eindeutig darin, Europa fit zu machen für die globalisierte Welt. Und zu diesem Zweck, sagte er, müssen wir in die Menschen, in Wachstum, Arbeitsplätze, in Energiesicherheit, den Kampf gegen den Klimawandel und in Fairness gegenüber den Verbrauchern investieren. Ferner stellte er fest, dass Protektionismus den Reichtum Europas nicht mehren könne; Protektionismus würde zur Verarmung unserer Bürger und nicht zu deren Schutz beitragen. Das ist eine Erklärung von entscheidender Bedeutung, die sich alle europäischen Regierungen zu Herzen nehmen sollten.
Im Bereich der Finanzdienstleistungen und der Rechnungslegung entwickeln sich die europäischen Normen rasch zu globalen Normen, und darauf bin ich stolz. Der richtige Weg für Europa besteht darin, das europäische Sozialmodell radikal zu reformieren, die Arbeitsmärkte mit mehr Flexibilität auszustatten und die Deregulierung und den Abbau bürokratischer Hindernisse für die Privatwirtschaft fortzusetzen.
Natürlich müssen wir bei der Bekämpfung des Klimawandels den Ton angeben, und ich begrüße die Entscheidung des Parlaments, die Emissionen des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem aufzunehmen. Das ist ein weiterer Ausdruck unserer Bereitschaft, der globalen Gemeinschaft mit gutem Beispiel voranzugehen.
Im Kampf gegen die Armut müssen wir dafür sorgen, dass die Programme der EU glaubwürdig, kostengünstig und ergebnisorientiert sind. Wir müssen die Handelsmöglichkeiten für die Entwicklungsländer verbessern und in Afrika wirklich etwas bewirken.
Wir sollten stolz sein auf das, was wir erreicht haben, aber es gibt noch viele Chancen, die wir nutzen sollten.
Robert Goebbels (PSE). – (FR) Herr Präsident! Bei den Verhandlungen über den Entschließungsentwurf zur Herausforderung der Globalisierung habe ich ermessen können, welche Kluft zwischen der Linken und der Rechten in diesem Parlament besteht. Meine Kollegen von der PPE und der ALDE haben versucht, die Millionen einfacher Menschen zu kritisieren, die die positiven Auswirkungen der Globalisierung bezweifeln, wenn sie den Arbeitsplatzabbau aufgrund von Betriebsverlagerungen oder Betriebszusammenschlüssen bzw. -übernahmen erleben oder wenn sie ihre mageren Einkünfte mit den märchenhaften Bezügen der Manager vergleichen, die im Übrigen Lohnmäßigung predigen.
Meiner Auffassung nach ist die Globalisierung ein notwendiger Prozess, insbesondere um den ärmeren Ländern den Zugang zu den internationalen Märkten zu verschaffen, damit sie den Lebensstandard ihrer Bevölkerung anheben können. Doch lassen wir uns nicht von Schlagworten täuschen! Den von den Liberalen so gepriesenen idealen Markt gibt es nicht. Der Wettbewerb ist notwendig, doch niemals frei.
Betrachten wir beispielsweise den Energiemarkt. 90 % der weltweiten Energieressourcen werden von souveränen Staaten kontrolliert. Der Erdölmarkt wird von einem Kartell beherrscht. Auf dem Erdgasmarkt bildet sich gerade ein weiteres Kartell heraus. Die Preisbildung ist nicht transparent und betrifft nur knapp 40 % des Welthandels. Ein Drittel des Endpreises fließt in die Taschen einer langen Kette von Unterhändlern, von Spekulanten, deren wirtschaftlicher Beitrag gleich Null ist. Wenn die Spekulanten mit ihren Zweckgesellschaften Schiffbruch erleiden, dann pumpen die Zentralbanken Milliarden in das Finanzsystem, um allgemeine Instabilität zu verhindern, doch im Grunde fungieren sie damit als Spekulationsversicherer.
Einige CEO müssen gehen, doch landen sie dank ihrer goldenen Fallschirme weich, während Millionen von Verbrauchern die Schulden über den Kopf wachsen und sie ihre Häuser unter Wert verkaufen müssen. Innerhalb von sechs Monaten haben fast eine halbe Million US-Amerikaner ihre private Zahlungsunfähigkeit erklären müssen. Die europäische Wirtschaft tritt auf der Stelle. Die Kommission korrigiert ihre Wirtschaftsprognosen nach unten, doch in ihren politischen Vorschlägen begnügt sie sich mit Beschwörungen. Darin heißt es, es werden mehr Wachstum und mehr neu geschaffene Arbeitsplätze gebraucht, was durch eine bessere Koordinierung und mehr Forschung und Entwicklung erreicht werden soll, man müsse sich den neuen sozialen Realitäten stellen.
Doch wo sind die Finanzmittel dafür? Wo die Ressourcen? Kommissionspräsident Barroso will die integrierten Leitlinien nicht verbessern, die Rechte nicht über die Wirtschaftskoordinierung diskutieren. Sarkozy spricht pompös über alles und nichts, doch war in dreißig Minuten nicht ein einziges Mal das Wort „sozial“ zu vernehmen. Aber alle Meinungsumfragen bestätigen, die Menschen wollen eine sozialere Politik, mehr Sicherheit, mehr Kaufkraft, bessere öffentliche Dienstleistungen.
Die Bürgermeister von zehn europäischen Hauptstädten haben kürzlich eine Erklärung zur Verteidigung von für alle erschwinglichen gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen unterzeichnet. Doch was tut die Kommission? Sie versteckt sich hinter einem dem künftigen Vertrag beigefügten jämmerlichen Protokoll, das die Subsidiarität nur für nichtwirtschaftliche Dienstleistungen garantiert, damit die von den einfachen Europäern geforderten öffentlichen Dienstleistungen besser abgebaut werden können. Meine Fraktion wird nicht akzeptieren, dass sich die Kommission so aus ihrer Verantwortung stiehlt. Gemeinsam mit den Bürgermeistern, dem Ausschuss der Regionen, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Gewerkschaften werden wir den politischen Kampf für ein sozialeres Europa führen, das die öffentlichen Dienstleistungen zu einer Priorität macht.
(Beifall)
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Viele EU-Bürger sind angesichts der Änderungen ihres Lebensumfelds durch die Globalisierung besorgt. Unsere Pflicht als Politiker ist es, dafür eine Lösung anzubieten. Das Parlament ermutigt die Mitgliedstaaten häufig, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, aber ich möchte hervorheben, dass wir bei uns selbst beginnen sollten. Die Vorbereitung dieser Entschließung war harte Arbeit und es war nicht leicht, die Stellungnahmen aller Ausschüsse zusammenzufassen und eine allgemeine Stellungnahme zu verfassen. Daher möchte ich vorschlagen, dass wir häufiger versuchen sollten, die Stellungnahmen der verschiedenen Ausschüsse und verschiedene Entschließungen in einer gemeinsamen Stellungnahme zusammenzufassen, damit wir den EU-Bürgern in abgestimmter Art und Weise erklären können, was wir tun werden.
Eine andere wichtige Frage betrifft unsere Rolle als Global Player. Ich möchte betonen, dass wir in der Welt eine aktive Rolle spielen sollten. Die Europäische Union ist zurzeit aufgrund der Erweiterung und der daraus resultierenden neuen Möglichkeiten der größte Staatenbund. Wir müssen Hauptakteur sein, ob wir nun wollen oder nicht. Ungeachtet dessen habe ich den Eindruck, dass wir uns Zeit lassen, als warteten wir darauf, dass jemand anders mit einer Lösung daherkommt. Im Rahmen der Außenbeziehungen der Lissabon-Strategie müssen wir eine aktive Außenpolitik verfolgen.
In Bezug auf die Innenpolitik möchte ich unterstreichen, wie wichtig es ist, dass wir unsere Prioritäten überarbeiten. Jüngsten Untersuchungen zufolge ist der Grund für das Hinterherhinken der Europäischen Union in Bezug auf Wachstum und Produktivität nicht der Mangel an Computern oder technischer Ausstattung. Der Grund liegt darin, dass wir Managementprobleme haben. Wir ziehen nicht alle Vorteile aus dem Binnenmarkt, und es gelingt uns nicht, gute Bedingungen für den Warenverkehr und die Ausweitung des Finanzmarktes zu schaffen. Und noch eine Frage: Ist es richtig, dass die oberste Priorität der EU für die Zukunft die Entwicklung von Technologien ist? Könnte es nicht sein, dass die Lebensmittelproduktion zur obersten Priorität wird, wie die Experten uns warnen?
Kurz gesagt, in Bezug auf unseren Wirtschaftsmarkt sollten wir unseren Standpunkt ändern und der Erweiterung des Binnenmarktes Vorrang einräumen. Was die Sozialpolitik betrifft, die hier vielfach angesprochen wurde, so teile ich die Auffassung, dass sie auf unserer Agenda ganz oben stehen sollte. Aber auch sie muss aktiv sein. Wir müssen die Tendenz, bestimmte Menschen zu unterstützen, aufgeben. Unsere Rolle sollte darin bestehen, ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Menschen sollten nicht dazu gedrängt werden, Schmarotzer zu werden. Sie müssen aktiv am Markt teilnehmen. Deshalb wäre es klug, in soziale Bereiche zu investieren, die künftig helfen, geistiges Kapital zu akkumulieren und einen Produktivitätsanstieg zu sichern.
Abschließend möchte ich betonen, dass eine stärkere Koordination der EU-Organe wichtig ist. Diese Entschließung und die Aussprache heute sind Beispiele für eine gute Koordination. Ich hoffe, dass wir in der Zukunft Gelegenheit haben werden, diese Fragen nicht nur abends, sondern auch tagsüber zu diskutieren.
Seán Ó Neachtain (UEN). - (GA) Herr Präsident! Ein starkes, faires Handelssystem unter der Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation liegt im Interesse der EU. Daher ist nicht hinnehmbar, dass sich die Doha-Verhandlungsrunde allein um weitere Zugeständnisse der EU bei der Landwirtschaft dreht, die letztlich nur 5 % des Welthandels ausmacht. Was ist mit den übrigen 95 %? Könnte es sein, dass hier kapituliert wurde?
Meines Erachtens ist Kommissar Mandelson, wenn es um die Landwirtschaft der EU geht, zu sehr zum Nachgeben bereit. Derzeit tritt er für eine Senkung des Einfuhrtarifs im Agrarsektor um 46 % ein. Doch wie Präsident Sarkozy gestern hier im Parlament sagte, müssen wir unsere einheimischen Nahrungsmittelquellen aufrechterhalten. Amerika beispielsweise hat bislang bei der Frage der Landwirtschaft noch keinen Zentimeter nachgegeben. Dies zeigt allein schon das kürzlich veröffentlichte Landwirtschaftsgesetz der USA.
Wir müssen bei den Welthandelsverhandlungen in den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen voranschreiten. Der durchschnittliche Zollsatz liegt in der EU bei 4 %, in Asien und Südamerika liegt der vergleichbare Satz bei 30 %. Sobald die indischen und chinesischen Märkte in den Software- und Telekommunikationssektoren geöffnet sind, besteht die Möglichkeit, Fortschritte durch Wettbewerb zu erreichen. Ferner sollte die Vereinfachung nicht nur für Zollverfahren gelten, sondern auch für künftige Handelsabkommen.
Pierre Jonckheer (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission! Meiner Auffassung nach fehlt etwas in dem uns vorliegenden Dokument und auch in der Rede von Herrn Barroso, nämlich eine echte Analyse sowie Vorschläge zur Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte, zum Bestehen von internationalen Steueroasen, zum Kampf gegen die internationale Finanzkriminalität sowie zur internationalen Fiskalität, zu den Finanzströmen an sich.
Meiner Meinung nach wird die diesbezügliche internationale Debatte der Realität nicht gerecht. Ich finde weder in den schriftlichen Dokumenten noch in der Rede des Kommissionspräsidenten irgendeine einigermaßen sachdienliche Initiative zu diesen doch immerhin äußerst besorgniserregenden Themen. Dabei ist der Zusammenhang mit dem Klimawandel und der bevorstehenden Debatte in Bali, die auch einen finanziell äußerst bedeutsamen Aspekt, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der hilfsbedürftigsten Länder bei ihrem Beitritt zum zweiten Kyoto-Protokoll, aufweist, unübersehbar.
Dazu sind, wie wir alle wissen, beträchtliche Summen an öffentlichen Geldern erforderlich. Woher sollten diese kommen? Obwohl ich weiß, dass es sehr schwer ist, solche Fragen in den internationalen Gremien ganz oben auf die Tagesordnung zu bringen, bin ich überzeugt, dass der Verzicht oder die Weigerung, dies zu tun, unserer eigenen internationalen Politik Schaden zufügt.
Meine zweite Bemerkung betrifft den weltweiten Kampf um Standards, besonders Umwelt- und Sozialstandards, doch speziell Umweltstandards.
Das Dokument der Kommission ist sehr allgemein gehalten, wie Herr Watson bereits feststellte, und ich teile diese Ansicht. Auf Seite 6 heißt es: „Als Ergebnis der sektoralen bilateralen Gespräche mit Drittländern bildet sich allmählich ein neues internationales Konzept heraus, in dessen Mittelpunkt Zusammenarbeit bei der Rechtsetzung, Konvergenz der Normen und Gleichwertigkeit der Vorschriften stehen.“ Ich möchte jedoch genauer wissen, Herr Vizepräsident, was dies für die Aufrechterhaltung der europäischen Umweltstandards bedeutet. Was bedeutet dies für deren künftige Weiterentwicklung und praktisch für deren Propagierung auf internationaler Ebene, die Herr Barroso angesprochen hat?
Ich bin umso beunruhigter, da aus Presseartikeln über die gegenwärtigen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Südkorea hervorgeht, dass wir uns bei der Verteidigung der Standards, zumindest der Sozialstandards, in einer schwächeren Position befinden als die USA.
Sie schulden uns genaue Antworten auf diese Fragen.
Sahra Wagenknecht (GUE/NGL). - Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Globalisierung ist kein naturläufiger Prozess – auch wenn das gerne so dargestellt wird –, sie ist selbst das Ergebnis von Politik. Sie wurde politisch gemacht mit jeder Maßnahme zur weiteren Deregulierung und Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs. Sie wird politisch gemacht mit jeder Erpressung eines Entwicklungslandes, seinen Kapitalmarkt zu öffnen, ausländische Übernahmen zuzulassen. Sie wird gemacht von den Industriestaaten und nicht zuletzt von der Europäischen Union.
Was der Begriff der Globalisierung eigentlich umschreibt, ist ja gar nicht so sehr die Internationalisierung der Wirtschaft, sondern die von keiner nationalen Regulierung mehr behinderte Macht von Vermögensbesitzern, Banken und Konzernen, ihr Geld ohne Rücksicht auf soziale Konsequenzen dahin zu schieben, wo es die höchste Rendite bringt. Darin eingeschlossen ist dann eben auch die Macht, die einzelnen Länder als Standorte gegeneinander auszuspielen und so immer bessere Voraussetzungen für Profitmaximierung zu erzwingen.
Hinter dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit verbirgt sich letztlich genau das: sinkende Unternehmenssteuern, zerstörte Sozialsysteme, brutales Lohndumping. Mit anderen Worten: ein immer weniger kontrollierter Kapitalismus. In diesem Sinne hat die Globalisierung natürlich nicht nur Verlierer, sie hat auch sehr satte Profiteure. Zu ihnen gehören nicht zuletzt die europäischen Konzerne, die sich im Zuge dieser Globalisierung zu global players entwickelt haben und deren Gewinnentwicklung in den letzten Jahren ja wirklich nichts zu wünschen übrig ließ. Der großen Mehrheit allerdings kommt diese Entwicklung nicht zugute. Im Gegenteil: Ungezügelter Kapitalismus, das ist das Faustrecht des Kapitalstarken, und das ist die Unterdrückung und Ausbeutung des Kapitalschwachen.
Der vorliegenden Entschließung, die solche Verhältnisse schönredet, wird unsere Fraktion nicht zustimmen. Wir werden stattdessen weiter für eine andere wirtschaftliche Ordnung in Europa kämpfen, für eine Wirtschaftsordnung, in der Menschen nicht nur Kostenfaktoren sind und in der Länder auch mehr sind als bloße Wirtschaftsstandorte.
Witold Tomczak (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Wir müssen zwischen zwei Realitäten unterscheiden: dem Phänomen der Globalisierung und dem Programm des Globalismus.
Globalisierung ist das Ergebnis der Entwicklung neuer Technologien in Bereichen wie Verkehr, Kommunikation, Datenerfassung und -verarbeitung. Globalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, stellt aber auch neue Bedrohungen dar. Es liegt an uns, wie wir sie nutzen.
Auf der anderen Seite, ist Globalismus ein Programm, das auf die Erschaffung einer supranationalen Weltmacht abzielt. Das Programm steht der Freiheit von Völkern und Nationen entgegen und dient der Verherrlichung einiger weniger, die über das meiste Kapital und die globale Infrastruktur in einer Weise verfügen, die ihnen ermöglicht, ihre eigenen selbstsüchtigen Interessen im Rahmen eines globalen Landes zu befriedigen. Es dient auch nicht dem Wohle der Völker und Nationen. Im Wesentlichen ist das ein totalitäres Programm. Es steht pazifistischen Idealen entgegen und löst Kriegsgefahren aus.
Europa sieht sich mit der Versuchung konfrontiert, die Rechte seiner eigenen Nationen zu unterlaufen, um die Rolle, die seine kosmopolitischen Eliten im Weltgeschehen spielen, zu stärken. Dieser Versuchung nachzugeben, würde bedeuten, das jahrhundertealte Erbe europäischer Nationen, das auf der Achtung der Menschenrechte und der Rechte der menschlichen Gesellschaft beruht, auszulöschen.
Im Zeitalter der Globalisierung wäre Europas Erfolg die Wahrung der Menschenrechte, der Rechte von Familien und Nationen, die in der Entwicklung von Organen zum Ausdruck kommt, die Achtung für ihre Leistungen garantieren. Der Erfolg Europas wird es sein, anderen Völkern und Nationen in der Welt zu zeigen, wie Freiheit und Würde für die Bürger geschaffen werden können. Es wäre eine Katastrophe für Europa, schlüge es den Weg eines totalitären Globalismusprogramms ein.
Jean-Claude Martinez (ITS). – (FR) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ob Globalisierung, Internationalisierung oder – wie der Jesuit Teilhard de Chardin es nannte – Planetisierung, es ist ganz offensichtlich: Wir erleben gegenwärtig eine zweite Globalisierung, die umfassender ist als die der 1990er Jahre, weil sie sowohl finanzieller, wirtschaftlicher, sprachlicher, migratorischer und ideologischer Art ist und dabei von einem vorherrschenden Modell gesteuert wird: dem Markt.
Die negativen Auswirkungen dieser Globalisierung sind ebenfalls ganz offensichtlich: in der südlichen Hemisphäre, in Indien und China, eine grenzenlose Ausbeutung der Menschen, des Bodens, der Wälder, der Seen und Flüsse sowie die Gefährdung der Menschenrechte. Hier im Norden sind es Betriebsverlagerungen, Arbeitsplatzvernichtung, die finanzielle Destabilisierung unserer Sozialsysteme sowie angesichts der Bevölkerungsalterung und der Kosten für die Hochbetagten das Risiko, dass sich Europa in ein geriatrisches Ruanda verwandelt mit all dem, was dies an Missachtung des Lebens und Verletzung der Menschenrechte mit sich bringt.
Wie reagiert man auf diese Realitäten, die klar auf der Hand liegen? Man setzt auf Beschwörungen, auf Verniedlichung und Gottvertrauen. Die Beschwörungen sind zum Beispiel in unseren gegenwärtigen Debatten und Entschließungen zu hören. Die politischen Beschwörungen bestehen darin, die Lissabonner Strategie oder die wettbewerbsfähigste Wirtschaft zu preisen. Man wird an Chruschtschow vor der UNO in den 1960er Jahren erinnert, der das kapitalistische System überholen wollte. Es ist Harry Potters Antwort auf die Globalisierung.
Dann bedient man sich der Verniedlichung. Das beste Beispiel dafür ist der Globalisierungsfonds: eine Handvoll finanzieller Leckerli. Da man die Dinge nicht in den Griff bekommt, richtet man die Blicke gen Himmel. Im Namen des Vaters Adam Smith, des Sohnes Ricardo und des Heiligen Geistes des Marktes wird auf dem globalen Altar der Freihandelsideologie das Opfer des Abbaus und schließlich der Abschaffung der Zölle gebracht.
All das ist fauler Zauber. Doch die größte Erfindung Europas, die ihm vor 2500 Jahren dank seiner Ingeniosität gelang, ist das logische Denken, die Vernunft. Und die Vernunft sagt uns: Freier Handel ist notwendig, doch ebenso notwendig ist der Schutz unserer sozialen und kulturellen Errungenschaften. Wir müssen also einen Weg finden, um den freien Handel und die Sicherheit der Menschen miteinander in Einklang zu bringen.
Dies kann mit einem neuen Zollverfahren geschehen: dem Verfahren der anrechnungsfähigen Zollgebühren. Bei diesem Verfahren muss zwar der Exporteur die Gebühren zahlen, doch dafür wird ihm in gleicher Höhe ein Betrag gutgeschrieben, der dann bei Käufen im Importland verrechenbar ist. Mit dieser neuen Generation von variablen, rückzahlbaren, handelsfähigen und anrechenbaren Zöllen kann das allbekannte Problem der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ungleichgewichte im Handel zwischen Norden und Süden gelöst werden.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Angesichts der zunehmenden Zahl von Unternehmen, die gen Osten ziehen, bedeutet Globalisierung für immer mehr unserer Wähler Trostlosigkeit.
Erst vor zwei Wochen kündigte das Unternehmen Seagate Technology in Limavady, einer Stadt in meinem Wahlkreis, an, dass es schließen werde. Der damit verbundene Verlust von 960 Arbeitsplätzen ist ein schwerer Schlag für diese Kleinstadt. Es ist nicht nur die Verlockung billiger Arbeitskräfte, die unser verarbeitendes Gewerbe vernichtet, sondern auch die erdrückende Last der Vorschriften für die europäische Industrie.
Präsident Sarkozy hatte Recht, als er gestern sagte, die EU habe ein Recht darauf, sich vor derart verheerenden Schäden zu schützen; ich wünschte, sie würde das auch tun. Zwei Sofortmaßnahmen würden helfen: die Senkung der Schwelle für den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung. Der Verlust von eintausend Arbeitsplätzen in Paris ist schlimm, aber in einer kleinen Stadt wie Limavady ist er eine Katastrophe. Für kleinere Volkswirtschaften sollte diese Schwelle niedriger angesetzt werden. Zweitens sollte die EU ihr Verbot für die Gewährung staatlicher Beihilfen lockern, damit Maßnahmen wie eine bescheidene Senkung der Kommunalabgaben für Unternehmen zur Erhaltung unseres verarbeitenden Gewerbes beitragen können. Ich würde die Kommission bitten, in diesen beiden Punkten rasch zu reagieren.
Werner Langen (PPE-DE). - Herr Präsident! Wenn man den Reden hier zugehört hat, insbesondere jenen von Frau Wagenknecht und Herrn Schulz, dann kann man feststellen, dass dort von einer Zeit die Rede war, die glücklicherweise längst überwunden ist. Es waren Sprüche aus der sozialistischen Mottenkiste, die uns in den Fragen der Globalisierung überhaupt nicht voranbringen.
Jeder hier im Saal weiß, dass wirtschaftliche Freiheit, Wohlstandsentwicklung und das Sozialmodell gleichzeitig möglich sind. Europa ist das beste Beispiel dafür. So wie wir den Euro als inneres Fitnessprogramm im Europäischen Binnenmarkt eingeführt haben, so haben wir die Lissabon-Strategie mit allen Vorbehalten und allen Problemen als Fitnessprogramm im Globalisierungswettbewerb. Wir haben doch überhaupt keinen Grund, uns zu verstecken. Es ist absolut irreal, wie hier darüber geredet wird.
Die Globalisierung ist die Triebfeder der Demokratie und des Wohlstands für die unterentwickelten Länder. Es ist doch nicht so, dass es nur negative Beispiele gibt, wie hier in den letzten Reden dokumentiert wurde, sondern alle profitieren davon: die Entwicklungsländer, die Schwellenländer, auch die entwickelten Länder, die sich einen überbordenden Staat geleistet haben, den die Leistungsträger nicht mehr bezahlen können. Wir können nicht alles zurückdrehen, und Europa ist das Modell weltweit. Warum verschweigen wir das eigentlich? Warum sagen wir nur die negativen Dinge?
Natürlich kann man über Wildwestmanieren an den Finanzmärkten sprechen. Ja, wir brauchen eine internationale Koordinierung. Wir brauchen eine internationale Begrenzung, eine internationale Aufsicht. Aber wer hat hier davon gesprochen, außer dem Kollegen Goebbels, dass es dort auch Fehlentwicklungen gibt, die im System liegen, die wir bisher nicht begrenzen konnten? In Japan gilt die Regel, dass der oberste Manager maximal das Zwanzigfache des Durchschnittsarbeiters verdienen kann. Mit welcher Begründung wird in Europa und den USA das Tausendfache zugelassen? Darüber können wir reden, aber doch nicht die Globalisierung insgesamt schlechtmachen, die uns mehr Chancen bietet, die Freiheit und Wohlstand gleichzeitig verbindet.
Anne Van Lancker (PSE). - (NL) Herr Präsident, Herr amtierender Ratsvorsitzender, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass die Kommission die externe Dimension als einen neuen Bestandteil der Lissabon-Strategie anerkennt. Wir sollten jedoch vor allem nicht vergessen, dass die Globalisierung auch Auswirkungen auf unsere eigene, interne europäische Politik hat.
Die Lissabon-Strategie war gut für das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze, das ist richtig. Aber es ist auch richtig, dass nicht jeder davon profitiert hat. In Europa hat die Globalisierung die Kluft zwischen denjenigen mit Kenntnissen und denjenigen ohne Kenntnisse erheblich vertieft.
Ich bin daher froh, dass die Kommission und der Rat der Arbeitsminister der sozialen Dimension künftig größere Aufmerksamkeit schenken werden, denn es gibt immer noch zu viele Menschen – schlecht ausgebildete Menschen, Menschen mit Behinderungen, ältere Arbeitnehmer, Migranten –, die keinen Zugang zu angemessener Ausbildung und guten Beschäftigungsaussichten haben. Sechs Millionen Jugendliche verlassen die Schule ohne Zeugnis, 72 Millionen leben in Armut am Rande der Gesellschaft, und Europa hat sogar 14 Millionen arme Erwerbstätige.
Wirtschaftlicher Wohlstand sollte allen zugute kommen, meine Damen und Herren. Deshalb möchte ich drei weitere Punkte hervorheben.
Erstens: Es ist klar, dass sich die neue Generation politischer Instrumente für Lissabon sehr viel stärker auf soziale Eingliederung, Chancengleichheit, Verringerung der Armut und einen angemessenen sozialen Schutz konzentrieren muss. Die soziale Dimension muss wieder einen Platz unter den integrierten Leitlinien erhalten.
Zweitens: Es muss größerer Nachdruck darauf gelegt werden, dass die Mitgliedstaaten ihre Zusagen für Beschäftigung und Ausbildung tatsächlich erfüllen. Wirtschaftswachstum bedeutet nicht automatisch hochwertige Arbeitsplätze – dazu muss es eine klare Verpflichtung seitens der Mitgliedstaaten geben.
Drittens: Es muss sehr viel mehr in Partnerschaft getan werden. Eine gute Strategie für Wachstum, Arbeitsplätze und soziale Eingliederung erfordert auch einen Beitrag der nationalen Parlamente, der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft.
Daher ist meine Fraktion nicht der Ansicht, dass die nächste Generation der Instrumente für die Lissabon-Strategie lediglich „business as usual” bedeutet. Der Vizepräsident der Kommission sollte einsehen, dass es viele Gründe gibt, kritische Anpassungen an das Lissabon-Paket vorzunehmen.
Bernard Lehideux (ALDE). – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die fortgesetzte Debatte für und gegen die Globalisierung hat genauso viel Sinn wie eine Debatte am Weihnachtstag für oder gegen den Winter.
Die einzig wirkliche Frage für uns besteht doch darin, wie die Europäische Union versuchen kann, diese unaufhaltsame Tendenz zu einer Chance für ihre Völker zu machen. Was die europäischen Bürger erwarten, sind zweckdienliche Reformen zur Verbesserung der Beschäftigung und zu ihrer Unterstützung im Wandel.
Bisher ähnelt die Lissabonner Strategie eher dem Stück Warten auf Godot. Man hört viel von ihr, man erwartet sie ungeduldig, doch man begegnet ihr nie. Diejenigen, die den Schlüssel für den Erfolg der Lissabonner Strategie in den Händen halten, d. h. die Mitgliedstaaten, müssen die Voraussetzungen schaffen, um die festgelegten Ziele erreichen zu können. Wir erwarten von ihnen Initiativen sowie eine vollständige und objektive Bewertung ihrer Ergebnisse.
Ich will nicht nur ein vollständig schwarzes Bild von der Lage zeichnen. Es gibt auch einige ermutigende Anzeichen, wie den Anpassungsfonds, der funktioniert, auch wenn seine Effektivität noch zu bewerten bleibt. Zudem ist hervorzuheben, dass die Sozialpartner sich zum ersten Mal in Europa auf eine Analyse der auf den Arbeitsmärkten zu bewältigenden Herausforderungen geeinigt haben. Sie haben sich auch darauf verständigt, die Mitgliedstaaten aufzufordern, Flexicurity-Maßnahmen durchzuführen, die die beiden Elemente Flexibilität und Sicherheit sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber miteinander kombinieren.
Abschließend möchte ich Sie dringend auffordern, Herr Barroso, die soziale Dimension der Lissabonner Strategie nicht zu opfern, weil Sie der Meinung sind, diese wäre ein Wettbewerbsnachteil. Die Bürger erwarten von Europa, dass es sich ihrer Sorgen annimmt, und die Unternehmen erwarten, dass es eine Politik zur Bekämpfung von weit verbreitetem Sozialdumping umsetzt.
Wojciech Roszkowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Das Dokument der Kommission enthält viele Worte über den Platz der Europäischen Union im Globalisierungsprozess, aber liefert es konkrete Antworten auf unsere Fragen? Das bezweifle ich.
Das Dokument vermittelt den Eindruck, dass gute EU-Verordnungen das Wachstum der EU und den Wohlstand der Bürger sicherstellen. Indes hängen Wachstum und Wohlstand von den Bemühungen der Bürger ab, die effizienter und produktiver denn je und auch effizienter und produktiver als Bürger in anderen Ländern sein müssen.
Gute Verordnungen reichen nicht, um künftig wirtschaftliches Wachstum in der Europäischen Union zu garantieren. Es ist nicht ausreichend, das Wirtschaftsniveau der alten mit dem der neuen Mitgliedstaaten, die schneller wachsen als der EU-Durchschnitt, gleichzusetzen. Die Auswirkungen der Wirtschaftsmigration aus Niedriglohnländern in Länder mit hohen Lohnkosten reichen nicht aus.
Künftiges Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union wird von Europas Wettbewerbsfähigkeit abhängen, aber stattdessen geht es in dem Dokument der Kommission vor allem um den Schutz sozialer Errungenschaften. Das ist ja schön und gut, aber das sind nicht die Gründe für das Wachstum, sondern das Ergebnis. Während wir diese sozialen Errungenschaften schützen, dürfen wir nicht vergessen, dass Wachstum auf Innovation, eine erhöhte Effizienz der Tätigkeiten, größere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen ist.
Jill Evans (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Rat und der Kommission für ihre Erklärungen danken. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die EU bei dieser Entwicklung eine sehr positive Rolle spielen kann. Doch bisher hat die wirtschaftliche Globalisierung die Umweltdegradation beschleunigt, die Bedingungen für Arbeitnehmer verschlechtert und soziale Ungleichgewichte vergrößert.
Auf lokaler Ebene bedeutet das unsichere Arbeitsplätze und – schlimmer noch – den Verlust von Arbeitsplätzen im verarbeitenden und im Dienstleistungsgewerbe, wovon ich mir in meiner walisischen Heimat aus erster Hand ein Bild machen konnte. Dort wurde vor einigen Monaten eine Fabrik von Burberry geschlossen, und damit gingen in einer sehr armen Region, einer Konvergenzregion, Hunderte von Arbeitsplätzen verloren.
Für die Unternehmen ist es einfacher geworden, ihre Standorte auf der Suche nach den billigsten Arbeitskräften zu verlagern, wobei sie die Konsequenzen ihres Tuns wenig kümmert, und zwar trotz freiwilliger Vereinbarungen über die soziale Verantwortung der Unternehmen, die sich wie im Falle von Burberry ganz wunderbar lesen, aber in der Praxis wenig bedeuten.
Die Folgen für kleine Kommunen sind verheerend, dabei sind diese Städte und Dörfer, wie wir schon gehört haben, der Schlüssel für Arbeitsplätze und Wachstum, die der eigentliche Zweck der Lissabon-Agenda sind. All das führt zu Politikverdrossenheit und beweist, dass der Markt stärker ist als die Demokratie.
Hier kann die EU helfend eingreifen, indem sie zur Verbesserung der arbeitsrechtlichen und sozialen Normen beiträgt und die Kosten des Klimawandels in den Marktpreis integriert, um ein Umweltdumping zu vermeiden. Die Auswirkungen der Globalisierung machen den sozialen Schutz für Arbeitnehmer und Kommunen umso wichtiger.
Ich teile die Ansicht, dass die Lösung darin bestehen muss, Kleinbetriebe zu unterstützen und dauerhafte nachhaltige und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, und ich hoffe, dass der Vorschlag für eine Regelung für kleine Unternehmen dazu beitragen wird, dieses Ziel langfristig zu erreichen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin! In dieser Aussprache ist es richtig, hervorzuheben, dass der Erfolg der Europäischen Union von ihrer Antwort auf Solidarität und wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt abhängt. Wenn die Europäische Union weiterhin unter einer hohen Armut leidet, die 17 % der Bevölkerung oder etwa 80 Millionen Menschen in der EU der 27 betrifft, wenn die Unsicherheit im Bereich Beschäftigung und der prozentuale Anteil armer Arbeiter steigen, muss unsere grundlegende Priorität darin bestehen, neoliberale Politiken aufzugeben und einer Beschäftigung, die mit Rechten, angemessenen Löhnen, einem verstärkten sozialen Schutz und qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen für alle verbunden ist, den Vorrang einzuräumen. Dadurch können produktive Investitionen durch Kleinst- und Kleinbetriebe und eine fairere Verteilung des produzierten Wohlstands unterstützt werden, damit die reale Konvergenz der Mitgliedstaaten gefördert, Entwicklung und sozialer Fortschritt unterstützt und eine Kooperationspolitik mit den Ländern der Dritten Welt umgesetzt werden können.
Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Mitbürger, die auch Arbeitnehmer, Verbraucher und Steuerzahler sind, haben sehr wohl begriffen, dass die Europäische Union, wie sie gegenwärtig verfasst ist, keinen Schutzwall gegen die Exzesse der finanziellen Globalisierung darstellt, sondern ihr Trittbrett.
Seit nunmehr zwanzig Jahren verspricht man uns eine leuchtende Zukunft dank des Euros und der Öffnung der Grenzen; das gaukelte man uns vor, um unsere Zustimmung zum Maastrichter Vertrag im Jahr 1992 zu erreichen. Doch im Gegensatz dazu wird unsere Produktionsbasis immer stärker ausgelagert und hinterlässt Millionen von Arbeitslosen, Industriebrachen und menschenleere ländliche Gebiete.
Wenn Präsident Sarkozy hier in diesem Saal für eine Schutzfunktion Europas plädiert, könnte man fast glauben, er habe niemals für den Maastrichter oder den Lissabonner Vertrag gestimmt. Wenn er in der Pose von General de Gaule seine Bereitschaft erklärt, in der WTO Widerstand gegen alle Verhandlungen leisten zu wollen, die nachteilig für die Interessen unseres Landes seien, dann klingt das wunderbar. Allerdings vergisst er dabei, dass Frankreich keinerlei Vetorecht hat und dass dort einzig und allein ein Brüsseler Kommissar verhandelt, der das ihm von den Mitgliedstaaten erteilte Verhandlungsmandat nie einhält.
Die gleichen Illusionen werden deutlich, wenn er sich – auch hier wieder zu Recht – gegen die deflationistische Besessenheit der unabhängigen Europäischen Zentralbank in Frankfurt wendet. Doch wem soll man glauben? Dem Mann, der vor den Fernsehkameras die Souveränität Frankreichs verkündet, oder dem, der die nationale Souveränität in einem europäischen Vertrag aufgibt? In Wirklichkeit bekräftigt der Lissabonner Vertrag doch die Logik der bestehenden Verträge, die uns daran hindern, den Eurokurs zu steuern, unsere Märkte zu schützen und unsere Interessen in den Welthandelsverhandlungen durchzusetzen.
Zwar wird im Vertrag der Schutz der Bürger als Ziel erwähnt, doch ist dies eine bloße politische Erklärung ohne Rechtsfolgen. Insbesondere verstärkt er die Vollmachten und die Unabhängigkeit der Kommission wie der EZB, die beide Verfechter der Feihandelsideologie sind. Das Protokoll Nr. 6 sowie die Artikel 3 und 4 des EG-Vertrags bekräftigen deren dogmatische Auffassung von einem schrankenlosen Wettbewerb, der durch keine nationalen Interessen, keine Grenzen und keine Rücksicht auf die Demokratie eingeschränkt wird.
Wir denken, dass die Franzosen und die Europäer etwas anderes wollen. Wir sollten den wirklichen freien Handel wieder zu Ehren kommen lassen, den Handel zwischen Nationen, der sie bereichert und sie nicht ihres Schutzes und ihrer Identität beraubt.
Udo Bullmann (PSE). - Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kommission will in den nächsten drei Jahren Vorschläge zur Neuausrichtung der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik in der Europäischen Union unterbreiten. Das ist gut so, weil bisher ja nichts auf dem Tisch ist! Das Papier vom Oktober, aus dessen Anlass wir hier diskutieren, ist ein kurzes Papier – nebenbei gesagt ist das immer gut, wenn man ein kurzes Papier vorlegt – aber es ist auch ein flaches Papier, es ist ein dünnes Papier, aus dem wir nicht entnehmen können, in welche Richtung die Reise gehen soll.
Die Kommission muss uns bei einem Widerspruch helfen und diesen Widerspruch auflösen: Wenn man das Deckblatt, die Einleitung, die Debatte heute in diesem Haus nimmt, ist von riesigen Herausforderungen die Rede: von der Globalisierung, dem Klimawandel, der Diskussion um die internationalen Finanzmärkte, von den großen Herausforderungen, denen wir uns in allen Mitgliedstaaten gegenübersehen. Aber wenn wir die Diskussion dann weiterverfolgen, wenn wir ins Praktische kommen, wird gesagt: Nein, wir brauchen keine Veränderungen in den Leitlinien der praktischen Politik. Das ist unverständlich! Es ist völlig unverständlich, weil sich dadurch natürlich die Frage ergibt: Was ist das für ein Diskurs über Globalisierung? Ist das eine Ausrede dafür, dass wir im praktischen Vollzug unserer Sozialpolitik, unserer Umweltpolitik und unserer Wirtschaftspolitik nicht handeln, oder ist es wirklich die Chance, die Realität zu erkennen und den Menschen in den Ländern der Europäischen Union Antworten auf ihre dringenden Fragen und Nöte zu geben?
Ich will einige weitere Fragen aufwerfen: Wenn es richtig ist, dass unsere Zukunft die ökologische Industriegesellschaft ist, warum ist es dann so schwierig, in der Kommission, mit der Kommission und auch in diesem Haus über die vernünftige Investitionspolitik zu reden, die wir brauchen, um das meistern zu können? Warum können wir nicht über Gebäudesanierungsprogramme reden, warum können wir nicht über moderne Verkehrsmittel und Verkehrssysteme reden, die wir brauchen, um das bewältigen zu können? Warum ist es fast verboten, über eine gute Investitionspolitik zu reden? Und warum steht das nicht im Programm der Kommission? Warum steht das nicht – ich hoffe, es gibt noch Veränderungen – dann auch im Arbeitsprogramm zu Lissabon?
Wenn wir über das Bildungsdreieck reden – die Notwendigkeit von Erziehung und Innovation –, warum können wir nicht den Pakt für die Jugend praktisch machen und jedem Jugendlichen in der Europäischen Union eine qualifizierte Ausbildung garantieren, damit er mit Sachverstand und Intelligenz am Umbau der Industriegesellschaft mitwirken kann? Das sind die praktischen Herausforderungen, auf die wir antworten wollen!
Marco Cappato (ALDE). - (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, auch in dieser Aussprache hat es Redner gegeben, für die wirtschaftliche Freiheit ein Gegensatz zu Garantie und Schutz sozialer Rechte und der Bekämpfung von Armut ist.
Diesem Gegensatz zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialen Rechten haftet ein Geruch des letzten Jahrhunderts an, er ist in der Politik unseres Europa nicht mehr aktuell. Wir haben zweifellos die Pflicht, sicherzustellen, dass die Bestimmungen zum Schutz der wirtschaftlichen Freiheit vor Monopolen, zur Transparenz der Finanzmärkte uneingeschränkt Anwendung finden und gewährleistet ist, dass die Kosten der Umweltverschmutzung übernommen werden. Dies hat mit Sicherheit grundlegende Bedeutung! Aus Sicht der sozialen Rechte halten uns nun jedoch alte Systeme der sozialen Sicherheit, die auf Körperschaften und organisierte Arbeit ausgerichtet sind und die den Arbeitslosen und den Menschen, die sich weiterhin außerhalb sozialer Garantien und sozialen Schutzes befinden, nichts nützen, davon ab, den Ärmsten in unseren Ländern zu helfen.
In meinem Land, Italien, zwingt ein System die Menschen mehr oder weniger dazu, im Alter von 58 oder 59 in Rente zu gehen; gleichzeitig haben nur 20 % der Arbeitslosen einen sozialen Schutz. Das ist das Problem, vor dem die Ärmsten stehen: nicht Globalisierung oder wirtschaftliche Freiheit, sondern die Tatsache, dass die Instrumente der sozialen Sicherung alt, überholt und ihrer Zeit hinterher sind. Diese Mechanismen müssen überdacht werden, und dabei können die Strategie von Lissabon und die Kommission helfen.
Ryszard Czarnecki (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Ich möchte nicht die gleichen alten banalen Feststellungen über die Vorteile der Globalisierung wiederholen. Es dürfte auch sinnvoll sein, im Europäischen Parlament eine kritische Meinung zum Globalismus zu äußern.
Für mich veranschaulicht der kanadische Philosoph John Ralston Saul unsere Aussprache am besten. Ich widme seine Worte dem Chor jener, die Loblieder über die Globalisierung singen, die heute im Europäischen Parlament das gleiche Lied singen. Globalismus ist eine Ideologie, die viele Elemente der typisch westlichen Religion enthält. Globalismus ist der Glaube an eine einzige Idee, die alternative Ansichten ausschließt. Ihr liegt die Überzeugung von der Vormacht der Wirtschaften über andere Lebensbereiche und die Gewissheit zugrunde, dass mit Ausnahme des Liberalismus alle Wirtschaftstheorien versagt haben und es keinen anderen Weg gibt.
Diese Überzeugung ist aus der Freisetzung globaler Kräfte durch den Liberalismus hervorgegangen, die den Liberalismus als den richtigen Weg nach vorn unterstützen und andere Ansätze falsch erscheinen lassen. Allerdings täuscht sich der Globalismus in dem Glauben, dass die Ökonomie der Motor der Zivilisation ist. In den letzten zwanzig oder dreißig Jahren haben wir gelernt, alles wirtschaftlich zu betrachten. Nicht einmal Marx ist so weit gegangen. Er sagte, Ökonomie sei wichtig, ging aber nicht so weit zu sagen, dass alles nur aus dem Blickwinkel des Gewinns betrachtet werden solle.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das heute von der Kommission vorgelegte Thema steckt voller Widersprüche. Gestatten Sie mir, zwei Punkte hervorzuheben:
Zunächst betont die Kommission, die Anpassungsfähigkeit an die Globalisierung müsse schneller gesteigert werden, um die Entwicklung des Lebensstandards unserer Bürger sicherzustellen. Das entspricht angesichts der Erfolglosigkeit der Lissabon-Strategie nicht der gegenwärtigen Situation. Die Wahrheit ist, dass die verschärften Wettbewerbspolitiken zu einer noch größeren Ungleichheit bei der Verteilung von Reichtum und Produktionskapazität führen. Lediglich die Europäische Kommission vermag eine Wohlstandssteigerung oder die Beseitigung der ungleichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten festzustellen.
Zweitens erfahren wir aus dem Dokument, dass die Kommission an einem sozialen Europa arbeitet. Das ist eine Idee, über die wir schon sehr viel gehört, für die wir aber noch keine Beweise gesehen haben. Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel anführen: Seit 2002 ist der Kraftstoffpreis in den Mitgliedstaaten um 35 bis 50 % gestiegen. Das schmälert, wie viele andere Dinge auch, den Geldbeutel der Geringverdiener, und anscheinend enthält keine der sozialen Wirtschaftsstrategien der Kommission eine Lösung für dieses Problem.
Daniel Caspary (PPE-DE). - Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen! Unser europäisches Interesse, im Zeitalter der Globalisierung zu bestehen, das bedeutet vor allem, wir müssen unsere Chancen nutzen. Wir diskutieren in der Öffentlichkeit viel zu oft die Auswirkungen, die negativ sind. Wir diskutieren darüber, wenn Unternehmen Arbeitsplätze abschaffen oder ins Ausland verlagern müssen. Aber wir reden viel zu wenig darüber, was alles an guten Dingen entsteht.
Wenn ich zum Beispiel meinen Wahlkreis anschaue, meine Heimatregion: Mittlerweile geht 74 % der Industrieproduktion aus meinem Wahlkreis ins Ausland. Wir profitieren entschieden von der Globalisierung. Auch in meiner Heimatregion werden leider Mitarbeiter entlassen von Unternehmen, die nicht mehr profitabel sind, aber deutlich mehr können von anderen Unternehmen, die von der Globalisierung profitieren, die sich darauf eingestellt haben, eingestellt werden, und wir haben deutlich zurückgehende Arbeitslosenzahlen. Hierüber reden wir leider zu selten.
Um die Globalisierung zu gestalten, ist die Europäische Union wichtig. 480 Millionen Europäer müssen gemeinsam ihre Interessen und Werte vertreten. Wir sind heute schon die offenste Volkswirtschaft, aber wir brauchen weltweit Marktzugang. Wir müssen mehr auf Reziprozität achten. Nichttarifäre Handelshemmnisse und anderes sind untragbar. Wir müssen uns gegen unfaire Handelspraktiken wehren können. Dazu brauchen wir Handelsschutzinstrumente. Und dazu brauchen wir einen Kommissar, der nicht unglaubhaft und nicht arrogant die Europäische Union nach außen vertritt, sondern der im Handelsbereich offensiv unsere Interessen kollegial und vertrauensvoll vertritt. Wir müssen geistiges Eigentum besser schützen, wir müssen uns vermehrt für globale Regelungen und Standards einsetzen, wir müssen die WTO stärken und wir brauchen die transatlantische Partnerschaft.
Wenn wir diese Hausaufgaben erledigen, und wenn die Kommission diese Hausaufgaben erledigt, dann können wir wirklich die Globalisierung nutzen und gestalten, um für die Bürgerinnen und Bürgern insgesamt auch in Zukunft ein Leben in Freiheit und Wohlstand zu sichern.
Edite Estrela (PSE). - (PT) Erfolg im Zeitalter der Globalisierung ist die große Herausforderung für die Europäische Union. Die Frage lautet: Wie können Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt miteinander in Einklang gebracht werden, mit anderen Worten, Globalisierung mit Regulierung?
Die Lissabon-Strategie liefert die Antwort und der Vertrag von Lissabon wird die Entscheidungsfindung erleichtern, aber der Erfolg hängt vor allem davon ab, dass Europa die Globalisierung vielmehr als eine Chance denn als eine Bedrohung versteht. Wir müssen verstehen, was in China und Indien vor sich geht. China hat Großbritannien, Frankreich und Italien auf der Liste der am stärksten industrialisierten Länder überholt, es hat die Vereinigten Staaten als Hauptexporteur technologischer Produkte überholt und riesige finanzielle Reserven angehäuft.
Was Indien betrifft, so kennen nur wenige Menschen den Namen „TATA“. 2006 war der Börsenwert der Automobile herstellenden Niederlassung von TATA höher als der von General Motors, und niemand hatte jemals vom MITTAL-Konzern gehört, bis er ein Angebot für eine feindliche Übernahme gegen ARCELOR vorgelegt und in Paris, Brüssel und Luxemburg Panik ausgelöst hat.
Allerdings darf man die andere Seite des asiatischen Wunders nicht vergessen. Das ist eine Leidensgeschichte, die auf die Komplizenschaft der Regierung in Peking mit westlichen multinationalen Unternehmen zurückzuführen ist, die ihre Produktionen verlegt haben, um von billigen Arbeitskräften und einem nicht vorhandenen Wohlfahrtsstaat zu profitieren.
Inzwischen ist es so, dass die Herausforderungen bei der Bekämpfung der Erderwärmung in Asien gewonnen oder verloren werden. Europa muss hart bleiben und im internationalen Handel auf Gegenseitigkeit bestehen, darf aber nicht systematisch protektionistische Politiken annehmen. Es stimmt, dass der chinesische Wettbewerb aufgrund niedriger Löhne, mangelhafter politischer und gewerkschaftlicher Rechte, Produktfälschungen und der unterbewerteten Währung unfair ist. Das alles stimmt. Es stimmt aber auch, dass es 800 Millionen Chinesen und 700 Millionen Inder gibt, die auf ein bescheidenes Mindesteinkommen und Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit erpicht sind. Das sind Herausforderungen für ein stärkeres Europa und eine bessere Welt.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich glaube ebenfalls, dass unsere Reaktion auf die Globalisierung nicht von Angst bestimmt sein sollte, sondern einem Gespür für die damit verbundenen Chancen in Verbindung mit intelligenter Anpassung.
Wie im Entschließungsentwurf festgestellt wird, ist die EU als globaler Akteur einer der Hauptnutznießer der offenen Weltwirtschaft. Bei all der Antiglobalisierungsrhetorik in Europa wird das nicht immer deutlich. Ich stimme Herrn Czarnecki zu, der sagte, dass sich der Liberalismus über die ganze Welt verbreitet hat. Aber im Gegensatz zu ihm bin ich froh darüber.
Die EU kann ihr Ziel nur erreichen, wenn sie aktiv und organisiert auf der Weltbühne agiert, und das gilt ganz besonders im Hinblick auf die Migration. Ich bin dankbar dafür, dass ein Absatz, den ich für die ALDE-Fraktion entworfen habe, fast unversehrt Eingang in den endgültigen Entschließungsantrag gefunden hat. Ich glaube wirklich, dass die Migration den gleichen Stellenwert auf der EU-Agenda verdient wie der Klimawandel und die Energie. Wir erleben den Druck von außen; wir sehen die sozialen Spannungen und sogar den Rassismus in der EU. Dennoch gibt es keine umfassende EU-Politik weder zur legalen noch zur illegalen Zuwanderung oder zur Integration.
Abschließend sei noch festgestellt, dass wir nicht vergessen sollten, welche Möglichkeiten die globale Kommunikation und vor allem das Internet für die Förderung der Menschenrechte bieten. Nun gut, vielleicht ist es nicht ganz so zwangsläufig, wie wir einmal dachten – man braucht sich beispielsweise nur anzuschauen, wie erfolgreich China die Zensur praktiziert –, dennoch stellen die Globalisierung sowie das Internet und andere globale Kommunikationsmittel eine große und sehr positive Kraft dar. Auch das ist Teil der Globalisierung.
Jan Tadeusz Masiel (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, verehrte Kollegen des Rates und der Kommission! Wie im Leben des Menschen auf die Kindheit die Zeit der Jugend folgt, so scheint die Globalisierung eine natürliche Phase in der Entwicklung der Menschheit und deren nächste Herausforderung zu sein.
In dieser schwierigen Aussprache über diese sich stets ändernde und unbekannte Frage möchte ich sagen, dass paradoxerweise alle meine Vorredner sowohl von der Linken als auch der Rechten des Hauses zu einem beträchtlichen Grad richtig liegen.
Das Wichtigste ist, dass geeignete Richtlinien und Verordnungen für eine gerechte Aufteilung der Vorteile der Globalisierung geschaffen werden müssen. Denn schon anhand der einfachen Definition von Globalisierung wird klar, dass es sich um ein weit verbreitetes Phänomen handelt. Es reicht nicht, dass nur die Europäische Union über solche Organe und Verordnungen verfügt – sie müssen von der ganzen Welt akzeptiert werden. Herr Barroso hat zu Recht gesagt, dass die Europäische Union der Welt ein ausgewogenes und gerechtes Globalisierungsmodell vorschlagen solle.
Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Das Thema unserer heutigen Debatte wird falsch verstanden. Erfolg im Zeitalter der Globalisierung schützt weder Europas Interesse noch den Wohlstand der Arbeitnehmer in den EU-Ländern, sondern lediglich das Interesse des Kapitals. Im Zuge der Globalisierung zielt die von Geschäftsinteressen und multinationalen Unternehmen sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf internationaler Ebene gebildete neue Ordnung auf eine Vervielfachung der Kapitalgewinne durch stärkere Ausbeutung der Arbeitnehmer ab.
Die gestrigen Äußerungen von Herrn Sarkozy über die Globalisierung bestätigen, dass sich die EU auf das große Kapital verlässt. Sie unterstreichen die Intensität der Konflikte zwischen imperialistischen Ländern und die Absicht, die EU als Rammbock gegen andere große imperialistische Zentren und vor allem gegen die Errungenschaften und berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer zu benutzen. Der gemeinsame Nenner all dieser Bemühungen ist ein kräftiger Angriff auf die Arbeiter. Gesunkene Löhne, längere Arbeitszeiten, Anpassung an die Bedürfnisse des Kapitals, ein höheres Rentenalter, Flexibilität und Sicherheit und die Umstrukturierung von Arbeitsbeziehungen sind das Kernstück der Lissabon-Strategie.
Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass die harte Wirklichkeit von Millionen von Arbeitern nicht mit Begriffen aus der Globalisierung beurteilt werden kann. Außerdem ist niemand von den von der Kommission und dem Rat vorgebrachten Argumenten zum Umweltschutz überzeugt.
Robert Sturdy (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Es ist für Kommissar Verheugen sehr schwierig, sich alles anzuhören, was in diesem Saal gesagt wird, aber es wurden natürlich einige sehr eindringliche Aussagen getroffen, und ich hoffe, dass er diese in Betracht zieht.
Ich habe Herrn Barroso aufmerksam zugehört. Meines Erachtens hat er ein Argument benutzt, dem ich nur zustimmen kann, dass die Europäische Union nämlich von der Globalisierung profitieren kann. Herr Toussas hat gerade sehr heuchlerisch von der Arbeiterklasse gesprochen, aber ohne Globalisierung, ohne Industrie und Privatwirtschaft in der Europäischen Union wird es keine Arbeitsplätze für die Menschen geben. Was mir allerdings große Sorge bereitet, das waren Herrn Sarkozys gestrige Ausführungen. Steuern wir wieder auf das alte Frankreich, ein protektionistisches Frankreich, zu, oder bildet sich ein Frankreich heraus, das sich auf die neue Generation einstellt? Das erinnert mich an die Unterzeichnung der Erklärung zum Beitritt zur WTO durch China in den USA. Präsident Clinton hatte zehn Jahre lang erfolgreich verhindert, dass China unterzeichnet. Als Präsident Bush sie unterzeichnete, schauten seine Berater zurück und sagten: „Oh Gott, China hat unterschrieben! Was haben wir getan?“ Sie haben damit u. a. einige großartige Chancen für uns ermöglicht.
Wir müssen in China und Indien eine Chance sehen. Wir dürfen nicht die Zugbrücken hochfahren, die Bewachung verschärfen und die Tore verriegeln, denn Europa bieten sich hier enorme Chancen, die wir nutzen müssen. Herr Caspary hat ganz richtig auf die Beschäftigung in seinem Wahlkreis verwiesen. Ich weiß, dass es sehr schwierig ist, die Arbeitsplätze zu erhalten, aber wenn wir uns vom globalen Markt fernhalten, versperren wir uns damit unseren weiteren Weg. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine riesige Chance haben, wenn wir der Globalisierung aufgeschlossen gegenüberstehen. Wir müssen Dinge wie Freihandelsabkommen in Betracht ziehen. Marokko hat gerade ein Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet. Das müssen wir prüfen.
Abschließend möchte ich die Kommission bitten, der Industrie und der Privatwirtschaft keine Steine in den Weg zu legen. Sehen Sie sich mit Rechtsvorschriften vor, die europäischen Chancen zum Nachteil gereichen.
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident! Vorhin stellte Kommissionspräsident Barroso fest, dass die Europäische Union zweifelsohne besonders dazu prädestiniert sei, eine weltweite Regulierung durchzusetzen. Damit hat er Recht. Doch dazu müssen auch wir unsere Hausaufgaben machen. Zu den Instrumenten, über die wir in der Union zur Bewältigung dieser Herausforderungen verfügen, gehört auch eines, das wir Leitlinien im Bereich der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik nennen. Ich befürchte, dass die Kommission jetzt versucht, diese notwendigen Leitlinien angesichts der Globalisierung unter den Teppich zu kehren. Doch sie sind nutzbringend, und wir müssen sie revidieren.
Wir müssen dies erstens tun, weil die Staats- und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates im März dieses Jahres die bestmögliche Strategie angenommen haben, die es der Union ermöglicht, die Globalisierung sowie die Herausforderungen der Energieversorgung und des Klimawandels anzugehen. Wenn wir für die Umsetzung dieser Strategie nicht alle der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, einschließlich der Leitlinien und vielleicht vor allem der Leitlinien, dann werden wir nichts erreichen und nur Enttäuschung im Hinblick auf die Fähigkeit der Union zur Bewältigung der Globalisierung auslösen.
Wir müssen dies ebenfalls tun, weil Kommissar Almunia selbst anerkannt hat, dass die Fragen der Wechselkurse, des Ölpreises und der tatsächlichen Auswirkungen der Subprime-Krise auf die Wirtschaft der EU die Wachstumsprognosen der Europäischen Union beeinträchtigen werden, weshalb er diese nach unten korrigiert hat, und zwar von 2,9 auf 2,4 % für die Union insgesamt und von 2,6 auf 2,2 % für die Eurozone.
Wir müssen dies weiterhin tun, weil wir den Hoffnungen der Völker nachkommen müssen und weil, was immer auch Nicolas Sarkozy denken mag, die Frage des sozialen Europas ein wirkliches Thema ist, dass Sie angehen müssen, wenn Sie sich künftig nicht die Missbilligung der europäischen Bürger zuziehen wollen.
Der letzte Grund, aus dem wir es tun müssen, ist heute von Kommissar Almunia aufgezeigt worden, als er anerkannte, dass angesichts der derzeitigen internationalen Lage das europäische Wachstum hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, vom Binnenkonsum abhängt.
Ist es vorstellbar, dass vor diesem Hintergrund eines umfassenden Wandels das Einzige, was sich nicht ändert, die Leitlinien sein sollen? Ist es vorstellbar, dass das einzige Instrument, über das die Union verfügt, um die Wirtschafts- und Sozialpolitiken der Mitgliedstaaten zu steuern, unverändert bleiben soll?
Ich möchte den Kommissionsvertreter und den Vizepräsidenten bitten, Präsident Barroso zu übermitteln, dass die Leitlinien geändert werden müssen, dass der neue Kontext berücksichtigt werden muss, damit sich die Union intern mit den besten verfügbaren Instrumenten zur Bewältigung der Herausforderungen der Globalisierung ausstattet.
Wolf Klinz (ALDE). - Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Diejenigen, die verbal für eine gerechtere Welt eintreten, sind nicht zimperlich, die Globalisierung als Ursache für Schwierigkeiten in der eigenen Wirtschaft auszumachen. Sie fordern daher weniger Markt, mehr Regulierung und mehr staatliche Eingriffe. Dabei bietet die Globalisierung die echte Chance, zum Win-win-Szenario zu werden, da sie es den Schwellenländern und Nachzüglern der Weltwirtschaft ermöglicht, Anschluss zu finden, und uns die Chance bietet, neue Märkte für anspruchsvolle, hochwertige Produkte, Anlagen und Dienstleistungen zu entwickeln.
Um diese Chancen zu nutzen, müssen wir allerdings unsere Hausaufgaben machen: noch mehr Anstrengungen bei Ausbildung, Weiterbildung – vor allem arbeitsloser Jugendlicher – und lebenslangem Lernen, noch mehr Forschung und Entwicklung, noch mehr Investitionen in Innovation und Ökologie, noch mehr Kreativität bei der Gestaltung der Wertschöpfungsketten und Prozesse unserer Wirtschaft, noch mehr freies Unternehmertum. Ohne Behinderung führt die Globalisierung zu offeneren Märkten und mehr Wettbewerb. Alle Konsumenten profitieren davon.
Widerstehen wir der Versuchung, unsere Wirtschaft schützen zu wollen! Dieser Schutz würde sehr schnell zum reinen Protektionismus entarten. Fördern wir stattdessen die unserer Wirtschaft innewohnenden Kräfte, sich ständig zu erneuern! Investieren wir in die Technologien der Zukunft, dann werden wir diese auch gewinnen!
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die Wirtschaft sollte allen Menschen dienen, nicht anders herum. Die natürlichen Geschwindigkeitsunterschiede beim Kapitalverkehr und der Arbeitskräftefluktuation im Zeitalter der Globalisierung führen zu einem schwindelerregenden Absinken der Beschäftigungsstandards. Die Produktion wird in Gebiete mit immer niedrigeren Löhnen und immer gefährlicheren Arbeitsbedingungen verlegt. Das führt zum Verlust von Arbeitsplätzen für Menschen in Regionen mit höheren Beschäftigungsstandards. Die Kaufkraft von Arbeitnehmern und die Nachfrage nach Verbrauchsgütern sinken.
Wenn die Europäische Union im Zeitalter der Globalisierung erfolgreich sein möchte, muss sie wirksame Instrumente zur Bekämpfung des Sozialdumpings sowie zur Aufrechterhaltung und zum Schutz der sozialen Dimension entwickeln.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Meines Erachtens leistet die Kommission einen sehr wertvollen Beitrag zur Globalisierungsdebatte.
Ich sehe in der Globalisierung keine Gefahr, sondern eine Chance. Europa verfügt über die Voraussetzungen, um sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir haben eine hoch entwickelte Infrastruktur, entsprechende Bildungssysteme, Technologie, Kapitalmärkte, und es bilden sich florierende Inlandsmärkte heraus.
Es kann gar nicht genug betont werden, dass Europas Stärke in einem Binnenmarkt liegt, der als Sprungbrett für unsere Unternehmen auf den Weltmarkt fungiert. Überall in Europa entstehen Innovationen. Ihre Verbreitung, die Europa Wohlstand bringt, darf nicht durch Bürokratie behindert werden. Das ist meine spezielle Bitte an Kommissar Verheugen. Der Abbau der Bürokratie in Europa ist für die Globalisierung und die europäische Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Unser besonderes Augenmerk muss dabei den KMU gelten. Auf sie muss sich die Kommission konzentrieren. Es wurde bereits viel erreicht, doch Steuerhindernisse beispielsweise behindern noch immer die Geschäftstätigkeit in Europa.
Leistungsfähige Unternehmen benötigen eine entsprechende Arbeitnehmerschaft, und die könnte sich bald zu einer knappen Ressource in Europa entwickeln. Europas demographische Entwicklung erfordert die Zuwanderung. In diesem Punkt sind uns andere Regionen der Welt weit voraus, und das schlägt sich in ihrer Wirtschaftskraft nieder. Das ist eine schwierige Frage, die eine ausgewogene Berücksichtigung aller Interessen erfordert, nicht zuletzt die der Arbeitgeber. Natürlich ist das ein europäisches Problem, denn ohne mobile Arbeitnehmer gibt es keine Wettbewerbsfähigkeit. Pläne wie die „Blaue Karte“ sind in diesem Zusammenhang zu begrüßen.
Ein weiteres Element, bei dem Freizügigkeit, gepaart mit einer gewissen Beständigkeit, erforderlich ist, ist das Kapital. Finanzielle Stabilität ist eine unerlässliche Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges und wirtschaftlich sicheres Europa. Global gesehen, zählen die Finanzmärkte zu den leistungsstarken Sektoren Europa. Sie gehören zu unseren neuen erfolgreichen Branchen. Dank einer marktgeführten Regulierung, die hier nicht mit Laxheit gleichzusetzen ist, erleichtert die Innovation dem Sektor ein europaweites Funktionieren, und das ist unerlässlich.
Was die übrige Welt angeht, so sollte sich Europa als starker globaler Akteur etablieren. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen Einigkeit demonstrieren, und dazu kann die Kommission einen Beitrag leisten.
Jan Andersson (PSE). – (SV) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Ich sehe lieber die Möglichkeiten, die die Globalisierung mit sich bringt, als ihre Probleme, aber das hängt davon ab, wie wir in Europa agieren. Meiner Ansicht nach sollten wir langfristiger in eine gute Umwelt, in Forschung und Entwicklung sowie in die Menschen und das lebenslange Lernen investieren. Die Kommission lässt jedoch außer Acht – und das ist der Fehler in ihrem Dokument –, dass wir die soziale Dimension vernachlässigen.
Die gegenwärtige Entwicklung in Europa ist gekennzeichnet durch ein echtes Wachstum und zunehmende Beschäftigung, aber auch durch stärkere Ausgrenzung, größere Ungleichheiten und immer mehr unsichere Beschäftigungsverhältnisse sowie – nicht zuletzt in Deutschland – durch eine zunehmende Anzahl von Arbeiten, mit denen man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, sondern als Ergänzung zum Lohn Sozialhilfe beziehen muss. Wir müssen Wachstum und Beschäftigung mit einer sozialen Dimension verbinden, die zu einer Verringerung der Unterschiede zwischen den Menschen und den Regionen in Europa beiträgt. Das war auch ein Thema bei der Diskussion in Guimarães, an der ich während der Sitzung der Arbeits- und Sozialminister teilgenommen habe.
Die portugiesische Ratspräsidentschaft ist bestrebt, die Frage der Integrierten Leitlinien voranzutreiben, diese Leitlinien zu ändern, um die Verknüpfung mit sozialen Aspekten wesentlich deutlicher zu machen und diese stärker einzubeziehen.
Die Kommission will das jedoch nicht; sie will die Leitlinien nicht ändern. Diese müssen aber geändert werden. In unserer Entschließung haben wir uns darauf geeinigt, dass wir neue Leitlinien wollen, die die soziale Dimension einbeziehen und natürlich auch die Frage der sich verändernden Sicherheit und der „Flexicurity“ aufgreifen. Das sollte sich auch die Kommission zu eigen machen, damit wir die Fragen des Wachstums stärker mit der sozialen Dimension verknüpfen.
Darüber hinaus müssen wir auch die Lissabon-Strategie verankern, die gegenwärtig auf der Ebene der Mitgliedstaaten sowie auf regionaler und lokaler Ebene keine Verankerung besitzt. Es gibt viele Menschen, die die Lissabon-Strategie nicht kennen. Wir müssen sie integrieren und dafür sorgen, dass die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft ebenfalls mit diesen Fragen – soziale Dimension, Wachstum und Beschäftigung – arbeiten. Es ist von großer Bedeutung, dass alle diese Themen miteinander verknüpft sind.
Samuli Pohjamo (ALDE). – (FI) Frau Präsidentin! Ich möchte eine nördliche Perspektive in diese Debatte einbringen. Vor zirka zwei Jahren arbeitete ich in einer regionalen Entwicklungsorganisation nahe dem Polarkreis und der russischen Grenze. Für diese abgelegene Region war die Globalisierung gleichermaßen eine Bedrohung und eine Chance. Wir begannen mit der Entwicklungsarbeit, wobei wir auf unsere eigenen Stärken vertrauten und die Globalisierung nutzten. Unternehmen, der öffentliche Sektor, das Bildungssystem und die Hochschulen bündelten ihre Ressourcen, um einen produktiven und innovativen Lebensraum aufzubauen. Durch die Vernetzung mit globalen Kompetenznetzen wurde die Wissensbasis gestärkt, ganz im Sinne der Lissabon-Strategie. Gleichzeitig wurden Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien ins Leben gerufen. Die Ergebnisse sind ermutigend. Ein spezielles Beispiel ist das schnelle Wachstum des internationalen Tourismus in der Region. Ich glaube, dass diese Region anderswo in Europa als ein nützliches Modell dienen könnte, und die EU sollte diese Art Tätigkeit viel stärker fördern.
Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). - (NL) Frau Präsidentin, Europas Gestalt wird durch den Binnenmarkt, die Liberalisierung des Binnenmarktes und die Liberalisierung des Weltmarktes, die Globalisierung, geprägt. Dies hat uns nicht nur Wohlstand, sondern auch eine stabile Demokratie gebracht. Wir müssen uns daher – und ich spreche hier vor allem von Aspekten des Handels – vor einer übermäßig defensiven Strategie und insbesondere vor protektionistischen Handelsinstrumenten vorsehen.
Frau Präsidentin, Europas Wettbewerbsfähigkeit ist durch eine offene Haltung gegenüber der Welt besser gedient. Deshalb erachte ich es als wichtig, der Öffnung wirtschaftlicher Märkte in Nicht-EU-Staaten mehr Vorrang einzuräumen, insbesondere in den aufstrebenden Industrieländern wie Indien, Brasilien und China, denn das gewaltige Wachstumspotenzial dieser Märkte ist eine Chance für die europäischen Unternehmen und eine Chance für die europäische Wirtschaft. Diese Schwellenländer müssen im Gegenzug ihre Märkte für unsere Unternehmen öffnen. Und im Interesse der Gegenseitigkeit fordere ich die Kommission dringend auf, in ihren Verhandlungen dementsprechend Druck auf diese Länder insbesondere auszuüben.
Wir haben mit einer Delegation des Ausschusses für internationalen Handel Singapur besucht, und wir sahen, dass amerikanische Unternehmen sehr viel besseren Zugang erhalten als europäische, Frau Präsidentin. Das wollen wir nicht hinnehmen. Daher müssen wir proaktiv handeln. Wir sind schließlich die weltweit größte Wirtschaft. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, sollten wir in der Lage sein, unsere Macht zur Öffnung dieser Märkte zu nutzen. Dann werden Importabgaben und nichttarifäre Handelshemmnisse beseitigt, Frau Präsidentin. In unserer Strategie für den Marktzugang müssen wir diesen entstehenden Märkten Vorrang einräumen.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Europa wurde gebeten, seinen Bürgern eine andere Facette der Globalisierung zu zeigen. Dabei geht es ist nicht um ungehinderten Wettbewerb, sondern um soziale Solidarität, Umverteilung, Diversifizierung und kulturelle Werte.
Die Europäische Kommission muss das kulturelle Ethos der EU sowohl in diesem internen Dialog als auch bei der Öffnung der EU für die übrige Welt mit Wirtschafts- und Sozialpolitiken sowie mit Politiken in den Bereichen Umwelt, Sicherheit, tragfähige Entwicklung und Immigration fördern und stärken. Im Rahmen ihres jährlichen Legislativprogramms, der Lissabon-Strategie und der Stärkung des an die Reformen anschließenden Vertrags muss die Kommission die folgenden kulturellen Bereiche fördern:
Zunächst muss sie die Kulturwirtschaft auf der Grundlage qualitativ hochwertiger, innovativer Angebote stärken und der europäischen Wirtschaft zugleich produktive und innovative Chancen eröffnen. Dieser Bereich ist für den interkulturellen Dialog außerordentlich wichtig.
Zweitens muss sie das „Wissensdreieck“ aus Forschung, Bildung und Innovation stärken. Leider wird das noch nicht durch gesetzgeberische Maßnahmen gestützt, wenngleich das eines der Ziele der EU sein sollte.
Innovation im Bereich der Kultur darf kein Luxus sein, in dessen Genuss einige wenige multinationale Unternehmen kommen, sondern muss eine horizontale Politik für KMU sein.
Frau Präsidentin, die Europäische Kommission und der Rat müssen ihre Positionen klar definieren, um die Herausforderungen der Globalisierung bestehen zu können. Sie müssen dies in einem offenen, zunächst mit den einzelstaatlichen Parlamenten geführten, Dialog tun. Globalisierung kann als Teil der europäischen Geschichte dargestellt werden, wenn sie mit dem Ethos der europäischen Kultur erfüllt wird.
Sharon Bowles (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Der Globalisierung wird die Schuld an allem gegeben – von der Bevölkerungsexplosion über den Klimawandel bis zur Ausbeutung. Doch das sind nur die Ergebnisse menschlichen Tuns, so wie der Wettbewerb. Darwin nannte das natürliche Auslese.
Europas Bürger haben Angst. Wir müssen sie aufklären, aber nicht, indem wir feststellen, dass wir eine Politik auf EU-Ebene brauchen, damit wir uns der Herausforderung einer globalisierten Wirtschaft stellen können. Da wird mir selbst angst, wenn ich höre, dass wir keine entsprechende Politik haben.
Die EU verfügt auf supranationaler Ebene über eine einzigartige Macht, mit der sie Prozesse gestalten und Auswüchse in Frage stellen kann. Im Juli war in der „Financial Times“ zu lesen, dass Brüssel die Regulierungshauptstadt der Welt sei, die keiner zwischen Washington und Tokio ignorieren könne. Wenn wir schon über solche Möglichkeiten verfügen, dann sollten wir sie auch nutzen, aber klug. Welchen Sinn hat eine Agenda für die Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie nicht dazu dient, unsere Position in der Welt zu erhalten? Welchen Sinn hat ein Binnenmarkt, wenn es uns nicht gelingt, ihn ordnungsgemäß zu vollenden? Schluss mit den feigen Ausreden. Sinn und Zweck der EU ist es, Herausforderungen zu meistern. Genau das müssen wir jetzt tun, bevor wir der natürlichen Auslese zum Opfer fallen.
Cristobal Montoro Romero (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin, sehr geehrte Vertreter des Rates und der Kommission! Für Europa ist die Globalisierung gut, Europa muss die Globalisierung unterstützen.
Wir sind Zeuge einer noch langsamen, aber unumkehrbaren Auflösung der Grenzen in der Welt; eines Prozesses, in dessen Ergebnis innerhalb von weniger als 20 Jahren über 400 Millionen Menschen aus der Armut befreit werden konnten, und im Jahr 2007 wird zum ersten Mal China dasjenige Land, diejenige Region in der Welt sein, das bzw. die am meisten zum Weltwirtschaftswachstum beiträgt. China, nicht die Europäische Union, meine Damen und Herren!
Das bedeutet letzten Endes, dass die Globalisierung eine Herausforderung, zugleich aber auch eine große Chance ist. Sie ist eine Herausforderung insofern, als eine Öffnung zu mehr Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung führt – und genau das müssen wir den europäischen Bürgern erklären. Es bereitet mir wieder Sorge, das Wort „Protektionismus“ in diesem Plenum zu hören.
Protektionismus ist eine Verneinung der Globalisierung und eine Verneinung der Europäischen Union. Es ist nicht notwendig, die Bürger durch Protektionismus zu schützen, wenn die Bürger selbst die Hauptakteure ihres Wirtschaftswachstums und ihres Wohlstands sind. Wir müssen den Menschen diese Fähigkeit zurückgeben und dementsprechend auch Selbstkritik innerhalb der Europäischen Union üben.
Das ist so, weil wir in der Europäischen Union unsere Hausaufgaben nicht machen, wenn unser Wachstum zu gering ist, wenn wir auch Mitverantwortung für die Krise der globalen Finanzmärkte tragen und wenn wir letztendlich nicht alles tun, was wir in unserem eigenen Hause, vor unserer eigenen Haustür tun müssten, um das Wirtschaftswachstum im Mittelstand anzukurbeln und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, denn wir brauchen deutlich mehr Arbeitsplätze, als durch den Prozess der Wirtschaftsöffnung entstehen können.
Die Lissabon-Agenda ist in der Tat wegweisend: Die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts, die Sanierung der öffentlichen Finanzen, die Reformierung und Modernisierung unseres Arbeitsmarkts, unser Festhalten an der Reform des Umweltschutzes und den erneuerbaren Energien und letztlich die Öffnung Europas bedeuten eine wirkliche Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Europa.
Enrique Barón Crespo (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, es ist äußerst angebracht, dass die Diskussion über die Globalisierung unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft stattfindet, weil Portugal ein Land ist, dessen Flagge bekannt ist, weil die Portugiesen beim Beginn der Globalisierung durch die Europäer Vorreiter waren und weil die Globalisierung keine Heimsuchung ist, die über uns hereinbricht. Wir Europäer leiteten den Prozess der Globalisierung während der Renaissance – als wir weniger weit entwickelt waren als die Chinesen und die Inder – ein, und so sieht uns die übrige Welt.
Heute, mit dem Vertrag von Lissabon, werden wir nun auch Pioniere in einem Prozess sein, den ich „postimperiale Globalisierung“ nennen würde. Wir erobern keine neuen Kontinente, sondern wir geben eine Antwort, mit der wir – aus freiem Willen – die von Staaten und Völkern geteilten Werte vereinen und mit der wir ein Beispiel für jene Art von Globalisierung geben können, die am nötigsten ist und bei der es sich um die politische und soziale Globalisierung handelt.
Hier wurde von einer übereilten, unkontrollierten finanziellen Globalisierung gesprochen, obwohl wir, nur zum Beispiel, einen Europäer an der Spitze des Internationalen Währungsfonds haben. In der WTO stellen wir den Hauptblock und tragen eine konkrete Verantwortung. Was aber fehlt? Es fehlt genau daran, dass wir nicht in der Lage sind, in einer globalisierten Welt Antworten zu finden, die einer solchen Welt entsprechen. Konkret gibt es zwei zentrale, problematische Aspekte, die unser aktives Handeln erfordern: nicht nur im Bereich des Handels und der technologischen Entwicklung, sondern bei der umfassenden Verteidigung der Menschenrechte, insbesondere der Arbeiterrechte, für die es die Internationale Arbeitsorganisation gibt, und außerdem bei den Verhandlungen und der Politik, die notwendig sind, um dem Klimawandel die Stirn zu bieten.
