¡Bienvenido al Parlamento Europeo, señor Rodríguez Zapatero! Es un gran placer contar con su presencia.
Ich möchte Ihnen herzlich dafür danken, dass Sie die Einladung des Europäischen Parlaments angenommen haben, an der Debatte über die Zukunft Europas teilzunehmen, einer Debatte, die für das Europäische Parlament von großer Bedeutung ist. Mehrere Ministerpräsidenten der Europäischen Union haben bereits mit uns über die wichtigen Zukunftsfragen der Union debattiert, darunter Guy Verhofstadt, Romano Prodi und Jan Peter Balkenende. Wir hatten die Gelegenheit, ihre Meinung anzuhören und mit ihnen zu diskutieren, auch in Zeiten, in denen eine große Verunsicherung über den weiteren Weg der Europäischen Union bestand. Heute sind wir hier, um Ihnen zuzuhören. Und wir werden diese Form der Debatte aufgrund einer Entscheidung der Konferenz der Präsidenten – das sind die Fraktionsvorsitzenden – mit einer Rede des schwedischen Ministerpräsidenten Frederik Reinfeldt abschließen.
Herr Ministerpräsident! Spanien hatte – ich darf dies besonders erwähnen – als erstes Land im Jahr 2005 ein Referendum über den damaligen Entwurf für einen Verfassungsvertrag abgehalten, bei dem 77 Prozent der Spanierinnen und Spanier für diesen Vertragsentwurf stimmten.
(Beifall)
Wir freuen uns umso mehr, Sie, Herr Ministerpräsident, heute zu einem Zeitpunkt hier begrüßen zu dürfen, da wir kurz vor der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon stehen, in den nach einer langen Periode des Nachdenkens und auch der Krise die Substanz des Verfassungsvertrags überführt werden konnte.
Spanien hat als bedeutendes Land der Europäischen Union seit jeher einen wichtigen Beitrag zur Europäischen Union geleistet, und dies nicht erst seit seinem Beitritt zur Europäischen Union 1986, sondern schon lange vorher. Spanien hat stets unter Beweis gestellt – und dies trifft für die großen Parteien gemeinsam zu –, dass es ein Land mit einer zutiefst europäischen Überzeugung ist, ein Land, das die Initiative ergreift und bereit ist, sich für die gemeinsame Zukunft unseres Kontinents zu engagieren.
Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die Zukunft Europas unter Teilnahme des spanischen Ministerpräsidenten, Mitglied des Europäischen Rates.
José Luis Rodríguez Zapatero, spanischer Regierungspräsident. − (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Als engagierter und aktiver Europäer und Ministerpräsident eines zutiefst proeuropäischen Landes erfüllt es mich mit großem Stolz, heute vor diesem Parlament, dem repräsentativsten Haus Europas, das Wort zu ergreifen.
Hier findet sich die reiche Vielfalt unserer Nationen vereint. Hier bringen wir unsere Identitäten zum Ausdruck, von der Diversität bis zu dem, was uns verbindet. Wenn es eine Institution gibt, die unmissverständlich die Seele unseres Projekts verkörpert, dann ist es diese, denn hier finden die unmittelbaren Wünsche unserer europäischen Bürgerinnen und Bürger Gehör.
Dieses Haus wurde schrittweise immer solider und besser ausgestattet, es beherbergt jetzt mühelos die große europäische Familie. Doch es ist auch stärker und anspruchsvoller geworden, denn seine Repräsentativität ist gewachsen ebenso wie seine Kapazität, einerseits um zu lenken und andererseits, um unsere gesamte Politik und unsere Aktionen zu kontrollieren.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist hier genau der richtige Ort, um über das Europa zu diskutieren, das wir wollen und das wir brauchen. Daher muss ich Ihnen danken, dass Sie mir die Gelegenheit geben, meine Überlegungen und Vorschläge zur Gegenwart und Zukunft der Union darzulegen.
Den Gedanken von Europa verbinden wir Spanier mit unserem Wunsch nach Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand.
Unsere besten Traditionen knüpfen an die Werte an, mit denen wir den europäischen kulturellen und politischen Raum identifizieren.
Über viele Jahre lebten wir in der Hoffnung, uns diesem Prozess, der vor mehr als 50 Jahren seinen Anfang nahm, anzuschließen.
Der Erfolg, den Spanien in den letzten zwei Jahrzehnten zu verzeichnen hat, ist zum großen Teil auf seine aus der Zugehörigkeit zur Union entsprungene soziale Dynamik und auf unsere effektive Verwendung der Mittel zurückzuführen, die wir durch die Solidarität der Mitglieder, die uns in diesem Projekt vorangegangen sind, erhalten haben.
Wir Spanier verdanken Europa viel, und wir schlossen uns diesem Projekt vor allem mit einer tiefen Dankbarkeit an, die ich heute vor dem Europäischen Parlament bekräftigen möchte.
Kein Wunder also, dass wir in einem Referendum dem Verfassungsvertrag zugestimmt haben. Ebenso wenig kann es überraschen, dass wir allen unseren guten Willen und unsere Flexibilität aufbrachten, um die institutionelle Krise zu überwinden, und uns gleichzeitig entschlossen, kohärent und konsequent bei der Erhaltung seines wesentlichen Inhalts zeigten, ohne den das Projekt eine Abwertung erfahren hätte.
Wir haben die Gefahr gebannt, doch vor uns steht noch eine Herausforderung: die Aufgabe, das Europa zu errichten, das wir brauchen und das die Welt im 21. Jahrhundert braucht.
Wir wollen ein Europa der Werte. Die europäische Identität ist im Verlaufe einer langen Geschichte geschmiedet worden, die durch Tragödien verdunkelt, aber auch durch die nobelsten Schöpfungen der Menschheit, durch das Licht der Gedanken, die Wärme und Kreativität unserer Künstler, die tiefe Überzeugung unserer Männer und Frauen in der Staatsführung und den Mut unseres Volkes erhellt wurde.
Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Toleranz, Gleichstellung der Geschlechter, Solidarität, dies alles stellt den moralischen Kodex Europas dar. Gerade hier, in der Zugehörigkeit zu diesen Werten und nicht einfach zu einem geografischen Raum, liegt das wahrhafte Wesen unserer Union.
(Beifall)
Unser Europa muss eine echte politische Substanz besitzen. Nur so können wir eine Union errichten, die unseren Ambitionen entspricht.
Wenn wir dieses Europa erreichen wollen, muss es zwangsläufig effektiv sein. Wir brauchen eine Union, die imstande ist, sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.
Die Quelle der Legitimität Europas und sein ultimatives Ziel sind seine Menschen. Unter den Bürgern der Welt genießen wir Europäer die meisten Rechte und den besten Schutz. Doch wir sind keine Insel, und wir können nicht glücklich leben, wenn wir wissen, dass diese Rechte in anderen Teilen der Welt nicht existieren oder verletzt werden. Wir haben die moralische Pflicht, dafür zu sorgen, dass alle in den Genuss dieser Rechte kommen. Diese moralische Pflicht ist es, durch die Europa eine Mission in der Welt übertragen wird.
Dieses Europa der Werte mit einer effektiven politischen Substanz, die vom Volk mitgetragen wird, ist auch das Europa, das wir brauchen. In einer sich verändernden und immer komplexeren Welt müssen wir nach Integration streben. Wenn wir dem Isolationismus, einer engen Sichtweise innerhalb unserer Grenzen und der Vorrangstellung nationaler Interessen Raum geben, werden wir unvermeidlich an Kraft und Bedeutung verlieren.
Es ist an der Zeit, unsere Kräfte zu bündeln und unseren Enthusiasmus wieder anzufachen. Wir hören hier immer häufiger, dass sich Europa in einer Krise befand, dass es an sich selbst zweifelte, dass sich seine Menschen von seinem Projekt abgeschnitten fühlten oder dass die Erweiterung die Entschlusskraft der politischen Union schwächen würde.
Ich teile diese pessimistische Sicht nicht. Wir haben solche schwierigen Situationen auch früher durchlebt und sind stets gestärkt daraus hervorgegangen. Jean Monnet sagte, dass die Menschen den Wandel nur akzeptieren, wenn sie vor der Notwendigkeit stehen, und die Notwendigkeit nur anerkennen, wenn sie sich in einer Krise befinden. Gezwungen durch die Notwendigkeit, haben wir Veränderungen vorgenommen, die sich als sehr fruchtbar erweisen werden.
Ich messe dem Prozess, der uns zur Annahme des neuen Vertrags geführt hat, einen hohen Wert bei. Das war nicht leicht. Wir entwickeln ein völlig neues Modell in der Geschichte der politischen Zivilisation und nähern uns schrittweise der konkreten Realität, von der Schuman sprach. Es ist ganz logisch, dass wir bisweilen mehr Zeit benötigen mögen, um Beschlüsse zu fassen, doch wir sehen bereits die Früchte unserer Arbeit.
Es ist nur gerecht, wenn wir den außerordentlichen Beitrag dieses Parlaments anerkennen. Für Spanien, das sich für die Erhaltung des europäischen Geistes und für die Ausgewogenheit des Vertrags einsetzt, war die Unterstützung durch dieses Haus ermutigend und entscheidend.
Während der Verhandlungen konnte Europa weitere Fortschritte verzeichnen. Bald werden wir die neuen, im Vertrag vorgesehenen Instrumente haben, darüber hinaus wird der Themenkreis erheblich erweitert, bei denen ein Beschluss durch qualifizierte Mehrheit gefasst werden kann, um Lösungen für die Probleme unserer Bürgerinnen und Bürger zu finden.
Mehr denn je muss Europa ein Leuchtturm des Fortschritts und Wohlstands werden. Wir dürfen die Öffnung und Modernisierung unserer Volkswirtschaften nicht länger hinauszögern. Es kommt darauf an, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ziele der Strategie von Lissabon zu erreichen. Dies muss unser wichtigster und dringendster Bezugspunkt sein, um den Erfordernissen der Globalisierung in ihrer doppelten, ihrer äußeren und inneren Dimension Rechnung zu tragen.
Es gilt, ambitiös zu sein. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir Ehrgeiz zeigen. Die überaus großen Auswirkungen der Einführung des Euro, der jetzt auch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt wird, zeigen uns deutlich unsere potenziellen Möglichkeiten, wenn wir unsere Integration weiter ausbauen. Wir müssen die Entwicklung des Binnenmarkts bei Gütern, Dienstleistungen und Netzen vollenden und die für die Wettbewerbskontrolle zuständigen Institutionen stärken, um ihre korrekte Funktion zu gewährleisten.
In seiner Außendimension muss Europa eine führende Rolle bei der Gestaltung fairer Regeln für die Globalisierung spielen. Es ist notwendig, die Transparenz und Öffnung unserer Märkte zu verbessern und die Märkte unserer Partner außerhalb der Gemeinschaft im Rahmen eines loyalen Wettbewerbs zu unterstützen. Wir müssen die Doha-Runde voranbringen und ein Beispiel bei der Förderung des internationalen Handels setzen.
Die globalisierte Welt fordert von uns besondere Anstrengungen in technischer Innovation und Forschung, um das außerordentliche Potenzial unserer Wissenschaftler und Universitäten maximal zu nutzen und die Exzellenz mit territorialer Kohäsion zu verbinden. Unser Modell einer effektiven Integration bedeutet, dass alle Mitgliedstaaten gleichberechtigten Zugang zu den neuen Technologien erhalten müssen.
Wir wollen unsere soziale Wohlfahrt weiterentwickeln. Wir haben ein soziales Europa, ein Europa der sozialen Rechte.
(Beifall)
Unser Wirtschaftsmodell ist ohne Gerechtigkeit unvorstellbar, und Gerechtigkeit kann nicht ohne Schutz erzielt werden. Unser Erfolg muss an unserer Fähigkeit gemessen werden, weiter zu wachsen und gleichzeitig die Solidarität und den Zusammenhalt zu sichern.
Es gilt, stabile und würdige Arbeitsplätze zu fördern, unseren Arbeitnehmern zu helfen, sich den Veränderungen im Produktionssystem anzupassen, und eine Vorreiterrolle in der Politik der sozialen Eingliederung, der Chancengleichheit, des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsfürsorge unserer Bürgerinnen und Bürger zu spielen.
Dieses neue und immer größere Europa wird nur Erfolg haben, wenn wir die Solidarität unter allen Mitgliedstaaten verstärken. Die Kohäsion ist ein grundlegendes Prinzip, insbesondere aufgrund der Verpflichtung, die wir alle eingegangen sind, und aufgrund der Notwendigkeit, starke Bande zu schaffen, um die politische Integration der Union zu sichern.
Spanien hat viel von der Solidarität der Gemeinschaft profitiert und tritt dafür ein, dass die neuen Mitgliedstaaten ebenfalls in den Genuss dieser Vorteile kommen. Unser Land ist bereit, seine Erfahrungen mit ihnen zu teilen, damit sie diese Solidarität gut nutzen können.
Europa durchlebt zurzeit einen Prozess von großer strategischer Bedeutung: die Errichtung eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, die Entwicklung des Schengen-Raums und die Außengrenzenregelung. Es kann keinen besseren Beweis unseres gegenseitigen Vertrauens geben als die gemeinsame Sorge um die Sicherheit, für die jene Mitgliedstaaten mit einer Außengrenze eine besondere Verantwortung übernommen haben. Spanien stand stets an vorderster Front bei diesen Initiativen und wird sie mit größter Entschlossenheit unterstützen.
Ich möchte die Bedeutung der Weiterentwicklung der europäischen Einwanderungspolitik unterstreichen. Die Einwanderung ist eine Realität, die bereits Auswirkungen auf die europäische Agenda hatte; diese Auswirkungen werden noch größer werden, da sie einige sehr sensible Aspekte unseres Projekts beeinflussen werden.
Unser Ausgangspunkt muss die unmissverständliche Anerkennung des positiven Potenzials der Einwanderung sein, die von der demografischen Unterstützung bis zur Bereicherung der kulturellen Vielfalt reicht, ohne den möglichen Aufschwung unserer Volkswirtschaften zu vergessen, der im Fall von Spanien ganz offenkundig ist.
Es gilt, Integrationsmaßnahmen zu unterstützen und dabei Rechte zu achten und Pflichten einzufordern. Ein Europa, das diese Integration gewährleistet, wird achtbarer, freier und sicherer sein.
Gleichzeitig müssen wir auf die Ursachen der Migration Einfluss nehmen. Das sollte durch den Dialog und die effektive Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern geschehen.
