Die Präsidentin. - Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sieben Entschließungsanträge zu Christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten(1).
Mario Mauro (PPE-DE) , Verfasser. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Religionsfreiheit ist ein objektiver Indikator für die Achtung der Menschenrechte. Die Gewalt, unter der Christen auf der ganzen Welt zu leiden haben, ist sowohl eine Verletzung der Menschenwürde als auch eine Kampfansage an sie.
Ich wollte diesen Entschließungsantrag bereits auf der letzten Plenartagung im Oktober einbringen, aber die Koordinatoren der Fraktionen haben mich gebeten, diese Entschließung auf die Plenartagung im November zu verschieben, um auf diese Weise genügend Zeit für die Erarbeitung eines ausführlicheren Textes zu haben, der eine breitere Mehrheit finden könnte. In dem zur Abstimmung am heutigen Nachmittag vorliegenden Text, der das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Fraktionen der Sozialdemokraten, der Liberalen, der Union für das Europa der Nationen und der Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie ist, sind die wichtigsten Kernpunkte des ursprünglichen Entschließungsantrags enthalten.
Wir konnten auch konkrete Hinweise auf in diesem Jahr nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in anderen Teilen der Welt gegen christliche Gemeinschaften verübte Gewaltakte und Misshandlungen einarbeiten. Das betrifft vorwiegend Irak, Ägypten, Pakistan, die Türkei, China und Vietnam. Durch die intensive Koordinierung der letzten Tage und die dadurch mögliche Enthüllung verschiedener Vorkommnisse außerhalb des Nahen Ostens haben wir auch einen neuen, passenderen Titel gefunden: „zu den schwerwiegenden Vorfällen, die die Existenz christlicher und anderer religiöser Gemeinschaften gefährden“.
Der Text enthält allerdings nicht alle Gewaltakte gegen Christen, beispielsweise in Eritrea und Nordkorea. Ich möchte Sie aber bitten, meine Damen und Herren, die politische Botschaft dieses Entschließungsantrags zu beachten, der auch für die nicht genannten Länder und Gewaltakte bestimmt ist. Von Beginn an konnte ich aufgrund der Verbindung mit den anderen Fraktionen klarstellen, dass dieser Entschließungsantrag keinesfalls ein Wiederaufleben des Kampfes der Kulturen zum Ziel hat. Europa stand schon immer an vorderster Front, wenn es um den Schutz der Rechte von Minderheiten geht, und darf das zunehmende Leid so vieler Christen nicht mehr ignorieren.
Heute, meine Damen und Herren, kann unser Parlament seinen Standpunkt zu einem dringenden und wichtigen Thema zum Ausdruck bringen – zum Schutz des Lebens und der Religionsfreiheit, nicht nur von Christen, sondern von Millionen Menschen aller Glaubensrichtungen. Ich möchte daher...
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Glyn Ford (PSE), Verfasser. – (EN) Frau Präsidentin! Im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion möchte ich unsere uneingeschränkte Unterstützung für diesen gemeinsamen Entschließungsantrag über die Verfolgung religiöser Gemeinschaften zum Ausdruck bringen.
In einer Minute Redezeit kann ich nur auf einige Punkte dieses Entschließungsantrags eingehen und ich möchte vor allem die äußerst schwierige Lage der christlichen Gemeinschaft im Irak ansprechen, die früher einmal nahezu 10 % der Bevölkerung ausmachte. Als Befürworter der Kampagne zur Rettung der assyrischen Gemeinschaft, die auch meinen Einsatz für dieses Anliegen unterstützt, muss ich feststellen, dass dieses Parlament meist so sehr darauf bedacht ist, niemanden vor den Kopf zu stoßen, dass seine Position und das, worum es eigentlich geht, manchmal nicht mehr erkennbar sind.
Der vorliegende Entschließungsantrag ist ein Beispiel dafür. In Erwägung K wird Bedauern über die Lage der assyrischen Dörfer im türkischen Grenzgebiet zum Ausdruck gebracht. Warum? Weil die türkische Regierung assyrische Dörfer mit Granaten beschießt und behauptet, dass sich dort Anhänger der PKK aufhalten, was sehr unwahrscheinlich ist. In Erwägung S wird auch auf die Situation in Syrien Bezug genommen. Zehntausende, wenn nicht gar Hunderttausende von Menschen aus Jordanien und dem Irak sind nach Syrien geflohen, das nun aber seine Grenzen schließt.