In jedem Fall, Frau Präsidentin, glaube ich – und damit schließe ich –, dass wir Europäer kein Recht haben, die Globalisierung pessimistisch zu sehen. Wir haben sie gesucht und müssen uns jetzt innovative Antworten einfallen lassen.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin, Herr Präsident! Es liegt auf der Hand, dass wir nicht in der Lage sein werden, alle Probleme der Globalisierung in nur einer Erklärung und mit nur einer Maßnahme zur Förderung der Lissabon-Strategie zu lösen. Allerdings ist die Erklärung des Rates und der Kommission gut, weil in ihr darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Globalisierung weder ein Fluch ist noch eine Bedrohung sein muss, sondern für die Bürger Europas etwas Positives sein könnte, und dass sich die EU bei ihren Maßnahmen hauptsächlich von der Sorge um die Bürger und von ihren Tätigkeiten leiten lassen sollte.
Ich bin für vier Tätigkeitsbereiche. Erstens: das Wissensdreieck, insbesondere die Innovation. Mir ist klar, dass es hier besonders wichtig ist, schnell zu agieren, um zumindest das Europäische Technologieinstitut in Gang zu bringen.
Zweitens: das Unternehmensumfeld. Das bedeutet einen vollständig offenen und freien Binnenmarkt ohne Monopole, mit offenem Wettbewerb, weniger Regulierung und weniger Bürokratie, wofür sich der Vizepräsident der Kommission, Günter Verheugen, so mutig einsetzt.
Drittens der Bereich Personal: Dazu gehören die Migrationsprobleme und primär die Bekämpfung des Braindrains, d. h. bessere Ausbildungsmöglichkeiten, attraktivere Investitionen und eine soziale, auf den Errungenschaften der Wirtschaft basierende Dimension der EU.
Viertens und letztens: Energie und Klimawandel. Hier geht es um eine gemeinsame Energiepolitik, der wir uns meiner Meinung nach alle bewusst sind, und um die Senkung der Emissionen. Allerdings kann eine Senkung der Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union allein nicht das Weltklima retten. Aus diesem Grund benötigen wir eine politisch starke EU, denn nur eine starke EU kann die Vereinigten Staaten, China und Indien dahingehend beeinflussen, die Klimaschutzrichtlinien zu erfüllen.
Was die Senkung der Treibhausgasemissionen in der EU betrifft – ja, ich bin dafür, aber ich in auch für eine politisch starke EU, d. h. die schnellstmögliche vollständige Ratifizierung des Europäischen Vertrags.
Gary Titley (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Hoffentlich, und ich sage hoffentlich, wird der Lissabon-Vertrag den Schlusspunkt unter ein Kapitel in der Geschichte der Europäischen Union setzen, und zwar das Kapitel des Wachstums der EU, der Konsolidierung sowie des Friedens und der Stabilität auf dem Kontinent, des Abbaus von Handels- und Wirtschaftshemmnissen zwischen den Mitgliedstaaten und der institutionellen Entwicklung, die zur Erreichung all dieser Dinge erforderlich war. Doch jetzt müssen wir ein neues Kapitel aufschlagen, ein Kapitel, das nach außen gerichtet ist, mit dem wir uns den Herausforderungen der Globalisierung stellen.
Wir brauchen ein global ausgerichtetes Europa, das eine komplett neue Agenda für die Globalisierung aufstellt, eine Agenda, die auf den Grundsätzen der Offenheit, Fairness und der Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fußt. Die Herausforderungen sind uns bekannt – sie wurden im Rahmen dieser Aussprache ausführlich erörtert. Die beiden wichtigsten sind meines Erachtens der Klimawandel und die Migration, aber die Aufrechterhaltung eines hohen Wachstums und der Beschäftigung sind ebenfalls wichtig. Wir brauchen eine moderne und effektive Sozialagenda. Wir müssen den Terrorismus und die Kriminalität bekämpfen und uns für die Sicherheit über unsere Grenzen hinaus einsetzen. Auch die Armut gilt es zu bekämpfen. Und wie Frau Bowles eben sagte, verfügen wir ja über entsprechende Politiken. Doch seien wir offen: Wir kommen nur schleppend voran. Der Fortschritt ist ungleichmäßig und nicht immer sehr effektiv.
Wenn wir die Globalisierung wirklich bewältigen wollen, dann brauchen wir eine radikale und grundlegende Schwerpunktverlagerung, und zwar nicht nur in unseren Politiken, sondern in unserem Denken in der Europäischen Union überhaupt. Jetzt geht es einfach darum, dass wir handeln, dass wir etwas tun. Wir müssen dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten ihr Versprechen einlösen, denn wir haben einen EU-Rahmen. Was wir nicht haben, das sind 27 Mitgliedstaaten, die alle zu ihrem Wort stehen, und wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, Versprechen einzulösen und das Potenzial der EU maximal zu nutzen.
Alexander Radwan (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Globalisierung in zwei Minuten – ich probier's. Meine erste Bitte ist, dass wir mit dem Thema Globalisierung in der Diskussion ein Stück weit ehrlich umgehen. Die Region, aus der ich komme, Bayern, lebt zu 50 % vom Export. Viele Menschen sind globalisierungskritisch, aber wenn man sie fragen würde – Sind Sie damit einverstanden, dass Sie die Weltmärkte nicht mehr bedienen können? – wären sie damit nicht einverstanden.
Auch wenn wir uns hier in den Zuschauerreihen umschauen und die Frage stellen würden: Wer wäre denn damit einverstanden, keine preiswerten Produkte – seien es Elektroartikel, Textilien oder aus anderen Bereichen – zu kaufen? Niemand wäre einverstanden. Jeder weiß, dass die Importe aus diesen Ländern dazu führen, dass die Inflationsrate in den letzten Jahren so niedrig ist, wie sie ist. Dieses gehört zur Ehrlichkeit, auch wenn wir regelmäßig darüber reden, dass Globalisierung eine Bedrohung ist.
Europa muss die Globalisierung gestalten, denn wir profitieren bis jetzt als Hersteller wie als Konsumenten davon. Darum geht es zum Beispiel – und das ist für Kommissar Verheugen und für Europa sehr wichtig: die Entbürokratisierung. Damit meine ich jetzt nicht nur die Kommission, sondern ich meine auch das Parlament und den Rat. Wir reden jetzt über Globalisierung, danach werden wir aber die Bodenschutzrichtlinie verabschieden, wo mehr Bürokratie hinzukommt. Wir sollen also auch ein stringentes Handeln in Europa haben. Und wir sollen Europa gestalten!
Wenn wir die Subprime-Krise in den USA betrachten, dann ist es notwendig zu sehen, dass internationale Finanzmärkte verflochten sind und wir Europäer mitgestalten müssen. Wie gehen wir mit Rating-Agenturen um, wie gehen wir mit Hedgefonds um? Da ist leider Gottes der zuständige Kommissar McCreevy bis jetzt nicht an der Spitze der Bewegung, den Amerikanern und anderen Märkten Vorgaben zu machen, sondern Europa hinkt hinterher.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Europa gut auf die Globalisierung vorbereitet ist. Wir profitieren davon, wir müssen es den Menschen erklären, wir müssen uns für Mindeststandards einsetzen – wobei das keine europäischen Standards sein werden –, und dann sind wir vorbereitet, fit und die Profiteure der Globalisierung. Die Wahl, ob Globalisierung stattfindet oder nicht, wird nicht in Brüssel oder Straßburg entschieden.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Danke, Frau Präsidentin! Ich spreche als Vertreterin einer Region, die sich ihr Schicksal nach dem Krieg nicht aussuchen konnte. Unser Land und der glücklichere Teil Europas waren durch einen Stacheldrahtzaun getrennt, aber nicht einmal der konnte die unerwarteten Auswirkungen der Globalisierung aufhalten.
Wir haben im Jahr 2000 damit begonnen, uns mit Wettbewerbsfähigkeit und Solidarität im Rahmen der Strategie zu Gunsten der Arbeit und Arbeiter und der Lissabon-Strategie vertraut zu machen. Seitdem hat das Pendel viele Male zugunsten des Kapitals ausgeschlagen, und es war zu befürchten, dass die menschliche Seite der Strategie untergehen würde.
Wettbewerbsfähigkeit und Arbeit sind unbestreitbar und historisch gesehen untrennbare Konzepte, und wir beginnen zu begreifen, dass lohnende Arbeit nur ein Teil eines lohnenswerten Lebens ist. Zu einem lohnenswerten Leben gehören auch eine Grundsicherheit, der Beitrag zu einem gesunden Leben und zur Entwicklung, weniger Diskriminierung und akzeptable Lebensbedingungen.
Aber Europa sollte sich selbst nicht nur als Verteidigerin von Werten sehen, sondern Generationen träumen lassen, indem es den europäischen Bürgern und Bürgern aus Drittstaaten, die die Dinge in die Hand nehmen wollen, Möglichkeiten eröffnet. Und aus genau diesem Grund darf Solidarität nicht nur ein Motto bleiben. Sie muss den Menschen, die aktiv werden können, Chancen und Möglichkeiten eröffnen.
Meine Damen und Herren, der Arbeitsmarkt und das Kapital, das stets Gewinne fordert, sind rücksichtslos selektiv. Neues Personal erfordert Investitionen zu einem höheren Preis als dem Kapital lieb ist. Nur wer mobil ist, kann Arbeit finden. Das Europa der Werte kann nicht hinnehmen, dass Menschen am Beginn ihrer Karriere, ältere Menschen, durch Armut Isolierte, jene, die gezwungen sind, sich neue Fertigkeiten anzueignen und Zigeuner, die unter vielen Belastungen zu leiden haben, keine Arbeit finden. Damit vor allem die künftigen Generationen nicht unter dieser Benachteiligung zu leiden haben, sichern die Gemeinschaftsmittel, die für uns ausgegeben werden, ihnen nicht nur ein Leben, das zu leben sich lohnt, sondern sie tragen auch zur weiteren Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit bei. Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Aus dieser Aussprache lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Darstellung des europäischen Modells auf dem globalen „Riesenbildschirm“ sowohl Chancen als auch Risiken birgt.
Insgesamt wird die Globalisierung von den europäischen Bürgern als ein externes Phänomen wahrgenommen: Sie führt zu keiner offensichtlichen regulierenden oder politischen Intervention Europas. Daher muss mit dem europäischen Aktionsplan gezeigt werden, dass tatsächlich ein sichtbares, messbares europäisches Interesse verteidigt wird. Zudem muss für ein globales Verständnis geworben werden.
Was die Außenhandelsagenda der EU betrifft, so bin ich der Auffassung, dass neben anderen Aspekten vorrangig die Bedingungen für einen wechselseitigen Marktzugang und einen gleichberechtigten Wettbewerb gewährleistet werden müssen, wie der französische Präsident Sarkozy gestern in diesem Haus nachdrücklich betont hat.
Der strenge europäische Rechtsrahmen für den Umweltschutz und den Schutz der öffentlichen Gesundheit für Verbraucher und Arbeitnehmer ist ein wichtiger Hinweis auf die politische und institutionelle Reife der Union. Wenn das allerdings kein langwieriger Wettbewerbsnachteil für die Union sein soll, müssen auch andere international führende Akteure entsprechend reagieren.
Das Zusammenspiel der inneren und äußeren Aspekte der Lissabon-Strategie wird das europäische Modell im Bereich Regierungsführung weltweit voranbringen. Allerdings prallt das Modell auf geringere Regelungsstrenge und weniger rechtlich bindende Vollständigkeit in der WTO und in anderen internationalen Organisationen. Die Union ist gefordert, auf einer höheren Ebene der internationalen Zusammenarbeit eine führende und konstruktive Rolle einzunehmen. Sie ist gefordert, im Interesse einer zunehmenden Angleichung der Rechtsvorschriften der Vereinbarung bindender Verpflichtungen und der Annahme internationaler Normen Priorität einzuräumen.
Stephen Hughes (PSE). - (EN) Frau Präsidentin! Wir haben eine sehr umfassende Aussprache erlebt, und ich möchte zum Schluss die Sozialpolitik als produktiven Faktor in den Mittelpunkt stellen.
Ziel des Pakets integrierter Leitlinien war es, die Politikfelder des Lissabon-Prozesses Wirtschaft, Soziales und Nachhaltigkeit zusammenzuführen, doch in der Praxis ist im Falle der Beschäftigungsleitlinien aus der Integration Unterordnung geworden. Die Beschäftigungsleitlinien sind praktisch unsichtbar geworden, wobei die enormen Unterschiede, die zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich der Erfüllung einer Reihe von Indikatoren und Zielen im Rahmen der Beschäftigungsstrategie zur Jugendarbeitslosigkeit, der Integration älterer Arbeitnehmer – verschiedener Faktoren – bestehen, kaum noch auszumachen sind. In einigen Mitgliedstaaten sind die Ausgaben für lebenslanges Lernen und aktive Arbeitsmarktmaßnahmen in den letzten fünf Jahren sogar zurückgegangen – sie haben sich nicht erhöht, sondern sind gesunken. Das ist für den Lissabon-Prozess insgesamt eine Katastrophe.
Deshalb muss die Beschäftigungsstrategie im nächsten Zyklus des Lissabon-Prozesses stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Ich möchte auf einen weiteren Punkt verweisen. Der gemeinsame Entschließungsantrag, über den wir heute diskutieren, unterstreicht an einigen Stellen, wie wichtig menschenwürdige Arbeit und die Qualität der Arbeit sind. Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Kommission dem Konzept der Beschäftigungssicherheit den Vorzug vor dem der Arbeitsplatzsicherheit gibt, was sowohl im Grünbuch zum Arbeitsrecht wie auch in der Mitteilung zur Flexicurity deutlich wird. Im Rahmen unserer Arbeit im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zum Thema Flexicurity machen wir deutlich, dass sowohl die Beschäftigungssicherheit als auch die Arbeitsplatzsicherheit wichtig sind.
Was ein raschen Veränderungen unterliegendes flexibles Unternehmen braucht – ein Unternehmen, das seine Fertigungsstraße alle sechs Monate und seine IT-Konfiguration alle vier Monate ändert –, das sind anpassungsfähige, qualifizierte, loyale und engagierte Mitarbeiter und kein zersplitterter und von Planungsunsicherheit geprägter Arbeitsmarkt. Wir werden also unser Bestes tun, um ein gutes Paket von Flexicurity-Prinzipien zu erarbeiten, aber sie müssen dann eine Änderung der Leitlinien bewirken. Präsident Barroso sagte vorhin, dass nicht repariert zu werden braucht, was nicht kaputt ist. Nun, sie sind kaputt und müssen repariert werden.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich beglückwünsche die Kommission zu ihrem ausgezeichneten Dokument und möchte lediglich die folgenden vier Punkte hervorheben.
Der erste betrifft die wissensbasierte Wirtschaft. Ich halte die in diesem Dokument gefundene Formulierung, dass der freie Austausch von Ideen und Forschern die vier Grundfreiheiten in der EU vielleicht um eine fünfte ergänzen könnte, für außerordentlich gelungen, und ich würde mir eine entsprechende Entwicklung wünschen.
Bezugnehmend auf das, was Herr Hughes eben sagte, glaube ich, dass dieser Punkt wirklich deutlich macht, wo wir stehen. Wir diskutieren im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten darüber, dass wir uns von der Idee der einfachen Arbeitsplatzsicherheit zugunsten der Beschäftigungssicherheit lösen wollen, indem wir uns für die Beschäftigungsfähigkeit und die Qualifizierung einsetzen. Auf diese Weise kann Erfolg für Europa im Zeitalter der Globalisierung Erfolg für den Einzelnen – Erfolg für die Menschen – bedeuten, und dieser Aspekt sollte in der EU viel stärker im Mittelpunkt stehen.
Der zweite Punkt betrifft die KMU. Es wird auf eine Vielzahl neuer Vorschläge für Ende 2008 verwiesen. Das begrüße ich, aber es gibt ein „Aber“: Wir sollten unsere Aufmerksamkeit nicht auf neue Vorschläge verlagern, deren Vereinbarung in der Zukunft ansteht, sondern uns jetzt auf die Umsetzung der eingegangen Verpflichtungen konzentrieren. Dabei möchte ich vor allem gegenüber Herrn Verheugen auf die Vereinfachung der EU-Rechtsvorschriften und die Verringerung ihres Umfangs um 25 % verweisen. Wir brauchen hier spürbare Fortschritte in allen Bereichen, und zwar möglichst bald, weil davon vor allem die KMU profitieren werden. In diesem Zusammenhang würde ich eine umfassende Überprüfung der Arbeitszeitrichtlinie anregen, wobei wir alle uns von unseren herkömmlichen Denkmustern lösen sollten, und ich meine wirklich jeden von uns, auch die Europaabgeordneten.
Beim dritten Punkt geht es um den Binnenmarkt. Die Aufnahme einer externen Dimension ist ja schön und gut, aber erst einmal sollten wir die interne Dimension bewältigen und unseren Binnenmarkt vollenden, bevor wir uns unseren externen Höhenflügen hingeben. An die Adresse von Herrn Schulz und auch Herrn Hughes möchte ich feststellen, dass ich ebenfalls durchaus der Meinung bin, dass es dabei nicht nur um unseren wirtschaftlichen Fortschritt geht, sondern dass damit auch sozialer Fortschritt verbunden ist.
Abschließend eine Bemerkung persönlicherer Natur. Die einzige Sache, über die ich in dem Dokument wirklich stolpere, ist die allererste Zeile auf der Titelseite, welche lautet: „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen“. Ich weiß, dass es den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen gibt – obwohl mir nicht ganz klar ist, wieso –, aber bitte erheben Sie sie nicht in den gleichen Rang wie die beiden Mitentscheidungsinstitutionen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Das Phänomen der Globalisierung ist immer deutlicher wahrnehmbar. In einer solchen Situation muss die Europäische Union recht schnell handeln und entscheiden, ob die Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht nur erhalten, sondern auch verstärkt wurde. Sie muss entscheiden, ob die Lissabon-Strategie, das Instrument, mit dem sie sichergestellt werden soll, Lösungen in den Bereichen Innovation, Energie, Migration, Bildung und Demografie bieten kann. All dies muss das Wachstum und die Fähigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, fördern.
In Bezug auf die Umwelt stehen wir vor neuen Herausforderungen wie die CO2-Emissionen, der Einsatz von Pestiziden, Vorräte an sauberem Wasser und Wasserquellen, Bodenschutz und Landwirtschaft. Und nicht zuletzt stehen wir vor Herausforderungen im Gesundheitswesen und bei Epidemien sowie bei der Bekämpfung von Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Zunahme aller Arten von Krebs.
Meine Damen und Herren, die Globalisierung stellt uns vor weitere Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und Migration, und die Bedrohung durch Kriminalität und Terrorismus nimmt ständig zu. Demnächst, wenn neun neue Mitgliedstaaten dem Schengen-Raum beitreten, werden wir sehen, wie die letzten Überreste des Eisernen Vorhangs und des geteilten Europas verschwinden. Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um diesen gemeinsamen Raum umfassend zu kontrollieren, damit illegale Einwanderer, durch die sich die Sicherheitslage in den Mitgliedstaaten verschärft, nicht hinein gelangen können. Darüber hinaus trete ich für einen verantwortungsbewussten Ansatz bei den Arbeitsgenehmigungen für legale Migranten ein: Wir müssen gründlich darüber nachdenken und qualifizierte Arbeitskräfte für die Beschäftigungssektoren auswählen, in denen sie am nötigsten sind.
Ich glaube auch – und ich möchte, dass die Kommission dies zur Kenntnis nimmt –, dass die älteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union die unsinnigen Beschränkungen bei der Beschäftigung von Bürgern aus den neuen Mitgliedstaaten aufheben werden. In der heutigen Situation ist das ein unbegreiflicher Anachronismus.
Tokia Saïfi (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin! Die Europäische Union darf nicht zum Opfer der Globalisierung werden oder ihren Bürgern den Eindruck vermitteln, dass sie in eine Entwicklung hineingezogen werden, die sich ihrem Einfluss entzieht. Daher besteht die Frage nicht mehr darin, ob die Globalisierung gut oder schlecht ist, sondern ob wir gerüstet sind, sie zu beeinflussen und mitzugestalten. Zur Bewältigung dieser Herausforderung muss die Europäische Union Wettbewerbsfähigkeit mit wirtschaftlicher und sozialer Kohäsion vereinbaren. Die Verstärkung der multilateralen Regeln ist ein Teil dieses Prozesses.
In einem offenen Wirtschaftssystem besteht der beste Weg, um die Achtung der Verbraucher- und der Bürgerrechte zu gewährleisten, in der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und in der Herstellung eines fairen und gerechten Marktes, der die Umwelt- und Sozialstandards berücksichtigt. Bis ein international anerkanntes Regelsystem vorliegt, ist es daher äußerst wichtig, die bestehenden kommerziellen Verteidigungsinstrumente aufrechtzuerhalten und nicht zu schwächen, denn sie sind unsere einzigen effektiven Instrumente zur Dumpingabwehr. Ja, es ist möglich, dass Europa seine Bürger schützt, ohne in Protektionismus zu verfallen. Europa muss ebenfalls in die Sektoren investieren, die künftig sein wirtschaftliches Gewicht bestimmen, nämlich Forschung, Innovation und Entwicklung sauberer Technologien.
Um diejenigen zu unterstützen, die die größten Schwierigkeiten haben, von der Globalisierung zu profitieren, muss Europa seine Solidaritätsinstrumente ausbauen nach dem Beispiel des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung oder des Flexicurity-Ansatzes. Die rechtzeitige Einstellung auf den Wandel und die Durchführung von Reformen sind im Interesse Europas, um dem internationalen Wettbewerb standhalten zu können. Die Europäische Union besitzt die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen zur Bewältigung dieser Herausforderung.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Frau Präsidentin! Erfolg bei der Globalisierung ist eine entscheidende Voraussetzung für den europäischen Wohlstand, denn sie ist der Schöpfer seines materiellen Inhalts. Nun, da der Drei-Jahres-Zyklus der erneuerten Lissabon-Strategie zu Ende geht, müssen wir die Aufmerksamkeit insbesondere auf die externe Dimension richten. Dabei möchte ich insbesondere auf drei Aspekte eingehen.
Erstens, mit der Energie, ihrer Versorgung und ihrer hinreichenden Verfügbarkeit, steht und fällt
die Stärke der Gesellschaften in einem globalen, vom Wettbewerb geprägten Umfeld. Die Situation in Europa scheint in dieser Hinsicht nicht gerade angenehm zu sein. Der Verlust an Energieautarkie ist eine ernste Herausforderung für die EU. Bereits heute importieren wir die Hälfte unserer Energie aus Ländern außerhalb der EU, und Prognosen zufolge wird die Abhängigkeit von Importen zunehmen. Über entschlossene Anstrengungen zur Steigerung der Energieautarkie hinaus brauchen wir eine starke Außenpolitik im Bereich der Energie, eine gemeinsame Stimme, Solidarität und Importsicherheit.
Das zweite zentrale Thema ist der Klimawandel, ein globales Phänomen, das weltweit negative Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft hat, und für das globale Lösungen gefunden werden müssen. Einseitige Maßnahmen verfälschen den Wettbewerb und führen zu Kohlenstofflecks. In Verbindung mit der Globalisierung rücken folgende Hypothesen in den Vordergrund: die Unvermeidlichkeit eines globalen Systems des Emissionshandels, die zwingende Verpflichtung aller industrialisierten Länder und aufstrebenden Volkswirtschaften, sich dem System anzuschließen, und die Beseitigung von Schranken für den Zugang zum Markt für saubere Technologien.
Drittens, die EU sollte sich stets der Genialität Schumanns bewusst sein, dass nämlich in unserer Erfolgsgeschichte die Wirtschaft dazu da ist, unseren gemeinsamen Zielen, dem Wohl des Menschen, dem Frieden und der Stabilität zu dienen. Unsere kulturelle Tradition ist für uns Verpflichtung, uns für eine humanere Welt, die die Menschenrechte achtet, einzusetzen. Nur dann kann die Globalisierung im Interesse aller sein. Nur dann werden wir verhindern, dass uns die Welt aus den Händen gleitet.
Panayiotis Demetriou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Die Bürger Europas scheinen das historische Phänomen der Globalisierung eher mit Skepsis zu betrachten – viele von ihnen gar mit Angst und einer vollkommen negativen Einstellung. Das hängt mit der Revolution der Weltwirtschaft und dem sozialen Gefüge Europas zusammen. Vorurteile, Angst und vor allem Untätigkeit und passive Beobachtung von Entwicklungen sind jedoch keine Art, mit der neuen Ordnung der Weltbühne umzugehen. Die Situation lässt sich nicht rückgängig machen. Die Globalisierung wird bleiben, ganz gleich, ob uns das gefällt oder nicht. Das große „globale Dorf“, wie Präsident Barroso sagte, wird gebaut.
Die EU muss Europas Interessen schützen. Daher muss sie methodisch, planerisch, kollektiv und dynamisch in den Globalisierungsprozess einbezogen werden, um in dem neuen Weltsystem geeignete Verfahrensregeln zu erarbeiten. Die EU muss vorankommen. Sie muss sich natürlich für das Wohlbefinden der Bürger Europas, aber auch der Bürger der Welt einsetzen. Als ein auf Prinzipien und Werten beruhendes Bündnis muss die Union ihrem im Dienste des Menschen stehenden Wesen einen Ehrenplatz zuweisen und es international fördern. Sie muss den wirtschaftlichen Wettbewerb in wahren Wetteifer umwandeln, um dadurch Freiheit, Demokratie, den Grundsatz rechtmäßigen Handelns, soziale Gerechtigkeit, Achtung der Menschenrechte, Umweltschutz und das friedliche Zusammenleben von Nationen und einzelnen Menschen zu fördern. Das ist die Rolle, die die EU im Globalisierungsprozess spielen kann und spielen muss.
Marianne Thyssen (PPE-DE). - (NL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Aussprache kommt nicht zu früh. Die Globalisierung ist eine Tatsache. Jede Generation hat ihre eigenen Herausforderungen, heißt es. Nun, unsere Herausforderung besteht darin, so gut wir es können auf die neuen Umstände zu reagieren, die die Globalisierung mit sich bringt.
Die beste Reaktion ist natürlich, der Globalisierung keinen Widerstand zu leisten – wie einige dies immer noch von uns verlangen. Wir können und wollen das nicht. Es wäre für uns in Europa in jedem Fall besonders kontraproduktiv, da wir mehr als andere von Rohstoffen, Energie, Märkten für den Verkauf unserer Erzeugnisse und, angesichts unserer alternden Bevölkerung, auch von Arbeitskräften abhängen.
Unsere Antwort muss darin bestehen, mit der Globalisierung mitzugehen und sie besser zu gestalten. Dies bedeutet, Abkommen schließen und internationale Regeln festlegen. Als Europa sind wir für den Abschluss innergemeinschaftlicher Abkommen gut ausgebildet. Wir sollten daher diese Erfahrung nutzen, um auf internationaler Ebene stärker die Führung zu übernehmen.
Dies, Frau Präsidentin, sollten wir mit dem nötigen Selbstvertrauen und angeregt von den Werten tun, die auch unsere Maßnahmen innerhalb der EU bestimmen, die Werte, die wir im Reformvertrag und in der Charta der Grundrechte so gut zum Ausdruck gebracht haben.
Meine Damen und Herren, die Versicherung von gestern, der Schwerpunkt des Arbeits- und Legislativprogramms der Kommission für 2008 liege auf dem Wunsch, mit der Globalisierung besser umzugehen, ist ein gutes Zeichen. Ein Zeichen, dass es ernst gemeint ist. Die Tatsache, dass das Thema Globalisierung auch beim informellen Gipfeltreffen von Lissabon erörtert wurde, zeigt, dass die Lissabon-Strategie eine neue externe Dimension braucht.
Als Koordinatorin der Fraktion für die Lissabon-Strategie möchte ich betonen, dass diese Strategie uns wach gerüttelt hat. Nach und nach, stoßweise kommen wir nun voran. Der erste Dreijahreszyklus nach der Halbzeitüberprüfung ist fast zu Ende, und vielleicht ist eine neue Anpassung nötig. Ich möchte vorschlagen, Frau Präsidentin, dass wir uns von nun an weniger auf Zielvorgaben, Prozentzahlen und Statistiken konzentrieren und mehr auf echte Zielsetzungen: Innovation, ein gutes Unternehmensklima, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum sowie mehr und bessere Arbeitsplätze.
Letztlich müssen wir auf ein Ziel hin arbeiten, das wir hoffentlich alle gemeinsam haben, nämlich gute Chancen für eine angemessene Lebensqualität möglichst vieler Menschen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Wie Europa in der Vergangenheit mit der Moderne zurechtgekommen war, ist zu bewundern, doch in Anbetracht der Globalisierung wissen wir nicht, wie wir eine geeignete Strategie finden können, die Europa in die Lage versetzen würde, eine Schlüsselrolle zu spielen. Der erste Schritt bei dieser Suche besteht in der Einsicht, dass der Lissabon-Strategie eine außenpolitische Dimension fehlt und dass sie Teil einer komplexeren wirtschaftlichen und sozialen Strategie werden muss. Eine solche Strategie müsste den Konflikt zwischen der stark regulierten europäischen Wirtschaft und dem liberalisierten Welthandel genau herausarbeiten und uns ein Instrument zur Minimierung dieses Konflikts, der Europa weniger wettbewerbsfähig macht, an die Hand geben.
Die zwei Gründe, die die Regulierung innerhalb eines gemeinsamen Wirtschaftsraums rechtfertigen, sind lauterer Wettbewerb und ein hohes Verbraucherschutzniveau. Beide Gründe werden allerdings zunehmend durch Unmengen von Billigwaren aus Drittländern und gefälschten Artikeln unterwandert. Wir stehen vor beängstigenden Aufgaben, wie zum Beispiel der Kontrolle des gigantischen Volumens von Importwaren, die die europäischen Sicherheitsstandards nicht erfüllen.
Der Kernpunkt unserer komplexen Strategie muss das Bemühen um die Annäherung der ordnungspolitischen Mechanismen sein, mit anderen Worten die Schaffung globaler Richtlinien und Normen, und zwar nicht nur im technischen Bereich, sondern im Bereich der Ökologie, des Sozialen und der Sicherheit. Eine Möglichkeit, diesen Prozess zu unterstützen, besteht darin, beharrlich die Einhaltung der Menschenrechte in Drittländern zu verlangen. Die Redefreiheit ermöglicht es den Bürgern dieser Länder, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern, und das wiederum trägt zur Konvergenz von der anderen Seite aus bei.
Unsere neue Energiepolitik ist eine gute Antwort auf die Problematik der Globalisierung und geht mit gutem Beispiel voran. Wir müssen jedoch auch andere Politikbereiche überprüfen, die nach und nach Teil einer adäquaten, komplexen Strategie für den Umgang mit der Globalisierung werden sollten. Von Relikten wie beispielsweise der Agrarpolitik müssen wir uns trennen.
Wenn wir ein wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne bleiben wollen, dürfen wir nicht nur reagieren: Wir müssen aktiv an der Schaffung von Regeln für die globale Konvergenz sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU mitarbeiten. Europa muss sich etwas verändern. Sollte es dies nicht tun, erwartet uns das Schicksal des gekochten Froschs: Das Wasser wird ganz allmählich zum Kochen gebracht, und dann ist es zu spät, um aus dem Topf zu springen.
Hans-Peter Martin (NI). - Frau Präsidentin! Europa sei gut auf die Globalisierung vorbereitet, sagte mein Vorredner, Alexander Radwan. Doch die Globalisierung neuen Zuschnitts läuft doch jetzt schon seit achtzehn Jahren! Und wir gleiten direkt von der Globalisierungsfalle – das „war“ und „wurde“, dieses Zurückdrängen des breiten Massenwohlstands und der Angriff auf die Demokratie – in die Europafalle, weil der Sündenfall der Politik seinerzeit das Scheitern eines vernünftigen Vertrags in Nizza war. Dort wurde vorschnell erweitert statt vertieft.
Darum sind jetzt der Kern des Problems die Bürokratie, die Milliardenverschwendung und – jawohl – auch die falsche politische Rekrutierung von Eliten in Europa. Gerade Sie, Herr Kommissar Verheugen, sind ja ein Beispiel dafür. Die unsäglichen persönlichen Angriffe gegen Sie starteten, als Sie versucht haben, die Bürokratie unter Kontrolle zu bringen. Jetzt gibt es einen neuen, dem man wieder am Sessel sägt, wir werden sehen, was der mit der Bürokratie zuwege bringt.
Das wird so nicht funktionieren! Wenn uns das nicht gelingt, wird die politische Handlungsfähigkeit der Union weiter lahmliegen, und wir werden an den Herausforderungen der Globalisierung scheitern.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Frau Präsidentin, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Das war wirklich eine lange und ausführliche Aussprache, und von allen Aussprachen, an denen ich hier im Namen der Präsidentschaft teilgenommen habe, war diese die mit der längsten Teilnehmerliste und den meisten Abgeordneten, die ihre Meinung kundgetan haben. Hierbei handelt es sich definitiv um eine topaktuelle Frage von großer Bedeutung, aber lassen Sie uns ganz klar festhalten, dass es auch eine schwierige und kontroverse Frage ist, die zu einer Vielzahl von Stellungnahmen, Analysen und Kommentaren geführt hat. Ich würde als gemeinsame Schlussfolgerung festhalten, dass die Globalisierung gekommen ist, um zu bleiben und sich in vielerlei Hinsicht zu entwickeln und zu manifestieren.
Es führt kein Weg zurück. Es ist nicht möglich, rückwärts zu gehen. Wir können die Geschichte nicht rückgängig machen. Die Globalisierung selbst ist das Ergebnis unseres Wegs in die Zukunft. Bei allem, was wir tun, analysieren und entscheiden müssen, geht es natürlich um die Frage, wie wir das Beste aus der Globalisierung machen und den größten Nutzen daraus ziehen, während wir gleichzeitig alle mit ihr verbundenen bekannten Risiken senken oder ausräumen und immer im Hinterkopf behalten – das ist für mich sehr wichtig –, dass Globalisierung der Menschheit und den Bürgern dienen muss, und nicht umgekehrt. Nicht die Menschheit, die Bürger oder die Menschen müssen der Globalisierung dienen.
Es besteht ferner wenig Zweifel daran, dass, wenn wir in Europa das Beste aus dem, was die Globalisierung zu bieten hat, machen und Vorteile daraus ziehen wollen, wir unsere Unternehmen, ganz gleich ob große oder kleine und mittlere Unternehmen, mit den Instrumenten und Verfahren ausstatten müssen, die es ihnen ermöglichen, den Herausforderungen der wirtschaftlichen Globalisierung zu begegnen. Wir müssen die Qualifikationen anheben und europäische Bürger schulen und darüber hinaus unser Sozialmodell reformieren. Dabei geht es nicht darum, dieses Modell zu verkleinern oder zu schwächen, ganz im Gegenteil. Wir müssen es stärken und so anpassen, dass es den Herausforderungen und Bedrohungen der Globalisierung erfolgreich begegnen kann. Im Bereich Umwelt gilt es zu erkennen, dass die Europäische Union bewiesen hat, dass sie die Umwelt schützt. Und sie hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, den Weg in die Zukunft auf eine Art zu weisen, wie es kein anderer regionaler Zusammenschluss in der Welt getan hat. Die Verhandlungen, die im Dezember in Bali aufgenommen werden, werden das klar zeigen.
Abschließend muss ich auch auf die „außenpolitische Dimension“ der Lissabon-Strategie zu sprechen kommen, die so eng mit der Globalisierung zusammenhängt. Die Idee ist, andere einzuladen, die diesen Weg mit uns gehen und diese Schwierigkeiten und Herausforderungen der Globalisierung mit uns gemein haben, auch wirtschaftliche, soziale und ökologische Werte und Grundsätze mit uns zu teilen, und natürlich klarzustellen, dass die Globalisierung nur dann für jeden ein Erfolg sein wird, wenn wir uns auf eine soziale, wirtschaftliche und ökologische Welt einigen, die für und zugunsten aller reguliert wird. Das ist grundlegend. Lassen Sie uns nicht naiv sein, meine Damen und Herren. Wir sind der Auffassung, dass wir, wie ich bereits gesagt habe, mit solider Politik, festen Grundsätzen und festen Werten erreichen können, was eines unserer grundlegenden Ziele ist – die Globalisierung in den Dienste der Menschheit zu stellen.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitteilung der Kommission über das europäische Interesse, die die Grundlage für die heutige Debatte war, ist nichts anderes als eine Art Impulsreferat. Das ist nicht der Lissabon-Plan für die nächsten drei Jahre. Das ist ein Dokument, mit dem die Diskussion im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament angeregt werden sollte, damit die Kommission die Ergebnisse dieser Diskussion einbeziehen kann in die Vorschläge, die für den nächsten Lissabon-Zyklus gemacht werden. Diese Vorschläge werden erst im Dezember gemacht. Sie liegen heute nicht auf dem Tisch, und deshalb sind die Damen und Herren Abgeordneten, die die Kommission kritisiert haben, sie hätte keine konkreten Vorschläge vorgelegt, einem Irrtum erlegen.
Darum ging es heute nicht. Es ging heute für die Kommission darum, zu erfahren, was Sie, die Vertreter der europäischen Wählerinnen und Wähler der Kommission auf den Weg zu geben haben für die Formulierung dessen. Und da möchte ich gerne positiv auf vieles, was hier gesagt worden ist, reagieren.
Die Leitlinien werden das zentrale Instrument des neuen Lissabon-Pakets bleiben. Der Präsident hat auch klargemacht: Das Instrument hat sich bewährt, und das Instrument als solches werden wir nicht verändern, aber es wird selbstverständlich so gefasst sein, dass es uns erlaubt ist, die Erfahrungen der letzten drei Jahre in angemessener Weise zu berücksichtigen und die Themen, die in den letzten drei Jahren stärker in den Vordergrund getreten sind, auch mit mehr Gewicht zu behandeln.
Ich möchte einige Beispiele dafür nennen: Wir werden mehr Gewicht auf die Verbindung der Themen Wettbewerbsfähigkeit, Energie und Umwelt legen müssen. Das ist heute in dieser Debatte mehrfach gefordert worden. Das ist vollkommen richtig. Es muss Schluss sein mit den isolierten Politiken. Wir brauchen einen vollständig integrierten Ansatz. Wir müssen mehr Wert legen auf die Herausarbeitung konkreter Vorschläge, wie wir den globalen Wettbewerb, den wir ja wollen, zu gleichen und fairen Bedingungen herstellen, also die externe Dimension der Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen sehr viel mehr Wert legen auf die Frage, wie der Strukturwandel sozial begleitet wird. Und das schien mir heute in der Debatte quer durch alle Fraktionen die ganz große Frage zu sein. Sie ist ja auch berechtigt.
Lassen Sie mich dazu etwas sagen. Ich halte es für eine falsche Sicht, Investitionen in soziale Stabilität und soziale Sicherheit als Geschenke, als Wohltaten hinzustellen. Sie sind im Gegenteil auch Investitionen in die ökonomische Leistungsfähigkeit. Denn es ist doch ganz eindeutig, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas davon bestimmt ist, dass wir eine hochmotivierte, hochleistungsfähige Arbeitnehmerschaft haben, und die haben wir deshalb, weil wir ein hohes Lohnniveau und ein hohes Niveau an sozialer Sicherheit haben.
Es ist nicht so, dass wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte im Gegensatz zueinander stehen, sondern es ist vollkommen so, wie es heute mehrfach gesagt wurde, dass diese beiden Dinge einander ergänzen und bedingen. Ich halte das für einen sehr wichtigen Gesichtspunkt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass allein schon vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir in immer mehr Regionen und Sektoren einen Mangel an ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften haben, die Frage nach der Beschäftigungsfähigkeit viel schärfer gestellt werden muss als bisher. Also ich denke, da sind wir uns in weiten Teilen einig.
Ich möchte aber gerne auch noch darauf hinweisen, dass auch die Kommission der Auffassung ist, dass die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die wir in jüngster Zeit erlebt haben, Anlass zu internationaler, multilateraler Handlung sein müssen. Das kann man nicht einfach so laufen lassen, denn es ist so, wie gesagt worden ist: Es handelt sich um einen eingebauten, strukturellen Defekt des internationalen Finanzsystems. Es handelt sich nicht um individuelles Versagen der Manager, die jetzt mit Abfindungen von zwischen 100 und 200 Millionen Dollar in die Wüste geschickt werden, sondern es ist ein struktureller Defekt.
Ich möchte noch drei ganz kurze Bemerkungen machen zu der großen Debatte, die heute hier zum Thema Globalisierung stattgefunden hat. Erstens: Es ist in dieser Debatte so schwer, eine gemeinsame europäische Politik zu finden, weil es keine Einigung darüber gibt, was eigentlich das europäische Interesse ist. In unserer täglichen Arbeit sind wir nämlich ständig konfrontiert mit einer ganz unterschiedlichen Definition des europäischen Interesses. Je nachdem, wie die Lage gerade ist, ist das europäische Interesse niedrige Preise im Supermarkt des einen Mitgliedslandes oder ein hohes Beschäftigungsniveau in der Industrie eines anderen Landes. Und das ist ein Gegensatz, den man nicht so ohne weiteres auflösen kann. Oder ein hohes Beschäftigungsniveau in der Stahlindustrie in Lüttich — ein ganz aktuelles Beispiel — oder ein hohes Niveau bei den Umweltstandards im europäischen Emissionshandel. Wir stehen ständig vor diesen Konflikten, und es gibt keine einheitliche Linie zwischen 27 Mitgliedstaaten in der Frage, was hier das europäische Interesse ist.
Zweitens: Wir können nicht so handeln, dass wir sagen: Globalisierung war so lange gut, wie sie in der Beherrschung der armen Länder des Südens durch die reichen Länder des Nordens bestand. So lange war sie gut. Und die Globalisierung ist schlecht, wo die Länder des Südens zu Wettbewerbern werden. Das geht nicht. Und was auch nicht geht, ist, mit der Forderung nach hohen ökologischen und sozialen Standards an die sich entwickelnden Regionen heranzutreten, selber aber nicht bereit zu sein, die eigene Politik zu ändern.
Was ich heute in Europa höre, ist, China, Indien, die müssen ihre ökologischen und sozialen Standards ändern. Das ist ja richtig, aber die Chinesen und die Inder empfinden das als reinen europäischen Protektionismus, denn wir haben unseren Wohlstand begründet, indem wir niedrigere soziale Standards und niedrigere ökologische Standards benutzten, und jetzt sagen wir den anderen, wir wollen das behalten, was wir haben, aber Ihr dürft es nicht kriegen.
Diese Politik, meine Damen und Herren, ist zum Scheitern verurteilt. Ich sage Ihnen das. Das einzige, was funktioniert, ist, wir müssen diesen sich entwickelnden Volkswirtschaften demonstrieren, dass ein anderer Weg möglich ist. Dass es möglich ist, die ökologische und soziale Herausforderung in eine ökonomische Chance zu verwandeln. Deshalb ökologische Industriepolitik.
Über diesen Punkt, glaube ich, sind wir uns weitgehend einig, und vor dem Hintergrund dessen wird die Kommission jetzt intensiv daran arbeiten, die Vorschläge für den nächsten Lissabon-Zyklus auf den Tisch zu legen. Sie werden dann im März vom Frühjahrsrat behandelt, so dass das Europäische Parlament ausreichend Gelegenheit hat, vor der abschließenden Beschlussfassung im März nächsten Jahres seine Meinung zu den konkreten Aktionen und den konkreten Vorschlägen zu sagen.
(Beifall)
Die Präsidentin. – Danke für die Zusammenfassung, Herr Kommissar.
Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sieben Entschließungsanträge eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12 Uhr statt.
(Gekürzt gemäß Artikel 142 der Geschäftsordnung)
Edit Herczog (PSE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident, Rat, Kommission, meine Damen und Herren! Als Folge der Globalisierung werden mehr und mehr Länder demokratisch und gehen zum freien Welthandel über. Das zeigt den Erfolg der Politik des Friedens und der Demokratie, die Europa seit einem halben Jahrhundert verfolgt. Auf der anderen Seite ist die Tatsache, dass einige Länder mitunter Vorteile aus dem internationalen Handel ziehen, weil sie illegale Instrumente nutzen, ein Zeichen dafür, dass der Übergang zur Verfassungsmäßigkeit allmählich erfolgt und nicht sofort perfekt ist. Aus eben diesem Grund sollte Europa weiterhin die Förderung und die Stärkung der Demokratie als Ziel verfolgen.
Wie erfolgreich wir im daraus entstehenden globalen Wettbewerb sind, hängt von uns ab. Als Verfasserin des Berichts über die Globalisierung weiß ich, dass wir die Herausforderungen erkannt haben, und dass es nun an der Zeit ist, zu handeln.
Wir müssen daran denken, dass unser heutiger Wohlstand unseren Enkelkindern erhalten bleiben muss, und zwar so, dass die anderen Völker der Welt sich unterdessen auch in diese Richtung entwickeln können. Werden sie die Kraft haben? Werden sie eine bewohnbare Umwelt haben? Darum geht es bei der europäischen Energiepolitik und dem Aufbau einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.
Wir müssen sicherstellen, dass jeder in Europa, unabhängig von seiner Herkunft und seiner Situation, und jedes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe und seinem Sitz, all seine Kräfte und besten Fähigkeiten entwickeln kann. Darum geht es, wenn wir über gleiche Möglichkeiten, den Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft, Innovationspolitik und die neue europäische Politik für KMU sprechen.
Wir müssen in das digitale Zeitalter eintreten und dazu alle Bereiche und jeden digital integrieren.
Kurz gesagt, wir verfügen bereits über alle Instrumente, wir müssen nur diesen Schritt tun. Lassen Sie uns an die Arbeit gehen!
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Globalisierung ist ein nicht aufzuhaltender Prozess. Der Erfolg der Europäischen Union bei dieser Globalisierung ist nicht vorherbestimmt. Für einige ist die Lissabon-Strategie, wie sie bisher umgesetzt wurde, kein Erfolgsrezept. In der Tat handelt es sich nur um eine Strategie auf dem Papier, und selbst auf halbem Wege, 2005, war klar, dass das Hauptziel, nämlich das Rennen gegen die USA in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, nicht erreicht wurde.
Zwischenzeitlich sind andere Herausforderungen in Form des wirtschaftlichen Angriffs aus China, Indien oder anderen asiatischen Ländern hinzugekommen. Bisher hat die Vielzahl spürbarer Ziele die Tatsache verdeckt, dass es am politischen Mut, auf nationaler Ebene Strukturreformen durchzuführen, mangelt. Das ist aber die Ebene, auf der über ein möglicherweise innovatives und dynamisches Europa entschieden wird. Aufgrund dieses fehlenden Mutes sucht die Europäische Union nach Ersatzlösungen, indem sie beispielsweise ihre Hoffnungen auf eine radikale Änderung des gemeinschaftlichen Haushalts setzt, d. h. auf zunehmende öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Das reicht nicht, wenn es nicht Hand in Hand mit der Fähigkeit einhergeht, mit Unterstützung innovativer Unternehmen aus dem privaten Finanzsektor auch Risiken gemeinsam auf sich zu nehmen.
Eine Lösung in Form des Europäischen Technologieinstituts zeigt, dass der Trend in Richtung institutionelle Lösungen geht, während der Fonds zur Anpassung an die Globalisierung ein Zeichen für das Ausmaß der übertriebenen europäischen Sorgen ist. Die passende Antwort auf die schweren Aufgaben der Globalisierung liegt in der vollständigen Marktliberalisierung und in einer mutigen Reform des europäischen Sozialmodells.
Joseph Muscat (PSE), schriftlich. – (EN) Um im Zeitalter der Globalisierung Erfolg zu haben muss die Europäische Union eine europäische Politik für ausländische Direktinvestitionen erarbeiten.
Wir brauchen eine Politik für folgende Bereiche:
- Eingehende ausländische Direktinvestitionen, das sind Direktinvestitionen in der Europäischen Union mit Ursprung außerhalb der EU;
- Ausgehende ausländische Direktinvestitionen, das sind Direktinvestitionen in Drittländern mit Ursprung in der Europäischen Union
- Interne ausländische Direktinvestitionen, das sind Direktinvestitionen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Ursprung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.
Es stimmt, dass wir über Elemente einer solchen Politik verfügen, wie beispielsweise das Siebte Rahmenprogramm, das die Voraussetzungen schafft, um Investoren in den Bereichen Forschung und Entwicklung anzulocken.
Doch das ist nur ein Teil der Geschichte, wenn auch ein wichtiger.
Fakten und Zahlen verdeutlichen die immense Rolle, die ausländische Direktinvestitionen in der Weltwirtschaft von heute spielen bzw. den Stellenwert, den Europas ausländische Direktinvestitionen im Vergleich zur übrigen Welt haben.
Aus diesen Angaben geht hervor, dass wir zur Untersetzung der Lissabonner Ziele eine übergeordnete europäische Politik für ausländische Direktinvestitionen brauchen, um die Vorzüge ausländischer Direktinvestitionen für unsere Menschen maximal zu nutzen.
Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Heutzutage sehen die Europäer ganz und gar nichts Ungewöhnliches darin, mit dem Rucksack durch Lateinamerika zu reisen, mit Freunden in Afrika online zu chatten und CDs in den USA zu bestellen. Durch die Globalisierung ist die Welt geschrumpft. Vor allem die junge Generation sieht in Europa den eigenen Hinterhof und in der Welt nicht mehr als die Heimatstadt.
Trotzdem haftet dem Begriff der Globalisierung etwas Negatives an. Von vielen wird befürchtet, dass aufgrund der Globalisierung Länder mit niedrigen Lohnkosten Europa die Arbeitsplätze wegnehmen werden.
Es ist eine der wichtigen Aufgaben der EU, diese Ansichten zu ändern. Und das tut sie, indem sie nachweist, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam stark genug sind, um die Globalisierung nicht nur zu überleben, sondern sogar von ihr zu profitieren. Wie in der Erklärung festgestellt wird, ist Europa der weltgrößte Exporteur von Waren und Dienstleistungen und die zweitgrößte Destination ausländischer Direktinvestitionen. Bezüglich der Beschäftigung kann festgestellt werden, dass 2006 insgesamt 3,5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen wurden!
Sicher, vieles muss noch verbessert werden: Europas Innovationspolitik könnte einige Impulse gut vertragen, die globalen Märkte bedürfen der Regulierung, und die Verhinderung des Klimawandels sollte nicht nur das Problem der Europäer sein. Dennoch steht für mich außer Zweifel, dass die EU die Prüfung, die die Globalisierung darstellt, mit fliegenden Fahnen bestehen wird.
VORSITZ: EDWARD MCMILLAN-SCOTT Vizepräsident
3. Abstimmungsstunde
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)
3.1. Die regionalen Auswirkungen von Erdbeben (Abstimmung)
Pervenche Berès (PSE), Berichterstatterin. – (FR) Herr Präsident! Wir werden über neun Berichte abstimmen, von denen die sechs folgenden im Grunde das gleiche Anliegen verfolgen. Es geht um die Umsetzung der zwischen den drei Organen so meisterhaft abgeschlossenen Vereinbarung über das Komitologieverfahren. Wir sind hier mitten in den praktischen Arbeiten, für die wir nach den langen und fruchtbaren Verhandlungen zwischen dem Rat und der Kommission die Unterstützung dieses Hohen Hauses brauchen.
3.5. Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten von Wertpapieren (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (Abstimmung)
3.13. Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (Abstimmung)
Gyula Hegyi (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte meinen Kollegen nicht die Zeit stehlen, aber da wir keine Aussprache im Plenum hatten und bei der Diskussion in erster Lesung angelangt sind, möchte ich Sie über die wichtigsten Elemente der neuen Rechtsvorschriften für GVO informieren.
Das Kompromisspaket räumt dem Parlament das Recht auf Kontrolle bei der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen ein. Die parlamentarische Kontrolle bedeutet Transparenz in dieser heiklen Frage. Aus Eurobarometer-Erhebungen zu GVO geht hervor, dass 94 % unserer Bürger die Möglichkeit haben möchten, selbst zu entscheiden, 86 % möchten ausreichend informiert sein, bevor sie GVO konsumieren, und 71 % lehnen GVO-Lebensmittel einfach ab. Deshalb besteht unser größter Erfolg darin, dass der Rat und die Kommission der parlamentarischen Kontrolle der Umsetzung der Kennzeichnungsauflagen für GVO zugestimmt haben.
Ich möchte mich bei den Schattenberichterstattern, der Kommission und dem portugiesischen Ratsvorsitz bedanken. Mehr Offenheit in Bezug auf genetisch veränderte Organismen sorgt für mehr Demokratie in Europa.
3.15. Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (Abstimmung)
Konrad Szymański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass wir nach der Diskussion über die Kompromissfassung zu dieser Entschließung exakt 16 Minuten Zeit hatten, Änderungsvorschläge vorzulegen und das Ergebnis unserer Arbeit zu prüfen. Meiner Auffassung nach untergräbt das die Rechte eines jeden Abgeordneten und jeder Fraktion dieses Hauses, Texte unserer Entschließungen frei zu beeinflussen. Dazu gehört auch die Vorlage von Änderungsanträgen.
Ich möchte darum bitten, dass das in Zukunft nicht noch einmal vorkommt.
- Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 1:
Ria Oomen-Ruijten, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, ich möchte die folgende Änderung zu Ziffer 6 vorschlagen. Dies erfordert eine getrennte Abstimmung. Der erste Absatz sollte wie folgt geändert werden:
(EN) „unterstreicht, dass die Situation in Tschetschenien in den Beziehungen zwischen der EU und Russland weiterhin umstritten ist”
(NL) statt des derzeitigen Wortlauts. Der Berichterstatter ist einverstanden.
(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)
- Vor der Abstimmung über Ziffer 23:
Ria Oomen-Ruijten, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, wir müssen zulassen, dass die realen Gegebenheiten und das Gipfeltreffen zu den Überflugsrechten über Sibirien für sich selbst sprechen. Dieser hat nicht stattgefunden, daher fordern wir, dass der Hinweis darauf im Text durch einen Hinweis auf das nächste Gipfeltreffen ersetzt wird.
(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)
- Vor der Abstimmung über Erwägung O:
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wir sprechen von eingefrorenen Konflikten. Wir erwähnen zwei Konflikte, und zwar Abchasien und Südossetien, aber ich möchte im Namen meiner Fraktion vorschlagen, nach „eingefrorenen Konflikten“ die Formulierung „wie etwa in Transnistrien“ einzufügen, damit Transnistrien in Erwägung O ebenfalls erwähnt wird.
Marianne Mikko, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Herr Swoboda hat Sie bereits über unseren Änderungsantrag, in dem es um Transnistrien geht, informiert.
(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)
3.23. Beratungen des Petitionsausschusses (2006) (Abstimmung)
Der Präsident. − Damit ist die Abstimmungsstunde beendet.
4. Zusammensetzung der Fraktionen
Der Präsident . − Ich habe heute Schreiben von Frau Daniela Buruiană-Aprodu und Herrn Cristian Stănescu erhalten, in denen sie ihren Austritt aus der ITS-Fraktion ankündigen. Das Parlament nimmt diese Entscheidung mit Wirkung ab den heutigen 14. November 2007 zur Kenntnis.
Ich komme zu dem Schluss, dass die Zahl der Abgeordneten der ITS-Fraktion unter Berücksichtigung der Austrittsankündigungen, die drei weitere Abgeordnete in dieser Woche abgegeben haben, nunmehr unter der Mindestanzahl von 20 Abgeordneten liegt, die gemäß Artikel 29 Absatz 2 zur Bildung einer Fraktion erforderlich ist.
(Lebhafter Beifall)
Das Parlament nimmt daher zur Kenntnis, dass die ITS-Fraktion die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Bedingungen für die Bildung von Fraktionen nicht mehr erfüllt. Folglich wird die Fraktion mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
(Beifall)
Hans-Peter Martin (NI). - Herr Präsident! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass bei der Ankündigung, die Sie gerade gemacht haben, als ich, wie viele andere Kollegen, geklatscht habe, Herr Jean-Marie Le Pen folgende Handbewegung direkt zu mir gemacht hat, im Sinne von „fuck you“. Ich bitte Sie, dass Sie das bei der Videoaufzeichnung überprüfen. Ich glaube, dass das ein Punkt ist, wo wirklich auch Konsequenzen gezogen werden müssen. Ich halte es für ungeheuerlich, dass sich ein Mensch in solcher Form geradezu gewalttätig mir gegenüber benimmt.
Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Martin. Ich habe das selbst nicht gesehen, nehme aber Ihren Hinweis zur Kenntnis.
Den Dover (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die konservativen Abgeordneten haben den Bericht Vakalis befürwortet. Allerdings hegen sie große Bedenken bezüglich der Ziffern 16 und 17. Wir glauben, dass sowohl vorbeugende Maßnahmen als auch Soforthilfemaßnahmen in erster Linie mit den Ressourcen der Mitgliedstaaten ergriffen werden sollten, und können „die Schaffung einer Europäischen Katastrophenschutztruppe“ daher nicht unterstützen.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. − (EN) Ich befürworte diesen Bericht über die regionalen Auswirkungen von Erdbeben. Als Geologe und Ozeanograph – in meiner Abschlussarbeit ging es übrigens um die Seismizität des mittelatlantischen Rückens zwischen 12 Grad Nord und 20 Grad Süd – bin ich mir vollkommen darüber im Klaren, dass das Vereinigte Königreich fast immun ist. Britischen Aufzeichnungen zufolge ist bisher ein einziger Mensch bei einem Erdbeben ums Leben gekommen, und das war in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Das sieht europaweit ganz anders aus. Hier haben Erdbeben im Verlaufe der Jahrhunderte von Lissabon bis Sarajevo Tausende von Menschenleben gekostet und schwere Verwüstungen angerichtet.
Ein Teil meines Wahlkreises Gloucestershire wurde im Juli von Überschwemmungen heimgesucht, die an Straßen und Bahngleisen, Krankenhäusern und Schulen, Wasser- und Kraftwerken Schäden in Millionenhöhe verursacht haben. Wir werden wahrscheinlich Hilfe aus dem Europäischen Solidaritätsfonds erhalten. Ich hoffe, es wird nicht nötig sein, dass Europa von Erdbeben betroffenen Ländern, Regionen und Kommunen helfen muss, falls aber doch, dann muss Europa dazu bereit und in der Lage sein.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wie bereits hervorgehoben wurde, wird ganz Südeuropa von den Rändern zweier tektonischer Platten begrenzt, die durch das Mittelmeer verlaufen und sich über einige der Azoren-Inseln durch den Atlantischen Ozean fortsetzen, was bedeutet, dass Erdbeben eine der häufigsten Naturkatastrophen in dieser Region sind.
Dieser Bericht des Europäischen Parlaments enthält eine Reihe von Bedenken und Vorschlägen, die wir begrüßen, insbesondere, wenn anerkannt wird, dass die außen liegenden Regionen regelmäßig unter diesem Phänomen zu leiden haben, oder wenn betont wird, dass es u. a. erforderlich ist, einzelstaatliche Maßnahmen in Bezug auf Vorbeugung, Reaktion und Schadensbehebung, Information der Öffentlichkeit, wissenschaftliche Forschungen, Katastrophenschutz und Solidarität auf Gemeinschaftsebene zu unterstützen.
In Bezug auf die Koordination wird in dem Bericht zur Umsetzung der Maßnahmen eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten vorgeschlagen. Allerdings wird auch festgehalten, dass das trotz der Unterstützung einer „Europäischen Katastrophenschutztruppe“ als einem „zentralisierten Vorbeugungs- und Managementinstrument“ – eine Politik, mit der wir nicht einverstanden sind –, „nur auf der Basis eines verbesserten nationalen Katastrophenschutzes und besserer Instrumente zur Koordinierung zwischen Mitgliedstaaten sinnvoll ist“, was unserer Auffassung nach die Frage erneut aufwerfen wird, wenn es soweit ist.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Unser Kollege Cornillet hat uns einen sehr präzisen Bericht vorgelegt, in dem er festhält, dass Erdbeben negative Auswirkungen auf den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt in den entsprechenden Regionen haben.
Wir müssen bedenken, dass auch in den Ländern und Regionen der Europäischen Union schwere Erdbeben auftreten, insbesondere in Südeuropa und im Mittelmeerraum. Aus diesem Grund müssen wir sicherstellen, dass es die nötigen Vorbeugungsmaßnahmen und schnelle Reaktionsmöglichkeiten gibt, um mit einer solchen Katastrophe umzugehen.
Es ist wichtig, in der ganzen EU soziale Bildungs- und Informationskampagnen ins Leben zu rufen und das Personal der entsprechenden technischen Behörden in den Mitgliedstaaten zu schulen und auszubilden. Dazu müssen Schulungen auf regionaler und lokaler Ebene, aber auch für alle Experten, die mit Erdbeben zu tun haben, gehören. Außerdem müssen wir die Rolle der vielen nationalen, regionalen und lokalen Behörden berücksichtigen und sicherstellen, dass Anweisungen für einen wirksamen Schutz der wesentlichen Infrastruktur, wie beispielsweise den Zugang zur Telekommunikationsinfrastruktur, Stromnetzen, Krankenhäusern, Brücken, Häfen, Flughäfen usw., vorliegen.
Künftig sollte die Kohäsionspolitik die durch Erdbeben verursachten Schäden sehr genau berücksichtigen. Der Rahmen für ein neues Finanzierungsinstrument zum Schutz der Bevölkerung muss diese Überlegungen beinhalten.
Ich bin ferner der Auffassung, dass Fragen der Koordinierung, Zusammenarbeit und Flexibilität in der Tätigkeit der Behörden auf Gemeinschaftsebene, aber auch auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene in die Aussprache gehören, da es hier beim Umgang mit Naturkatastrophen zu schwer wiegenden Problemen kommen kann.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (LT) Heute haben wir für die Entschließung gestimmt, die ausgehend vom Bericht Cornillet über einen europäischen Konsens zur humanitären Hilfe verfasst wurde. Ich möchte dem Berichterstatter danken und noch einmal meine Zustimmung zu diesem wichtigen Dokument bekräftigen.
Uns ist bewusst, dass die Europäische Union – und dabei denke ich an die Kommission und die Mitgliedstaaten – bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe führend ist. Der Beitrag der EU belief sich im Jahr 2006 auf lediglich zwei Milliarden Euro. Ich teile voll und ganz die Auffassung, dass die EU eine Grenze für eine neue Ebene der humanitären Hilfe festlegen muss. Auf der anderen Seite muss die EU mit Blick auf internationale Initiativen und die Umsetzung der von den Vereinten Nationen eingeleiteten Reformen ihre Position festlegen. Als Mitglied des Haushaltsausschusses möchte ich auf das dritte Problem aufmerksam machen, das die EU lösen muss, nämlich die Verbesserung der Koordination zwischen den Mitteln der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten, damit Opfer humanitärer Katastrophen besser darauf zurückgreifen können.
Ich hoffe, dass die konkrete und präzise Position des Parlaments dazu beiträgt, dass wir unsere gemeinsamen Ziele erreichen und im Bereich der humanitären Hilfe einen Konsens erzielen.
Koenraad Dillen (NI). - (NL) Herr Präsident, ich freue mich zu hören, dass es einen europäischen Konsens über humanitäre Hilfe gibt, und natürlich wird keine vernünftige Person Hilfe für Länder verweigern, die sie wirklich benötigen. Aber wir müssen auch ehrlich sein und zulassen, dass es offensichtlich keinen europäischen Konsens zu einem Verhaltenskodex hinsichtlich Diktatoren gibt.
Die Absicht Großbritanniens, das Gipfeltreffen Europa-Afrika zu boykottieren, wenn Mugabe teilnimmt, wird von den anderen Mitgliedstaaten schlicht und einfach ignoriert, und humanitäre Tragödien entstehen – wie wir alle wissen – oft infolge von Kriegen oder krimineller, schlechter Regierungsführung, wie dies in Zimbabwe der Fall ist. Die Realität ist auch weiterhin, dass Afrika der Schauplatz blutiger Konflikte ist und dass Afrikaner mehr für Waffen ausgeben, als sie an Entwicklungshilfe erhalten.
Es ist ebenso richtig, dass Staaten mit einem demokratischen System, bei dem die Machthaber und die Regierung nicht über dem Gesetz stehen, selten einen Krieg mit anderen anfangen. Wenn Diktatoren wie Mugabe an einem europäischen Gipfeltreffen teilnehmen dürfen, unterminiert dies Europas Glaubwürdigkeit bei Menschenrechten und Demokratie völlig. Wegen dieser Uneindeutigkeit habe ich mich bei der Abstimmung über den Bericht Cornillet enthalten.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Ungeachtet unserer Unterstützung für zahlreiche Aspekte der humanitären Hilfe, die in diesem Bericht hervorgehoben werden, können wir angesichts der Tatsache, dass „Zwangsmaßnahmen, einschließlich militärischer Aktionen, nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen“ keinen „Konsens“ über die Prinzipien, Ziele und Strategien der EU für die Bereitstellung humanitärer Hilfe in Drittländern befürworten, der fordert, „das Recht, ja sogar die Pflicht zum Eingreifen bei schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts und/oder der Menschenrechte“ zu fördern. Die Ergebnisse einer solchen Politik der „guten Absichten“ sind uns bekannt, siehe die Aggression gegen den Irak und dessen militärische Besetzung durch die USA und ihre Verbündeten und die daraus resultierenden Hunderttausende von Toten.
Wie bereits gesagt wurde, kaschiert die so genannte „humanitäre Intervention” häufig andere, wirkliche Ziele, für die sie je nach Interessen und skrupellosen Berechnungen der größten Mächte und multinationalen Unternehmen benutzt und manipuliert wird, was die Grundsätze des Völkerrechts infrage stellt.
Wir sind der Auffassung, dass zur Lösung der schwer wiegenden Probleme, die Millionen von Menschen betreffen, u. a. die Achtung der Souveränität aller Völker und Länder, die friedliche Lösung internationaler Konflikte, die Erfüllung der dringenden Bedürfnisse der wirtschaftlich ärmsten Länder auf Grundlage von Freundschaft und Solidarität und deren wirksame Entwicklung gehören.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Der Berichterstatter Thierry Cornillet betont zu Recht, dass die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten die Diskussion über politische Strategien für diese humanitäre Hilfe im Rahmen eines angemessenen Ratsforums vorantreiben sollten, indem eine neue spezielle Arbeitsgruppe gegründet wird. Die Gründung einer solchen Gruppe (z. B. COHUMA, d. h. die Arbeitsgruppe des Rates im Bereich der humanitären Hilfe) würde zur Entwicklung kohärenter Methoden beitragen, die zügige und schlüssige Aktionen in diesem Bereich ermöglichen.
Es war auch richtig, hervorzuheben, dass sich immer häufiger Naturkatastrophen ereignen, deren Auswirkungen zunehmend verheerend sind, was bedeutet, dass immer stärker eingegriffen werden muss.
Aus diesen Gründen stimme ich dem Vorschlag zu, dass die EU ihre Kapazitäten für Kriseneinsätze erhöhen sollte. Die Reaktionsbereitschaft und Reaktionsfähigkeit werden sich ganz gewiss aus den Verbesserungen bei der Koordinierung und bei den Frühwarnsystemen sowie der Lagerung geeigneter Materialien und Reserven auf internationaler Ebene ergeben.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Humanitäre Hilfe zu leisten ist oft wegen widriger Umstände oder Sicherheitsproblemen sehr schwierig. Dies macht eine gute Abstimmung und Koordination der Hilfsaktionen umso wichtiger. Diese Bestrebungen dürfen aber keinesfalls dazu missbraucht werden, EU-Institutionen weiter aufzublähen, auch können weder eine EU-Zivilschutzagentur noch eine EU-Eingreiftruppe wirksamen Schutz gegenüber Naturkatastrophen bieten.
Zudem ist die gestrige Kritik des Rechnungshofes zu beachten, der eine „wesentliche Fehlerquote“ auch bei den 5,2 Milliarden Euro beklagte, die die EU für Nahrungsmittelhilfe, humanitäre Hilfe und die Kofinanzierung von Nichtregierungsorganisationen ausgab. Da der vorliegende Bericht meines Erachtens nicht dazu geeignet ist, dies alles zu gewährleisten, habe ich gegen ihn gestimmt.
Geoffrey Van Orden (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Als konsequenter Befürworter von humanitären Hilfsprojekten, die rechtzeitig und gezielt durchgeführt und effektiv ausgestattet werden, habe ich für den Bericht über humanitäre Hilfe gestimmt.
Ich habe allerdings ernsthafte Einwände gegen etliche der darin verwendeten Formulierungen. Bedauerlich ist, dass im Bericht auf den so genannten Reformvertrag – die wiederbelebte Verfassung –, den ich grundsätzlich ablehne, Bezug genommen wird. Es ist unrealistisch, davon auszugehen, dass humanitäre Hilfe gänzlich frei von politischen Überlegungen ist; der Bericht selbst ist ein sehr politisches Dokument, das die EU-Agenda propagiert.
In jedem Falle sind Prioritäten, der Umfang der Hilfe und die Durchführung der Hilfe, ohne dass sie abscheulichen Regimes in die Hände fällt, ganz klar politische Fragen. Abgesehen von vielen anderen Gründen, aus denen ich die Einmischung der EU in militärische Fragen ablehne, stellt sie eine Ablenkung vom eigentlichen Ziel der humanitären Hilfe dar. Die EU ist kein besonderer humanitärer Akteur. Sie sollte sich darauf konzentrieren, die humanitären Maßnahmen unserer Nationen durch bessere Koordinierung in bestimmten Bereichen und durch Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Kontrolle ihrer Ressourcen und deren Wirkung mit einem zusätzlichen Mehrwert auszustatten.
Hans-Peter Mayer (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich halte diese Bodenschutzrichtlinie für einen schweren Fehler, der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Agrarwirtschaft und die Lebensmittelversorgung in Europa gefährdet. Was haben eigentlich diejenigen, die diese Richtlinie befürworten, für ein Bild von unseren Landwirten? Ich will es Ihnen sagen: Sie glauben, dass wir eine gewaltige bürokratische Richtlinie brauchen, 420 Millionen Hektar Boden kartieren, horrende Strafzahlungen androhen und schließlich Bodenschutzgebiete schaffen müssen, damit die Landwirte sorgsam mit den Böden umgehen.
Ich aber sage Ihnen: Dieses Bild ist grundverkehrt. Der Boden ist die wertvollste Ressource eines jeden Landwirts. Ein Landwirt, der seinen Boden nicht pfleglich behandelt, wird nicht lange Landwirt sein. Wir haben in der EU überwiegend gepflegte Böden, erhaltenswerte Böden, gepflegt von unseren Landwirten. Ich halte die Richtlinie für ein Beispiel für praxisfremde Bürokratie, und ich hoffe, dass wir diesen Fehler bald korrigieren können, bevor unsere Landwirtschaft ernsthaften Schaden nimmt.
Péter Olajos (PPE-DE). – (HU) Danke, Herr Präsident! Als MdEP der MDF habe ich für die Schaffung der europäischen Bodenschutzrichtlinie gestimmt, weil ich von ihrer Notwendigkeit überzeugt bin. Ohne einen entsprechenden Bestand an hochwertigem Boden ist auch die europäische Landwirtschaft in Gefahr. Ich vertraue darauf, dass es uns möglich sein wird, wenn diese Rechtsvorschriften geschaffen werden, mit EU-Mitteln den Boden von Verschmutzung zu reinigen und seine Qualität zu schützen.
Allerdings möchte ich die Mitgliedstaaten an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass das nur dann möglich ist, wenn sie ihre Pflichten auch ernst nehmen. In meinem Heimatland z. B. beschränken sich die Maßnahmen zumeist auf die Erstellung von Plänen, die nur schleppend umgesetzt werden. In Ungarn gibt es zwar einen nationalen Plan zu Abhilfemaßnahmen, es wird aber kein Wort über dessen konsequente Umsetzung verloren. Die Regierung stellt nicht die erforderlichen Mittel sicher. Achtzehn Millionen Euro sind für die Zukunft vorgesehen, das ist angesichts des Ausmaßes des Problems ein lächerlicher Betrag. Wir würden so über 220 Jahre benötigen, um die allein bis jetzt bekannte Bodenverschmutzung zu beseitigen. Lassen Sie uns bitte ernster an die Sache herangehen! Ich danke Ihnen.
Anja Weisgerber (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich habe für die Ablehnung des Vorschlags der Kommission gestimmt. Der Vorschlag verletzt das Subsidiaritätsprinzip. Boden hat keine grenzüberschreitenden Aspekte, weshalb dieses Thema in den Mitgliedstaaten genauso gut oder sogar besser geregelt werden kann als auf europäischer Ebene. In vielen Ländern bestehen bereits Bodenschutzgesetze. Dies wird vom Vorschlag der Kommission nur unzureichend berücksichtigt.
Ich habe in der Endabstimmung auch gegen den Bericht und gegen die meisten Kompromisse gestimmt. Zwar bin ich der Ansicht, dass der vom Parlament angenommene Bericht den Kommissionsvorschlag durchaus verbessert. So hat es Verbesserungen bei der Ausweisung von potentiell verunreinigten Standorten gegeben. Wir haben hier mehr Flexibilität bei den Kriterien des Anhangs II. Insgesamt sind aber immer noch viele Bestimmungen enthalten, die diese Richtlinie zu einem aufwendigen bürokratischen und teuren Gebilde machen.
Positiv ist zu bewerten, dass die Kriterien aus Anhang I künftig wenigstens nicht mehr verpflichtend sind. Positiv ist auch, dass die Richtlinie die Besonderheiten der Bodennutzung für landwirtschaftliche Zwecke anerkennt. Die negativen Punkte überwiegen allerdings. So hätten wir auch bezüglich der Finanzierung deutlicher klarstellen müssen, dass die Bodenschutzrichtlinie keine Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt hat und dass keine neuen Fonds zur Umsetzung der Richtlinie eingerichtet werden. Nur bereits bestehende Fördertatbestände sollen weiter genutzt werden.
Aus den genannten Gründen habe ich gegen die Richtlinie gestimmt, und ich hoffe, dass der Rat diese Richtlinie jetzt korrigiert.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident, vor einiger Zeit ersuchte dieses Parlament die Kommission um eine Richtlinie zum Bodenschutz. Kommissar Dimas hat sie uns fünf Jahre später gegeben. Wir brauchen sie nicht mehr, und das ist kein Geheimnis. Wir haben andere Richtlinien für den Schutz spezieller, länderübergreifender Probleme in Verbindung mit dem Boden. Die Kommission ignoriert die Tatsache, dass viele Länder – und die Tschechische Republik ist nur ein Beispiel – über ihre eigenen Rechtsvorschriften und funktionierende Systeme zum Schutz des Bodens gegen weitere Erosion und Degradation verfügen. Was einige Länder (einschließlich Flandern) benötigen, ist eine gemeinsame Strategie und eine bessere Koordinierung.
Dank der enormen Anstrengungen der Berichterstatter konnte das Parlament für die überarbeitete Richtlinie stimmen, die wahrscheinlich nicht allzu viel Schaden anrichten wird, da sie zumindest die Aufrechterhaltung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften ermöglicht, wo solche bereits existieren. In seiner gestrigen Rede hat der Kommissar keinerlei Verständnis für eine vernünftige Lösung gezeigt, die der Berichterstatter sorgfältig im Parlament ausgehandelt hat. Indem er sich für die Hinweise des Parlaments wenig zugänglich zeigt, trägt der Kommissar selbst dazu bei, seine eigene Richtlinie zu bestatten. Er hat mich geradezu darum gegeben, gegen seinen Bericht zu stimmen. Ich denke, dass sich der Rat ähnlich verhalten wird.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Ich bin davon überzeugt, dass die Klauseln, denen wir zugestimmt haben, absolut erforderlich sind und dass sie zu einer Verbesserung des Zustands der Umwelt und der Gesundheit der Menschen beitragen werden. Der Boden ist eine endliche und nicht erneuerbare natürliche Ressource. Aufgrund seiner sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Funktionen verdient er einen besonderen Schutz.
Ich teile die Ansicht, dass der Bodenschutz Gegenstand einer Verordnung auf Gemeinschaftsebene sein muss, um in allen Mitgliedstaaten der EU einen Mindestschutzstandard zu gewährleisten.
Ich stehe dem Vorschlag zur Erstellung öffentlich zugänglicher nationaler Verzeichnisse verunreinigter Standorte positiv gegenüber. Es sollte ein Verzeichnis über Standorte erstellt werden, an denen der Boden in der Vergangenheit möglicherweise kontaminiert wurde. Den EU-Mitgliedstaaten sollte nach dem Prinzip der Unterstützung geholfen werden, um kontaminierten Boden wieder zu kultivieren und bei der Entfernung noch im Boden vorhandener gefährlicher Stoffe unterstützend zu wirken.
Die Einführung einer geeigneten Verordnung zur Begrenzung der Verschlechterung der Bodenqualität und zur Gewährleistung einer nachhaltigen Bodennutzung, wobei gleichzeitig geschädigte Bereiche wieder der Kultivierung zugeführt werden, wird zweifelsohne ein Schritt in Richtung Schutz der Ressourcen der natürlichen Umwelt darstellen.
Ich bin ferner der Auffassung, dass es besonders wichtig ist, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Bodenschutz zu harmonisieren.
Richard Seeber (PPE-DE). - Herr Präsident! Alle österreichischen EVP-Abgeordneten treten für einen ambitionierten Bodenschutz ein, aber er muss auf der richtigen politischen Ebene stattfinden. Wir betrachten den Vorschlag, den Bericht als eine eindeutige Subsidiaritätsverletzung, und darum haben wir gegen sehr viele Änderungsanträge und auch gegen den gesamten Bericht gestimmt.