Wir müssen die Solidarität unter den Mitgliedstaaten verstärken und uns mit den entsprechenden Mitteln versehen, um die Außengrenzen wirksam zu überwachen. Spanien hat Maßnahmen entwickelt, die erfolgreich umgesetzt wurden, doch es bleibt noch viel zu tun. Stärken wir die Europäische Grenzschutzagentur, verbessern wir unsere Zusammenarbeit vor Ort, und legen wir jenen Mafiabanden das Handwerk, die aus der existenziellen und zwingenden Not dieser Männer und Frauen, dem Elend und der Frustration zu entkommen, Kapital schlagen.
(Beifall)
Wir stehen vor der schwierigen Aufgabe der Prävention und Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbrechens. Wir müssen ehrgeiziger in unserer polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit sein. Spanien weiß aus seiner eigenen leidvollen Erfahrung nur zu gut, dass gemeinsame Aktionen unerlässlich sind und immer die Hauptrolle in dieser Politik spielen werden.
Europa muss mit neuen Initiativen und mit Vorbildwirkung multilaterale Antworten auf die globalen Probleme geben. Wir tun dies bereits im Kampf gegen den Klimawandel mit unserer Verpflichtung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 % zu senken. Wir können und müssen die Führung übernehmen, Europa zu einer Referenz machen und zu einem neuen Konsens in den im Dezember in Bali beginnenden Verhandlungen beitragen.
Vor uns liegt eine gewaltige Aufgabe im Energiebereich. Spanien setzt sich für eine echte Energiepolitik mit einem transparenten Binnenmarkt und Versorgungssicherheit zu niedrigsten Umweltkosten ein. Nach unserer Ansicht können wir nur dann eine glaubwürdige Energiepolitik haben, wenn wir ein gut strukturiertes Verbundsystem zwischen allen Mitgliedstaaten entwickeln.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Wir sind ein Global Player, denn unser Projekt ist nicht nur für die Europäer bestimmt. Wir werden unsere Ziele nicht gänzlich erreichen, wenn wir nur unsere eigenen Interessen verteidigen. Es wird uns nur gelingen, wenn wir unsere Werte auf die internationale Bühne projizieren und wenn wir unsere Union als Raum des Friedens, der Stabilität und der Solidarität festigen.
Der Erfolg unserer Integration wird weitgehend daran gemessen werden, was wir für andere bedeuten, an dem Gewicht, das unsere Stimme in der ganzen Welt hat. Die Zukunft benötigt Europa mehr denn je. Es darf uns nicht darum gehen, dass die Welt auf unsere große Geschichte schaut, sondern auf unsere offene Zukunft.
Mit dem neuen Vertrag werden wir wirksame Instrumente für unsere gemeinsame Außenpolitik besitzen. Die Ämter des Ratspräsidenten und des Hohen Vertreters für auswärtige Angelegenheiten sowie die Neuverteilung der Kompetenzen und Ressourcen werden dieser Politik größeres Gewicht und mehr Kontinuität verleihen.
Gleichzeitig können wir die Erfahrungen der letzten Jahre nutzen, in denen wir uns mit Kapazitäten für das Management ziviler und militärischer Krisen versehen und erfolgreiche Einsätze in besonders schwierigen Regionen wie im Kongo oder in Bosnien durchgeführt haben.
Wir sind der wichtigste Geber bei Entwicklungs- und humanitärer Hilfe, nicht nur aufgrund unseres Verständnisses von Würde, humanistischen Wurzeln und Rechtsgefühl, sondern auch wegen unserer eigenen Interessen. Nur eine gemeinsame Entwicklung und Gerechtigkeit in der Welt können in solch schwierigen Momenten die Sicherheit gewährleisten.
In diesen Zeiten tief greifender Wandlungen in der internationalen Lage muss Europa seine Legitimität als Raum der Integration und Demokratie verstärken und seine Möglichkeiten zur Erreichung eines Konsenses auf internationaler Ebene entwickeln.
Das neue Europa darf nicht als von seinen Nachbarn im Osten und Süden isoliertes Gebilde wahrgenommen werden. Unser Wohlstand muss Hand in Hand mit ihrem gehen. Es gilt, unserer Stimme Gehör zu verschaffen und ihnen zuzuhören, um gemeinsam einen fruchtbaren Dialog zu führen.
Wir sind sehr engagiert in unseren Beziehungen zu den Ländern am südlichen Mittelmeerufer. In diesen Beziehungen müssen wir die wahre Dimension Europas bekräftigen: des Europas, das an allem interessiert ist, was andere beitragen können, das Unterschiede respektiert, das seine Werte anbietet, ohne sie aufzuzwingen, und das Partnerschaften im Rahmen der neuen Nachbarschaftspolitik entwickelt.
Die breiteste Einkommenskluft auf dem Planeten existiert zwischen dem Nord- und dem Südufer des Mittelmeers, und gerade in dieser Region schwelen noch immer tief wurzelnde Konflikte. Doch wahr ist auch, dass die Gesellschaften in Nordafrika jung und dynamisch sind und dass sich ihre politischen Systeme allmählich öffnen und erhebliche Freiheiten gestatten. Die Beziehungen mit der islamischen Welt, bei denen Europa einen Weg des Dialogs und der Partnerschaft einschlagen muss, werden durch das Image geprägt, das von uns in dieser Region entsteht.
Nutzen wir den nächsten Gipfel EU-Afrika, um die gerechten und drängenden Forderungen dieses leidgeprüften Kontinents anzusprechen, der uns so nah und gleichzeitig so fern ist und der ungeduldig an unsere Tür klopft. Wir müssen tätig werden, damit die Menschen in ihren Heimatländern bleiben, um sie in ihren Hoffnungen auf Leben und Wohlstand dort zu unterstützen.
Wir können auch einen europäischen Ansatz für die großen Herausforderungen auf der internationalen Bühne bieten: beispielsweise im Nahost-Friedensprozess und in den Beziehungen zur islamischen Welt, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, der Nichtverbreitung von Kernwaffen, des strategischen Verhältnisses zu Russland und den großen asiatischen Ländern, der Achtung der Menschenrechte und der Verbreitung der Demokratie, im Kampf gegen Hunger und Armut, im allgemeinen Zugang zu Bildung und Gesundheit und im sozialen Zusammenhalt.
Wir müssen unsere aktive Präsenz in allen geografischen Gebieten der Erde verstärken und andere Integrationsprozesse unterstützen. Bitte gestatten Sie mir an dieser Stelle, als Beispiel die Bedeutung des Ausbaus unserer Beziehungen zu Lateinamerika und der Förderung von Verhandlungen über Assoziierungsabkommen zwischen der Union und den verschiedenen regionalen Gruppierungen Lateinamerikas zu unterstreichen.
Wir müssen ein entschlossenes Bekenntnis zum Multilateralismus abgeben und die zentrale Rolle der Vereinten Nationen bei den Vermittlungs- und Interventionsbemühungen zur Konfliktlösung stärken. Unerlässlich ist auch, dass die Union bei der Definition einer gemeinsamen Verteidigungspolitik weiter vorankommt, die uns in die Lage versetzen wird, aktiv und unabhängig an der Erhaltung des Weltfriedens und der Sicherheit unter dem Mandat der Vereinten Nationen mitzuwirken.
Die Entwicklung der notwendigen zivilen und militärischen Kapazitäten, die europäischen Gefechtsverbände, die Krisenreaktionsinitiativen und die Programme der Europäischen Verteidigungsagentur stellen wichtige, aber noch unzureichende Fortschritte dar.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich möchte mit Ihnen einige grundlegende Aspekte meiner Vision von Europa und den Zielen teilen, die es meiner Ansicht nach jetzt mit Blick auf die Zukunft zu setzen gilt. Ich habe versucht, über Europa aus der Perspektive Spaniens zu sprechen. Bitte gestatten Sie mir nun einige wenige Worte über Spanien aus der Sicht Europas.
Die Politik, die meine Regierung in den letzten Jahren verfolgt hat, trägt den gleichen Stempel wie die europäischen Prioritäten.
Wir durchleben eine Periode wirtschaftlichen Wachstums, wir öffnen uns jeden Tag mehr und leiten Reformen entsprechend der Strategie von Lissabon ein. 2007 haben wir bereits eines der beiden Hauptziele unseres Nationalen Reformprogramms erreicht, nämlich eine Beschäftigungsrate von 66 %, und das zweite Ziel, die volle Konvergenz mit dem europäischen Pro-Kopf-Einkommen, werden wir vor 2010, dem ursprünglich geplanten Termin, umgesetzt haben.
Wir haben uns nachdrücklich für die Ausbildung der Humanressourcen, die Bereitstellung von Infrastrukturen und die Verbreitung der Kommunikationstechnologien eingesetzt. So tragen wir dazu bei, dass Europas Wirtschaft wissensbasiert und in der Informationsgesellschaft wettbewerbsfähig ist.
Unser Sozialmodell ist reicher und stärker geworden. Unsere öffentlichen Finanzen sind gesund, sie weisen einen Überschuss von etwa 2 % des Bruttoinlandsprodukts auf, wir haben eine sinkende Staatsverschuldung und ein konsolidiertes System der sozialen Sicherheit.
Die Beschäftigung in Spanien ist eindrucksvoll gewachsen – drei Millionen neue Arbeitsplätze in den letzten vier Jahren –, und die Arbeitsplätze sind stabiler geworden. Wir machen Fortschritte durch die Abkommen über Sozialpolitik und erfreuen uns der Periode der größten Eintracht in den Arbeitsbeziehungen seit Beginn unserer Demokratie.
Wir haben die Realisierung einer Sozialpolitik in Angriff genommen und für behinderte und pflegebedürftige Personen das Recht auf Betreuung eingeführt. Dies wird künftig einen neuen Pfeiler des Wohlfahrtsstaates bilden.
Die Nachhaltigkeit ist zu einem lebenswichtigen Teil unseres Wachstumsmodells geworden. 2006 ist es uns zum ersten Mal gelungen, den Ausstoß von Treibhausgasen bei einem starken Wirtschaftswachstum zu senken. Wir haben uns Bali ebenso verschrieben wie zuvor Kyoto.
Wir Spanier kommen in den Genuss von weiter reichenden Rechten, wie einem größeren sozialen Einfluss, der Gleichstellung von Männern und Frauen, die jetzt voll entwickelt und gesetzlich gesichert ist, und, sehr wichtig, gleichgeschlechtliche Eheschließungen werden in gleichem Maß wie alle anderen anerkannt, was uns alle als Gesellschaft aufwertet.
Spanien hat den Multilateralismus unterstützt und wird es auch künftig tun. Spanien hat die Europäische Union und die europäischen Institutionen unterstützt und wird ihnen auch weiterhin seinen Rückhalt geben.
Wie in den letzten Jahren werden wir unsere Entwicklungszusammenarbeit weiter verstärken und zu den zehn führenden Ländern der Welt gehören, was den Prozentsatz unseres Bruttoinlandsprodukts anbelangt, den wir für die Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. Wir werden ihn weiter erhöhen, sodass in den nächsten vier Jahren 0,7 % unseres Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe verwendet wird, die Millionen Menschen weltweit Solidarität bringt und Würde verleiht.
Herr Präsident!
Lange Zeit konnten wir nur sagen: Wenn Europa sich entwickelt, kommt auch Spanien voran. Heute nun kann ich mit Stolz und Bescheidenheit sagen: Wenn Spanien weiter solche Fortschritte macht wie bisher, dann wird auch Europa vorankommen.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Europa unsere Erwartungen übertreffen wird. Wir können uns auf die außerordentlichen Fähigkeiten aller seiner Institutionen und insbesondere dieses Parlaments stützen. In den schwierigsten Zeiten, meine Damen und Herren, hat sich das Europäische Parlament stets als Bollwerk gegen den Pessimismus und als mutiger und unermüdlicher Verfechter der europäischen Integration erwiesen. Heute möchte ich Ihnen meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Ihre Vorschläge und Debatten haben in all diesen Jahren die großen Reformen der Union beeinflusst.
In diesem Haus, in Ihrem Kreis, kann Europa kraftvoller als an jedem anderen Ort wahrgenommen werden. Europa lebt hier mit größerer Hoffnung und Zuversicht.
Daher gelten meine abschließenden Worte der Hochachtung Spaniens und meiner eigenen Wertschätzung für das Prestige und die Arbeit dieses Hauses und der Männer und Frauen aller ideologischen Richtungen und aus allen Ländern, die uns mit verschiedenen Gesetzen und an diesem Ort die Voraussetzungen geschaffen haben, um das Europa von heute zu erringen und dem Europa von morgen den Weg zu ebnen.
Wir haben die jüngste Gefahr erfolgreich gebannt. Nun gilt es, die vielen anderen Aufgaben anzupacken, die vor uns stehen. Wir müssen uns entschlossen der Zukunft stellen und gemeinsam arbeiten, um zügig das Europa zu errichten, das wir brauchen und das vor allem die Welt braucht.
Vielen Dank.
(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden lebhaften Beifall.)
Jaime Mayor Oreja, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten möchte ich dem Ministerpräsidenten Spaniens für seine Gedanken zum Kurs der Europäischen Union danken.
Die Wahrheit ist, dass wir seine Rede und seine Überlegungen zu Europa lieber zu einer anderen Zeit gehört hätten, vor und nicht nach dem Gipfel von Lissabon und nicht gerade 72 Stunden nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten, weil diese Umstände niemals dazu beitragen, das wirkliche Ziel eines solchen Treffens zu erreichen. Doch, meine Damen und Herren, es wäre gleichzeitig unfair von mir – und meine Fraktion würde das nicht wollen –, wenn ich dem Ministerpräsidenten für seinen Beitrag nicht meinen Dank und meine Wertschätzung zum Ausdruck brächte, denn er ist zweifellos für die künftige Richtung Europas von großem Nutzen.
Es fällt mir nicht leicht, im Namen der PPE-DE-Fraktion über Freiheit und die Europäische Union zu sprechen, vor allem weil es in meiner Fraktion persönliche Erfahrungen gibt, die für die Verteidigung der Freiheit exemplarisch sind und sich erst in jüngster Vergangenheit ereignet haben, sodass ich nicht die gebührenden oder richtigen Worte finden kann, um den tiefen und wahren Sinn der Europäischen Union für unsere Fraktion zu erklären.
Unsere Faktion begrüßt den deutlichen Fortschritt auf dem Gipfel von Lissabon, doch gleichzeitig würden wir lügen, wenn wir nicht sagten, dass wir nach Ansicht unserer Fraktion noch nicht genügend politischen Schwung und Ambition haben, um die Europäische Union von heute zu der Europäischen Union zu machen, die wir für die Zukunft der Europäerinnen und Europäer brauchen. Wir können das Europa, das wir brauchen, nicht errichten, wenn wir nicht an uns glauben. Wir können die Europäische Union nicht mit Leidenschaftslosigkeit, mit schönen Worten oder Gemeinplätzen vollenden. Worte wie Kohärenz und Authentizität reichen nicht aus, wenn es beispielsweise darum geht, die europäischen Richtlinien umzusetzen oder das Kyoto-Protokoll zu erfüllen.