Jetzt müssen wir Hilfe und Unterstützung leisten.
Adam Bielan (UEN), Verfasser. – (PL) Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zunächst meine Zufriedenheit ausdrücken und mich bei den Mitverfassern der Entschließung bedanken, die sich mit einem so wichtigen Problem wie den Vorfällen in den christlichen Gemeinden in bestimmten Staaten des Nahen Ostens wie auch auf der ganzen Welt befasst.
Zugleich möchte ich als einer der Unterzeichner der Entschließung betonen, dass die Gewährleistung der Religionsfreiheit der erste Schritt zur Wahrung der grundlegenden Menschenrechte ist, und die Fälle von Christenverfolgung, die in der ganzen Welt geschehen, sind ein elementarer Beleg dafür, wie diese Rechte verletzt werden.
Wenn man zudem bedenkt, dass, wie zu sehen ist, seitens der Behörden, Institutionen und politischen Bewegungen in der Welt eine Reaktion in dieser Angelegenheit ausbleibt, möchte ich nochmals betonen, wie wichtig die diskutierte Entschließung für die Verteidigung der Rechte der Christen ist, und unterstreichen, dass die Fraktion Union für das Europa der Nationen sie vollauf unterstützt.
Hélène Flautre (Verts/ALE), Verfasserin. – (FR) Frau Präsidentin! Ich wage es nicht, mir die Gesichter meiner Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten vorzustellen, wenn sie erfahren würden, dass durch die Golf- oder ASEAN-Länder eine Entschließung über moslemische Gemeinschaften in Europa angenommen wurde. Es würde wie ein böser Streich, ein Zeichen der Aggression, eine unannehmbare Einmischung der religiösen Obrigkeit in einem Nicht-EU-Land in Beziehungen zwischen unseren Mitgliedstaaten und religiösen Minderheiten aufgenommen werden. Tue anderen nichts an, von dem du nicht möchtest, dass man es dir antun soll, lautet ein christliches Gebot.
Im Ernst, würde eine solche Entschließung als ein Aufruf zu Toleranz und zum interkulturellen und religiösen Dialog aufgefasst werden? Sicherlich nicht! Die Europäische Union, die so stolz auf ihre Werte ist, täte gut daran, in Bezug auf diese äußerst sensiblen Fragen ein Minimum an Feingefühl und Achtung gegenüber internationalen Übereinkommen an den Tag zu legen.
In Bezug auf die Verletzung der Rechte der Angehörigen religiöser Minderheiten, in Bezug auf die Verurteilung der Ermordung von Christen oder die Einschränkungen bei der Ausübung der Religionsfreiheit haben wir die Wahl zwischen zwei gleichermaßen fundierten Ansätzen. Der erste besteht darin, dass wir uns an ein Land wenden und es im Namen der ihm auferlegten internationalen Verpflichtungen und der zwischen uns bestehenden Verträge auffordern, die Verantwortlichen zu ermitteln, vor Gericht zu stellen und zu gewährleisten, dass die Rechte der religiösen Minderheiten geachtet werden. Das ist das, was wir hier in der Regel tun.
Der zweite Ansatz ist der von den Vereinten Nationen gewählte, und zwar mittels einer von zwölf Ländern und allen EU-Staaten eingereichten Resolution zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion, der Überzeugungen, der Gedanken und des Gewissens, denn im Völkerrecht, – und das ist sehr kostbar –, sind diese miteinander verbunden. Die Rechte jedes Menschen auf Gedanken-, Religions-, Gewissens- und Meinungsfreiheit sind miteinander verflochten.
Was werden wir heute tun, wenn wir diesen von Ihnen vorgelegten unannehmbaren Text verabschieden? Wir werden die von unseren Mitgliedstaaten im Rahmen der Vereinten Nationen geleistete Arbeit ignorieren und das Problem in einer Art und Weise angehen, die einige Länder ermutigen könnte, Glaubensfragen in ihren internationalen Beziehungen zu instrumentalisieren. Wir werden uns gegen eine ausgewogene Herangehensweise aussprechen, wie sie zum Beispiel von Frau Jahangir, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen, die jetzt in Pakistan unter Hausarrest steht, befürwortet wird, und wir werden letztendlich die religiösen Minderheiten, einschließlich der Christen, überall auf der Welt schwächen.