Trotz der ausgezeichneten Arbeit, die die Berichterstatterin, Frau Gutiérrez, geleistet hat, die sehr viele Giftzähne des Vorschlags gezogen hat, sind wir der Auffassung, dass dieser Bericht über das, was auf EU-Ebene geboten ist, weit hinausschießt. Die Mitgliedstaaten sollen aber angehalten werden, sehr stark auf diesem Sektor tätig zu werden, weil er die Basis jeglichen ökonomischen und landwirtschaftlichen Wirkens ist. Dazu sagen muss man auch, dass die Mitgliedstaaten verantwortlich sind für die Finanzierung der jeweiligen Programme.
Albert Deß (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich habe gegen die so genannte Bodenschutzrichtlinie gestimmt, weil ich es unglaubwürdig finde, dass wir jeden Tag über Bürokratieabbau reden und mit dieser Richtlinie ein neues bürokratisches Monster schaffen. Im Gegensatz zu Luft und Wasser ist Boden kein grenzübergreifendes Problem, sondern eine nationale Angelegenheit. Diese Richtlinie ist überflüssig wie ein Kropf. Die Kommission und Präsident Barroso hätten diese Richtlinie zurückziehen müssen. Präsident Barroso spricht in blumigen Reden von Bürokratieabbau, ohne dass er nach diesen Reden handelt. In meiner Heimat bezeichnet man solche Menschen als Dampfplauderer. Ich bewirtschafte seit 46 Jahren meinen Boden. Mein Boden ist heute ertragreicher wie vor 46 Jahren. Ich wäre für eine europäische Bodenschutzverordnung, aber für eine Bodenschutzverordnung, die meinen Boden vor europäischer Bürokratie schützt.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich habe für diese Richtlinie gestimmt. Mit der Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie wird es möglich, geschädigte Bereiche wirtschaftlich zu nutzen und zudem grüne Wiesen vor der Nutzung zu industriellen und kommerziellen Zwecken zu schützen. Mit dieser Richtlinie wird es ferner möglich, Böden nach Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit für die pflanzliche und tierische Erzeugung, unter besonderer Berücksichtigung der Herstellung qualitativ hochwertiger Lebensmittel, zu klassifizieren.
Ich möchte betonen, dass es wichtig ist, eine europäische Strategie zu entwickeln, um die mit der Verschlechterung der Bodenqualität zusammenhängenden Probleme zu erkennen und zu lösen. Die beachtliche Vielfalt der verschiedenen Bodensorten bedeutet, dass es ungeachtet der einzelstaatlichen Initiativen einer europäischen Strategie bedarf, die auf Vorbeugung und einem zunehmenden Bewusstsein für den Bodenschutz sowie einer Beschreibung der bestehenden Risikofaktoren beruht, damit dieses Problem auf europäischer Ebene gelöst werden kann.
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh und Inger Segelström (PSE), schriftlich. − (SV) Wir haben für den Bericht gestimmt, obwohl zahlreiche EU-Mitgliedstaaten bereits heute eine voll funktionierende Gesetzgebung im Bereich Bodenschutz haben.
Wir unterstützen die Änderungsanträge 106, 107, 108 und 110, die folgenden Wortlaut haben:
„Mitgliedstaaten, die bereits über spezifische einzelstaatliche Rechtsvorschriften für den Bodenschutz verfügen, sind von den Verpflichtungen nach diesem Artikel ausgenommen, falls ihre Rechtsvorschriften ein mindestens gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten.“
Auch wenn die Richtlinie in einigen Mitgliedstaaten als überflüssig betrachtet werden kann, haben wir die Hoffnung, dass sie in den zahlreichen Mitgliedstaaten, in denen es gegenwärtig keine funktionierenden Vorschriften zum Bodenschutz gibt, eine Verbesserung bedeutet.
Wir hoffen, dass die Mitgliedstaaten, in denen es Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet haben, zusammen mit dem Parlament in den laufenden Verhandlungen darauf hinwirken können, dass die Richtlinie nach ihrem Inkrafttreten für sie keine unnötige Doppelarbeit bedeutet.
Jens-Peter Bonde (IND/DEM), schriftlich. − (DA) Die Kohlenstoffspeicherung spielt bei der Senkung der Treibhausgasemissionen eine wichtige Rolle. Der mit der Verbrennung von Kohlenstoff verbundene Raubbau am Boden setzt uns unter enormen Druck. Daher ist in dieser Frage eine internationale Initiative vonnöten.
Die Juni-Bewegung unterstützt die Vorgehensweise der EU beim Bodenschutz in den Mitgliedstaaten.
Angesichts ihrer großen Bedeutung im Zusammenhang mit der CO2-Abscheidung ist es sehr gut, dass das Europäische Parlament die Prüfung einer möglichen Anwendung des Verursacherprinzips gemäß Artikel 22 und eine Bewertung der Bodennutzung gemäß Artikel 28 befürwortet. Beide Vorschläge gehen auf die Initiative von Herrn Bonde zurück.
Avril Doyle (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht von Frau Gutiérrez-Cortines gestimmt, weil ich alles in allem glaube, dass damit der Vorschlag für die Bodenschutzrichtlinie so umgeschrieben wurde, dass die Subsidiarität wieder hergestellt, eine Überschneidung von Auflagen beseitigt und ein freiwilliger Verhaltenskodex für die Landwirtschaft eingeführt werden, ohne weitere bürokratische Hindernisse zu errichten. Zudem, und das ist besonders wertvoll, wird darin die wichtige Rolle der Landwirte als Hüter des Bodens anerkannt.
Wichtig ist, dass der Vorschlag sowohl Torfgebiete als wertvolle Lebensräume, die bedroht sind, schützt, als auch einen angemessenen Abbau von Torf als Rohstoff gestattet. Unklar ist, ob Änderungsantrag 36 des Berichts Gutiérrez-Cortines (über die Anpassung der Aufzählung der Funktionen) dies gestattet, und ich fordere die Kommission und den Rat auf, dies in ihren Überlegungen zu präzisieren.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Bericht Gutiérrez-Cortines über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG gestimmt, weil Böden meines Erachtens eine lebenswichtige Ressource sind, die geschützt werden muss, um die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen und sicherzustellen, dass die Aktivitäten zukünftiger Generationen in einem sicheren und gesunden Umfeld durchgeführt werden können.
Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, dass dieser Vorschlag insofern zu einem wirksamen Bodenschutz beiträgt, als er Ziele definiert, für die es keine gemeinschaftliche und/oder einzelstaatliche Gesetzgebung gibt. Ihrer jeweiligen spezifischen Situation entsprechend werden die Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip entscheiden müssen, welche Maßnahmen vorrangig sind.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir sind uns der Bedeutung des Bodenschutzes in erster Linie für die Landwirtschaft bewusst, die mehr Lebensmittel herstellen und mehr Wasser benötigen wird. Der Bodenschutz ist aus diesem Grund für die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion und ausreichendes und sauberes Wasser für künftige Generationen von überragender Bedeutung. Die Erde hat schließlich eine soziale Funktion, die durch keinerlei privates Interesse bedroht werden darf.
Der Boden bietet den Tätigkeiten des Menschen, zu denen auch Städte und Infrastruktur zählen, aber auch der Natur und den Landschaften eine Plattform. Sein Schutz ist deshalb für den Erhalt unseres kulturellen Erbes und der natürlichen Ressourcen von ausschlaggebender Bedeutung.
Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag ist aufgrund seiner einseitigen Betrachtung, den auferlegten Konditionen und der unzureichenden Beschäftigung mit der Landwirtschaft allerdings nicht der zweckdienlichste.
Das Europäische Parlament hat ihn beträchtlich geändert − mit Vorschlägen, die das Subsidiaritätsprinzips unterstützen, die Bedeutung der Landwirtschaft sowie die verschiedenen Konzepte zum Bodenschutz anerkennen und die feststellen, dass „jeder Mitgliedstaat entsprechend seinem Klima, seinen Bodengegebenheiten (…) seine Landwirtschaftspolitik in Zusammenhang mit dem Boden bestimmen kann“.
Nichtsdestotrotz verbleiben Aspekte, zu denen wir Vorbehalte haben. Daher haben wir uns schließlich entschieden, uns zu enthalten.
Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Meines Erachtens ist die Existenz einer Rahmenrichtlinie zum Bodenschutz extrem wichtig, weil es sich beim Boden um eine nicht erneuerbare Ressource handelt, die für menschliche Tätigkeiten und das Überleben der Ökosysteme grundlegende Bedeutung hat, insbesondere, da der Klimawandel zunehmend besorgniserregend ist und es bisher keine gesonderte europäische Gesetzgebung zum Bodenschutz gibt.
Aus diesem Grund unterstütze ich den Bericht Gutiérrez-Cortines und stimme gegen alle Änderungsvorschläge, die darauf abzielen, den Vorschlag der Kommission abzulehnen oder den Bericht bedeutend zu schwächen.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE), schriftlich. – (PL) Die vorgeschlagene Rahmenrichtlinie stärkt rechtsgültige Lösungen im Bereich der Bodenschutzpolitik, die teilweise in anderen Rechtsvorschriften zur Abfallwirtschaft, zur Verwendung von Pestiziden und zum Umweltschutz enthalten sind. Mit diesem Dokument werden nicht nur Maßnahmen für den Schutz und eine nachhaltige Nutzung des Bodens vorgeschlagen, um seiner Verschlechterung durch klimatische Veränderungen vorzubeugen, sondern auch Maßnahmen zur Sanierung bereits geschädigter Böden.
Die Rahmenrichtlinie ist ein Instrument, das in erster Linie den Unterschieden der Böden in einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung trägt und in ihrer Umsetzung flexibel sein wird. Ihre Ziele werden schon erreicht, wenn auch je nach den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Ausmaß. Auf der anderen Seite bietet die Richtlinie jenen Ländern, die noch nicht über Bodenschutzvorschriften verfügen, eine große Chance.
In dieser Hinsicht erscheint die Entscheidung, eine Definition für kontaminierte Böden aufzunehmen, erheblich, ebenso wie die Verpflichtung für die EU-Länder, nationale Verzeichnisse geschädigter Böden zu erstellen, die öffentlich zugänglich wären und alle fünf Jahre aktualisiert würden. Darüber hinaus sind die Klauseln über die Verpflichtung zur Aufstellung einer Sanierungsstrategie für einen Zeitraum von sieben Jahren ab Umsetzung der Richtlinie, die Ziele für Sanierungsmaßnahmen, einen Finanzierungsmechanismus und die Festlegung einer Rangfolge der Gebiete enthält, die besonders vor Erosion, Versalzung oder Versauerung geschützt werden müssen, sehr ermutigend.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Robert Goebbels (PSE), schriftlich. – (FR) Die geologischen und klimatischen Bedingungen in der Europäischen Union sind von Land zu Land und zuweilen sogar innerhalb eines Landes äußerst unterschiedlich. Es gibt etwa 300 verschiedene Bodenarten. Trotzdem beharrt die Kommission darauf, die Bodennutzung europaweit reglementieren zu wollen, und dem Ausschuss für Umweltfragen ist dies noch nicht genug. Ich bin für die Subsidiarität und gegen Überregelung. Daher habe ich gegen diesen unverdaulichen und unnützen Bericht gestimmt.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. − (SV) Eine Rahmenrichtlinie für den Bodenschutz ist nicht notwendig. Die Situation in Bezug auf den Boden ist in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Die in der Richtlinie angesprochenen Problembereiche tragen nationalen Charakter und werden daher auch am besten auf Ebene der Mitgliedstaaten behandelt. Der notwendige Bodenschutz wird bereits durch vorhandene gemeinschaftliche und nationale Rechtsvorschriften geregelt.
Der Vorschlag führt lediglich zu mehr Bürokratie und komplizierteren Regeln für die Beteiligten. Detaillierte Bestimmungen und Aufforderungen sind typische EU-Ideen, die zu höheren Kosten sowie zu Irritationen über den EU-Apparat führen. In Schweden stellen einige von uns die Vereinbarkeit der Richtlinie mit der Strategie zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds infrage und wollen den Vorschlag im schwedischen Parlament nach dem Subsidiaritätsprinzip prüfen.
Wir haben deshalb aus prinzipiellen Gründen den Vorschlag insgesamt abgelehnt.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. − (EN) Änderungsantrag 112: Ich lehne den Vorschlag der Kommission ab, weil eine Bodenrahmenrichtlinie einfach mehr Bürokratie und eine Überschneidung von Regelungen bedeuten würde, ohne dass dies mit einer zusätzlichen Verbesserung des Bodenschutzes verbunden wäre. Im Rahmen der GAP-Reform wie auch im Rahmen der Reform der Umweltgesetzgebung ist eine breite Palette von Maßnahmen vorgesehen, die dem Bodenschutz zugute kommen werden.
Christa Klaß (PPE-DE), schriftlich. − Der Boden zählt zu den lebenswichtigen Ressourcen. Als nicht vermehrbares Gut ist er von größter Bedeutung für die biologische Vielfalt, als Rohstoffquelle und auch zur Speicherung und Filterung von Nährstoffen und Wasser. Aber Grund und Boden ist kein grenzüberschreitendes Gut und kann auch von der Europäischen Union nicht verrückt werden. Der Schutz unserer Böden liegt im ureigenen Interesse der Grundeigentümer und damit in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Diese Anwendung des Subsidiaritätsprinzips muss auch weiterhin sichergestellt sein.
Es ist nicht zu rechtfertigen, alle vorhandenen europäischen Rechtsvorschriften und das bisherige Engagement der Landwirte zu ignorieren und parallel zu den direkt oder indirekt den Bodenschutz betreffenden europäischen Richtlinien, nationalen Regelungen sowie Cross Compliance neue Vorschriften zu erlassen. Zu der Vielzahl an bodenrelevanten Richtlinien und Verordnungen, die die EU erlassen hat zählen z. B. Nitratrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, Emissionsrichtlinie und Pflanzenschutzrichtlinie.
Der bürokratische Aufwand, der auf die Mitgliedstaaten und die Wirtschaft zukommen könnte steht in starkem Widerspruch zu den gemeinsamen Entbürokratisierungsbemühungen. Zusätzlich greifen die in der Richtlinie vorgesehenen Vorsorgemaßnahmen in alle landwirtschaftlich relevanten Rechtsbereiche ein. Ich halte eine Bodenschutzrichtlinie auf europäischer Ebene für überflüssig und nicht zielführend und habe gegen diesen Vorschlag gestimmt.
Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich. − Gesunde Böden sind die Grundlage von Reichtum und Gesundheit. Sie müssen geschützt werden. Mit dem jetzigen Bodenzustand in der EU können wir nicht überall zufrieden sein.
Es geht jedoch zu weit dieses Problem auf europäischer Ebene dirigistisch und bürokratisch regeln zu wollen.
Die Böden, welche die IVU- und FFH-Richtlinien bereits schützten, wandern ja nicht von einem Land ins andere, was allerdings für Wasser als möglicher Faktor der Bodenverschmutzung nicht gilt. Doch auch in diesem Bereich bestehen bereits die Wasserrahmenrichtlinie und die Grundwasserrichtlinie. Wenn wir noch eine Bodenschutzrichtlinie hinzufügen, führt dies zu Doppelregelungen und zu einem teueren Bürokratieaufwand, den keiner will.
Offene Koordinierung und Erfahrungsaustausch über beste Praxis wäre der bessere Ansatz. Eine Rahmenrichtlinie zum Bodenschutz macht den zweiten Schritt vor dem ersten. Es kann nicht sein, dass Länder, die bereits eine diesbezügliche vorbildliche Gesetzgebung haben, ihr ganzes Staatsgebiet, mit viel Geld und Zeit, erneut auf eventuelle Risikogebiete untersuchen müssen.
Ich habe versucht bei der Abstimmung Schadensbegrenzung zu betreiben. Das ist mir leider nicht gelungen. Deshalb konnte ich nicht für den Bericht stimmen. Ich will unseren Landwirten noch in die Augen schauen können.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Gemeinsam mit meinen Abgeordnetenkollegen von der Labour-Partei habe ich gegen diesen Richtlinienvorschlag gestimmt. Während wir gestern die allgemeine thematische Strategie für den Bodenschutz in der vorgelegten Fassung befürwortet haben, ist die Richtlinie über den Bodenschutz zu dirigistisch. Sie lässt die in den Mitgliedstaaten bereits geltenden und gut funktionierenden Rechtsvorschriften außer Acht.
Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Trotz meiner erklärten Ablehnung gegenüber dem Vorschlag für eine Richtlinie zum Bodenschutz habe ich in der Endabstimmung für diesen Bericht gestimmt.
Ich habe meine Ablehnung gegenüber einer solchen Richtlinie bereits im Zusammenhang mit der thematischen Strategie für den Bodenschutz zu Protokoll gegeben. Meines Erachtens besteht keinerlei Bedarf an weiteren Rechtsvorschriften für den Bodenschutz. Wir verfügen bereits über eine Reihe von Rechtsinstrumenten zur Sicherung des Bodenschutzes, und solange diese Rechtsakte nicht vollständig umgesetzt sind und ihre Wirkung nicht umfassend analysiert ist, sind weitere Rechtsvorschriften in diesem Bereich meiner Meinung nach weder notwendig noch wünschenswert.
Die von der Berichterstatterin vorgeschlagenen Änderungen tragen jedoch maßgeblich zu einer Verringerung der Überschneidungen zwischen diesem neuen Vorschlag und der geltenden Gesetzgebung bei, und das ist zu begrüßen.
Erik Meijer (GUE/NGL), schriftlich. − (NL) Bodenschutz ist sehr wichtig, um die Zerstörung natürlicher Bodensysteme, Erosion, Vergiftung und Austrocknung zu verhindern. Ohne derartige Maßnahmen wird es unmöglich, Pflanzen in dicht besiedelten Gebieten anzubauen, in denen es eine intensive Bodennutzung gibt. An vielen Orten in Europa habe ich Brachland gesehen, das allen Wert für die Nutzung durch die Natur und den Menschen verloren hat.
Gestern habe ich mit der Mehrheit in diesem Hohen Haus für den Bericht Prodi gestimmt, in dem die Notwendigkeit zielgerichteter Maßnahmen zum Schutz unserer Böden dargelegt wird.
Heute beschäftigen wir uns damit, wie diese Maßnahmen aussehen sollten. Ich bin dafür, die Mitgliedstaaten, die noch nicht die notwendigen Maßnahmen auf eigene Initiative ergriffen haben, darin zu bestärken, dies nun zu korrigieren. Ihre Untätigkeit wirkt sich nicht nur auf sie, sondern auch auf die Nachbarstaaten aus, beispielsweise durch die Entstehung von Erosionsschutt, das zum Verschlammen und Überlaufen von Flüssen führt.
Bestimmungen der EU dürfen jedoch keinesfalls bedeuten, dass Mitgliedstaaten, die diese Fragen bereits angemessen regeln, mehr Bürokratie oder Hindernisse hinnehmen müssen, um sie wirksam zu behandeln. Ich unterstütze Änderungsanträge mit dem Ziel, denjenigen, die gleiche oder höhere Normen anwenden, dies zu gestatten. Es ist jedoch unverantwortlich, das Bodenschutzpaket in der Weise abzulehnen, zu vertagen oder zu begrenzen, wie es die größte Fraktion im Parlament vorschlägt.
Robert Navarro (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht Gutiérrez-Cortines gestimmt, denn er schlägt positive Schritte nach vorn für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Böden vor – einer nicht erneuerbaren Ressource, deren Qualität unbedingt erhalten werden muss, um eine quantitativ ausreichende Nahrungsmittelproduktion sowie den Zugang zu sauberem Wasser zu sichern. Das Europäische Parlament hat sich für eine bessere Bestimmung der verunreinigten Standorte ausgesprochen, auf denen aufgrund menschlicher Aktivitäten Schadstoffe vorhanden sind, die ein erhebliches Gesundheits- und Umweltrisiko darstellen. Sie müssen in einem nationalen bzw. regionalen Verzeichnis erfasst werden, das öffentlich zugänglich ist. Jeder Mitgliedstaat muss Sanierungsstrategien aufstellen, um die Anzahl verschmutzter Gelände zu begrenzen, und eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik fördern, die die Besonderheiten der nationalen Böden berücksichtigen, so dass die Böden sauber gehalten werden. Mit der Annahme dieses Textes betont das Europäische Parlament die Notwendigkeit des Schutzes und einer angemesseneren Nutzung der Bodenressourcen.
James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Das ist ein weiteres Beispiel für eine dieser undifferenzierten Einheitsregelungen, die dafür sorgt, dass die Europäische Union in unseren Mitgliedstaaten einen schlechten Ruf hat. Wie können wir angesichts von über dreihundert Bodentypen in der Europäischen Union erwarten, dass eine einzige Richtlinie sie alle erfasst? Haben wir es hier nicht eindeutig mit einem Paradebeispiel für einen Bereich zu tun, in dem wir es den Mitgliedstaaten überlassen sollten, auf der Grundlage ihrer jeweiligen Bodentypen die entsprechenden Rechtsvorschriften zu erlassen?
Es ist sehr enttäuschend, dass die Europäische Kommission trotz des ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Know-how einen Legislativvorschlag erarbeitet hat, der einfache wissenschaftliche Tatsachen ignoriert. Wenn beispielsweise im Verlaufe ein und desselben Sommers das Vereinigte Königreich unter Überschwemmungen leidet und Griechenland von einer Hitzewelle heimgesucht wird, dann liegt es auf der Hand, dass sich diese Witterungsbedingungen ganz unterschiedlich auf die Böden in diesen Mitgliedstaaten auswirken. Die einzige wirkliche Konsequenz dieses Vorschlags wird darin bestehen, dass der Agrarindustrie noch mehr Bürokratie und noch höhere Kosten aufgebürdet werden. Es ist frustrierend, dass die Landwirte wieder einmal für das Streben nach nutzloser Einheitlichkeit zur Kasse gebeten werden.
Frédérique Ries (ALDE), schriftlich. – (FR) Ich bin erfreut über die Annahme des Berichts von Cristina Gutiérrez-Cortines durch das Plenum, der die Einführung einer einheitlichen, kohärenten Bodenschutzpolitik zum Ziel hat.
Der Bodenschutz ist aufgrund der zunehmenden Verschlechterung der europäischen Böden zu einer Priorität der EU geworden. Schuld daran sind eine rasante Verstädterung, immer mehr belastete Standorte (über 2 Millionen gegenwärtig) sowie eine intensive Landwirtschaft in den letzten 50 Jahren, in der im Übermaß Schädlingsbekämpfungsmittel und nitrathaltige Düngemittel eingesetzt werden.
Meiner Meinung nach haben die 225 Abgeordneten, die gegen diese Richtlinie stimmten, sich von nationalistischem Eifer leiten lassen oder zumindest das Gespür für die Sorgen der einfachen Menschen verloren! Im Bereich des Bodenschutzes, für den nur neun Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften haben, kann Europa in der Tat einen echten Mehrwert bieten.
Zudem lässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten mit zwei präzisen, innerhalb eines großzügig bemessenen Zeitraums zu erreichenden Zielen große Wahlfreiheit: Innerhalb von fünf bzw. sieben Jahren nach Umsetzung des Textes müssen sie ein Verzeichnis der belasteten Standorte erstellen und eine nationale Sanierungsstrategie annehmen.
Meiner Meinung nach kann es keinen Zweifel geben, dass damit den Grundsätzen der Flexibilität und der Subsidiarität Genüge getan wird!
Brian Simpson (PSE), schriftlich. − (EN) Ich fürchte, ich werde gegen diesen Bericht stimmen, weil ich der Meinung bin, dass ein Rahmen zum Schutz des Bodens nicht erforderlich ist. Ich habe anfangs für eine Ablehnung gestimmt, weil ich glaube, dass diese Frage im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips den Mitgliedstaaten überlassen werden sollte.
Mit diesem Dokument liegt uns ein Rechtsakt vor, der unangemessen ist, dem es an Flexibilität mangelt und der nur das wiederholt, was bereits in anderen Richtlinien erfasst ist. Darin wird versucht, einerseits die Wüstenbildung abzudecken und andererseits die Sanierung von Böden – ein wirklich weites Aufgabengebiet –, doch letztlich kann der Bericht weder das eine noch das andere leisten und schafft lediglich Probleme in Bezug auf die Umsetzung.
In meiner Region, in der sich lokale Behörden um ein Bodenrecycling bemühen, würde dieser Vorschlag derartige Maßnahmen so erschweren, dass die Realisierbarkeit der gesamten Maßnahme dadurch in Frage gestellt würde.
Mit Bedauern stelle ich fest, dass es sich hierbei um einen schlechten und überflüssigen Rechtsakt handelt, und ich werde in der Hoffnung, Landwirte, Gärtner und lokale Behörden vor einem bürokratischen Alptraum zu bewahren, gegen ihn stimmen.
Gabriele Stauner (PPE-DE), schriftlich. − Ich lehne die Bodenschutz-Richtlinie ab, da sie die Subsidiarität massiv verletzt und somit als europäische Gesetzgebung nicht zulässig ist. Ich werde auch nach einem positiven Votum des EP über die Bundesregierung dafür kämpfen, dass die Bundesrepublik gegen diese Richtlinie vor dem EuGH klagt.
Jacques Toubon (PPE-DE), schriftlich. – (FR) In Übereinstimmung mit dem Abstimmungsergebnis im Rechtsausschuss bin ich der Auffassung, dass die Kommission hier über ihre Aufgabe hinausgegangen ist und dass es nicht erforderlich ist, dass die Europäische Union den Mitgliedstaaten in diesem Bereich neue Richtlinien auferlegt. Er fällt in die nationale Zuständigkeit. Ich sehe es als widersinnig an, gleiche Vorschriften auf Länder mit äußerst unterschiedlichen juristischen Traditionen und Umweltsituationen anwenden zu wollen. Die Kommission sollte daher ihren Vorschlag überarbeiten und speziell die Situationen ermitteln, die gemeinschaftliche Rechtsvorschriften erfordern.
Thomas Ulmer (PPE-DE), schriftlich. − Ich lehne die Bodenschutz-Richtlinie ab, da sie die Subsidiarität massiv verletzt und somit als europäische Gesetzgebung nicht zulässig ist. Ich werde auch nach einem positiven Votum des EP über die Bundesregierung dafür kämpfen, dass die Bundesrepublik gegen diese Richtlinie vor dem EuGH klagt.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Die Begründung für den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament enthält ein neues Ausschussverfahren, das die Befugnisse des Europäischen Parlaments signifikant erhöht. Es ist das Regelungsverfahren mit Kontrolle. Der Standpunkt der Berichterstatterin, der Unterstützung verdient, lautet, dass das neue Verfahren für Prospekte gelten wird, die beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren zu veröffentlichen sind. Das betrifft ebenso Maßnahmen zur Befreiung von der Verpflichtung, einen Prospekt zu veröffentlichen, das Format des Prospektes sowie die Anpassung der Terminologie.
Das ist die Grundlage für die im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung bei der Abstimmung im Plenum vorgelegten Änderungsanträge. Der zur Diskussion stehende Bericht gibt der Idee signifikanter Fortschritte bei der Harmonisierung von Bestimmungen für europäische Finanz- und Börsenmärkte neue Impulse. Das ist zu einem großen Teil auf den unerbittlichen Fortschritt der Globalisierung und zum anderen auf den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen von 1999 zurückzuführen.
Zudem ist es eine Bestätigung der Entscheidung, die zu Beginn der 1990er-Jahre in Ländern wie Polen getroffen wurde, als der Wiederaufbau der Kapitalmärkte auf europäische Normen gestützt wurde, wodurch nun die Harmonisierung der Bestimmungen in der Europäischen Union erleichtert wird.
Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Nach Jahren der Verhandlung zwischen dem Rat, der Kommission und dem Europäischen Parlament wurde die Entscheidung zur Änderung der vorangegangenen Entscheidung aus dem Jahr 1999, in der die Bestimmungen zur Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse festgelegt wurden, endlich angenommen.
Das Regelungsverfahren mit Kontrolle wurde somit eingeführt. Es muss für den Erlass von Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Änderung (durch Streichung oder Hinzufügung) nicht wesentlicher Bestimmungen eines nach dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag − d. h. im Verfahren der Mitentscheidung − erlassenen Basisrechtsakts angewendet werden.
Das ist daher ein neues Komitologieverfahren, das auf eine von der Kommission erstellte Liste mit 25 Instrumenten anzuwenden ist, die bereits angenommen wurden und die geändert werden müssen. Dazu gehört die vorliegende Verordnung über den Schengener Grenzkodex.
Daher unterstütze ich die fachlichen Vorschläge des Berichterstatters Herrn Cashman, die Besonderheit des Schengener Grenzkodex zu berücksichtigen, weil er aus dem Schengen-Besitzstand hervorgegangen ist.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Gerade der Schengen-Besitzstand ist ein sensibler Bereich, in dem wir auch auf allfällige Entwicklungen reagieren können müssen. Organisierte Schlepperbanden suchen nach immer neuen Schlupflöchern, um die EU mit Migranten zu überschwemmen. Aus diesem Grunde darf es auch keinesfalls zu einer überhasteten Schengen-Erweiterung kommen. Zuvor ist sicherzustellen, dass die betroffenen Mitgliedsstaaten den Schutz der Außengrenze wirklich im Griff haben. Da hier aus meiner Sicht noch massive Zweifel bestehen, habe ich den Bericht Cashman abgelehnt.
Hiltrud Breyer (Verts/ALE). - Herr Präsident! Ich habe für den Bericht Hegyi gestimmt, denn wir haben wiederholt das Demokratiedefizit kritisiert, das bei den genveränderten Organismen existiert.
Wir wissen, es gibt kaum Fälle, wo es eine qualifizierte Entscheidung im Ministerrat oder im Ständigen Ausschuss für oder gegen die Zulassung von GVO gab. Es ist im Grunde genommen immer das gleiche Spiel passiert: Die EU-Kommission hat trotz Bedenken vieler Mitgliedstaaten und Experten als Risikomanager die GVO gegen den Willen der EU-Bürger zugelassen. Es darf nicht sein, dass die EU-Kommission das letzte Wort hat. Es braucht die Kontrolle des EP.
Der Bericht Hegyi geht zwar in die richtige Richtung, nämlich die Mitentscheidung des Parlaments für GVO-Zulassungen bindend zu machen. Wir lehnen aber den ausgehandelten Kompromiss ab, denn das Demokratiedefizit der Komitologie bleibt bestehen. Dazu kann es eigentlich nur eine Lösung geben, nämlich Mitentscheidung des Europäischen Parlaments in allen Bereichen der GVO-Zulassung. Daher finde ich es etwas bedauerlich, dass wir nicht das Optimum aus dieser Abstimmung herausgeholt haben und nicht die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen haben, endlich mehr Druck gegen das weitere Bestehen dieses Demokratiedefizits auszuüben.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Es stimmt, dass die langfristigen Folgen der GVO-Technologie noch nicht bekannt sind. Es gibt widersprüchliche wissenschaftliche Stellungnahmen und viele Menschen haben Angst vor möglichen Gefahren und Risiken. Aus diesem Grund sind Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, und es darf nicht auf der Verwendung der GVO-Technologien in der Landwirtschaft bestanden werden.
Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt ist gültig. Diese Richtlinie deckt die experimentelle Freisetzung von GVO in die Umwelt ab, mit anderen Worten, die Einführung von GVO in die Umwelt zu experimentellen Zwecken (wie beispielsweise für Feldtests) und das Inverkehrbringen von GVO (Produkte, die GVO enthalten oder aus ihnen bestehen), wie beispielsweise für die Kultivierung, den Import oder die Verarbeitung zu industriellen Produkten.
Wir sind der Auffassung, dass es wichtig ist, wenigstens in Bezug auf die Verfahren zumindest über eine breitere Kontrolle der GVO-Technologie zu verfügen, wie das Europäische Parlament es jetzt beabsichtigt. Aber wir betonen, dass es erforderlich ist, Vorsicht walten zu lassen, ganz gleich, ob in Bezug auf die Landwirtschaft oder auf verarbeitete Nahrungsmittel.
Andreas Mölzer (ITS), schriftlich. − 70% der europäischen Bevölkerung lehnt die Gentechnik ab, in Österreich ist die Angst vor giftigen Rückständen im Essen sogar größer als vor Terroranschlägen oder der Vogelgrippe. Zusätzlich zum Verdacht des Zusammenhanges zwischen zunehmenden gesundheitlichen Problemen und gentechnisch veränderten Organismen häufen sich auch Anhaltspunkte, wonach der Gentechnikeinsatz zu Verwüstungen und Abhängigkeit der Landwirte von internationalen Konzernen führt.
Philip Bradbourn (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die Abgeordneten der Konservativen Partei haben für diesen Bericht gestimmt, bedauern jedoch den Ansatz, den der Rat im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens gewählt hat. Im Anfangsstadium der Erarbeitung des Berichts wurde durch den damaligen Ratsvorsitz unangemessener Druck auf das Parlament ausgeübt. Das halten wir für inakzeptabel, zumal es Aufgabe des Parlaments ist, Rechtsakte gründlich zu prüfen.
Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Diese Richtlinie ist angesichts der wachsenden Besorgnis im Hinblick auf Geldwäsche und ihre Rolle bei der internationalen Verbrechens- und Terrorismusfinanzierung extrem wichtig.
Aus diesem Grund ist ein gemeinschaftliches Konzept erforderlich, um einheitliche Regeln zu schaffen, Gesetzeslücken zu schließen und einen Mittelweg zwischen der erforderlichen Kontrolle und den Anforderungen an den Schutz der Binnenmärkte und des freien Kapitalverkehrs zu finden.
Ich unterstütze diese Initiative, die eine Aktualisierung der Richtlinie 2005/60/EG über Geldwäsche anstrebt, insbesondere was die in Artikel 41 der Richtlinie aufgeführten Durchführungsmaßnahmen betrifft.
Aus diesem Grund ist das ein weiterer Fall der Aktualisierung geltender Rechtsvorschriften, die mit dem neuen Regelungsverfahren mit Kontrolle im Rahmen der Komitologieentscheidung einhergeht.
Das Europäische Parlament wird so eine größere Kontrolle über die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse haben.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. − (SV) Wir haben für den Vorschlag insgesamt gestimmt. Es ist wichtig, internationale Normen einzuführen und einzuhalten, um das Finanzsystem vor Kriminalität und Geldwäsche generell zu schützen. Dabei dürfen jedoch die von den Mitgliedstaaten selbst ergriffenen Maßnahmen nicht gegen die Vorschriften des Binnenmarktes verstoßen. Es missfällt uns jedoch, dass die EU durch den ständigen Gebrauch des Begriffs Terrorismus versucht, ihre Macht auf Kosten der Mitgliedstaaten auszuweiten. Die Terrorismusfinanzierung macht nur einen äußerst geringen Teil der Geldwäsche aus. Die großen Beträge betreffen andere Formen des organisierten Verbrechens.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Der eingereichte Vorschlag ändert die Bestimmungen der Richtlinie 2005/60/EG zur Verhinderung der Benutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, in der eine zeitliche Beschränkung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse in diesem Bereich vorgeschrieben wurde.
Der jüngsten Entscheidung über die Ausübung der Befugnisse der Kommission entsprechend wurde diese Beschränkung aufgehoben, das Europäische Parlament bewahrt sich aber das Recht, die Umsetzung von Akten, die im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens verabschiedet wurden, zu kontrollieren. Aus diesem Grund ist nunmehr klar, dass Änderungen dieser Richtlinie dem Europäischen Parlament und dem Rat zu deren Einschätzung vorgelegt werden müssen.
Das soll allerdings nicht bedeuten, dass einzelstaatliche Parlamente von dem Gesetzgebungsverfahren ausgeschlossen werden und sich lediglich darauf beschränken müssen, auf Gemeinschaftsebene angenommene Richtlinien in diesem Bereich umzusetzen. Und es geht noch weiter, denn der „Reformvertrag“ versucht dies einzuführen, indem Angelegenheiten aus den Bereichen Justiz und Inneres schrittweise in eine zukünftige Gemeinschaftspolitik umgewandelt werden, was wir klar ablehnen.
Schließlich müssen wir die Inkonsequenz der Europäischen Union hervorheben, die den absolut freien Kapitalverkehr und Steuerparadiese unterstützt und sich gleichzeitig vehement für die Bekämpfung der Geldwäsche einsetzt.
Jeffrey Titford (IND/DEM), schriftlich. − (EN) Die Rechtfertigung für diesen Rechtsakt ist der Schutz des Finanzsystems der EU vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die UKIP würde stets eine internationale Zusammenarbeit in diesen Fragen anstreben, doch die EU verfügt in puncto Verteidigung über keinerlei vereinbarte Kompetenz. Als eine Organisation, die seit dreizehn Jahren nicht in der Lage ist, ihre Rechnungsabschlüsse abzeichnen zu lassen, muss man der Kommission zudem jegliche Kompetenz in finanzieller Hinsicht oder die Fähigkeit, Rechtsakte zur Kontrolle des Finanzsystems vorzuschlagen, absprechen.
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh und Inger Segelström (PSE), schriftlich. − (SV) Wir schwedischen Sozialdemokraten haben für den Bericht gestimmt, da unserer Ansicht nach die Kenntnisse über die neue synthetische Droge BZP erweitert und dazu Kontrollmaßnahmen und strafrechtliche Vorschriften eingeführt werden müssen. Wir haben jedoch gegen sämtliche Vorschläge gestimmt, die darauf abzielen, Beschlüsse zu Kontrollmaßnahmen und strafrechtlichen Vorschriften zu verhindern, weil dies dem Vorsorgeprinzip zuwiderlaufen würde.
- Entschließung Internationale Rechnungslegungsstandards (B6-0437/2007)
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Seit 2005 müssen börsennotierte Unternehmen unter bestimmten Umständen ihre konsolidierten Abschlüsse gemäß internationalen Rechnungslegungsstandards erstellen. Diese Standards wurden von einer in London ansässigen privaten Organisation entwickelt (International Accounting Standards Committee Foundation/International Accounting Standards Board) und sind mittels einer Verordnung nach und nach in die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften eingeflossen.
Trotz einiger Vorbehalte wird in dieser Entschließung der Vorschlag der Kommission (zur Änderung der Verordnung) angenommen, einen Standard (IFRS 8) zu bestätigen, der im Gegenzug einen US-Standard (SFAS 131) in EU-Recht umwandelt.
Das wird, wie in der Entschließung dargelegt, akzeptiert, obwohl das Interesse der Benutzer und die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen mit Sitz in den verschiedenen europäischen Ländern und der nur lokal agierenden Unternehmen in einer von der Kommission durchgeführten Folgenabschätzung nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
Aus diesem Grund können wir diese Entschließung nicht unterstützen.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). - (EN) Herr Präsident! Ich habe um eine Stimmerklärung zur Entschließung über den EU-Russland-Gipfel gebeten. Ich bedauere, dass einige wichtige Absätze aus merkwürdigen Gründen geopfert wurden, und zwar um die Entschließung zu verkürzen, anstatt sich auf eine längere Entschließung zu einigen, die sich dann aber auf wichtige Fragen erstrecken würde.
Meines Erachtens ist es dringend geboten, die Kommission und den Rat aufzufordern, gemeinsame Initiativen mit der russischen Regierung zu verfolgen mit dem Ziel, die Sicherheit und Stabilität in der gemeinsamen Nachbarschaft zu stärken, insbesondere mit Hilfe eines intensivierten Dialogs über Ukraine und Belarus sowie gemeinsamer Bemühungen, um die ungelösten Konflikte in Berg-Karabach sowie in Moldau und Georgien endlich beizulegen und dazu die uneingeschränkte territoriale Integrität dieser Staaten zu gewährleisten, sowie, was Transnistrien betrifft, eines Abzugs der verbleibenden russischen Truppen, die erforderlichenfalls von einem Kontingent internationaler Beobachter abgelöst werden sollten.
Jana Hybášková (PPE-DE). – (CS) Ich habe ausdrücklich gegen diesen Entschließungsantrag zum Ergebnis des 10. EU-Russland-Gipfels gestimmt. Das russische KGB-Regime strebt nach Legitimierung. Ich lehne es ab, eine Marionette zu sein, und schäme mich für all jene, die auf Grund von Ignoranz und Feigheit zu Marionetten Russlands werden, zumal es dabei um die Erlangung geringfügiger wirtschaftlicher Vorteile geht. Russland ist nicht Europas Partner. Ich lehne die Auffassung, dass Russland bezüglich der Unabhängigkeit des Kosovo unser Partner sei, entschieden ab. Warum misst dieses Parlament der Partnerschaft eine solch hohe Bedeutung bei? Russland wirft über Tschetschenien weiterhin die Leichen von Tschetschenen aus Hubschraubern ab, hält Tausende von Regimegegnern gefangen, führt rechtswidrige Gerichtsverfahren gegen Politiker des Anderen Russlands und hält Michail Chodorkowski ohne Rechtsgrundlage im Gefängnis fest. Durch wen und wann werden wir die Wahrheit über den Tod von Anna Politkowskaja erfahren? Wann wird Russland aufhören, Menschenrechtsaktivisten zu bedrohen? Warum lud man uns nicht zur Beobachtung der russischen Parlamentswahlen ein? Warum möchte Herr Putin uns, seine Partner, nicht dabei haben? Sowohl in Marokko als auch in Palästina hat man uns gewähren lassen.
Wer das Grundprinzip der Solidarität in Form der Unterstützung Polens bezüglich freier Exporte und gleicher Ausfuhrbedingungen verletzt, wird von diesem Parlament als Partner betrachtet. Russland nimmt uns als Geisel. Wenn wir kein demokratisches und stabiles Russland unterstützen, stattdessen aber ein Geheimdienst-Regime, sind wir uns selbst die schlimmsten Feinde. Zum Schluss sei gesagt, dass unser Land das Recht hat, zu Europas Sicherheit beitragen zu dürfen und Europa gegen einen möglichen Angriff der iranischen Streitkräfte zu schützen. Wie können wir die USA auffordern, den Frieden in Europa mit ihrer Politik nicht zu gefährden, während wir bezüglich der mehr als offensichtlichen Unterstützung der Russen für das iranische Regime Zugeständnisse machen? Diese Entschließung ist ein Exempel von Perfidität und Schwäche. Wie wir Tschechen wissen, zahlt sich Nachgiebigkeit gegenüber Russland wirklich nicht aus. Ich lehne diese Entschließung ausdrücklich ab, allein schon als Ausdruck der Achtung gegenüber dem Vermächtnis der tschechischen politischen Gefangenen und allen, die Widerstand gegen die Okkupation geleistet haben.
Vytautas Landsbergis (PPE-DE). - (EN) Herr Präsident! Ich habe zwar für den Entschließungsantrag zum Gipfel EU-Russland gestimmt, dennoch bedauere ich, dass die von mir als neue Erwägung vorgeschlagene Änderung vom Berichterstatter abgelehnt wurde. Deshalb zitiere ich sie jetzt: „in der Erwägung, dass die Russische Föderation keine der Verpflichtungen erfüllt hat, die sie bei ihrem Beitritt zum Europarat 1996 übernommen hatte, und dass sie vor zwei Jahren das bereits unterzeichnete Grenzabkommen mit dem EU-Mitgliedstaat Estland einfach gekündigt und damit eine Regulierung dieses Abschnitts der Grenze zwischen der EU und Russland bisher verhindert hat; in der Erwägung, dass die Rechtsvorschriften der Russischen Föderation nach wie vor aggressive Standpunkte enthalten wie z. B. hinsichtlich sozialer Vorrechte ihrer Militärangehörigen im Falle von Verlusten als Folge von Verletzungen, die sie bei bewaffneten Aktionen in den baltischen Staaten erleiden, oder hinsichtlich von Verfahren des Beitritts ausländischer Staaten oder ihrer Teile zur Russischen Föderation“. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Haus diese Standpunkte zu einem späteren Zeitpunkt neu überdenken wird.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. − (EN) Ich habe diese Entschließung nur recht zögernd befürwortet. Russland und Wladimir Putin als dessen Führer haben sich in letzter Zeit in einer Reihe von Bereichen, vor allem in Energiefragen, als schwierig erwiesen.
Der Punkt, in dem ich allerdings Verständnis für Russland habe, ist dessen Reaktion auf den höchst umstrittenen Plan der USA, in der EU einen Raketenabwehrschirm zu stationieren, um sich angeblich gegen die kaum glaubwürdige Gefahr eines iranischen Angriffs durch mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen zu schützen, der gleichzeitig eine Gefahr für die Verteidigung Russlands darstellt.
Deshalb bedauere ich, dass Änderungsantrag Nr. 3 der Fraktionen der Grünen, für den ich gestimmt habe, mit 242 zu 362 Stimmen abgelehnt wurde.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Über diese Entschließung zum Gipfeltreffen EU/Russland gibt es viel zu sagen, deshalb werden wir nur einige Beispiele bezüglich der Ziele erwähnen.
Während z. B. die Initiativen und die tief greifende Verantwortung der US-Administration bei der Förderung einer neu eskalierenden Militarisierung Europas – mit Unterstützung der NATO-Mitgliedstaaten, das gilt es festzuhalten – beschönigt werden, wird festgestellt, dass die „Erklärungen der russischen Regierung“ und die „unangebrachte Drohung, aus dem Abkommen über konventionelle Streitkräfte in Europa auszuscheren, erhebliche Sorgen um die Erhaltung von Frieden und Stabilität auf dem europäischen Kontinent haben aufkommen lassen“.
In der Entschließung werden die wesentlichen Aspekte, wie beispielsweise die Tatsache, dass Russland es EU-Unternehmen erlaubt hat, strategische Anteile an russischen Unternehmen zu kaufen, die Bedeutung einer Verbesserung des Klimas für Investitionen in Russland (zur Freude der großen EU-Finanzkonzerne) und der „gleichberechtigte Zugang zu Märkten, Infrastrukturen und Investitionen“ auf Grundlage der Grundsätze der „Energiecharta“ mehr oder weniger direkt hervorgehoben.
Einhergehend mit den gerade genannten Beispielen wird der politische Druck auf die Russische Föderation aufrecht erhalten und gar versucht, Interventionsinstrumente zu fördern. Gleichzeitig wird aber die inakzeptable Situation bezüglich der grundlegendsten Rechte der russischsprachigen Bevölkerung in Lettland, einem EU-Mitgliedstaat, ignoriert.
Richard Howitt (PSE), schriftlich. − (EN) Die Labour Party im Europäischen Parlament befürwortet diese Entschließung und ihr Ziel, eine strategische Zusammenarbeit mit Russland auf der Grundlage gemeinsamer Werte, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte aufzubauen. Vor allem unterstützen wir die Forderung nach einem positiven russischen Beitrag bei der Suche nach einer nachhaltigen politischen Lösung der Kosovo-Frage.
Wir haben für Änderungsantrag 3 gestimmt, da es Überlegungen gibt, die hinsichtlich jeder weiteren Stationierung von konventionellen und nicht konventionellen Waffen auf dem europäischen Kontinent in Betracht gezogen werden sollten, und wir befürworten die Fortsetzung der bilateralen Gespräche zwischen den USA und Russland in dieser Angelegenheit.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Der EU-Russland-Gipfel in Mafra zeigt, dass sich die Beziehungen seit den 1990er-Jahren, als das 2007 auslaufende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen geschlossen wurde, geändert haben. Diese Beziehungen wurden von drei Hauptfaktoren beeinflusst.
Zunächst die Erweiterung der Europäischen Union, die die endgültige Befreiung einer ganzen Gruppe von Ländern aus dem Einflussbereich Russlands bedeutete und die das frühere russische Imperium nicht akzeptieren will.
Zweitens der autoritäre Charakter der Präsidentschaft Putins, der ein Rückschlag für Russlands Demokratisierung war. Obwohl diese Präsidentschaft in Russland weitestgehend akzeptiert wird und sie eine grundlegende Wirtschaftsordnung bietet, kann die EU angesichts der Menschenrechtsverstöße, die einen weiteren Reibungspunkt darstellen, nicht passiv bleiben.
Drittens die Situation auf den Energiemärkten, die eine Nutzung von Gasprom zu politischen Zwecken begünstigt und die europäischen Länder für die Frage der Energieversorgungssicherheit sensibilisiert hat.
Vor diesem Hintergrund bietet die von der Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischer Demokraten vorgeschlagene Entschließung ein Gleichgewicht zwischen der Kritik an Russland und den Hoffnungen auf ein wärmeres diplomatisches Klima, das mit Grundsätzen aus unserem Wertesystem untermauert wird. Besondere Erwähnung verdienen die Punkte über die Achtung der Menschenrechte und die Forderung – und die ist für Polen wichtig – nach Aufhebung der ausweglosen Situation in Bezug auf polnische Agrarexporte auf den russischen Markt. Das ist eine Bestätigung der viel gewünschten Solidarität zwischen den Ländern der Europäischen Union in den Beziehungen zu Moskau.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den gemeinsamen Entschließungsantrag zum Gipfeltreffen EU-Russland gestimmt, in dem das Parlament die russische Regierung unter anderem auffordert, gemeinsam mit der Europäischen Union die Voraussetzungen für eine zügige Aufnahme der Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland zu schaffen. Weitere Fragen, die darin angesprochen werden, betreffen den bevorstehenden Beitritt Russlands zur WTO, die Menschenrechte in Russland, das Investitionsklima sowie anhaltende Bedenken bezüglich der Aufrechterhaltung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Der 18. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer fiel in die Zeit nach dem Gipfeltreffen EU/Russland, das stattfand, nachdem dieser Bericht besprochen, aber bevor über ihn abgestimmt wurde. Nach achtzehn Jahren ist das frühere Osteuropa nunmehr ein demokratischer Raum, in dem sich die Marktwirtschaft etabliert hat. Russland hingegen ist weit davon entfernt, demokratisch und ein verlässlicher Partner zu sein. In Bezug auf Energie, den Kosovo, den Kaukasus, Zentralasien, die Ukraine, Moldawien oder die nukleare Frage im Iran war Russlands Beitrag zu einer Lösung unzureichend.
In derselben Woche hat der European Council on Foreign Relations einen Bericht vorgelegt, in dem zu lesen war, dass die Russen die Regeln für die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union festlegten, und dass Europa nicht genug Einheit und Strategie bewiesen und in einigen Fällen scheinbar die Erinnerungen an die Sowjetzeiten noch nicht hinter sich gelassen habe, wogegen es in anderen Fällen zu pragmatisch gewesen sei. Es wird zu Recht vorgeschlagen, dass die EU-Strategie Russland dazu ermutigen sollte, die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren. Wenngleich es sich bei Russland nicht um eine liberale Demokratie handelt, muss es ein durchschaubarer und verlässlicher Staat sein. Daran muss Europa härter arbeiten.
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh und Inger Segelström (PSE), schriftlich. − (SV) Unserer Ansicht nach ist das Recht auf Weitergabe von Informationen ein wichtiger Grundsatz. Beamte sollten in Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Weitergabe von Informationen ohne Gefahr von Repressalien Informationen einholen und weitergeben dürfen, ein Recht auf Anonymität sowie auf Schutz vor Nachforschungen besitzen, d. h. Behörden und andere öffentliche Organe dürfen nicht untersuchen, wer gemäß dem Recht auf Weitergabe von Informationen möglicherweise Informationen weitergegeben hat.
Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. − (EN) Ich lehne den Änderungsantrag von Herrn Atkins (Änderungsantrag 1 zu Ziffer 15) zu dem von Carlos José Iturgaiz Angulo erarbeiteten Bericht des Petitionsausschusses entschieden ab.
Der Sonderbericht des Bürgerbeauftragten über das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF betrifft Aussagen des Amtes in Bezug auf einen Journalisten, der über dessen Untersuchungen von Behauptungen berichtet hatte, die von Herrn van Buitenen aufgestellt worden waren.
Unabhängig davon, ob die Behauptungen von Herrn van Buitenen richtig oder falsch sind, sollten wir das Recht von Journalisten auf Berichterstattung über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse auch in Fällen verteidigen, in denen diese Journalisten für Zeitungen tätig sind, die unseren Ansichten nicht gerade positiv gegenüberstehen.
Der Bürgerbeauftragte stellte in seinem Sonderbericht fest, dass OLAF vorschriftswidrig gehandelt hat, als es seine Anschuldigungen gegen einen Journalisten vorbrachte. Der Petitionsausschuss kam überein, um einen Initiativbericht in dieser Sache zu ersuchen, um OLAF durch entsprechenden Druck zu veranlassen einzuräumen, dass es vorschriftswidrig gehandelt hat. Mit einer Befürwortung des PPE-DE-Änderungsantrags werden wir außerstande sein, die Unabhängigkeit der journalistischen Tätigkeit zu verteidigen, den Petitionsausschuss bei seiner Arbeit zu unterstützen und die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten zu unterstützen.
6. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 13.10 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
7. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
8. Lage in Pakistan (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Pakistan.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Wie wir wissen, hat die Europäische Union die jüngsten Entwicklungen in Pakistan und vor allem die Ereignisse, die zur Ausrufung des Ausnahmezustands am 3. November und in der Folge zu großer sozialer Unruhe und zahlreichen Festnahmen, u. a. des Obersten Richters, der derzeit unter Hausarrest steht, führten, mit großer Sorge verfolgt.
Für den Aufbau des Rechtsstaates und den demokratischen Prozess in Pakistan ist das zweifellos ein Rückschritt, der meines Erachtens die Hoffnungen zerstört, die das pakistanische Volk und die internationale Gemeinschaft im Allgemeinen mit der verstärkten Legitimierung demokratischer Institutionen in Pakistan verbunden haben. Aus diesem Grund hat die Ratspräsidentschaft am 6. November im Namen der Union eine Stellungnahme herausgegeben, in der wir unsere tiefe Besorgnis über die Ausrufung des Ausnahmezustands und die Außerkraftsetzung der pakistanischen Verfassung und der Grundfreiheiten zum Ausdruck bringen.
Am 4. November, zwei Tage zuvor, haben die Leiter der Polizeimission in Islamabad und der Hohe Vertreter Javier Solana angesichts der Ereignisse ihre Besorgnis geäußert. Unsere Worte, die Worte der EU, wurden den vielen anderen hinzugefügt, die stets bekräftigten, wie wichtig es sei, die Verfassung wieder in Kraft zu setzen, die zivile Ordnung wieder herzustellen, die Unabhängigkeit des Justizapparates und die Freiheit der Massenmedien zu gewährleisten, alle politischen Gefangenen, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger frei zu lassen und Bedingungen für die geplante Durchführung der Parlamentswahlen im Januar 2008 zu schaffen.
Wir haben keinerlei Zweifel daran, dass die Stabilität und die Entwicklung einer Nation nur in einem Klima absoluter demokratischer Glaubwürdigkeit sichergestellt werden kann. Wir sind ernsthaft besorgt angesichts der Berichte über zahlreiche Verhaftungen, den Boykott der Informationsfreiheit, die Unterdrückung des grundlegenden Rechts auf Meinungsäußerung der Bürger, Angriffe auf bestimmte Berufsgruppen wie Richter, Rechtsanwälte, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Zudem möchten wir an alle Parteien appellieren, sich sehr zurückzuhalten und gemeinsam an einer demokratischen und friedlichen Lösung der gegenwärtigen Krise zu arbeiten, um rasch wieder zur Normalität zurückzukehren.
Auch wenn die Europäische Union sich der Herausforderungen, vor denen Pakistan gegenwärtig in Bezug auf seine Sicherheitslage steht, und der Opfer und der Bemühungen des pakistanischen Volkes bei der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bewusst ist, so ist sie doch zutiefst davon überzeugt, dass die Lösung für diese Herausforderungen nicht im Abbruch des demokratischen Prozesses liegen kann.
Wir dürfen es allerdings auch nicht versäumen, den Verbündeten, auf den wir bei der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus immer zählen konnten, anzuerkennen. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass sich Pakistan weiterhin im Kampf gegen diese globale Bedrohung, dessen grundlegendes Instrument die internationale Zusammenarbeit ist, engagiert.
Schließlich hofft die Union, dass sich das gegenwärtige Klima der Unsicherheit rasch und friedlich beruhigt und fordert Präsident Musharraf zur Einhaltung seines Versprechens, seine Militäruniform ab- und sein Amt als Stabschef niederzulegen, auf.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Pakistan steht nun schon zum dritten Mal innerhalb weniger Monate auf der Tagesordnung dieser Plenarversammlung. Dies beweist, wie außerordentlich schwierig die Übergangsphase ist, in der sich das Land gerade befindet. Indem Präsident Musharraf kraft seines Amtes als Oberbefehlshaber der Armee am 3. November den Ausnahmezustand ausrief, übermittelte er Europa und der übrigen Welt ein zutiefst beunruhigendes Signal und versetzte der Demokratiebewegung in Pakistan einen herben Rückschlag.
Vor der Verhängung des Ausnahmezustandes waren einige sehr positive Entwicklungen zu beobachten, die uns auf einen umfassenderen politischen Prozess und die Stärkung demokratischer Institutionen hoffen ließen. All dies steht nun leider in Frage und es ist unklar, ob dieser Prozess noch umkehrbar ist oder ob es schon zu spät ist, um Vertrauen und Grundvoraussetzungen im Vorfeld der Parlamentswahlen wiederherzustellen.
In der Nacht zum 3. November teilte Präsident Musharraf in seiner Fernsehansprache mit, dass er in der deutlichen Zunahme terroristischer Aktivitäten und Anschläge eine Bedrohung der Nation sieht und daher die Verfassung außer Kraft setzt. In der Tat besteht kein Zweifel an der ernsten Bedrohung, der Pakistan durch religiösen Extremismus und Gewaltanschläge ausgesetzt ist, wie die jüngsten Zwischenfälle in der nordwestlichen Grenzprovinz und der Anschlag auf den Konvoi von Frau Benazir Bhutto am 18. Oktober in Karatschi bewiesen haben. Allerdings müssen wir auch die Verhaftung tausender Rechtsanwälte, Journalisten, Politiker und Menschenrechtsaktivisten registrieren, zu denen auch renommierte Personen wie Frau Asma Jahangir, Vorsitzende der unabhängigen Menschrechtskommission in Pakistan, oder Herr Aitzaz Ahsan, Vorsitzender der Anwaltskammer des Obersten Gerichtshofs, gehören.
All diese Menschen engagieren sich für ein offenes und tolerantes Pakistan. Sie sind keine Terroristen, und deshalb ist es falsch, sie zu verhaften. Sie müssen sofort freigelassen werden. Insbesondere missbillige ich die drastischen Maßnahmen gegen die pakistanische Justiz. Die Rechtsstaatlichkeit ist das Herzstück jedes demokratischen Prozesses, und ein demokratisches System funktioniert nicht ohne unabhängige Justiz.
Die Erklärung des Ratsvorsitzes, die auch unser Präsident im Namen der Europäischen Union eben erwähnt hat, ist daher sehr klar, und wir werden nicht davon abweichen. Am vergangenen Sonntag erklärte Präsident Musharraf auf einer Pressekonferenz, er hoffe, dass bis zum 9. Januar in Pakistan Parlamentswahlen durchgeführt werden könnten. Dies wäre zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber es gibt immer noch viele Probleme. Ist ein Ende des Ausnahmezustandes in Sicht? Wie sollen freie und faire Wahlen möglich sein, wenn Presseerzeugnisse und elektronische Medien zensiert und andere Rechte und Freiheiten der Bürger außer Kraft gesetzt sind oder wenn die Unabhängigkeit der Justiz unterminiert wurde? Wie ist Wahlkampf ohne Versammlungsfreiheit möglich oder wenn Parteivorsitzende wie Benazir Bhutto unter Hausarrest gestellt werden? Hier sind derzeit noch viele Fragen zu klären.
Diese Ungewissheit kann nur beendet werden, indem möglichst bald ein verbindlicher Wahltermin und ein klarer Zeitplan für die Beendigung des Ausnahmezustands bekannt gegeben werden. Eine Chance auf demokratische und transparente Wahlen ist überhaupt nur dann gegeben, wenn alle Beschränkungen der politischen Rechte und Grundfreiheiten aufgehoben werden. Und nach der aktuellen Lage wird eine Wahlbeobachtungsmission wohl nicht möglich sein, da bestimmte, in der Mitteilung der Kommission über die Wahlunterstützung und Wahlbeobachtung festgelegte Mindestvoraussetzungen zur Durchführung demokratischer Wahlen nicht erfüllt sind.
Wenn der Ausnahmezustand jedoch zügig aufgehoben wird und die Bedingungen sich sichtlich verbessern, hätte ich eventuell die Möglichkeit, dies noch einmal zu überdenken. Die nötigen Vorbereitungen für eine mögliche EU-Wahlbeobachtungsmission in Pakistan habe ich auf jeden Fall getroffen, falls sich die Situation rasch zum Besseren wendet. Aber wie gesagt, ich bezweifle, ob dies überhaupt möglich ist.
Verschiedentlich wird die Aussetzung bzw. Reduzierung der Finanzhilfen gefordert, die wir an Pakistan zahlen, und einige EU-Mitgliedstaaten haben in dieser Hinsicht bereits Schritte unternommen oder wollen dies tun. Die Europäische Kommission unterstützt Pakistan hauptsächlich, und daran möchte ich Sie erinnern, in so wichtigen Bereichen wie Armutslinderung und Bildung, auch in der nordwestlichen Grenzprovinz und in Belutschistan als den am stärksten benachteiligten Regionen Pakistans.
Darum müssen wir meines Erachtens gut überlegen, wie es weitergeht, sollten hier aber wohl angesichts der Art der geleisteten Hilfe sehr genau darüber nachdenken.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! In Wahrheit ist die Lage sehr besorgniserregend: Die Aussetzung verfassungsmäßiger Garantien, die Verhängung des Ausnahmezustands, die Inhaftierung vieler Vertreter der Zivilgesellschaft, darunter von Anwälten wie Herrn Ahsan, dem Vorsitzenden der Anwaltskammer des Obersten Gerichtshofs, und Oppositionellen, die Verhängung von Hausarrest gegen die Oppositionsführerin Frau Bhutto. Was ist angesichts dieser Lage zu tun?
Wir haben erfahren, dass der Stellvertretende US-Außenminister, Herr Negroponte, in Kürze Pakistan besuchen wird und dass sich mit dem Vereinigten Königreich ein Mitgliedstaat der Petition der Vereinten Nationen angeschlossen hat, derzufolge der Präsident innerhalb von zehn Tagen das Amt als Oberbefehlshaber der Streitkräfte niederlegen und den Ausnahmezustand aufheben soll.
Was können wir aber als Europäische Union tun? Ich denke, dass wir als Erstes mit äußerster Vorsicht vorgehen müssen. Ich denke, der Vertreter der derzeitigen Präsidentschaft hat sehr richtig festgestellt, dass Pakistan ein unerlässlicher Partner im Kampf gegen den Terrorismus ist und dass es außerdem auch ein Land ist, das über Nuklearwaffen verfügt.
Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass die Europäische Union einerseits so bald wie möglich – denn wir dürfen nicht vergessen, dass der Terrorismus in Pakistan eine Rolle, ein wichtige Rolle spielt – von der Regierung verlangen muss, die Ordnung und Stabilität und die verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten in einem gewissen Maße wiederherzustellen und alle unrechtmäßig inhaftierten Personen freizulassen. Andererseits bitte ich Sie, Frau Kommissarin, Ihre nicht zu unterschätzenden Kompetenzen und Anstrengungen dafür einzusetzen, dass freie und gerechte Wahlen abgehalten werden können und dass die Europäische Union – auf der Grundlage der Garantien, die Sie in Ihrer Rede angesprochen haben – präsent ist und den Prozess in Pakistan begleitet, der so extrem wichtig für die Stabilität der Region und alle Beziehungen zwischen dieser Region und der Europäischen Union ist.
Wir setzen daher, Frau Kommissarin, großes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, großes Vertrauen in Ihr diplomatisches Vorgehen, großes Vertrauen in Ihre Anstrengungen, und wir hoffen, dass diese zu einem erfolgreichen Ergebnis führen und die Europäische Union den Prozess dieser Wahl begleiten darf.
Robert Evans, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Rat und der Kommission danken, ganz besonders dem Rat, für seine energische Erklärung vom 8. November.
Mit Sicherheit bezweifelt niemand, dass die Lage in Pakistan ernst und instabil ist. Es scheint kaum fassbar, dass sich all die die jüngsten Ereignisse wirklich in nicht mehr als zehn Tagen, seit der Verhängung des Ausnahmezustandes, abspielten. Mehrere der hier versammelten Abgeordneten trafen General Musharraf vor einigen Monaten, zuerst in Brüssel und später in Islamabad, und wir erhielten verschiedene Zusagen. Er war bereit, sich an die Verfassung zu halten und versprach freie und faire Wahlen. Ich begrüße seine Ankündigung, dass bis zum 9. Januar Wahlen stattfinden können, teile aber dennoch die Befürchtungen der Kommissarin und stelle daher die Frage: Sind denn angesichts der aktuellen Ereignisse und der derzeit verhängten Notstandsmaßnahmen – der zeitweiligen Einstellung der Tätigkeit von Fernsehsendern und der Aussetzung weiterer Menschenrechte – freie und faire Wahlen tatsächlich in weniger als acht Wochen möglich?
Ich wende mich an die Kommissarin und möchte ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf unsere Ziffer 14 dieser Entschließung richten, in dem wir die Kommission auffordern, die Ausweitung der Hilfeleistungen für Pakistan in den Bereichen Bildung, Armutslinderung, Gesundheitsfürsorge und Notstandsarbeiten zu prüfen, die Fördermittel angesichts der aktuellen Lage jedoch über säkulare Nichtregierungsorganisationen laufen zu lassen, statt sie direkt der Regierung zu überantworten.
Wir hegen keinen Groll gegen das pakistanische Volk. Wir sehen in Pakistan einen der wichtigsten Verbündeten des Westens, dies erklärte Herr Salafranca Sánchez-Neyra bereits. Wir wissen, dass Pakistan in sehr vielen Bereichen eine wichtige Aufgabe erfüllt und dass das pakistanische Volk Opfer terroristischer Anschlägen ist. Ich bin aber nicht der Meinung, meine sehr verehrten Kollegen, dass wir die Hände in den Schoß legen und die Dinge ignorieren dürfen, die momentan dort passieren. Meine Fraktion wollte auch einen Passus über mögliche Sanktionen und appellierte an den Rat …
(Der Präsident bittet den Redner, etwas langsamer zu sprechen)
Ich war der Meinung, mein Englisch ist so klar, dass es alle gut verstehen können, aber ich werde natürlich langsamer sprechen.
Ich bitte den Rat auch, die Durchführung gezielter Sanktionen zu überdenken, die die sozialdemokratische Fraktion gern durchgesetzt hätte, in dieser Hinsicht jedoch keine Unterstützung bekommen hat: insbesondere Beschränkungen der Reisefreiheit und das eventuelle Einfrieren von Vermögenswerten. Wir hoffen allerdings, dass derartige Maßnahmen gar nicht erst nötig sind und dass Pakistan vor dem Zusammenbruch bewahrt wird und der Ausnahmezustand aufgehoben wird, und wir hoffen auf den Rücktritt General Musharrafs als oberster Befehlshaber der Armee. Herr Präsident, bitte entschuldigen Sie das von mir vorgelegte Tempo.
Sajjad Karim, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Pakistan ist ein wichtiger Verbündeter der Europäischen Union. Wir sehen Pakistan heute an einem Scheideweg. Aber ich bin überzeugt davon, dass es an Beziehungen zu uns interessiert ist, und wir haben es geschafft, diese Beziehungen zu Pakistan wiederherzustellen, die sich offensichtlich recht erfolgreich entwickeln.
Wir dürfen jedoch nicht den historischen Kontext, in dem wir uns gerade befinden, aus den Augen lassen. Ich kenne Pakistan relativ gut – die bei weitem größte Problematik, der sich Pakistan momentan intern stellen muss, ist die terroristische Bedrohung, die von der Grenze zu Afghanistan herüberschwappt. Afghanistan ist ein gemeinsames globales Problem. Vor einigen Jahren kehrte der Westen Afghanistan den Rücken, und gerade deshalb dürfen wir heute Pakistan nicht den Rücken kehren.
Pakistan steht in diesem Kampf an vorderster Front und trägt im Namen der internationalen Gemeinschaft oft eine sehr schwere Last. Diese Last hat das pakistanische Volk zu tragen, und zwar, indem es zu einem Großteil die Gewalt und die Bluttaten absorbiert, die ansonsten auf den restlichen Teil der Welt zurückfallen würden. Die Lösung liegt nicht darin, liberal eingestellte Menschen und liberale Werte zu isolieren oder indem man dem pakistanischen Volk diese liberalen Werte aberkennt.
Wie ich erfahren habe, hat die Kommission erneut dazu aufgerufen, die momentan inhaftierten Gefangenen auf freien Fuß zu setzen, und diesen Appell unterstütze ich. Dazu gehören unter anderem der Oberste Richter Pakistans und vor allem Herr Aitzaz Ahsan, einer der renommiertesten pakistanischen Rechtsanwälte. Der Präsident Pakistans muss umgehend – und das sollte unsere Minimalforderung sein – den Ausnahmezustand aufheben, die Verfassung wieder in Kraft setzen, den Obersten Gerichtshof wieder einsetzen und freie und faire Wahlen anstreben.
Wir müssen Präsident Musharraf klar machen, dass wir Pakistan keinesfalls den Rücken gekehrt haben. Wir halten unsere Beziehungen aufrecht. Für ihn ist es jetzt an der Zeit, seinen momentanen Standpunkt aufzugeben und unsere Grundwerte anzuerkennen und zu übernehmen. Trotz der verzweifelten Lage hat er gerade jetzt ganz eindeutig die einmalige Chance, die Macht in Pakistan an das Volk als rechtmäßigem Verwalter dieser Macht zu übergeben.
Eoin Ryan, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch ich erkenne, welch wichtige Rolle Pakistan als Verbündeter bei der Bekämpfung des Terrorismus spielt, und Pakistan ist uns allen tatsächlich ein wichtiger Verbündeter in diesem Kampf. Zu keinem Zeitpunkt rechtfertigt dies jedoch meiner Meinung nach auch nur annähernd die Vorfälle, die in den letzten Wochen in Pakistan geschehen sind.
Keinerlei Abweichung vom allgemeinen demokratischen Prozess kann die politischen Probleme in Pakistan lösen. Was mir hier tatsächlich Sorgen bereitet, ist der Grund von Präsident Musharrafs Handeln: Er befürchtete, nicht die erwartete oder erhoffte Entscheidung vom Obersten Gerichtshof zu hören. Das ist zu einen recht banal, und offensichtlich ist er in seinem Verhalten gegenüber dem pakistanischen Volk und im Umgang mit dem pakistanischen Justizsystem bis zum Äußersten gegangen, und das ist sehr gefährlich.
Ich begrüße es, dass er sich verpflichtet, Wahlen abzuhalten, aber die internationale Gemeinschaft darf nicht zulassen, dass er dieser Verpflichtung den Rücken kehrt. Der Ausnahmezustand in Pakistan muss umgehend aufgehoben werden, und die pakistanische Regierung muss die Grenzen ihrer Verfassung achten. Durch die Ausschaltung des Obersten Gerichtshofs wurde das System der Gewaltenteilung in Pakistan unwiderruflich geschädigt. General Musharraf hat hier eine recht armselige Vorstellung geliefert. Ich verurteile aufs Schärfste den Rundumschlag des Generals in Form der im großen Stil erfolgten Inhaftierung seiner politischen Gegner, unter ihnen 3.000 friedliche Protestanten sowie Bürgerrechts- und Menschenrechtsaktivisten.
Das Europäische Parlament muss General Musharraf jetzt klar und deutlich zu verstehen geben, dass seine jüngsten Handlungen alle internationalen Übereinkommen sprengen und er kurz davor ist, Pakistan in eine äußert nachteilige und gefährliche Situation zu manövrieren.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wie viele meiner Kollegen mischt sich auch bei mir tiefes Bedauern mit einem gewissen Ärger darüber, dass wir uns hier erneut mit der Lage in Pakistan beschäftigen müssen. Ich stimme so gut wie allen Äußerungen meiner Vorredner am heutigen Abend zu. Wir sind in einer schwierigen Lage, nicht nur, weil dieser Staat Kernwaffen besitzt, sondern weil das Risiko eines gescheiterten Kernwaffenstaates uns alle außerordentlich nervös machen sollte.
Es stimmt, wenn gesagt wird, dass es im Prinzip nur in der Macht von Präsident Musharraf und seiner Regierung liegt, den Schritt vom Abgrund zurückzutreten. Die Vorstellung, dass trotz des Ausnahmezustands ungestört Wahlen stattfinden können, ist unrealistisch. Von einer ungestörten Wahl kann vor allem dann nicht geredet werden, wenn die Oppositionsführer unter Hausarrest stehen oder im Gefängnis sitzen. Wenn es keine Pressefreiheit gibt, wenn die Menschen aufgrund des verhängten Importverbots nicht einmal mehr Satellitenschüsseln kaufen können, ist an freie und faire Wahlen nicht einmal zu denken.
Ganz offensichtlich fordern wir die Freilassung aller politischen Gefangenen, Pressefreiheit und ein ungehindertes Arbeiten der Justiz, denn wenn alle, die sich für demokratische Werte engagieren, hinter Gittern sitzen, bleibt niemand mehr übrig, um auf die Straße zu gehen. Die Botschaft, die die pakistanische Regierung momentan durch ihre Handlungen aussendet, ist daher für einen Staat, der von sich selbst behauptet, demokratische Werte zu achten, außerordentlich beunruhigend.
Ich möchte den Äußerungen von Herrn Robert Evans zustimmen. Wir müssen wirklich einige Sanktionen in der Hinterhand haben, falls die vom Commonwealth und den Vereinten Nationen festgelegte Frist des 22. November nicht eingehalten wird und der Präsident nicht von seinem Amt als Oberbefehlshaber der Armee zurücktritt, oder wenn der Ausnahmezustand nicht aufgehoben wird.
Wir sollten den morgigen Aktionstag von Amnesty International unterstützen, um auf die in Pakistan inhaftierten Gefangenen hinzuweisen, und wir müssen auf jeden Fall die Finanzhilfen und deren Verwendung überdenken. Pakistan hat von den USA in den letzten fünf oder sechs Jahren 10 Milliarden Dollar an Finanzhilfen erhalten, und zwar hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung statt zur Unterhaltung und zum Ausbau des Bildungswesens.
Georgios Georgiou, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Ich stelle fest, dass die gesamte westliche Welt und allen voran die Vereinigten Staaten vorgezogene Wahlen in Pakistan fordern. Sie wollen Wahlen, bevor die Opposition aus dem Gefängnis entlassen und der Hausarrest von Herrn Ahsan, des Vorsitzenden der Anwaltskammer des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court Bar Association), aufgehoben wird.
Die Folgen werden in Pakistan sicherlich zu spüren sein. Es wird unvermeidlich zu politischer Instabilität und negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft eines Landes kommen, das sich ohnehin schon in einer mehr als schlechten Lage befindet. Die Krise wird sich auch in der Region und auf noch weiter reichende Entwicklungen, die die Stabilität in ganz Asien betreffen, auswirken. Ich halte es für unmöglich, die Entwicklungen in Pakistan und Kaschmir von den Entwicklungen in Afghanistan zu trennen.
Ich schlage vor, dass die EU darauf bestehen sollte, Pakistans beträchtliches Atomwaffenarsenal zu sichern, gegebenenfalls mithilfe der Vereinten Nationen, und zwar wenigstens so lange, bis das Land wieder zu seinem früheren politischen und, wenn möglich, demokratischen Zustand gefunden hat.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Über viele Jahre haben wir und die übrige westliche Welt Pakistan für einen wichtigen Verbündeten gehalten. Die Bedrohung durch den Terrorismus sowie die Versprechen und die Hardliner-Rhetorik der pakistanischen Regierung im Hinblick auf ein Ende dieser Bedrohung waren gleichsam Worte der Beruhigung für die EU. Allerdings gab und gibt es im Zusammenhang mit dieser Allianz und der gegenseitigen Solidarität allzu viele Missstände. Nun endlich ist es an der Zeit, dass wir unsere Augen öffnen.
Der von General Musharraf am dritten Tag erklärte Ausnahmezustand, ein Bruch der Verfassung Pakistans, ist nur die Spitze des Eisbergs, vor dem wir hier in diesem Hause bereits im Juli und Oktober gewarnt haben. Im Laufe der Jahre wurde die Gesellschaft schrittweise militarisiert, und der Lackmustest zur Lage der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und der Minderheitenrechte hat gezeigt, dass diese eingeschränkt sind. Anstatt dass sich Pakistan in diesem Jahr für den Siegeszug der Demokratie bereit gemacht hätte, gab es deutliche Anzeichen für ein sich verhärtendes diktatorisches Regierungssystem. Die Verhaftungen von Mitgliedern der Opposition, die Störung der Arbeit des Obersten Gerichtshofes, die Einreiseverweigerung für einen Oppositionsführer und der Hausarrest für einen anderen, die Festnahme eines UN-Vertreters, und die Gewalt der Behörden gegen friedliche Demonstranten zeigen, dass Pakistan sich am Rande eines Abgrunds befindet.
Frau Kommissarin, die EU sollte jetzt die starke und einhellige Botschaft aussenden, dass sie keine Armee, sondern eine starke demokratische Kraft ist, die die Menschenrechte achtet und als solche das größte Hindernis für das Erstarken radikaler Gruppen bildet. Wir verstehen, dass das Land internen Bedrohungen für seine Sicherheit ausgesetzt ist und dass es eine Antwort darauf finden muss, aber Demokratie ist keine Bedrohung für die Sicherheit. Demokratie ist zudem genau die richtige Antwort im Kampf gegen die Talibanisierung. Die EU muss den Mut haben, sich zu äußern und zu sagen, dass wir den Aufbau einer stabilen und demokratischen Gesellschaft als entscheidend für unser Bündnis ansehen. Der erste Schritt für Pakistans Stabilität besteht darin, zu gewährleisten, dass der Oberste Gerichtshof unabhängig und in Frieden arbeiten kann. Dann gibt es im Januar Parlamentswahlen. Mit der Bereitstellung internationaler Hilfe für die Behörden bei der Untersuchung des Bombenattentats vom Oktober würden wir zeigen, dass wir sehr besorgt sind. Eine Gesellschaft, die zumindest offiziell verfassungsgemäß ist, die über lange demokratische Traditionen verfügt und deren Bürger aufrichtig den Wunsch nach Demokratie, Frieden und Stabilität hegen, wird nicht so leicht aufgeben. Daher ist Pakistan auch voller Hoffnung.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Die lange Erfahrung vieler Länder zeigt, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie der beste und effektivste Weg zur Vermeidung von Extremismus, Instabilität und Chaos sind. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist Präsident Musharrafs Entscheidung, den Ausnahmezustand zu verhängen, ein schwer wiegender Fehler und Fauxpas. Pakistan ist kein Land ohne demokratische Traditionen: Im Gegenteil, angesichts des mutigen und verantwortungsvollen Handelns pakistanischer Richter, Anwälte, Journalisten und anderer Vertreter von Nichtregierungsorganisationen besitzt die Zivilgesellschaft in Pakistan tiefe und feste Wurzeln. Diese Zivilgesellschaft braucht aber Unterstützung. Wir appellieren daher an Präsident Musharraf, den Ausnahmezustand aufzuheben, alle politischen Gefangenen freizulassen und alle verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten, einschließlich Bewegungs-, Rede-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, wiederherzustellen, so dass Anfang kommenden Jahres wirklich demokratische, freie und transparente Parlamentswahlen stattfinden können.
