Der Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit fast zwei Jahrzehnten verleiht das Europäische Parlament den Sacharow-Preis für geistige Freiheit an Frauen und Männer aus der ganzen Welt, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte, der Redefreiheit und der Meinungsfreiheit einsetzen.
Es ist eine große Freude, heute den Sacharow-Preisträger des Jahres 2007, Salih Mahmoud Mohamed Osman, sehr herzlich im Europäischen Parlament zu begrüßen.
(Beifall)
Es ist eine ebenso große Freude, seine Frau, die ihn auf schwierigen Stationen in seinem Leben immer begleitet hat und begleitet, sehr herzlich zu begrüßen. Ich begrüße Salwa Ahmed Faragalla Ali herzlich in unserer Mitte.
(Beifall)
Die Ernennung von Salih Mahmoud Mohamed Osman zum Sacharow-Preisträger 2007 beruht auf einem einstimmigen Beschluss, den die Konferenz der Präsidenten – also der Fraktionsvorsitzenden – anhand des Vorschlags einer großen Zahl von europäischen Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen gefasst hat. Damit bekräftigt das Europäische Parlament seine Solidarität mit den Menschen in Darfur und seine Überzeugung, dass eine nachhaltige Lösung für diese Region nur durch Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte erreicht werden kann.
Durch den Konflikt, der Darfur seit 2003 heimsucht, wird die Situation eines von mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg verwüsteten Landes weiter verschlechtert. Wie bei den meisten Konflikten ist es vor allem die Zivilbevölkerung, die unter den Überfällen der Milizen, der Zerstörung der Dörfer, der Politik der verbrannten Erde und den Vertreibungen leiden muss.
In diesem Konflikt gab es bisher mindestens 400 000 Tote und mehr als 2,5 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge, und dies trotz der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Darfur im Jahre 2006.
Ebenso wie das Europäische Parlament nimmt der Träger des Sacharow-Preises 2007 diese ungerechte Situation nicht einfach hin, sondern er lehnt sich dagegen auf, dass die für diese Situation Verantwortlichen straffrei ausgehen. Seit Jahren verteidigt Salih Mahmoud Mohamed Osman die Rechte der Opfer des Konflikts in Darfur. Tausende von Menschen, die willkürlich inhaftiert sind, die gefoltert und mit dem Tode bedroht werden, die verjagt, vertrieben oder Opfer sexueller Gewalt wurden, kennen den Namen Salih Mahmoud Mohamed Osman.
Sein Engagement ist in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert. In einem Land, in dem die Gewalt ständig zunimmt, riskiert Salih Osman täglich sein Leben im Namen der Menschenwürde und der Gerechtigkeit.
Im Namen der Menschenwürde – denn Salih Osman ermöglicht diesen mittellosen, wehrlosen, eingeschüchterten und in Vergessenheit geratenen Frauen und Männern die Anerkennung ihres Leidens, die Versicherung, dass sie nicht vergessen werden, und die Hoffnung auf eine Rückkehr zu einem ganz normalen, einfach menschlichen Leben.
Seit 2004 engagiert Salih Osman sich für die Errichtung und die Verwaltung des Zentrums „Amal“ (was im Arabischen „Hoffnung“ bedeutet) für die Rehabilitation der Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch in Nyala. In einem überwiegend moslemischen Land ist Salih Osman einer der wenigen Männer, die sich aktiv für die Verteidigung der Rechte der Frauen und insbesondere für die Anerkennung eines Rechts auf Entschädigung für die Opfer von sexueller Gewalt einsetzen.
Aber auch im Namen der Gerechtigkeit, denn Salih Osman setzt sich Tag für Tag dafür ein, dass die für Kriegsverbrechen verantwortlichen Personen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zur Rechenschaft gezogen werden. Während das sudanesische Justizsystem noch viele Lücken aufweist, um dem im Land vorherrschenden Klima der Straffreiheit ein Ende zu setzen, erscheint die internationale Gerichtsbarkeit als eine Alternative.