Herr Ministerpräsident, was uns fehlt, sind fraglos Entschlossenheit, die Verteidigung unserer Werte und Einsatz. Gerade diese Elemente werden uns befähigen, die moralische Stärke der Union und letztendlich ihre eigene Kultur zu festigen, für die unser Projekt im Wesentlichen steht. Allerdings müssen wir unseren Unionsbürgern diese fehlenden Elemente bewusst machen. Wir müssen mit ihnen darüber zu sprechen und sie ihnen eindeutig zu erläutern. Wir müssen mit ihnen diese politische Notwendigkeit des Engagements teilen und den Mut haben, ihnen wahrheitsgetreu sagen, was fehlt. Das wird sie nicht entmutigen, sondern im Gegenteil Hoffnungen und Träume wecken und die Nähe herstellen, die wir so dringend brauchen. Es geht darum, ihnen ganz klar zu sagen, worin die Probleme bestehen. Ihnen müssen wir Vorrang geben und an diesen dringenden Fragen arbeiten, um einen Weg zur Verteilung der Kompetenzen zwischen der Europäischen Union und den europäischen Nationen zu finden, ohne sie zu verallgemeinern, sondern indem wir die dringendsten anhängigen Probleme priorisieren und konkretisieren.
Herr Ministerpräsident, die traditionellen europäischen Methoden waren die Einigung, der Konsens und eine schrittweise Annäherung, denn der Konsens ist eher eine Methode als ein Wert. Das heißt, dass wir diesen Konsens definieren und organisieren müssen, und gleichzeitig gilt es, die europäischen Fraktionen zu stärken, denn es wird keine Europäische Union ohne europäische politische Parteien geben. Das heißt auch, dass wir nationale Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten (die real und tief greifend sind) nicht in dieses Haus tragen sollten, wie wir es vor einigen Monaten, wie Sie wissen, leider im Fall von Spanien getan haben.
Herr Ministerpräsident, es gibt Probleme, die eine europäische Lösung erfordern. Das stärkt die Union zweifellos, doch nach Auffassung unserer Fraktion stärkt es auch die europäischen Nationen. Die Union wird nicht stärker, wenn die europäischen Nationen schwächer werden, in Wahrheit geschieht genau das Gegenteil: Um die Europäische Union zu errichten, benötigt sie kraftvolle Mitglieder, und es wird unmöglich sein, dieses Projekt mit geschwächten Nationen zu vollenden, die ihre territoriale Integrität gefährden.
Uns eint der Wert der Freiheit. Das ist der wichtigste der Werte, die in der Charta der Grundrechte niedergeschrieben sind, die am 12. Dezember in Straßburg unterzeichnet wird. Doch das ist keine bloße Illusion: Es ist ein erneutes Bekenntnis zu Freiheit, und nicht nur auf dem Territorium der Union, sondern vor allem auf dem Territorium unserer Freunde, mit denen wir traditionell eine gemeinsame Kultur haben, in Lateinamerika und auch in einigen Republiken Osteuropas. Auch in diesen Ländern müssen wir versuchen, unser System von Prinzipien und Werten zu konsolidieren.
Ich habe noch einen Punkt hinzuzufügen: Kohärenz und nicht Worte. Die Geschichte hat die positive Wirkung unserer Kultur auf die Welt bewiesen. Sorgen wir für ihre Verbreitung, und seien wir uns gleichzeitig bewusst, dass wir diesen Wert in unserer Europäischen Union nicht unter Verschluss halten dürfen.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, Herr Ministerpräsident Zapatero, dass Sie zu uns gekommen sind. Wir freuen uns auch, dass Sie nach dem Gipfel von Lissabon gekommen sind. Wir freuen uns auch, dass Sie 72 Stunden nach Ihrer Ernennung zum Kandidaten gekommen sind. Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn die EVP-ED-Fraktion wenigstens durch ihren Fraktionsvorsitzenden anwesend gewesen wäre.
Denn eines kann ich Ihnen sagen: Herr Daul hat eine gute Rede des spanischen Ministerpräsidenten verpasst! Er hat eine weniger gute Rede von Herrn Mayor Oreja verpasst, deshalb war es für ihn vielleicht ganz gut, dass er nicht da war. Ich sage Ihnen das, weil die leeren Ränge auf der rechten Seite dieses Hauses ja auch etwas aussagen: Wenn Ministerpräsident Reinfeldt aus Schweden kommt, der ja ihrer Parteifamilie angehört, wird die sozialistische Fraktion so anwesend sein wie heute, denn Höflichkeit, die hat man oder man hat sie nicht! Sie haben sie nicht!
(Beifall)
Spanien und die Spanierinnen und Spanier, die durch den Ministerpräsidenten dieses Landes vertreten werden, haben Anspruch auf Respekt, auch von den politischen Familien dieses Hauses. Wir zollen diesem spanischen Volk Respekt. Sie, Herr Zapatero, haben sich beim Europäischen Parlament bedankt. Sie haben sich bei der Europäischen Union bedankt. Das war ein großartiger Satz, dass der Regierungschef Spaniens, eines Landes, das vierzig Jahre unter einer rücksichtslosen und brutalen Diktatur leiden musste, und das seine Freiheit und seine demokratische Vielfalt durch die Integration in Europa erworben hat, dass ein spanischer Ministerpräsident sich bei der Europäischen Union dafür bedankt. Das ehrt Sie. Aber dass Spanien das geschafft hat, dafür haben wir dem spanischen Volk und den spanischen Demokratinnen und Demokraten zu danken. Denn ihr Beitrag zu Europa ist ein Beitrag zu Demokratie, Vielfalt, zu kulturellem Fortschritt und zur sozialen Stabilität. Dank an die spanische Regierung!
(Beifall)
Spanien ist ein Modell, so wie der iberische Raum insgesamt. Das gilt übrigens auch für Griechenland und all jene Länder, die faschistische Diktaturen überwinden mussten und Mitte und zu Beginn der 80er Jahre den Weg in die Europäische Union fanden. Wir, die wir als Westeuropäerinnen und Westeuropäer die Freiheit hatten, in dieser Zeit in diese Staaten zu reisen, wir haben die Chance, sie zu vergleichen, wie sie zu Beginn und Mitte der 80er Jahre waren, und wie sie heute sind. Spanien ist ein Land, das ökonomisch blüht. Ein Land voller Zukunft, ein Land voller Hoffnung, ein Land mit Menschen, die einen enormen Beitrag für den Frieden in der Welt geleistet haben. Ein Land, das ökonomisch prosperiert, ein Land, das von seiner ökonomischen Kapazität her zu Recht an die Tür der G8-Staaten klopft. Wer hätte das vor 20 Jahren für möglich gehalten? Und warum sage ich, Spanien ist ein Modell? Sie haben es auch gesagt, Herr Ministerpräsident: Wenn die Strukturpolitik, wenn die Regionalpolitik der Europäischen Union in den Ländern, die am 1. Mai 2004 dieser Union beigetreten sind, die gleichen ökonomischen Effekte auslöst, wie das in Spanien der Fall war, dann geht ganz Europa einer sehr guten Zukunft entgegen. Deshalb ist Spanien ein Modell für Europa.
(Beifall)
Herr Ministerpräsident Zapatero, Spanien – das haben Sie sehr gut ausgedrückt – hat durch die Integration in Europa gewonnen. Spanien hat wie viele andere Länder der Europäischen Union ein Stück Souveränität aufgegeben, als es den Euro eingeführt hat. Die Aufgabe von Währungssouveränität ist die Aufgabe eines Stücks nationaler Souveränität. Aber stellen wir uns doch einmal vor, Spanien hätte noch die Peseta als Währung. Und stellen wir uns einmal vor, die Regierung Zapatero hätte als erste Amtshandlung gesagt, wir ziehen unsere Soldaten aus dem Irak ab, und der amerikanische Dollar hätte mit der Peseta spielen können. Welche ökonomischen Auswirkungen hätte das haben können? Die Aufgabe dieses Stücks Souveränität bei der Währung hat ein Stück Unabhängigkeit und Souveränität für Spanien hinzugebracht. Deshalb ist Spanien auch ein gutes Modell. Europäische Integration bringt ein Stück mehr an Stärke, und nicht ein Stück weniger an Stärke!
(Beifall)
Wir haben von Herrn Zapatero vieles gehört. Ich will im Namen meiner Fraktion und vor allen Dingen im Namen der Männer, aber insbesondere der Frauen in meiner Fraktion auch ein Wort zur Politik der Gleichstellung der Geschlechter sagen. Kaum ein Regierungschef in Europa hat sich mehr für die Rechte von Frauen eingesetzt als Sie, Herr Zapatero. Auch dafür gebührt Ihnen der Dank des Europäischen Parlaments.
(Beifall)
(ES) Herr Zapatero, bitte setzen Sie ihre hervorragende, moderne und fortschrittliche Politik fort. Sie ist gut für Spanien, und was gut ist für Spanien, ist auch gut für Europa. Weiter so, Herr Ministerpräsident.
(Die Mitglieder seiner Fraktion erheben sich und spenden lebhaften Beifall.)
Graham Watson (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Wenn die Mitgliedstaaten den Reformvertrag ratifizieren, was wir hoffen und glauben, dann können wir endlich einer wiederbelebten Europäischen Union entgegensehen – einer Union mit der Fähigkeit, sich neuen Herausforderungen zu stellen, mit der Demut, ihren Bürgern zuzuhören, und mit dem politischen Willen zu handeln. Die Ratifizierung des Vertrags kommt keinen Augenblick zu früh, und meine Fraktion dankt Ihnen, Herr Zapatero, für Ihre Bemühungen um eine Beschleunigung dieses Prozesses.
Meine Fraktion sieht keine Notwendigkeit dafür, dass eine Gruppe von Weisen über die Zukunft Europas nachdenkt. Das hatten wir alles schon, und wir haben davon sogar T-Shirts als Andenken. Man nannte es „Zeit der Reflexion“, und die ist jetzt vorbei. Wir befinden uns mitten in der Lissabon-Strategie und machen jetzt erst Fortschritte bei Wachstum und Arbeitsplätzen. Wir sind dabei, den Binnenmarkt zu vollenden und damit das Potenzial von Europas Unternehmern freizulegen. Wir öffnen legale Migrationswege, um den Volkswirtschaften sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern zu helfen.
Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich wieder an ein französisches Reißbrett zu setzen oder einem neuen britischen Plan für eine prächtige Freihandelszone zu folgen. Solche Vorstellungen sind doch nur Randmeinungen, die als Mehrheitsansicht verpackt werden. Dort besteht kein Konsens. Die meisten unserer Bürger wollen, dass die Union für eine starke und wachsende Wirtschaft sorgt. Sie wollen mehr EU-Beteiligung in allen Bereichen, mehr Beteiligung bei der Bekämpfung des Terrorismus, mehr Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung, und mehr Aktivität in Umweltfragen. Dann, und nur dann kann Europa ein globaler Akteur werden, der in der Lage ist, einen dauerhaften Wandel herbeiführen.
Denn wie können wir Wachstum und Arbeitsplätze sichern, wenn Europa in Protektionismus flüchtet? Wie können wir gegen den Klimawandel vorgehen, wenn es uns nicht gelingt, gemeinsam zu handeln? Wie können wir Frieden, Wohlstand und Recht in die Welt tragen, wenn sich Europa im Hintergrund streitet? Deshalb braucht Europa mehr Politiker, die bereit sind, zu führen und einen paneuropäischen Weg zu gehen.
Herr Zapatero, als Sie die 18 Freunde der Verfassung in Madrid an einen Tisch brachten, haben Sie bewiesen, dass Ihre Vision von einem offenen, integrierten und wettbewerbsfähigen Europa von vielen geteilt wird. Es ist diese Vision von Europa, von der die progressiven Kräfte aller Parteien in diesem Hohen Haus wollen, dass sie Erfolg hat und sich verbreitet. Die ALDE-Fraktion wird mit allen zusammenarbeiten, die diese Vision unterstützen und ihr gerecht werden, ob nun von der Rechten, der Linken oder der Mitte, damit Europa voranschreitet. Wer jedoch eine solche Vision verkündet, ihr dann aber nicht gerecht wird, den werden wir nicht tolerieren.
Herr Ministerpräsident, Spanien wird oft zu Recht für seine soziale und wirtschaftliche Wandlung seit seinem Beitritt zur Union gelobt. Andere müssen Ihrem Beispiel und Ihrem Streben nach einem blühenden und offenen Europa folgen.
(Beifall aus der Mitte und von links)
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wie meine Kollegen möchte auch ich den Herrn Ministerpräsidenten begrüßen, allerdings auf andere Weise. Der Herr Ministerpräsident hatte sich auf eine Debatte über die Zukunft Europas vorbereitet, doch leider bekam er statt Ausführungen dazu, wie wir alle weiter vorangehen sollten, einige Argumente zur Vergangenheit Europas zu hören.
Wenn wir über die Bedürfnisse Europas im 21. Jahrhundert nachdenken, dann weiß meiner Ansicht nach doch jeder von uns, welche Bedürfnisse das sind. Ebenso weiß jeder von uns, dass die Ideologien der Vergangenheit nicht geeignet waren, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Fortschritte gab es nur, wenn die unterschiedlichen Methoden und die Ideale miteinander kombiniert und koordiniert wurden. Ob nun auf dem Gebiet der Gleichstellung oder dem Gebiet des Rechts, im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung oder im Bereich von Gesundheit und Sicherheit – es bedurfte stets besonderer Gelegenheiten, um sich für eine der erfolgreichen Methoden der Vergangenheit zu entscheiden.
Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten im Namen meiner Fraktion für den Respekt, den er uns in diesem Hohen Haus erwiesen hat, als er der Union und insbesondere dem Parlament als repräsentative Stimme der Bürger der Europäischen Union dankte. Wir sehen uns – hin und wieder – als die wahre repräsentative Stimme. Wir mögen gelegentlich falsch liegen, aber niemand kann unsere demokratische Rechenschaftspflicht und unser demokratisches Mandat, im Auftrag der Menschen zu sprechen, in Frage stellen.
Zu oft werden die Ansichten und Standpunkte des Europäischen Parlaments an den Rand gedrängt, wenn es um die Diskussionen auf Regierungsebene geht. Es hat mich sehr gefreut, als der Herr Ministerpräsident vor einiger Zeit, während der Zeit der Reflexion über den Vertrag, der jetzt vom Tisch ist, und zwar endgültig, beschloss, die „Freunde der Gemeinschaftsmethode“ neu zu ordnen und sie „Freunde der Verfassungsmethode“ zu nennen – als Vorreiter für die künftige Entwicklung. Er hat erlebt, dass sich durch den Erfolg dieses Schritts für seine Regierung neue Türen öffneten und Gelegenheiten eröffnen, als er im Umgang mit der Einwanderung und anderen Entwicklungen Unterstützung brauchte.
Wenn ich heute an den Ministerpräsidenten einen Appell bezüglich der Zukunft Europas richten könnte, dann würde ich ihn darum bitten, weiter seinen Einfluss zu nutzen, nicht nur in der Europäischen Union, sondern vor allem in Lateinamerika, wo Fragen im Zusammenhang mit Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte unter der Maske demokratischer Bewegungen immer deutlicher hervortreten.
Einige von uns schließlich sehen das künftige Europa als Bild mit leuchtenden Sternen, großen Chancen und vor allem mit der Achtung der grundlegenden Unterschiede und Werte, die im Raum der Europäischen Union zu finden sind. Wir sollten zu einem Punkt kommen, wo wir nicht mehr versuchen, alles in eine einzige, einheitliche Form oder Größe zu pressen, sondern verstehen, dass wir, wenn wir diesen Unterschied wertschätzen, tatsächlich eine Europäische Union schaffen werden, die in der Zukunft besser, bunter und auf jeden Fall dynamischer sein wird.
(Beifall)
Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Ministerpräsident! Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz schätzt Ihre entschlossene pro-europäische Haltung, Ihren Mut, ein Referendum zum Verfassungsvertrag durchzuführen, und die Fähigkeit Ihrer Regierung, besonnen und ohne Religionskrieg ein Gesetz und Maßnahmen zur Gleichstellung sowie zu den individuellen Rechten und Freiheiten auf den Weg zu bringen, die für viele Länder in Europa ein Beispiel sind, obwohl ich heute nicht viele Frauen in Ihrer Begleitung sehe.
Unsere Wertschätzung gilt auch Ihren Bemerkungen zur Einwanderung, wenn auch nicht immer Ihren Taten, und wir würdigen die Tatsache, dass der Akzent auf die positiven Aspekte der Einwanderung und nicht nur auf den illegalen Charakter gesetzt wird, wie es Ihr Vorgänger vielleicht getan hat.
Aus diesem Grund möchte ich Ihnen sagen, Herr Ministerpräsident, dass wir Sie vermisst haben in den letzten beiden Jahren und in den jüngsten Monaten während der institutionellen Krise, die ohne große Passion und Glorie in dem „Minivertrag“ von Lissabon ihren Abschluss gefunden hat. Die Agenda der Regierungskonferenz wurde von den Gegnern des Verfassungsvertrags diktiert, während sich seine Freunde, so wie Sie, nach dem berühmten Treffen der 18 als zu zurückhaltend gezeigt haben.
Heute stehen wir in Europa vor mehreren Ansätzen: dem Zweistufensystem von Sarkozy, dem atlantischen Nationalismus von Gordon Brown und dem recht förmlichen, doch sehr aufrichtigen Europäismus von Romano Prodi. Wie ist Ihre Sicht? Wer sind Ihre Verbündeten?
Herr Ministerpräsident! Sie sind kurz auf das Thema des Klimawandels eingegangen, obwohl der Gedanke Ihres neuen Übereinkommens zwischen der Menschheit und dem Planeten nicht neu ist. Sie haben weiterhin viel von Dankbarkeit für die europäische Hilfe gesprochen. Ich muss Ihnen sagen, dass für uns heute feststeht, und zwar schon seit einiger Zeit, dass diese europäischen Mittel auch dafür verwendet werden, aus Spanien das Land mit den meisten Kilometern Straße pro Einwohner zu machen und zu einem Ort, wo Beton, auch mit europäischem Geld, zu schlimmen Fällen von Spekulation und Korruption geführt und dazu beigetragen hat, dass Spanien zusammen mit meinem Land, Italien, und mit Dänemark – obwohl Sie noch ein wenig schlechter dastehen – weit davon entfernt ist, die Kyoto-Ziele zu erreichen.
Soweit ich verstanden habe, hat Spanien die Richtlinie zur Eurovignette noch nicht umgesetzt und verfolgt noch immer eine Politik sehr extensiver Infrastrukturen. Wir hoffen, dass Spanien nach den Wahlversprechen, die Sie zum Klimawandel gegeben haben – es schadet nicht, auch hier ein wenig Wahlkampf zu betreiben –, konsequent die Richtung wechseln wird. Wir hoffen auch, dass Ihre phantastische Umweltministerin in Ihrer Regierung viel mehr Freiraum erhalten wird, als dies bisher der Fall ist.
(Beifall)
Herr Ministerpräsident, abschließend muss ich sagen, dass wir hier im Europäischen Parlament Ihre Worte sehr zu würdigen wissen und Ihnen danken, doch wir brauchen Verbündete in den Regierungen der Mitgliedstaaten. Wir dürfen nicht ruhen, denn wir benötigen Menschen, die Europa wollen und eine Vision von Europa haben.
(Beifall)
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Sie haben eine schöne Rede gehalten. In vielerlei Hinsicht war es eine humanistische Rede, der ich mich gern als Ideal für das künftige Europa anschließe. Wir müssen aber zugeben, dass, damit die erlebte Realität der Europäer sich einer Vision wie der von Ihnen soeben beschriebenen annähert, es noch vieler Veränderungen in den Verfahren und den Strukturen der Europäischen Union bedarf.
Unser Europa ist ein soziales Europa, sagen Sie. Bravo! Aber es ist kein Zeichen für Pessimismus, wenn man feststellt, dass das soziale Europa im Wesentlichen erst aufgebaut werden muss. Den derzeitigen Rahmen der europäischen Sozialpolitik bildet gemäß den Verträgen die offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, das heißt ein Rahmen, der natürlich die Konkurrenz zwischen den Sozialmodellen fördert und natürlich dahin tendiert, die Errungenschaften im Namen der Wettbewerbsfähigkeit nach unten zu ziehen. Das ist ein Rahmen, der natürlich die Arbeitskosten nach unten drückt, die Beschäftigung zu einer prekären Angelegenheit macht und die sozialen Rechte schwächt.
Die soziale Frage ist zweifellos die erste Ursache für die Vertrauenskrise zwischen den Bürgern und den europäischen Institutionen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank konnte sich beispielsweise selbst von dieser Tatsache überzeugen, als er unlängst vor dem Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbundes gesprochen hat, wo er seine Theorie entwickelte, die die offizielle Theorie der Europäischen Union über die Lohnzurückhaltung im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der Preise ist. Er brachte alle einmütig gegen sich auf. Selbst der deutsche Wirtschaftsminister sprach, wie ich bereits erwähnt habe, von dem Risiko einer Legitimitätskrise des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells. Blicken wir also den Dingen ins Auge, eben um die Sicht glaubhaft zu machen, die Sie für die Zukunft entwickelt haben.
Sie haben auch von den Beziehungen zu Afrika gesprochen und auf die Notwendigkeit hingewiesen, auf die Forderung der Menschen dort nach Gerechtigkeit zu antworten. Sie haben Recht! Man muss jedoch beispielsweise das Projekt für ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen überarbeiten, das durch all unsere afrikanischen Partner abgelehnt wird, weil sie überzeugt sind – und ich glaube zu Recht –, dass die Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten sich nicht mit dem Freihandel verträgt.
Abschließend möchte ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, dafür danken, dass Sie in Erinnerung gerufen haben, was nach meinem Dafürhalten der Zweck Europas sein sollte, und wenn wir uns in der Einschätzung der Gegenwart nicht immer einig sind, so sollten wir uns doch zumindest über die Perspektiven verständigen.
Graham Booth, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Es ist eine Freude, den Herrn Ministerpräsidenten hier in Brüssel zu sehen. Als ein Mann, der seinem Volk gestattet hat zu entscheiden, ob es die Verfassung haben will, ist er ein Vorbild für andere europäische Regierungschefs. Dafür verdient er Beifall. Die spanischen Bürger haben dann mit überwältigender Mehrheit für die Pläne gestimmt.
Ich würde nun gern wissen, warum er das nicht wiederholen will. Er müsste doch zuversichtlich sein, dass das Ergebnis ähnlich ausfällt. Liegt es daran, dass im Reformvertrag, wie der Herr Ministerpräsident sagte, kein einziger wesentlicher Punkt des Verfassungsvertrags weggelassen wurde? Wenn dem so ist, dann leuchtet es ein, dass er keine Notwendigkeit sieht, seinen Bürgern die gleiche Frage noch einmal zu stellen. Oder ist es etwa so, wie den britischen Bürgern erklärt wurde, dass der Reformvertrag so anders ausgefallen ist, dass er etwas völlig Eigenständiges darstellt und für die Menschen zu kompliziert ist?
Hier liegt natürlich der Schlüssel zu unser aller Zukunft. Entweder kümmert es die politische Elite nicht, was die Menschen wollen, wie es bei Herrn Sarkozy und Herrn Brown der Fall ist, oder sie sind der Meinung, die Menschen seien zu dumm, um wichtigere Entscheidungen zu treffen als die, welchen Burger sie bei „McDonald’s“ kaufen sollen. Mir scheint, die Europäische Union entwickelt sich rasant zum ersten postdemokratischen Staat der Welt. Ich kann dem Herrn Ministerpräsidenten Folgendes sagen: Wenn die europäische Elite den Menschen nicht erlaubt, sich zu äußern, dann werden diese letztlich andere Wege finden, sich Gehör zu verschaffen.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die größte Herausforderung, vor der die Europäische Union derzeit steht, ist meines Erachtens das Fehlen jeglicher demokratischen Mitsprache beim Beschlussfassungsprozess. Gegenüber den europäischen Institutionen herrscht zunehmendes Misstrauen – meiner Ansicht nach übrigens zu Recht – seitens unserer Bürgerinnen und Bürger, die es nicht hinnehmen, dass ein beträchtlicher Teil der Beschlüsse, die ihr Leben unmittelbar tangieren, in Elfenbeintürmen gefasst werden, die praktisch jeglicher Kontrolle entzogen sind. Darüber hinaus entbehren diese Beschlüsse jedweder demokratischen Grundlage. Dazu zwei Beispiele.
Erstens: der Text der neuen europäischen Verträge wird demnächst in Lissabon unterzeichnet. Wie jeder weiß, handelt es sich dabei um eine nur leicht modifizierte Fassung des EU-Verfassungsvertrags. Herr Zapatero selbst hat dazu erklärt, kein einziger wesentlicher Bestandteil sei geändert worden. Nun, dieser Text war in Frankreich und den Niederlanden in demokratischen Volksentscheiden niedergestimmt worden, was heute aber völlig ignoriert wird. Bestenfalls wird man uns möglicherweise von Zeit zu Zeit nochmals abstimmen lassen, bis die Eurokraten zufrieden sind, im Grunde genommen aber landen per Referendum abgegebene demokratische Voten im Mülleimer. Auf diese Weise, so fürchte ich, wird sich Europa zunehmend in Richtung eines Miniklubs entwickeln, der gleichsam wie ein Superstaat regiert, von dem keine Mitsprache geduldet wird und der infolgedessen praktisch nicht mehr als Demokratie bezeichnet werden kann. Das Gleiche gilt im Übrigen für die Art, wie der mögliche EU-Beitritt der Türkei behandelt wird. Unsere Bürger und Bürgerinnen sind nicht dafür, ganz im Gegenteil, denn die Türkei ist kein europäisches Land, weder kulturell noch geografisch noch religiös noch in überhaupt irgendeiner Form, gleichwohl scheren sich weder die Kommission noch der Rat darum, wie die meisten unserer Bürgerinnen und Bürger dazu stehen. Anstatt einer Aussprache über die Zukunft Europas sollten wir eigentlich eine Debatte über die Wiederherstellung der Demokratie in den Organen der Europäischen führen.
José Luis Rodríguez Zapatero, spanischer Regierungspräsident. − (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich allen Rednern für ihre Bemerkungen und den Tenor, in dem sie vorgetragen wurden, meinen Dank aussprechen. Ich freue mich über die Lebendigkeit, mit der diese Aussprache geführt wird, gerade darauf hatte ich gehofft. Ich freue mich auch, dass ich zu solch einer lebhaften und intensiven Debatte beitragen konnte, vor allem angesichts einiger Redebeiträge, für die ich Ihnen von ganzem Herzen danke.
Spanien ist der Europäischen Union, ihren Gründungsvätern und den großen Ländern wie Frankreich, Deutschland und Italien dankbar; sie haben uns geholfen, die Demokratie in unser Land zu tragen, sie haben uns in Europa willkommen geheißen und dann mit ihren Mitteln unsere Entwicklung unterstützt. Wir sind auch anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Staatsmännern dankbar, die ich heute nicht genannt habe, wie Helmut Kohl, François Mitterrand und Olof Palme, die einen großen Beitrag zur Demokratie Spaniens und seiner Zukunft geleistet haben. Wir sind sehr stolz, unseren Teil zu dieser gemeinsamen Sache beizutragen.
Dieser Dank geht einher mit dem Gedanken an die Erfolge, die Spanien in den letzten 25 Jahren erreichen konnte. Wahrscheinlich hat keine andere Gesellschaft der Welt eine solche politische und wirtschaftliche Umgestaltung und einen solchen Fortschritt in seinen Rechten, Freiheiten und der sozialen Situation seiner Menschen erlebt wie Spanien in den vergangenen 25 Jahren.
Spanien hat sich stets klar zu Europa bekannt und war immer sehr proeuropäisch. Vertreter aller Parteien, Kulturen und politischen Ideologien und von großem politischen Gewicht haben den europäischen Institutionen, der Kommission und diesem Parlament gedient, in dem wir drei Präsidenten hatten. Alle haben eine sehr gute Arbeit geleistet, und an dieser Stelle möchte ich jenen meine Hochachtung zollen, die Spanien in den europäischen Institutionen repräsentiert haben. Es ist ihnen gelungen, eine gemeinsame proeuropäische Kultur in einer Form politischer Organisation zu schmieden, die beispiellos ist, wenn man an die gerade gehörten Reden denkt.
Für die politische Union, die wir Europäische Union nennen, existiert kein Präzedenzfall oder Modell, auf die man zurückgreifen kann, denn sie passt in keine der bekannten politischen Kategorien. Darin liegt die Größe der Europäischen Union und auch ihre Unvorhersehbarkeit, da zwischen 27 Ländern, 27 Flaggen, 27 Staaten, 27 Nationen, 20 Sprachen und einer reichen Vielfalt an Ideologien, die sich hier im Europäischen Parlament widerspiegeln, ein gemeinsamer Wille erreicht werden muss.