Neena Gill (PSE). – (EN) Herr Präsident! Die letzten zwei Wochen bestanden aus einer wilden Abfolge schockierender Ereignisse in einem stürmischen und unruhigen Land. Die Ausrufung des Kriegsrechts, hübsch getarnt als Ausnahmezustand, ist der hinterhältige Versuch eines einzelnen Mannes, Pakistan zu destabilisieren, um seine persönlichen Ambitionen durchzusetzen.
Präsident Musharraf rechtfertigt seine Handlungen als den Versuch, das Land vor dem Selbstmord zu bewahren. Allerdings begeht nicht das Land Selbstmord, sondern es sind die Handlungen und Maßnahmen eines Diktators, die das Land in den Tod treiben.
Es ist absolut inakzeptabel, die Oppositionsführerin Benazir Bhutto unter Hausarrest zu stellen, ihr jegliches politisches Engagement zu untersagen und auch andere Aktivisten, Medien und die unabhängige Justiz mundtot zu machen.
Obwohl ich einsehe, dass innerhalb des Landes tatsächlich von einer extremistischen Bedrohung auszugehen ist, denke ich, dass die Handlungen General Musharrafs die Extremisten nur weiter bestärken werden, statt sie zu vernichten, und dass stattdessen lediglich die demokratischen und gemäßigten Stimmen im Land geschwächt werden.
Viele gehen davon aus, dass Pakistan kurz vor dem Kollaps steht. Dies müssen wir mit aller Macht verhindern. Es herrscht Frustration und Wut unter den moderat eingestellten Bewohnern Pakistans, und sie sind von der ausweichenden Reaktion Europas enttäuscht.
Deshalb rufe ich die Kommissarin Benita Ferrero-Waldner und den Rat auf, einstimmig und klar eine Botschaft an den Präsidenten zu senden, dass mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen ist, wenn die Unterdrückung der Verfassung, der Politiker, der Medien und der Justiz nicht umgehend beendet wird.
Philip Claeys (NI). - (NL) Herr Präsident, praktisch alle meine Vorredner haben gesagt, die Ausrufung des Notstands in Pakistan und die Art und Weise, in der dies geschehen ist, sei nicht hinnehmbar. Es ist nicht hinnehmbar, dass Musharraf die Demokratie derart hochmütig missachtet.
Dieser Notzustand verschärft überdies ein schwerwiegendes Problem, denn in gewisser Hinsicht wird noch eine zweite Front eröffnet, die des islamischen Terrorismus.
Wie Sie wissen, gibt es bereits viel Kritik an Musharrafs Regime vorzubringen: seine Maßnahmen gegen die Taliban beispielsweise und die mit Al-Quaida verbundenen Gruppen, die an der Grenze zu Afghanistan operieren, zeigen keine Wirkung. Die Ausrufung des Notzustands hat die Tür für derartige Terrororganisationen geöffnet, und die Lage kann sich infolgedessen nur verschlechtern.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Europäischen Parlament dafür danken, dass diese Aussprache auf die Tagesordnung gesetzt wurde, die angesichts der Lage in Afghanistan und unserer Zusammenarbeit mit dem Land in einem solch wichtigen Kampf gegen Extremismus und Terrorismus in der Tat opportun ist.
Wir können und werden einem Land wie Pakistan nicht gleichgültig gegenüberstehen. Diese Aussprache zeigt ferner, dass die drei Organe, das Parlament, der Rat und die Kommission, dieselben grundlegenden und sofortigen Ziele verfolgen, d. h. die rasche und vollständige Wiederherstellung des Rechtsstaates und der demokratischen Freiheiten in Pakistan und die Durchführung freier und demokratischer Wahlen. Das ist das Ziel, das uns eint und an dem wir alle, insbesondere die drei Organe, in unseren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen arbeiten müssen.
Ferner möchte ich sagen, dass wir uns, wie die Frau Kommissarin gesagt hat, in unserer Tätigkeit als Ratspräsidentschaft auch bewusst sind, dass viele Maßnahmen, deren Folge eine mögliche Aussetzung der Zusammenarbeit sein könnte, von der eine ohnehin schon unter Mangel leidende Bevölkerung betroffen sein würde, sehr sorgfältig abgewogen und geprüft werden müssen. Die Menschen in Pakistan haben schon genug gelitten und dürfen nicht weiter leiden. Auch das ist eine Frage, die behutsam zu behandeln ist, sollte sie denn auf den Tisch kommen.
Wie dem auch sei, unsere Ziele sind nunmehr klar definiert und ich kann Ihnen versichern, dass die Präsidentschaft und der Rat alle Initiativen und Maßnahmen ergreifen werden, die als Reaktion auf die Entwicklung der Lage angemessen erscheinen.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Meines Erachtens zeigt sich sehr deutlich, dass die jüngsten Geschehnisse für uns alle nur sehr schwer nachvollziehbar sind. Die Lage ist ausgesprochen ernst. Wir alle sind besorgt, da die Verhängung des Ausnahmezustands die Stärkung der demokratischen Institutionen und die Schaffung eines umfassenderen demokratischen Prozesses sehr stark gefährdet. Daher sind die vollständige Wiederherstellung der bürgerlichen und politischen Rechte, die Wiedereinführung der Medienfreiheit und die umfangreiche Verbesserung der Rahmenregelungen und Bedingungen für die Wahlen außerordentlich wichtig. Stabilität und Entwicklung lassen sich nur über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erreichen.
Für uns stellt sich daher weiterhin die Frage nach einer Wahlbeobachtungsmission. Wie ich bereits sagte, könnten wir die Entsendung einer kleinen Beratergruppe ins Auge fassen, die den Prozess in der aktuellen Situation verfolgt. Wenn nicht, wie gesagt, muss der Ausnahmezustand sehr schnell aufgehoben und müssten die bürgerlichen Freiheiten wiederhergestellt werden.
Im Hinblick auf Finanzhilfen möchte ich noch sagen, dass wir diese für Pakistan bereits beträchtlich erhöht haben, insbesondere im Bereich Bildung und ländliche Entwicklung. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt uns daher nur, wie gesagt, abzuwarten, den richtigen Moment abzupassen und sehr sorgfältig abzuwägen. Natürlich dürfen wir nicht die mittellose Bevölkerung in Pakistan gefährden, aber wir müssen die Dinge auf die richtige Art und Weise angehen.
Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sieben Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 15. November 2007, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Pakistan ist ein außerordentlich wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus. Im Ergebnis dessen ist das Land großem innenpolitischem Druck und einer Bedrohung seiner Stabilität ausgesetzt. Präsident Musharraf reagierte auf diese Situation mit der Verhängung des Ausnahmezustands.
Er argumentierte damit, dass eine ungewöhnliche Situation ungewöhnliche Maßnahmen fordere. Seine Reaktion ist zum Teil nachvollziehbar, aber trotzdem gänzlich falsch. Antidemokratische Tendenzen müssen mit demokratischen Mitteln bekämpft werden. Er muss den Ausnahmezustand aufheben, und er muss einen Wahltermin sowie einen Zeitpunkt für seinen Rücktritt vom Amt des Oberbefehlshabers der Armee bekannt geben. Anschließend muss er eine offene und übergreifende Aussprache über die Zukunft Pakistans einfordern.
Ich bin davon überzeugt, dass eine solche Aussprache zeigen würde, dass die große Mehrheit des pakistanischen Volks gegen Extremismus und Fundamentalismus ist und sich ein Land wünscht, das in Frieden mit sich selbst, seinen Nachbarn und dem Rest der Welt lebt.
9. Strategie des Rates für die Konferenz von Bali zum Klimawandel (COP 13 und COP/MOP 3) (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über
- die mündliche Anfrage an den Rat über die Strategie des Rates für die Konferenz von Bali zum Klimawandel (COP 13 und COP/MOP 3) von Guido Sacconi im Namen des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel (O-0057/2007 – B6-0379/2007) und
- die mündliche Anfrage an die Kommission über die Strategie der Kommission für die Konferenz von Bali zum Klimawandel (COP 13 und COP/MOP 3) von Guido Sacconi im Namen des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel (O-0058/2007 – B6-0380/2007).
Guido Sacconi (PSE), Verfasser. – (IT) Herr Präsident, Herr Minister, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass ich Sie nicht auf die Wichtigkeit der Konferenz der Vertragsparteien auf Bali hinweisen muss, die unmittelbar bevorsteht. Wir haben Sie in diesem Zusammenhang um weitere Informationen zu Ihrer Strategie, zu der Linie gebeten, die Sie verfolgen wollen.
Als Europäische Union haben wir uns eigenständig zu einer außerordentlichen Anstrengung verpflichtet, wenn ich das so sagen darf, auch wenn wir wissen, dass dies nicht die endgültige Lösung ist. Unser gemeinsames Ziel ist es, die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Stand zu begrenzen. Wir sind uns völlig bewusst, dass dies ein sehr riskanter Schwellenwert ist, und einige Teile der Welt, einige Teile Europas, wie geplant, eine Politik der Anpassung vorsehen müssen. Doch wir wissen, dass, wollen wir dieses schwierige Ziel wirklich weiterverfolgen, ein neues internationales Abkommen absolut unverzichtbar ist.
Wie wir wissen, ist die Last der Verantwortung für die Europäische Union begrenzt (14 % der weltweiten Treibhausgasemissionen). Ein neues internationales Abkommen, das die Veränderungen, die seit Kyoto stattgefunden haben, insbesondere das außergewöhnliche und explodierende Wachstum der asiatischen Riesen, berücksichtigt: Bali ist in der Tat ein entscheidender Schritt in diese Richtung, und wenn es auch nicht der Ort sein wird, an dem eine Einigung zustande kommt, wird es doch der Ort sein, an dem Verhandlungen aufgenommen werden. Es wird daher für Bali sehr wichtig sein, ein deutliches Verhandlungsmandat mit genauen Fristen, in Hinblick auf einen Abschluss im Jahr 2009, vorzulegen.
In den letzten Monaten hat sich der internationale Kontext in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht verändert, von den Berichten des IPCC, dessen abschließende Zusammenfassung Ende dieser Woche veröffentlicht wird und in Valencia vorgelegt werden soll, bis zur Verleihung des Nobelpreises an Al Gore und die Wissenschaftler des IPCC. In den vergangenen Monaten gab es große Veränderungen, und wir können daher optimistisch sein, wenn wir auch kritisch und wachsam bleiben müssen.
Ich möchte daher den Sinn unseres Entschließungsantrags zusammenfassen, den wir ausgearbeitet haben, und der, dessen sind wir uns sicher, morgen mit großer Mehrheit in diesem Hohen Haus angenommen wird: Es ist ein Angebot, ein Angebot an die Verhandlungsführer, das ihnen helfen soll, beim Auftakt dieser Verhandlungen stärker aufzutreten. Ich möchte Frau Hassi danken, die mit den anderen Verfassern zu einer Synthese zu gelangen vermochte, um zu verhindern, dass das Ganze ein überladener Weihnachtsbaum wird. Der Schwerpunkt liegt auf den Verhandlungen, und in diesem Sinne legen wir Ihnen den Entschließungsantrag vor.
Satu Hassi (Verts/ALE), Verfasserin. – (FI) Herr Präsident! Ich danke den Schattenberichterstattern der Fraktionen für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bei den Verhandlungen zu dieser Entschließung. Der Klimawandel ist bereits im Gange, und er schreitet schneller voran als vorhergesagt. Ein dramatisches Anzeichen dafür war, dass Ende des letzten Sommers im Nordpolarmeer eine Fläche von einer Million Quadratmetern Eis geschmolzen ist, das ist ein Gebiet so groß wie Finnland, Schweden und Norwegen zusammen. Die Botschaft der Wissenschaftler in Bezug auf das Voranschreiten des Klimawandels und die dringende Notwendigkeit zum Abbau von Emissionen wird immer alarmierender. Dies spiegelt sich auch in den Vorabinformationen zur Tagung des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) in dieser Woche in Valencia wider.
Es ist wichtig, dass es keine Unterbrechung zwischen dem Kyoto-Protokoll und dem nächsten Klimaabkommen gibt. Aus diesem Grunde muss das Abkommen für die Zeit nach 2012 spätestens 2009 fertig sein. Auf Bali muss die EU alles in ihrer Macht Stehende tun, um ein Verhandlungsmandat mit dem Ziel zu bekommen, die globale Erwärmung unter zwei Grad zu halten. Die führende Rolle, die die EU übernommen hat, ist dafür von entscheidender Bedeutung. Mit unseren Maßnahmen zur Verringerung unserer eigenen Emissionen, aber auch durch die Koordinierung internationaler Verhandlungen, zeigen wir den Weg. Ausgesprochen wichtig ist es, dass alle industrialisierten Länder, einschließlich der Vereinigten Staaten, dabei mitmachen, obwohl selbst das nicht ausreichen wird, um das Klima zu retten. Genauso wichtig ist es, große Entwicklungsländer wie China und Indien dazu zu bringen, dass sie Grenzwerte in Bezug auf die Zunahme ihrer Emissionen akzeptieren. Das ist vielleicht die schwierigste Herausforderung in der Geschichte der internationalen Diplomatie. Wir müssen begreifen, dass, wenn China, Indien und andere Länder entsprechende Grenzwerte für ihre Emissionen anerkennen, dies eine große Veränderung in ihrer Denk- und Handlungsweise bedeuten würde. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir ihnen dafür etwas zurückgeben müssen. Mit anderen Worten, wir müssen auch Finanzhilfen für den Durchbruch hin zu sauberen, klimafreundlichen Technologien in diesen Ländern bereitstellen.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass nach der Einschätzung von Nicholas Stern jährlich ein Prozent des globalen BIP notwendig wäre, um das Klima zu schützen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Vereinigten Staaten 2 % ihres BIP in Form der Marshall-Plan-Hilfe zur Verfügung gestellt. Nach dem Krieg war es wichtig, den Wiederaufbau in Gang zu bringen, aber noch wichtiger ist es, eine vergleichbare Katastrophe als Folge des Klimawandels zu verhindern. Deshalb müssen wir auch bereit sein, für den Klimaschutz zu zahlen.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Die indonesische Insel Bali wird schon bald die Delegierten der 13. Konferenz der Teilnehmerstaaten des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über den Klimawandel begrüßen. Sie sind einmal mehr aufgefordert, ihre Erfahrungen und ihr Verhandlungsgeschick zu nutzen, um Geschichte zu schreiben.
Angesichts der ersten Kyoto-Phase von 2008 bis 2012 zeigen die besorgniserregenden wissenschaftlichen Daten, die mittlerweile zu den jüngsten Entwicklungen des Klimawandels vorliegen, wie wichtig es ist, eine kollektive und wirksame Antwort auf diese Herausforderung zu finden. Die Zukunft unseres Planeten steht auf dem Spiel. In diesem Zusammenhang ist Bali die letzte Gelegenheit, Verhandlungen über eine globale und umfassende Vereinbarung über eine Klimaschutzstrategie für die Zeit nach 2012 aufzunehmen. Wir sind uns der Schwierigkeiten dieses juristischen Verfahrens bewusst.
Die Europäische Union wird mit derselben Bestimmung nach Bali fahren, von der sie sich auch in den letzten fünfzehn Jahren leiten ließ, in denen sie in der internationalen Gemeinschaft ohne zu zögern und erkennbar die führende Rolle bei der Bewältigung dieser großen globalen Herausforderung übernommen hat. Das Hauptziel der Europäischen Union auf der Konferenz von Bali über den Klimawandel wird sich auf das Verfahren selbst beziehen, d. h. sicherzustellen, dass globale und umfassende Verhandlungen aufgenommen werden.
Ferner möchte ich Sie darüber informieren, dass die EU die folgenden Punkte für die Schaffung eines wirksamen und geeigneten Rahmens für die Zeit nach 2012 für wesentlich hält: Zunächst die weitere Entwicklung einer gemeinsamen Betrachtungsweise des Problems, um das Hauptziel der Konvention zu erreichen; zweitens, eine Vereinbarung über die Annahme strengerer Verpflichtungen durch die Industriestaaten zur Senkung der Emissionen; drittes, die Erleichterung der Bereitstellung neuer, gleichberechtigter und effektiver Beiträge anderer Länder, einschließlich der Anreize durch neue Arten flexibler Verpflichtungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen in Verbindung mit der wirtschaftlichen Entwicklung; viertens, die Erweiterung des CO2-Marktes, insbesondere die Stärkung innovativer und flexibler Mechanismen; fünftens, die Stärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Entwicklung, Ausbreitung, Prognose und Transparenz im Technologiesektor; und schließlich die Intensivierung der zu verabschiedenden Maßnahmen, insbesondere mit Blick auf Instrumente des Risikomanagements, der Finanzierung und der Technologie.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Zahlen sprechen für sich. Wir waren in Kyoto ganz vorn mit dabei, größere Verpflichtungen einzugehen, als von uns gefordert wurden, und heute haben die EU und ihre Mitgliedstaaten klar definierte, ambitionierte Ziele, mit denen wir uns bei der Bekämpfung des Klimawandels erneut an die vorderste Front stellen. Wie der amtierende Präsident des Europarates in New York betont hat, ist der Klimawandel nunmehr unbestreitbar eine der größten Herausforderungen, denen die Menschheit gegenübersteht. Er ist nicht mehr nur eine Theorie, sondern eine tatsächliche und weit verbreitete Sorge der Menschen überall auf der Welt.
Dies ist eine globale Herausforderung, für die es einer globalen Antwort bedarf, deren Wirksamkeit von den gemeinsamen Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft abhängt. Deshalb fordern wir, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um, wie ich sagte, unter dem Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über den Klimawandel, das die zentrale Referenz für alle in diesem Bereich zu ergreifenden Maßnahmen und Initiativen ist und weiterhin sein muss, eine globale, umfassende Vereinbarung auszuhandeln.
Aus diesem Grund ist es an der Zeit, dass andere Staaten sich ihrer Verantwortung stellen und eine reale und angemessene Rolle im globalen Kampf gegen den Klimawandel übernehmen. Ermutigt durch die Debatten der Staats- und Regierungschefs über Europa und die Globalisierung auf dem letzten informellen Gipfel in Lissabon, die klar gezeigt haben, dass der Klimawandel ein vorrangiges Thema der EU ist, und durch die Schlussfolgerungen der Vorbereitung von COP 23 des Umweltausschusses vom 30. Oktober, fahren wir nach Bali und leisten dort einen aktiven Beitrag, um ein Ergebnis zu erreichen, das zu einem konkreten, wahrnehmbaren Fortschritt des künftigen Klimaschutzes führen kann. Bali steht nicht für das Ende, sondern eher für den Beginn einer Reise, die „Road Map“, über die in den vergangenen Jahren so viel gesprochen wurde. Das ist eine komplexe und schwierige Herausforderung, aber eine, die wir bewältigen können und von der wir uns nicht abschrecken lassen. Die EU ist bereit, eine Führungsrolle zu spielen, denn das möchten unsere Bürger.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Herr Präsident! Danke, dass Sie uns heute die Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch über die Position der EU auf der am 3. Dezember beginnenden UNO-Konferenz in Bali gegeben haben.
Die Kommission und das Europäische Parlament haben einen ganz entscheidenden Beitrag zur Annahme einer ehrgeizigen europäischen Politik zur Bekämpfung des Klimawandels geleistet. Sie haben international eine führende Rolle übernommen und vertreten gegenüber unseren Hauptpartnern unter den Industrie- und Entwicklungsländern eine konstruktive Position. Ich freue mich darauf, diese enge und fruchtbare Zusammenarbeit in Bali fortzusetzen, wo das Parlament mit einer starken Delegation vertreten sein wird.
Die vom Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel eingereichte Anfrage betrifft die wichtigsten Fragen, mit denen wir uns in Bali befassen werden.
Eine Frage lautet, wie wir uns die Unterstützung unserer Hauptpartner sichern sollen, um Verhandlungen darüber aufzunehmen, eine internationale Vereinbarung mit dem Ziel abzuschließen, dafür zu sorgen, dass die Erderwärmung auf 2 °C beschränkt wird.
Die Konferenz von Bali wird zweifelsohne einen Meilenstein in der Geschichte der internationalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels bilden. In Bali wird zum ersten Mal die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft, politische Erklärungen in konkrete Taten umzusetzen, in der Praxis getestet werden.
Es gibt viele ermutigende Zeichen. Der Klimawandel spielt in der internationalen Politik nun eine absolut vorrangige Rolle; Staats- und Regierungschefs überall auf der Welt nehmen sich dieser Frage direkt an. Vor einem Monat ist von dem ersten Treffen seiner Art in New York, das von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einberufen wurde, eine sehr überzeugende Botschaft ausgegangen: Alle führenden Politiker überall auf der Welt erkennen nunmehr, dass angesichts des Klimawandels dringende und entschlossene Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft erforderlich sind.
Auf dem jüngsten Treffen in Bogor bestätigte sich auch, dass eine stetig steigende Anzahl von Ländern die Ansicht teilt, dass in Bali eine Vereinbarung über die Aufnahme offizieller Gespräche mit dem Ziel des Abschlusses eines Abkommens über den Klimawandel für den Zeitraum nach 2012 getroffen werden muss.
Die bisher stattgefundenen Gespräche haben ferner gezeigt, dass die Ansichten zu den wichtigsten Punkten, die in das Abkommen für die Zeit nach 2012 aufgenommen werden müssen, übereinstimmen. Natürlich würden einige Länder Cluster vorziehen (Reduktion, Anpassung, Technologie, Finanzierung), um die Eckpunkte des Abkommens von Bali zu erarbeiten. Diese Position teilt die EU.
Nichtsdestotrotz stimmt es, dass es der EU in großem Umfang gelungen ist, die Agenda für die Konferenz von Bali festzulegen. Die Klima- und Energiestrategie der EU, die der Europäische Rat im März 2007 auf der Grundlage eines entsprechenden Antrags der Kommission annahm, hat entschiedene Auswirkungen auf die Anliegen und die anspruchsvollen Zielvorgaben für die Konferenz von Bali sowie auf die Struktur für ein Abkommen über den Klimawandel für den Zeitraum nach 2012.
Die EU-Strategie war die Grundlage für eine Reihe multi- und bilateraler Gespräche. Am Ende dieses Monats wird die EU die Frage des Klimawandels auf den Gipfeltreffen EU-China und EU-Indien als eine vorrangige Frage besprechen. Unsere Partner in den Industrieländern müssen die von der EU vorgegebenen Ziele erfüllen, in diesem Sinne zusammenarbeiten und dabei immer auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse handeln.
Die Industrieländer müssen weiter die Führung übernehmen, indem sie ehrgeizige Verpflichtungen zur Senkung der Emissionen in absoluten Zahlen eingehen. Uns stehen die wirtschaftlichen und technologischen Instrumente zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen zur Verfügung. Wenn wir und andere Industrieländer nicht die ersten Schritte machen, wie können wir da erwarten, dass die sich schnell entwickelnden Schwellenländer handeln, vor allem, dass sie im erforderlichen Umfang Maßnahmen ergreifen?
Dennoch lassen die Prognosen für den Anstieg der Emissionen weltweit keinerlei Zweifel daran, dass die Entwicklungsländer einen Beitrag leisten müssen. Wir bitten sie gegenwärtig nicht darum, sich zur Senkung der Emissionen in absoluten Zahlen zu verpflichten. Allerdings müssen die Entwicklungsländer mit unserer Hilfe die Steigerungsrate ihrer Emissionen verlangsamen. Global gesehen können die CO2-Emissionen also, wenn wir dann eines Tages in den nächsten 10 bis 15 Jahren den Höhepunkt dieser Emissionen erreicht haben, in absoluten Zahlen zu sinken beginnen.
Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir den Anstieg der Durchschnittstemperatur der Erde in den Grenzen von 2 °C halten können. In diesem Zusammenhang müssen wir uns auf konkrete Vorschläge zur Stärkung der Finanzierung und der Investitionen in saubere Technologien und zum Transfer dieser Technologien in Entwicklungsländer konzentrieren.
Daher unterstützen wir die Initiative unserer indonesischen Gastgeber, die Finanzminister zu einem Treffen über Klimawandel und Finanzierung einzuladen, das während der Konferenz in Bali stattfinden soll.
Um ihre internationale Führungsrolle zu erhalten, muss die EU vor allem auf ihrem eigenen Gebiet Ergebnisse erzielen. Die Kommission wird zu Beginn des nächsten Jahres ein Maßnahmenpaket für die Bereiche Klima und Energie vorlegen und die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung unserer Ziele planen, d. h. eine einseitige Senkung der Emissionen um 20 Prozent oder, falls ein internationales Abkommen geschlossen wird, um 30 Prozent.
Dieses Maßnahmenpaket wird Vorschläge zur Verteilung der Aufgaben und Pflichten unter den Mitgliedstaaten enthalten, die das Ziel verfolgen, das Emissionshandelssystem zu verbessern und die Zielvorgaben für erneuerbare Energiequellen zu erreichen.
Auf Gemeinschaftsebene zu ergreifende Maßnahmen müssen bei der Senkung der Emissionen ebenfalls berücksichtigt werden. Ein solcher Bereich ist der bevorstehende Vorschlag über CO2 und Kraftfahrzeuge, wie er im Oktober in der Plenartagung des Europäischen Parlaments besprochen wurde.
Die Kommission wird ein rechtliches Regelwerk vorschlagen, mit dem bis 2012 das Gemeinschaftsziel von 120 g/km erreicht werden soll. Die Kommission wird ferner den rechtlichen Rahmen für die Abscheidung und Speicherung von CO2 unter Berücksichtigung der erforderlichen Garantien für den Umweltschutz präsentieren.
Wie der Präsident vorhin gesagt hat, ist Bali erst der Beginn des Verhandlungsprozesses. Für den Weg, den wir geplant haben, müssen wir nunmehr die größtmögliche internationale Unterstützung vorbereiten und sicherstellen.
Die EU wird ihre bilateralen Kontakte mit den wichtigsten Partnern intensivieren und die anstehenden Gipfeltreffen sowie alle wichtigen internationalen Begegnungen nutzen.
Wie ich bereits gesagt habe, gibt es, trotz ermutigender Zeichen auf internationaler Ebene, doch auch ernste Meinungsverschiedenheiten. Zum Beispiel herrscht Uneinigkeit darüber, wie der Klimawandel zu bekämpfen ist und insbesondere, wie die Ziele aussehen sollen. Die USA stellen sich weiterhin gegen verbindliche Zielvorgaben.
Solche Vorgaben sind aber von grundlegender Bedeutung, wenn wir die Wirksamkeit unserer Vereinbarung und die Stärkung des globalen CO2-Marktes sicherstellen wollen. Wir müssen weiterhin mit all jenen in den Vereinigten Staaten kooperieren, die auf der US-Bundesebene zu einem Meinungsumschwung beitragen können.
In den Vereinigten Staaten selbst wird bereits ein sehr lebhafter Dialog über die Frage der Bekämpfung des Klimawandels geführt. Im Vorfeld der Konferenz von Bali erreichen uns aus verschiedenen Teilen der Vereinigten Staaten klare Botschaften und Forderungen nach entschiedenen Maßnahmen.
Wir zählen bei der Verbreitung der ehrgeizigen Ziele der EU zum Klimawandel auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments mit seinen vielfältigen Kontakten zu Abgeordneten anderer Parlamente überall auf der Welt, zu Vertretern der Industrie und der Zivilgesellschaft.
Wir benötigen diese Unterstützung für unsere Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Klimawandels.
(Beifall)
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Eija-Riitta Korhola, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FI) Frau Präsidentin! Zunächst einmal meinen aufrichtigen Dank an Frau Hassi für die gute Zusammenarbeit bei dieser Entschließung. Ganz offensichtlich ist die bevorstehende Konferenz eine der wichtigsten, wenn nicht überhaupt die wichtigste Konferenz zum Klimawandel. Leider wurden auf den letzten fünf Konferenzen nicht sehr viele Fortschritte erzielt. Jetzt ist es aber an der Zeit, über konkrete Maßnahmen für die Zeit nach 2012 zu entscheiden.
Was allen früheren Konferenzen gemein war, war die Tatsache, dass der EU anstelle von Mitbringseln in Form echter Durchbrüche lediglich Komplimente dafür gemacht wurden, dass wir mit unseren einseitigen Maßnahmen und ökologischen Bestrebungen an vorderster Front stehen, und weiter ging's für ein weiteres Jahr. Das globale Klimaproblem erfordert dringend globale Maßnahmen, auch wenn es bislang schwierig zu sein scheint, diese zu erreichen. Beispielsweise gelang es vor einem Jahr in Nairobi nicht, ein Zeichen zu setzen, indem sich auch nur eines der wichtigen neuen Länder zum Abbau von Emissionen ab dem Jahr 2013 verpflichtet hätte. Wir mussten deshalb hoffen, dass die Verhandlungen außerhalb des Rahmens des Kyoto-Protokolls bei den weltweit vier größten Umweltverschmutzern, den Vereinigten Staaten, China, Indien und Russland, zu Ergebnissen in Bezug auf die Verringerung der Emissionen führen.
Möglicherweise ist der Gedanke der Solidarität die deutlichste Herausforderung für die Entwicklungsländer. Anfänglich konnte niemand ahnen, welche Ausmaße der Anstieg der Emissionen annehmen würde, und heute wird etwa die Hälfte aller Emissionen in den Entwicklungsländern, vor allem in China und in Indien, verursacht. Natürlich haben die Bürger ein Recht auf Wirtschaftswachstum, aber es ist im Interesse aller, dass dieses Wachstum so sauber wie möglich ist. Die Verhandlungssituation ist daher kompliziert, aber auch die Praxis ist es. Mag sein, dass es für die auf globalen Märkten tätigen Unternehmen verlockend ist, in Ländern zu investieren, in denen es weder vernünftige Umweltstandards noch Grenzwerte gibt. Gegenüber den Menschen in der Dritten Welt ist es jedoch alles andere als solidarisch, ihre Umwelt zu kontaminieren. Außerdem ist es etwas anderes, Emissionen zu verlagern, anstatt sie zu verringern. Das Ergebnis ist also, dass drei von vier Emissionen rasant ansteigen. Wie kommen wir aus dieser Situation heraus? Wird die Zeit ausreichen, um die Industrieproduktion von länderspezifischen Beschränkungen zu entkoppeln und stattdessen eine weltweite Regelung für den Industriesektor und eine internationale Kohlenstoffwirtschaft ins Leben zu rufen? Schwerpunkte sollten Energieeinsparungen und Ökoeffizienz sowie emissionsarme Technologien und deren Entwicklung sein.
Elisa Ferreira, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin Frau Hassi aufrichtig zu ihrem offenen Text und ihrer Fähigkeit, in dieser schwierigen Frage Verpflichtungen einzugehen, gratulieren.
Der zur Abstimmung vorliegende Text spiegelt die gemeinsamen Bemühungen der verschiedenen Fraktionen wieder, eine klare, effektive und ermutigende Botschaft nach Bali zu senden. Das ist die einzige Möglichkeit, die Bedingungen für das Erreichen dieses zentralen Ziels sicherzustellen, bei dem es darum geht, das Treffen von Bali zu einem Ausgangspunkt für alle globalen Partner zu machen, klare und quantitativ festgelegte Verpflichtungen für die Bekämpfung des Klimawandels bis 2009 einzugehen.
Jeder musste Opfer bringen und Anpassungen vornehmen. Das Ziel wird dann erreicht sein, wenn das Parlament diesem Text zugestimmt hat. Das wird dem Pioniergeist der EU im Bereich Umwelt und Klima in den Augen der Welt demokratische Legitimität verleihen. Dieser Pioniergeist hat allerdings zu weiteren Verantwortlichkeiten geführt, insbesondere mit Blick auf die Qualität der vorgelegten speziellen Vorschläge, die sowohl Senkungen als auch Anpassungen enthalten müssen. Dabei muss insbesondere berücksichtigt werden, dass die größten Anpassungskosten nun auf die ärmsten Regionen der Welt entfallen, die am wenigsten zu dem Problem beigetragen haben und am schlechtesten ausgestattet sind, um es zu lösen. Diese Vorschläge müssen sicherstellen, dass die verschiedenen internationalen Verantwortlichkeiten im Bereich der Senkung gerecht, verhältnismäßig und fair aufgeteilt werden.
Es wird erforderlich sein, Zusagen im Bereich der Umwelt an den Entwicklungsprozess, auf den die ärmsten Länder und Regionen einen Anspruch haben, anzupassen. Dazu gehört auch der Zugang zu normalen Lebensstandards und Komfort, ganz gleich, ob für weniger entwickelte Länder oder für die Bevölkerung der aufstrebenden Volkswirtschaften. Auch wenn der bahnbrechende europäische Ansatz eine Pflicht ist, muss er auch als eine Chance verstanden werden, umweltbezogene technologische und innovative vergleichbare Vorteile zu erzielen. Die werden sich allerdings nur dann einstellen, wenn Umweltbedenken und -verpflichtungen schrittweise zur Regel des Funktionierens der globalen Wirtschaft werden. Gelingt uns das nicht, werden die guten Praktiken der EU den Wettbewerb verzerren und die Bürger enttäuschen.
In diesem Kontext schlägt das Parlament im Hinblick auf die Schaffung von Benchmarks und international anerkannten guten Praktiken für alle Industrie- und Dienstleistungsbereiche, die am internationalen Wettbewerb teilnehmen, vor, einzelstaatliche Zusagen durch die Ausarbeitung globaler sektorübergreifender Verpflichtungen zu ergänzen. Das ist eine sehr ehrgeizige Agenda, aber die EU muss die Verantwortung übernehmen, die ihrer positiven Führungsrolle entspricht und für das Überleben des Planeten so wichtig ist.
Lena Ek, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin, Herr Minister, Herr Kommissar! Der Beginn der Verhandlungen im Dezember in Bali über das, was das neue Kyoto-Abkommen werden soll, ist natürlich außerordentlich wichtig. Das Parlament bereitet sich durch diese Aussprache und eine Entschließung vor, und auch der Rat hat sich mit einer Entschließung vorbereitet. Was uns meiner Meinung nach immer noch fehlt, ist eine deutlichere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Institutionen der EU. Hier hat die portugiesische Ratspräsidentschaft eine große Verantwortung. Die europäische Union muss in Bali mit einer Stimme sprechen.
Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, wie mit der Situation der Entwicklungsländer umgegangen werden soll und wie diese ihre wirtschaftliche Entwicklung mit umweltfreundlichen Technologien verbinden können. Dazu brauchen sie unsere Unterstützung, nicht nur schöne Worte, sondern auch Geld, die Entwicklung von Methoden und Zugang zu neuer Technik. Wir müssen unsere Anstrengungen auf verschiedene Politikbereiche konzentrieren und die Entwicklungshilfe dahingehend ändern, dass sie klimafreundlich wird.
Ein Teil der Lösung hängt auch mit einem zweiten Aspekt zusammen, den ich in dieser Aussprache anschneiden möchte, dem Wald. Gegenwärtig werden große Waldgebiete abgeholzt und wir alle wissen, was das für das Klima bedeutet. Aber das ist auch eine Katastrophe für die Menschen, die in diesen Gebieten leben und deren Lebensgrundlage verschwindet. Wir müssen eine Arbeitsmethode entwickeln, bei der wir Entwicklungsländer und ganz gewöhnliche Familien dafür bezahlen, dass sie Waldgebiete schützen und pflegen. Gerade die nachhaltige Produktion ist ungeheuer wichtig. Ein völlig unberührter Wald ist im Hinblick auf die biologische Vielfalt eine gute Sache, aber ein Wald der verrottet, setzt große Mengen Methangas frei. Was wir brauchen, ist ein wachsender Wald, bei dem das Endprodukt so behandelt wird, dass CO2 und andere Treibhausgase eingeschlossen werden.
Die Konferenz von Bali wird umfangreich, kompliziert und chaotisch werden. Das Beste was wir tun können, ist, uns gut vorzubereiten, damit der Verhandlungsbeginn positiv wird. Diese Aussprache ist ein ausgezeichnetes Instrument dafür, aber wir müssen uns auch gemeinsam mit unseren Freunden durch einen starken transatlantischen Dialog sowie einen Dialog mit China und Indien vorbereiten. Wir wissen, dass 25 Staaten 83 % der Treibhausgase ausstoßen, die wir stoppen müssen. Übrigens, Herr Kommissar und Herr Minister, ein echter Freund ist jemand, der fragt, wie es einem geht und stehen bleibt, um die Antwort zu hören.
Liam Aylward, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich schließe mich den Glückwünschen für Frau Hassi zur ihrer Arbeit und ihrem Beitrag zu dieser Aussprache an.
Ferner beglückwünsche ich Al Gore, den ehemaligen Vizepräsidenten der USA, dazu, dass ihm kürzlich der Nobelpreis für seine ausgezeichnete Arbeit verliehen wurde, mit der er auf die Dringlichkeit internationaler Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels hingewiesen hat.
Mit der Verleihung dieses Preises wird international anerkannt, dass der Klimawandel inzwischen auf der internationalen politischen Agenda ganz oben steht. Jetzt ist internationales Handeln gefragt, damit wir alle gemeinsam dafür sorgen können, dass der Kohlendioxidausstoß in naher Zukunft drastisch reduziert wird. Daher haben die Verpflichtungen der EU zu einer Senkung der Kohlenstoffemissionen bis 2020 um 20 % und bis 2050 um 50 % meine volle Unterstützung.
Bali bietet eine echte Chance zur Vereinbarung eines offiziellen Mandats und eines Rahmens, damit für die Zeit nach 2012 klare und feste internationale Verpflichtungen erzielt werden können.
In Bali sollten das Fundament gelegt und der Fahrplan auf der Basis folgender Elemente festgelegt werden: einer gemeinsamen Vision; fester Zusagen seitens der Industrieländer; der verstärkten Nutzung von Kohlenstoffmärkten; der Stärkung der Zusammenarbeit bei der technologischen Forschung und der Reduzierung der Entwaldung. Dabei dürfen wir auch nicht vergessen, dass die EU intern entsprechende Ergebnisse vorweisen und mit gutem Beispiel vorangehen muss.
Deshalb bin ich gespannt auf den Vorschlag, den Präsident Pöttering im Februar zu den Maßnahmen vorlegen wird, mit denen dieses Haus, das Europäische Parlament, einen Beitrag zur Reduzierung seines ökologischen Fußabdrucks leisten kann.
Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! In der Europäischen Union ist es ja inzwischen gang und gäbe geworden — wie die Ratspräsidentschaft das auch heute wieder vorgeführt hat —, von einer europäischen Führungsrolle im internationalen Klimaschutz zu sprechen. Wenn ich zurückdenke an den letzten März und die Gipfelbeschlüsse, bis 2020 20 % CO2-Reduktion, 20 % Effizienz, 20 % Energie aus erneuerbaren Quellen zu erreichen, dann klingt das auch nach Führungsrolle.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, das Energiepaket mit den Mitgliedstaaten so weit zu verhandeln, dass wir diese Gipfelbeschlüsse vor Bali in Brüssel auch untermauern können. Wenn dritte Staaten, mit denen wir in Bali verhandeln wollen, hinter die europäischen Kulissen kucken und sich ankucken, wie mühsam mit den Mitgliedstaaten über Energieeffizienz und erneuerbare Energien verhandelt werden muss, dann werden sie feststellen, dass das bisher ein einziges Trauerspiel ist. Ich glaube, dass das ein ganz schlechtes Vorzeichen ist, dass man weltweit große Taten fordert und zu Hause nur in Trippelschritten bereit ist voranzugehen. Das Problem ist ja nicht, dass wir die Technologien nicht hätten. Das Problem ist, dass wir uns politisch überhaupt noch nicht trauen, den Paradigmenwechsel, von dem im letzten März gesprochen worden ist, in der Energiepolitik, in der Ressourcenpolitik tatsächlich auch einzuleiten.
Ich muss Ihnen sagen, dass ich im letzten Plenum, als der Bericht Reul verabschiedet wurde, entsetzt war, dass da wieder nur von Kohle und von Atom als Antwort gesprochen worden ist, und ich schäme mich geradezu dafür, dass Europäer afrikanischen Ländern jetzt die Atomenergie als Lösung der Klimaprobleme anbieten. Ich glaube, einige Europäer müssen verrückt geworden sein.
Roberto Musacchio, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, der diesem Haus vorliegende Text ist das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit des Klima-Ausschusses. Dieser mit einem sehr wichtigen Mandat beauftragte Ad-hoc-Ausschuss hat umfassende Konsultationen und Beratungen durchgeführt und ein Instrument erarbeitet, das Europa nutzen kann, um auf der dreizehnten Konferenz der Vertragsparteien auf Bali eine wichtige Rolle zu spielen.
Der Kernpunkt der vorgeschlagenen Politik ist klar und schlüssig. Nötig ist ein politischer und multilateraler Ansatz, der sich auf die UNO stützt, und der den IPCC sowie wichtige Änderungen nicht nur in der Technik, sondern auch beim Sozialmodell berücksichtigt. Technologietransfers, Zusammenarbeit und ein neuer umwelt- und entwicklungspolitischer Ansatz sind notwendig. Der Vorschlag von 3,20 % der Kommission und des Rates ist in diesem Sinne nur ein Ausgangspunkt, wenn auch ein positiver. Unser Denkansatz muss breit angelegt und in die Zukunft gerichtet sein, und die Zukunft kann, offen gestanden, keine Rückkehr zu Techniken der Vergangenheit bedeuten, die alt, gefährlich und umstritten sind, wie die Kerntechnik.
Wir müssen auch anfangen, über innovative Vorschläge nachzudenken, die wir selbst in unserer parlamentarischen Aussprache vorgebracht haben, und die nun von Führungspersonen wie Bundeskanzlerin Merkel in verbindlicherer Weise aufgegriffen werden. Ich spreche von der Berechnung der Pro-Kopf-Emissionen, die wir gemeinsam mit Herrn Prodi vorgeschlagen haben, und die angesichts der derzeitigen Lage, bei der es eine Ungleichheit der Emissionen zu geben scheint, und in der diese Emissionen alle in einer auf Gleichheit beruhenden Weise gesenkt werden müssen, sehr wichtig ist.
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin, im Namen meines Kollegen Hans Blokland möchte ich folgende Erklärungen abgeben.
Zunächst einmal möchte ich Satu Hassi herzlich für all die wichtige Arbeit danken, die sie geleistet hat, um zu der uns nun vorlegenden Entschließung zu gelangen. Angesichts der bevorstehenden Klimakonferenz auf Bali kommt es darauf an, so konkret wie möglich auf den Standpunkt des Europäischen Parlaments zur Klimapolitik hinzuweisen, und Satu Hassi hat genau das getan.
Nun, da sich die Europäische Union stark auf die Klimapolitik konzentriert, ist es an der Zeit, dass sich die anderen Teile der Welt anschließen, auch die Länder, die das Kyoto-Abkommen noch nicht ratifiziert haben. Auf Bali sollte die Europäische Union ihre führende Position bekräftigen, nicht paternalistisch, sondern im Geist der Zusammenarbeit.
Ich betrachte die Konferenz auf Bali als eine perfekte Gelegenheit für uns alle, zusammenzukommen und zu erörtern, welche Maßnahmen für die Klimapolitik nach 2012 ergriffen werden müssen. Es sind gemeinsame Anstrengungen weltweit nötig, um die Qualität unserer Welt zu wahren und unsere Zukunft zu sichern.
Karl-Heinz Florenz (PPE-DE). - Frau Präsidentin, lieber Stavros Dimas! Herzlich willkommen in der Runde hier. Wir freuen uns darauf, mit Ihnen in Bali über den Weg, den Europa in der Klimapolitik gehen will, diskutieren zu können.
Ich denke, dass es eine gemeinsame Herausforderung ist, Klimapolitik zu betreiben. Das ist nicht nur etwas für verträumte Umweltleute, das ist nicht allein etwas für liberale Kaufleute, sondern wir müssen alle gemeinsam diese Herausforderung annehmen, und der Klimaausschuss ist auf dem Wege, das zu üben. Das ist noch nicht bei allen angekommen, aber immerhin sind wir auf einem guten Wege.
Bali ist ein Meilenstein, das ist keine Frage. Eine Lücke nach Bali – das würde heißen, eine Lücke nach Kyoto – wäre eine Katastrophe, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaftspolitik, denn ohne feste Daten kann sie nicht investieren. Es geht auch darum, wo wir im Moment stehen, und was wir tatsächlich in Bali anzubieten haben. Denn nur dann, wenn wir etwas anbieten können, können wir auch erwarten, dass andere Kontinente mit uns gehen, um mit uns gemeinsam das Problem zu lösen.
Deswegen ist es richtig, dass wir hier engagiert Angebote machen: drei mal zwanzig ist eine ganze Menge, und wir werden noch froh sein, wenn wir diese Ziele erreichen. Ich sehe da durchaus noch große Hindernisse, aber wir werden dorthin kommen. Ich glaube aber auch, dass wir, gerade weil wir mit gutem Beispiel vorangehen müssen, auch erreichen werden, dass wir eine europäische Umweltaußenpolitik bekommen, die auch darauf Einfluss nimmt, warum wir eigentlich diese riesengroßen Brände in der ganzen Welt haben, die mehr CO2 erzeugen als alle europäischen Kraftwerke zusammen.
Ich glaube, da muss Europa eingreifen, da sind wir auf einem guten Weg, und dann werden die Amerikaner aus dem Inneren der USA – nicht so unbedingt durch ihre Regierung – auf einen positiven Handlungszwang kommen. Genau da werden wir hinkommen. Ich sehe im Klimawandel ausschließlich eine riesengroße ökonomische Chance. Wenn wir sie nicht wahrnehmen, werden andere diese Chance wahrnehmen.
Riitta Myller (PSE). – (FI) Frau Präsidentin! Die Glaubwürdigkeit der Führungsrolle der Europäischen Union in der Klimapolitik steht im Dezember in Bali auf dem Prüfstand. Das Ergebnis muss ein globaler Wille in Form eines klaren Mandats zur Verhinderung der Erderwärmung um mehr als zwei Grad sein. Die Europäische Union hat bereits ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Um das Ziel erreichen zu können, wird jedoch das Engagement aller industrialisierten Länder, beispielsweise der Vereinigten Staaten und Australiens, für quantitative Begrenzungen der Emissionen notwendig sein.
Wir können uns eine Debatte, wie wir sie bislang geführt haben, nämlich, ob wir dieses Ziel durch die technologische Entwicklung oder durch die Festlegung verbindlicher Ziele erreichen wollen, nicht länger leisten. Wir brauchen beides. Nur verbindliche Ziele und entsprechend strengere Grenzwerte für Emissionen werden Unternehmen dazu bringen, dass sie auf sauberere und umweltfreundlichere Technologien umsteigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir, wie hier bereits gesagt wurde, wenn es darum geht, alle Parteien zur Annahme des Vertrags zu bewegen, solidarisch insbesondere mit den Entwicklungsländern, denen es am schlimmsten von uns allen geht, sein müssen. Wir brauchen allerdings auch eine klare Verhandlungsposition gegenüber Entwicklungsländern wie China und Indien in Bezug auf zukünftige quantitative Reduzierungen der Emissionen.
Noch einmal möchte ich all jenen danken, die seitens des Parlaments bei der Ausarbeitung dieser Entschließung mitgewirkt haben, vor allem Frau Hassi und den Verhandlungsführern der Fraktionen. Sie alle haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Vittorio Prodi (ALDE). - (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ein Willkommen an Kommissar Dimas, der auf Bali an vorderster Front stehen wird. Die Erwärmung der Erdatmosphäre ist ein dringendes, sehr ernstes und wirklich weltweites Problem, das einen globalen Konsens dringend erfordert. Daher ist es nötig, umgehend Vorschläge für die Kontrolle der Treibhausgasemissionen vorzulegen, die gerechter und akzeptabler sind als die des Kyoto-Protokolls, dessen Prinzip des grandfathering bedeutet „Wer am meisten zur Umweltverschmutzung beigetragen hat, kann dies auch weiterhin tun“. Das ist nicht hinnehmbar.
Aus diesem Grund glaube ich, dass wir einen kühneren Vorschlag vorlegen müssen. Ich habe einen Änderungsantrag eingereicht, wie bereits gesagt wurde, der mit dem Slogan „Eine Person, ein Emissionsrecht“ zusammengefasst werden kann. Dies wurde von dem deutschen Professor Lutz angeregt und auch von Bundeskanzlerin Merkel begrüßt.
Wenn jeder Person das gleiche Recht sich zu verhalten, der gleiche Zugang zu natürlichen Rohstoffen eingeräumt werden, ist es wichtig, dass das Parlament diesen Prozess unterstützt, der, aus Sicht des Emissionshandelsmechanismus, den Menschen in den Entwicklungsländern eine Menge an Ressourcen in einer Größenordnung bringen könnte, die größer ist als die der internationalen Zusammenarbeit, und auch leichter zu kontrollieren. Dies würde allerdings auch die notwendige Verpflichtung bedeuten, die Kohleablagerung, wie die tropischen Regenwälder, zu erhalten.
Das Prinzip der Gleichheit sollte eine Grundlage für eine allmähliche Verbesserung bieten, die von einer Basislinie ausgehen muss, wenn im Jahr 2050 zulässige Emissionswerte berechnet werden sollen. Daher muss das grandfathering schrittweise reduziert werden. Gerade, weil dies ein ernstes und dringliches Thema ist, müssen wir die Dinge in Gang setzen, damit das Endergebnis rasch erreicht werden kann.
Caroline Lucas (Verts/ALE). - (EN) Frau Präsidentin! Eine der besten Strategien, die die EU in Bali verfolgen kann, besteht darin, mit gutem Beispiel voranzugehen. Der erste Rechtsakt der neuen europäischen Klimagesetzgebung, über den seit der Ratstagung im März zu entscheiden sein wird, betrifft die Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem. Das Ergebnis dieses Prozesses ist von entscheidender Bedeutung, und zwar nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch wegen seiner Signalwirkung gegenüber den anderen Teilnehmern der Klimakonferenz in Bali, wird es doch deutlich machen, ob die EU ihre Verpflichtungen im Bereich Klimawandel wirklich ernst nimmt.
Bisher sieht es, offen gestanden, gar nicht gut aus. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission war hoffnungslos schwach, und die Tatsache, dass der Rat nicht in der Lage war, ein gemeinsames Mandat für eine Einigung in erster Lesung zu erzielen, sendet extrem negative Signale aus. Deshalb fordere ich sowohl den Rat als auch die Kommission dringend auf, ihren Einsatz erheblich zu erhöhen und keine Zeit mehr zu verlieren.
Der Erfolg von Bali wird auch hauptsächlich davon abhängen, ob sich das neue Abkommen auf Fairness gründen wird. Deshalb müssen die Vorschläge auf dem Grundsatz der Konvergenz hin zu gleichen Emissionsrechten pro Kopf beruhen, einem Ansatz, der als „Contraction and Convergence“ bezeichnet wird. Ich fordere die Kommission auf, diesem Ansatz zu folgen.
Abschließend würde ich davor warnen, sich allzu sehr auf Ausgleichsmechanismen für Kohlenstoffemissionen zu verlassen. Wie einer meiner Kollegen einmal recht eindrucksvoll feststellte, sind derartige Ausgleichsmechanismen in etwa so sinnvoll wie eine Antiraucher-Kampagne, bei der man jemanden in der Dritten Welt dafür bezahlt, dass er das Rauchen einstellt, während man selbst fröhlich weiterpafft. Das ist unverantwortlich und höchst unwirksam.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Aufgabe der Konferenz von Bali ist es, einen ehrgeizigen und realistischen Rahmen für den Zeitraum nach 2012 voranzubringen. Wir haben keine Zeit für weitere Verzögerungen. Der Erderwärmung muss umgehend und drastisch entgegengewirkt werden. Ökologie und Wirtschaft können und müssen im Einklang miteinander existieren.
Die daraus resultierenden Vorteile werden weit über den finanziellen Aufwand hinausgehen. Doch dazu bedarf es einer umfassenderen Vereinbarung mit besonderen Verpflichtungen zur Senkung der Emissionen, da hilft kein reines Wunschdenken. Wir müssen Verpflichtungen eingehen, um Emissionen aus dem internationalen Luft- und Seeverkehr zu bekämpfen. Treibhausgase müssen durch eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, eine Änderung der Produktionsnormen und des Verbrauchs und durch Bodennutzung abgeschieden bzw. aufgefangen werden.
Um das allerdings zu erreichen, muss die Kommission sich auf schon vergessene Ziele bezüglich der kräftigen Förderung erneuerbarer Energiequellen besinnen. Sie muss ihre ehrgeizigen Ziele voranbringen und einen stärkeren politischen Willen zeigen.
Das erwarten wir, Herr Dimas.
Romana Jordan Cizelj (PPE-DE). – (SL) Die Europäische Union ist weltweit führend bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Entwicklung neuer umweltfreundlicher Techniken. Doch wie lange noch? In vielen Ländern wächst das Bewusstsein, dass die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf die natürliche Umgebung verringert werden müssen. Daraus folgen Strategien, Pläne und Maßnahmen, auch in Ländern, in denen der Umweltschutz noch vor kurzem keine Priorität hatte.
Nehmen wir das Beispiel China. Vor kurzem weilte eine Delegation des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel in diesem Land, um sich mit der dortigen Lage vertraut zu machen. Obwohl China gemäß dem Kyoto-Protokoll als Entwicklungsland seine Treibhausgasemissionen nicht verringern muss, wird es sich des Problems der Erwärmung der Erdatmosphäre bewusst und hat bereits begonnen, Maßnahmen zu ergreifen. Es hat ein nationales Programm zum Klimawandel beschlossen, in dem es sich unter Anderem zahlreiche ehrgeizige Ziele gesetzt hat.
All dies zeigt, dass wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen dürfen, wenn Europa weiterhin international Einfluss ausüben will. Ich fordere die Delegation auf Bali daher auf, den Standpunkt Europas bei der Bekämpfung der Erderwärmung entsprechend und mit einer Stimme dazulegen. Meines Erachtens ist eine ausreichende Verringerung der Erwärmung nur möglich, wenn es uns gelingt, einen internationalen CO2-Markt aufzubauen. Der Preis, das heißt Geld, ist ein äußerst effizienter Mechanismus, um in einer humanen Gesellschaft Ziele durchzusetzen.
Bei dem Versuch, eine Einigung über globale Maßnahmen zu erreichen, dürfen wir nicht vergessen, unsere eigenen Ziele umzusetzen. Wir müssen unsere eigene Politik ständig weiterentwickeln und weiterhin in den Bereichen Energie, Verkehr und anderen, die auch Treibhausgasemissionen verursachen, Innovationen einführen. Nur durch eine effiziente und erfolgreiche Umsetzung zu Hause werden wir in unseren Verhandlungen und in der Zusammenarbeit mit Drittstaaten erfolgreich sein.
Ich hoffe, dass der Besuch der Delegation auf Bali erfolgreich sein und die in unserer Entschließung zum Ausdruck gebrachten Standpunkte erfolgreich vertreten wird.
Dorette Corbey (PSE). - (NL) Frau Präsidentin, im nächsten Monat muss die Europäische Union auf Bali ihr ganzes politisches Gewicht geltend machen, damit die Konferenz ein Erfolg wird. Dazu brauchen wir unbedingt die Unterstützung der Entwicklungsländer und auch die von Ländern wie China und Indien. Bisher haben diese Länder nur sehr wenig zum Klimawandel beigetragen, aber sie sind stark von seinen Auswirkungen betroffen. Europa muss diesen Ländern Hilfe anbieten und auf sie zugehen, damit sie sich an den Klimawandel anpassen können, und wir müssen in den Technologietransfer investieren.
Ich bin optimistisch, dass wir 2009 zur Sache kommen und ein gutes Abkommen schließen können, das auch die Vereinigten Staaten unterzeichnen können. Doch wenn der Rest der Welt Europa nicht folgt und verbindlichen Zielen zustimmt, brauchen wir einen Plan B und sogar einen Plan C.
Plan B würde darin bestehen, weltweite Ziele für eine Senkung in allen Industriesektoren aufzustellen. Wenn dies nicht funktioniert, würde Plan C vorsehen, Einfuhrzölle für Erzeugnisse aus Ländern festzulegen, die sich weigern, die Klimapolitik umzusetzen.
Die vorgeschlagene Entschließung ist gut und verdient unsere uneingeschränkte Unterstützung. Meinen Glückwunsch an Satu Hassi und die Schattenberichterstatter.
David Hammerstein (Verts/ALE). – (ES) Frau Präsidentin! Vorgeschlagen worden ist ein durchschnittlicher Pro-Kopf-Emissionswert für alle; Sie müssen sich aber im Klaren darüber sein, dass das, was sozial gerecht sein mag, am Ende ökologisch unmöglich sein könnte.
Länder wie China und Indien müssen in die Umweltziele einbezogen werden, es muss Gerechtigkeit hergestellt werden. Der umweltpolitische Annäherungsprozess zwischen dem Norden und dem Süden muss sich jedoch rasch und auf einem sehr niedrigen Emissionsniveau vollziehen, wenn er ein effektives Instrument und nicht nur Blendwerk sein soll.
Gleichzeitig sollten wir steuerliche und handelspolitische Maßnahmen in Betracht ziehen, um den Handel mit sehr umweltschädlichen Produkten sowie den Handel mit Produkten, bei deren Herstellung schmutzige Technologien eingesetzt wurden, einzudämmen.
Ein solcher äußerer Klimaschutz könnte eine Antwort der Europäischen Union auf die zunehmende Emissionsintensität unserer Produkte, die aus den Ländern des Südens stammen, sein, und wir könnten diese Einnahmen sammeln, um sie anschließend in saubere Technologien im Süden zu investieren.
Jens Holm (GUE/NGL). – (SV) Wir werden demnächst beschließen, wie wir die globale Erwärmung nach 2012 bekämpfen werden, wenn das Kyoto-Abkommen ausläuft.
Unsere Ausgangslage ist sehr gut. Was wir brauchen, sind Reduzierungen von bis zu 80 % bis 2050, Unterstützung für die Entwicklungsländer zur Reduzierung ihrer Emissionen, Maßnahmen gegen die fast ein Fünftel der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachende Fleischindustrie, flexiblere Patentgesetze, die die Verbreitung grüner Technologien erleichtern, die Zertifizierung von Biokraftstoffen, um zu verhindern, dass diese mit der Lebensmittelversorgung in Konflikt geraten, sowie die Erhaltung der Wälder auf der Erde. Das alles ist, wie gesagt, wunderbar.
Was fehlt und was wir in der Zukunft brauchen, sind Maßnahmen gegen die ständig wachsenden Verkehrsströme in der EU, gegen die Subventionen der EU sowie dagegen, dass beim Erlassen und Umsetzen von Gesetzen meistens dem Markt Priorität eingeräumt wird.
Es wurden elf Änderungsanträge eingereicht, von denen die meisten meiner Ansicht nach gut sind und die Hauptrichtung der Entschließung verstärken, dass die reiche Welt die Verantwortung für den Klimawandel trägt und daher die Führung bei einer radikalen Emissionsreduzierung übernehmen muss.
Beunruhigt bin ich über Änderungsantrag 7, dem zufolge die Kernenergie zur Bekämpfung des Treibhauseffektes eingesetzt werden soll. Wir dürfen ein Umweltproblem nicht durch neue Probleme ersetzen.
Anders Wijkman (PPE-DE). – (SV) Frau Präsidentin! Es ist jetzt fast 15 Jahre her, dass auf dem Umweltgipfel von Rio die UN-Klimakonvention unterzeichnet wurde, und dennoch ist es eine Tatsache, dass die Treibhausgasemissionen heute schneller denn je ansteigen. Das zeigt, wie unzureichend die internationale Zusammenarbeit bisher war.
Die EU muss durch Maßnahmen in ihrem eigenen Haus auch weiterhin eine führende Rolle spielen. Diese sollten von strengeren Auflagen für die Autos von morgen bis hin zu einer stärkeren Unterstützung alternativer Energiequellen reichen. Aber innergemeinschaftliche Maßnahmen sind allein nicht ausreichend. Kollege Florenz fragte, was wir der übrigen Welt anzubieten haben. Das ist eine gute Frage. Ich glaube, wir haben drei Dinge anzubieten. Erstens saubere umweltfreundliche Technik für alle Entwicklungsländer, die sich in der Phase der Modernisierung befinden, nicht zuletzt China und Indien. Diese Länder haben natürlich ein Recht auf ihre Entwicklung, müssen doch aber nicht unsere Fehler wiederholen. Der Bereitstellung von Unterstützung in den Bereichen Technik und Wissen muss im EU-Haushalt Vorrang eingeräumt werden. Davon profitieren diese Länder, aber auch wir selbst.
Ebenso wichtig ist es, dass wir unserer historischen Verantwortung gerecht werden und allen armen Ländern, die in hohem Maße von Stürmen, Überschwemmungen und ausgedehnten Dürren betroffen sein werden, Unterstützung für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel gewähren. Die bisher in verschiedenen Anpassungsfonds zur Verfügung gestellten Mittel sowie die kürzlich ins Leben gerufene Initiative „Klima-Allianz“ der Kommission sind dafür nicht ausreichend. Sie sind lächerlich klein, denn der Bedarf ist hundertmal größer.
Drittens müssen wir, wie die Kollegin Ek betont hat, der Rolle der Wälder Beachtung schenken, nicht zuletzt der tropischen Wälder. Wir müssen den Waldbesitzern Anreize dafür geben, den Wald nicht abzuholzen, sondern zu erhalten.
Die Klimapolitik steht und fällt nicht mit Bali, aber ein Erfolg in Bali wird natürlich die Chancen verbessern, 2009 ein Schlussabkommen zu unterzeichnen. Ich gehe davon aus, dass die Kommission und der Rat auf das Parlament hören werden, um das zu erreichen, insbesondere was die Notwendigkeit betrifft, wesentlich mehr in Bezug auf die technische Zusammenarbeit, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sowie die Waldfragen zu tun.
Matthias Groote (PSE). - Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Beim Frühjahrsgipfel haben die Staats- und Regierungschefs gute Entscheidungen getroffen, was die Bekämpfung des Klimawandels angeht. Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs sieht vor, dass bis zum Jahr 2020 die Treibhausgase um 20 % gegenüber dem Jahr 1990 in Europa gesenkt werden. Beim Frühjahrsgipfel wurde außerdem vereinbart, dass das Reduktionsziel auf 30 % erhöht wird, wenn andere Industrienationen zu sich einer Reduktion von Treibhausgasen verpflichten. Die EU sollte daher alles tun, damit andere Industrienationen ermutigt werden, beim Post-Kyoto-Abkommen mitzumachen.
Ich möchte noch einen speziellen Punkt ansprechen, und zwar den Verkehrssektor. Wichtig wird nämlich sein, dass es uns gelingt, den Verkehrssektor in das Kyoto-Folgeabkommen zu integrieren. Allein in Europa ist der Verkehr für 21 % der Treibhausgase verantwortlich. Speziell der grenzüberschreitende Flugverkehr wurde beim Kyoto-Abkommen nicht integriert, weil die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO zugesichert hat, dass man ein globales System schaffen will. Dieses Versprechen wurde seit 1997 nicht eingelöst, und wir warten leider immer noch darauf, dass der Flugverkehr ins Abkommen integriert wird, und ich würde mir wünschen, dass dieses in Bali auf den Weg gebracht wird.
Herbert Reul (PPE-DE). - Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ein großes Klimaproblem. Das wird von keinem geleugnet. Aber es geht in der politischen Auseinandersetzung darum, wie wir bei der Frage der Lösung damit umgehen. Ich muss sagen, dass wir bei dem vorliegenden Bericht große Probleme mit der Art und Weise haben, wie mit dem Problem umgegangen wird.
Probleme löst man nicht dadurch, dass man Untergangsszenarien beschreibt und von Verletzung von Menschenrechten spricht, eine Sprache wählt, die eher abschreckt, als dass sie Lösungen anbietet. Es muss darum gehen, dass man nüchtern, sachlich, unterschiedliche Argumente gewichtend nach Lösungen sucht. Insofern finde ich es bedauerlich, dass wir in der Frage der Ursachen von Klimaentwicklung und -veränderungen nicht die Bereitschaft hatten, auch unterschiedliche Einschätzungen zuzulassen. Ich bin dafür, auch ehrgeizige Ziele zu benennen, aber man muss auch schauen, dass sie realisierbar sind. Ansonsten wird die Politik am Ende wirkungslos sein.
Es kann auch nicht sein, dass man Tabus errichtet und sagt: Das Thema Kohle und Weiterentwicklung oder das Thema Kernenergie darf man gar nicht diskutieren, sondern die einzige Antwort ist erneuerbare Energie. Damit wird man dem Problem überhaupt nicht gerecht. Es braucht eine umfassende Debatte, die alle Aspekte ausführlich behandelt und die offen ist für verschiedene Instrumente, offen ist für verschiedene Hinweise.
Ich finde, es gehört zum Beispiel auch dazu, dass wir bedenken, welche Wirkungen wir mit welchen Mitteln erreichen können. Wie erreichen wir die höchste Wirkung? Es gehört dazu, auch die Kosten in Abwägung zu ziehen. Es gehört für mich dazu, nicht nur die Methode von staatlichen politischen Beschlüssen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern zu überlegen, wie mir ein paar Kollegen gesagt haben: Wie kann man Technologieentwicklung vorantreiben und stützen? Es macht für mich keinen Sinn, auf der einen Seite hier die Debatte von heute zu haben und auf der anderen Seite dann zwei, drei Stunden oder zwei, drei Tage später am selben Ort über Lissabon-Strategien und ähnliches zu diskutieren. Das muss zusammengebracht werden, wenn man Klimawandel bekämpfen will, wenn man Folgen mildern will.
Ich bin der Auffassung, dass die kritischen Anmerkungen, die wir auch in den Beratungen vorgetragen haben, nur eine begrenzte Chance hatten. Ich wünsche mir, dass wir bei dem nächsten, bei dem ausführlichen Bericht des Klimaausschusses eine Chance bekommen, etwas differenzierter zu argumentieren.
Karin Scheele (PSE). - Frau Präsidentin! Ich möchte mich den vielen Glückwünschen an die Berichterstatterin für diesen guten, sachlich vorgetragenen Bericht anschließen, der auch eine gute Mehrheit im Klimawandel-Ausschuss bekommen hat. Es ist klar, dass wir uns Ergebnisse und ein klares Bali-Mandat erwarten. Dazu gehört eine gemeinsame und differenzierte Verantwortung der Industrieländer, der Schwellenländer und der Entwicklungsstaaten.
Aus dieser Entschließung geht auch klar hervor, dass wir bis 2009 Ergebnisse erwarten. Und da müssen wir als Europäisches Parlament auch bei den Rechtsakten, die wir beschließen werden — es wurde heute schon genannt: Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel, aber auch bei CO2-Emissionen für Kraftfahrzeuge —, ganz klare politische Botschaften an die übrige Welt, an die anderen Kontinente senden. Das wird eine wesentliche Voraussetzung sein, um alle Länder mit an Bord zu bekommen.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Kommissar! Gestatten Sie mir zunächst, Ihnen zu Ihren Bemühungen in dieser wichtigen internationalen Frage des Klimawandels zu gratulieren.
Herr Präsident, die Bekämpfung des Klimawandels sollte zur Schaffung eines neuen Entwicklungsmodells anregen. Mit diesem Modell werden die bestehenden Strategien für den Umweltschutz neu definiert, indem wirtschaftliche Tätigkeiten mit der Achtung natürlicher Ressourcen und mit sozialem Wohlergehen verknüpft werden.
Die EU sollte dabei eine Führungsrolle spielen und gewährleisten, dass die Verhandlungen nicht in einer Erweiterung der flexiblen Mechanismen des Protokolls von Kyoto enden. Das Ziel in Bali muss ein umweltrelevantes Abkommen sein. Im Rahmen des Abkommens müssen ferner die Möglichkeiten der technologischen Innovation, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt werden.
Beispielsweise wäre der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Weltwirtschaft durch Kopplung der Kohlenstoffmärkte an die Emissionshandelssysteme ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Konferenz von Bali sollte eine Gelegenheit sein, um einen umfassenden Vorschlag mit verbindlichen, langfristigen Zielen für die Zeit nach 2012 vorzulegen.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Wir führen unbestritten eine Aussprache von großer Bedeutung, wie wir sie hier, im Europäischen Parlament, regelmäßig führen. Die Frage des Klimawandels und der Vorbereitungen der Europäischen Union auf die Konferenz von Bali ist in diesen monatlichen Sitzungen, an denen ich teilgenommen habe, immer wieder aufgeworfen worden. Das ist ein deutliches Zeichen für die Bedeutung, die ihr das Parlament zu Recht beimisst. Erst heute Morgen stand der Klimawandel im Zusammenhang mit unserer Aussprache über die Globalisierung erneut auf der Tagesordnung.
In meiner Eröffnungsrede habe ich mich auf die sechs grundlegenden Ziele bezogen, mit denen die Europäische Union nach Bali reisen wird. Das sind klar definierte Ziele, von denen ich annehme, dass sie verstanden und allesamt befürwortet werden. Unser Bestreben wird es natürlich sein, sie alle zu erreichen. Allerdings habe ich auch ganz klar gesagt, dass dies ein schwieriger, komplexer und politisch sensibler Prozess ist, wir aber unser Bestes geben werden, um zu einem Abschluss zu kommen.
Einige Kolleginnen und Kollegen haben die Frage aufgeworfen, dass die EU in diesem Prozess möglicherweise nicht, wie sie häufig behauptet, die Führungsrolle gespielt hat. Ich kann diese Auffassung nicht teilen, denn wenn es einen Zusammenschluss, eine Organisation oder eine Einheit gibt, die buchstäblich gezeigt hat, dass sie ehrgeizige Ziele verfolgt, weiter gehen möchte und sich wirklich um ein Problem sorgt, das unsere Bürger berührt, dann ist das die Europäische Union. Wir haben unsere eigenen Ziele zur Senkung der Emissionen festgelegt, die nirgendwo auf der Welt ebenso hoch gesteckt sein können und sind, und wir haben bedeutende Schritte zur Einsparung von Energie, zur Investition in erneuerbare Energien usw. getan. Deshalb müssen wir auf unsere Bemühungen und unsere Arbeit stolz sein und sie nicht herunterspielen.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich die Empfehlungen und Vorschläge der Entschließung von Frau Hassis zur Kenntnis genommen habe. Einige dieser Vorschläge hat Frau Ferreira bereits angesprochen, und der Rat wird die Empfehlungen mit Sicherheit berücksichtigen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Rednern der heutigen Aussprache für ihre positiven Beiträge bedanken.
Es bildet sich ein dahingehender Konsens heraus, dass globale Anstrengungen erforderlich sind, um den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen, und dass in Bali der Prozess und der Inhalt des Klimaabkommens für die Zeit nach 2012 vorgezeichnet werden müssen.
Die Europäische Union wird ihre bilateralen Kontakte mit den wichtigsten Partnern intensivieren, um sich Unterstützung für dieses Herangehen zu sichern. Wir müssen aber auch über Bali hinausblicken. Wir dürfen nicht vergessen, dass Bali erst den Anfang eines Verhandlungsprozesses bildet. Entscheidend ist natürlich, dass wir dafür sorgen, dass in Bali die richtige Richtung eingeschlagen wird. Aber wir müssen uns intensiver darum bemühen, in den kommenden Monaten und Jahren mit allen unseren Partnern gemeinsame Standpunkte und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
Der Gipfel EU-China, der Gipfel EU-Indien wie auch der EU-Asien-Gipfel, die alle im November stattfinden, sind die nächsten Schritte auf dem Weg zu mehr Konvergenz und zu neuen politischen Impulsen für ein internationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012.
Was die USA und Kanada betrifft, so müssen die Kontakte mit der Regierung unbedingt fortgesetzt werden, aber es sollte nicht nur bei diesen Kontakten bleiben. Die internationale Partnerschaft der Kohlenstoffmärkte (ICAP) mit US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen, die ich im Namen der Europäischen Union am 29. Oktober in Lissabon unterzeichnet habe, vereint Partner, die sich aktiv um die Schaffung von Kohlenstoffmärkten mittels verbindlicher Obergrenzen und Handelssysteme bemüht.
Ich schaue der Fortsetzung dieser Diskussionen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Vorfeld von Bali mit Interesse entgegen und danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung.
Ich möchte betonen, dass es ohne die kontinuierliche Unterstützung durch das Europäische Parlament nicht zu dem Energie- und Klimawandelpaket vor einigen Monaten gekommen wäre, und ohne Ihre Unterstützung haben wir keine Aussicht auf ein besseres Ergebnis in Bali. Bitte kommen Sie mit ehrgeizigen Zielsetzungen nach Bali und versuchen Sie, uns nach besten Kräften zu unterstützen.
Die Präsidentin. - Zum Abschluss dieser Aussprache habe ich gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung einen Entschließungsantrag(1) im Namen des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel erhalten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am morgigen Donnerstag statt.
10. Stärkung der europäischen Nachbarschaftspolitik – Lage in Georgien (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
– den Bericht von Raimon Obiols i Germà und Charles Tannock im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Stärkung der europäischen Nachbarschaftspolitik (2007/2088(INI)) und
– die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Georgien.
Raimon Obiols i Germà (PSE), Berichterstatter. – Frau Präsidentin! Ich habe die Rolle des Ko-Berichterstatters von unserem Kollegen Beglitis geerbt, der jetzt Mitglied des griechischen Parlaments ist, und ich hatte etwas Bange, muss aber nun sagen, dass ich mit dem erreichten Ergebnis sehr zufrieden bin. Zum einen wegen der guten Arbeitsbeziehung mit meinem Ko-Berichterstatter, Herrn Tannock, zum anderen weil ich die Gelegenheit hatte, mit einer Gruppe äußerst kompetenter Assistenten und Beamten zusammenzuarbeiten, und schließlich weil bei der Erstellung dieses Berichts ein hochgradiger Konsens erreicht werden konnte.
Die meisten Änderungsanträge, die ebenfalls mit einer Art Einigungsgeist eingereicht wurden, konnten angenommen werden, und das Ergebnis ist nach meinem Dafürhalten zufriedenstellend.
Der Bericht unterstützt das Dokument der Kommission vom Dezember 2006 über die Bewertung und die weitere Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik, und angesichts des erreichten Konsenses können wir jetzt sagen, dass das Parlament und die Kommission dieselbe Vision teilen, den Gedanken, dass der europäische Kontinent und der Mittelmeerraum miteinander verflochtene Realitäten sind, die nicht isoliert betrachtet werden dürfen, und dass die Nachbarschaftspolitik sowohl neue Kanäle für Beziehungen und zur Zusammenarbeit mit Gesellschaften, die sich gemeinsamen Herausforderungen und Problemen gegenübersehen, als auch große Chancen für den gemeinsamen Fortschritt bietet.
Der Bericht veranschaulicht eine Reihe von Aspekten, die die Europäische Nachbarschaftspolitik so stark und ehrgeizig wie möglich machen sollen. Fünf davon will ich kurz umreißen:
Erstens den Grundsatz eines breit angelegten Politikentwurfs innerhalb eines Rahmens der Differenzierung, den Grundsatz der Differenzierung, so dass die Europäische Nachbarschaftspolitik nicht als standardisierte mechanische Routine aufgefasst wird, sondern als Instrument, mit dessen Hilfe die Europäische Union die Beziehungen mit ihren Nachbarn organisieren kann und das ihr die notwendige Flexibilität ermöglicht, um erfolgreich auf unterschiedliche Situationen zu reagieren.
Zweitens die Idee eines Gleichgewichts zwischen den Ländern des Ostens und den Ländern des Südens. Wir dürfen keine Seite zum Nachteil der anderen bevorzugen, sondern müssen stets ein absolut ausgeglichenes Herangehen vertreten.
Drittens die Idee, die Struktur der Europa-Mittelmeer-Politik mit Hilfe der Nachbarschaftspolitik zu stärken, wobei es sich um den Aspekt dieses Berichts handelt, den ich am detailliertesten bearbeitet habe. Es geht nicht darum, Maßnahmen aufzudrücken und ein raffiniertes, hochkompliziertes Gebäude zu errichten, sondern darum, Synergien zu schaffen, so dass die Europäische Nachbarschaftspolitik zur Stärkung der allgemeinen Struktur der Politik der Partnerschaft oder der Europa-Mittelmeer-Assoziation beitragen kann.
Viertens die Idee eines Übergangs von der Kooperation hin zur Integration in allen Bereichen, in denen dies möglich ist. Das würde bedeuten, dass diejenigen Bereiche, die dazu bereit sind, in den kommenden Jahren Politikfelder gemeinsam zu bearbeiten, um die Entwicklung von Annäherungen und Synergien in Schlüsselsektoren wie Energie, Verkehrsnetze, interkultureller Dialog, Umwelt oder Bildung zu unterstützen.
Und schließlich der Gedanke, nicht nur die Regierungspolitik oder die parlamentarischen Institutionen, sondern – im Rahmen des Möglichen – so viele andere aktive Bereiche der beteiligten Zivilgesellschaften wie nur irgend möglich einzubeziehen.
Vor diesem Hintergrund muss sich die Europäische Nachbarschaftspolitik auch dem Grundproblem der Kommunikation und der Wahrnehmbarkeit stellen. Ich würde sagen, der Darstellung der gesamteuropäischen Politik im Verhältnis zu seinen Nachbarn.
Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Europäische Nachbarschaftspolitik derzeit mit dem von Herrn Sarkozy eingebrachten Vorschlag einer Mittelmeerunion ihrer ersten Bewährungsprobe bezüglich Wahrnehmbarkeit und Darstellung gegenübersieht. Wir haben gestern die Rede des französischen Präsidenten gehört, und meiner Meinung nach hat er dabei einige sehr positive Nuancen einfließen lassen, indem er betonte, dass sein Vorschlag einer Mittelmeerunion erstens niemanden ausschließt, dass er zweitens dem Acquis der Europa-Mittelmeer-Politik hinzuzufügen ist und dass er drittens versuchen muss, darüber hinauszugehen.
Ich kann diesem Gedanken des Versuchs, die allgemeine politische und institutionelle Struktur der Europäischen Nachbarschaftspolitik, insbesondere im Hinblick auf den Mittelmeerraum, zu vereinfachen, nur zustimmen.
Charles Tannock (PPE-DE), Berichterstatter. – (EN) Frau Präsidentin! Auch ich möchte mich sowohl bei Herrn Beglitis, der jetzt Abgeordneter des griechischen Parlaments ist, als auch bei seinem Nachfolger, Herrn Obiols i Germà, für die ausgezeichnete parteiübergreifende Zusammenarbeit und den Konsens bedanken, den sie als Ko-Berichterstatter dieses außerordentlich wichtigen Berichts schließlich erzielen konnten.
Es liegt auf der Hand, dass jeder gute Nachbarn braucht. In einer ungewissen und sich ständig verändernden Welt muss Europa gute und intensive Beziehungen zu den Ländern an seiner Peripherie entwickeln, die auf Sicherheit und Stabilität beruhen und für alle Beteiligten von Nutzen sind. Bisher hat sich die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) als wertvolles Instrument in diesem Prozess bewährt und einen Freundeskreis geschaffen, der auf eine Verbesserung des Handels, von Reisemöglichkeiten und der politischen Zusammenarbeit insbesondere gegen Terrorismus und Menschenhandel abzielt. Doch am allerwichtigsten sind die gemeinsamen Werte, wobei unser Schwerpunkt auf der Stärkung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte liegt.
An die Adresse der Kommissarin muss ich feststellen, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik etwas hastig entwickelt wurde. Einige würden argumentieren, dass eine pauschale Regelung für alle südlichen Euromed- und osteuropäischen Länder sowie die südkaukasischen Nachbarn keine dauerhafte Lösung für die Außenpolitik der Europäischen Union sein kann. Dennoch akzeptieren wir in unserem Bericht, dass diese einheitliche Politik auf absehbare Zeit Bestand haben wird, und das Parlament wird seinen Beitrag zu dieser Politik in ihrer jetzigen Form leisten.
Trotzdem ist die Republik Moldau nicht dasselbe wie Marokko. Die zur südlichen Dimension gehörenden Länder sind nicht europäisch und haben auch keine reale Aussicht auf EU-Mitgliedschaft. Im Osten, auf den sich mein Teil des Berichts erstreckt, gibt es mindestens zwei Länder – die Ukraine und die Republik Moldau –, die meines Erachtens gemäß Artikel 49 des Maastrichter Vertrags das Recht auf einen EU-Beitritt haben, da sie ihrem Wesen nach zweifelsfrei europäisch sind.
Bereiche wie Visumerleichterungen, Rückübernahme und ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU nach dem WTO-Beitritt der Ukraine – der, wie wir hoffen, im nächsten Jahr erfolgen wird – kommen im Falle der Ukraine gut voran, und ich hoffe, dass diese Bereiche auf die Republik Moldau und zum gegebenen Zeitpunkt schließlich auf die Staaten des Südkaukasus ausgeweitet werden können.
Meines Erachtens muss das Ziel der ENP in Bezug auf den Osten letztlich der visafreie Reiseverkehr sein.
Die ENP wird generell dazu beitragen, den Wunsch dieser Länder nach fester Verankerung in den Institutionen der EU zu vertiefen. Im Falle der Republik Moldau könnte sich die ENP als wichtiger Anstoß für eine Lösung der schwelenden Konflikte in Transnistrien erweisen. Diese osteuropäischen ENP-Länder brauchen allerdings die verbindliche Zusicherung seitens des Rates und der Kommission, dass die Aussicht auf einen EU-Beitritt besteht und dass die ENP nicht nur eine Verzögerungstaktik darstellt, um die Beitrittsbemühungen dieser Länder zu hintertreiben.
Der Bericht verweist auf das Leiden der Menschen in Belarus sowie den Mut der demokratischen Kräfte des Landes. Sobald das Lukaschenko-Regime zerbröckelt, sollten wir bereit sein, Belarus wieder in die ENP aufzunehmen und auch diesem Land eine europäische Perspektive zu bieten.
Der Bericht schlägt die Einsetzung einer gemeinsamen parlamentarischen Versammlung des Europäischen Parlaments und der östlichen ENP-Länder mit der vorläufigen Bezeichnung EURO-NEST vor. Dabei stützt er sich auf den Erfolg ähnlicher Mechanismen wie der Parlamentarischen Versammlung Euromed, die ihre Arbeit bereits aufgenommen hat und praktisch die südliche Dimension der parlamentarischen Zusammenarbeit im Rahmen der ENP darstellt. Als Vorbild dienen ferner der Barcelona-Prozess und die berühmtere Paritätische Versammlung AKP-EU. Ich bin der festen Überzeugung, dass EURO-NEST zur Stärkung der demokratischen Institutionen in den östlichen ENP-Ländern beitragen würde. Sie würde zu einer beschleunigten Beendigung der Isolation von Belarus beitragen und beispielsweise Parlamentariern aus Aserbaidschan und Armenien die Möglichkeit geben, Gespräche über den potenziell explosiven schwelenden Konflikt in Berg-Karabach zu führen, wo angesichts der großen Mengen an Petrodollars, die in die Kassen der aserbaidschanischen Regierung fließen, und der Hetze auf beiden Seiten die Gefahr eines erneuten Kriegsausbruchs besteht.
Außerdem ist die EU inzwischen viel zu abhängig von russischen Energieressourcen, sodass wir uns alle darin einig sind, dass wir alternative Quellen erschließen müssen. Als unser Bericht den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten durchlief, wurde deshalb vorgeschlagen, Kasachstan eines Tages gegebenenfalls in die ENP einzubeziehen. Jetzt muss ich allerdings mit Bedauern feststellen, dass dieser Vorschlag von den großen Fraktionen nicht mehr unterstützt wird, so dass er bei der morgigen Abstimmung möglicherweise gestrichen werden wird. Wir hätten über diesen Prozess Zugang zu den enormen Naturressourcen Kasachstans erlangt, während die EU dieses geografisch riesige säkulare und strategisch wichtige Land bei der Fortsetzung seiner Reformen unterstützen könnte. Sollte eines Tages eine stärkere Annäherung Kasachstans an Russland und China stattfinden, und ich bin davon überzeugt, dass das die Absicht dieser beiden Mächte ist, dann werden wir den Tag bereuen, an dem wir den übereilten Beschluss gefasst haben, Kasachstan auf Abstand zu halten.
VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte Ihnen besonders dafür danken, dass Sie so viel Zeit, Arbeit, Mühe und Enthusiasmus in die Entwicklung und Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik gesteckt haben. Ich erkenne all das Engagement, die Arbeit und Mühe an und kann Ihnen dazu nur gratulieren.
Meine Damen und Herren, die Europäische Nachbarschaftspolitik, die ich im Folgenden einfach als ENP bezeichnen werde, ist eine wesentliche Politik der EU.
Die ENP ist ein grundlegendes Element der Architektur der Beziehungen zwischen der Union und den sie umgebenden Staaten. Stabilität, Sicherheit und Entwicklung stehen in enger Verbindung zueinander. Es gilt, die Beziehungen zwischen der Union und ihren Nachbarn zu stärken, und zwar sowohl im Osten als auch im Süden, damit die ENP einen globalen, einzigen, umfassenden, ausgewogenen und kohärenten politischen Rahmen bieten kann. Trotz des besonderen Charakters und der Einzigartigkeit eines jeden Landes und einer jeden Gesellschaft gibt es gemeinsame Interessen und Herausforderungen, die wir zusammen angehen müssen.
Dass wir die ENP stärken, das steht vor allem für die Leistungen dieser Politik. Wir befassen uns nur mit der Stärkung und Vertiefung von erfolgreichen Politiken. Wir erkennen allerdings auch an, dass wir die ENP weiter stärken und ausbauen müssen. Seit die Kommission Ende letzten Jahres ihre Vorschläge vorgelegt hat, sind die Mitgliedstaaten zu einem breiten Konsens über das Erfordernis, die ENP zu stärken, und über die dafür erforderlichen Maßnahmen gelangt. In diesem Zusammenhang möchte ich den beiden Berichterstattern, Herrn Tannock und Herrn Obiols i Germà, im Namen des Rates für ihren hervorragenden und umfassenden Bericht danken.
Die Auffassungen des Parlaments sind besonders wichtig und wertvoll, und zwar vor allem für die Umsetzung der gestärkten Europäischen Nachbarschaftspolitik, und sie werden bei unserem weiteren Vorgehen Berücksichtigung finden. Wie Ihnen bekannt ist, hat die deutsche Ratspräsidentschaft einen Zwischenbericht über die Stärkung der ENP vorgelegt, den der Rat und die Tagung des Europäischen Rates im vergangenen Juni befürwortet haben. Die Ratstagung im Juni hat ferner Schlussfolgerungen angenommen, die die wesentlichen Grundsätze der ENP bekräftigen. Erstens festigt die ENP eine auf Partnerschaft und Kooperation basierende Strategie. Unser Ziel ist es, unseren Nachbarn bei der Modernisierung und bei Reformen zu helfen. Zu diesem Zweck und um sicherzustellen, dass die gestärkte ENP wirksam ist, müssen alle beteiligten Länder sie mit Blick auf die Umsetzung der erforderlichen Reformen als Teil einer privilegierten Partnerschaft verfolgen. Die Vorgabe eines Reformkalenders durch Brüssel ist sicherlich nicht der beste Weg, die Ziele zu erreichen. Deshalb haben wir uns genau angehört, was die Partnerländer von der gestärkten ENP erwarten.
Zweitens handelt es sich um einen einzigen, allumfassenden, ausgewogenen und kohärenten politischen Rahmen. Die Mitgliedstaaten stimmen darin überein, dass das Angebot gestärkter Beziehungen für alle Partnerländer gilt und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen dem Osten und dem Süden beibehalten werden sollte.
Drittens sind die leistungsbezogene Differenzierung und maßgeschneiderte Unterstützung nach wie vor entscheidend für die Beziehungen der EU zu den Nachbarländern. Der politische Rahmen der ENP muss natürlich ausreichend flexibel bleiben, um die Bedürfnisse eines jeden Partners und das Ausmaß, zu dem sie tatsächlich und sichtbar bereit sind, Fortschritte bei Reformen zu machen und diese auch machen, berücksichtigen zu können. Aus diesem Grund sollte die Unterstützung seitens der EU noch stärker auf die Bedürfnisse der Partner und ihre Prioritäten zugeschnitten werden, wie es in den ENP-Aktionsplänen vorgesehen ist.
Die ENP bleibt getrennt von der Frage der Erweiterung und greift in keiner Weise den künftigen Entwicklungen der Beziehungen der Partnerländer zur EU vor. Mit der Teilnahme an der ENP selbst kann ein einzelstaatlicher Transformationsprozess im Interesse der Bürger unserer Partner und unabhängig von der Aussicht auf einen Beitritt zur EU unterstützt werden. Aus diesem Grund müssen wir vorsichtig vorgehen und dürfen nicht zwei völlig unterschiedliche Dinge miteinander vermischen.
Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union sieht vor, dass ein europäischer Staat, der die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten befolgt, sich um die Aufnahme in die Union bewerben kann. Ein Antrag auf Mitgliedschaft in der EU wird in Übereinstimmung mit den Vertragsbestimmungen geprüft.
Ich möchte mich nun der Stärkung der ENP zuwenden. Wie Ihnen bekannt ist, besteht einer der wesentlichen Aspekte der gestärkten ENP darin, das finanzielle Gewicht der EU bestmöglich zu nutzen. Die Aufstockung der Mittel für Partner im Rahmen des neuen Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments ist bereits ein Zeichen für das verstärkte Engagement der Union. Um weitere Reformen anzuregen, wurde eine Governance-Fazilität geschaffen, die auf objektiven und transparenten Zuweisungskriterien beruht. Die Finanzierung über diese Fazilität wird in diesem Herbst anlaufen. Die Arbeit an der ENP-Investitionsfazilität, die die Wirkung der Beiträge aus dem Haushalt der EU verbessern und zu einer Mobilisierung beträchtlicher Mittel aus Geberquellen beitragen soll, geht ebenfalls voran. Dieser neue Mechanismus wird mit bereits vorhandenen Finanzierungsinstrumenten, insbesondere mit der Investitions- und Partnerschaftsfazilität Europa-Mittelmeer, vollständig kompatibel sein.
Um weiter zu ordnungspolitischen und administrativen Reformen und dem Aufbau von Institutionen zu ermutigen, wollen wir die ENP-Länder mit einem schrittweisen Konzept an Einrichtungen und Programmen der Gemeinschaft beteiligen. In diesem Bereich konnten bereits einige Fortschritte erzielt werden. Die Kommission handelt derzeit die erforderlichen Protokolle über die allgemeinen Grundsätze zur Teilnahme an diesen neuen Gemeinschaftsprogrammen mit der ersten Gruppe von ENP-Partnern aus. Israel, Marokko und die Ukraine sind wahrscheinlich die ersten Länder, die von dieser Maßnahme profitieren werden.
Schließen möchte ich mit einigen Anmerkungen zu den Komponenten, die unseres Erachtens den Kern der gestärkten ENP bilden. Eine der wesentlichsten Komponenten bildet dabei die zunehmende wirtschaftliche Integration, die insbesondere durch die schrittweise Vereinbarung umfassender Freihandelsabkommen zu erzielen ist. Der Aufnahme von Verhandlungen über solche Abkommen muss allerdings der Beitritt der Partnerländer zur WTO vorausgehen.
Ferner muss unbedingt die Mobilität einiger Personengruppen zwischen den Partnerländern und der EU erleichtert werden. Wir haben als ein deutliches und greifbares Zeichen für die Offenheit der Union gegenüber ihren Nachbarn und im Einklang mit dem gemeinsamen Konzept für Visaerleichterungen verschiedene Visa- und Rückübernahmeabkommen mit der Ukraine und der Republik Moldau abgeschlossen. Für einige Personengruppen aus Osteuropa werden wir weitere Visaerleichterungen in Betracht ziehen, sodass sie an ENP-bezogenen Veranstaltungen teilnehmen können, wobei wir auf entsprechenden seit 2003 für Bürgergruppen aus den Euro-Med-Ländern geltenden Maßnahmen aufbauen.
Abschließend möchte ich auf die Zusage aufmerksam machen, die wir unlängst in Bezug auf das Schwarze Meer und die Länder in der Region abgegeben haben. Die Schwarzmeersynergie-Initiative zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Region zu stärken und deren Beziehungen mit der EU auf allen Ebenen zu vertiefen. Allgemein liegt die Europäische Nachbarschaftspolitik im Interesse sowohl der Union als auch der Partnerländer. Es ist jetzt an der Zeit, sie zu einer attraktiveren, wirksameren und glaubwürdigeren Politik zu entwickeln, die Sicherheit und Wohlstand für alle garantiert.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Die Europäische Nachbarschaftspolitik, deren Intensivierung wir heute diskutieren, ist für mich eine strategische Schlüsselpolitik, und ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei den beiden Berichterstattern für diesen wirklich wichtigen Bericht, der uns auch Rückenwind gibt, um in dieser Politik weiterzugehen.
Mit dieser Nachbarschaftspolitik wollen wir ja unsere Stabilität ausstrahlen, Reformen anstoßen. Und angesichts der internationalen Herausforderungen, vor denen Europa steht, ist dieser Erfolg der Politik entscheidend nicht nur für unseren Wohlstand, sondern auch für den Wohlstand, die Stabilität und die Sicherheit sowohl von uns als auch unserer Nachbarstaaten. Das ist sozusagen die Idee.
Ich danke auch sehr für die wesentlichen Elemente, die herausgearbeitet wurden. Es ist eine differenzierte Politik, es ist eine Politik, die einen kohärenten Politikrahmen haben muss, es ist eine Politik, die tatsächlich auch Synergien im Rahmen einer regionalen Struktur schaffen will – das ist die Schwarzmeersynergie auf der einen Seite und die Euromed-Partnerschaft auf der anderen Seite. Es ist eine Politik, die sich zu bestimmten Sektoren bekennt. Die Nachbarschaftspolitik umzusetzen und weiter zu vertiefen, ist daher eine absolute Priorität. Ich bedanke mich daher für die Unterstützung des Parlaments, die essenziell ist.
Die Resultate der großen Konferenz der Nachbarschaftspolitik vom 3. September zeigen, dass unsere Partner und unsere Mitgliedstaaten auch diesen Prioritätensetzungen inzwischen durchaus zustimmen. Die Konferenz war ein echter Erfolg, denn sie brachte zum ersten Mal alle ENP-Partner und alle Mitgliedstaaten zusammen, aber natürlich auch Vertreter der verschiedenen Autoritäten und der Zivilgesellschaft. Das zeigte einen klaren Konsens zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Nachbarschaftspolitik, von der wirtschaftlichen Integration bis zur erhöhten Mobilität, von der Energiepolitik bis zur politischen Kooperation.
Gerade auch im Bereich der politischen Zusammenarbeit kann das Parlament eine große und wichtige Rolle spielen, und Sie sind natürlich auch ein Katalysator für die demokratische Entwicklung, für die Menschenrechte, für die Reformen in Richtung Rechtsstaatlichkeit, die wir hier natürlich als ganz wesentlich ansehen und die ein Kompass dieser Nachbarschaftspolitik sind. Die Nachbarschaftspolitik bringt auch bereits klare Resultate. Man denke etwa daran, wie sehr wir die Zusammenarbeit mit der Ukraine im Rahmen dieser Politik seit der Orangenen Revolution intensiviert haben. Dass die Ukraine nun zum zweiten Mal freie und faire Wahlen abgehalten hat, ist zweifellos ein Erfolg. Ich hoffe, dass die politischen Entscheidungsträger in Kiew jetzt auch den Schwung der letzten Wochen mitnehmen.
Wir werden weiter mit Ihnen auch an der Umsetzung von wichtigen Reformen arbeiten, mit Hilfe des substanziellen Aktionsplans zur Nachbarschaftspolitik. Auch die Verhandlungen über ein erweitertes Abkommen schreiten voran, das das Land ja so nahe wie möglich an die Europäische Union heranführen soll.
Wir werden auch weiterhin natürlich den Beitritt der Ukraine zur WTO unterstützen, damit wir eine umfassende Freihandelszone errichten können, und wir haben bereits – wie Sie wissen – Visaerleichterungsabkommen mit der Ukraine erreicht und hoffen, dass dies auch bald mit der Republik Moldau möglich ist – immer gekoppelt auch mit einer Rückübernahme.
Auch Marokko ist ein enthusiastischer Nutznießer dieser Nachbarschaftspolitik und setzt diese Politik geschickt als Modernisierungsmotor ein, und das ist genau das, was wir eigentlich erreichen wollen. Marokkos Fortschritte auf der Basis seines detaillierten internen Reformprogramms haben wir sehr klar gewürdigt, und auch das neue Flugübereinkommen sowie die enge Energiekooperation mit der EU sind z. B. gute Modelle funktionierender Zusammenarbeit.
Gerade letzte Woche war ich zu Gesprächen in Rabat und habe dort auch den Reflexionsprozess vorangetrieben, den wir seit Juli in Richtung eines avancierten Status im Rahmen der Nachbarschaftspolitik führen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres entsprechende Vorschläge zu einer neuen, auch avancierten Form der Assoziierung präsentieren können.
Die Nachbarschaftspolitik funktioniert also, aber wir müssen natürlich weiter gehen in unseren Bemühungen, sie noch besser, noch effektiver, noch umfassender zu machen. Im letzten Dezember hat hier die Kommission die Vorschläge zur Stärkung der Politik festgelegt, die unser Ratspräsident bereits vorgetragen hat. Wir haben, glaube ich, sehr wichtige Schritte gesetzt. So fehlte der östlichen Nachbarschaft eben diese regionale Dimension. Und wir haben jetzt auch hier wieder mit einem maßgeschneiderten Prozess für den Osten diese Schwarzmeersynergie lanciert. Sie gibt dem Osten, was der Süden bereits seit langem mit der Euromed-Partnerschaft besitzt, und das erste Treffen in diesem Zusammenhang wird im Jahre 2008 stattfinden.
Wir haben auch bei der Öffnung von Gemeinschaftsprogrammen und Agenturen für unsere Nachbarn bereits Fortschritte gemacht. Auch verleihen wir in diesem Jahr wieder die ersten Prämien aus der neuen Governance Facility, womit wir beweisen, dass wir jenen Partnern eben mehr bieten können und wollen, die wirklich Reformeifer an den Tag legen.
Und noch vor Ende des Jahres werden wir auch den Nachbarschaftsinvestitionsfonds einrichten. Er soll dabei helfen, Gelder für die Nachbarschaftspolitik über unser normales Budget hinaus zu mobilisieren, um vor allem die großen Projekte finanzieren zu können, wie z. B. den Energie- oder den Verkehrssektor.
Ich glaube schon, dass wir sagen können, wir haben einiges erreicht, aber wir brauchen jetzt Ihre weitere Unterstützung und auch die der Mitgliedstaaten, um weitere Verbesserungen, weitere Stufen durchsetzen zu können. Ich denke hier vor allem an die engere wirtschaftliche Integration und auch an den vertieften Freihandel mit unseren Partnern. Deren Einbindung in den EU-Binnenmarkt ist ja ein ganz enormer Reformhebel. Wir müssen daher unseren Markt auch schrittweise öffnen, auch für so genannte sensible landwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen, bei denen unsere Partner auch gewisse Wettbewerbsvorteile haben, d. h., wir müssen auch an uns selbst die Frage stellen: Sind wir dazu bereit?
Ich denke zweitens auch an die Maßnahmen zur weiteren Visaerleichterung, die dringend notwendig sind, um Kontakte zwischen den Menschen über Grenzen hinweg zu erleichtern. Sie sind oft bereits im Rahmen bestehender Regelungen machbar, sofern auch der politische Wille vorhanden ist, diese Möglichkeiten zu nutzen, und wir müssen die politische Dimension der Nachbarschaftspolitik weiter ausbauen. Das heißt, wir sehen in unserer Nachbarschaft im Osten eingefrorene Konflikte, die eben den Reformfortschritt unserer Partner schwer behindern und unsere eigene Sicherheit zum Teil bedrohen.
Daher sollte die Nachbarschaftspolitik einen positiven Beitrag dazu liefern, das richtige Klima zu schaffen, um Lösungen z. B. der Konflikte im Südkaukasus herbeizuführen.
Ich werde mich selbstverständlich auch weiterhin im Mittelmeerraum, vor allem mit den Quartettpartnern, für Fortschritte im Nahen Osten einsetzen, und ich hoffe doch sehr, dass das Treffen in Annapolis und im Anschluss die Geberkonferenz von Paris zustande kommen, um hier echte, weitere Fortschritte zu erzielen.
Auch stehen wir bereit, den Konfliktpartnern in der Westsahara bei der Suche nach einer langfristigen Lösung zu helfen. In der kommenden Periode liegt der Fokus bei der Nachbarschaftspolitik klar auf der konkreten Umsetzung. Wir müssen alle zusammen helfen, um die bestehende Reformdynamik bei unseren Partnern aufrechtzuerhalten und zu vertiefen.
Im nächsten Monat wird die Kommission eine weitere Mitteilung zur Nachbarschaftspolitik beschließen, in der wir die Schritte der EU skizzieren werden, die notwendig sind, um auch 2008 greifbare Resultate zu liefern, also unsere eigenen Schritte. Im April werden wir dann Länderberichte vorstellen, in denen wir analysieren werden, wo unsere Nachbarn die Umsetzung der Aktionspläne noch weiter verbessern können.
Anfang Dezember werden noch einige Grundsatzfragen anzuschneiden sein; so ist sich die Kommission zum Beispiel der verschiedenen Kapazitäten und Ziele der einzelnen Nachbarn bewusst. Aber wie gesagt, mit diesem differenzierten Ansatz können wir hier einiges zustande bringen.
Ein anderer wichtiger Punkt scheint mir die Ownership zu sein und die lokale Möglichkeit, dieses Konzept umzusetzen, sowie eine noch stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft, wo wir noch viel mehr tun können.
Ich möchte nicht verabsäumen, noch einige Worte zu den Ereignissen in Georgien zu sagen, die ja miteinander diskutiert werden. Ich möchte nur hinzufügen, dass wir über die jüngsten Entwicklungen in Georgien sehr besorgt sind. Wir bedauern den exzessiven Einsatz staatlicher Gewalt seitens der georgischen Sicherheitskräfte bei der Niederschlagung der Demonstrationen und bei der Schließung unabhängiger Fernsehstationen.
Wir brauchen, glaube ich, eine unabhängige Untersuchung zu diesen Vorfällen. Wir sind ebenso weiterhin besorgt über den andauernden Ausnahmezustand und die Beschränkungen der Medienfreiheit, denn verfassungsmäßige Rechte zu beschneiden und die Medien zu schließen, sind sehr harte Maßnahmen, die nicht im Einklang mit jenen demokratischen Werten stehen, die an der Basis unseres bilateralen Verhältnisses mit Georgien stehen und zu deren Einhaltung sich Georgien verpflichtet hat. Wir erwarten daher die baldige Aufhebung dieser Maßnahmen.
Ich begrüße andererseits die Entscheidung von Präsident Saakaschwili, Präsidentschaftswahlen und eine Volksbefragung zum Datum der Parlamentswahlen anzusetzen und auf diese Weise den Hauptforderungen der Opposition zu entsprechen. Ich hoffe, dass das dazu beitragen wird, Spannungen zu entschärfen, und ich rufe alle Beteiligten auf, die politischen Auseinandersetzungen im Rahmen des normalen demokratischen Prozesses zu halten und von der Straße an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Wir brauchen die richtigen Bedingungen für einen fairen und transparenten Wahlprozess.
Ich wollte das hinzufügen; entschuldigen Sie, dass ich etwas länger war als gewöhnlich, aber ich glaube, nachdem ich nach dem Satz „auch die Politik ist für Dich selber“ eine besondere Verantwortung trage, werden Sie verstehen, dass hier mein Herz ganz besonders dafür schlägt.
Tunne Kelam (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. – (EN) Herr Präsident! Der Ausschuss für regionale Entwicklung sieht in einer gestärkten Europäischen Nachbarschaftspolitik in allererster Linie ein Schlüsselinstrument, das der Annäherung unserer Nachbarn an das europäische Wertesystem dient. Eine effiziente und offene ENP kann eine Vielzahl von Anreizen zur Förderung der wirtschaftlichen, justiziellen und sozialen Reformen in den an die EU angrenzenden Ländern schaffen. Es stimmt, die ENP kann nicht als direkter Weg in die EU betrachtet werden. Deshalb sollte der Grundsatz der Konditionalität im Ansatz der EU einen funktionierenden Mechanismus darstellen, um die notwendigen wirtschaftlichen und demokratischen Veränderungen in unseren Partnerländern in Übereinstimmung mit deren Bereitschaft und Fortschritten anzuregen.
Die ENP kann nur auf der Grundlage der Gegenseitigkeit funktionieren. Auf politischer Ebene bietet uns die ENP eine wunderbare Gelegenheit zur Vertiefung des regelmäßigen politischen Dialogs mit Ländern, die bereit sind, ihre außenpolitischen Positionen denen der EU anzunähern, wie z. B. die Ukraine, die Republik Moldau, Georgien, Armenien und andere.
Der Ausschuss für regionale Entwicklung betont den entscheidenden Stellenwert von Programmen für grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit zur Umsetzung der ENP. Diese Programme sollten wirtschaftliche und ökologische wie auch soziale und kulturelle Aspekte beinhalten.
Ich möchte einen weiteren Grundsatz hervorheben: Die ENP sollte sich nicht auf die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Institutionen beschränken. Sie muss die Zivilgesellschaft einbeziehen und den Austausch zwischen Bürgern, NRO und lokalen Behörden anregen. Deshalb müssen die Visavorschriften im kleinen Grenzverkehr und für einzelne Personengruppen wirksam gelockert werden. Wir fordern die Kommission ferner auf, Leitlinien für die lokalen und regionalen Behörden betreffend ihre besondere Rolle bei der Umsetzung von ENP-Aktionsplänen auszuarbeiten und die ENP weiterzuentwickeln.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die ENP nach Auffassung des Ausschusses für regionale Entwicklung auch die Zusammenarbeit bei der Verhütung von und einer gemeinsamen Vorgehensweise im Falle von Naturkatastrophen beinhalten sollte. Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, diesen Aspekt in ihren Programmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu berücksichtigen.
Adina-Ioana Vălean (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. – (EN) Herr Präsident! In der heutigen von Globalisierung und Unsicherheit gekennzeichneten Zeit sind unsere Nachbarn auf klare Signale von der Europäischen Union angewiesen. Sie müssen wissen, dass wir sie als Partner betrachten. Sie müssen ferner wissen, dass wir sie bei ihrem Übergang zu Demokratie und einem besseren Leben unterstützen. Deshalb begrüße ich den Vorschlag der Kommission, die ENP zu stärken, indem wir unseren Partnern neue Anreize für Reformen anbieten.
Als Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres verweise ich mit Nachdruck auf die Bedeutung der ENP als einem Mittel zur Durchsetzung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der über unsere Grenzen hinausreicht. Wir können es uns nicht leisten, unsere Nachbarn im Kampf für Sicherheit und gegen das organisierte Verbrechen und die illegale Migration alleinzulassen. In der heutigen Welt hat jede dieser Erscheinungen globale Auswirkungen, und diese Herausforderungen sind unsere Herausforderungen. Letztlich ist die ENP eine Politik ohne Verlierer. Die Errichtung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts liegt sowohl im Interesse der EU als auch unserer Nachbarn, denn es geht um das Wohl aller unserer Menschen.
Der Präsident. − Man teilt mir mit, dass die Ratspräsidentschaft nicht davon unterrichtet war, dass die Aussprache eine gemeinsame Aussprache über die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Lage in Georgien war.
Geben wir Herrn Lobo Antunes deshalb jetzt die Gelegenheit, sich zu dem letzteren Thema zu äußern, unter Änderung der Reihenfolge der Redner.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Ich habe wirklich nicht verstanden, warum es in dieser Aussprache sowohl um die Nachbarschaftspolitik als auch um Georgien gehen sollte. Wir haben nicht viel Zeit, weshalb ich nur kurz sagen möchte, dass die Präsidentschaft am 8. November, wie Sie alle wissen, eine Erklärung abgegeben hat, in der sie ihre große Besorgnis über die jüngsten Ereignisse in Georgien zum Ausdruck bringt und zu einem Dialog zwischen den Parteien und der Suche nach Lösungen für die gegenwärtige Krise aufruft, die nicht gegen demokratische Grundsätze und Grundrechte, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung, verstoßen. Ferner möchten wir betonen, dass es extrem wichtig für die georgische Regierung ist, das Vertrauen in die Legitimität ihrer Maßnahmen wiederherzustellen und alles zu tun, um die Achtung der demokratischen Grundsätze zu gewährleisten.
Aus unserer Sicht gibt die aktuelle Lage noch immer Anlass zur Sorge, aber wir begrüßen die Ankündigung des georgischen Parlaments, den Notstand am 16. November, also übermorgen, aufzuheben. Wir hoffen, dass das auch wirklich geschehen und nicht nur eine einfache Ankündigung bleiben wird.
Das ist ein bedeutender Schritt in Richtung Wiederherstellung der demokratischen Normalität in Georgien. Für die nahe Zukunft sind Präsidentschaftswahlen angekündigt, und natürlich müssen alle demokratischen Bedingungen, die für die Durchführung dieser Wahlen erforderlich sind, gewährleistet werden. Ferner begrüßen wir den Dialog, den die Behörden und die Opposition aufgenommen haben.
Ich kann Sie darüber informieren, dass der Rat mit Georgien daran arbeitet, politischen und diplomatischen Druck auszuüben, um rasch wieder zur Normalität zurückzukehren. Unser Sonderbeauftragter für die Region ist aktiv und hält sich gegenwärtig in Georgien auf. Ich kann Sie ferner darüber informieren, dass die Lage in Georgien in der nächsten Woche auf der Tagesordnung des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen stehen wird. Vor etwa drei Wochen führte ich persönlich den Vorsitz bei einer Tagung des Assoziationsrates zwischen der Europäischen Union und Georgien, wo ich den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes hervorheben und mit einiger Hoffnung auf die demokratischen Entwicklungen hinweisen konnte, die unseres Erachtens positiv sind.
Wir hoffen aufrichtig, dass das, was gegenwärtig in Georgien vor sich geht, kein Rückschritt ist, weil das den positiven Aspekten der Entwicklung sowohl der politischen als auch der wirtschaftlichen Lage, die unserer Auffassung nach ermutigend sind, großen Schaden zufügen würde. Ich gehe davon aus, dass das georgische Volk und die georgischen Behörden sich dessen bewusst sind. Ein Rückschritt ist weder möglich noch akzeptabel.
Jacek Saryusz-Wolski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister! Ich möchte einen Punkt aus dem hervorragenden Bericht unserer Kollegen, der Herren Charles Tannock und Raimon Obiols i Germà, ansprechen. Das betrifft die Idee der Parlamentarischen Versammlung EURO-NEST.
Der Hauptzweck von EURO-NEST ist laut diesem Bericht die praktische Umsetzung des Vorschlags, einen Freundeskreis der EU auf parlamentarischer Ebene zu schaffen und dessen Teilnehmer selbst untereinander zu Freunden werden zu lassen. Das soll die von den Exekutivorganen der EU verfolgte Nachbarschaftspolitik ergänzen. EURO-NEST wäre ein parlamentarisches Forum für Dialog und Erfahrungsaustausch sowie multilaterale Zusammenarbeit. Dabei geht es nicht nur um die Stärkung von Kontakten zwischen dem Europäischen Parlament und den einzelstaatlichen Parlamenten der Ukraine, der Republik Moldau, von Aserbaidschan, Armenien und Georgien sowie den Vertretern der demokratischen Kräfte in Belarus. Für uns ist die Hauptfrage, dass unsere Nachbarn miteinander in Dialog treten und zusammenarbeiten sollen, damit sie einander besser kennen lernen, Vertrauen in den anderen aufbauen und von den besten Beispielen für Demokratie, Meinungsfreiheit und die Achtung der Menschenrechte profitieren.
Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat das Konzept von EURO-NEST unterstützt. Ich hoffe, dass es auch die Unterstützung des gesamten Parlaments finden wird. Ich möchte mich an meine Kollegen der Fraktion der Liberalen wenden, die Änderungsantrag Nummer 5 eingereicht haben und darin vorschlagen, EURO-NEST durch die bereits existierende Organisation PABSEC zu ersetzen. Ich möchte darauf hinweisen, dass PABSEC, die Parlamentarische Versammlung der Schwarzmeerwirtschaftskooperation, eine gänzlich andere Funktion erfüllt. Zuallererst gibt es keine Rolle, die das Europäische Parlament in dieser Organisation übernehmen könnte. Ich danke meinen Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion für ihr Verständnis. Mit dem Kompromissvorschlag, mit dem Änderungsantrag Nummer 11 ersetzt und die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Regierungen betont wird, werden wir diese Form der Zusammenarbeit auf geeignete Weise beschreiben können.
Ich bin davon überzeugt, dass EURO-NEST der Stärkung der Partnerschaft mit unseren östlichen Nachbarn einen weiteren Impuls verleihen und die Beziehungen zu unseren südlichen Nachbarn im Rahmen des Barcelona-Prozesses ergänzen wird. Die Botschaft wird sein, dass wir im Europäischen Parlament ernsthaft mit unseren Nachbarn umgehen und den Beweis dafür erbringen, dass wir die Bande zu unseren östlichen Nachbarn ungeachtet parteipolitischer Differenzen stärken.
Marek Siwiec, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der heute zur Diskussion stehende Bericht enthält einige wichtige Aussagen, die zur richtigen Zeit kommen. Die Lage in den Ländern, auf die sich der Bericht bezieht (ich spreche im Wesentlichen über den östlichen Raum), ist sehr dynamisch und bringt, wie sich erwarten lässt, viele neue Erfahrungen mit sich. Es ist sehr gut, dass die EU-Organe – die Kommission, der Rat und das Europäische Parlament – mit einer Stimme sprechen, mit einer Stimme, die die Aufgabe, für die die Organe geschaffen wurden, wiedergeben. Ich möchte der Kommissarin und dem Minister für diese einleitenden Feststellungen danken. Ferner möchte ich den Berichterstattern danken.
Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament unterstützt die Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik, der verstärkten Europäischen Nachbarschaftspolitik, vorausgesetzt, sie ist umsichtig und wirksam. Während der Arbeit an diesem Bericht haben wir viele unnötige Dispute vermieden. Wir haben die recht unkluge Diskussion darüber vermieden, ob das nachbarschaftliche Verhältnis mit dem Osten oder mit dem Süden wichtiger ist. Es wäre, als würde man ein Kind fragen, ob es seine Mutter oder seinen Vater mehr liebt. Wir haben eine unnötige Debatte darüber vermieden, ob die Europäische Nachbarschaftspolitik eine Politik mit dem Ziel der EU-Erweiterung ist, oder ob sie es nicht ist. Auch das sind irreale Dilemmas, die es zu klären galt.
Eine Europäische Nachbarschaftspolitik kann wirksam sein, wenn sie gemeinsam umgesetzt wird. „Gemeinsam“ bedeutet, dass sowohl die Europäische Union als auch interessierte Länder sie umsetzen. Sie kann nicht zu allen Ländern gleich sein, weil der Entwicklungsgrad der Demokratie in diesen Ländern unterschiedlich ist und weil diese Länder auf unterschiedliche Weise an der Umsetzung dieser Politik interessiert sind. Wie heikel die Angelegenheit ist, konnten Sie selbst sehen, wenn Sie beobachtet haben, was unlängst in Georgien geschehen ist. Darüber haben wir gerade diskutiert. Die Zufriedenheit über eine weitere demokratische Wahl in der Ukraine wurde von der Tatsache überschattet, dass dies innerhalb von zwei Jahren die zweiten Wahlen in dem Land waren. Man könnte also von einer gemischten Zufriedenheit sprechen. Was unsere Ostpolitik betrifft, so bezieht sich diese auf einen Bereich, der permanent durch die von der Russischen Föderation organisierten Intrigen – ganz gleich, ob nun offensichtlich oder versteckt – erschüttert wird.
Schließlich kann diese Politik, wie der Herr Minister sagte, nur erfolgreich sein, wenn sie vor allem dort, wo es um die Einrichtung neuer Organe geht, durch finanzielle Mittel, politischen Willen und wirksame Maßnahmen begleitet und ohne Naivität umgesetzt wird.
Anneli Jäätteenmäki, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Die Nachbarschaftspolitik ist einer der Schwerpunkte der EU-Außenpolitik. Die Europäische Nachbarschaftspolitik ist Teil eines umfassenderen Ansatzes zur Förderung von Frieden, Stabilität und wirtschaftlichem Wohlstand. Die Umsetzung der ENP verlangt auch von der EU viel, da die strategischen Ziele der 27 Mitgliedstaaten unter einen Hut gebracht werden müssen. Wichtig ist, dass eine Ost-West-Konfrontation vermieden wird, wenngleich die Mitgliedstaaten der EU bei der Zusammenarbeit natürlich unterschiedliche Prioritäten setzen.
Zusammenarbeit ist in alle Richtungen erforderlich. Da alle EU-Mitgliedstaaten sowie 16 Partnerländer daran beteiligt sind, ist es auch verständlich, dass Menschen starke Bedenken bei der Entwicklung dieser Politik haben, was die Einbeziehung der verschiedenen Partnerländer in die Zusammenarbeit angeht. Die Stärke der ENP liegt jedoch darin, dass die EU mehr Mittel zur Unterstützung der Partnerländer zur Verfügung hat, als es der Fall wäre, wenn man auf jedes Land separat und aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln zuginge. Der umfassende Ansatz der ENP gewährleistet auch, dass die EU-Politik nicht von den regionalen und nationalen Vorlieben der einzelnen Länder, die jeweils den Vorsitz innehaben, abhängt.
Meine Fraktion bietet ihre eindeutige Unterstützung für die Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik und die von der Kommission herausgearbeiteten Schwerpunktbereiche an, nämlich wirtschaftliche Integration, Mobilität der Menschen, Energie – der wir definitiv gern den Klimawandel hinzufügen würden –, sowie finanzielle und technische Hilfe.
(Beifall)
Adam Bielan, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Europäische Nachbarschaftspolitik hat mit der letzten EU-Erweiterung neue Impulse erhalten. Sie trägt nunmehr dazu bei, benachbarte Regionen dazu zu ermutigen, sich in Richtung des europäischen Wertesystems zu bewegen. Das ist die unabdingbare Voraussetzung für die Umsetzung von Zielen, die im beiderseitigen Interesse liegen: Gemeint sind hierbei die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität und die Förderung von Werten, z. B. die Achtung der Menschenrechte und uneingeschränkte Demokratie.
Gleichzeitig lohnt es sich, im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik die besondere Bedeutung und Identität von Ländern wie etwa der Ukraine zu betonen. Dieses Land sollte innerhalb der Gruppe der in die ENP aufgenommenen Länder eine Sonderstellung einnehmen und vorrangig behandelt werden, in erster Linie wegen seiner Bedeutung für Europas kulturelles Erbe und seiner historischen Verbindungen zu benachbarten Ländern. Es ist besonders wichtig, der Ukraine einen privilegierten Status zu gewähren, weil dieses Land eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der energiewirtschaftlichen Stabilität und Sicherheit für die gesamte Europäische Union spielt.
Die Frage der Ukraine und der Öffnung des Weges hin zu ihrer uneingeschränkten Mitgliedschaft in der EU muss daher auf individueller Basis betrachtet werden. Dabei ist zu bedenken, dass die Ukraine in der osteuropäischen Nachbarschaft der Hauptpartner der EU ist.
Marie Anne Isler Béguin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Zunächst möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine gemeinsame Aussprache handelt, denn die Krise in Georgien hätte sehr wohl eine getrennte Aussprache verdient. Der Parlamentspräsident hat mich am Wochenende nach Georgien geschickt. Ich bin gerade zurückgekommen und hätte gern über die dortigen Ereignisse und über die Begegnungen, die ich dort hatte, berichtet. Doch leider reichen zwei Minuten dazu nicht aus.
Ehe ich zu Georgien komme, möchte ich den Neuankömmling im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik begrüßen – Mauretanien, ein Land, das ich kürzlich an der Spitze unserer Beobachterdelegation besucht habe.
Heute steht fest, dass die schwere Krise in Georgien ein Test für unsere Nachbarschaftspolitik ist. Kann diese Nachbarschaftspolitik wirklich nützliche Ergebnisse bringen? Diese Frage ist heute angesichts der Situation in Georgien durchaus berechtigt.
Was ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen sagen kann, ist, dass heute, vier Jahre nach der gewaltlosen Rosenrevolution die Bevölkerung in Georgien wirklich schockiert ist über die Gewalt, die auch wir an unseren Fernsehschirmen gesehen haben: über die Gewalt gegen die georgische Bevölkerung, über die Gewalt, mit der der Fernsehsender Imedi TV geschlossen wurde. Sie sind schockiert, weil sie nicht verstehen, was passiert.
Daher danke ich der Kommission, dass sie die georgischen Behörden auffordern will, eine Untersuchung – eine unabhängige und transparente Ermittlung – durchzuführen, denn die Bevölkerung will genau wissen, was passiert ist und wie es passiert ist.
Wir waren vor Ort, und natürlich haben wir zwei Versionen gehört: die der Opposition und die der Behörden. Beide sind verständlich. Es ist klar, dass sie bestehen, doch die Bevölkerung will wirklich Transparenz. Natürlich müssen wir uns vor Augen halten, wie unser Kollege feststellte, dass Georgien anfällig ist, was wir wissen, aber Georgien muss auch Kompromisse mit dem „großen Bruder“ schließen, der stets im Hinterhalt lauert.
Wenn die georgischen Behörden uns darauf aufmerksam machen, dass Russland allgegenwärtig ist, dann müssen wir berücksichtigen, was passiert. Ein Beispiel sind unsere Visaerleichterungen mit Russland, die auch den Bewohnern von Abchasien und Südossetien mit russischen Pässen zugute kommen, obwohl diese Gebiete georgisches Territorium sind, wodurch Georgien in eine missliche Lage gerät.
All dies ist Ihnen bekannt, Frau Kommissarin. Was wir jetzt fordern müssen – natürlich neben der Aufhebung des Ausnahmezustandes – ist die sofortige Wiederherstellung der Rede- und der Medienfreiheit und natürlich, was das Wichtigste ist, die Zusicherung der Durchführung von freien und transparenten Wahlen. Georgien ist heute in der Lage, solche Wahlen durchzuführen. Es hat dies im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt, als es transparente, demokratische Kommunalwahlen in voller Übereinstimmung mit internationalen Normen durchgeführt hat. Es ist jetzt an der Zeit – und hier wende ich mich an den Rat, der meiner Meinung etwas zu harsch mit den georgischen Behörden umgegangen ist –, dass wir mit unserer Europäischen Nachbarschaftspolitik zeigen, dass wir nützlich sein können. Wir müssen dem georgischen Volk deutlich machen, dass die ENP zu etwas nütze ist. Die Europäische Union darf Georgien nicht enttäuschen. Das ist die Botschaft, die wir den georgischen Behörden eindringlich übermitteln müssen.
Willy Meyer Pleite, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister! An erster Stelle möchte ich Herrn Tannock und Herrn Obiols für die Präsentation ihres Berichts danken und Sie ohne Umschweife davon in Kenntnis setzen, dass meine Fraktion die Entwicklung und den in der Nachbarschaftspolitik vertretenen Ansatz kritisch sieht.
Kritisch, weil wir im Jahr 2004, als eine Nachbarschaftspolitik geschaffen wurde, die im Kern auf der Stärkung der Menschenrechte, konkreter Fachberatung und einem besseren Gleichgewicht in dem Verhältnis zwischen Handel und Menschen innerhalb der Migrationsströme basierte, deutlich die sich damit eröffnenden Chancen vor Augen hatten; allerdings besteht nun kein Zweifel daran, dass wir seit der Genehmigung des Finanzinstruments den Eindruck entstehen lassen, dass unser hauptsächliches Interesse der Errichtung von Freihandelszonen, Freihandelsverträgen und einer eisernen Kontrolle über die Migrationsströme gilt und wir alles, was die Stärkung der Menschenrechte sowie die Forderung ihrer Einhaltung betrifft, links liegen lassen.
Es gibt zwei eindeutige Beispiele, eines im Westen und eines im Süden, und zwar den Konflikt in der Sahara, den Frau Ferrero-Waldner genannt hat, und den Konflikt in Israel, oder mit anderen Worten die Verantwortung Marokkos und des Staates Israel für zwei Konflikte: die besetzten Gebiete der Westsahara und den Palästina-Konflikt.
Ich bin der festen Auffassung, dass die Nachbarschaftspolitik in diesen Gebieten deutlich fordernder gegenüber den beiden Staaten aussehen müsste, damit diese ein für alle Mal die Verantwortung für die Konflikte übernehmen, von denen der eine schon fast ein Jahrhundert dauert und der andere bereits vierzig oder fünfzig Jahre auf eine Lösung wartet.
Vor diesem Hintergrund hätten wir es deshalb gern gesehen, wenn die Europäische Union bei der Schaffung der Nachbarschaftspolitik eine viel energischere Haltung vertreten hätte.
Gerard Batten, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Dieser Bericht macht deutlich, dass die pro-europäische politische Elite hier von den Wünschen ihrer Wähler keinerlei Ahnung hat.
Der Bericht fordert dazu auf, die Bearbeitung von Visaanträgen dringend zu verbessern, um die Einreise aus Drittstaaten zu erleichtern und weniger beschwerlich zu gestalten. Das entspricht nicht den Wünschen der Einwohner von London. Sie wollen die Einreise nach Großbritannien nicht erleichtern: sie wollen sie erschweren. Sie wollen bezüglich der Menschen, die wir in unser Land lassen, selektiver vorgehen und nicht die derzeitige Politik der offenen Tür ausweiten.
Der Bericht geht davon aus, dass Bürger der Ukraine in die EU einwandern können. Die Ukraine hat 46 Millionen Einwohner, und als Bürger der EU hätten sie alle das Recht, nach Großbritannien einzuwandern. Die Mehrzahl meiner Wähler will nicht, dass weitere Millionen von Menschen das Recht auf Zuwanderung nach Großbritannien erhalten. Eine weitere willkürliche Zuwanderung aus Osteuropa lehnen sie strikt ab. Wir haben schon genügend Einwanderer, die ohne Kfz-Steuer und –Versicherung auf Londons Straßen unterwegs sind; wir haben genügend Verbrecher, Drogenhändler, Betrüger, Menschenhändler und Sexsklaven.
Eine weitere Schnapsidee in diesem Bericht ist die Forderung nach einer Parlamentarischen Versammlung EU-Nachbarschaft – noch ein Diskussionsclub für realitätsfremde Politiker, die sich immer neue Methoden ausdenken, um Steuergelder zu verpulvern. Natürlich müssten diese Politiker fürstlich entlohnt werden für ihre Mühe.
Es dürfte niemanden überraschen, dass einer der Verfasser dieses Berichts Mitglied der britischen Konservativen Partei ist, die sich zu Hause euroskeptisch gebärdet, aber hier begeistert ins europäische Horn stößt. Kein Wunder, dass Herr Tannock in London als der Abgeordnete für Osteuropa bekannt ist.
Ich lehne diese Maßnahmen entschieden ab; sie schaden den Interessen meiner Wähler. Deshalb werde ich 2009 in London wiedergewählt werden und Herr Tannock wahrscheinlich nicht.
Philip Claeys (NI). - (NL) Herr Präsident, Erwägung C des Berichts besagt, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik auch in Zukunft gesondert vom Erweiterungsprozess betrachtet werden sollte und dass die Beteiligung an der ENP für die östlichen Nachbarn, bei denen es sich eindeutig um europäische Länder handelt, eine europäische Perspektive langfristig nicht ausschließt. Aus welchem Grund auch immer scheint diese Regel nicht für die Türkei zu gelten. Hier verhält es sich genau umgekehrt. Bei der Türkei handelt es sich eindeutig nicht um ein europäisches Land, sie ist nicht Teil der Europäischen Nachbarschaftspolitik, strebt jedoch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union an.
Es war nie wirklich klar, warum die Türkei nicht in die ENP aufgenommen wurde. Die Kommission sagte zu Beginn, die Türkei könne als Bewerberland nicht aufgenommen werden. Das ist befremdlich, denn in anderen Fällen heißt es gerade, die Nachbarschaftspolitik und der Erweiterungsprozess müssten gesondert betrachtet werden. Für die Türkei gilt eindeutig eine Sonderregel.
Ich fürchte, all dies hat mit ideologischer Verblendung zu tun. Selbst wenn wir ein uneingeschränktes Bekenntnis zu den Verhandlungen über den Beitritt der Türkei voraussetzen, hätten wir die Türkei in die Europäische Nachbarschaftspolitik einbeziehen sollen, und sei es auch nur aus Gründen der Vorsicht. Hätten die Verhandlungen vertagt werden müssen, wie dies vor langem hätte geschehen müssen, hätte die Türkei unmittelbar in eine bestehende Struktur aufgenommen werden können. Dies ist nicht geschehen, und die Dinge werden daher in Zukunft noch schwieriger sein.
Marek Siwiec (PSE). – (PL) Herr Präsident! Nach der heutigen Abstimmung habe ich herausgefunden – vielleicht habe nur ich das festgestellt –, dass die Fraktion Identität, Tradition, Souveränität, zu dem Zeitpunkt, als der Präsident dies mitgeteilt hat, schon nicht mehr existierte. Allerdings stelle ich fest, dass diese Fraktion der Liste der Verhandlungen zufolge noch immer existiert. Ich bin mir nicht ganz sicher, wo hier der Fehler liegt. Bei Herrn McMillan-Scott, als er mitteilte, dass die Fraktion nicht mehr existiere oder bei der Person, die die Listen erstellt?
Der Präsident. − Herr Siwiec, die Elektronik ist noch nicht aktualisiert worden, aber der Herr Kollege Claeys hat nicht im Namen einer Fraktion gesprochen, die es seit einigen Stunden nicht mehr gibt, sondern vielmehr als fraktionsloser Abgeordneter.
Elmar Brok (PPE-DE). − Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Ich bin über die Worte des Kollegen Batten doch sehr erstaunt, der aus dem weltoffenen Großbritannien kommt und hier mit falschen Behauptungen Kleinkariertes und Fremdenfeindliches verbreitet. Das hat mit der großen Tradition dieses großen Großbritanniens nichts zu tun.
Die Nachbarschaftspolitik ist jetzt wohl das wichtigste außenpolitische Instrument, das die Europäische Union hat, nachdem wir nach der Erweiterung um insgesamt zwölf Länder jetzt eher in eine Phase der Konsolidierung hineinkommen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass dieses Instrument in einer geeigneten und konzentrierten Weise genutzt wird. Das zeigt sich ja auch schon in einigen Punkten.
Mit der Nachbarschaftspolitik haben wir auch ein gewichtiges Instrument für ein Tätigwerden in Fragen des Konflikts im Nahen Osten, wie Frau Kommissarin zum Ausdruck gebracht hat. Ich glaube, die Tatsache, dass es in Georgien nach den Spannungen so schnell zu Lösungen kam und neue Wahlen abgehalten werden sollen, hat auch schon mit der Wirkung der europäischen Perspektive und der Nachbarschaftspolitik zu tun und zeigt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Hier werden die Möglichkeiten gegeben, unsere Interessen wahrzunehmen und Bindungen zu erzeugen und den Interessen der Partner zu dienen und die Entwicklung zu Menschenrechten und Demokratie zu fördern.
Wenn wir in diesem Zusammenhang über Weißrussland diskutieren, dann, Frau Kommissarin, finde ich es interessant, wie wir in geeigneter Form die Verknüpfung der Instrumente für Menschenrechte und Demokratie hinbekommen, wo das Nachbarschaftsinstrument noch nicht so greifen kann. Das ist eine wichtige Übung, die wir auch im kommenden Jahr vornehmen müssen.
Wir haben hier Nachbarschaftspolitik Ost und Nachbarschaftspolitik Süd. Beide sind von gleicher Bedeutung. Aber nicht immer muss die Methode dieselbe sein, weil Nachbarschaftspolitik Ost auch mit europäischer Perspektive zu tun hat und es daher andere Ansatzpunkte und in einem gewissen Umfang auch andere Perspektiven geben kann. Eine Politik, die mit Assoziierungsabkommen zu tun hat, mit Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, und die Ziele für ein Land, wie beispielsweise die Ukraine in die WTO zu bekommen, dann eine Freihandelszone zu errichten – Schritte hin zu einer entsprechenden Entwicklung –, scheinen mir von großer Bedeutung zu sein, um hier voranzukommen.
Dies ist eine Politik der gemeinsamen Verantwortung. Nicht die Zentraleuropäer blicken allein nach Osten und die Südeuropäer allein nach Süden – die gesamte Europäische Gemeinschaft ist für beide Teile zuständig. Aus diesem Grund möchte ich sagen, dass solche Vorschläge wie die Mittelmeerunion von mir nicht akzeptiert werden. Ich möchte gern, dass sich Spanier und Franzosen um die Ukraine kümmern, so wie sich Schweden und Deutsche auch um Marokko kümmern. Das muss unsere Politik sein, und nicht eine neue Aufspaltung der Europäischen Union.
(Beifall)
VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident
Jan Marinus Wiersma (PSE). - (NL) Herr Präsident, im Namen meiner Fraktion möchte ich mich zunächst vorbehaltlos dem Appell anschließen, den Elmar Brok gerade an uns gerichtet hat. Er zeigt, wie wichtig die Nachbarschaftspolitik für die auswärtigen Tätigkeiten der Europäischen Union ist. Wir begrüßen die Pläne eines Ausbaus der ENP, doch dies bedeutet nicht, dass die ENP damit abgeschlossen ist. Die EU muss auch weiterhin nach Möglichkeiten Ausschau halten, ihre Politik effizienter zu gestalten.
Differenzierung – wie dies andere auch sagten – ist der Schlüssel dazu, die Nachbarschaftspolitik zu einem Erfolg zu machen. Die ENP gilt für einen riesigen Bereich, von Marokko bis zur Ukraine. Europas Einfluss ist nicht in all diesen Ländern gleich groß, und Europa ist nicht für alle diese Länder gleich attraktiv. Die EU muss im Rahmen der ENP ihren Partnerstaaten Kooperationsabkommen anbieten, die ihren Erwartungen am besten entsprechen. Dies ist ein Umstand, der unseres Erachtens bei den Prioritäten der Kommission zum Ausdruck kommen muss.
Georgiens europäische Bestrebungen unterscheiden sich von denen Aserbeidschans. Tunesien ist für die EU weniger wichtig als die Ukraine, und der Libanon hat nicht das gleiche Gewicht wie Marokko. Deshalb muss jedes Land für sich betrachtet werden.
Wir müssen uns auf die Länder konzentrieren, in denen die Ziele der ENP, die Nachbarländer an Europa anzunähern, am besten erreichbar scheinen.
Im Bericht ist auch von den östlichen Nachbarn der ENP-Staaten die Rede. Wir halten es für eine gute Idee, als Teil der kürzlich beschlossenen Zentralasien-Strategie auf verlässliche Verbindungen zu den fraglichen Ländern hinzuarbeiten. Dabei könnte sich die Europäische Union sicherlich auf Erfahrungen aus ihrer Nachbarschaftspolitik stützen.
Wir befürworten jedoch nicht den Gedanken, Ländern außerhalb der Region den Status von ENP-Ländern einzuräumen. Unseres Erachtens wäre es besser, sich auf einen kohärenten Ansatz für Zentralasien zu konzentrieren statt bestimmte Länder in die ENP einzubeziehen.
Und schließlich ist eine stärkere parlamentarische Zusammenarbeit mit den ENP-Staaten im Osten nur dann nutzbringend, wenn sie mit einer multilateralen Zusammenarbeit mit den Regierungen der Region einhergeht. Würde eine parlamentarische Versammlung eingesetzt, müsste es auch eine Versammlung auf Ministerebene geben, wie in anderen Regionen, in denen wir derartige parlamentarische Versammlungen gegründet haben. Unserer Ansicht nach könnte es ein derartiges Parlament nur geben, wenn der Rat und die Kommission ebenfalls ein zwischenstaatliches Pendant schaffen würden.
Lydie Polfer (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Lassen Sie mich als Berichterstatterin zum Südkaukasus den Bericht von Herrn Tannock und Herrn Obiols i Germà, die ich im Übrigen zu ihrer Arbeit beglückwünschen möchte, dazu nutzen, Ihnen meine Eindrücke von der Lage in Georgien zu schildern, die ich auf einem Besuch am 5. November, als die Demonstrationen in vollem Gange waren, gewonnen habe.
Ich habe eine sehr komplexe Situation vorgefunden. Zum einen sind die eingeleiteten umfangreichen Reformen sehr eindrucksvoll, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht sowie zur Bekämpfung der Korruption, andererseits darf man das schwierige soziale Klima nicht vergessen, das durch sehr hohe Arbeitslosigkeit sowie dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle lebt.
Am auffälligsten ist das sehr gespannte, zuweilen aggressive politische Klima, das gekennzeichnet ist durch äußerst schwerwiegende Vorwürfe der Opposition an den Präsidenten, gefolgt von öffentlichen Widerrufen, die dann wieder neue Fragen aufwerfen. Die Regierung antwortet, indem sie ständig ausländische, d. h. russische, Einmischung anprangert, was sie mit Videos belegt. Die Ereignisse vom 7. November, d. h. die Verhängung des Ausnahmezustands, das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten sowie die Schließung des Fernsehsenders bestätigten den äußerst besorgniserregenden Charakter der Lage. Solche Maßnahmen gehören selbstverständlich nicht zu dem auf Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten basierenden traditionellen europäischen Werterahmen und müssen aufgeklärt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die auf den 5. Januar angesetzten Präsidentschaftswahlen es ermöglichen, dass die demokratische Auseinandersetzung wieder die Oberhand gewinnt. Es ist dann am georgischen Volk, eine Unterscheidung zu treffen zwischen Gerüchten und Fakten, zwischen enttäuschten Hoffnungen und zu bewältigenden Herausforderungen. An uns wird es sein, sie zu ermutigen und ihnen zu helfen, diese Wahlen auf wirklich demokratische und vorschriftsmäßige Weise in Übereinstimmung mit den internationalen Normen zu organisieren. Dabei geht es um die Glaubwürdigkeit und die Stabilität der Demokratie in Georgien.
Inese Vaidere (UEN). - (LV) Meine Damen und Herren! Nach der Rosenrevolution bekundete Georgien seinen Wunsch, die europäischen Werte zu übernehmen. Es erwartete unser Verständnis und unser Einfühlungsvermögen. Bedauerlicherweise haben wir diesen Wunsch völlig missachtet. Letztes Jahr forderte ich, die Friedenstruppen der GUS durch internationale Friedenstruppen zu ersetzen. Ich schlug vor, die Legalität der Ausstellung russischer Pässe in Abchasien und Südossetien zu überprüfen, die einen Eingriff in die Staatsangehörigkeit georgischer Bürger darstellt. Ich schlug vor, die Kommission und der Rat sollten für Georgien die gleichen Visabestimmungen festlegen, die derzeit für Russland gelten. Diese Aufrufe zu einer aktiveren Mitwirkung an der Lösung der Probleme Georgiens stießen jedoch auf taube Ohren. Diese Missachtung hat viel zur derzeitigen Lage beigetragen. Der Weg der Demokratisierung und der Reformen bringt of innerstaatliche politische Krisen mit sich, vor allem in dieser Situation, in der sie von einem großen Nachbarstaat verursacht werden. Die Europäische Union muss Georgien zuhören und ihre Solidarität durch Worte und durch Taten zum Ausdruck bringen. Danke.
Tobias Pflüger (GUE/NGL). - Herr Präsident! Die Nachbarschaftspolitik der EU hat offiziell das Ziel, einen – Zitat – „Ring stabiler, befreundeter Staaten“ um die EU herum zu schaffen. Dazu wird sehr viel Geld ausgegeben, 12 Milliarden Euro für den Zeitraum 2007-2013. Mit welchen Zielen? Viel ist von Menschenrechten die Rede, aber es geht um die Durchsetzung von EU-Interessen. Es ist z. B. die Rede von der Einrichtung einer Freihandelszone, und da ist meine Frage: Wem hilft das?
Es geht viel um Grenzschutz und Migrationssteuerung. Konkret heißt es – ich zitiere Teile des Berichts: „Betont die Notwendigkeit, die Fähigkeit der ENP-Länder zu verbessern, Migrationsströme zu steuern, die illegale Zuwanderung wirksam zu bekämpfen, … ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen … den Terrorismus … zu intensivieren, … und unterstützt die Einbindung der Nachbarländer in die Agentur Frontex und in Europol.“ Das sind Punkte, die wir nicht unterstützen, und deshalb, wie mein Kollege Willy Meyer-Pleite gesagt hat, werden wir als Fraktion diesen Bericht nicht unterstützen.
Bastiaan Belder (IND/DEM). - (NL) Herr Präsident, die Verpflichtung der Kommission gegenüber dem Staat Israel im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik liegt mir sehr am Herzen. Erst gestern zeigte die Kommission dies hier in Person ihres angesehenen Sprechers Dr. Andreas Eldina.
Machen Sie weiter so, Frau Kommissarin. Ich weiß, dass ich die Unterstützung unseres Ko-Berichterstatters, Herrn Tannock, und der Vorsitzenden unserer Delegation für Israel, Frau Hybášková, habe.
Ich muss eine dringende Frage stellen. Welche konkreten neuen Möglichkeiten erwägt das Kommissionsmitglied für den Ausbau der Europäischen Nachbarschaftspolitik hinsichtlich Israel, natürlich in Anbetracht des hoch entwickelten politischen und wirtschaftlichen Status des jüdischen Staats? Kurz, ist es nicht überhaupt angemessen, hier bei der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu differenzieren? Ich bin fest davon überzeugt!
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Es ist äußerst wichtig, dass unsere Nachbarn einen Ring florierender, stabiler, friedlicher Staaten bilden, in denen sich die Macht auf demokratische Prinzipien stützt und die Grundrechte uneingeschränkt geachtet werden.
Dieser Gedanke muss eine Grundvoraussetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik sein, die unsere Nachbarn ermutigen und unterstützen sollte, die notwendigen Reformen durchzuführen, um die genannten Werte umzusetzen.
Die Frage der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen ist für mich ein wesentlicher Aspekt des Berichts, den wir morgen annehmen wollen.
Ein zweiter Gedanke: Die Nachbarschaftspolitik muss die spezifischen Charakteristika der einzelnen Länder berücksichtigen. Unterschiede dürfen nicht in Abhängigkeit von dem Kontinent, zu dem ein Land gehört, hergeleitet werden. Die Nachbarn sind einfach eins: Nachbarn. Das ist der entscheidende Punkt. Die Tatsache, dass manche von ihnen darüber hinaus auch Europäer sind, kann Konsequenzen für einen möglichen Beitritt zur Union haben, nicht jedoch für die Nachbarschaftspolitik. Das ist eine allgemeinere Aussage, mit der ich einverstanden bin, denn es wäre ein Fehler von uns, die einen Länder zugunsten der anderen zu benachteiligen.
Es kann keine Nachbarschaftspolitik ersten Ranges und daneben eine weitere Nachbarschaftspolitik zweiten Ranges geben. Die Nachbarn am südlichen Ufer des Mittelmeers haben mit einer gewissen Besorgnis festgestellt, dass die Erweiterung zur Union der 27 zu einer bestimmten Ausgrenzung seitens der erweiterten Union führen könnte, und mit einer Nachbarschaftspolitik, die Osteuropa oder den Kaukasus in den Vordergrund rückt, könnten wir diese Angst weiter schüren.
Die Länder des südlichen Mittelmeerraums verbinden sehr alte Beziehungen mit der Union. Sie sind für uns in Schlüsselbereichen wie der Sicherheit, der Einwanderung und der Energie unentbehrlich. Bekanntlich sind viele unserer Mitgliedstaaten mit ihnen historisch, politisch, zwischenmenschlich, kulturell und wirtschaftlich sehr eng verbunden.
Das ist nun der zweite wichtige Punkt in meiner Rede. Wir sollten in der Nachbarschaftspolitik nicht zwischen Europäern und Nicht-Europäern unterscheiden. Sie muss, wie es der Kollege Brok gerade gesagt hat, eine Politik der gemeinsamen Verantwortung sein.
Auf Grund all dessen, Herr Präsident, teile ich nicht die Zweifel bezüglich der Sinnhaftigkeit der geographischen Ausrichtung der Europäischen Nachbarschaftspolitik, die in Punkt 2 des Berichts geäußert werden. Und ich hätte den Bericht auch nicht in zwei Abschnitte – einen zu den europäischen Nachbarn, den anderen zu den Nachbarländern des Mittelmeerraums – geteilt. Ein einheitliches Dokument wäre besser gewesen.
Zum Schluss möchte ich den Kollegen Tannock und Obiols meinen Glückwunsch aussprechen.
Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident! Die Frage ist, ob die Entwicklungen in Georgien zeigen, dass die Nachbarschaftspolitik gescheitert ist. Ich meine, dass nicht. Sie zeigen, dass vielleicht die Nachbarschaftspolitik noch einer stärkeren Ausprägung bedarf, denn manches, was dort geschehen ist, war auch erwartbar. Denn die Erfolge und die positiven Seiten der georgischen Rosenrevolution auf der einen Seite sind schon in den letzten Monaten und Jahren durch manche autoritäre Entscheidungen, die in das Rechtssystem eingegriffen haben, getrübt worden.
In Verbindung mit der sozialen Situation hat das zu diesen Unruhen geführt, und ich hoffe, dass wir jetzt stark genug sind, gemeinsam mit Präsident Saakaschwili dafür Sorge zu tragen, dass es zu einem Dialog kommt, zu transparenten und offenen Wahlen mit freier Meinungsfreiheit und damit auch zu wirklich demokratischen Entscheidungen.
Ein zweiter Grund, warum die Nachbarschaftspolitik gestärkt werden muss, ist sicherlich die ganze Diskussion um die weitere Erweiterung. Wir haben jetzt vor, die Erweiterung mit den Ländern Südosteuropas und mit der Türkei zu diskutieren, zu verhandeln und zu einem Abschluss zu bringen. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, schon über nächste Schritte der Erweiterung zu reden, sondern jetzt ist der Zeitpunkt, die Beziehungen zu unseren Nachbarn zu stärken. Zu Nachbarn, die, wenn sie in Europa liegen, zum Teil die Chance haben, zu einem späteren Zeitpunkt der Europäischen Union beizutreten, zum Teil jedoch nicht. Diese starke Verbindung muss jedoch existieren.
Der dritte Grund ist schon erwähnt worden. Ich glaube, so – verzeihen Sie den Ausdruck – abstruse Ideen wie die Mittelmeerunion, die quer durch die Europäische Union eine Linie zieht, von der Präsident Sarkozy gestern in der Konferenz der Präsidenten gemeint hat, die übrigen Mitgliedstaaten der EU können ja Beobachterstatus verlangen, sollen und müssen verhindert werden, indem wir eine gemeinsame Nachbarschaftspolitik haben und gemeinsam die Beziehungen stärken.
Als Vision kommen eine EU-Schwarzmeer-Gemeinschaft und eine EU-Mittelmeer-Gemeinschaft in Frage, aber es ist immer die Europäische Union insgesamt, die diese Beziehungen zu den Nachbarn aufrechterhalten und stärken muss. Auch in dem Sinn Unterstützung für die Kommission.
István Szent-Iványi (ALDE). – (HU) Herr Präsident! Das Ziel der Union ist die Schaffung eines Raumes des Wohlstands, der Stabilität und der Sicherheit mit ihren Nachbarn. In diesem Bereich sind bereits einige wichtige und solide Ergebnisse erzielt worden. Allerdings gab es auch schwere Versäumnisse. Bei den eingefrorenen Konflikten hat es keinen wirklichen Fortschritt gegeben, und wir sehen keinerlei Ideen für Lösungen der Krisen in Transnistrien, Abchasien, Palästina oder der Westsahara.
Die Länder der Nachbarschaftspolitik sind weder geografisch, noch kulturell, wirtschaftlich oder politisch ein Ganzes. Deshalb benötigen wir einen differenzierten, länderspezifischen Ansatz. Das, was für den Jordan gut ist, muss nicht zwangsläufig auch für die Ukraine gut sein.
Wir müssen so schnell wir möglich ein politisches und finanzielles Gleichgewicht zwischen der östlichen und der südlichen Dimension der Nachbarschaftspolitik schaffen. Allerdings muss das zu einer Stärkung der östlichen Dimension führen, weil sie eine offensichtliche Folge der jüngsten EU-Erweiterung ist. Die Kommission hat uns dazu schon viel versprochen, wir warten aber darauf, dass Sie ihre Versprechen einlöst. Ich danke Ihnen.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Herr Präsident! Damit die Europäische Nachbarschaftspolitik wirksam sein kann, muss sie permanent beobachtet und an die geopolitische Lage angepasst werden. Nur so können die von der EU geforderten Aufgaben wirksam umgesetzt werden.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik steht noch immer vor beträchtlichen Herausforderungen. Diese Herausforderungen bestehen nicht nur darin, den Aufbau zwischenstaatlicher oder wirtschaftlicher Zusammenarbeit wirksam zu unterstützen. Heute ist es auch besonders wichtig, die Frage zu beantworten, wie wir zu einer Verbesserung der Lage in den Ländern, in denen die Freiheit in Gefahr ist, beitragen können. Ich denke da insbesondere an Russland und Belarus.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik muss ein Instrument sein, mit dem auf die Behörden jener Länder Einfluss genommen werden kann, in denen politische Freiheit und Demokratie nur Schein sind, in denen Journalisten von unabhängigen Medien unter ungeklärten Umständen ihr Leben lassen und die Opposition systematisch und häufig brutal aus dem öffentlichen Leben ferngehalten wird. Länder, die so handeln, müssen wissen, dass die Europäische Union diese Praktiken anprangert und scharf verurteilt.
Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik ein sehr wichtiges Instrument für eine engere Zusammenarbeit mit den betroffenen Staaten und zur Erhöhung der Stabilität und Sicherheit unserer Gemeinschaft ist. Die Nachbarschaftspolitik verpflichtet uns ferner, zu reagieren, vor allem, wenn das bis dato aufgebaute zerbrechliche System in einem der Länder in Gefahr ist.
Ich möchte Sie auf die Lage in Georgien aufmerksam machen, wo die Demokratie, die Verfassungsmäßigkeit und die starke wirtschaftliche Entwicklung, die wir gemeinsam geschaffen haben, bedroht sind. Die Massendemonstrationen und Krawalle haben die Lage unsicher werden lassen. Ich bin davon überzeugt, dass hinter den Entwicklungen die subversiven Absichten der russischen Supermachtpolitik stecken.
Unsere größte Aufmerksamkeit muss der Stärkung des Systems der demokratischen Institutionen gelten. Nach der Ausrufung des Ausnahmezustands beziehungsweise dem überspitzten Vorgehen der bewaffneten Streitkräfte gegen Demonstranten war die Vorankündigung der Präsidentschaftswahlen ein Schritt in die richtige Richtung.
Georgien, geführt von Saakaschwili, ist ein engagierter Partner der EU und kann trotz zahlreicher Probleme auf einen bedeutenden Fortschritt in den Reformbereichen und in Bezug auf das Wirtschaftswachstum verweisen. Die EU, das heißt die Kommission, der Rat und das Parlament, haben gemeinsam mit der OSZE ein Interesse daran, die Spannungen mit friedlichen Mitteln zu lösen. Das müssen wir mit aller Kraft unterstützen.
Die EU ist eine „sanfte Macht“, mit anderen Worten: Die Methode „Überzeugen durch Einmischen“ hat sich in Georgien als sinnvoll erwiesen, als es Präsident Saakaschwili gelang, die angeheizte Situation zu beruhigen und den Prozess wieder hin zur Demokratie zu lenken. Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig, die Wirksamkeit der Nachbarschaftspolitik vor dem Hintergrund der Ereignisse in Georgien systematisch zu prüfen. Die georgische Macht steht auf dem Prüfstand. Auf jeden Fall ist der Dialog mit der gespaltenen Opposition, die aus diesem Prozess nicht ausgeschlossen werden darf, unerlässlich. Trotz unserer Unterstützung muss Tiflis bei den Wahlen im Januar zeigen, wie stark das demokratische System des Landes tatsächlich ist.
Josep Borrell Fontelles (PSE). – (ES) Herr Präsident! Als Sonderbeauftragter der spanischen OSZE-Präsidentschaft hatte ich die Gelegenheit, eines unserer konfliktträchtigsten Nachbargebiete zu besuchen: den Kaukasus; und das Beste, was angesichts des Geschehens in Georgien all den „schwelenden“ Konflikten passieren könnte, wäre, dass sie einfach weiter „schwelen“, weil wir in keinem von ihnen eine klare Verbesserung erreichen konnten; die Ereignisse in Georgien, die treffend beschrieben worden sind, veranschaulichen, wie schwierig der Weg zur uneingeschränkten Demokratie ist.
Der Kaukasus bildet heute die Front des neuen kalten Krieges, eines lokalisierten kalten Krieges. Bei der Ankunft in Tiflis wird man mit einem großen Bild von Präsident Bush begrüßt und bei der Ankunft an der Grenze zu Ossetien mit einem großen Bild von Präsident Putin, was diese neue Konfrontationen symbolisiert, die wir überwunden glaubten.
Was geschehen ist, ist geschehen, nun ist es aber unsere Verantwortung, die Nachbarschaftspolitik zu nutzen, um dazu beizutragen, dass die Wahlen im Januar frei und gerecht verlaufen. Das wird schwierig werden. Es ist schwierig, innerhalb weniger Monate von einem Ausnahmezustand, in dem Demonstrationen gewaltsam unterdrückt werden und die Medien mit brutaler Gewalt geschlossen worden sind, zu einem Klima der Freiheit zu gelangen, das eine freie demokratische Wahl gestattet; es ist schwierig, sich vorzustellen, dass wir von einer Lage, in der der Bürgerbeauftragte auf den Straßen der Stadt von der Polizei geprügelt wird, zu einer Lage gelangen können, in der die Bürger frei ihren Präsidenten wählen können. Genau das ist aber das Problem.
Wir, das Europäische Parlament, müssen uns massiv einbringen und uns an der Überwachung der Wahlen durch die OSZE und durch die von uns zu entsendenden Beobachter beteiligen, denn hier steht ein entscheidender Schritt auf dem Weg in Richtung Demokratie auf dem Spiel in einer der konfliktträchtigsten Regionen in unserer Nachbarschaft.
Samuli Pohjamo (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Auch ich möchte den Verfassern dieses Berichts für ihre hervorragende Arbeit danken. Ich möchte betonen, wie wichtig die Rolle der lokalen und regionalen Behörden sowie der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist.
Wenn wir die europäischen Werte in den Nachbarländern fördern wollen, dann kommt dem Kultur- und Studentenaustausch sowie erfolgreichen, gemeinsam in der Praxis durchgeführten Projekten eine Schlüsselrolle zu. Auch der Ausschuss für regionale Entwicklung hat an die ausgezeichneten Erfahrungen mit dem Prinzip der Partnerschaft im Rahmen der Kohäsionspolitik erinnert. Diese guten Erfahrungen sollten auch bei der Umsetzung der ENP genutzt werden.
Ein echtes Gefühl der Annäherung wird auch dadurch erreicht, dass die Barrieren im Grenzverkehr abgebaut werden und die Mobilität von Studenten, Forschern, Künstlern, Journalisten, Unternehmern und anderen erleichtert wird.