Die Tatsache, dass sich die sudanesischen Behörden weigern, mutmaßliche Kriegsverbrecher dem Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern, zeigt jedoch die Grenzen der internationalen Justiz auf und lässt ermessen, welche Fortschritte noch erzielt werden müssen, um die Rechtsstaatlichkeit in Darfur und ganz allgemein im Sudan herzustellen.
Daher beschränkt sich die Arbeit von Salih Osman nicht auf den Rechtsbeistand, den er den Opfern leistet. Als Mitglied der Opposition im sudanesischen Parlament seit 2005 zögert Salih Osman nicht, seine Überzeugungen auf der politischen Bühne seines Landes zu vertreten und an einer echten Reform des Rechtssystems mitzuwirken.
Anlässlich des Vorgipfels des Europäischen Parlaments und des Panafrikanischen Parlaments vor dem EU-Afrika-Gipfel am vergangenen Wochenende in Lissabon hatte ich die Gelegenheit und große Freude, mit Salih Osman zusammenzutreffen. Ich habe sofort seine starke Persönlichkeit bewundert und seinen ungebrochenen Willen zum Einsatz für die Menschenrechte trotz aller Verfolgungen und Anfeindungen, denen er persönlich und seine Familie ausgesetzt waren. Ich habe eben erfahren, dass Ali und Sie drei Kinder haben, denen wir auch heute sehr verbunden sind.
2004 wurde Salih Osman selbst sieben Monate ohne Angabe von Gründen inhaftiert und erst nach einem Hungerstreik auf freien Fuß gesetzt. Mitglieder seiner Familie wurden gefoltert, ermordet; ihre Häuser wurden von Milizen in Brand gesetzt.
Der große deutsche Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe hat einmal geschrieben: „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun“. Salih Osman lebt diesen Willen und diese Entschlossenheit, er beweist seinen Mut im täglichen Kampf für die Menschen. Er setzt sich in vorbildlicher Art und Weise für eine Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in seiner Region ein. Salih Mahmoud Mohamed Osman, Sie haben unsere große Unterstützung und Anerkennung!
Sie wissen: Das Europäische Parlament ist seit jeher für das Leiden der afrikanischen Völker besonders empfänglich. So reiht sich Salih Osman unter die zahlreichen afrikanischen Preisträger ein, die das Parlament in den vergangenen Jahren unterstützt hat und weiterhin unterstützt: Nelson Mandela (1988), Salima Ghezali (1997), Dom Zacarias Kamwenho (2001) und Hauwa Ibrahim (2005).
Salih Osman, wir beglückwünschen Sie zu Ihrer unermüdlichen Arbeit in diesem Sinne, in diesem Geist, und wir hoffen, dass die Anerkennung, die dieser Preis mit sich bringt, Ihnen Jahr für Jahr Kraft und Schutz gewähren möge, solange Ihr Kampf dauern wird. Wir stehen an Ihrer Seite!
(Beifall)
Salih Mahmoud Osman, Sudanese lawyer acting for the victims of the war in Darfur. Mr President, thank you for this tremendous honour. This prize is awarded as a unanimous vote of the European Parliament – a fact which gives me great satisfaction, but more importantly one which gives me the opportunity to speak to you today.
I am a native of Darfur, born in Jebel Marra, which is a mountainous region located in the centre of Darfur State. I have worked as a lawyer in Darfur in Sudan for many years. I have been a victim of detention and torture because of my work. Members of my own family have been tortured and displaced by the militia in Darfur. For many years, in my work, I have represented thousands of people who needed my help in front of the Courts. I have seen thousands of people who have been tortured; I have seen hundreds of women and young girls who have been victims of sexual abuse; I have seen the four million who have been forcibly displaced from their homes and those two and a half million who are confined, as we speak now, in the camps around the cities of Darfur: Nyala, Al Fashir, Zalingi and Al Geneina.
The UN Security Council has adopted several resolutions related to the situation in Darfur. Unfortunately, none of these has been implemented effectively. The victims feel disappointed. They are waiting to hear from you; from the people of Europe. Your leaders have been talking tough about the policies of the Sudanese Government in Darfur. But so far we have not seen any concrete steps to address the situation in a strong and targeted manner.