Jeder Fortschritt im europäischen Prozess hat daher nicht nur eine Farbe und entstammt nicht nur einem Land oder einer Ideologie. Er hat nicht nur eine Farbe, nicht nur eine ideologische Richtung und nicht nur eine Flagge. Jeder Fortschritt ist in der Tat die Summe aller Seiten mit ihrer eigenen Flagge und ihrer eigenen Farbe, nämlich der der Koexistenz und der Einheit. Wenn irgendetwas wirklich die europäische Seele repräsentiert, dann ist es eine Union von Demokraten. Das ist Europa: Eine Union von Demokraten, was bedeutet, Fortschritte auf der Grundlage von Positionen zu erzielen, die vom größtmöglichen Konsens getragen werden, der alle respektiert und einbezieht und der allen die gleichen Möglichkeiten bietet, selbst jenen, die überhaupt nicht mit dem einverstanden sind, was die Europäische Union repräsentiert. Die Größe der liegt darin, dass sie ein Klub ist, der sowohl den Befürwortern Europas als auch jenen, die nicht wollen, dass Europa voranschreitet, die gleichen Chancen bietet. Darin liegt die Größe des europäischen Klubs; mit einem Wort, das ist die Größe einer Union von Demokraten.
Jemand sprach hier von einem „Minivertrag“. Die Perspektive, die wir einnehmen, kann in uns immer ein Gefühl der Unzufriedenheit hinsichtlich der Erreichung unserer Ziele zurücklassen, doch wenn dieser neue Vertrag von allen ratifiziert ist und funktioniert, wird er ein großartiger Vertrag und kein Minivertrag sein. Das ist zumindest der Standpunkt, den wir nach meiner Auffassung heute vertreten sollten. Wir müssen ihm Zeit geben und das Potenzial sehen, das er hat, wenn er in Kraft gesetzt und zur Lösung der vor uns liegenden Aufgaben verwendet wird.
Es wurde die Ratifizierung des Vertrags angesprochen. Sie war notwendig, weil Spanien zu den Ländern gehörte, die ein konsultatives Referendum über den Verfassungsvertrag durchgeführt haben, der dann erneut verhandelt wurde als Vertrag in klassischsten Sinn dessen, was das europäische Konzept darstellt.
Ich wurde gefragt – und ich will keiner Frage ausweichen –, warum wir ihn einem Referendum unterzogen. Dafür bestanden zwei klare Gründe: erstens, weil das spanische Volk sagte, es sei für einen Verfassungsvertrag. Der Vertrag, den wir jetzt angenommen haben, die Ratifizierung vorausgesetzt, und der bereits als Vertrag von Lissabon bekannt ist, enthält viele Aspekte des früheren Verfassungsvertrags. Der zweite, sehr wichtige Grund ist, dass in unserem Land ein breiter Konsens zur parlamentarischen Ratifizierung dieses Vertrags vorhanden war, bei jenen, die dem Vertrag zustimmen, und auch bei den Minderheiten, die nicht einverstanden sind.
Allerdings muss ich auf einen Punkt hinweisen, den ich für die Zukunft als sehr wesentlich erachte. Ich weiß nicht, ob es uns irgendwann gelingt, doch es gibt ein offenkundiges Problem in der Europäischen Union: Wir haben eine unvollkommene Ratifizierungsregelung, über die niemals eine tief greifende Debatte geführt wurde. Meiner Ansicht nach sollte die Ratifizierung durch alle Länder gemeinsam erfolgen, und wenn möglich in einem einzigen Akt und mit einem einzigen Instrument. Das ist im Moment sicherlich schwierig, wäre jedoch sehr wünschenswert, und ich hoffe, dass wir diese Art von Ratifizierung zu gegebener Zeit haben werden.
Einige Redner haben die Frage – die von Anfang an existierte, seit Gründung der Union in ihrer ersten Gestalt als Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und dann als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – des Verhältnisses zwischen der Europäischen Union und den Nationalstaaten angesprochen. Diese Frage hat oft die gesamte demokratische Gesundheit der Europäischen Union in Frage gestellt, da viele Beschlüsse logischerweise auf dem Wege eines zwischenstaatlichen Verfahrens gefasst werden müssen.
Gestatten Sie mir, Ihnen kurz meine Ansicht zu diesem Thema darzulegen.
Erstens ist der Nationalstaat eine Form politischer Organisation, die aus historischer Sicht danach strebt, Territorien zu vereinigen, öffentliches Handeln zu rationalisieren und dann den Weg zu demokratischen Systemen zu ebnen. Er hat somit eine wichtige Aufgabe erfüllt.
Die Europäische Union ist eine Form politischer Organisation, die auf der Erfahrung des Nationalstaats basiert. Sie stellt eine höhere Stufe des Nationalstaats dar. Sie nimmt dem Nationalstaat nichts weg, sondern bereichert ihn und seine traditionelle Struktur, denn wie die Geschichte der politischen Koexistenz, der politischen Zivilisation und der politischen Gemeinschaft zeigt, bedeutet Vereinigung gewöhnlich Bereicherung. Vereinigung und gemeinsames Handeln sind das, wofür die Europäische Union im Grunde steht. Dadurch wird nichts von dem weggenommen, was das traditionelle Konzept des Nationalstaats ausmacht, und dieser wird auch nicht geschwächt, sondern je stärker die Europäische Union ist, desto stärker werden unsere Nationalstaaten sein. Das ist meine Auffassung.
Das heißt auch, dass sich die Kraft der Europäischen Union durch ihre Institutionen erhöht, die Legitimität und ständige Legitimation durch die Politiker und Regierungen dieser Länder benötigen… Ich lehne eine spezielle Theorie, die in der Europäischen Union existiert, völlig ab, dass nämlich die Verantwortung für viele Probleme unseres wirtschaftlichen, privaten oder sozialen Lebens in Brüssel liegt. Diese Haltung ist schädlich für die Integration der Europäischen Union und unsere Bürger und pflegt in den meisten Fällen unrichtig zu sein.
Ich glaube, die Geschichte zeigt und die Gegenwart lehrt uns, dass die Tendenz, anderen die Schuld zu geben, wenn uns etwas nicht gelungen ist, Melancholie und eine negative Einstellung unter den Bürgern zur Folge hat.
Einige Redner sprachen von konkreten Zielen und schönen Worten. Ich stimme zu: Es kann keine Aktionen ohne Worte geben und keine Worte, ohne Tatsachen durch die politische Aktion zu schaffen. Daher bin ich der Ansicht, dass alle Dinge, die eine Option für die Zukunft darstellen, Prioritäten haben müssen, politische Prioritäten, die glaubwürdig und in Maßnahmen und Beschlüssen erkennbar sind. Diese werden diskutiert. Ich möchte die drei zusammenfassen, die mir für die Zukunft der Europäischen Union am wichtigsten erscheinen.
Bitte gestatten Sie mir zu sagen, dass diese Prioritäten nichts mit Verträgen, Durchführungsbestimmungen, Strukturen, Gesetzesrevisionen oder Reduzierung der Rechtsvorschriften durch die Kommission, die allerdings sehr zweckdienlich wäre, zu tun haben. Sie beziehen sich auf die politischen Ziele der Zeit, in der wir leben. Ich stimme mit dem Redner überein, der sagte, dass die Europäische Union das Ergebnis der Wechselwirkung vieler Ideologien und vieler Werte ist. Doch die Europäische Union kann nur dann eine regionale Kraft sein, die eine weltweit führende Rolle in Bezug auf Werte und Aktionen spielt, wenn sie die Prioritäten der historischen Zeit, in der wir jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts leben, richtig erfasst.
Die erste Priorität besteht darin zu erkennen, was Europa weiß, denn die besten Erfahrungen dieses Kontinents stellen eine unschätzbare Lektion dar. Wissenschaft, Kreativität und Innovation haben zur wirtschaftlichen Erstarkung und zur sozialen Integration unserer Länder geführt. Die schwierige Aufgabe, vor die uns die Wissenschaft heute stellt und die sowohl Herausforderung als auch Chance ist, sind der Klimawandel und die Energiequellen. Ich muss einen Punkt hervorheben, der hier angesprochen wurde und in meiner Rede vielleicht nicht klar genug zum Ausdruck kam, weil er nicht so bekannt ist. Es ist wahr, dass Spanien weit von der Erfüllung der Forderungen des Kyoto-Protokolls entfernt ist. Das mag so sein, aber wahr ist auch, dass der Ausstoß von Treibhausgasen 2006, also ein Jahr nach meiner Regierungsübernahme, bei einem Wirtschaftswachstum von 4 % um 4 % gesenkt wurde. Wir arbeiten also intensiv daran und werden die Anstrengungen fortsetzen, erstens im Hinblick auf alternative und erneuerbare Energien und zweitens im Hinblick auf Energieeffizienz und Energieeinsparung.
Vor 20 Jahren ging es in der großen Debatte darüber, wie die führende Rolle bei der Innovation Europas zu übernehmen sei – ich bin sicher, dass dieses Parlament unzählige Male darüber diskutiert hat –, um die Entwicklung der New Economy, der Wirtschaft der Informationstechnologien. Nun wird die New Economy, die die Zukunft der Produktionskapazität und damit ihren Erfolg sichern wird, diejenige sein, die so schnell wie möglich unsere Abhängigkeit von der Kohle reduzieren und eine alternative Energiequelle mit wachsender Leistungskraft bieten kann. Nach meiner Auffassung ist dies die erste große Aufgabe. Ich muss betonen, dass sie nicht nur eine Herausforderung, sondern eine große Chance ist, denn hier liegt ein guter Teil des Wissens, das uns viele Dinge garantieren wird, und auch ein guter Teil der potenziellen Quellen für Beschäftigung und Tätigkeiten mit einem größeren Mehrwert und deshalb mit einer guten sozialen Kapazität.
Zweitens muss Europa auf sozialem Gebiet vorankommen. Es ist richtig zu sagen, dass Europa sozial nur erfolgreich sein kann, schaut man auf den afrikanischen, den lateinamerikanischen oder einen Teil des asiatischen Kontinents, wenn wir gleichzeitig entschiedene und maßgebliche Fortschritte in der Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe erzielen.
Denn, und verzeihen Sie mir, das öffentlich zu sagen, ich weiß nicht, was die Völker und Regierungen vieler afrikanischer Länder denken, wenn sie sehen, dass die Europäische Union bisweilen eine Diskussion über eine vermeintlich tiefe Krise führt. Ich weiß nicht, was sie denken mögen. Ich sage nur, wie ich es sehe. Ich glaube, dass wir glücklicherweise, vor allem durch unsere Entwicklung zur Demokratie, unsere Innovationskapazität und den Wohlfahrtstaat, der auf diesem Kontinent entstanden ist, durch diese drei Werte (Arbeit, Demokratie und Wohlfahrtstaat) der Kontinent und die Union sein können, die den besten Sozialschutz und das höchste Einkommens- und Wohlstandsniveau haben.
Für mich ist die Stärkung der sozialen Wohlfahrt nach wie vor ein grundlegendes Ziel. Eine offene Wirtschaft und ein Sozialstaat mit sozialen Rechten für die Bürger sind nicht unvereinbar. In Wirklichkeit ergänzen sie sich gegenseitig. Die Sozialpolitik mindert nicht den Wohlstand. Sie kann helfen, Wohlstand zu schaffen, die Bedingungen zu schaffen, um jedem die Möglichkeit zu bieten, zur Aufgabe der Schaffung von Wohlstand beizutragen, durch Bildung mit gleichen Chancen, durch die Vereinbarkeit von Familien- und Arbeitsleben, die eine Sozialpolitik erfordert, und Beschäftigungsstabilität als bestem Anreiz für Produktivität bei der Aufgabe, zur Schaffung von Wohlstand beizutragen. Eine Sozialpolitik mit Produktivität und bürgerorientierten Zielen ist ein mögliches Modell, das funktioniert. Das Modell, das die größte Veränderung erreichen kann, ist natürlich das der vollen Integration und vollen Gleichstellung von Frauen in allen Arbeits- und Sozialbereichen.
Spanien hat sich in diesen 30 Jahren sehr verändert, teilweise durch die Demokratie. Doch was am meisten zum Wandel beigetragen hat, war die Eingliederung der Frauen in das Arbeitsleben, in das soziale und zivile Leben des Landes. Das hat die größten Änderungen hervorgerufen, natürlich zum Besseren, denn der Wandel hat Solidarität und Fortschritt als Werte mit sich gebracht. Ich erinnere Sie daran, dass meine Regierung zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen besteht; keine der Personen hier gehört eigentlich der Regierung an.
Abschließend möchte ich unser drittes Ziel nennen, das zusammen mit der Herausforderung des Klimawandels, des Ausbaus des Wohlfahrtstaats und der Bekräftigung der sozialen Rechte als Identitätszeichen Europas entwickelt werden muss. Dank dieses Identitätszeichens konnten wir dorthin kommen, wo wir sind, und einen Bezugspunkt für unsere Länder bilden. Dieses dritte Hauptziel ist die Gewährleistung und Stärkung der Koexistenz in einer ganz besonderen Art, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir auf einem Kontinent leben, der in den letzten 20 oder 30 Jahren in vielen Ländern einem wachsenden demografischen Wandel unterliegt.
Dieses Miteinander bedeutet Integration und absolute und völlige Intoleranz gegenüber jeglichen Anzeichen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das ist die Bedeutung von Miteinander. Europa darf nicht einen einzigen seiner Werte verraten, und wenn es einen wichtigen Wert im demokratischen Europa gibt, so ist es die Achtung der kulturellen und religiösen Vielfalt und somit die entschiedene Ablehnung jeglicher Anzeichen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Wir würden als Europäer scheitern, wenn wir dieser Versuchung erlägen.
Dieses Miteinander muss mit einer großen Toleranz einhergehen. Die Erweiterung der individuellen und kollektiven Rechte ist nicht nur der beste Ausdruck von Freiheit, sondern auch ein weiterer Wert, mit dem sich Europa meines Erachtens identifizieren muss. Denn wirklich, welche bessere Freiheit kann es geben als die Achtung der religiösen, kulturellen und politischen Überzeugungen jedes Menschen oder ihrer sexuellen Ausrichtungen, wenn sie eine Partnerschaft oder eine Ehe eingehen? Welchen besseren Ausdruck von Freiheit gibt es als diesen?
Wenn Europa die Union von Demokraten ist, wie ich zuvor sagte, darf es nicht nur um Freiheit gehen, Europa muss sich auf Freiheit und Gleichheit gründen.
(Beifall)
Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Sie werden nicht noch einmal das Wort ergreifen, aber Sie werden trotzdem hier bleiben, um den weiteren Rednern zuzuhören.
Es tagt jetzt gleich das Präsidium des Europäischen Parlaments, sodass ich Ihnen jetzt für Ihren Besuch und Ihre Rede danken darf. Ich möchte Ihnen und Spanien – allen Regierungen, die im freien Spanien an Europa mitgewirkt haben – für diesen europäischen Beitrag ausdrücklich danken. Und wer immer in Spanien in der Zukunft regieren wird, wir vertrauen aufgrund der Erfahrungen in den letzten beiden Jahrzehnten darauf, dass Spanien immer seiner europäischen Berufung treu bleiben wird.
In diesem Sinne darf ich Ihnen noch einmal sehr herzlich für Ihren Besuch danken.
Jacques Toubon (PPE-DE). – (FR) Herr Ministerpräsident! Ich möchte meine Ausführungen auf die Frage der Zuwanderung beschränken, die für die Zukunft Europas von wesentlicher Bedeutung ist und zu der Sie vorhin konsensfähige Vorschläge gemacht haben.
Gewiss kann niemand in diesem so schwierigen Bereich Lektionen erteilen, aber niemand darf sich auch aus der notwendigen Solidarität in einem einheitlichen Raum davon stehlen. Die Meinungsumfragen beweisen, dass manche Länder einen eher wirtschaftlichen und andere einen eher kulturellen Ansatz verfolgen.
Für die Staaten, die dem Interesse der Wirtschaft Vorrang einräumen, ist es sicherlich bequem, zu versuchen, sich die unerlässlichen Arbeitnehmer zu beschaffen, indem sie das Recht anpassen, und daher rühren die Maßnahmen der Massenregularisierungen, die von Zeit zu Zeit von dieser oder jener nationalen Regierung ergriffen werden, ohne sich darum zu sorgen, welche Sogwirkung das auslöst, während die anderen Mitgliedstaaten versuchen, die Migrationsströme zu steuern.
Lassen Sie mich das Beispiel der Regularisierung von mehreren Zehntausend Illegalen nennen, die Ihre Regierung vorgenommen hat. Frankreich hat das seinerzeit bedauert und missbilligt. Unser Staatspräsident hat das in aller Offenheit gesagt. Man sollte derartige Operationen in Zukunft unterlassen. Umso mehr als Spanien legitimerweise Hilfszahlungen der Europäischen Union erhält, um den dramatischen Situationen zu begegnen, die an seinen afrikanischen Grenzen herrschen.
Die EVP plädiert für Politiken, die sich auf die individuelle Bearbeitung der Regularisierungsanträge gründen, und lehnt somit Massenregularisierungen ab, die die Sogwirkung nur verstärken. Im gleichen Sinne wird der französische Ratspräsident der Europäischen Union einen europäischen Zuwanderungspakt vorschlagen. Und künftig, Herr Ministerpräsident, wird der Vertrag von Lissabon endlich die Voraussetzung schaffen, um gemeinsam zu handeln und auf politische Alleingänge zu verzichten. Das ist das langfristige Interesse der Europäischen Union, Spaniens und aller Mitgliedstaaten.
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Enrique Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Im Namen der spanischen Sozialisten möchte ich dem Ministerpräsidenten für sein heutiges Kommen danken.
Es wurde gesagt, dass seine Rede vollkommen gewesen sei und dass er eine sehr ehrgeizige Agenda habe. Was ich dem Ministerpräsidenten vor allem sagen möchte, ist, dass sich sein Herangehen in der Praxis bewährt hat; mit anderen Worten, dass er uns eine Reihe wirtschaftlicher, politischer und sozialer Daten gegeben hat, die den europäischen Geist nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im Konkreten beweisen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle, kurz auf eine Bemerkung einzugehen, die heute hier zu hören war. Das Thema der massenhaften Regulierungen wurde angesprochen. Zurzeit kopieren Frankreich und Deutschland das von Spanien verfolgte System der Regulierung,
(Beifall)
das die individuelle Regulierung und die Mitwirkung von Unternehmern und Gewerkschaften zum Inhalt hat. Bitte sagen Sie uns, Herr Toubon, was in Ihrem Land geschieht.
Zweitens, Herr Präsident, möchte ich dem Ministerpräsidenten für seinen Hinweis auf bestimmte Veteranen und auf unsere Arbeit, die wir hier über viele Jahre geleistet haben, meinen persönlichen Dank aussprechen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eins hinweisen: Neben dem, was wir erhalten haben – und es ist nur recht und billig, dankbar zu sein –, haben wir auch Einiges beigetragen. Das bürgernahe und soziale Europa, die Kohäsion und die Charta der Grundrechte stehen nicht unter spanischem Urheberschutz, doch sie wurden von Spanien stark beeinflusst, und darauf können wir mit Recht stolz sein.
Was die Ratifizierung betrifft, so stimme ich mit den Worten des Ministerpräsidenten überein. Es ist auffällig, dass jene Personen, die in ihren Ländern nichts getan und nicht einen Schritt zur Ratifizierung der Verfassung oder zur Annahme des Vertrags unternommen haben, jetzt versuchen, jenen Lehren zu erteilen, die ihre Hausaufgaben erledigt haben.
(Beifall)
Jetzt muss ich hier eine ganz konkrete Bemerkung machen. Bei diesem Ratifizierungsprozess müssen wir an die Solidarität und gegenseitige Loyalität appellieren; es kann nicht sein, dass einige ihre Arbeit verrichten, während andere versuchen, erneut zu verhandeln. Das muss in Europa ein für alle Mal aufhören.
Ein abschließendes Wort, Herr Präsident. Herrn Mayor Oreja ist ein Versprecher unterlaufen, denn er hat Herrn Zapatero einige Monate vor den Wahlen zum Ministerpräsidenten wiedergewählt. Herr Zapatero ist im Moment nur ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. Interessant wäre allerdings, wenn die Fraktionen, beginnend mit der PPE-DE-Fraktion, vor der nächsten Wahl des Kommissionspräsidenten dem Kandidaten eine Kopie der Rede von Herrn Zapatero übermitteln würden.
(Beifall)
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (ES) Herr Ministerpräsident, willkommen in diesem Haus.
Es ist erfreulich, dass das Bekenntnis zum europäischen Aufbau in Spanien die Mehrheit der politischen Kräfte vereint hat, auch in Katalonien. Diese Einheit, die 1986 begann, fand im Euro ihre Fortsetzung und wiederholte sich in der Debatte über die europäische Verfassung. Sie hat die vorangegangenen Regierungen und auch Ihre eigene befähigt, die Kampagne für ein politisches und ambitiöses Europa zu führen. Ihre heutige Rede bestätigt dieses Engagement, und ich beglückwünsche Sie dazu.
Doch, Herr Ministerpräsident, Ihre Verantwortung endet nicht mit enthusiastischen Reden voller europäischer Leidenschaft. Europa braucht Führer, die in ihrer täglichen politischen Tätigkeit diesem Projekt verpflichtet sind und nicht nur bei feierlichen und institutionellen Anlässen. Wir können dieses tägliche Engagement in einigen Maßnahmen Ihrer Regierung nicht immer wahrnehmen, was zur Folge hat, dass unproduktive Konfrontationen mit der Europäischen Kommission nicht zu vermeiden sind. Wir können dieses Engagement auch nicht bei jenen Personen sehen, die anscheinend darauf warten, dass andere die Initiative ergreifen, bevor sie über ihre eigene Position entscheiden.
Auf jeden Fall ist die Zeit für die politischen Führer gekommen, ein Europa zu errichten, das in ihren Völkern Hoffnung auf dieses gemeinsame Projekt weckt. Denn Europa, Herr Zapatero, ist mehr als nur die Summe der innenpolitischen Erfolge seiner Regierungen, auch jener, die Sie vielleicht erreicht haben.
Die Annahme des Vertrags von Lissabon wird das Ende einer Phase bedeuten, doch die Arbeit hat gerade erst begonnen. Es wird an der Zeit sein, die Errichtung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts fortzusetzen, eine wirkliche europäische Einwanderungspolitik zu schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, das Wohlergehen unserer Bürger zu verbessern, die Stimme Europas in der Welt zu erheben und die Beziehungen mit unseren Nachbarn zu verbessern, auch im Mittelmeerraum, wo Spanien so sehr helfen kann.
Deshalb hat Spanien, ohne seine überaus große nationale und sprachliche Vielfalt zu verleugnen oder zu verschweigen, viel zu bieten, um dieses große gemeinsame Ideal Wirklichkeit werden zu lassen, und wenn die Wahlurnen Ihnen erneut das Vertrauen zum Regieren aussprechen, werden Sie, allein oder gemeinsam mit anderen, eine ganz persönliche Verpflichtung zur Erreichung dieser Ziele abgeben müssen.
Guntars Krasts (UEN). – (LV) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Ministerpräsident, der im Dezember verabschiedete Vertrag von Lissabon schafft nicht nur die institutionellen Voraussetzungen für die Zukunft Europas. Nach meiner Ansicht gibt es drei Einschätzungen der Ergebnisse von Lissabon, denen alle zustimmen können, die sich um die Zukunft Europas Gedanken machen: sowohl diejenigen, die das in Lissabon Erreichte begrüßen, als auch die, die es ablehnen. Seit der Einigung in Lissabon besteht Anlass zu einem gewissen Optimismus beim Blick in die Zukunft der Europäischen Union. Erstens nimmt die Konsensfähigkeit der Mitgliedstaaten zu; zweitens ist Zurückhaltung bei der Bewertung der erzielten Einigung festzustellen, weil die tatsächlichen Auswirkungen des Vertrages in diesem Bereich erst dann beurteilt werden können, wenn er einige Jahre lang in Kraft gewesen ist; drittens wird negativ bewertet, dass nach dem Ausgang der Volksentscheide in den Niederlanden und Frankreich der Verfassungsvertrag zum Teil deshalb zu einem Vertrag mutierte, weil man vermieden hatte, auf die öffentliche Meinung zu hören. Paradoxerweise sollte aber gerade der Verfassungsvertrag so gestaltet werden, dass er bei der europäischen Gesellschaft mehr Verständnis und Akzeptanz findet. Als Mitglied des Europäischen Konvents wende ich mich gegen den Gebrauch und den Geist des Wortes ‚Verfassung’ für den neuen Vertrag. Das Ergebnis von Lissabon entspricht einem Konzept, dem ich zustimme, aber ich glaube nicht, dass die Gründe für die Veränderungen der Zukunft Europas förderlich sind. Vielen Dank.
David Hammerstein (Verts/ALE). – (ES) Herr Zapatero! Ich bin hocherfreut, dass Sie heute bei uns sind und der Herausforderung des Klimawandels und der Notwendigkeit des sofortigen Handelns große Bedeutung beigemessen haben. Willkommen im Klub.
Gleichzeitig müssen die Worte von positiven politischen Beschlüssen begleitet werden, wobei nicht verhehlt werden darf, dass Spanien noch das schwarze Schaf beim Klimaschutz ist und Zahlen vorweist, die weit hinter den Kyoto-Zielen liegen. Hier ist eine substanzielle Antwort zu den erneuerbaren Energien erforderlich; wir brauchen Maßnahmen mit einer Besteuerung. Ich freue mich sehr über den, wenn auch trügerischen, Vorschlag zum zusätzlichen Cent für Benzin. Gleichzeitig möchte ich, dass Spanien einen Vorschlag zur europaweiten Umweltsteuer unterbreitet, um gegen die Lawine ausländischer Produkte und Importe umweltschädlicher Erzeugnisse vorzugehen.
Wir wären erfreut, wenn die hohen Kohlesubventionen in Spanien und ganz Europa beseitigt werden könnten, wenn steuerliche Maßnahmen zur Senkung des wahnsinnigen Energieverbrauchs in Spanien ernstlich in Erwägung gezogen würden und wenn Investitionen in Infrastrukturen auf die Eisenbahn und andere Formen des öffentlichen Verkehrs umgeleitet und nicht für Straßen verwendet würden.
Eine eher positive Anmerkung: Ich möchte Ihnen ganz aufrichtig zum Verzicht Spaniens auf die Kernenergie gratulieren. Diese schrittweise Abkehr ist sehr wichtig, und ich fordere die übrigen europäischen Staats- und Regierungschefs auf, davon Kenntnis zu nehmen, denn die Kernenergie ist sehr teuer, sehr gefährlich, sehr langwierig im Aufbau, und sie stellt keine Antwort auf den Klimawandel dar.
Willy Meyer Pleite (GUE/NGL). – (ES) Willkommen, Herr Ministerpräsident. Sie wissen, dass ich zu jenen Minderheiten gehöre, die es gern gesehen hätten, wenn zum Vertrag von Lissabon in Spanien und in allen Mitgliedstaaten ebenfalls ein Referendum stattgefunden hätte.
Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Es ist für Sie noch nicht zu spät, sich in dieser Frage an die Spitze zu stellen. Es ist noch Zeit für Europa, ein Referendum in allen Mitgliedstaaten und am selben Tag abzuhalten, um eines der wichtigsten Elemente unserer Geschichte einzubeziehen: das Volk. Unsere Position ist nicht reine Schau, sie ist zutiefst demokratisch, denn ohne die direkte Mitwirkung des Volkes können wir kein europäisches Projekt errichten oder es vollenden.
Meiner Ansicht nach sind Sie zu optimistisch, wenn Sie sagen, dass wir den Aufbau unseres sozialen Europas abgeschlossen haben. In diesem Haus müssen wir sehr häufig über Gesetze mitentscheiden die einen direkten Angriff auf den europäischen Sozialstaat, das heißt, auf die Arbeit und die Beschäftigungssicherheit bedeuten. Zurzeit führen wir eine offene Debatte über die „Flexicurity“. Deshalb halte ich es für notwendig, über die Konsolidierung dieses Sozialstaates zu sprechen.
Abschließend möchte ich eine Bitte äußern, Herr Präsident. Das Gipfeltreffen EU-Afrika steht unmittelbar bevor. Bitte vergessen Sie nicht die besetzten Gebiete der Westsahara. Spanien und die Europäische Union haben eine große Verantwortung in dieser Region. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das Recht auf Selbstbestimmung gefordert, und es ist unsere Aufgabe in der Europäischen Union, dieser Forderung Substanz zu verleihen und dies, wenn möglich, auf dem Gipfel EU-Afrika zu tun.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Herr Ministerpräsident! Sie haben dem Parlament Ihre Achtung erwiesen, und ich möchte Ihnen und in Ihrer Person Spanien meine Achtung erweisen. Die Zukunft Europas stellt eine gewaltige Aufgabe für das Europäische Parlament dar. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung von Rechtsakten wird das Mitentscheidungsverfahren auf 68 Bereiche ausgedehnt, darunter Energie, Klimawandel, Strukturfonds, Zusammenarbeit beim Strafrecht, geistiges Eigentum usw. Das Europäische Parlament wird bei 95 % der europäischen Gesetzgebung zum Mitgesetzgeber. Das Parlament wird also über zweimal so viele Rechtsakte entscheiden, wie dies heute der Fall ist. Darüber hinaus wird das Europäische Parlament den Präsidenten der Europäischen Kommission wählen, der dem Europäischen Parlament über alle seine Beratungen im Europäischen Rat Bericht zu erstatten hat.
Deshalb wird das Europäische Parlament im Jahre 2009 das stärkste Parlament seit seiner ersten Tagung 1968 sein. Es wird ein gleichberechtigter Partner der anderen europäischen Organe sein. Daher sind wir verpflichtet, die Beteiligung an der Wahl dieses starken Gremiums im Jahre 2009 zu erhöhen. Die Beteiligung bei der letzten Wahl des Europäischen Parlaments war die niedrigste überhaupt. Es gingen nur 47 % der Wähler an die Urne, und in der Slowakei, die ich hier vertrete, lag dieser Wert bei nicht mehr als 11 %. Vor uns liegt ein hartes Stück Arbeit.
Manfred Weber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich jetzt dem Kollegen Schulz gratulieren. Er hat es geschafft, dass seine sozialistischen Freunde ihm fest auf die Schultern klopfen werden, nämlich, mit dumpfer – und ich würde sogar sagen: dummer – Polemik gegenüber der EVP-ED-Fraktion. Kurz nachdem er zu reden aufgehört hat, war es bei den Sozialisten genauso leer wie bei uns. Ich könnte jetzt unterstellen, dass die Sozialisten nur ihren großen Führern zuhören, aber an der Debatte nicht interessiert sind. Das mache ich nicht, weil wir in gegenseitigem Respekt miteinander umgehen sollten. Ich finde, der Herr Kollege Schulz sollte sich entschuldigen.
Ich frage mich – damit etwas mehr Schwung in die Debatte kommt –, was haben wir denn heute wirklich erfahren? Wir haben heute zum einen erfahren, dass die Spanier ein europäisches Volk sind. Ich glaube sagen zu können, dass dieses Volk das gleiche war, als Ministerpräsident Aznar gesprochen hat. Andererseits aber haben wir heute eine innenpolitische Rede gehört, als Vorbereitung auf die Wahlen.
Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe des Europäischen Parlaments ist, so etwas zu machen. Auch Angela Merkel und Präsident Sarkozy, haben, als sie hier waren, keine Innenpolitik gemacht, sondern über Europa gesprochen. Wertvoll sind solche Debatten nur, wenn wir in die konkreten Details gehen. Und da hat mein Kollege Dupont natürlich Recht. Die Tatsache, dass Spanien 700 000 Einwanderer legalisiert hat, hat Präsident Sarkozy letzte Woche hier in diesem Europäischen Parlament deutlich verurteilt. Es wäre spannend gewesen, wenn wir heute erfahren hätten, warum hier im Europäischen Rat offensichtlich Disput herrscht. Es wäre spannend gewesen, zu hören, wie wir denn wirklich mit der Zuwanderung umgehen. Wir wissen, dass wir massive illegale Immigration haben und wir wissen, dass klare europäische Rückführungsrichtlinien auf dem Tisch liegen, die im Europäischen Rat blockiert werden, die dort nicht vorangehen.
Ich glaube, dass wir unseren Bürgern nicht erklären können, warum wir hier die großen, hehren Werte Europas beschreiben und im Alltag im Europäischen Rat – wo auch Sie sitzen, Herr Ministerpräsident – leider nicht vorankommen.
Deshalb sage ich: Europäische Reden sind wichtig, europäische Grundwerte zu beschreiben, ist wichtig, aber europäisches Handeln ist wichtiger.
Bernard Poignant (PSE). – (FR) Herr Ministerpräsident! Wenn von der Zukunft Europas die Rede ist, ist die Geschichte niemals weit. Solange die Mauer in Berlin stand, war das für unsere Mitbürger einfach. Wir wussten, wo die Bedrohung lag, sie hatte einen Ort und ein Gesicht. Wir waren die Avantgarde der Freiheit, auch gegenüber Franco, und dann brauchten wir gleichzeitig auch nicht über Grenzen zu sprechen, denn die waren von einem Eisernen Vorhang vorgezeichnet. Das ist das Europa der Blöcke, basta!
Und heute liegt für mich die Zukunft Europas in seiner Geografie. Es genügt, uns in der Nachbarschaft umzusehen. Wir liegen in der Nähe des Schlachtfeldes der Welt, von Gaza bis Kabul. Dort gilt es den europäischen Aussöhnungsgeist hinzutragen. Wir sind auch in der Nähe der Zone der Welt, in der Hunger und Pandemien herrschen – Afrika, das haben Sie bereits gesagt. Da gilt es zu teilen, denn von dort aus lassen sich auch die Migrationsströme beherrschen.
Dann liegen wir auch in der Nähe der Zone, in der sich seit einigen Jahren ein religiöser Fanatismus entwickelt, obgleich ich natürlich nicht alle in einen Topf werfen will. Und dort müssen wir gleichzeitig für den Dialog der Kulturen plädieren und nicht für den Schock der Zivilisationen. Gleichzeitig befinden wir uns schließlich in der Nähe der Öl- und Gasvorkommen. Die brauchen wir. Das bedeutet, dass unsere Zukunft von Versorgungssicherheit und Energieautonomie abhängt.
Soweit einige Erläuterungen an unsere Mitbürger, denn sie fühlen sich ein wenig verloren. Europa liegt heute im Zentrum kontinentaler Länder. Die Zeit seiner Weltreiche ist vorüber. Sie hatten eins, und wir auch. Da bleiben noch kleine Stückchen. Es gibt keine Blöcke mehr. Man muss Europa einen neuen Sinn geben. Das kann nicht in einer Ansammlung von Richtlinien bestehen. Man muss einige große Horizonte aufzeigen, um eine Art europäischen Traum wieder aufzugreifen oder neu zu versuchen. Das ist meine Vision von der Zukunft Europas, zumindest in Teilen.
Abschließend möchte ich Sie um Nachsicht bitten, Herr Ministerpräsident, denn im nächsten Jahr begehen wir den 200. Jahrestag des Spanienfeldzugs von Napoleon I. Wie ich Sie kenne, und da die französische Präsidentschaft nächstes Jahr bevorsteht, bitte ich Sie um ein wenig Nachsicht.
Andrew Duff (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten für seine erfrischende Rede über die politische Einheit. Ich wäre dankbar, wenn er die Zeit finden könnte, um nach London zu reisen und sie vor seinem sozialdemokratischen Amtskollegen Gordon Brown zu wiederholen, und zwar einschließlich der Ausführungen über die Bedeutung der sozialen Dimension des Binnenmarktes sowie zur Bedeutung von Solidarität und Geschlossenheit der Union angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen sie steht.
In vierzehn Tagen wird der Ministerpräsident an der Dezembertagung des Europäischen Rates teilnehmen und mit Präsident Sarkozy über den Vorschlag beraten, ein „comité des sages“, ein Komitee der Weisen zu gründen. Ich wäre ihm dankbar, wenn er Präsident Sarkozy mitteilen könnte, dass wir nicht die Chancen für die Ratifizierung des Vertrags gefährden sollten, indem wir eine Neuauflage der Auseinandersetzungen über Verfahren und das Kräftegleichgewicht starten. Er soll ihm doch bitte auch sagen, dass es nicht klug ist zu versuchen, die geografischen Grenzen Europas zu ziehen. Der Erweiterungsprozess ist fest etabliert. Europa wird seine endgültige Gestalt finden, wenn europäische Länder, die noch nicht zur Union gehören, nicht mehr beitreten wollen.
VORSITZ: MAREK SIWIEC Vizepräsident
Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Aus geografischer Sicht ist Europa klar definiert, und seine Grenzen sind festgelegt. Im politischen Kontext jedoch wird der Begriff „Europa“ als Synonym für die sich erweiternde Europäische Union verwendet. Einerseits gehören nicht alle europäischen Staaten dieser Organisation an, andererseits aber drängen die meisten Mitglieder des Europäischen Parlaments auf die Aufnahme von nichteuropäischen Ländern wie der Türkei.
Wenn man die Zukunft Europas erörtert, muss man unbedingt seine Ursprünge und Grundwerte berücksichtigen. In Tausenden von Dokumenten wird auf europäische Werte Bezug genommen, wobei Letztere nicht immer eindeutig definiert sind, zum Beispiel nicht einmal in der heute diskutierten Charta der Grundrechte. Unter dem Strich liegen die Wurzeln Europas im Christentum, und diese Grundwerte wurden vor langer Zeit festgeschrieben. Ständige Versuche, das Offensichtliche zu definieren, führen zu Verzerrungen im Verhältnis. Sie beeinträchtigen auch das Potenzial für die Bewältigung der wirklichen Probleme des alten Kontinents, wie beispielsweise das besorgniserregende Altern der europäischen Bevölkerung, Migration, aggressiver Wettbewerb durch asiatische Länder, Terrorismus, Epidemien, neue Krankheiten sowie die Frage der Energiesicherheit.
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Herr Ministerpräsident! Es ist recht und billig anzuerkennen, dass Sie nach einer schwierigen Periode der Ungewissheit einer der Regierungschefs waren, der die europäischen transatlantischen Beziehungen wiederbelebt hat, und dazu muss ich Sie beglückwünschen.
Doch für jene von uns, die sich als überzeugte Pro-Europäer betrachten, ist es traurig zu sehen, dass diese transatlantischen Beziehungen noch immer mit zwei Ballastelementen beschwert sind, die das Schiff seinerzeit zum Sinken brachten: zu viel Merkantilismus und zu viel zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Wir beobachten auch, dass das Schiff zwar gute Fahrt macht, die eingeschlagene Richtung – oder der festgelegte Kurs, um in der Seemannssprache zu sprechen – aber durch den Kompass von Frau Merkel und Herrn Sarkozy vorgegeben wird, was dazu führt, dass sich das Schiff deutlich zur konservativen Rechten neigt.
Die Frage ist: Welchen Spielraum haben Sie, Herr Ministerpräsident, um das Schiff aufzurichten und den Kurs zu korrigieren? Wie können Sie Ihrer Ansicht nach jene überzeugen, die zwar Pro-Europäer sind, doch Angst haben, das europäische Schiff zu betreten, weil sie es nicht als sicher betrachten oder weil sie nicht wissen, wohin es segelt, oder weil sie entweder kein soziales Europa oder kein Europa mit einer nachhaltigen Umwelt oder kein Europa mit internationaler Verantwortung oder kein transparentes, demokratisches und bürgernahes Europa sehen, von dem wir so häufig gesprochen haben? Glauben Sie, dass Sie den Sprung vom Europa des Marktes zu einem politischen Europa anführen können? Und wie?
Da Sie diesem Haus so sehr gratuliert haben, halten Sie nicht die Zeit für gekommen, dass dieses Parlament der europäische Hauptgesetzgeber wird?
Übrigens, da wir gerade beim Thema sind, und im Licht der neuen Informationen über die Nutzung spanischer Basen für den Gefangenentransport nach Guantánamo, beabsichtigt die Regierung über den UN-Sicherheitsrat ihre Beziehungen zu den USA einer Revision zu unterziehen?
Ich sage das, Herr Ministerpräsident, weil all dies mit Europa und insbesondere der europäischen Glaubwürdigkeit verknüpft ist.
Sylvia-Yvonne Kaufmann (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Morgen wird das Parlament darüber entscheiden, ob die Grundrechtecharta künftig rechtsverbindlich sein wird. Für mich als ehemaliges Mitglied des Grundrechtekonvents wird dies eine ganz besondere Abstimmung, und zwar nicht nur, weil ich die Ehre hatte, das modernste europäische Grundrechtedokument mit zu erarbeiten, und auch nicht nur deshalb, weil ich – wie viele andere auch – sieben lange Jahre lang dafür gestritten habe, dass es Rechtsverbindlichkeit erlangt.
Die Charta der Grundrechte fußt auf der Unteilbarkeit der bürgerlichen, politischen und sozialen Menschenrechte. Gerade dies ist für mich als Abgeordnete der Linken, die aus Berlin kommt und bis zur Wende in der DDR gelebt hat, von fundamentaler Bedeutung. Für mich ist das klare Ja zur Charta die Konsequenz der unverzichtbaren kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, mit der massiven Verletzung von Grund- und Menschenrechten im Realsozialismus.
Ihr Land, Herr Ministerpräsident, spielt in der EU eine wichtige Rolle. Die Bürgerinnen und Bürger Spaniens haben vor allem mit ihrem Ja im Referendum zum damaligen Verfassungsvertrag einen großen Beitrag dazu geleistet, dass die Grundrechtecharta nicht ad acta gelegt werden konnte. Daran können und sollten Sie anknüpfen. Alle Menschen verbinden große Erwartungen mit Europa. Sie erwarten, dass es sich ihrer tagtäglichen Sorgen und Nöte annimmt. Sie wollen, dass Europa inhaltlich und nicht von der Melodie her, wie Jean-Claude Juncker es nannte, daran arbeitet, ein Europa der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu werden, ein wahrhaftes Europa der Solidarität. Deshalb muss in der Europäischen Union Sozial- und Lohndumping entschieden der Kampf angesagt werden. Existenzsichernde Mindestlöhne für alle, das ist es, was wir brauchen. Und in der Tat, die soziale Frage ist entscheidend für die Zukunft Europas!
Roger Helmer (NI). – (EN) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Der Vertrag von Lissabon, oder vielmehr die umbenannte Verfassung, ist unsere Sichtweise von Europas Zukunft. Dies ist die Verfassung, die französische und niederländische Wähler 2005 entschieden abgelehnt haben und die wir jetzt ohne die Zustimmung der Bürger durchpauken wollen.
In allen 27 Mitgliedstaaten zeigen Meinungsumfragen, dass eine Mehrheit der Bürger ein Referendum zum Vertrag will. Im Vereinigten Königreich wollen 80 % ein Referendum, und zwei Drittel würden mit „Nein“ stimmen, und trotzdem verweigert uns unsere Regierung die Abstimmung, die sie in ihrem Wahlprogramm so feierlich versprochen hat.
Herr Ministerpräsident, Sie sprechen von einem Europa der Demokratie, aber Europa tritt die öffentliche Meinung mit Füßen. Die Verachtung, die wir für die öffentliche Meinung an den Tag legen, ist eine Verhöhnung unseres Anspruchs, eine „Union der Werte“ zu sein. Meine Wähler sagen mir immer wieder, dass sie 1975 für ein Freihandelsgebiet gestimmt hätten, nicht für eine politische Einheit. Es ist an der Zeit, die länderübergreifenden politischen Strukturen der EU aufzulösen und zu dem einfachen Handelsverbund zurückzukehren, der den Briten 1972 versprochen wurde.
Marianne Thyssen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Die Tatsache, dass wir den spanischen Ministerpräsidenten bei unserer heutigen Sitzung begrüßen dürfen, könnte irrtümlicherweise den Eindruck erwecken, wir befänden uns noch in der Reflexionsphase über die Verfassung, da diese Diskussionsrunden mit den Ministerpräsidenten für diesen Zweck gedacht waren. Zum Glück liegt diese Phase jedoch hinter uns und haben wir uns mittlerweile auf einen befriedigenden Reformvertrag geeinigt. Selbstverständlich sind Sie hier willkommen, Herr Ministerpräsident, denn die Diskussion über die Zukunft Europas ist auch jetzt noch der Mühe wert, sogar mehr denn je, stellt doch der Vertrag keinen Endpunkt, sondern einen Neuanfang dar.
Er ist kein Selbstzweck; er ist ein Instrument, von dem effektiver Gebrauch zu machen ist und der uns die Aussicht auf eine bessere Verwaltungspraxis, auf mehr Demokratie, auf die Verwirklichung von Werten wie Freiheit, Sicherheit und Wohlstand sowie auf einen weiteren Ausbau unserer sozialen Marktwirtschaft in einer offenen und globalisierten Welt bietet. Und glauben Sie mir, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind dieselben Ziele, wie sie von vielen Belgiern in ihrem Wunsch nach einer Staatsreform verfolgt werden. Auch sie ist, wenngleich rein zufällig, auf die Verwirklichung der Zielsetzungen ausgerichtet, die wir hier mit so vielen teilen.
Adrian Severin (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße den Herrn Ministerpräsidenten, weil er einer von nicht allzu vielen Ministerpräsidenten ist, die hier in Brüssel genau so sprechen wie in ihren jeweiligen Ländern. Mein Gruß gilt ihm ferner, weil er einer der ganz wenigen Ministerpräsidenten ist, die nicht verbergen, was Europa für seine Bürger ist und sein sollte. Deshalb stehen seine Bürger auch hinter ihm und es gab dieses deutliche „Ja“ zur Europäischen Verfassung.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem Herrn Ministerpräsidenten außerdem dazu gratulieren, dass er für Spanien das richtige Maß an Vertretung in diesem Hohen Hause, in diesem Parlament, ab 2009 zurückgewonnen hat.
Ich denke, die Botschaft Spaniens ist klar und wir teilen sie: Europa wird entweder sozial sein oder nichts; Europa wird entweder ein globaler Akteur sein oder nichts; Europa wird es entweder gelingen, Solidarität mit Subsidiarität zu verbinden, oder scheitern; Europa wird entweder fähig sein, ein Vorbild für nachhaltiges Wachstum zu sein, oder von der Bildfläche verschwinden; Europa wird es entweder gelingen, eine positive Lösung für die soziale Integration, die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Bürgerrechte zu finden oder auseinanderbrechen; Europa wird entweder in der Lage sein, Multikulturismus mit sozialem Zusammenhalt, freien Wettbewerb mit Großzügigkeit, Effizienz mit Gerechtigkeit und Flexibilität mit Sicherheit zu verbinden, oder es wird bedeutungslos.
Ich teile auch die Meinung des Herrn Ministerpräsidenten, dass Sicherheit unteilbar ist und für alle individuell, sozial, national und international sein sollte. Auch seiner Auffassung zur Zuwanderung stimme ich zu. Ja, die richtige Antwort auf die Probleme bei der Zuwanderung ist Integration, nicht Ausweisung; Integration und nicht Ausgrenzung. Die richtige Antwort sollte auf die Behandlung der Ursachen und nicht der Symptome gerichtet sein.
Ich verstehe sehr gut, warum der Ministerpräsident kein neues Referendum für den neuen Vertrag braucht. Er hat ja schon ein „Maximandat“ und kann deshalb einem Minivertrag zustimmen. Wir müssen diesen Vertrag zügig ratifizieren und uns dann wieder daran machen, die Integration Europas voranzubringen.
(Beifall)
Bogdan Pęk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Im Laufe der Aussprache habe ich den Eindruck gewonnen, alles sei prima und werde sogar noch besser, obwohl es eigentlich schon so gut ist, dass es kaum besser werden könnte. Allerdings gibt es eine Reihe von Problemen, über die die großen Führungspersönlichkeiten der EU zwar mit einer Stimme reden, dabei aber offenbar falsch liegen.
Wir haben es mit einer neuen Quasi-Religion zu tun, nämlich dem so genannten Treibhauseffekt. Der Treibhauseffekt wird so dargestellt, dass damit letztendlich ein Aufruf für die maximale Senkung von Emissionen verbunden ist. Daher sind europäische Länder gezwungen, mit Ländern in Wettbewerb zu treten, in denen weniger strikte Auflagen für die Verringerung von Treibhausgasemissionen gelten. Mittlerweile sind alle ernstzunehmenden Wissenschaftler jedoch der Überzeugung, dass es sich beim Treibhauseffekt um ein Naturphänomen handelt, das zyklisch auftritt, und dass die Bemühungen der Menschheit insgesamt bestenfalls einen Unterschied von einigen wenigen Prozentpunkten bewirken.
Verehrte Damen und Herren! Ich rufe Sie dringend auf, nicht dem Wunschdenken zu verfallen. Bemühen Sie sich stattdessen bitte um eine vernünftige Energiepolitik, da Öl jetzt 100 US-Dollar kostet und einige Menschen der Überzeugung sind, der Ölpreis werde bald noch weiter steigen. Die offensichtlichen Fragen lauten: Warum ist das so und wem nutzt diese Situation?
Gerardo Galeote (PPE-DE). – (ES) Herr Ministerpräsident! Ich muss die Willkommensworte aller Kollegen meiner Fraktion in einem Akt von Respekt und parlamentarischer Höflichkeit wiederholen, was seitens der PSE-Fraktion zu meinem tiefen Bedauern nicht verstanden wurde.
Herr Ministerpräsident, wir spanischen Abgeordneten sollten auch geschmeichelt sein, denn Sie sind heute hierher gekommen, bevor Sie dem spanischen Parlament Bericht über das Ergebnis des Rates von Lissabon erstattet haben. Zweifellos beabsichtigen Sie es zu tun, bevor das spanische Parlament aufgelöst wird, denn Sie müssen zugeben, dass das spanische Volk eine Erklärung verdient, da es, wie Sie sagten, als erstes Land ein Referendum zu einer Verfassung durchgeführt hat, die noch nicht existiert.
Herr Ministerpräsident, das Bekenntnis zu Europa in Ihrer Rede wird von der breiten Mehrheit dieses Hauses uneingeschränkt mitgetragen. Deshalb nehme ich an, dass Sie jetzt, von Europa mit Blick auf Spanien, wie Sie sagten, unsere Sorge darüber teilen werden, dass Spanien bei der Umsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien in nationales Recht an die letzte Stelle, jedoch bei Verfahren wegen des Verstoßes gegen EU-Recht an die Spitze gerückt ist. Ich muss auch bemerken, dass Ihre Versprechen heute hier zur Umwelt – die nur Lob verdienen können – im Gegensatz zur rauen Wirklichkeit stehen, denn gerade heute hörten wir von einem Bericht der Europäischen Kommission, in dem Spanien als das Land genannt wird, das am weitesten von der Erreichung der Ziele des Kyoto-Protokolls entfernt ist.
Herr Ministerpräsident, ich kann Ihnen bei den Wahlen im kommenden März kein Glück wünschen. Es ist wahr, dass Ihre Rede eher eine Wahlkampfrede als alles andere war, doch ich möchte, und das ist der Kern der Sache, dass Sie alles in Ihren Kräften Stehende tun, um den Konsens zwischen den spanischen politischen Kräften in den europäischen Institutionen wieder herzustellen, der verloren gegangen ist, Herr Ministerpräsident, nicht durch Initiativen von Seiten …
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
José Luis Rodríguez Zapatero, spanischer Regierungspräsident. − (ES) Herr Präsident! Ich möchte ganz kurz zwei Bemerkungen zu den Fragen machen, die mit besonderem Nachdruck vorgetragen wurden: die Einwanderungspolitik und die Regulierung der Situation der Einwanderer in Spanien.
Ich bin für eine gemeinsame Einwanderungspolitik der Europäischen Union, was die Kontrolle der Grenzen, die Integration und einen Status für ihre gemeinschaftliche Regulierung betrifft. Von diesem Punkt sind wir weit entfernt, doch ich kann den beiden Abgeordneten, die dieses Thema angesprochen haben, Folgendes versichern: Als ich Ministerpräsident wurde, haben in meinem Land 700 000 Einwanderer illegal gearbeitet, sie wurden ausgebeutet, sie zahlten weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge, und sie waren in der Schatten- oder illegalen Wirtschaft beschäftigt.
Unsere europäischen Werte sind Rechte, Legalität, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. Deshalb werde ich mich stets dafür einsetzen, dass in meinem Land niemand illegal arbeitet, niemand ausgebeutet wird, niemand seiner Rechte beraubt wird und sich niemand dem Beitrag zu den Lasten entzieht, die von einem demokratischen Land getragen werden. Niemals.
(Beifall)
Ich weiß nicht, wie viele dieser 700 000 über Frankreich zu uns kamen. Das weiß ich nicht. Doch ich weiß, dass Frankreich und Spanien nach einem langen Dialog – denn es bestanden Meinungsverschiedenheiten – jetzt eine gemeinsame Philosophie und einen gemeinsames politisches Konzept haben. Das gilt auch für die deutsche Regierung. Die Erfahrungen und Gegebenheiten jedes Landes weisen wegen des Fehlens einer gemeinsamen Einwanderungspolitik große Unterschiede auf. Ohne gemeinsame Einwanderungspolitik neigen wir dazu, die Schuld für unsere Probleme Frankreich zuzuschieben, oder die von Frankreich werden Spanien angelastet, die von Deutschland Italien oder die von Italien Deutschland. Das führt zu nichts und schadet darüber hinaus dem europäischen Aufbau.
Wenn wir eine gemeinsame Grenzpolitik haben und Seite an Seite die Außengrenzen kontrollieren, wenn wir eine Integrationspolitik und einen gemeinsamen Status haben, werden wir nicht versucht sein, ein Land zu kritisieren, das 700 000 illegal arbeitende Menschen in die Legalität erhebt.
Zum Klimawandel: Ich kann dieses Thema nicht noch stärker betonen, doch ich möchte auch nicht zurückblicken auf eine spezielle Regierung, denn wir hatten in unserem Land Regierungen jeglicher Couleur… Ohne Zweifel verzeichnet Spanien ein gewaltiges Wirtschaftswachstum. Was ich jedoch weiß, ist, dass die Regierung, der ich vorstehe, als einzige – das war 2006 – den Ausstoß von Treibhausgasen gestoppt und als einzige begonnen hat, die Emissionen zu reduzieren, während die Wirtschaft um 4 % gewachsen ist. 2006 war auch das erste Jahr, in dem der Primärenergieverbrauch in Spanien zurückgegangen ist. Wir arbeiten mit größter Entschlossenheit auf diesem Gebiet, wie auch in anderen politischen Aktionsbereichen, wo wir nicht gezögert haben, weit reichende Gesetze über Rechte voranzubringen oder konsequente Beschlüsse zur Außenpolitik zu fassen, wenn wir gegen bestimmte Aktionen waren. Auf der internationalen Bühne werden wir weiterhin zielbewusst handeln, um die Aufgaben zu meistern, die ich als große Herausforderung und große Chance beschrieben habe. Ich kann Ihnen versichern, dass Spanien nicht das Schlusslicht ist und es in den nächsten Jahren gewiss nicht sein wird, denn wir werden gewaltige nationale Anstrengungen zur drastischen Senkung der Treibhausgasemissionen, zur Investition in alternative erneuerbare Energien und zur Durchsetzung einer Politik der Energieeffizienz und –einsparung unternehmen.
Abschließend möchte ich meinen tief empfundenen Dank an das Europäische Parlament bekräftigen. Ich habe mich hier wohl gefühlt, als überzeugter Europäer, und wenn ich dieses gemeinsame Haus des europäischen Volkes verlasse, werde ich mich noch mehr als Europäer fühlen. Ich wäre sehr gern eher hierher gekommen.
(Beifall)
Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Katalin Lévai (PSE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident! Wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind heute in Europa vorrangige Forderungen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen muss durch die Entwicklung der Wirtschaft gefördert werden; dazu sind eine längerfristige Planung als ein bis zwei Jahre und eine flexiblere Nutzung der Solidaritätsfonds notwendig.
Wir müssen uns mit der Bedrohung durch den Klimawandel auseinandersetzen, und wir müssen eine sichere und nachhaltige Energieversorgung gewährleisten. Der Umweltschutz und die Einführung umweltfreundlicher Technologien sind heute Themen von internationaler Bedeutung, die die ganze Gesellschaft betreffen.
Die Union muss durch die Strategie von Lissabon, die gegebenenfalls zu ändern ist, zu einer Region des Wohlstands, der Solidarität, der Sicherheit und der Freiheit werden. Sie muss neue Partnerschaften mit der ganzen Welt, aber vor allem mit ihren unmittelbaren Nachbarn Asien und Afrika anstreben.
Europa muss eine führende Rolle bei der Globalisierung spielen! Dabei spielt die Schaffung einer wissensbasierten Gesellschaft eine wichtige Rolle, in der die Bürger durch allgemeine und berufliche Bildung ein flexibles, übertragbares Wissen erwerben, das sie in ihrem Alltag anwenden können. Lebenslanges Lernen ist die Grundlage für die Mobilität der Arbeitskräfte. Auf dem Arbeitsmarkt müssen wir eine uneingeschränkte Chancengleichheit erreichen, die soziale Ausgrenzung bekämpfen und diejenigen unterstützen, die zurückliegen, die benachteiligt sind, und die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Besonders große Aufmerksamkeit muss den kleinen und mittleren Unternehmen geschenkt werden, die in einer Wohlfahrtsgesellschaft symbolische Bedeutung haben können, sowie einem angemessenen Beschäftigungsniveau.
Die Energieerzeugung muss eine solide Grundlage haben, der Verbrauch muss gedrosselt werden und die Abfälle müssen durch die Einführung energiesparender Technologien verringert werden. Der Anteil der alternativen Energiequellen muss parallel zu einer Verringerung der Nutzung fossiler Brennstoffe erhöht werden.