Bogusław Rogalski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Wenn wir über die Europäische Nachbarschaftspolitik sprechen, dürfen wir nicht vergessen, zunächst einmal die Regierungen zu unterstützen, die Grundfreiheiten und Menschenrechte achten und die jene Länder zur Achtung dieser Rechte anhalten, die noch gegen sie verstoßen. Für die Stabilität des europäischen Kontinents ist das von grundlegender Bedeutung.
Die Liste der in die ENP eingebundenen Länder ist lang. Ich möchte Sie auf zwei Länder, die Ukraine und Belarus, die in die ENP aufgenommen werden können, aufmerksam machen.
Die Ukraine muss für uns vorrangig sein, und die gegenwärtigen Verhandlungen mit diesem Land sollten zum Abschluss eines Assoziierungsabkommens führen und seine spätere Mitgliedschaft in der EU ermöglichen. Eine solche Politik ist für uns eine Versicherung gegen die aufkeimenden Ambitionen Russlands und den weiteren Versuch, die Ukraine zu einem Vasallenstaat zu machen.
Schließlich Belarus – die Initiative der Kommission, Belarus als Beobachter zur ENP-Konferenz einzuladen, erscheint mir verfrüht. Wir dürfen nicht vergessen, dass in diesem Land nach wie vor die Diktatur Lukaschenkos herrscht, die gegen Menschenrechte und die Rechte ethnischer Minderheiten verstößt. Die EU täte besser daran, dem Volk und der Opposition in Belarus eine wirksamere Unterstützung zukommen zu lassen. Eine Senkung der Visumkosten für Belarussen und vor allem für Studenten könnte ein positives Signal in diese Richtung sein. Die Kommission sollte dies umgehend einleiten.
Jana Hybášková (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte die Kommission zunächst zur Zusammenarbeit an einem solch einzigartigen Konzept wie der ENP beglückwünschen. Damit kann endlich eindeutig zwischen dem Erweiterungsinstrument und der ENP unterschieden werden.
Europa befindet sich in einem sehr friedlichen Prozess, der bisher äußerst erfolgreich verlaufen ist. Die ENP repräsentiert das notwendige Maß an kreativem Denken, das den Frieden und die Stabilität für unsere Kinder sichern und schützen wird. Energiesicherheit, Zuwanderung und Terrorismusbekämpfung stellen alle enorm wichtige Fragen dar. Je klarer, präziser und analytischer und je weniger politisch wir vorgehen, umso besser sind wir für die entsprechenden Bedrohungen gerüstet. Gestatten Sie mir deshalb, im Rahmen dieses speziellen Kontextes nach der Rechtsgrundlage zu fragen.
Einige Aktionspläne laufen demnächst ab. Insbesondere verweise ich auf den Aktionsplan EU-Israel, der im April 2008 endet. Der deutsche Ratsvorsitz hat eine Reflexionsgruppe eingerichtet, deren Hauptaufgabe darin besteht, klare Vorgaben für die künftige Arbeit zu machen. In der Zwischenzeit, Frau Kommissarin, wird Ihre Arbeit, unsere Arbeit in Israel sehr positiv reflektiert.
Dem Rat und der Kommission ist ein Non-Paper zugegangen, aus dem der Wunsch Israels nach einer Verstärkung unserer bilateralen Beziehungen, einem jährlichen Treffen EU-Israel und nach regelmäßiger Zusammenarbeit auf hoher Ebene hervorgeht. Frau Kommissarin, meine Frage lautet: Wie wird sich die Kommission mit diesem Non-Paper auseinander setzen und wie wird die Kommission an einem neuen Aktionsplan arbeiten? Wie wird unser neuer Aktionsplan oder erweiterter Aktionsplan unsere Bedenken reflektieren – von der Terrorismusbekämpfung, dem Kampf gegen Extremismus, der Fremdenfeindlichkeit über die Energiesicherheit und natürlich Menschenrechtsfragen bis hin zu internationalen Fragen, den Genfer Konventionen? Wie wird sich all das niederschlagen, und welche Antwort werden wir der Reflexionsgruppe und dem deutschen Ratsvorsitz geben?
Alexandra Dobolyi (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin ebenfalls sehr besorgt über die Krise in Georgien und muss zugeben, dass ich negativ überrascht bin. Die jüngsten Ereignisse sind aus der Sicht all jener, die sich eine demokratische Entwicklung in Georgien wünschen, höchst bedauerlich. Die Berichte von Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch sowie des georgischen Bürgerbeauftragten sind äußerst beunruhigend.
In Anbetracht der aktuellen Lage begrüße ich die Erklärung des Präsidenten des georgischen Parlaments, dass der Ausnahmezustand am Freitag aufgehoben werden soll und dass das Leben der Georgier in zwei Tagen hoffentlich zur Normalität zurückkehren wird. Die derzeitige Lage unterminiert meiner Ansicht nach den Ruf der Regierung wie auch von Herrn Saakaschwili, der im Zuge friedlicher Proteste 2003 als demokratischster Führer im Kaukasus an die Macht gelangte.
Die Tatsache, dass Präsident Saakaschwili bereits für den 5. Januar 2008 Präsidentschaftswahlen ausgerufen hat, ist ein positiver Schritt, der bereits zu einer Entspannung der Lage im Land beigetragen hat. Doch die Regierung muss demokratische und freie Wahlen in Übereinstimmung mit internationalen Standards durchführen, um der Welt zu zeigen, dass das Land auf dem richtigen Weg ist. Deshalb muss die Regierung garantieren, dass alle Kandidaten während der Wahlkampagne frei ihre Meinung äußern können. Ich begrüße den Dialog, der zwischen den Behörden und der Opposition stattfindet; das ist ein positives Zeichen. Ich fordere alle Beteiligten auf und erwarte von ihnen, dass sie während der gesamten Wahlkampagne verantwortungsbewusst agieren und einen konstruktiven Beitrag zur Durchführung freier und sicherer demokratischer Wahlen leisten.
Grażyna Staniszewska (ALDE). – (PL) Herr Präsident! In Verbindung mit der Nachbarschaftspolitik ist es äußerst wichtig, dass unseren osteuropäischen Nachbarn die Türen der Europäischen Union weiterhin offen stehen. Die Mitgliedschaft kann langfristig eine Möglichkeit sein, hängt sie doch vom Fortschritt der Reformen und der Erfüllung der Kopenhagen-Kriterien ab, aber sie hat auch große symbolische und politische Bedeutung. Aufgrund der Erfahrungen meines eigenen Landes weiß ich, dass allein schon die Möglichkeit der EU-Mitgliedschaft die Kraft hat, um die Gesellschaft zu mobilisieren und um den Weg wirtschaftlicher Reformen und des demokratischen Wandels einzuschlagen.
Heute senden wir im Europäischen Parlament ein klares und positives Signal an unsere östlichen Partner aus. Nun erwarten wir ihre Reaktion, nicht nur in Form politischer Erklärungen, sondern, und das ist das Wichtigste, in Form praktischer wirtschaftlicher und sozialer Maßnahmen. Wir erwarten von Ihnen, den Weg der Reformen und der Demokratie fortzusetzen, ihre Justizsysteme zu reformieren und sie von politischen Einflüssen unabhängig zu machen, die Korruption zu bekämpfen und ein positives Umfeld für wirtschaftliches Wachstum zu schaffen.
Ich bin davon überzeugt, dass eine demokratische und wohlhabende Ukraine und eine demokratische und wohlhabende Republik Moldau und – lassen Sie es uns hoffen – irgendwann auch Belarus nicht nur für die Bevölkerung dieser Länder, sondern auch für die gesamte Europäische Union gut wären.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Nachbarschaftspolitik zählt zu den Mechanismen, die darauf abzielen, die Schaffung eines Gebiets rund um die EU zu unterstützen, in dem konfliktfreie Zusammenarbeit möglich ist. Zugleich soll die Bildung einer kulturellen und wirtschaftlichen Kluft an den EU-Grenzen vermieden werden. Ich teile die Bedenken der Berichterstatter, dass es ein Fehler wäre, die Länder des Mittelmeerraums in die gleiche Politik einzubinden. Es wäre weitaus besser, eine EU-Mittelmeer-Partnerschaft mit eigenen Mechanismen zu schaffen.
Meines Erachtens sollten nur die Länder, die Landgrenzen zur EU haben, in die Nachbarschaftspolitik aufgenommen werden. Die Beteiligung an dieser Politik sollte für das betreffende Land ein Schritt in Richtung EU-Mitgliedschaft sein, aber natürlich nur, wenn die Länder selbst und die EU dies wünschen. Künftig werden wir über die Schaffung einer separaten EU-Asien-Politik für die Zusammenarbeit mit Ländern in Asien nachdenken müssen, die wirtschaftlich und politisch mit der Europäischen Union kooperieren möchten, beispielsweise Georgien und Armenien. Wir müssen unsere Tätigkeiten nach Regionen unterteilen.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (LT) Uns ist bewusst, dass das Ziel der Europäischen Nachbarschaftspolitik darin besteht, Sicherheit und Stabilität in der Union zu schaffen, enge Beziehungen zu benachbarten Ländern aufzubauen und diesen Ländern die Umsetzung demokratischer Reformen, die auf der Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beruhen, zu ermöglichen. Meine Frage wäre: Welchen Preis sind wir bereit zu zahlen, um diese Ziele zu erreichen?
Angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit möchte ich betonen, dass es für die Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik geeigneter Mittel bedarf. Meiner Auffassung nach sind elf Milliarden Euro für einen Zeitraum von sieben Jahren und für sechzehn Länder nicht besonders viel. Die wirksamere Koordination der Finanzinstrumente und -politiken ist im Sinne einer besseren Finanzierung der Europäischen Nachbarschaftspolitik von grundlegender Bedeutung. Die anstehende EU-Haushaltsreform ist eine hervorragende Gelegenheit, einen Grundstein für eine künftig weit wirksamere Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu legen. Ich kann keinesfalls Herrn Pflügers Auffassung teilen, dass dies nur eine Verschwendung von Steuergeldern wäre.
Ich möchte einen weiteren Punkt hervorheben, der die Beziehungen zwischen den EU-Nachbarstaaten betrifft. Sie müssen gute Beziehungen miteinander pflegen und einander unterstützen. Zweifelsohne wären sie in der Lage, die meisten ihrer Probleme zu lösen, wenn sie zusammenarbeiten würden. Deshalb sollte das Europäische Parlament seine direkte Unterstützung der EURO-NEST – der Parlamentarischen Versammlung EU-Nachbarschaft Ost – zum Ausdruck bringen, politische Entschlossenheit zeigen, und die Umsetzung dieses Projektes finanziell unterstützen. EURO-NEST wäre der Ausgangspunkt für eine wirksamere Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik und würde die parlamentarische Komponente dieser Politik, in deren Rahmen die Europäische Union ihre ehrbare Mission erfüllen könnte, beträchtlich steigern.
Jamila Madeira (PSE). - (PT) Die Rolle der Europäischen Union in der Welt ist nunmehr von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, Gleichgewichte zu schaffen, die für die Erhaltung des Weltfriedens und der weltweiten Gerechtigkeit wesentlich sind. Die Logik, sich insbesondere über bilaterale Abkommen mit anderen Ländern zusammenzuschließen, darf daher nicht die Entwicklung eines multilateralen Ansatzes, den eine globale Vision von uns verlangt, unterminieren.
Der unbestreitbare Einfluss der universalen Menschenrechte und die Garantie der Grundfreiheiten in den Beziehungen der EU mit der Welt müssen jeden Dialog mit jedem Partner auf der Welt untersetzen, insbesondere im Zusammenhang mit der Mittelmeerregion.
Aufgrund der geografischen Nähe der Region zu Europa, ihrer in Jahrhunderten gewachsenen Gemeinsamkeiten, ihrer kulturellen Vielfalt und anhaltenden politischen Instabilität muss die EU sehr entschlossen handeln, um diese Grundprinzipien zu gewährleisten. Aus diesem Grund gratuliere ich den Berichterstattern zu der Bedeutung, die sie diesen Aspekten in ihrem Bericht über die Europäische Nachbarschaftspolitik beimessen.
Der von Präsident Sarkozy unterbreitete Vorschlag über die Mittelmeerunion stellt ganz andere Zusammenhänge her. Wenngleich er auch extrem nützlich ist, weil er die Debatte über den Mittelmeerraum wieder aufleben lässt, so schlägt er doch auf der einen Seite vor, die gegenwärtige Partnerschaft aufzulösen. Auf der anderen Seite werden die grundlegenden Prinzipien der EU vor allem in Bezug auf eine Vormachtstellung der universalen Menschenrechte und der Grundfreiheiten verleugnet und, einem Fall-zu-Fall-Pragmatismus folgend, der auf eine Beziehung mit mehreren Geschwindigkeiten abstellt, als zweitrangige Fragen behandelt.
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Abschwächung, in die sich unsere Partner flüchten, oder Spaltungen zu unterstützen. Wir müssen insbesondere in Bezug auf Rechte Entwicklung und Fortschritt fördern, während wir stets sicherstellen müssen, dass wir unsere Investitionen so einsetzen, dass sie Möglichkeiten für Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung in der ganzen Region erschließen.
Daher ist die Vollendung der Freihandelszone bis 2010, die sich auf die gesamte Region erstreckt, ein erreichbares Ziel. Allerdings dürfen wir dabei niemals unsere Achtung humanistischer und demokratischer Werte und Rechte aufgeben.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). – (RO) Ich begrüße den Bericht von Herrn Tannock. Wir brauchen Nachbarn, die die Standards der Europäischen Union erfüllen, egal, ob und wann sie Mitglied der Europäischen Union werden.
Deshalb glaube ich, dass eine gezielte Nachbarschaftspolitik erforderlich ist. Wir sollten nämlich nicht nur der Entwicklung der Situation Aufmerksamkeit schenken, sondern auch besagte Länder bei ihren Anstrengungen, den vorgeschriebenen Standards gerecht zu werden, unterstützen.
Bezüglich der Lage in Georgien sind Präsident Saakaschwilis Entscheidungen, vorgezogene Präsidentschaftswahlen und ein Referendum zur Durchführung von Parlamentswahlen durchzuführen sowie den Ausnahmezustand aufzuheben, begrüßenswert.
All diese Maßnahmen werden zur Wiederherstellung eines demokratischen, für die Wiederaufnahme von Diskussionen und Verhandlungen über eine praktikable Entschärfung der heiklen Situation in Georgien günstigen Klimas beitragen.
Auch ich erachte es für notwendig, dass die Mechanismen der Rechtsstaatlichkeit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Medien wiederhergestellt werden. Ich ersuche alle politischen Kräfte in Georgien, beim Entwurf eines Gesetzes zur Regelung audiovisueller Tätigkeiten zusammenzuarbeiten, um Situationen wie der jüngsten vorzubeugen.
Die zurzeit regierende Partei ist die Partei, die seit 2003 ein kohärentes System von Reformen in Schlüsselbereichen in die Wege geleitet und unterstützt hat. Diese Reformen wiederum haben eine sichtbare wirtschaftliche Entwicklung zur Folge, die Georgien in Richtung einer funktionierenden Marktwirtschaft und einer echten Demokratie voranbringen.
Unter derselben Regierung wurde die Schaffung von Mechanismen zur effizienteren und tatsächlichen Durchführung des Aktionsplans mit der Europäischen Union unterstützt und die Entwicklung in Richtung Europa intensiviert.
Gleichzeitig ist Georgien zu einem strategischen Partner in der Nachbarschaftspolitik geworden, der für die Lösung der eingefrorenen Konflikte in der Region unentbehrlich ist, ein guter Mittler, ein wichtiger Partner im Rahmen der regionalen Zusammenarbeit und ein strategischer Verbündeter bei Projekten der Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Verkehr.
Die Ansprüche und die Haltung der Opposition sollten berücksichtigt werden, aber im Kontext der politischen und wirtschaftlichen Gesamtsituation sowohl intern als auch innerhalb der Region beurteilt werden. Meiner Ansicht nach sollten wir sorgfältig beobachten, was in den Krisengebieten Georgiens passiert und wie sich die Russische Förderation verhält, insbesondere im Zusammenhang mit dem sich nähernden Termin der Entscheidung über den Status des Kosovo.
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich werde speziell auf die Mittelmeerregion eingehen, deren Bedeutung für die Außenpolitik Europas die beiden Berichterstatter zu Recht hervorheben, wofür ich ihnen danken möchte. Weil ich ein starkes europäisches Engagement in dieser Region unterstütze, möchte ich vor der Gefahr einer Auflösung der Europäischen Mittelmeerpolitik in der umfassenden Nachbarschaftspolitik der Union warnen.
Es dürfen sich keine Rivalitäten zwischen den osteuropäischen Ländern und unseren südlichen Nachbarn entwickeln. Die ENP ist als eine bilaterale Ergänzung zum multilateralen Barcelona-Prozess gedacht, der, das darf nicht vergessen werden, seit 1995 den Bezugsrahmen für die Gestaltung der Beziehungen im Mittelmeerraum bildet. Daher darf weder die ENP noch irgendein anderes auf die Mittelmeerstaaten gerichtete Projekt die Ziele von Barcelona überdecken oder ersetzen, die auf den drei Säulen – der Partnerschaft für die politische, die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung – beruhen, ohne die es keine wirkliche regionale Integration geben kann.
Lassen Sie mich daher zwei Punkte hervorheben. Erstens muss bei der Mittelbereitstellung Ausgewogenheit zwischen den osteuropäischen Ländern und den Mittelmeerländern gewahrt werden. Davon hängt die Beibehaltung einer starken und ambitionierten europäischen Politik für die Mittelmeerregion ab. Zweitens, mit Blick auf die geplante Freihandelszone Europa-Mittelmeer, die das Thema meines Berichts an das Parlament Anfang dieses Jahres war, möchte ich ein abgestimmtes und schrittweises Vorgehen anmahnen, das es diesen Ländern ermöglicht, das Tempo und die Intensität der kommerziellen Öffnung unter Berücksichtigung ihrer eigenen Besonderheiten und insbesondere der Anfälligkeit bestimmter Sektoren ihrer Wirtschaft zu steuern. Das Ziel muss ein Handel im Dienste der Entwicklung sein.
Abschließend möchte ich den Wunsch äußern, dass diese Faktoren in den Bericht einbezogen werden, weil sie für die Festlegung einer klaren, auf einer strategischen Auffassung von der langfristigen Entwicklung und Stabilisierung dieser Region beruhenden Mittelmeerpolitik notwendig sind.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Lassen Sie mich den Berichterstattern zu ihrer gründlichen Arbeit an diesem Thema gratulieren. Ich muss allerdings hervorheben, dass wir, wenn eines unserer Hauptziele die Schaffung eines friedlichen Raumes ist, auf die politische Zukunft der betreffenden Länder achten müssen.
Lassen Sie mich Ägypten als Beispiel anführen. Weiß irgendjemand von uns, was in der Zeit nach Mubarak geschehen wird? Ich fürchte nicht. Ist uns nicht klar, dass Ägypten früher oder später von der Muslimischen Brüderschaft, einer großen islamischen Extremistenorganisation, übernommen werden wird? Aus diesem Grund müssen wir uns vergegenwärtigen, dass eine solche Situation all unsere Pläne in diesem Gebiet untergraben wird.
Ich möchte hier nicht noch einmal meinen Vorschlag aus der letzten Aussprache über diesen Bericht im Vorjahr wiederholen. Ich hatte vorgeschlagen, für diese Länder eine Nationengemeinschaft zu gründen, um die Beziehungen in der politischen Nachbarschaft zu stärken.
Gestatten Sie mir abschließend daran zu erinnern, dass die europäische politische Nachbarschaft gemeinsam mit dem Beitritt der Zehn vorangebracht wurde, und zwar mit dem Ziel, der Bildung neuer Trennlinien zwischen benachbarten Ländern entgegenzuwirken. Aus diesem Grund muss die europäische politische Nachbarschaft zusammenstehen, und zwar geografisch geschlossen und in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den östlichen und südlichen Gebieten.
Darüber hinaus ist der Grundsatz der Vielfalt wichtiger denn je, denn die Länder der europäischen politischen Nachbarschaft weisen politische, wirtschaftliche und sogar kulturelle Unterschiede auf. Er darf aber nicht dazu benutzt werden, die Abstände zwischen diesen Ländern noch zu vergrößern.
Evgeni Kirilov (PSE). – (EN) Herr Präsident! Kommissarin Ferrero-Waldner hatte Recht, als sie eingangs feststellte, dass die ENP demokratische Reformen anstoßen soll. Die georgische Regierung muss den normalen demokratischen Prozess im Land wieder vollständig herstellen und sich bei allem, was sie tut, strikt an die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit halten. Vor allem müssen wir unsere Besorgnis über schwer wiegende Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Zugangs zu Informationen zum Ausdruck bringen. In dieser Situation kommt es darauf an, dass der politische Dialog wieder aufgenommen und im Interesse der Bürger und der Demokratie im Land ein Kompromiss gefunden wird.
Besonders beunruhigend finde ich die Gewalt, mit der die Polizei gegen friedliche Demonstranten vorgegangen ist. Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Regierung nicht kritikfähig ist. Die Rechtfertigung, man habe angeblich eine Verschwörung zum Staatsstreich vereiteln müssen, an der Russland nicht ganz unbeteiligt gewesen sei, ist, um es vorsichtig auszudrücken, höchst umstritten. Außerdem ist klar, dass ein erfolgreicher Herausforderer der Opposition, der derzeit auf der politischen Szene noch nicht auszumachen ist, kaum pro-russisch sein dürfte.
Wir begrüßen die Entscheidung von Präsident Saakaschwili, die Präsidentschaftswahlen vorzuziehen. Die heutige Nachricht, dass der Ausnahmezustand aufgehoben wird, ist ebenfalls ein positives Signal. Ab jetzt erwarten wir, dass alle notwendigen Bedingungen für freie und faire Wahlen erfüllt werden. Eine dieser Bedingungen ist die Meinungsfreiheit, und das bedeutet, dass alle Medien, die im Zuge der jüngsten Entwicklungen geschlossen worden waren, wie Imedi TV und Kafkasya TV, in der Lage sein sollten, ihren normalen Betrieb wieder aufzunehmen. Das müssen wir ganz klar zum Ausdruck bringen.
Ich glaube, dass Präsident Saakaschwili mutig genug sein und die negativen Tendenzen der letzten Wochen umkehren wird. Er hat nach seiner Wahl eine gute Reformpolitik in Georgien eingeleitet, die unterstützt werden sollte. Außerdem glaube ich, dass die demokratische Entwicklung des Landes genau überwacht und vom Europäischen Parlament unterstützt werden sollte.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Da wir nur wenig Zeit haben, werde ich mich sehr kurz fassen, was auch in meinem Sinne ist, da ich ja bei der Fragestunde anwesend sein werde. Wir haben eine lange und intensive Aussprache geführt, die meines Erachtens die wesentlichen Aspekte der Nachbarschaftspolitik abgedeckt hat.
Ich bin ferner der Auffassung, dass wir in grundlegenden Fragen wie beispielsweise der, dass die Nachbarschaftspolitik eine weit greifende und umfassende in den Norden, aber auch in den Osten und Süden gerichtete Politik sein muss, einen breiten Konsens gefunden haben. Gleichzeitig müssen die besonderen Charakteristika der Länder, an die sie sich richtet, berücksichtigt werden. Natürlich müssen wir die besonderen Merkmale und Bedürfnisse unserer Partner beachten, ebenso wie wir nach Maßgabe dieser Bedürfnisse und besonderen Merkmale die erforderlichen Instrumente nutzen müssen. Die Europäische Nachbarschaftspolitik verfolgt ein einziges Ziel, das für alle Partner gleichermaßen gilt, nämlich den Aufbau einer Partnerschaft, die ihnen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und die Stärkung des Rechtsstaates und ihrer Demokratien bringt.
Ich muss allerdings sagen, dass ich in diesem Gremium und anderen Gremien gelegentlich Überlegungen oder sogar den Vorschlag und den Rat höre, wir sollten möglicherweise die Mittel und Instrumente erhöhen. Das sind großzügige Ideen, die ich nachvollziehen kann, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass eine Erweiterung der Instrumente oder Aufstockung der Mittel, d. h. der Ressourcen, häufig einfach nicht funktioniert, weil die Aufnahmekapazität unserer Partnerländer begrenzt ist. Natürlich sähen auch wir eine Erhöhung der Mittel gern, aber, wie ich gesagt habe, ist die Aufnahmekapazität unserer Partner häufig begrenzt ist, sodass mehr finanzielle Mittel die Programme nicht wirksamer werden lassen oder zu schnelleren oder sichtbareren Ergebnissen führen.
Meiner Auffassung nach hat die Kommission bei der Wahl der Bereiche, in denen Partnerschaften mit den Ländern aufgebaut werden könnten, die diese Verbindungen mit uns eingegangen sind, richtig entschieden. Die Kommission agiert in einer Vielzahl von Bereichen, einschließlich dem Aufbau von Verwaltungskapazitäten, der Stärkung des Rechtssystems und der Unterstützung von Organisationen der Zivilgesellschaft sowie für die allgemeine und berufliche Bildung – mit der Nachbarschaftspolitik wird eine ganze Bandbreite von Bereichen abgedeckt. Wie ich gesagt habe, besteht das wichtigste Ziel darin, dass diese Partner eine Entwicklung erfahren können, die auch im Interesse der Europäischen Union liegt.
Der Rat wird die Vorschläge, die die Kommission ihm im Zusammenhang mit der Europäischen Nachbarschaftspolitik zur Billigung vorlegt, natürlich auch künftig genau prüfen, und er steht dem Parlament für Diskussionen und Aussprachen über Ideen, Anregungen und Vorschläge gern zur Verfügung.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich ebenfalls so kurz fassen, wie es mir möglich ist. Ich möchte lediglich feststellen, dass dies meines Erachtens eine fruchtbare Aussprache war, und ich möchte den beiden Berichterstattern nochmals danken. Es ist deutlich geworden, dass sich sehr viele Abgeordnete in dieser sehr wichtigen Diskussion äußern wollten.
Ich möchte nur kurz auf einige Fragen eingehen. Erstens ist es richtig, dass Mauretanien nunmehr ein Partnerland im Euromed-Prozess ist, aber es ist nicht Bestandteil der Nachbarschaftspolitik. Das wollte ich klarstellen; die Mittel für Mauretanien fallen nach wie vor unter die Rubrik AKP.
Zu meinem zweiten Punkt möchte ich besonders deutlich werden. Von einigen Abgeordneten kam die Kritik, dass Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht unsere Hauptziele darstellten. Im Gegenteil. Sie können jeden einzelnen Aktionsplan hernehmen: Einer der wichtigsten Teile ist die Schaffung von Grundlagen für eine möglichst umfassende Entwicklung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Aber das dauert natürlich seine Zeit, und unsere Zusammenarbeit mit diesen Ländern konzentriert sich dabei auf den Justizapparat und das Justizsystem, was natürlich eine Voraussetzung für Veränderungen in der Praxis darstellt.
Dann sagte ein Abgeordneter der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie, dass er keine weitere Zuwanderung möchte. Dazu möchte ich ihm sagen, dass Visaerleichterungen immer Hand in Hand mit Rückübernahmeabkommen gehen. Wir bekämpfen also die illegale Zuwanderung, wollen aber gleichzeitig die Kontakte zwischen den Völkern erleichtern und bisweilen auch einige Ideen in Bezug auf die legale Zuwanderung anwenden, was für viele unserer Länder aufgrund der alternden Bevölkerung ebenfalls notwendig ist.
Viertens ein Wort zu den schwelenden Konflikten. Natürlich ist die Nachbarschaftspolitik allein nicht in der Lage, alle schwelenden Konflikte zu lösen. Dafür haben wir auch Sonderbeauftragte von Herrn Solana, dem Generalsekretär des Rates. Doch mithilfe der Nachbarschaftspolitik versuchen wir, die dafür günstigsten Bedingungen zu schaffen. Und das ist sehr wichtig beispielsweise im Hinblick auf Israel und Palästina, wenn wir über den Maghreb sprechen oder wenn es um die Länder Osteuropas geht.
Eine weitere Frage betraf den Sonderstatus von Israel. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass wir, wie ich gegenüber der israelischen Außenministerin Tzipi Livni bei unserem Gespräch in London bereits feststellte, über eine Reflexionsgruppe verfügen. Die Reflexionsgruppe hat ihre Arbeit aufgenommen. Die auf dem Tisch liegenden Ideen sind vor allem von israelischer Seite aus sehr ehrgeizig. Aber wir müssen schauen, dass sich dies in den kohärenten Gesamtrahmen der Nachbarschaftspolitik einfügt. Doch innerhalb dieses Rahmens können wir sicherlich eine ganze Menge tun. Und genau darüber denken wir im Moment nach und diskutieren entsprechende Möglichkeiten. Ich kann mir vorstellen, dass wir im kommenden Jahr im Rahmen des nächsten Assoziierungsrates entsprechende Vorschläge vorlegen werden. Wir haben das also nicht vergessen; wir arbeiten daran.
Ein letztes Wort zu Georgien: Viele Kollegen, einschließlich meiner geschätzten Kollegin Lydie Polfer, die sich zu Georgien geäußert haben, schätzten die Lage als sehr komplex ein. Wir alle wissen, dass einerseits die Spannungen zwischen der Opposition und der Regierung groß sind, dass es aber möglicherweise auch andere Tendenzen gibt. Deshalb ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass Präsident Saakaschwili Präsidentschaftswahlen ausgerufen hat. Er sagte, dass er die Bevölkerung zum Termin der Präsidentschaftswahlen konsultieren werde. Ich hoffe sehr, dass die von uns unterstützten Reformbemühungen fortgesetzt werden. Falls die derzeitige Krise nicht auf demokratischem Weg gelöst werden kann, wird das Vertrauen in die georgische Regierung großen Schaden nehmen. Wir werden selbstverständlich alles tun, um Georgien zu unterstützen.
Mein letzter Punkt betrifft die Finanzierung. Es wurde vielfach eine Aufstockung der Mittel gefordert. Doch Sie sollten wissen, dass der Europäische Investitionsfonds bzw. die Investitionsfazilität, die immer wieder erwähnt wird, die Möglichkeit bieten, mehr Mittel für Länder bereitzustellen, die diese für Infrastrukturprojekte, Energie, Verkehr usw. brauchen. Wir haben also gesagt, dass die uns zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen. Deshalb hätten wir gern mehr Mittel.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Abstimmung über den Bericht von Raimon Obiols i Germà und Charles Tannock morgen früh stattfindet und dass die Abstimmung über die zum Abschluss der Aussprache über die Erklärungen des Rates und der Kommission eingereichten Texte am 29. November 2007 in Brüssel stattfindet.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Marianne Mikko (PSE), schriftlich. – (EN) Als Vorsitzende der Delegation für die Republik Moldau möchte ich Herrn Tannock für seine Feststellung danken, dass die Republik Moldau die Kriterien für eine Beitrittsperspektive gemäß Artikel 49 des Maastrichter Vertrags erfüllt. Mein Dank gilt außerdem seinem Ko-Berichterstatter, Herrn Obiols i Germà, für diesen ausgewogenen und gründlichen Bericht.
Moldau befindet sich nicht in der Nachbarschaft von Europa, sondern liegt geografisch in Europa und sollte deshalb ein Recht auf EU-Beitritt haben, sobald die Kopenhagener Kriterien erfüllt sind.
Obwohl der Aktionsplan EU-Moldau noch lange nicht vollständig umgesetzt ist, müssen wir uns überlegen, worin die nächsten Schritte bestehen sollen. Wir brauchen mehr Anreize, um unsere Partner in Europa zu einschneidenden Reformen zu motivieren.
Dazu sind deutlich großzügigere finanzielle und andere Ressourcen im Rahmen der ENP erforderlich. Für eine realistische Chance auf Lösung der schwelenden Konflikte in Transnistrien und im Kaukasus bedarf es umfassender ESVP-Missionen. Derzeit stehen keine Ressourcen für die Bildung derartiger Missionen zur Verfügung.
Abschließend bleibt festzustellen, dass eine Politik, die sowohl den Ländern, die geografisch zu Europa gehören, als auch den nicht europäischen Mittelmeerländern gerecht wird, schwer vorstellbar ist. Der Geltungsbereich der ENP muss künftig eindeutig neu ausgerichtet werden. Vor allem muss ihre östliche Komponente klarer definiert werden.
José Ribeiro e Castro (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Ich gratuliere den Berichterstattern zu ihrer hervorragenden Arbeit. Die Entschließung, die wir billigen, wird die Vision des Parlaments im Bereich der Nachbarschaftspolitik konsolidieren und die von uns im Januar 2006 definierten Linien weiterentwickeln.
Aus diesem Grund ist es so wichtig, den Änderungsanträgen 1 und 2 zuzustimmen, und ich danke Herrn Tannock dafür, dass er sie vorgelegt hat. Mit diesen Anträgen werden Punkte bekräftigt, die bereits gebilligt wurden und die jetzt nicht vergessen werden dürfen. Sie betreffen unsere nachbarschaftlichen Beziehungen an der Grenze zum Südatlantik. Es ist wichtig, noch einmal an die besondere Situation der Inselstaaten zu erinnern, die an unsere Randregionen grenzen – die Kanarischen Inseln, Madeira und die Azoren – und mit denen wir historisch und besonders eng verbunden sind. Aus diesem Grund müssen wir auch unsere Aufforderung an die Kommission bekräftigen, besondere Politiken vorzuschlagen und zu entwickeln, um die Europäische Nachbarschaftspolitik so umfassend wie möglich auf unsere benachbarten Inseln im Atlantik, nahe dem europäischen Kontinent, auszudehnen, weil dabei nicht nur unsere geografische Nähe eine besondere Rolle spielt, sondern auch kulturelle und historische Gemeinsamkeiten und das gemeinsame Interesse an gegenseitiger Sicherheit.
Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit nutzen und die jüngste Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Kap Verde ausdrücklich begrüßen.
11. Fragestunde (Anfragen an den Rat)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Anfragen an den Rat (B6-0382/2007).
Wir behandeln die folgenden Anfragen.
Anfrage Nr. 1 von Manuel Medina Ortega (H-0777/07)
Betrifft: Einwanderungspolitik mit „Drehtür“-Effekt
Einige maßgebliche Politiker und Fachleute haben den Abschluss eines Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten ins Gespräch gebracht, durch das die Kontrolle der Außengrenzen der Union mit einer neuen Einwanderungspolitik mit „Drehtür“-Effekt verbunden werden könnte, damit die rechtmäßig in der Union niedergelassenen Einwanderer in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, ohne Angst haben zu müssen, dass ihnen die Türen zur Rückkehr in die Union verschlossen werden.
Hält der Rat diesen Ansatz für gangbar und meint er, dass diese Politik einfach durch zwischenstaatliche Zusammenarbeit eingeführt werden könnte, oder dass hierfür vielmehr die Schaffung neuer institutioneller Mechanismen notwendig wäre?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Wie der Herr Abgeordnete sicherlich weiß, hat die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Ausschuss der Regionen im Mai 2007 eine Mitteilung über die zirkuläre Migration und Mobilitätspartnerschaften zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten vorgelegt. In dieser Mitteilung betrachtet die Kommission die zirkuläre Migration als ein nützliches Mittel, das auf Gemeinschaftsebene entwickelt werden sollte, um einen effektiven Umgang mit den Migrationsströmen zu gewährleisten. In den Schlussfolgerungen vom Juni 2007 zur Ausweitung und Verbesserung des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage hat der Rat betont, dass legale Migrationsmöglichkeiten, einschließlich einer gut durchdachten zirkulären Migration, für alle beteiligten Partner von Nutzen sein könnten.
Der Rat ist der Auffassung, dass alle gut durchdachten zirkulären Migrationsmöglichkeiten in enger Zusammenarbeit mit allen relevanten Parteien im Hinblick auf die Annahme von Schlussfolgerungen des Rates bis spätestens Ende 2007 genutzt werden sollten. Die Erfordernis, diese zirkulären Migrationsmöglichkeiten basierend auf der Mitteilung der Kommission vom 16. Mai 2007 zu prüfen, wurde in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2007 noch einmal bekräftigt. Der Rat untersucht gegenwärtig die Frage der Annahme spezifischer Instrumente und Maßnahmen zur Erleichterung der zirkulären Migration und die Frage, wie solche Maßnahmen umgesetzt werden könnten.
Die Kommission hat bisher keine speziellen Maßnahmen vorgeschlagen.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich denke, dass die portugiesische Präsidentschaft dieser Thematik genügend Aufmerksamkeit schenkt, ich denke, dass die Reaktion richtig war.
Ich bin mir bewusst, dass der portugiesischen Präsidentschaft nicht mehr viel Zeit bleibt, denn dieses halbe Jahr ist ziemlich kurz; ich weiß aber nicht, ob Sie denken, dass ein konkreter Vorschlag noch vor dem 31. Dezember formuliert werden kann, oder ob Sie die Kommission auffordern wollen, konkretere Vorschläge vorzulegen, vor allem hinsichtlich des institutionellen Aspekts und der Frage, ob die Mechanismen, über die wir heute verfügen, ausreichend sind oder ob es sinnvoll wäre, eine Art Institution zu schaffen, die diese zirkuläre Migration erleichtert.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident! Ich möchte dem Herrn Abgeordneten für seine freundlichen Worte danken. Die Präsidentschaften sind aufgrund der Sommerpause in der zweiten Jahreshälfte in der Tat immer ein bisschen kürzer. Ich bin nicht sicher, ob das ein Glück ist oder nicht. Wir würden in dieser Frage bis Jahresende gern weitere Fortschritte erzielen, aber bis zu einem gewissen Grad sind wir auch von den Initiativen abhängig, die die Kommission vorlegen möchte und die uns ein weiteres Vorankommen ermöglichen würden. Das wären unsere Absicht und unser Wunsch. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das nicht garantieren, aber wir werden selbstverständlich alle Möglichkeiten nutzen, die sich uns bieten.
Josu Ortuondo Larrea (ALDE). – (ES) Herr Präsident! Ich teile die Ansicht der Ratspräsidentschaft bezüglich der Einwanderungspolitik mit „Drehtür“-Effekt und unterstütze auch die neuen Ideen der Einführung einer Blue Card, um hochqualifizierte Migranten anzuziehen.
Dennoch möchte ich die Ratspräsidentschaft fragen, ob sie davon überzeugt ist, dass wir – angesichts der Tatsache, dass es Länder in der Welt gibt, deren Entwicklung auf einem so armen und niedrigen Stand ist – in der Lage sein werden, den gewaltigen Zustrom von Einwanderern in die Europäische Union einzudämmen, den wir jedes Jahr zu verzeichnen haben.
Emanuel Jardim Fernandes (PSE). - (PT) In Bezug auf die zirkuläre Immigration wüsste ich gern, ob es für eine solche Immigration nicht einen besonderen Mechanismus geben sollte, insbesondere mit Blick auf die Ausbildung in den betroffenen Ländern. Ich denke da beispielsweise an Ärzte und Schwestern aus Malawi, die in Großbritannien leben.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Die Frage der zirkulären Immigration wurde oder wird noch diskutiert und wurde in einer größeren Aussprache über die Frage der Immigration in Europa schnell von der Kommission aufgeworfen, wobei es im Besonderen um die illegale und die legale Immigration ging. Sie war einer der Mechanismen, über die in der Aussprache über immigrationsbezogene Fragen gesprochen wurde. Die Kommission hat sich mit dieser Angelegenheit befasst und den Rat aufgefordert, das ebenfalls zu tun und sie zu diskutieren. Meiner Meinung nach werden zirkuläre Immigrationsmechanismen allein die in diesem Bereich und in dieser Aussprache aufgeworfenen Probleme nicht klären. Es handelt sich um eine Maßnahme, die ein Vorschlag und eine Möglichkeit sein könnte, unsere Belastungen zu mindern und Fragen zur Immigration und in diesem Fall sogar zur legalen Immigration zu klären, aber sie wird mit Sicherheit nicht alle diesbezüglichen Probleme lösen. Dazu bedarf es natürlich einer größeren Bandbreite von Politiken, die der Rat, wie Sie wissen, auf Vorschlag der Kommission tatsächlich diskutiert.
Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass das portugiesische Präsidentschaftsprogramm alle Fragen zur Immigration, ganz gleich, ob zur illegalen oder zur legalen Immigration, vorrangig behandelt. Auf dem Rat im Dezember, der das Ende unserer Präsidentschaft darstellen wird, möchten wir eine Reihe von Schlussfolgerungen zu allgemeinen Fragen der legalen Immigration und zur Bekämpfung der illegalen Immigration vorstellen, was ein Zeichen für wirkliche Fortschritte in diesen beiden Bereichen ist.
Bezüglich konkreter technischer Fragen zu einzelnen Gruppen hat der Rat die gegenwärtigen Überlegungen, die er anstellt und anstellen muss, noch nicht abgeschlossen, und ich bin mir sicher, dass der Herr Abgeordnete verstehen wird, dass ich Ihnen im Augenblick nichts über die Ergebnisse dieser Überlegungen sagen kann, vor allem nicht zu sehr spontanen und speziellen Fragen.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 2 von Claude Moraes (H-0779/07)
Betrifft: Lastenverteilung in Verbindung mit Asyl und Einwanderung
Welche Fortschritte wurden in Verbindung mit dem Rahmenprogramm für Solidarität und die Steuerung der Migrationsströme für den Zeitraum 2007-2013 in Bezug auf das Konzept der „Lastenverteilung“ erzielt?
Welche konkreten Schritte werden von den Mitgliedstaaten unternommen, um zu gewährleisten, dass ihre Verantwortlichkeiten im Bereich Asyl und Einwanderung gerecht aufgeteilt werden?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Im Mai 2007 haben das Europäische Parlament und der Rat drei Entscheidungen verabschiedet: die Entscheidung zur Schaffung des Europäischen Flüchtlingsfonds 2008-2013, die Entscheidung zur Schaffung des Außengrenzenfonds 2007-2013 und die Entscheidung zur Schaffung des Europäischen Rückkehrfonds 2008-2013. Im Juni 2007 hat der Rat darüber hinaus die Entscheidung zur Schaffung eines Europäischen Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen 2007-2013 verabschiedet. Diese vier Entscheidungen sind ein Bestandteil des Rahmenprogramms „Solidarität und Steuerung der Migrationsströme“.
Analog zu den Zielen des Europäischen Rates besteht das Ziel dieses Programms darin, die finanziellen Belastungen aufgrund der Einführung einer integrierten Verwaltung der EU-Außengrenzen und der Einführung gemeinsamer Asyl- und Immigrationspolitiken fair auf die Mitgliedstaaten zu verteilen.
Der Europäische Flüchtlingsfonds erfüllt die Bestimmungen gemäß Artikel 63 Absatz 2 Buchstabe b des EG-Vertrags über die Annahme von Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen und vertriebenen Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten.
Der Rat strebt aber auch mit anderen Mitteln eine Förderung der Solidarität an. Die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. September 2007 über die Stärkung der südlichen Seegrenzen der EU haben beispielsweise Mitgliedstaaten bestärkt, Mitgliedstaaten, die einem besonderen Druck ausgesetzt sind, auf bilateraler Basis zu helfen, wobei sie festhielten, dass eine solche Unterstützung auf der Ebene von Rückführungseinsätzen, Aufnahmebedingungen, Sachkenntnissen in der fallbezogenen Arbeit oder freiwilligen Tätigkeiten zur Übernahme der Verantwortung für Asylantragsteller, Flüchtlinge, Personen, die subsidiären Schutz genießen, oder unbegleitete Minderjährige erfolgen kann.
Claude Moraes (PSE). – (EN) Das war eine umfassende Darlegung dessen, was Lastenverteilung theoretisch bedeutet. Wir kennen die Instrumente, aber ich will Sie offen fragen, in Bezug auf Malta, Lampedusa und die Kanarischen Inseln, wie sieht da die Umsetzung aus? Sind Sie der Meinung, dass die Mitglieder des Rates, einschließlich derer in Westeuropa, in den letzten sechs Monaten ernsthaft ihrer Verpflichtung zur Lastenverteilung nachgekommen sind, wenn es um diese Gegenden geht, die sich in einer Notlage befinden? Einige unserer Kolleginnen und Kollegen hier wissen das und sehen es jeden Tag.Niemand hält Portugal für irgendwie gleichgültig in dieser Frage, aber setzt der Rat aktiv die Lastenverteilung in die Tat um? Wird sie verwirklicht? Bitte geben Sie uns Ihre ehrliche Antwort.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Es ist mir eine Freude, dem Herrn Abgeordneten antworten zu dürfen, und natürlich spreche ich im Namen der portugiesischen Ratspräsidentschaft und in Übereinstimmung mit ihren Überlegungen in dieser Frage. Der Herr Abgeordnete weiß, dass Migration und Migrationsströme, insbesondere illegale Migrationsströme speziell aus Regionen südlich von Europa, ein neues Problem darstellen, mit dem wir uns bis vor wenigen Jahren gar nicht befassen mussten.
Natürlich müssen wir auf dieses neue und unbekannte Phänomen reagieren und geeignete Maßnahmen ergreifen. Wie es immer der Fall ist, nehmen solche Maßnahmen, die Reaktion und die angesprochenen Instrumente nur nach und nach Gestalt an, ebenso wie unser Bewusstsein für die Bedeutung und Schwere dieses Problems nur nach und nach Gestalt annimmt. In dieser Hinsicht muss ich sagen, dass für die portugiesische Ratspräsidentschaft und für Portugal als Mitgliedstaat das Schlüsselwort in dieser Frage Solidarität lautet. So, wie uns allen bewusst ist, dass im Falle von anderen Probleme, die einen oder zwei Mitgliedstaaten berühren, diese als ein Problem für jeden zu betrachten sind, so lautet auch im Zusammenhang mit illegaler Migration das Schlüsselwort Solidarität, denn uns ist allen klar, dass diese Phänomene häufig einzelne Staaten im Besonderen betreffen.
Es stimmt, dass wir häufig nichts anderes tun, als zu reden, und es stimmt, dass wir mehr tun müssen und sollten, als nur zu reden. Doch die Erkenntnis, dass die betreffende Frage ein globales Problem ist, das jeden berührt und für das jeder verantwortlich ist, stellt einen ersten Schritt dar. Wir sind davon überzeugt, dass wir uns auch weiterhin schrittweise und realistisch, aber auch mit der gebotenen Dringlichkeit auf die „Solidarität“ berufen und sie gleichzeitig in konkrete Aktionen und Maßnahmen umsetzen können. Das ist die Rolle der Präsidentschaft und das ist die Aufgabe, die Portugal als ein Mitgliedstaat erfüllen muss. Sie werden sicher verstehen, dass es einem einzelnen Mitgliedstaat oder einer einzelnen Präsidentschaft nicht möglich ist, Einfluss auf alle Ereignisse und Maßnahmen zu nehmen, so wünschenswert das auch sein mag. Aber ich kann Ihnen versichern, dass das Bewusstsein dafür, dass wir diese Verantwortung teilen und die Solidarität in die Tat umsetzen müssen, ständig wächst.
Simon Busuttil (PPE-DE). – (MT) Bei allem Respekt, Herr amtierender Ratsvorsitzender, bin ich nicht von Ihrer Antwort überzeugt, denn während der Ministerrat darüber nachdenkt, ertrinken Menschen im Mittelmeer und gibt es Mittelmeerländer, die mit der Notsituation nicht umgehen können. Deshalb haben Sie mich nicht überzeugt. Ich werde Ihnen eine präzise Frage stellen. Malta hat dem Rat einen Vorschlag zur Lastenteilung unterbreitet. Darin wird gefordert, Migranten, die aus Gewässern außerhalb der EU-Gewässer, beispielweise libyschen Gewässern, gerettet werden, unter allen EU-Staaten aufzuteilen. Ich möchte nun wissen, wie die Antwort des Rates lautet.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Ich kenne diese Situation und ich kenne diese Frage, die die Regierung von Malta in dieser Hinsicht aufgeworfen hat. Ihre Frage ist mit der Antwort, die ich bereits einem Kollegen gegeben habe, ebenfalls beantwortet: Die Präsidentschaft und Portugal als Mitgliedstaat sind sich bewusst, dass Portugal auch ein südliches Land ist, und wir werden deshalb alles in unseren Kräften Stehende tun, um sicherzustellen, dass das Wort „Solidarität“ in die Praxis umgesetzt wird, wobei wir gleichzeitig die tatsächlich vorhandenen Schwierigkeiten und Probleme berücksichtigen müssen. Wie so häufig sind auch in diesem Fall Ausdauer und Beharrlichkeit gefragt.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 3 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0781/07)
Betrifft: Maßnahmen zur Sicherstellung menschenwürdiger Lebensbedingungen für illegale Einwanderer, insbesondere Frauen und Kinder
Was wird der Rat tun um sicherzustellen, dass illegale Einwanderer, insbesondere Frauen und Kinder während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts unter menschenwürdigen Bedingungen leben und die Mitgliedstaaten alle in gleicher Weise ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident! Ich weiß nicht, ob die Geschäftsordnung dies vorsieht oder nicht, aber wenn eine Anfrage eingereicht wird, wüsste ich gern genau, von welchem bzw. welcher Abgeordneten sie stammt, denn offensichtlich richtet sich meine Antwort in erster Linie an sie bzw. ihn.
Ich bin sicher, dass Sie wissen, dass der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger besondere Bestimmungen für die Behandlung solcher Bürger vorsieht. Artikel 13 des Vorschlags für eine Richtlinie sieht Mindestgarantien für die Aufenthaltsbedingungen bis zur Rückführung aller durch diese Richtlinie abgedeckten Personen vor. In Artikel 15 werden die Bedingungen vorläufigen Gewahrsams festgelegt und die Behandlung definiert, die den Drittstaatsangehörigen bis zu ihrer Rückführung zuteil werden muss. In Artikel 15(3) wird festgehalten, dass der Situation schutzbedürftiger Personen besondere Aufmerksamkeit gilt. Für Minderjährige werden besondere Bestimmungen festgelegt. Wie Ihnen ferner bekannt ist, prüfen das Europäische Parlament und der Rat diesen Vorschlag für eine Richtlinie gegenwärtig.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Vielen Dank, Herr Präsident! Gestatten Sie mir, die Bemerkungen von Herrn Moraes zu wiederholen: Theoretisch beantworten Sie unsere Fragen sehr gut und ausführlich. Aber welche Verantwortung übernehmen die Mitgliedstaaten, wenn uns Ihre Analysen noch nicht vorliegen? Gibt es internationale Verträge, und gelten sie für alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise, oder tragen einige Mitgliedstaaten aus besonderen Gründen mehr oder weniger bei? Welche Verantwortung haben die Beitrittsländer, die illegalen Immigranten, in erster Linie Frauen und Kindern, als Transitländer dienen? Auf unserer gestrigen Sitzung erwähnte ich dem Kommissar gegenüber, dass sogar ein 14-jähriger Schlepper illegaler Immigranten verhaftet worden sei.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Ich habe gerade gesagt, dass der Rat und das Europäische Parlament gegenwärtig einen Vorschlag für eine Richtlinie diskutieren, in dem diese Frage aufgeworfen wird. Da der Vorschlag für eine Richtlinie noch nicht verabschiedet wurde, kann ich nicht genau sagen, welche Maßnahmen die Richtlinie zur Verteidigung und zum Schutz der Schwächsten, die den größten Schutz benötigen, vorsehen wird. Wir werden sehen. Dieser Vorschlag für eine Richtlinie berücksichtigt die Frage des Schutzes der Schwächsten.
Ich kann Ihnen klar sagen, dass wir, die portugiesische Präsidentschaft, wenn wir die Frage illegaler Immigration ansprechen, immer auch feststellen, dass ihre Bekämpfung auf zwei grundlegenden Prinzipien basiert: Solidarität und Achtung der Menschen und der humanitären Tragödie, die hinter dem Phänomen steckt. Wir dürfen die Menschen nicht wie Gegenstände behandeln, und weder die Präsidentschaft noch Portugal akzeptieren oder haben jemals akzeptiert, dass das humanitäre Ausmaß nicht berücksichtigt oder in diesen Situationen nur als zweitrangig betrachtet werden sollte. Das ist unsere prinzipielle Position als Präsidentschaft, es ist aber auch unsere prinzipielle Position als ein EU-Mitgliedstaat, und es ist eine Position, von der wir unter keinen Umständen abweichen werden.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 4 von Georgios Papastamkos (H-0784/07)
Betrifft: Europäische Sicherheitsstrategie
Welche Ergebnisse erbrachte die Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie bislang? Welches sind insbesondere die Ergebnisse der Ausdehnung der Sicherheitszone auf die europäische Peripherie? Ist der Rat mit der Strategie Frieden durch regionale Integration und regionale Integration durch Frieden im geopolitischen Umfeld der EU zufrieden?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Herr Abgeordneter! In den vier Jahren, die seit der Verabschiedung der Europäischen Sicherheitsstrategie im Dezember 2003 verstrichen sind, hat sich die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union dynamisch weiterentwickelt.
Wir haben erfolgreich auf die in der Europäischen Strategie erkannten Bedrohungen reagiert und uns an der Konzeption orientiert, die unserem Ansatz zugrunde liegt. Wir mussten aktiver, kohärenter und kompetenter vorgehen. Wir sind den neuen Bedrohungen des Terrorismus, der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionalen Konflikten, dem Verfall des Staats und dem organisierten Verbrechen mit vielen konkreten Maßnahmen begegnet, die die ganze Bandbreite der derzeit in der Europäischen Union verfügbaren Instrumente aufzeigen. Dazu gehören diplomatische Maßnahmen, zivile und militärische Missionen und Handels- und Entwicklungsaktivitäten.
Wir haben einen effektiven Multilateralismus befürwortet, indem wir unsere Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen beim Krisenmanagement, dem Kampf gegen den Terrorismus und der Nichtverbreitung unterstützt und verstärkt haben. Unsere Aktivitäten in Bezug auf die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind unser sichtbarster Beitrag zum globalen Frieden und zu globaler Sicherheit und Ausdruck unserer Bereitschaft, globale Verantwortung zu übernehmen. Seit 2003 haben wir in verschiedenen Teilen der Welt 16 Krisenmanagementoperationen, vier militärische und 12 zivile, veranlasst. Diese Operationen im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erstrecken sich auf drei Kontinente und reichen von rein militärischen Operationen wie der Reform des Sicherheitssektors und der institutionellen Entwicklung bis hin zu Polizeimissionen zur Sicherung des Rechtsstaats. Von Aceh bis Ramallah, von Kinshasa bis Sarajevo – die EU stellt die wichtigsten Katalysatoren für Frieden und Stabilität bereit.
Der Druck auf die Union steigt jedoch. Wir haben gerade beschlossen, eine Militärmission in den Tschad und in die Zentralafrikanische Republik zu entsenden, um bei der Lösung der regionalen Folgen der Darfur-Krise zu helfen. Wir sind ferner bereit, eine Polizeimission zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im Kosovo durchzuführen. Wir haben von den westlichen Balkanstaaten und von Osteuropa bis zum Mittelmeer aktiv am Frieden und an der Stabilität in unserer Nachbarschaft gearbeitet und dabei alle uns zur Verfügung stehenden Mittel genutzt. Meiner Auffassung nach zeigen die Arbeit des Hohen Vertreters Javier Solana, die EU-Erweiterungspolitik, der Barcelona-Prozess, die gerade hier diskutierte Europäische Nachbarschaftspolitik, die Sondervertreter der EU in Bosnien-Herzegowina, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Moldau und im Südkaukasus sowie der Friedensprozess im Nahen Osten ebenso wie die Rolle der EU als Mitglied des Nahostquartetts und der Kosovo-Troika und die anderen Missionen im Rahmen der ESVP, die ich angesprochen habe, unsere Entschlossenheit, in unserer Nachbarschaft für Sicherheit zu sorgen.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Präsident. Ich habe wirklich den Eindruck, dass die europäische Sicherheitsstrategie in Missionen außerhalb des europäischen Kontinents erfolgreicher ist als bei der Bewältigung der Herausforderungen innerhalb der EU. Ich bin der Auffassung, dass Situationen wie die im Kosovo, der Umgang mit einer aufkeimenden Krise, die Politik der Konditionalität in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, einem Beitrittsland, dessen politisches System sehr marode ist, und die Angst vor Russland, unabhängig davon, ob sie gerechtfertigt ist oder nicht, unsere Kollegen aus den Ländern des früheren Osteuropas beschäftigen – all dies fordert uns heraus, eine kohärentere und wirksamere Europäische Sicherheitsstrategie zu definieren.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) In dieser Plenartagung haben wir gerade über die Europäische Nachbarschaftspolitik diskutiert, die sich an eben unsere Partner auf diesem Kontinent richtet. Man kann meines Erachtens wohl davon ausgehen, dass diese Europäische Nachbarschaftspolitik, die Teil unserer Strategie ist, trotz der möglicherweise existierenden Schwierigkeiten und möglicher Verbesserungen gut funktioniert und dafür gesorgt hat, dass viele unser Partner und Nachbarn Stabilität, wirtschaftlichen Fortschritt und eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung genießen können.
Aus wohlbekannten historischen Gründen erleben viele unserer Partner jetzt das, was man als Übergangsphasen, Festigung der Demokratie und Festigung der Rechtsstaatlichkeit bezeichnen könnte, und wie es so häufig der Fall ist, sind auch diese Prozesse nicht frei von Schwierigkeiten, Umbrüchen oder Problemen. Das trifft auf einige dieser Länder vielleicht zu. Wir haben vorhin über Georgien gesprochen, und ich sagte, dass ich auf der Tagung des Assoziationsrates mit Georgien vor etwa drei Wochen den Vorsitz geführt und dabei die Gelegenheit hatte, unsere georgischen Kollegen darüber zu informieren, dass wir beispielsweise im Bereich der Wirtschaft trotz der Probleme, die das Land mit Russland hat, hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung mit Freude bedeutende Fortschritte festgestellt haben. Daher müssen wir auf die erheblichen Fortschritte vorbereitet sein, die wir erwarten und wünschen. Aus allseits bekannten Gründen müssen wir gelegentlich aber auch mit einem, wie wir aufrichtig hoffen vorübergehenden, Rückschritt rechnen. Wir hoffen, dass die Staaten und Länder rasch zum Fortschritt und zur Stärkung des Rechtsstaats zurückkehren werden.
Aus diesem Grund muss ich dem Herrn Abgeordneten in aller Ehrlichkeit sagen, dass, obwohl die Bürger der Europäischen Union mit Blick auf die erreichbaren wie auch erreichten Ergebnisse selbst manchmal zu großer Bescheidenheit neigen, wir uns selbst gegenüber doch sozusagen etwas wohlgesonnener sein können. Meiner Meinung nach haben wir trotz der Schwierigkeiten etwas erreicht.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) In Anbetracht dessen, was die Verträge der Union und der Inhalt des Reformvertrags zum Thema Sicherheit und Verteidigung sagen, und in Anbetracht dessen, was der Präsident der Französischen Republik hier gestern gesagt hat und dass Frankreich im nächsten Jahr die Präsidentschaft übernehmen wird, könnte der Rat dem Hause mitteilen, ob er sich eine gemeinsame Verteidigungspolitik innerhalb der Europäischen Union noch in der laufenden Wahlperiode des Parlaments oder in der nächsten vorstellt und wann es seiner Meinung nach dazu kommen könnte?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Wie dem Herrn Abgeordneten bekannt ist, kommentiert der Rat keine Reden von Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten. Natürlich habe ich die Auffassung von Präsident Sarkozy, des Staatschefs eines wichtigen EU-Mitgliedstaats, zur Kenntnis genommen. Ob wir in die Richtung gehen oder nicht, in Richtung eines Europas mit einer gestärkten Verteidigung, darüber wird der Rat zu entscheiden haben. Wie Sie sich vorstellen können, kann ich der Entscheidung des Rates nicht vorweggreifen. Wenn das die Entscheidung des Rates ist – und wie Sie wissen, ist der Bereich Verteidigung ein besonderer Bereich, für den es eines starken Konsenses bedarf –, dann können wir den Weg weiter fortsetzen, aber die Entscheidung liegt offensichtlich in den Händen des Rates. Ich habe keine Kristallkugel und kann Ihnen also nicht sagen, wie weit diese Idee reichen wird. Wir werden sehen, aber da es sich um einen Vorschlag von Präsident Sarkozy handelt, werden wir uns ihn, wie all seine Vorschläge, mit größter Aufmerksamkeit anhören.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 5 von Bernd Posselt (H-0788/07)
Betrifft: Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien
Wie beurteilt der Rat den aktuellen Stand der Annäherung Mazedoniens an die EU, und wann hält er die Nennung eines Datums für den Beginn von Beitrittsverhandlungen für möglich bzw. wünschenswert?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Herr Abgeordneter! Die Entscheidung des Europäischen Rates vom Dezember 2005, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Beitrittslandes zuzuerkennen, ist in Anerkennung der Reformen des Landes erfolgt. Der Europäische Rat stellte fest, dass weitere Schritte in Richtung einer EU-Mitgliedschaft erstens auf der Grundlage der Debatte über die Erweiterungsstrategie gemäß den Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2005 geprüft werden müssten, die in den „erneuerten Konsens“ über die Erweiterung, welcher auf dem Europäischen Rat am 14. und 15. Dezember 2006 erzielt wurde, mündete; zweitens geht es um die Erfüllung der Kopenhagen-Kriterien durch die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; drittens geht es um die Auflagen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses und die wirksame Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens, und der letzte Punkt betrifft die Forderung nach weiteren beträchtlichen Fortschritten bei der Erfüllung anderer Aufgaben und Kriterien für eine Mitgliedschaft, die in der Stellungnahme der Kommission enthalten sind, sowie die Umsetzung der Prioritäten der Europäischen Partnerschaft.
Die Kommission hat die Entwicklung in ihren Zwischenberichten detailliert untersucht. Ausgehend von der Einschätzung der Lage in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien gemäß dem Bericht der Kommission von 2006 bedauerte der Rat in seiner Sitzung vom 11. und 12. Dezember 2006, dass das Reformtempo 2006 nachgelassen hat. Am 14. und 15. Dezember 2006 hat der Europäische Rat nachdrücklich bekräftigt, dass der Fortschritt eines jeden Landes in Richtung Union weiterhin von dessen Bemühungen um die Erfüllung der Kopenhagen-Kriterien und der Konditionalitäten des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses abhängt. Der Rat forderte die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien auf, die Reformen in Schlüsselbereichen zu beschleunigen und die in der Europäischen Partnerschaft aufgezeigten Schwerpunkte umzusetzen, um das Beitrittsverfahren weiter voranzubringen. Das vierte Treffen des Stabilisierungs- und Assoziierungsrates zwischen der Europäischen Union und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien fand am 24. Juli statt. In ihrem gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf den Stabilisierungs- und Assoziierungsrat verwies die Union mit insbesondere Nachdruck darauf, dass Stabilität und die reguläre Funktionsweise demokratischer Institutionen grundlegende Aspekte der für die Sicherung von Fortschritten in Richtung europäische Integration wesentlichen politischen Kriterien sind. Organe wie die Regierung, das Parlament und der Präsident müssen funktionieren und effektiv zusammenarbeiten. Sie müssen auch differenzierte Rollen spielen und verfassungsgemäß handeln. Es gilt, dauerhaft ein konstruktives politisches Klima zu schaffen, sodass sich das Land auf die für einen Fortschritt in Richtung Union erforderlichen Reformen konzentrieren kann. Außerdem müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um Vertrauen zwischen den ethnischen Gemeinschaften auf allen Ebenen herzustellen. Die Union hat daran erinnert, dass die nachhaltige Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid Hauptbestandteil der politischen Kriterien sei. Es muss alles getan werden, um einen größtmöglichen politischen Konsens zu den entsprechenden Reformen zu erzielen, und zwar in absoluter Übereinstimmung mit Text und Geist des Abkommens.
Auf dem Treffen wurde ferner daran erinnert, wie wichtig Fortschritte in den Bereichen Justiz und Inneres insbesondere für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption sind. Gleichzeitig hat der Rat daran erinnert, dass die regionale Zusammenarbeit und gute nachbarschaftliche Beziehungen ein wesentlicher Bestandteil des EU-Integrationsprozesses sind. Abschließend möchte ich feststellen, dass der Rat den am 6. November von der Kommission veröffentlichten Bericht derzeit sehr sorgfältig prüft. Dieser wird Gegenstand der Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen im Dezember sein.
Bernd Posselt (PPE-DE). - Danke, Herr Präsident, für Ihre sehr ausführliche Antwort. Ich habe nur zwei kurze Zusatzpunkte. Erstens: Halten Sie es für denkbar, dass im nächsten Jahr ein solcher Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen beschlossen wird? Der Kandidatenstatus besteht nämlich schon über zwei Jahre, und man sollte sich doch endlich einen Termin überlegen.
Zweite Zusatzfrage: Wie schaut es denn aus, versucht man das mit anderen Staaten, wie Serbien, zu verbinden, oder behandelt man diesen Staat wirklich separat von anderen?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Wie der Herr Abgeordnete verstehen wird, kann ich nicht sagen, ob wir für das kommende Jahr ein Datum für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien festlegen können oder nicht. Bevor solche Verhandlungen beginnen können, müssen schwierige und anspruchsvolle Bedingungen und Kriterien erfüllt werden, sodass die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien in Abhängigkeit davon, inwiefern sie diese Kriterien und Bedingungen erfüllt, früher oder auch später über den Zeitpunkt der Aufnahme von Verhandlungen informiert werden wird. Was ich allerdings sagen würde ist, dass das Beitrittsland besser in der Lage ist, diese Frage zu beantworten, als die Europäische Union.
Was die Verbindung von Beitrittsverfahren betrifft, so hält die Präsidentschaft daran fest und hat immer daran festgehalten, dass jedes Beitrittsland anhand seiner eigenen Leistungen separat zu beurteilen ist. Wenn ein Kandidatenland zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen berechtigt ist, weil es die entsprechenden Verpflichtungen und Bedingungen erfüllt, so sollte ihm dieser Status unabhängig von parallelen Verfahren mit anderen Kandidatenländern zuerkannt werden.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 6 von Sarah Ludford (H-0790/07)
Betrifft: Erhaltung der Tiger
Welche Maßnahmen hat die EU ergriffen und welche zusätzlichen Maßnahmen werden in Betracht gezogen, um Indien und andere Länder mit Tigerbestand zur Erhaltung der Tigerpopulationen anzuhalten und sie dabei zu unterstützen, und zwar so, dass die örtliche Bevölkerung in den Schutz der Tigerpopulationen eingebunden wird?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Frau Abgeordnete! Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) bildet einen rechtlichen Rahmen für den Erhalt der Tiger und anderer gefährdeter Spezies. Die EU und ihre Mitgliedstaaten unterstützen CITES sowohl politisch als auch finanziell sehr konsequent.
In den vergangenen Jahren hat die EU besonders betont, dass eine größere Konzentration der Maßnahmen in der praktischen Umsetzung von CITES-Kontrollen erforderlich ist, um die illegale Schlachtung und den Handel zu reduzieren und einen nachhaltigen Handel der Tierarten zu gewährleisten. Um diese Notwendigkeit zu untermauern, hat die Kommission Empfehlung Nr. 2007/425/EG vom 13. Juli 2007 verabschiedet, in der eine Reihe von Maßnahmen zur Durchsetzung der Verordnung des Rates (EG) Nr. 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels festgelegt werden. Die Tierart „Panthera tigris“ wird inzwischen in Anhang A der Verordnung der Kommission (EG) Nr. 1332/2005 vom 9. August 2005 und in Anhang I des CITES geführt, was bedeutet, dass Exemplare dieser Art nur unter außergewöhnlichen Umständen und nach strikten Kriterien bewegt werden dürfen. Diese Kriterien gelten nur dann als erfüllt und eine Entscheidung zur Genehmigung des Handels kann nur dann erteilt werden, wenn Bestätigungen darüber vorliegen, dass die Tätigkeit dem Erhalt der Art keinen Schaden zufügt.
Wir möchten Sie ferner auf die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit und insbesondere den Aufbau von Kapazitäten für eine leichtere Umsetzung der Politiken für den Erhalt und eine nachhaltige Nutzung wildlebender Tier- und Pflanzenarten in den Staaten, in denen solche Arten gefunden werden, aufmerksam machen. Die EU hat die Entscheidungen in Bezug auf asiatische Großkatzen unterstützt, die auf der 14. Vertragsstaatenkonferenz von CITES Anfang dieses Jahres verabschiedet wurden und eine Stärkung der Anwendungs- und Erhaltungsmaßnahmen zum Ziel haben.
Ferner sind wir bereit, Indien und andere Staaten des Verbreitungsgebiets bei der Umsetzung dieser Entscheidungen zu unterstützen. Uns ist bewusst, dass die wirksame Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen die Einbindung der örtlichen Bevölkerung erfordert. Im Rahmen von CITES haben wir betont, dass es erforderlich ist, die Unterstützung und Zusammenarbeit lokaler und ländlicher Gemeinden im Umgang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten sicherzustellen und folglich den illegalen Handel mit ihnen zu bekämpfen.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Ich danke der Präsidentschaft sehr dafür und werde die erwähnten Dokumente lesen.Das Problem ist jedoch, dass sich die Tiger in einer sehr kritischen Lage befinden. Wahrscheinlich leben nur noch 3 000 in freier Wildbahn. Dort könnten sie bis zum Jahr 2020 ganz ausgerottet sein. Das Hauptproblem ist die Wilderei, verursacht durch den lukrativen illegalen Handel mit Tigerfellen und -körperteilen, der sich bis nach Osteuropa erstrecken soll. Die indischen Forstbehörden sagen, sie seien infolge chronischer Unterfinanzierung nicht in der Lage, es mit den Wildererbanden aufzunehmen. Kann die EU hier Hilfe leisten? Gibt es gezielte Projekte?Ein chinesischer Beamter sagte kürzlich, es sei sehr schwierig, dem Drängen nach einer Freigabe des Tigerhandels zu widerstehen. Sicher kann da einerseits Aufklärung einiges bewirken, aber man muss auch der örtlichen Bevölkerung ein wirtschaftliches Interesse daran vermitteln, einen größeren Bestand zu erhalten. Was unternimmt die EU gegenwärtig in Bezug auf gezielte Projekte?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Frau Abgeordnete! Sie werden feststellen, dass ich mich sehr umfassend und ausführlich zum internationalen rechtlichen und justiziellen Rahmen geäußert habe, in dem die Europäische Union existiert und agiert. Natürlich habe ich auch den Willen, die Bereitschaft und das Engagement des Rates zum Ausdruck gebracht, innerhalb dieses Rahmens sein Möglichstes zu tun, damit die von ihm vorgesehenen Maßnahmen wirksam angewendet werden.
Ferner habe ich sehr transparent gesagt, dass uns klar ist, dass wir mit der örtlichen Bevölkerung zusammenarbeiten müssen, die direkten Kontakt zu diesen gefährdeten Arten hat. Der Kampf gegen Wildern und ähnliche illegale Aktivitäten ist nicht leicht, wie alle mit Erfahrungen auf diesem Gebiet wissen. Ihnen ist bewusst, dass es ein schwieriger, aber dringend notwendiger Kampf ist. Das ist eine Einschätzung, die ich teile.
Die gesamte europäische Öffentlichkeit steht in dieser Sache hinter Ihnen, denn die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem illegalen Handel gefährdeter Arten zeigen, dass sich die Menschen heute weitaus stärker als in der Vergangenheit darüber im Klaren sind, dass auf diese Fragen aufmerksam gemacht werden muss. Der Druck der öffentlichen Meinung und die öffentliche Aufmerksamkeit in dieser Angelegenheit sind daher weitaus größer als noch vor Jahren. Daher können Sie natürlich auf dieses öffentliche Bewusstsein zählen, das auch erforderlich ist, damit wir, die EU, und unsere Mitgliedstaaten effektiver handeln können. Wie ich schon sagte, muss uns klar sein, dass das ein schwieriger Kampf ist.
David Martin (PSE). – (EN) Herr Ratspräsident! Sie haben sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Sie und der ganze Rat sich für den Schutz und die Erhaltung der Tiger engagieren. Der indische Premierminister hat ebenso in einer Reihe von Stellungnahmen sein leidenschaftliches Eintreten für die Sache der Tiger kundgetan. Da wir mit Indien in bilateralen Verhandlungen stehen, um einen neuen bilateralen Vertrag zwischen der EU und Indien aufzusetzen, meinen Sie, wir könnten dieses Thema in den Vertrag aufnehmen und noch über unsere gegenwärtigen Verpflichtungen im Rahmen von CITES hinausgehen, um durch Aufklärung, Ausbildung und Schutz zu helfen – Maßnahmen, von denen Baroness Ludford gesprochen hat?
Reinhard Rack (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident! Meine Frage passt in dieses Konzept, aber sie geht ein bisschen in eine andere Richtung. Ich glaube — und Sie haben zu Recht davon gesprochen —, dass die Bevölkerung an Fragen wie den hier angesprochenen, großen Anteil hat. Auf der anderen Seite — und Sie haben auf die rechtliche Situation hingewiesen — ist es tatsächlich richtig, dass wir uns im Rahmen der Europäischen Union jetzt für alle Fragen, die irgendjemanden in der Europäischen Union tief bewegen, tatsächlich eine Gesetzgebungs- oder eine Vertragskompetenz arrogieren? Oder sollten wir hier nicht auch ein bisschen Zurückhaltung üben?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Ich muss leider gestehen, Herr Präsident, dass ich die zweite Frage nicht ganz verstanden habe, vielleicht liegt es an Verzögerungen beim Dolmetschen.
Was die Frage bezüglich des Tigers und des Dialogs mit Indien angeht, muss ich ehrlich und offen sagen, dass das eine spezifische Frage ist, über die ich noch nicht nachgedacht habe, aber über die wir künftig nachdenken werden. Ausgehend davon nehme ich den Vorschlag des Herrn Abgeordneten zur Kenntnis. In unserem bilateralen Dialog mit Indien – ein EU-Indien-Gipfel steht an – können wir diese Frage der geschützten Arten sowie Möglichkeiten für einen besseren Schutz von gefährdeten Arten ebenfalls diskutieren.
Ich muss gestehen, dass ich Ihre zweite Frage vermutlich aufgrund der Verdolmetschung nicht verstanden habe.
Reinhard Rack (PPE-DE). - Danke vielmals, und entschuldigen Sie, dass ich so rasch gesprochen habe. Ich wollte ganz bewusst die Zeit nicht überziehen. Ich meine, es ist wichtig, dass wir solche Anliegen aufgreifen, wenn sie der europäischen Bevölkerung ein Anliegen sind. Wir sollten uns auf der anderen Seite aber auch der juristischen Grenzen der Union bewusst sein und hier ganz bewusst auch im Rahmen unserer Möglichkeiten diese Grenzen respektieren.
Der Weg den Sie vorgeschlagen haben, erscheint mir ein interessanter zu sein, aber wir sollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, die Union beanspruche für sich, für alle weltweiten Fragen zuständig zu sein.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Ich teile die Auffassung des Herrn Abgeordneten. Die Europäische Union kann und darf nicht für alles verantwortlich sein und sollte sich auch nicht dem Vorwurf aussetzen, einen solchen Anspruch zu erheben. Gemäß den Verträgen liegen viele dieser Aspekte und Verantwortlichkeiten in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und im vorliegenden Fall können Verantwortungsbereiche sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Staaten, in denen die Ereignisse eintreten, betroffen sein.
Die Europäische Union ist kein Allheilmittel und kann auch kein solches sein, vor allem deshalb nicht, weil es ein Prinzip, nämlich das Subsidiaritätsprinzip, gibt, das stets zu respektieren ist.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 7 von Gay Mitchell (H-0792/07)
Betrifft: Finanzdienstleistungszentren aus Drittstaaten
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Finanzdienstleistungszentren aus Drittstaaten in Bereichen von gemeinsamem Interesse?
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Herr Präsident, Herr Abgeordneter! In den im Mai 2006 verabschiedeten Schlussfolgerungen hat der Rat das Weißbuch der Kommission zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 bis 2010 begrüßt. Der Rat begrüßte im Besonderen, und ich zitiere: „die Vorschläge in Bezug auf die zunehmende Bedeutung der internationalen Dimension bei Finanzdienstleistungen – nämlich den Dialog mit Drittländern über Regelungsfragen zu vertiefen und auszuweiten und auf eine weitere Öffnung der globalen Finanzdienstleistungsmärkte hinzuarbeiten.“
Auf Initiative der portugiesischen Präsidentschaft hat der ECOFIN-Rat am 9. Oktober den Stand der makroökonomischen, finanziellen und regulativen Dialoge mit den Hauptpartnern der Union – den Vereinigten Staaten, Japan, Russland, Indien und China, überprüft. Die Bedeutung dieser strategischen Dialoge wurde in der Diskussion hervorgehoben. Solche Dialoge ermöglichen eine Stärkung der Konvergenz, der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verständnisses globaler Partner und helfen so, den Zugang zu den jeweiligen Märkten zu erleichtern und die makroökonomische und finanzielle Stabilität, insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen, zu stärken. Die Dialoge haben zu einem bedeutenden Fortschritt im Bereich der Gleichstellung und Annäherung von Rechnungslegungsvorschriften geführt.
Der Rat unterstützt die Arbeit der Kommission und ist der Ansicht, dass die Globalisierung der Finanzmärkte zunehmend Maßnahmen zur Annäherung und für eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene erfordert, die mit der strategischen Vision der Kommission und des Rates einhergehen, dass die außenpolitische Dimension der Lissabon-Strategie durch die Förderung eines internationalen Konzeptes für eine regulatorische Zusammenarbeit und die Annäherung und Gleichstellung der entsprechenden Normen gestärkt werden sollte.