As a representative of the victims of the conflict, today I have an unprecedented opportunity to speak directly to the leaders of Europe. The people of Darfur need the European Union to show a strong, united position regarding protection of innocent civilians. The people of Darfur ask you to protect them from the violence, killings and abuse they are forced to face on a daily basis. The people of Darfur want you to protect their children and women from acts of rape and sexual violence, which are being used as ‘weapons of war’. This protection can be made possible through the deployment of the UN-AU hybrid force. The involvement of international, and especially European, forces is imperative, even though the Government of Sudan may be unwilling to accept that at the present moment. But Europe has a role to play in putting more pressure on the Government of Sudan to facilitate the deployment of these troops and the protection of the people of Darfur.
Now, in Darfur, and in Sudan, I tell you there will be no peace without justice and without protection.
Peace can also be facilitated by Europe. The European Union has a great responsibility to promote peace internationally. The leaders of Europe have the ability to lead the peace process also in Sudan. I ask you to increase your efforts in bringing the rebel groups and the Government of Sudan to the table of peace negotiations as a matter of urgency.
But the fact is that rebel groups are splitting among themselves, and this does not help the situation in Dafur. I want you to think about taking on board other stakeholders: the millions of victims who are voiceless in the camps and other, directly affected people of Darfur. Take on board also the civil society movement, NGOs and community leaders. That would help the situation in Darfur.
Even if we can provide protection and promote peace in Darfur, justice and accountability must not be compromised by any political deal. Presently, none of the victims can return to their houses or homes, because of the absence or lack of security. Not only are our communities being attacked by militias, but even helicopter gunships of the Government of Sudan are destroying our villages in aerial bombardments. Despite these serious violations of human rights and international humanitarian law, none of the perpetrators has been brought to justice, because the Sudanese judicial system is incapable, incompetent and unwilling to provide justice. All the perpetrators are beyond the reach of our domestic justice. This conflict is one which is marked by a culture of total impunity.
As a lawyer, and a native of Darfur, I know that there can never be a lasting peace in the region without justice. The International Criminal Court (ICC) has made some important and significant steps in promoting accountability. Yet, the cycle of impunity has not yet been broken. The people of Darfur ask you to support the work of the ICC. The ICC is the most competent international criminal tribunal which can make the many notorious perpetrators of war crimes and crimes against humanity accountable for their actions.
Right now, the two identified suspects Kosheib and Haroun are still beyond the reach of justice. The Government of Sudan is insisting that it will never hand them over to the ICC.
Darfur is not the only region of Sudan which suffers from abuses of human rights. Indeed, citizens from every part of Sudan face daily restrictions on their freedom of expression, freedom of association and other basic rights that many people in Europe take for granted. I urge you, also, to encourage and promote the rule of law in my country, so that all citizens of Sudan can enjoy their individual and collective rights. In the light of the upcoming elections in 2009, we must ensure that free and fair elections take place, and that a free and fair result will be respected by all sides.
Lastly, I would like to thank you, the Members of the European Parliament, who came to Sudan in June of this year to see with your own eyes what I have described. This was a visit coordinated by the office of the European Commission in Khartoum. The office of the European Commission has been a source of great support and a partner to me in my work for many years now. The recognition of the European Commission and of you, the European Parliament, for the work of human rights defenders in Sudan gives us the courage and determination to continue to speak for the victims, and relieve some of their suffering.
In conclusion, I am proud to accept this honour on behalf of the other candidates to this prize: the Russian journalist assassinated last year, Anna Politkovskaya; the Chinese dissidents, Zeng Jinyan and Hu Jia; and the Afghani MP and women’s rights activist, Joya Malalai, and also on behalf of so many Sudanese who believe – as I do – in human dignity and the pursuit of justice.
Thank you so much.
(The House rose and accorded the speaker a standing ovation)
Der Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie bitten, stehenzubleiben oder aufzustehen, weil wir jetzt die Europa-Hymne zu Ehren von Salih Osman hören wollen.