Ich möchte nochmals, im Einvernehmen mit auf dem Gebiet der Religionsfreiheit tätigen Sachverständigen, wie zum Beispiel Christian Solidarity Worldwide, betonen, dass diese Entschließung einfach nur die Gefahr für diejenigen erhöht, die wir schützen möchten.
Bastiaan Belder (IND/DEM), Verfasser. – (NL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn uns die Grundrechte wirklich am Herzen liegen, muss uns die prekäre Situation der christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten betroffen machen. Der vorliegende Entschließungsantrag appelliert in diesem Sinne an alle europäischen Institutionen.
Der jüngste Besuch einer Delegation unseres Parlaments gab uns einen größeren Einblick in das tägliche Leben libanesischer Christen, die befürchten, wie ihre Glaubensbrüder in fast allen Ländern dieser Region, als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden.
Sie werden unmittelbar vor die Wahl zwischen persönlicher Sicherheit und persönlicher Würde sowie ihrer religiösen Überzeugung gestellt. Die modernen libanesischen Christen wollen jedoch beides haben.
Die politische Gewalt der letzten Jahre wirkt sich jetzt unmittelbar auf die Christen im Land der Zedern aus. Eine Kontaktperson aus dem Libanon berichtete erst in dieser Woche, dass die Christen zwar nicht die vorrangige Zielscheibe dieser Gewalt, aber die meisten ermordeten Politiker christlicher Herkunft sind, so wie die Journalisten, die das Ziel von Anschlägen geworden sind. Das schüchtert die christliche Bevölkerung im Libanon ein.
Marios Matsakis (ALDE), Verfasser. – (EN) Frau Präsidentin! Seit Jahrtausendenden ist das Leben der Menschen auf der Erde den Gefahren todbringender Kräfte ausgesetzt, gegen die er sich nicht schützen und die er nicht verstehen kann. Solche Kräfte reichen von schrecklichen Naturkatastrophen bis hin zu unbegreiflichen körperlichen und seelischen Erkrankungen. Der Glaube an eine allmächtige Instanz, die er „Gott“ nennt, hilft dem Menschen, besser mit seiner eigenen Ohnmacht zurechtzukommen. Die vielen Gruppen von Menschen haben ein unterschiedliches Verständnis und ein unterschiedliches Konzept von Gott entwickelt.
Daraus sind zahlreiche Religionen entstanden. Solche Religionen sind natürlich von Menschen und nicht von Gott geschaffen und haben daher gewisse Schwachstellen. Dazu gehören Fanatismus und Dogmatismus. Dazu gehört aber auch, dass anderen Menschen das Recht auf einen anderen Glauben abgesprochen wird. Anzahl und Tragweite dieser Schwachstellen sind von Religion zu Religion unterschiedlich, und bedauerlicherweise gibt es viele extremistische religiöse Führer und skrupellose Politiker, die sie ausnutzen.
Dies hat zur Folge, dass Religionskriege geführt und im Namen der Religion abscheuliche Verbrechen gegen Menschen begangen werden. Weder das Christentum noch der Islam, zwei der wichtigsten Religionen der Menschheit, sind frei von dieser Schuld und die Geschichte ist voll von beschämenden Beispielen, die dies belegen. Im Laufe der Zeit sind die meisten Religionen natürlich reifer und menschlicher geworden und dies gilt insbesondere für das Christentum. Doch in einigen anderen Religionen hat sich dieser Wandel bedauerlicherweise nicht vollzogen.
Aus diesem Grund werden in einigen Ländern, vor allem der islamischen Welt, Christen verfolgt, gelegentlich mit einem extremen kriminellen Eifer und mitunter auch mit der Billigung durch politische Gruppierungen und sogar Regierungen. Dies ist in der Tat eine unhaltbare Situation, die zahlreiche Länder oder Regionen der Welt betrifft, von denen einige heute hier im Haus bereits erwähnt wurden, die aber im Nahen Osten besonders häufig auftritt.
Wir hoffen, dass wir mit diesem Entschließungsantrag die Verfolgung von Christen in diesen Ländern ins Blickfeld zu rücken können und dass er dazu beitragen wird, den für politische und religiöse Angelegenheiten zuständigen Behörden unmissverständlich klarzumachen, dass solch ein aggressives Vorgehen weder mit den Grundsätzen der Achtung der Menschenrechte noch mit den wahren Lehren einer mitfühlenden Religion vereinbar ist.
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin! Wie Sie sehen, habe ich zwanzig Sekunden meiner Redezeit nicht ausgeschöpft!
Erik Meijer (GUE/NGL), Verfasser. – (NL) Frau Präsidentin! Die christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten haben ihren Ursprung in den frühen Jahren des Christentums. Sie sind älter als das Christentum in Europa und als der Islam im Nahen Osten.
Heutzutage werden sie jedoch häufig als Fremdkörper in einem Gebiet, das nunmehr vorwiegend islamisch ist, betrachtet. Daran ist nicht nur die religiöse Intoleranz bestimmter Gruppierungen innerhalb des Islams schuld, sondern auch Europa.
Bereits dreimal haben im Verlauf der Geschichte Europa und das Christentum Gräuel und Hass in dieser Region verbreitet. Das erste Mal waren es die Kreuzzüge im späten Mittelalter, als europäische Okkupationsarmeen die Kontrolle über Orte übernahmen, die nicht nur den Christen, sondern auch Juden und Moslems heilig waren. Das zweite Mal geschah es nach dem Zerfall des osmanischen Reiches Anfang des vergangenen Jahrhunderts, als Ägypten, der Sudan, Jordanien und der Irak unter die britische und Syrien und der Libanon unter die französische Kolonialherrschaft gerieten.
Gegenwärtig befinden wir uns in der dritten Phase. Europas Position in Bezug auf Israel, Palästina und den Irak haben großen Widerstand im Nahen Osten hervorgerufen, wo Europa in dem Ruf steht, sich in erster Linie um seine eigene Energieversorgung und die Sicherung seiner Verkehrsrouten zu sorgen und den ethnischen und religiösen Minderheiten, die ihm wohl gesonnen sind, eine bevorzugte Behandlung zukommen zu lassen.
Eine mögliche Folge dessen ist, dass sich die christlichen Minderheiten im Nahen Osten auf lange Sicht nicht halten können und zur Flucht nach Europa verurteilt sind. Eine bessere Lösung wäre jedoch, den Christen und Juden im Nahen Osten eine größere Bewegungsfreiheit zu gewähren, so wie Europa das auch in Bezug auf seine muslimische Minderheit tun muss.
Bernd Posselt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Die Kollegin Flautre redet – mit Verlaub gesagt – Unsinn. Muslime setzen sich massiv für muslimische Minderheiten ein. Wir setzen uns für muslimische und andere religiöse Minderheiten ein. Aber leider ist es eine Tatsache: Wenn wir uns nicht für Christen einsetzen, dann tut dies niemand.
Die Islamische oder die Arabische Liga hat sich niemals für die Rechte von Christen eingesetzt, so wie wir uns für die Rechte von Muslimen eingesetzt haben. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir dieses Thema auf die Tagesordnung setzen. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, wobei ich ganz klar sagen muss: Das Problem ist nicht der Islam. Die Christen im Nahen Osten haben 1200 Jahre lang unter islamischer Herrschaft überlebt. Sie sind in unserer angeblich so fortschrittlichen Zeit massiv gefährdet – noch dazu im Irak, unter westlicher Besatzung.
Wir müssen unsere eigene Verantwortung wahrnehmen, um ihnen ein Überleben in Freiheit und in Würde zu ermöglichen. Die Masse der Religionsverfolgung findet im kommunistischen China, im pseudo-christlichen nationalistischen Russland, in kommunistischen Diktaturen statt – auch in islamistischen Regimen, wobei der Islamismus für mich nur eine perverse Diktatur und Ideologie des Zwanzigsten Jahrhunderts ist. Hier sind wir Europäer in der Pflicht, und die werden wir wahrnehmen!
(Beifall)
Paulo Casaca, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Frau Präsidentin! Meine Glückwünsche gelten den Verfassern dieses Gemeinsamen Entschließungsantrags. Ich möchte bemerken, dass es an der Zeit ist, daran zu erinnern, dass es vor der Christenverfolgung zum Beispiel die Verfolgung der Juden gab, und im Irak waren und sind immer noch die Jesiden, Mandäer und selbst die Moslems, ob Schiiten oder Sunniten, der Verfolgung ausgesetzt.
Es ist weder fair noch angemessen, die Geschehnisse im Irak mit denen in Europa zu vergleichen. In der Tat müssen wir uns ins Bewusstsein rufen, dass den im Irak Verfolgten, ob Christen oder Nichtchristen, in Europa leider nicht der Schutz zu Teil wird, der ihnen zusteht. Seitens der Europäischen Union gibt es im Umgang mit den verfolgten Irakern unglaubliche Fälle von absolut fehlender Sensibilität. Zum Abschluss möchte ich Sie, ohne die anderen zu vernachlässigen, an Pfarrer Ragheed Ganni und die gesamte Gemeinde der Heiliggeistkirche in Mosul, an das vielleicht abscheulichste in diesem Jahr verübte Verbrechen, erinnern.
Marcin Libicki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Wir sprechen heute über die grausame Verfolgung von Christen, besonders im Nahen Osten. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Christen auf der ganzen Welt verfolgt werden, und ich teile nicht die Ansicht von Herrn Casaca, dass sehr viele religiöse Minderheiten verfolgt werden.
Er möge bitte Beispiele für eine massive Verfolgung dieser Minderheiten nennen; damit meine ich nicht die zufällige, wenn auch verwerfliche Tötung eines Andersgläubigen, sondern Fälle, in denen eine andere Religion verfolgt wird, so wie es mit Christen geschieht. Ich stimme Herrn Posselt voll und ganz zu und gehe mit vielen Rednern konform, die Dutzende Beispiele von Christenverfolgung angeführt haben, nicht aber mit Herrn Casaca, der behauptet, dass zahlreiche andere Religionen ebenfalls verfolgt würden. Das entspricht nicht den Tatsachen. Christen sind das vorrangige Ziel von Verfolgung. Es sind vor allem Christen, die verfolgt werden.
Gestern haben wir die Rede von Präsident Sarkozy gehört, der von der Notwendigkeit sprach, die Identität Europas zu verteidigen. Um welche Identität handelt es sich denn? Wer verteidigt uns, wenn wir uns nicht selbst und die Wurzeln unserer Identität verteidigen? Die Christen im Nahen Osten sind Zeugnis unserer europäischen Identität. Sie leben dort seit 2 000 Jahren, und wir müssen sie schützen, wenn sie dort weiterhin bleiben sollen.
Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Meiner Ansicht nach gehen wir heute mit diesem Entschließungsantrag einen wichtigen Schritt, denn das Parlament ist verpflichtet, stets Aktionen und Ereignisse zu verurteilen, die das Leben von Männern und Frauen aufgrund ihres Glaubens, ihrer religiösen Überzeugung oder ihrer politischen Ansichten gefährden.
Religionsfreiheit ist ein Wert, den wir in den Vordergrund rücken müssen. Es entspricht der Tatsache, dass Christen in vielen Fällen Verurteilungen und Kriminalisierung zu fürchten haben, und aus diesem Grund muss das Parlament sie schützen und verteidigen, so wie es Bürger muslimischen Glaubens stets geschützt und verteidigt hat, die im Westen Opfer von Diskriminierung geworden sind. Wir glauben, dass alle Religionen eine positive und friedenserhaltende Rolle spielen und die Achtung vor der Vielfalt fördern können. Aus diesem Grunde müssen wir jede Form von religiösem Fundamentalismus, der in Konflikten so oft eine Rolle spielt, auf das schärfste verurteilen. Ich meine, dieses Parlament sollte immer bestrebt sein, zuzuhören und den interreligiösen Dialog zu fördern.
Es gibt einige beachtenswerte Beispiele, die zeigen, dass Lösungen möglich sind, bei denen die Religionen einander zuhören und eine gemeinsame Basis aufbauen können. Ich möchte außerdem an die Opfer einiger Katholiken und anderer Christen erinnern, die für die Befreiung der Armen, für die Völker und für soziale Befreiung gekämpft haben. Aus diesen Gründen stimmt unsere Fraktion für diesen Entschließungsantrag, zum Gedenken an Priester wie Peppino Diana und Pino Puglisi, die wegen ihres Widerstandes gegen die Mafia und die organisierte Kriminalität im Allgemeinen sterben mussten.
Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich begrüße diesen gemeinsamen Entschließungsantrag, weil ich den Schutz christlicher Minderheiten in Afrika, Asien und im Nahen Osten für unbedingt notwendig halte. Es ist wichtig, dass wir alle religiösen Gemeinschaften vor Verfolgung schützen. Ich finde es erschreckend, dass Menschen in ihrem Alltag Einschränkungen hinnehmen müssen, bei dem, was sie tun und wo sie hingehen können, in ihren Möglichkeiten, Grundbesitz zu erwerben und eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz zu bekommen, und dass ihr Leben bedroht ist, weil sie dem christlichen Glauben angehören.
Die freie Ausübung des Glaubens ist ein grundlegendes Menschenrecht und daher ist es wichtig, dass die Regierungen dafür Sorge tragen, dass auch die religiösen Minderheiten in ihren Ländern ihren Glauben ungehindert ausüben können, das heißt, ohne dass sie deshalb ihr Leben oder etwas anderes in Gefahr bringen.
Die Muslime müssen erkennen, dass sie den Grundsatz der Religionsfreiheit und die Toleranz fördern müssen, dieselbe Freiheit und Toleranz, die sie gegenüber ihrem Glauben in unseren Ländern mit häufig großen christlichen Bevölkerungsgruppen genießen und erwarten.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Frau Präsidentin! Ich messe der Initiative von Herrn Mauro eine große Bedeutung bei. Tag für Tag sind friedliebende Christen der Gefahr systematischer Unterdrückung ausgesetzt und müssen in Krisen, an denen sie gar nicht beteiligt sind, als Sündenböcke herhalten. Das ist absolut verwerflich und ein Problem, das angesprochen werden muss. Wenn wir die Lage der Christen tatsächlich verbessern wollen, müssen wir das Problem als Teil eines größeren Ganzen verstehen. Es sind nicht nur Christen, die Schwierigkeiten haben, es haben auch Muslime, Buddhisten, Hindus, Juden, Sikhs und Ahmadis in vielen Ländern Probleme. Die Liste ist lang.
Die Freiheit der Religion ist der Schlüssel zu einer Gesellschaft, die die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten achtet. Sie ist sozusagen ein Meta-Recht, praktisch eine Voraussetzung für andere Menschenrechte, die den Zustand einer Gesellschaft insgesamt widerspiegeln. Wenn eine Gesellschaft krank zu werden beginnt, dann wird das zuerst in den Beschränkungen der Religionsfreiheit und im Status der religiösen Minderheiten sichtbar. Aus diesem Grund müssen wir die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Freiheit der Religion uneingeschränkt unterstützen.
Es sei erwähnt, dass sich in zahlreichen Ländern, beispielsweise in Pakistan und in Indonesien, religiöse Gemeinschaften gemeinsam um die Religionsfreiheit und den Schutz von Minderheiten bemühen. Religion selbst könnte also auch eine Lösung sein. Ein pluralistischer Dialog führt stets zu weniger Spannungen und dient der Freiheit der Religion und der Gesellschaft als Ganzes.
Ana Maria Gomes (PSE) . – (PT) Die Verfolgung religiöser Minderheiten in vielen Ländern sollte uns dazu anregen, über die Verletzlichkeit der Errungenschaften der Zivilisation nachzudenken, die wir erreicht zu haben glauben. Die Religionsfreiheit ist ein wesentlicher und unveräußerlicher Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte. Trotz ihrer anerkennenswerten Absichten ist diese Entschließung lückenhaft.
Das Europäische Parlament muss sich insbesondere zu der Verfolgung christlicher Minderheiten, doch in erster Linie zu allen Formen der Intoleranz und Diskriminierung aus Gründen des Glaubens oder der Religion, wovon wirklich alle Religionsgemeinschaften betroffen sind, laut und deutlich äußern. Wir sollten auch über die Islamophobie und den Antisemitismus beunruhigt sein, die in Europa und anderenorts zunehmend auftreten. Wenn wir uns fast ausschließlich auf die Diskriminierung von Christen konzentrieren, könnten wir einen falschen Eindruck erwecken. Deshalb muss betont werden, dass das Europäische Parlament die Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung uneingeschränkt unterstützt, die der UNO-Generalversammlung von den EU-Mitgliedstaaten vorgelegt wurde.
Mieczysław Edmund Janowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Auch der Nahe Osten hat seine christlichen Wurzeln. Ungeachtet ihrer Differenzen untereinander konnten die Christen dort vielfach zeigen, dass sie in der Nachbarschaft von Moslems, Juden oder Angehörigen anderer Religionen in Frieden und gegenseitigem Respekt leben können.
In jüngster Zeit erleben wir aber Handlungen von Anhängern des Islams, die auf die praktische Umsetzung der falschen These zurückzuführen sind, dass man mit seiner antichristlichen Haltung belegen könne, was für ein guter Moslem man doch sei. Der libanesische Journalist Hazem Saghieh hat das vor kurzem berichtet. Zahlreiche und oft gravierende Fälle von Verletzungen der Rechte von Menschen, die allein aufgrund ihres christlichen Glaubens als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, belegen die Verletzung des Grundprinzips der Freiheit des Menschen: der Freiheit der Religionsausübung.
Da stellt sich die Frage: Was können wir in der Europäischen Union, die gegenüber moslemischen Mitbürgern offen ist und deren Rechte respektiert, für die Christen tun, die nicht einmal einen bescheidenen Teil solcher Rechte in diesen Ländern genießen? Wo besteht hier irgendeine Gegenseitigkeit? Sie zeigt sich weder in den religiös begründeten Morden, noch in der weit verbreiteten Diskriminierung, noch in der Ablehnung von Bauvorhaben für christliche Kirchen, noch in der Zerstörung von Denkmälern christlicher Kultur.
Die ganze Welt will Frieden, und die Menschen wollen Freiheit, auch religiöse Freiheit.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Wegen der gegenwärtigen politischen Lage im Nahen Osten fühlen sich die dort lebenden Christen immer stärker bedroht. Ein Grund dafür ist der zunehmende Einfluss islamischer Fundamentalisten, die den Christen jeden Misserfolg anlasten, der den Menschen in der Region widerfährt. Wegen ihrer religiösen Verbindungen zu den Menschen im Westen werden sie auch der Verwestlichung der traditionellen sozialen Strukturen beschuldigt, die man im Nahen Osten nur sehr ungern zur Sprache bringt.
Ihren Missmut bringen die Fundamentalisten unter anderem durch eigens organisierte antiwestliche Demonstrationen zum Ausdruck, auf denen sie christliche Symbole und Geschäfte von Christen zerstören. In extremen Fällen werden sogar Morde begangen. Es liegt an der Passivität der Regierungen, dass immer mehr christliche Familien beschließen auszuwandern.
In der Entschließung werden einige Probleme dargestellt, mit denen die Christen im Nahen Osten konfrontiert werden. Das sind aber nicht alle Beispiele, deshalb sollte das Europäische Parlament meiner Ansicht nach einen ausführlichen Bericht über die Lage der Christen im Nahen Osten oder die Lage der Religionen im Allgemeinen erstellen. Wir sollten uns auch Gedanken darüber machen, wie wir den Dialog zwischen den Zivilisationen führen, in den sich die christliche Gesellschaft und islamische Regionen erfolgreich einbinden lassen.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Ich gratuliere Herrn Mauro. Die Entschließung lässt für mich keine Zweifel offen. Das einzige Problem ist, ob wir etwas bewirken, ob wir etwas bewirken werden und ob wir etwas ändern. Wir können auf dreierlei Weise vorgehen.
Erstens mit diplomatischem Druck. Den üben wir derzeit aus. Man muss aber auch die europäischen Regierungen dafür gewinnen. Jeder Diplomat sollte das vor Augen haben. Auf solche Maßnahmen müssen wir in bilateralen und multilateralen Gesprächen hinwirken. Nur geballter diplomatischer Druck kann hier zu guten Ergebnissen führen.
Die zweite Möglichkeit sind Wirtschaftssanktionen. Ich weiß aus der Erfahrung meines eigenen Landes von vor 20, 30 Jahren, was solche Sanktionen für die kommunistische Regierung in Warschau bedeutet haben – klug ausgewählte Sanktionen, damit die Bürger nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Dieses Mittel müssen wir auch einsetzen.
Und schließlich brauchen wir eine gründliche Analyse unserer Maßnahmen, denn in den Ländern des Nahen Ostens und an anderen Orten der Welt ist die Lage wechselhaft. Das hängt auch von unseren Maßnahmen ab, die nicht immer sehr koordiniert oder ausgewogen sind. Damit meine ich Interventionen, kulturelle Ereignisse und auch Äußerungen von Diplomaten. Wir wollen unsere Überzeugungen nicht verbergen. Im Gegenteil – wir wollen sie offen darstellen. Wir müssen aber nicht nur entschlossen, sondern auch umsichtig vorgehen.
Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. – (EN) Frau Präsidentin! Der Kommission ist bekannt, dass Menschen aufgrund ihrer Religion und ihres Glaubens diskriminiert werden, und sie verurteilt diese Diskriminierungen mit allem Nachdruck. Wir verfolgen eine Politik, die jedwede Diskriminierung bekämpft, und wir tun dies in bilateralen Beziehungen und in multilateralen Foren, wie den Vereinten Nationen.
Auf der UNO-Generalversammlung brachte die EU ihre traditionelle Resolution über die Beseitigung aller Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung ein. Im vergangenen Jahr stimmten 99 Länder und damit so viele wie nie zuvor für den Text der Resolution.
Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten beobachten wir die Situation der Menschenrechte und der Demokratie in den Partnerländern sehr genau. Wir sprechen diese Themen auf den Treffen an, die im Rahmen des politischen Dialogs durchgeführt werden. Mit Demarchen oder öffentlichen Erklärungen erinnern wir die Partner an ihre Verpflichtungen gemäß dem Völkerrecht, das jegliche Diskriminierung verbietet.
Die EU versucht im Rahmen der Nachbarschaftspolitik aktiv, den Schutz der Menschenrechte weiter voranzubringen. Die Aktionspläne zur Europäischen Nachbarschaftspolitik decken ein breites Spektrum von Themen in diesem Bereich ab. Bei den separaten Treffen des Unterausschusses Menschenrechte mit Jordanien, Marokko, dem Libanon und Tunesien wurde bereits überprüft, welche Fortschritte bei der Umsetzung der in den ENP-Aktionsplänen festgelegten Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten erzielt wurden. Das erste Treffen des Unterausschusses Menschenrechte mit Ägypten wird Ende dieses Monats stattfinden.
Parallel zu den bilateralen Kontakten mit den Regierungen und der Hilfe bei politischen Reformen unterstützen wir weltweit Nichtregierungsorganisationen, die sich aktiv für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte einsetzen. Wir sind der Ansicht, dass Menschenrechtsaktivisten eine unentbehrliche Rolle in der Gesellschaft spielen.
Als ebenso wichtige Aufgabe betrachten wir es, die Religionsfreiheit in Europa zu schützen und weiter zu stärken. Die EU kann bewährte Verfahren aufzeigen und ihre Erfahrungen an andere weitergeben.
Die Präsidentin. - Herr Casaca hat um das Wort zu einer persönlichen Erklärung auf der Grundlage von Artikel 145 der Geschäftsordnung gebeten.
Paulo Casaca (PSE) . – (PT) Frau Präsidentin! Ich bitte um Entschuldigung, falls ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe. Ich erkläre mich uneingeschränkt und vorbehaltlos mit den im Nahen Osten, speziell im Irak, verfolgten christlichen Gemeinschaften solidarisch. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, und ich werde dem Abgeordneten alles seiner Ansicht nach Erforderliche zur Verfügung stellen, dass diese Verfolgung leider nicht auf die christliche Gemeinschaft beschränkt war und dass die jesidische Gemeinschaft, die mandäische Gemeinschaft, selbst die Schiiten und Sunniten, die nicht den mehrheitlichen Gemeinschaften angehören, in diesem Land der schrecklichen Verfolgung ausgesetzt waren. Das ist eine Tatsache, die niemand leugnen kann. Ich wollte dies nur hervorheben und bin bereit, alle erforderlichen Unterlagen zugänglich zu machen.
Die Präsidentin. - Herr Casaca, Sie haben die Redezeit für eine persönliche Erklärung überschritten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache statt.