Darüber hinaus wurde betont, wie wichtig es für die Europäische Union sei, in diesem Bereich einen kohärenten Ansatz zu gewährleisten, und es wurde die Ansicht vertreten, dass Informationen über die Entwicklung solcher Dialoge weiterhin regelmäßig an den Rat weiterzuleiten sind.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Ich möchte der Ratspräsidentschaft für ihre Antwort danken. Ist diese Ratspräsidentschaft sich dessen bewusst, dass es eine Denkströmung gibt, in der es heißt, die Entwicklungsländer könnten von einem eigenen Finanzdienstleistungssektor außerordentlich profitieren? In Anbetracht insbesondere von Portugals Erfahrung in Afrika, darf ich den Ratspräsidenten bitten, wenn seine Unterlagen keine Antwort darauf geben, ob er veranlassen könnte, dass diese Frage untersucht und verfolgt wird, weil damit sowohl den Entwicklungsländern Hilfestellung gegeben wäre als auch eine weltweite Möglichkeit des Austauschs zur Verfügung stünde, die diesem Teil der Welt ebenso sehr zugute kommen würde.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Der Herr Abgeordnete hat Recht, ich habe keine schriftliche Antwort dabei, die ich Ihnen geben könnte, aber ich will Ihnen gern meine Meinung dazu mitteilen. Wir hatten heute Morgen eine sehr interessante Diskussion über Globalisierung, in der wir auch über Finanzdienstleistungen und Fragen bezüglich der Turbulenzen an einigen Finanzmärkten gesprochen haben.
Eine Frage, die meines Erachtens in Bezug auf Afrika besonders wichtig und die eng mit dem Europa-Afrika Gipfel verbunden ist, betrifft die afrikanische Position zur Globalisierung: Sollte Afrika bei den Problemen und Herausforderungen der Globalisierung ein voll integrierter Partner sein, was es unserer Meinung nach sollte, sollte Afrika ein aktiver Partner sein und sollte es über wirksame Instrumente verfügen, um im Zusammenhang mit der Globalisierung wirklich ein voll integrierter Partner zu sein, oder möchten wir auf der anderen Seite ein Afrika, das zu Krieg, Unsicherheit, Unterentwicklung und Armut verdammt ist?
In diesem Zusammenhang sind finanzielle oder andere Instrumente, Initiativen oder Mechanismen, die Afrika gemeinsam mit uns allen, mit der Europäischen Union und anderen aufstrebenden Zusammenschlüssen auf die Tagesordnung der Gespräche und Aussprachen über die Globalisierung setzen, nur zu begrüßen.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Ich danke Ihnen, Herr Präsident und Herr Ratspräsident, dass Sie wie wir alle Überstunden machen; wir wissen das zu schätzen.Welche Hindernisse, glauben Sie, stehen einem größeren Erfolg auf diesem Gebiet im Wege, und wird Ihres Erachtens nach dem Stand der Dinge genug getan? Wir reden nämlich über das Verbrauchervertrauen in den Finanzdienstleistungssektor, innerhalb wie außerhalb Europas.
Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. − (PT) Diese Aufgabe, die Teil der mir gestellten Frage ist, also diese Dialoge und ähnliche Maßnahmen in diesem speziellen Bereich, liegt in der Verantwortung der Kommission. Ich muss auch gestehen, dass ich kein Finanzexperte bin und daher nicht über das detaillierte Wissen verfüge, das erforderlich wäre, um Ihnen ausführlich zu antworten. Sie bitten um eine fachliche Antwort, die ich Ihnen nicht geben kann. Ich kann Ihnen eine politische Antwort geben, die eine neue Realität umreißt, eine neues Problem und eine neue Herausforderung, aber auch eine neue Chance. Dieses Problem musste geprüft werden und ist nunmehr geprüft und in einem beispiellosen Ausmaß weiterentwickelt worden. Wir in der Europäischen Union müssen natürlich auch nach geeigneten Lösungen für auftretende Probleme suchen, und wir müssen auch über die erforderlichen Instrumente verfügen, wenn es um Entwicklung und Fortschritt geht.
Ich kann Ihnen nicht im Einzelnen sagen, welche Hindernisse möglicherweise aufgetreten sind oder auftreten werden, aber ich kann Ihnen eine Vorstellung davon vermitteln, und ich denke, das habe ich getan, wie meines Erachtens die Politik der EU und die Verantwortlichkeiten des Rates in diesem Bereich aussehen. Abschließend möchte ich sagen, dass es mir eine Freude ist, länger hier bei Ihnen zu bleiben, vor allem, weil das Mandat in Kürze ablaufen wird. Ich habe nur noch einmal Gelegenheit, bei Ihnen zu sein, deshalb muss ich diese Chance bestmöglich nutzen.
Der Präsident. − Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt werden konnten, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
Die Fragestunde ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19.45 Uhr unterbrochen und um 21.05 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: EDWARD MCMILLAN-SCOTT Vizepräsident
12. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
13. Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der Ukraine (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Zbigniew Zaleski im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der Ukraine (2007/2022(INI)) (A6-0396/2007).
Zbigniew Zaleski (PPE-DE), Berichterstatter. – (PL) In dem Bericht wird die Rolle beschrieben, die wir vor dem Hintergrund unserer eigenen Wirtschaftstätigkeiten für die Ukraine in Betracht ziehen, sowie ihre Rolle als Handelspartner anderer Länder. Außerdem möchten wir die politische, wirtschaftliche und kulturelle Rolle der Ukraine in der Schwarzmeerregion betonen.
Meiner Auffassung nach sollten Wirtschaftstätigkeiten und Entwicklung ungeachtet der politischen Absichten eines Landes Fortschritte machen. Die Wirtschaft muss frei sein, staatliche Behörden und gesetzgebende Körperschaften müssen Unterstützung leisten, einzelne Unternehmer und Unternehmergruppen sollten Wirtschaftseinheiten bilden. Die Wirtschaft muss ein Instrument sein, das gute Lebensbedingungen für die Bürger ermöglicht. Dieses Ziel kann durch Anheben der Lebensstandards, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, gute Bildungsmöglichkeiten und ein gutes Rechtssystem, das auch Eigentumsrechte umfasst, erreicht werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Gemeingut eigennützigen Zwecken Einzelner dient. Die Menschen müssen bestärkt und motiviert werden, ehrlich zu arbeiten, um materielle und andere persönliche Ergebnisse zu erzielen.
Wenn man nicht auf eigene gute Vorbilder oder seine Geschichte zurückgreifen kann, ist es lohnenswert, sich bewährte Verfahren und Erfahrungen anderer, nämlich der Nachbarn, zu Eigen zu machen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Ukraine in den gemeinsamen Markt aufzunehmen und ihr das in der EU entwickelte Wissen zur Verfügung zu stellen. Meines Erachtens ist unser Wirtschaftsmodell gut, auch wenn es zum Beispiel in Bezug auf die Lebensmittelerzeugung und den Lebensmittelhandel alles andere als perfekt ist. Aber wir sind stetig bemüht, uns selbst zu verbessern. Wir können unseren Nachbarn jenseits des Flusses Bug die Normen und Regeln anbieten, die unserer Meinung nach funktionieren.
Worum geht es in dem Bericht? In dem Bericht geht es um Industrie, Landwirtschaft, Energie, Finanzen, Grenzschutzbeamte, Verkehrsinfrastruktur, Beispiele für nicht korrupte Tätigkeiten, geistiges Eigentum, die natürliche Umwelt, wissenschaftliche Zusammenarbeit und Beziehungen zu den Nachbarn. Das sind Teile eines großen Ganzen, das wir Wirtschaft nennen. Es gibt gut definierte Normen, die die Grundlage dieser Wirtschaft bilden, und in dem Bericht empfehlen wir, dass unsere Partner solche Normen für sich entwickeln oder sich an unsere halten.
Welche Bedingungen muss die Ukraine erfüllen, um bessere Beziehungen zur Europäischen Union auszuhandeln? Wichtige Bedingungen sind meines Erachtens in erster Linie der Beitritt zur Welthandelsorganisation und dann, vielleicht schon vor dem Beitritt, die Lösung des Schuldenproblems mit Kirgisistan. Dieser Prozess ist bereits eingeleitet. Die zweite Bedingung ist die schnellstmögliche Zustimmung des ukrainischen Parlaments. Ferner gehören zu den Bedingungen gute Beziehungen zu den Nachbarn, d. h. zu Russland und Belarus, Währungsstabilität, die Qualität der Finanzdienstleistungen, die Entwicklung von Marken auf internationalen Märkten und die Achtung der Gesetze.
Die Ukraine, die erklärt hat, der Europäischen Union beitreten zu wollen, steht vor großen, ja sogar vor gewaltigen Herausforderungen. Sie muss Europa mit ihren wirtschaftlichen, rechtlichen, finanziellen und politischen Tätigkeiten davon überzeugen, dass sie ein ausreichend engagierter Partner für die EU ist, sodass diese sich früher oder später die Frage stellt, ob es sich nicht lohnen würde, die Ukraine in das gemeinsame europäische Gefüge aufzunehmen.
Herr Kommissar, unsere Ansätze mögen manchmal unterschiedlich gewesen sein, aber meines Erachtens haben wir dasselbe Ziel: die Entwicklung eines günstigen Modus Vivendi, einer Möglichkeit der Koexistenz mit diesem wichtigen östlichen Nachbarn.
Ich denke, Herr Präsident, ich habe ein wenig Zeit eingespart. Es ist ja schon Abend.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Lassen Sie mich zuerst dem Berichterstatter, Herrn Zaleski, zu diesem sehr guten Bericht gratulieren.Ich möchte dem Berichterstatter auch für die hervorragende Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Kommission bei der Erstellung dieses Berichts danken. Der Bericht kommt genau zur rechten Zeit. Er bietet einen umfassenden Überblick über die wesentlichen Fragen in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und der Ukraine.Erlauben Sie mir, auf einige Punkte einzugehen, die auch Sie in Ihrem Bericht hervorgehoben haben. Wir betrachten die Ukraine als einen wichtigen und wertvollen Partner in unserer Nachbarschaftsstrategie. Wir stimmen mit der allgemeinen Richtung des vorliegenden Berichts überein: die Wirtschaft der Ukraine so eng wie möglich an die EU anzubinden mittels eines neuen verbesserten Abkommens, dessen weit reichendes und umfassendes Freihandelsabkommen ein tragendes Element sein wird.Die Kommission teilt auch voll und ganz Ihre Ansicht, dass der Rechtsstaat in der Ukraine gestärkt werden muss und dass der Beitritt der Ukraine zur WTO wichtig ist. Wir hoffen sehr, dass die Ukraine das Beitrittsverfahren zur WTO noch in diesem Jahr abschließen kann, und wir werden zu diesem Zweck eng mit der ukrainischen Regierung zusammenarbeiten. Wir gehen davon aus, dass der multilaterale Beitrittsprozess abgeschlossen sein wird, sobald die Mitglieder der WTO das Beitrittspaket verabschiedet haben.Für die Ukraine steht der Beitritt zur WTO ganz obenan, und wir sind überzeugt, dass sie pünktlich ihre internen Ratifizierungsverfahren durchführen wird, um die Mitgliedschaft formell zu bekräftigen. Die Europäische Union hat kein Interesse an weiteren Verzögerungen der Aufnahme der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen und ist bereit, damit zu beginnen, sobald die Mitglieder der WTO dem Beschluss über das Beitrittspaket zugestimmt haben. Was das künftige Freihandelsabkommen betrifft, stimmen wir vollkommen darin überein, dass es weit reichend und umfassend sein soll, wobei ganz besonderes Augenmerk auf eine Angleichung im Regulierungsbereich gelegt wird.In Bezug auf die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarländern schlägt der Bericht einen Trilog vor: EU-Russland-Ukraine. Wir müssen sehr darauf achten, keine Themenkomplexe zu doppeln, mit denen sich bereits andere Foren befassen. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Europäische Union dann nicht Gefahr liefe, in die bilateralen Streitigkeiten zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen zu werden. Wir bezweifeln auch den Nutzen eines solchen Ansatzes.Unsere Politik befürwortet die Öffnung der Energiemärkte für den Wettbewerb als einen Weg, den Zugang zu sicherer und erschwinglicher Energie zu gewährleisten. Dies wird ein wichtiger Punkt in den künftigen Verhandlungen mit der Ukraine über das Freihandelsabkommen sein.Was die Sorgen um die Sicherung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung betrifft, so enthält die EU-Gesetzgebung zur Liberalisierung im Strom- und Gassektor wesentliche Bestimmungen, die dem Schutz der Verbraucher dienen und ihre Grundbedürfnisse berücksichtigen. Wir wollen mit der Ukraine über eine Angleichung an diese Rechtsvorschriften verhandeln.Zum Vorschlag, das APS+ auf die Ukraine auszudehnen, möchte ich betonen, dass die Ukraine die Voraussetzungen für diese zusätzlichen Präferenzen nicht erfüllt und dass sich die Europäische Union verpflichtet hat, die grundlegenden APS-Kriterien nicht ad hoc zu ändern. Zudem würde dies unsere Verhandlungspositionen für das künftige Freihandelsabkommen ernsthaft schwächen.Erlauben Sie mir abschließend, den Berichterstatter noch einmal zu seinem guten Bericht zu beglückwünschen. Die Kommission teilt weitgehend seinen allgemeinen Ansatz, abgesehen von den wenigen Punkten, die ich eben hervorgehoben habe. Die Kommission wird den Bericht in ihrer laufenden und künftigen Zusammenarbeit mit der Ukraine berücksichtigen.
Jerzy Buzek, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Lage in der Ukraine hat sich zwar nach den Wahlen bisher noch nicht wieder stabilisiert, doch die Vertreter der Demokratie haben gewonnen. Das ist ein Sieg nicht nur für die Demokratie in der Ukraine, sondern für die Europäische Union an sich, die diese Art der Tätigkeit unterstützt hat. Im Interesse der Ukraine, der Ukrainer und im Interesse der Europäischen Union müssen wir das festigen, was in der Ukraine unter so großen Schwierigkeiten erreicht wurde. Die Ukrainer selbst müssen nach der Wahl die Entscheidungen treffen, aber wir können der Ukraine und gleichzeitig uns selbst helfen.
Ich unterstütze den Bericht von Herrn Zaleski voll und ganz und gratuliere ihm zu seiner Arbeit an diesem Dokument. Meiner Meinung nach gibt es drei vorrangige Bereiche, die der Ukraine Stabilität und auch der Europäischen Union Nutzen bringen.
Erstens, eine Zusammenarbeit im Bereich Energie, die für beide Seiten wichtig ist. Wir müssen in Investitionen sowohl in vorhandene Pipelines, die in vielen Fällen in schlechtem Zustand sind, als auch in neue wie beispielsweise die Trasse Odessa – Brody – Gdańsk eingebunden werden, ebenso wie in Investitionen in das Stromnetz und in die Unterstützung der Energieeffizienz. Wir können unsere eigenen Technologien anbieten, und wir können gemeinsame Finanzmittel zur Verbesserung der Energieeffizienz in der Ukraine schaffen, was auch für unsere eigene Energieversorgungssicherheit von Nutzen sein wird. Schließlich, das ist offensichtlich, die Verbesserung der Sicherheit der Atomkraftwerke in der Ukraine, was für Europa sehr wichtig ist.
Der zweite Bereich betrifft die wissenschaftliche Zusammenarbeit. Die Ukraine hat in diesem Bereich Beachtliches erreicht. Es lohnt sich, davon zu profitieren. Dazu gehört auch der Austausch von Studenten und Wissenschaftlern, der das Defizit an Wissenschaftlern in der Europäischen Union – uns fehlen siebenhunderttausend Wissenschaftler – abbauen könnte. Wir dürfen nicht vergessen, dass die schnellste und sicherste Methode der Zusammenarbeit immer über den Bereich Wissenschaft, Bildungseinrichtungen und Studenten erfolgt.
Drittens: Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften. In dieser Hinsicht haben die Städte der EU viel zu bieten. Wir könnten mithelfen, auf der Ebene der lokalen Gebietskörperschaften in der Ukraine die uneingeschränkte Demokratie einzuführen. Das ist bisher noch nicht geschehen.
All das sollte Teil eines langfristigen Ziels – eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine – sein. Es spielt keine Rolle, ob das 10 oder 20 Jahre dauert. Es lohnt sich, der Ukraine diese Möglichkeit anzubieten. Es wird den Ukrainern helfen, aber auch der Europäischen Union.
Vural Öger, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Heute Nachmittag haben wir im Plenum bereits über die europäische Nachbarschaftspolitik debattiert. Nach der Erweiterungsrunde 2004 schlug die Europäische Kommission vor, eine kohärente Strategie gegenüber den neuen Anrainerstaaten der EU zu entwickeln. Mit der ENP wurde ein Ring aus Ländern geschaffen, die die grundlegenden Werte und Ziele der EU teilen.
Unser Nachbar, die Ukraine, ist fest in der ENP verankert. Uns ist ihre besondere geopolitische und handelspolitische Bedeutung, die eine natürliche Brücke zwischen der EU, Russland und Zentralasien bildet, bewusst. Heute ist die EU der größte Handelspartner der Ukraine, 2006 lag das Handelsvolumen der Ukraine mit den Mitgliedstaaten der EU bereits bei 26,6 Milliarden Euro.
Wir in der Europäischen Union würdigen die großen Anstrengungen, die in den letzten Jahren in der Ukraine vollzogen wurden. Die Ukraine hat sich von einer staatlich kontrollierten Wirtschaft zu einer gut funktionierenden Marktwirtschaft entwickelt. Das Durchschnittswachstum der Ukraine in den Jahren 2000-2006 lag laut OECD-Bericht bei 7,6 %. Das ist ein großer Erfolg.
Im Februar 2007 haben wir die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU begonnen. Die EU- und NATO-Aspirationen der Ukraine sind ebenfalls bekannt. Aus handels- und wirtschaftspolitischer Sicht steht der Beitritt der Ukraine in die Welthandelsorganisation ganz oben auf ihrer Agenda. Wir gehen davon aus, dass ein WTO-Beitritt noch in diesem Jahr möglich sein wird. Danach würden sich auch die Kooperationsmöglichkeiten zwischen der EU und der Ukraine deutlich erweitern, und der Weg für Verhandlungen über eine Freihandelszone im Rahmen der ENP wäre geebnet.
Die EU muss die Ukraine als Partner ernst nehmen und ihr klare Botschaften geben. So kann ich die Ergebnisse des EU-Ukraine-Gipfels in Kiew vom 14. September 2007 nur begrüßen. Die starken und nachhaltigen Beziehungen beider Parteien wurden noch einmal bestätigt. Wir sollten die Ukraine auf ihrem Weg zu einem WTO-Beitritt, der anschließenden Schaffung einer Freihandelszone und bei ihren europäischen Aspirationen weiterhin intensiv unterstützen.
Danutė Budreikaitė, ALDE-Fraktion. – (LT) Die Ukraine ist ein strategisch und wirtschaftlich wichtiger Partner der EU und ein östlicher Nachbar, der in und außerhalb der Region eine wichtige Rolle spielt.
Die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine haben sich im Wesentlichen in Richtung einer zunehmenden politischen Zusammenarbeit und einer allmählichen stärkeren wirtschaftlichen Integration entwickelt. Die Umsetzung dieser Ziele würde zu einer weiteren Konsolidierung der Demokratie und der Entwicklung der Marktwirtschaft in der Ukraine führen. Allerdings hängt der Erfolg der Entwicklung der Ukraine nicht allein von der EU ab. Die Ukraine muss sich klar dazu bekennen, der prowestlichen Richtung beständig zu folgen.
Ich möchte einige Gedanken über die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und der Ukraine äußern.
Zunächst ist die Aufnahme von Verhandlungen über eine Freihandelszone in der EU eng verbunden mit der Mitgliedschaft der Ukraine in der WTO. Allerdings würden die Verhandlungen über eine Freihandelszone nicht nur die Abschaffung von Zöllen bedeuten (was Teil der Verhandlungen mit der WTO ist), sondern eine breitere Konvergenz, die Liberalisierung des Dienstleistungssektors, institutionelle Reformen und die Harmonisierung der Rechtsgrundlage mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand. Entsprechend müssen mit der Mitgliedschaft der Ukraine in der WTO und mit Blick auf die Schaffung einer Freihandelszone koordinierte Maßnahmen zwischen der EU und der Ukraine getroffen werden.
Zweitens muss das Augenmerk auf die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, die Stärkung des öffentlichen Sektors und einen Rückgang der Korruption gelegt werden. Eine intensivere Zusammenarbeit in diesen Bereichen würde merklich zur Entwicklung stabilerer Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und der Ukraine sowie zur Stärkung des Demokratisierungsprozesses beitragen und die Chancen der Ukraine auf eine Mitgliedschaft in der EU erhöhen.
Drittens muss hervorgehoben werden, dass die ukrainischen Produzenten noch nicht mit den Produzenten der EU-Mitgliedstaaten konkurrieren können. Daher gilt es, Übergangsphasen festzulegen und Aufsichtsbehörden aufzubauen, um die ukrainische Volkswirtschaft und die Gesellschaft vor negativen Auswirkungen zu schützen.
Der vierte Punkt ist Folgender: Bei ihrer Unterstützung zur Liberalisierung des Handels mit der Ukraine, muss die EU auf mögliche Schwierigkeiten, auf die sie bei ukrainischen Produzenten, vor allem denjenigen, die in die GUS exportieren, stoßen kann, auf Widerstand gegen die Einführung von EU-Standards und auf Versuche von Funktionären, den Status quo und bestehende korrupte Beziehungen zu erhalten, vorbereitet sein. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Reformen muss die ukrainische Regierung sowohl die Geschäftsleute als auch die Öffentlichkeit über die Vorteile der Liberalisierung des Handels und einer Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine aufklären.
Fünftens kann die verstärkte Entwicklung von Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine dazu führen, dass Russland seinen politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Ukraine potenziell verstärkt. In diesem Fall sollte die EU ihre Rolle als passiver Schiedsrichter aufgeben, wie es ja in der Vergangenheit schon oft vorgekommen ist, und die Rolle des Verteidigers ihrer eigenen und der Interessen der Ukraine einnehmen. Es besteht die Möglichkeit, dass Russland im Bereich der Energieversorgung auf die Ukraine und einige EU-Staaten Druck ausübt. Aus diesem Grund sollte die EU nicht nur Maßnahmen ergreifen, um diese Probleme auf höchster Ebene zu lösen, sondern gleichzeitig die Einbindung der Ukraine in den gemeinschaftlichen Energiemarkt anstreben und die Energieversorgungssicherheit der EU und der Ukraine sichern.
Guntars Krasts, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Der Bericht bietet einen Überblick über die derzeitige Entwicklung der Ukraine als Partner der EU und über die Aufgaben, die sie noch erfüllen muss. Er verdient Lob für die Vielzahl der behandelten Fragen und ihre gründliche Bewertung. Der Bericht zeigt, dass der Verfasser ein tiefes, persönliches Interesse an Entwicklungsfragen der Ukraine und der Gestaltung ihrer Beziehungen zur Europäischen Union hat; dies ist dem Bericht natürlich zugute gekommen. Der Berichterstatter hat die Probleme sorgfältig und rücksichtsvoll untersucht, die eine Bedrohung für die erfolgreiche Entwicklung der Ukraine darstellen. Doch, wenn wir die Dinge nicht beim Namen nennen, ist es zuweilen schwierig, Lösungen der Probleme vorwegzunehmen. Es kann nicht unbemerkt bleiben, dass in der ukrainischen Wirtschaft immer mehr Sektoren überreguliert sind, dass den staatlichen Eingriffen keine Gesetze zugrunde liegen und ständig mehr sich gegenseitig widersprechende Rechtsvorschriften geschaffen werden, die denjenigen nutzen, die nach Schlupflöchern suchen, und deren Arbeit in der Auslegung von Rechtsvorschriften besteht. Zusammen mit der starken Bürokratie behindert dies den Zustrom von Investitionen in die Wirtschaft des Landes beträchtlich, auch solchen aus der Europäischen Union. Der Energiesektor ist dafür ein deutliches Beispiel. Die Europäische Union ist an einem transparenten System zur Beförderung von Erdgas aus der Ukraine interessiert, das, ebenso wie der gesamte Energiesektor der Ukraine, übermäßig reguliert ist, mit künstlich verkomplizierten Strukturen und Geldströmen, die nicht transparent sind. Nach wie vor verfügt die Europäische Union nicht über die Informationen, die es ihr ermöglichen würden, die Sicherheit des Gastransportsystems der Ukraine einzuschätzen. Das sind für die Europäische Union als dem größten Handelspartner der Ukraine wichtige Fragen. Es steht zu hoffen, dass es der Ukraine gelingt, die langwierige Krise zu überwinden, und dass die ukrainische Regierung künftig in EU-Gespräche einbezogen wird, um auf der Grundlage gegenseitiger Interessen eine enge Zusammenarbeit zu begründen. Ich stimme dem Berichterstatter zu, dass über den Wunsch der Ukraine, der Europäischen Union beizutreten, nicht hinweggegangen werden darf. Und dies möchte ich hier noch einmal betonen: Eine klare Perspektive für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist das wirksamste Reforminstrument, das die Union der Ukraine bieten kann. Danke.
Caroline Lucas, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Zaleski sehr herzlich zu diesem Bericht beglückwünschen. Ich denke, es ist ein Bericht, der sich wesentlich von denen unterscheidet, über die in letzter Zeit im Ausschuss für internationalen Handel abgestimmt worden ist. Verglichen mit den Berichten über bilaterale Handelsbeziehungen von vor ein oder zwei Jahren wie denen über die Beziehungen zwischen der EU und Russland oder dem Mercosur zeigt er sehr viel mehr Vorsicht im Hinblick auf die Segnungen uneingeschränkten Freihandels. Und ich denke, er zeugt von einem wachsenden parteiübergreifenden Konsens darüber, wie wichtig es ist, aktiv auf politischem Wege nach Lösungen zu suchen, um Handelsregelungen optimal den Grundsätzen nachhaltiger Entwicklung anzupassen.In dieser Beziehung können wir zufrieden sein, das Beste aus den verschiedenen Verzögerungen bei der Doha-Runde der WTO gemacht zu haben, sind wir doch dadurch gewissermaßen in die Lage versetzt worden, diese Suche nach gerechteren und nachhaltigeren Handelsregelungen in unseren bilateralen Handelsbeziehungen durchzuführen. Ich danke deshalb dem Berichterstatter dafür, dass er diese Möglichkeit energisch ergriffen hat.Unter den vielen positiven Signalen, die dieser Bericht der GD Handel für ihre Verhandlungen mit der Ukraine über ein Freihandelsabkommen gibt, möchte ich besonders vier Punkte hervorheben.In Ziffer 10 warnt der Bericht, meine ich, zu Recht davor, sich ausschließlich auf Exportorientierung und die Diversifizierung der Ausfuhren zu verlassen, um den Handel nachhaltig zu gestalten. Stattdessen richtet er sein Augenmerk auf die Bedeutung der Entwicklung des Inlandsmarktes als einer notwendigen Grundlage einer jeden wirtschaftlich nachhaltigen Entwicklung.In Ziffer 13 weist der Bericht auf die Notwendigkeit hin, ein Gegengewicht zu den Rechten von Investoren zu schaffen. Mit anderen Worten, er verlangt für die Ukraine einen rechtlichen Rahmen, der größtmögliche soziale Verantwortung von Unternehmen fördert.In Ziffer 23 schlägt der Bericht eine bedeutsame Wende in unserer auswärtigen Energieversorgungspolitik vor, indem er multilaterale Regelungen für den Zugang zu Energieressourcen fordert und davor warnt, sich auf einen Wettlauf um die günstigsten einseitigen Zugangsbedingungen einzulassen.Schließlich erkennt der Bericht in Ziffer 36 an, dass die Landwirtschaft eine spezielle Tätigkeit ist, die nicht in derselben Weise wie Industriegüter behandelt werden kann und deshalb unterschiedliche Zollregelungen rechtfertigt.Ich hoffe sehr, dass diese und andere Punkte im endgültigen Text verbleiben, damit meine Fraktion ohne Bedenken für den Bericht stimmen kann. Hinzufügen will ich aber doch, dass ich es für bedauerlich halte zu hören, dass die GD Handel drei wichtige Änderungsanträge abgelehnt hat, die von den Grünen eingereicht und vom Berichterstatter unterstützt worden waren und in denen die GD Handel aufgefordert wird, die Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen erst dann aufzunehmen, wenn das ukrainische Parlament seine Zustimmung zu den Verhandlungen über den WTO-Beitritt gegeben hat. Wenn die GD Handel auch sicher damit Recht hat, dass dies das bilaterale Freihandelsabkommen verzögern dürfte, müssen wir als Parlamentarier darauf bestehen, wie wir selbst es ja auch vor dem Abschluss solcher Freihandelsabkommen von Seiten der Europäischen Union tun, dass die Stimme des Volkes in einer derart wichtigen Frage berücksichtigt wird, und das schließt natürlich das Volk der Ukraine mit ein. Wir möchten deshalb Herrn Zaleski besonders dafür danken, dass er diesem Druck nicht nachgegeben hat, und, noch einmal, für einen hervorragenden Bericht.
Helmuth Markov, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Alle haben unserem Kollegen Zaleski gedankt, das möchte ich auch machen. Sein Bericht ist im Ausschuss ohne jede Gegenstimme angenommen worden, und das zeigt, dass, wenn man sich bemüht, fraktionsübergreifend einen Bericht zu erstellen, das auch möglich ist.
Lassen Sie mich einige Bemerkungen machen. Die Wahlen in der Ukraine sind gewesen. Sie waren demokratisch, sie waren fair, sie waren offen, aber ich glaube, sie haben eine Großzahl von Problemen nicht gelöst. Der jetzige Präsident hatte immer Schwierigkeiten im Umgang mit starken Ministerpräsidenten, egal, ob das Julija Tymoschenko war, die er 2005 entlassen hat, oder 2006/2007 Herr Janukowitsch.
Die Koalitionsvereinbarung, die zwischen dem Bündnis von Julija Tymoschenko und der Partei Unsere Ukraine geschlossen worden ist, ist zwar als Papier, als Basis einer möglichen neuen Regierungskonstellation vorhanden, die Regierung ist jedoch noch nicht gebildet worden. Wir wissen auch nicht, wie das ausgehen wird, wobei das Datum ja schon ziemlich nahe ist. Wenn dann diese Regierung gebildet ist, hat sie meiner Ansicht nach als erstes die Aufgabe, eine Verfassungsreform vorzunehmen. Denn ohne Verfassungsreform wird es auch in Zukunft nicht ausgeschlossen sein, dass die interne Stabilität der politischen Kräfte der Ukraine nicht ausreicht, um zu bewirken, dass es nicht wieder zu Neuwahlen kommt, umso mehr als einige schon darüber nachdenken, bei den Präsidentschaftswahlen noch einmal Neuwahlen des Parlaments zu fordern.
Wenn Sie sich bestimmte Bereiche anschauen – zum Beispiel die Wirtschaftspolitik –, dann fällt der OECD-Bericht wirklich positiv aus. Er besagt, dass die Ukraine zwischen 2000 und 2006 ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 8,7 % hatte. Wenn Sie aber dahinter schauen, sehen Sie, dass das Handelsdefizit enorm ist. Das Handelsdefizit der Ukraine gegenüber den GUS-Staaten liegt bei etwas über 4,5 Milliarden Euro und etwas unter 4,5 Milliarden Euro gegenüber der Europäischen Union. Das heißt, dass wirtschaftlich tatsächlich noch einiges geändert werden muss und dass dazu auch die Partnerschaftsabkommen dienen können und müssen.
Auf der anderen Seite, wenn man die Zahlen der Ukraine mit – ich nehme einmal mein eigenes Land – der Bundesrepublik Deutschland vergleicht, kann man sagen: Wunderbare Zahlen! Die Arbeitslosigkeit in der Ukraine ist geringer, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist höher, die Sozialausgaben für Rentenversorgungen sind höher, die Ausgaben für Bildung – das, was in die Zukunft investiert wird – sind in der Ukraine proportional am BIP höher als in der Bundesrepublik Deutschland. Man kann also durchaus feststellen: Dieses Land ist absolut auf dem richtigen Weg!
Aber trotzdem gibt es natürlich – wie ich das schon in Bezug auf die Wirtschaft gesagt habe – auch auf anderen Gebieten Probleme. Russland hat klar angedeutet und gesagt, dass ab 1.1.2008 die Energiepreise um 10 % steigen werden. Das wird eine enorme Auswirkung auf die ukrainische Volkswirtschaft haben. Gegenwärtig bezahlt die Ukraine ihre Schulden mit Gaslieferungen aus ihren eigenen Erdlagerstätten an Russland zurück. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Es wird wieder zu einem politischen Streitpunkt werden, und es ist wichtig, dass die Europäische Union hier Frieden stiftend mit eingreift. Die Russen haben das Recht, ihre Preise zu erhöhen, und die Ukrainer müssen natürlich auch sehen, wie sie damit volkswirtschaftlich auskommen können.
Nehmen Sie einen weiteren Punkt: die Sozialpolitik. Alle Parteien, alle, wie sie da waren, haben während der Wahlen und den Wahlvorbereitungen eine unheimliche Erhöhung der Ausgaben für die Sozialpolitik angekündigt. Wenn Sie sich jetzt die Koalitionsvereinbarungen anschauen, die zwischen dem Block Tymoschenko und der Partei des Präsidenten getroffen wurden: Da steht von der Erhöhung der Sozialausgaben überhaupt nichts mehr drin. Und es ist im Prinzip bei den vorhandenen Staatseinnahmen auch gar nicht möglich, solche Ausgabensteigerungen wie versprochen vorzunehmen. Das heißt, dass die Entwicklung in der Ukraine nicht so schnell voranschreiten wird, wie es immer behauptet wird.
Der nächste Punkt, den ich gerne ansprechen würde, bezieht sich auf den Bereich Außenpolitik. Alle Parteien, alle, haben während der Wahlen versprochen, sich enger an die Europäische Union anzulehnen. Die Partei, die diese Anlehnung an die Europäische Union auch immer am meisten mit der Frage des Beitritts der Ukraine zur NATO verknüpft hat, hat am meisten verloren. Das war die Partei Unsere Ukraine. Und der absolute Mehrheitsanteil der Bevölkerung der Ukraine ist auch gegen einen NATO-Beitritt. Insofern bitte ich die Europäische Union, hier vorsichtig zu sein. Die Mehrheit der Bevölkerung will diesen Beitritt zur NATO nicht. Sie wollen den Beitritt zur WTO, das sagen alle Daten, die uns vorliegen.
Wenn man sich vor diesem Hintergrund darüber Gedanken macht, wie die Partnerschaftsabkommen jetzt gestaltet werden müssen, dann sind es genau die Notwendigkeiten, bei denen die Ukraine diese Schwierigkeiten, die ich aufgezählt habe, noch hat. Die Ukraine muss – und da schließe ich mich Herrn Zaleski voll und ganz an – eine europäische Beitrittsperspektive haben. Es ist für die Europäische Union gut, einen starken Partner im Osten zu haben, und es ist auch für die Ukraine gut bei ihrer generellen geostrategischen Ausrichtung.
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, unsere Aussprache über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der Europäischen Union zur Ukraine, das Thema von Herrn Zaleskis sehr gründlichem Bericht, erfolgt zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Parlamentswahlen haben stattgefunden, und die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes müssen von einer tatkräftigen neuen Regierung entschlossen angegangen werden. Ich denke an aktive Maßnahmen gegen die Korruption. Angesichts des bevorstehenden Winters braucht die Ukraine auch eine starke Regierung, die mit Russland über die Lieferung und die Durchleitung von russischem Gas verhandeln kann.
Nachdem ich diesen Bericht gelesen habe, bin ich geneigt zu sagen, dass Europa klar gemacht hat, was es will. Nun ist die Ukraine am Zug. Das Land braucht nicht nur eine leistungsfähige Regierung, sondern auch eine, die politische Entschlossenheit zeigt, die Probleme anzupacken. Nach fünf Wahlen in genauso vielen Jahren ist die Bevölkerung verständlicherweise der politischen Zänkereien überdrüssig. Die Politiker der Ukraine müssen sich künftig weniger mit sich selbst und mehr mit der politischen und wirtschaftlichen Zukunft des Landes beschäftigen.
Ja, die Ukraine ist am Zug, doch ich werde noch etwas Anderes sagen, Herr Präsident. Auch die Europäische Union muss ihre Hausaufgaben machen. Ich stimme dem zu, was unser Berichterstatter in Ziffer 51 sagt, nämlich, dass es der Europäischen Nachbarschaftspolitik an Definitionen und Perspektiven mangelt. Die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft muss mittel- und langfristig auch für die Ukraine eröffnet werden. Im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik kann die Europäische Union dann die notwendigen Reformen in dem Land initiieren oder unterstützen.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Die Ukraine ist ein Land mit strategischer Bedeutung innerhalb der Europäischen Nachbarschaftspolitik und ein wichtiger Partner für die Länder der Europäischen Union.
Wir alle hoffen, dass der zunehmende Handel zwischen der Ukraine und den EU-Ländern das Wirtschaftswachstum in der Region und die Zusammenarbeit mit ihren Ländern stärken wird. Gute wirtschaftliche Beziehungen sind für beide Seiten von Vorteil.
Wirtschaftliches Wachstum in der Ukraine sollte mit der Achtung der Demokratie und der Gesetze des Landes einhergehen. An diesem Punkt denke ich auch an die Achtung der Rechte ethnischer Minderheiten. Eine Angelegenheit, die mir sehr wichtig ist, ist, dass Aktivitäten zur Glorifizierung von Faschismus und Völkermord verboten werden müssen. Wir unterstützen den demokratischen und wirtschaftlichen Fortschritt bei unserem östlichen Nachbarn.
Auf der anderen Seite erscheint es angebracht, eine voreingenommene und einseitige Unterstützung eines politischen Blocks in der Ukraine zu vermeiden.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte, wie Sie es vorhin getan haben, zunächst Herrn Zaleski zu einem so aufschlussreichen Bericht über Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der Ukraine gratulieren. Die Zusammenarbeit mit der Ukraine ist zurzeit eine besonders wichtige Frage, und alle Initiativen, die auf eine Stärkung der Zusammenarbeit abzielen, sind ein klares Zeichen für das Interesse Europas an unserem östlichen Nachbarn und für die Offenheit der Europäischen Union.
Das Problem liegt in der Tat darin, dass der Zeitpunkt immer näher rückt, zu dem es angemessen wäre, die Idee einer engeren Zusammenarbeit, die über die Europäische Nachbarschaftspolitik hinausgeht, von der die Ukraine bisher wenig profitiert hat, umzusetzen. Es lässt sich nicht leugnen, dass die Ukraine noch einen weiten Weg vor sich hat, bevor sie an die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strukturen der Union heranreicht. Die Aufgaben der Ukraine sind in diesem Bericht gründlich betrachtet worden.
Obwohl die Ukraine auf ihre Leistungen bei der Liberalisierung des Handels und der Kapitalströme stolz sein kann, sind weitere Reformen und die Stärkung der ukrainischen Wirtschaft, wozu auch der Beitritt zur WTO gehört, von grundlegender Bedeutung. Trotz der während der Orangenen Revolution angeheizten Sehnsüchte nach Europa muss die Ukraine ein für alle Mal ihre Entscheidung zwischen Europa und Russland treffen. Wenn wir möchten, dass sich die Ukraine für Europa entscheidet, müssen wir das klar sagen und unterstützen.
Die EU sollte ihre Interessen in Verbindung mit der Ukraine zum Ausdruck bringen, indem sie einerseits die Veränderungen in der Ukraine aktiv unterstützt und andererseits innerhalb der Europäischen Union Maßnahmen ergreift, die auf einen allmählichen Übergang von der Nachbarschaftspolitik hin zu einer Integrationspolitik abzielen. Dazu müssen sowohl im Bereich der Wirtschaft als auch in sozialen und politischen Bereichen Maßnahmen ergriffen werden. Es wäre daher angemessen, die Unabhängigkeit der Ukraine von Russland zu fördern, indem die wirtschaftlichen Bande durch die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine gestärkt werden. Dazu gehört auch die Einbindung der Ukraine in das Stromnetz der EU und möglicherweise eine finanzielle Unterstützung des Verkehrssystems.
Zudem wäre es auch sinnvoll, Programme zur Unterstützung der Ukraine in der Europäischen Union, aber auch zur Unterstützung der Europäischen Union in der Ukraine, zu unterstützen und umzusetzen, ebenso wie Programme zur Förderung der Entwicklung von Wissenschaft und Bildung. Das ist ein Aspekt, den Professor Buzek angesprochen hat. Die wichtigste Maßnahme, um das Bild der Europäischen Union, ihr Image, aus Sicht der Ukrainer zu verändern, wäre die Abschaffung der Visumspflicht für Reisen in die Europäische Union und die klare Aussage, und das ist etwas, worüber alle gesprochen haben, dass die Ukraine der Europäischen Union beitreten kann, auch, wenn das noch länger dauern mag.
Šarūnas Birutis (ALDE). – (LT) Am 18. Oktober hat Präsident Juschtschenko in Portugal erklärt, dass die Ukraine noch in diesem Jahr der WTO beitreten will. Die Ukraine hat die Verhandlungen mit den WTO-Ländern bereits abgeschlossen, lediglich Kirgisistan besteht noch auf die Rückerstattung von alten Schulden aus Sowjetzeiten in Höhe von 27 Millionen USD.
Die Aufnahme der Ukraine in die WTO wird zu einer Senkung der Importzölle und zu einer steigenden Anzahl von Importeuren führen. Allerdings ist es wichtig, dass die Ukraine systematische Wirtschaftsreformen durchführt. Trotz positiver Änderungen wie der Mitgliedschaft in der WTO zeigt die Stimmung in der Öffentlichkeit, dass ernsthafte Reformen erforderlich sind.
Die Ukraine erlebt eine rasante Entwicklung. In den vergangenen Jahren ist das BIP beträchtlich gewachsen. Dennoch bleibt in Bezug auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft noch viel zu tun. Dem Wettbewerbsbericht des Weltwirtschaftsforums für 2007/2008 zufolge ist die Ukraine vom 69. auf den 73. Platz zurückgefallen. Der Einfluss der Oligarchen ist erwiesenermaßen negativ.
Die Ukraine ist ein strategischer Partner, daher ist es wichtig, sie weiter in solch wichtige Bereiche wie Energie und bilateralen Handel einzubinden. Wir müssen die bedeutende Rolle der Ukraine bei der Sicherung der Energieversorgungssicherheit der EU umfassend berücksichtigen. Die Möglichkeit, die Ukraine in die transeuropäischen Verkehrsnetze einzubeziehen, sollte gefördert werden, weil die Ukraine die strategische Rolle eines Transitlandes für die Versorgung Europas mit Öl und Gas übernehmen könnte.
Ich hoffe, dass die Ukraine jetzt, nach den Wahlen zum Obersten Rat, den Weg der politischen Stabilität einschlagen wird. Meiner Auffassung nach sollte die EU in Bezug auf die Ukraine ihre Politik der offenen Tür weiterverfolgen.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Stärkung und Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Bande mit der Ukraine läge eindeutig im Interesse der Europäischen Union. Die Ukraine, die vom anhaltenden Demokratisierungsprozess profitiert, ist zu einem der hoffnungsvollsten Handelspartner der Europäischen Union geworden.
Die Bestrebungen der Ukraine, Mitglied der Welthandelsorganisation zu werden, verdienen Unterstützung. Die Aufnahme der Ukraine in die Organisation wird ein für alle Mal zeigen, dass das Land von einer zentralen Planwirtschaft zu einer voll funktionsfähigen Marktwirtschaft übergegangen ist.
Es ist ferner wichtig, die Bestrebungen der Ukraine, gute politische und wirtschaftliche Verbindungen zu Russland zu pflegen, zu akzeptieren. Mit dem Angebot, eine Vereinbarung über eine gemeinsame Handelszone mit der Ukraine zu schließen, versucht Russland, zu seinen eigenen Zwecken die Kontrolle über das Land zu gewinnen. Es ist wichtig, dass die Europäische Kommission klar Stellung bezieht und die Ukraine in ihren Bestrebungen, Mitglied der Europäischen Union zu werden, unterstützt. Die Ukraine sollte eigene politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland haben dürfen, gleichzeitig sollten wir aber auch ihre Bestrebungen in Richtung EU unterstützen.
Zu Beginn des nächsten Jahres treten die Lösungen zur Annahme des Schengen-Abkommens durch Polen in Kraft. Es ist wichtig, dass durch die Einhaltung der Sicherheitsregelungen bezüglich der Grenzen der Europäischen Union für die Bürger der Ukraine nicht zugleich eine neue „Berliner Mauer“ errichtet wird. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission Polen die Einführung dieser Regelungen in einer Weise gestattet, die sie für die ukrainischen Bürger von Vorteil werden lassen.
Kathy Sinnott (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Ich habe den ukrainischen Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch bei seinem Besuch im Parlament im März befragt. Ich habe ihn auf das Problem des grauenhaften, aber lukrativen und weit verbreiteten illegalen Handels mit menschlichen Körperteilen in seinem Land angesprochen. Zu meiner Überraschung leugnete er das nicht. Tatsächlich hielt er das für ein sehr schmerzliches Thema und bat uns im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten um Hilfe, besonders mit Blick auf die Käufer, die oft aus der EU kommen.Man muss die Ehrlichkeit der Ukraine bei diesem Problem anerkennen, und wir sollten ganz entschieden fordern, dass dieser Handel unterbunden wird, der völlig unvereinbar mit der menschlichen Würde und mit engeren Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine ist. In diesem Bericht geht es darum, der Ukraine in Bereichen wie Handel zu helfen. Dies muss die Hilfe einschließen, um die der ehemalige Ministerpräsident unser Parlament gebeten hat. Und zwar dringend, denn man kann nicht über die weitere Zusammenarbeit mit einem Land reden, in dem der Handel mit lebenden und toten Menschen einen bedeutenden Teil der Wirtschaft ausmacht. Der Kampf dagegen muss eine entscheidende Rolle in der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine spielen.
Béla Glattfelder (PPE-DE). - (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen, die unserem Kollegen Herrn Zaleski zu seinem hervorragenden Bericht gratuliert haben. Es liegt im Interesse der Europäischen Union, dass die Ukraine politisch stabil bleibt und ihre Wirtschaft sich entwickelt. Eine erfolgreiche Ukraine könnte allen Ländern in der Region und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion als positives Beispiel dienen und zur Stärkung der Demokratie in der Region beitragen.
Die Europäische Union muss der Ukraine helfen und sie dazu ermutigen, ihre Zukunft nicht an Russland, sondern an die Europäische Union zu binden. Die Ukraine ist ein europäisches Land. Ihre geografische Lage, ihre Geschichte und kulturellen Traditionen binden sie an Europa. Wir müssen der Ukraine helfen, die WTO-Regeln anzuwenden. Eine Mitgliedschaft in der WTO könnte zu einem Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union führen.
Die Ausweitung des Handels liegt sowohl im Interesse Europas als auch der Ukraine, aber es bedarf eines geregelten Handels, der sicherstellt, dass die Ukraine die Bestimmungen in Bezug auf Soziales, Beschäftigung, Gesundheit der Tiere und Pflanzen und Umweltschutz erfüllt. Tut sie es nicht, werden wir vor mannigfaltigen Problemen stehen.
Gestatten Sie mir, in diesem Fall Ungarn als Beispiel anzuführen, da Ungarn mit der Ukraine eine Grenze teilt. In Ungarn müssen Geflügelzüchter ungeheuer teure Investitionen durchführen, um die Tier- und Umweltschutzvorschriften zu erfüllen. Würde das Freihandelsabkommen auch Tierzuchtprodukte einschließen, würden sehr viele ungarische Produzenten die Produktionsanlagen in die Ukraine knapp einhundert Kilometer von den aktuellen Standorten entfernt verlegen und damit weiterhin wettbewerbsfähig zu extrem niedrigen Kosten produzieren. Dann kämen alle Produkte, die sie unter Umgehung der Tierschutzbestimmungen herstellen würden, zurück in die EU, und da der Fluss Theiß aus der Ukraine nach Ungarn fließt, würden wir in Ungarn auch Umweltschutzprobleme bekommen.
Deshalb müssen wir der Ukraine helfen, dass sie die internationalen Vorschriften in den Bereichen Soziales, Gesundheit der Tiere, Umwelt- und Tierschutz so schnell wie möglich anwendet. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Stavros Arnaoutakis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Auch ich möchte Herrn Zaleski zu seiner hervorragenden Arbeit gratulieren.
Die Ukraine ist ein wichtiger Handelspartner für die EU. Wir unterstützen ihren Beitritt zur WTO und die Verhandlungen über eine Freihandelszone mit der Union.
Dazu muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ukraine weiter entwickelt werden, sodass sie sich so weit wie möglich an die EU-Wirtschaft annähern kann.
Ferner bedarf es größerer Anstrengungen, um die Herausforderungen in der Ukraine wirksam zu bewältigen. Auf Folgendes ist zu achten:
Bekämpfung der Korruption, Bekämpfung des illegalen Handels, Stärkung einer Zusammenarbeit mit der Union in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Bildung und Aufnahme engerer grenzüberschreitender kultureller Beziehungen.
Wenn die Ukraine die bereits unternommenen Reformbemühungen stärker unterstützt, werden die gewünschten Ergebnisse meiner Meinung nach nicht lange auf sich warten lassen.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Ukraine steht heute vor einer strategischen Entscheidung: Entweder lässt sie durch Bildung einer orangenen Koalition eine permanente Aufspaltung des Landes zu, oder sie bildet mit der Partei der Regionen die Koalition „Unsere Ukraine“. Die diesbezüglich zu treffende Entscheidung wird von großer Bedeutung für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine sein. Entscheidet sie sich für die erste Variante, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass dies zur politischen Zusammenarbeit mit der Europäischen Union sowie zu enormen wirtschaftlichen Spannungen mit Russland führt. Kommt es zu einer großen orange-blauen Koalition, wird es eine relativ stabile Wirtschaft geben, aber die Integration der Ukraine in die EU würde sich deutlich verzögern.
Ich bin nicht sicher, ob die EU heute in der Lage ist, die Ukraine so zu unterstützen, dass die dem Land durch einen Konflikt mit Russland entstehenden Verluste ausgeglichen werden. Diese Frage ist insofern wichtig, als dass die EU jetzt erklären muss, ob sie bereit ist, sich in der Ukraine finanziell und politisch umfassend zu engagieren. Wenn wir dazu keinen unmissverständlichen Standpunkt einnehmen, könnten wir selbst eine Destabilisierung der inneren Lage in der Ukraine provozieren. Ich möchte Herrn Zaleski ebenfalls zu seinem Bericht gratulieren.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (LT) Würde man mich heute fragen, welches Land der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union am nächsten steht, würde ich ohne zu zögern sagen: die Ukraine.
Dieses große Land mit 46 Millionen Einwohnern kann auf seine demokratischen Errungenschaften seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Recht stolz sein. Es hat sich zweifelsohne zu einem der vielversprechendsten Partner der EU entwickelt. Als Vertreterin der Delegation des Europäischen Parlaments hatte ich vor mehr als einem Monat die Gelegenheit, die Parlamentswahlen in diesem Land zu beobachten und ich habe mit Genugtuung festgestellt, dass es einen ganz offensichtlichen Trend gibt, die demokratischen zivilen Institutionen zu stärken. Die Demokratie wird zu einem integralen Bestandteil des Lebens in der Ukraine und die Wahlen in dem Land unterscheiden sich nicht von denen in den EU-Mitgliedstaaten.
Wenn Sie sich die Landkarte ansehen, wird ersichtlich, dass die Lage der Ukraine (auf der einen Seite die EU, auf der anderen Seite Russland) keine leichte sein kann. Die Entscheidung fällt nicht leicht, aber es ist auch nicht einfach, die Frage „Quo vadis, Ukraine?“ zu beantworten. Klar ist allerdings, dass die Ukraine sich nun endgültig entscheiden muss.
Diese Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass alle langfristigen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Russland und der GUS abgebrochen werden müssen oder dass Russland nicht an der ukrainischen Wirtschaft partizipieren darf. Ganz im Gegenteil. Allerdings würde z. B. die Vereinbarung über den Einheitlichen Wirtschaftsraum mit der GUS, den Russland unlängst vorgeschlagen hat, das Streben der Ukraine nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit eher gefährden als begünstigen.
Ich möchte betonen, dass die EU zusammen mit ihren Institutionen ihren Mitgliedstaaten die Ukraine politisch und wirtschaftlich unterstützen sollten, um die Aufnahme der Ukraine in die Welthandelsorganisation sicherzustellen. Auch nach dem Beitritt zur WTO ist die Unterstützung weiter sehr wichtig, so z. B. in den offiziellen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen und über ein neues, detaillierteres Abkommen zwischen der EU und der Ukraine.
Abschließend möchte ich meinem polnischen Kollegen Herrn Zaleski für seinen hervorragenden Bericht danken. Ich wünsche unseren Kollegen aus der Ukraine beim Abschluss der Regierungsbildung und für die vor ihnen liegenden Aufgaben alles Gute.
Bogusław Rogalski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Ukraine ist ein strategisch wichtiger Nachbar für die Europäische Union. Sie ist die natürliche Brücke, die uns mit Russland und Zentralasien verbindet.
Die EU ist seit 2004, das heißt seit der großen Erweiterungsrunde, der größte Handelspartner der Ukraine. Die EU und die Ukraine teilen in großem Maße die gleichen Wirtschafts- und Handelsinteressen, und aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Integration unserer Märkte fortzusetzen, um den größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen. Um das zu erreichen, müssen wir eine gemeinsame Freihandelszone schaffen, allerdings muss die Ukraine zunächst der WTO beitreten. Wir sollten politisch und diplomatisch alles in unserer Macht Stehende tun, um die Ukraine in ihrem Bestreben, diese Mitgliedschaft zu erlangen, zu unterstützen. Ferner wird es erforderlich sein, der Ukraine bei der Erfüllung der WTO-Anforderungen kontinuierlich zu helfen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass hinter der Ukraine die mächtige Hand Russlands steht, die einmal mehr diesen Teil Europas dominieren möchte. Aus diesem Grund ist es eine gute Idee, der Ukraine den Status einer Marktwirtschaft zuzuerkennen, die das Land an Westeuropa annähern und im Ergebnis dessen zu einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union führen sollte. Der Bericht von Herrn Zaleski ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deshalb möchte ich ihm zu dem Bericht gratulieren.
Daniel Caspary (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, dass wir heute die zweite Debatte zu einem außenhandelspolitischen Thema haben, bei der die Kommission nicht durch den zuständigen Kommissar vertreten ist. Wir hatten heute Morgen die Hauptdebatte zum Thema Globalisierung, dort war der zuständige Kommissar nicht anwesend, und auch heute Abend sind die für dieses wichtige Thema zuständigen Kollegen nicht anwesend — nichts gegen Sie, geschätzter Herr Kommissar Borg, aber ich fände es angemessen, wenn die Kommission mit dem dafür verantwortlichen Personal anwesend wäre. Ich wäre Ihnen, Herr Präsident, sehr dankbar, wenn Sie dies der Kommission für künftige Debatten — sicherlich im Interesse aller Kollegen — mitteilen könnten.
Ich möchte ausdrücklich meinem Kollegen, Herrn Zaleski, für seinen sehr ausgewogenen Bericht danken. Wir müssen mit unserem Nachbarland Ukraine besser als bisher zusammenarbeiten. Deshalb ist es gut, wenn die Europäische Nachbarschaftspolitik entsprechend ausgestaltet wird. Deshalb ist es gut, wenn die Europäische Union der WTO beitreten wird. Deswegen ist es gut, wenn wir ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen aushandeln, und es ist gut, wenn wir die Vision einer Freihandelszone als vorsichtigen Beginn einer europäischen Perspektive für die Ukraine unterstützen werden.
Ich sage an dieser Stelle aber auch, dass ich eine Mitgliedschaft auf absehbare Zeit im Moment nicht sehe. Die bessere Zusammenarbeit — und etliche Kollegen vor mir haben es schon angesprochen — ist auch dringend notwendig. Beide Seiten können davon profitieren. Mir ist es besonders wichtig, dass wir mit unseren östlichen Nachbarn eine gute Zusammenarbeit haben und mit ihnen sehr solidarisch sind.
Es ist aus meiner Sicht z. B. untragbar, dass Russland seine Zusammenarbeit mit der Ukraine davon abhängig macht, welche Regierung in der Ukraine im Amt ist und welche Mehrheit im Parlament in der Ukraine durch das Volk gewählt ist. Das ist untragbar, und mit solch einer Politik ist Russland auf dem Holzweg. Hier müssen wir als Europäer, als Europäische Union, die Menschen in der Ukraine unterstützen auf ihrem weiteren Weg in die Unabhängigkeit und in eine gefestigte Demokratie. Der Bericht des Kollegen Zaleski ist dazu ein großer und wichtiger Beitrag.
Der Präsident. – Sicher haben sie Recht, Herr Caspary, dass der Aussprache der zuständige Kommissar beiwohnen sollte, aber aus praktischen Gründen ist dies nicht immer möglich. Ich kenne Herrn Borg als einen äußerst erfahrenen Kommissar und Politiker, der Ihre Botschaft zweifellos den betreffenden Personen wird zukommen lassen.Ich möchte darauf hinweisen, dass der Aussprache zum Thema Globalisierung, die heute schon etwas früher stattgefunden hat, Herr Barroso beiwohnte, es ist also eine zwar bunt gemischte, aber sehr kompetente Kommission anwesend.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Aufgrund ihrer strategischen geopolitischen Lage sollte die Ukraine in der EU-Außenpolitik innerhalb Europas Vorrang genießen. Auf der einen Seite ist sie ein direkter Nachbar der Europäischen Union, auf der anderen Seite könnte die Ukraine eine wichtige Brücke zwischen der EU, Russland und den Ländern Zentralasiens sein. Mit dem Zugang zum Schwarzen Meer könnte sie auch ein wichtiger Wirtschaftspartner in dieser Region sein.
Ich unterstütze die Empfehlungen des Berichterstatters zur Unterstützung des Beitritts der Ukraine zur WTO durch die Mitgliedstaaten. Davon werden die Ukraine und die Region sehr profitieren. Wenn wir das sagen, dürfen wir allerdings auch nicht außer Acht lassen, dass Kiew aus historischen Gründen noch viel zu tun hat. Die Europäische Union sollte die ukrainische Regierung beim Wiederaufbau des Landes in vielerlei Hinsicht unterstützen, nicht nur im Bereich der Wirtschaft oder der Industrie, sondern auch in sozialen Angelegenheiten. Ferner bedarf es einer beachtlichen Flexibilität der Außenpolitik, die die politische Vielschichtigkeit der Ukraine berücksichtigt.
An diesem Punkt ist es wichtig, an Russland zu denken, dessen Interessen mit den Interessen der Gemeinschaft in der Ukraine östlich des Dnepr kollidieren. Die ukrainische Demokratie ist noch sehr jung. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass sich die demokratischen Prozesse stabilisieren. Zu diesem Zeitpunkt dürfen wir eines nicht vergessen: Je nach den sozialen Gesinnungen könnten starke antieuropäische Kräfte an die Macht kommen. Daher möchte auch ich mich meinen Vorrednern anschließen und Herrn Zaleski zu seinem Bericht gratulieren. Ich bin für den Bericht. Es ist ein Bericht, in dem all diese grundlegenden Fragen aufgeworfen werden, und der der EU einen Weg weist, den sie für ihre Politik gegenüber der Ukraine einschlagen kann.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte den Abgeordneten des Parlaments für ihre Kommentare und die interessante Aussprache danken.Ich habe gut aufgepasst und werde Ihre Äußerungen meinem Kollegen, Kommissar Mandelson, übermitteln, der heute eine internationale Verpflichtung wahrnimmt, bei der er nicht fehlen kann. Ich bin aber sicher, dass er ihnen die gebührende Beachtung schenken wird.Erlauben Sie mir, auf einige der in der Debatte angesprochenen Punkte einzugehen. Ohne bei den verschiedenen Fragen ins Detail gehen zu wollen, möchte ich unterstreichen, dass wir in zwei grundlegenden Feststellungen übereinstimmen.Erstens, dass die Ukraine einen wichtigen und wertvollen Partner in der Nachbarschaftsstrategie der Europäischen Union darstellt. Wir teilen Ihre wesentlichen Aussagen betreffend die positive gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit, die Bedeutung unserer Beziehungen im Energiebereich, das Gebiet der Wissenschaft, den Austausch zwischen den Völkern und die Notwendigkeit, unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen und zu stärken.Was den Beitritt zur WTO betrifft, so stimmt die Kommission voll und ganz darin überein, dass dies eine Schlüsselfrage ist. Jedoch halten die Kommission und die Mitgliedstaaten die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen für einen ganz entscheidenden Schritt, der so bald als möglich vollzogen werden muss. Daher wäre der Abschluss der Genfer WTO-Gespräche ausreichend und würde erlauben, Verhandlungen über ein weit reichendes und umfassendes Freihandelsabkommen in Gang zu setzen. Wir hoffen, dass der WTO-Prozess noch Ende dieses Jahres oder gleich zu Beginn des Jahres 2008 unter Dach und Fach kommt.Unser Ziel ist das anspruchsvollste bilaterale Handelsabkommen, das wir je abgeschlossen haben. Es wird auch die Frage der institutionellen Kapazitäten und die Notwendigkeit von Reformen, Zoll, Polizei und Justiz und allgemein die Frage der Korruption zum Inhalt haben müssen.Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass auch die Themen wissenschaftlicher Austausch und Visa durch das Freihandelsabkommen abgedeckt sein werden.Lassen Sie mich auch bemerken, dass anwachsende Handelsströme keine Bedrohung für nachhaltige Entwicklung darstellen. Eher wird diese durch die Übernahme von EU-Standards gefördert.Bezüglich eines möglichen Beitritts der Ukraine zur EU möchte ich Wert auf die Feststellung legen, dass keine der beiden Seiten für diesen Schritt schon bereit ist. Das neue verbesserte Abkommen wird die Ukraine in möglichst vielen Bereichen denkbar nahe an die EU rücken, ohne im Einklang mit den Vertragsbestimmungen irgendwelchen möglichen künftigen Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine vorgreifen zu wollen.Schließlich möchte ich dem Berichterstatter noch einmal für diesen guten Bericht danken, den wir als ausgewogen empfinden, und wir werden seine Empfehlungen in unserer laufenden Arbeit mit der Ukraine gebührend berücksichtigen.
Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Herr Kommissar, und ich danke allen Rednern in dieser wichtigen Aussprache zu einem besonders bedeutsamen Thema.Die Aussprache ist geschlossen.Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
András Gyürk (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Der zur Diskussion vorliegende Bericht weist zu Recht darauf hin, dass die Ukraine ein strategisch wichtiger Partner für die Europäische Union ist, weil sie im Dialog mit Russland und anderen zentralasiatischen Ländern eine bedeutende Vermittlerrolle spielen kann. Wir sind davon überzeugt, dass die Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen durch die Grundsätze des freien Marktes wesentliche Vorteile für beide Seiten birgt. Das gilt vor allem für den Bereich der Energiepolitik.
Die Ereignisse der letzten Monate haben gezeigt, dass der Energiesektor in der Ukraine gegenwärtig durch mangelhafte Transparenz gekennzeichnet ist. Die verworrenen Beziehungen öffnen Korruption und politischem Druck Raum. Nichts davon fördert die Umsetzung von Marktbeziehungen. Sie behindern die Bemühungen der Ukraine um Integration in die Union und gefährden so die Sicherheit der europäischen Versorgung.
Die Europäische Union und die Ukraine müssen aus eben diesem Grund zusammenarbeiten, damit die Grundsätze der Transparenz und des Wettbewerbs umgesetzt sind, wenn sich im Bereich der Energie eine Zusammenarbeit entwickelt. Gleichzeitig müssen die Beziehungen in jedem Fall auf Gegenseitigkeit beruhen.
Meines Erachtens ist es wichtig festzuhalten, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die es zwischen der Europäischen Union und der Ukraine zu entwickeln gilt, nicht ohne Berücksichtigung der Absichten Russlands verstanden werden kann. Die neue ukrainische Regierung kann eine wichtige Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass die eben genannten Grundsätze nicht nur in Verbindung mit einem Dialog mit der Union, sondern in der gesamten Region umgesetzt werden.
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – (EN) Infolge der Erweiterung im Jahr 2004 und des Beitritts von Ländern, die gemeinsame Außengrenzen mit der Ukraine haben, ist die Ukraine natürlich ein Nachbar von strategischer Bedeutung für die gesamte EU sowie ein bestimmender Akteur in der Region geworden. Seit 2004 ist die EU der wichtigste Handelspartner der Ukraine, und die Osterweiterung der Grenzen der Union hat zweifellos neue Möglichkeiten für Handel, industrielle Zusammenarbeit und wirtschaftliches Wachstum in der Region eröffnet.In dieser Hinsicht ist es für die Union von größter Wichtigkeit, energisch den Beitritt der Ukraine zur WTO zu unterstützen, nach dem die Schaffung einer echten Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine innerhalb eines soliden und transparenten institutionellen Rahmens möglich sein wird. Grundsätzlich liegt es in der Tat im Interesse der Union, ein gutes den Handel betreffendes, wirtschaftliches und soziales Leistungsvermögen der Ukraine zu fördern, um Handelsbeziehungen und politische Stabilität in der Region sicherzustellen.Wir unterstützen daher die Forderung nach einer koordinierten globalen Antwort auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen in Ost- und Mitteleuropa. Insbesondere sollten wir gemeinsam mit der Ukraine zu wichtigen Themen wie z. B. die Zuverlässigkeit der Energieversorgung, nukleare Sicherheit, Landwirtschaftsfragen und nachhaltige Umweltnormen aufeinander abgestimmte Konzepte entwickeln.
14. Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Iles Braghetto im Namen des Fischereiausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Aufstellung eines mehrjährigen Wiederauffüllungsplans für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer (KOM(2007)0169 – C6-0110/2007 – 2007/0058(CNS)) (A6-0408/2007).
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Vorab möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Braghetto, und dem Fischereiausschuss meinen Dank für diesen Bericht aussprechen, der sich mit dem Wiederauffüllungsplan für Roten Thun beschäftigt.Der Rote Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer stellt für die Gemeinschaft einen Schlüsselbestand dar. Wie durch wissenschaftliche Gutachten bestätigt wird, stehen diese Bestände von Rotem Thun mittlerweile kurz vor dem Zusammenbruch. Alle an dieser Fischerei beteiligten Staaten sind sich einig über die Notwendigkeit dringlicher Maßnahmen, um die Nachhaltigkeit der Bestände und der Fischerei sicherzustellen.Ich bin überzeugt, dass der 2006 von der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) angenommene Bestandserholungsplan eine realistische Chance für die allmähliche Erholung der Bestände des Roten Thun bietet, wenn er vollständig eingehalten wird. Deshalb ist sofort entschlossenes und wirksames Handeln auf Gemeinschaftsebene notwendig. Eine schnelle Umsetzung des Bestandserholungsplans der ICCAT ist ein absolutes Muss, sowohl aus Gründen der Erhaltung als auch um der Glaubwürdigkeit der Gemeinsamen Fischereipolitik und der Fischer selbst willen. Ziel ist die Annahme des Vorschlags auf der Tagung des Rates im November.Im Laufe von Diskussionen während der Vorbereitungen der Ratstagung sind viele Veränderungen am ursprünglichen Vorschlag vorgenommen worden, einige von ihnen gehen in die Richtung Ihrer vorgeschlagenen Änderungen. Ich bin sicher, wir sind uns einig, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um der Überfischung ein Ende zu machen, in strikter Befolgung der Maßgaben der ICCAT, um die Bestände des Roten Thun auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen. Dies wird zugleich auf lange Sicht die Rentabilität der Fischereiwirtschaft verbessern. Abgesehen vom Nutzen für die Wirtschaft besteht aber auch eine internationale politische Verpflichtung, der wir nachkommen müssen.Wenn ich mich nun dem Bericht zuwende, dann begrüße und teile ich die Sichtweise des Fischereiausschusses, dass die Gemeinschaft den überhöhten Fischereiaufwand ihrer Flotte in den Griff bekommen muss. Die Kommission ist auch der Meinung, dass der jährliche Fangplan ein wirksames Mittel darstellt, um die Überfischung aufgrund der Überkapazitäten der Gemeinschaftsflotte zu vermeiden.In diesem Zusammenhang kann die Kommission die Änderungsanträge 1, 2, 7 und 8 befürworten, in denen es um die Erstellung jährlicher Fangpläne geht, die für ein Gleichgewicht zwischen dem Fischereiaufwand der Gemeinschaftsflotte und den Quoten sorgen sollen. Eine entsprechende Bestimmung enthält der Kompromissvorschlag der Präsidentschaft.Darüber hinaus fordert die Kommission die betroffenen Mitgliedstaaten auf, in ihren operationellen Plänen eine Verringerung ihrer Fangkapazität vorzunehmen, entweder durch vorübergehende Einstellung der Fangtätigkeit oder das Abwracken von Schiffen, um sicherzustellen, dass ihre Quoten für 2008 und die folgenden Jahre genau eingehalten werden. Ich weiß, dass wir der Fischereiwirtschaft beträchtliche Opfer abverlangen, aber diese müssen sein, um auf lange Sicht die Nachhaltigkeit der betroffenen Fischereien, Flotten und Küstengemeinschaften zu sichern. Wir haben die Wahl zwischen kurzfristigen Opfern und dem Zusammenbruch der Bestände.Außerdem bin ich völlig mit Ihnen einer Meinung, dass der Fischereiwirtschaft ein finanzieller Ausgleich gezahlt werden muss, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Einschränkung der Fangtätigkeit abzuschwächen. Eine Bestimmung über die damit verbundene Finanzierungsmaßnahme im Einklang mit Änderungsantrag 5 ist ebenfalls im Kompromissvorschlag der Präsidentschaft vorgesehen. Ich bin mir bewusst, dass es noch weitere Bedenken gibt. Ich teile viele von diesen und weiß, dass auch für sie Lösungen gefunden werden müssen.Mit Blick auf Änderungsantrag 3 lassen Sie mich vorab feststellen, dass ich mir im Klaren darüber bin, dass die Zahl der Käfiganlagen zur Mast von Thunfisch seit 1990 außerordentlich angestiegen ist und dass ihre Kapazität über der Gesamtobergrenze der verfügbaren TAC liegt.Die ICCAT hat gerade eine strenge Verordnung verabschiedet, die eine nachhaltige Entwicklung bei der Zucht von Rotem Thun befördern soll. Der nächste Schritt wird sein, die Anzahl der Zuchtbetriebe zu regeln. Die Kommission unterstützt voll und ganz die Annahme der im Juli 2007 von der ICCAT-Arbeitsgruppe, die sich mit Fragen der Kapazität beschäftigt, gegebenen Empfehlung.In dieser Empfehlung wird ein Einfrieren der Kapazitäten der mit Schiffen betriebenen Fischerei und der Zuchtkapazitäten für Roten Thun vorgeschlagen. Wir müssen auf die abschließenden Ergebnisse der ICCAT-Sitzung warten, die in dieser Woche in Antalya stattfindet. Deshalb kann die Kommission in diesem Stadium dem Änderungsantrag betreffend die Begrenzung der Zuchtkapazitäten nicht zustimmen.Zu den Ausnahmeregelungen für die Fanggebiete und die Mindestgröße möchte ich Sie an den Zusammenhang erinnern, in dem solche Ausnahmeregelungen von der ICCAT akzeptiert worden sind. Alle Vertragsparteien haben diesen Ausnahmen als Teil des mit dem Wiederauffüllungsplan verbundenen Pakets zugestimmt. Diese Ausnahmeregelungen werden handwerklichen und einigen saisonalen Flotten gewährt, weil ihr Einfluss auf die Fänge unbedeutend ist. Außerdem beinhalten diese Ausnahmen eine Reihe strenger Bedingungen, wie z. B. die Begrenzung der Anzahl der Schiffe, limitierte Fänge und bezeichnete Häfen. Andererseits kann der Wiederauffüllungsplan aufgrund neuer wissenschaftlicher Gutachten oder wegen bei seiner Umsetzung aufgetretener Schwächen 2008 überarbeitet werden.Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss die Gemeinschaft verantwortlich dafür sorgen, dass der Wiederauffüllungsplan in die Gesetzgebung der Gemeinschaft eingefügt und vollständig umgesetzt wird. In diesem Zusammenhang kann ich die Änderungsanträge des Parlaments zur Streichung der Ausnahmeregelungen, das sind die Änderungsanträge 4 und 6 bzw. die Änderungsanträge 12 und 13 über die Umbenennung des Plans, die Änderung der Gemeinschaftsquoten und die Einführung eines neuen Rückerstattungssystems nicht billigen. Diese Änderungsanträge stehen nicht im Einklang mit dem von der ICCAT angenommenen Bestandserholungsplan und den Bestimmungen der ICCAT zu Rückzahlungen.Ebenso kann ich dem Änderungsantrag 10 über Tonnare nicht beipflichten, da der Vorschlag keine Maßnahmen zur Lösung dieses Problems enthält. Erstmals regelt der Wiederauffüllungsplan die Tätigkeit der Tonnare und dies wird künftig eine Bewertung des Einflusses dieser Fangtätigkeit auf die Bestände ermöglichen.Zu den Änderungsanträgen 9 und 11 über die Harmonisierung von Sanktionen und die mögliche Einstellung der Fischerei im betreffenden Mitgliedstaat, wenn er seine Meldeanforderungen nicht einhält, lassen Sie mich sagen, dass wir zwar voll und ganz die Absicht verstehen und teilen, die hinter diesem Vorschlag steht, aber den Änderungsantrag in diesem Zusammenhang nicht akzeptieren können, da der Vorschlag keine Maßnahmen anführt, mit denen dem Problem beizukommen wäre. Das ist ein Thema der allgemeinen Politik, und die Kommission wird es in der 2008 anstehenden Reform des Kontrollrahmens der Gemeinsamen Fischereipolitik überprüfen.Wir glauben, dass Dokumentation und Übermittlung von Daten an die Kommission zu festgelegten Zeiten entscheidende Elemente für den Erfolg des Wiederauffüllungsplans für Roten Thun darstellen, und sie sind auch eine Vorbedingung, wenn wir die Inanspruchnahme der EU-Quote in Echtzeit überwachen sollen. Die Kommission hat deshalb Vertragsverletzungsverfahren wegen Unzulänglichkeiten in der Datenübermittlung gegen alle sieben Mitgliedstaaten, die an der Befischung von Rotem Thun beteiligt sind, eingeleitet.Lassen Sie mich abschließend konstatieren, dass wir tief besorgt sind über das Überschreiten der Quoten durch einige Mitgliedstaaten, was die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft auf internationaler Ebene untergräbt und den Erfolg des Wiederauffüllungsplans für Roten Thun gefährdet.Auf dem Treffen des Durchführungsausschusses der ICCAT, das am 8. und 9. November in Antalya stattfand, kritisierten die Vertragsparteien – vor allem die USA und Kanada – die Nichteinhaltung der ICCAT-Bestimmungen. Wie erwartet wurde die Europäische Gemeinschaft für das Überschreiten der TAC im Jahr 2007 streng gerügt.Zugleich erkannten die Vertragsparteien die Schwierigkeiten für die Flotte der Europäischen Gemeinschaft bei der Anpassung an die Bestimmungen des Wiederauffüllungsplans, der 2007 in Kraft trat, an und begrüßten den Vorschlag der Europäischen Gemeinschaft zu einer spezifischen Rückerstattungsregelung. Der Durchführungsausschuss verabschiedete aufgrund eines EG-Vorschlags eine spezifische Empfehlung für ein Rückerstattungssystem beim Überschreiten der EG-Quote, das sich für 2007 auf 4 440 t beläuft.In Übereinstimmung mit dieser Empfehlung wird das Überschreiten der Quote der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 2007 zu einer jährlichen Verringerung ihrer Quote um 1 480 Tonnen im Zeitraum von 2009 bis 2011 führen.Zudem kam der Durchführungsausschuss überein, dass die Zahl der Europäischen Gemeinschaft eine vorläufige war und überprüft und eventuell angeglichen werden kann, wenn es die laufenden Untersuchungen erfordern. Diese Empfehlung wird von der ICCAT auf ihrer Plenartagung am 18. November angenommen werden. Dennoch müssen wir den ICCAT-Parteien glaubhaft versichern können, dass die Europäische Gemeinschaft alles daransetzen wird, dass die den Schiffen unserer Mitgliedstaaten zugeteilten Quoten von diesen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission peinlich genau überwacht werden, um die Einhaltung der für 2008 und die kommenden Jahre festgelegten Quote sicherzustellen.Nach der Annahme dieser Verordnung ist die Kommission entschlossen, eng mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um die vollständige Umsetzung des Wiederauffüllungsplans für Roten Thun zu gewährleisten und genau zu überwachen. Die Europäische Fischereiaufsichtsagentur wird ebenfalls eine aktive Rolle spielen. Die Agentur hat mit den Vorbereitungen für die Koordinierung der Kontrollen und Inspektionen durch die Mitgliedstaaten begonnen, um für die kommende Fangsaison des Roten Thun gerüstet zu sein.
Iles Braghetto (PPE-DE), Berichterstatter. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Der Wiederauffüllungsplan der Kommission für Roten Thun, der von der ICCAT in die Wege geleitet wurde, ist eine Reaktion auf die Bedenken, die Wissenschaftler gegenüber der kritischen Lage der Bestände infolge der Überfischung geäußert haben.
Der Plan ist in vieler Hinsicht kritisiert worden. Dies zeigt, dass Wissenschaftler und Fischer verschiedene Ansichten über die Notwendigkeit eines Schutzes der Bestände vertreten. Er bietet jedoch eine angemessene Antwort auf die Erfordernisse, die hervorgehoben wurden, und sieht dementsprechend eine allmähliche Senkung der Fangquote zwischen 2006 und 2020 bis zu 20 %, eine Erhöhung der Mindestgröße auf 30 kg, die Beschränkung der Fangzeiten und einen Ausbau der Kontrollmaßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Fischerei vor.
Im Einzelnen wurden einige Bestandteile des Plans während der Arbeit des Ausschusses verstärkt und folgende Vorschlägen vorgelegt:
– Vorlage und Anforderung von Fangplänen seitens der Mitgliedstaaten im Rahmen der Fischereiabkommen, auch im Falle von Fischbeständen, die in einem guten biologischen Zustand sind, da eines der Hauptprobleme die Kapazität der Fischereiflotte ist, die über die bestehenden Quoten hinausgeht;
– Erreichen eines Gleichgewichts zwischen den Quoten und der Kapazität der Mastbetriebe jedes Mitgliedstaats;
– Aufhebung der Ausnahmeregelungen für Fischereizonen und Mindestgrößen: diese stehen im Widerspruch zu den Ansichten aller Wissenschaftler und dem Standpunkt der Mehrheit der Mitgliedstaaten. Überdies sind diese Ausnahmeregelungen aus biologischer Sicht nicht gerechtfertigt, da die Bestände im Mittelmeer und im Atlantik einzigartig sind. Sie führen zu starken Wettbewerbsverzerrungen und zu einem intensiver betriebenen Fischfang in den betreffenden Gebieten, auch durch traditionell dort nicht operierende Schiffe, und sie verringern die Effizienz der Kontrollen;
– Aufforderung der Mitgliedstaaten, ihren Verpflichtungen nachzukommen, der Kommission Daten und Informationen vorzulegen; dabei wird die nationale Fischerei eingestellt, wenn die Mitgliedstaaten keine Fangmeldungen machen;
– Ausarbeitung eines Plans zur Sanierung der Tonnare im Atlantik und zur Instandsetzung der Tonnare, die nicht mehr funktionieren, um eine nachhaltige und hochselektive Thunfischfangmethode beizubehalten;
– Einführung von Ausgleichszahlungen aus dem Europäischen Fischereifonds, die Fischer während der Schonzeiten erhalten, um das sozioökonomische Gleichgewicht der Fischereiunternehmen und der Fischer zu sichern und zu schützen;
– Harmonisierung der Sanktionen, um zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Verordnung unterschiedlich vorgehen.
Und schließlich sind die Vertragsverletzungsverfahren, die in den letzten Monaten gegen einige Mitgliedstaaten wegen der Nichteinhaltung der Fangquoten für 2007 eröffnet wurden, zweifellos notwendig, doch der kurze Zeitraum für das Inkrafttreten der derzeitigen Bestimmungen während dieses Jahres sollte ebenfalls berücksichtigt werden.
In dem Bewusstsein, dass die Bewirtschaftung der Bestände äußerst komplex ist, insbesondere in Gebieten, in denen ein starker Wettbewerb mit anderen, Nicht-EU-Flotten besteht, so vor allem im Mittelmeer, ist eine bessere Wahrung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit erforderlich, um sicherzustellen, dass die Ziele der ICCAT ausreichend verfolgt werden. Diese Maßnahmen werden nur dann effizient sein, wenn ihre Grundsätze und Bestimmungen von den Mitgliedstaaten und den Nicht-EU-Staaten angewandt werden.
Abschließend, Herr Präsident, möchte ich all den Kolleginnen und Kollegen besonders danken, die an dieser Arbeit mitgewirkt haben.
Carmen Fraga Estévez, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Auch wenn ich die Ansicht teile, dass dieser Wiederauffüllungsplan nicht so ehrgeizig ist, wie er sein sollte, so ist es doch so, dass er das Ergebnis eines schwer erkämpften Kompromisses in der ICCAT ist, und indem wir ihn annehmen, machen wir einen großen Schritt nach vorn und senden zum ersten Mal eine deutliche Botschaft an diejenigen, die für die Überfischung dieser Art verantwortlich sind.
Auf jeden Fall ist die ernste Lage des Roten Thuns, soweit sie die Europäische Union betrifft, durch bestimmte Mitgliedstaaten zu verantworten, die eine unangemessene Erweiterung ihrer Flotten im Mittelmeer gestattet und sogar gefördert haben, sowie durch die Kommission, die – obwohl ihr dieser Missbrauch und die Tatsache der kontinuierlichen Untererfassung der Fänge genau bekannt sind – bis heute keinen Finger gerührt hat, um diese Situation zu beenden.
Dieser Mangel an Verantwortlichkeit ist es, der zur Einstellung der Fischerei für alle Mitgliedstaaten geführt hat aufgrund der skandalösen Nachricht vom August, wonach zwei Länder bis dahin bereits die gesamte Fangquote der EU abgefischt hatten.
Vor diesem Hintergrund ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass das Parlament den Bericht von Herrn Braghetto unterstützt, der meinen Änderungsantrag einschließt, demzufolge die Mitgliedstaaten künftig vorab einen Fangplan vorlegen sollen, mit dem erstens die Maximalzahl der Fischereifahrzeuge angegeben wird und zweitens sichergestellt wird, dass der Fischereiaufwand des jeweiligen Landes der ihm zugeteilten Quote entspricht. Die Kommission hat angedeutet, dass sie für die Aufnahme dieses Fangplans ist, und wir hoffen, dass der Rat den Plan ebenfalls unterstützt.
Ich bedauere indes, dass der Bericht keinerlei Ausnahmen für Flotten vorsieht, die seit jeher im Atlantik gefischt haben und deren Fischereitätigkeit mit viel selektiveren Fanggeräten einen vernachlässigbaren Anteil an der Gemeinschaftsquote ausmacht. Die Fischer, die mit diesen traditionellen Fangmethoden arbeiten, müssen daher für die Sünden der maßlosen Gier seitens der Ringwadenflotten der beiden genannten Mitgliedstaaten büßen, obwohl sie keinerlei Anteil daran haben. Eine Ungerechtigkeit, die – so hoffe ich – durch dieses Parlament und den Rat noch korrigiert wird.
Zum Schluss bleibt mir nur, die Kommission aufzufordern und dringend zu bitten, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit bei der Verteilung der Gemeinschaftsquote für das kommende Jahr diejenigen Mitgliedstaaten einen gebührenden Ausgleich erhalten, die die Fischerei einstellen mussten, weil andere die ihnen zustehenden Quoten ausgeschöpft haben, und damit alle entsprechenden Tonnagen von den Quoten der Schuldigen abgezogen werden, um für einen echten, effektiven Ausgleich zu sorgen.
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Rosa Miguélez Ramos, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Ich sehe den Vorschlag der Kommission zur Umsetzung des in der ICCAT vereinbarten Wiederauffüllungsplans für den Roten Thun in Gemeinschaftsrecht sehr positiv und stimme mit dem Kommissar darin überein, dass die Maßnahmen, die der Plan enthält, bei richtiger Anwendung eine kontinuierliche Wiederauffüllung der Bestände des Atlantiks wie des Mittelmeers gewährleisten.
Der Plan – und das ist ein sehr wichtiger Aspekt für mich – berücksichtigt die Besonderheiten der traditionellen Fischerei, indem er ihr Bedingungen einräumt, nach denen diese Fischereitätigkeit straffrei bleibt, und zugleich versucht, die Bewahrung der traditionellen Methoden mit sozialökonomischen Aspekten in Einklang zu bringen.
In diesem Zusammenhang möchte ich dem Herrn Kommissar mitteilen, dass mein Land von Anfang an für eine gewisse Flexibilität bei der für die traditionelle Flotte geltenden Mindestgröße war und deshalb die Einführung eines bestimmten Prozentsatzes der Fangquote für eine geringere Mindestgröße als 30 kg gefordert hat, der der traditionellen Flotte zugewiesen wird.
Die Kommission hat diese Forderung aufgegriffen; sie hat eingesehen, dass nicht die kleinen traditionellen Fischer die Zeche für eine Situation zahlen können, die die großen Industrieflotten verursacht haben, und der Aufnahme dieser Maßnahme zugestimmt, auch wenn der Prozentsatz im Plan auf 2 % gesenkt wurde.
Allerdings, Herr Kommissar, ergeben sich im Zusammenhang mit der Stelle, an der diese Maßnahme aufgenommen wurde – Punkt 6 in Anhang I – Unklarheiten bezüglich des geographischen Anwendungsbereichs.
Die Beschränkung dieser Maßnahme auf die Fischerei im Atlantik würde bedeuten, die traditionelle Flotte des Mittelmeers, die nicht einmal über entsprechende Kapazitäten verfügt, um die Fischfanggründe des Atlantiks aufzusuchen, zum unabwendbaren Untergang zu verurteilen. Und dabei es geht hier um eine historische Flotte, die über Jahrhunderte gefischt hat, ohne die Bestände zu beeinträchtigen; der Rückgang ist eindeutig auf die Überkapazität der Ringwadenflotte im Mittelmeer zurückzuführen.
Diese Maßnahme, Herr Kommissar, muss für die Flotten aller Länder gelten, die an der Fischerei beteiligt sind, und nicht nur für diejenigen, die über atlantische Flotten verfügen. Algerien, Tunesien oder die Türkei haben ebenfalls das Recht, einen Teil ihrer Quoten zu nutzen, um ihre traditionellen Flotten gegen den Wettbewerb der Industrieflotten zu schützen, und ich glaube nicht, dass diese – wie Sie gut wissen kleine – Ausnahme die Effektivität des Wiederauffüllungsplans in irgendeiner Weise herabsetzen würde.
Aus diesem Grund bitte ich die Kommission, die Unklarheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Aufnahme dieser Maßnahme unter Punkt 6 in Anhang I ergeben, und daher ersuche ich die Vertreter der Kommission, sich auf der derzeit stattfindenden ICCAT-Tagung um eine Klarstellung zu bemühen, dass diese 2 % der Fänge von den traditionellen Flotten sowohl im Atlantik als auch im Mittelmeer gefischt werden können.
Zu dem Bericht, den wir heute diskutieren, möchte ich dem Herrn Berichterstatter mitteilen, dass sich meine Fraktion erneut gegen die Streichung der Ausnahmen bezüglich der Mindestgröße und der Sperrgebiete ausspricht, Ausnahmen, die – wie der Herr Kommissar sagte – bei der ICCAT vereinbart wurden. Aus demselben Grund lehnen wir die neuen Änderungsanträge, die die Fraktion der Grünen eingereicht hat, ab und werden morgen dagegen stimmen.
Alfonso Andria, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich den Berichterstatter, Herrn Braghetto, zu seiner ausgezeichneten Arbeit im Fischereiausschuss beglückwünschen, die es uns ermöglicht hat, einen ausgewogenen Text für die Abstimmung morgen vorzulegen. Mit diesem Text, dem in gewissem Umfang frühere Erfahrungen zugrunde liegen, wird die Verordnung über die Wiederauffüllung von Rotem Thun in einer Weise geändert, die zweifellos eine Verbesserung darstellt.
Die Aufhebung der Ausnahmeregelungen zu den Quoten für den Thunfischfang, von denen einige ursprünglich beibehalten worden waren, und für den Fischfang im Ostatlantik und in der Adria ist meines Erachtens einer der größten Erfolge dieses parlamentarischen Verfahrens. Diese Ausnahmeregelungen waren aus biologischer Sicht nicht ausreichend gerechtfertigt, da die Thunfischbestände im Mittelmeer und im Atlantik einzigartig sind. Sie könnten auch eine starke Wettbewerbsverzerrung verursachen, da sie zu einer intensiveren Fischereitätigkeit in Gebieten führen könnten, in denen es keine Begrenzungen gibt. Auch Kontrollen wären schwieriger und zweifellos weniger wirksam.
Ich stimme mit dem Berichterstatter darin überein, dass den Fischern während Schonzeiten ein finanzieller Ausgleich gezahlt werden muss, und ich begrüße auch den Vorschlag zur Sanierung von Tonnaren.
Auch die illegale Fischerei, die als eine der großen Geißeln gilt, durch die der Schutz des Roten Thuns unterlaufen wird, muss entschlossen bekämpft werden. Im Verordnungsvorschlag wird das Problem der Kontrollen zwar konkreter angesprochen als in der Vergangenheit, doch derzeitige Diskrepanzen bei der Umsetzung der Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten sollten meines Erachtens aus dem Weg geräumt werden. Meiner Ansicht nach ist eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich, um die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Maßnahmen zu harmonisieren; in diese Richtung geht mein Änderungsantrag.
Ein weiteres Problem muss meines Erachtens gelöst werden. Die Bewirtschaftung des Roten Thuns erfordert eine globale Strategie, die mit den anderen Nicht-ICCAT-Staaten vereinbart ist, die im Mittelmeer fischen. Ich denke dabei beispielweise an die japanische Flotte, da anderenfalls die Ziele der Verordnung zu Nichts werden.
Ich möchte daher abschließend die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass der vom Fischereiausschuss angenommene Text bei der Abstimmung gebilligt wird.
Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Auch ich möchte die Anerkennung für die Arbeit des Kollegen Braghetto mit diesem Bericht an den Anfang stellen. Wie ich allerdings seinerzeit schon bei den Diskussionen im Fischereiausschuss sagte, und unter Berufung auf die Berichte aus der Feder zahlreicher Wissenschaftler, Umweltorganisationen und sogar eines Teils der Branche selbst, bin ich der Meinung, dass der Titel des Berichts geändert werden sollte.
Anstatt von einer geplanten Verordnung für den Wiederauffüllungsplan für den Roten Thun zu sprechen, sollten wir den Plan eher als Plan zur Nichtwiederauffüllung oder besser noch als Plan zur Ausrottung des Thunfischs bezeichnen. Denn wir müssen uns über Folgendes im Klaren sein: Als dieser Wiederauffüllungsplan mit dem falschen Namen vor einem Jahr in Dubrovnik in der ICCAT angenommen wurde, warnte der Wissenschaftliche Ausschuss schon damals – ich zitiere: „Allgemein zeigen die ersten Ergebnisse, dass es unwahrscheinlich ist, dass mit den ergriffenen Maßnahmen – auch wenn sie ein Schritt in die richtige Richtung sind – das Ziel des Plans ohne Abstriche erreicht werden kann.“ Und es hieß weiter: „Bei idealer Umsetzung und wenn sich die künftige Rekrutierung etwa auf dem Niveau der 1990er Jahre bewegt und nicht durch das aktuelle Niveau der reproduktiven Biomasse beeinträchtigt wird, besteht mit den derzeitigen Rechtsbestimmungen eine Wahrscheinlichkeit von 50 % für die Wiederauffüllung im Jahr 2023.“
Das bedeutet, dass bei einer weniger idealen Umsetzung oder einer Rekrutierung, die im gleichen Maße wie die reproduktive Biomasse gegenüber dem derzeitigen Niveau abnimmt, oder falls beides zutreffen sollte, die Ziele des Wiederauffüllungsplans schwer zu erreichen sein werden.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Grundlage für meine Ausführungen die wissenschaftlichen Berichte sind. Und als ob das nicht genug wäre, hat sich dieser Plan, der 2007 provisorisch umgesetzt wurde, in der Praxis so schlecht bewährt, dass die Europäische Union die darin festgelegte Quote um 26 % überschritten hat, was mit einer noch nie dagewesenen Maßnahme die Einleitung rechtlicher Schritte gegen alle Länder, die die Vorschriften nicht eingehalten haben, insbesondere Frankreich und Italien, notwendig gemacht hat.
Ich wüsste natürlich auch gern, wie ein anderes Land – Spanien – es schaffen konnte, im Jahr 2006 fast 9 000 Tonnen Thunfisch zu exportieren, während es den Fang von gerade einmal 4 700 Tonnen gemeldet hat; ein Umstand, auf den Organisationen wie Greenpeace oder Adena hingewiesen haben.
Zum Abschluss würde es mich interessieren zu hören, welche Maßnahmen die Kommission und die Regierungen ergreifen wollen, um die Größe der Fischereiflotte zu kontrollieren beziehungsweise sogar zu reduzieren, da es zumindest schwer zu glauben ist, dass es möglich sein soll, die Fänge zu reduzieren, während wir immer mehr und immer bessere Schiffe haben, die in den meisten Fällen ausgerechnet von europäischen Subventionen leben. Vielleicht können uns auf der ICCAT-Tagung, die in diesen Tagen in Antalya, in der Türkei, stattfindet und an der meine Kollegen Marie-Hélène Aubert und Michael Earle teilnehmen, einige Antworten gegeben werden.
Für mich ist die direkte Schlussfolgerung jedoch so einfach wie alarmierend: Alle Anzeichen weisen darauf hin, dass die Situation der Bestände deutlich schlechter ist als die optimistischsten Vorhersagen. Manche behaupten sogar, dass wir den Point-of-no-return bereits überschritten haben. Mit anderen Worten, unter diesen Bedingungen fällt es mir schwer zu glauben, dass der aktuelle Plan nicht besser einen anderen Namen als Wiederauffüllungsplan tragen sollte.
James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Darf auch ich zuerst den Berichterstatter zu diesem Bericht beglückwünschen. Den Wiederaufbau der Bestände zu erreichen ist für jeden Wiederauffüllungsplan ein schwieriges Unterfangen. Dies unterscheidet ihn nicht von den vielen anderen mehrjährigen Wiederauffüllungsplänen, nur geht es dieses Mal um Roten Thun. Wie jeder andere hoffe auch ich aufrichtig, dass das Vorhaben gelingen wird.Meine einzige Erfahrung auf diesem Gebiet war bisher die Erfahrung mit dem Wiederauffüllungsplan für Kabeljau in der Irischen See. Während dieser Jahre erhielten die Fischer der Region keinerlei Entschädigung dafür, dass ihnen der Fischfang in dieser Zeit verboten war. Meines Erachtens ergibt zweimal falsch nie einmal richtig: Wenn man Erhaltung erreichen will, dann muss man auch darauf vorbereitet sein, eine Entschädigung zu zahlen – ich glaube nicht, dass es da eine Alternative gibt. Es ist schön, um Opfer zu bitten, aber auch Opfer haben ihren Preis.Wie ich sehe, ist dieser Bericht äußerst heikel für die Fischer, die im Mittelmeer und im Atlantik fischen. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht kommen extrem schwere Zeiten auf sie zu. Unter solchen Umständen wird dies auch eine sehr schmerzhafte Verordnung für die Fischer aus dieser Region sein. Doch die Erhaltung und der Schutz des Roten Thun stehen an erster Stelle.
Paulo Casaca (PSE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte dem Berichterstatter Herrn Braghetto ebenfalls zu seiner hervorragenden Arbeit, die er uns vorgelegt hat, gratulieren. Zunächst möchte ich sagen, dass die derzeitige Situation des Roten Thun im Ostatlantik und insbesondere im Mittelmeer das wohl deutlichste Beispiel dafür ist, dass die gegenwärtige Gemeinsame Fischereipolitik nicht geeignet ist, um diese Aktivität sicherzustellen. Das wurde unlängst in einer sehr interessanten Studie deutlich, die die Generaldirektion Fischerei in Auftrag gegeben und die Herr Borg unter Mühen publik gemacht hat, wofür ich im danken möchte.
Tatsache ist, dass die unerbittlichen Maßnahmen in diesem Bereich, die wir zurzeit verfolgen können, und zwar die Einstellung der Fischerei vor Jahresende, der Versuch, einen wesentlichen Teil der Flotte abzuwracken und in der Perspektive das völlige Lahmlegen der Fischereitätigkeit – selbst, wenn die Ziele möglicherweise nicht erreicht werden –, eine direkte Folge der Gemeinsamen Fischereipolitik sind, in der Entscheidungen zur Bewirtschaftung losgelöst von deren Umsetzung und Kontrolle getroffen werden und die Fischereigemeinschaften und die Verantwortung der Behörden durch eine ausschließliche europäische Zuständigkeit, die nicht denjenigen, die sie tatsächlich betrifft, übertragen wurde, untergraben wird.
Der ökologisch nachhaltige aber wirtschaftlich weniger rentable traditionelle Fischfang mit Angeln musste mit modernen Technologien und hochentwickelten Ressourcen, die kurzfristig unvergleichlich rentabler, ökologisch aber nicht nachhaltig waren, konkurrieren. Einige diskriminierende Maßnahmen gegen die letztgenannten Fischereifahrzeuge wurden erst jetzt getroffen. Ich möchte unterstreichen, dass ich die Darlegungen meiner Kollegin Frau Miguélez zur Förderung der traditionellen Fischereimethoden voll und ganz unterstütze.
Angesichts der drohenden kommerziellen Auslöschung des Thunfischfangs sollten wir alle darüber nachdenken, was im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Fischereipolitik insgesamt dringend getan werden muss.
Ioannis Gklavakis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich stimme den meisten von Herrn Braghettos Vorschlägen zur Wiederauffüllung der Thunbestände zu. Meines Erachtens wünschen wir uns alle Meere mit zufrieden stellenden Fischbeständen.
Lassen Sie mich aber doch zwei Bedenken zum Ausdruck bringen. Zunächst gibt es, um stärkere Kontrolle zu gewährleisten, Pläne zur Einführung eines Systems, bei dem Fischereifahrzeuge einen detaillierten Thunfangplan vorlegen müssten. Meiner Auffassung nach wäre die durch diesen Fangplan entstehende Situation nur für große Thunfischereifahrzeuge umsetzbar, die ausschließlich Thun fangen, nicht aber für kleine Boote, die sowohl Thun als auch andere Fische fangen können.
Wir alle wollen den Thunfang kontrollieren, aber keine Länder mit kleinen Booten ausschließen. Außerdem gibt es hier eine starke Fischereitradition.
Zweitens möchte ich auf Änderungsantrag 3 hinweisen, in dem die Kapazität der Masteinheiten mit nationalen Quoten verbunden wird. In der EU wird Roter Thun in Ländern gezüchtet, die keine großen Quoten haben.
Mein Land z. B. ist, was die Quoten angeht, nicht gerade begünstigt. Auf der anderen Seite haben wir bei der Thunzucht vergleichsweise Vorteile. Warum sollten wir die Kapazität unserer Einheiten auf das Niveau unserer Quoten absenken?
Lassen Sie mich jetzt abschließend die inakzeptable Tatsache erwähnen, dass der Thunfang im September verboten wurde, weil zwei EU-Länder Fangmengen hatten, die für alle Mitgliedstaaten zusammen gereicht hätten. Diesen Ländern müssen entsprechende Strafen auferlegt werden. Auf der anderen Seite sollten die Länder, denen in diesem Jahr Ihre Fischereirechte entzogen wurden, im nächsten Jahr die ersten sein, die den prozentualen Anteil erhalten, der ihnen vorenthalten worden ist. In der Zwischenzeit sollten wir Wege finden, wie Fischfänge umgehend geprüft werden können.
Robert Navarro (PSE). – (FR) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst unserem Berichterstatter, Herrn Braghetto, für seine ausgezeichnete Arbeit danken. Da die ICCAT-Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, wissen wir nicht, welches Schicksal unseren Fischern im kommenden Jahr beschieden sein wird. Was wir jedoch wissen, ist, dass diesen Sommer etwas sehr Ernstes passiert ist und dass wir die Mechanismen zur Überwachung der Fangmengen einer umfassenden Prüfung unterziehen müssen. Die Kommission befasst sich, wie ich zu meiner Freude feststellen kann, bereits damit; allerdings befürchte ich, dass es wohl sehr schwierig sein wird, bestimmte im letzten Monat eingebrachte Vorschläge zur Bekämpfung der illegalen Fischerei im Rat durchzubringen.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass es der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur gelingen wird, eine wirkliche Koordinierung der europäischen Mittel zur Durchführung der notwendigen Kontrollen einzuführen, denn die nationalen Kontrollsysteme sind nicht wirksam. Unsere spanischen, portugiesischen und griechischen Freunde können sich leicht über das Verhalten der französischen und italienischen Fischer sowie über die mangelnde Kontrolle in diesen beiden Ländern erregen. Doch darauf fällt keiner herein! Wir alle wissen, dass jedes Land die illegalen Aktivitäten seiner eigenen Fischer zu lange gedeckt hat. Daher brauchen wir, auch wenn es einigen nicht gefällt, verstärkte Kontrollen auf europäischer Ebene, und deshalb bin ich überzeugt, dass eine europäische Küstenwache notwendig ist.
Es muss auch über Sanktionen für dieses Überfischen gesprochen werden. Die ICCAT wird höchstwahrscheinlich beschließen, die Gemeinschaft mit Sanktionen zu belegen, die dann ihrerseits Sanktionen gegen die säumigen Mitgliedstaaten verhängen müsste. Die französische Regierung hat lautstark verkündet, sie bleibe unnachgiebig und es würden Köpfe rollen. Ich persönlich hoffe, dass diese Sanktionen, die nicht notwendig wären, wenn die Kontrollen wirksam gewesen wären, hart, aber fair und gerecht ausfallen werden. Und ich wünsche, dass diejenigen, die den traditionellen Thunfang praktizieren, dessen Auswirkungen auf die Bestände geringer sind, nicht für die Vergehen anderer bestraft werden.
Da die Sachverständigen eindeutig nachgewiesen haben, dass die europäischen Flottenkapazitäten im Vergleich zu den Beständen an Rotem Thun unverhältnismäßig hoch sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um den Kommissar zu fragen, welche Mittel für die Umschulung der Fischer vorgesehen sind, die ihre Tätigkeit aufgeben müssen.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich den Abgeordneten des Parlaments für ihre interessanten Beiträge danken.Ich habe aus dieser Aussprache die Erkenntnis gewonnen, dass wir ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, nämlich auf wirksame Weise der prekären Lage des Roten Thuns beizukommen. Der beste Weg, etwas gegen den Rückgang der Bestände zu tun, ist die Umsetzung des Widerauffüllungsplans der ICCAT. Ich danke daher dem Parlament für seinen Vorschlag betreffend die Einführung nationaler Fangpläne, die ein wirkungsvolles Mittel zur Einhaltung der Vorgaben in Bezug auf Überkapazitäten sind.Was die Ausnahmeregelungen betrifft, kann die Kommission die inhaltlichen Bestimmungen des von der ICCAT verabschiedeten Plans nicht abändern. Alle Vertragsparteien haben diesen Ausnahmen zugestimmt. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Ausnahmen handwerklichen und einigen saisonalen Flotten gewährt werden, weil ihr Einfluss auf die Fänge unbedeutend ist. Außerdem beinhalten diese Ausnahmen eine Reihe strenger Bedingungen, wie z. B. die Begrenzung der Anzahl der Schiffe, limitierte Fänge und bezeichnete Häfen. Andererseits kann der Wiederauffüllungsplan aufgrund neuer wissenschaftlicher Gutachten oder in seiner Umsetzung aufgetretener Schwächen 2008 überarbeitet werden.Zu dem, was Frau Miguélez Ramos gesagt hat, die eine Ausweitung der zwei Sonderregelungen im Atlantik und in der Adria verlangt, sei betont, dass dies ganz spezielle, kleine und unwesentliche Fälle sind. Sie auf andere Gebiete auszuweiten, erfordert eine Änderung der Vereinbarungen des Wiederauffüllungsplans der ICCAT. Das kann sicher nicht in diesem Jahr geschehen. Wir wollen die Diskussion über den ICCAT-Plan nicht wieder aufnehmen. Eine Überprüfung ist für 2008 geplant, aber meines Erachtens wird es angesichts der Kritik an den zwei Ausnahmeregelungen äußerst schwer sein, sie sogar noch weiter auszudehnen.Überkapazitäten werden durch die nationalen Fangpläne abgebaut werden, die von den Mitgliedstaaten vorzulegen sind und in denen ein Ausgleich zwischen Kapazitäten und Fängen gefunden werden muss. Außerdem ist es uns in unseren Auseinandersetzungen im Rat gelungen, verbesserte Kontrollmaßnahmen einzuführen, um für eine konsequentere Einhaltung zu sorgen. Darüber hinaus werden wir 2008 unsere Anstrengungen auf eine Verstärkung der Kontrollen im Allgemeinen richten.Wir bestehen auch darauf, dass im Rahmen des Europäischen Fischereifonds Mittel bereitgestellt werden für die Stilllegung von Schiffen in Mitgliedstaaten mit Überkapazitäten, besonders mit Blick auf die Fischerei auf Roten Thun.Zur Frage der Einhaltung der ICCAT-Regelungen durch andere Fangschiffe, d. h. Fangschiffe aus Drittländern, sei bemerkt, die ICCAT-Bestimmungen gelten für alle ICCAT-Partner, und wir erwarten von allen, dass sie sich an die Vorschriften und Bedingungen des Wiederauffüllungsplans für Roten Thun halten. Wenn nicht, werden wir sie innerhalb der ICCAT und bilateral zur Rechenschaft ziehen. Wenn sie sich weigern, ihren Verpflichtungen nachzukommen, werden wir über andere Maßnahmen nachdenken, die ergriffen werden können.Zur Frage der Überfischung durch zwei Länder habe ich bereits gesagt, dass wir die nationalen Fangpläne befürworten, und dies erscheint im Kompromissvorschlag der Präsidentschaft, der, wie ich hoffe, auf der Tagung des Rates im November von allen Mitgliedstaaten angenommen werden wird.Die überfischten Mengen müssen zurückgezahlt werden, dem wurde in Antalya zugestimmt. Daraus resultiert eine jährliche Verringerung der Quote um 1 480 Tonnen für den Zeitraum von 2009 bis 2011. Entschädigung für die Staaten, die unter ihrer Quote bleiben, wird von 2008 an gezahlt werden.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Francesco Musotto (PPE-DE), schriftlich. – (IT) Der Bericht Braghetto enthält viele Aspekte zur Umsetzung des Wiederauffüllungsplans für Roten Thun, über die wir nachdenken können. Der Plan schreibt angesichts des notwendigen Schutzes einer gefährdeten Art Begrenzungen für die Fischerei vor. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Initiative keine Wirkung zeigt, wenn die Europäische Union nicht Maßnahmen ergreift, um den sozioökonomischen Auswirkungen entgegenzuwirken. Der Bericht hat das Verdienst, diesen Schwachpunkt hervorzuheben und angemessene Maßnahmen für eine wirksame Umsetzung der Empfehlungen der Kommission und der ICCAT vorzulegen.
Was die sozioökonomischen Aspekte betrifft, so ist der Thunfischfang eine traditionelle Tätigkeit und die einzige Einkommensquelle von Tausenden von Familien. Würde sie vollständig eingestellt, müssten die Fischer einen finanziellen Ausgleich aus dem EFF erhalten.
Die Mitgliedstaaten müssen auch Sanktionen gegen die illegale Fischerei verhängen; sie ist die tatsächliche Ursache für den Rückgang der Bestände. Es ist wenig sinnvoll, ehrliche Fischer zu beschuldigen, wenn es keine Instrumente gibt, um Räuber auf See zu stoppen.
Und schließlich muss Gegenseitigkeit nicht nur von den Nicht-EU-Staaten gefordert wird. Es hat keinen Sinn, unsere Fischer für den Schutz der Arten zu opfern, wenn für andere Länder, und ich denke dabei an Libyen und die Türkei sowie China und Japan, nicht ebenso strikte Restriktionen auf ihren Meeren gelten. Sie hätten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den europäischen Fischern und gleichzeitig würde das Problem des Rückgangs der Thunfischbestände nicht gelöst.
15. Vierteljährliche Statistik der offenen Stellen in der Gemeinschaft (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Alexandru Athanasiu im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die vierteljährliche Statistik der offenen Stellen in der Gemeinschaft (KOM(2007)0076 – C6-0090/2007 – 2007/0033(COD)) (A6-0335/2007).
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ziel dieser Verordnung ist die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Erhebung einer vierteljährlichen Statistik der offenen Stellen. Vierteljährliche Daten über offene Stellen, aufgeschlüsselt nach Wirtschaftszweigen, werden von der Kommission und der Europäischen Zentralbank für die Wirtschafts- und Währungspolitik benötigt. Sie erlauben die Beobachtung kurzfristiger Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und helfen bei der Einschätzung des Konjunkturverlaufs. Wegen ihrer Bedeutung gehört diese Statistik zu den wichtigsten europäischen Wirtschaftsindikatoren, wie sie in der 2002 erfolgten Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Statistik über die Eurozone festgelegt wurden. Die vierteljährliche Datenerhebung über offene Stellen ist der einzige dieser Indikatoren, für den noch keine Rechtsgrundlage geschaffen worden ist. Der vorgeschlagene Rechtsakt wird für ein Verfahren sorgen, das einen harmonisierten Satz aktueller Daten von offenen Stellen in allen Mitgliedstaaten bereitstellt.Meines Wissens gab es eine Diskussion zu mehreren Punkten, mit denen sich der von der Kommission vorgeschlagene Rechtsakt befasst, und es wurden auch einige Änderungen vorgenommen. Die im Bericht des Parlaments eingebrachten Änderungsanträge enthalten die vom Rat eingearbeiteten Änderungen, sodass der Ihnen heute zur Verabschiedung vorgelegte Text den zwischen den drei beteiligten Organen – der Europäischen Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament – erzielten Kompromiss widerspiegelt. Es herrscht auch Einigkeit zwischen den drei Organen, dass die Rechtsvorschrift so bald als möglich in Kraft treten soll. Dies eröffnet den Weg zur Annahme der Verordnung in erster Lesung. Ich bin dem Berichterstatter, Herrn Athanasiu, für seine gute Zusammenarbeit und sein Verständnis der Sache zu Dank verpflichtet.
Alexandru Athanasiu (PSE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter des Rates und der Kommission, meine Damen und Herren! Ich möchte gleich eingangs meinen Kollegen, die mich mit diesem Bericht betraut haben, sowie dem Schattenberichterstatter für ihre jeweiligen Beiträge danken.
Es liegt auf der Hand, dass das Erheben von Daten in unserer Gesellschaft zu einem wesentlichen Analyseinstrument geworden ist. Die Daten über offene Stellen werden nicht nur zur Beurteilung der Gesundheit der Wirtschaft verwendet, sondern auch zur Festlegung und Gestaltung bestimmter Politiken. Heute haben die Statistiken über offene Stellen direkte Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Die Rating-Agenturen warten auf diese Zahlen, um ihre Einschätzungen zu geben.
Statistiken sind, wenn ich so sagen darf, Herr Präsident, ein anspruchsvoller Gegenstand. Ich möchte dazu den Ausspruch von G. O. Ashley zitieren: „So wie andere Geheimwissenschaften hat auch die Statistik ihre Fachsprache, die eigens dazu erdacht wurde, um ihre Methoden vor Nichteingeweihten geheim zu halten.“ Bei der Arbeit an diesem Text im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten wollten meine Kollegen und ich drei Aspekte hervorheben.
Erstens den politischen Aspekt dieser Verordnung, nämlich auch in dem Rahmen dieses statistischen Instruments nochmals das Prinzip der Freizügigkeit der europäischen Bürger und des bedingungslosen, unbegrenzten und ungehinderten Zugangs zu Beschäftigung zu betonen. Zweitens den sozialen Aspekt, nämlich es jedem europäischen Bürger zu erleichtern, eine passende Beschäftigung zu finden und Informationen über offene Stellen überall in der EU zu erhalten. Und schließlich ist – was ausschließlich der Kommission und dem Rat zu verdanken ist – der technische Aspekt der Qualität der Daten zu nennen. Diese ist möglich dank einer Reihe von harmonisierten Verfahren, dank eines wohldurchdachten Systems zur Erfassung statistischer Informationen, mit anderen Worten eines verbesserten Konzepts zum Erhalt von genauen Daten.
Wie Sie wissen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, hat bisher nur ein Gentleman’s Agreement bestanden, d. h. eine freiwillige Grundlage zur Erhebung der Daten. Doch eine genaue Analyse setzt eine obligatorische und einheitliche Datenerhebung voraus. Daher ist eine Verordnung eine bessere Rechtsgrundlage als eine Richtlinie, denn die Vorschriften einer Verordnung sind im Gegensatz zu denen einer Richtlinie in der gesamten Union identisch, da die Mitgliedstaaten keine Möglichkeit haben, sie unvollständig oder selektiv anzuwenden und auch nicht die Mittel zur Erreichung der gestellten Ziele wählen können.
Eines der Ziele der Lissabon-Strategie besteht darin, mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen, aber auch mehr Arbeitsplätze zu schaffen, woraus sich die Notwendigkeit eines bestmöglichen Systems zur Information über Arbeitskräfteangebot und -nachfrage ergibt. Die Qualität der Informationen ist oft die Voraussetzung für den Erfolg, denn wir wissen alle, dass heute Information Macht bedeutet. Dies gilt für die Wirtschaft wie auch für andere Bereiche, und daher wurde die Entwicklung und Veröffentlichung eines Strukturindikators für offene Stellen zur Messung der Anspannung des Arbeitsmarktes und von Qualifikationsdefiziten für notwendig erachtet.
Außerdem müssen die Kommission und die Europäische Zentralbank schnell vierteljährliche Daten über offene Stellen erhalten, damit kurzfristige Veränderungen bei den offenen Stellen in den einzelnen Wirtschaftszweigen beobachtet werden können. Daten über offene Stellen gehören zu den wichtigsten europäischen Wirtschaftsindikatoren und werden zur Einschätzung der Arbeitsmarktbedingungen in der EU bzw. der Eurozone im Rahmen des WWU-Aktionsplans benötigt.
Herr Präsident, ich möchte schließen mit einem Ausspruch von Abbé Pierre, der sagte, dass viele Politiker das Elend nur aus Statistiken kennen, doch über Zahlen weint niemand. Es braucht wohl niemand von der Notwendigkeit eines technisch effektiveren Instruments zur Erhebung aller erforderlichen Daten überzeugt zu werden. Als Politiker müssen wir unsere Aufgabe erfüllen, es den Menschen zu erleichtern, eine angemessene Arbeitsstelle zu finden. Mit diesen Statistiken können wir ihnen die Arbeitsuche erleichtern.
José Albino Silva Peneda, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter Herrn Athanasiu, den ich in den letzten Monaten mehrere Male getroffen habe und der nun die Ergebnisse einer nach meinem Dafürhalten sehr guten Arbeit vorlegt, danken.
Ich habe den Inhalt des heute zur Diskussion vorliegenden Berichts und die Verhandlungen mit der Kommission und mit dem Rat seit Juni dieses Jahres im Namen der PPE-DE-Fraktion verfolgt, und ich kann nunmehr mit Sicherheit sagen, dass mit dem Text ein qualitativ hochwertiger und gesunder Kompromiss erzielt wurde. Wir wissen, dass der Rat bereits angekündigt hat, denselben geänderten Vorschlag für eine Verordnung ebenfalls anzunehmen, sollte das Parlament die Änderungen des Kommissionsvorschlags in dieser Plenartagung billigen.
Meiner Auffassung nach wird sich dieser Bericht als ein nützliches Instrument erweisen, um die Sektoren und Regionen der EU festzulegen, in denen Arbeitskräfte benötigt werden, und die Solvenz und ein besseres Ausbildungsmanagement fördern. Ferner möchte ich auf einen aus meiner Sicht wichtigen Aspekt aufmerksam machen: Der Inhalt dieses Berichts ist keine größere bürokratische Belastung oder eine unbedeutende Rechtsvorschrift, denn in seiner gegenwärtigen Fassung werden die Dopplung von Initiativen und die Einbindung bereits bestehender Instrumente vermieden.
Zudem ist der Bericht ein guter Kompromiss zwischen dem Erfordernis, Informationen zu statistischen Zwecken zur Verfügung zu stellen, und der Notwendigkeit, sicherzustellen, dass Unternehmen – im Wesentlichen kleine und mittlere – nicht durch unnötige bürokratische Verfahren überlastet werden.
Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, dass alle Bedingungen erfüllt sind, damit der Bericht jetzt in erster Lesung angenommen werden kann. Das ist meine Empfehlung an dieses Haus.
Proinsias De Rossa, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Da ich heute Abend ganze vier Minuten Zeit habe, das sind 400 % mehr als mir normalerweise zur Verfügung stehen, darf ich nicht zu redselig werden. Also, ohne Umschweife!Trotz der außergewöhnlich technischen Natur der vorgeschlagenen Verordnung sollte ihr Wert für Europa und die Mitgliedstaaten nicht unterschätzt werden. Die Neubelebung der Lissabon-Agenda für mehr und bessere Arbeitsplätze im Jahr 2005 macht eine präzise, aktuelle und vergleichbare Statistik der offenen Stellen in Europa erforderlich, aufgegliedert nach Regionen und Wirtschaftszweigen. Sie ist von großer Bedeutung, wenn wir die Erfordernisse des Arbeitsmarkts und die Bedürfnisse derer, die in ihn eintreten, einplanen sollen.Ich begrüße in diesem Fall, dass wir es mit einer Verordnung und nicht mit einer Richtlinie zu tun haben, da eine Verordnung nach ihrer Annahme schneller umgesetzt werden kann. Und natürlich ist sie unmittelbar und in gleicher Weise von allen Mitgliedstaaten anzuwenden, was die Wahrscheinlichkeit verschiedener Definitionen und Interpretationen von einem Mitgliedstaat zum nächsten ausschließt. Sie muss auch nicht in nationales Recht umgesetzt werden, womit mögliche damit einhergehende Verzögerungen vermieden werden.Dies ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die EU einen wertvollen Beitrag zur Arbeit der Mitgliedstaaten leisten kann, wozu sie allein oder auch gemeinsam nicht imstande wären. Trotzdem hat es zwei Jahre gedauert, bis diese Rechtsvorschrift diese Stufe erreicht hat, und ich hoffe deshalb, dass eine Einigung mit dem Rat erzielt und in erster Lesung verabschiedet werden kann.In Irland erheben wir keine Daten von offenen Stellen, aber das zentrale Amt für Statistik arbeitet daran. Das Statistische Zentralamt CSO hat einen sehr guten Ruf und hoffentlich wird Irland in etwa einem Jahr vollständig an dem Verfahren teilnehmen können.Ich begrüße auch, dass der Vorschlag persönliche Dienstleistungen, offene Stellen in der Landwirtschaft usw., Firmen mit weniger als 10 Beschäftigten und den Charakter des Arbeitsvertrags einbezieht. Ich halte dies für besonders wichtig mit Blick auf die wachsende Sorge über die zunehmende Flexibilisierung bzw. Auflösung der normalen Beschäftigungsverhältnisse und auf die mancherorts bestehenden Ängste, die von der Tendenz zur Flexicurity hervorgerufen werden.Ich hoffe, dass wir eine Einigung erreichen und weiter daran arbeiten können, gemeinsame Statistiken in der gesamten Europäischen Union zu schaffen.
Marian Harkin, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Berichterstatter für seine hervorragende Arbeit zu diesem Vorschlag für eine Verordnung zur Erhebung einer vierteljährlichen Statistik der offenen Stellen in der Gemeinschaft beglückwünschen.Zuerst lassen Sie mich sagen, dass qualitativ hochwertige, aktuelle und sachdienliche Statistiken gute politische Entscheidungen untermauern. Dies ist besonders auf EU-Ebene der Fall, wo 27 verschiedene Länder versuchen, in diesem besonderen Zusammenhang die Lissabon-Ziele zu erreichen. In der Tat ist meines Erachtens jede Hilfe oder Unterstützung, die den Mitgliedstaaten gewährt werden kann, um diese Ziele – d. h. die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen – zu verwirklichen, diese Anstrengungen wert.Ich unterstütze voll und ganz den Gedanken, dass die nötigen Informationen zwar von den einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Verordnung selbst zusammengetragen werden können, um die Vergleichbarkeit der Daten zu sichern, wir aber dennoch die Kommission brauchen, um die Harmonisierung der statistischen Informationen zu koordinieren. Und ich bin in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass wir wirklich eine Verordnung benötigen – und keine Richtlinie –, aber dass sich die vorgeschlagene Verordnung auf das zur Erreichung der gewünschten Ziele notwendige Mindestmaß beschränkt und nicht darüber hinausgeht.Ich nehme an, ich muss das hier wirklich nicht weiter ausführen, möchte aber hinzufügen, dass ich mich besonders darüber freue, dass die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, Daten zu persönlichen Pflegedienstleistungen, Betreuung in Heimen und Sozialarbeit außerhalb von Heimen zu übermitteln. Diese Informationen sind außerordentlich wichtig angesichts der steigenden Zahl von Pflegedienstleistern in der EU. Unsere immer älter werdende Bevölkerung stellt eine große demografische Herausforderung dar und Pflegedienste gehören zu den unentbehrlichen Mitteln, um ihr zu begegnen. Diejenigen von uns, die das Glück haben, lange genug zu leben, werden sehr wahrscheinlich dieser oder jener Art von Pflege bedürfen, und dies bedeutet zweifellos einen wachsenden Markt von Arbeitsmöglichkeiten innerhalb der EU. Da der größte Teil der Pflegearbeit unbezahlt ist und dies wohl auch bleiben wird, steigen die Möglichkeiten der Beschäftigung in diesem Bereich künftig an. Darum benötigen wir verlässliche und qualitativ gute Statistiken, um das Problem, das uns die Bevölkerungsentwicklung unter dem Aspekt der Pflege stellt, lösen zu können.Schließlich sind ja, wie ich schon im umfassenden bzw. globalen Zusammenhang gesagt habe, qualitativ hochwertige, sachdienliche, aktuelle, vergleichbare und zusammenhängende Daten ein unschätzbares Werkzeug für die Gestaltung einer guten Politik, vorausgesetzt natürlich, dass wir als Politiker die uns zur Verfügung gestellten Informationen nutzen.
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Für die Umsetzung der Lissabon-Agenda bezüglich des Anstiegs der Zahl hoch qualifizierter Arbeitsplätze bedarf es einiger Instrumente. Eines ist die vierteljährliche Statistik der offenen Stellen in der Gemeinschaft. Eurostat benötigt eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten über offene Stellen. Eine ungeschriebene Vereinbarung reicht nicht aus und garantiert weder Vergleichbarkeit noch Vollständigkeit der Daten.
Kommen wir nun zu einigen Einzelheiten. Der erste Änderungsantrag bedeutet in der Praxis eine zusätzliche bürokratische Belastung für kleine Unternehmen, allerdings steigt die Anzahl der Angestellten in genau solchen Unternehmen, und von daher sind Informationen über die Lage in diesen Unternehmen zunehmend sinnvoll.
Ich unterstütze den zweiten Änderungsantrag, der die Sozialpartner in die Umsetzung der Verordnung einbindet.
Änderungsantrag 3 bringt Ordnung in die Methode zur Herausgabe von Daten, auch wenn das freiwillig geschieht. Das macht sie unerlässlich.
Ich unterstütze ferner Änderungsantrag 17, der die Veröffentlichung der Daten und somit die Möglichkeit, sie für praktische Schlussfolgerungen zu nutzen, garantiert.
Ich möchte dem Berichterstatter gratulieren.
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich denjenigen anschließen, die dem Herrn Berichterstatter gratuliert und ihm für seinen Bericht gedankt haben. So wie er bin ich der Meinung, dass die Erstellung qualitativ hochwertiger und vergleichbarer Statistiken der offenen Stellen für Europa ein vorrangiges Ziel sein muss. Auch bin ich überzeugt davon, dass die Erhebung dieser statistischen Daten allein im Rahmen eines Gentlemen's Agreement nicht genügt und dass die Verabschiedung des Rechtsakts auf europäischer Ebene notwendig ist, um die Erstellung harmonisierter, qualitativ hochwertiger Statistiken für alle Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Nur die Kommission kann die erforderliche Harmonisierung der statistischen Daten auf Gemeinschaftsebene koordinieren.
Den gleichen Standpunkt habe ich jüngst vertreten, als ich meine Meinung zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Gemeinschaftsstatistiken über öffentliche Gesundheit und über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz geäußert habe. Ich war über die Ergebnisse der Dreiergespräche zwischen dem Berichterstatter, der Kommission und der Ratspräsidentschaft sehr erfreut. Die anschließenden Kompromissvorschläge haben die Qualität des Dokuments entscheidend verbessert. Wie die Schattenberichterstatter der anderen Fraktionen habe auch ich meine Unterschrift im Namen der GUE/NGL-Fraktion sehr gern unter das Dokument gesetzt.
Unter diesen Kompromissvorschlägen möchte ich insbesondere den wichtigen Beitrag hervorheben, den der Vorschlag zur Einbeziehung der Daten zu Einheiten mit weniger als zehn Beschäftigten in die Statistiken, der Vorschlag zur Unterscheidung zwischen unbefristeten und befristeten freien Stellen und der Vorschlag zur Sicherstellung, dass die Daten möglichst vielen europäischen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht werden, leisten.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich die Festlegung von Kriterien für die Qualitätsbewertung begrüße, weil nur zutreffende, exakte, aktuelle und nachvollziehbare Daten über offene Stellen dabei helfen können, die Arbeitslosigkeit in der Gemeinschaft zu bekämpfen.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Informationen über Veränderungen bei offenen Stellen, um Arbeitskräftemangel zu erkennen, das klingt gut. Aber doch nicht nur, um Statistiken zu erstellen? Es muss so sein, damit Arbeitgeber offene Stellen besetzen und Arbeitnehmer eine neue Anstellung finden können, beides so schnell als möglich, deshalb vierteljährlich.Gegenwärtig werden nationale Statistiken von den Mitgliedstaaten selbst erstellt, und die Kommission scheint Gefallen daran zu finden, diesen Umstand zu nutzen, um einen gemeinsamen Rahmen unter einer einzigen Verordnung der Europäischen Union zu schaffen, Option C. So verwandelt der Harmonisierungswahn der Gemeinschaft ein einfaches Verfahren in ein bürokratisches und zeitaufwendiges.Der wahre Zweck ist zentrale Kontrolle. Wird es bald so sein, dass Arbeitgeber und Arbeitsuchende ein EU-Büro konsultieren müssen? Führt das dann irgendwann zu neuer Arbeit? Es führt sicherlich zu einer europäischen Planwirtschaft und das wird dann das Ende des Traums sein von einem immer wohlhabenderen Europa mit Vollbeschäftigung und reger Innovation.In einem globalisierten Markt gibt es nur eine Möglichkeit, um konkurrenzfähig zu bleiben: Man muss locker bleiben, bereit sein, eine Lücke zu füllen, eine offene Stelle zu besetzen, man muss zu allem bereit sein. Statistikspalten auf Tonnen von Papier oder auf der Festplatte gesichert tun es nicht – es sind der Mann oder die Frau vor Ort, die plötzlich die Chance sehen und schnell zugreifen müssen, bevor es ein anderer tut. Wer sich mit dem zweiten Platz begnügen will, soll ruhig warten, bis Arbeitgeber die Statistiken durchforsten. Doch in der Zwischenzeit preschen anderswo mit allen Wassern gewaschene Burschen nach vorn an die Spitze und erschließen den Markt für sich.Schlimmer noch, Änderungsantrag 8 – falls er angenommen wird – erlaubt der die Daten abgleichenden Behörde, unzureichende nationale Zahlen abzulehnen und durch eigene zu ersetzen. So können sie ein falsches Bild erzeugen, wie es den zentralisierten Aufsehern der EG gerade passt, und die Menschen werden in die Irre geführt. So viel dazu, wie der Bürger informiert wird!Schließlich begünstigt Änderungsantrag 3 den Ausschluss von Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft aus diesen Überlegungen. Nun, warum denn? Ich weiß nicht viel über Forstwirtschaft, aber die Zahlen des Vereinigten Königreichs für Landwirtschaft und Fischerei sind entsetzlich. Seit 1973, als wir uns der Gemeinsamen Agrarpolitik anschlossen, haben mehr englische Bauern ihr Land verlassen und haben mehr von ihnen Selbstmord begangen als in irgendeinem vergleichbaren Abschnitt unserer Geschichte. Unsere Fangflotten, geschrumpft auf etwa ein Viertel ihrer Kapazität von 1973, sind Zeugen der verheerenden Auswirkungen der miserablen Gemeinsamen Fischereipolitik.Kein Wunder, dass man diese Zahlen aus den EU-Statistiken heraushalten will. Kein Grund, deswegen die Bürger zu alarmieren?
Zdzisław Kazimierz Chmielewski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Jeder Versuch, die EU zu modernisieren, verdient Respekt, vor allem dann, wenn es um Fragen der Beschäftigung geht. Meiner Auffassung nach ist Beschäftigung beim sozialen und wirtschaftlichen Übergang eines integrierten Europas der wichtigste Verbindungspunkt. Im Zusammenhang mit dieser Rechtsetzungsinitiative hat der Berichterstatter ein erwartungsvolles Klima vorgefunden und seinen Bericht in einer außerordentlich verständlichen und wirklich interessanten Form abgefasst.
Die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates ersetzt mit der Entscheidung, einen Rechtsrahmen für die Erhebung von Daten über offene Stellen zu schaffen, bestehende, auf einem Gentlemen’s Agreement beruhende Verfahren. Das bietet die Chance, die nächste Phase des Informationsintegrationsprozesses zu verbessern, der übrigens Teil der grundlegenden europäischen Wirtschaftsindikatoren ist. In diesem Zusammenhang entstand das Bedürfnis, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die dazu beitragen wird, die erforderlichen methodologischen Säulen zur Zusammenfassung der wachsenden Datenbestände zu entwickeln.
Die Verordnung verspricht auch noch einen anderen Nutzen. In Bezug auf Qualität und Vergleichbarkeit von Statistiken können höhere Standards erzielt werden. Ferner wird die Entwicklung wirksamer Beschäftigungspolitiken auf der Grundlage verlässlicher Daten sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene erleichtert. Zudem kann die Umsetzung solcher Politiken in einzelnen Ländern beobachtet werden. Die Regierungen der so genannten neuen EU-Länder haben betont, dass sie dank der vierteljährlichen Statistiken über ein gemeinsames System von Indikatoren verfügen werden, was für die Überwachung des Arbeitsmarktes wesentlich ist. Ferner haben sie mit einiger Erleichterung festgestellt, dass mit der Einführung dieser Verordnung keine zusätzlichen Ausgaben für die vierteljährliche Datenerhebung verbunden sind.
In der Begründung für ihren Standpunkt zu diesem Vorschlag hat die polnische Regierung hervorgehoben, dass die Vereinheitlichung von Daten auf europäischer Ebene in Verbindung mit einer Qualitätsüberwachung zu mehr Wissen über die sich ändernde Nachfrage nach speziellen Qualifikationen und zu einer wirksameren Überwachung der Situation des polnischen Arbeitsmarkts führen dürfte. Ferner wird die Erstellung genauerer Beschäftigungs- und Lohnprognosen erleichtert. Die Vergleichbarkeit von Daten auf europäischer Ebene wird eine Bewertung der Nichtübereinstimmung von Angebot und Nachfrage auf nationalen Arbeitsmärkten vor dem Hintergrund der übrigen EU-Länder ermöglichen. Ferner hat sie besondere praktische Folgen für die Wechselbeziehungen zwischen Beschäftigungspolitik und Angebot und die Planung der Berufsausbildungsrichtungen für künftige Beschäftigte.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte meine Unterstützung für den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über vierteljährliche Statistiken der offenen Stellen in der Gemeinschaft zum Ausdruck bringen. Es kann keinerlei Uneinigkeit darüber geben, wie wichtig es ist, diese Daten systematisch und einheitlich zu erheben und gleichzeitig feste Normen in allen Mitgliedstaaten zu erfüllen. Der Wert der auf diese Weise erfassten Informationen kann mit Blick auf die Bewertung der Lage des Arbeitsmarkts in der Europäischen Union und die Funktionsweise der Europäischen Zentralbank nicht geleugnet werden.
Die gegenwärtige Lage, in der diese Daten auf der Grundlage einer ungeschriebenen Vereinbarung erhoben werden, zeigt deutlich, dass dieses Verfahren ineffektiv ist und geändert werden muss. Erst mit der Annahme dieser Verordnung, die dieselben Regeln für die Erstellung qualitativ hochwertiger Statistiken in der Gemeinschaft vorschreibt, wird es möglich sein, einen genauen Einblick in die Faktoren zu erhalten, die zusammen für die Gesamtsituation und die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich sind, und diese Faktoren zu analysieren.
Diese Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht einfach zur Erstellung von Statistiken in Übereinstimmung mit genau festgelegten Normen, sondern hilft ihnen auch bei dieser Aufgabe, indem sie zu diesem Zweck vorgefertigte Instrumente zur Verfügung stellt. Die Vereinheitlichung dieser Untersuchung auf europäischer Ebene wird dazu beitragen, unser Wissen über Schwankungen bei der Nachfrage nach ganz bestimmten Arbeitsplätzen auf nationalen Märkten zu erweitern, und die Erstellung genauerer Beschäftigungs- und Lohnprognosen ermöglichen.
Aus diesen Gründen muss die Rechtsvorschrift unbedingt in Kraft treten, die alle Bestimmungen zur Erhebung von Daten über offene Stellen in der Gemeinschaft klar und transparent vorschreibt.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.
16. Länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission betreffend die Weiterbehandlung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur länderübergreifenden kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Bericht Lévai (A6-0053/2007)) von Giuseppe Gargani im Namen des Rechtsausschusses (O-0068/2007 – B6-0381/2007).
Cristian Dumitrescu (PSE), Verfasser. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! In seiner Plenarsitzung am 13. März 2007 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung zu der Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden.
In dieser Entschließung ersuchte das Europäische Parlament die Kommission, klarzustellen, dass die diesbezügliche Empfehlung von 2005 ausschließlich auf den Online-Verkauf von Musikaufnahmen Anwendung findet, und so bald als möglich nach eingehender Konsultation der betroffenen Parteien unter Berücksichtigung der Besonderheit des digitalen Zeitalters und der Notwendigkeit des Schutzes der europäischen kulturellen Vielfalt einen Vorschlag für eine vom Europäischen Parlament und vom Rat im Mitentscheidungsverfahren anzunehmende flexible Rahmenrichtlinie zur Regelung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten für grenzübergreifende Online-Musikdienste vorzulegen.
Das Parlament betonte weiter, dass die vorgeschlagene Richtlinie die Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden kreativen Unternehmen, die Effektivität der von den Verwertungsgesellschaften erbrachten Dienstleistungen oder die Wettbewerbsfähigkeit der kommerziellen Nutzer, insbesondere kleiner Rechteinhaber und Nutzer, auf keinen Fall untergraben dürfe und dass sie den Rechteinhabern ein hohes Schutzniveau sowie Gleichbehandlung bieten solle; weiter sollte sie sicherstellen, dass die Rechtsvorschriften wirkliche, spürbare und angemessene Auswirkungen haben; die Anwendung von alternativen Streitbeilegungsverfahren betonen; für eine demokratische, transparente und verantwortungsvolle Leitung der Verwertungsgesellschaften sorgen; Kreativität und kulturelle Vielfalt fördern; nur fairen und kontrollierten Wettbewerb ohne territoriale Beschränkungen, aber mit den notwendigen und geeigneten qualitativen Kriterien zulassen; die Interessen der Nutzer und des Marktes berücksichtigen; den künftigen Bedarf an einem gestrafften Online-Markt befriedigen; und die Entwicklung legaler Online-Musikdienste fördern.
Heute stellt das Europäische Parlament der Kommission die Frage, welche Schritte sie unternommen hat, um den in dieser Entschließung formulierten Erwartungen nachzukommen.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Europäischen Parlament für sein Interesse an der länderübergreifenden Wahrnehmung von Musikrechten und an der Empfehlung von 2005 zur Online-Musik danken. Die 2005 gegebene Empfehlung der Kommission zur Online-Musik will die Entwicklung des Musikmarktes in Europa im digitalen Umfeld fördern. Sie zielt auf die Schaffung eines Rahmens ab, innerhalb dessen sich die Marktakteure auf das beste neue Online-Lizenzierungsmodell einigen werden. Dies soll Autoren, Komponisten und Musikverlegern erlauben, einen gerechten Anteil an der Verbreitung ihrer Online-Werke zu erhalten.Die Empfehlung schreibt kein bestimmtes EU-Lizenzierungsmodell vor und überlässt die Einführung seiner Prinzipien dem Markt. Genau zwei Jahre nach der Annahme der Empfehlung will die Kommission die Entwicklung von Online-Lizenzierungsverfahren im Musikbereich in Europa beurteilen. Die Beteiligten wurden gebeten, sich bis zum 1. Juli 2007 über sich abzeichnende Online-Lizenzierungstendenzen zu äußern. Die Kommission erhielt 88 Antworten von betroffenen Parteien wie Verwertungsgesellschaften, Autoren, Urhebern und Musiknutzern in Mitgliedstaaten. Die Durchsicht der Stellungnahmen ist noch im Gange. Erst nach einer genauen Prüfung wird die Kommission weitere politische Schritte in Bezug auf die Online-Verfahren von Verwertungsgesellschaften unternehmen. Die bisher ausgewerteten Einreichungen zeigen, dass die meisten Interessenträger keinen Bedarf für eine Rahmenrichtlinie sehen und am Markt orientierte Lösungen den regulierenden Eingriffen vorziehen.Was die Frage betrifft, ob die Empfehlung von 2005 ausschließlich auf den Online-Verkauf einiger Aufnahmen Anwendung findet, möchte die Kommission hervorheben, dass die Grundsätze zu Transparenz und Unternehmenshandeln, wie sie in der Empfehlung dargelegt sind, nicht auf den Online-Musikverkauf beschränkt bleiben, sondern alle Aktivitäten von Verwertungsgesellschaften umfassen sollten.Schließlich sei gesagt, da der Online-Markt für Musik noch in ständiger Bewegung ist, dass es verfrüht wäre, eine Rechtsvorschrift zugunsten eines bestimmten Lizenzierungsmodells zu erlassen. Die Kommission wird die Entwicklungen beobachten und dem Parlament und Rat darüber Bericht erstatten, wie in der Empfehlung vorgesehen. Jede Weiterbehandlung, falls nötig, wird in enger Absprache mit dem Europäischen Parlament und dem Rat stattfinden.
Manolis Mavrommatis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Am 13. März 2007 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung zur länderübergreifenden kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten.
In seiner Entschließung ersuchte das Parlament die Kommission, so bald wie möglich einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie zur Regelung der länderübergreifenden kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, vorzulegen. Ferner ersuchte es die Kommission, klarzustellen, dass die diesbezügliche Empfehlung von 2005 ausschließlich auf den Online-Verkauf von Musikaufnahmen Anwendung findet.
Kann die Kommission das Parlament davon unterrichten, welche Schritte bisher unternommen wurden, um den Forderungen des Parlaments nachzukommen?
Kann die Kommission das Parlament darüber informieren, ob es dieselben von Präsident Barroso ausgegebenen Leitlinien und Anweisungen über die einheitliche, demokratische, rasche Entwicklung eines vereinten Europas befolgt? Wann wird die Kommission die Geschäftsordnung des Parlaments und die von einer Mehrheit von 785 Abgeordneten verabschiedete Position respektieren?
Die Entschließung vom 13. März spiegelt die klare Position des Parlaments zur länderübergreifenden kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten wieder. Die Empfehlung der Kommission war der erste Schritt hin zu einer zukünftigen Annäherung der verschiedenen Vorgehensweisen in den 27 Mitgliedstaaten. Im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung habe ich selbst und meines Erachtens für den zuständigen Ausschuss dafür argumentiert, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass alle Rechteinhaber, ganz gleich, ob Autoren, Komponisten, Verleger, Plattenhersteller oder Künstler, gleich behandelt werden.
Mit anderen Worten: Das ist eine Frage, die Millionen von Rechteinhabern überall in Europa betrifft. Die Situation der Online-Dienste heute gilt als nicht effektiv genug, weder für Rechtenutzer noch für Rechteinhaber. Wir haben aber alle daran gearbeitet, der Kommission und dem Rat Vorschläge vorzulegen, die unseres Erachtens zu einer Verbesserung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten führen.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Verwertungsgesellschaften muss zugunsten aller Beteiligten erhalten werden. Piraterie ist heutzutage nach wie vor das größte Problem der Musikindustrie. Drei der Gründe für die internationale Ausbreitung der Piraterie sind die technologischen Möglichkeiten für kostengünstiges illegales Kopieren, nachteilige wirtschaftliche Bedingungen und die Ausbreitung des Internets.
Wir müssen bedenken, dass die Verbreitung der Musikpiraterie die größten Auswirkungen in kleinen Ländern hat, in denen es vor allem eine lokale und regionale Musikindustrie gibt. In deutlichen Worten heißt das, dass Piraterie zu einem Schrumpfen des legalen Musikmarktes und folglich zu weniger legalen Verkäufen führt. Aus diesem Grund hat es Auswirkungen auf die Entwicklungsfähigkeit der Musikaufnahmeindustrie.
Piraterie zieht für Komponisten und Liedschreiber definitiv Verluste der Urheberrechte nach sich, aber sie enthält darüber hinaus dem Staat Einkommen- und Mehrwertsteuern vor. Die Gesetzesvorlage der Kommission zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten muss die Bekämpfung der Piraterie enthalten.
Aus diesem Grund möchte ich an die Kommission appellieren, so schnell wie möglich Schritte zu unternehmen, um die Forderungen des Parlaments zu erfüllen und einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie zur Regulierung der länderübergreifenden kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten vorzulegen.
Letztlich ist Musik, wie ich immer gesagt habe, kein Gebrauchsgegenstand, und es ist unser aller Pflicht, die Kreativität in Europa zu schützen und zu stärken. Eine Richtlinie, die aller Wahrscheinlichkeit nicht vor 2010 in Kraft treten wird, ist für Millionen von Künstlern in der EU eine Katastrophe.
Katalin Lévai, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank. Ich möchte betonen, dass es sich hier um einen extrem wichtigen Bereich handelt, weil das Einkommen aus durch das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geschützten Waren und Dienstleistungen 5 bis 7 % des BIP der Europäischen Union ausmacht. Das zeigt, weshalb es so wichtig ist, solche Rechte entsprechend wahrzunehmen.
Wie Sie wissen, hat die Europäische Kommission 2005 eine Empfehlung über die grenzüberschreitende Wahrnehmung legaler Online-Musikdienste angenommen. Damals beschrieb Kommissar McCreevy die Empfehlung als ein „Rechtsinstrument des nichtzwingenden Rechts, das dem Markt die Möglichkeit geben soll, sich in die richtige Richtung zu entwickeln“.
Die Empfehlung hat weit reichende Folgen für den Urheberrechtemarkt. Die wichtigsten Marktteilnehmer handeln bereits auf ihrer Grundlage. Sie geht ganz klar über eine bloße Auslegung und Ergänzung bestehender Vorschriften hinaus, und ihre Auswirkungen weisen sämtliche Merkmale einer Regelungsinitiative auf.
Zum damaligen Zeitpunkt gab es in Verbindung mit dieser Empfehlung viele Ängste, auch davor, dass sie zu einem unkontrollierbaren Wettbewerb führen würde und dass sich die Marktkräfte in den Händen einiger weniger Verwertungsgesellschaften konzentrieren und Monopole geschaffen würden. Aus eben diesem Grund war ich der Auffassung, dass ich in einem Initiativbericht eine Empfehlung vorlegen sollte, damit der Online-Musikmarkt auf andere Weise reguliert wird.
Dennoch hatten das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten mit der Empfehlung, die die Kommission angenommen hat, keinerlei Möglichkeit, die Änderungen, die den Wettbewerb und die kulturelle Vielfalt in Europa berühren, ernsthaft zu beeinflussen.
Deshalb konnte ich für meinen Bericht die Unterstützung des gesamten Parlaments und aller Parteien gewinnen, um einen Beschluss der drei Seiten herbeizuführen, damit das Parlament bei der Gesetzgebung in einem solch wichtigen Bereich nicht außen vor gelassen werden kann, und ich habe empfohlen, dass die Kommission eine Rahmenrichtlinie ausarbeitet.
Meines Erachtens muss die empfohlene Richtlinie die folgenden Anforderungen erfüllen: Sie muss den Rechteinhabern mehr Schutz und Gleichbehandlung garantieren. Sie muss auf der Solidarität zwischen Rechteinhabern und einem geeigneten, ausgewogenen Gleichgewicht der Verwertungsgesellschaften beruhen. Sie muss durch Mindeststandards eine demokratische, transparente und rechenschaftspflichtige Führung der Verwertungsgesellschaften vorschreiben, wozu auch die Organisationsstruktur, Transparenz, Vertretung und Vorschriften in Bezug auf Urheberrechte, Herstellung und Buchführung gehören.
Bei kollektiven Verwertungsgesellschaften müssen eine umfassende Transparenz gewährleistet und Kreativität und kulturelle Vielfalt gefördert werden. Ein fairer und kontrollierter Wettbewerb ist zulässig, allerdings ohne territoriale Einschränkungen und mit den erforderlichen und geeigneten qualitativen Kriterien für die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und den Schutz des Wertes dieser Rechte.
Benutzern muss mehr Rechtssicherheit gegeben und die Verfügbarkeit des Weltrepertoires beibehalten werden. Ich fordere Sie daher auf, darüber nachzudenken, ob zur Regulierung dieses wichtigen Bereichs nicht eine Richtlinie erforderlich ist.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident! Die Antwort, die Kommissar Borg auf die Anfrage des Kollegen Dumitrescu gegeben hat, erfüllt mich mit Besorgnis: Der Kommissar hat davon gesprochen, die Sache dem Markt zu überlassen. Worüber reden wir da aber eigentlich?
Wir reden über Rechte, deren Herausbildung zwei Jahrhunderte lang gedauert hat: die Rechte der Erfinder, Autoren, Komponisten, Künstler. Und jetzt sagt man uns, dass diese Rechte durch den Markt geregelt werden sollen: Durch welchen Markt? Den Markt der Diebe, die den Urhebern und Kunstschaffenden mit Hilfe der neuen Kommunikationsmittel ihr geistiges Eigentum gestohlen haben? Von was für einer Art von Rechten reden wir?
Rechte werden durch öffentliche Stellen geregelt; und konkret auf europäischer Ebene haben wir dafür mehrere Institutionen, und zwar die Kommission, den Rat und das Parlament: die Kommission mit ihrem Initiativrecht und den Rat und das Parlament im Wege des Mitentscheidungsverfahrens.
Mir scheint, dass es nicht der rechte Zeitpunkt ist, diesen Weg weiterzugehen, der zum Untergang des geistigen Eigentums führen wird. Geht das geistige Eigentum unter, so geht auch die geistige Schöpfung unter.
Einige der klugen Leute, die heute von den Vorteilen der Informationsgesellschaft sprechen, sagen, gut, die Komponisten und Autoren können ja wie im Mittelalter durch die Straßen ziehen und Konzerte geben. Wollen wir unsere Autoren wirklich auf mittelalterliche Gaukler reduzieren, die auf der Straße spielen, eine Mütze auf den Boden legen und hoffen können, dass ihnen jemand Almosen gibt?
Ich denke, es ist an der Zeit, dass die Institutionen der Europäischen Union energisch eingreifen, um diese europäische Tradition zu verteidigen, die einen wichtigen politischen Gehalt hat und entscheidend für die Bewahrung der geistigen Kreativität ist. Nur durch gemeinsame Verwertungsgesellschaften der Autoren können hier und jetzt die geistigen Eigentumsrechte und die Schöpfung geistigen Eigentums gegen die wahren Diebe verteidigt werden, nämlich die Rundfunkanstalten, die die geistige Kreativität zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL– (PL) Herr Präsident! Die Antwort auf die Empfehlung der Kommission für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten für legale Online-Musikdienste findet sich in der Entschließung des Parlaments, dass zur Regelung dieser Frage eine Rahmenrichtlinie umzusetzen ist. Doch die Kommission hat die erforderliche umfassende Konsultation von Beteiligten, nicht durchgeführt – auch nicht mit dem Parlament, was ein Verstoß gegen die demokratischen Verfahren darstellt. Es ist vollkommen inakzeptabel, das institutionelle Dreieck zu ignorieren und stattdessen den so genannten sanften Ansatz anzuwenden, ohne Parlament und Rat in dieser Angelegenheit vorab zu konsultieren und ohne sie zuvor formal einzubeziehen.
Diese Empfehlung, mit der die Inhaber von Urheberrechten bei der Wahl der Einrichtung, die eine kollektive Verwertung anbietet, in Abhängigkeit von den Anforderungen mehr Freiheiten erhalten sollen, hätte weit reichende Konsequenzen für das Urheberrecht und damit verbundene Märkte und würde nicht nur für die Wettbewerbsregeln, sondern für die kulturelle Vielfalt zu einer potenziellen Gefahr. Das Ergebnis wäre eine Konzentration der Marktkräfte in den Händen einiger weniger der größten Unternehmen, die dann das Netzwerk bilateraler Abkommen umgehen und dem gesamten europäischen Markt Lizenzen gewähren könnten.
Es lohnt sich, noch einmal daran zu erinnern, dass 5 bis 7 % des BIP aus dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen generiert werden, die durch Urheberrechte oder ähnliche Gesetze geschützt sind. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig die angemessene Wahrung der entsprechenden Rechte ist, und dass deren Position in unserem digitalen Zeitalter gestärkt werden muss. Während wir die Wettbewerbsgrundsätze achten, müssen wir es vermeiden, das Einkommen von Komponisten zu schmälern und zugleich Benutzer von Musikwerken mit einer EU-weiten Lizenz ausstatten, die dem Geschäftsmodell der Zukunft entspricht. Die Kommission sollte das bedenken und so schnell wie möglich einen Vorschlag für ein geeignetes Instrument vorlegen, das für alle in diesem Bereich tätigen Beteiligten rechtsverbindlich wäre.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich allen Abgeordneten, die sich zu Wort gemeldet haben, für ihre Bemerkungen danken, die ich sicherlich meinem Kollegen, Kommissar McCreevy, übermitteln werde.Wenn ich auf einige angesprochene Punkte eingehen darf: Mit Blick auf die Notwendigkeit eines rechtlichen Eingriffs lassen Sie mich sagen, dass die Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2005 über die Lizenzierung von Online-Musik bereits einen bedeutenden Fortschritt auf dem Markt mit sich gebracht hat. Die Empfehlung hat den Verwertungsgesellschaften in Europa einen Anreiz gegeben, EU-weite Lizenzplattformen zu schaffen, die ihr Repertoire Online-Musicshops in ganz Europa verfügbar machen.Lassen Sie mich drei wichtige Beispiele anführen. Die Gesellschaften des Vereinigten Königreichs und Deutschlands haben eine Plattform für die EU-weite Lizenzierung des EMI-Repertoires geschaffen, CELAS. Die Gesellschaften des Vereinigten Königreichs und Spaniens arbeiten an einer Plattform zusammen, die das anglo-hispanische Repertoire auf EU-Ebene verwalten soll, und die französischen und spanischen Gesellschaften kündigen eine gemeinsame Lizenzplattform an, die EU-weiten Zugang zum französisch-hispanischen Repertoire gewährt. Unter diesen Umständen sieht die Kommission keine Notwendigkeit für irgendeinen vorschnellen rechtlichen Eingriff.Ich möchte auch bemerken, dass die Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2005 über Online-Lizenzierung bereits einen bedeutenden Fortschritt auf dem Markt mit sich gebracht hat. Die Empfehlung hat Verwertungsgesellschaften in Europa veranlasst, EU-weite Lizenzplattformen zu schaffen, die ihr Repertoire für Online-Musicshops in ganz Europa verfügbar machen. Ich beziehe mich auf die drei Beispiele, die ich soeben erwähnt habe. Das Gemeinschaftsunternehmen CELAS alleine ist tatsächlich in der Lage, annähernd 25 % aller musikalischen Werke an jeden europäischen Online-Händler wie z. B. iTunes, CONNECT von Sony oder eMusic in einer einzigen Transaktion zu lizenzieren.Lassen Sie mich zur Frage der kulturellen Vielfalt feststellen, dass unsere Empfehlung der kulturellen Vielfalt nicht im Wege steht. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass die neuen Plattformen für angloamerikanische, französische oder spanische Musik offene Plattformen sind. Diese Plattformen können Repertoires anderer Musikverleger oder das gesamte Repertoire bestehender Gesellschaften mit einschließen.Nationale Verwertungsgesellschaften würden nicht verschwinden; Autoren wären weiterhin Mitglied regionaler Verwertungsgesellschaften und Tantiemen würden immer noch von den Gesellschaften verteilt, die den neuen Lizenzplattformen angeschlossen sind.Was die Frage der Rechte betrifft, möchte ich unterstreichen, dass kein Grund zu der Annahme besteht, dieses länderübergreifende Lizenzierungsmodell sei schlecht entweder für die kulturelle Vielfalt oder für die Rechte der Künstler, denn es kommt den Rechteinhabern zugute, die mehr Geld erhalten als unter der alten ländergebundenen Regelung. Kulturelle Vielfalt und die Rechte der Künstler werden auch den Autoren zu mehr Geld verhelfen, sodass sie weiter schöpferisch tätig sein können.Ein letzter Punkt. Die Kommission fördert aktiv die Entwicklung eines eigenen Online-Lizenzierungsmarktes für Musik. Ebenso wird die Kommission die Entwicklungen auf diesem sich herausbildenden Markt genau beobachten und dabei sorgfältig die Themen, die der Bericht von Katalin Lévai vom 5. März 2007 aufgeworfen hat, in Erwägung ziehen.Wenn wir im Zeitraum bis 2010 zum Beispiel erkennen, dass monopolistische Lizenzierungsstrukturen im Internet entstehen, dass das im Internet verfügbare Repertoire nicht angemessen die kulturelle Vielfalt Europas widerspiegelt und dass der Markt alleine keine EU-Lizenzierungsstrukturen hervorbringt, die dem Internet-Zeitalter gemäß wären, dann wird die Kommission über geeignete weitere Mittel nachdenken, um diese Ziele zu erreichen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 29. November, in Brüssel statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Jacques Toubon (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Zweck der Anfrage von Herrn Dumitrescu ist es, die Kommission an ihre Verantwortung zu erinnern. Mit ihrer Empfehlung von September 2005 und ihrer Entscheidung, die territoriale Zuständigkeit der Verwertungsgesellschaften in Frage zu stellen, hat die Kommission eine Umwälzung in den Beziehungen zwischen den Rechteinhabern und den nationalen Verwertungsgesellschaften ausgelöst, und zwar außerhalb jeglicher Harmonisierungs- oder Rechtsetzungsmaßnahme.
Unter dem Vorwand der Anpassung an das digitale Umfeld hat die Kommission Verwirrung im europäischen System des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte geschaffen. Damit würden die Konzentration und ein formatorientierter Ansatz zuungunsten der Künstler und zum Vorteil der Unternehmen und Betreiber gefördert.
Es ist dringend erforderlich, dass die Kommission aufhört, wahllos Initiativen ohne ernsthafte Folgenabschätzungen zu ergreifen; sie muss vielmehr die Lage in allen Bereichen der Kunst und der Kultur gemeinsam mit allen Betroffenen analysieren, eine umfassende Politik annehmen, die den Anforderungen der kulturellen Vielfalt, den europäischen Werten und der auf der wissens- und innovationsbasierten Wirtschaft beruhenden Lissabon-Strategie entspricht, und dem Europäischen Parlament sowie dem Rat kohärente Richtlinienentwürfe vorlegen, die die genannten Grundsätze berücksichtigen.
17. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll