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Ausführliche Sitzungsberichte
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Mittwoch, 12. Dezember 2007 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Vorbereitung des Europäischen Rates (Brüssel, 13. und 14. Dezember 2007) (Aussprache)
 3. Abstimmungsstunde
  3.1. Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen EG/Marokko (Abstimmung)
  3.2. Änderung des Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommens EG/Marokko anlässlich des EU-Beitritts Bulgariens und Rumäniens (Abstimmung)
  3.3. Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (Abstimmung)
  3.4. Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments (Abstimmung)
  3.5. Mehrjähriger Finanzrahmen (Änderung der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006) (Abstimmung)
  3.6. Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse (Abstimmung)
  3.7. Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (Abstimmung)
  3.8. Europäische Agentur für Flugsicherheit (Abstimmung)
  3.9. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Abstimmung)
  3.10. Rechtlicher Schutz von Mustern und Modellen (Abstimmung)
  3.11. Gemeinsame Marktorganisation für Wein (Abstimmung)
  3.12. Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Abstimmung)
  3.13. Bekämpfung des Terrorismus (Abstimmung)
 4. Proklamierung und Unterzeichnung der Charta der Grundrechte
 5. Feierliche Sitzung - Jordanien
 6. Abstimmungsstunde (Fortsetzung)
  6.1. Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 (Abstimmung)
  6.2. Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft (Abstimmung)
  6.3. Europäisches Vertragsrecht (Abstimmung)
 7. Stimmerklärungen
 8. Berichtigungen des Stimmverhaltens: siehe Protokoll
 9. Genehmigung des Protokolls: siehe Protokoll
 10. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll
 11. EU-China-Gipfel - Menschenrechtsdialog EU-China (Aussprache)
 12. Bekämpfung des zunehmenden Extremismus in Europa (Aussprache)
 13. Montenegro – Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens EG/Montenegro (Aussprache)
 14. 1. Dezember: Welt-Aids-Tag (Aussprache)
 15. Umweltverschmutzung des Schwarzen und des Asowschen Meers durch die Ölpest infolge mehrerer Schiffshavarien (Aussprache)
 16. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
 17. Einlagensicherungssysteme (Aussprache)
 18. Vermögensverwaltung II (Aussprache)
 19. Zusammenarbeit zwischen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und dem Europarat (Aussprache)
 20. Zuständigkeit und Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten (Aussprache)
 21. Zeitpunkt der Einführung einer elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen (Aussprache)
 22. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 23. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 9.00 Uhr eröffnet.)

 

2. Vorbereitung des Europäischen Rates (Brüssel, 13. und 14. Dezember 2007) (Aussprache)
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Vorbereitung des Europäischen Rates am 13. und 14. Dezember 2007 in Brüssel.

 
  
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  Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Auf seiner bevorstehenden Tagung wird der Europäische Rat zunächst die Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon, die morgen in der portugiesischen Hauptstadt erfolgen soll, und danach die Proklamation der Charta der Grundrechte, die heute hier in Kürze ansteht, mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen. Zudem wird er dazu aufrufen, den Prozess der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon zügig abzuschließen, damit der Vertrag am 1. Januar 2009 in Kraft treten kann.

Wie ich zuvor sagte, erhält die Union durch den Vertrag von Lissabon einen stabilen und dauerhaften institutionellen Rahmen, durch den sie sich voll auf die anstehenden politischen Aufgaben konzentrieren kann, darunter die Globalisierung und den Klimawandel, was auf der informellen Tagung der Staats- und Regierungschefs am 19. April klar unterstrichen wurde. In diesem Zusammenhang wird der Europäische Rat eine Erklärung zur Globalisierung verabschieden. Die Erklärung wird deutlich machen, dass die Europäische Union angesichts der vor uns stehenden globalen Aufgaben sowohl die Chance als auch die Pflicht zum Handeln hat. Dazu müssen die internen und externen Politiken der Union genutzt werden. Dabei denke ich an die Realisierung der Zielstellungen der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, die Erfüllung der ehrgeizigen Verpflichtungen zum Klimawandel und zur Energie, die auf der Tagung des Europäischen Rates im Frühjahr 2007 vereinbart wurden, die Festlegung einer weltweiten Reaktion auf die jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die Förderung des freien Handels und der Transparenz, die Zusammenarbeit mit unseren Partnern, um energische und einheitliche Entwicklungsstrategien zu verfolgen, die Entwicklung einer umfassenden europäischen Migrationspolitik und den effizienten Einsatz von Instrumenten sowie den Ausbau von Fähigkeiten in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, damit die Union eine wachsende Rolle beim Aufbau einer sichereren Welt spielen kann.

Und schließlich wird die Europäische Union ihren Beitrag leisten, um zu gewährleisten, dass die Globalisierung eine Chance und keine Bedrohung darstellt und zum Wohlstand des Einzelnen beiträgt. Zudem hoffen wir, auf der bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates eine Reflexionsgruppe einzurichten, die der Union hilft, die Herausforderungen der nächsten zwanzig bis dreißig Jahre besser vorauszusehen und erfolgreicher zu bewältigen. Der Europäische Rat wird die erzielten Fortschritte auf dem Gebiet von Freiheit, Sicherheit und Recht überprüfen. Zunächst sollten wir die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen der neuen Mitgliedstaaten erwähnen, eine Maßnahme, die für das tägliche Leben unserer Bürger von großer Bedeutung und immens wichtig ist. Untersucht werden auch die Umsetzung der Migrationspolitik und speziell die erzielten Fortschritte bei der Realisierung des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage im Hinblick auf Afrika und den Mittelmeerraum sowie des Gesamtansatzes für die östlichen und südöstlichen Nachbarregionen. In diesem Zusammenhang wird es einen Bericht über die Organisation der ersten Euro-Mittelmeer-Ministerkonferenz zur Migration geben, der bei der Vorbereitung des Gemeinsamen Strategie- und Aktionsplans für den zweiten Afrika/EU-Gipfel berücksichtigt wird, worüber gestern hier berichtet wurde.

Zu anderen Aspekten, die im Bereich von Freiheit, Sicherheit und Recht zu untersuchen sind, zählen die notwendigen Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus, besonders was Radikalisierung und Rekrutierung angeht, und die Fortschritte in der justiziellen Zusammenarbeit. In Wirtschafts-, Sozial- und Umweltfragen wird der Europäische Rat die Arbeit auf den einschlägigen Gebieten mit dem Ziel überprüfen, die nächste Runde der überarbeiteten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung vorzubereiten, die auf der Tagung des Europäischen Rates im Frühjahr 2008 verabschiedet werden soll. Die Diskussion auf dem informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs im Oktober strebte nach Stärkung der externen Dimension der Lissabon-Strategie und bekräftigte, dass die überarbeitete Lissabon-Strategie nach wie vor der richtige Rahmen ist, um die vor uns stehenden Hauptaufgaben zu lösen, insbesondere die Herausforderung der Globalisierung. Ferner bestätigte sie, dass Europa hier Fortschritte macht und die gesetzten Ziele weiterhin richtig sind, weshalb sich die neue Runde hauptsächlich darauf konzentrieren wird, die notwendige Stabilität zu wahren, um Fortschritte zu festigen und Reformen voranzutreiben.

Der Europäische Rat wird die Notwendigkeit unterstreichen, die europäische Wettbewerbsfähigkeit mit den Vorteilen des Binnenmarkts in Kombination mit einer nachhaltigen Industriepolitik und der Förderung von Innovationen und Fertigkeiten zu stärken. Auch die Entwicklung der externen Dimension und die Verbesserung der Bedingungen, unter denen Verbraucher und Unternehmen, besonders kleine und mittelständische Unternehmen, arbeiten, sollen betont werden. Auf dem Gebiet der Beschäftigungs- und Sozialpolitik wird der Europäische Rat die Vereinbarung über die gemeinsamen Grundsätze für Flexibilität und Beschäftigungssicherheit bestätigen und dabei die Rolle der Sozialpartner bei der Gestaltung, Durchführung und Überwachung der entsprechenden Politiken unterstreichen. Der Europäische Rat wird auch die Ergebnisse des Europäischen Jahrs der Chancengleichheit für alle vorstellen und die Mitgliedstaaten auffordern, mehr zu tun, um Diskriminierung zu verhindern und zu bekämpfen. Ich muss hier auch betonen, dass die Fortführung der auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates erarbeiteten Energiepolitik für Europa wichtig ist. Die in den Diskussionen über das dritte Binnenmarktpaket für Strom und Gas und in der Aussprache über den Europäischen Strategieplan für Energietechnologie erzielten Fortschritte werden ebenfalls zur Sprache kommen.

Anschließend wird der Europäische Rat die Umsetzung der Strategie für nachhaltige Entwicklung überprüfen und, wie zu erwarten ist, vereinbaren, dass die Zielstellungen und Prioritäten der sieben Schlüsselaufgaben in dieser Strategie weiterhin uneingeschränkt gelten werden. Er wird ferner die Kommissionsmitteilung über eine integrierte Meerespolitik begrüßen und die Kommission auffordern, die im Aktionsplan enthaltenen Initiativen und Vorschläge vorzulegen. Zu den Außenbeziehungen wird erwartet, dass sich der Europäische Rat auf der Grundlage der Diskussion der Minister auf der Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ vom vorigen Montag darauf konzentriert, den künftigen Status des Kosovo zu definieren, besonders in einer Einschätzung des Verhandlungszeitraums. Da ja Belgrad und Pristina, wie man weiß, nicht zu einer Vereinbarung gelangt sind, bleibt zu hoffen, dass der Europäische Rat auch darüber diskutieren wird, welche Rolle die Europäische Union in dem Prozess künftig spielen könnte und welche Maßnahmen in diesem Zusammenhang zu ergreifen sind, um das Problem zu lösen, die Stabilität in der Region zu erhöhen und dazu beizutragen, sie enger an die Union heranzuführen. Der Europäische Rat wird die Bedeutung der verschiedenen Gipfeltreffen der letzten sechs Monate hervorheben, besonders der Gipfeltreffen mit Brasilien und Afrika. Wie Sie wissen, war das Gipfeltreffen mit Brasilien eine bisher einmalige und glänzende Initiative, und der EU-Afrika-Gipfel erzielte einige sehr ermutigende Ergebnisse, die ich schon gestern in der Versammlung erwähnen konnte. Und schließlich wird das Augenmerk den Fortschritten gelten, die in den Beziehungen mit anderen Regionen, besonders dem Mittelmeerraum, und auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit registriert wurden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates spiegeln die Ergebnisse der intensiven Arbeit in den letzten sechs Monaten wider und zeigen, dass die Hauptziele der portugiesischen Präsidentschaft erreicht wurden. Natürlich stehen vor der Europäischen Union noch sehr ehrgeizige Aufgaben. Wir glauben, dass sie unter den künftigen Präsidentschaften weiter in Richtung eines Europas mit hohem Wachstum, sozialem Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung voranschreiten und dabei ihre Rolle weltweit und in den Beziehung mit ihren Partnern auf bilateraler wie auch auf multilateraler Ebene verstärken wird. Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall)

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf der letzten Tagung des Europäischen Rates im Oktober in Lissabon konnten wir sowohl eine politische Einigung über einen neuen Vertrag erzielen als auch eine Debatte auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs darüber in Gang setzen, was Europas Interessen sind und wie diese Interessen im Zeitalter der Globalisierung am besten zu fördern sind.

Morgen wird der Vertrag von Lissabon unterzeichnet, und am Freitag wird der Europäische Rat seine Aufgabe in Angriff nehmen, konkrete Ergebnisse für ein Europa im Dienste der Bürger und im Zeitalter der Globalisierung zu schaffen. Für mich ist wichtig, die Verbindung zwischen diesen beiden Tatsachen zu betonen. Europa ist dabei, seine institutionellen Probleme zu lösen, tut dies aber in erster Linie, weil es die Interessen seiner Bürger berücksichtigt und auch weil es anstrebt, seine Interessen und Werte auf die globale Ebene zu übertragen. Beide Wege sind letztlich Wege, um dieselben Ziele zu erreichen.

Die Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon ist keine reine Formsache. Sie signalisiert, dass sich 27 Staaten über den Vertrag einig sind, und sie bringt deren Einverständnis mit der gemeinsamen Verpflichtung gegenüber Europa zum Ausdruck. Ohne Zweifel ist sie ein sehr gewichtiges Symbol für den langen Weg, den wir seit der festgefahrenen Situation im Jahr 2005 zurückgelegt haben.

Ähnlich beweist die Proklamation der Charta der Grundrechte durch den Präsidenten des Rates, den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den Präsidenten der Kommission, die in diesem Hohen Haus in wenigen Stunden stattfinden wird, nachdrücklich, dass die Europäische Union vorhat, die Rechte der Bürger in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen.

Am Freitag wird uns die Tagung des Europäischen Rates erneut Gelegenheit geben, eine Europäische Union aufzuzeigen, die ihre Stellung im Licht der Globalisierung definieren will. Diese Positionierung hat teilweise mit der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung zu tun. Worum es im Grunde genommen geht, ist, dass wir heute einfach die externe Dimension der Lissabon-Strategie festigen, im Wesentlichen den Gedanken, dass Europas Antwort auf die Globalisierung offensiv und zuversichtlich sein muss, nicht negativ und passiv. Erst gestern verabschiedete die Kommission ein wichtiges Paket von Mitteilungen und Beschlüssen in Vorbereitung auf eine neue Runde der Strategie für den Zeitraum 2008-2010.

Präsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Die Lissabon-Strategie funktioniert. Sie bringt Wachstum und Beschäftigung. Was die Schaffung von Arbeitsplätzen angeht, haben wir mittlerweile die besten Zahlen seit den 1980er Jahren. Mit der Lissabon-Strategie können Europa und seine Bürger das Zeitalter der Globalisierung mit Erfolg meistern. Die Lissabon-Strategie hat Europa zu einer gemeinsamen pragmatischen wirtschaftlichen Agenda verholfen, die den nationalen Unterschieden voll und ganz Rechnung trägt.

Selbstgefälligkeit wäre dennoch fatal für Europa, wenn es um die zukünftige Gestaltung der Globalisierung geht. Es gibt noch sehr viel zu tun: Die Entwicklung in den unterschiedlichen Politikbereichen verläuft ungleichmäßig, und einige Mitgliedstaaten machen viel schnellere Fortschritte als andere.

Das gestrige Paket wird der Tatsache gerecht, dass Europa handeln muss, dass es sich wachsenden Unsicherheiten in der globalen Wirtschaft stellen und die soziale Dimension stärker betonen muss, ebenso wie Bildung und Ausbildung, aber auch Informations- und Kommunikationstechnologien, Flexicurity und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Energiepolitik und der Bekämpfung des Klimawandels.

In der Erklärung zur Globalisierung, die der Europäische Rat verabschieden will, wird die Bedeutung der Lissabon-Strategie umfassend gewürdigt. Die Erklärung wird unserer Überzeugung Ausdruck geben, dass die EU allen Grund hat, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Die Europäische Union von heute zeigt, dass die Wahrung der europäischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Werte und die Verteidigung der europäischen Interessen voll und ganz vereinbar sind mit einem aktiven Herangehen an die Globalisierung.

Wir haben inzwischen eine gute Grundlage für die Fortsetzung der internen Reformen, für die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene und gleichzeitig für die Aufrechterhaltung unserer Werte des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und der Solidarität. Wir haben ebenfalls eine gute Grundlage für die Vermittlung der globalen Vision, dass die Welt eine multilaterale Ordnung braucht, ein System der kollektiven Sicherheit, offenen und freien Handel sowie eine nachhaltige Entwicklung, bei der das ökologische Gleichgewicht auf unserem Planeten respektiert wird. Und wir haben heute eine gute Grundlage dafür, die europäischen Interessen in den Partnerschaften und Beziehungen mit unseren Verbündeten und den anderen Großmächten der Welt weiterzuverfolgen.

Vor zwei Wochen war ich zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates in China und Indien, wo Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und diesen beiden aufstrebenden Mächten stattfanden. Es war faszinierend, das Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung in jenem Teil der Welt zu erleben. Wir müssen sehr aufmerksam beobachten, was da in Asien vor sich geht. Es ist eine Tatsache, dass der wirtschaftliche Aufschwung Millionen von Menschen geholfen hat, die Armut zu überwinden. Ich bin überzeugt davon, dass der Fortschritt in diesen Ländern direkte Auswirkungen auf künftige Generationen von Europäern haben wird.

Die entscheidende Frage ist: Was tun wir angesichts eines derartigen Strukturwandels? Wir dürfen uns nichts vormachen. Globalisierung bedeutet auch tief greifende Veränderungen für das weltweite Kräftegleichgewicht. Es ist doch so, dass man in Europa noch vor wenigen Jahren mit dem Wort Globalisierung in erster Linie eine Verwestlichung oder eventuell auch eine Amerikanisierung meinte. Wenn wir dagegen heute in Europa über Globalisierung reden, denken die meisten an die wachsenden und aufstrebenden Wirtschaftsmächte in Asien.

Die Welt verändert sich also, und ich glaube, dass auch das ein Grund dafür ist, dass wir unser gemeinsames europäisches Projekt deutlicher an die neuen Herausforderungen anpassen müssen. Deswegen haben wir heute allen Grund, die Erklärung zur Globalisierung, die die EU diese Woche verabschieden will, zu akzeptieren. Es ist offensichtlicher denn je, dass sogar die größten Länder Europas die Aufgaben der Globalisierung nicht alleine bewältigen können. Es ist klar, dass wir mehr denn je eine starke Europäische Union brauchen.

Ich glaube, dass der Aufschwung in den asiatischen Ländern einerseits und das Bewusstsein für den Klimawandel andererseits wirklich zwei sehr wichtige Antriebskräfte für die Europäische Union sind, da sie uns zeigen, dass es eine Herausforderung namens Globalisierung gibt, und dass es darüber hinaus eine Chance gibt, die zu ergreifen sich lohnt.

Daher halte ich das Treffen des Europäischen Rates, das in dieser Woche stattfinden wird, für außerordentlich wichtig und markant. Vor einigen Jahren noch wäre es für europäische Staats- und Regierungschefs unmöglich gewesen, sich auf die Erklärung zur Globalisierung zu einigen, die sie jetzt unterstützen wollen. Inzwischen ist sehr klar geworden, dass die Ziele der Europäischen Union nicht nur interne Ziele sind. Die Europäische Union hat auch globale Ziele. Wir müssen unsere Interessen und unsere Werte in der neu entstehenden globalen Ordnung voranbringen. Deswegen können wir meines Erachtens diese Woche sehr wichtige Entscheidungen treffen. Wir sollten dies mit vollem Vertrauen in unsere Fähigkeiten tun und vor allem zuversichtlich sein, dass die europäischen Gesellschaften sich als den Umständen gewachsen erweisen werden.

Insbesondere dürfen wir nicht vergessen, dass wir in Europa über ein beeindruckend hohes Qualifikationsniveau, über große Traditionen in Bezug auf Fachwissen und kritisches Wissen sowie über Anpassungsfähigkeit verfügen. Wir haben ein hoch entwickeltes wissenschaftliches und technisches Wissen. Und was noch wichtiger ist: Wir haben freie Gesellschaften, die nach dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit organisiert sind, und dies verschafft uns einen großen Vorsprung in einer sich rasch verändernden Welt.

Das ist unser europäischer Lebensstil. Ihn zu erhalten und zu pflegen ist unser größtes Kapital. Mit der richtigen politischen Agenda können wir der Globalisierung zuversichtlich entgegensehen. Die Globalisierung stellt uns vor bestimmte Herausforderungen. Eine davon ist die Massenmigration, die in gewisser Weise ein neues Phänomen in Europa darstellt, zumindest in den aktuellen Dimensionen.

Letzte Woche hat die Kommission eine Mitteilung über Migration verabschiedet, die anlässlich des EU-Gipfels diskutiert werden wird. Darin wird hervorgehoben, dass das Problem aus einer Gesamtperspektive betrachtet werden muss. Natürlich handelt es sich bei der Migration um ein zentrales Thema für unsere Grenzkontrollen und Grenzsicherheit, es hat aber auch enorme wirtschaftliche und soziale Auswirkungen und muss deshalb auch in unseren Beziehungen zu Partnern auf der ganzen Welt ein zentrales Thema sein. Das Thema Migration berührt die Bedenken und Interessen der Bürger. Es kann daher nicht von irgendeinem einzelnen Mitgliedstaat selbstständig angegangen werden. Wie ich bereits, auch in diesem Haus, mehrmals sagte, ist es völlig absurd, dass wir in einer aus 27 Mitgliedstaaten bestehenden Europäischen Union, in der das Prinzip der Freizügigkeit von Personen herrscht, 27 verschiedene Einwanderungsgesetzgebungen haben. Wir brauchen ein gemeinsames Einwanderungskonzept, und wir müssen anerkennen, dass die Probleme mancher unserer Mitgliedstaaten auch als europäische Probleme zu betrachten sind.

(Beifall)

Wir brauchen eine integrierte Politik, die sinnvoll für die EU-Bürger und ebenso für Immigranten und internationale Partner ist. Das Ziel unseres Dokuments, das diesem Rat vorgelegt wurde, ist es, eine Diskussion auszulösen, zunächst beim Treffen des Europäischen Rates, aber auch in den Gesellschaften Europas und natürlich in diesem Parlament, und eine Entwicklung hin zu einer umfassenden Politik auf den Weg zu bringen. Indem die EU sich nur einen Tag nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon eines Themas annimmt, das ein zentrales Anliegen der europäischen Bürger darstellt, setzt sie ihr Konzept fort; ein Konzept, das auf konkreten Ergebnissen für Europa und auf konkreten Ergebnissen für unsere Bürger beruht. Das ist der Weg, der nach vorne führt, und ich denke, der EU-Gipfel in dieser Woche kann uns noch einen Schritt weiter bringen bei unserem Wunsch und Bestreben, die Globalisierung zu gestalten und sie mit unseren Werten zu gestalten.

(Beifall)

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Die Tagung des Europäischen Rates in Lissabon kennzeichnet die Rückkehr zu einem Europa der Ergebnisse und des Wertzuwachses. Für die Bürger Europas schafft diese Tagung mehr Reisefreiheit und mehr Integration. Viele institutionelle Probleme sind gelöst worden, und zwei Jahre der Blockierung und der Unsicherheit neigen sich ihrem Ende zu.

Morgen werden in Lissabon 27 Unterschriften unter dem Reformvertrag unser gemeinsames Schicksal in einem europäischen 21. Jahrhundert besiegeln, das auf unseren gemeinsamen Werten, unserem Wohlstand, unserer Sicherheit und unserer Solidarität beruht. Ab Januar 2009 wollen wir unsere neue Funktionsmethode anwenden. Das ist wichtig, da sich die Bestimmungen des Lissabon-Vertrages auf die nächsten Europawahlen und damit auch auf die Ernennung des Präsidenten der Kommission auswirken werden.

Meine Damen und Herren, die Charta der Grundrechte stellt die wesentliche Neuerung im Lissabon-Vertrag dar, weil sie eine klare Antwort auf zwei Grundfragen gibt: Wer sind wir und wonach streben wir gemeinsam? Die Charta verkörpert unsere Werteteilung und spiegelt gleichzeitig einen Konsens zu unserer Einheit in der Vielfalt wider. Wenn wir eines dieser Elemente vernachlässigen, werden wir auf Widerstand und Vorbehalte seitens unserer Völker stoßen. Ich hoffe, dass sowohl der Geist als auch der Buchstabe der europäischen Charta der Grundrechte in einem größtmöglichen Bereich in Europa Anwendung finden, denn diese Charta besiegelt die Zugehörigkeit jedes Einzelnen zur Europäischen Union und seine Verbindung mit einer europäischen Wertegemeinschaft.

Der Reformvertrag erweitert zugleich den Bereich der Demokratie, indem er die Befugnisse des Europäischen Parlaments erhöht, ein faireres Wahlsystem im Rat einführt, den nationalen Parlamenten als Garanten der Subsidiarität eine größere Rolle einräumt und die Union den einfachen Menschen näher bringt, die jetzt das Recht erhalten, Gesetze zu initiieren.

Das Europäische Parlament wird mehr Pflichten und Rechte gegenüber den Bürgern Europas haben. Unser Parlament muss daher strikter vorgehen und sich besser profilieren. Meine Fraktion ist bereit, im legislativen Prozess wie auch mit neuen Ideen einen Beitrag zu leisten. Ich unterstütze auch den Vorschlag zur Bildung einer Reflexionsgruppe. Ihr wird eine äußerst wichtige Rolle bei der Festlegung unseres Kurses für die nächsten 20 oder 30 Jahre zukommen. Wenn wir ein Europa aufbauen wollen, das sich auf Wohlstand und Sicherheit sowie auf Werte und einen gemeinsamen Solidaritätssinn gründet, brauchen wir die Möglichkeit, über die Zukunft des europäischen Sozialmodells nachzudenken.

Wenn der Ratifizierungsprozess abgeschlossen ist, werden wir uns auf die Forderungen unserer Bürger nach mehr Europa konzentrieren können. Themen wie Klimawandel, Energie, Einwanderung und Sicherheit müssen auf europäischer Ebene in Angriff genommen werden.

Meine Damen und Herren, der zweite in Lissabon erwartete Beschluss hat mehr als eine symbolische Bedeutung. Es geht um die Ausweitung des Schengen-Besitzstands auf die 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten. Die Reisefreiheit ist ein sensibles Thema, vor allem für jene Bürger, die unter dem Joch der Besatzung gelitten haben und die man ihrer Freiheit beraubt hatte. Das Leben in einer Wertegemeinschaft ist nicht damit vereinbar, zwischen den Bürgern, die in der Europäischen Union reisen, Unterschiede zu machen. Daher schließt die Gleichbehandlung auch Gleichheit vor dem Gesetz ein. Werden diese Prinzipien vernachlässigt, werden wir nie einen sozialen Zusammenhalt erreichen und unsere Völker werden sich von Europa abwenden.

Ich begrüße auch die Ausweitung der polizeilichen und gerichtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. In einem offenen Europa ist diese Zusammenarbeit ein effektives Mittel zur Bekämpfung der Geißeln des Menschenhandels und der illegalen Einwanderung. Meine Damen und Herren, der Europäische Rat vom Donnerstag bringt uns einen Schritt näher zu einem offeneren, demokratischeren und handlungsfähigen Europa. Ein Europa, das in seiner Vielfalt Einheit gewährleistet, trägt nicht nur zu Stabilität innerhalb seiner eigenen Grenzen bei, sondern auch zum Frieden in der ganzen Welt.

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kommissionspräsident hat zu Recht auf einen der Kernbereiche der Herausforderungen dieser Tage hingewiesen: die Frage, wie wir auf der Grundlage des Vertrags, der in diesen Tagen unterschrieben wird, auf der Grundlage der neuen Rechtsstrukturen der Europäischen Union, die Innenpolitik in Europa organisieren. Er hat auf die Problematik der Massenzuwanderung nach Europa hingewiesen als ein Beispiel dafür, wie ein europäischer Binnenraum – also ein Rechtsraum, der Außengrenzen, aber keine Binnengrenzen mehr hat – organisierbar ist. Wir machen das auf der zwischenstaatlichen Ebene.

Niemand sollte sich täuschen, das Schengener Übereinkommen ist nicht das Recht der Europäischen Union, kein Gemeinschaftsrecht, sondern es ist ein zwischenstaatliches Recht. Das zeigt bereits, dass wir hier nach wie vor einen Konstruktionsfehler haben. Denn das zwischenstaatliche Recht ist zunächst einmal ein Recht, das staatliche Souveränität in den Vordergrund stellt und nicht Effektivität auf europäischer Ebene. Das ist ein entscheidender Unterschied! Denn nationales Souveränitätsrecht führt dazu, dass jeder nationale Partikularismus, jeder Einzelvorbehalt das Ganze blockieren kann. Und das können wir uns angesichts der migrationspolitischen Herausforderungen nicht leisten!

Insofern hat Kommissionspräsident Barroso völlig Recht: Es kann nicht sein, dass die einen, z. B. im Süden Europas, unter einem enormen Migrationsdruck stehen und die anderen, an anderen geografischen Enden Europas, sich einen schlanken Fuß machen. Das wird auf Dauer nicht möglich sein. Insofern ist der Schritt, den wir jetzt tun, mit einer neuen Vertragsgrundlage einen neuen Anlauf zu unternehmen, ein erster Schritt, dem weitere, nämlich die Vertiefung der Integration auch im Bereich der gemeinsamen Innenpolitik, der gemeinsamen Sicherheitspolitik, der gemeinsamen Rechtspolitik, folgen müssen.

Damit bin ich bei einem zweiten Punkt, der für uns in diesen Tagen von besonderer Bedeutung ist. Wir werden heute die Grundrechtecharta feierlich unterzeichnen. Schön! Ein wunderbarer Tisch, herrliche Stühle, die Atmosphäre ist wie immer toll.

(Zuruf von Daniel Cohn-Bendit: Herrliche Abgeordnete!)

Ja, auch wunderbare Abgeordnete. Es gibt aber mehr oder weniger nette Abgeordnete, Herr Kollege Cohn-Bendit.

(Heiterkeit)

Der Rahmen ist wunderbar, wie immer. Aber das alles erinnert mich an einen engen Freund von mir, der in seinem Leben mehrere Male geheiratet und auch mehrere Male dann wieder die Scheidung eingereicht hat. Und jedes Mal, wenn ich auf seiner Hochzeit war und nach Hause ging, habe ich ihm bei der feierlichen Zeremonie und bei dem wunderbaren Rahmen, der organisiert wurde, gesagt: Es war, wie immer, schön bei Dir! Ein bisschen fühle ich mich auch heute so. Ich war ja in Rom dabei, Sie auch, Herr Kollege Pöttering, und eine Reihe der Kollegen, die hier sitzen. Wir haben das ja in Rom erlebt. Das war wie auf einer Hochzeit: feierlich, tolles Essen, wunderbare Zeremonie, wunderbare Musik,

(Zuruf von Daniel Cohn-Bendit: Schöne Stadt!)

schöne Stadt, herrliches Ambiente, Cohn-Bendit nicht dabei, also ganz toll!

(Gelächter)

Wir sind anschließend nach Hause gefahren und haben die Scheidung erlebt! Und heute gehen wir wieder zur Hochzeit, diesmal in Lissabon: wunderbares Ambiente, wunderbare Stadt, Cohn-Bendit nicht dabei – es ist alles, wie es sein muss. Ich hoffe nur, dass in Irland nicht anschließend wieder die Scheidung eingereicht wird! Deshalb: Wir haben erst einen Grund zum Feiern, meine Damen und Herren, wenn in allen 27 Ländern das Vertragswerk auch tatsächlich ratifiziert ist.

Das Vertragswerk zu ratifizieren, ist sinnvoll. Denjenigen, die die Verfassung zerstören wollten, weil sie glaubten, damit den Integrationsprozess zu stoppen, den Antieuropäern, ist mit diesem Vertragswerk durchaus eine Lektion erteilt worden. Es ist so, dass der Lissabonner Vertrag nicht alle Wünsche erfüllt, aber er ist besser als die Zerstörung Europas auf der Grundlage eines permanenten Nein zur Integration!

(Beifall)

Und diejenigen, die glaubten, der Verfassungsvertrag sei nicht sozial genug, man müsse noch ein Stück draufsatteln, die deshalb Nein gesagt haben, die werden mit diesem Vertragswerk nicht mehr bekommen, aber dank der Proklamation und der Integration der Grundrechtecharta in den Vertrag sind eine Reihe von sozialen Grundrechten zu verwirklichen.

Das extremistische Nein auf beiden Seiten hatte sicherlich seine Gründe. Die, die aus sozialen Erwägungen Nein gesagt haben, stehen mir näher als die Antieuropäer, die diesen Vertrag aus grundsätzlichen Erwägungen nicht wollten, weil sie diese Union nicht wollen.

Aber eines ist ganz klar: Dieser Vertrag kann nur ein Zwischenschritt sein. Er ist ein Schritt nach vorne, aber er ist kein ausreichender Schritt. Dieser Schritt nach vorne muss aber unter allen Umständen jetzt gemacht werden. Ich hoffe, dass es eine Hochzeit auf Dauer ist. Ich hoffe, dass die Scheidungsanwälte zu Hause bleiben. Denn alles, was wir an Herausforderungen in den nächsten Jahren haben – zum Kosovo wird mein Kollege Swoboda gleich reden –, all das werden wir ohne eine stabile institutionelle Grundlage Europas nicht bewältigen können.

(Beifall)

 
  
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  Andrew Duff, im Namen der ALDE-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Herr Schulz hat vollkommen Recht, wenn er sagt, dass dies eine Festwoche ist, zum einen durch die feierliche Proklamation der Charta der Grundrechte, die unsere Bürger vor einem Missbrauch der großen Macht, die der EU verliehen wurde, schützt, und zum anderen durch die Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon, der unsere Handlungsfähigkeit stärkt und die Qualität unserer Demokratie entscheidend verbessert. Ich bin hocherfreut, dass Premierminister Brown zu guter Letzt doch noch, wenn auch leider spät, beschlossen hat, zu erscheinen. Ich fürchte, das entspricht dem Kurs der britischen EU-Beteiligung. Passen Sie bitte auf, dass Herr Brown mit dem Füller und nicht mit dem Bleistift unterschreibt!

(Heiterkeit)

Der Europäische Rat ist unsere erste Chance, mit Entschlossenheit aus der Phase der Selbstbespiegelung und der Reflexion herauszutreten und ernsthaft Politik zu betreiben. Thema Nummer eins ist das Kosovo, denn hier soll die EU die Unabhängigkeit eines Landes kontrollieren, ohne dass der UNO-Sicherheitsrat seine Zustimmung gegeben hat. Für die Zukunft des Kosovo und für unsere eigene Zukunft ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass diejenigen, die befürchten, ein solch gewagter Schritt könne einen Präzedenzfall schaffen, klugerweise die Möglichkeit der konstruktiven Enthaltung wählen und nicht versuchen, die Selbstbestimmung der Kosovaren zu blockieren.

Der Europäische Rat sollte darüber hinaus beginnen, einige verbindliche Entscheidungen über die Größe und Form der ESVP-Mission im Kosovo zu treffen, um so seine Absicht zu signalisieren. Überdies sollten wir wiederholen, dass wir es ablehnen, ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit Serbien zu unterzeichnen, bevor Serbien seine Kriegsgefangenen nicht an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert hat. In diesem Zusammenhang wäre es für den von Präsident Sarkozy angeregten „Ausschuss der Weisen“ eine sinnvolle Beschäftigung, einige alternative Szenarien für die Zukunft des Balkans zu entwerfen; er darf aber nicht unser gegenwärtiges Engagement durcheinander bringen.

(Beifall)

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. (GA) Herr Präsident! Die Staats- und Regierungsoberhäupter der EU haben sich am Tag nach der Unterzeichnung des neuen Reformvertrags in Brüssel zur Tagung des Europäischen Rates versammelt. Irland gehört zu den Staaten, in denen über die Bestimmungen des Vertrages in einer Volksabstimmung entschieden wird. Wenn die Kampagne zur Unterstützung des Vertrages sichtlich professionell durchgeführt wird, wird sich das Referendum nach meinem Dafürhalten als großer Erfolg erweisen.

im Namen der UEN-Fraktion.(EN) In Bezug auf die von Herrn Schulz angesprochenen Gefahren, die ein negatives Votum für Europa bergen würde, möchte ich sagen, dass ich als Vertreter Irlands, der in dieser Runde über die Zukunft des Vertrags von Lissabon spricht, es für meine Pflicht halte, ein paar unangenehme Wahrheiten aufzuzeigen.

Zum einen gratuliere ich all jenen, die an der letztlichen Einigung über den Vertrag von Lissabon mitgewirkt haben. Aber schließlich ist dies nur ein Schriftstück, und so fragen wir uns wie so oft in diesem Parlament: Was will Europa eigentlich? Was wollen die Einwohner und Bürger Europas?

Es stimmt, die EU-Bürger wollen mehr Europa. Mehr Europa bedeutet für sie aber nicht das, was viele von uns in diesem Saal wahrscheinlich denken. Es bedeutet nicht neue Regelungen und neue Gesetze – in den Augen der Bürger also neue Einschränkungen. Es bedeutet vielmehr ein intelligenteres Europa, ein Europa, das den täglichen Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Deswegen ist die Lissabon-Strategie bzw. sind die Fortsetzung und Optimierung der Lissabon-Strategie so wichtig für die Ratstagung in Lissabon.

Zweitens sorgt der von vielen Abgeordneten angesprochene gesamte Themenkomplex der Migration für enormen Druck auf die Ressourcen, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht, also bezüglich der Kosten für die Mitgliedstaaten, vor allem für die Länder im südlichen Mittelmeerraum, die gezwungenermaßen hohe Summen für die Lösung dieses Problems aufwenden, sondern auch bezüglich des sozialen Zusammenhalts innerhalb dieser Länder. Die Migrationsfrage schafft enorme Probleme und zehrt am guten Willen und an den Energien.

Drittens, und dies ist der wichtigste Punkt: Alles, was sozusagen die Entwicklung einer europäischen Vision betrifft, wie wir sie uns weltweit wünschen, wie sie sich momentan auf der Klimakonferenz in Bali abzeichnet, wie sie sich in den nächsten Monaten auf einigen anderen Konferenzen in New York abzeichnen wird, und was am allerwichtigsten ist, dass wir unseren Bürgern sagen und sie ausführlich darüber informieren müssen, was sie erwartet.

Zum Abschluss möchte ich, da wir in Irland ein Referendum abhalten werden, folgende Worte an Präsident Barroso und Vize-Präsidentin Wallström richten: Keine Steuern, keine Steuern, keine Steuern. Die Verträge geben Ihnen nicht die Vollmacht, Steuervorschläge vorzubringen. Die Kommission sollte davon Abstand nehmen.

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier eine wunderbare Veranstaltung. Der Ratspräsident und der Rat waren fleißig, es war eine wunderbare Inhaltsangabe, die Sie hier abgegeben haben. Welche die Inhalte waren, ist mir nicht klar geworden, aber die Überschriften haben schon gestimmt.

Der Obermanager der Kommission hat uns klargemacht, dass die Kommission die Herausforderungen der Globalisierung angenommen hat. Er hat 87 Mal Globalisierung und 82 Mal Herausforderungen gesagt. Es muss also stimmen.

Dann zur Hochzeit, die Martin so am Herzen liegt. Es ist in der Tat interessant, zum zweiten Mal wird die gleiche Braut geheiratet. Das ist selten, auch bei den Hochzeiten, auf denen Du immer warst. Nur ist die Brautfrau ein bisschen älter geworden, sie ist heutzutage altmodischer, weniger sexy, als sie in Rom war. Aber diese Hochzeit ist notwendig. Wir sind heute alle dabei – da ich heute dabei bin und sonst nicht dabei war, wird es gut gehen. Das ist der Unterschied.

Bevor ich etwas zu zwei wichtigen Problemen sage, möchte ich noch die surreale Veranstaltung, die der englische Premierminister in Lissabon veranstaltet hat, ansprechen. Er hat also entdeckt, dass eine Unterkommission der Oberkommission der Unterkommission in seinem Parlament tagt, und deswegen kann er bei der Unterzeichnung dessen, was er nicht unterschreiben will, aber trotzdem unterschreiben will, nicht dabei sein, aber danach beim Essen unterschreibt er dann doch. Es ist surrealistisch, aber so ist Großbritannien heute. Das ist nicht mein Problem, es ist Ihr Problem!

Jetzt möchte ich aber zwei ernsthafte Themen ansprechen. Erstens: Kosovo. Es gibt einen jüdischen Witz, der sagt: Wenn Du nur zwei Möglichkeiten hast, wähle immer die dritte. Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir haben, wenn wir die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennen, einen Konflikt. Wenn wir die Unabhängigkeit anerkennen, haben wir auch einen Konflikt, mit dem Kosovo oder mit Serbien. Wir müssen als Europäische Union jetzt entschlossen zeigen, wie handlungsfähig wir sind, und nicht nur, wie redefähig wir sind. Wir müssen eine Agenda 2020 entwickeln, um den Rechtsstaat in dieser Region zu stärken, und zwar eine Agenda zusammen mit dem Kosovo, mit Serbien und mit Bosnien-Herzegowina.

Wir müssen den Rechtsstaat in dieser ganzen Region stärken. Wir müssen einen Umwelt- und Klimapakt entwickeln. Wir müssen einen regionalen Entwicklungsplan, d.h. transbalkanische Netzwege, entwickeln und zwar mit der Perspektive einer beschleunigten Annäherung an die Europäische Union mit dem Ziel einer gleichzeitigen Integration aller dieser Länder in die Europäische Union. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, den Konflikt zu verhindern, besteht darin, die Klammer Europa hier nicht nur anzubieten, sondern mitzuentwickeln. Hier wird sich zeigen, ob die 27 nicht nur Bräute heiraten können, sondern auch in der Lage sein werden, schwierige Kinder mit ins Boot zu nehmen, damit sich endlich in dieser Region Frieden weiterentwickeln kann. Das betrifft in der Tat die Hochzeitsnacht.

Der zweite Punkt ist genauso dramatisch: Iran. Da wird auch der Rat etwas entscheiden müssen. Hier können wir sagen, anscheinend besteht die Drohung mit der Atombombe im Iran nicht mehr, wenn wir dem amerikanischen Geheimdienst glauben können. Wir sind alle wie kleine Kinder, wir glauben immer das, was wir wollen. Wenn sie etwas sagen, was uns nicht passt, sagen wir: Sie lügen. Wenn sie etwas sagen, was uns passt, sagen wir: Sie haben recht. Ich weiß nicht, wer recht hat, aber es wäre mir recht, dass sie diesmal recht haben.

Aber im Iran besteht nicht nur das Problem der möglichen Atombombe, sondern im Iran gibt es auch das Problem der Freiheit bzw. ihrer Unterdrückung. In den letzten Jahren hat eine unglaubliche Verschärfung der Unterdrückung der Menschen im Iran stattgefunden. Ich finde, da hat Europa auch eine Aufgabe. Es geht nicht nur um die Abwendung der Drohung mit der Atombombe. Es geht auch um die Freiheit der Menschen im Iran und darum, wie wir der Zivilgesellschaft helfen, diese Freiheit zu erkämpfen.

Es gibt Regierungschefs, die glauben, weise zu sein, weil sie weise Ratschläge geben und weise, große Dinge für Europa tun. Aber zu glauben, man könne in die ganze Welt Atomkraftwerke verkaufen, ob nach Libyen – eine terroristische Diktatur – oder nach Tunesien, Algerien oder nach Marokko, und dann irgendwann festzustellen, dass alle eine Atombombe wollen, das ist heuchlerisch. Die New York Times hat gestern etwas geschrieben, was wir alle seit 30 Jahren sagen: Wer die Atomkraft zivil nutzt, der wird sie, wenn es sein muss, am Ende auch militärisch nutzen. Und wir verkaufen allen afrikanischen, amerikanischen und anderen Staaten Atomkraftwerke und glauben, wir wären weise. Wir sind dumm, dass wir das machen. Das sollte einmal gesagt werden.

(Beifall)

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Der nächste Europäische Rat wird im Kontext der Unterzeichnung eines neuen Vertrages unmittelbar nach einem besonders wichtigen EU-Afrika-Gipfel und auch – vergessen wir dies nicht – in der ersten Phase der Umsetzung des Annapolis-Prozesses stattfinden.

Ich glaube, dass die Union in Bezug auf den Vertrag die Situation schwer verkennen würde, wenn sie der Ansicht wäre, dass dieses Gipfelübereinkommen das Ende der Vertrauenskrise darstellt, die ein Abdriften ganzer Teile unserer Gesellschaften von den gegenwärtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Politiken der Union bewirkt hat. Dieses Problem besteht weiterhin. Es wäre besser, wenn wir es anerkennen und Reaktionen darauf erarbeiten würden.

Eine ähnliche Realitätsprüfung scheint in Bezug auf unsere Beziehungen zu Afrika notwendig zu sein. Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Alpha Konaré, hat an Europa appelliert, mit der Bevormundung zu brechen. Er unterstrich, dass Afrika „weder ein Jagdgebiet bleiben noch ein neu zu eroberndes Gebiet werden kann“. Er prangerte – ich zitiere wiederum – die „Logik der Abkommen über Wirtschaftspartnerschaft mit ihren dramatischen Kosten für die afrikanische Bevölkerung“ an.

Bezeichnenderweise haben beinahe am selben Tag wie der Gipfel sieben lateinamerikanische Länder die Bank des Südens als ein Mittel gegründet, sich vom IWF zu lösen und die Ungleichheiten in ihrer Region zu verringern. Die Europäische Union muss daraus lernen und diese allgemeine und zunehmende Forderung nach einer gerechteren, würdigeren Partnerschaft wie auch die Art und Weise, in der sie Migranten behandelt, ausloten.

Schließlich der Nahe Osten, der eindeutig auf der Tagesordnung des Rates fehlt: Wie konnte die Union in Annapolis akzeptieren, dass sie aus der Struktur, die für die Umsetzung der Roadmap zuständig ist, völlig ausgeschlossen wird? Will sie daneben stehen und passiv zusehen, wie das Abkommen verletzt wird – wie es vergangene Woche in der Sache der Siedlungen in Ost-Jerusalem der Fall war? Was sind, allgemein gesagt, unsere wahren Ambitionen für Europa, und welche Mittel sind wir bereit bei ihrer Umsetzung einzusetzen? Das ist eine vorrangige Frage für den nächsten Europäischen Rat.

 
  
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  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Morgen um 11.30 Uhr werden die Ministerpräsidenten einen Vertrag unterzeichnen, dessen endgültige Fassung keiner von ihnen je gelesen hat. Sie unterzeichnen ein ganzes Paket von Änderungen, die sie nicht einmal verstehen können. Gestern hat das dänische Parlament ein Referendum über einen Vertrag, den die Abgeordneten nicht gelesen hatten, abgelehnt. Sie haben gegen die dänische Verfassung verstoßen und können nun verklagt werden, damit wir doch ein Referendum bekommen.

Einige Parlamentsmitglieder haben vielleicht einen vollständigen Entwurf gelesen; ich bezweifle jedoch selbst das. Die Endfassung kann noch gar nicht gelesen werden, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie ist nicht konsolidiert. Die Regierungskonferenz hat beschlossen, dass lesbare Versionen erst gedruckt werden, wenn der Vertrag von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert ist. Es ist blanker Zynismus, dass man etwas unterschreiben soll, was man nicht vorher lesen darf. Alle Gespräche der Regierungskonferenz und der linguistisch-juristischen Arbeitsgruppe unterlagen absoluter Geheimhaltung, so dass viele Mitglieder dieses Parlaments beunruhigt sind. Das Nummerierungssystem wurde dreimal geändert und damit jeder Vergleich vor der Unterzeichnung technisch unmöglich gemacht. Es gibt nicht einmal eine tabellarische Übersicht zum Vergleich mit der im Oktober veröffentlichten Fassung.

Zuerst werden zwei Referenden annulliert, in denen die Verfassung abgelehnt wurde. Dann wurde geheim verhandelt und dem Inhalt ein neuer Name verpasst. Ich wette um eine gute Flasche Wein, dass es nicht ein einziges Beispiel für ein Gesetz gibt, das zwar nach der Verfassung, nicht aber nach dem Vertrag von Lissabon verabschiedet werden könnte. Sogar ein ausgesprochen erfahrener Rechtsexperte im dänischen Außenministerium hat eingestanden, dass es kein einziges gibt.

In einer Expertenanhörung des dänischen Parlaments habe ich dreimal nach Beispielen für Bereiche des einzelstaatlichen Rechts gefragt, die außerhalb der Reichweite des Vertrags von Lissabon mit seinen horizontalen Klauseln und Grundsätzen liegen. Man konnte mir kein einziges schlüssiges Beispiel nennen. Der Vertrag von Lissabon wird zu einer Auflösung der bestehenden EU und zur Bildung eines neuen Staates mit gemeinsamer Staatsbürgerschaft, Rechtspersönlichkeit und sämtlichen nationalstaatlichen Instrumenten führen. Der Großteil der Gesetze wird von Staatsbeamten hinter verschlossenen Türen verabschiedet werden. Dies führt zu einem immer größeren Demokratiedefizit. Meine Fraktion schlägt vor, die Unterzeichnung so lange auszusetzen, bis Sie den endgültigen Text gelesen haben.

(Beifall)

 
  
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  Jim Allister (NI).(EN) Herr Präsident! Heute wird wieder viel Ehrenwertes über die demokratischen Werte Europas gesagt. Heute werden wir erleben, wie auf prätentiöse Weise der Glaube an die Menschenrechte bekräftigt wird, während sich die EU-Elite gleichzeitig darauf vorbereitet, ihren bisher arrogantesten Schachzug zu feiern, indem sie die neu verpackte Verfassung unterzeichnet, ohne die Menschen, ihre Wünsche oder Gedanken auch nur im Geringsten zu berücksichtigen.

Die Referenden von 2005 haben gezeigt, dass Europa die Bodenhaftung verloren hatte, aber es wurde nicht die Schlussfolgerung gezogen, das aufzugeben, was die Bürger nicht wollten, sondern den Widerstand der Bevölkerung zu umgehen, indem man diesmal beschloss, sie nicht zu fragen. Das ist die Ursache für den Skandal, auf dem gesamten Kontinent nationale Vollmachten zu beschneiden, Superstaatstrukturen aufzubauen, eine neue EU-Staatsbürgerschaft zu schaffen, der EU Rechtspersönlichkeit zu verleihen und nur eine Handvoll Bürger nach ihrer Meinung zu fragen.

Warum? Weil die führenden Politiker in den meisten Mitgliedstaaten einschließlich die meines Heimatlandes das Urteil ihrer Bevölkerung fürchten und ihre Arroganz noch durch Feigheit untermauern. An einem Tag, an dem viel über Menschenrechte geredet wird, möchte ich daher sagen: Gewähren Sie den Menschen in Europa das politische Grundrecht und das Menschenrecht, Ja oder Nein zu dieser Verfassung zu sagen, und zwar in einem Referendum.

(Beifall)

 
  
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  Carlos Coelho (PPE-DE).(PT) Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Die portugiesische Präsidentschaft neigt sich dem Ende zu und kann auf einige bemerkenswerte Erfolge zurückblicken. Ich zähle nicht zu jenen, die die diplomatischen Initiativen im Zusammenhang mit den Gipfeltreffen mit Brasilien und Afrika übermäßig betonen, denn unter anderem wird erst die Zeit lehren, ob sie zu konkreten Maßnahmen führen oder nur Großereignisse waren, die starke Beachtung in den Medien fanden.

Ich möchte aber die strukturellen Maßnahmen betonen, die in diesen sechs Monaten zum Nutzen Europas ergriffen wurden. Dabei denke ich besonders an drei: das Ende der institutionellen Krise mit der Verabschiedung des Vertrags von Lissabon, der morgen unterzeichnet wird, die Proklamation der Europäischen Charta der Grundrechte, die verbindlich sein wird, die historische Erweiterung des Schengen-Raums mit der Einbeziehung neun neuer Mitgliedstaaten mit einer Fläche von nahezu 4 Millionen Quadratkilometern, die Realisierung der strategischen Lebensfähigkeit und das wichtige Programm GALILEO, das einige lieber nicht sähen und das Ganze eher den USA, Russland und China überlassen würden.

Unterstreichen möchte ich auch die nützliche legislative Arbeit in Kooperation mit dem Europäischen Parlament sowie die ausgezeichnete Verständigung mit der Kommission und ihrem Präsidenten, Dr. Durão Barroso. Die interinstitutionelle Zusammenarbeit funktionierte gut und zeigte erfreuliche Ergebnisse. Herr Ratspräsident, ich wünsche Ihnen allen erdenklichen Erfolg auf der Ratstagung am 14. Dezember. Von ihr erwarten wir weitere bedeutsame Beschlüsse, sowohl auf dem Gebiet der Außenpolitik, insbesondere zum Kosovo, als auch hinsichtlich der europäischen Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung.

Der portugiesischen Präsidentschaft möchte ich speziell dazu gratulieren, dass sie die Frage der europäischen Einwanderungspolitik auf die Tagesordnung für den Rat gesetzt hat, in dem Präsident Barroso die rechtzeitigen Initiativen der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang unterstreichen kann. Dabei gibt es Probleme und Aufgaben, die über die einzelnen Mitgliedstaaten weit hinausgehen und ein gemeinsames Vorgehen erfordern, was, wie bereits gesagt, in einem Gebiet ohne Binnengrenzen besonders augenscheinlich ist.

Herr Präsident, erlauben Sie mir zum Schluss noch eine nationale Anmerkung. Portugal hat stets sein Bestes gegeben, um während seiner Ratspräsidentschaft den gemeinsamen Interessen zu dienen. Dies galt schon 1992 mit Ministerpräsident Cavaco Silva und João de Deus Pinheiro, damals Minister für Auswärtige Angelegenheiten und heute Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Dies war im Jahr 2000 mit Ministerpräsident António Guterres der Fall, und es gilt genauso heute während der dritten portugiesischen Präsidentschaft des Rates der Union.

Gestatten Sie mir, Herr Staatssekretär, auf Ihr persönliches Engagement, die Arbeit von Minister Luís Amado und Ministerpräsident Sócrates und die Tätigkeit all jener zu verweisen, die hier in Brüssel und in Lissabon aktiv dafür eintraten, den Erfolg der Präsidentschaft sicherzustellen. Hinweisen möchte ich auch auf die Arbeit der Ständigen Vertretung, zu erwähnen ist die Kompetenz von Botschafter Mendonça e Moura, und mein Dank für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament geht auch an Dr. Alexandre Leitão.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Es ist die große Leistung der portugiesischen Ratspräsidentschaft, dass der Vertrag von Lissabon zustande kommt, sicherlich auch mit der Mithilfe vieler aus diesem Parlament.

Der Vertrag von Lissabon hat auch die Aufgabe, die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken und eine institutionelle Grundlage dafür zu schaffen. Allerdings kann ein Vertrag nur die Voraussetzungen schaffen, und es ist wichtig, dass auch der Wille und die Tatkraft vorhanden sind, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben.

Da haben diejenigen Recht, die schon erwähnt haben, dass das Kosovo gerade in der Phase, in der der Vertrag unterschrieben wird, der Testfall dafür ist, ob auch der Wille zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik besteht. Was immer wir in dieser Region hinsichtlich des Kosovo entscheiden, wird Probleme mit sich bringen.

Es gibt keinen dritten Weg, wie der Kollege Cohn-Bendit gemeint hat, denn der dritte Weg wird schon begangen. Seit einiger Zeit wird viel Geld und Initiative in diese Region gesteckt. Es gibt nur die eine Möglichkeit, dass das Kosovo unabhängig wird; dann wird das eine Reihe von Problemen in der Region geben. Und es gibt den Weg, dass wir die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen; dann wird es auch eine Reihe von Problemen in dieser Region geben.

Für mich ist ganz klar: Ein Prinzip muss sein, dass all die Schritte, die in nächster Zeit getan werden, gemeinsam aus der Region mit der Europäischen Union getan werden. Das ist aber nur möglich, wenn es eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union in dieser Frage gibt.

Aus meiner Erfahrung – und ich bin nunmehr seit zehn Jahren für dieses Parlament in dieser Region tätig – sehe ich keine andere Chance, als dass es in Richtung einer limitierten, einer begrenzten, einer überwachten Unabhängigkeit in der nächsten Zeit geht. Aber meiner Überzeugung nach wäre es absolut unerträglich und unakzeptabel, wenn es eine einseitige Erklärung des Kosovo gäbe und wir gewissermaßen dem folgten. Dass dieser Prozess gemeinsam vollzogen werden kann, sagen auch heute viele Politikerinnen und Politiker aus dem Kosovo. Ich habe das vor kurzem bei den Wahlen dort erlebt. Er kann vollzogen werden, wenn die Europäische Union diesen gemeinsamen Weg geht.

Ich bitte Sie auch, in den letzten Tagen dieser Ratspräsidentschaft dafür zu sorgen, dass es eine gemeinsame europäische Linie gibt, dass die Gesamtverantwortung für diese Region von allen mitgetragen wird und dass alle Schritte, die in der nächsten Zeit unternommen werden, von einer Präsenz der Europäischen Union im Kosovo begleitet werden. Das ist das Wichtigste, nicht die Anerkennung einer Unabhängigkeit, sondern eine tatkräftige sicherheitspolitische Präsenz der Europäischen Union im Kosovo ist das Entscheidende, wofür auch der portugiesische Ratspräsident sorgen muss.

(Beifall)

 
  
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  Sophia in 't Veld (ALDE).(NL) Herr Präsident! Nach jahrelanger Stagnation ist der neue Vertrag endlich unterzeichnet worden, doch müssen die Vertragsparteien endlich auch die Verantwortung, die tatsächliche Führerschaft für Europa übernehmen. Es ist höchste Zeit, dass sie nicht mehr lediglich hingehen und auf nationaler Bühne über das von ihnen Erreichte triumphieren, sondern dass sich aktiv für diesen Vertrag einzusetzen und dafür zu sorgen beginnen, dass er ratifiziert wird, damit er am 1. Januar 2009 in Kraft treten kann.

Die wichtigste Änderung betrifft den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit. Die Frage, wie die in diesem Bereich anstehenden Themen 2008, während der Übergangszeit, zu behandeln sind, muss rasch geklärt werden. Wie steht der Rat zu den Vorschlägen von Kommissar Frattini, die neuen Verfahren jetzt, im Vorgriff auf die Neuregelung, anzuwenden?

Heute wird auch die Charta der Grundrechte feierlich proklamiert. Und es ist beschämend, dass die Mitgliedstaaten die Charta dadurch abschwächten, dass sie sie aus dem Vertrag entfernt und vor allem zwei Ausnahmeregelungen zugelassen haben. Jetzt müssen sie in der Praxis unter Beweis stellen, dass sie es mit den Grundrechten ernst meinen und nicht lediglich Lippenbekenntnisse dazu ablegen.

Letztendlich, Herr Präsident, wird die Europäische Union etwas demokratischer und ein wenig effizienter. Eine reife Demokratie zeichnet sich jedoch nicht nur durch Tatkraft aus, sondern dazu gehören auch Kontrolle der Machtausübung und Verantwortungsbewusstsein. Es ist Zeit für Demokratie, Zeit für den Beweis von Verantwortungsbewusstsein – auch bei der Terrorismusbekämpfung –, weshalb ich den Rat um Erläuterung der Rolle ersuchen möchte, die Europa bei den illegalen Tätigkeiten der CIA gespielt hat.

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN).(PL) Herr Präsident! Die Geschichte neigt dazu, sich zu wiederholen. Vor drei Jahren wurde der Vertrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten waren sehr zufrieden und sicher, dass der Vertrag in Kraft treten würde. Zwei Völker haben allerdings in einem Referendum ihre klare Ablehnung bekundet.

Derzeit unterzeichnen die Regierungschefs ein nahezu identisches Papier und bauen darauf, dass es ihnen diesmal gelingt, ein Referendum zu umgehen. Offensichtlich unterschätzen sie dieses grundlegende Instrument der Demokratie. Die öffentlich als Phase der Besinnung bezeichnete Zeit wurde vergeudet. Statt die Zeit für Anhörungen, gesellschaftlichen Dialog oder Diskussionen zu nutzen, hat man sich auf Manipulationsmethoden konzentriert.

Es muss betont werden, dass der so genannte Reformvertrag ein bedeutsames Dokument ist, da es tatsächlich zur Beschränkung der Souveränität der Mitgliedstaaten führt. Viele der Privilegien, die bislang den Nationalstaaten vorbehalten waren, werden dadurch auf EU-Ebene transferiert, die keiner richtigen demokratischen Kontrolle unterliegt. Ich bin überzeugt, dass wenn wir den Völkern Europas die Wahl ließen, den morgen zu unterzeichnenden Vertrag dasselbe Schicksal ereilen würde wie seinem Vorgänger.

 
  
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  Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE). (ES) Herr Präsident! Vor wenigen Monaten habe ich den Bürgerbeauftragten meines Heimatlandes angerufen. Während ich in der Warteschleife hing, wurde „Let it be“ gespielt, was wenig Anlass zu Optimismus im Hinblick auf die von der Stelle bearbeitete Beschwerde bot, wie sich dann in der Tat auch herausstellte.

Dieses Gefühl erleben häufig diejenigen von uns, die noch immer nicht erkennen können, dass die Europäische Union etwas unternimmt, um die regionale Frage bzw. staatenlose Nationen in ihre institutionelle Struktur und Politik zu integrieren. Leider sind immer mehr Menschen der Meinung, dass dies niemals geschehen wird, und in der Tat haben wir kaum Alternativen.

Was den Kosovo betrifft, so wird hier häufig über die Probleme gesprochen, aber ich habe noch niemanden gehört, der die für mich entscheidende Frage gestellt hat: Was wollen die Kosovaren?

Im Hinblick auf die Strategie von Lissabon herrscht unserer Auffassung nach zuviel Selbstgefälligkeit, die maßgeblich darauf zurückzuführen ist, dass die Indikatoren für die Bewertung der Strategie sich im Kern auf das Wachstum des BIP stützen. Wann wird es Indikatoren für den sozialen und umwelttechnischen Fortschritt geben, damit die Ergebnisse von Lissabon sachdienlich bewertet werden können?

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Wieder einmal erleben wir, wie die wichtigsten Lehrsätze neoliberaler Politik aufgezählt werden, die während der portugiesischen Präsidentschaft verfolgt wurde. Die morgige Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon, der die wesentlichen Punkte der so genannten „Europäischen Verfassung“ enthält, ist zweifellos die ernstere Frage, stellt sie doch einen qualitativen Fortschritt der neoliberalen Integration dar, die die sozialen Probleme und Ungleichheiten immer weiter verschärft.

Statt Antworten zu geben, mit denen die Arbeitsbedingungen verbessert werden, verlassen sie sich auf „Flexicurity“, was die Arbeit noch unsicherer macht. Statt Antworten zu geben, mit denen die Lebensbedingungen verbessert werden und das Armutsproblem angegangen wird, das 80 Millionen Menschen betrifft, legen sie eine noch neoliberalere Fassung der Lissabon-Strategie vor, mit der die Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen verfolgt werden soll. Wie bei den Ereignissen vom 18. Oktober und auf der Demonstration in Lissabon werden die Arbeitnehmer und das Volk den Kampf gegen diesen Vertrag und diese Maßnahmen sowie die Kampagne für verbindliche Referenden über den Vertrag nach ordnungsgemäß durchgeführten, pluralistischen Diskussionen fortsetzen.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI).(NL) Herr Präsident! Als Venezuela unlängst in einer Volksabstimmung die Pläne von Präsident Chávez für eine grundlegende Verfassungsänderung mit knapper Stimmenmehrheit ablehnte, beugte sich der Möchtegerndiktator Venezuelas dem Willen des Volkes, wie es sich für die Führer eines mehr oder weniger freien Landes gehört. Aus seinem Beispiel können wir in Europa meines Erachtens eine Menge lernen.

Uns hingegen wird eine „Europäische Verfassung“, die in zwei Mitgliedstaaten von einer großen Mehrheit demokratisch abgelehnt worden ist, erneut aufgetischt, und zwar praktisch unverändert, von ein paar kosmetischen Korrekturen abgesehen. Eine echte Debatte darüber ist nicht mehr möglich und bestimmt kein Referendum in Ländern, in denen mit einem kritischen oder ablehnenden Votum zu rechnen ist. Die Europäische Verfassung – Entschuldigung, der Reformvertrag – wird nun in Lissabon mit viel Pomp und Feierlichkeit unterzeichnet und anschließend mit unziemlicher Hast durch die Parlamente, die dafür sind, gepeitscht. Europa ist eine Scheindemokratie.

Und wie die Eurokraten mit der Vox populi umspringen, zeigte sich jüngst nochmals deutlich an den Worten von Kommissar Rehn zur Möglichkeit eines Türkei-Beitritts. Laut Protokoll sprach er davon, dass nationale Vereinbarungen oder konkrete Wahlversprechen einem Türkei-Beitritt nicht entgegenstehen dürfen. Wahlversprechen an die Wähler zum Thema Türkei-Beitritt sind den europäischen Mandarinen völlig gleichgültig. In Venezuela herrscht vorerst noch Demokratie, in Europa jedoch leider weitaus weniger.

 
  
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  Giles Chichester (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Auf der Tagesordnung des bevorstehenden Europäischen Rates stehen einige wichtige Punkte. Ich bin gespannt auf Informationen über die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, über Fortschritte im Hinblick auf die ehrgeizigen europäischen Ziele bezüglich des Klimawandels und über das europäische Engagement bei der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zur Bekämpfung der Armut. Der Fokus wird in dieser Woche jedoch unweigerlich auf die Unterzeichnung des Reformvertrags in Lissabon gerichtet sein.

Wie wir britische Konservative immer wieder gesagt haben, gab es kein stichhaltiges Argument für diesen weit reichenden Vertrag, und gerade in dieser Woche hat eine EU-weit führende Wissenschaftlerin und Expertin einen Bericht über die Auswirkungen einer EU-Erweiterung veröffentlicht. Sie hat klar zum Ausdruck gebracht, was wir schon seit einiger Zeit betonen, nämlich dass die EU ohne diesen Reformvertrag ausgesprochen gut funktioniert hat. Sie sagt, die praktischen Erfahrungen seit Mai 2004 legen den Schluss nahe, dass die institutionellen Verfahren und Praktiken den Auswirkungen der Erweiterung relativ gut standgehalten haben.

Das ist wichtig, wenn wir bedenken, was man uns alles gesagt hat, dass z. B. die EU die Erweiterung nicht ohne institutionelle Umwälzungen oder sogar Blockierungen bewältigen könne. All das bestärkt uns in unserer Sichtweise, dass es bei diesem Vertrag hauptsächlich um politischen Symbolismus und weniger um eine objektive Beurteilung dessen, was Europa braucht, geht.

Wir stellen aber nicht nur die rationale Begründung für diesen Vertrag in Frage, sondern sehen auch den Prozess äußerst kritisch, der uns an diesen Punkt gebracht hat. Es ist geradezu unglaublich, dass behauptet wird, dieser Vertrag sei im Wesentlichen nicht dieselbe Europäische Verfassung, die bei den Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden so nachdrücklich abgelehnt wurde. Obwohl er unter seinen Politikerkollegen allein dasteht, hält der britische Premierminister an dem Mythos fest, der Vertrag und die Verfassung seien unterschiedlich. Das britische Volk glaubt ihm nicht, und die große Mehrheit hat wiederholt ihren Wunsch nach einem Referendum zum Ausdruck gebracht. Herr Brown hat die Wünsche der Bürger ignoriert und damit wesentlich dazu beigetragen, seine Regierung und dadurch auch zum Teil die Europäische Union in Misskredit zu bringen.

 
  
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  Robert Goebbels (PSE). - (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Im Jahre 1981 besaß 1 %der Bevölkerung Europas 8 % seines gesamten Reichtums. Fünfundzwanzig Jahre später verfügt 1 % der Reichsten über 17 % des Gesamteinkommens der Europäischen Union. Jeder sechste Bürger – insgesamt 74 Millionen Europäer – lebt unterhalb der im jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Armutsgrenze.

Ohne Sozialleistungen würden etwa 185 Millionen Europäer - fast 4 % der Bevölkerung - in die Armut abgleiten. Daher ist eine aktive Sozialpolitik vonnöten: eine Politik zur Neuverteilung des Vermögens. Die Anstrengung der Union im sozialen Bereich ist besonders schwach. Die Vision für ein Europa mit größerer sozialer Ausrichtung im 21. Jahrhundert, die die Kommission gerade vorgestellt hat, ist in ihrem Konzept perfekt, aber bar jeglicher aktueller legislativer Initiative.

Kommissionspräsident Barroso hat uns gerade gesagt, dass die Strategie von Lissabon Früchte trägt. Er hat Recht. Doch gleichzeitig wird der wirtschaftliche Aufschwung in Europa durch eine besonders perfide Version der Globalisierung in Form von Finanzmärkten ohne Grenzen bedroht. Die so genannte Subprime-Krise ist durch die frenetische Konsummentalität in den Vereinigten Staaten ausgelöst worden. Die Weltfinanzindustrie hat diese „speziellen Modelle“ übernommen, die mit unsicheren Hypotheken finanziert werden, und die Creme des Bank-, Versicherungs- und Rentensektors hat uns noch einen weiteren Triumph der Gier über die Intelligenz eingebracht.

Der Finanzsektor selbst riskiert natürlich nichts: Er ist too big to fail. Die einzelstaatlichen Zentralbanken und der Steuerzahler werden für eine sichere Landung der vergoldeten Fallschirmspringer sorgen, und das wird nicht billig werden. Die Wirtschaftstätigkeit in Europa hat sich bereits verlangsamt. In den USA droht die Rezession. Der Dollar fällt, die Rohstoffpreise, sogar die Preise für Grundnahrungsmittel explodieren. Die Krediteinschränkung wirkt sich bereits auf KMU und potenzielle Hauskäufer aus.

Wenn ich den Entwurf der Schlussfolgerungen des Rates von Lissabon lese, sehe ich kein Anzeichen dafür, dass Europa aufschreckt, und das bedauere ich sehr.

 
  
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  Marco Cappato (ALDE). - (IT) Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf den scheinbar kleinen Sieg eingehen, den der französische Präsident Sarkozy feiern durfte, indem es ihm gelungen ist, das Wort „Beitritt“ aus den laufenden Verhandlungen mit der Türkei zu streichen.

Natürlich ändert sich dadurch nichts. Die Verhandlungen gehen weiter. Aber Sarkozy, der gegenwärtig der stärkste und politischste der europäischen Staats- und Regierungschefs ist, wie seine Rede vor diesem Haus gezeigt hat, spricht dann zu uns über Europas Grenzen und die Union für den Mittelmeerraum, und man sagt eher geringschätzig, er habe keine Ahnung, worüber er spräche, was diese Union für den Mittelmeerraum sei, er wüsste nicht, welches Spiel er spiele.

Meiner Ansicht nach ist völlig klar, welches Spiel er spielt und dass es dabei um die Grenzen Europas geht: Die Union für den Mittelmeerraum ist die Strategie des Europas der Nationen. In der Praxis könnte eine Union für den Mittelmeerraum durchaus einen sinnvollen Weg darstellen, um Wirtschafts-, Handels- und Umweltprobleme zu lösen, wenn der Ansatz lediglich auf ein Verhältnis zwischen Staaten ausgerichtet wäre. Aber sie ist nicht vernünftig. Eine Alternative muss gefunden werden, wenn wir etwas anderes anstreben, wenn wir ein Europa des Rechts, insbesondere von Individualrechten, ein Europa der Bürger statt eines Europas der Staaten wollen.

Das ist die Alternative, die die Staats- und Regierungschefs, die Kommission und die Europäische Union Sarkozys französischer Strategie eines Europas der Nationen entgegenzusetzen haben. Wir müssen entscheiden, ob wir wollen, dass die Charta der Grundrechte eines Tages einmal die Charta der Rechte türkischer Bürger, die Charta der Rechte marokkanischer Bürger, die Charta der Rechte israelischer und palästinensischer Bürger ist. Wir müssen bestimmen, ob wir unserem Europa eine solche Zukunft geben wollen, denn anderenfalls wird sich das Europa der Staaten und Nationen durchsetzen.

Zum Abschluss Folgendes: Einige Leute tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Referendum on Europe“. Ja zu einem europäischen Referendum, nein zu nationalen Volksabstimmungen, denn in Referenden tritt der ganze Populismus, Extremismus, Nationalismus und Kommunismus unseres Europas zutage.

 
  
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  Mario Borghezio (UEN). - (IT) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Zum Glück gibt es in Europa immer noch Patrioten, und wir werden selbstverständlich ein nationales Referendum fordern. Wir werden an unserer Forderung nach Volksabstimmungen festhalten, denn wir glauben an ein Europa der Völker, nicht an ein Europa des Großkapitals, das die ganze technokratische Politik, den ganzen Betrieb des Tollhauses der europäischen Institutionen unterstützt und finanziert.

Genau dieses Bild ergibt sich aus der Umgestaltung Ihres Vertrages – die Bestätigung einer Institution, die von einer Techno-Bürokratie beherrscht wird, die nur sich selbst verpflichtet ist und nur sich selbst ernährt. Wo, in dieser neuen Fassung steht etwas, das beispielsweise die vehemente Forderung nach Verteidigung des Europäischen Sozialmodells widerspiegelt, die bei den Volksabstimmungen deutlich geworden ist. Was haben Sie darauf geantwortet?

Zur Frage der Grenzen – keine Antwort und weiterhin allgemeines Geschwafel über die Erweiterung, ohne das geopolitische Problem der europäischen Grenzen anzusprechen, das für uns eine Schlüsselfrage darstellt. Ein Bauwerk wie das europäische mit seinen historischen Wurzeln im öffentlichen Recht des Heiligen Römischen Reiches erbaut man nicht, indem man als geistigen Horizont den Wert des Euro dem des Dollars entgegenstellt. Es gibt andere Bezugspunkte, insbesondere unserer Ansicht nach Europas christliche Wurzeln.

Sie werden die grundlegenden Probleme, vor denen Europa steht, nicht durch Ihre juristischen Ausflüchte lösen, oder indem Sie sich von den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs leiten lassen. Staaten kann man so nicht regieren. Das gilt auch für Europas Zukunft, Europas Geschichte. Lang lebe das Europa der Völker, das Europa mit seinen christlichen Wurzeln!

 
  
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  Miguel Portas (GUE/NGL).(PT) Morgen werden die Ministerpräsidenten und Staatschefs den Lissabon-Vertrag in Lissabon unterzeichnen. Danach werden sie zur Ratifizierung auffordern. Der Unterschied liegt nicht im Wortlaut, der eine Kopie der von den Franzosen und Holländern abgelehnten Verfassung ist. Der Unterschied liegt im Verfahren. Jetzt fordern sie die schnelle Ratifizierung ohne Referendum. Vor wenigen Tagen erklärte Herr Zapatero hier in diesem Hohen Haus seinen Wunsch, die Bürger der verschiedenen Mitgliedstaaten mögen sich genau an diesem Tag zu dem Vertrag äußern, der unsere gemeinsame Zukunft bestimmen wird.

Auf dem Gipfel am Freitag haben die Regierungen die Gelegenheit, den Verdacht zu zerstreuen, unter dem sie alle stehen, nämlich den Verdacht, dass sie den neuen Vertrag hinter dem Rücken der Menschen verabschieden wollen. Mögen sie doch Herrn Zapateros Vorschlag mit beiden Händen aufgreifen. Mögen sie den Tag festlegen. Heute ist der Vertrag von Lissabon nicht wirklich ihr Vertrag. Und er wird nie der Vertrag der Europäer sein, wenn sein Überleben davon abhängt, ihn nicht zur Volksabstimmung zu stellen. Mögen sie doch den Mut zeigen, der Forderung nach Demokratie nachzukommen, denn Europa selbst ist von der Demokratie abhängig!

 
  
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  Jana Bobošíková (NI).- (CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Wir debattieren oft darüber, wie man die EU den Bürgern näher bringen und sie demokratischer gestalten könnte, ohne dann entsprechend zu handeln. Morgen werden die Staats- und Regierungsoberhäupter den Reformvertrag unterzeichnen. Sie haben schon im Vorfeld verkündet, die Durchführung von Volksabstimmungen abzulehnen. Es ist traurig, dass das Parlament diesem Ansinnen größtenteils zugestimmt hat. Das ist ein Ausdruck größter Arroganz und Missachtung der Stimme der Bürger. Ich habe den Eindruck, die Politiker sind entweder zu faul, den neuen Vertrag zu erklären, oder schlimmer noch – sie haben Angst vor den Bürgern. Die Politiker wollen nicht darlegen müssen, wie der neue Vertrag die Beteiligung der Mitgliedstaaten an den Entscheidungsprozessen in der EU verändert. Die Politiker wollen den Bürgern nicht erklären müssen, dass sie in Zukunft „ihre“ Kommissarin bzw. „ihren“ Kommissar in der Kommission nicht haben werden. Sie wollen nicht verteidigen müssen, dass Fragen wie Zuwanderung, Energie und Verkehr nicht in den Einzelstaaten behandelt werden, sondern in Brüssel. Meine Damen und Herren! Wenn es uns nicht gelingt, die Bürger für die Regeln zu gewinnen, die die neue Konfiguration der EU bestimmen, wenn wir ihnen gegenüber nicht einerseits die Vorteile der Integration und andererseits die Probleme des Verlusts an nationaler Souveränität plausibel machen, die der Vertrag in einigen Bereichen mit sich bringt, wird sich die Kluft zwischen der politischen Elite und den Bürgern immer weiter vertiefen. Darum sind Referenden meiner Ansicht nach ein Schlüsselaspekt des Ratifizierungsverfahrens des Vertrages.

 
  
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  Jacek Saryusz-Wolski (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Der Vertrag von Lissabon wird sich sehr bald erheblich auf die Außenpolitik der Europäischen Union auswirken.

Unsere Diskussionen im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten in diesem Hause berechtigen mich dazu, aus verschiedenen Gründen eine sehr positive Sicht auf den neuen Vertrag zum Ausdruck zu bringen. Ein einheitlicher Rahmen verbessert entscheidend die Kohärenz der außenpolitischen Maßnahmen der EU. Der neue Vertrag ist, vergleichen wir ihn mit den momentan bestehenden Abkommen, ein wichtiger Schritt nach vorn. Er bietet eine ausführliche Rechtsgrundlage für die Nachbarschaftspolitik, begründet eine einheitliche Rechtspersönlichkeit der EU als Ganzes und verpflichtet die Mitgliedstaaten, gegenseitige Konsultationen durchzuführen und sich solidarisch zu zeigen.

Im Hinblick auf die Institutionen gibt es erhebliche Verbesserungen durch die erweiterten Vollmachten des mit einer Doppelfunktion ausgestatteten Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, der zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission ist, und durch die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Sehr wichtig ist auch, dass der neue Vertrag die Haushaltsbefugnisse des Parlaments über die Ausgaben für die EU-Außenpolitik erweitert, so dass das Europäische Parlament gleichberechtigt mit dem Rat agiert.

Darüber hinaus wird auch eine neue Rechtsgrundlage für Instrumente oder Strategien in Bezug auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) geschaffen, dazu zählen z. B. Sanktionen gegen nichtstaatliche Einrichtungen, ferner die Raumfahrtpolitik und die Energiesicherheit, die Bekämpfung des Klimawandels und des internationalen Terrorismus und der Schutz personengebundener Daten.

Die größten Verbesserungen sind jedoch im Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) zu verzeichnen, da der Vertrag von Lissabon insbesondere bei der Verteidigung eine ständige strukturierte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten mit militärischen Kapazitäten vorsieht.

Unserer Ansicht nach weist der neue Vertrag dennoch einige Mängel auf. Das Europäische Parlament sollte bei der Ernennung des neuen Hohen Vertreters und Vizepräsidenten der Kommission konsultiert werden, nicht nur bei der Ernennung des ersten Funktionsträger, der sein Amt am 1. Januar 2009 antritt, sondern auch im Falle einer späteren interimistischen Einsetzung und natürlich bei der Ernennung der gesamten Kommission einschließlich ihres für die Außenpolitik zuständigen Vizepräsidenten.

Gestatten Sie mir sodann hervorzuheben, dass der neue, neu gewählte Hohe Vertreter und Vizepräsident das Parlament vorab zu den wichtigsten Aspekten der grundlegenden GASP- und ESVP-Maßnahmen konsultieren muss.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Vertrag von Lissabon ist ein Meilenstein für die institutionelle Entwicklung der Europäischen Union in Fragen der Außenpolitik, und ich als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten bin sehr froh über die bevorstehende Unterzeichnung.

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE).(PL) Herr Präsident! Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Organisation der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte herausgegeben, die bis heute auf diesem Gebiet ein maßgeblicher Text ist. Fast sechzig Jahre danach hat die Europäische Union die Menschenrechte in ihrer Charta der Grundrechte kodifiziert, einem Dokument, das den Bedürfnissen und Erwartungen der Europäer an der Schwelle des 21. Jahrhunderts entspricht.

Warum haben sich dann zwei Staaten, Polen und das Vereinigte Königreich, die sich international so sehr für die Kodifizierung der Menschenrechte eingesetzt hatten, der Charta so sehr widersetzt? Warum wollen sie die Charta ihren Bürgern vorenthalten? Meine Enttäuschung als Polin ist umso größer, als sowohl Polen als auch das Vereinigte Königreich die Charta zuvor gebilligt hatten. Ihre Ministerpräsidenten und Außenminister haben sie als zweiten Teil des Verfassungsvertrags in Rom am 29. Oktober 2004 unterzeichnet. Ihre Unterschrift ist schließlich nicht nur eine Verpflichtung gegenüber ihren europäischen, sondern war auch ein Signal an die Bürger ihrer eigenen Staaten und ein Versprechen, dass sie an der Charta festhalten würden.

Seit 2004 hat sich die Charta inhaltlich nicht verändert. Geändert hat sich dagegen die Haltung Polens und des Vereinigten Königreichs. Deshalb frage ich: Warum haben die Nachfolger von Tony Blair und Marek Belka Vorbehalte gegenüber der Charta und warum verwehren sie ihren Bürgern deren Nutzen? Ich möchte auch den Vorsitzenden des Europarates bitten, die derzeitigen Ministerpräsidenten Polens und des Vereinigten Königreichs zu fragen, weshalb sie die Unterschrift ihrer Vorgänger nicht respektieren? In der Außenpolitik ist das Prinzip der Kontinuität von grundlegender Bedeutung, und wir Bürger, und damit meine ich die Polen, brauchen die Rechte, die diese Charta umfasst.

 
  
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  Alexander Lambsdorff (ALDE). - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Inhalt des Vertrags ist hier vieles gesagt worden. Für uns deutsche Liberale waren bestimmte Kernpunkte immer ausschlaggebend. Zum einen sollte der Kompromiss zu den institutionellen Fragen erhalten bleiben. Zweitens: Wir wollten einen EU-Außenminister, der nicht Zierde, sondern ein echtes Sprachrohr der Europäischen Union ist. Was der Kollege Jacek Saryusz-Wolski eben in Sachen institutioneller Verbesserung gesagt hat, sehen wir genauso. Wir glauben aber auch nach wie vor, dass leider in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bis auf weiteres der politische Wille in den Hauptstädten entscheidend bleiben wird. Der dritte Punkt, der für uns besonders wichtig war, ist ein starker Grundrechteschutz. Wir freuen uns jetzt deswegen ausdrücklich auf die Proklamation der Charta.

Insgesamt muss man sagen: Der Vertrag von Lissabon ist ein Erfolg der deutsch-portugiesischen Zusammenarbeit. Beide Präsidentschaften verdienen Glückwünsche zu diesem Erfolg.

Ein echter Wermutstropfen ist allerdings der Punkt der Bürgernähe. Den Beschluss des Rates, keinen konsolidierten Text vorzulegen, würde man auf Deutsch Realsatire nennen. Die Realität ist so absurd, ein Satiriker könnte sich nichts Absurderes ausdenken. Die Wirklichkeit wird diesen Entschluss allerdings überholen. Ich bin sicher, dass die Bürger und die Parlamente sich einen Text besorgen werden und dann wirklich nachlesen, worum es hier geht.

Wir müssen jetzt in eine Phase eintreten, in der die Europäische Union von einer institutionellen Nabelschau wieder zu einer globalen Perspektive übergehen muss. Wir müssen unserer weltwirtschaftlichen Verantwortung nachkommen. Die weltwirtschaftliche Gesamtlage lässt befürchten, dass unser Wachstum und die Zahl unserer Arbeitsplätze zurückgehen. Ich sehe in zahlreichen Mitgliedstaaten, auch in meinem eigenen Land, wieder eine Bequemlichkeit, einen erlahmenden Reformwillen. Das muss sich ändern.

Zum Zweiten müssen wir auch in der internationalen Politik unsere Rolle verantwortungsvoll wahrnehmen. Die Menschen wünschen sich eine starke globale Rolle für die Europäische Union. Diese Verantwortung ist unsere!

 
  
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  Bogdan Pęk (UEN).(PL) Herr Präsident! Europa ist nicht nur ein Übereinkommen der Eliten. Es besteht nicht nur aus den europäischen Institutionen. Europa ist vor allem eine Frage des Vertrauens.

Gestern hat jedoch Udo Voigt, der Vorsitzende der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, im öffentlich rechtlichen deutschen Fernsehen gesagt, dass Polen unverzüglich Schlesien an Deutschland zurückgeben müsse, dass Polen sofort Pommern, Gdańsk, Wrocław und andere Städte an Deutschland zurückgeben müsse. Zugleich hat er auch die Zahl der Holocaust-Opfer infrage gestellt.

Ich frage mich heute, da der Geist Europas über den Wassern und über diesem Parlament schwebt, warum Herr Schulz seine revolutionäre Sensibilität verloren hat. Warum hat die deutsche Regierung sich nicht wahrnehmbar dazu geäußert? Wegen solcher Dinge ist das Dritte Reich entstanden.

Ich fordere eine scharfe Verurteilung und ein Verbot der besagten faschistischen Partei, die etwas erzeugt, das Europa größten Schaden zufügen kann: Sie zerstört das Vertrauen zwischen den europäischen Völkern, die sich für das Allgemeininteresse einsetzen. Deutschland sollte als führender europäischer Staat besonders sensibel auf solche Vorfälle reagieren und umgehend etwas zum Wohle der Europäischen Gemeinschaften unternehmen.

 
  
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  Alain Lamassoure (PPE-DE). - (FR) Herr Präsident! Ich möchte der portugiesischen Präsidentschaft ebenfalls gratulieren. Die Unterzeichnung des Vertrages von Lissabon und der EU-Afrika-Gipfel werden als Meilensteine in die europäische Geschichte eingehen. Wir dürfen jedoch nicht zulassen, dass diese überwältigenden Erfolge von kommenden Ereignissen überschattet werden. Dazu muss ich zwei Besorgnisse anführen.

Die erste betrifft die Ratifizierung des künftigen Vertrages. Dass der Verfassungsentwurf aufgegeben und durch einen einfachen Vertrag ersetzt wird, bedeutet, dass es jetzt in keinem Mitgliedstaat – mit Ausnahme von Irland – ein Hindernis für die Ratifizierung durch das Parlament gibt. Das ist ein entscheidendes Element des auf dem Europäischen Rat im Juni und im Oktober erzielten politischen Übereinkommens. Wenn eine Regierung in der Zwischenzeit ihre Ansicht geändert hat, so erfordert es die minimalste Loyalität gegenüber ihren Partnern, sie vor der Unterzeichnung des Vertrages zu informieren und nicht danach. Herr Ratspräsident, ich bin zuversichtlich, dass die portugiesische Präsidentschaft diese grundlegende Loyalität sicherstellen wird.

Meine zweite Besorgnis – und sie ist bereits von einigen meiner Kollegen angesprochen worden – ist die Lage in den Westbalkanstaaten. Seit acht Jahren wissen wir nun, dass es früher oder später die Unabhängigkeit des Kosovo geben wird. Und heute sind wir trotz der beachtlichen Bemühungen von Javier Solana und der Kommission nicht weniger beunruhigt durch die Situation als vor acht Jahren.

Wir haben wiederholt gesagt, dass die Westbalkan-Region Teil der Union werden soll und wir behaupten, eine gemeinsame Außenpolitik zu betreiben. Die verschiedenen aufeinander folgenden Präsidentschaften der Union haben allerdings nicht mehr getan als die heiße Kartoffel an den nächsten in der Reihe weiterzureichen. Die Dinge haben sich seit 1991 geändert. Sechzehn Jahre sind vergangen, und es hat 300 000 Tote gegeben, und es ist Zeit für die EU-Länder zu zeigen, dass sie die Lehren aus dieser traurigen Vergangenheit gezogen haben. Die Zukunft des Balkan wird weder in Washington noch in Moskau und auch nicht in New York entschieden, sondern hier in Europa, zwischen direkt betroffenen Völkern und zwischen europäischen Nachbarn, Freunden und Partnern.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst über den Kosovo sprechen. Was wir auf dem Balkan und im Kaukasus derzeit erleben, ist ein Konflikt zwischen europäischen Werten und nationalistischen Tendenzen, zwischen europäischer Integration auf der einen Seite und Bewegungen und Ideen, die von Russland unterstützt werden, auf der anderen. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir eines Tages zurückblicken, wir es nie bedauern, dass wir uns heute mit allen verfügbaren Mitteln für die europäische Integration eingesetzt haben; möglicherweise würde es uns aber irgendwann einmal Leid tun, bestimmte Anstrengungen unterlassen zu haben. Ich halte es für wichtig, dass wir darüber anlässlich des EU-Gipfels Ende der Woche diskutieren.

Zweitens möchte ich das Thema Globalisierung ansprechen. Wir müssen uns bewusst werden, dass Europa gerade durch die Globalisierung zu einer weltweit führenden Wirtschaftsmacht geworden ist, und dass die Globalisierung unerlässlich ist, wenn Europa zu der führenden wissensbasierten Wirtschaft werden soll, denn wir werden nie die Ersten in der Welt sein, wenn wir nur die Besten in Europa sind. Mit protektionistischen Maßnahmen lässt sich nie etwas erreichen. Langfristig würde dies die Möglichkeiten für Beschäftigung und Wohlstand untergraben, und wir hätten nicht die Gelegenheit, in der Weltwirtschaft führend zu sein und europäische Werte zu verteidigen.

Deshalb wäre es von großer Bedeutung, dass der EU-Gipfel einmal mehr deutlich macht, welche Anstrengungen in Bezug auf eine Gesetzgebung in den Bereichen Energie, Telekommunikation, Binnenmarkt, Handel und Wettbewerb notwendig sind. Wettbewerb ist kein Kampf zwischen verschiedenen Persönlichkeiten bzw. Identitäten, sondern vielmehr eine Gelegenheit für alle, mitzuwirken und Europa voranzubringen. Diesen Weg sollten wir wählen, und so könnten wir bei unserer Reaktion auf die globale Herausforderung am meisten von dem Vertrag profitieren. Diese Chance erhalten wir in dieser Woche, und wir sollten sie nutzen.

 
  
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  Enrique Barón Crespo (PSE). (ES) Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Frau Vizepräsidentin der Kommission! Sehr verehrte Damen und Herren! Nach meinem Dafürhalten sollten wir anfangen, die Arbeit des portugiesischen Vorsitzes an einem Tag öffentlich zu würdigen, der für das Europäische Parlament große Bedeutung trägt, wie an der geschmückten Front des Präsidentschaftspodiums zu erkennen ist, das die feierliche Deklaration der Charta der Grundrechte zeigt.

Der portugiesische Ratsvorsitz erhielt – und ich sage dies als Vertreter des EU-Parlaments auf der Regierungskonferenz – einen Entwurf, in dem die Charta der Grundrechte lediglich Erklärung Nr. 11 war. Es sollte auch zu Recht darauf hingewiesen werden, dass es, wie mir der Ratspräsident persönlich zu Beginn erzählte, fast unmöglich war, diesen Status zu ändern. Meines Erachtens ist es uns im Rahmen der Regierungskonferenz gemeinsam gelungen, sicherzustellen, dass die Charta der Grundrechte gesetzlich bindend ist. Die Mitgliedstaaten haben es abgelehnt, sie in den Vertragstext einzubauen, aber als Charta hat sie Verfassungsstatus.

Ich denke, wir sollten uns der Mühen vieler Männer und Frauen erinnern, die sich über die Jahre im Europäischen Parlament dafür eingesetzt haben, die Charta Wirklichkeit werden zu lassen. Meiner Meinung nach sollten wir auch die Erinnerung an jene Frau bewahren, die die Tragödie des 20. Jahrhunderts und die Kraft, diese zu bewältigen, verkörpert – Simone Weil. Ganz zu schweigen von Männern wie Altiero Spinelli, Fernand Herman und viele andere, die sich über viele Jahre dafür engagiert haben, dass wir letztendlich über eine Erklärung über die Rechte verfügen, die unserer Identität Ausdruck verleiht.

Herr Präsident! Aus meiner Sicht ist es auch an der Zeit, in einem Parlament, das über Kühe, Ziegen, Gurken und Finanzen Gesetze erlässt, endlich über Menschen, über die kleinen Leute zu reden. Es ist bedauerlich, dass es auch heute noch einige wenige Staaten gibt, die die Rechte ihrer Bürger als Bürger Europas beschränken.

Abschließend möchte ich, Herr Präsident, noch eine wichtige Anmerkung machen, nämlich dass die Charta und der Vertrag von Lissabon die Union als eine supranationale Demokratie der Staaten und Bürger stärken. Erstmals erfolgt eine solche Reaktion in einem Zeitalter der politischen Globalisierung. Was wir auf regionaler Ebene umsetzen, ist nach meinem Dafürhalten aber auch ein Beispiel, dem man auf dem Weg in unsere eigene Zukunft und der der Menschheit folgen sollte.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir bereiten den Gipfel vor, und ich erwarte von diesem Gipfel keine Überraschungen. Aber ich erwarte von diesem Gipfel, dass er Türen in die Zukunft öffnet und die Europäische Union in vielen Fragen positioniert.

Die erste zu öffnende Tür ist die Tür zur Ratifizierung des Vertrages von Lissabon. Wir erwarten, dass die Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten rasch stattfindet und dass bei den personellen Konsequenzen aus diesem Vertrag die Wahl zum Europäischen Parlament 2009 Berücksichtigung findet. Ich erwarte aber auch, dass mit der offenen Tür zur Ratifizierung endlich die Kommunikation und Information über den Inhalt in den Mitgliedstaaten durch den Rat und die Kommission beginnt.

Verschweigen Sie nicht weiterhin, warum wir den Vertrag befürworten. Wir sagen ja, weil die Bürger, die Parlamente, die Demokratie und die Europäische Union gestärkt werden.

Die zweite Tür, die wir aufmachen, ist die Tür zur Freiheit. Es wird über Schengen gesprochen werden. Wir sind froh darüber, dass mehr Mitgliedstaaten die Schengen-Kriterien erfüllen, weil die Erfüllung der Schengen-Kriterien mehr Freiheit innerhalb der Europäischen Union und mehr Sicherheit für die Bürger der Europäischen Union bedeutet.

Es wird – drittens – hoffentlich die Tür zu mehr Verantwortung der Europäischen Union in der Welt geöffnet. Ich sage daher deutlich, dass die Möglichkeit einer Lösung für das Kosovo am Verhandlungstisch ausgereizt ist und die Europäische Union gemeinsam Verantwortung für das Kosovo übernehmen muss. Wir sagen deutlich, dass die Zukunft des Kosovo und Serbiens in der Europäischen Union liegt und wir alles tun müssen, damit der Freiheitswille der Menschen und das friedliche Miteinanderleben in die Tat umgesetzt werden.

Mein letzter Punkt ist die Tür zur Forschung und zur Technologie. Setzen Sie den Galileo-Beschluss um, der nur deshalb möglich war, weil das Europäische Parlament in finanzieller Hinsicht seine Verantwortung wahrgenommen hat.

 
  
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  Manuel António dos Santos (PSE).(PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Die portugiesische Präsidentschaft hinterlässt ein Erbe, das sehr anspornend ist, aber auch voller Verantwortung steckt. Genau dieses politische Erbe soll der Gipfel in dieser Woche festigen und weiterentwickeln. Die morgige Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon, die in wenigen Minuten stattfindende feierliche Ratifizierung der Charta der Grundrechte durch die drei EU-Organe, die Schaffung einer strategischen Partnerschaft mit Brasilien ohne Beeinträchtigung der besonderen Beziehungen der Europäischen Union zum Mercosur, die Wiederaufnahme regelmäßiger strategischer Gipfeltreffen mit Afrika und schließlich der Auftrieb, den die Lissabon-Strategie und viele Fragen von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Europas erhalten haben: All dies sind beachtliche Leistungen, werden aber nur dann von Nutzen sein, wenn sie die Maßnahmen hervorbringen und die Ziele erreichen, die unentbehrlich dafür sind, dass Europa stärker, kohärenter, geeinter und entscheidender für die Stabilität in der Welt wird.

In aller Kürze ist dies die Verantwortung, die die portugiesische Präsidentschaft den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Rat, der Kommission und auch dem Parlament als Erbe hinterlässt. Zugleich liegt hier aber auch der Ansporn für uns alle, die institutionelle Krise hinter uns zu lassen, die in den letzten zwei Jahren Europa gebremst und den Fortschritt der europäischen Integration erschwert hat. Um das zu wiederholen, was ich schon vielmals gesagt habe: Herzliche Glückwünsche an die portugiesische Präsidentschaft, und ich hoffe, dass die kommende slowenische Präsidentschaft in gleicher Richtung weiterarbeiten und das bisher Erreichte weiter entwickeln wird. Einziges Ziel des bevorstehenden Gipfels in Brüssel sollte es sein, die notwendigen politischen Bedingungen dafür zu schaffen.

 
  
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  Francisco José Millán Mon (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Die morgige Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon erfüllt mich mit Freude. Damit endet eine Zeit der Ungewissheit, in der Außenstehende die Union als Opfer einer gewissen Lähmung wahrgenommen haben. Darum gratuliere ich dem portugiesischen Vorsitz.

Wenn der Vertrag erst einmal unterzeichnet ist, gibt es hoffentlich keinen Grund, sich zurückzulehnen. Es ist an der Zeit für die EU und damit den Europäischen Rat, den Blick nach auch außen zu richten und die Probleme, vor denen die Bürger stehen, mit Entschlossenheit anzugehen. Auf drei möchte ich im Einzelnen eingehen.

Wirtschaftswachstum: Der Europäische Rat darf nicht in Selbstzufriedenheit verfallen. Die Zeichen stehen nicht gut: Der Euro ist relativ stark, was die Exportsituation erschwert; die Inflation ist rückläufig; der Dollar ist ziemlich schwach und Öl weiter teuer. In sämtlichen Studien – die neuste ist die der OECD – werden die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in Europa für 2007 und 2008 zurückgeschraubt.

Zweitens die illegale Zuwanderung: Sie stellt ein ernsthaftes Problem dar, für das unter anderem die EUROMED-Konferenz im letzten halben Jahr versuchte, eine Lösung zu finden. Der auf dem Afrika-Gipfel beschlossene Aktionsplan enthält auch Hinweise auf Rückübernahmeabkommen und andere Instrumente, aber werden diese Unterfangen auch honoriert? Wie lange schon verhandelt die Europäische Union über Rückübernahmeabkommen mit bestimmten Mittelmeerstaaten?

Darüber hinaus hängt die illegale Zuwanderung nicht nur von der Zusammenarbeit mit Drittstaaten ab. Auch wir müssen unsere Hausaufgaben erledigen, beispielsweise im Hinblick auf FRONTEX. Außerdem bedeutet die effektive Erweiterung des Schengen-Raums, die der Europäische Rat am Freitag bestätigen wird, verlängerte Außengrenzen. Hoffentlich sind die für diese neuen Grenzen zuständigen Behörden und Beamten in der Lage, mit dem Netzwerk der illegalen Zuwanderung umzugehen.

Schließlich der Terrorismus: Die Bedrohung besteht weiter. Zum einen liegen jüngste Drohungen von den Anführern von Al Qaida vor. Gestern kam es zu blutigen Anschlägen in Algier. Und ich möchte Sie an die Ereignisse in Frankreich in der vergangenen Woche in Verbindung mit der ETA erinnern.

Es freut mich, dass während der portugiesischen Präsidentschaft versucht worden ist, die Stelle des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung zu besetzen, die aus unerklärlichen Gründen über sechs Monate unbesetzt war. Wenn es zufälligerweise an Kräften oder Ressourcen mangelte, war die Reform des Vertrages eine vergebene Chance, diesen Posten zu stärken.

Abschließend hoffe ich, dass der Europäische Rat auf eine rasche Umsetzung des jüngsten Kommissionsvorschlags zur Änderung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung drängen wird, um nun auch die stillschweigende Duldung unter Strafe zu stellen.

 
  
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  Paul Marie Coûteaux (IND/DEM). - (FR) Herr Präsident! 2007 – dieses Jahr der deutschen und portugiesischen Präsidentschaft – wird als das Jahr der größten Brüskierung der Völker und der Demokratie in die Geschichte der europäischen Integration eingehen.

Der Vertrag, der morgen in Lissabon unterzeichnet wird, ist weder eine vereinfachte Fassung noch ein Konsens. Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine Wiederaufwärmung des Verfassungsvertrags, zu dem die Franzosen ‚nein“ gesagt haben. Übrigens feiern dies die meisten von Ihnen zusammen mit Giscard d'Estaing.

Ich möchte an diejenigen meiner französischen Kollegen, die diese „Verfassung in neuer Aufmachung“ unterstützen, eine förmliche Warnung richten. Die Bestimmungen des Vertrages schaffen einen neuen Staat. Dieser Staat wird unserem Volk gegen seinen Willen aufgezwungen und ist daher nicht legitim. Das hat eine spezielle, aber verheerende Folge: Die Organe der Europäischen Union und die Texte, die sie produzieren, müssen als ungesetzlich angesehen werden. Wir werden also bald gemäß internationalem Recht eine dringende Pflicht haben: die Pflicht des Ungehorsams. Mehr habe ich nicht zu sagen.

 
  
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  Manuel Lobo Antunes, amtierender Ratspräsident.(PT) Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin der Kommission, meine Damen und Herren! In meiner Abschlusserklärung möchte ich kurz auf eine Frage eingehen, die mehrfach angesprochen wurde und von größter Bedeutung ist, die natürlich auf der außenpolitischen Tagesordnung der Europäischen Union steht und die in den kommenden Wochen und Monaten höchstwahrscheinlich weiter Vorrang haben wird. Ich meine die Frage des Kosovo. Zu diesem entscheidenden Thema möchte ich Ihnen kurz den Standpunkt der portugiesischen Präsidentschaft erläutern.

Unserer Meinung nach stand nach Vorlage des Ahtisaari-Plans im Sicherheitsrat im Vordergrund, dass die Europäische Union, Russland und die USA eine Troika bilden, um wiederum in sehr engem Kontakt mit den Parteien nach möglichen Lösungen zu suchen, denen die Parteien zustimmen konnten. Dabei bestanden zwei Hauptaufgaben: die Aufgabe zu versuchen, bestimmte Aspekte des Ahtisaari-Plans zu sondieren, die man untersuchen konnte und sollte. Andererseits sind wir sicher, wir und die Europäische Union, dass wir alles in unseren Kräften Stehende getan haben, um zu einer vereinbarten Lösung für die Zukunft des Kosovo zu gelangen. Dazu standen uns 120 Tage zur Verfügung.

Jetzt wissen wir, und die Öffentlichkeit ist nach Berichten der Troika auch darüber informiert, dass es den Parteien unmöglich war, sich auf den künftige Status des Kosovo zu einigen, aber noch ist nicht alles verloren. Erstens bleibt das hervorragende Klima, die ausgezeichnete Atmosphäre zwischen den Parteien der Troika und in den Beziehungen zwischen der Troika und den Parteien festzuhalten. Zweitens gelang es uns, wie wir hofften und erwarteten, einige im Ahtisaari-Bericht hervorgehobene Aspekte zu untersuchen, und natürlich ergaben sich auf dieser Grundlage auch neue Einigungspunkte. Und drittens, ein überaus bedeutsamer Aspekt, der vielleicht nicht die nötige Beachtung fand, steht die Tatsache, dass die Parteien vereinbarten, nicht auf gewaltsame Lösungen zu setzen, um die Frage des künftigen Kosovo-Status zu klären. Diese politische Verpflichtung steht für uns ganz obenan, und wir hoffen natürlich, dass sie respektiert wird.

Der Prozess wurde wieder den Vereinten Nationen übertragen und wird erneut im Sicherheitsrat diskutiert. Nicht zu vergessen ist ja, dass die UNO hier eine grundlegende Rolle spielt. Gelingt es aber den Mitgliedern des Sicherheitsrats auf der Ebene der Vereinten Nationen nicht, eine Lösung zu vereinbaren, die den künftigen Status des Kosovo bestimmt, dann haben wir keinerlei Zweifel, dass die internationale Gemeinschaft und besonders die Europäische Union selbst Entscheidungen treffen muss, von denen wir alle wissen, dass sie kompliziert und vielleicht auch schwierig sein werden.

In diesem Zusammenhang sind drei Beobachtungen für die portugiesische Präsidentschaft von grundlegender Bedeutung und werden auch nach dem 1. Januar ein Grundanliegen für Portugal als Mitgliedstaat der Europäischen Union bleiben. Das erste Anliegen ist natürlich die Wahrung der Einigkeit der Mitgliederstaaten. Unserer Auffassung nach ist es unentbehrlich, dass immer dann, wenn wir über etwas entscheiden sollen und ein Beschluss zu fassen ist, dies ein gemeinsamer Beschluss sein muss. Hier müssen wir die Reihen schließen. Wir meinen, dies steht absolut im Vordergrund. Was wir nicht sehen oder erleben wollen und was wir mit allen Mitteln vermeiden müssen, ist eine Teilung Europas in der Kosovo-Frage – wie es ja in der Vergangenheit in so vielen internationalen Situationen und bei schwierigen internationalen Fragen, an die man sehr verantwortungsvoll herangehen muss, der Fall war. Unsere Parole muss also Einmütigkeit lauten.

Zweitens muss sich die Europäische Union ihrer Verantwortung stellen, weil das Kosovo vor allem ein europäisches Problem, also unser Problem ist, und obwohl feststeht, dass wir bei der Suche nach einer Lösung auch dieser Frage auf all unsere internationalen Partner zählen, darf sich Europa nicht vom Kosovo abwenden, sondern muss seiner Verantwortung für ein europäisches Problem voll gerecht werden, wobei ich zum Abschluss der Präsidentschaft denke, dass sich die Europäische Union ganz klar darüber ist und sehr genau weiß, dass sie hier eine führende Rolle übernehmen muss.

Drittens dürfen wir nicht überstürzt handeln, sondern müssen die Folgen all unserer Entscheidungen sorgfältig abwägen und dabei nach Möglichkeit unter allen Umständen und in allen Situationen natürlich einen Konsens anstreben, und selbstverständlich müssen wir eine klare Haltung zu dieser Frage einnehmen und diese Haltung allen Partnern sehr transparent und sehr deutlich übermitteln, die so oder so auch in die Kosovo-Frage eingebunden sind.

Und schließlich muss jede Lösung für den künftigen Kosovo-Status immer und unter allen Umständen die Werte und Prinzipien respektieren, die für die Europäische Union grundsätzlichen Charakter tragen: Frieden und regionale Stabilität natürlich und selbstverständlich auch Achtung der Gesetze, Achtung der Demokratie und Achtung der Menschenrechte.

Für die Lösung des Kosovo-Problems gibt es keinen anderen Rahmen, und wir dürfen unter keinen Umständen vergessen, dass die Europäische Union den westlichen Balkanländern und speziell Serbien feste und eindeutige europäische Perspektiven in Aussicht gestellt hat, und auch dazu müssen wir mit den Parteien zusammenarbeiten. Ihnen muss klar sein, dass Europa ihre natürliche Bestimmung ist. Wollen wir hoffen, dass die Europäische Union bei der Lösung der schwierigen Kosovo-Frage – und machen wir uns nichts vor, sie ist eine komplexe und schwierige Frage, und wir haben keine Alternative, wie ich immer sage –, dass also die Europäische Union unter allen Umständen und trotz vielleicht möglicher Differenzen über einzelne Probleme weiterhin einmütig auftritt, weil sie so handeln muss. Für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union und ihre externen Maßnahmen steht dies an vorderster Stelle. Dies war kurz, was ich Ihnen zum Kosovo sagen wollte.

Und schließlich, Herr Präsident, hoffe ich, Sie verzeihen mir und verstehen mich sicher, wenn ich mit einer persönlichen Bemerkung abschließe: Heute nehme ich letztmalig als Vertreter der portugiesischen Präsidentschaft an einer Aussprache im Europäischen Parlament teil. Daher ist dies ein Abschied, den ich nicht vollziehen kann, ohne meine Anerkennung und meinen Dank für die Unterstützung zum Ausdruck zu bringen, die mir in diesem Hohen Haus vom Präsidenten und allen Abgeordneten stets zuteil geworden ist. Mit Ihnen und durch Sie habe ich erfahren, wie wichtig dieses Parlament für die Stärkung der Demokratie in unserer Union und natürlich auch für die Stärkung der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse ist, die wir hier treffen, um ganz offensichtlich eine freiere und erfolgreichere Union für die Bürger Europas zu schaffen.

Also vielen Dank, meine Damen und Herren. Natürlich möchte ich auch den Kommissarinnen und Kommissaren, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem Kommissionspräsidenten danken, die oft mit mir an diesen Aussprachen teilnahmen und mit denen ich viele Gemeinsamkeiten in unserer Arbeit, unseren Zielen und Anstrengungen herstellen konnte. Ich danke der gesamten Kommission.

Danken möchte ich auch, und ich weiß, sie werden das verstehen, den Bediensteten des Europäischen Parlaments und, Sie werden mir verzeihen, meinen hier arbeitenden Landsleuten. Und schließlich, hoffentlich habe ich niemanden vergessen, danke ich meinen Dolmetschern, den Portugiesisch-Dolmetschern, auf die ich sehr stolz bin. Abschließen möchte ich mit dem englischen Ausdruck „I will miss you all“ oder auf portugiesisch „Já sinto saudades“. Ich danke Ihnen vielmals.

 
  
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  Der Präsident. − Obrigado, Herr Ratspräsident. Wir werden uns ja morgen noch in Lissabon sehen und nächste Woche werden Sie dann nochmals den Ratspräsidenten José Sócrates begleiten. Aber ich möchte Ihnen hier, da Sie das letzte Mal hier vor dem Plenum gesprochen haben, ein sehr herzliches Wort des Dankes sagen und darf auch Ihnen bestätigen, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen sehr angenehm und vor allen Dingen auch erfolgreich war. Herzlichen Dank, Manuel Lobo Antunes!

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Vielen Dank für diese abwechslungsreiche Aussprache, die meines Erachtens wertvolle Anstöße für die Tagung in Lissabon und den Gipfel in Brüssel geben wird.

Ich würde gern auf einige Bereiche eingehen, die heute Vormittag angesprochen wurden. Als Erstes auf den Vertrag von Lissabon und die Charta. Vor allem bin ich der Meinung, dass der portugiesische Ratsvorsitz ebenso wie die ihr vorausgegangene deutsche Ratspräsidentschaft ein großes Lob dafür verdient, dass er uns bis an diesen Punkt gebracht hat. Die morgige Unterzeichnung in Lissabon unterstreicht das Engagement aller Unterzeichnerstaaten, die Ratifizierung des Vertrags zu erreichen.

Darüber hinaus würde ich gern die Gelegenheit nutzen, den Vertretern des Parlaments nochmals für ihren gewichtigen Einsatz zu danken, der dazu beigetragen hat, dass die EU ihre institutionellen Schwierigkeiten überwinden konnte. Natürlich hat sich auch die Kommission im Laufe dieses langen Prozesses aktiv engagiert, nicht zuletzt durch die bürgernahe Agenda und den zweigleisigen Ansatz, auf die Präsident Barroso zuvor schon eingegangen ist. Auch diejenigen unter Ihnen, die der Meinung sind, dass die EU letztlich auch ohne diese Änderungen funktioniert, sollten bitte nicht vergessen, dass es in diesem Reformvertrag zahlreiche neue Elemente gibt, die uns helfen und ausdrücklich in die Lage versetzen, den Klimawandel und die ganze Energieproblematik wirksamer anzugehen und auch mehr Offenheit zu erreichen, durch öffentliche Ratstagungen und die erweiterten Kompetenzen der nationalen Parlamente. Deshalb denke ich, der Vertrag wird uns auch dabei helfen, transparenter, offener und demokratischer zu werden.

Für welches Ratifizierungsverfahren die einzelnen Mitgliedstaaten sich auch immer entscheiden mögen, wir alle haben die Verpflichtung, mit den Bürgern zu kommunizieren. Selbstverständlich muss dies auf partnerschaftlicher Grundlage geschehen und unter Wahrung der unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche, die von den Mitgliedstaaten in dieser Debatte geäußert werden. Meiner Ansicht nach ist die heutige Proklamierung der Charta auch ein Symbol für einen weiteren wichtigen Verhandlungserfolg, ein Symbol dafür, dass die Charta – ausgenommen die Sonderlösungen für zwei Mitgliedstaaten und sofern der Vertrag in Kraft tritt – rechtlich bindend ist und damit die Grundrechte der EU-Bürger garantiert.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die „Reflexionsgruppe“, denn ich denke, wir müssen sicherstellen, dass diese sich auf die politischen Aufgaben der Zukunft konzentriert und nicht überwiegend auf die Institutionen. Sie muss sich mit den Erwartungen der Bürger Europas befassen, und ich hoffe auch, dass diese Gruppe in Bezug auf die Vielfalt des heutigen Europas repräsentativ sein wird.

Meine dritte Bemerkung bezieht sich auf die Migration. Meiner Ansicht nach muss ein integrierter Ansatz für das Thema Migration sowohl Politik der EU als auch die nationale Politik berücksichtigen. Dazu müssen wir unsere politischen Strategien zur legalen und illegalen Einwanderung koordinieren. Erforderlich sind Maßnahmen in den Bereichen Entwicklungspolitik, soziale Integration, Freizügigkeit, Grenzsicherheit und Visa, um nur einige zu nennen. Ich finde es hervorragend, dass der aktuelle EU-Gipfel auch diese Fragen global diskutieren wird, denke aber, dass das Parlament einen maßgeblichen Beitrag zu dieser Diskussion leisten kann. Die Lissabon-Strategie trägt nun Früchte, wie der Präsident bemerkte, und das sollte, wie ich finde, für alle in diesem Haus ein Grund zum Feiern sein. Ebenso gibt es einen Konsens darüber, dass wir Maßnahmen brauchen, um allen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung als Teil der Strategie Rechnung zu tragen. Das schließt auch Flexicurity, soziale Integration und Klimawandel mit ein. Wenn wir uns über die politische Richtung einig sind, werden wir in der Lage sein, reale politische Konzepte zu entwickeln, um die realen Probleme zu lösen, die einige von Ihnen genannt haben.

Lassen Sie mich abschließend noch zum Thema Kosovo, das ebenfalls viele hier im Saal angesprochen haben, anmerken, dass die Kommission die Bedenken voll und ganz teilt, die von mehreren Abgeordneten bezüglich der Situation im Kosovo zum Ausdruck gebracht wurden, und dass die Europäische Union alles getan hat, um auf dem Verhandlungswege zu einer Lösung zu kommen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass der Status quo untragbar ist und dass der UN-Sicherheitsrat sich damit auseinandersetzen muss, wenn er sich am 19. Dezember mit dieser Frage befasst. Der Europäische Rat wird eine Bestandsaufnahme der Situation machen müssen, und er sollte die Verpflichtung der Europäischen Union, die Frage des Status des Kosovo zu lösen und eine führende Rolle bei der Umsetzung eines Ausgleichs zu übernehmen, erneut bekräftigen, wobei der Rahmen, wie viele von Ihnen bereits erwähnt haben, die europäische Perspektive für die gesamte Region ist.

Schließlich wird auf diesem EU-Gipfel mit der Unterzeichnung des Vertrags und der Proklamierung der Charta vielleicht kein Strich unter die Ereignisse von 2005 gezogen, aber doch der Beginn einer neuen Phase der Entwicklung der Europäischen Union markiert. Wir haben aus den Ereignissen von 2005 unsere Lehren gezogen, und ich hoffe, wir können mit mehr Vertrauen in die nächsten fünfzig Jahre der EU starten.

 
  
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  Der Präsident. − Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Die Vorbereitungen auf das EU-Gipfeltreffen im Dezember verlaufen in besserer Atmosphäre als erwartet. Das verdanken wir offensichtlich der Annahme des Reformvertrages und der Aussicht auf eine ungestörte Ratifizierung in Lissabon. Einen Anteil daran hat der in Polen erzielte Kompromiss, der darin bestand, die Linie der vorherigen Regierung in Bezug auf die Charta der Grundrechte beizubehalten, um nicht den gesamten Vertrag zu gefährden.

Es muss jedoch betont werden, dass in Bezug auf den neuen Vertrag eine Stimmung erzeugt wurde, in der die Überlebenschancen der Europäischen Union auf übertriebene Weise von der Annahme oder Ablehnung des Vertrags abhängig gemacht wurden. Nach der Erweiterung im Jahr 2004 und nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens, also mit den 27 Mitgliedsaaten, funktionierte die Gemeinschaft auf der Grundlage des Vertrags von Nizza. Dass sie erfolgreich funktioniert, belegt die Annahme der Finanziellen Vorausschau 2007-13. Zugegebenermaßen gab es Schwierigkeiten bei der Annahme, aber es kam in Geldfragen, dem offenkundig schwierigsten Thema, zu einer Einigung, und deshalb ist es ein Test der die Tauglichkeit der bestehenden institutionellen Regeln beweist.

Trotz dieser und anderer Übereinkünfte wurde in der EU künstlich eine Krisenstimmung erzeugt. Das hat wiederum bei den Bürgern das Vertrauen in die europäischen Institutionen schwinden lassen und Zweifel an der Zweckmäßigkeit einer zukünftigen Erweiterung ausgelöst. Diese gefährliche Spirale, die zum Teil in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 eingedämmt wurde, sollte uns für die Zukunft eine Lehre und eine Warnung sein!

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (PSE), schriftlich. – (RO) Mit der Unterzeichnung des neuen Vertrags auf der Tagung des Europäischen Rates am 13. und 14. Dezember wird die Reform der EU-Organe Realität, vor allem aber erhalten die Bürger Europas mehr Möglichkeiten, ihre Meinung zur europäischen Gesetzgebung darzulegen.

Nach der Ratifizierung des neuen Vertrags werden die Parlamente der Mitgliedstaaten die Gesetzgebungsvorschläge der Kommission auf ihre Tagesordnungen setzen und so die Demokratie in der Union stärken. Wir hätten uns gewünscht, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ein Kapitel dieses Vertrags ist. Leider ist sie dem Vertrag nur als Anhang beigefügt, aber damit wurde die Rechtsgrundlage für die Verbindlichkeit ihrer Bestimmungen geschaffen. Die sechs Kapitel der Charta garantieren das Recht auf die Würde des Menschen, Freiheiten, Solidarität, Gleichheit, justizielle Rechte und Bürgerrechte. Mit der Annahme ihrer Bestimmungen wird in Zukunft jegliche Diskriminierung europäischer Bürger aus Gründen der Staatsangehörigkeit, der ethnischen Herkunft, der Religion, des Alters, des Geschlechts usw. unmöglich werden.

Mit dem Vertrag erhält die Union auch die Möglichkeit, den Kampf gegen den Klimawandel auf internationaler Ebene voranzubringen und ihren Bürgern einen angemessenen sozialen Schutz zu garantieren. Die Union fußt nicht nur auf wirtschaftlichen Kriterien. Wir müssen ein Soziales Europa aufbauen, das auf Solidarität, wirtschaftlichem, sozialem und territorialem Zusammenhalt beruht.

Für die Annahme des neuen Vertrags sind die Einstimmigkeit im Rat und seine Ratifizierung durch alle Unterzeichnerstaaten bis Juni 2009 erforderlich.

 
  
  

VORSITZ: Diana WALLIS
Vizepräsidentin

 

3. Abstimmungsstunde

3.1. Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen EG/Marokko (Abstimmung)
  

- Bericht Johannes Blokland (A6-0416/2007)

 

3.2. Änderung des Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommens EG/Marokko anlässlich des EU-Beitritts Bulgariens und Rumäniens (Abstimmung)
  

- Bericht Paolo Costa (A6-0458/2007)

 

3.3. Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (Abstimmung)
  

- Bericht Reimer Böge (A6-0485/2007)

– Vor der Abstimmung:

 
  
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  Reimer Böge, Berichterstatter. − Frau Präsidentin! Ich möchte Sie bitten, die Kollegen doch einmal dazu zu bringen, sich zu setzen und an der Abstimmung teilzunehmen, weil wir entsprechende Mehrheiten benötigen. Das ist für die nächsten drei Berichte ganz wichtig. Sonst haben wir morgen auch ein Problem bei der Abstimmung über den Haushaltsplan 2008. Ich würde Sie darum bitten, die Kollegen herzlich zu bitten, sich hinzusetzen und an der Abstimmung teilzunehmen, sonst haben wir ein ernsthaftes Problem.

 
  
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  Die Präsidentin. − Danke, Herr Böge, Sie haben vollkommen Recht. Ich bitte die Kollegen, die sich noch nicht gesetzt haben, jetzt ihre Plätze einzunehmen. Es geht hier um namentliche Abstimmungen, die einer qualifizierten Mehrheit bedürfen; es handelt sich um wichtige Abstimmungen. Könnten Sie bitte zu Ihren Plätzen gehen?

 

3.4. Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments (Abstimmung)
  

- Bericht Reimer Böge (A6-0499/2007)

 

3.5. Mehrjähriger Finanzrahmen (Änderung der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006) (Abstimmung)
  

- Bericht Reimer Böge (A6-0500/2007)

 

3.6. Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse (Abstimmung)
  

- Bericht Bogdan Golik (A6-0461/2007)

 

3.7. Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (Abstimmung)
  

- Bericht Pedro Gueirrero (A6-0467/2007)

– Vor der Abstimmung:

 
  
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  Pedro Guerreiro, Berichterstatter.(PT) Beginnen möchte ich diese kurze Erklärung damit, dass ich die Entscheidung des Fischereiausschusses des Europäischen Parlaments begrüße, einen Bericht über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur zu verfassen. Bekanntlich hat diese GMO noch nicht die Ziele erreicht, für die sie geschaffen wurde, nämlich stabile Märkte für Fischereierzeugnisse zu gewährleisten und gerechte Einkommen für die Erzeuger sicherzustellen. Daher begrüßen wir den – wenn auch verspäteten – Beschluss der Europäischen Kommission, eine eingehende Auswertung der derzeitigen GMO vorzunehmen, und fordern sie zu ihrer dringenden Überarbeitung auf, damit sie mehr beiträgt zur Gewährleistung der Einkommen des Sektors, der Stabilität der Märkte, der Verbesserung der Vermarktung der Fischereierzeugnisse und der Steigerung ihres Mehrwerts, insbesondere durch eine beträchtliche Aufstockung der Finanzmittel.

Obwohl einige unserer anfänglichen Vorschläge nicht den nötigen Konsens im Fischereiausschuss fanden, denken wir, dass der jetzt zur Abstimmung vorgelegte Bericht wertvolle Maßnahmen enthält, z. B. Maßnahmen, um zu prüfen, ob die derzeitigen Interventionsmechanismen die geeignetsten sind und die erforderliche Flexibilität aufweisen, um den Erfordernissen in den verschiedenen Mitgliedstaaten gerecht zu werden; eine Entschädigung für Sardinen wie die für Thunfisch bestehende Entschädigung einzuführen; der Forderung nachzukommen, dass die Strukturfonds zur Modernisierung und zur Schaffung von Infrastrukturen zur Unterstützung der Erzeuger bei Produktion und Vermarktung beitragen müssen; die Gründung und das Funktionieren von Erzeugerorganisationen, insbesondere der kleinen Küstenfischerei und der handwerklichen Fischerei, wirksam zu unterstützen; und um sicherzustellen, dass dieselben Normen und Anforderungen, wie sie für die Fischereierzeugnisse der Gemeinschaft gelten, auch auf Importwaren angewendet werden, die auf dem Binnenmarkt gehandelt werden. Obwohl diese Fragen manchen Abgeordneten vielleicht nicht viel bedeuten, sind sie für die Fischer äußerst wichtig.

 

3.8. Europäische Agentur für Flugsicherheit (Abstimmung)
  

- Bericht Jörg Leichtfried (A6-0482/2007)

 

3.9. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Abstimmung)
  

- Bericht Adriana Poli Bortone (A6-0464/2007)

– Vor der Abstimmung:

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Die Kommission gibt folgende Erklärung ab: Die Kommission teilt die vom Parlament zum Ausdruck gebrachten Standpunkte und bestätigt die dringende Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Bewertung der bereits auf dem Markt befindlichen gesundheitsbezogenen Angaben für Kinder. Daher räumt sie dem erforderlichen Verfahren Vorrang ein, um eine rasche Entscheidung über Angaben zu ermöglichen, die die Entwicklung und Gesundheit von Kindern zum Gegenstand haben, und wird auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ersuchen, die Bewertung solcher Angaben vorrangig zu behandeln. Darüber hinaus bestätigt die Kommission, dass vorbehaltlich der Einführung von Nährwertprofilen mit der Bewertung solcher Angaben unverzüglich begonnen werden kann.

 

3.10. Rechtlicher Schutz von Mustern und Modellen (Abstimmung)
  

- Bericht Klaus-Heiner Lehne (A6-0453/2007)

 

3.11. Gemeinsame Marktorganisation für Wein (Abstimmung)
  

- Bericht Giuseppe Castiglione (A6-0477/2007)

 

3.12. Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Abstimmung)
  

- Bericht Werner Langen (A6-0472/2007)

 

3.13. Bekämpfung des Terrorismus (Abstimmung)
  

- Entschließungsantrag (B6-0514/2007)

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 3:

 
  
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  Claudio Fava (PSE). - (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! In dem von unserer Fraktion vorgeschlagenen mündlichen Änderungsantrag geht es darum, die Formulierung „alle Formen der Glorifizierung“ durch das Wort „Rechtfertigung“ zu ersetzen. Nach unserem Dafürhalten drückt das Wort „Rechtfertigung“ besser das Verhalten aus, dem Einhalt geboten werden soll. Wenn Herr Díaz de Mera einverstanden ist, stimmt unsere Fraktion dafür.

 
  
  

(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 27:

 
  
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  Cristiana Muscardini (UEN). - (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Gestützt auf Artikel 151 Absatz 3 der Geschäftsordnung können Sie als Präsidentin über die Zulässigkeit von Erwägungsgrund 6 entscheiden, über den wir in Kürze abstimmen werden. In diesem Erwägungsgrund steht, der Terrorismus ließe sich nicht ausrotten. Kann das Haus wirklich offiziell erklären, der Terrorismus könne nicht ausgerottet werden? Meiner Meinung nach muss es sich entweder um einen Übersetzungsfehler in einigen Texten oder eine gravierende politische Fehleinschätzung handeln. Daher bitte ich Sie, Frau Präsidentin, über die Zulässigkeit dieses Erwägungsgrunds zu entscheiden.

 
  
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  Die Präsidentin. − Frau Muscardini, alle Zulässigkeitskontrollen sind bereits durchgeführt worden, und Änderungsanträge konnten eingebracht werden, daher können wir hier nichts machen, fürchte ich.

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 33:

 
  
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  Claudio Fava (PSE). - (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte wissen, ob die Person, die den Änderungsantrag eingebracht hat, einverstanden damit wäre, die beiden folgenden Formulierungen im Satz zu streichen, die da lauten: „in einigen wenigen Fällen“ und „die gegebenenfalls nicht rechtmäßig sind“. Wenn diese zwei Formulierungen im Änderungsantrag gestrichen werden, wären wir bereit, diesen zu unterstützen.

 
  
  

(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)

 
  
  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

 

4. Proklamierung und Unterzeichnung der Charta der Grundrechte
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  Der Präsident. − Herr Präsident des Europäischen Rates, lieber José Sócrates, Herr Präsident der Europäischen Kommission, lieber José Manuel Durão Barroso, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine große Freude, Sie heute im Zentrum der europäischen Demokratie, im Europäischen Parlament, aus Anlass der feierlichen Unterzeichnung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union willkommen heißen zu dürfen. Es ist dies vor allem für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ein glücklicher Tag.

Fünfzig Jahre nachdem die Gründerväter Europas aus den Ruinen eines zerstörten Kontinents die Europäischen Gemeinschaften ins Leben riefen, wollen wir heute feierlich unsere gemeinsamen Werte als Kern unserer europäischen Identität zum Ausdruck bringen.

Die Charta der Grundrechte, die wir heute proklamieren, symbolisiert den bedeutenden Weg hin zu einer Union der Bürgerinnen und Bürger, den wir gemeinsam in den letzten fünfzig Jahren zurückgelegt haben.

Diese Charta beweist, dass wir mit der Gründung der Europäischen Union die allerwichtigste Lehre aus der Geschichte Europas gezogen haben: Die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen, die Bewahrung der erworbenen Freiheit, des Friedens und der Demokratie, die Geltung des Rechts sind für uns auch heute Antriebskraft der europäischen Einigung.

Freiheit kann nicht ohne den Respekt vor den Rechten des anderen entstehen, Frieden nicht ohne fairen Ausgleich untereinander. Freiheit, Frieden, Recht und soziales Wohlergehen sind nur miteinander, nicht gegeneinander möglich.

Das haben die Gründerväter verstanden und Europa als Rechtsgemeinschaft begründet. In der Europäischen Union hat nicht die Macht das Recht, sondern das Recht die Macht. Das ist das eigentlich Moderne und Zukunftsorientierte an unserer europäischen Wertegemeinschaft. Nur das Recht sichert uns allen den Frieden!

Diese Vision hat sich erfüllt. Noch viel mehr, sie hat sich in der Auseinandersetzung der Systeme zwischen Freiheit und Demokratie auf der einen sowie Diktatur und Rechtlosigkeit des Einzelnen auf der anderen Seite als stärker und erfolgreicher erwiesen.

Das Wunder unserer Generation ist die Überwindung der Teilung unseres Kontinents. Der Fall des Eisernen Vorhangs und die Aufnahme von zwölf Ländern in die Europäische Union wurden möglich, weil der Ruf nach Freiheit und Demokratie, die Kraft gleicher Rechte für alle Menschen stärker waren als menschenverachtende Ideologien im zwanzigsten Jahrhundert.

In der am 25. März dieses Jahres aus Anlass der Feierlichkeiten des 50. Jahrestages der Römischen Verträge angenommenen Berliner Erklärung wird eine wichtige Tatsache ausgesprochen: Heute sind „wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zu unserem Glück vereint“ – und es ist unser Glück, dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte für uns alle in der Europäischen Union Wirklichkeit geworden sind.

Mit der heutigen feierlichen Proklamation der Charta der Grundrechte haben wir jetzt die große Verpflichtung und Chance, den Menschen in der Europäischen Union, jenen nahezu 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, sowie den Generationen von morgen deutlich zu machen, was das eigentliche Wesen der europäischen Einigung ist.

In der Europäischen Union, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es nicht nur um ökonomische Kalkulationen von Kosten und Nutzen. Dies alles ist wichtig und wird auch weiterhin unser Leben in der Europäischen Union beeinflussen. Wir sind aber zuerst eine Wertegemeinschaft, wir leben täglich Solidarität, Freiheit und Gleichberechtigung. Diese gemeinsamen Werte, deren Kern der im Artikel 1 der Grundrechtecharta verankerte Respekt der unantastbaren Menschenwürde bildet, sind das Fundament der europäischen Einigung.

(Beifall)

Für das Europäische Parlament war deshalb eine rechtsverbindliche Anerkennung der Grundrechtecharta unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Einigung über die Reform der europäischen Verträge. Und hier hat sich das Europäische Parlament durchsetzen können:

Der Verweis auf die Charta der Grundrechte im Artikel 6 des Vertrags von Lissabon, der morgen von den Staats- und Regierungschefs unterschrieben werden wird, verleiht der Grundrechtecharta den gleichen rechtlich bindenden Charakter wie den Verträgen selbst.

Über einen umfassenden Katalog von Grund- und Menschenrechten zu verfügen, der für alle Bürgerinnen und Bürger der Union gleichermaßen verbindlich und einklagbar ist, das ist im Europa des 21. Jahrhunderts nicht nur selbstverständlich, sondern es ist vor allem das Herzstück unseres europäischen Selbstverständnisses.

(Beifall)

Der Mensch und seine Würde stehen im Mittelpunkt unserer Politik. Die Europäische Union bildet damit einen Rahmen, der es uns als Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union ermöglicht, den Weg in unsere gemeinsame Zukunft friedlich zu gehen.

Ohne dieses klare Wertefundament, auf das wir uns immer wieder besinnen müssen, hat die Europäische Union keine Zukunft. Wir wären auch nicht berechtigt, in der Welt die Menschenrechte einzuklagen, wenn wir daran scheitern würden, unsere Werte selbst als geltendes Recht in der Europäischen Union anzuerkennen.

(Beifall)

Und wir werden uns von niemandem – ob in der Europäischen Union oder außerhalb der Europäischen Union – bei der entschlossenen Verteidigung der Menschenrechte einschränken lassen. Wir als Europäisches Parlament haben die moralische und politische Verpflichtung, die Menschenwürde immer zu verteidigen!

(Beifall)

In unserer Welt von heute müssen wir als Europäerinnen und Europäer als Wertegemeinschaft auftreten – und eintreten für die Würde des Menschen, und wir müssen den Dialog der Kulturen suchen. Wir dürfen dies mit Selbstbewusstsein tun und wir müssen dies mit nie nachlassendem Engagement tun. Und niemand wird uns daran hindern!

(Beifall)

Bei der Erarbeitung der Grundrechtecharta wurde zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Einigung eine neue, offene und demokratische Konventsmethode angewendet. Diese Methode hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, und der Konvent wurde zum Vorbild und Ausgangspunkt des gesamten Reformprozesses.

Das Europäische Parlament hat sich bei der Erarbeitung der Grundrechtecharta besonders engagiert und einen entscheidenden Einfluss auf den Inhalt des Textes genommen.

Mit der Charta der Grundrechte werden zum ersten Mal sowohl die wirtschaftlichen und sozialen als auch die politischen Rechte und die Freiheitsrechte gleichberechtigt verankert. Die Grundrechte werden im Tätigkeitsbereich der Union und in der Anwendung des Gemeinschaftsrechts geschützt. Und mit der Grundrechtecharta wird für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union der Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ermöglicht. Wir hoffen, dass der Tag kommen möge, an dem die Charta der Grundrechte für alle Mitgliedstaaten geltendes Recht wird.

(Beifall)

Ich möchte an alle appellieren: Grund- und Menschenrechte sind unteilbar. Im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sollten sich alle Staaten der Union ungeteilt diesem europäischen Konsens anschließen.

Diese heutige feierliche Erklärung sollte aber auch Anlass für alle Bürgerinnen und Bürger sein, die mit der Grundrechtecharta ihre eigenen Rechte in Anspruch nehmen können, sich auch ihrer Pflichten gegenüber der Gemeinschaft der Europäerinnen und Europäer, der Welt und der zukünftigen Generationen bewusst zu werden. Rechte gibt es nicht ohne Pflichten. Es ist die Solidarität, die uns vereint.

(Beifall)

Wir schaffen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger und geben unserer Europäischen Union ein solides Fundament gemeinsamer demokratischer Grundrechte. Die heutige feierliche Proklamation zeigt, dass unsere Wertegemeinschaft lebt und wächst. Heute wird diese Wertegemeinschaft in der europäischen Bevölkerung verankert und den Menschen in der Europäischen Union ans Herz gelegt. Der heutige Tag ist ein großer Erfolg für die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union und wir können uns alle darüber von Herzen freuen.

(Starker Beifall)

(Unruhe im Saal)

 
  
  

(Mehrere Mitglieder bekunden laut ihren Widerspruch und entfalten Spruchbänder und Transparente.)

 
  
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  Der Präsident. − Ich bitte, dass die Transparente jetzt weggenommen werden. Seien Sie höflich gegenüber unserem Gast hier im Europäischen Parlament.

Herr Präsident des Europäischen Rates, ich möchte Sie bitten, jetzt zu uns zu sprechen.

 
  
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  José Sócrates, amtierender Ratspräsident.(PT) Herr Präsident des Europäischen Parlaments, Herr Präsident der Europäischen Kommission, meine Damen und Herren! Heute, in einer feierlichen Sitzung des Europäischen Parlaments, proklamieren wir die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und ich will Ihnen deutlich sagen, dass dieser Tag – der 12. Dezember – von nun an ein grundlegendes Datum in der Geschichte der europäischen Integration sein wird. Ein fundamentales Datum in der Geschichte Europas.

(Beifall)

(Tumult in den Reihen der NI und IND/DEM)

 
  
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  Der Präsident. − Ich bitte Sie, dass Sie sich gedulden. Sie sollten wenigstens den Anstand haben, unseren Redner aussprechen zu lassen.

Herr Präsident Sie haben das Wort.

 
  
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  José Sócrates, amtierender Ratspräsident.(PT) Wie laut manche auch lärmen mögen, um andere am Reden zu hindern, heute ist ein denkwürdiger Tag in der Geschichte Europas. Und ich möchte Ihnen auch sagen, dass dieser Tag, diese Zeremonie wahrscheinlich die wichtigste ist, an der ich die Ehre hatte teilzunehmen. Die wichtigste Zeremonie meiner gesamten politischen Laufbahn.

Als Europäer fühle ich mich hoch geehrt, eine Charta zu unterzeichnen und eine Charta der Grundrechte zu proklamieren, und besonders ehrenvoll ist für mich, dass diese Charta während der portugiesischen Präsidentschaft verkündet wird. Ich fühle mich als Europäer geehrt, und ich fühle mich als Portugiese geehrt, besonders da in unserer Präsidentschaft im Jahr 2000 der Konvent seine Arbeit aufnahm, der zu dieser Charta führte. Deshalb möchte ich vor dem Europäischen Parlament erklären, welche Ehre es für mein Land ist, so mit einem bedeutsamen Schritt im Projekt der europäischen Bürgerschaft verbunden zu sein.

Diese Charta repräsentiert das Eintreten für die Werte, die der europäischen Zivilisation den Weg bahnten, die Werte, die in der Verteidigung der menschlichen Würde verankert sind, und wir erklären hier, dass wir an diesen Werten festhalten, die ihren Ursprung in der allen Mitgliedstaaten der Union gemeinsamen Verfassungstradition und auch in internationalen Rechtsakten haben, z. B. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Und um diese Übereinstimmung noch zu unterstreichen, sieht der Vertrag von Lissabon selbst vor, dass die Union dem Übereinkommen des Europarates beitritt und damit anerkennt, was der Schutz der Grundrechte heute in modernen Demokratien bedeutet.

Deshalb ist heute ein so außergewöhnlicher Tag, denn von heute an werden die Grundrechte, auch wenn es einigen nicht gefällt, als Teil des gemeinsamen Erbes der Union formell und unumkehrbar festgeschrieben, eines politischen Erbes, eines bürgerschaftlichen Erbes und eines Erbes der besten Seiten der europäischen Kultur.

Zugleich ist diese Charta auch ein Instrument für politisches Handeln, ein Instrument für die Institutionen, denn die Charta wird deren Aktivitäten prägen. Sie werden verpflichtet, die in der Charta festgehaltenen Rechte und Grundsätze zu achten und die Anwendung dieser Rechte und Grundsätze zu fördern, aber sie ist auch ein Instrument für das Engagement der Bürger, denn sie zeigt, dass das Projekt der Union ein bürgerschaftliches Projekt ist, und sie demonstriert, dass die Union im Dienst ihrer Bürger steht und dass sie deren Rechte schützt und fördert.

Im europäischen Umfeld verkörpert die Charta, wie die Menschenwürde und die Durchsetzung sozialer Rechte gewahrt werden. Deshalb hat sie auch eine soziale Komponente, weil sie die Menschenwürde auf die Welt der Arbeit, die Welt der Beschäftigung, die Welt der Gesundheit, den Bereich der sozialen Sicherheit und Wohlfahrt überträgt und auch die Würde des Menschen in Bezug auf den Umweltschutz berücksichtigt. Sie ist die Charta für Gleichheit und Solidarität, die Charta für den Kampf gegen jedwede Diskriminierung, und sie ist eine Charta für Gleichberechtigung, verankert sie doch einen speziellen Gesichtspunkt, das besondere Augenmerk auf Kindern und Jugendlichen, auf der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, der Rolle der Älteren und den wesentlichen Fragen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte und personengebundenen Daten.

Zu betonen sind auch die in der Charta verankerten Freiheiten, die Freiheiten in Verbindung mit der europäischen Bürgerschaft und den damit einher gehenden politischen Rechten sowie die wirtschaftlichen Freiheiten auf der Grundlage der Römischen Verträge, deren 50. Jahrestag wir in diesem Jahr feiern. Daher stehen wir zu unseren Traditionen und bekräftigen das Verbot der Todesstrafe, und ich begrüße besonders den Beschluss des Rats in der letzten Woche, den Europäischen Tag gegen die Todesstrafe zu begehen.

Abschließend möchte ich darauf verweisen, dass die Charta die Rechte der Bürger und die Rechte der Menschen erfasst und sich dabei nicht allein an die Bürger der Mitgliedstaaten wendet, was nicht weniger wichtig ist, denn sie bildet von heute an ein Grundelement unserer Überzeugung, dass eine bessere Welt eine Welt ist, in der diese Rechte und Freiheiten universell geachtet werden.

Von heute an steht die Charta im Dienst der Außenpolitik der Europäischen Union, die eine Welt anstrebt, in der all diese Rechte und Freiheiten universell geachtet und garantiert sind. Daher verweist sie ganz klar auf die Haltung der Europäischen Union auf der internationalen Bühne und zu jeder Maßnahme, die zur Gewährleistung der weltweiten Achtung der Grundrechte vorgeschlagen wird.

Deshalb können sich die Bürger Europas auf diese Weise in einer Union wieder finden, die ihre Union ist. Sie können die Rechte erkennen, die ihnen die Union garantiert, und verstehen, dass Europa ein Vorhaben für Frieden und Demokratie ist, ein Projekt, in dem die Rechte des Einzelnen vollständig geachtet werden. Hier liegt unsere moralische Autorität, und es ist der Geist dieser Zeremonie, der die drei Institutionen vereint. Wir proklamieren diese Charta am Vorabend der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon, eine Charta mit dem Rechtsstatus eines Grundgesetzes und einem Rechtsstatus, der dem Status der Verträge gleichkommt, zum Nutzen vieler und zum Missfallen einiger. Diese Charta gehört zum Vertrag.

(Lang anhaltender Beifall)

(Erneuter Tumult in den Reihen der NI und IND/DEM)

 
  
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  Der Präsident. − Sie sollten wenigstens den Anstand haben, den Redner ausreden zu lassen.

Lautstärke ist kein Argument. Verlassen Sie den Raum!

 
  
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  José Sócrates, amtierender Ratspräsident.(PT) In dieser globalisierten Welt, in der viele behaupten, wirtschaftliche und finanzielle Regelungen seien absolut, signalisiert die Tatsache, dass siebenundzwanzig europäische Staaten im Umfeld der Union ihr festes Eintreten für die Werte und Ziele bekräftigen, mit denen die Grundrechte geschützt und gewährleistet werden sollen, einen Beitrag zur Regulierung der Globalisierung selbst. Grundrechte sind eine gemeinsame Tradition demokratischer Rechtsstaaten, schränken die Vollmachten der Behörden ein und schaffen Grundinstrumente für den Schutz des Einzelnen.

Mit ihrer Verbindlichkeit für die Institutionen und Staaten der Union schränkt die Charta die Befugnisse der Behörden zugunsten des Schutzes der Interessen der Bürger und ihrer Organisationen ein. Und mit der förmlichen Festlegung dieser Einschränkung der Kompetenzen der Behörden wird das Subsidiaritätsprinzip durch die Grenzen für ihre Anwendung strikt geachtet und wird das eminent demokratische Wesen der Union selbst gestärkt. Die Verteidigung der Grundrechte ist ganz klar ein Wert, der für die europäische Identität wesentlich und der Teil unseres genetischen Codes ist, ein Element, das das gesamte europäische Projekt strukturiert und Europa befähigt, als Werteunion definiert zu werden, und die Welt erwartet von Europa, dass es diese Werte bedingungslos bejaht.

Dies ist das Europa, zu dem ich gehören will, ein Europa, das eben diese Werte verteidigt. Und wir alle, ich und alle Abgeordneten, wissen sehr gut, dass der Kampf für die Grundrechte eine tagtägliche und wahrscheinlich endlose Aufgabe ist, eine Aufgabe für die Staaten, die Zivilgesellschaften, die Industrieunternehmen und Gewerkschaften, eine Aufgabe für jeden einzelnen Bürger. Wenn wir die Charta proklamieren, freuen wir uns daher über die mit ihr erreichte Vereinbarung, über die Anerkennung ihres rechtlichen Werts auf gleicher Stufe mit genau den Verträgen, mit denen die Union geschaffen wurde.

Abgesehen davon, dass wir mit ihr einen Freudentag begehen, stellt die Proklamation der Charta auch eine Vereinbarung der EU-Organe darüber dar, sie in ihren Handlungen täglich zu respektieren und anzuwenden. Nur so werden wir Europas Geschichte gerecht, nur so werden wir würdige Erben der besten Merkmale unserer kollektiven Identität und unserer gemeinsamen Tradition sein: einer kollektiven Identität und einer gemeinsamen Tradition, die einem Europa zur Ehre gereichen, das für die Rechte, die Freiheiten und die Garantien seiner Bürger kämpft. Ich danke Ihnen allen.

(Erneuter lang anhaltender Beifall mit Ausnahme der GUE/NGL, der NI und der IND/DEM.)

 
  
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  Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie über Folgendes informieren, und ich darf bitten, dass wir jetzt die nötige Ruhe bewahren: Der König von Jordanien ist im Europäischen Parlament. Er wird gleich nach dieser feierlichen Proklamation der Grundrechtecharta zu uns sprechen. Ich bitte auch mit Rücksicht auf unseren Gast aus Jordanien darum, dass wir jetzt keine Unterbrechung vornehmen, sondern diese Proklamation würdig zum Abschluss bringen.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission.(PT) Herr Präsident des Europäischen Parlaments, Herr Ministerpräsident von Portugal und Herr Präsident des Rates der Europäischen Union, meine Damen und Herren! Am Vorabend der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon unterzeichnen die Präsidenten der drei politischen Institutionen der Europäischen Union – des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission – hier in Straßburg die Europäische Charta der Grundrechte.

Für mich ist es eine große persönliche Ehre, an einem so bedeutsamen Akt teilzunehmen. Die Proklamation der Charta der Grundrechte verankert eine Rechtskultur in Europa. In der Europäischen Union, die vor allem eine Gemeinschaft ist, in der das Recht herrscht, erfordern institutionelle Änderungen eine verstärkte Achtung der Grundrechte.

Präsident der Kommission.(EN) Verehrte Abgeordnete! Heute bekräftigen drei europäische Organe erneut ihre Verpflichtung – eine Verpflichtung, die sie im Dezember 2000 eingingen, als die Charta zum ersten Mal proklamiert wurde. Nach nunmehr sieben Jahren gehen wir jetzt allerdings einen entscheidenden Schritt weiter.

Die Charta von 2000 war rechtlich nicht bindend. Mit der morgigen Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon und der anschließenden Ratifizierung wird die Charta Teil des Primärrechts der Europäischen Union und wird denselben juristischen Wert haben wie die Verträge selbst. Dieser Fortschritt wird für die europäischen Bürger sehr konkrete Vorteile bringen. Lassen Sie mich diesen Punkt anhand eines kurzen Blicks auf den Inhalt der Charta illustrieren. Die 54 Artikel umfassen Rechte, die bis jetzt durch den Gerichtshof von Fall zu Fall anerkannt werden mussten. Nun sind sie zusammengefasst worden.

Indem sie die Grundprinzipien der menschlichen Würde anerkennt, vereinigt die Charta zuallererst die klassischen bürgerlichen Freiheiten, die bereits in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte enthalten sind: Redefreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und das Antidiskriminierungsprinzip.

Die Charta schreibt darüber hinaus wirtschaftliche und soziale Rechte fest. Sie umfasst das Recht auf Eigentum und das Recht auf unternehmerische Freiheit, gleichzeitig jedoch die Rechte von Arbeitnehmern und Sozialpartnern, und sie verankert Themen wie soziale Absicherung und soziale Unterstützung.

Die Charta trägt auch den neuen Herausforderungen Rechnung, vor denen die Gesellschaft heute steht. Sie enthält daher Garantien in Bezug auf Datenschutz, Bioethik und ordnungsgemäße Verwaltung, also so genannte „Rechte der Dritten Generation“. Diese werden in vielen Bereichen unserer Aktivität enorm wichtig werden, sei es in der Forschungspolitik, im Bereich von Freiheit, Sicherheit und Recht oder in unserem permanenten Streben nach verantwortungsvoller Staatsführung.

(FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Charta der Grundrechte wird dazu beitragen, die Europäische Union in einer wahrhaften Kultur der Grundrechte zu verankern. Indem wir heute die Charta der Grundrechte unterzeichnen, verpflichten wir, die Präsidenten der drei politischen Institutionen der Europäischen Union, uns vor allem dazu, diese Rechte bei allem, was wir tun, einzuhalten. Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass es einfach ist, diese Verpflichtung einzuhalten, aber in der Realität wird es eine ständige Herausforderung sein, die vollständige Einhaltung der bürgerlichen Freiheiten bei allen Politiken der Europäischen Union zu gewährleisten, sei es bei der Verabschiedung von Gesetzen für den Binnenmarkt, bei der Steuerung der Zuwanderung oder bei den Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus.

Die Charta ist das erste jemals auf internationaler Ebene erstellte rechtlich bindende Dokument, das in einem Text nicht nur politische und bürgerliche Rechte, sondern auch wirtschaftliche und soziale Rechte vereint, die alle demselben rechtlichen Kontrollsystem unterliegen. Ganz ohne Zweifel ist sie eine große Errungenschaft, auf die die Europäische Union stolz sein sollte. Es ist, glaube ich, von besonderer Bedeutung, dass dies jetzt im neuen erweiterten Europa möglich ist, einem Europa, das früher durch totalitäre und autoritäre Regime, die die Menschenrechte missachtet haben, geteilt war, während unser heutiges Europa ein um die Werte von Freiheit und Solidarität vereintes Europa ist.

(Beifall)

Wenn wir zusammenarbeiten, um die Kultur der Menschenrechte zu fördern, leisten wir einen wesentlichen Beitrag zu einem Europa, das wirklich in Werten verwurzelt ist – greifbaren Werten, die in den Augen seiner Bürger glaubwürdig sind. Gestärkt durch diese Charta ist Europa entschlossener geworden, seine Werte weltweit zu fördern. Seit der Universellen Menschenrechtsdeklaration ist Europa im Kampf für die Grundrechte führend. Ab jetzt wird es besser gerüstet sein, um diesen Kampf erfolgreich im Interesse von Freiheit, Frieden und Demokratie fortzuführen.

(Lang anhaltender Beifall)

(Mehrere Mitglieder bringen lautstark ihre Ablehnung zum Ausdruck, indem sie Fähnchen und Spruchbänder entfalten und „Referendum!" rufen.)

(Präsident José Sócrates und José Manuel Barroso nehmen die Unterzeichnung der Charta der Grundrecht vor.)

 

5. Feierliche Sitzung - Jordanien
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  Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin Ferrero-Waldner, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für das Europäische Parlament eine ganz besondere Ehre, heute in Straßburg den König des Haschemitischen Königreichs Jordanien, Seine Majestät Abdullah II., willkommen heißen zu können. Herzlich willkommen im Europäischen Parlament!

(Beifall)

In der Begleitung von König Abdullah II. begrüße ich auch seine hochrangige Delegation, insbesondere die Präsidenten der beiden Parlamente Jordaniens.

(Beifall)

Der heutige Besuch des Königs ist bereits der dritte seit 2002, als der König zum ersten Mal im Europäischen Parlament gesprochen hat. Im November 2004 hat der König die Konferenz der Präsidenten in Brüssel besucht. Sein heutiger Besuch und seine Rede hier im Europäischen Parlament sind sowohl ein Zeichen der guten Partnerschaft zwischen dem Königreich Jordanien und dem Europäischen Parlament als auch ein gutes Signal für unsere gemeinsame Zukunft im Mittelmeerraum.

Majestät, ich hatte eine sehr viele längere Rede vorbereitet. Da wir Ihnen aber zumuten mussten, ein wenig zu warten, werde ich meine Rede abkürzen und Ihnen einfach sagen: Es ist wunderbar, dass Sie bei uns sind, und es ist eine Freude, Sie jetzt bitten zu dürfen, zu uns zu sprechen.

(Beifall)

 
  
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  Abdullah II, König des Haschemitischen Königreichs von Jordanien. (EN) Bismillah ar-Rahman ar-Rahim, Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die herzliche Begrüßung. Ich fühle mich geehrt, im Namen des jordanischen Volkes erneut vor diese ehrwürdige Versammlung treten zu dürfen.

Liebe Freunde, wir sehen heute ein sich veränderndes Europa und einen sich verändernden Nahen Osten. Ein Europa mit immer mehr Mitgliedstaaten und mit der visionären Mission einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und eines unbegrenzten Wachstums; einen Nahen Osten mit neuen Horizonten und wachsender Hoffnung: der Hoffnung auf Frieden unter unseren Nachbarn, auf Chancen für unser Volk und auf eine Zukunft für unsere Jugend.

Es handelt sich hier keineswegs um von einander getrennte Tendenzen. Wenn sich die Hoffnungen in unseren beiden Regionen erfüllen, wird dies zu mehr Stabilität beitragen und neue Möglichkeiten für Sicherheit und Wohlstand auf der ganzen Welt eröffnen. Wir wollen unbedingt, dass dies gelingt. Momentan bietet sich uns eine entscheidende Chance.

Vor zwei Wochen fand in Annapolis mit Unterstützung der Europäischen Union und von Staaten aus unseren beiden Regionen ein Treffen zwischen Israelis und Palästinensern statt. Man sicherte bedingungslose Verhandlungen zu, um noch 2008 ein Friedensabkommen zu können, sowie unverzügliche Schritte zur Umsetzung der im Rahmen der Road Map eingegangenen Verpflichtungen. Zum ersten Mal seit Jahren erleben wir, dass sich eine dauerhafte Beilegung des Konflikts abzeichnet und ein unabhängiger, souveräner, funktionierender palästinensischer Staat in greifbare Nähe rückt.

(Beifall)

Dieser Fortschritt ist das Verdienst vieler, die sich für den Frieden eingesetzt haben, einschließlich führender Politiker in Europa und in den arabischen Ländern. Wir waren der Meinung, dass nach Jahren der sich zuspitzenden Krise eine Änderung der Strategie notwendig geworden war. Wir forderten eine erneute Verpflichtung, sich für eine Zweistaatenlösung und ein gezieltes Verfahren zu deren Erreichung mit straffen Zeitvorgaben, nachvollziehbaren Forderungen und klar abgegrenzten Umsetzungsphasen einzusetzen.

Man bekommt nur selten eine zweite Chance, aber ich bin davon überzeugt, dass es dieses Mal wirklich eine ist. Wir stehen vor sehr konkreten Herausforderungen, und in Annapolis wurde ein neuer Funke der Hoffnung entzündet. Wir können und müssen diesen Funken anfachen, damit er zu einer lodernden Flamme des Vertrauens wird, damit wir handeln können und spürbare Ergebnisse erzielen.

Als unser Nachbar teilt Europa unser Interesse an einer Lösung dieser so zentralen Krise unserer Epoche. Alle Beteiligten schätzen die neutrale Rolle Europas und auch das Vorbild Europas für Fortschritt und Frieden in einer Region. Jahrelang waren Sie unser Partner bei der Suche nach Lösungen. Und Sie werden auch unser Partner sein, wenn es darum geht, von den Erfolgen zu profitieren, von der Dynamik einer Zone des Friedens und des Wohlstands, die sich über unsere gesamte nördliche Halbkugel erstreckt.

Aufgrund dieser Tatsachen wird Europa eine wichtige und herausragende Rolle bei der zukünftigen Gestaltung des Friedens zuteil. Ich meine damit insbesondere die Europäische Union und Sie, die Repräsentanten Europas, hier im Europäischen Parlament. Außerdem bin ich heute hierher gekommen, um Sie dazu aufzufordern, sich aktiv zu engagieren, Ihre spezifischen praktischen Fähigkeiten einzubringen und in die Zukunft zu investieren und auch, um die Mitwirkung Jordaniens bei den bevorstehenden Aufgaben anzubieten.

Liebe Freunde, es gibt vorrangige Bereiche, in denen sofort etwas getan werden muss. Zuallererst gilt es, die Verhandlungen und deren Zielsetzungen zu unterstützen, nämlich eine endgültige Beilegung des Konflikts, Sicherheit sowohl für Palästina als auch für Israel und zu guter Letzt einen souveränen, unabhängigen und funktionierenden palästinensischen Staat.

(Beifall)

Wir dürfen die damit verbundenen Schwierigkeiten nicht unterschätzen. Die Probleme sind komplex und Jahrzehnte alt. Echte Missstände müssen bewusst gemacht und beseitigt werden. Positiv ist, dass Israelis und Palästinenser begreifen, dass sie gemeinsam für die Beilegung des Konflikts verantwortlich sind. Und es ist bereits viel getan worden. Durch den Oslo-Friedensprozess, die Road Map, das Genfer Abkommen und andere Initiativen ist es möglich geworden, die Bedingungen für eine Lösung des Konflikts zu konkretisieren. Ich bin überzeugt davon, dass die Beteiligten es bis zum Finale schaffen können.

Dafür ist allerdings das Engagement der internationalen Gemeinschaft von äußerster Wichtigkeit. Europa besitzt eine einzigartige Erfahrung, was die Mechanismen und Verfahren von Wiederaufbau und Aussöhnung betrifft. Dazu gehört auch ein sicherheitspolitischer Rahmen, der für beide Seiten Sicherheit bietet. Europäische Friedenstruppen haben im Libanon einen konstruktiven Beitrag geleistet. Ihr Einsatz kann einer palästinensisch-israelischen Friedenslösung zu einem großen Vertrauensvorsprung verhelfen.

Vor Ort braucht man nicht nur Ressourcen, sondern auch Partnerschaften, um die Chancen für die Wirtschaft zu verbessern, Vertrauen in den politischen Prozess zu wecken und dabei zu helfen, die Bedingungen für einen nachhaltigen Frieden zu schaffen. Sowohl Palästinenser als auch Israelis müssen konkrete Ergebnisse sehen, und dies rasch. Das bedeutet Sicherheit vor Gewalt und ein Ende der Besatzung; das bedeutet aber auch bessere Lebensbedingungen. In den besetzten Gebieten ist die humanitäre Situation der Palästinenser nach wie vor erschreckend. Die Menschen brauchen Zugang zu Arbeit und Bildung, eine funktionierende öffentliche Verwaltung und vieles mehr. Solche Maßnahmen wären eine maßgebliche Unterstützung der Hoffnung und ein schlagkräftiges Argument gegen die Vorhersagen der Extremisten, dass sich ohnehin nichts ändern wird.

Nächste Woche werden Geberländer und Institutionen auf der Geberkonferenz in Paris Vereinbarungen treffen und das weitere Vorgehen planen. Europäische Länder und die Europäische Union leisten bereits in großem Umfang Hilfe, was von den Menschen in der gesamten Region hoch geschätzt wird.

Eine zweite damit verbundene Notwendigkeit ist es, das Friedenspotenzial zu begreifen und zur Sprache zu bringen. Wir müssen jetzt damit beginnen, uns die Zukunft neu vorzustellen: Eine Region, in der aus dem Konflikt Zusammenarbeit geworden ist, in der die regionale Wirtschaft die Fähigkeiten und Ressourcen von 22 Ländern vereint – über 300 Millionen Menschen leben hier zwischen dem Atlantischen und dem Indischem Ozean – und wo grenzübergreifende Partnerschaften zu mehr Entwicklung, Gesundheit, Umweltfreundlichkeit und vielen anderen Werten beitragen.

In einer solchen Zukunft werden die Bürger in vollem Umfang am globalen Fortschritt teilhaben können. Dadurch wird sich sowohl in der Wissenschaft als auch in der Technik und im Handel eine Partnerschaft mit einer neuen Dimension zu unseren europäischen Nachbarn entwickeln.

Um dieser viel versprechenden Zukunft willen müssen wir nun rasch zu einer umfassenden Friedenslösung gelangen, indem wir die syrischen und libanesischen Bemühungen unterstützen. In der Tat hat die gesamte arabische Welt erkannt, wie wichtig es ist, sich vorwärts zu bewegen. Die arabische Friedensinitiative wurde im letzten Frühjahr einhellig befürwortet. Sie hat Unterstützung aus moslemischen Ländern außerhalb der Region erhalten. Zu guter Letzt haben wir jetzt die Chance auf einen souveränen, unabhängigen und funktionierenden palästinensischen Staat und vollkommen normale Beziehungen zwischen Israel und 57 arabischen und moslemischen Staaten. Das bedeutet Akzeptanz; Akzeptanz durch Schlüsselländer mit Milliarden von Einwohnern, die nahezu ein Drittel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen repräsentieren. Dies eröffnet uns eine gemeinsame Zukunft der Sicherheit, des Friedens und neuer partnerschaftlicher Beziehungen.

Wenn es uns gelingt, diesen Frieden zu erreichen, wird sich dies auch nachhaltig auf andere Bereiche auswirken. In der Region wird ein neuer strategischer Raum für die Lösung anderer gravierender Probleme, von der Armut bis hin zum Waffenhandel, geschaffen. Aggressiven Kräften wird es nicht länger möglich sein, die Palästinafrage für ihre eigenen Ambitionen und Interessen auszunutzen.

(Beifall)

Es werden Mittel freigesetzt, und die Aufmerksamkeit kann darauf gerichtet werden, das Potenzial der Region durch Entwicklung und Reformen voranzubringen.

Wir in Jordanien sind bereit, uns dieser Zukunft zu stellen. Wir haben trotz der Instabilität in der Region unser Reformprogramm vorangebracht. Im letzten Jahrzehnt haben wir bedeutende Ziele erreicht: ein starkes Wirtschaftswachstum, eine Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens und ein vorbildliches Bildungssystem. Europa war ein wichtiger Partner, der uns sowohl mit Investitionen aus dem Privatsektor als auch mit offiziellen Hilfsleistungen unterstützt hat. Gestatten Sie mir die Bemerkung, dass wir die Unterstützung und Freundschaft dieses Parlaments und der Europäischen Union sehr schätzen.

(Beifall)

Wir sind davon überzeugt, dass unsere Partnerschaft nach dem Friedensschluss nur noch fester werden kann.

Liebe Freunde, heute können wir an eine stärkere Nachbarschaft denken, eine Nachbarschaft, die sich von der nördlichen Ostsee bis zum südlichen Mittelmeer erstreckt, eine Nachbarschaft zwischen Europa und dem Nahen Osten. Das ist die Basis der EuroMed-Partnerschaft, unserer interregionalen Plattform für Zusammenarbeit und Entwicklung. Diese Partnerschaft zeichnet sich aus durch sehr viele gemeinsame Interessen und einem unbegrenzten Potenzial. Es ist an uns, unsere Partnerschaft so weit wie irgend möglich auszubauen.

Die jungen, heute heranwachsenden Europäer haben nie ein geteiltes Europa gekannt. Ihre gleichaltrigen palästinensischen und israelischen Kameraden haben keine solch positiven Erfahrungen. Sie sind in einer Welt der Trennung und des Konflikts aufgewachsen. Gemeinsam haben wir jetzt die Chance, die Schranken für die Zukunft dieser jungen Menschen zu beseitigen und die Vergangenheit hinter uns zu lassen.

Im Europäischen Parlament sind heute wesentlich mehr Mitgliedstaaten vertreten als bei meiner Ansprache vor gerade einmal fünf Jahren. Das ist das Ergebnis des Einsatzes der gesamten Region für die Erweiterung der Zone der Partnerschaft und des Fortschritts. Der Nahe Osten steht vor derselben wichtigen Aufgabe. Gemeinsam können wir nun dieser Arbeit zum Erfolg verhelfen.

Heute hat ein neuer Friedensprozess begonnen. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass solche Initiativen gescheitert sind. Aber diesmal hat ein einzigartiges Zusammentreffen von Ereignissen neue Erfolgschancen geschaffen. Jetzt können und müssen wir das Friedensversprechen einlösen, und zwar gemeinsam.

(Beifall)

Liebe Freunde, wir in Jordanien wissen: Wenn ein Olivenbaum gedeihen soll, ist das Pflanzen nur der erste Schritt. Hundert weitere Vorgänge nehmen sodann ihren Lauf, um die Zellen und Strukturen für das weitere Leben des Baumes zu bilden. Wurzeln bilden sich heraus, der Baum wächst, und ein starker Kern sichert das Überleben. Von außen kommen Wasser und Unterstützung hinzu, um Lebenskraft zu spenden, damit der Baum Früchte tragen kann.

In der Arena des Nahen Ostens wurde gerade ein neuer Olivenstock gepflanzt. Nun muss die echte Arbeit beginnen. Es liegt in unseren Händen, den Prozess und Strukturen zu schaffen, die dem Frieden Wurzeln geben, ihm helfen zu wachsen und ihn in der Zukunft erhalten.

Ich bitte Sie inständig, uns in diesem Bemühen zur Seite zu stehen. Unsere Partnerschaft kann einen historischen Wandel und eine reiche Ernte bewirken – Jahre des Friedens und des Wohlstands, die unseren Völkern und unserer Welt Nutzen bringen.

 
  
  

(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden lebhaften Beifall.)

 
  
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  Der Präsident. − Eure Majestät, wir danken Ihnen für Ihren Besuch im Europäischen Parlament. Wir danken Ihnen auch für diese großartige Rede. Wir sind alle – und ich denke, der Applaus hat das bereits gezeigt – zutiefst von Ihren Überzeugungen berührt. Es gibt nur wenige Persönlichkeiten und nur wenige Staatsmänner, die dem Frieden im Nahen Osten derart verpflichtet sind wie Sie. Sie nennen uns Freunde, und ich sage Ihnen im Namen des Europäischen Parlaments: Wir sind auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, einen palästinensischen Staat zu gründen, der in Sicherheit existieren kann…

(Beifall)

... und einen Staat Israel zu haben, wo die Menschen in Sicherheit leben können. Wir im Europäischen Parlament glauben an die Würde des Menschen, und die Würde des Menschen gilt für alle Menschen dieser Welt.

(Beifall)

Eure Majestät, wir wollen eine enge Zusammenarbeit mit Ihrem Land, und Sie sind einer der sehr wenigen, die das Europäische Parlament mehrmals besucht haben. Wir im Europäischen Parlament und in der Europäischen Union wollen eine starke Partnerschaft und Beziehung und, wenn möglich, Freundschaft mit allen Ländern des Nahen Ostens. Wir stehen Ihnen zur Seite. Lassen Sie uns zusammenarbeiten.

Shukran jazilan. Danke, Eure Majestät.

 
  
  

VORSITZ: Diana WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Mit Rücksicht auf die feierliche Sitzung mit dem König von Jordanien haben sicherlich alle meine Kolleginnen und Kollegen Fraktionsvorsitzenden nicht die Chance einer Erklärung auf der Grundlage unserer Geschäftsordnung zu den vorangegangenen Ereignissen genutzt. Ich will das aber jetzt tun.

Ich glaube, ich spreche im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mich zunächst einmal beim Präsidenten dieses Hauses, bei Herrn Barroso und bei Herrn Sócrates bedanke für die würdevolle Art, in der Sie diesen feierlichen Akt, nämlich die Unterzeichnung der Grundrechtecharta, hier verteidigt haben. Sie haben die überwältigende Mehrheit dieses Hauses hinter sich gehabt.

(Beifall)

Ich möchte aber zwei Dinge dem Hohen Haus sagen, die sage ich in meinem ganz persönlichen Namen, nicht im Namen meiner Fraktion. Ich sage das für mich.

Ich möchte als Fraktionsvorsitzender diesem Hohen Haus eine Sache zur Kenntnis bringen. Es ist nicht üblich, aus der Konferenz der Präsidenten zu berichten. Aber Sie sollten sehr wohl wissen, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, dass der einzige Fraktionsvorsitzende, der in der Konferenz der Präsidenten darum gebeten hat, eingeladen zu werden, um an der feierlichen Unterzeichnung des Vertrags in Lissabon teilnehmen zu dürfen, Herr Bonde war. Ich glaube, das Hohe Haus sollte das wissen. Kein anderer Fraktionsvorsitzender hat darum gebeten. Herr Bonde, der hier so rumschreit, wollte unbedingt dabei sein, wenn es um die Unterzeichnung des Vertrags geht. Das ist einer der Doppelstandards, mit dem wir hier leben müssen.

Eine andere Bemerkung, die ich machen möchte, ist die: Ich habe als Schüler in einem deutschen Gymnasium gelernt, dass es im Reichstag der Weimarer Republik eine Strategie gab, den politischen Gegner niederzuschreien, und zwar chorweise. Die Fraktion, die das dort eingeführt hat, war die Fraktion von Adolf Hitler. Heute habe ich mich daran erinnert gefühlt. Vielen Dank!

(Starker Beifall)

 
  
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  Joseph Daul (PPE-DE). - (FR) Ich werde mich ganz kurz fassen. Ich war heute ebenfalls äußerst schockiert. Dies ist ein Diskussionsgremium, in dem Demokratie herrscht, und wir brauchen keine Aufregung, wie wir sie heute Vormittag erlebt haben, um die Fernsehkameras anzulocken. Kommunikation ist etwas, auf das hier alle von uns ein Recht haben. Denjenigen, die für den Tumult am heutigen Vormittag in einem Parlament verantwortlich sind, das sich der Demokratie und Freiheit verschrieben hat, möchte ich einfach sagen, dass sie sich skandalös verhalten haben. Wir werden dies heute Nachmittag in der Konferenz der Präsidenten noch einmal diskutieren, um eine Verschlimmerung der Situation zu verhindern.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Francis Wurtz (GUE/NGL). - (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte – sowohl in meinem eigenen Namen, und ich hoffe, nach dem, was wir erlebt haben, im Namen meiner gesamten Fraktion - die skandalöse, chauvinistische anti-europäische Demonstration, die heute hier inszeniert worden ist, auf das Schärfste verurteilen.

(Beifall)

Meine Fraktion ist zwar für ein Referendum über den neuen Vertrag und hat Fragen und Bedenken zu bestimmten Artikeln der Charta. Aber all das hat nichts mit dem zu tun, was heute Vormittag hier stattgefunden hat, und es ist wichtig dass hier nichts durcheinander gebracht wird. Was uns angeht, so sind wir für eine Wertegemeinschaft, für die Förderung von Grundrechten, wir sind für ein Europa der Demokratie, und in unserer Vorstellung ist kein Platz für Chauvinismus und schlechtes Benehmen!

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Graham Watson (ALDE).(EN) Frau Präsidentin! Zu einem Tagesordnungspunkt möchte ich eine formelle Anfrage vorbringen, um die Würde dieses Hauses zu wahren. Das Benehmen gewisser Abgeordneter, nämlich das Niederschreien von Vertretern des Parlaments, der Kommission und des Rates während der feierlichen Unterzeichnung, ist unerträglich und darf nicht hingenommen werden. Dadurch wird schlimmste Fußballstadionatmosphäre in die höchste Kammer Europas getragen, und man fühlt sich an die Aktionen der Kommunisten in der russischen Duma und an die Nationalsozialisten im Deutschen Reichstag erinnert.

(Beifall)

Nun, Frau Präsidentin, zu meiner formellen Anfrage: Meine Fraktion möchte darum bitten, dass die Präsidentschaft künftig die ihr im Rahmen unserer Geschäftsordnung erteilten Vollmachten wahrnimmt und Parlamentsmitglieder, die sich derart verhalten, aus dem Saal weist.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit (Verts/ALE). - (FR) Meine Damen und Herren! Ich denke, ich muss kaum hinzusetzen, dass wir wie alle unsere Kollegen über den heutigen Vorfall entsetzt waren. Ich möchte jedoch sagen: „Dramatisieren Sie nicht zu sehr! Es können 50 Verrückte im Plenarsaal sein, aber da sind doch 700 Abgeordnete, die gegen sie sind, machen Sie also aus der Tatsache, dass 50 Schwachköpfe die Unterzeichnungszeremonie gestört haben, keinen Staatsakt“. Beruhigen wir uns, und, Graham, lass uns nicht darauf bestehen, dass diejenigen, die dafür verantwortlich sind, hinausgeworfen werden. Ich bin der Meinung, dass ein freies Parlament ein paar Verrückte erträgt, so lästig sie auch sein mögen.

(Beifall)

 
  
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  Brian Crowley (UEN).(EN) Frau Präsidentin! Im Namen meiner Fraktion möchte ich Folgendes sagen: Obwohl wir alle es gutheißen, wenn man sich mit Nachdruck für etwas einsetzt, was ja auch in jeder parlamentarischen Versammlung möglich sein sollte, gingen die Szenen des heutigen Vormittags doch über das hinaus, was in einer demokratischen Institution zulässig sein sollte. Dennoch sollten wir diese Auseinandersetzung nicht länger vertiefen, sondern zur Abstimmung schreiten und auch so bald wie möglich in die Mittagspause eintreten.

 
  
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  Jens-Peter Bonde (IND/DEM).(EN) Frau Präsidentin! Ich wurde von Herrn Schulz persönlich angegriffen; daher finde ich, wir sollten zur Abstimmung kommen. Ich habe mich an einer friedlichen Demonstration gegen die Feier einer Charta beteiligt, die Teil einer Verfassung ist, von der ich nicht einmal die konsolidierte Fassung bekommen habe und deren Relevanz und Bedeutung ich, ebenso wenig wie Sie, nicht erkennen kann. Was Sie morgen unterzeichnen wollen, ist ein Vertrag, den keiner von Ihnen gelesen hat, ganz einfach weil es nicht möglich ist, ihn zu lesen. Sie bemächtigen sich unserer Abstimmungszeit, um einen Sieg über die Demokratie zu feiern, und deshalb will ich zwar nicht meine Kollegen angreifen, muss aber Herrn Schulz mitteilen, dass ich hier nicht an einem Verbrechen beteiligt war.

Ich verstehe Sie vollkommen, aber wir in Dänemark haben eine andere Tradition, deswegen habe ich hier mit meinem T-Shirt ein Referendum gefordert, und meiner Meinung nach sollten wir alle für ein Referendum eintreten. Das ist ein demokratischer Standard, und Sie wollen ja die Demokratie schützen.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI). - (BG) Ich melde mich gemäß der Bestimmung in der Geschäftsordnung zu Wort, die mir das Recht auf eine persönliche Erklärung gewährt, weil Herr Cohn-Bendit Menschen in diesem Saal beleidigt hat. Das sind persönliche Beleidigungen und Sie, Herr Cohn-Bendit, haben kein Recht, sich hinter Ihrer parlamentarischen Immunität zu verstecken. Verzichten Sie auf Ihre Immunität und beleidigen Sie dann die Abgeordneten dieses Parlaments! Bei dem Vorfall geht es nur um die Meinungsfreiheit, die jedem Parlamentsmitglied zusteht.

Ich möchte mich an Herrn Daul wenden. Herr Daul, wenn Sie verlangen, dass Abgeordnete gewaltsam aus diesem Saal befördert werden, handeln Sie dann nicht wie Hitler, der das Gleiche im Reichstag getan hat?

Die beste Demokratie ist die direkte Demokratie. Wir haben unsere Stimme erhoben, haben von unserem Recht auf freie Meinungsäußerung, auf direkte Demokratie Gebrauch gemacht, statt wie Sie die europäischen Nationen zu umgehen. Was hier geschieht, ist die Diktatur des neuen Proletariats, die in Form der neuen Union Gestalt annimmt und die dieses Mal nicht sowjetischer, sondern europäischer Natur ist.

 
  
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  Joseph Daul (PPE-DE). - (FR) Frau Präsidentin! Mein Name ist in der Forderung nach Aufhebung der Immunität und Ausschluss aus dem Parlament genannt worden. Ich möchte vorschlagen, meine Damen und Herren, dass Sie erst die Namen der Abgeordneten lernen, bevor Sie wieder das Wort nehmen.

 
  
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  Die Präsidentin. − Ich möchte nun gleich zur Abstimmung kommen, aber zuvor habe ich noch eine Anmerkung.

Am 29. November 2007 hat dieses Haus die Charta der Grundrechte mit 534 zu 85 Stimmen bei 21 Enthaltungen angenommen.

(Lebhafter Beifall)

 

6. Abstimmungsstunde (Fortsetzung)

6.1. Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 (Abstimmung)
  

- Entschließungsantrag (B6-0500/2007)

 

6.2. Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft (Abstimmung)
  

- Entschließungsantrag (B6-0497/2007)

 

6.3. Europäisches Vertragsrecht (Abstimmung)
  

- Entschließungsantrag (B6-0513/2007)

 

7. Stimmerklärungen
  

Mündliche Erklärungen zur Abstimmung

 
  
  

- Bericht Adriana Poli Bortone (A6-0464/2007)

 
  
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  Renate Sommer (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Heute wurden endlich auch für Kinder-Claims Übergangsfristen eingeführt. Die Kommission hat das vergessen und wollte diesen Schwarzen Peter dem Parlament zuschieben. Wir haben es verhindert, wir haben uns diesen Schwarzen Peter nicht zuschieben lassen. Wir haben die Kommission gezwungen, eine Erklärung abzugeben, dass es nötig ist, auch für Kinder-Claims Übergangsfristen einzuführen. Das Problem ist dabei nur: Da sich die Kommission so lange geweigert hat, eine entsprechende Vorlage zu machen, ist es zu einer Wettbewerbsverzerrung gekommen. Es wurden bereits Produkte vom Markt genommen, weil die Verordnung zwischenzeitlich in Kraft getreten war. Das ist also ein großer handwerklicher Fehler der Kommission.

Außerdem hatte ich im Namen meiner Fraktion einen Änderungsantrag zur Streichung des Artikels 4 eingereicht. Das war eine politische Demonstration. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass diese Verordnung unsinnig ist. Es ist nicht möglich, für alle Lebensmittel Nährwertprofile zu erstellen. Fast die Hälfte dieses Hauses trägt diese Meinung mit. Die EFSA hat inzwischen erklärt, dass sie sich nicht in der Lage sieht, alle Produkte mit Nährwertprofilen zu belegen. Bürokratie, Unsinnigkeit, ein überflüssiges Gesetz!

 
  
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  Hannu Takkula (ALDE).(FI) Frau Präsidentin! Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, gesundheitsbezogene Angaben über Produkte durchzusetzen, aber es ist richtig, dass wir dafür sorgen müssen, dass diese der Wahrheit entsprechen und auf Wissen beruhen. Es kann nicht sein, dass jedes Unternehmen seine eigenen Forschungsergebnisse und die so genannten kommerziellen Argumente selbst liefert, als wäre das ausreichend zum Thema Gesundheit. Mit anderen Worten, Forschung und Wissen müssen sich als angemessen und korrekt und somit als zuverlässig erweisen.

Es ist ausgesprochen wichtig, darauf zu achten, dass die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben korrekt sind und dass man dadurch in die Lage versetzt wird, auf eine gesündere Ernährung umzusteigen. Dies ist besonders wichtig für Kinder und Jugendliche, weil wir die schwer wiegenden Probleme kennen, die es derzeit in Europa mit Fettleibigkeit, Typ-II-Diabetes und deren Folgeerscheinungen gibt. Wir müssen dafür sorgen, dass der Nährwert gut ist und die gesundheitsbezogenen Angaben der Wahrheit entsprechen.

 
  
  

- Bericht Klaus-Heiner Lehne (A6-0453/2007)

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). - (CS) Frau Präsidentin! Ich habe gegen den Bericht über die Liberalisierung des Sekundärmarktes für Ersatzteile gestimmt. Die Strategie ist in sich nicht ausgewogen.

Einerseits fordern wir von der Industrie die Entwicklung von Kraftfahrzeugen, die immer sicherer sind, und bekämpfen die industrielle Piraterie. Im Widerspruch dazu hat das Parlament heute jedoch den Nachbau von Ersatzteilen gesetzlich zugelassen, wodurch diese angeblich preislich günstiger werden. Dadurch wird allerdings der Sicherheitsstandard im reparierten Fahrzeug beeinträchtigt und dem Verbraucher damit keine vollständige Sicherheit geboten. Die Befürworter der Marktöffnung, vor allem aus Großbritannien, behaupten, kleine und mittlere Unternehmen würden von dieser Politik profitieren. Die Mehrzahl der heute erhältlichen billigen Kopien von patentierten Ersatzteilen wird jedoch in Asien, nicht in Europa gefertigt. Dennoch liegen die Kosten für Ersatzteile in den zehn Mitgliedstaaten, in denen es bislang keinen Designschutz gibt, um 7 % höher als in den übrigen 17 Staaten. Letztere schützen Muster so wie Japan und andere führende Staaten im Automobilsektor. Gestatten Sie mir, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass bei einem Unfall jetzt sowohl Fahrzeuginsassen als auch Fußgänger größeren Risiken ausgesetzt sind, weil Nichtoriginalersatzteile von minderer Qualität sind. Die Richtlinie ist bedauerlicherweise ein Beispiel für eine inkonsistente EU-Strategie.

 
  
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  Jan Březina (PPE-DE). - (CS) Frau Präsidentin! Ich möchte meine Ablehnung der Beschränkung des gesetzlichen Geschmacksmusterschutzes für Ersatzteile zum Ausdruck bringen. Wir sind Zeugen einer beispiellosen Einmischung im Bereich gewerblicher Schutzrechte. Bei Missbrauch von Monopolen durch Eigentümer von Schutzrechten können übliche gesetzliche Instrumente wie Lizenzauflagen angewendet werden. Die Entwicklung eines Geschmacksmusters verursacht erhebliche Kosten, weshalb der rechtliche Schutz auch aus wirtschaftlicher Sicht angemessen ist. Eine entsprechende Aufhebung wird nicht zu der von der Kommission erwarteten Liberalisierung des Ersatzteilmarktes führen, sondern höchstwahrscheinlich zu einem Preisanstieg des Endprodukts. Es ist voraussehbar, dass die Hersteller auf die Präsenz unabhängiger Produzenten im Ersatzteilmarkt mit einem Ausgleich ihrer Verluste durch höhere Preise reagieren werden. Besorgniserregend ist auch die Tatsache, dass die niedrigeren Kosten für die Ersatzteile unabhängiger Hersteller in Sicherheits- und Qualitätseinbußen resultieren. Mich beunruhigt, dass damit letztlich eine Gefährdung der Verbraucher verbunden ist.

 
  
  

- Bericht Giuseppe Castiglione (A6-0477/2007)

 
  
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  Michl Ebner (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich möchte mitteilen, dass ich für den Bericht Castiglione gestimmt habe und der Auffassung bin, dass es ein sehr ausgewogener Bericht ist, vor allem, wenn man sieht, was für eine Ausgangslage wir hatten: 800 Änderungsanträge im Landwirtschaftsausschuss. Die Bemühungen, sowohl des Berichterstatters als auch einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen, haben ohne Zweifel Früchte getragen in einem Sektor, der mit großen Schwierigkeiten behaftet ist und in dem es unbedingt notwendig ist, dass wir den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, eine Zukunftsperspektive geben.

Ich glaube, hier ist die Grundlage gelegt worden, und ich hoffe, dass die Europäische Kommission den Entscheidungen des Europäischen Parlaments in der entsprechenden Form, soweit es irgend möglich ist – d.h. zu 100%, wenn es geht –, im Geiste der neuen Verträge Rechnung tragen wird.

 
  
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  Anja Weisgerber (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Die heutige Abstimmung über die Weinmarktreform ist ein sehr großer Erfolg für das Europäische Parlament und die verschiedenen Weinregionen und die Winzer. So konnten wir durchsetzen, dass die Anreicherung von Wein mit Saccharose weiterhin möglich ist. Den Plänen der Kommission, jetzt bereits festzulegen, das Verbot der Neuanpflanzungen 2014 aufzuheben, hat das Parlament eine Absage erteilt. Hier haben wir eine praktikable Lösung vorgeschlagen, indem wir uns dafür einsetzen, dass über die Liberalisierung erst nach dem Vorliegen einer Studie im Jahr 2012 entschieden wird. Auch hinsichtlich der Etikettierung der verschiedenen Weine haben wir eine Einigung gefunden, die den verschiedenen Weinbezeichnungssystemen in Europa gebührend Rechnung trägt. Es ist uns auch gelungen, den Schutz der besonderen Flaschenformen bei uns in Franken, den Schutz des Bocksbeutels, in die Weinmarktordnung aufzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute ein sehr ausgewogenes Konzept vorgelegt, das eine gute Grundlage für die anstehenden Verhandlungen im Rat darstellen wird. Jetzt liegt die Verantwortung beim Rat, wir als Parlament haben unsere Aufgabe sehr gut erfüllt.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Ich bin sehr erfreut, dass das Europäische Parlament den Vorschlag des Landwirtschaftsausschusses unterstützt hat, insbesondere den Änderungsantrag der polnischen Abgeordneten, dem zufolge die Nutzung von Handelsbezeichnungen wie „Obstwein“, „Apfelwein“ oder „Johannisbeerwein“ zugelassen wird. Solche Weine werden in meinem Land seit dem 13. Jahrhundert hergestellt, seit fast 800 Jahren also, und ich freue mich, dass das Europäische Parlament die Wirklichkeit und die Tatsachen anerkannt hat.

Abschließend möchte ich der Präsidentin zur ausgezeichneten Leitung der Sitzungen gratulieren, vor allem in dieser heute aufgeheizten – manchmal vielleicht überhitzten – Atmosphäre. Frau Präsidentin, als echter Vertreterin der britischen Schule von parlamentarischem Benehmen möchte ich Ihnen meine Anerkennung zollen.

 
  
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  Armando Veneto (PPE-DE). - (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Bezüglich der Abstimmung über die gemeinsame Marktorganisation für Wein möchte ich darauf hinweisen, dass ich für den von Herrn Lavarra von der PSE-Fraktion eingebrachten Änderungsantrag 294, dessen Mitunterzeichner ich bin, gestimmt habe, da Verbraucher nach meinem Dafürhalten das Recht haben sollten zu wissen, ob dem Wein, den sie trinken, Saccharose zugesetzt wurde, und weil die Rückverfolgbarkeit von Produkten jetzt ein von der Union allgemein befürwortetes Prinzip ist. Ich sehe keinen Grund, warum dieser Grundsatz nicht auch für den Weinsektor gelten sollte.

Aus dem gleichen Grund habe ich für Änderungsantrag 310 gestimmt, der von der UEN-Fraktion eingereicht worden ist. Keiner der beiden Anträge hat Auswirkungen auf den von Herrn Castiglione hart erarbeiteten Kompromiss. Abschließend zu meinem Standpunkt zu diesen Problemfeldern, der von dem meiner Fraktion abweicht: Die Interessen der Bürger bedeuten, dass die einzige politische Haltung, die es meines Erachtens zu beachten gilt, die Annahme jedes Vorschlags ist, der auf den Schutz dieser Interessen abzielt, egal von welcher Fraktion er stammt.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE).(LT) Durch den Standpunkt der Kommission zur Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Wein werden bestimmte Länder, besonders die neuen Mitgliedstaaten, diskriminiert.

Das Vorhaben, EU-Weine in Drittländern zu fördern, soll den Handel ankurbeln, aber aus bestimmten Gründen trifft es sich, dass es an die zuvor kultivierten Rebflächen und Daten über die durchschnittliche Weinerzeugung in den letzten drei Jahren gekoppelt ist. Die Kommission will Weinausfuhren und bestimmte Etikettierungen unterstützen. Erzeuger und Exporteure in den unterstützten Ländern würden so von einem Wettbewerbsvorteil profitieren. Dass Weinerzeuger in Litauen und einigen anderen Ländern ohne Rebflächen keine Unterstützung erhalten, ist nicht zu akzeptieren.

Ich habe gegen den Bericht gestimmt.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). - (CS) Ich unterstütze die Reform des Weinmarktes, weil sich dadurch die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Weine erhöht. Das betrifft vor allem Italien, wo illegale Weingärten gerodet und keine weiteren Beihilfen für die Überproduktion minderwertiger Weine gewährt werden sollten. Durch die Reform sollte südlichen Produzenten jedoch nicht der Vorzug vor nördlichen Winzern gegeben werden. Ich bin kategorisch gegen die Rodung von Weinstöcken in Mähren, wo alles, was hergestellt wird, auch verwendet wird und die traditionelle Weinproduktion sowohl kulturell als auch für den Tourismus in dem Gebiet von großer Bedeutung ist. Ich lehne das Verbot der Zuckerung in Osteuropa, einschließlich Mähren, ab, es sei denn, das in südlichen Ländern praktizierte Säuern des Weines wird ebenfalls verboten. Ich begreife nicht, warum mährische Winzer teuren Most aus südlichen Ländern einkaufen sollen, nur um eine 200 Jahre alte Tradition des Süßens zu beenden, wodurch letztlich das traditionelle Bouquet und der Geschmack ihrer Qualitätsweine verändert werden. Dieser Ansatz widerspricht den Wettbewerbsprinzipien im Binnenmarkt, womit ich nicht einverstanden sein kann. Ich danke jenen Kolleginnen und Kollegen, die bei der Abstimmung hinter uns gestanden und damit gesunden Menschenverstand bewiesen haben. Die Kommission muss sich nun danach richten.

 
  
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  Jan Březina (PPE-DE). - (CS) Wir haben erlebt, wie die südlichen EU-Staaten mit einer ausgeprägten Weinkultur mit Händen und Füßen ihre Überproduktion an Wein verteidigen. Gleichzeitig werden aufgrund niedriger Preise für überschüssigen Wein durch übertriebene Beihilfen Qualitätsweine aus anderen Mitgliedstaaten vom Markt verdrängt. Ich erhebe Einspruch gegen die Tatsache, dass die Kommission die führenden Länder im europäischen Weinsektor mit Samthandschuhen anfasst, während Staaten wie die Tschechische Republik streng und sogar barsch behandelt werden. Wie sonst kann man den Vorschlag verstehen, an der häufigen Verwendung von Most im Süden der EU festzuhalten, während der Zusatz von Saccharose verboten wird. Darum freut es mich außerordentlich, dass das Parlament in verantwortungsvoller Weise an die Reform herangeht und ein Element der gleichen und fairen Behandlung eingebracht hat. Durch die Unterstützung des Zusetzens von Saccharose begünstigte das EU-Parlament unter anderem die Tschechische Republik und stellte seine Unparteilichkeit und Ablehnung der Einflussnahme aufgrund widerstreitender nationaler Interessen unter Beweis. Ich verstehe, dass eine Reform des Weinmarktes notwendig ist. Ich hege keinen Zweifel an den grundsätzlichen Zielen, vielmehr jedoch an der Art und Weise, wie diese erreicht werden sollen. Ich möchte die Bedeutung des Festhaltens am Prinzip der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung hervorheben.

 
  
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  Hynek Fajmon (PPE-DE). - (CS) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe, wie die anderen Abgeordneten aus der Tschechischen Republik, die der tschechischen bürgerlich-demokratischen Partei (ODS) angehören, gegen den Bericht Castiglione gestimmt. Eine Reform, die einem solchen Ansatz folgt, nützt dem tschechischen, mährischen bzw. europäischen Weinbau nicht. Statt einer Öffnung und einem Abbau von Bestimmungen und Verwaltungslasten, die dem Weinsektor wirklich nützen würden, besteht eine Tendenz zu mehr Vorschriften, Beschränkungen und Auflagen. Zentrale Planung hat bislang nie zu positiven Ergebnissen geführt, und wird es auch nicht im Weinsektor tun. Aus diesem Grund habe ich den Bericht nicht unterstützt.

 
  
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  Daniel Hannan (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Mein Wahlkreis, Südostengland, ist die am schnellsten wachsende Weinbauregion in Europa. Als Folge des Klimawandels wird gegenwärtig eine größere Anbaufläche Englands für den Weinbau genutzt als je zuvor seit der Regierung Heinrichs II., also seit der letzten Wärmeepoche in Europa.

Die Winzer in unseren Grafschaften haben noch nie Subventionen von der EU gefordert. In Kent und Surrey, Sussex und Hampshire, Oxfordshire, Buckinghamshire und Berkshire haben wir gewerblich nutzbare Weinberge, die mit der Qualität ihrer Produktion stehen und fallen. Doch nun droht sich ihr großer Erfolg gegen sie zu wenden, da sie die für den gewerblichen Anbau zulässige Grenze in absehbarer Zeit erreichen werden.

Obwohl die Winzer nicht unter den EU-Rechtsrahmens fallen und keine Almosen angenommen haben, sollen sie sich nun dennoch den EU-Vorschriften unterwerfen.

Da wir aber Brüssel nicht um Geld bitten, wollen wir auch keine Beschränkungen aus Brüssel. Die englischen Winzer wollen einzig und allein die Möglichkeit haben, uneingeschränkten Wettbewerb zu treiben.

 
  
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  Adriana Poli Bortone (UEN). - (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe einem Dokument eine klare Absage erteilt, das durch die Annahme verschiedener Änderungsanträge weiter an Qualität eingebüßt hat. Letztere haben es nur schlimmer gemacht, vor allem durch die Einführung der Zuckerung, die wir jahrelang abwenden konnten, weil wir der Ansicht sind, der Zusatz von Zucker sei lediglich eine Methode, um die Natur zu ersetzen.

Die Mehrzahl der Abgeordneten hat Beihilfen für Traubenmost abgelehnt, die, obgleich es sich dabei nur um eine finanzielle Maßnahme handelt, nichtsdestotrotz den Schaden verringert hätte, der durch die Genehmigung der Zuckerung entstanden ist. Das ist ein Sieg für die Länder des Nordens und eine Niederlage für die Länder im Mittelmeerraum, denen es nicht gelungen ist, die die spezielle Eignung ihrer Gebiete zu verteidigen. Die vorliegende GMO schadet der Qualität und dem typischen, echten Charakter der Produkte und schädigt Weinbauern, -hersteller und -konsumenten.

 
  
  

- Entschließungsantrag: Bekämpfung des Terrorismus (B6-0514/2007)

 
  
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  Antonio Masip Hidalgo (PSE). (ES) Frau Präsidentin! Meines Erachtens hat der heutige Tag viel Positives gebracht: Wir haben der Allianz der Zivilisationen eine Charta von Grundrechten gegeben, die seinerzeit von Präsident Zapatero und dem UNO-Generalsekretär Kofi Annan unterstützt wurden. Meiner Ansicht nach ist das ein viel versprechender Anfang.

Darüber hinaus wird in der von uns heute unterzeichneten Grundrechtscharta meiner Meinung nach die wahre Natur unserer Zivilisation festgeschrieben und nicht die fundamentalistischen Ansichten jener, die heute hergekommen sind, um ihren Widerstand zu äußern – eine bedauernswerte und brutale Einstellung. Es ist gleichermaßen bedauerlich und brutal, wenn islamische Radikale vergleichbar verbissen an tief verwurzelten Traditionen festhalten. Diese beiden Formen des Radikalismus müssen wir ausrotten, um in Frieden statt im Terror zu leben.

 
  
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  Mario Borghezio (UEN). - (IT) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, dass ich gegen den Bericht über den Terrorismus gestimmt habe, obwohl ich fälschlicherweise dafür gestimmt habe, was ich hiermit offiziell mitteile.

Ein scheinheiliger Bericht, ein Bericht, der die feige Haltung des Europas der Institutionen gegenüber dem Terrorismus verdeutlicht. Ihm fehlt sogar der Mut, das Kind beim Namen zu nennen: islamischer Terror. Dann stimmte das Haus gegen einen von mir und anderen Mitgliedern der UEN-Fraktion eingebrachten Änderungsantrag, in dem wir die Aufmerksamkeit Europas auf die Infiltrierung des Maghreb durch Al-Qaida gelenkt haben. Wir haben ihn vor ein paar Tagen eingereicht und leider haben uns die gestrigen Ereignisse jenseits unserer pessimistischsten Voraussagen Recht gegeben. Das islamische Massaker durch Al-Qaida hat die Armen in Algier getroffen und bedeutet auch das islamische Massaker derer, die wahrscheinlich selbst Muslime sind.

Dass so etwas vor Europas Haustür geschieht, ist beschämend, und dieses Haus lehnt einen Änderungsantrag ab, der zur Vergeltung aufruft, weil Europa seine Augen nicht vor der Bedrohung vor seiner Tür verschließen kann.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI). - (BG) Ich habe mich bei der Abstimmung über den Entschließungsantrag zur Bekämpfung des Terrorismus der Stimme enthalten. Selbstverständlich bin ich gegen die Ausbreitung des Terrorismus, aber ich kann auch kein Dokument unterstützen, das meiner Ansicht nach nur noch mehr Angst unter den Bürgern Europas schürt und zur weiteren Erreichung des ultimativen Ziels des Terrors beiträgt, nämlich Terror um des Terrors willen. Dennoch haben mich die vorgeschlagenen und angenommenen Änderungsanträge der Fraktion Union für das Europa der Nationen mit Freude erfüllt, in denen es heißt, man müsse die Ursachen bekämpfen, so wie auch das alte Sprichwort besagt, man müsse die Ursache jeder Krankheit behandeln. Wenn wir es also beispielsweise versäumen, auf Israel Druck auszuüben, um seine Politik der Abspaltung zu beenden und den Bau der Mauer zu stoppen, die Araber und Israelis voneinander trennt und damit die Araber ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt, tragen wir in wesentlich größerem Maße zum Kampf gegen den Terror bei als durch das Abhören von Telefonen und die Überwachung von Websites. Die Vorschläge der UEN-Fraktion für entgegenstehende Änderungsanträge hätten dennoch nicht abgelehnt werden sollen, da sie damit Aufmerksamkeit für die Entwicklung des Terrors in Europa gefordert hat, denn in meinem Heimatland entstehen verbotene Terrororganisationen unter dem Schutzschild der regierenden BRF.

 
  
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  Hannu Takkula (ALDE).(FI) Frau Präsidentin! Ich halte diese Entschließung für gut, aber auch für etwas widersprüchlich, da man an einigen Stellen den Eindruck gewinnt, als kapituliere man vor dem Terrorismus. Mit anderen Worten, in ihr wird der Gedanke, dass der Terrorismus vollständig beseitigt, dass er mit seinen Wurzeln ausgerottet werden muss, anscheinend nicht angenommen; Frau Muscardini von der UEN-Fraktion hat diesen Punkt in ihrem mündlichen Änderungsantrag angesprochen. Für mich ist dies eine der Fragestellungen, die bei der Erörterung dieses Berichts vielleicht etwas genauer hätte geprüft werden sollen.

Meines Erachtens sollte die Linie der Europäischen Union gegenüber dem Terrorismus absolut klar sein. Wir fördern Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit, und wir können Terrorismus unter keinen Umständen hinnehmen. Ich hätte es auch begrüßt, wenn bei der Betrachtung seiner Ursachen mehr Gewicht auf die Bedeutung der Bildung gelegt worden wäre. Beispielsweise sollte der Kampf gegen Terrorismus in den palästinensischen Autonomiegebieten in erster Linie auf der Bildung beruhen, damit künftige Generationen frei von Hass ausgebildet und erzogen werden und auf diese Weise lernen können, in friedlicher Koexistenz mit ihren Nachbarn zusammenzuleben.

 
  
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  Hubert Pirker (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Im Kampf gegen den Terrorismus haben wir alle rechtsstaatlichen Mittel einzusetzen, die effektiv und verfügbar sind. Die Union hat mit Partnern zu kooperieren, will sie erfolgreich sein.

Ich habe gegen diese Entschließung gestimmt, weil sie tendenziös antiamerikanisch ist. Anstatt sich gegen den Terrorismus zu stellen, stellt sich der Autor und stellen sich viele gegen eine Partnerschaft mit den USA im Kampf gegen den Terror. Ich habe auch deshalb dagegen gestimmt, weil Kommission und Rat in der Entschließung aufgefordert werden, Gefangene aus Guantánamo nach Europa zu bringen. Das hieße gleichzeitig auch, den Terrorismus nach Europa zu importieren. Es wäre ein falscher Akt.

Es gibt einen dritten Grund, warum ich dagegen gestimmt habe: In der Entschließung werden Maßnahmen abgelehnt, die nachweislich im Interesse des Kampfes gegen den Terror eingesetzt werden können, nämlich eine Flugpassagierdatei auch in Europa und eine Stärkung von Europol.

 
  
  

Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung

 
  
  

- Bericht Johannes Blokland (A6-0416/2007)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Das Luftverkehrsabkommen mit Marokko ist das zweite Abkommen zum so genannten gemeinsamen europäischen Luftraum und das erste, das in diesem Zusammenhang mit einem Land abgeschlossen wird, das nicht auf dem europäischen Kontinent liegt.

Unter einem stärkeren politischem Aspekt bedauern wir, dass mit diesem Abkommen – wie es auch schon im Fall der Fischerei in unannehmbarer Weise geschehen ist – nicht ausdrücklich klargestellt wird, dass das Hoheitsgebiet in der Zuständigkeit des Königreichs Marokko das Gebiet unter marokkanischer Hoheitsgewalt in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht ist, was die Achtung des Völkerrechts und der legitimen und unveräußerlichen Rechte des Volks der Sahara sicherstellt.

Die marokkanische Hoheitsgewalt über das Gebiet der Westsahara ist völkerrechtlich nicht anerkannt, wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag in seiner Stellungnahme vom Oktober 1975 betonte. Folglich hat Marokko als illegaler Besatzer des Gebiets der Westsahara keine Hoheitsgewalt oder Zuständigkeit über dieses Gebiet.

Zudem beruht dieses Abkommen fast ausschließlich auf der Unterstützung zweier Ziele, die wir ablehnen: der Öffnung der Märkte und der Harmonisierung von Regelungen, um den Wettbewerb im Luftverkehr zu fördern.

 
  
  

- Bericht Reimer Böge (A6-0485/2007)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Im Juni und Juli dieses Jahres gingen bei der Kommission der dritte und vierte Antrag auf Inanspruchnahme dieses Fonds ein. Die Anträge betrafen zwei deutsche Unternehmen und ein finnisches, die alle im Telekommunikationssektor tätig sind, genauer gesagt in der Herstellung von Mobiltelefonen.

Beide Anträge hängen mit der Produktionsverlagerung in Drittländer zusammen, durch die 4 211 Mitarbeiter entlassen werden sollen.

Neben diesen beiden Anträgen und zwei französischen Anfragen, die bereits genehmigt wurden, hat die Kommission bisher weitere Anträge aus Italien, Malta, Spanien und Portugal erhalten. Anfang des nächsten Jahres sollen diese Anträge genehmigt werden.

Wie wir betont haben, darf die Existenz dieses Fonds nicht dazu dienen, die unannehmbaren sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Verlagerung von Unternehmen und der damit einher gehenden Entlassungen „abzufedern“.

Daher bestehen wir auf der Schaffung eines Rechtsrahmens, der Verlagerungen von Unternehmen verhindert und mit Strafen belegt. Nach unserer Auffassung muss jede öffentliche Beihilfe für Unternehmen an die Bedingung geknüpft sein, dass sich diese Unternehmen langfristig für regionale Entwicklung und Beschäftigung engagieren, und sie dürfen keinerlei Unterstützung erhalten, die zur Förderung von Verlagerungen genutzt werden kann. Genauso wesentlich ist, die Rolle der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten der Unternehmen und bei Managemententscheidungen struktureller Art zu stärken.

 
  
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  Nina Škottová (PPE-DE), schriftlich. (CS) Die aus dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung entnommenen Mittel belaufen sich auf etwa 3,6 % und betreffen lediglich drei Länder. Die Globalisierung hat jedoch mehr oder minder Einfluss auf sämtliche menschlichen Aktivitäten. Die geringe Ausschöpfung dieser Geldmittel wirft zumindest zwei Fragen auf: Erstens, sind die Auswirkungen der Globalisierung so begrenzt und zweitens, ist bekannt, wie man an Mittel aus dem Fonds herankommt? Anders gesagt kann man sich zunächst fragen, ob wir den Fonds wirklich brauchen. Wenn ja, dann sind zweitens eine genauere Definition der potenziellen Folgen der Globalisierung und eine Überprüfung der Regeln für den Bezug von Mitteln erforderlich, so dass der Fonds auch anderen Ländern und ihren problematischeren Regionen zur Verfügung steht und für diese begreiflich ist. Hinweise auf wirtschaftliche, soziale und andere Elemente wären in diesem Zusammenhang auch hilfreich. Rechtfertigungen wie „Unvorhersehbarkeit“ seitens der Kommission sind schwer hinzunehmen. Aufgrund der oben angeführten Zweifel habe ich gegen den Vorschlag gestimmt.

 
  
  

- Bericht Reimer Böge (A6-0499/2007)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Die Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments bildet mit der Änderung der Interinstitutionellen Vereinbarung einen festen Bestandteil des Haushaltsentwurfs der Kommission für 2008.

So wird neben der Korrektur von 1 600 Millionen Euro im mehrjährigen Finanzrahmen mit der Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments auch vorgeschlagen, die Finanzierung der Programme für das Europäische Globale Satellitennavigationssystem (EGNOS-GALILEO) um etwa 200 Millionen Euro zu ergänzen. Durch die Mobilisierung des Flexibilitätsinstruments soll außerdem die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU weitere 70 Millionen Euro Finanzierung erhalten.

Anzumerken ist, dass der Berichterstatter betont, dass „generell für Maßnahmen im Bereich der Außenbeziehungen und insbesondere der GASP auf lange Sicht im Vergleich zu den inzwischen ermittelten Erfordernissen keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen”. Er erläutert, dass zu den „ermittelten Erfordernissen“ die Verstärkung der EU-„Missionen“ im Kosovo und in Afghanistan zählt. Auf diese Weise werden der zunehmenden EU-Einmischung und militärischen Intervention als Unterstützung von NATO-Operationen neue Impulse gegeben, sowohl auf dem Balkan – wo ein Beispiel die Vorbereitungen sind, die „einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo“ in Verletzung des Völkerrechts zu unterstützen –, als auch in Zentralasien, besonders durch die Finanzierung dieser „Missionen“ aus dem Gemeinschaftshaushalt. Dies sind politische und militärische Zielstellungen, die wir eindeutig ablehnen.

 
  
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  Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Frau Präsidentin! Die Inanspruchnahme des Flexibilisierungsinstruments ist ebenso wie die Überprüfung der finanziellen Vorausschau das natürliche Ergebnis des Schlichtungsübereinkommens vom 23. November dieses Jahres bezüglich des Haushalts für 2008. Grundsätzlich soll das Flexibilisierungsinstrument den Haushaltsplan in schwer vorhersehbaren Ausnahmesituationen sichern. Nach meiner bescheidenen Erfahrung aber erfüllt der Einsatz dieses Instruments selten die Kriterien, die in der interinstitutionellen Vereinbarung festgelegt sind.

Dasselbe gilt für den Haushaltsplan für 2008. Sowohl die 200 Millionen Euro zur Finanzierung des Galileo-Programms im Jahr 2008 als auch die 70 Millionen Euro in der Rubrik 4 zur Finanzierung zusätzlicher Bedürfnisse im Bereich der GASP sind Lösungen für Probleme, die vorauszusehen waren. Trotz der Bedenken der Delegation des Europäischen Parlaments, die darauf hingewiesen hatte, dass die Satellitennavigation nicht angemessen finanziert ist und sie gemessen an den internationalen Ambitionen der Europäischen Union unzureichende Mittel zur Verfügung hat, ist es nicht gelungen, den Rat davon zu überzeugen, dass die entsprechenden Haushaltszuweisungen erhöht werden sollten.

In der endgültigen Fassung der Finanziellen Vorausschau für die Jahre 2007-13 haben sich Schwierigkeiten abgezeichnet, die sich während der Vorbereitungen des Haushalts 2008 bestätigt haben. Letztlich konnte das Europäische Parlament aber im Laufe des Konzertierungsverfahrens die Probleme, die der Rat verursacht hat, lösen. Angesichts falscher Darstellungen in den Medien sollten wir für die Zukunft entsprechende Schlüsse ziehen.

 
  
  

- Bericht Bogdan Golik (A6-0461/2007)

 
  
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  Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh und Inger Segelström (PSE), schriftlich. − (SV) Wir können kein System befürworten, in dem Steuergelder dazu verwendet werden, europäische Agrarprodukte in Drittländern zu vermarkten. Solche Maßnahmen sollten nur in sehr begrenztem Umfang durchgeführt werden, und insbesondere nicht in Entwicklungsländern, da dort die Gefahr besteht, der einheimischen Industrie Schaden zuzufügen. Unserer Ansicht nach muss die EU die lokale Landwirtschaft in diesen Ländern ermuntern und nicht die Landwirte dort ausbooten. Eine funktionierende lokale Produktion kann für diese Länder eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung und einen Weg zu einer demokratischen Entwicklung bedeuten.

 
  
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  Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Die Vereinfachung der europäischen Gesetzgebung zu Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt und in Drittländern ist für die Entwicklung einer einfacheren und überschaubareren GAP von höchster Bedeutung.

Ich begrüße den Kommissionsvorschlag, das System zu verbessern, vor allem die Konsolidierung der Rechtsvorschriften mit der Zusammenführung der beiden Verordnungen über den Binnenmarkt und über Drittländer.

Ich stimme dem Bericht Golik zu und möchte die Aussagen hervorheben, die darin zur notwendigen stärkeren Beachtung der Fragen von Information und Absatzförderung in den WTO-Verhandlungen enthalten sind.

 
  
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  Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. − (PL) Frau Präsidentin! Ich stimme für die Annahme des Berichts Golik über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt und in Drittländern.

Der Berichterstatter stellt zu Recht fest, dass es gilt, die Gemeinschaftsregelungen zu Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt und in Drittländern zu vereinfachen, um einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer einfachen und überschaubaren europäischen Agrarpolitik zu machen.

Ich stimme der Formulierung zu, dass Informationskampagnen dazu dienen sollten, den Verbrauchern entsprechende Kenntnisse über die nachhaltige Erzeugung im Rahmen der GAP, über qualitativ hochwertige EU-Agrarprodukte, den biologischen Landbau und andere gesundheitliche Aspekte zu vermitteln.

 
  
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  Diamanto Manolakou (GUE/NGL), schriftlich.(EL) Angesichts der Tatsache, dass die WTO-Gespräche und eingegangenen Verpflichtungen zur Abschaffung von Ausfuhrerstattungen, Einschnitten bei EU-Beihilfen in Höhe von 20,1 Milliarden Euro und Preisrückgängen von 48 bis 73 % für die meisten in der EU hergestellten landwirtschaftlichen Erzeugnisse führen werden, sind gravierende Auswirkungen auf die Einkommen von Landwirten zu erwarten.

Mit dem Vorschlag für eine Verordnung versucht die Kommission den negativen Folgen entgegenzuwirken, die in der Vergangenheit aus dem GATT und den früheren Reformen der GAP entstanden sind, die durch die WTO und die erwarteten GAP-Reformen weiter verstärkt werden. Die Folgen werden überwiegend beim Vertrieb von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sowohl an Drittstaaten als auch an EU-Länder spürbar, da Importzölle und interne Beihilfen für die EU-Landwirtschaft gleichzeitig drastisch gesenkt werden.

Deshalb gibt es Vorschläge für Förder- und Informationsprogramme. Dennoch kann man den Auswirkungen durch die für diese Programme vorgesehenen Mittel nicht entgegenwirkenIm Ergebnis wird es zu einer Verschärfung der Vertriebsprobleme von landwirtschaftlichen Produkten aus der EU an Drittstaaten sowie innerhalb der EU, einem Rückgang der Erzeugerpreise und einer wahren Katastrophe für kleine und mittlere Landwirte kommen, die bereits jetzt nur ein grenzwertiges Einkommen aus der Landwirtschaft beziehen. Andererseits nutzen die Programme vorwiegende großen Agrarbetrieben mit wettbewerbsfähigen Produktionskosten.

 
  
  

- Bericht Pedro Guerreiro (A6-0467/2007)

 
  
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  Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Die Gemeinsame Marktorganisation (GMO) für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur, eine der vier Säulen der gemeinsamen Fischereipolitik, soll tief greifend umstrukturiert werden.

Im Vordergrund stehen dabei die Neufassung von Aspekten im Zusammenhang mit der Verbraucherinformation über Fischereierzeugnisse und eine gerechtere Verteilung des Mehrwerts der Produkte im gesamten Vermarktungsprozess (mit besonderem Schwerpunkt auf dem Erstverkauf).

Die EU muss auch zu Lösungen gelangen, um dem „Sozialdumping“, das heute in einigen Drittländern verbreitet praktiziert wird und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Fischereierzeugnisse verringert, entgegenzuwirken.

In diesem Bericht werden nationale Interessen geschützt, weshalb er meine Zustimmung verdient.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir begrüßen die Annnahme des Berichts über die GMO für Fischereierzeugnisse, mit dem der Europäischen Kommission klar signalisiert wird, dass eine ehrgeizige Überarbeitung dieser GMO dringend erforderlich ist, um ihren Beitrag zur Gewährleistung der Einkommen in diesem Sektor, zur Verbesserung der Vermarktung von Fischereierzeugnissen und zur Steigerung des Mehrwerts dieser Erzeugnisse zu erhöhen, besonders durch eine wesentliche Aufstockung der Finanzierung.

Angesichts dessen, dass die GMO eine effektive Antwort auf die Aufgaben geben soll, für die sie geschaffen wurde, und dass die unsicheren Einkommen im Fischereisektor zum großen Teil auf die Vermarktungsform in diesem Sektor zurückzuführen sind, bedauern wir, dass der Fischereiausschuss unsere Vorschläge abgelehnt hat, die genau den Kern des Problems betreffen, darunter:

- die Einführung maximaler Gewinnraten;

- die Notwendigkeit öffentlicher Beihilfen und die Schaffung wirksamer Marktinterventionsmechanismen;

- die Berücksichtigung von Produktionskosten bei der Festlegung von Richtpreisen;

- die Einführung von Entschädigungszahlungen für freiwillige zeitweilige Reduzierungen des Fangs oder Fischereiaufwands.

Dennoch werden wir uns weiter für diese gerechten Maßnahmen einsetzen.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. (EN) Die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei soll die Stabilität des Marktes und die Einkommenssicherung für die Beschäftigten in diesem Sektor gewährleisten. Diese Zielsetzungen und natürlich auch die im EG-Vertrag festgelegten sind richtig und hätten den europäischen Fischereigemeinden zu Wohlstand verhelfen sollen.

Die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte, in denen Brüssel eine zentralisierte Kontrolle in Form der GFP ausgeübt hat, hatten jedoch für diese Gemeinden katastrophale Folgen. Ein florierender Markt mit sicheren Arbeitsplätzen ist im Rahmen der GFP nicht zu erreichen, und die Kontrolle über die Fischereibewirtschaftung muss den von der Fischerei abhängigen Ländern zurückgegeben werden.

 
  
  

- Bericht Jörg Leichtfried (A6-0482/2007)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wie von uns dargestellt wurde, erfüllen die einzelstaatlichen Behörden bereits seit langem die nach internationalen Abkommen geltenden Vorschriften im Bereich der Zivilluftfahrt und gewährleisten deren Einhaltung. Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen Staaten und anderen Ländern ist bereits Realität, eine Realität, die weiter gefördert und entwickelt werden könnte, aber schon jetzt die Achtung der Souveränität jedes Landes, der Arbeitnehmer und ihrer Rechte (was vor allem die soziale Harmonisierung durch die Anwendung der günstigsten Bedingungen garantiert) und der Rechte der Nutzer sicherstellt.

Dennoch werden die Befugnisse jedes Mitgliedstaats im Bereich der Zivilluftfahrt allmählich auf die EU übertragen; und das ist ein Prozess, der besonders negativ ist, wenn er sich auf einem Gebiet ohne klar festgelegte Grenzen vollzieht.

Im Wesentlichen bedeutet die Errichtung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit einen weiteren „Schritt“ in diese Richtung. Dabei sollte betont werden, dass diese Agentur für die Wahrnehmung von Befugnissen zuständig sein wird, die derzeit von den jeweiligen nationalen Behörden wahrgenommen werden. Grundsätzlich ist dies eine Maßnahme hin zum so genannten einheitlichen europäischen Luftraum und zur Liberalisierung des Luftverkehrs und der Luftfahrt auf EU-Ebene. Diese Liberalisierung um der finanziellen Ertragslage willen stellt die Rechte der Arbeitnehmer, die Qualität der Leistungen und die Sicherheit in Frage.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. (EN) Der Bericht Leichtfried markiert den Höhepunkt sehr komplexer Verhandlungen, in die das Parlament, der Rat und die Kommission gleichermaßen einbezogen sind. Die Ausweitung der Vollmachten der EASA ist für die Flugsicherheit in Europa eine wichtige Entwicklung, und meine Fraktion konnte die endgültige Kompromisslösung unterstützen.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. (IT) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bekräftige hiermit mein früheres Votum für den Bericht von Jörg Leichtfried. Die Verhandlungen zwischen dem Parlament und dem Rat haben mit Unterstützung der Kommission in einen Text gemündet, der einen soliden Kompromiss darstellt, auch wenn er nicht alle von mir unterstützten Forderungen vollständig erfüllt. Ich möchte die wichtige Rolle betonen, die die Europäische Agentur für Flugsicherheit bei der Überwachung der Luftfahrt, aber auch von Unternehmenspraktiken spielen wird. Die Agentur wird für die Erneuerung und Ausstellung von Zertifikaten und Lizenzen sowie für die Überwachung der Anwendung einheitlicher Sicherheitsstandards zuständig sein.

Außerdem kann sie Bußgelder für die nicht ordnungsgemäße Umsetzung von Sicherheitsanforderungen erheben. Aus diesem Grund erfreut mich der mit Änderungsantrag 15 erreichte Kompromiss, durch den die vollständige Selbständigkeit und Unparteilichkeit der Agentur gewährleistet wird, auch in Fragen des Entzugs von Zulassungen und der Verhängung von Geldbußen. Des Weiteren möchte ich hervorheben, dass das Personal eine gewichtige Rolle bei der Entwicklung und Arbeit dieses Organs spielen wird. Folglich teile ich ganz das Anliegen des Berichterstatters, den Status dieser Arbeit zu verbessern, gegebenenfalls durch Nutzung der Möglichkeiten, die das Beamtenstatut der Europäischen Union vorsieht.

 
  
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  Brian Simpson (PSE), schriftlich. (EN) Ich werde für diesen Bericht stimmen. Ich möchte dem Berichterstatter gratulieren, denn er hat eine äußerst wichtige technische Problematik aufgearbeitet. Dennoch möchte ich einige Anmerkungen machen.

Das Thema der Flugbegleiterzeugnisse löst natürlich in gewissen Mitgliedstaaten einigen Unmut aus und hat dazu geführt, dass die Flugbegleitergewerkschaften zielstrebig versucht haben, hier gegenzusteuern. Ich denke, der Berichterstatter hat einen Kompromiss gefunden, der helfen kann, die Befürchtungen einiger Mitgliedstaaten zu zerstreuen, gleichzeitig aber die wichtige Rolle der Flugbegleiter anerkennt. Manche Fluglinien nutzen ihre Flugbegleiter ganz offen aus, indem sie sie nicht nur als bloße „Flugzeugkellner“ betrachten, sondern darüber hinaus für Mindestgehälter mit Höchstarbeitszeiten beschäftigen und sie für ihre Ausbildung noch selbst bezahlen lassen.

Zweitens müssen wir anerkennen, dass die EU-OPS, wie von diesem Parlament genehmigt, nun in den Zuständigkeitsbereich der EASA fallen. Doch bei der Gelegenheit möchte ich die Kommission und die EASA daran erinnern, dass Flug- und Dienstzeiten gemäß Unterabschnitt Q der EU-OPS-Verordnung nicht geändert werden können, bevor nicht eine Studie zur Ermüdung in Auftrag gegeben und weitere Kreise der Branche zu Rate gezogen wurden.

Abschließend möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass nun EU-weit zusätzliche Aspekte der Flugsicherheit, einschließlich der Überwachung der Cockpittüren und des aufgegebenen Gepäcks, umgesetzt werden können.

 
  
  

- Bericht Adriane Poli Bortone (A6-0464/2007)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wie allgemein bei Regelungen in diesem Bereich der Fall, beruhen die konkreten Zielsetzungen dieses Berichts auf der Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, um die Entwicklung des europäischen Binnenmarkts zu fördern, in diesem Fall hinsichtlich der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel.

Der Vorschlag besteht aus zwei Änderungsanträgen zur Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel und bezweckt, für eine ausreichende Übergangszeit gesundheitsbezogene Angaben vorzusehen, die sich auf die kindliche Entwicklung und Gesundheit beziehen.

Nährwertbezogene Angaben, die in einem Mitgliedstaat vor dem 1. Januar 2006 nach den geltenden nationalen Bestimmungen verwendet wurden und die nicht im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführt sind, dürfen nach Inkrafttreten der Verordnung weitere drei Jahre verwendet werden. Auch andere gesundheitsbezogene Angaben als zur kindlichen Entwicklung und Gesundheit profitieren von den Übergangsmaßnahmen, die in Artikel 28 Absatz 5 und 6 der Verordnung niedergelegt sind. Ähnliche Übergangsmaßnahmen sind jetzt für Angaben zur kindlichen Entwicklung und Gesundheit vorgesehen.

 
  
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  Peter Skinner (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe wegen der zur Sicherung der gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben erforderlichen Kontrollen für diesen Bericht gestimmt. Gesundes Essen ist nicht nur für viele die Voraussetzung für ein langes und aktives Leben, daher ist es wichtig, dem Verbraucher adäquate Informationen zur Verfügung zu stellen. Zu lange haben die Angaben einiger Hersteller beliebter Produkte die Verbraucher über die nährwert- und gesundheitsbezogenen Eigenschaften dieser Produkte irregeführt. Ich fordere die Kommission auf, die nötige Zeit zu investieren, um hier die gebotene Klarheit für die EU-Bürger sicherzustellen.

 
  
  

- Bericht Klaus-Heiner Lehne (A6-0453/2007)

 
  
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  Bert Doorn (PPE-DE), schriftlich. (NL) Die Liberalisierung des Marktes für Auto-Ersatzteile ist schon seit 1993 Gegenstand hitziger Debatten. Die Abschaffung des Geschmacksmusterschutzes für sichtbare Auto-Ersatzteile ist meiner Meinung nach längst überfällig. Daher stimme ich dem Vorschlag der Kommission uneingeschränkt zu, denn gegenwärtig gibt es keinen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt für solche Teile.

Sind Funktionsteile wie Außenspiegel oder Lichter zu ersetzen, so müssen die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Fahrzeugs erforderlichen Ersatzteile sofort verfügbar sein. Ich bin für eine raschestmögliche Liberalisierung auf europäischer Ebene und befürworte daher eine kürzestmögliche Übergangszeit, nämlich fünf Jahre. Selbstverständlich werde ich gegen Änderungsanträge stimmen, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, die Liberalisierung während der Übergangszeit rückgängig zu machen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Dieser Bericht enthält einige Änderungen zum Vorschlag über eine Richtlinie zur Liberalisierung des Sekundär-Markts für Ersatzteile, die für die Kraftfahrzeugindustrie, aber auch die Maschinen-, Investitionsgüter- und Konsumgüterindustrie gilt.

Der Kommissionsvorschlag befürwortet ungeschützte Märkte, wogegen sich der Bericht für eine Übergangszeit von fünf Jahren für die Länder ausspricht, in denen wie im Fall von Portugal Marktschutz besteht.

Wir wissen, dass geschützte Märkte zu Großunternehmen mit einem Monopol für den Handel mit Ersatzteilen führen, da auf geschützten Märkten der Verbraucher Ersatz für defekte oder beschädigte Teile vom Originalhersteller erwerben muss. Dabei wird argumentiert, dass das Design des Produkts nicht geändert werden darf, wobei das Beispiel der Kraftfahrzeugindustrie das beste bekannte Beispiel ist, obwohl dieser Vorschlag für eine Richtlinie auch auf andere Branchen zutrifft. Allerdings gibt es in der Praxis Fälle, in denen der Austausch eines einfachen Teils eine ganze Teilekombination erfordert, was für den Verbraucher kostspielig ist.

Zudem gibt es in Portugal andererseits speziell mit der Kraftfahrzeugindustrie verbundene Fabriken, die dank ihrer Herstellung von Ersatzteilen für die renommierten Marken weiter arbeiten und für die die „Liberalisierung“ des Markts ernste Probleme aufwerfen würde.

 
  
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  Janelly Fourtou (ALDE), schriftlich. (FR) Im Bericht Lehne über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen habe ich beschlossen, einen Änderungsantrag zu unterstützen und zu unterschreiben, der einen Übergangszeitraum von acht Jahren vor der vollständigen Liberalisierung der Rechte auf geistiges Eigentum an Ersatzteilen vorschlägt, mit denen die Erscheinungsform von komplexen Erzeugnissen wie Kraftfahrzeugen wiederhergestellt werden soll. Bislang haben Studien zur Auswirkung keine bedeutende Verringerung des Verbraucherpreises dieser Teile in den Mitgliedstaaten nachgewiesen, in denen die Liberalisierung bereits erfolgt ist.

Ich bin auch der Auffassung, dass die Europäische Union hier ihren eigenen Interessen zuwiderhandelt. Andere Teile der Welt sind dabei, ihre Industrie mit gewerblichen Eigentumsrechten zu schützen, und die Europäische Union, trifft hier nicht die richtige Wahl, obwohl sie erklärt, dass sie die Verbraucher schützen und die Nachahmung bekämpfen will.

Es geht um das wirtschaftliche Gleichgewicht des Automobilsektors und die Sicherheit der europäischen Fahrzeugnutzer.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Die Richtlinie, die dem Parlament zum rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vorgelegt wird, schlägt die vollständige Liberalisierung des Ersatzteilmarktes insbesondere im Automobilsektor vor.

Der Text des Berichterstatters ändert den Vorschlag wesentlich, indem er die Möglichkeit einführt, dass die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften zum strikten Schutz der Muster und Modelle für fünf weitere Jahre beibehalten dürfen. Die Aufrechterhaltung des Monopols der Hersteller auf die Fertigung von Ersatzteilen ist ein Mittel, um die Verlagerung von Arbeitsplätzen in der Gemeinschaft in Länder wie die Türkei, Brasilien oder Korea zu verhindern, wo die Produktionskosten und das Qualitätsniveau niedriger sind.

Die übereilte Liberalisierung dieses Sektors könnte auch bedeutende Gefahren nach sich ziehen, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit. Wenn Fahrzeughersteller keine Verantwortung für die Fertigung von Ersatzteilen tragen sollen, gibt es keinerlei Garantie für ihre spezifikationsgerechte Ausführung und keine Gewährleistung der Qualität. Ohne Zweifel müssen wir den Schutz und die Sicherheit der Fahrzeugnutzer über jegliche wirtschaftliche oder politische Erwägungen stellen.

Nach dem Angriff auf die Post, die Bahn und den Energie- und Stromsektor nimmt sich Brüssel nun den Automobilbausektor vor. Es scheint, dass es für die Logik des Ultraglobalismus und für Zwangsderegulierung aus ideologischen Gründen keine Grenzen gibt.

(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 163 Absatz 1 GO)

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Herr Präsident! Der Binnenmarkt ist ein sehr komplexes Gebilde, das die Interessen verschiedener davon abhängiger Gruppen seit Jahren erfolgreich im Gleichgewicht hält.

Die Richtlinie zielt auf die vollständige Liberalisierung des Sekundärmarktes für Ersatzteile ab. Wir haben deshalb zum einen eine breit gefächerte Branche von Ersatzteilherstellern, die fordert, dass ihre Rechte bezüglich des freien Wettbewerbs und des Verbots eines Marktmonopols geachtet werden. Zum anderen gibt es die Automobilhersteller (und hier geht es vorrangig um die Automobilindustrie), die den Schutz ihrer Ersatzteilherstellung mit dem rechtlichen Schutz von Mustern begründen.

In dieser Situation, die zunächst unlösbar scheint, unterstütze ich den Ansatz des Berichterstatters, der ein System der begrenzten Musterschutzdauer vorschlägt. In der Praxis würde sich die Musterschutzdauer eng an der Lebensdauer eines komplexen Erzeugnisses orientieren.

Ich stimme auch dem Berichterstatter zu, dass sobald ein neues geschütztes Muster eingeführt wird, der Schutz von Mustern für Ersatzteile des vorhergehenden Musters erlöschen sollte. Er sollte ebenfalls erlöschen, wenn die Herstellung eines Musters, für das es keine Nachfolge gibt, eingestellt wird. Mir scheint dieser Vorschlag der am besten geeignete zu sein, der die Interessen der beteiligten Gruppen am besten schützt.

Ich unterstütze auch die vorgeschlagene Übergangsregelung, während der die Mitgliedstaaten, deren bestehende Rechtsvorschriften einen Geschmacksmusterschutz für Ersatzteile enthalten, diesen Geschmacksmusterschutz fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie beibehalten können.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. (EN) Ich habe das Kompromisspaket befürwortet, jedoch die Änderungsanträge abgelehnt, wonach der Übergangszeitraum für die Reparaturklausel ausgedehnt werden soll.

 
  
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  Gary Titley (PSE), schriftlich. (EN) Ich befürworte einen wettbewerbsfähigen europäischen Ersatzteilmarkt. Dadurch werden die Kosten für die Verbraucher gesenkt und die Konjunktur für kleine und mittlere Betriebe angekurbelt. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag der Kommission, der eine Öffnung der Ersatzteilmärkte für den Wettbewerb beinhaltet.

Daher kann ich nicht für Änderungsanträge stimmen, die eine Verlängerung der Zeitspanne bis zur Liberalisierung des Marktes auf bis zu acht Jahre beinhalten. Dies würde die Erreichung unseres Ziels, nämlich eines wettbewerbsfähigen Ersatzteilmarktes, nur hinauszögern.

 
  
  

- Bericht Giuseppe Castiglione (A6-0477/2007)

 
  
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  Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh und Inger Segelström (PSE), schriftlich. − (SV) Wir haben aus folgenden Gründen gegen den Bericht und den Vorschlag der Kommission gestimmt:

- Wir hatten gehofft, die Reform würde Einsparungen für die europäischen Steuerzahler bedeuten und die Weinindustrie von der Finanzierung durch die Gemeinsame Agrarpolitik abkoppeln. Langfristig müssen unserer Ansicht nach die durch Steuern finanzierten EU-Subventionen für die europäische Weinerzeugung abgeschafft werden.

- Wir halten es für verwerflich, das Geld der Steuerzahler für die Vermarktung europäischer Weine zu verwenden. Dies widerspricht der Alkoholstrategie des Parlaments, die von einer restriktiven Haltung gegenüber der Absatzförderung für alkoholhaltige Getränke ausgeht. Vor diesem Hintergrund die Mittel für Vermarktungsmaßnahmen aufzustocken, zeigt eine traurige Doppelmoral.

- Darüber hinaus sind wir gegen die Vorschläge, die eine Verwendung europäischer Steuergelder für die Vermarktung von Gemeinschaftsweinen in Drittländern befürworten. Unserer Ansicht nach sollte man sehr vorsichtig sein mit der Vermarktung europäischer Weine, insbesondere in Entwicklungsländern, denn dabei besteht die Gefahr, dass die einheimische Industrie erstickt wird. Die Union sollte lokale Hersteller in Entwicklungsländern nicht schädigen, sondern sie vielmehr unterstützen.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − – (IT) Frau Präsidentin! Ich stimme gegen den Bericht – nicht wegen Herrn Castigliones allgemeiner Herangehensweise, die einige positive Aspekte beinhaltet wie die Festlegung von Mengenbegrenzungen und die Umweltverträglichkeit des Rodens, das Verbot der Verwendung von außerhalb der EU hergestelltem Most und die Ausweitung von Maßnahmen, die die EU-Mitglieder selbständig einsetzen können. Meiner Ansicht nach sind die Billigung der Zuckerung sowie die Bestimmung, wonach diese Praktik nicht auf dem Etikett angegeben werden muss, für Verbraucher kritisch. Der Abschnitt über so genannte Obstweine ist gänzlich fraglich wie auch der im Bericht gewählte allgemeine Ansatz für Most. Als Italiener hoffe ich, dass Minister De Castro und seine Kolleginnen und Kollegen in der Lage sein werden, einen rechtlichen Rahmen auszuhandeln, der Qualität und Verbraucherrechten mehr Beachtung zollt.

 
  
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  Adam Bielan (UEN), schriftlich. − (PL) Frau Präsidentin! Ich unterstütze Herrn Castigliones Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Wein vollauf.

Die Bildung eines Weinmarktes, auf dem einfache und wirksame Regeln der Herstellung und die Prinzipien eines gesunden Wettbewerbs auf dem Gemeinschaftsmarkt herrschen, verbessert nicht nur die Qualität europäischer Erzeugnisse, sondern hebt auch den Lebensstandard der Obstanbauer.

Wichtig ist auch, dass die Verbraucher Klarheit über den Herstellungskreislauf eines bestimmten Erzeugnisses und dessen genaue Herkunft haben.

Darüber hinaus wirken sich diese Maßnahmen auch eindeutig günstig auf die Herstellung von Obstwein in meinem Heimatland aus; und vor allem aus diesem Grund unterstütze ich den Bericht.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir stimmen gegen diesen Bericht, da er keine erheblichen Änderungen zu den wichtigsten Punkten des schlechten Vorschlags der Europäischen Kommission für den Rebflächen- und Weinsektor enthält.

Wie wir stets betont haben, lehnen wir diese liberale Position ab, die für sich beansprucht, ein Schritt in Richtung Abbau der gemeinsamen Marktorganisation im Weinsektor zu sein. Das Europäische Parlament selbst untersuchte diese Frage und ging so weit, den Zusatz von Zucker zu erlauben und den möglichen Gehalt verglichen mit den damals geltenden Werten zu erhöhen.

Aber einer der schwerwiegendsten Aspekte ist, dass die ganze Frage der Liberalisierung der Pflanzungsrechte ab 2013 offen gelassen wird, obwohl der Berichterstatter anerkennt, dass sich dadurch die Erzeugung nur in den Händen der größten Weinbauern konzentriert, die schon jetzt von erheblichen öffentlichen Beihilfen und anderen Privilegien profitieren.

Wir bedauern auch, dass die von uns eingereichten Vorschläge zur Beibehaltung von Pflanzungsrechten und zur Unterstützung der Umstrukturierung von Weinanbaugebieten, vor allem Familienbetrieben, kleinen und mittelständischen Weinbauern und Weingenossenschaften, nicht angenommen wurden, wenngleich wir mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, dass einige Vorschläge gebilligt wurden, besonders der Vorschlag, der die Destillation von Trinkalkohol befürwortet.

 
  
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  Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Obwohl ich zustimme, dass es nötig ist, die GMO im Weinsektor zu reformieren, und den Vorschlag der Europäischen Kommission im Großen und Ganzen unterstütze, stellt der Bericht Castiglione meines Erachtens einen wichtigen Beitrag dar und enthält er einige Änderungsvorschläge, die das Kommissionsdokument wesentlich verbessern.

Unter anderen positiven Aspekten verweise ich hier auf die Einführung der Möglichkeit, die Beihilfen für die Destillation von Trinkalkohol fortzuführen.

Ich stimme für die Änderungsvorschläge 33 und 223, da ich denke, der Sektor sollte nicht abrupt liberalisiert werden, und lehne die Änderungsvorschläge 314, 347, 293 und 217 ab, weil ich nicht damit einverstanden bin, die Möglichkeit einzuführen, das Verfahren der Zuckeranreicherung fortzuführen, eine Praxis, die zwischen den Erzeugern ein Ungleichgewicht verursachen könnte. Daher unterstütze ich hier den ursprünglichen Wortlaut der Europäischen Kommission.

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße die allgemeine Ausrichtung des Berichts mit seiner gründlichen Überprüfung des Vorschlags der Europäischen Kommission, der insbesondere eine massive Rodung von 400 000 Hektar Rebfläche vorgesehen hatte. Dieser Vorschlag hat die sozialen Realitäten des Weinbausektors außer Acht gelassen und hätte dazu geführt, dass noch mehr Brachland zum Nachteil der Landschaft entsteht. Der Bericht sieht die Rodung als eine potenziell interessante Maßnahme an, die auf freiwilliger Basis vorgeschlagen wird.

Ein weiterer positiver Vorschlag betrifft die mögliche Umsetzung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Weinsektor. Der europäische Weinbau braucht starke und erfolgreiche Akteure, damit er im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Dagegen gehen die Vorschläge zur Krisenprävention, so notwendig sie auch sind, nicht weit genug. Angesichts der Schwankungen in der Produktion schwankt, wären die vorgeschlagenen Maßnahmen nur ein Notbehelf. Es fehlt ein richtiger Mechanismus für das Krisenmanagement, der zusätzlich den existierenden Maßnahmen etwas Neues bringt.

Schließlich bedauere ich, dass es auf dem Etikett keinen Hinweis auf die Anreicherung durch den Zusatz von Saccharose gibt: Dies wäre eine klare und transparente Angabe für den Verbraucher gewesen.

 
  
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  Christa Klaß (PPE-DE), schriftlich. Den Besonderheiten der Weinregionen will die Kommission mit der GMO Rechnung tragen durch mehr Eigenverantwortung und mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Das Europäische Parlament hat heute genau diese Vorstellungen zu Papier gebracht. Wir sind überzeugt von unseren Vorschlägen, die, von allen Abgeordneten, quer durch alle Mitgliedstaaten gefunden wurden. Der Weinbau in Europa ist Teil unserer Kultur. Hier in Europa ist weltweit die Heimat des Weinanbaus. Weinbau bedeutet Wirtschaft, Einkommen und Arbeitsplätze. Es ist nicht die Aufgabe der Kommission, ein Marktgleichgewicht zu suchen, indem sie uns die Produktion begrenzt bzw. durch veränderte Bedingungen unmöglich macht. Es ist aber ihre Aufgabe, Marktanteile zu sichern und weltweit für den richtigen Stellenwert unserer Produkte zu sorgen. Nicht Marktbeschränkung, sondern Eroberung neuer Märkte muss das Ziel sein. Warum sollen wir die Weinbereitungsmethoden dort ändern, wo es keine Absatzprobleme gibt?! Das ist Teil alter Kultur und Weinanbautradition.

Das Europäische Parlament hat heute noch einmal ganz klar seine Meinung bekräftigt für mehr Marktmaßnahmen, nationale Budgets und regionale Gestaltungsmöglichkeit, für ein sozialverträgliches phasing-out der Interventionsmaßnahmen und für den Erhalt der bestehenden önologischen Verfahren, das heißt Saccharose und RTK gleichberechtigt nebeneinander durch weitere RTK-Beihilfen.

Ich hoffe, dass unsere Vorschläge Eingang finden in die neue Gemeinsame Marktordnung für Wein.

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. In für den Weinbau schlechten und sonnenarmen Jahrgängen reicht der natürliche Fruchtzuckeranteil der Trauben nicht aus, um so viel Alkohol zu produzieren, wie dies für die Gärung notwendig ist. Daher wird geschmacksneutraler Zucker zugegeben. Entscheidend ist hierbei, dass dies vor und nicht nach der Gärung geschieht, also aus sauren keine süßen Weine gemacht werden können, und ausschließlich für Tafel- und Landweine zulässig ist.

Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Die Pläne der Kommission, den bisher verwendeten Rübenzucker durch Traubenmost aus den südlichen Überschussgebieten zu ersetzen, sind nicht nachvollziehbar. Abgesehen von der intensiven Fachdiskussion über Geschmacksveränderungen ist auch ein klimapolitischer Aspekt festzuhalten. Es ist für mich nicht sinnvoll, den Most quer durch Europa in Gebiete zu transportieren, in denen die regionale Versorgung durch Zuckerrüben ohnehin gegeben ist.

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. − (SV) Die Änderungsanträge zu dem Bericht, zu dem wir heute Stellung genommen haben, waren völlig aberwitzig. Es sei nur ein Beispiel genannt: die Entscheidung über den Zuckergehalt verschiedener Weine sollte doch wohl den Verbrauchern überlassen bleiben, die diese Produkte kaufen. So etwas sollte nicht in Entscheidungsverfahren zwischen EU-Institutionen festgelegt werden.

Herstellern in anderen Teilen der Welt ist es gelungen, Weine zu produzieren, die dem Geschmack der europäischen Verbraucher entsprechen und gleichzeitig billiger sind als europäische Weine. Nach Meinung der Mehrheit im Europäischen Parlament muss das bekämpft werden, indem mehr Geld in die Agrarpolitik gepumpt wird und verschiedene Kampagnen durchgeführt werden.

Es besteht kein Zweifel daran, dass in Europa hervorragende Weine produziert werden. Die prinzipiell interessante Frage ist jedoch, ob man zulassen soll, dass ärmere Länder abgedrängt werden, um die europäische Weinproduktion zu begünstigen.

Es ist wichtig, eine Perspektive zu haben, die alle Aspekte einbezieht, und das schließt bei einer Diskussion über die Weinerzeugung auch die öffentliche Gesundheit ein.

Aus diesen Gründen habe ich für eine Ablehnung des Vorschlags der Kommission und gegen den Bericht des Parlaments zu diesem Thema gestimmt. Es ist notwendig, dass die Weinerzeuger auf einem freien Markt agieren und keine umfassenden Subventionen von der EU erhalten, wie das gegenwärtig der Fall ist.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI), schriftlich. – (FR) Die Weinbauern des Languedoc-Roussillon, des Kreuzes von Toulouse auf rotem Grund, das ein Jahrhundert des Aufstands symbolisiert, das mit Marcelin Albert 1907 begann und sich mit André Castéra 1976 fortsetzte, die Menschen, deren Land sich von der Rhône bis zur Garonne erstreckt, sollen von der Europäischen Kommission vertrieben werden, um auf ihrem Land stattdessen Kolonien britischer Pensionäre anzusiedeln. Teetrinker sollen die Menschen verdrängen, die davon leben, dass sie in den Weinbaugebieten Minervois, Corbières und Costières oder Picpoul Trauben ernten und Wein erzeugen.

Das ist ein Verbrechen gegen die Zivilisation! Und es wird unter dem verlogenen Deckmantel einer angeblichen Überproduktion begangen. Was ist aber die Wahrheit?

Die Wahrheit sind die 150 000 Hektar illegale Rebflächen in Spanien und in Italien. Diese illegalen Weinstöcke sollten gerodet werden, weil das, was man als Überproduktion bezeichnet, eigentlich übermäßiger Import ist – 12 Millionen Hektoliter im Jahr.

Außerdem wird für jeden Weinstock, den wir roden, ein neuer im Pazifischen Raum gepflanzt; und wenn China bei Wein auf den Geschmack kommt, werden wir wahrscheinlich einen weltweiten Engpass bei Wein erleben.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI), schriftlich. Mit ihrem Vorschlag zur Weinreform ist der Kommission wohl einmal mehr ein Glanzstück gelungen: Da möchte man auf der einen Seite, um Europas Weinseen auszutrocknen, die Reduktion von Weinanbaufläche finanziell belohnen, während andererseits ab 2013 überall bepflanzt werden darf. Wenn aber die Anbaubeschränkungen wegfallen, lohnen sich aufwändig zu bewirtschaftende Steillagen nicht mehr.

Nicht genug, dass man diese Winzer um ihre Existenz bangen lässt, würde mit dem ebenso geplanten Verbot von Zuckerzusatz gleich der ganze Norden in sonnenarmen Jahren um seine Ernte gebracht, um schließlich mit der Subventionsstreichung für Traubenmostkonzentrat auch noch den Weinanbau in Süden unmöglich zu machen. Nimmt man noch das überlegte Verbot der Bezeichnung Tafelwein hinzu, was unweigerlich zu einer Schwemme von Rebsortenweinen unterster Kategorie führen würde, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass es den Planern dieser Reform einfach am notwendigen Fachwissen und an Sensibilität mangelt. Insofern stellt der Bericht Castiglione eine Verbesserung dar, weshalb ich für ihn gestimmt habe.

 
  
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  Pierre Pribetich (PSE), schriftlich.(FR) Meine Kollegen und ich haben den Bericht von Giuseppe Castiglione über die Gemeinsame Marktorganisation Wein mit großer Mehrheit gebilligt.

Ich habe insbesondere vier Änderungsanträge unterstützt, die ich nicht nur für den Schutz des europäischen Weinsektors besonders in Burgund und in Franche Comté, sondern auch für die Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit als sehr wichtig erachte.

Ich habe für den Änderungsantrag 271 gestimmt, der sich gegen das Projekt der Europäischen Kommission richtet, das die Chaptalisierung abschaffen will. Es ist wirklich äußerst wichtig, die Weinerzeugungstraditionen der Chaptalisierung zu erhalten, die in vielen Regionen Europas einschließlich, so in Burgund und der Franche Comté – die ich vertrete – praktiziert werden.

Ich habe auch die Änderungsanträge 33 und 223 unterstützt, die sich gegen eine vollständige Liberalisierung der Pflanzrechte ab dem 1. Januar 2014 richten: Die Interessen der Weinbauern gebieten, dass wir bis zum Ende des Rodungsplans warten sollten, um zu sehen, wie effektiv er war, bevor wir die Liberalisierung vorsehen.

Schließlich habe ich für den Änderungsantrag 107 gestimmt, nach dem die obligatorische Destillation beibehalten werden soll.

Im Allgemeinen bin ich mit den Änderungen, die das Parlament vorgenommen hat, zufrieden, ich habe diesen Bericht unterstützt, und ich hoffe, dass er die vom 17. bis 19. Dezember stattfindende Tagung des Rates Landwirtschaft, bei der es um die Interessen unserer Regionen geht, positiv beeinflusst.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich stimme für den Bericht unseres geschätzten Kollegen Guiseppe Castiglione. Seit langem besteht die Notwendigkeit einer Reform, um den europäischen Weinsektor wiederzubeleben und seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern sowie alte Märkte zurückzugewinnen und neue zu erschließen. Die europäischen, vor allem italienischen Erzeuger müssen heute gegen neue gefährliche Konkurrenten ankommen.

Der Grund ist nicht nur, weil der interne Konsum gesunken ist, sondern vor allem, weil die Produktionskosten zu hoch sind, weil die Regelungen zu starr und kompliziert sind und die Möglichkeiten der Anpassung der Produktion an Veränderungen bei der Nachfrage vielfach einschränken, und weil die Strategien für die Absatz- und Verkaufsförderung zu zaghaft sind. Der Qualität der europäischen und italienischen Weine muss größere Anerkennung verschafft werden. Will die Europäische Union ihre marktführende Stellung im Weinsektor konsolidieren, so muss sich die Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Wein auf die Qualitätsverbesserung fokussieren, d. h. sie muss die territorialen Marken, eingetragenen Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angabe, die auf dem Weltmarkt für europäische Qualität stehen, fördern, schützen und stärken.

 
  
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  Karin Scheele (PSE), schriftlich. In für den Weinbau schlechten und sonnenarmen Jahrgängen reicht der natürliche Fruchtzuckeranteil der Trauben nicht aus, um so viel Alkohol zu produzieren, wie dies für die Gärung notwendig ist. Daher wird geschmacksneutraler Zucker zugegeben. Entscheidend ist hierbei, dass dies vor und nicht nach der Gärung geschieht, also aus sauren keine süßen Weine gemacht werden können, und ausschließlich für Tafel- und Landweine zulässig ist. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Die Pläne der Kommission, den bisher verwendeten Rübenzucker durch Traubenmost aus den südlichen Überschussgebieten zu ersetzen, sind nicht nachvollziehbar.

Abgesehen von der intensiven Fachdiskussion über Geschmacksveränderungen ist auch ein klimapolitischer Aspekt festzuhalten. Es ist für mich nicht sinnvoll, den Most quer durch Europa in Gebiete zu transportieren, in denen die regionale Versorgung durch Zuckerrüben ohnehin gegeben ist.

 
  
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  Brian Simpson (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, aber es gibt noch viele Bereiche, in denen Bedenken angebracht sind, mit denen sich das Parlament aber nicht auseinandersetzen wollte, vor allem die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors gegen Importe aus Drittländern und die Verbesserung der Qualität des in der EU erzeugten Weins. Bedauerlicherweise stehen einzelstaatliche und regionale Prioritäten einem dauerhaften Reformprogramm nun im Wege.

Wir in Europa müssen unseren Qualitätswein schützen, und wir müssen uns auch mit dem Problem auseinandersetzen, Qualitätsweine zu erschwinglichen Preisen zu produzieren. Zweifellos sind die Vorschläge der Kommission verwässert worden. Glücklicherweise wurden dennoch mein Änderungsantrag zur Aufhebung der Minimalbedingungen und die Änderungsanträge, die für eine Genehmigung der Zuckerung eintreten, vom Parlament angenommen. Diese Änderungsanträge sind unerlässlich für die Länder im Norden und auch für unsere Winzer in Großbritannien.

Die europäische Weinwirtschaft muss sich nach wie vor zahlreichen Herausforderungen stellen; wir erleben heute in der EU, wie unser Marktanteil zugunsten der amerikanischen Weinerzeuger immer kleiner wird.

Aber woran liegt das? Es liegt daran, dass sie dort hervorragende Weine zu günstigen Preisen produzieren können, mit einer Marketingstrategie, die sich nach den Vorlieben der Verbraucher des 21. Jahrhunderts richtet und nicht danach, was die Römer im dritten Jahrhundert angebaut haben. Was wir brauchen, ist Qualität, nicht Quantität, und wir müssen Wein erzeugen, der sein Geld wert ist.

 
  
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  Peter Skinner (PSE), schriftlich. (EN) Der Weinmarkt in der EU ist abhängig davon, Weine in einer riesigen Auswahl anzubieten und eine nachhaltige Produktion vor Ort zu betreiben. Für viele ist das Thema Wein ebenso eine Sache der Kultur wie etwa die Sprache. Deshalb war die heutige Abstimmung auch so problematisch.

Die Auswirkungen einer Kennzeichnungspflicht für den Zuckergehalt oder eines an die Winzer gerichteten Verbots der Zuckerung würden die Weinerzeugung in Nordeuropa zum Erliegen bringen. Heute kommen viele ausgezeichnete Weine aus Großbritannien, vor allem aus dem Südosten Englands. Das geht auf die Römer zurück, die den ersten Wein nach Großbritannien brachten.

Ich habe für die Bewahrung dieser Tradition und für einen offenen Markt gestimmt.

 
  
  

- Entschließungsantrag: Bekämpfung des Terrorismus (B6-0514/2007)

 
  
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  Philip Bradbourn (PPE-DE), schriftlich. (EN) Die Konservativen haben gegen diesen Entschließungsantrag gestimmt. Erstens, weil er für mehr EU-Beteiligung über den vorgeschlagenen Reformvertrag eintritt und somit die Kompetenzen der EU in dem hochsensiblen Bereich der nationalen Sicherheit erweitern würde. Konservative glauben an eine starke Partnerschaft auf globaler Ebene mit allen Staaten, die dem Terror den Kampf angesagt haben, insbesondere mit unseren amerikanischen Verbündeten. Der vorliegende Entschließungsantrag wird aber der Tatsache nicht gerecht, dass wir in dieser Angelegenheit zusammenarbeiten und nicht harmonisieren müssen.

 
  
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  Michael Cashman (PSE), schriftlich. (EN) Die Britische Sozialdemokratische Delegation (EPLP) hat den Entschließungsantrag zur Bekämpfung des Terrorismus begrüßt und unterstützt. Wenn auch die endgültige Fassung des vom Europäischen Parlament verabschiedeten Entschließungsantrags nicht ideal ist, sind wir uns darüber im Klaren, wie wichtig es ist, ein deutliches und unmissverständliches Signal unserer Unnachgiebigkeit an all jene zu übermitteln, die unsere Lebensweise bedrohen.

Die EPLP ist davon überzeugt, dass die EU alles in ihrer Macht Stehende tun kann und tun wird, um den Terrorismus zu besiegen, und dass wir mit den Nachbarmitgliedstaaten und internationalen Verbündeten gemeinsam mehr Chancen haben, dieses langfristige Ziel zu erreichen, als durch eine isolationistische Politik.

Wir übernehmen die volle Verantwortung für unsere Rolle als Parlamentarier, die Vorschläge der Kommission in diesem Bereich eingehend zu untersuchen, um sicherzustellen, dass jedes Gesetz, das verabschiedet wird, zweckmäßig und angemessen ist und die Grundrechte unserer Bürger wahrt. Wir werden bei Meinungsverschiedenheiten weiterhin kritisch gegenüber der Politik der Verbündeten sein, erkennen jedoch an, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und anderen demokratischen Staaten fortgesetzt werden muss. Wir begrüßen diese Zusammenarbeit und insbesondere die wichtige Beziehung zwischen der EU und den USA im Bereich Justiz und Inneres. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir nur durch Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten, nicht aber durch Feindseligkeit und Vergeltung diejenigen besiegen werden, die danach trachten, unsere Werte und Grundsätze mit Gewalt und Hass zu zerstören.

 
  
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  Sylwester Chruszcz (NI), schriftlich. − (PL) Frau Präsidentin! Die Mitgliedstaaten der EU haben die Pflicht, Terrorismus in jeder Form zu bekämpfen; dabei müssen aber die Gesetze eingehalten und die Menschenrechte und Bürgerfreiheiten respektiert werden. Der Kampf gegen den Terrorismus geschieht über nationale Grenzen hinweg, und internationale Zusammenarbeit ist hier ganz offensichtlich erforderlich.

Es ist unbedingt notwendig, dass alle Institutionen und Behörden, die besondere Befugnis im Kampf gegen den Terrorismus haben, einer vollständigen demokratischen Kontrolle durch eine unabhängige Justiz unterliegen.

Der Kampf gegen den Terrorismus darf nicht – wie es in der heute angenommenen Entschließung versucht wird – dazu dienen, die Befugnisse von Polizei und Justiz in Brüssel zulasten der Nationalstaaten auszuweiten. Aus diesem Grund habe ich die heutige Entschließung zum Terrorismus in der EU nicht unterstützt.

 
  
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  Patrick Gaubert (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Der Terrorismus ist zu einer Bedrohung für die Sicherheit aller Bürger der Europäischen Union geworden, die größer denn je ist. Daher hat die PPE-DE-Fraktion dem Kampf gegen den Terrorismus Vorrang eingeräumt und wünscht, dass dazu eine Entschließung angenommen wird.

Die vorgeschlagene Entschließung unterstreicht, wie schwierig und wie notwendig es ist, das richtige Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Achtung der persönlichen Freiheiten zu finden. In unseren europäischen Demokratien müssen wir wirklich gewährleisten, dass die Instrumente zur Bekämpfung des Terrorismus ihrem Zweck angemessen sind, sodass sie die persönlichen Freiheiten unserer Bürger nicht gefährden.

Gleichzeitig dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, dass das vorrangige Ziel der Union darin besteht, das Recht jedes europäischen Bürgers auf Leben und Sicherheit zu verteidigen, und sie deshalb den Terrorismus verhindern und bekämpfen muss.

Es ist bedauerlich, dass eine Vielzahl von besonders unangemessenen und in manchen Fällen unberechtigten Bestimmungen die Ausgewogenheit dieses Texts zerstört hat. Trotz der von unserer Fraktion eingebrachten Änderungsanträge spiegelt die letztendlich im Plenum angenommene Entschließung weder den Geist noch den Wortlaut unserer Position zu diesem Thema wider, und aus diesem Grund habe ich dagegen gestimmt.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Obwohl sie bestimmte Punkte enthält, die, wenn auch gemäßigt, die Verletzungen der Menschenrechte im Namen der so genannten Terrorismusbekämpfung kritisieren – Verletzungen, die wir von Anfang an klar und deutlich verurteilt haben –, distanziert sich diese Entschließung nicht von diesem Kampf oder will ihn nicht in Frage stellen, wenn das Völkerrecht missachtet und in seinem Namen Staatsterrorismus praktiziert wird.

Sicherlich fordert sie Kritik an der Verletzung des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren und Datenschutz, an mangelnder Transparenz und an demokratischer Überwachung, an der Weigerung des Rates, „zu den Vorwürfen des Machtmissbrauchs unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Stellung zu nehmen, besonders im Fall außerordentlicher Auslieferungen und so genannter „Black Sites“ unter Federführung der CIA“.

Dennoch können wir nicht hinnehmen, dass unter dem Deckmantel des so genannten „Kampfs gegen den Terrorismus“ das Parlament „die Annahme des neuen Reformvertrags“ begrüßen und die Mitgliedstaaten auffordern soll, „ihn zu ratifizieren“; dass es wieder einmal betonen soll, dass „die USA auf diesem Gebiet ein wichtiger Partner ist“ und sich damit die US-Außenpolitik komplett zu Eigen macht; oder dass es dazu auffordern soll, „die Befugnisse von Europol zu verstärken“ und der Agentur dazu die „Vollmacht zur Durchführung unabhängiger Ermittlungen“ einzuräumen.

 
  
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  Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. (EN) Ich konnte den heutigen Entschließungsantrag zur Bekämpfung des Terrorismus aus verschiedenen Gründen nicht unterstützen.

Zum einen kann ich den darin enthaltenen Enthusiasmus im Hinblick auf den Reformvertrag (Vertrag von Lissabon) nicht teilen. Ich glaube nicht, dass Europa durch den Reformvertrag für die Bürger der Mitgliedstaaten sicherer wird.

Zum anderen habe ich so meine Bedenken in Bezug auf die Aspekte der bürgerlichen Freiheiten in diesem Entschließungsantrags. Dieser Entschließungsantrag enthält zwar einige sehr gute Ansätze, ist aber unausgewogen, weil er zu einseitig auf Gesetze und sicherheitspolitische Zusammenarbeit abzielt.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI), schriftlich. Europa ist verstärkt ins Visier von Terroristen geraten, weil es sich zum Handlanger der völker- und menschenrechtswidrigen Außenpolitik der USA degradieren ließ und es auch in der Palästinenserfrage nicht geschafft hat, als ehrlicher Makler aufzutreten. Die EU muss endlich erkennen, dass die Massenzuwanderung aus der islamischen Welt ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellt, vor allem seit die Emigration nach Europa den Märtyrerstatus verschafft und die Unterwanderung des christlichen Abendlands durch moslemische Zuwanderer zum religiösen Ziel erklärt wurde.

Statt sich also in diesem Sinne für einen sofortigen Zuwanderungsstopp aus islamischen Ländern einzusetzen und die Repatriierung illegaler Zuwanderer in Angriff zu nehmen, fährt die EU einen Kuschelkurs, um bereits anwesende Muslime ja nicht zu verärgern. Da der vorliegende Bericht vor allem den demokratieverachtenden EU-Reformvertrag als Heilmittel gegen Terrorismus zu betrachten scheint, habe ich heute dagegen gestimmt.

 
  
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  Cristiana Muscardini (UEN), schriftlich. − (IT) Wir hatten das Europäische Parlament aufgefordert, sich ernsthaft mit dem Problem der Bekämpfung des Terrorismus auf der Juli-Tagung zu befassen. Ein kluger Kopf entschied jedoch, im September darüber zu reden und im Dezember abzustimmen: weitere fünf Monate verschwendet und noch mehr Worte, die darauf zielen, das Recht auf freie Meinungsäußerung von Terroristen, die zunehmend Informationsnetze nutzen, zu verteidigen, statt die Sicherheit der europäischen Bürger und anderer Länder zu schützen, die von Terroristen angegriffen werden.

Wir vergeben den Sacharow-Preis an Salih Mahmud Osman und lassen ihn allein im Kampf um das Leben von Millionen Menschen in Darfur. Wir ignorieren weiterhin die Gewalt islamistischer Fundamentalisten in Somalia und weinen Krokodilstränen angesichts der 50 Opfer in Algerien.

Welch Schande!

Aus diesem Grund kann ich Ihren Entschließungsantrag nicht unterstützen und stimme dagegen.

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich.(EL) Der Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments entspricht und übertrifft in vieler Hinsicht die reaktionäre Politik und demokratiefeindlichen Maßnahmen der EU, die unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus Grundrechte und demokratische Freiheiten der Arbeitnehmer einschränkt. In der Entschließung wird die weitere Stärkung der Zusammenarbeit von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zwischen Vollstreckungsmechanismen und Geheimdiensten der Mitgliedstaaten, Europol und Eurojust und größere Effizienz beim Betrieb der SIS-II- und VIS-Datendanken gefordert, um die Wirksamkeit der Überwachung und die Archivierung von Informationen über Arbeitnehmer in der EU auszuweiten und zu verstärken. Die vorliegende Entschließung liegt nicht nur ganz auf einer Linie mit der neuen Dimension, die die EU ihrer Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus gibt, d. h. die Bekämpfung und Prävention so genannter gewalttätiger Radikalisierung, sondern darin wird auch dazu aufgerufen, für die Strategie zu kämpfen. Außerdem sollte sie auf die Verhinderung der Aufwiegelung zur Begehung von Gewalttaten ausgerichtet sein. Diese gegen eine Radikalisierung gerichtete Strategie zeigt das eigentliche Ziel der so genannten Antiterrorpolitik der EU und ihrer Vollstreckungsmechanismen, nämlich all jene Menschen, die sich dieser reaktionären Politik widersetzen und sie in Frage stellen. Aber ganz gleich, wie viele Entschließungen von den politischen Sprachrohren der Monopole verabschiedet werden – sie werden den Widerstandsbewegungen und der stetig wachsenden öffentlichen Meinung keinen Einhalt gebieten, die die EU selbst als eine imperialistische Staatengemeinschaft des europäischen Kapitals herausfordern.

 
  
  

- Entschließungsantrag: Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission 2008 (B6-0500/2007)

 
  
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  Colm Burke, Avril Doyle, Jim Higgins, Mairead McGuinness und Gay Mitchell (PPE-DE), schriftlich. (EN) Die Fine-Gael-Delegation im Europäischen Parlament hat gegen Ziffer 16 des Entschließungsantrags zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission 2008 gestimmt, weil wir uns mit Nachdruck gegen jegliche EU-Initiative zur Etablierung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) aussprechen. Wir begrüßen es, dass die Kommission nicht die Absicht hat, die Gesetzgebung zu diesem Punkt in ihr Programm für das nächste Jahr aufzunehmen.

Der Steuerwettbewerb ist unerlässlich, um das Wachstum zu fördern und Kapital sowie die Unterstützung der Mitgliedstaaten, vor allem der Staaten der Eurozone, zur Lenkung ihrer Volkswirtschaften zu gewinnen. Die EZB legt die Zinssätze fest und im Stabilitäts- und Wachstumspakt werden die Darlehens- und Inflationsbedingungen für die Eurozone festgeschrieben. Die Steuerpolitik ist daher eines der wichtigsten Instrumente, die nach Inkrafttreten des Vertrags bei den Mitgliedstaaten der Eurozone verbleiben. Deshalb muss sie in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben.

Die Fine-Gael-Abgeordneten befürchten, dass eine EU-weite GKKB zur Einführung eines europaweit einheitlichen Steuersatzes führen könnte, und lehnen diese deshalb strikt ab.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir stimmen gegen diese Entschließung, da die Vorschläge nicht berücksichtigt wurden, in denen wir unsere ernsten Befürchtungen über die Beschleunigung des Liberalisierungs- und Deregulierungsprozesses äußerten, der sich in vielen Sektoren vollzieht und eine Bedrohung für Beschäftigung, die Qualität der angebotenen Leistungen und die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen in der EU darstellt. Übrig bleibt nur ein verzerrtes Bild des Staats als Anbieter von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, da das gesamte Schwergewicht auf der Liberalisierung liegt.

Auch die Geld- und Finanzpolitik in der EU ist restriktiv und verfolgt als Hauptziel, die Preise zu stabilisieren und den Haushalt gemäß dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zu konsolidieren, obwohl wir wissen, dass der Prozess der nominellen Konvergenz negative Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, reale Konvergenz zwischen den EU-Mitgliedstaaten und öffentliche Investitionen hat.

Außerdem wird in der Entschließung die neoliberale Lissabon-Strategie betont, die das Hauptinstrument in der EU bildet, um die Liberalisierung und Privatisierung von Dienstleistungen und öffentlichen Einrichtungen, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit auf den Arbeitsmärkten, Lohnsenkungen und die Öffnung der meisten Bestimmungen zur sozialen Sicherheit, darunter Renten- und Krankenversicherungen, für private Interessen voranzutreiben.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE), schriftlich. − (PL) Frau Präsidentin! Das Arbeitsprogramm 2008 umfasst einen komplexen Ansatz, bei dem es darum geht, eine Vision von Europa umzusetzen, die den zukünftigen Erwartungen der Bürger entspricht. Oberste Prioritäten haben für die Europäische Kommission kommendes Jahr vor allem Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums, der Beschäftigung und der nachhaltigen Entwicklung in Europa und die Bewältigung der Migrationsströme. Sie umfassen auch den Klimawandel, die Energie, die zukünftige Erweiterung der EU und das Wirken auf internationaler Bühne.

Es sollte betont werden, dass der Arbeitsplan das Ergebnis detaillierter Diskussionen mit anderen Institutionen darstellt; dabei ging es auch um die Themen, die unlängst während der Debatte über Globalisierung auf dem informellen Treffen des Europäischen Rats in Lissabon behandelt wurden. Zu den Prioritäten im Programm gehört auch der Bereich Kommunikation, die einen weiteren Schritt in den Bemühungen der Kommission darstellen, die Vermittelung von Information über die EU an die Bürger Europas zu verbessern.

Erfreulich sind die Ankündigungen zu einem neuen Ansatz bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und der unabhängigen Folgenabschätzung einer vorgeschlagenen Rechtsvorschrift, um zukünftig Fehler zu vermeiden. Ebenso begrüße ich die Vorschläge zu einer neuen Rechtsvorschrift zur Verbesserung der Lage der Frauen, insbesondere was die Hilfe bei der Vereinbarung von Familie und Beruf anbelangt. Das ist ein wichtiger Schritt, um dem Rückgang der natürlichen Zuwachsrate in Europa zu begegnen.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Aus den vielen kritikwürdigen Aspekten zu diesem Thema möchte ich einen Schwerpunkt für 2008 herausgreifen, den der Präsident der Kommission als einen der bedeutendsten beschrieben hat: die Ratifizierung des Vorschlags für einen Vertrag über die Europäische Union.

Die Mehrheit des Europäischen Parlaments „begrüßt die Zusage der Kommission, die Ratifizierung des Reformvertrags zu unterstützen”, „drängt die Kommission, ... ihre Bemühungen um die Entwicklung einer effektiveren Kommunikationspolitik zu verstärken, um so ein besseres Verständnis der Bürger für die Tätigkeit der EU … zu erreichen … und um die Ratifizierung des Reformvertrags und die Europawahlen im Jahr 2009 entsprechend vorzubereiten,“ und „fordert die Kommission auf, deutlich zu machen, wie sie beabsichtigt, ihre ... Schwerpunkte umzusetzen, insbesondere die Schwerpunkte im Hinblick auf den Reformvertrag“.

Angesichts der unzulässigen Rolle der Kommission im Verlauf der Referenden über die so genannte Europäischen Verfassung im Jahre 2005 sind solche seit langem verkündeten und jetzt erneut bestätigten Absichten – sofern sie zum Tragen kommen – eine ernsthafte Einmischung in den Ratifizierungsprozess, der Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats ist.

Was für ein Widerspruch seitens des Präsidenten der Kommission, der auf Fragen zum Ratifizierungsprozess antwortet, dieser läge in der Entscheidung jedes Mitgliedstaats, aber es genau zu einem seiner Schwerpunkte macht, sich in diese Entscheidung einzumischen!

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Da es unmöglich war, wie ursprünglich geplant private Mittel aufzubringen, um die Finanzierung des Projekts „Galileo“ zu ergänzen, „beschloss“ die Europäische Union, das Projekt vollständig mit öffentlichen Geldern zu finanzieren, besonders aus dem Gemeinschaftshaushalt.

Das ist der Grund für die Änderung der Interinstitutionellen Vereinbarung (IIV) – die den Finanzrahmen für 2007-2013 festlegt – zur Anhebung der Obergrenze für Verpflichtungsermächtigungen unter Teilrubrik 1a (Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum) für die Jahre 2008 bis 2013 auf insgesamt 1 600 Millionen Euro zu den jeweiligen Preisen, zulasten einer Haushaltsunterschreitung und Absenkung der Ausgaben unter der Rubrik 2 („Schutz und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen“, d. h. Landwirtschaft, Fischerei und Umwelt) im Jahr 2007.

Mit dieser Neufassung der IIV und der Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments sichert die EU die Zukunft ihrer großen „Priorität“, indem sie deren Finanzierung garantiert. Abzuwarten bleibt, ob nach Abschluss des Projekts „Galileo“ – wohlgemerkt nach einem Abschluss mit öffentlicher Finanzierung – das Projekt nicht später einmal privatem Kapital „angeboten“ wird, z. B. auf der Grundlage irgendeiner öffentlich-privaten Partnerschaft, in der der öffentliche Partner die Kosten trägt und das private Kapital die Gewinne einstreicht.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE), schriftlich. (EN) Ich unterstütze nicht die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich bin dafür, das Legislativprogramm der Europäischen Kommission für das nächste Jahr anzunehmen. Meiner Meinung nach spiegelt es die politischen Prioritäten der Europäischen Union sehr gut wider. Durch die Legislativvorschläge, die die Kommission gerade zu den Rechtsvorschriften für private Unternehmen und KMU vorbereitet, sollten jedoch die Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die in den letzten Jahren in bedeutendem Maße zum Wirtschaftswachstum beigetragen haben, wie z. B. der Einheitssteuersatz, nicht beeinträchtigt werden.

Die jüngste Mitteilung der Europäischen Kommission zum „Gesundheitscheck“ der Gemeinsamen Agrarpolitik ist eine gute Grundlage für die Verhandlungen zwischen den einzelnen Organen. Zu diesem Zweck darf die Europäische Kommission bis zum Abschluss der Beratungen zwischen den EU-Organen und den Mitgliedstaaten keine Legislativvorschläge unterbreiten, die eine wesentliche Änderung ihrer Bestimmungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik zur Folge haben.

Abschließend möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass es keine Gesetzgebungsinitiativen im Bereich der Gemeinsamen Visapolitik hinsichtlich des Grundsatzes der Reziprozität beim freien Personenverkehr zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten gibt. Ich möchte die Europäische Kommission daran erinnern, dass zwölf Mitgliedstaaten mit mehr als 100 Millionen EU-Bürgern immer noch von dem Programm für visumfreies Reisen in die USA ausgeschlossen sind.

 
  
  

- Entschließungsantrag: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (B6-0497/2007)

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. − (PL) Als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung AKP-EU möchte ich die Ergebnisse unterstützen, die letzte Woche auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon erzielt wurden. Während der letzten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung in Kigali haben wir zu Besonnenheit aufgerufen und gefordert und vor einer übereilten Neugestaltung der Beziehungen zwischen der EU und Afrika gemahnt. Selbstverständlich muss die gemeinsame EU-Afrika-Strategie die Interessen beider Partner berücksichtigen, und die Zusammenarbeit darf nicht zulasten des anderen erfolgen.

Aus der Tatsache, dass die Europäische Union der wichtigste Wirtschaftspartner der afrikanischen Länder ist und dass die meiste Hilfe für Afrika aus Europa kommt, ergibt sich auch eine besondere Verantwortung für die EU. Das wurde in der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen und des Panafrikanischen Parlaments deutlich betont und darin zu Recht gefordert, dass sich beide Organe an der Gestaltung der zukünftigen Beziehung beider Kontinente stärker beteiligen. Das Europäische Parlament hat seine Unterstützung für die Erklärung von Kigali vom 22. November 2007 deutlich zum Ausdruck gebracht. Darin wird gefordert, den Termin für den Abschluss der Verhandlungen über ein neues AKP-EU-Handelsabkommen zu verlängern und ein ausgewogenes Abkommen abzuschließen. Zudem gibt es dort den Vorschlag, die strengen Forderungen der WTO zu lockern. Es ist gut, dass die bis zum nächsten Gipfel 2009 gesetzten Prioritäten nicht nur Frieden, Sicherheit, Menschenrechte, Energie, Klimawandel oder Migration umfassen, sondern auch den Kampf gegen die Armut durch Beschäftigung und Investitionen in Gesundheitsfürsorge und Bildung.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich.(PT) Wenn es noch irgendwelche Zweifel über die wahren Absichten der Europäischen Union im Hinblick auf die Freihandelsabkommen gab, die sie mit den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) vorschlägt, Abkommen, die „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (WPA) genannt werden und über die beim jüngsten EU-Afrika-Gipfel viel geredet wurde, weil einige afrikanische Länder ihre Unterzeichnung ablehnten, so würde die Lektüre der jetzt verabschiedeten Entschließung genügen, sie zu begründen. Allerdings hatte João Cravinho, portugiesischer Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit als Präsident des Rates die Dinge auf der Gemischten Parlamentarischen Versammlung AKP-EU in Kigali am 21. November schon recht deutlich gemacht.

Obwohl sie (erst einmal) zurückrudern musste, strebte die EU nach Überwindung des Widerstands durch einen Vorschlag zur Verhandlung der WPA in zwei Phasen, beginnend mit dem Handel mit Gütern, um später andere Bereiche wie Dienstleistungen und Investitionen einzubeziehen, und versprach dabei zugleich Abermillionen Euro für die (wirtschaftliche und bald auch politische) Souveränität und Unabhängigkeit der AKP-Länder. Das ist die Zielsetzung der Entscheidung des Rats „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ vom 17. November 2007.

Die Mehrzahl der Abgeordneten lobt und unterstützt die Entscheidung. Was uns angeht, so verurteilen wir diese Pläne und Maßnahmen und wenden uns gegen sie, da die EU damit versucht, die AKP-Länder wieder zu wirtschaftlichen Kolonien zu machen.

 
  
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  Karin Scheele (PSE), schriftlich. Ich begrüße die Tatsache, dass ein großer Teil der Mitglieder des Europäischen Parlaments den Inhalt der Kigali-Deklaration zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) unterstützt, die in Ruanda von Abgeordneten aus europäischen, afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten gemeinsam ausgearbeitet wurde. Ich bin aber enttäuscht, dass ein gemeinsam ausverhandelter Text, dem die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die Abgeordneten der AKP-Staaten beim AKP-EU-Treffen in Kigali ihre Zustimmung erteilt hatten, von der Fraktion der EVP-ED sowie der Liberalen in Straßburg plötzlich abgelehnt wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass dadurch im Rahmen der Verhandlungen zu einem für die AKP-Staaten überlebenswichtigen Thema ein völlig falsches Signal gesandt wird.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) dürfen nicht als bloße Freihandelsabkommen im Sinne der WTO angesehen werden, und vor allem dürfen sie die ohnehin bereits anfällige Wirtschaft der Überseegemeinschaften nicht schwächen.

Diese Abkommen müssen echte Partnerschaften darstellen, die die Schaffung eines neuen wirtschaftlichen und handelspolitischen Umfelds ermöglichen, um die Entwicklung in allen betroffenen Gebieten zu fördern.

Ich danke den Mitgliedern des Europäischen Parlaments, dass sie meinen Änderungsantrag angenommen haben, der in Erinnerung ruft, dass die Interessen der Überseegemeinschaften im Mittelpunkt dieser auf Gegenseitigkeit basierenden Vorzugsabkommen mit den AKP-Ländern stehen. Es ist sehr wichtig, dass wir die besonderen Bedingungen der Gebiete in äußerster Randlage auf der Grundlage von Artikel 299 Absatz 2 des Abkommens in den Verhandlungen konsequenter berücksichtigen. An AKP-Länder angrenzende überseeische Länder und Gebiete müssen laut den Assoziierungsabkommen, die sie gemäß Artikel 299 Absatz 3 des Vertrages mit der Union verbinden, ebenfalls besondere Beachtung finden.

Wenngleich die aktuellen Diskussionen problematisch sind, insbesondere was den Schutz lokaler Märkte und die Liste sensibler Produkte angeht, möchte ich die Kommission auffordern, Kompromisse zu suchen, die die speziellen Interessen der betreffenden Gebiete in äußerster Randlage und überseeischen Länder und Gebiete achten.

 
  
  

(Die Sitzung wird um 13.50 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 

8. Berichtigungen des Stimmverhaltens: siehe Protokoll
  

VORSITZ: MECHTILD ROTHE
Vizepräsidentin

 

9. Genehmigung des Protokolls: siehe Protokoll

10. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll

11. EU-China-Gipfel - Menschenrechtsdialog EU-China (Aussprache)
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission über den EU-China-Gipfel.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich begrüße die heutige Aussprache zum Menschenrechtsdialog zwischen der EU und China. Wie Sie wissen, wurde das Thema Menschenrechte auf dem jüngsten Gipfeltreffen in Peking angesprochen, und die gemeinsame Erklärung bezieht sich auch ausdrücklich darauf.

Meiner Ansicht nach muss fairerweise anerkannt werden, dass China trotz ernsthafter Bedenken, die bleiben und mit denen wir uns auch auseinandersetzen müssen, in puncto Menschenrechte im Lauf des letzten Jahres auch bemerkenswerte Fortschritte gemacht hat. Dies gilt vor allem für den Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Rechte, aber auch für einige andere Gebiete.

Es sind Schritte in Vorbereitung, um das System der „Umerziehung durch Arbeit“ zu reformieren. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die aktuelle Gesetzesinitiative und hoffen auch, dass schon bald konkrete Reformen eingeleitet werden. Es ist ein Grundrecht, dass niemand ohne angemessenen Rechtsbeistand und ohne faires Gerichtsverfahren seiner Freiheit beraubt werden darf.

China arbeitet darüber hinaus an der Umsetzung der Empfehlungen des UNO-Sonderberichterstatters über Folter. Beispielweise hat das Justizministerium kürzlich die Gerichte angewiesen, Geständnisse allein nicht länger als hinreichenden Schuldbeweis gelten zu lassen, da Geständnisse zuweilen infolge von Folter durch Polizei oder Gefängnispersonal zustande kommen. Auch hat China inzwischen gezielt mit besonderen Schulungsmaßnahmen für das entsprechende Ordnungspersonal begonnen.

Wir begrüßen darüber hinaus den Fortschritt, dass nunmehr alle von lokalen Gerichten verhängte Todesurteile dem Obersten Volksgericht zur Überprüfung vorgelegt werden müssen, und wir sind sicher, dass es in der Folge weniger rechtskräftige Todesurteile und weniger Hinrichtungen geben wird. Das ist höchst erfreulich für die Europäische Union. Wie Sie wissen, war dies ja seit langem einer unserer vorrangigen Interventionsbereiche.

Nichtsdestotrotz habe ich auch einige negative Dinge anzumerken. So ist die Kommission nach wie vor besorgt über die allgemeine Menschenrechtssituation in China und insbesondere im Bereich der bürgerlichen und politischen Rechte. Wir denken hier vor allem an Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Vereinigungsfreiheit sowie an den Schutz der Minderheitenrechte, beispielsweise in Tibet und in der Provinz Xinjiang.

In diesem Zusammenhang ist die Unterdrückung der Menschenrechtsaktivisten nach wie vor ein wichtiges Thema. Die Ausübung des Rechts auf Redefreiheit führt oftmals zu Prügel, Hausarrest oder sogar zu Haftstrafen. Der Zugang zum Internet, also das Recht auf Informationsfreiheit, wird genau überwacht und reglementiert. Wenn z. B. jemand für eine größere Autonomie Tibets eintritt, hat dies unverhältnismäßig lange Gefängnisstrafen zur Folge. Die Anwendung der Gesetze der Staatssicherheit wie auch anderer einfacher strafrechtlicher Bestimmungen erleichtert die Verfolgung derjenigen, die frei reden oder publizieren.

Die Kommission fordert die chinesische Regierung dringend auf, die Äußerung von Meinungen in jeder Form zuzulassen. Das ist unseres Erachtens auch ein sehr wichtiger Faktor dafür, wie China in der internationalen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, insbesondere im Vorfeld der für nächstes Jahr geplanten Olympischen Spiele, bei denen die ganze Welt auf China blicken wird. Die Geschichte lehrt uns, dass Gesellschaften, die ihren Bürgern das Recht auf freie Meinungsäußerung einräumen, langfristig wesentlich stabiler sind als andere. Wir alle wissen das.

All diese Aspekte werden regelmäßig im Menschenrechtsdialog EU-China erörtert. Daher begrüßen wir es, dass beim jüngsten Dialog im Oktober in Peking ein ernsthafter und ausführlicher Meinungsaustausch zu allen von uns für wichtig gehaltenen Themen ermöglicht wurde und auf einige der Diskussionen dann auch praktische Schritte folgten. Wir müssen auf jeden Fall anerkennen, dass dieser Dialog ein wichtiges Forum bietet, in dem beide Seiten offen über ihre ureigensten Besorgnisse sprechen und damit gleichzeitig zu einem besseren Verständnis der jeweiligen Unterschiede beitragen können, denn diese Unterschiede sind nach wie vor beträchtlich.

Vor diesem Hintergrund bedauern wir die chinesische Entscheidung, wegen der Teilnahme zweier Nichtregierungsorganisationen sich aus dem Menschenrechtsseminar in Berlin zu verabschieden, und dass das Seminar demzufolge neulich auch nicht in Peking stattfinden konnte. Unserer Ansicht nach muss die Zivilgesellschaft eine äußerst wichtige Rolle spielen, und das Seminar bietet ein geeignetes Forum für die wertvollen Beiträge von Nichtregierungsorganisationen. Ich vertraue aber darauf, dass wir eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden können, damit diese wichtige Bewegung ihren erfolgreichen Weg in Zukunft fortsetzen kann, wie beim EU-China-Gipfel hervorgehoben wurde.

Lassen Sie mich zum Abschluss darauf hinweisen, dass es zwei weitere Menschenrechtsfragen gibt, die wir regelmäßig mit der chinesischen Seite als vorrangige Angelegenheiten besprechen. Das ist zum einen die Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch China, zum anderen die Freilassung der anlässlich der Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens oder später bei Veranstaltungen zum Gedenken an diese Ereignisse des Jahres 1989 inhaftierten Personen. Ein entschlossenes Handeln auf beiden Seiten würde ein klares positives Signal setzen und wäre hochwillkommen.

 
  
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  Edward McMillan-Scott, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Frau Kommissarin Ferrero-Waldner für diese Erklärung danken.

Ich halte es für äußerst wichtig, dass im Anschluss an den EU-China-Gipfel und insbesondere an den Menschenrechtsdialog EU-China Abgeordnete dieses Hauses Gelegenheit bekommen, das Ergebnis zu prüfen. Ich möchte aus Zeitgründen nicht näher auf den EU-China-Gipfel eingehen. Ich möchte über den Menschenrechtsdialog sprechen, weil dieser mich im Mai dieses Jahres nach Peking führte, als ich gemeinsam mit Frau Flautre einen Bericht über die Reform der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte vorbereitete.

Heute Nachmittag geht es mir darum, für diejenigen zu sprechen, die nicht für sich selbst sprechen können. Das ist nämlich die große Mehrheit der Menschen in China, die Veränderung und Reformen wollen. Diese Bewegung wird unter anderem von Gao Zhisheng angeführt, einem christlichen Rechtsanwalt, der aus seiner Wohnung in Peking verschwunden ist, wo er aufgrund seiner Überzeugung vor ungefähr einem Jahr als Staatsfeind unter Hausarrest gestellt worden war.

Obwohl ich weiß, dass sein Name unter jenen war, die während des Dialogs erwähnt wurden, denke ich, dass wir als Parlament ein Problem haben, was unsere Einstellung zu diesem Dialog angeht. Trotz der Aussage der Frau Kommissarin, es sei ein ernsthafter und ausführlicher Meinungsaustausch gewesen – und ich bin sicher, dass das für die europäische Seite tatsächlich auch so war –, bin ich skeptisch, dass dies auch auf die Chinesen zutraf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es seit meiner Zeit als EU-China-Berichterstatter, nämlich seit 1997, als dieser Prozess begann, also in den letzten zehn Jahren absolut keine konkreten Fortschritte in China in Bezug auf die Menschenrechte gegeben hat, in dem Sinne, dass sich das Leben der Menschen verbessert hätte, Gefangene freigelassen, die Folter abgeschafft oder Masseninhaftierungen beendet worden wären, von denen Harry Wu von der Laogai-Stiftung berichtet hat. Schätzungen des Letzteren zufolge befinden sich derzeit 6,8 Millionen Menschen in China in irgendeiner Form in Haft, viele von ihnen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung. Hier denken wir insbesondere an Falun-Gong-Anhänger, die schuldlos sind, jedoch wegen ihres Glaubens gefoltert werden und vielfach daran sterben.

Ich möchte auch etwas zu den unmittelbar bevorstehenden Olympischen Spielen sagen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich gemäß Artikel 1 der Olympischen Charta die einzelnen Länder universelle ethische Grundprinzipien auferlegen sollten. Das kann nur eines heißen: China kann nicht als geeignetes Gastgeberland für diese Spiele gelten, vor allem, weil sich im Grunde genommen seit 2001 nichts geändert hat. Ich hoffe, dass alle Fraktionen den gemeinsamen Entschließungsantrag unterstützen werden, dem zufolge das IOC bewerten soll, ob China die 2001 vereinbarten Bedingungen erfüllt. Meiner Ansicht nach sollten die Olympischen Spiele unverzüglich nach Athen verlegt und für immer dort belassen werden.

 
  
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  Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Um es gleich von vornherein zu sagen, ich glaube, dass die Olympischen Spiele in China bleiben sollten, weil es eine gute Gelegenheit ist, gerade diese Olympischen Spiele auszunützen, um den Dialog zu forcieren. Das steht auch in der Gemeinsamen Entschließung, Kollege McMillan-Scott, und wenn Sie der Meinung sind, die Sie vertreten haben, sind Sie gegen die Gemeinsame Entschließung.

Es war eine frühere Kollegin von Ihnen, Frau Ferrero-Waldner, Madeleine Albright, die als amerikanische Außenministerin festgestellt hat, dass es natürlich viel schwieriger ist, die Menschenrechte in China anzusprechen als in Burma, weil hier auch geopolitische Gründe eine Rolle spielen. In der Tat wollen wir China als Partner für die Lösung vieler Probleme. Aber das darf uns nicht daran hindern, die Menschenrechtsfrage sehr wohl und sehr intensiv anzusprechen, und zwar nicht unbedingt als Lehrmeister, als jene, die alles besser wissen. Ich bin sehr froh, dass die Grundrechtecharta heute unterschrieben worden ist, weil viele Redner auch belegt haben, dass wir nur dann ein Recht haben, über Menschenrechtsfragen zu sprechen, wenn wir selber sehr gut in der Wahrung der Menschenrechte sind. Wir sind vielmehr der festen Überzeugung, dass es im Interesse Chinas ist, dass die Menschenrechte nicht mit Füßen getreten, sondern wirklich respektiert werden.

China will Stabilität haben. Wie soll die Stabilität Chinas erhalten bleiben, wenn die Menschenrechtsfrage nicht stärker angesprochen wird? Wir wollen nicht, dass China zerfällt. Es ist nicht sinnvoll, Europa aufzubauen und China zerstören zu wollen, aber ohne Respekt für die Menschenrechte besteht eine Gefahr für die Stabilität Chinas. Wir wollen eine soziale Orientierung in China haben. In diesem ungeheuren Wachstumsprozess, von dem auch Herr Barroso gesprochen hat, ist es nur möglich, die Stabilität zu bewahren, wenn auch die sozialen Aspekte berücksichtigt werden. Ich kann aber nicht die sozialen Aspekte berücksichtigen, wenn nicht auch die Menschenrechtsfrage berücksichtigt wird, wenn nicht möglich ist, dass sich Gewerkschaften organisieren, dass sich Bürgerinitiativen organisieren.

Wir wollen ein stärker ökologisch orientiertes China haben, weil Umwelt ein wichtiges gemeinsames globales Gut ist. Wir wissen, dass in China viele Initiativen entstehen, um massiv gegen die Verletzung der Mindeststandards für Ökologie und Umwelt zu protestieren. Es wäre gut für China, wenn das Land auf diese Stimmen hörte, das wäre ein Fortschritt für China.

Daher glaube ich, es ist nicht eine Frage der europäischen Überheblichkeit, sondern eine Frage der Vertretung gemeinsamer Interessen. Im Interesse Chinas werden wir die Menschenrechtsfrage ansprechen, und wohlaufgeklärte Vertreter des politischen Systems in China werden gut beraten sein, wenn sie auf uns und auf diese Entschließung hören, die im Interesse Chinas ist und die China voranbringen würde, was ohne Respekt für die Menschenrechte nicht möglich ist.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion.(EN) Frau Präsidentin! Ich hege große Bewunderung für den Beitrag, den China zur Entwicklung der Weltkultur geleistet hat. Was Technik, Gemeinwesen und Kultur betrifft, hat China deutlich mehr als jedes andere Land zur Entwicklung der Menschheit beigetragen.

Ich bedaure, dass die gedeihliche wirtschaftliche Reife Chinas nicht von einer wachsenden politischen Reife begleitet wird. Ich bedaure auch, dass die Europäische Union nicht mehr tut, um China auf den richtigen Weg zu bringen.

Vorgestern hat die EU anlässlich des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verkündet, ihren Einsatz für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte auf der ganzen Welt als einen Grundpfeiler ihrer Außenpolitik zu betrachten.

Dennoch haben die Herren Barroso und Sócrates vor zwei Wochen den Gipfel, nachdem sie die Wirtschaftsinteressen Europas gesichert hatten, früher verlassen und es ihren Beamten überlassen, die Schlussfolgerungen zu formulieren; Schlussfolgerungen, in denen – was Wunder – die Menschenrechte kaum Beachtung fanden, die Aufhebung des Waffenembargos unterstützt wurde und der Antrag Taiwans auf Beitritt zu den Vereinten Nationen abgelehnt wurde. Sie haben vorigen Monat viel dazu beigetragen, Herrn Solanas mit großer Umsicht gewählte Worte zu untergraben.

Ich frage mich, was aus der Welt werden soll, wenn die Europäische Union als selbst ernannte Hüterin universeller, ineinandergreifender und unteilbarer Menschenrechte es nicht schafft, klar und deutlich Stellung zu beziehen gegen einen der schlimmsten Menschenrechtsverletzer der Welt.

Ich halte es für möglich, dass sowohl die Chinesen als auch andere eines Tages die Entscheidung, die Olympischen Spiele in Peking auszutragen, noch bedauern werden. Die chinesischen Behörden selbst haben versprochen, ein Klima von mehr Freiheit und Offenheit zu schaffen. Und doch legen die Zahlen von Human Rights Watch den Schluss nahe, dass der Missbrauch in den letzten sieben Jahren noch zugenommen hat. China fährt nicht nur fort, mehr Menschen als alle anderen Länder der Welt zusammengenommen hinzurichten, sondern hat im Vorfeld der Spiele auch sein Vorgehen gegen Meinungsabweichler und Medienfreiheit dramatisch verschärft.

Diese Entwicklungen verstoßen gegen den Geist der Olympischen Charta. Sie sind eine direkte Verletzung der Verpflichtungen, die die Pekinger Behörden selbst eingegangen sind, indem sie den Host-City–Vertrag mit dem Internationalen Olympischen Komitee unterzeichnet haben.

Dieser Vertrag wurde nicht veröffentlicht. Warum nicht? Weil die Welt beim Offenbarwerden der vollkommenen und totalen Abweichung der chinesischen Versprechungen von der chinesischen Praxis keine andere Wahl gehabt hätte, als Peking auf dieselbe Art wie seinerzeit die Apartheid in Südafrika zu boykottieren.

Ich glaube nicht an die Wirkung von Boykotts. Ich habe auch immer behauptet, dass es mehr bringt, sich mit einem reformfreudigen und zur Öffnung bereiten China zu arrangieren, als leere Drohungen auszustoßen. Aber Präsident Hu Jintao muss akzeptieren, dass man sich an seine Vereinbarungen zu halten hat. Der Host-City-Vertrag, die Menschenrechtsklausel in der chinesischen Verfassung, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – all das sind Versprechen an Chinas Bevölkerung. Wenn China die Olympiade zum Anlass nehmen will, der Welt seine Rechtmäßigkeit und Glaubwürdigkeit zu beweisen, muss es im Gegenzug beweisen, dass es bereit ist, seine Menschenrechtsverpflichtungen einzulösen, und zwar durch eine größere Freiheit der Medien im Einklang mit den olympischen Eiden, durch die Aufhebung der Todesstrafe gemäß den Forderungen der Vereinten Nationen, durch die Einstellung der Unterstützung für Militärdiktaturen in Birma und Darfur und durch die Ermöglichung von Wahlen nach allgemeinem Wahlrecht in Hongkong. Auf diese Weise könnte es China gelingen, seinen Platz in der Mitte der internationalen Gemeinschaft einzunehmen.

 
  
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  Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Die Volksrepublik China ist ein Land, das auf jeder Liste zu Verletzungen der Menschenrechte – unabhängig ob es dabei um Rede- und Versammlungsfreiheit, Zwangsabtreibung, das Verschwinden von Personen, Folter oder die angedrohte Aggression gegen Taiwan geht – zu finden ist.

In China werden nach wie vor Angehörige der katholischen Kirche verfolgt. Aus einem Bericht von David Kilgour, dem ehemaligen Staatssekretär für Asien der kanadischen Regierung, geht hervor, dass Falun Gong seit 1999 zu den am meisten verfolgten Gruppen gehört und dass ihren Mitgliedern in chinesischen Arbeitslagern gewaltsam Organe entnommen wurden. In jüngster Zeit sind Menschen spurlos verschwunden, deren einziges Verbrechen es war, den Vizepräsidenten dieses Parlaments, Herrn McMillan-Scott, zu treffen.

Währenddessen florieren unsere Handelsbeziehungen. China weitet seinen Einfluss in Afrika aus und wird in Kürze Millionen Gäste zu den Olympischen Spielen einladen. Ich kann nicht verstehen, weshalb bislang die selbstverständlichste Reaktion darauf ausgeblieben ist: Die freie Welt muss die Olympischen Spiele 2008 boykottieren.

 
  
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  Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion (FR) Frau Präsidentin! Wir sprechen heute mit Kommissarin Ferrero-Waldner, und das ist erfreulich. Auf dem 10. EU-China-Gipfel am 28. November in Peking wurde die Europäische Union durch ihren Präsidenten, durch den Kommissar für Handel und durch den Kommissar für Wirtschafts- und Währungsangelegenheiten vertreten.

Es stimmt, dass der Handel zwischen der Europäischen Union und China seit dem Jahr 2000 um 150 % zugenommen hat; es stimmt jedoch auch, dass es viel schwieriger geworden ist, Statistiken über die Verschlechterung der Menschenrechtssituation in China zu führen. Es besteht kein Tabu dafür, Menschenrechtsfragen zur gleichen Zeit wie Handelsfragen zu diskutieren. Zwischen beiden gibt es eine offensichtliche Verbindung, beispielsweise in Bezug auf die gewerkschaftliche Freiheit, die Möglichkeit der chinesischen Arbeitnehmer, sich zu mobilisieren und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. Die allgemeine Haltung, die wir vorfinden, ist umso bedauernswerter, als wir damit Zeit vergeuden: Der Beschluss von 2001 versprach die Öffnung Chinas und Fortschritte bei den Menschenrechten und der Demokratie; die Chinesen warten darauf, dass dieses Versprechen eingehalten wird, und sie schauen auf uns.

Ihre Hoffnung, dass die Ausrichtung der Olympischen Spiele durch China die Öffnung bewirkt, ist enttäuscht worden, und das Gefühl der Enttäuschung ist bitter. Die Vorbereitung der Spiele hat insoweit nicht nur zu einer stärkeren Repression geführt, sondern – was noch bedauerlicher ist – die Organisation der Spiele selbst hat negative Auswirkungen und dient als Vorwand für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. Ich denke hier an die Fälle von Zwangsenteignungen und an die Ausbeutung von Gastarbeitern. All das ist nicht verwunderlich, da der Dissident Hu Jia uns mitteilt, dass der Sicherheitschef in Peking auch für die Organisation der dort stattfindenden Olympischen Spiele verantwortlich ist.

Vielleicht werden wir es endlich schaffen, Überraschung oder sogar unsere Verurteilung gegenüber dieser Sachlage zum Ausdruck zu bringen, wenn die Einschüchterung und die Repression ausländischer Journalisten – die bereits begonnen haben, indem man sie am Arbeiten hindert – noch drastischer werden. Beispielsweise zeigt die Verhaftung von zwei Journalisten von Agence France-Presse am 12. September, dass die im Januar 2007 eingeführten Vorschriften nur gelegentlich und nur sofern die betreffenden Personen das Regime nicht in Verlegenheit bringen, angewandt werden. Die von China übernommenen Verpflichtungen sind leere Worte, und es geht in der Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen so weit, dass schwarze Listen geführt werden. Es gibt gegenwärtig eine schwarze Liste von 42 Kategorien von Personen, die während der Olympischen Spiele als persona non grata angesehen werden, vom Dalai Lama über verschiedene Dissidenten bis zu Falun Gong.

Im Januar dieses Jahres begannen Verhandlungen zu einem neuen Rahmenabkommen zwischen der EU und China. Das ist erfreulich, weil ein neues Abkommen auch eine Klausel „Menschenrechte und Demokratie“ enthält. Es schafft neuen Raum für den Meinungsaustausch über Menschenrechte mit den chinesischen Behörden. Allerdings war 2007 auch das Jahr, in dem ein Rechtsseminar abgesagt wurde, das den Menschenrechtsdialog vorbereiten sollte, da die chinesischen Behörden sich weigerten, die Teilnahme von zwei bestimmten NGO zu genehmigen – darunter die von der Menschenrechtsaktivistin Sharon Hom vertretene bekannte Organisation. Die Haltung der Union aus diesem Anlass war begrüßenswert. Gleichzeitig müssen wir natürlich fragen, ob Seminare wie dieses weiter stattfinden können. Unsere Position ist, dass sich beide Dinge nicht gegenseitig ausschließen dürfen. Es ist sehr wichtig, weiter Rechtsseminare zu veranstalten. Wir können es jedoch nicht akzeptieren, dass die chinesischen Behörden diktieren, wer an ihnen teilnehmen darf.

 
  
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  Koenraad Dillen (NI).(NL) Meine Damen und Herren! In den letzten Jahrzehnten wurden in diesem Hohen Hause zahlreiche wohlklingende Erklärungen zu den Menschenrechten abgegeben. Im Rahmen der Proklamierung der Charta der Grundrechte haben wir uns nochmals auf die Frage nach dem eigentlichen Wesen Europas konzentriert. Wir sind eine Wertegemeinschaft, die auf Solidarität, Toleranz und Achtung der Menschenrechte gegründet ist.

Das ist zumindest die Theorie, die Wirklichkeit indes sieht ganz anders aus. Und die Losung der Europäischen Union in Sachen Menschenrechte müsste eigentlich ganz anders lauten. In den letzten Wochen ist nochmals überdeutlich geworden, dass diejenigen, die viel von Menschenrechten reden, oft den anderen Grundsatz der Realpolitik anwenden, nämlich „erst das Fressen, dann die Moral“, wie Bertold Brecht es formulierte.

In Paris rollt Nicolas Sarkozy als Gegenleistung für lukrative Aufträge den roten Teppich für einen Massenmörder aus, der noch wenige Tage zuvor den Terrorismus zu rechtfertigen versuchte und sich rühmt, über Menschenrechte in seinem Land keine Worte verloren zu haben. In Lissabon wird ein blutdürstiger Tyrann wie Mugabe mit allen Ehren empfangen, weil wir auch in Afrika unsere Handelsinteressen im Auge behalten müssen.

In China schlagen wir denselben Kurs ein. In dem vorjährigen Amnesty International-Jahresbericht war von einem Rückstand Pekings bei so entscheidenden Themen wie Todesstrafe, Gerichtsverfahren, Pressefreiheit und Freizügigkeit für Menschenrechtsaktivisten die Rede. Mittlerweile wird die chinesische Hauptstadt auf Hochglanz poliert, so Amnesty International. Umerziehung durch Zwangsarbeit und Inhaftierung ohne Anklage werden heute als Strafen für Vergehen wie unerlaubtes Anschlagen von Plakaten, Taxifahren ohne Zulassung und Betteln, um nur einige zu nennen, verhängt.

Die Menschenrechtsaktivisten werden zum Schweigen gebracht, die Stadien aber, meine Damen und Herren, werden nächstes Jahr glitzern und funkeln. Zahlreiche Spitzenvertreter aus Europa werden sich bei der Eröffnung der Spiele einen Platz in den vordersten Reihen zu ergattern versuchen. Und wenn sie wieder nach Hause zurückkehren, werden sie zweifellos den Kampf gegen den Extremismus in Europa fortsetzen. Man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE).(LT) Es lässt sich nicht leugnen, dass sich seit 1998, als wir die Gipfeltreffen zwischen China und Europa aufnahmen, die Beziehungen zwischen der EU und China – auf der Ebene von Politik, Wirtschaft, Handel und Forschung – intensiv entwickelt haben und zu einer strategischen Partnerschaft geworden sind. Gleichwohl beruhen strategische Partnerschaften, wie wir sie verstehen, auf gemeinsamen Werten, auf der Achtung der Demokratie und der Menschenrechte.

Die Achtung der Menschenrechte war und bleibt auch immer das Fundament, auf dem die EU aufbaut. Sie ist keine kurzlebige Erklärung, was die Geschichte der EU über mehr als ein halbes Jahrhundert zweifellos nachgewiesen hat. Jetzt ist die Zeit, da alle Länder, die EU-Partner, begreifen müssen, dass es einige Dinge gibt, die die EU niemals preisgibt oder fallen lässt. Gerade vor wenigen Stunden wurde ja genau in diesem Saal ein historisches Dokument unterzeichnet – die Charta der Grundrechte der EU.

Dazu möchte ich anfügen, dass bestimmte Fragen negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und China haben, und der Schlüssel zur Lösung dieser Probleme liegt zumeist in den Händen der chinesischen Behörden.

In unseren Gesprächen mit den chinesischen Vertretern, auch in den Verhandlungen zu Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit, denken wir stets daran und vergessen nie, dass Menschen in China für ihre politischen Ansichten, ihre Religion oder Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten weiter im Gefängnis leiden und für Wirtschaftskriminalität, etwa Steuerhinterziehung, zum Tode verurteilt werden.

In den letzten Jahren erfuhren wir mit den bevorstehenden Olympischen Spielen in Peking von anderen „Entwicklungen“, z. B. dem Abriss von Wohnunterkünften ohne Entschädigungen, um Platz für olympische Bauten zu schaffen, und der Existenz einer Liste mit 42 Kategorien von Personen, die nicht die Olympischen Spiele besuchen dürfen, unter ihnen auch der Dalai Lama, seine Anhänger und Menschenrechtsaktivisten.

Dazu kann ich nur sagen: Dies widerspricht völlig der Tradition und dem Geist der Olympischen Spiele. Mein Vorschlag wäre daher, diese Listen abzuschaffen, die China überhaupt keine Ehre machen, und dafür zu sorgen, dass aus Anlass der Olympischen Spiele alle politischen Gefangenen und alle Gefangenen aus Gewissensgründen freigelassen werden und ein Moratorium für Todesstrafen erklärt wird.

Ich bedauere, dass der Gipfel EU-China in Peking nicht zu einem historischen Ereignis wurde und dass an dem Gipfel nicht die Politiker teilnahmen, die in der Lage gewesen wären, die Beziehungen zwischen der EU und China auf ein höheres Niveau zu bringen. Dazu fehlte es ihnen an größerer Rücksicht und Achtung für die Menschen und ihre Rechte.

 
  
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  Glyn Ford (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Ich spreche im Rahmen der Aussprache über den EU-China-Gipfel und den Menschenrechtsdialog EU-China, obwohl aus einigen der von Fraktionen dieses Hauses vorgelegten Entschließungsanträgen nicht unbedingt ersichtlich ist, dass der erste Teil dieser Aussprache überhaupt stattgefunden hat.

Es ist natürlich angebracht, die Frage nach den Menschenrechten in China zu stellen. Die Menschenrechtssituation in China ist vom Idealzustand weit entfernt. Nach wie vor wird in China die Todesstrafe verhängt, wie Frau Kommissarin Ferrero-Waldner in ihrer Eröffnungsrede angemerkt hat. Organisationen, die für die Autonomie Tibets eintreten, werden unterdrückt, ebenso religiöse Gemeinschaften, die außerhalb einer sehr schmalen Bandbreite von offiziell zulässigen Gruppen stehen. Unterdrückt werden auch Bürger, die für ihre Regionen eintreten, die sich für Pressefreiheit einsetzen und die versuchen, Gewerkschaftsarbeit zu organisieren. Darüber hinaus gibt es in China eine unüberwindliche Hürde für Hunderte Millionen von Wanderarbeitnehmern, die versuchen, sich zu organisieren, um ihre Ausbeutung zu beenden und Standards für anständige Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Doch viele in diesem Saal weigern sich hartnäckig anzuerkennen, dass in China im Lauf der letzten zwei Jahrzehnte auch Fortschritte gemacht wurden. Die Menschenrechtssituation in China ist meines Erachtens zwar weit davon entfernt, akzeptabel zu sein, sie ist aber dennoch wesentlich besser als zu den Zeiten der Vorfälle auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Wie die Frau Kommissarin erwähnte, bedarf z. B. inzwischen die Todesstrafe einer Bestätigung durch das chinesische Oberste Volksgericht. Meine eigene Erfahrung geht dahin, dass es in China mittlerweile einen hohen Grad an Meinungsfreiheit gibt, nicht aber an Organisationsfreiheit, und das ist immer noch der springende Punkt dessen, was in China und von den chinesischen Behörden gegenwärtig verboten wird.

Wir müssen in dieser Hinsicht weiterhin Druck auf China ausüben, aber die Weigerung, jeglichen Fortschritt positiv zu beurteilen, entmutigt die progressiven und liberalen Kräfte innerhalb des Regimes, die etwas zu bewegen versuchen, weil sie keine Anerkennung für ihre bisherigen Leistungen erhalten.

China hat sich inzwischen zu einer globalen wirtschaftlichen, industriellen und politischen Macht entwickelt. Die EU muss sich kritisch engagieren, d. h. sie muss China zu Recht dort kritisieren, wo es Fehler begangen hat und wo es sich noch bewegen muss, und gleichzeitig in einen Dialog über die globale Erwärmung, die negativen Auswirkungen der Globalisierung, die Entwicklung Afrikas und die Bekämpfung des Terrorismus eintreten.

 
  
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  Dirk Sterckx (ALDE).(NL) Frau Präsidentin! Eine strategische Partnerschaft mit China begrüße ich außerordentlich. Ich bin sehr erfreut, dass unsere heutigen Beziehungen nicht mehr nur wirtschaftlicher Art sind und sich beispielsweise der Kulturaustausch zwischen uns in den letzten Jahren erheblich intensiviert hat. Mit großer Freude stelle ich das rege Interesse an der politischen Dimension fest, und ich möchte dazu nur ein Beispiel anführen.

Afrika: Wir müssen China weiterhin auf seine Afrika-Politik hin ansprechen, wozu wir jetzt über ein entsprechendes Forum verfügen. Ich freue mich, dass Herr Michel demnächst nach Peking reisen wird, um über dieses und andere Themen Gespräche zu führen. Unsere zunehmend engere Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet halte ich für sehr positiv. Die Ungleichgewichte in unseren Wirtschaftsbeziehungen erfüllen mich allerdings mit großer Sorge.

Beispielsweise finde ich keinen Hinweis darauf, dass wir uns in stärkerem Maße um die Weitervermittlung unserer Erfahrungen mit dem Binnenmarkt an die Chinesen, die ihren eigenen Markt in dieser Hinsicht wesentlich verbessern könnten, bemühen sollten. Das Gleiche gilt für die Regionalpolitik, für die Beseitigung regionaler Unterschiede. Auf diesen Gebieten haben wir Erfahrungen gesammelt. Wir haben da einiges gelernt. Ich glaube allerdings nicht, dass die Chinesen sonderlich interessiert sind, mitzumachen.

Herr Mandelson sprach davon, dass in Bezug auf Investitionen in China noch große Ungewissheiten bestehen und dies unseren Ausfuhren nach China ebenso schadet wie dem chinesischen Wirtschaftswachstum. Er dürfte wohl Recht haben. Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft sind Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit, ob es um geistige Eigentumsrechte, um Produktsicherheit oder um Kapitalbewirtschaftung geht. Rechtsstaatlichkeit ist aber auch im Bereich der Menschenrechte ein selbstverständliches Gebot. Das ist mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch viel wichtiger.

Ich bin froh, dass uns ein Bericht zum Menschenrechtsdialog vorgelegt werden soll. Einen solchen Bericht sollten wir nach meinem Dafürhalten jedes Mal erhalten. Wie Sie, Frau Kommissarin, stelle ich einige positive Zeichen fest, das Europäische Parlament muss jedoch den Akzent weiterhin auf ein oder zwei noch ungelöste Probleme legen, nämlich Recht auf freie Meinungsäußerung, Minderheitenpolitik, Zwangsarbeit, die es leider immer noch gibt, Machtmissbrauch, der bedauerlicherweise in zu großem Umfang praktiziert wird, sowie die nach wie vor bestehende Todesstrafe. Diese Dinge müssen wir als Europäisches Parlament weiter in den Fokus rücken, und dies muss tagtäglich geschehen.

 
  
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  Helga Trüpel (Verts/ALE). - Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, für uns alle stellt sich immer wieder die Frage, welchen politischen Umgang wir mit China pflegen wollen. Der Kollege Sterckx hat eben noch einmal zu Recht von der strategischen Partnerschaft gesprochen. Als Ziel finde ich das ausgesprochen wünschenswert. Aber wir müssen realistisch sein, im Moment haben wir das noch nicht, weil wir kein gemeinsames Wertefundament haben – Menschenrechte, Umgang mit Minderheiten, Todesstrafe – es gibt de facto noch keine strategische Partnerschaft.

Ich finde es sehr richtig, und das sage ich ganz bewusst als grüne deutsche Europaabgeordnete, dass Angela Merkel den Dalai Lama getroffen hat, denn da wird mit dem Einhalten der Menschenrechte Ernst gemacht.

Was ich andererseits überhaupt nicht in Ordnung finde: Als Staatspräsident Sarkozy letztens hier sprach, hat er gesagt, dass Menschenrechte das Aushängeschild der Europäischen Union sein müssen, um drei Wochen später nach China zu fahren und die Menschenrechte da nicht zum Thema zu machen. Das ist europäische Doppelmoral, das dürfen wir nicht zulassen!

Ich glaube ganz entschieden, dass zu unserem Dialog mit China – den ich befürworte und den wir auch politisch wollen müssen – auch Konfrontation gehört und nicht Liebedienerei. Wenn wir das miteinander verbinden, selbstbewusst mit China verhandeln, müssen wir deutliche Kritik üben. Auch müssen die Chinesen im Rahmen der Olympiade ihre selbstgesetzten Ziele einhalten, und wir Europäer sollten mutig und offen sein und die Chinesen auch mit unserer Kritik konfrontieren.

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Vor ein paar Stunden hat der Präsident des Europäischen Parlaments die EU-Grundrechtecharta unterzeichnet und erklärt, wir haben „die moralische und politische Verpflichtung, die Menschenwürde zu verteidigen.“ Dies gelte für alle Menschen auf dieser Welt. Und der portugiesische Ministerpräsident hat festgehalten, die Charta sei Bestandteil der EU-Außenpolitik.

Nun zu China. Indem Peking Gastgeber der Olympischen Spiele wird, hat sich die chinesische Regierung nach unserem Verständnis verpflichtet, sowohl das olympische Ideal der Menschenwürde als auch die international garantierten Menschenrechte voll zu respektieren.

Das Europäische Parlament muss nun feststellen, dass es seit einiger Zeit im direkten Zusammenhang mit den Olympischen Spielen eine Häufung politischer Verfolgungen gibt. Darüber hinaus werden in China mehr Menschen hingerichtet als in der übrigen Welt zusammengenommen, nämlich bis zu 10 000 pro Jahr.

Verfechter der Menschenwürde werden eingesperrt und bis zu sieben Millionen Menschen in den berüchtigten Laogai-Lagern gefoltert.

Was sollen wir tun? Ich glaube, die Antwort darauf hat uns gestern der Sacharow-Preisträger Salih Mahmoud Osman gegeben, der empfahl, mehr Druck auf die entsprechenden Regierungen auszuüben, etwas Konkretes zu tun. Es gibt den Begriff der Unterlassungssünde, d. h. der Verantwortung für etwas, was wir hätten tun können, aber nicht getan haben. Es reicht nicht aus, unsere Bedenken zu äußern; es ist an der Zeit, das Konditionalitätsprinzip anzuwenden und, um es mit den Worten des Kollegen Watson auszudrücken, zu erklären: Man muss sich an seine Vereinbarungen halten.

Die kommunistischen Diktatoren in China können nur dazu gebracht werden, ihre Bürger mehr zu respektieren, wenn wir ihnen signalisieren, dass wir unsere eigenen Werte der Solidarität und der Menschenwürde ernst genug nehmen, um Diktatoren für ihre Übergriffe und ihre Arroganz tatsächlich büßen zu lassen.

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Frau Präsidentin! Das Europäische Parlament hat viele Male auf die Verletzungen der Menschenrechte in China und den Mangel an Demokratie in diesem Land hingewiesen. Diese Probleme sind offensichtlich. Erst gestern haben wir in der Diskussion über den Bericht der Europäischen Union über die Menschenrechte für das kommende Jahr die Defizite an Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in China angesprochen.

Andererseits scheint es mir auch nicht richtig, die positiven Veränderungen zu verschweigen, die sich in China vollziehen. Gerade die Olympischen Spiele nächstes Jahr sollte die Europäische Union zum Anlass nehmen, auf die Behörden in China Druck in Sachen Liberalisierung, Demokratisierung, Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und Freilassung aller politischen Gefangenen auszuüben.

Am 20. November hat sich eine Delegation des Unterausschusses Menschenrechte des Europäischen Parlaments für die Organisation der Vereinten Nationen in New York mit Liu Zhenmin, dem Vertreter Chinas in der UNO, getroffen. Das war meiner Ansicht nach ein konstruktives Treffen. Von chinesischer Seite gibt es Anzeichen einer offenen und sensiblen Reaktion auf den Druck in Sachen Menschenrechte und Demokratie. Das haben auch Vertreter von Human Rights Watch und Amnesty International in Gesprächen mit dem Unterausschuss Menschenrechte betont.

 
  
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  István Szent-Iványi (ALDE). - (HU) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Milliarden von Menschen warten mit großer Spannung auf den 8. August 2008 – die Eröffnung der Olympischen Spiele. Nicht nur Sportfans werden zuschauen, sondern auch jene Menschen, die Fortschritte von China im Bereich der Menschenrechte erwarten. Bedauerlicherweise können wir mit den bislang erzielten Ergebnissen nicht zufrieden sein. Die Kommunistische Partei Chinas kann jubeln, denn sie hat im Hinblick auf die Legitimierung ihrer Macht einen großen Erfolg eingefahren. Aber wir haben auch die Chance, die Zeit bis zu den Olympischen Spielen intensiv zu nutzen und mit Nachdruck auf eine Erklärung für das Unrecht im Menschenrechtsbereich zu drängen. Der Dialog zwischen der EU und China über die Menschenrechte läuft seit 24 Jahren. Leider ist er alles andere als ausgewogen. So gibt es beispielsweise gewisse Fortschritte bei der Anwendung der Todesstrafe, aber auf vielen anderen Gebieten hinkt man weit zurück, wie zum Beispiel bei der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und der Freiheit des Internets. Damit sich etwas verändert, muss auch der Menschenrechtsdialog neu gestaltet werden.

Erstens ist festzustellen, dass der Dialog über die Menschenrechte nicht das einzige Forum ist, in dem solche Probleme angesprochen werden können. Jeder Mitgliedstaat hat darüber hinaus die Pflicht, im Rahmen seiner bilateralen Beziehungen in diesen Fragen streng und unnachgiebig zu handeln

Zweitens müssen die Präsenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Transparenz von Verhandlungen gewährleistet werden. Transparenz spielt für uns für die Überwachung der Geschehnisse vor Ort eine herausragende Rolle. Da der Dialog kein Selbstzweck ist, bewirkt er nur dann etwas, wenn er einen sinnvollen Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage in China leistet.

Abschließend möchte ich noch auf die Situation der uigurischen Minderheit eingehen. Über sie erfährt man wenig. Die Uiguren sind eine vergessene Minderheit. Sie sind nicht nur von der allgemeinen Unterdrückung in China betroffen, sondern auch Opfer ethnischer, religiöser und sprachlicher Diskriminierung. Ich fordere Sie auf, auch in ihrem Interesse zu handeln. Vielen Dank.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). (ES) Frau Präsidentin! Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, den europäischen Regierungen zwei Dinge ins Gedächtnis zu rufen.

Der erste Aspekt hat mit der Aufhebung des Waffenembargos gegen China zu tun, auf die bereits mehrfach hingewiesen wurde. Ich möchte darauf verweisen, dass dieses Haus öfter darauf gedrängt hat, eine Aufhebung des Verbots sei nur möglich, wenn wirkliche und viel versprechende Fortschritte im Hinblick auf die Situation der Inhaftierten nach den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 erzielt werden. Damit ist kein allgemeiner Fortschritt gemeint, sondern ein Weiterkommen speziell in dieser Frage, denn genau das erwarten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt von den chinesischen Behörden: einige bedeutsame Entwicklungen, die es möglich machen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Bis dahin wäre es nach meinem Dafürhalten nicht nur verfrüht, das Embargo aufzuheben, sondern man würde dadurch auch eine völlig falsche Botschaft übermitteln und Europa in ein schlechtes Licht stellen. Das Embargo, gestatten Sie mir, dies zu wiederholen, wurde damals aus ganz bestimmten Gründen verhängt, die sicher noch nicht geklärt sind.

Die zweite Botschaft – die die Haltung meiner Kollegin Frau Trüpel bekräftigt – lautet: Es ist unannehmbar für bestimmte europäische Länder, dem Druck der chinesischen Behörden nachzugeben und ihm manchmal auch zu erliegen, der darauf abzielt, sie daran zu hindern, offizielle Treffen mit wichtigen chinesischen Persönlichkeiten, in manchen Fällen Dissidenten oder Vertreter wie der Dalai Lama, durchzuführen, nur um die Handelsbeziehungen mit China zu sichern.

Vor allem am heutigen Tag, an dem wir die Charta der Grundrechte unterzeichnet haben, steht ein solches Verhalten in völligem Widerspruch zum dem Grundethos, den wir in der Europäischen Union verbreiten wollen.

 
  
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  Ana Maria Gomes (PSE).(PT) Auf dem Gipfel äußerte sich Europa klar dazu, wie China die WTO-Regeln beugt, indem es Arbeitnehmerrechte missachtet, gesundheitsschädliche Produkte exportiert, Technologiepiraterie betreibt und Europas Zugang zum chinesischen Markt behindert. Für die chinesischen Führer kamen die offenen Worte der EU überraschend und sie konterten, indem sie die gemeinsame Erklärung einige Tage verzögerten, aber leider hielt die europäische Führung den Druck nicht aufrecht: Sie machte nicht nur unannehmbare Zugeständnisse zum Referendum in Taiwan, sondern widersprach auch nicht der „Ein-China-Politik“ und konfrontierte Peking nicht mit den schweren Menschenrechtsproblemen. Da die Zeit knapp sei, so Präsident José Sócrates gegenüber portugiesischen Journalisten, würden diese Fragen mitunter beim Abendessen besprochen.

Unter anderem zählen die Todesstrafe und die Freilassung der seit dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz inhaftierten Gefangenen zu den Gründen, weshalb sich dieses Parlament für die Beibehaltung des Waffenembargos gegenüber China ausspricht. Willkürliche Festnahmen und Gerichtsverfahren, Korruption und Zwangsräumungen, Verfolgung und Unterdrückung von Journalisten und Internetnutzern, Unterdrückung der Tibeter und anderer Minderheiten, Verantwortung für die Tragödien in Darfur und Birma: Keine dieser Grundfragen stand auf der Tagesordnung des Gipfels. Die EU steht natürlich nicht allein da, wenn es darum geht, Peking vor der Olympiade 2008 zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn das Internationale Olympische Komitee in der Luftqualität vermittelt, warum dann Peking nicht auch danach beurteilen, was es für die Achtung des olympischen Ideals im Umgang mit seinen eigenen Bürgern und denen anderer Länder tut? Niemand, am wenigsten der Rat und die Kommission der EU, darf den Kampf für Freiheiten und Menschenrechte in China weiterhin vernachlässigen. Dies ist ein Marathonlauf, dem die Olympischen Spiele 2008 nur neues Tempo verleihen können. Betroffen sind nicht nur Abermillionen Chinesen, die Folgen trägt die gesamte Menschheit.

 
  
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  Milan Horáček (Verts/ALE). - Frau Präsidentin! Der EU-China-Menschenrechtsdialog findet seit elf Jahren zweimal jährlich hinter verschlossenen Türen statt, doch die Menschenrechtslage in China wird dadurch nicht besser. Die Berichte über die Hinrichtungen, Folter in Gefängnissen und Arbeitslagern sowie die Unterdrückung der Tibeter machen deutlich, dass wir Europäer unserer Verantwortung nicht gerecht werden.

Die Olympischen Spiele stehen vor der Tür und sind ein wichtiges Argument dafür, dass China seinen Reformwillen ernsthaft unter Beweis stellen muss. Gleichzeitig dürfen auch wir nicht mit gespaltener Zunge sprechen. Es ist sehr gut, dass Bundeskanzlerin Merkel den Dalai Lama trotz der heftigen Kritik empfangen hat. Es wäre nur konsequent, wenn es ihr Belgien, Frankreich und andere Staaten gleichtäten. Die EU wird weltweit als Stimme der Menschenrechte akzeptiert und wir müssen endlich konsequent handeln, auch im Dialog mit China.

 
  
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  Alexandra Dobolyi (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Unsere heutige Aussprache betrifft den vor zehn Tagen durchgeführten EU-China-Gipfel und die vor zwei Monaten abgehaltene 24. Runde des Menschenrechtsdialogs EU-China.

Gestatten Sie, dass ich gerade heute mit dem zweiten Thema beginne. Die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist ein Kernprinzip der EU und ihrer Politik, und wir alle legen sehr viel Wert auf dieses Prinzip und unterstützen es. Ich gehöre dennoch zu denen, deren Auffassung zufolge die EU einem ergebnisorientierten Konzept folgen sollte, um die Achtung der Menschenrechte voranzubringen. Sie sollte sich nicht nur von Prinzipien leiten lassen und, was am wichtigsten ist, akzeptieren, dass es nur schrittweise zu Verbesserungen kommen wird. Das heißt keineswegs, dass die EU zögern sollte, ihre Kritik zum Ausdruck zu bringen und mit Nachdruck auf demokratischen Reformen zu bestehen.

Darüber hinaus gehöre ich zu denen, die sich um die hohe Produktsicherheit Gedanken machen, die 550 Millionen europäischer Bürger betrifft, die sich wegen des Handelsungleichgewichts Sorgen machen, ebenso wie um einen effektiven Marktzugang, geistige Eigentumsrechte und die internationale Wettbewerbspolitik, von denen Tausende europäischer Firmen und Millionen europäischer Beschäftigter betroffen sind, und für die auch die Zusammenarbeit beim Umweltschutz, die internationale Umweltpolitik und der Klimawandel wichtige die gesamte Weltbevölkerung tangierende Themen sind.

Gerade weil uns all das Genannte so wichtig ist, unterstützen wir die Kommission und den Rat sowie dessen Präsidentschaft ausdrücklich darin, jeden dieser Punkte im regelmäßigen Dialog mit der chinesischen Seite zu besprechen, zu verhandeln und immer wieder hervorzuheben. Allein wenn man sich den 18-seitigen gemeinsamen Entschließungsantrag des letzten EU-China-Gipfels durchliest, wird einem klar, dass die Komplexität, die Sensibilität und die Bedeutung in der Zusammenarbeit zwischen der EU und China…

(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Diese Aussprache zeigt einmal mehr, dass gesellschaftliche Veränderungen ihre Zeit brauchen, und ich denke, wir müssen uns immer wieder bewusst machen, wie die Ausgangssituation in China war. Meiner Ansicht nach müssen wir, wie ich bereits in meiner Einleitung sagte, einen gewissen Fortschritt anerkennen. Zugleich ist es aber auch so, dass China noch nicht dort ist, wo wir es gerne hätten.

Daher halte ich den Menschenrechtsdialog neben dem NRO-Seminar nach wie vor für den Grundpfeiler unserer Arbeit im Bereich der Menschenrechtsproblematik in China.

Dennoch sollten wir nach meinem Dafürhalten zwar entschlossen aber auch realistisch sein. Entschlossen, China davon zu überzeugen, dass es in seinem eigenen Interesse ist, die Menschenrechte in ihrer gesamten Bandbreite und in vollem Umfang zu respektieren. Realistisch, weil wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass wir nur durch Engagement und langfristigen Einsatz wirklich hoffen können, echte Reformen in China auf den Weg zu bringen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch hinzufügen, dass die kontinuierliche Abhaltung des NRO-Seminars in beiderseitigem Interesse – sowohl Chinas als auch der Europäischen Union – liegt. Dies wurde durch den jüngsten Gipfel erneut bestätigt.

Deshalb haben wir meiner Ansicht nach gute Chancen, parallel zum nächsten Menschenrechtsdialog unter slowenischem Ratsvorsitz dieses Seminar der Zivilgesellschaft wieder aufnehmen zu können.

Lassen Sie mich zu einigen anderen Fragen nur sagen, dass die Menschenrechte auch in dem gemeinsamen, hier vorliegenden Entschließungsantrag thematisiert werden, und ich werde einmal die ersten Zeilen daraus zitieren: „Beide Seiten betonten ihre Verpflichtung zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte und legen weiterhin großen Wert auf den Menschenrechtsdialog EU-China, einschließlich des begleitenden Rechtsseminars.“

Sie sehen: Die Bedeutung konkreter Schritte im Bereich der Menschenrechte wird hervorgehoben, die Verpflichtung zu einer weiteren Intensivierung des Dialogs bekräftigt usw.

Ich möchte zudem hinzufügen, dass es einige konkrete Aspekte in dieser Diskussion gab, bei denen wir Fortschritte sehen wollen, wie etwa bei Falun Gong. Die Situation der Falun-Gong-Anhänger, die aufgrund ihrer Überzeugung unterdrückt werden, ist uns nach wie vor ein Anliegen. Wir haben das Thema mehrmals angesprochen, insbesondere während der Sitzungen des Menschenrechtsdialogs. Wir haben die chinesischen Behörden ersucht, die brutale Behandlung von Falun-Gong-Anhängern zu beenden. Wir werden dies auch weiterhin tun.

Was die Todesstrafe betrifft, so habe ich bereits gesagt, dass dieses Thema auf unserer ganz oben steht, und in diesem Zusammenhang haben wir China immer wieder nachdrücklich aufgefordert – und werden dies auch weiterhin tun –, die Bandbreite der Kapitalverbrechen zu reduzieren und die Todesstrafe eines Tages definitiv abzuschaffen.

Ein erster Schritt wäre die Einführung eines Moratoriums für die Vollstreckung der Todesstrafe. Anschließend, wie ich bereits in meinen einführenden Bemerkungen sagte, käme eine Überprüfung der Todesurteile durch das Oberste Volksgericht als erster Schritt, der ständig überwacht werden würde.

Ich denke, die Aussprache hat sehr deutlich gezeigt, dass die Lage sehr gemischt ist. Es gibt Fortschritte, aber es muss noch viel getan werden, und ich kann nur sagen, dass wir uns weiter mit China dafür einsetzen werden, dass China den Fortschritt wagt. Ich halte die Olympischen Spiele für eine gute Gelegenheit für China, zu zeigen, dass bis dahin noch mehr Fortschritte erzielt worden sind.

 
  
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  Die Präsidentin. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, 13. Dezember 2007, statt.

 
  

(1)Siehe Protokoll


12. Bekämpfung des zunehmenden Extremismus in Europa (Aussprache)
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission über die Bekämpfung des zunehmenden Extremismus in Europa.

 
  
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  Franco Frattini, Mitglied der Kommission. (IT) Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, meine große persönliche Sorge angesichts der Zunahme von Aktivitäten in Europa zum Ausdruck zu bringen, die gewalttätigen extremistischen Gruppierungen und Organisationen zuzuschreiben sind.

Darum ist die heutige Aussprache meiner Ansicht nach von äußerster Wichtigkeit, denn nicht nur der Extremismus, über den wir zu vielen Gelegenheiten in diesem Hause gesprochen haben, führt zur Verübung terroristischer Akte, sondern auch jene Aktivitäten und Entwicklungen, die eigentlich eher als Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, nationalistischer Extremismus und Islamophobie zu bezeichnen sind, all jene Formen der Intoleranz, die, wie bereits gesagt, in Europa besorgniserregend verbreitet und meines Erachtens völlig unvereinbar mit den Werten der Europäischen Charta der Grundrechte sind, die wir am heutigen Morgen proklamiert haben. Zweifelsfrei ist der Extremismus von Natur aus spaltend und verursacht Gewalt.

Deshalb ist das erste Ziel meiner Meinung nach ein politisches. Das bringt mich natürlich dazu, Maßnahmen zu erwähnen, die mehr mit Sicherheit und polizeilicher Überwachung zu tun haben. Aber angesichts der Herausforderung des Problems des Extremismus und seiner Ursachen müssen wir uns abermals für eine Europäische Union stark machen, die weniger bürgerfern und damit in größerem Maße in der Lage ist, Botschaften der Toleranz, Solidarität und der Achtung der Charta zu vermitteln, die ab heute einen für Mitgliedstaaten und Bürger verbindlichen Eckpfeiler bildet.

Meines Erachtens kann es nie eine Rechtfertigung für Extremismus geben. Im Hinblick auf den Terrorismus ist dies vielfach betont worden, aber gleiches muss beispielsweise auch über Rassismus und Fremdenhass gesagt werden. Allerdings muss man auch die tief verwurzelten Ursachen von Extremismus und Gewalt ergründen. Wir sind dazu verpflichtet, denn wir haben die Pflicht, politische Maßnahmen auf europäischer Ebene einzuführen, die nicht nur dazu beitragen, extremistischen Entwicklungen und Aktivitäten entgegenzuwirken, sondern diese auch zu verhindern und endgültig zu bekämpfen.

Ich möchte einige Beispiele anführen, die nach meinem Dafürhalten aufzeigen, dass eine europäische Politik wirklich nützlich und, wenn ich dies sagen darf, sinnvoller als eine ausschließlich eigenstaatlich ausgerichtete Politik sein kann. Aus Sicht der Partizipation der Bürger am politischen Leben Europas muss ein solches Programme – und nicht zufällig finanziert die Europäische Kommission ein entsprechendes Programm für Grund- und Bürgerrechte – Politiken und Maßnahmen enthalten, die Bürger ermutigen, aktiver am politischen Leben, am Leben der Institutionen und damit zum Beispiel an Ereignissen wie den Europawahlen teilzunehmen. Das Jahr 2009 bietet uns eine einmalige Chance, eine Debatte zu unterstützen, die zu einer hohen Wahlbeteiligung führt und die positive Beteiligung am Leben der Institutionen widerspiegelt.

Nichtsdestotrotz ist klar, dass die andere politische Maßnahme, die wir von Europa erwarten und die Europa gern stärker fördern will, auf Bildung abzielt, insbesondere für jüngere Generationen. Meiner Ansicht nach ist auch dies außerordentlich wichtig – nämlich eine Politik, um Erinnerungen an vergangene Tragödien im Bewusstsein der Menschen wach zu halten, und zwar bei den heutigen jüngeren Generationen, bei Schülern und Studenten, bei Jugendlichen und selbst bei ganz jungen Menschen. So stellen sämtliche von uns geförderten Programme, die meiner Meinung nach noch stärker gefördert werden sollten, Werkzeuge dar, die sich gut eignen, um Extremismus und Rassismus auszumerzen. Diese Programme halten die Erinnerung an die Opfer aller Diktaturen, aller totalitären Regime wach, die in der Vergangenheit Europa zerstört haben. Aus der Geschichte der Konzentrationslager können wir beispielsweise eine Lektion für die Jugendlichen von heute ableiten, so dass sich Tragödien dieser Art nie wieder ereignen – weder in Europa, noch anderswo auf der Welt.

Daneben gibt es eine weitere politische Maßnahme, die wir aus meiner Sicht im Kopf behalten sollten und müssen: jene Maßnahmen, die allgemein die Toleranz und den Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen und natürlich zwischen unterschiedlichen Religionen fördern. Zwei wichtige Chancen liegen vor uns – eine in diesem Jahr, dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle. In diesem Zusammenhang beabsichtigen wir, die in diesem Jahr stattgefundenen Initiativen zu prüfen. Die andere Gelegenheit bietet sich im nächsten Jahr, im Jahr 2008, das unter dem Motto „Europäisches Jahr des interkulturellen Dialogs“ steht, einem Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen. Von meiner Warte aus eröffnen die Überprüfung für 2007 und das Programm 2008 eine einzigartige Möglichkeit, um das Bewusstsein der Menschen – und ich betone erneut, junger Menschen – für einen Geist des Dialogs zu schärfen, der eine Bereicherung darstellt, eines Dialogs, durch den alle zusammenwachsen können.

Fraglos ist es entscheidend, die Wichtigkeit der Stärkung von Rechten und der Bekämpfung von Extremismus, Gewalt und Intoleranz im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. In diesem Zusammenhang kommt der Europäischen Agentur für Grundrechte eine bedeutende Aufgabe zu, was auch unsere Absicht war und von diesem Haus nachhaltig unterstützt wurde. So wie die in Wien ansässige Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Vergangenheit ein Instrument für einen sehr bedeutsamen Bereich, nämlich den Kampf gegen den Antisemitismus, gewesen ist, wird auch die Grundrechteagentur zu einem Instrument. Als Hauptakteur auf diesem Gebiet wird die Agentur eine wichtige Rolle spielen. Dort wird bekanntlich ein Mehrjahresrahmen erarbeitet, über den wir in enger Zusammenarbeit mit Herrn Cashman diskutieren. Wir vertreten die Ansicht, das Mehrjahresrahmenprogramm der Agentur bietet nützliche Instrumente für gemeinsame Aktionen zur Verhinderung von Extremismus.

Darüber hinaus sind wir selbstredend gefordert, zu reagieren: Während es sich bei alledem um wichtige Elemente einer Präventionspolitik handelt, besteht auch die Notwendigkeit zu Gegenmaßnahmen. Ich habe mich persönlich – auch im Ministerrat – für ein europäisches Gesetz eingesetzt, über das wir uns im April geeinigt haben, ein europäisches Gesetz, nach dem rassistisch oder fremdenfeindlich motivierte Taten strafbar sind und die Täter in allen Ländern der EU auf gleiche Weise bestraft werden.

Es geht dabei nicht nur um den rein physischen Akt, sondern auch um konkrete Aufhetzung, die Verbreitung von Hass, Botschaften, die offen gestanden nicht mit dem Recht auf Meinungsfreiheit verwechselt werden dürfen, das uns allen heilig ist. Hier geht es um konkrete Anstiftung zum Handeln, zur Verübung von Gewalt. Über diesen Rahmenbeschluss haben sich die Mitgliedstaaten im April verständigt. Denken Sie nur an die schrecklichen Äußerungen von Rassismus: bei Sportveranstaltungen, bei Fußballspielen, wo Leute die Chance nutzen, neonazistische Parolen zu brüllen. Solche Taten werden nach dem Rahmenbeschluss, der uns am Herzen lag und mit dem deutschen Vorsitz abgestimmt wurde, nun strafbar sein. Ich verwende bewusst das Futur, da es leider, und damit appelliere ich an Ihren Verstand, seit April in den nationalen Parlamenten einiger Mitgliedstaaten Vorbehalte gibt, die noch nicht ausgeräumt worden sind. Im Ergebnis ist das Verfahren zur Inkraftsetzung dieses europäischen Gesetzes zur strafrechtlichen Verfolgung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit blockiert.

Ich sage dies mit absolutem Respekt für die Arbeit der nationalen Parlamente. Da aber die Regierung des Landes, das momentan im Ministerrat den Vorsitz führt, eingewilligt hat, sollte sie meines Erachtens Schritte gegenüber ihrem eigenen Parlament unternehmen, damit es seine Vorbehalte schnellstmöglich abbaut und wir endlich sicherstellen können, dass der Rahmenbeschluss nach dreieinhalb Jahren langwieriger Auseinandersetzungen in Kraft tritt.

Abschließend, meine Damen und Herren, verfügen wir bereits in anderen Bereichen über Rechtsvorschriften, nach denen die Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Herkunft strafbar ist. Diese Gesetzgebung wird zweifelsohne unter – gestatten Sie mir die Formulierung – Aufsicht der Europäischen Kommission respektiert, die für die Gewährleistung der Einhaltung des europäischen Rechts zuständig ist. Erlauben Sie mir, beispielsweise auf die kürzlich verabschiedete Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen hinzuweisen, in der unmissverständlich festgeschrieben ist, dass mit ihrem Inkrafttreten audiovisuelle Mediendienste keine Anstiftung zu Hass aufgrund von sexueller Orientierung, Rasse, Religion oder Nationalität enthalten dürfen.

Um all dies zu erreichen, reichen polizeiliche Überwachungsmaßnahmen nicht aus, reichen Strafgesetze nicht aus, reicht die Strafverfolgung nicht aus. Gefragt ist eine tief verwurzelte Kultur der Individualrechte, des Wertes der menschlichen Person! Das, was wir heute Morgen bei der feierlichen Proklamation der Europäischen Charta der Grundrechte gesagt haben! Nach meinem Dafürhalten verfügen wir damit zu einer Zeit, an der wir an der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon arbeiten, über eine Politik, mittels derer Europa der Welt eine Lektion über Möglichkeiten anbieten kann, wie Hassverbrechen gegen den Menschen ausgerottet werden können.

 
  
  

VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  
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  Manfred Weber, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Man glaubt es kaum. Ich war vor vier, fünf Wochen zu einer Veranstaltung eingeladen – es war eine Gegendemonstration zu einer Veranstaltung von rechtsradikalen Parteien in meiner Region. Es waren nur 30 Radikale, die demonstriert haben, und ein großes Aufgebot von über tausend Menschen hat gegen die Rechtsradikalen demonstriert. Wenn man dann vor diesen Rechtsradikalen steht, dann sagt man sich: Man glaubt es kaum. Wie kann man nach diesem Jahrhundert in Europa, wie kann man da wieder extremistisch sein, wieder überheblich auftreten voller Hass und Arroganz und gegen andere agitieren?

Die Debatte, die wir heute führen, ist gut und wichtig. Extremismus ist ein Krebsgeschwür unserer Gesellschaft. Wir als Politiker fordern immer wieder die Zivilcourage ein, dass Bürger aufstehen und gegen diesen Extremismus protestieren. Ich glaube, es ist auch an der Zeit, Danke zu sagen, weil es vieles von dieser Zivilcourage gibt, vieles von diesem Aufstehen gibt. Was ist extrem? Ich möchte unterstreichen, dass, wenn wir über das Verbot von Parteien reden, also das Verbot von Einschätzungen und von Positionen, dies natürlich keine politische Beurteilung sein darf. Es muss ein objektives Kriterium dahinter stehen. Dieses objektive Kriterium haben wir heute definiert. Es ist die Grundrechtecharta, in der steht, was unsere Grundwerte ausmachen. Wenn Parteien, wenn Politiker dagegen vorgehen, dann müssen Gerichte entscheiden, dass das nicht in Ordnung ist und dann auch verboten werden muss.

Was ist zu tun, wenn extreme Parteien gewählt werden, wenn Wahlerfolge da sind? Erstens darf es keine Zusammenarbeit mit diesen Parteien geben – ich bedanke mich hier auch bei den sozialistischen Kollegen, die ihre slowakische Mitgliedspartei aus ihrer Parteienfamilie ausgeschlossen haben, weil es dort Zusammenarbeit gibt. Zweitens dürfen wir nicht übersehen, dass dieser Wahlerfolg auch mit der Unzufriedenheit von Bürgern zu tun hat, aber es darf nicht zur Wählerbeschimpfung kommen, sondern wir müssen die Themen aufgreifen. Drittens möchte ich unterstreichen, dass wir sehen müssen, dass der Extremismus auch in der Parteienlandschaft oft mit kleinen Schritten beginnt. Daher sage ich: Wehret den Anfängen!

Politischen Extremismus gibt es von links und von rechts, beides ist gleich schlimm, das gilt es zu unterstreichen. Europa hat Extremismus erlebt, Europa hat unter Extremismus gelitten. Es gibt Fortschritte im Kampf gegen den Extremismus. Der Kampf lohnt sich. Wir werden am Ende auch gewinnen!

 
  
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  Kristian Vigenin, im Namen der PSE-Fraktion. (BG) Herr Präsident! Herr Kommissar Frattini! Vielen Dank für Ihr Verständnis und die Darlegung der Absichten der Kommission. Ich empfinde es als symbolisch, dass wir genau heute, am Tag der Unterzeichnung der Charta der Grundrechte, über ein damit in direktem Zusammenhang stehendes Thema diskutieren. Der zunehmende Extremismus, der wachsende Einfluss rechtsextremer Parteien und Organisationen stellt eine direkte Bedrohung für den Bestand der Europäischen Union dar.

Vielleicht klingt es übertrieben, aber unsere Union fußt auf klaren Prinzipien, und sie verdankt ihre Existenz der Tatsache, dass vor 50 Jahren in Europa Frieden, Solidarität und Toleranz geherrscht, sich ethnische und religiöse Gemeinschaften gegenseitig geachtet und Nationen friedlich nebeneinander gelebt haben. Heutzutage attackiert die extreme Rechte genau diese Grundsätze und sticht damit in das Herz der Europäischen Union, ohne das letztere nicht lebensfähig wäre. Aber unsere Union ist kein abstraktes Gebilde, keine weitere administrative Ebene der Staatsführung. Sie ist eine Gemeinschaft, deren Mission es ist, die Werte, auf die sich die ganze Welt stützt, zu verteidigen und zu schützen.

Willens oder nicht willens, bereit oder nicht bereit – wir müssen begreifen, dass es Menschen gibt, die ihrer Grundrechte beraubt wurden, die unter politischen Repressalien leiden, von undemokratischen Regimen unterdrückt oder aufgrund ihrer Rasse, ethnischen Herkunft oder Religion in allen Teilen der Welt diskriminiert werden. Und überall auf der Welt hofft man, die Europäische Union möge ihnen helfen und der Geist der Toleranz, garantierte Bürgerrechte und soziale Sicherheit werden auch ihr Land erreichen. Können wir gegenüber der Welt mächtig und überzeugend auftreten, wenn es uns nicht gelingt, unsere eigenen Probleme zu lösen? Wie können wir jenen Menschen erklären, die ihre letzte Hoffnung in uns setzen, dass Zuwanderer nur wegen ihrer Herkunft bei uns sterben, dass ethnische Minderheiten systematischer Diskriminierung ausgesetzt sind, dass Parteiideologien die Chancengleichheit von Frauen gefährden oder Homosexualität als Krankheit definieren? Wie können wir erklären, dass wir dabei sind, die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte zu vergessen, dass junge Menschen Hitler preisen und der Antisemitismus heute wieder in Mode ist? Für mich, wie auch für meine sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen ist das unannehmbar.

Meiner Ansicht nach gibt es keine Fraktion in diesem Parlament, der es gleichgültig ist, dass Rechtsextremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit an Boden gewinnen. Sind wir heute nicht Zeugen geworden, wie ein historischer Meilenstein auf dem Weg der Europäischen Union auf vulgäre Weise von einer lauten Minderheit geschändet wurde, die 2009 stärker, aggressiver und besser organisiert wieder das Feld betreten könnte? Mit der scheinheiligen Forderung nach einem Referendum hat sie nicht nur die Charta der Grundrechte, sondern auch die Grundrechte selbst in Frage gestellt. Dieses Verhalten erleben wir auch in vielen nationalen Parlamenten. Es ermutigt Extremisten, die morgen, inspiriert von diesem politischen Zirkus, vielleicht auch andere strafbare Handlungen begehen. Wir müssen die Probleme klar beim Namen nennen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Darum muss dieses Thema immer und immer wieder auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt werden. Denn der Extremismus ist eine europaweite Herausforderung, die konzertierter Bemühungen auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene bedarf.

Wenn die Europäische Kommission die Hüterin der EU-Verträge ist, dann ist das Parlament Hüter der Werte, und ich denke, das wir gemeinsam in der Lage sein werden, dem zunehmenden Extremismus Einhalt zu gebieten, den wir aus der jüngeren Vergangenheit kennen. Wir müssen diese Woge aufhalten, ohne Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit zu verletzen, denn man kann für die Demokratie nur nach den Regeln der Demokratie kämpfen. Bricht man diese Regeln, so bedeutet das einen Sieg für den Extremismus. Vielen Dank.

 
  
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  Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Vor wenigen Wochen starb ein junger Mann namens Carlos Palomino nach einem Zusammenstoß mit Rechtsextremisten durch Messerstiche in der Madrider U-Bahn. Kurze Zeit vorher wurde mithilfe von TV-Überwachungskameras in der U-Bahn von Barcelona ein Verrückter gefasst, der ein junges Mädchen schlug, weil sie Zuwanderin war, einfach nur wegen ihrer Hautfarbe, so ihre Aussage. Er wusste nicht, dass er gefilmt wurde und seine Tat in der ganzen Welt ausgestrahlt werden würde.

Diese und andere ähnliche Vorfälle haben sich wiederholt in verschiedenen Teilen Europas ereignet. Oftmals versuchen wir und alle Politiker, denen dieses Phänomen Sorge bereitet, mit einem bisweilen übertriebenen Verantwortungsgefühl die Bedeutung solcher Attacken herunterzuspielen: Wir dürften nicht bestürzt sein. Letztlich handle es sich um Einzelfälle. So viele Verrückte gäbe es gar nicht. Wir dürften nicht übertreiben. Es handle sich um kein schwerwiegendes Problem.

Darum bezeichnen wir solche Angriffe als minderschwer, denn es schreckt uns, im besten Falle anzuerkennen, dass es sich nicht um eine Kleinigkeit handelt. Wie in der Entschließung, über die wir morgen abstimmen, unter anderem zu Recht dargestellt wird, nutzen viele neonazistische und rechtsextreme Organisationen die Angstgefühle, die bereits in unserer Gesellschaft kursieren und die wir nicht verbergen können.

Darum reicht eine Verurteilung nicht. Wir müssen unsere Augen öffnen und verantwortungsbewusst handeln und uns einer Sache stellen, die kein vereinzeltes Phänomen darstellt. Ohne Panik zu verursachen, müssen wir ihr wirkliches Ausmaß erkennen. Der Tag der Unterzeichnung der Charta der Grundrechte eignet sich gut, um sich vor Augen zu führen, dass der Europäischen Union in diesem Bereich eine Aufgabe zukommt und sie diesbezüglich Verantwortung trägt.

Es gibt kein Subsidiaritätsprinzip, wenn es um die Verteidigung der Würde von Menschen oder die Verurteilung von Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz geht. Handlungsbedarf besteht auf europäischer Ebene. Zunächst auf Seiten der Kommission und der Agentur für Grundrechte, um zu untersuchen, welche Netzwerke dahinter stecken. Welche möglichen Verbindungen zwischen den verschiedenen rechtsextremen Bewegungen bestehen, damit Gesetze zur Anwendung kommen können, damit durch Bildungspolitik und Unterstützung für Lehrkräfte, die Vielfalt lehren, ein Beitrag geleistet wird und wo nötig, jene Politiker, gesellschaftlichen Führungskräfte, Sportler u. a. nachdrücklich verurteilt werden können, die passiv oder aktiv hinter diesen Taten stecken.

 
  
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  Bogusław Rogalski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der zunehmende Extremismus in Europa ist eine Tatsache, und darüber müssen wir reden. Der Kommissar hat vieles gesagt, er hat sich aber allgemein gefasst und von zweitrangigen Dingen wie Rassismus bei Fußballspielen gesprochen. Wir müssen über die Tatsachen sprechen, über den politischen Extremismus, den wir derzeit in der Europäischen Union erleben.

Gestern, Herr Präsident, hat der Vorsitzende der NPD, einer neofaschistischen Partei, im öffentlich rechtlichen deutschen Fernsehen in der ARD gefordert, Polen müsse unverzüglich Pommern und Schlesien an Deutschland zurückgeben. Er behauptete, Kaliningrad, Gdańsk und Wrocław seien deutsche Städte und forderte, dass sie unter deutsche Zuständigkeit fallen müssten. Er verlangte auch, dass diese zu Polen gehörenden Städte und Gebiete sofort an Deutschland zurückgegeben werden.

Es handelt sich hier um Ereignisse in Deutschland, einem führenden Land in der Europäischen Union. Seit einigen Jahren rufen die deutschen Neofaschisten von der NPD zur Änderung der Grenzen auf, sie missachten die internationalen Abkommen, die den Zweiten Weltkrieg beendet haben, und sie verlangen auch, dass die Grenzen zurückverschoben werden. Herr Kommissar, wir können das nicht zulassen. Hier muss eine entschlossene Reaktion erfolgen. Wir können nicht billigen, dass in einem Land, in diesem Fall in Deutschland, das öffentlich rechtliche Fernsehen es zulässt, dass Neofaschisten und Nazis ihre revisionistischen Ansichten und ihre Aufrufe zum nächsten Krieg verbreiten.

Das ist keine Randerscheinung, meine Damen und Herren. Es ist ein sehr reales Problem. Besagte Partei sitzt in sieben Landtagen. Das kann im heutigen Europa nicht toleriert werden. Ebenso wenig können wir hinnehmen, dass demokratische Prinzipien, die Freiheit auf unterschiedliche Meinung und die Redefreiheit untergraben werden, so wie heute von Herrn Cohn-Bendit und Herrn Watson, der in Bezug auf die Meinungsverschiedenheiten zur Charta der Grundrechte – oder besser gesagt zum Reformvertrag der EU – die Abgeordneten, die anderer Meinung als er waren, Idioten nannte. Das darf nicht sein. Das ist der Demokratie und der heutigen Europäischen Union, wie wir sie den jungen Menschen vermitteln sollten, unwürdig. Lassen sie uns „vereint in der Vielfalt“ sein.

 
  
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  Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Worum es im Moment geht, ist meines Erachtens doch wohl die Frage, wie wir das bekämpfen können, was jeder von uns als Extremismus wertet, die Angst vor dem Anderen, das Bestreben, die eigene Kultur zu schützen als sei sie die einzig wahre, als habe sie sich nicht entwickelt, als habe sich im Leben überhaupt nie etwas verändert. Dabei genügt ein Blick auf die letzten 50 bis 60 Jahre, um festzustellen, welch gewaltige Veränderungen auch auf unserem Kontinent stattgefunden haben.

Ich glaube, die Ursache dieses Beschützerinstinkts ist oft ein Gefühl der Angst: die Angst, sich selbst und auch das eigene Selbstbild zu verlieren. Deshalb will man nach außen Stärke zeigen und den anderen ihre Existenzberechtigung absprechen.

Jeder der hier Anwesenden ist vermutlich stolz auf sich, auf sein Land, seine Heimatregion oder auch sein Erbe. Die wenigsten von uns sind jedoch der Meinung, dieses werde ausschließlich über den Stammbaum, also innerhalb der Familie, und über tiefe Heimatverbundenheit weitergegeben, sondern gehen vielmehr davon aus, dass hier Bürgerschaft, Gesetz und Bürgerrechte eine Rolle spielen.

Wie meine Vorredner bereits erwähnten, hatte die heutige Unterzeichnung der Charta der Grundrechte gerade für unsere Debatte einen sehr hohen symbolischen Wert.

Doch die Wahlerfolge extremistischer Parteien, die nur eine einzige Wahrheit – und zwar die ihrige – zulassen, sind wohl als Legitimierung von Gewalt, Hassreden und Aktionen gegen Menschen zu sehen, die als andersartig wahrgenommen werden.

Ich erinnere mich, dass vor einigen Jahren ein Mitglied der Britischen Nationalpartei in einen Londoner Bezirksrat gewählt wurde. In seinem Bezirk kam es daraufhin vermehrt zu rassistischen Übergriffen.

(Bravoruf)

Es besteht keinerlei Grund, hier „Bravo“ zu rufen. Das ist eine Schande! Wie können Sie so etwas tun und gleichzeitig hier in einem Plenum sitzen, das sich der Demokratie verpflichtet hat.

Rassistische Gewalt muss verurteilt werden. Aber wenn wir über Extremismus reden, sollten wir nicht vergessen, dass auch Sexismus und Frauenfeindlichkeit noch nicht der Vergangenheit angehören.

Wahlerfolge solcher Parteien schüren Ängste. Deshalb müssen wir uns gut überlegen, wie wir darauf reagieren. Unsere Reaktion besteht unter anderem darin, unser Handeln bewusst in den Dienst der Menschenrechte und unserer Werte zu stellen. Wir müssen darauf achten, dass wir als Reaktion auf einen Fall von Extremismus keine Gesetze erlassen, die diesen Leuten sogar noch dienlich sind oder andere Gemeinschaften in Angst versetzen.

Ich empfehle dem Hohen Haus, dass es den gemeinsamen Entschließungsantrag annimmt, und möchte allen Kollegen danken, die mit großem Engagement an seiner Ausarbeitung mitgewirkt haben.

 
  
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  Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (IT) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte Vizepräsident Frattini und all jenen Abgeordneten danken, die mit mir und den Antragstellerinnen und Antragstellern bei der Ausarbeitung dieses Entschließungsantrags zusammengearbeitet haben.

Äußerungen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben in den letzten Jahren zugenommen, wie Berichte der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit belegen. Dieser Anstieg ist eng verknüpft mit der Zunahme und Verbreitung von politischen Kräften, die die in Europa durch die Zuwanderung verursachten Probleme in fälschlicher Weise interpretiert haben. Oft geben sie Parolen aus, in denen Rasse und Identität verteidigt und Gefühle des Selbstschutzes gegenüber jenen, die nach Europa kommen, beschworen werden, wobei Zuwanderer als terroristische Bedrohung oder Kriminelle dargestellt oder sie sogar mit unannehmbaren anthropologischen Namen und fremdenfeindlichen und rassistischen Slogans gebrandmarkt werden.

Die Zahl von Parteien und Bewegungen steigt, die in der jüngsten Vergangenheit starke antieuropäische Tendenzen gezeigt haben und höchst rassistisch geprägt sind. Ihre politische Propaganda speist sich aus sozialer Unsicherheit und versucht Mosaiksteine zum Krieg der Zivilisationen hinzuzufügen. Diese Propaganda gehört mittlerweile zum allgemeinen Ton der politischen und institutionellen Debatte und enthält in einigen Fällen augenscheinlich die Botschaft, die Regierungen aussenden bzw. die im Ergebnis der Aktivitäten von Regierungen entsteht.

Morgen stimmen wir über einen Entschließungsantrag über Extremismus ab, ein Titel, der vielleicht ein wenig schwammig ist. Lenin sagte, der Extremismus sei die Kinderkrankheit des Kommunismus. Man könnte Lenin paraphrasieren und behaupten, der Extremismus sei unter Umständen eine Kinderkrankheit aller politischen, religiösen, wirtschaftlichen und ideologischen Konzepte. Herr Weber hat Recht: Es gibt Linksextremismus und Rechtsextremismus, aber es gibt nicht nur diese beiden Spielarten, sondern auch neoliberalen Extremismus, katholischen Extremismus, muslimischen Extremismus, ökologischen Extremismus und den Extremismus von Anarcho-Rebellen.

Der Zuwachs an Rechtsextremismus und die Probleme, die dazu führen, dass dieser stark zunimmt, sind die eigentliche Schwierigkeit, vor der Europa steht. In den vergangenen Jahren sind in Europa neonazistische und neofaschistische politische Kräfte und Bewegungen gegründet worden und haben sich auf die Fahnen geschrieben, gegen die europäische Integration zu kämpfen. Es gibt sie in Italien, Frankreich, Österreich, in den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Deutschland, Dänemark und in der Schweiz. Sie spiegeln die Krise wider, die einen Intellektuellen wie Alfio Mastropaolo dazu veranlasst hat, die Offensive der neuen Rechten als den Rinderwahn der Demokratie zu bezeichnen.

Die demokratische Legitimierung bestimmter politischer Kräfte hat dazu beigetragen, dass sich gefährliche Anschauungen in der europäischen Gesellschaft ausbreiten und reaktionäre Tendenzen nähren: eine gefährliche und manchmal unterschätzte Krankheit, die aus ethnozentristischen Neigungen resultiert, die oftmals verborgen und versteckt existieren und mitunter durch scheinbar demokratische und rechtmäßige Handlungen maskiert werden. Darum müssen wir unsere Entscheidungen und politischen Initiativen hinterfragen

Die Notwendigkeit des Aufbaus und der Konsolidierung einer gemeinsamen europäischen Kultur und Identität wird zunehmend betont. Meines Erachtens müssen eine europäische Identität und Kultur auf dem Fundament des Dialogs und des Kontakts mit anderen Kulturen erwachsen als jenen, die in den letzten Jahren die Verbreitung und die Zunahme einer europäischen Idee, einer europäischen Kultur gefördert und den Weg dafür bereitet haben.

Meine Schlussfolgerung lautet: Es bedarf eines großen Kulturkampfes. Polizeimaßnahmen bzw. Maßnahmen für öffentliche Sicherheit reichen nicht. Umfangreiche kulturelle Bemühungen sind erforderlich. Nur so wird es uns gelingen sicherzustellen, dass 2008 wirklich das Europäische Jahr des Interkulturellen Dialogs wird, denn Europa muss auf interkulturellen Prinzipien fußen.

 
  
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  Ignasi Guardans Cambó (ALDE).(ES) Herr Präsident! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihre Befugnisse als Präsident dieser Sitzung nutzen würden, um eine Gruppe von Abgeordneten zur Ordnung zu rufen, die anscheinend der Überzeugung sind, sie befänden sich im Zirkus und nicht im Parlament und die mit ihren Witzen und Heiterkeitsanfällen das Niveau der Aussprache schmälern.

 
  
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  Der Präsident. − Wir nähern uns dem Jahresende, und es ist normal, bei Mahlzeiten etwas über den Durst oder zumindest mehr als üblich zu trinken. In einer solchen Situation ist es am Besten Siesta zu halten und nicht eine Aussprache zu stören, in der den Rednern zu allen Zeiten Respekt gezollt werden sollte.

Vielen Dank für Ihren Einspruch, aber wie ich bereits sagte, sollte jeder, der beim Essen etwas zuviel getrunken hat, danach eine Pause einlegen und nicht unsere Debatte durch unhöfliches Verhalten und für einen Abgeordneten unwürdige Manieren unterbrechen.

 
  
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  Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – Herr Präsident! Ich verabscheue Extremismus genau wie jeder andere. Die Briten zumindest tun das. Wir bekämpfen ihn schon seit Jahrhunderten.

Wenn man den zunehmenden Extremismus in Europa bekämpfen will, sollte man das Übel an der Wurzel packen, anstatt vorschnell noch mehr Gesetze zu verabschieden, die ihn lediglich einengen und einen guten Nährboden für Extremismus darstellen. Nehmen wir den europäischen Extremismus in seiner schlimmsten Ausprägung: den Faschismus der 30er-Jahre. In Großbritannien waren Sir Oswald Mosleys Demonstrationen vom Gesetz her erlaubt. Doch bei der Bevölkerung stieß derart offenkundiger blanker Hass auf Ablehnung. In den anderen Teilen Europas wurden faschistische Anführer dagegen verteufelt und am politischen Fortkommen gehindert. Hitler verbrachte sogar einige Zeit im Gefängnis, gewann aber gerade deshalb ebenso wie die anderen Faschisten immer mehr an Einfluss.

Heute Vormittag haben wir hier im Plenarsaal den zunehmenden Extremismus bei der Unterzeichnung der Charta der Grundrechte selbst miterlebt. Die Charta ist Teil der europäischen Verfassung, die morgen unterzeichnet werden soll und über die sieben Länder per Referendum entscheiden sollten. Zwei haben mit Ja gestimmt, zwei mit Nein – was allerdings einfach ignoriert wurde–, während die Entscheidung in den anderen Ländern noch aussteht. Im Vereinigten Königreich hatten wir eine schriftliche Zusage von der Regierung, die inzwischen jedoch zurückgezogen wurde. Und dann wird hier im Plenum immer wieder behauptet, man würde auf die Bürger hören!

Die heutigen Extremisten sind für die EU, und sie versuchen, mithilfe eines vertraglichen Verwirrspiels anderen ihren Willen aufzuzwingen. Der Vertrag wurde absichtlich so verfasst, dass ihn nur erfahrene Juristen verstehen: Die einzelnen Artikel stammen sowohl aus den ursprünglichen Verträgen als auch aus den bestehenden Vertragstexten, allerdings stimmt die Nummerierung nicht. Sie soll bis zur Unterzeichnung geändert, danach aber erneut modifiziert werden, um so ganz sicherzugehen, dass die Völker Europas möglichst nichts verstehen.

Und dieses pseudo-demokratische Machwerk soll nun den Bürgerinnen und Bürgern Großbritanniens übergestülpt werden. Nein danke! Wir haben unsere Rechte, niedergelegt in der großartigen Magna Charta aus dem Jahr 1215, ergänzt durch die 1689 verabschiedete Bill of Rights. Was denken Sie eigentlich, wer Sie sind, dass Sie diesen demokratischen Rahmen, der für uns niedergelegt wurde, an dem sich aber jeder orientieren kann, einfach so über den Haufen werfen?

Die Missachtung der Geschichte führt zur Wiederholung der Geschichte. Über Jahrhunderte hinweg haben Sie unsere Führerschaft nicht sehen wollen und teuer dafür bezahlt! Wenn Sie sich auch jetzt kein Beispiel an uns nehmen, rennen Sie geradewegs in Ihr Verderben.

(Beifall von der IND/DEM-Fraktion)

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI). - (FR) Herr Präsident! Da haben wir nun wieder einmal einen der unzähligen Berichte über die so genannte Zunahme des Extremismus in Europa. Der Rat, die Kommission und die Fraktionen haben sich alle ins Zeug gelegt und sind gekommen, und wie üblich ist die Rhetorik intellektuell erbärmlich, politisch unehrenhaft und moralisch pervers.

Intellektuell erbärmlich, weil jede neue Idee, die es je gegeben hat – in der Religion, einschließlich des Christentums, auf das sich einige von Ihnen zu berufen wagen, in der Politik, ob im Liberalismus oder Sozialismus, in der Wissenschaft, solche heute selbstverständlichen Vorstellungen wie die, dass die Erde rund ist oder dass sie um die Sonne kreist, sind als extremistisch, ketzerisch, subversiv, unzulässig angesehen worden. Sie können eine Meinung nicht diskreditieren, indem Sie sie einfach verteufeln: Sie müssen sagen, was an ihr falsch ist.

Den politischen Skandal haben allein Sie verursacht – Sie, die Leute, die an der Macht sind, die sich nur damit beschäftigen, die Opposition zu bekämpfen, anstatt Probleme zu lösen. Alles was Sie tun, ist Ihre Unfähigkeit zu offenbaren, das Problem der Zuwanderung – einer Invasion, zu der Sie bewusst oder durch Feigheit beigetragen haben – zu lösen. Was Sie hier eingestehen, ist, dass Sie versagt haben – im Bereich der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Kultur, der Moral und der Bildung – und dass es, anstatt Ihre katastrophalen Politiken zu ändern, Ihre einzige Sorge ist, diejenigen loszuwerden, die protestieren oder Sie kritisieren.

Moralisch gesehen ist Ihre Haltung höchst abscheulich. Sie setzen unrichtig Gewalt und Terrorismus mit der legitimen Reaktion der Völker Europas auf die Zerstörung ihrer Identität gleich. Wie scheinheilig sind Sie nur! Sie wollen diese Menschen mundtot machen und sie politischer Vertretung berauben: Sie sind die Pharisäer der Demokratie! Sie sind das, was in der Bibel als Heuchler bezeichnet wird, anders gesagt ist Ihre Aufrichtigkeit nichts als Tünche! Sie sprechen von Menschenrechten und Meinungsfreiheit, über die Werte Europas, über Toleranz, aber unter der Tünche ist nur Fäulnis. Sie sprechen jedem, der nicht denkt wie Sie, die Rechte ab, die Sie so vollmundig propagieren. Das wäre alles abscheulich, wenn es nicht so grotesk wäre. Die künftigen Generationen werden ein Urteil über Sie fällen, so wie die Barbaren ein Urteil über Rom fällten. Ich hoffe zumindest, dass Sie von den Barbaren das bekommen, was Sie verdienen!

 
  
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  Roberta Alma Anastase (PPE-DE).(RO) Meine Damen und Herren! Das Thema, das wir heute Nachmittag erörtern, ist für die Zukunft der Europäischen Union und für die Sicherheit der Bürger und unserer Werte von höchster Bedeutung.

In den letzten Jahren ist Extremismus zu einem immer häufigeren Phänomen im öffentlichen Leben europäischer Länder geworden, ein Phänomen, das viele Alarmglocken schrillen lässt und hinsichtlich seiner Bekämpfung viele Fragen aufwirft. Obwohl es für die Verbreitung dieses Phänomens die unterschiedlichsten Ursachen, möchte ich nachdrücklich auf einen wesentlichen Aspekt der zum Thema Extremismus gestarteten Debatte hinweisen, nämlich auf das Thema Einwanderung.

Einwanderung wird von extremistischen Gruppen als das größte Übel in den europäischen Ländern bezeichnet, weil sie dieses Thema dazu benutzen können, um unerwünschte Veränderungen in ihren Gesellschaften zu erklären. Wir alle wissen aber, dass Einwanderung zu den wesentlichen Bestandteilen der Wirtschaft europäischer Länder gehört und sich günstig auf das Wirtschaftswachstum auswirkt.

Ihre unerwünschten Nebenwirkungen, die auf die fehlende Anpassung der Einwanderer an die sie aufnehmenden Gesellschaften zurückzuführen sind, sollten durch EU-spezifische Methoden beseitigt werden. Andernfalls laufen wir Gefahr, die grundlegenden Werte des Hauses Europa zu gefährden.

Deshalb können wir nicht zulassen, dass extremistische Parteien die Tagesordnungen der traditionellen Parteien ändern.

Wenn wir eine solche Strategie verfolgen und versuchen, die Risiken und Gefahren, die solche Gruppen mit sich bringen, zu reduzieren und zu verhindern, dass unsere Bürger ihnen ihre Stimme geben, setzen wir ihren Ideen und Methoden nur Rechtmäßigkeit entgegen. Wir können nicht zulassen, dass in den Mitgliedstaaten extremistische Botschaften zu Gesetzen umgearbeitet und gefördert werden. Dies würde die Vision eines multikulturellen und multiethnischen Europas zerstören.

Die durch die Roma-Frage hervorgerufene Krise und die extremistischen Manifestationen in Italien dürfen für die grundlegenden Prinzipien der Europäischen Union wie den freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr nicht zu einem gefährlichen Präzedenzfall werden. Wir müssen unseren Bürgern erklären, dass eine solche Haltung nicht nur für ihre Gesellschaft, sondern für die Europäische Union insgesamt schädlich wäre.

Die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament in Rumänien könnten hier als Beispiel dienen. Keine der extremistischen Parteien hat die erforderliche Anzahl von Stimmen bekommen, um ihre Vertreter ins Europäische Parlament entsenden zu können.

 
  
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  Bárbara Dührkop Dührkop (PSE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte einige Sekunden über die mir zugeteilte Zeit hinaus darauf verwenden, um mich lediglich mit einem spanischen Sprichwort an jene Abgeordneten in den hinteren Reihen, dort rechts, zu wenden: „A palabras necias, oídos sordos“ – „Eine dumme Frage verdient eine dumme Antwort“. Ich werde meinen Redebeitrag jetzt auf Englisch fortsetzen.

Heute haben wir voller Stolz die Charta der Grundrechte der Europäischen Union unterzeichnet. Vor über einem halben Jahrhundert war Europa Schauplatz der verbrecherischsten Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: des Holocausts.

Millionen von Menschen wurden aufgrund ihres Glaubens, ihrer ethnischen Herkunft und ihrer politischen Überzeugungen ermordet. Vor diesem Hintergrund gilt es jetzt mehr denn je, sowohl bei der Gestaltung der Gegenwart als auch bei den Weichenstellungen für die Zukunft der Geschichte Rechnung zu tragen.

Wir müssen äußerst wachsam sein. Man hüte sich vor dem Schlangenei, wie Ingmar Bergman uns gelehrt hat. Kommissar Frattini hat heute bestätigt, dass in allen Mitgliedstaaten eine Zunahme gewalttätiger Übergriffe mit rassistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund zu beobachten ist.

Was mich allerdings noch mehr beunruhigt, ist die Tatsache, dass immer mehr Jugendliche in diese Gewalttätigkeiten verwickelt sind. Aus diesem Grund ist es dringend geboten, diesen Jugendlichen Gemeinsinn zu vermitteln und sie über die Gefahren des Rassismus aufzuklären.

Immer mehr rechtsextremistische Parteien, deren Ideologie und Politik auf Intoleranz und Ausgrenzung bauen, halten Einzug in einzelstaatliche Parlamente. Dort haben sie eine ausgezeichnete Plattform für die Verbreitung ihrer politischen Hasstiraden. Wir sollten uns dessen bewusst sein und alles daransetzen, dem entgegenzuwirken.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind die offenkundigsten Verstöße gegen die Grundrechte sowie die Prinzipien der Freiheit und der Demokratie. Aus diesem Grund sind die europäischen Institutionen und wir, die Mitglieder des Parlaments, verpflichtet, unsere Entschlossenheit im Kampf für die Wahrung der Grundfreiheiten erneut zu bekräftigen und jegliche Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verurteilen beziehungsweise gesetzlich dagegen vorzugehen.

Das Gebot der Stunde lautet Nulltoleranz im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir müssen entschlossener denn je für unsere Werte ins Feld ziehen und dabei die der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen und stärken.

Niemand sollte wegen der Rasse, der Religion, des Geschlechts, der sozialen Herkunft, der Sprache, der Staatsangehörigkeit oder der sexuellen Orientierung unter Verfolgung leiden. Die Ausmerzung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Wahrung des Rechts auf ein Leben in Frieden sind ebenso wie die Verteidigung der Bürgerrechte moralische Verpflichtungen für jeden Demokraten.

 
  
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  Viktória Mohácsi, (ALDE). - (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kommissar! Meine Damen und Herren! Gestern haben wir uns fast zwei Stunden mit dem Kampf gegen den zunehmenden Extremismus und der endgültigen Fassung der Entschließung befasst, die auf liberalen Initiativen beruht. Dabei haben wir natürlich die Vorstellungen und Forderungen aller Fraktionen berücksichtigt. Ich bin zuversichtlich und vertraue darauf, dass wir in dieser äußerst wichtigen Frage einen gemeinsamen Standpunkt finden.

Persönlich bedauere ich zutiefst, dass wir im Jahr 2007, dem Jahr der Chancengleichheit, noch immer mit den Schatten gefallener Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu kämpfen haben, die ab und an auftauchen. Bekanntlich macht kein einziger Mitgliedstaat hier eine Ausnahme. Um nur einige beim Namen zu nennen: Pospolitos in der Slowakei, die Jungen Nationalisten in der Tschechischen Republik, die Neue Rechte in Rumänien, die NDP in Deutschland und die Nationale Allianz in Italien. Aber in der Art des Extremismus unterscheiden sie sich kaum.

Was mein Heimatland betrifft, so ist es unannehmbar für mich, dass extremistische Parteien und Organisationen wie die Bewegung für ein besseres Ungarn oder die Ungarische Garde täglich Statements abgeben, in der sie die konzeptionell absurde Kriminalität der Zigeuner genetisch begründen und statt der Integration der Roma in die Gesellschaft Trennung und Ghettos fordern, während sie in schwarzen Uniformen in Tatárszentgyörgy und Freitag in Kerepes aufmarschieren. In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit meiner Parlamentskolleginnen und -kollegen auf die Tatsache lenken, dass zahllose Zigeunerlager in Europa noch immer, auch heute, Ziel extremistischer Kräfte sind.

Zum Ende meines Redebeitrags aber noch einige Neuigkeiten. Der ungarische Ombudsmann, der Präsident der Republik Ungarn und die ungarische Regierung haben die Ungarische Garde und die Bewegung für ein besseres Ungarn offiziell verurteilt. Wir fordern alle verantwortungsbewussten europäischen Regierungen auf, diesem Beispiel im Hinblick auf den in ihrem Land existierenden Extremismus zu folgen. Dazu ist es jedoch in jedem Fall nötig, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen dem Standpunkt des Parlaments zur Bekämpfung des zunehmenden Extremismus zustimmen. Vielen Dank.

 
  
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  Eoin Ryan (UEN). – Herr Präsident! Heute durften wir der feierlichen Proklamation der Charta der Grundrechte beiwohnen, nun sprechen wir über den zunehmenden Extremismus in Europa. Ich sehe einen deutlichen Zusammenhang zwischen beidem. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hieß bis vor kurzem noch Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir können Extremismus nicht bekämpfen, wenn wir uns der im heutigen Europa nur allzu gegenwärtigen Gefahr von Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit nicht stellen. Extremismus erzeugt Extremismus. Und wir Europäer laufen Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten, wenn wir das Übel nicht möglichst schnell an der Wurzel packen und ausrotten.

Ich habe gehört, wie Herr Gollnisch vorhin Mitglieder dieses Plenums und auch andere als Barbaren bezeichnet hat. Er hat nicht einen einzigen glaubwürdigen oder konstruktiven Vorschlag gemacht, wie wir dieses Problem in Europa anpacken sollten. Es kamen lediglich die gewohnten Hetzreden. Er und sein Parteivorsitzender, Herr Le Pen, wollen im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag nach Irland kommen. Eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Mein Land würde und wird diese Art extremistischer Ansichten nie dulden. Vielen Dank. Kommen Sie ruhig. In diesem Fall können wir sicher sein, dass die Iren Ja zum Vertrag sagen, wenn Sie nämlich hören, wie Sie sich Kontinentaleuropa vorstellen. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass bestimmte Haltungen und Faktoren Arbeitnehmer empfänglich für...

(Unterbrechung durch Herrn Gollnisch)

Wir wissen, wofür Sie stehen, Herr Gollnisch, und wir haben Sie zur Genüge gehört, Sie und Ihren Parteivorsitzenden.

Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass bestimmte Haltungen und Faktoren Arbeitnehmer empfänglich für Rechtspopulismus machen, auch für Vorurteile gegenüber Einwanderern, Nationalismus, Autoritarismus, soziales Dominanzstreben und politische Schwäche, wobei Vorurteile gegenüber Einwanderern an erster Stelle rangieren. In Ländern, in denen entsprechende Erhebungen gemacht werden, wird als häufigster Grund für Diskriminierung die regionale Herkunft angeführt. Wenn wir gegen diese Vorurteile und Diskriminierungen vorgehen, haben wir im Kampf gegen den Extremismus einen entscheidenden Schritt nach vorn gemacht.

Deshalb rufe ich alle Mitglieder auf, die Diskussion und den Meinungsaustausch über Fragen wie soziale Ungleichheit, Herkunft, Rasse, Religion und die Auswirkungen sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene zu fördern, sich dabei einer wertfreien Rhetorik zu bedienen und andere nicht als Barbaren zu bezeichnen. Mit Blick darauf begrüße ich die Tatsache, dass das Europäische Parlament im Rahmen der Vorbereitung des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs für 2008 Papst Benedikt, den Präsidenten der Afrikanischen Union, den Dalai Lama, den Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Obersten Rabbiner des Vereinigten Königreichs und den Großmufti von Damaskus eingeladen hat, vor dem Europäischen Parlament zu sprechen. Derartige Initiativen finde ich sehr begrüßenswert.

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Koenraad Dillen (NI).(NL) Bei allem Respekt, Herr Präsident, doch möchte ich von Ihnen gerne erfahren, weshalb Mitgliedern Ihrer eigenen Fraktion und Leuten, die offenkundig eine Sichtweise vertreten, die der Ihrigen näherkommt, viel mehr zusätzliche Redezeit gewährt und nicht so schnell das Wort entzogen wird, während Redner, mit denen Sie eindeutig nicht konform gehen, schon nach zehn Sekunden das Wort entzogen bekommen. Hier wird meines Erachtens mit zweierlei Maß gemessen, und das ist inakzeptabel.

 
  
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  Der Präsident. − Zuallererst scheint es mir, Herr Dillen, als leite der Präsident die Aussprache nach seinen eigenen Kriterien und nicht nach denen jener Person, die auf Sitz 777 sitzt.

Ich kann Ihnen keine Erklärung geben. Alle Rednerinnen und Redner, auch die, die untereinander gesprochen haben, hatten mehr als genug Zeit.

In jedem Fall möchte ich alle Abgeordneten auffordern, sich an den Vorsitz und das Haus zu wenden und ihre Kommentare nicht direkt an andere Abgeordnete zu richten, um störende Zwischenrufe und Unterbrechungen zu vermeiden.

 
  
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  Eva-Britt Svensson (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Wir haben alle festgestellt, dass der Extremismus in der EU zunimmt. Ich finde, wir sollten uns die Frage nach dem Warum stellen. Warum nehmen Fremdenfeindlichkeit und andere extreme Haltungen zu? Ich bin überzeugt davon, dass Ausgrenzung und mangelnde Teilhabe an der Gesellschaft ein fruchtbarer Boden für Extremismus und Fremdenfeindlichkeit sind. Die Gleichwertigkeit alle Menschen ist ein grundlegendes Prinzip einer zivilisierten Gesellschaft. Darum müssen wir alle den Kampf gegen fremdenfeindliche Kräfte unterstützen, die Menschen aufgrund ihrer ethnischer Herkunft, sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder ihrer Behinderung diskriminieren.

Diese Gruppen machen von Gewalt und Drohungen Gebrauch. In meinem Heimatland haben wir sogar erlebt, wie Menschen ermordet wurden, die die Menschenrechte verteidigt haben. Junge Menschen anderer Ethnien werden allein aufgrund ihrer Herkunft ermordet. So etwas darf nie wieder geschehen.

Wir, die wir für die Gleichwertigkeit aller Menschen eintreten, dürfen uns niemals zum Schweigen bringen lassen, aber wir wissen auch, dass das allein nicht ausreichend ist. Fremdenfeindliche und extremistische Gruppen nutzen wirtschaftlich und sozial ausgegrenzte junge Menschen aus, um weiter Angst, Unruhe und Hass gegenüber anderen Gruppen zu schüren. Darum muss der Kampf gegen den Extremismus mit dem Aufbau einer gerechten und solidarischen Gesellschaft einhergehen.

 
  
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  Bernard Wojciechowski (IND/DEM). – Herr Präsident! Der vorliegende Entschließungsantrag ist ein erneutes Beispiel für Ignoranz und Scheinheiligkeit. Wir lesen darin unter anderem, dass einige politische Parteien und Bewegungen, darunter auch einige Regierungsparteien sowie auf lokaler, einzelstaatlicher und europäischer Ebene vertretene Parteien, bewusst Intoleranz und Gewalt gegenüber anderen Menschen wegen ihrer Rasse, der ethnischen Herkunft, Nationalität, Religion und sexuellen Orientierung in den Mittelpunkt ihres Programms gestellt haben.

Wir lesen weiter, dass dieses Parlament alle rassistischen und durch Hass motivierten Übergriffe nachdrücklich verurteilt und die Behörden mit Nachdruck auffordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Verantwortlichen zu bestrafen.

In demselben Plenum, in dem wir solche Entschließungsanträge annehmen, ist ein Kollege ausfällig und beleidigend geworden und hat sich dabei verlogener Propaganda bedient – und zwar genau der Art von Propaganda, wie Extremisten sie gerne verwenden, genau der verunglimpfenden Art von Propaganda, die man auch als Hassrede werten kann. Der Kollege hat mir unterstellt, ich wäre imstande, die Verbrechen von Dachau zu wiederholen. Erlauben Sie mir, ihn aufzuklären: Erstens war Dachau ein deutsches Todeslager, zweitens liegt Dachau in Deutschland, und drittens bin ich kein Deutscher. Er hat sogar behauptet, dass er nach einem viertägigen Polen-Besuch mein Land besser kenne als ich und dass ich nicht zu Polen gehöre – Dachau aber offensichtlich schon.

Diese Art von Hassrede wird zu oft zitiert, zu oft gehalten und zwar von zu vielen Politikern. Und genau diese Politiker wollen uns dann eine Lektion in Demokratie erteilen, während sie selbst die Demokratie in keiner Weise achten ebenso wenig wie die Gleichheit vor dem Gesetz. Anscheinend sind im heutigen Europa einige Schweine gleicher als die anderen, wie George Orwell vor einigen Jahren schrieb. Manche schaffen es, sich unter dem Mantel der Immunität zu verstecken, manche entziehen sich sogar der Justiz und auch europäischen Haftbefehlen. Kommunistische Verbrecher werden aus irgendeinem Grund besser behandelt als ganz gewöhnliche Bürger, und während wir hier heute über extremistische Gruppierungen sprechen, unterstützen manche deutsche Politiker offen revisionistische Bewegungen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Europa unserer Entschließungsanträge hat sehr wenig mit dem wirklichen Europa gemein.

 
  
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  Jana Bobošíková (NI). - (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns einmal mehr mit der Tatsache getröstet, der zunehmende Extremismus sei Ausdruck einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage und der Arbeitslosigkeit. Ich fürchte, ein solches Urteil ist nicht mehr zutreffend. Die Wirtschaften vieler EU-Mitgliedstaaten wachsen, die Arbeitslosigkeit geht zurück, aber der Extremismus ist nicht verschwunden. Im Gegenteil: Die Zahl rassistisch motivierter Straftaten ist gestiegen. Nationale Garden mit einem nationalistischen Ethos werden gegründet, SS-Veteranen marschieren quer durch einige Mitgliedsländer und Politiker, die Juden und Roma als „Geschwüre“ der Gesellschaft bezeichnen, werden bejubelt. Die Politik und Streitkräfte werden von Neonazis und Rassisten infiltriert. Neonazistische Rhetorik gehört zum Wortschatz des Premierministers der Tschechischen Republik, meinem Heimatland. Nicht zuletzt ist die EU zum Ziel für ärmere Einwanderer geworden und offenbar weiß niemand, wie damit umzugehen ist, was auch eine bestimmte Rolle spielt.

Meine Damen und Herren! Keine Entschließung, keine Worte können das Hakenkreuz entfernen, das kürzlich in die Hüfte eines 17-jährigen Mädchens in Mittweida, Deutschland, eingeschnitten wurde. Am helllichten Tage und von gleichgültigen Zuschauern ignoriert, haben Neonazis in Sachsen es in ihren Körper geritzt, weil sie sich für eine kleine Russin eingesetzt hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass Extremismus nur durch Handlungen der Bürger im Alltag, öffentlich erklärten Widerstand der politischen Elite, die offene und umfassende Interpretation insbesondere der Geschichte des 20. Jahrhunderts verhindert werden kann. Vor allem die Polizei und Gerichte dürfen ihre Augen nicht vor Rassisten, fremdenfeindlichen Menschen und Neonazis verschließen, sondern müssen solches Verhalten unverzüglich bestrafen.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE). - (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich ergreife nun als einer der Verfasser der schriftlichen Erklärung Nr. 93 das Wort. In der Erklärung, die ich gemeinsam mit meinen Kollegen, Herrn Tabajdi, Herrn Szent-Iványi, Herrn Vigenin und Herrn Amezaga, vorgelegt habe, werden die Operationen paramilitärischer extremistischer Gruppen in der EU verurteilt, die eine der offensichtlichsten Formen des Extremismus darstellen.

Obgleich eine Vielzahl von Menschen eine moralische und politische Verpflichtung empfindet, solchem extremistischen Gedankengut Einhalt zu gebieten, gehen viele nicht so weit, dies in einer schriftlichen Erklärung oder anderweitig zu verurteilen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Dazu gehört beispielsweise die Tatsache, dass die Auflistung nie vollständig und genau ist, wenn man versucht, diese Ideen bekannt zu machen. Das hält viele Menschen davon ab, Unterstützung anzubieten. Eine Sache muss uns allerdings bewusst sein: die Aufstellung wird nie vollständig und die Konzepte und Definitionen nie scharf umrissen sein. Aus diesem Grund müssen wir den Extremismus und extremistische Ideen bei der Wurzel packen.

Heute ist ein Freudentag in diesem Haus, aber die Charta der Grundrechte ist unter nicht unproblematischen Umständen unterzeichnet worden. In 50 Artikeln fasst sie alle Werte und Rechte zusammen, die wir in der EU achten und schützen wollen. Die Charta ist eine Charta der Nichtdiskriminierung, eine Charta der Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit, eine Charta der Gleichheit und eine Charta für den Schutz des Individuums, von Daten, jungen Menschen und Alten. Wir können daraus nicht nach Belieben etwas auswählen, einige Menschen anderen vorziehen oder die Charta für unsere kurzfristigen innenpolitischen Ziele missbrauchen. Alle Menschen müssen gleichermaßen geachtet und geschützt werden, weil nur so die Würde des Menschen garantiert wird, und als Abgeordnete des EU-Parlaments haben wir darauf einen Schwur geleistet. Gegner der Gesamtheit der in der Charta festgeschriebenen Ideen und Rechte sind unserer Formulierung nach Extremisten, unabhängig von ihrem Alter oder Geschlecht, ihrer Religion oder Nationalität. In diesem Sinne möchte ich meine Kolleginnen und Kollegen aufrufen, die schriftliche Erklärung Nr. 93 zu unterstützen. Vielen Dank.

 
  
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  Martine Roure (PSE). - (FR) Herr Präsident! In Europa ist eine Zunahme rassistischer Aktivität und rassistischer Verbrechen zu verzeichnen. Die Roma, Migranten und alle, die ‘anders’ sind, sehen sich immer noch der verschiedenartigen Diskriminierungen in den Bereichen Arbeit, Bildung und Wohnen ausgesetzt.

Wir können nicht oft genug in Erinnerung rufen, dass wir eine Europäische Union wollen, die in den humanistischen Werten der Toleranz und des Schutzes der Grundrechte verwurzelt ist. Demzufolge ist der Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen des Rassismus und der Ausländerfeindlichkeit – der am 29. November in diesem Hause mit großer Mehrheit angenommen worden ist – wirklich sehr notwendig. Er wird es uns ermöglichen, gegen rassistische Äußerungen und Hassreden in der gesamten Europäischen Union einheitliche Maßnahmen zu ergreifen.

Extremistische Parteien nutzen die Angst der Menschen vor dem Anderen, die Angst vor Ausländern aus, um eine einfache Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung zu geben. Wer in der nationalen Präferenz das Allheilmittel sieht, handelt unverantwortlich. Die wahre Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung liegt darin, sich den heutigen Herausforderungen der Menschheit global zu stellen. Und wir sollten keine Angst davor haben, offen zu sagen, dass die Abkapselung in die Katastrophe führt.

 
  
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  Vălean, Adina-Ioana (ALDE). – Herr Präsident! Wir können beobachten, wie extremistische, nationalistische und populistische Bewegungen in Europa kontinuierlich an Bedeutung gewinnen und unser demokratisches System bedrohen.

In einer Idealwelt versteht man unter Demokratie die Regierung des Volks durch das Volk und für das Volk. Tatsächlich ist die Demokratie nach wie vor das „geringste Übel“ unter den politischen Systemen, falls denn die richtigen Kontrollmöglichkeiten gegeben sind. Das Paradoxe an der Demokratie ist jedoch, dass sie ihren möglichen Tod insofern bereits in sich trägt, als sie populistischen und extremistischen Gruppen erlaubt, ihre Meinung zu äußern und damit die Demokratie auszuhöhlen.

In vielen europäischen Ländern gibt es Parteien, denen es gelungen ist, sich mit populistischen und demagogischen Reden im Mittelpunkt des politischen Geschehens zu positionieren. Aus der europäischen Geschichte wissen wir, wie extremistische Parteien mit demokratischem Anstrich sowie populistischer und nationalistischer Propaganda so manche Demokratie in eine Diktatur verwandelt haben.

Die beste Möglichkeit, Intoleranz zu bekämpfen, besteht darin, keine Zugeständnisse zu machen, unsere demokratischen Werte und Institutionen zu verteidigen, für die Rechte des Einzelnen, die Justiz sowie für Chancengleichheit und Vielfalt einzutreten, zugleich aber auch jede Form von Aufwiegelung zu Hass, Spaltung und Diskriminierung zu bestrafen.

Robert Kennedy sagte einmal: „Das wirklich Gefährliche an Extremisten ist weniger ihr Extremismus als vielmehr ihre Intoleranz. Hier liegt das Übel nicht darin, was sie über ihr eigenes Anliegen sagen, sondern darin, was sie über ihre Gegner verbreiten.“

Gesunde Demokratien brauchen aktive Bürger. Demokratie kann nur funktionieren, wenn Bürger ihre Rechte und Pflichten kennen und auch wahrnehmen. Wir müssen den Bürgersinn neu ersinnen. Wir brauchen neue Wege, Demokratieverständnis zu erlernen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Bildungssysteme aktive, kritische und engagierte Bürger hervorbringen. Eine globalisierte Welt ist auf Bürger angewiesen, die Vielfalt als Bereicherung begreifen und gegenseitiges Verständnis sowie Toleranz fördern wollen.

 
  
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  Wojciech Roszkowski (UEN).(PL) Herr Präsident! Ich weiß nicht, ob politischer Extremismus zunimmt oder nicht. Ich weiß, dass es sich ihm zu widersetzen gilt und dass er wegen seiner Ideologie und seiner Praktiken zu ächten ist. Die Charta der Grundrechte, die wir heute in einem so feierlichen Akt angenommen haben, ist allerdings nicht die Lösung des Problems, sondern kann ihrerseits neue Probleme schaffen.

In Artikel 21 der Charta wird Diskriminierung wegen der politischen und sonstigen Anschauung, ich wiederhole, wegen der sonstigen Anschauung, verboten. Das betrifft also auch extremistische Anschauungen wie die Äußerungen des Vorsitzenden der NPD, der kürzlich im öffentlich rechtlichen deutschen Fernsehen zur Verschiebung der Grenzen zu Polen aufgerufen hat.

Leere Phrasen rächen sich bitter bei dem, der sie ausgesprochen hat. Deshalb möchte ich die Anhänger der Charta der Menschenrechte fragen, wie sie den politischen Extremismus bekämpfen wollen, wenn sie ihn doch gleichzeitig verteidigen.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). - (EL) Herr Präsident! Es wäre eine Unterlassung meinerseits, wenn ich nicht zunächst meine Besorgnis angesichts der allgemeinen Verwendung des Begriffs „Extremismus“ ohne jede Definition und ohne besondere Verurteilung extremistischer Akte, anders gesagt, jede extreme Form der unrechtmäßigen Anwendung von Gewalt, zum Ausdruck brächte. Es wäre auch ein Fehler, nicht die Versuche zu erwähnen, die Bürger hinsichtlich der Gefahren der Radikalisierung und der gleichzeitigen Schaffung flexibler Kategorien für mögliche Straftäter wach zu rütteln.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass in der modernen Geschichte in Zeiten, in denen Freiheiten und Rechte im Namen der Sicherheit, Polizeiüberwachung und strenger Kontrollen eingeschränkt wurden und sich Verfolgung aufgrund von Stereotypen etablieren konnte, ideologische Bigotterie, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zunahmen und unaussprechliche Verbrechen begangen wurden. Ähnliche Verfehlungen heutzutage könnten zum Verbot politischer Parteien und Gewerkschaften führen, womit man der Demokratie, dem Rechtsstaat und den Bürgerrechten einen echten Schlag ins Gesicht versetzen würde. Darum müssen wir sicherstellen, dass die Demokratie nicht zu einem bloßen Deckmantel für die Anwendung von Strafmaßnahmen wird. Gleichzeitig müssen wir unsere Bemühungen auf die Beherrschung der eigentlichen Ursachen gewaltsamer extremistischer Taten richten, die zu einer völligen Entwertung der Menschenwürde führen, da sie per Definition die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten.

Es ist unsere Pflicht, Armut, Arbeitslosigkeit, Entbehrung, die Ausbeutung von Arbeitern und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und zu gewährleisten, dass künftige Generationen dank entsprechender Erziehung und Bildung, aggressiven nationalistischen und faschistischen Organisationen fern bleiben, die extremistische Taten als Ausdrucksmittel fördern.

 
  
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  Irena Belohorská (NI). - (SK) Danke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meiner Ansicht nach ist es ganz entscheidend, eine gemeinsame Entschließung über den Kampf gegen den Extremismus zu verabschieden, der in letzter Zeit immer stärker zutage tritt. Es hat schon etwas Symbolisches, wenn unsere Aussprache genau an dem Tag stattfindet, an dem die Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Europäischen Rates mit ihren Unterschriften die rechtliche Verpflichtung der EU für die Charta der Grundrechte bekräftigten.

Extremisten oder ihren Organisationen darf nicht erlaubt werden, Bürger zu attackieren, deren Rechte in einer zivilisierten Gesellschaft garantiert werden müssen. Aus der Geschichte Europas sind die Formen bekannt, die Extremismus, militanter Nationalismus und ideologischer Radikalismus annehmen kann. Unsere Pflicht ist es, Europa bezüglich aller Aktivitäten dieser Gruppen oder Einzelner ständig zu überwachen und entschiedene Maßnahmen dagegen zu ergreifen.

Mit Bedauern muss ich hinzufügen, dass der Extremismus vor allem unter jungen Menschen in Europa auf dem Vormarsch zu sein scheint. Darin kommt ein gewisses Versagen seitens der Politik zum Ausdruck. Dabei darf man nicht vergessen, dass viele Politiker wegen fehlender positiver und professioneller Qualitäten ihren eigenen politischen Hintergrund und Einfluss dadurch zu fördern suchen, dass sie die unerfahrensten und uninformiertesten Kreise der Öffentlichkeit mobilisieren. Solange noch Zeit bleibt, sind strengere Gesetze und entschiedenere Maßnahmen daher unsere Aufgabe und Verantwortung, der wir uns alle stellen müssen.

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
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  Pilar del Castillo Vera (PPE-DE). (ES) Herr Präsident! Herr Kommissar! In dieser Phase der Aussprache ist das meiste, was man zu diesem Thema sagen kann, bereits gesagt worden. Dennoch möchte ich auf die Mahnung des Herrn Kommissars, über die eigentlichen Wurzeln des Extremismus nachzudenken, zurückkommen.

Meines Erachtens besteht das eigentliche Problem des Extremismus nicht darin, dass einige Gruppen gewalttätige Angriffe verüben. Dieses Problem muss auf dem Rechtsweg gelöst werden, und Einzelpersonen müssen strafrechtlich verfolgt werden usw. Problematisch wird es, wenn die Gewalt und die Absichten, die dahinter stecken, sich wiederholen und einen breiten Teil oder bestimmte Segmente der Bevölkerung beeinflussen bzw. sich auf diese auswirken. Aus sozialer und politischer Sicht entsteht ein Problem, wenn Gewalt Anlass zur Sorge bietet. Um dies zu verhindern, sind meiner Ansicht nach drei Faktoren maßgeblich.

Erstens erwähnte der Herr Kommissar Geschichtskenntnisse. Ich selbst vertrete die Auffassung, dass es äußerst wichtig ist, über tragische Ereignisse, Erfolge und letztlich über uns als Menschen Bescheid zu wissen. Allerdings müssen wir meiner Meinung nach Vorsicht walten lassen und Geschichte nicht als Waffe gegen andere mit dem Ziel kurzfristiger politischer Erfolge einsetzen, was gegenwärtig in einigen Ländern, so auch in meiner Heimat, Spanien, geschieht.

Zweitens gibt es meiner Überzeugung nach zwei weitere grundsätzliche Aspekte, die momentan völlig unterberücksichtigt bleiben.

Zum einen die Bildung. Werte wie Arbeit, Disziplin, Eigenständigkeit sind verloren gegangen und gehen noch immer verloren bzw. werden zumindest ausgehöhlt, das heißt, all jene Werte, die dazu beitragen, dass ein Mensch später als Erwachsener ein rechtschaffener Bürger ist.

Schließlich ist es im Kontext der Europäischen Union entscheidend, nicht jenes Umfeld zu zerstören, in dem wir Europäer die Netzwerke herausfordern können, die die Globalisierung geschaffen haben. Gegenwärtig, wie auch schon zu anderen Zeiten im Laufe der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, sind wir mit großer Unsicherheit, einer gewissen Verzweiflung und Ziellosigkeit konfrontiert. Wir müssen Hoffnung sähen, einen positiven Geist verbreiten und Führungsstärke zeigen, so dass sich jeder als Teil der Europäischen Union empfindet.

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Herr Präsident! Der europäische Kontinent und die Länder der Europäischen Union sind heute ein Gebiet, auf dem wir es mit Fremdenfeindlichkeit, extremem Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie zu tun haben. Was uns heute in Europa fehlt, ist der liberal-demokratische Konsens aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Den Politikern in Europa fehlt der richtige Willen, diese Probleme anzupacken.

Gegen Erscheinungen von Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa vorzugehen, ist eine gemeinsame Pflicht, die der europäischen Bildung, den Medien, den Kirchen, den Sportfunktionären und vor allem den Politikern zukommt. Wir stehen solchen extremen Formen politischer Handlungen oft hilflos gegenüber. Mehr noch, viele Politiker und Parteien nutzen extremistische oder populistische Bewegungen für ihre eigenen Ziele aus.

Ich möchte diese Aussprache nicht nutzen, um im Europäischen Parlament politische Streitigkeiten auszutragen, aber ich könnte viele solcher Beispiele nennen. Worauf es jetzt ankommt, ist eine gemeinsame Politik auf EU-Ebene ganz besonders in den Bereichen Bildung und Erziehung, Sport, Kultur und Politik zu erreichen, um den Extremismus zu bekämpfen.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE). – Herr Präsident! Als Jörg Haiders fremdenfeindliche Partei vor acht Jahren in Österreichs Koalitionsregierung eintrat, hatten die Regierungen in der EU nicht die geringste Ahnung, wie sie darauf reagieren sollten. Das Ergebnis dieser Ratlosigkeit war die Aufnahme von Artikel 7 in den Vertrag über die Europäische Union. Er kam allerdings nie zur Anwendung, und es ist ganz offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten ein interkulturelles Problem mit gegenseitiger Kritik haben. Wir brauchen aber eine offensivere Politik der gegenseitigen Begutachtung, im Rahmen derer die Mitgliedstaaten einander zur Rechenschaft ziehen. Wenn sich in irgendeinem EU-Land eine extremistische, intolerante Partei an der Regierungsbildung beteiligt, geht das nämlich auch die EU an.

Aufwiegelung zum Hass gilt als Straftatbestand, und auch Diskriminierung ist gesetzlich verboten. Gesetze können also zur Änderung von Denk- und Verhaltensweisen beitragen. Eine Gesellschaft steckt die Grenzen der Akzeptanz unter anderem dadurch ab, dass sie bestimmte Dinge unter Strafe stellt oder verbietet. Aus diesem Grund war ich sehr enttäuscht, dass die Kommission keinerlei Widerspruch gesehen hat zwischen der von der italienischen Regierung angeordneten Abschiebung von Rumänen, im Wesentlichen Roma, und dem damit einhergehenden politischen Diskurs einerseits und der in der EU geltenden Freizügigkeit sowie den Anti-Rassismus-Gesetzen andererseits. Ich für meinen Teil habe das anders gesehen.

Aber auch dem Gesetz können und sollten Grenzen gesetzt sein. So wird zum Beispiel die Frage, ob man die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellen sollte, in Europa kontrovers diskutiert. Meines Erachtens war es richtig, dass das vor kurzem neu angenommene EU-Gesetz über das Verbot der Aufwiegelung zum Hass gegenüber anderen Rassen und Religionen diese Entscheidung den einzelnen Mitgliedstaaten überlässt. In meinem Land will es die Tradition, dass sich Leute wie David Irving mit ihren die Geschichte verleugnenden Ansichten selbst ad absurdum führen und in öffentlichen Diskussionen massiv Kontra bekommen.

Diejenigen unter uns, die den großen Parteien angehören, brauchen sich von den Schlägertypen der extremen Rechten, Linken oder von Fundamentalisten jeder Couleur keine Bange machen zu lassen. Liberale Demokraten – und ich meine „liberal“ als Adjektiv mit kleinem „l“ – aller demokratischer Parteien stehen mit der gleichen Überzeugung und Leidenschaft zu unserem Bekenntnis für eine großzügige, eine integrative europäische Vision, wie es diese Leute in Bezug auf ihre schändliche Intoleranz tun. Darauf können wir gar nicht oft genug hinweisen.

 
  
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  Leopold Józef Rutowicz (UEN).(PL) Herr Präsident! Extremismus ist ein Phänomen, das Politiker unterstützen, die Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit für ihre eigenen Ziele nutzen. Der Extremismus nutzt häufig den Terrorismus für seine Ziele.

Extremismus verbindet die Menschen und gesellschaftlichen Gruppen nicht, er spaltet sie. Er ist der Feind einer demokratischen Gesellschaft. Er stellt sich gegen die Grundwerte der Europäischen Union, einer Gemeinschaft von Menschen, die Hass ablehnen und den Krieg, der von Faschisten und Nationalisten verursacht wurde und der Millionen Opfer im Europa des 20. Jahrhunderts forderte.

Die größte terroristische Organisation, Al Qaida, die sich auf Extremismus und den Einsatz von Terrorismus für politische Ziele stützt, ist inzwischen in der Lage, schwache Demokratien zu zerstören und politische Macht zu erlangen.

Ich unterstütze die Entschließung, die die europäischen Institutionen dazu anregt, weitere Maßnahmen gegen Terrorismus und Extremismus zu ergreifen.

 
  
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  Diamanto Manolakou (GUE/NGL). - (EL) Herr Präsident! Der Aufstieg rechtsextremer rassistischer Gruppierungen und Organisationen in Europa ist kein Zufall, sondern das Ergebnis der volksfernen, reaktionären, imperialistischen Politik der Europäischen Union. Diese Politik, deren einziges Leitprinzip die Profitmaximierung europäischer Monopole durch Akkumulation immenser Reichtümer durch die grausame Ausbeutung der Arbeiterklasse ist, verursacht zunehmende Armut, Ungleichheit und Marginalisierung. Außerdem untergräbt sie die Stellung der Arbeiterfamilien in drastischer Weise und verstärkt die Probleme der Arbeiterklasse.

Unter diesen Bedingungen können – in marginalisierten Teilen der Gesellschaft bzw. in sozialen Schichten mit geringem politischen Bewusstsein und Erfahrungen – rechtsextreme und faschistische Ideen Fuß fassen, die unter einem populistischen, demagogischen Deckmantel propagiert werden. Sie fallen heute angesichts antikommunistischer Hysterie, des Versuches, die Geschichte umzuschreiben, schamlosen Bestrebungen, den großen Beitrag der UdSSR zum Sieg über den Faschismus vergessen zu machen und der Gleichsetzung des Kommunismus mit Nazismus und Faschismus auf reicheren Nährboden für die Entstehung und das Wachsen solcher Gruppierungen. Erkennbar ist dies beispielsweise anhand der Anerkennung und Legitimierung von lokalen faschistischen Gruppen, die mit der vor Ort im Zweiten Weltkrieg stationierten SS und den Nazis kollaboriert haben, durch die Regierungen der baltischen Staaten.

Faschismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind alles Seiten der gleichen Medaille – echtes Ergebnis des kapitalistischen Systems, das solche faschistischen Gruppierungen hervorbringt, aufrecht erhält und nährt. Genau aus diesem Grund betrachten wir die angebliche Sorge angesichts der Zunahme rechtsextremer und paramilitärischer Organisationen als scheinheilig und lehnen jegliches Bestreben, den Klassenkampf, die Anstrengungen der Arbeiter- und Volksbewegung und die kommunistische Ideologie mit extremistischen Ideologien gleichzusetzen, als nicht hinnehmbaren Versuch ab, den Menschen Angst zu machen.

 
  
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  Nickolay Mladenov (PPE-DE).(BG) Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tag ist ein Beleg dafür, dass das Europäische Parlament nicht nur die Rechte der Mehrheit garantiert, sondern auch die von Andersdenkenden. Denn hätten die Nationalisten in diesem Saal ihre Ziele erreicht, so hätte niemand von uns das Recht auf eine andere Meinung, so wie sie heute die Chance hatten, ihre Ansichten zum Ausdruck zu bringen. Wir werden über Intoleranz und Extremismus eher mit Argumenten als mit Emotionen siegen, mit Fakten statt mit Lärm. Doch wenn wir über Tatsachen reden, ist leider niemand da, der zuhört. Das ist ein bedauernswertes Faktum.

Dennoch hoffe ich, dass unserer Befürworter, unsere Wähler in den Mitgliedstaaten ganz genau zuhören werden, wenn es um das geht, worauf auch Kommissar Frattini hingewiesen hat. Erstens erwachsen Intoleranz und Extremismus aus dem Vergessen der Vergangenheit. Wir müssen die Erinnerung an die Vergangenheit und die beiden schlimmen Diktaturen, unter denen Europa gelitten hat, in uns wach halten. Darum appelliere ich an die Kommission und uns alle: Erinnern wir uns der Geschichte Europas und schaffen mehr Möglichkeiten für Programme der Europäischen Kommission, um Projekte zu finanzieren, die unsere Erinnerung bewahren. Zweitens dürfen wir nicht vergessen, die Bürger in den politischen Prozess einzubinden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir tragen Mitschuld am Nationalismus und an der Fremdenfeindlichkeit in Europa. Viele von uns haben begonnen, als Bürokraten statt als Politiker zu sprechen. Sie haben die Sprache verlernt, die die Wähler verstehen. Stattdessen sprechen sie die Sprache der Institutionen. Möge uns dieses Wissen in dieser Debatte stärken, damit wir die Probleme lösen können, die vor allem in den neuen Mitgliedstaaten existieren. Lassen Sie uns Probleme beim Namen nennen und sie direkt angehen. Weit häufiger gewinnen in Wahlen politische Parteien, die etwas versprechen, ihre Wahlversprechen jedoch nicht halten und dann überrascht sind, dass es Extremismus und unzufriedene Menschen gibt. Wir alle im Europäischen Parlament tragen Verantwortung dafür, auch den zunehmenden Extremismus und die Intoleranz östlich der EU zu bekämpfen, der für uns alle eine Gefahr darstellt. Vielen Dank.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE). - (HU) Herr Präsident! Es reicht nicht, den Extremismus allgemein zu bekämpfen. Jeder muss sich nationalistischen und extremistischen Tendenzen in seinem Heimatland widersetzen. Zuallererst sollten alle extremistische Nationalisten verurteilen und sich von ihnen in ihrer Heimat distanzieren. Diese Forderung ist von großer Wichtigkeit. Die aktuelle Aussprache zeigt außerdem, dass man dem Extremismus gleichzeitig mit direkten und indirekten Mitteln den Kampf ansagen muss.

Direkte Instrumente müssen angewendet werden, um Personen für Reden zu bestrafen, die zum Hass auswiegeln. Einige verweisen auf das Recht auf Meinungsfreiheit und behaupten, diese könne nicht durch Anwendung strafrechtlicher Instrumente verurteilt werden, aber meiner Ansicht nach haben wir noch nicht das rechte Gleichgewicht gefunden. Demokratische Kräfte müssen hier ein Beispiel geben, insbesondere für den rechten Flügel. Die demokratische Rechte trägt große Verantwortung dafür, sich selbst von den Erscheinungen des Rechtsextremismus zu distanzieren, die Unruhe in Europa stiften.

Einige meiner Kolleginnen und Kollege haben über die Tatsache gesprochen, dass wir auch reagieren müssen, indem wir indirekte Instrumente einsetzen, denn der Grund für eine Vielzahl von extremistischen Vorfällen sind soziale Unsicherheit oder die Unsicherheit der nationalen Identität. Die aktuelle Debatte ist von entscheidender Bedeutung, und ich meine, Kommissar Frattini, die Agentur für die Grundrechte und das Europäische Parlament müssen alle extremistischen Vorfälle genau beobachten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Sophia in 't Veld (ALDE).(NL) Herr Präsident! Extremisten gab es zu allen Zeiten, in den letzten Jahren haben sie jedoch Ton und Inhalt der politischen Agenda bestimmt. Demokratische Mainstream-Parteien distanzieren sich viel zu zurückhaltend von Extremisten aus Furcht, Wählerstimmen zu verlieren, was eine schleichende politische Akzeptanz von Extremismus und Intoleranz zur Folge hat.

Und noch etwas. Neben Rassismus und Nationalismus gibt es ferner den Extremismus gegen Frauen und Homosexuelle beispielsweise – worüber wir heute noch nicht gesprochen haben –, dem häufige religiöse Anschauungen zugrunde liegen. Ich bin entsetzt, wenn ich sehe, wie in der Regierung befindliche, Regierungsmacht ausübende oder im Parlament vertretene Parteien – auch in meinem Heimatland – Diskriminierung gegen Frauen, Homosexuelle und andersgläubige Menschen propagieren.

Abschließend noch ein, zwei Worte, die provozierend sein mögen, Herr Präsident. Bei aller Hochachtung für die Ausführungen von Herrn Ryan, bin ich selbst nicht sehr dafür, dass Führer bedeutender Weltreligionen eingeladen werden, um hier in unserem Plenum Reden zu halten, solange sie nicht bereit sind, ihren diskriminierenden Ansichten über Frauen und Homosexuellen abzuschwören.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel (UEN).(PL) Herr Präsident! Ein Weg, den Extremismus zu bekämpfen und die Wählerschaft extremistischer Parteien zu verringern, besteht darin, den Bürgern bei den sie bewegenden Fragen aufmerksamer zuzuhören und die Ursachen des Extremismus gründlicher zu analysieren.

Wenn die Bürger Europas extremistische Parteien wählen, dann heißt das u. a. auch, dass ein Großteil der Gesellschaft sich von der regierenden Elite nicht wahrgenommen fühlt. Ich möchte den Extremismus nicht verteidigen, aber er kommt nicht von ungefähr. In Frankreich hat Nicolas Sarkozy das verstanden. Probleme wie die Einwanderung oder den Beitritt der Türkei hat er ehrlich und offen angesprochen, und es ist ihm so gelungen, die extremistischen Parteien zu schwächen. Ich möchte die Europäische Kommission dazu ermutigen, dem französischen Beispiel zu folgen.

 
  
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  Adrian Severin (PSE). – Herr Präsident! Ein Bürgermeister wettert gegen Einwanderer und behauptet, Einwanderung sei eine Quelle der Unsicherheit. Ein anderer Bürgermeister erklärt seine Stadt zur ausländerfreien Zone. Und ein Staatsoberhaupt bezeichnet die Abgeordneten des Parlaments als Verbrecherbande, ruft das Volk zum Aufstand gegen die Gesetzgeber auf und preist eine Demokratie ohne Opposition und ohne Parteien in den höchsten Tönen.

Eine Gruppe von Abgeordneten hat heute in Hooligan-Manier die so genannte direkte „Volksdemokratie“ gefordert, in der Wahlen durch Volksabstimmungen ersetzt werden sollen. Eine prominente Führungspersönlichkeit des öffentlichen Lebens unterstützt verbal die gewaltbereiten Gruppen, die das Parlamentsgebäude eines demokratischen Staats gestürmt und die Revision der Friedensverträge gefordert haben.

Eine Reihe von Journalisten verbreitet tagtäglich – wenn auch bisweilen in politisch korrekter Weise – fremdenfeindliche, parlamentarismus- und pluralismusfeindliche, romafeindliche, islamfeindliche, ausgrenzende, intolerante, diskriminierende und chauvinistische Ansichten.

Ein Minister bat die Europäische Kommission um Geld, um eine gewisse unerwünschte ethnische Gemeinschaft in die ärmsten Länder der Union umzusiedeln.

All das passiert tatsächlich in der Europäischen Union. Die Verantwortlichen sind Personen, die einen Ruf als demokratische Mitglieder der großen demokratischen Parteien genießen. Hier und heute verurteilen wir die extremistischen Parteien und ihre Führung, weil sie Intoleranz verbreiten und Intoleranz nicht geduldet werden darf. Aber was ist mit den Helfershelfern? Mit den vermeintlich demokratischen Populisten, die die demokratischen Institutionen schwächen, das Prinzip der Demokratie untergraben und so einen idealen Nährboden für Extremismus schaffen?

Wenn wir weiterhin nur über Symptome und Täter sprechen und schweigen, wenn es um die Hintergründe und die Helfershelfer geht, dann setzen wir unsere Werte aufs Spiel. Das darf nicht passieren.

 
  
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  Inger Segelström (PSE). - (SV) Herr Präsident! Ich möchte zunächst allen Parteien für diese Entschließung danken. Es gibt heute keinen Mitgliedstaat, in dem der Rechtsextremismus nicht existiert, auch nicht mein eigenes Heimatland. Bei den letzten Kommunalwahlen 2006 erhielten die Sverigedemokraterna (die Schwedendemokraten) Sitze in zwei Dritteln der Gemeindeparlamenten Es steht zu befürchten, dass ihre nächsten Ziele die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 sowie die Wahlen zum schwedischen Reichstag 2010 sind. Die schwedischen Abgeordneten brauchen Hilfe dabei, das Erreichen dieser Ziele zu erschweren, ebenso wie auch andere Länder Unterstützung brauchen, um die Ausbreitung des Rechtsextremismus in Europa zu stoppen.

Europa braucht demokratische Parteien, die in ihren Programmen alle ansprechen, und nicht nur einige wenige. Bei den Wahlen 2006 war das Motto der schwedischen Sozialdemokraten „Alle einbeziehen“. Das wird in dieser Aussprache noch deutlicher, da die Programme der Parteien und Gruppen, über die wir hier sprechen, die Grundwerte der EU und die Gleichwertigkeit aller Menschen nicht respektieren. Für mich als Mitglied des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten ist die Sicht auf die Asyl- und Flüchtlingspolitik von entscheidender Bedeutung. Die rechtsextremen Parteien sind sowohl gegen ein offenes Europa als auch gegen die Entwicklung der EU.

Stattdessen treten sie für Nationen mit geschlossenen Grenzen ein. Das ist eine Bedrohung, die ich in Schweden erlebe, und zusammen mit Ihnen allen in der gesamten EU. Ich habe noch einen weiteren Kommentar zur Entschließung. Die Propaganda, die die extremistischen Gruppen unter Kindern und Jugendlichen verbreiten, hat die Form von White-Power-Musik. Dabei werden Medien und Kommunikation als Instrument verwendet, wobei die Schule, die Familie, die weiterführenden Bildungseinrichtungen und unsere politischen Werte umgangen werden. Es ist wichtig, dass wir als gewählte Volksvertreter uns jetzt der Diskussion stellen. Das müssen wir von heute an bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 ständig tun. Der Entschließung gebührt Beifall.

(Beifall)

 
  
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  Kostas Botopoulos (PSE). - (EL) Herr Präsident! Eine Bedrohung schwebt über der Demokratie in Europa, und ich bezweifle, ob wir uns alle deren Bedeutung bewusst sind. Die Gefahr geht nicht von der Verbreitung rechtsextremen Gedankengutes aus, sondern vom Übergang von den Ideen zu den Methoden der extremen Rechten. Anders gesagt: zur Akzeptanz brutaler Gewalt, wie sie in den Aktivitäten paramilitärischer rechtsextremer Organisationen zutage tritt.

Darum ist eine entscheidende Unterscheidung notwendig: Einerseits bekämpfen wir Anschauungen, mit denen wir nicht übereinstimmen. Ansichten, die den Nationalismus in Europa sowie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten befördern. Wir bekämpfen diese Vorstellungen mit unseren eigenen Konzepten und mit unserem Bemühen, die Ursachen, die politischen Ursachen zu bekämpfen, die hauptsächlich im Problem der Vielfalt begründet liegen – in der Tatsache, dass die europäischen Bürger Vielfalt, auf darauf ausgerichtete Politik und Europa selbst nicht akzeptieren.

Andererseits kämpfen wir einen anderen Kampf, selbst mit kriminellen Mitteln, gegen die Verbreitung dieser Ideen durch Aktionen, die Gewalt verursachen. Aus dieser Perspektive markiert dieser sehr ausgewogene gemeinsame Entschließungsantrag aller demokratischen Parteien im Parlament einen weiteren großen politischen Moment für unser Haus, vor allem nach den heutigen Ereignissen. Es erfüllt mich mit großem Stolz, dass die Entschließung auf unsere Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, zurückgeht.

 
  
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  Ana Maria Gomes (PSE).(PT) Am 6. September wurden etwa 20 Grabsteine des jüdischen Friedhofs in Lissabon mit Hakenkreuzschmierereien geschändet. Die beiden Täter wurden verhaftet. Sie gehören zur Frente Nacional oder Nationalen Front, einer extremen rechtsgerichteten Skinhead-Organisation in Portugal, die offen für den Kampf gegen andere Rassen und gewaltsame Aktionen eintritt, um die Vorherrschaft der weißen Rasse zu sichern. Dieser Fall und andere Fälle, besonders die Welle der Hysterie gegen Moslems in verschiedenen europäischen Ländern und die rassistische Gewalt gegen die Gemeinschaft der Roma kürzlich in Italien belegen, dass Fremdenfeindlichkeit und gewalttätiger Rassismus existieren und wir uns nicht den Luxus gestatten dürfen, sie klein zu reden.

Im portugiesischen Fall wollten die Behörden den Fall zunächst mit dem Hinweis darauf herunterspielen, dass Antisemitismus dem angeblich toleranten Wesen der portugiesischen Gesellschaft widerspricht. Aber die Anwesenheit des Ministers für Justiz und Binnenverwaltung auf dem jüdischen Friedhof anlässlich der Reinigungszeremonie der Gräber sowie die Aufmerksamkeit, die diese Geste der Solidarität in den portugiesischen Medien fand, sind eine Lehre für andere Fälle in Portugal und anderswo. Wirksam lässt sich Extremismus in Europa nur bekämpfen, wenn die politischen Vertreter und die Medien ihrer Verantwortung gerecht werden, Verbrechen dieser Art sichtbar zu machen und sie als direkten und grundlegenden Angriff auf den Kern der Demokratie, Europas und der Menschlichkeit anprangern.

 
  
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  Pierre Schapira (PSE). - (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zunahme des Extremismus in Europa ist sicher sehr beunruhigend, und alle europäischen Institutionen müssen aktiv werden, um das Anwachsen dieser rechtsextremen Bewegungen unter Kontrolle zu bekommen, die immer bedrohlicher werden, da sie nicht nur ihre Ideen verbreiten, sondern auf der Grundlage ihrer rassistischen Ideologie in zunehmendem Maße Menschenrechte verletzen. Diese gefährliche Tendenz in der Europäischen Union kann nicht geduldet werden!

Meiner Ansicht nach muss die Kommission entsprechend dem Wortlaut der schriftlichen Erklärung und der Entschließung der PSE-Fraktion zu diesem Thema in zweierlei Weise reagieren: Sie muss zusammen mit den Mitgliedstaaten in einer positiven Aktion angemessene politische und rechtliche Mittel entwickeln, um zum einen die Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen und zum anderen präventiv besonders gegenüber jungen Menschen tätig zu werden, um sie für die Grundwerte der Union zu sensibilisieren. Weiterhin gilt es sicherzustellen, dass keine Gemeinschaftsmittel von einer Institution oder einer Organisation genutzt werden können, die Auffassungen vermittelt oder Äußerungen tätigt, die zu fremdenfeindlicher und rassistischer Gewalt aufrufen.

Ich möchte Sie hier an den Fall des Senders Radio Maria in Polen erinnern, der, obwohl er dafür bekannt war, dass er gegen Menschenrechte gerichtete Ansichten förderte, einen Antrag auf EU-Finanzhilfe gestellt hat. Ich möchte daher diese Möglichkeit nutzen, in Anwesenheit des Vertreters der Kommission noch einmal dringend darum zu bitten, dass keine Mittel aus Europäischen Fonds an Medien fließen, die rassistischen Ideen als Plattform dienen und eine große und potenziell sehr gefährliche Wirkung auf die Öffentlichkeit haben.

 
  
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  Franco Frattini , Mitglied der Kommission. (IT) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Meiner Ansicht nach war die heutige Aussprache äußerst interessant – äußerst interessant und auch von hohem politischem Niveau. Darum möchte ich allen Rednern danken, auch jenen, die Dinge geäußert haben, die ich nicht teile oder teilen kann. Einige Redner haben in Frage gestellt, ob es notwendig bzw. wichtig ist, ein solches Thema in diesem Haus anzusprechen. Nach meinem Dafürhalten ist es von großer Wichtigkeit.

Eine Frage, die sicher einen höchst politischen Themenbereich berührt, ist aufgeworfen worden: Ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit, bei dem es sich um eines der Rechte handelt, das in der Charta der Grundrechte verankert ist, und anderen Grundrechten wie Würde des Menschen, Gleichheit und Nichtdiskriminierung. Darf ich anmerken, dass diejenigen, die das Thema in den Raum gestellt haben und die Ansicht vertreten, Gedankenfreiheit bedeute, Anstoß zu erregen und Werte aufzuwerfen, die den Grundrechten eines Menschen zuwiderlaufen, die eigentliche Bedeutung der Meinungsfreiheit verzerrt haben.

Ich sage immer meine Meinung, auch wenn diese der meiner Vorredner entgegensteht. Jemand meinte: wenn sich die Bürger in einem Referendum gegen die Charta der Grundrechte aussprechen, ist das ein Ausdruck der Freiheit. Dieser Auffassung schließe ich mich nicht an, da die Forderung nach einer Volksabstimmung gegen die Charta der Grundrechte die Forderung nach einem Referendum gegen die Bürger wäre, denn diese Bürger sind zweifellos die Inhaber und Vorkämpfer der Grundrechte, die wir jetzt schützen müssen. Nicht weil es dieses Prinzip anzufechten gilt, sondern weil diejenigen, die Grundrechte verteidigen, keine Extremisten sind, wohingegen jene, die sie verletzen und in Frage stellen, jene, die das Recht auf Anstiftung eines Mobs oder einer Gruppe gewalttätiger Menschen zur Zerstörung jüdischer Gräber bejahen, Extremisten sind. Meinungsfreiheit sieht anders aus. Das ist Gewalt, die durch politische Maßnahmen bekämpft und mit Rechtsmitteln bestraft werden muss. Für diese beiden Maßnahmen muss sich Europa nach meinem Dafürhalten standhaft einsetzen.

Wir dürfen die Sache nicht herunterspielen. Man darf nicht meinen, ein einzelner Vorfall könne ruhig vernachlässigt werden, da es sich ja um ein singuläres Ereignis handle. Wenn dieser Einzelfall ein Symptom von Rassismus und Intoleranz ist, einer tiefen Verachtung menschlicher Werte, muss uns auch ein einzelner Vorfall, eine einzelne Gewalttat nachdenklich stimmen.

Viele von Ihnen stellten eine andere wichtige Frage: Kann die Propagierung einer rassistischen Botschaft durch politische Kräfte im Namen der freien politischen Meinungsäußerung geduldet werden? Als von den Bürgern gewählte Vertreter tragen Politiker meiner Ansicht nach eine besondere Verantwortung und dürfen den Pöbel nicht gegen andere Bürger oder Menschen aufhetzen: ein Gefühl persönlicher Verantwortung.

Meiner Überzeugung nach ist es schwierig, und ich sag dies offen, Rechtsmittel, die Polizei oder Geheimdienste zu nutzen, um umfangreiche Ermittlungen gegen jemanden durchzuführen. Wenn die betreffende Person jedoch öffentlich verlautbart, es sei ihre Absicht, das Supremat der Rasse wieder herzustellen, handelt es sich dabei nicht um freie Meinungsäußerung, sondern um einen Angriff auf die fest verankerten Fundamente Europas. Aus diesen Gründen sind repressive Maßnahmen gerechtfertigt, und es kann nicht die Rede sein von Zensur oder einer Verletzung der Meinungsfreiheit.

Ich verteidige das Recht derjenigen, ihre Meinung zu äußern, die nicht mit mir übereinstimmen, aber ich kann nicht das Recht jener Menschen, die nicht meiner Meinung sind, auf Aufhetzung des Pöbels oder anderer Menschen, um andere zu attackieren, zu verletzen und zu töten, verteidigen. Das hat absolut nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun!

Daher ist der heutige Diskussionsgegenstand ein Schlüsselthema. Wenn wir über die abstoßende Natur des Extremismus in Form des Terrorismus reden, werden ich ähnliche Argumente anführen, denn man kann sicher keinen Unterschied machen zwischen der Botschaft des Rassenhasses und der Botschaft von Menschen, die der Auffassung sind, Menschen in Terrorangriffen zu töten, sei eine mögliche Antwort auf die Probleme der Gesellschaft. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich in beiden Fällen um Problemstellungen, die durch Bildung und Prävention, Stärkung von Toleranz und Einsatz von Rechts- und Polizeimitteln auf europäischer Ebene gelöst werden müssen. Wir können uns erst zurücklehnen, wenn wir mit Sicherheit wissen, dass in Europa kein Platz für Rassisten, Fanatiker und Terroristen ist.

 
  
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  Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung fünf Entschließungsanträge(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 13. Dezember 2007, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Glyn Ford (PSE), schriftlich. – Ich werde gegen den Entschließungsantrag stimmen, wenn auch zum Teil gegen meine Überzeugung. Der Antrag betrifft ein wichtiges Thema, mit dem ich mich seit meiner Wahl ins Europäische Parlament 1984 beschäftige. Damals hatte ich die ehrenvolle Aufgabe, dem Untersuchungsausschuss zum Wiederaufleben von Rassismus und Faschismus in Europa vorzusitzen.

Ich habe Bedenken, weil der Entschließungsantrag so schwach ist. Folglich können alle, die noch in den 80er-Jahren neofaschistischen Parteien wie dem Movimento Sociale Italiano angehörten, diesen Antrag heute ohne weiteres unterschreiben bzw. dafür stimmen. So gesehen, kann er nur unausgereift sein.

 
  
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  Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. (HU) Die in ganz Europa stärker werdenden extremistischen Bewegungen geben Grund zu tiefer Besorgnis, da ihre politischen Aktivitäten auf der Aufhetzung zum Hass gegen die schutzbedürftigsten Gruppen der Gesellschaft basieren und sie Intoleranz und soziale Ausgrenzung predigen. Solche Ansichten sind mit europäischen Werten, Menschenwürde, Gleichstellung und den in den Gründungsverträgen der Union verankerten Grundrechten bzw. den in der heute proklamierten Charta der Grundrechte festgeschriebenen Grundprinzipien unvereinbar. Solche Bewegungen und die Meinungen, die sie vertreten, können bei Minderheiten und der gesetzestreuen, demokratischen Mehrheit der Bürger Ängste schüren. Angesichts der verstärkten Mediennutzung durch extremistische Gruppierungen sind die falschen Generalisierungen und verzerrten Halbwahrheiten, die heute ein weiteres Ausdrucksfeld finden als je zuvor, nicht nur inakzeptabel, sondern auch extrem gefährlich, da sie Vorurteile und negative Diskriminierung befördern und außerdem die Lösung sozialer Probleme behindern.

Ich möchte Sie daneben an zigeunerfeindliche Vorfälle erinnern, die sich ebenfalls häufen. In Europa leben mehr als zehn Millionen Zigeuner. Sie stellen die größte ethnische Minderheit in Europa dar, die gleichzeitig des umfassendsten Schutzes bedarf. Nicht, dass sich ihre Lage in den letzten Jahren nicht verbessert hätte, aber in vielen Bereichen hat sie sich auch deutlich verschlechtert. Die Europäische Union und zivilgesellschaftliche Organisation sind gemeinsam dafür verantwortlich, eine Lösung für Arbeitslosigkeit und schlimme Armut zu finden und der Trennung der Zigeuner von der restlichen Bevölkerung im Hinblick auf ihre Wohn- und Bildungssituation ein Ende zu bereiten. Die Lösung dieser Herausforderungen ist jetzt die dringendste Minderheitenfrage für die EU.

 
  
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  Magda Kósáné Kovács (PSE), schriftlich. (HU) Die extremistischen Parteien, die in vielen Mitgliedstaaten der EU an Stimmen gewinnen und das zeitweise sogar im Europäischen Parlament, dürfen in der europäischen Politik nicht salonfähig werden. Ihre Verdrängung ist für die gesamte Gesellschaft in der Europäischen Gemeinschaft eine Aufgabe, auch wenn bekannt ist, dass Bürger, die sonst Demokratie und Menschenrechte fordern, ihren Alltagsrassismus und alltägliche Fremdenfeindlichkeit verstecken.

Gefährdet sind im Besonderen junge Menschen, für die nicht nur der Holocaust, sondern auch der Fall der Berliner Mauer Geschichte ist. Das Europa ohne Grenzen überschätzt das Bewusstsein, zu einer Nation zu gehören, und es ist ein Leichtes, jemandem verrückte Ideen einzuimpfen. Bislang ist die europäische Gesetzgebung nationalen Maßnahmen gefolgt: Sie geht nicht darüber hinaus und weist auch nicht den Weg. Um das Problem zu lösen, sind jedoch nicht nur politische oder rechtliche Antworten gefragt. Maßnahmen sollten sich folglich nicht nur in unseren Zielen zeigen, sondern auch in Reaktionen von Organisationen der Zivilgesellschaft und der Kirchen, die europäische Werte bekunden und eine Rolle im öffentlichen Leben spielen.

So hat sich beispielsweise Papst Johannes Paul II häufig gegen Rassismus und Fremdenhass ausgesprochen, und er betrachtete es als Aufgabe der Religion, der Wahrheit, dem friedlichen Miteinander, der Vergebung, dem Leben und der Liebe zu dienen. Anders gesagt: allen Werten, die diese radikalen Gruppierungen nicht vertreten bzw. nur in extremer Weise.

Ich möchte den Präsidenten des Europäischen Parlaments und die Mitglieder der Kommission auffordern, im Rahmen des Dialogs mit den Kirchen diese aufzurufen, gegen Extremisten vorzugehen und jegliche Gesten der Unterstützung zu unterlassen.

 
  
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  Katalin Lévai (PSE), schriftlich. (HU) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Extremistische Ansichten und Organisationen sind zu einem alarmierenden Phänomen unseres täglichen Lebens geworden, das fast ausnahmslos überall zu erleben ist. Die Grundidee der Väter der europäischen Integration war die Gedanken- und Meinungsfreiheit. Heute zählen diese zu unseren Grundwerten. Echte Demokratie garantiert unter anderem die Meinungsfreiheit, was jedoch nicht zu Störungen oder Zweifeln an Frieden, Leben und Existenz führen darf. In der Tat sind wir dort heute angekommen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Ansichten, die in der Vergangenheit zum Holocaust geführt und den Hass unter Nationen und Völkern geschürt haben, ein Forum und entsprechende Organisationen finden. Vielerorts sucht und findet die extreme Rechte eine der Quellen für ihre Lösungen der sozialen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, in der Segregation und der Anstiftung zum Hass, statt in sozialer Aussöhnung und Integration. Als wahrer Hort der Menschenrechte und des humanitären Schutzes muss die Europäische Union alles in ihren Kräften Stehende tun, diese Anschauungen und Organisationen zurückzudrängen bzw. sogar dafür sorgen, dass sie aus unserem täglichen Leben verschwinden, wenn ihre Aggression, die das gesunde Leben der Gesellschaft stört, dazu Anlass gibt.

Ich empfehle ferner, dass die EU in ihren Kommunikationsaktivitäten Informationen mehr Raum gibt. Bedauerlicherweise sind große Schichten der Bevölkerung in erster Linie aufgrund von Ignoranz empfänglich für extremistische, populistische Äußerungen. Vor allem die junge Generation ist in Gefahr, da ihnen die entsprechende historische Erfahrung fehlt, um die richtige Richtung einzuschlagen. Unsere Aufgabe besteht darin, ihr dabei zur Seite zu stehen. Wenn wir aufgeben, erschüttern wir die Fundamente unserer Zukunft.

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (PSE), schriftlich. – (RO) Für die Europäische Union ist es eine Verpflichtung, jegliche Form von Extremismus zu bekämpfen, da alle mit Extremismus in Zusammenhang stehenden Aktivitäten den der Union zugrunde liegenden Prinzipien von Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte widersprechen. Die Grundrechte der Bürger sollten deswegen auf europäischer Ebene nicht durch anti-extremistische und anti-terroristische Maßnahmen beeinträchtigt werden. Extremistische Bewegungen, paramilitärische Gruppen, Ultra-Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Aufrufe zur Gewalt sowie lokale ethnische und religiöse Konflikte bedrohen die Stabilität der Europäischen Union, die durch eine große Vielfalt der Kulturen und Traditionen ihrer Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Diese müssen ihre Anstrengungen zur Bekämpfung extremistischer Aktionen vereinen und die Anstifter und Organisatoren solcher Aktionen sind. Auch die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte wird bei der Verhinderung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eine wichtige Rolle spielen und somit in der Union ein Klima der Sicherheit gewährleisten.

Dialog, Bildung und öffentliche Information zu Themen wie Förderung der Toleranz und Bekämpfung des Rassismus tragen wesentlich dazu bei, die Prinzipien von Freiheit und Demokratie zu verbreiten. Gleichzeitig sollten die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und bestrebt sein, ausgegrenzte soziale und ethnisch-kulturelle Gruppen zu integrieren, so dass durch den Kampf gegen Diskriminierung und Anstiftung zur Gewalt in der Europäischen Union eine ethnische und politische Harmonie entsteht.

 
  

(1)Siehe Protokoll.


13. Montenegro – Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens EG/Montenegro (Aussprache)
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

– die Erklärung der Kommission zu Montenegro,

– die Empfehlung von Marcello Vernola im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates und der Kommission über den Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten und der Republik Montenegro (KOM(2007)0350 - KOM(2007)0350 - 2007/0123(AVC)) (A6-0498/2007).

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich möchte Herrn Vernola für diesen sehr fundierten Bericht danken, der in einer ganz entscheidenden Phase unserer Beziehungen zu Montenegro angenommen werden soll.

Zunächst möchte ich mich zur Beitrittsperspektive für den westlichen Balkan äußern. Die Außenminister der EU haben auf dem Ratstreffen vom Montag erneut bekräftigt, dass die Zukunft des westlichen Balkans in der Europäischen Union sei. Als Beweis dafür haben wir in den letzten zwei Monaten ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit Montenegro unterzeichnet und sowohl mit Serbien als auch mit Bosnien und Herzegowina Verhandlungen über SAA aufgenommen.

Ich danke dem portugiesischen Ratsvorsitz für seinen maßgeblichen Beitrag zu diesen ermutigenden Schritten. Ich hoffe, dass wir in Kürze, das heißt sobald die beiden Länder die Bedingungen erfüllen, auch die anderen beiden Abkommen unterzeichnen können.

Montenegro hat seit der Erlangung der Unabhängigkeit große Fortschritte gemacht, auch bei der Schaffung spannungsfreierer, gut funktionierender Beziehungen zu Serbien. Natürlich war die Unterzeichnung des SAA am 15. Oktober dieses Jahres für Montenegro ein entscheidender Schritt in Richtung Europa. Ich begrüße die kurz danach erfolgte einstimmige Ratifizierung des SAA durch das montenegrinische Parlament. Das SAA schafft einen soliden Rahmen für die wirtschaftliche, politische und institutionelle Entwicklung Montenegros und ebnet dem Land den Weg in die Europäische Union, vorausgesetzt, es wird korrekt umgesetzt.

Zu begrüßen ist auch eine weitere positive Entwicklung, die Verabschiedung der montenegrinischen Verfassung nur zwei Tage nach der Unterzeichnung des SAA. Die neue Verfassung, die die europäischen Normen weitgehend erfüllt, trägt zur Stärkung der demokratischen Institutionen des Landes bei. Zu ihrer vollständigen Umsetzung sind weitere entschlossene Bemühungen erforderlich.

Auch der am 6. November angenommene jährliche Fortschrittsbericht der Kommission hebt diese positiven Entwicklungen hervor. Die Kommission empfiehlt darin die Schaffung des notwendigen Rechtsrahmens und der notwendigen Institutionen nach der Unabhängigkeitserklärung. Sie betont außerdem die Fortschritte Montenegros bei der Vorbereitung auf die Umsetzung des SAA sowie die Verbesserung der Verwaltungskapazität. Unser Fortschrittsbericht zeigt auch einige zentrale Aufgaben auf, die Montenegro in den kommenden Jahren zu bewältigen hat. So ist zum Beispiel die montenegrinische Verwaltungskapazität nach wie vor ein echter Schwachpunkt. Insofern muss die Verwaltungsreform auf allen Ebenen fortgesetzt werden. Im Kampf gegen die Korruption besteht dringender Handlungsbedarf, wenn man konkrete, greifbare Ergebnisse vorweisen will. Geldwäsche und organisiertes Verbrechen geben weiterhin Anlass zur Sorge. Auf beides wird auch in Ihrem Bericht zu Recht hingewiesen.

Die neue Verfassung verbessert die Unabhängigkeit der Justiz durch die Einführung eines neuen Verfassungsorgans, des Obersten Justizrats, der für die Berufung und Entlassung von Richtern zuständig ist. Die Regierung hat darüber hinaus eine Strategie für die Justizreform im Zeitraum 2007-2012 verabschiedet. Die Umsetzung wird zweifellos eine schwierige Aufgabe sein, dennoch steht außer Frage, dass Montenegro die Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht und Professionalität seiner Richter und Staatsanwälte sicherstellen muss.

Montenegro kooperiert aktiv auf regionaler Ebene. Es hat gute Beziehungen zu seinen Nachbarn. Die meisten Probleme, die nach der Unabhängigkeitserklärung mit Serbien auftraten, sind beigelegt. Außerdem hat Montenegro inzwischen einen konstruktiven Ansatz im Streit um den Status des Kosovo und nähert sich in diesem Punkt der Position der EU an.

Jetzt gilt es, sich vorrangig auf die vollständige Umsetzung des Interimsabkommens zur Vorbereitung des eigentlichen SAA sowie auf die Empfehlungen für die Europäische Partnerschaft mit Montenegro zu konzentrieren. Montenegro muss die Umsetzung und den Reformprozess in einem fundierten Erfolgsbericht schriftlich niederlegen. Das Land hatte einen sehr guten Start in den Stabilisierungs- und Assoziationsprozess. Ich hoffe, dass es auf dieser Dynamik aufbauen kann.

Wir freuen uns, im Rahmen dieses Reformprozesses Gelegenheit zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit der montenegrinischen Regierung, dem Parlament, den anderen Institutionen und der Zivilgesellschaft zu haben. Ich für meinen Teil freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die neue Delegation der Europäischen Kommission ihre Arbeit am 1. November aufgenommen hat und sich nun darauf vorbereitet, die Arbeit der Europäischen Agentur für Wiederaufbau termingerecht zu übernehmen und fortzuführen. Montenegro soll für die kommenden drei Jahre bis 2009 knapp 100 Millionen Euro über das Instrument für die Heranführungshilfe erhalten. Diese Gelder werden Montenegro helfen, in Bereichen wie der Rechtsstaatlichkeit, der Verbesserung der Verwaltungskapazität und der Umsetzung des SAA voranzukommen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt zweifellos auch auf der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sowie auf der Entwicklung der Zivilgesellschaft. Ich bin überzeugt, dass wir auf die nachdrückliche – und wie immer äußerst wichtige – Unterstützung durch das Europäische Parlament zählen können.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Das war angekündigt als Aussprache oder Erklärung des Rates und der Kommission. Ich wollte nur fragen, wo der Rat ist und ob der Rat wenigstens zur Ratsfragestunde wieder zurückkommt oder vielleicht schon während dieser Debatte.

 
  
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  Der Präsident. − Die Dienste haben mir mitgeteilt, dass die Aussprache gemäß dem Beschluss der Konferenz der Präsidenten in dieser Weise erfolgt, da der Rat mit den Vorbereitungen der morgigen Ratstagung in Lissabon beschäftigt ist.

 
  
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  Marcello Vernola, Berichterstatter. (IT) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Mittlerweile ist allgemein anerkannt, dass die Zukunft der Balkanstaaten in Europa liegt; dies wurde auf der Tagung des Europäischen Rates in Thessaloniki 2003 anerkannt und von uns in diesem Haus wiederholt bekräftigt, womit ein Schlussstrich unter jede weitere Diskussion des Themas gezogen worden ist.

Montenegro befindet sich fraglos in der „Pole-Position“ auf dem Weg zum EU-Beitritt, wie die Fakten verdeutlichen: Nach der Unabhängigkeit von Serbien 2006, die nach einem ordnungsgemäßen Referendum demokratisch erklärt und mit der serbischen Regierung vereinbart wurde, wurden die Verhandlungen über ein eigenes Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen für das Land wieder aufgenommen und in einem Zeitraum von kaum mehr als zwei Monaten zum Abschluss gebracht. Die Abkommen wurden am 15. März 2007 unterzeichnet. Dann kam es jedoch bedauerlicherweise zu technischen Problemen, die den weiteren Fortgang verzögert haben, obgleich jetzt ein Ende in Sicht ist. Der Herr Kommissar hat gerade verkündet, dass ein Büro in Podgorica eröffnet wurde – was wir begrüßen – und der Ratifizierung nun nichts mehr im Wege steht.

Montenegros Fortschritte im letzten Jahr, die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Gemeinschaft und die fortschreitende Reformarbeit, selbst in den letzten paar Tagen, veranlassen uns, dem Abschluss des Abkommens ohne Zögern zuzustimmen. Natürlich ist das nicht das Endziel, sondern lediglich ein Ausgangspunkt.

Montenegro muss sich jetzt auf die Umsetzung aller Maßnahmen konzentrieren, die erforderlich sind, um den bereits laufenden Reformprozess zum Abschluss zu bringen, damit es seinen Pflichten im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens nachkommen kann. Von dieser Warte aus sollte auf das positive Klima der Kooperation zwischen dem Europäischen Parlament und dem Parlament von Montenegro hingewiesen werden, das wir mehrmals getroffen haben und das uns in der nächsten Woche in Podgorica willkommen heißt. Montenegro verfügt über alle Mittel, um diesen Prozess zügig zum Ende zu bringen, beginnend mit seinem Status als Beitrittskandidat.

Die Wirtschaft Montenegros ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, was dazu beigetragen hat, umfangreiche ausländische Investitionen anzulocken, teilweise im Ergebnis einer unternehmensfreundlichen Steuerpolitik. Infolgedessen ist die Arbeitslosigkeit deutlich von 33 % auf 12 % gesunken.

Vor einigen Monaten wurde ein neuer Verfassungstext verabschiedet, ein klares Zeichen für den Umfang, in dem das Land die demokratischen Prärogative stärkt, die es im Balkan auszeichnen. Die montenegrinischen Behörden arbeiten zügig daran, an europäische Standards anzuknüpfen. Die neusten Nachrichten haben uns veranlasst, fünf Änderungsanträge einzureichen, um den jüngsten Entwicklungen Rechnung zu tragen.

In den vergangenen Tagen wurde ein Kooperationsabkommen mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien unterzeichnet, um die technische Unterstützung für den Strafgerichtshof zu regeln. Man sollte im Kopf behalten, dass die bedingungslose Zusammenarbeit mit dem Ad-hoc-Tribunal in Den Haag von entscheidender Bedeutung für alle Staaten des ehemaligen Jugoslawiens ist. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass sich Montenegro nie seinen internationalen Verpflichtungen entzogen hat und in der Tat stets für seine effiziente Zusammenarbeit mit Rechts- und ausländischen Behörden gepriesen worden ist.

Montenegro muss weitere Anstrengungen unternehmen, um das organisierte Verbrechen im Bereich des illegalen grenzüberschreitenden Handels zu bekämpfen und zu unterbinden. Nach Ansicht des Europäischen Parlaments muss auch der Korruption in der öffentlichen Verwaltung und Justiz der Kampf angesagt werden. Das Land reagiert positiv auf die europäischen Forderungen, was man an der neuen Verfassung erkennen kann, mit der Mechanismen zum Schutz der Autonomie und Unabhängigkeit der Judikative eingeführt werden.

Die Fähigkeiten der Führungsschicht werden auch im Rahmen der Beteiligung an Städtepartnerschafts- und Austauschprogrammen mit den Mitgliedstaaten ausgebaut. Durch einige dieser Programme wird die Entwicklung junger Menschen und Forscher unterstützt. Die Förderung der Freizügigkeit von Personen, insbesondere von Studierenden und Forschern, ist ein Ziel, das unter anderem durch Vereinfachung des Verfahrens für die Erteilung von Kurzaufenthaltsvisa erreicht werden soll. Zu diesem Zweck wurden im September Sondervereinbarungen mit der EU unterzeichnet. Das endgültige Ziel besteht in der Visumsbefreiung, um die Freizügigkeit effizient zu gestalten, ein weiterer wichtiger Punkt im Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, sowie in der Öffnung von Kanälen zur Ankurbelung von Wachstum und der Förderung von Bildung. Nach unserer Auffassung sollten sich kulturelle Organisationen frei entfalten dürfen, beispielsweise durch Förderung des Freiwilligensektors und Schutz von Vertretern der Zivilgesellschaft. Die Meinungsfreiheit muss so wie das Recht auf Information gesichert werden.

Die Umwelt verdient besonderer Erwähnung: In der vorangegangenen Verfassung wurde Montenegro als ökologische Republik definiert, womit das Land der erste Staat der Welt war, der sich einen solchen Titel gegeben hat. Die Natur hat es gut mit Montenegro gemeint: von der traumhaften Küste über die natürliche Bucht von Kotor zum Durmitor-Bergmassiv, das auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht. Dieses Erbe muss durch spezielle Gesetze geschützt werden, die in vielen Fällen bereits festgeschrieben sind, aber nicht streng durchgesetzt werden – oft aufgrund fehlender finanzieller Mittel.

Das Land bezieht beträchtliche Einnahmen aus dem Tourismus, doch leider kann dieser negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, da die verfügbaren Einrichtungen nicht mit den entsprechenden Systemen ausgerüstet sind, um große Touristenströme aus ökologischer Perspektive zu handhaben. Darum haben wir Kommissar Rehn im Rahmen eines anderen Forums aufgefordert, die Aufmerksamkeit der Kommission auf die Stützung der Umweltpolitik zu lenken, insbesondere im Hinblick auf erneuerbare Energiequellen, Abfall- und Wassermanagement und Küstenschutz. Montenegro ist sich des Problems bewusst und arbeitet weiter an der gebührlichen Verwaltung seiner natürlichen Ressourcen. Der Raumplan zur Verhinderung der Verschandelung der Küstenlandschaft durch Bauarbeiten ist kürzlich gebilligt worden.

 
  
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  Doris Pack, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Im Namen der EVP-ED-Fraktion begrüße ich natürlich die Fortschritte, die Montenegro nach seiner Unabhängigkeitserklärung gemacht hat und die ja schon sehr bald dazu geführt haben, dass das Stabilisierung- und Assoziierungsabkommen unterschrieben werden konnte.

Natürlich sollten die Montenegriner jetzt nicht die Hände in den Schoß legen, sondern sie sollten das, was sie unterschrieben haben, auch wirklich umsetzen. Sie sollten den Handlungslinien folgen, die sie sich selbst gegeben haben, sie sollten ihre Verwaltung in die Lage versetzen, beschlossene Gesetze umzusetzen. Sie sollten dafür sorgen, dass das Justizwesen auf Vordermann gebracht wird, dass die Korruption bekämpft wird, besonders auch im Administrations- und Justizbereich.

Ich weiß natürlich, dass in den neunziger Jahren durch die besondere Situation in der Region gerade die Korruption sich einnisten konnte und heute nur sehr schwer auszumerzen ist. Aber es ist nicht förderlich für das Ansehen Montenegros in den Ländern der Europäischen Union, dass sein Name immer wieder mit Schmuggel, Korruption und Geldwäsche in Verbindung gebracht wird. Die montenegrinische Politik muss alles tun, dieses Image zu ändern. Schließlich sollen doch unsere Bürger in der Europäischen Union irgendwann einmal Montenegro in der Europäischen Union willkommen heißen! Deshalb ist es unabdingbar, dass wirklich Transparenz in die demokratische und marktwirtschaftliche Entwicklung Montenegros einzieht.

Ich will nicht alles besprechen, was heute schon gesagt wurde und noch gesagt werden wird, und auch nicht alles ansprechen, was in unserer Entschließung gesagt wurde. Aber ich möchte doch hervorheben, dass Montenegro landschaftlich gesehen ein Kleinod ist, dessen Einzigartigkeit durch besondere Maßnahmen geschützt werden muss. Das heißt, die neue Verfassung, wie Marcello Vernola schon gesagt hat, die Montenegro zum ökologischen Staat erklärt hat, darf nicht nur hohle Versprechung sein. Küste und Hinterland sind zu schützen, und giganteske Investitionen müssen verhindert werden. Die Natur und die kulturhistorischen Stätten müssen erhalten werden, will Montenegro nicht seine touristische Einzigartigkeit verspielen. Und schlechte Beispiele dieser Art haben wir in Westeuropa genügend!

Der Ausverkauf von Küste und Hinterland muss verhindert werden, und ein sinnvoller Ausbau von Tourismus und das sparsame Nutzen von Land sind angesagt. Die Zersiedlung der Küste muss dringend verhindert werden, und den Land- und Immobilienspekulationen muss ein Riegel vorgeschoben werden. Ich freue mich, dass es offensichtlich jetzt einen Raumordnungsplan für diese Gegend gibt. Ich begrüße die Zusammenarbeit mit ICTY und hoffe, dass sie vielleicht dazu führt, auch irgendwann Herrn Karadžić dingfest zu machen.

Ich wünsche mir auch sehr, dass Montenegro endlich die nationale Agentur schafft, die es dem Land ermöglicht, seinen Studenten und Auszubildenden die Teilnahme an den Bildungsprogrammen Erasmus und Leonardo zu eröffnen.

Wir treffen nächste Woche mit der Delegation der Kolleginnen und Kollegen aus dem montenegrinischen Parlament zusammen, und wir werden sie ermutigen, die Regierung auf dem Weg der Annäherung an die Europäische Union und bei der Bekämpfung all der Dinge, die wir genannt haben, zu unterstützen.

 
  
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  Vural Öger, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Beim EU-Gipfeltreffen von Thessaloniki im Juni 2003 wurde den Westbalkanstaaten eine EU-Perspektive bestätigt. Montenegro ist der jüngste Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawiens. 2006 erklärte Montenegro seine Unabhängigkeit von Serbien.

Seitdem haben sich die Beziehungen zu der Europäischen Union kontinuierlich vertieft, und Montenegro hat einen klaren europäischen Kurs eingeschlagen. Ich begrüße insbesondere die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens vom 18. Oktober dieses Jahres, das einen Meilenstein in den Beziehungen zwischen Montenegro und der EU darstellt. Es bringt dem kleinen Balkanstaat eine Reihe von Vorteilen, vor allem für Handel und Wirtschaft, da es eine Freihandelszone sowie Erleichterungen für Investitionen und Unternehmenszusammenarbeit vorsieht.

Ein gutes Jahr nach der Unabhängigkeit wurde ein weiteres wichtiges Ziel erreicht. Das montenegrinische Parlament hat seine erste Verfassung am 19. Oktober 2007 verabschiedet, was besonders für die Identitätsfindung des jungen Staates von Bedeutung ist. Mit ihr wird Montenegro als demokratischer, bürgerlicher und ökologischer Rechtsstaat konstituiert. Das ist ein großer Erfolg. Der Weg Montenegros in die EU ist noch lang, aber noch bestehende Hindernisse werden Schritt für Schritt beseitigt.

Fortschritte müssen noch insbesondere bei der Bekämpfung der Schattenwirtschaft und der Korruption erzielt werden. Das Funktionieren einer freien und unabhängigen Justiz, die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Jugoslawien und vor allem die Reformprozesse im Bereich Demokratisierung, Menschenrechte und Minderheitenschutz sind für Montenegro und seine Zukunft in der EU unabdingbar. Im Vordergrund muss erst die erfolgreiche Implementierung der Reformen im Rahmen des SAA stehen.

Am 1. Januar 2008 wird Slowenien, ebenfalls ein Nachfolgestaat Jugoslawiens, die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Es ist zu begrüßen, dass eine der Prioritäten der slowenischen Ratspräsidentschaft der Westbalkan sein wird. Die Sicherheit und Stabilität im Westbalkan liegen im besonderen Interesse der Region und ganz Europas.

Dabei kann und sollte ein demokratisches und stabiles Montenegro eine wichtige Rolle spielen. Abschließend möchte ich betonen, dass die Aussicht für Montenegro, eines Tages – wenn auch in ferner Zukunft – der EU beizutreten, der wichtigste Motor für weitere Reformprozesse ist. Wir im Europäischen Parlament sollten Montenegro auf seinem Weg in die EU unterstützen.

 
  
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  Jelko Kacin, im Namen der ALDE-Fraktion.(SL) Vor über 100 Jahren war Montenegro ein Königreich auf der politischen Landkarte Europas. Es war sowohl kulturell als auch politisch anerkannt und geschätzt.

Ein Teil der Küste, die Bucht von Kotor, gehörte zu Österreich-Ungarn und schuf zu dieser Zeit zusammen mit dem heutigen Herzegowina einen Zugang zum Meer. Damals war Montenegro Teil des modernen Europas, und jetzt bereitet es sich auf die volle Zusammenarbeit mit und auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union vor.

Seit Mai 2006, als es zu einem neuen europäischen Land wurde, vollzog Montenegro ermutigende Fortschritte bei der Verwirklichung der europäischen Agenda. Es verdient unsere aufrichtigen Glückwünsche für die Unterzeichnung des Stabilitäts- und Assoziierungsabkommens und die neuen, im Oktober verabschiedeten Gesetze. Podgorica verdient auch Anerkennung für seine Kooperation mit dem Haager Gerichtshof und seine positive Rolle und seinen Beitrag zur langfristigen Stabilität der Region.

Von heute an wird unsere Europäische Union aber eine andere sein, erlebten wir doch vor wenigen Stunden in diesem Saal ein historisches Ereignis erster Ordnung, als die Charta der Grundrechte unterzeichnet wurde. Auch die Staatsangehörigen von Montenegro verdienen größere Demokratie, größere Achtung, größere Vielfalt und größere Rechtssicherheit. Die wichtigsten Herausforderungen für dieses junge Land hängen mit dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die Korruption zusammen, wo mehr getan werden kann und muss. Die zuständigen Behörden möchte ich auffordern, im Kampf gegen Korruption, organisiertes Verbrechen sowie Menschen-, Waffen- und Drogenhandel offensiver zu agieren.

In diesem Zusammenhang begrüße ich den starken rechtlichen Rahmen. Allerdings möchte ich betonen, dass die praktische Umsetzung der Gesetzgebung einen Prozess darstellt, der auch ausreichende administrative und politische Ressourcen erfordert. Ich mache mir noch immer große Sorgen um die fehlende Transparenz und politische Kultur sowohl in den politischen als auch in den wirtschaftlichen Strukturen. Das hindert Montenegro daran, eine demokratische Gesellschaft und einen freien Markt aufzubauen.

Montenegro muss mehr für die Freiheit, Pluralität und Professionalität der Medien tun. Dabei muss es die verabschiedeten Reformen vollständig umsetzen und die Unabhängigkeit von Rundfunk und Fernsehen Montenegros gewährleisten.

Leider gibt es immer noch keine Ergebnisse bei den Ermittlungen im Fall des ermordeten Journalisten Duško Jovanović, der seinerzeit eine Artikelfolge zum organisierten Verbrechen in Montenegro veröffentlichte.

Die Journalisten und die Zivilgesellschaft spielen eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Demokratie, besonders wenn sie auf heikle soziale Probleme hinweisen. Daher bitte ich die Regierung, bei der Lösung dieser Probleme aktiver zu werden, die Zivilgesellschaft einzubeziehen und zu konsultieren und ihr bessere Bedingungen für die Arbeit zu bereiten.

 
  
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  Gisela Kallenbach, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Herzlichen Dank an den Kollegen Vernola für seinen Bericht und die gute Zusammenarbeit im auswärtigen Ausschuss. Noch größeren Dank und Gratulation jedoch an unsere montenegrinischen Kollegen und die Kommission, die wieder den Nachweis erbracht haben, dass die europäische Perspektive Motor für die Entwicklung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Stabilität ist.

Eigentlich geht mir aber der Prozess zu langsam voran. Deshalb mein Appell an beide Vertragspartner, zuerst an uns selbst, die europäischen Institutionen: Montenegro, der gesamte Westbalkan, ist Teil Europas. Es ist in unserem eigenen Interesse, dass dort anhaltend Frieden und Demokratie herrschen. Wir sollten unser Engagement für die gesamte Region verstärken. Nehmen Sie unseren Vorschlag für eine spezielle Westbalkan-Agenda für eine intensive Wirtschafts- und Umweltpartnerschaft an. Schaffen wir bald Visafreiheit!

Montenegro bitte ich: Lassen Sie nicht mehr zu, dass in den Fortschrittsberichten, wie seit Jahren schon, von mangelnder Bekämpfung der Korruption, organisierter Kriminalität sowie unzureichenden Kapazitäten in den öffentlichen Institutionen zu lesen ist. Verstärken Sie ihre Anstrengungen zur Umsetzung der europäischen Werte. Dazu gehört auch eine offene Atmosphäre, in der zivilgesellschaftliches Engagement tatsächlich gedeihen kann und ungehinderte Medienfreiheit selbstverständlich ist.

Schließlich, stärken Sie Ihre Rolle als konstruktiver Akteur in der gesamten Region, auch bei der Lösung der Frage des Status des Kosovo! Vielleicht überdenken Sie auch Schritte hin zu bestimmten Abhängigkeiten von außereuropäischen Ländern. Dazu zähle ich sowohl die Unterzeichnung des bilateralen Immunitätsabkommens mit den USA als auch die ungesunde Spekulation mit Land und Immobilien, die Umweltschutz negiert und eine wirklich nachhaltige Entwicklung ihrer wunderschönen Küstenregion verhindert.

Mit der jüngsten Annahme der Ziele der Raumordnungsplanung ist ein wichtiger erster Schritt getan. Also noch einmal Gratulation und Ermutigung für weitere Fortschritte auf dem Weg in die Europäische Union.

 
  
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  Helmuth Markov, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Zusammenschluss des unabhängigen Montenegro mit den Nachbarstaaten Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Slowenien im Jahre 1918 war eine freiwillige Entscheidung. Nach dem Auseinanderfallen Jugoslawiens haben die Wähler Montenegros 2006 demokratisch entschieden, nicht länger mit Serbien verbunden bleiben zu wollen. Damit ist Montenegro zum 49. unabhängigen Staat Europas geworden, einem Staat mit einer mehrheitlich slawischen Bevölkerung, aber mit einer albanischen Mehrheit in den Regionen an den Grenzen zu Albanien und dem Kosovo.

Tagespolitisch ist es wichtig, dass Montenegro kein Paradies für Ausländer wird, die weniger Steuern zahlen und Schwarzgeld weißwaschen wollen. Montenegro muss Lösungen für die Umweltverschmutzung und für die Situation der Langzeitflüchtlinge aus Serbien und dem Kosovo finden.

Die Schienenwege müssen wieder benutzbar gemacht werden und der Schmuggel muss bekämpft werden. Meine Fraktion ist zufrieden, dass der AFET-Ausschuss unsere Änderungsanträge zu Wohn- und Arbeitsbedingungen für Flüchtlinge übernommen hat. Menschen ohne aktuelle Staatsangehörigkeit dürfen nicht für immer staatenlos bleiben, und Montenegro muss die entsprechende Richtlinie des Europarates befolgen.

Auch unser Vorschlag über die Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs nach Nikšić an der bosnischen Grenze und nach Shkodër in Albanien ist übernommen worden. Die Vernachlässigung der Nord-Süd-Eisenbahnverbindung und die einseitige Entscheidung für Autos, Bus und Lastkraftwagen sollte dringend beendet werden.

Wir begrüßen ebenso, dass der Berichterstatter anders als in seinem vorhergehenden Bericht über Montenegro keinen raschen Beitritt Montenegros zur NATO fordert. Der NATO-Beitritt darf nicht als Bedingung für eine zukünftige Zulassung zur EU-Mitgliedschaft erhoben werden.

Es ist auch gut, dass nicht aufs Neue eine neoliberale Wirtschaftspolitik eingefordert wird, die noch weiter ginge, als dies bereits innerhalb der Europäischen Union ist. Montenegro hat die Chance, EU-Mitgliedstaat zu werden. Das ist wichtig, auch im Hinblick auf die übrigen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, die ihren Beitritt ebenfalls wünschen.

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Der Berichterstatter Vernola hat Recht mit der Feststellung, Montenegros Zukunft liege in der Europäischen Union. Der Weg zur Teilnahme am europäischen Integrationsprozess ist jedoch nicht auf Rosen gebettet. Die innere Entwicklung des jungen Balkanstaates gibt Anlass zur Besorgnis. Montenegro mag theoretisch als ein „ökologischer“ Staat gelten und sich noch vorbildlich entwickeln, Podgorica steht damit allerdings vor einer längerfristigen Aufgabe. Die heutigen Praktiken scheinen sich nämlich hartnäckig zu halten.

Eine Gefahr bilden beispielsweise die explosionsartig gestiegenen Immobilienpreise an der „goldenen Küste“ um die Bucht von Kotor. Des Weiteren bedeutet die rasant expandierende, bisweilen illegale Bautätigkeit eine Überlastung der Wasser- und Abwassersysteme des Landes. Herr Vernola weist zwar darauf hin, für ein so ernstes Problem allerdings nicht eindringlich genug.

Das gewaltige Wachstumspotenzial des Fremdenverkehrs in Montenegro hat ebenfalls seine Schattenseiten. Während die Adriaküste des Zwergstaates einen Entwicklungsboom erlebt, beträgt die Arbeitslosigkeit im Norden mehr als 20 % und liegt die Armut unter dem Landesdurchschnitt.

Die Hinterlassenschaft des Krieges ist noch immer sichtbar. Die Infrastruktur ist dürftig, und mancherorts leidet die Bevölkerung unter Wasser- und Elektrizitätsmangel. Die Montenegriner investieren noch nicht produktiv genug in eine gesunde wirtschaftliche Zukunft. Im Hinblick auf seine Entwicklung, im Hinblick auf seinen Beitritt zur Europäischen Union benötigt Montenegro eine wohldurchdachte Wachstumsstrategie für das ganze Land. Rücksichtsloses Handeln an einer neuen „Europäischen Goldküste“ darf es nicht geben.

 
  
  

Vorsitz: Edward McMILLAN-SCOTT
Vizepräsident

 
  
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  Alojz Peterle (PPE-DE).(SL) Ich unterstütze gern die Zustimmung zum Abschluss eines Stabilitäts- und Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Montenegro, eine der wichtigen, positiven Maßnahmen in Südosteuropa in den letzten Monaten. Dieses Abkommen erkennt die Bemühungen Montenegros an und verpflichtet es zugleich vertraglich, die Arbeiten auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft im Geist der Perspektive von Thessaloniki fortzusetzen.

Im Abkommen sind die wesentlichen Schwerpunkte auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet und auf anderen Gebieten klar festgelegt. In diesem Sinn begrüße ich den deutlichen Zusammenhang des Abkommens mit der Entwicklung von Prioritäten auf den Gebieten von Fremdenverkehr, Umweltschutz, Verkehr und Energieerzeugung. All diese Schwerpunkte hängen eng miteinander zusammen, weshalb Montenegro vordringlich Verwaltungsreformen durchführen oder auf den Weg bringen muss, mit denen es die schnelle Entwicklung und Erfüllung der Bedingungen für den Kandidatenstatus gewährleisten kann. Dafür wünsche ich Montenegro viel Erfolg, denn die von meinen Vorrednern betonte Umsetzung hängt davon ab.

Ich bin überzeugt, dass die Europäische Union unter slowenischer Präsidentschaft alle Fortschritte Montenegros bei der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen zur Kenntnis nehmen wird. Natürlich liegen die Fortschritte in Montenegro im besonderen Interesse von Südosteuropa und damit der Europäischen Union insgesamt.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! An Montenegro ist vieles zu bewundern. Die Landschaft ist zu bewundern, ebenso die Art und Weise, wie die Trennung von Serbien vor sich gegangen ist – sowohl Montenegro als auch Serbien haben hier sehr verantwortungsvoll gehandelt. Auch die Minderheitenpolitik ist zu bewundern, die dazu führt, dass die Minderheiten sich im Großen und Ganzen sehr wohl fühlen in Montenegro. Das und manch andere Punkte sind hier sicherlich zu bewundern.

Aber es gibt auch Schattenseiten, die mich sehr besorgt machen und die auch schon erwähnt worden sind: so z.B. die Investitionstätigkeit, die insbesondere aus Russland kommt. Ich habe nichts dagegen, dass Russland auch in diesem Land investiert. Allerdings muss das Land aufpassen, dass es nicht zu einem Ungleichgewicht kommt und eine Abhängigkeit von einem einzigen Land entsteht – auch wenn es nicht Russland, sondern ein anderes Land wäre, würde ich das sagen. Diese Investitionen gefährden zum Teil schon die Naturschönheiten und die landschaftlichen Schönheiten dieses Landes.

Was mich aber besonders traurig stimmt – einige Kollegen haben das hier schon gesagt –, sind nach wie vor die Korruptionsverhältnisse. Wir haben viele Berichte von Medien, denen man zumindest zutrauen kann, dass sie versuchen, einigermaßen ausgewogen zu berichten. Die massiven Korruptionsfälle im Zusammenhang mit Zigarettenschmuggel und andere Berichte sind etwas, von dem wir geglaubt haben, dass es schon vorbei sei. Ich bitte die Kommission, diese Dinge schwerpunktmäßig zu bearbeiten. Wenn es nach dem Kriterium Korruption ginge, dürften wir heute oder morgen nicht dem Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen zustimmen. Wir machen das aber, auch wir Sozialdemokraten, weil wir diesem Land beim Reformprozess helfen wollen.

Allerdings fordern wir ein, dass die Kommission und das Land selbst natürlich alles unternehmen, um die Korruption abzubauen, die – das ist das Traurige – bis in politische Kreise hineinreicht. Zumindest gibt es da massive Vorwürfe gegen entsprechende Politiker. Ebenso wie der Kollege Kacin möchte ich besonders darauf hinweisen, dass der Fall Duško Jovanović, seine Ermordung, bisher nicht aufgeklärt ist. Ich frage mich, ob es nur Zufall ist, dass gerade er und seine Kollegen viel über organisierte Kriminalität geschrieben haben. Ich hoffe, dass es Zufall ist und kein Zusammenhang besteht. Jedenfalls würde ich mir wünschen, dass das Land Montenegro diesen Fall bald aufklärt und viel mehr für den Kampf gegen die Korruption im eigenen Land unternimmt.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Herr Präsident! Die Empfehlung über den Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Republik Montenegro betrifft eine besondere Situation. Erstmals haben wir es mit einem Land zu tun, das seine Unabhängigkeit über in Referendum erlangt hat.

Ich war Beobachterin bei den ersten Parlamentswahlen in Montenegro nach dem Referendum, als Vertreterin der parlamentarischen Versammlung des Europarats. Sowohl die Delegation des Europarats als auch die OECD haben den demokratischen Verlauf der Wahlen bestätigt. Ich war davon fasziniert, wie aktiv die Bürger sich bei der Beobachtung des Wahlvorgangs beteiligt haben. Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen und Wahlleiter waren bei allen Wahlkomitees zugegen, die wir besuchten. Überall war das enorme Engagement spürbar, mit dem die Mitglieder der Wahlkommission sich dafür einsetzten, dass alle Verfahren eingehalten wurden. Es gilt auch noch zu erwähnen, dass Montenegro den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat.

Mit Blick auf die Fortschritte in Richtung Integration in der Europäischen Union unterstütze ich die Empfehlung zum Abschluss des Abkommens. Ich hoffe, dass der Angleichungsprozess Montenegro dabei helfen wird, die Lebensbedingungen seiner Einwohner zu verbessern.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Jaromír Kohlíček (GUE/NGL). - (CS) Meine Damen und Herren! Das Verhältnis zwischen der EU und den Balkanstaaten ist ein heikles Thema, auch weil die größten EU-Mitgliedstaaten durch ihre Politik des „Teile und herrsche“ in beträchtlichem Maße zum Zusammenbruch des ehemaligen Jugoslawiens beigetragen haben, das seit dem Ersten Weltkrieg ein wichtiger Stabilisierungsfaktor in der Region gewesen war. Mit Ausnahme von Slowenien sind alle Nachfolgestaaten durch Instabilität, ethnische Spannungen, Migration, umfangreiche Korruption und hohe Arbeitslosigkeit, einen schwachen Staat und den begrenzten Einfluss der gewählten Parlamente gekennzeichnet. Ein solches Milieu ist eine Brutstätte für illegalen Waren-, Waffen-, Menschen- und Drogenhandel sowie den illegalen Handel mit Alkohol und Tabakerzeugnissen. Unter solchen Bedingungen ist es schwierig, die Entwicklung von Verkehr, Energie und Wirtschaft zu planen. Auch der Umweltschutz ist ein Problem. Des Weiteren sollte es niemanden überraschen, dass wir die genannten Phänomene, die auch in Montenegro verbreitet sind, als dringende globale Fragen betrachten, mit denen die Welt konfrontiert ist. Eine Entschließung ist nur ein schwacher Ersatz für das, was wir unternehmen sollten, um uns von der Schuld zu befreien, die mehrere Abgeordnete an der gegenwärtigen Lage tragen. Ist sich das Parlament dessen bewusst?

 
  
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  Georgios Georgiou (IND/DEM). - (EL) Herr Präsident! Unser Kollege Marcello Vernola hat ein hervorragendes, ich würde sagen, lebendiges Bild von Montenegro gezeichnet, das die schönste Ecke des Balkans ist. In Balkanlegenden hat es immer Geschichten über dieses uralte Königreich gegeben, dem es gelungen ist, mit fünf Nachbarländern auszukommen. So viele Nachbarn! Das Land grenzt an Bosnien und Kroatien, Serbien und Albanien sowie an den Kosovo, der jetzt vielleicht zu Montenegros Problem wird, denn Zeitungsberichten und Verlautbarungen von Kolleginnen und Kollegen zufolge steht der Kosovo im Begriff, einseitig seine Unabhängigkeit zu erklären.

Das könnte für Montenegro problematisch werden, wo gegenwärtig viele Albaner zuhause sind. Nach meinem Dafürhalten ist die Unterzeichnung des Beitrittsabkommens für den Start der Verhandlungen äußerst begrüßenswert und wird zur Reform der öffentlichen Verwaltung und Justiz beitragen, aber vor allem hilft es, die Korruption zu bekämpfen. Gleichzeitig hoffe ich, das Abkommen wird jedwede Tendenzen unter der albanischen Bevölkerung in Schranken halten.

 
  
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  Jacek Protasiewicz (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Die politische Lage auf dem Balkan ist für unser Parlament seit Jahren von besonderem Interesse. Wir freuen uns, dass nach einer Zeit der blutigen Konflikte nun Frieden und Zusammenarbeit zwischen den Völkern im täglichen Leben in der Region Normalität geworden sind.

Selbst heikelste Themen wie die Ausrufung der Unabhängigkeit durch neue Staaten verlaufen oder können nun in einer Art und Weise verlaufen, die den höchsten internationalen Standards entspricht. Das ist der richtige Weg in der politischen Entwicklung auf dem Balkan, auf dem das strategische Ziel für die meisten der dort lebenden Völker erreicht werden kann, nämlich eine engere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, auch bis zur vollen Mitgliedschaft.

Montenegro ist ein hervorragendes Beispiel für diese Entwicklung. Nach der Ausrufung der Unabhängigkeit hat es die guten Beziehungen mit seinen nächsten Nachbarn beibehalten, einschließlich der Republik Serbien, mit der das Land zuvor einen Bundesstaat bildete. Es hat unverzüglich intensive Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aufgenommen, die mit der Unterzeichnung am 15. Oktober dieses Jahres ihren Abschluss fanden. Parallel dazu hat Montenegro ein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet, das im Januar kommenden Jahres in Kraft tritt.

Im Lauf dieser kurzen, gerade einmal anderthalb Jahre dauernden Phase hat Montenegro bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Die Veränderungen in der Fiskal- und Steuerpolitik und beim Aufbau einer Marktwirtschaft nach den Prinzipien von Wettbewerb und freiem Kapitalverkehr sind positiv zu beurteilen.

Es gibt noch viel zu tun, besonders in den Bereichen Sozial- und Beschäftigungspolitik, Energie und Umweltschutz sowie Sicherheit und Bürgerrechte. Der erfolgreiche Kampf gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen und die umfassende Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag sind besonders wichtige Aufgaben, die die Regierung Montenegros zu bewältigen hat.

Vor diesen Problemen steht aber nicht allein Montenegro. Mit ähnlichen Schwierigkeiten haben es alle Länder des Balkans zu tun, die sich um die Mitgliedschaft in der Europäischen Union bewerben. Montenegro ist in diesem Prozess führend, und ich möchte an dieser Stelle meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass es so bleibt. Die Union ist bereit, die Länder des Balkans in die Gemeinschaft aufzunehmen. Ob und wann das geschieht, hängt heute vor allem von den führenden Verantwortlichen auf dem Balkan und der Umsicht der dortigen Politiker ab.

 
  
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  Libor Rouček (PSE). - (CS) Herr Kommissar! Sehr verehrte Damen und Herren! Montenegro hat in seiner kurzen Existenz sichtbare Fortschritte gemacht. Die Fundamente für einen neuen Staat sind gelegt worden. Eine neue Verfassung wurde verabschiedet. Die Wirtschaft des Landes wächst kräftig mit 8 % und Investitionen aus dem Ausland beliefen sich in diesem Jahr auf 700 Millionen Euro. Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ist unterzeichnet worden, und Montenegro ist die ersten Schritte auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft in der EU gegangen. Wenn der Weg zur EU-Mitgliedschaft so kurz und schnell wie möglich sein soll, muss Podgorica einige grundsätzliche Entscheidungen treffen. So muss die Rechtsstaatlichkeit gestärkt und unter anderem die Unabhängigkeit der Justiz garantiert werden. Des Weiteren ist es nötig – mit mehr Entschiedenheit als in der Vergangenheit – die Korruption zu bekämpfen und die Transparenz von Entscheidungsprozessen in politischen und wirtschaftlichen Strukturen zu erhöhen, um zu gewährleisten, dass die Marktwirtschaft nach demokratischen und fairen Prinzipien funktioniert. Der Tourismus ist von grundlegender Bedeutung für die montenegrinische Wirtschaft. Seine Nachhaltigkeit muss durch Verabschiedung eines einheitlichen Gesetzesrahmens für den Schutz der natürlichen Umwelt und der Küste gesichert werden.

Meine Damen und Herren! Der Beitritt von Montenegro und seinen Nachbarn ermöglicht den beträchtlichen Ausbau der regionalen Zusammenarbeit. Ich bin der Überzeugung, dass die regionale Kooperation im Kontext des Mitteleuropäischen Freihandelsabkommens (CEFTA) auch dazu beitragen wird, viele politische, wirtschaftliche und soziale Probleme in diesem Gebiet zu lösen. Ich möchte meinen Redebeitrag mit einer Aufforderung an die Kommission schließen, Montenegro und den anderen westlichen Balkanstaaten zu helfen, die regionale Zusammenarbeit zu entwickeln, vor allem in den Bereichen Energie, Verkehr und Umwelt.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (UEN).(PL) Herr Präsident! Gerade hat Herr Swoboda zu Recht auf die weitverbreitete Korruption verwiesen. Um das zu verdeutlichen, möchte ich Zahlen von Transparency International nennen, die belegen, dass auf einer Skala von 0 bis 10 (wobei 10 für keine Korruption steht) Montenegro bei 3,3 Punkten liegt. Damit steht es an der Spitze der Länder, in denen Korruption ein schwerwiegendes Problem darstellt.

Ich möchte noch hinzufügen, dass Schmuggel ein riesiges Problem für Montenegro ist. In dieser Hinsicht kennt das Land wirklich keine Grenzen. Vor kurzem gab es dort den Vorschlag, das Rauchen an öffentlichen Orten zu verbieten, während man zur gleichen Zeit im Zentrum der Hauptstadt Tausende Schachteln geschmuggelter Zigaretten kaufen kann. In diesem Punkt hat Montenegro wirklich ein gutes Stück vor sich auf dem Weg zur Europäischen Union.

Andererseits muss man das Land darin bestärken, die Kriterien der EU so schnell wie möglich zu erfüllen. Es ist erfreulich, dass es etwa in Fragen der Justiz oder des Funktionierens der Verwaltung merkliche Fortschritte gibt. Man muss anerkennen, was Montenegro auf diesem Gebiet geleistet hat, seit es nach dem Referendum recht überraschend seine Unabhängigkeit erklärt hat.

Die Europäische Union sollte meiner Ansicht nach ein klares Signal geben, dass sich der Weg in die Europäische Union verkürzt, sobald die entsprechenden Kriterien erfüllt sind. Wir müssen die Mitgliedschaft ganz konkret in Aussicht stellen – natürlich nicht in zwei, drei oder vier Jahren – es muss aber ein klarer Ansporn für die Gesellschaft in Montenegro sein, die europäischen Standards noch intensiver umzusetzen.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Montenegro ist nicht nur eines der schönsten Länder der Erde, es ist der Balkanstaat mit der ältesten neuzeitlichen Unabhängigkeitstradition. Als Belgien gegründet wurde, war Montenegro schon jahrhundertelang unabhängig und hatte staatlichen Charakter. Ich betone dies, weil man Montenegro fälschlicherweise immer als Beispiel eines überflüssigen Kleinstaates abtut, der plötzlich durch einen Unfall unabhängig geworden sei.

Herr Kollege Markov, Montenegro wurde nach dem ersten Weltkrieg von seinem serbischen Verbündeten annektiert, von Freiwilligkeit konnte damals keine Rede sein! Es gab dann eine Scheinabstimmung, aber das war alles. Es hat bis in die zwanziger und dreißiger Jahre hinein eine massive Freiheitsbewegung in diesem Land gegeben. Tito hat dann seine Unabhängigkeit innerhalb Jugoslawiens wiederhergestellt, und es hatte nach der Tito-Verfassung – der jugoslawischen Verfassung – ein Austrittsrecht. Als es dies nutzen wollte, hat man ihm Steine in den Weg gelegt. Heute ist es ein unabhängiges Land auf dem Weg in die Europäische Union.

Wir müssen die demokratischen Kräfte dort stützen. Auf dem Minderheitengebiet – das wurde schon gesagt – ist es vorbildlich für viele andere in der Region, weswegen die Minderheiten die Unabhängigkeit unterstützt haben. Aber was es noch braucht, ist die Stärkung eines unabhängigen Bildungswesens, etwa des franziskanischen Schulzentrums in Tuzi bei Podgorica. Private Initiativen im Bildungswesen sind nötig, um dieses Land aus seiner Verkrustung zu befreien.

Ich appelliere an die Regierung, diesen Weg in Richtung Pluralismus energisch weiterzugehen, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bildungswesen und was die Organisation von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie betrifft.

(Beifall)

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Herr Präsident! Montenegro ist zweifellos ein Beispiel für eine positive Entwicklung auf dem Balkan, wenn man sich die Staatsstruktur, die Verfassung, den Rechtsstaat, den Eintritt in den Weltmarkt und die Einführung der Marktwirtschaft ansieht. Deshalb sollte das Europäische Parlament unbedingt das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Montenegro unterstützen.

Zugleich dürfen wir aber nicht vergessen, dass Montenegro noch eine Menge ändern und erledigen muss, vor allem was die Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption anbelangt. Ich möchte darauf hinweisen, dass Montenegro im April 2007 ein bilaterales Immunitätsabkommen mit den Vereinigten Staaten über die Ausnahme von der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofes vereinbart hat. Dieses Abkommen steht leider im Widerspruch zur gemeinsamen Haltung und den Grundprinzipien der Europäischen Union. Der Internationale Strafgerichtshof ist aus Sicht der EU-Politik eine sehr wichtige Institution. Dieses bilaterale Abkommen war deshalb ein unangenehmer Misston im Hinblick auf das Abkommen mit der EU.

Ich sage das nicht, um das Europäische Parlament in Bezug auf Montenegro negativ zu stimmen. Im Gegenteil, ich glaube, dass die Europäische Kommission und alle Institutionen der Europäischen Union derzeit vieles unternehmen sollten, um dem Land dabei zu helfen, sich gut auf engere Beziehungen mit der Europäischen Union vorzubereiten, vor allem wenn es darum geht, die Korruption zu bekämpfen, die Rechtstaatlichkeit zu stärken, die Marktwirtschaft aufzubauen und den Schwarzmarkt in den Griff zu bekommen.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Wie wichtig ein Referendum sein kann, sieht man am Beispiel Montenegro. Deshalb habe ich auch Verständnis dafür, dass heute hier im Plenum sehr viele Plakate für ein Referendum in die Höhe gehalten wurden, weil uns natürlich gerade der Vertrag von Lissabon die Möglichkeit gibt, für die europäischen Bürger ein entsprechendes Referendum anzubieten. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Bürger in die Befragungen miteinbezogen werden und dass die Bürger die Möglichkeit haben, ihren Willen dementsprechend kundzutun.

In Montenegro geht es meiner Ansicht nach auch darum, die wirtschaftlichen Strukturen zu verbessern, und – Kollege Posselt hat es ja schon angesprochen – dazu sind die Bildungseinrichtungen und -programme der Europäischen Union von besonderer Bedeutung. Aber auch beim Thema Energie ist der Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien gerade in Montenegro eine Riesenherausforderung und bietet völlig neue Chancen.

Auch im Bereich der Telekommunikation wäre es wünschenswert, wenn Montenegro auch die Roaming-Richtlinie direkt übernähme, weil das natürlich zu einer besseren Kommunikation mit unseren europäischen Staaten zu dementsprechend günstigen Preisen beitragen könnte.

Natürlich ist auch die Umwelt eine der zentralen Herausforderungen, und hier ist besonders der Bereich Abfall, Kläranlagen, Abwässer ein besonderes Problem. Wenn wir von einer unberührten wunderschönen Natur sprechen, dann haben wir auch einen Anspruch, dort die neuesten Standards zu implementieren. Hier bietet die Europäische Union Unterstützungskonzepte, die so bald wie möglich umgesetzt werden sollten.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE).(LT) Vielen Dank an den Berichterstatter, der in seinem Bericht die Ehre hatte, ein neues und zugleich altes europäisches Land vorzustellen. Nach der „samtweich“ vollzogenen Trennung von Serbien hat Montenegro die Gelegenheit erhalten, das unbegrenzte Potenzial eines kleinen, stolzen Landes zu demonstrieren. Andererseits sollte Montenegro bei der Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit voranschreiten und dabei weiter die Minderheitenrechte stärken und dazu beitragen, aus dem Pulverfass Balkan einen Garten der Nationen zu machen.

Wie die anderen Länder, deren Namen erst seit kurzem auf der Landkarte stehen, ist Montenegro mit einigen riskanten Herausforderungen konfrontiert: tief verwurzelte Korruption, illegale Geschäfte, Schwarzarbeit usw. Leider fühlen sich manche ausländische Investoren, insbesondere aus Russland, zu diesem jungen Land vorwiegend deshalb hingezogen, weil es dort leicht ist, illegale Finanzgeschäfte zu tätigen. Die Entscheidung, im Tausch gegen Militärhilfe die US-Mitarbeiter nicht dem Internationalen Strafgerichtshof zu überstellen, untergräbt Montenegros Glaubwürdigkeit hinsichtlich seiner Bereitschaft zur friedlichen Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn und sogar seines Engagements für die europäischen Zielsetzungen.

Da Montenegro nun aus den Schatten der Vergangenheit tritt, ist heute für das Land wie auch für einige seiner Nachbarländer die Aussicht verlockend, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Allein die Perspektive einer Mitgliedschaft fördert schon die Entwicklung von Demokratie, Menschenrechten und eines besseren Lebens für die Bürger. Die Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens sollte den montenegrinischen Reformen europäischen Wind in die Segel blasen. Das Land kann aus den Erfahrungen lernen, die auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft im benachbarten Slowenien und in anderen Ländern gesammelt wurden, die der EU im neuen Jahrtausend beigetreten sind.

Montenegros Initiative, sich zur ökologischen Republik zu erklären, ist lobenswert; freilich könnte der Weg bis zur glaubwürdigen Realisierung lang sein.

Gut ist, dass der Isolationsvorhang um die Visa für Montenegro und andere Balkanländer zerrissen wurde. Aber die Europäische Kommission und der Rat sollten nicht auf halbem Weg stehen bleiben, sondern dieses Hindernis zusammen mit finanziellen und bürokratischen Barrieren weiter beseitigen, dabei aber den starken Schutz vor Kriminellen und Gesetzesbrechern aufrechterhalten.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Mitgliedern für eine sehr substanzielle, umfassende Aussprache danken. Mein Dank geht auch an Herrn Vernola, der diese Diskussion ins Rollen gebracht hat.

Die meisten Mitglieder haben zu Recht die unbedingte Notwendigkeit der Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung sowie die dringende Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Montenegro betont. Das ist auch meine Meinung: Die Rechtsstaatlichkeit ist für alle Gesellschaftsbereiche von grundlegender Bedeutung, denn sie gewährleistet das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft und der Gesellschaft als Ganzes. Aus diesem Grund legt die Kommission so großen Wert darauf, dass die Justizreform zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Heranführungsprozesses stattfindet. Das gilt sowohl für Montenegro als auch für alle anderen Länder des westlichen Balkans. Hierbei handelt es sich um eines der zentralen politischen Beitrittskriterien, dem man sich vorrangig widmen sollte.

Herr Vernola und viele andere Abgeordnete haben außerdem auf die Bedeutung der Ökologie und der Umwelt hingewiesen. Die Kommission unterstützt das ehemalige Königreich auf seinem Weg zur umweltbewussten Republik im Garten der Nationen, wie Herr Paleckis es nannte, durch die Stärkung der montenegrinischen Verwaltungskapazität, die das Land besser in die Lage versetzen wird, seine Gesetze unseren Normen anzunähern, zum Beispiel im Bereich der Abfall- und Abwasserbehandlung.

Man darf aber auch die Korruption nicht aus den Augen verlieren. Ich zitiere aus dem Fortschrittsbericht der Kommission: „Bei der Bewältigung der Korruption in der Politik wurden keine Fortschritte erzielt. ... Die Verwaltung des öffentlichen Vermögens wirft ernsthafte Bedenken auf. In den Bereichen Bau und Landnutzungsplanung, Privatisierung, Konzessionen und öffentliches Auftragswesen besteht ein erhebliches Korruptionsrisiko.“ Das ist ein sehr ernstes Problem. Deswegen muss Montenegro die Korruption vorrangig angehen.

Des Weiteren möchte ich den Damen und Herren Abgeordneten mitteilen, dass die Kommission vorhat, schon recht bald im nächsten Jahr – vermutlich im März – eine Mitteilung anzunehmen, in der wir eine Bestandsaufnahme der Entwicklungen seit den Treffen in Thessaloniki und Salzburg im vorigen Jahr vornehmen und die künftige Marschroute abstecken. Dazu gehört auch die von vielen von Ihnen zu Recht angesprochene Visaliberalisierung. Die Kommission wird einen Dialog über mögliche Roadmaps für visafreies Reisen ins Leben rufen, was den Ländern des westlichen Balkans helfen sollte, die EU-Normen schneller zu erfüllen, sodass ihre Bürger in Zukunft für die Einreise in die Europäische Union kein Visum mehr benötigen.

Ich möchte aber auch betonen, dass diese Frage als solche nicht in den Kompetenzbereich der Kommission fällt, sondern in den Händen der nationalen Regierungen der Europäischen Union liegt. Hier kommt den Innenministern und ihren Ministerien eine Schlüsselrolle zu. Lassen Sie uns daher an einem Strang ziehen und effektives Lobbying sowohl bei den Innenministern als auch bei den betroffenen Staaten des westlichen Balkans betreiben, denn wir müssen sicher sein können, dass alle Sicherheitsnormen, zum Beispiel bei der Passausgabe und den Grenzkontrollen, erfüllt werden, bevor wir in Richtung Visaliberalisierung voranschreiten können.

Abschließend möchte ich noch sagen, wie sehr ich mich über die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem montenegrinischen und dem Europäischen Parlament freue. Ich weiß, wie wichtig das ist. Zusammenarbeit ist Teil echter politischer Integration und trägt außerdem dazu bei, dass sich die Institutionen Montenegros in die richtige Richtung entwickeln. Ich bin überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingen wird, die demokratischen Institutionen und die Verwaltungskapazität Montenegros zu stärken. Ich bin sehr froh, dass wir in Bezug auf die künftige Entwicklung Montenegros in Richtung Europäische Union einer Meinung sind.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache über die Erklärung der Kommission(1) wurde ein Entschließungsantrag eingereicht.

Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmungen über den Entschließungsantrag und den Bericht von Marcello Vernola finden am Donnerstag, den 13. Dezember 2007 statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Bogdan Golik (PSE), schriftlich.(PL) Herr Präsident! Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments unterstütze ich mit großer Freude den Beschluss zum Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Montenegro.

Ich glaube, dass die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Republik Montenegro in Zukunft für beide Seiten Vorteile bringt, vor allem durch die sukzessive Schaffung einer bilateralen Freihandelszone. Sehr erfreulich ist für mich auch, welche Fortschritte die Republik Montenegro dabei gemacht hat, den von der Europäischen Union auferlegten Verpflichtungen nachzukommen.

Ich möchte allerdings kurz auf Bereiche eingehen, in denen Montenegro gemäß den Empfehlungen der Kommission seine Anstrengungen fortsetzen muss, wenn es eine weitere Annäherung an die Europäische Union wünscht. Die wichtigste Aufgabe ist die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit durch eine Reform der öffentlichen Verwaltung, um die Institutionen auf allen Ebenen zu stärken und deren Politisierung wirksam entgegenzuwirken. Ich kenne und schätze die Fortschritte in der Gesetzgebung, die Montenegro erreicht hat. Es kommt aber im Wesentlichen darauf an, dass sie sich mehr und mehr in der Praxis durchsetzen. Die Behörden in Montenegro müssen in Bereichen wie der Haushaltskontrolle, der Verwaltung öffentlicher Mittel und Vergabeverfahren für mehr Transparenz sorgen.

Ich glaube, dass die Republik Montenegro, wenn sie alle Empfehlungen der Europäischen Kommission umsetzt, rasch den direkten Weg zum Beitritt einschlagen wird.

 
  

(1)Siehe Protokoll.


14. 1. Dezember: Welt-Aids-Tag (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember 2007.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Wieder einmal haben wir Gelegenheit, im Europäischen Parlament über diese ernste Gesundheitsbedrohung zu diskutieren. Erst vor ein paar Monaten sprachen wir über den Aktionsplan der Gemeinschaft zur Prävention von Aids. Natürlich geht es uns nicht nur um die Europäische Gemeinschaft, sondern um die ganze Welt.

Wir beschäftigen uns mit der Zunahme von Infektionen, mit der Zahl derer, die weltweit mit HIV infiziert oder an HIV/Aids erkrankt sind, und 33 Millionen sind für uns einfach zu viele. Daher wollten wir in der Europäischen Union Maßnahmen ergreifen, diese aber auch mit den anderen internationalen Organisationen außerhalb der EU abstimmen, um das Problem global anzugehen. Das steht auch im Einklang mit der neuen Gesundheitsstrategie der Europäischen Union, die für die EU mehr Mitsprache in der globalen Gesundheitspolitik vorsieht.

Was sind die Schwerpunktbereiche? Erstens die Prävention von Infektionen. Das ist wichtig. Gleichzeitig müssen wir die Verfügbarkeit von Aids-Tests sowie die Versorgung und Behandlung im Bedarfsfall sicherstellen. Wenn wir all das erreichen wollen, müssen wir Sensibilisierungsarbeit leisten. Das ist ein ganz wesentlicher Faktor. Und genau hier haben wir Nachholbedarf. Darauf komme ich gleich noch zurück. Dann ist da aber auch noch die Stigmatisierung durch die Gesellschaft. Das gehört zu unseren Hauptanliegen, erweist sich aber in gewisser Weise als Teufelskreis, denn genau diese Stigmatisierung durch die Gesellschaft hält die Menschen davon ab, sich mittels eines Aids-Tests Klarheit über eine mögliche Infektion zu verschaffen, und macht sie damit zu einem potenziellen Ansteckungsherd. Sie wollen weder Behandlung noch Test, was entsprechend negative Folgen nach sich zieht. Das Problem stellt sich in noch größerem Maße bei Jugendlichen, die als wichtigste Zielgruppe im Fokus unserer Arbeit stehen.

Studien und Befragungen belegen, dass es bei den Jugendlichen tatsächlich eine Wissenslücke gibt. Man könnte sogar sagen, dass in Bezug auf die Gesundheitsgefahren völlige Unwissenheit herrscht. Deshalb kommt es jetzt darauf an, den Jugendlichen mit den richtigen Worten – das heißt in einer Weise, die keine unnötige Panik erzeugt, aber andererseits auch nicht zu Sorglosigkeit führt – zu erklären, dass es sich hierbei um eine ernste Gesundheitsbedrohung handelt, für die es keine Heilung gibt, vor der man sich aber schützen kann. Zugleich kann man ihnen zeigen, wie dieser Schutz genau aussieht, und ihnen die Angst vor infizierten oder erkrankten Mitmenschen nehmen.

Im Eurobarometer haben sich zwei Extreme abgezeichnet. Einerseits glauben manche Jugendliche, es bestehe kein Grund zur Sorge: Man nimmt einfach Antibiotika, und alles ist wieder gut. Andererseits meinen sie, man könne sich aber bereits über den Körperkontakt mit einer infizierten Person, durch Trinken aus demselben Glas oder durch einen Kuss anstecken. Wir haben es hier mit zwei Extremmeinungen zu tun, von denen mit Blick auf unser Ziel – die Verhinderung der Ausbreitung und die Infektionsprävention – keine besonders förderlich ist.

Der Welt-Aids-Tag hat einen hohen symbolischen Wert und gibt uns die Gelegenheit zur Diskussion und Sensibilisierung, allerdings sollten wir uns nicht auf diesen einen Tag beschränken. Daher freue ich mich, dass wir diese Themen zumindest innerhalb der Europäischen Union regelmäßig erörtern. Was die Jugendlichen angeht, hatten wir sehr aktive, sehr effektive und sehr aggressive Kampagnen in den 80er-Jahren, mit denen wir die Jugend wirklich sensibilisiert haben, doch dann haben wir die Kampagnen eingestellt und nicht daran gedacht, dass danach eine neue Generation Jugendlicher in das Alter gekommen war, in dem man sexuell aktiv wird. Ein Teil von ihnen war in der Tat erst kurz vor dem Ende der Kampagnen auf die Welt gekommen und hatte somit die Sensibilisierungsmaßnahmen nicht bewusst mitbekommen. Das erklärt die eben von mir geschilderte Situation. Wir wissen, dass wir die gewünschte Sensibilisierung mit einfachen Botschaften und einfachen Methoden sowie mit Vorbildern, Prominenten und Meinungsmachern, die mit gutem Beispiel vorangehen und aufklären, erreichen können.

Dieses Jahr haben wir den Gesundheitsministern der Europäischen Union vorgeschlagen, dass jeder von uns am Welt-Aids-Tag in eine Schule geht und mit den Jugendlichen über die Probleme spricht, um herauszufinden, wie viel die Jungendlichen überhaupt zu diesem Thema wissen, um zu informieren und zu diskutieren. Das Echo war positiv. Über die Hälfte der Minister aus den Mitgliedstaaten hat diese Initiative aufgegriffen.

Wir sind also in die Schulen gegangen, ich auch, und das war äußerst aufschlussreich. Da waren die Diskussionen mit den Jugendlichen. Zunächst galt es, überhaupt erst einmal herauszufinden, was sie über dieses Thema wissen oder nicht wissen, und dann gab es noch eine Reihe praktischer Probleme. Sie wissen zum Beispiel sehr wohl, dass die Verwendung von Kondomen der beste Schutz ist, aber wie kommt man an Kondome heran? Das ist ihnen peinlich. Sie sind auch verlegen oder ängstlich oder bloß schüchtern. Das sind ganz banale Dinge, die wir nie als Probleme angesehen hätten, von denen wir nie gedacht hätten, dass wir in Europa eines Tages darauf reagieren müssen. Trotzdem sind das Fakten.

Und weil wir die Jugendlichen in einer Sprache ansprechen möchten, die sie auch verstehen, hat die Kommission in diesem Jahr die Produktion eines neuen Fernsehspots zum Thema Verhütung der Übertragung des HIV-Virus in Auftrag gegeben. Zu diesem Zweck konnten Jugendliche im Rahmen eines Wettbewerbs ihre Vorschläge einsenden. Unsere Wahl fiel auf den von einem polnischen Studenten eingesandten Vorschlag. Seinen Spot haben wir dann produzieren lassen. Er wurde von mehreren Fernsehsendern ausgestrahlt und auch bei Schulbesuchen gezeigt. Jetzt gilt es, an dieser Strategie festzuhalten: Wir müssen mit den Jugendlichen in ihrer Sprache sprechen, damit sie uns verstehen.

Wie ich eingangs bereits sagte, stellt HIV/Aids auch die Länder außerhalb der Europäischen Union vor schwierige Aufgaben. Zwar hat es weltweit tatsächlich einige Fortschritte bei der Zugänglichkeit HIV-bezogener Dienstleistungen, vor allem in den Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen, gegeben. Dort leben heute immerhin rund 95 % der mit HIV infizierten Menschen.

Dank einer beispiellosen Zunahme der in diese Länder fließenden internationalen Finanzmittel kamen deutlich mehr Menschen in den Genuss medizinischer Behandlung: Von 100 000 im Jahr 2001 stieg die Zahl auf 2,5 Millionen im Jahr 2007. Das sind eindrucksvolle Zahlen. Dennoch bekommen in diesen Ländern über 70 % der Menschen, die eine Behandlung mit antiretroviralen Mitteln (ARV) bräuchten, diese Behandlung nicht bzw. haben sie keinen Zugang dazu. Es liegt also noch ein weiter Weg vor uns.

Die europäischen Maßnahmen werden über ein breit gefächertes finanzielles Instrumentarium sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, zum Beispiel den globalen AIDS-Fonds, finanziert. Es gibt aber auch andere Finanzierungsmechanismen über öffentlich-private Partnerschaften. Dank der Unterstützung unserer Bemühungen durch die internationale Gemeinschaft konnten bereits Fortschritte erzielt werden, aber es gibt noch viel zu tun, und ohne eine enge Zusammenarbeit unter den europäischen Institutionen wird es nicht gehen.

Unser Hauptziel besteht, wie gesagt, darin, die Neuinfektionsrate zu senken und auf eine bestmögliche Lösung in Bezug auf die Unterstützung, Versorgung und Behandlung der an HIV/Aids Erkrankten hinzuarbeiten. Aus diesem Grund möchte ich nochmals betonen: Wir müssen jetzt alles daransetzen, die Stigmatisierung der Krankheit sowie die soziale Ausgrenzung und Diskriminierung infizierter beziehungsweise erkrankter Personen zu bekämpfen. Wenn wir das versäumen, werden wir die Situation nie in den Griff bekommen. Mit Blick auf unser Ziel müssen wir verstärkt Sensibilisierungskampagnen durchführen.

Deshalb lautet das Motto der Anti-Aids-Kampagne der Europäischen Kommission „Vergiss AIDS nicht“. Es handelt sich nämlich tatsächlich um eine auf allen Ebenen vergessene Krankheit oder ist zumindest dazu geworden. Jetzt werden wir sie wieder in den Vordergrund rücken. Dabei wenden wir uns nicht nur an die Bürger, um diese an die Existenz dieser Krankheit zu erinnern, sondern auch an die Entscheidungsträger, damit diese das Thema wieder ganz oben auf ihrer Agenda ansiedeln und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Diesbezüglich zähle ich auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments, und ich weiß, dass ich darauf zählen kann.

 
  
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  John Bowis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Es gibt so viel zu tun. Ich möchte zunächst auf das eingehen, was der Kommissar in seiner Erklärung besonders hervorgehoben hat, nämlich auf die Auswirkungen für Kinder. Eine der in diesem Jahr angelaufenen Kampagnen steht nämlich nicht ohne Grund unter dem Motto „Stop Aids – Gib Kindern eine Chance!“. Wir wissen, dass jede Minute ein HIV-infiziertes Kind geboren wird. Wir wissen, dass 2,3 Millionen Kinder weltweit an HIV/Aids erkrankt sind, dass nur jedes zehnte Kind, das eine ARV-Behandlung braucht, diese auch tatsächlich bekommt. Wir wissen, dass mangels Behandlung schätzungsweise ein Drittel aller betroffenen Kinder im Laufe ihres ersten Lebensjahres sterben. Die Hälfte der Kinder stirbt vor Vollendung des zweiten Lebensjahres. Wir wissen, dass 15,2 Millionen Kinder unter 18 Jahren einen oder beide Elternteile an HIV/Aids verloren haben. Und wir wissen, dass wir bis zum Stichjahr 2010 über 20 Millionen Aids-Waisen haben werden.

Das ist die Geschichte der Kinder. Das sind unsere Aufgaben mit Blick auf die Kinder, aber natürlich geht es hier auch um Erwachsene. Wir kennen die in unseren Ländern diagnostizierten Zahlen der HIV-Infizierten und Aids-Erkrankten: durchweg steigende Tendenz. Erschreckend ist dabei, dass jeder Dritte gar nichts von seiner Infektion weiß.

Das ist die allgemeine Aufgabenstellung, aber darüber hinaus stehen wir dieses Jahr vor weiteren spezifischen Problemen, denen wir uns vorrangig widmen sollten. Kommissar Kyprianou hat einige davon angesprochen. Der Kenntnisstand hat in den letzten fünf Jahren tatsächlich abgenommen. Der Grad der Aufklärung ist geringer. Mythen und Irrglaube ranken sich mittlerweile um dieses Thema. Jeder Fünfte weiß nicht, dass HIV/Aids durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen werden kann. Nicht einmal die Hälfte der sexuell aktiven Menschen verwendet beim Geschlechtsverkehr mit einem neuen Partner ein Kondom.

Wir wissen, dass sich die Anzahl der diagnostizierten Fälle seit 1977 verdreifacht hat. Wir wissen, dass riskante Sexualpraktiken an Beliebtheit gewinnen. Wir wissen, dass ein Viertel aller HIV-bedingten Todesfälle auf zu späte Diagnose zurückzuführen sind und dass ein Drittel davon vermeidbar wäre. Vor allem wissen wir, dass abgewiesene Asylbewerber mit HIV/Aids häufig keinen Anspruch auf kostenlose Versorgung haben, sich lebensrettende Behandlung nicht leisten und somit weiterhin andere anstecken können. Und wir wissen, dass der Prozentsatz der HIV-infizierten männlichen Gefängnisinsassen 15 Mal so hoch ist wie in der restlichen Bevölkerung.

Darüber hinaus kennen wir aber auch die Zeichen der Hoffnung, die Bemühungen in der Forschung. Kürzlich habe ich mir in Ruanda selbst ein Bild vom Stand der Forschung machen können, von den laufenden klinischen Tests, der Notwendigkeit, solche Tests in Afrika durchzuführen, um Impfstoffe für die Afrikaner zu entwickeln.

All diese Maßnahmen sind dringend, und 2010 ist bereits das Stichjahr. 2010 ist gar nicht mehr so weit. 2010, Herr Kommissar. Unsere Mandatszeit endet relativ bald. Ich will nicht, dass wir uns dahinter verstecken und die Arbeit unseren Nachfolgern überlassen. Ich möchte, dass wir 2009, wenn Sie und ich möglicherweise am Ende unserer Mandatszeit angelangt sind, sagen können: Zumindest dieses Versprechen haben wir gehalten.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Meine Komplimente an die Kommission für ihre Bemühungen, die der Kommissar soeben erläutert hat. Ich möchte heute die Bedeutung des Welt-AIDS-Tages und unserer gemeinsamen Verantwortung im Kampf gegen diese Krankheit hervorheben, denn es breitet sich eine Katastrophe im globalen Maßstab aus, eine Katastrophe, der nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil wird.

Meine Fraktion begrüßt daher unsere heutige Debatte hier in Straßburg. Die Zahlen sprechen für sich. Weltweit sind 33 Millionen Menschen an AIDS erkrankt bzw. HIV positiv und bislang insgesamt 25 Millionen Menschen an der Immunschwächekrankheit gestorben.

Häufig verhalten sich die Menschen jedoch so, als gäbe es AIDS nicht. Da AIDS mit Sex in Verbindung gebracht wird, sprechen viele lieber nicht darüber, wodurch die Aufklärung über AIDS erschwert wird. Die jüngere Generation von heute zahlt dafür einen hohen Preis. Die Hälfte aller Neuinfektionen betreffen junge Leute unter 25 Jahren. Während ich hier spreche, haben sich sechs weitere Jugendliche mit dem Virus infiziert und sind drei Kinder an AIDS gestorben. Wir haben es hier mit einer Generation zu tun, die eine Welt ohne AIDS nicht kennt.

Die Katastrophe ist nicht auf Afrika beschränkt. Die Zahl der HIV-Infektionen in Europa und Zentralasien hat sich in den letzten Jahren von 1,25 auf 2,4 Millionen verdoppelt. Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union etwas unternimmt. Dieser schrecklichen Krankheit, die das Leben von Millionen von Familien in der Welt zerstört, kann vorgebeugt werden. AIDS lässt sich durch wirksame Aufklärung, durch bessere Verfügbarkeit von Kondomen und durch erschwingliche Medikamente bekämpfen.

Der Kommissar weist zu Recht darauf hin, dass wir zugelassen haben, dass AIDS auf unserem Kontinent schon zu einer vergessenen Krankheit geworden ist. Europas heutige Jugendliche haben die groß angelegten öffentlichen Sensibilisierungskampagnen der 1990er Jahre nicht miterlebt. Es besteht durchgreifender Handlungsbedarf, wenn die Situation nicht außer Kontrolle geraten soll.

Daher hat meine Fraktion teils als symbolischer Akt und teils weil wir eine solche Initiative wirklich für wichtig halten, vergangenen Monat eine Kampagne für eine unionsweite Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf Kondome auf 5 % gestartet. Der enorme Unterschied zwischen den MwSt.-Sätzen auf Kondome – in einigen Ländern beträgt die Steuer bis zu 25 % – zeigt, dass wir in Europa keinen gemeinsamen Ansatz für ein gemeinsames Problem haben oder uns dieses Problems zumindest nicht in ausreichendem Maße annehmen.

Der portugiesische Vorsitz hat unsere Kampagne tatkräftig unterstützt, und wir erhoffen uns auch eine positive Unterstützung durch Kommissar Kovács, wenn er Ende nächsten Jahres das europäische Mehrwertsteuersystem zur Diskussion stellen wird.

 
  
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  Holger Krahmer, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kollegen! „Ich bin dir treu!“ habe ich vor kurzem gelesen. „Ich bin dir treu für immer – Dein Aids.“ Das war die Aufschrift auf Plakaten zum Welt- Aids -Tag vor knapp zwei Wochen. Die Botschaft heißt: Aids ist behandelbar, aber eben nicht heilbar. Viele Menschen, vor allem jüngere, verlieren das aus den Augen oder wollen es nicht mehr sehen. Die Infektionszahlen, auf die bereits hingewiesen wurde, sprechen für sich. Aufklärung ist das einzige Mittel, um HIV und Aids zu verhindern, und ich bin froh, dass sich die Kommission dieses Ziel auf die Fahnen schreibt.

Aber Aufklärung darf sich nicht in Plakatkampagnen oder Ministerbesuchen in Schulen erschöpfen. So etwas bringt kurze und vielleicht auch mediale Aufmerksamkeit, aber Verhaltensänderungen, zumal bei jungen Menschen, sind damit nicht zu erreichen.

Aids und HIV waren einmal gut für echte Gruselgeschichten in Zeitungen. Viele waren unsicher und hatten Angst davor, weil niemand wusste, wie gefährlich das Virus wirklich ist. Ich wünsche mir diese Zeit nicht zurück, aber mit Gewöhnung an das Thema und besser verträglichen Therapien erregt das Problem heute nicht mehr automatisch die gleiche Aufmerksamkeit wie früher.

Viele Menschen haben sich an diese Botschaften gewöhnt, manche haben sie sogar satt. Das ist irrational, aber real. Aufklärung muss sich diesen geänderten Bedingungen anpassen. Aufklärung muss aktiv um Aufmerksamkeit werben, muss differenzierte Zielgruppen in deren Sprache und mit individuellen Botschaften ansprechen. Wir müssen vor allem die jungen Leute, die HIV als ein vernachlässigbares Risiko missverstehen, geistig dort abholen, wo sie sind, und sie dazu bringen, sich mit den Folgen der Infektion auseinanderzusetzen.

Viele Menschen tun das nach wie vor, sie setzen sich mit den Folgen auseinander, aber leider zu spät, nämlich dann, wenn ihnen ein Arzt oder ein Sozialarbeiter ein positives Testergebnis mitgeteilt hat. Dann ist die Krankheit, die bis dahin so abstrakt daherkam und weit weg erschien, auf einmal ganz real. Nur wenn wir es schaffen, Menschen zur Auseinandersetzung mit dem Thema HIV zu bringen, bevor sie es nicht mehr vermeiden können, dann ist etwas gewonnen.

Dafür ist langfristige und geduldige Arbeit nötig. Mit Angeboten und Projekten, die auf Zielgruppen zugeschnitten sind, je differenzierter und plastischer, desto besser. Die organisierten Aids -Hilfe-Vereine, z. B. in Deutschland, können hier nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, wenn sie sich dieser veränderten Herausforderung stellen. Leider passiert das nicht überall.

Wer heute HIV-positiv ist, hat zumindest in Westeuropa gute Chancen auf ein langes Leben. In anderen Gegenden, z. B. in Afrika, ist das anders. Ausruhen sollten wir uns auf dieser komfortablen Situation trotzdem nicht.

 
  
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  Vittorio Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (IT) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Arzt und arbeite seit 20 Jahren mit Aids-Patienten. Ich muss offen gestanden sagen, ich hätte von der Kommission wesentlich detailliertere und pragmatischere Vorschläge erwartet. In der Europäischen Union erfolgt die Übertragung vorwiegend auf sexuellem Weg. Genauer gesagt:

1) Fordert die Kommission alle Mitgliedstaaten auf, Sexualkunde an Schulen zu unterrichten?

2) Drängt sie die Mitgliedstaaten, Preiskontrollen für Kondome einzuführen, die bislang die einzige Möglichkeit darstellen, die sexuelle Übertragung zu verhindern?

Der zweite große Übertragungsweg ist in Europa die intravenöse Übertragung, vor allem unter Drogenabhängigen. Was unternimmt die Kommission in dieser Hinsicht, um die Mitgliedstaaten anzuhalten, Schadenbegrenzungsstrategien umzusetzen, die die einzige Möglichkeit bilden, die intravenöse Übertragung unter denjenigen einzudämmen, die Drogen nicht absetzen können oder wollen?

Was die übrige Welt betrifft, so hätte ich von der Kommission erwartet, uns Folgendes mitzuteilen: Nach achtmonatigem Tauziehen mit dem Parlament nehmen wir zur Kenntnis, dass dieses entschieden hat, Artikel 6 des TRIPS-Abkommens zu ändern, und obgleich dies noch zu keiner Änderung führen würde, ist die Kommission bereit, für die Änderung der WTO-Bestimmungen zu kämpfen. Gegenwärtig erlauben die TRIPS-Bestimmungen multinationalen Unternehmen, Patente für einen Zeitraum von 20 Jahren zu besitzen, was zur Folge hat, dass Arzneimittel nicht nach Afrika gelangen. Darüber ist kein Wort verloren worden. Wenn diese Vorschriften nicht geändert werden, ist alles Reden über Afrika ohnehin nur heiße Luft!

Abschließend Folgendes: Wie kann es sein, dass zu einer Zeit, in der alle über den Kampf gegen Aids reden, Kommissar Mandelson Briefe an die thailändische Regierung schreibt, um diese zu ersuchen, keine Gesetze zu verabschieden, die den Vertrieb von Generika ermöglichen, und in seinen Schreiben Unternehmen wie Sanofi-Avensis nennt und protegiert? Meiner Meinung nach sollte die Kommission dazu etwas zu sagen haben!

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE). - (FR) Herr Präsident! Ja, AIDS fordert zu viele Opfer– viel zu viele. Es fordert sie weiter und wird noch viel mehr fordern. Tragischerweise werden viele Kinder vor der Geburt infiziert. Wir haben die Zahlen gehört, sie sind beängstigend, und ich will sie nicht noch einmal nennen.

Bedauerlicherweise breitet sich AIDS nicht nur in den EU-Mitgliedstaaten weiter aus, sondern auch in den Drittländern, und um gegen diese neue Epidemiewelle zu kämpfen, kommt es darauf an, dass wir mehr für die Prävention, die Behandlung. Die Pflege und die Unterstützung tun, indem wir Partnerschaften eingehen, die unabdingbar sind. Parallel zur Prävention müssen wir den Zugang zu Informationen verbessern, es den Menschen einfacher machen, Beratung, Behandlung und Sozialleistungen zu erhalten. Wir müssen die negative Auswirkung dieser Krankheit abschwächen – denn leider wird diese Krankheit nach wie vor tabuisiert, und die Menschen wagen nicht, frei darüber zu sprechen. Um all dies zu erreichen, müssen wir verfügbare Ressourcen mobilisieren und die Forschung intensivieren, unsere Bemühungen koordinieren und spezielle Projekte finanzieren. Nur wenn alle Beteiligten in einer konstruktiven Partnerschaft zusammenarbeiten, können wir einen bedeutenden und nachhaltigen Beitrag zur Ausrottung dieser Epidemie leisten.

Frappierend ist, dass die jungen Europäer von heute die Art von effektiven Präventionskampagnen, die in den 1980er Jahren durchgeführt wurden, nicht kennen. Die europäischen Gesellschaften müssen hier Verantwortung übernehmen und jungen Leuten die wesentlichen Informationen über HIV und AIDS übermitteln. Jüngste Umfragen haben bei jungen Leuten eine erstaunliche Unkenntnis über die Krankheit ergeben. 54 % der Jugendlichen in den „alten“ EU-Mitgliedstaaten glauben, dass man sich mit HIV anstecken kann, indem man aus demselben Glas trinkt wie eine infizierte Person. Das zeigt, wie wichtig es ist, das Bewusstsein zu verbessern und in die Vorbeugung sowie in Informationen zur Verwendung von Kondomen zu investieren. Die Kosten von Kondomen sind ein weiteres Thema, das angesprochen werden muss. Die Umfrageergebnisse zeigen auch, dass wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben und diese Krankheit nicht aus dem Auge verlieren dürfen, die keine „neue“ Krankheit mehr ist. Für die Sensibilisierung bedarf es der richtigen Botschaften – Botschaften, die besser auf ihre Empfänger zugeschnitten sind. Gegenwärtig laufen Bemühungen in dieser Richtung. Die Botschaften, die wir überbringen, müssen moderner werden, und sie müssen die jungen Leute wirklich ansprechen. Bis vor Kurzem und im Wesentlichen aus ethischen Gründen war es hauptsächlich Sache der Patienten, sich beraten und auf HIV testen zu lassen. Rückblickend können wir jetzt bei dieser Herangehensweise zwei Probleme erkennen: erstens die zu geringe Zahl von Anlaufstellen und zweitens die Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung. In den armen Ländern ist die Tatsache, dass der Test freiwillig ist, ein ernsthaftes Hindernis für den Kampf gegen die AIDS-Pandemie. Wie kann man von mittellosen, wenig gebildeten Patienten erwarten, dass sie eine aufgeklärte Zustimmung erteilen? Wie kann jemand, der nie etwas von HIV gehört hat, zustimmen, darauf getestet zu werden?

Und welchen Nutzen hat jemand von einem HIV-Test in einem Land, das kein Sozialschutzsystem besitzt? Jüngste Umfragen in Ländern südlich der Sahara zeigen, dass nur 12 % der Männer und 10 % der Frauen getestet wurden und Ergebnisse erhalten haben. Diese Krankheit ist eine ständige Bedrohung und wir dürfen nicht in unserer Wachsamkeit ihr gegenüber nachlassen!

 
  
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  Pierre Schapira (PSE). - (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! AIDS bleibt eine der Geißeln des 21. Jahrhunderts, trotz der außerordentlichen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zu seiner Bekämpfung in den letzen 20 Jahren, auch wenn es mitunter Rückschläge gegeben hat.

Das Entwicklungsziel Nr. 6 auf der Liste der Millenniums-Entwicklungsziele der UNO, die im September 2000 angenommen worden ist, besagt, dass die Ausbreitung von AIDS bis 2015 zum Stillstand gebracht und zum Rückzug gezwungen werden soll. Doch die aktuelle Situation in den Entwicklungsländern – und insbesondere in Afrika, wo die Sterblichkeitsziffer aufgrund von AIDS noch weiter ansteigt – fordert, dass wir unsere Anstrengungen verdoppeln, damit wir dieses Ziel erreichen.

Es gibt hier verschiedene mögliche Wege für das Handeln Europas. Erstens können wir die Kooperationen insbesondere mit den lokalen Körperschaften auf der Südhalbkugel verstärken, da nur auf lokaler Ebene dauerhafte Lösungen in Bezug auf die Pflege von Betroffenen, die Prävention der Krankheit, die Bereitstellung von Medikamenten, Durchführung von Informations- und Präventionskampagnen und allgemein das Management der Gesundheitsleistungen, damit sie den Bedürfnissen der Menschen vor Ort angepasst werden können, möglich sind.

Zweitens müssen wir Wege finden, um den Engpass an medizinischem Fachpersonal in den armen Ländern zu überwinden. Europa muss hier mit konkreten, angemessen finanzierten Programmen eingreifen, damit die Fachkräfte den Beruf, für den sie ausgebildet worden sind, im eigenen Land unter den entsprechenden Bedingungen und in angemessenen Strukturen mit den erforderlichen Geräten und Arzneimitteln ausüben kann.

Schließlich erfordert die langfristige Bekämpfung von AIDS ein entschlossenes Engagement, um Patienten in Entwicklungsländern den Zugang zu den Arzneimitteln, die sie brauchen, zu erschwinglichen Preisen zu gewähren. Da viele AIDS-Patienten auf der Südhalbkugel bereits eine Resistenz gegenüber Medikamenten der ersten Generation, mit denen sie behandelt wurden, entwickelt haben, müssen unbedingt Wege gefunden werden, die neuesten Therapien in diesen armen Ländern in Form von Generika zugänglich zu machen. Aus diesem Grund appelliere ich insbesondere an die Kommission, sicherzustellen, dass in die bilateralen und regionalen Abkommen, die gegenwärtig verhandelt werden – besonders die WPA – keine Bestimmungen aufgenommen werden, die es für Länder auf der Südhalbkugel schwieriger machen, die gesamte Flexibilität, die gemäß dem TRIPS-Abkommen und der Doha-Erklärung von 2001 geboten wird, zum Schutz von AIDS-Patienten zu nutzen.

Ich komme zum Schluss. Die inakzeptable Situation von Millionen von Menschen, die jedes Jahr an AIDS sterben, erfordert, dass die Europäische Union sich ihrer Verantwortung stellt. Wir müssen von Worten zu Taten übergehen.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich werde mich kurz fassen, da die Zeit offenbar drängt.

Ich möchte nur drei oder vier Aspekte ansprechen. Erstens handelt es sich hier um eine Gefahr für die gesamte Bevölkerung, und das ist auch genau unsere Botschaft. Es geht nicht länger um Risikogruppen und darum, dass alle anderen keine Angst zu haben brauchen. HIV/Aids geht alle an, auch junge Menschen und Frauen. Das müssen wir den Bürgern erklären, wobei die politische Botschaft auch wirklich ankommen muss.

Die von Ihnen angesprochene Situation der Einwanderer werden wir gesondert angehen. Der portugiesische Ratspräsident hatte Gesundheit und Einwanderung zu den zentralen Themen seiner Amtszeit gemacht. Zugänglichkeit der Versorgung, die Durchführung von Aids-Tests sowie die Versorgung und Behandlung von Einwanderern – auch solchen ohne Papiere – rangieren auf der Prioritätenliste ganz oben. Was uns zu dieser Diskussion veranlasst, sind nicht nur der Schutz der Einwanderer und natürlich die Vorrang genießende Frage der Menschenrechte, sondern auch die Sorge um den Schutz der gesamten Gesellschaft.

Die angesprochenen Punkte wie die Möglichkeit des Spritzenwechsels für Drogenkonsumenten, Kondomkampagnen, Sexualerziehung in der Schule und die Probleme in den Gefängnissen sind Gegenstand unserer Diskussionen mit den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft. Wir haben eine Reflexionsgruppe, zu der jeder einen Beitrag leisten kann. Diese Gruppe diskutiert, u. a. über bewährte Verfahren, und tauscht Erfahrungen aus. Natürlich müssen wir innerhalb der Europäischen Union einsehen, dass wir nicht die nötigen Kompetenzen haben. Es fällt in die Verantwortung der Mitgliedstaaten, die Maßnahmen umzusetzen. Wir verstärken unsere Bemühungen auf politischer Ebene, wir diskutieren auf fachlicher Ebene, aber letzten Endes ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, gezielte Initiativen zu ergreifen.

Was die anderen, von Herrn Agnoletto angesprochenen Punkte angeht, habe ich mit großem Interesse die Ausführungen zum TRIPS-Übereinkommen verfolgt. Aber nicht nur diese, sondern auch die Erläuterungen zu den Folgen, die das in den Entwicklungsländern für den Zugang zu Arzneimitteln hätte, sowie die anderen Punkte, die sich auf unseren Umgang mit Ländern außerhalb Europas beziehen, habe ich zur Kenntnis genommen. Ich werde diese Diskussion unter Darlegung der von dem Herrn Abgeordneten vorgebrachten Punkte auch mit den zuständigen Kommissionskollegen führen.

In Bezug auf den Zugang zu ARV-Behandlung – zunächst einmal innerhalb der Europäischen Union und dann hoffentlich auch in anderen Regionen dieser Welt – unterstützen wir aktiv die auf der Bremer Konferenz beschlossene Initiative der deutschen Präsidentschaft zur Erleichterung des Zugangs zu preiswerter und bezahlbarer ARV-Behandlung für alle Patienten und für alle, die eine solche Behandlung benötigen. Wir können bereits einen ersten Erfolg – wenn man es so nennen will – in Bulgarien vorweisen. Aber natürlich werden wir unser Ziel in dieser Präsidentschaft weiterverfolgen, mit Unterstützung der Kommission, sodass wir unser Modell nach erfolgreicher Umsetzung auch auf andere Länder außerhalb Europas ausweiten können. Das ist grundsätzlich unser Ziel.

Ich danke den Mitgliedern wieder einmal für eine sehr interessante Debatte. Die angesprochenen Punkte habe ich zur Kenntnis genommen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

 

15. Umweltverschmutzung des Schwarzen und des Asowschen Meers durch die Ölpest infolge mehrerer Schiffshavarien (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Umweltverschmutzung des Schwarzen und des Asowschen Meers durch die Ölpest infolge mehrerer Schiffshavarien.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass mein Kollege, Herr Dimas, sehr bedauert, bei unser heutigen Aussprache nicht anwesend sein zu können, aber, wie Sie wissen, vertritt er zur Zeit die Gemeinschaft auf der Weltklimakonferenz.

Wir sprechen heute über ein wichtiges Thema. Wie wir alle wissen, haben schwere Stürme im Schwarzen Meer im November zahllose Menschenleben gefordert und großen Sachschaden verursacht, und natürlich ist auch der Schaden am Ökosystem beträchtlich. Insgesamt sollen schätzungsweise 1300 Tonnen Heizöl ausgetreten und einige Frachtschiffe mit Schwefel an Bord gesunken sein. Im Rahmen einer bilateralen Vereinbarung hat die Kommission fünf EU-Experten in die Region entsandt, die von Vertretern der Kommission und des Umweltprogramms der UN begleitet wurden. Bei Ankunft der EU-Experten waren die von der Ukraine veranlassten Aufräumarbeiten bereits in vollem Gang. Die vor Ort vorhandenen Technologien und Ressourcen wurden als ausreichend betrachtet, und auch die Ukraine meldete keinen Bedarf an zusätzlicher Katastrophenschutz-Ausrüstung an. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Mission werden den ukrainischen Behörden in Kiew am 14. Dezember vorgelegt. Bei gleicher Gelegenheit soll auch über einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit mit Blick auf ein verbessertes Umweltmonitoring in der Schwarzmeerregion gesprochen werden.

Internationalen Statistiken zufolge ist die bei diesem Unglück ausgetretene Ölmenge als Menge mittlerer Größe einzustufen und dürfte insofern wohl nicht zu einer ganz großen Umweltkatastrophe führen. Selbstverständlich heißt das nicht, dass wir uns zurücklehnen dürfen, vor allem angesichts der nach wie vor bestehenden Möglichkeit einer Sekundärverschmutzung. Die hohen Umweltbelastungen, die Existenz bedrohter Arten in der Straße von Kertsch, die prekäre politische Lage in der Region und die Gefahr weiterer, ähnlich gearteter Unfälle in der Zukunft machen eine umfassendere Einschätzung der Lage unabdingbar. Die Europäische Kommission erwägt daher Folgemaßnahmen wie zum Beispiel die Entsendung einer Schadensbewertungsmission. Insofern sehe ich der weiteren Diskussion zu diesem Thema mit Spannung entgegen.

 
  
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  Stanisław Jałowiecki, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Es ist aus mindestens zwei Gründen sehr zu begrüßen, dass wir heute die Gelegenheit haben, über die Katastrophe am Schwarzen Meer vom letzten Monat zu diskutieren.

Der erste Grund ist, dass das Europäische Parlament in Bezug auf viele Länder, darunter auch Russland, als Stellvertreter der öffentlichen Meinung auftritt. Stellen Sie sich vor, wie die europäischen Massenmedien reagiert hätten, wenn eine derartige Katastrophe z. B. an der Ostsee passiert wäre. Das Fernsehen würde uns tagelang Bilder der zerstörten Flora und Fauna vorsetzen. Experten würden uns hartnäckig erklären, welch verheerende Folgen das Unglück hat. In den russischen Medien dagegen herrscht Stille. Mit viel Mühe ist es mir gelungen, an ein paar spärliche Informationen zu gelangen, hauptsächlich aus ukrainischen Quellen. Deshalb ist unsere Stimme hier so außerordentlich wichtig.

Der zweite Grund ist das, was ich Erweiterung unseres europäischen Bewusstseins nennen würde – des Bewusstseins, dass Regionen wie das Schwarze Meer, denen wir bislang kaum Beachtung geschenkt haben, nicht nur in geografischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Natur, Ökologie, Wirtschaft und Kultur ein integraler Teil unseres Kontinents sind, und dass wir Teil eines gemeinsamen Ganzen sind und dass diese Teile sich gegenseitig beeinflussen.

So ein Bewusstsein sollte unser Verantwortungsgefühl stärken, auch in Bezug auf das Schwarze Meer. Aufgrund unserer Verantwortung können wir zu Recht fordern, dass das Schwarzmeerbecken deutlich sicherer wird als bisher. Nebenbei sei bemerkt, dass es in jüngster Vergangenheit bereits mehrfach zu Katastrophen von nicht so großem Ausmaß gekommen ist.

In dieser Hinsicht sind folgende Forderungen besonders wichtig. In erster Linie muss die Lage am Schwarzen Meer überwacht werden. Sowohl jetzt, knapp einen Monat nach der Katastrophe, als auch in Zukunft.

Darüber hinaus müssen wir die Nachbarländer der Europäischen Union endlich dazu bewegen, dass sie ihre Flotten, vor allem die Tankschiffe, modernisieren. Das Schwarze Meer wird immer dunkler, nicht aus natürlichen Gründen, denen es seinen Namen verdankt, sondern wegen der Farbe des Rohöls. Es kann sich zu einem einzigen großen Ölfass entwickeln. Deshalb muss Druck auf die Nachbarstaaten der Europäischen Union ausgeübt werden, damit unverzüglich ein Verbot von veralteten Einhüllen-Tankschiffen durchgesetzt wird.

Deshalb appelliere ich an das Parlament, den vorgelegten Entschließungsantrag anzunehmen, in dem wir den Rat und die Kommission auffordern, mit den Schwarzmeeranrainerstaaten, die nicht zur Europäischen Union gehören, die Zusammenarbeit zu verstärken. Eine Grenze an Land lässt sich recht leicht schließen, eine Meeresgrenze dagegen nicht. Da wir keine Dämme bauen werden, liegt die vorgeschlagene Maßnahme auch in unserem Interesse.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău, im Namen der PSE-Fraktion. – (RO) Herr Präsident! Nach dem gewaltigen Sturm, der kürzlich über das Schwarze Meer hereinbrach, sind vier Schiffe gesunken und sieben beschädigt worden. Dazu gehörten auch zwei Öltanker.

Die Unglücksfälle ereigneten sich in der Meerenge von Kertsch, die das Schwarze mit dem Asowschen Meer verbindet und der Hauptverkehrsweg ist, auf dem russisches Öl nach Europa ausgeführt wird.

2 000 Tonnen Heizöl sind ins Meer geflossen und die gesunkenen Schiffe hatten über sieben Tonnen Schwefel an Bord. Das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz hat ein siebenköpfiges Expertenteam zur Unglücksstelle entsandt, um die Auswirkungen abzuschätzen und die erforderlichen Maßnahmen festzulegen.

Als Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments bezüglich der Mitteilung der Kommission über die Schwarzmeersynergie habe ich die Union ersucht, bei der Förderung der Prinzipien der gemeinsamen Meerespolitik sowie bei der Entwicklung von Seeverkehrswegen in dieser Region die führende Rolle zu übernehmen.

Das Paket von Rechtsvorschriften zum Seeverkehr ist für die Schwarzmeerregion von großer Bedeutung. Die Richtlinie zur Hafenkontrolle und die Richtlinie 65/2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen werden die Sicherheit des Seeverkehrs in dieser Region erhöhen.

Im Jahr 2006 wurden gemäß der Schwarzmeer-Vereinbarung mehr als 4 650 Inspektionen an Schiffen, die unter 83 Flaggen fuhren, durchgeführt. Bei den von den Behörden Bulgariens, Georgiens, Rumäniens, der Russischen Förderation, der Türkei und der Ukraine durchgeführten Inspektionen stellte sich heraus, dass 69,39 % der Schiffe mit Mängeln behaftet waren. Etwa 6 % davon durften nicht wieder auslaufen. Davon waren 8,7 % Frachtschiffe, 2,9 % Passagierschiffe, 2,7 % Schiffe mit chemischen Substanzen an Bord und 0,5 % Öltanker. Diese Schiffe wurden aufgrund von Mängeln in den Navigationssicherheitssystemen, wegen nicht vorhandener Rettungsausrüstung und aufgrund von defekten Ausrüstungen und Anlagen, die für die Stabilität des Schiffes sorgen, zurückgehalten.

Außerdem befindet sich Georgien als Anrainerstaat des Schwarzen Meeres auf der Schwarzen Liste der Pariser Vereinbarung, während die anderen fünf ans Schwarze Meer grenzenden Länder auf der Grauen Liste zu finden sind.

Ich denke, die Union sollte mehr für die Erhöhung der Sicherheit des Seeverkehrs in dieser Region tun.

Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs wird zusammen mit dem Sekretariat der Pariser Vereinbarung und den Mitgliedstaaten Studien und Programme zur Erhöhung der Sicherheit des Seeverkehrs finanzieren. Von 2007 an wird die Agentur die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Kapazitäten zur Verhütung und Bekämpfung von Meerverschmutzung durch giftige Stoffe aufzubauen.

Die Kommission hat aus dem TEN-T-Haushalt bereits Projekte für die Entwicklung von Seewegen in der Ostseeregion, im Mittelmeer und den in Westeuropa gelegenen Meeren finanziert. Ich ersuche die Kommission, eine ähnliche Studie für die Schwarzmeerregion durchzuführen und in der Schwarzmeerregion den von der Agentur entwickelten Dienst CleanSeaNet zu nutzen, der es ermöglicht, Ölverschmutzungen zu erkennen und europäische Gewässer zu überwachen.

 
  
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  Roberts Zīle, im Namen der UEN-Fraktion.(LV) Danke. Herr Präsident, Herr Kommissar! Zunächst möchte ich Herrn Costa danken, der den Entschließungsantrag zum diskutierten Thema im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr einbrachte. Politisch wünschte ich mir jedoch eine viel schnellere Reaktion als lediglich zu betonen, der Rat dürfe nicht zögern, zu den sieben Legislativvorschlägen im dritten Paket „Seeverkehrssicherheit“ Stellung zu nehmen. Meiner Meinung nach löst dies nichts auf den ökologisch gefährdeten Binnenmeeren wie dem Schwarzen Meer oder der Ostsee, die sowohl von EU-Mitgliedstaaten als auch von Russland als Küstenstaaten umgeben sind. Angesichts des Ölpreisniveaus und der damit einher gehenden Gewinne werden die russischen Ölexporte über die Meere künftig rasant steigen. Dies entspricht Russlands Verkehrspolitik: Erdöl über eigene Binnenhäfen zu exportieren, während gleichzeitig die Pipelines in den EU-Ölterminals bei Ventspils und Būtingė geschlossen bleiben. Können wir künftig einen wachsenden Bedarf an diesen Tankern erwarten und wird Russlands Tankerflotte die notwendigen Investitionen erhalten, damit keine 40 Jahre alten Einhüllentanker und Flussschiffe mehr zum Einsatz kommen? Ich denke nicht. Die Grundmotivation für den potenziellen Seetransport von Erdöl sind Wracks, die möglichst billig sind. Wenn strenge Maßnahmen zur Seeverkehrssicherheit nur in der Europäischen Union gelten, wird dies nach meinem Dafürhalten nicht die Umwelt in den angrenzenden Meeren retten, wenn wir keine internationalen Standards durchsetzen können. Ich danke Ihnen.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE). - (HU) In vielen Bereichen sind wir in den letzten Jahrzehnten Zeugen explosiven Wachstums geworden, aber nichts ist vergleichbar mit dem Zuwachs im weltweiten Handel und in Verbindung damit mit dem Transport von Waren. Der Seeverkehr spielt für diesen rapiden Anstieg eine herausragende Rolle, weil 90 % des EU-Außenhandels auf diesem Weg abgewickelt werden. Da es sich um die wichtigste Transportart handelt, erwarten die Menschen meiner Ansicht nach zu Recht, dass diese Form der Beförderung von Personen und Gütern sicher und sauber ist, damit die Gefahr von Schiffshavarien und durch Schiffe verursachte Umweltverschmutzung eingedämmt wird.

In den vergangenen Monaten haben sich drei große Katastrophen ereignet, deren Gesamtausmaß dem der durch die Exxon Valdez 1989 verursachten Verschmutzung entspricht. Das sollte für Ernüchterung sorgen. Aufmerksamkeit muss auf die Bedeutung der Prävention und der Anwendung von wirksamen Maßnahmen gelenkt werden. Die durch solche Havarien verursachte Umweltverschmutzung macht nicht an den Grenzen eines Landes oder Kontinents halt, sondern gefährdet und zerstört letztlich unwiderruflich unsere gemeinsamen Werte und Naturschätze. Darum besteht dringender Bedarf an einer effizienteren Koordination auf internationaler Ebene und ernsthafter Beteiligung an aktiver Prävention und Sanierungsarbeiten nach Havarien. Darüber hinaus müssen die internationalen Gesetze in diesem Bereich unverzüglich überprüft und Lücken geschlossen werden. Schiffen, die für Flüsse ausgelegte sind, muss untersagt werden, Meere zu befahren, und das Verursacherprinzip muss wirksam durchgesetzt werden. Vorrangige Pflicht der Europäischen Union ist es, auf Maßnahmen für den sicheren Seeverkehr auf internationaler Ebene zu drängen, wie dies in der EU bereits geschehen ist. Vielen Dank.

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (PSE).(RO) Herr Präsident! Die Havarie im November hat sowohl im Schwarzen Meer als auch im Asowschen Meer Umweltschäden verursacht, womit bewiesen wäre, dass Meeresgewässer keine Grenzen haben und Ölverschmutzungen, die durch Unglücke außerhalb des europäischen Raums verursacht werden, auch die Ökosysteme der Küsten der Mitgliedstaaten beeinflussen können.

Die gesunkenen Schiffe, die für die Verschmutzung des Schwarzen Meeres verantwortlich sind, waren für die Binnenschifffahrt und nicht für den Seeverkehr ausgelegt. Tonnen von Öl sind deshalb ins Meer ausgelaufen und haben dadurch die natürlichen Lebensräume des Meeres beeinträchtigt. Über 15 000 Vögel und Delphine wurden mit Heizöl verschmiert und mehrere seltene Tier- und Pflanzenarten, die an der Küste und auf dem Grund des Schwarzen Meeres vorkommen, wurden vernichtet. Große Anstrengungen sind jetzt erforderlich, um die Unversehrtheit des Ökosystems des Schwarzen Meeres wiederherzustellen.

Die Zerstörung aquatischen Lebens hat zahlreiche negative Folgen, da die Umweltsicherheit sowie die Qualität des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden. Der akute Einschnitt in die biologische Vielfalt des Schwarzen Meeres ist wegen der anhaltenden Zerstörung des Ökosystems, illegaler Fischerei und des Raubbaus an natürlichen Rohstoffen besorgniserregend, und Ölverschmutzungen tragen zur Verschlechterung der Umweltbedingungen in dieser Region bei, von der man sagt, dass sie die am stärksten verschmutzte Region der Welt sei.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich verpflichtet, den Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2010 zu stoppen, und diese Ziele müssen auch im Meeresbereich erreicht werden.

Wir müssen in der Europäischen Union dafür Sorge tragen, dass die Sicherheit des Seeverkehrs gewährleistet ist und dass Seegrenzen so effizient wie möglich vor grenzüberschreitenden Bedrohungen geschützt werden. Zudem wird in dem neuen „Grünbuch – Marktwirtschaftliche Instrumente für umweltpolitische und damit verbundene politische Ziele“ angestrebt, das Verursacherprinzip besser durchzusetzen, und ich hoffe, dass die Verfahren zur Verhinderung derartiger ökologischer Katastrophen dadurch positiv beeinflusst werden.

 
  
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  Nickolay Mladenov (PPE-DE).(BG) Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Schwarze Meer bildet nach dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien nicht nur eine Außengrenze der Europäischen Union, sondern birgt auch ein enormes wirtschaftliches Potenzial für die Entwicklung unserer Union in sich. Betrachtet man das Schwarze und das Kaspische Meer als eine Region, so hat ihr Markt ein potenzielles Außenhandelsvolumen von über 200 Millionen Euro mit einer Bevölkerung von mehr als 350 Millionen Menschen.

Gestatten Sie mir, kurz an die Debatte im September unmittelbar nach den großen Überschwemmungen und Bränden in Europa zu erinnern. Damals beschäftigten wir uns mit der Notwendigkeit des Aufbaus gemeinsamer Kräfte, um den Mitgliedstaaten zu helfen, mit Naturkatastrophen wie solchen in jenem Jahr fertig zu werden. Ein ähnlicher Bedarf kann jetzt in der Schwarzmeer-Region ausgemacht werden. In erster Linie appelliere ich an die Europäische Kommission und natürlich an die Mitgliedstaaten, allen voran Bulgarien und Rumänien, eine Dringlichkeitsstudie zur Ermittlung des Bedarfs für ein regionales Rettungszentrum für die Schwarzmeer-Region durchzuführen, um Länder bei der Bewältigung von Notsituationen wie jenen, deren Zeugen wir vor einigen Monaten geworden sind, zu unterstützen. Zweitens sollten die Ursachen für die Havarien und alle anderen Unglücke im Schwarzen Meer genauestens analysiert werden, um daraus zu lernen und Empfehlungen für unsere Politik in der Region geben zu können. Drittens ist es an der Zeit, ein regionales Schifffahrtsinformationszentrum für das Schwarze Meer einzurichten, das zur Sicherheit der Transportrouten und allgemein der Schifffahrt in der Region beiträgt.

Mit der Tragödie in der Straße von Kertsch müssen wir leben und möglichst schnell zurechtkommen. Dies gilt vor allem für diejenigen unter uns, deren Heimatländer an die Schwarzmeer-Region grenzen. Aber nehmen wir diesen tragischen Vorfall zum Anlass, um sowohl nach Voraussetzungen als auch Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und anderen Schwarzmeeranrainern zu suchen, um die Sicherheit dieser wichtigen europäischen Route zu erhöhen. Vielen Dank.

 
  
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  Roberta Alma Anastase (PPE-DE).(RO) Meine Damen und Herren! Als Berichterstatterin über die regionale Zusammenarbeit am Schwarzen Meer begrüße ich diese Aussprache, bedauere aber auch zutiefst, dass unser Diskussionsthema eigentlich die Bestätigung für die traurige Tatsache liefert, dass die Europäische Union dem Schwarzen Meer noch immer nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenkt und dass die Umsetzung der geplanten Maßnahmen noch kein befriedigendes Niveau erreicht hat.

Ich möchte Sie dennoch daran erinnern, dass mit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens das Schwarze Meer teilweise zu einem Binnenmeer geworden ist und wir seine strategische Bedeutung für die ganze Welt nicht ignorieren können.

Aus Sicht der Energie- und Verkehrspolitik der Europäischen Union ist die Schwarzmeerregion von größter Bedeutung. Deshalb müssen wir eine globale und kohärente Strategie für die gesamte Region entwickeln, eine Strategie, die auf die Gewährleistung von Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und vollständige Einbeziehung von Umweltschutzaspekten abzielt. Mehr noch – zur Förderung einer wahrhaftigen Politik auf regionaler Ebene müssen alle Schwarzmeeranrainerstaaten gemeinsame, über den nationalen und bilateralen Rahmen hinausgehende Anstrengungen unternehmen.

In diesem Sinne begrüße ich, dass im Jahr 2007 die Schwarzmeersynergie ins Leben gerufen wurde, aber ich möchte auch einen wesentlichen Aspekt aus meinem Bericht wiederholen, und zwar, dass konkrete und entschiedene Schritte notwendig sind, um sowohl in der Region selbst als auch zwischen der Region und der Europäischen Union diese Initiative zur Zusammenarbeit zu entwickeln und zu verwirklichen.

Dass wir unsere Anstrengungen in diesem Bereich vereinen müssen, hat uns die tragische Ölpest vom 11. November 2007 gezeigt. Die Europäische Union muss insgesamt eine zentrale Rolle spielen, indem sie intensiv an der Entwicklung der Schwarzmeersynergie mitwirkt und auch ihre Nachbarn und Partner dazu ermutigt. Das ist unsere einzige Möglichkeit, effizient auf die Erwartungen und Forderungen unserer Bürger, die heute mit den unmittelbaren Folgen der Katastrophe vom 11. November konfrontiert werden, zu reagieren.

 
  
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  Rumiana Jeleva (PPE-DE). - (BG) Zuallererst möchte ich meine Zufriedenheit angesichts der Tatsache zum Ausdruck bringen, dass die Kommission diesen Standpunkt ausgearbeitet hat. Die Aussprache zeigt, dass das Schwarze Meer jetzt im Brennpunkt der europäischen Politik und im Fokus europäischer Politiker liegt. Ich begrüße diesen Ansatz und denke, dass er allen Bürgern der EU zugute kommt. Wie bereits erwähnt, sollte wesentlich mehr zum Schutz der Schwarzmeer-Region unternommen werden. Die Frage, die sich stellt, lautet: Wie können Katastrophen wie die, die sich in der Straße von Kertsch ereignet hat, verhindert werden? Denn Unglücke lassen sich nie ganz vermeiden, aber ihre Ursachen können auf jeden Fall minimiert werden.

Zwei Möglichkeiten bieten sich, um unsere Meere besser zu schützen. Erstens müssen wir die regionale Zusammenarbeit weiter vorantreiben. Zweitens bedarf es im Schulterschluss mit regionaler Kooperation einer vernünftigeren Schifffahrtspolitik. Die im dritten Paket der Meerespolitik vorgeschlagenen Maßnahmen weisen in die richtige Richtung und sollten bestmöglich umgesetzt werden. Ihre Durchsetzung ist für die Verhinderung von Ereignissen wie der Havarie in der Straße von Kertsch im Schwarzen Meer unumgänglich. Da das Europäische Parlament und die Kommission schon vor einiger Zeit ihre Unterstützung für das Maßnahmenpaket angekündigt haben, ist es jetzt an der Zeit, dass der Rat aktiver wird und die nötigen Schritte zur Einführung des Paketes ergreift. Die erfolgreiche Umsetzung der im Paket vorgesehenen Maßnahmen in Verbindung mit einer verbesserten regionalen Zusammenarbeit, zum Beispiel im Rahmen der Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation und der DABLAS-Initiative zum Schutz der Umwelt, könnten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Meere leisten und gleichzeitig eine höhere Wettbewerbsfähigkeit unserer Schifffahrtsindustrie gewährleisten.

Meiner Ansicht nach beweist die Havarie erneut die Bedeutung der Gewässerproblematik und den Bedarf an angemessenen Politiken, um Unfälle dieser Art zu vermeiden und die Umwelt zu schützen. Darum bin ich der festen Überzeugung, die Zeit ist wirklich reif für die Ausarbeitung und das Inkrafttreten des dritten Maßnahmenpakets im Rahmen der Meerespolitik. Vielen Dank.

 
  
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  Gabriele Albertini (PPE-DE). - (IT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, sehr verehrte Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr möchte ich darlegen, warum wir diesen Entschließungsantrag betreffend Schiffshavarien in der Straße von Kertsch im Schwarzen Meer einreichen. Wir erklären unsere Solidarität mit den Opfern dieser Katastrophe.

Wir fordern den Rat und die Kommission auf, die Lage im Schwarzen Meer sorgfältig zu beobachten und konkrete Schritte zu ergreifen, um die ökologischen Folgen des Unglücks einzudämmen. Europa verfügt momentan noch nicht über die Palette an Verordnungen, derer es bedarf, um eine Wiederholung folgenreicher Unfälle vom Ausmaß der Havarie im Schwarzen Meer zu verhindern. Unter anderem müssen die betreffenden Verordnungen Staaten für die Sicherheit von Schiffen verantwortlich machen, die unter ihrer Flagge fahren, sowie für die strafrechtliche Verfolgung, einschließlich durch Zivilverfahren, der Verantwortlichen für solche Umweltkatastrophen.

Obgleich das Europäische Parlament im April 2007 in erster Lesung das dritte Paket zur Meeressicherheit verabschiedet hat, hat der Rat es bislang nicht vollständig genehmigt und blockiert es aus unerfindlichen Gründen – trotz der vom portugiesischen Vorsitz diesbezüglich eingegangenen Verpflichtung gegenüber dem Verkehrsausschuss und dem Parlament. Das aus sieben Berichten bestehende Paket ist umfassend: Es beinhaltet eine Erhöhung der Normen für die Sicherheit im Seeverkehr, den Schutz von Fahrgästen, die Eingrenzung von Umweltschäden bei Havarien und die Festlegung von Pflichten und Zuständigkeiten von Staaten, Beförderungsunternehmen und Schiffseignern. Indem der Rat die Auseinandersetzung abbricht und manchen Aspekten Vorrang einräumt, zeigt sich, dass er sich der Sicherheitsfrage nicht ernsthaft stellen und das Paket in seiner Gesamtheit stoppen will.

Die Sicherheit im Seeverkehr ist ein zu wichtiges Thema, um damit taktische Spiele zu spielen, zu schwerwiegend angesichts der vergangenen Ereignisse: die Erika, die Prestige, jüngst die Segesta Jet in der Straße von Messina und die Sea Diamond in Santorini! Wegen der Unglücke, die sich bereits ereignet haben, und durch den zunehmenden Seeverkehr in Europa und der Welt könnten die Risiken künftig noch steigen.

Aus diesem Grund vertritt das Europäische Parlament die Auffassung, alle sieben Vorschläge müssten schnellstmöglich vorangetrieben werden, bevor sich eine weitere Umweltkatastrophe ereignet, die Menschenleben kostet. Ziel ist dabei die Harmonisierung der Klassifikationsarten, die Verpflichtung zur Überwachung von Schiffen, die unter der jeweiligen Landesflagge fahren, die Gewährleistung der Inspektion von Schiffen in Häfen und die Überwachung und der Umgang mit Zuständigkeiten im Hinblick auf Dritte und Fahrgäste. Darum fordern wir den Rat auf, nicht die Augen zu verschließen vor dieser tragischen Warnung des Schwarzen Meeres.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. – Herr Präsident! Ich würde gern auf mehrere Themen eingehen. Erstens auf die von einigen Kollegen angesprochene Russlandfrage. Zunächst muss ich darauf hinweisen, dass das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz ausschließlich auf Anfrage eines betroffenen Landes zur Anwendung kommen kann. Wir haben sowohl der Ukraine als auch der Russischen Föderation offiziell und schriftlich Hilfe angeboten. Die Ukraine hat dieses Angebot angenommen, Russland nicht.

Was das Thema der Sicherheit des Seeverkehrs im Allgemeinen angeht, hat sich mein Kollege, Vizepräsident Barrot, am 10. Dezember schriftlich an seinem Kollegen, Herrn Lewitin, den russischen Verkehrsminister, gewandt, um mit Blick auf die Verbesserung der Sicherheit im Seeverkehr genau diese Fragen aufzuwerfen und die Bedeutung einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland sowohl im Schwarzen Meer als auch in der Ostsee zu betonen.

Umweltprobleme wie die Meeresverschmutzung auf regionaler Ebene aufzugreifen gehört zu den Ecksteinen der europäischen Meeresstrategie und der vom Rat und Parlament in zweiter Lesung angenommenen Meeresstrategie-Richtlinie. Ich halte das für eine sehr positive Entwicklung.

Die Kommission hat ihre Vorstellungen von einer Strategie für diese Region in ihrer Mitteilung „Die Schwarzmeersynergie – eine neue Initiative der regionalen Zusammenarbeit“ dargelegt. Die darin vorgeschlagene Initiative setzt in erster Linie auf Regionalpolitik. Von den jüngsten Schiffshavarien im Schwarzen Meer waren vor allem spezielle Schiffstypen, seegängige Flussschiffe, betroffen: Öltanker, die ausschließlich und auch nur unter bestimmten Auflagen für die Seeschifffahrt zugelassen sind.

Die Kommission sieht nicht ohne Beunruhigung die Möglichkeit, dass Schiffe dieses Typs auch andere Meere in der Europäischen Union oder an diese angrenzende Meere, insbesondere die Ostsee, befahren könnten. Innerhalb der EU haben wir strenge Bestimmungen zur Gewährleistung der Sicherheit im Seeverkehr sowie der Schiffssicherheit, aber auch das, was in internationalen Gewässern passiert, ist für uns Anlass zur Sorge, denn erstens könnte davon auch sehr schnell die EU betroffen sein und zweitens machen wir uns generell Gedanken über die weltweite Umwelt. Die jüngsten Havarien zeigen auch, dass sich sowohl die EU als auch die internationale Gemeinschaft weiterhin energisch für die Sicherheit im Seeverkehr einsetzen müssen.

Vor diesem Hintergrund kommt es jetzt darauf an, wie ja auch das Parlament und einige seiner Abgeordneten schon betont haben, die sieben Vorschläge des Dritten Pakets „Seeverkehrssicherheit“ möglichst schnell zu prüfen.

Im Bereich Katastrophenschutz arbeitet die Kommission schließlich an einer kontinuierlichen Verbesserung der Hilfsinstrumente der Gemeinschaft, zum Beispiel des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz, um für den Fall, dass sich solche Katastrophen in Zukunft wiederholen, effektive Sofortmaßnahmen ergreifen zu können. Zu diesem Zweck müssen wir mit unseren Nachbarn, zum Beispiel den Schwarzmeeranrainerstaaten, und natürlich auch mit anderen Drittländern zusammenarbeiten.

Ich danke den Mitgliedern für diese Aussprache und werde die von Ihnen angesprochenen interessanten Punkte mit meinem Kollegen diskutieren.

 
  
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  Der Präsident. – Es wurde ein Entschließungsantrag(1) gemäß Artikel 103 Absatz 2 und Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 13. Dezember 2007 statt.

(Die Sitzung wird um 19.30 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: RODI KRATSA-TSAGAROPOULOU
Vizepräsident

 
  

(1) Siehe Protokoll.


16. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll

17. Einlagensicherungssysteme (Aussprache)
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  Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt der Bericht von Christian Ehler im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über Einlagensicherungssysteme (2007/2199(INI)) (A6-0448/2007).

 
  
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  Christian Ehler, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute einen Bericht vorstellen kann, der im Ausschuss für Wirtschaft und Währung einstimmig angenommen wurde. Im Vorfeld der Abstimmung ist die Zukunft der Einlagensicherungssysteme in unserem Ausschuss insbesondere vor dem Hintergrund bestehender regionaler Sonderprobleme, aber auch durch die zeitliche Nähe zur Krise auf dem US-Immobilienmarkt kontrovers diskutiert worden.

Von der Kommission wurde Ende 2006 eine Mitteilung zur Überprüfung der aus dem Jahre 1994 stammenden Richtlinie über Einlagensicherungssysteme vorgelegt. Zur Erarbeitung dieser Mitteilung hat die Kommission im Vorfeld eine Konsultation durchgeführt. Auf Basis dieser empirischen Bewertung der Richtlinie können wir feststellen, dass die Ziele der Richtlinie im Grunde erreicht wurden und dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein legislativer Änderungsbedarf besteht.

Die zunehmenden grenzüberschreitenden Strukturen der Finanzmärkte in Europa verlangen aber, dass wir die Frage der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Einlagensicherungssysteme in Europa stärker ins Zentrum rücken. Die Kommission hat in ihrer Mitteilung Ausführungen darüber gemacht, in welchen Bereichen durch selbstregulatorische Maßnahmen oder durch eine veränderte Handhabe der rechtlichen Grundlagen weitere Verbesserungen im Interesse der Verbraucher erreicht werden können.

Dieser Weg sollte aus unserer Sicht weiter beschritten werden. Gerade den dynamischen Diskussionsprozess zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem EFDI, der Organisation der Einlagensicherungssysteme in Europa, halten wir für einen sehr sinnvollen Prozess, um sich möglichst schnell an die Gegebenheiten adaptieren zu können.

Auch das Nordea-Problem ist nicht geeignet, um eine neue, teure Änderung der Richtlinie zum jetzigen Zeitpunkt einzufordern. Ich bin der Kommission daher dankbar, dass in aller Deutlichkeit hervorgehoben wurde, dass das Nordea-Problem, das ja im Wesentlichen die Frage der Rückübertragung eingezahlter Beträge betrifft, durch die Mitgliedstaaten selber zu lösen ist.

Die Einlagensicherungssysteme in den skandinavischen Ländern und die dortigen Aufsichtsbehörden müssen selbst entscheiden, ob eingezahlte Beiträge zurückerstattet werden oder ob man die dortige Einlagensicherung wie eine Versicherung betrachtet und keine Rückerstattung erfolgt. Dies ist ein grundsätzliches Problem, aber ein grundsätzliches Problem der Mitgliedstaaten.

Der Bericht kann im Grunde genommen in drei Teile gegliedert werden, zum einen, die Auseinandersetzung mit und eine Positionierung zu der von der Kommission gemachten Untersuchung, wie beispielsweise die Höhe der Mindestsicherung, zum anderen, im zweiten Teil, eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die unterschiedlichen Einlagensicherungssysteme in Europa zu nicht akzeptablen Wettbewerbsverzerrungen führen. Der dritte Teil setzt sich mit dem künftigen Krisen- und Risikomanagement auseinander.

Zum ersten Teil meines Berichts möchte ich mich ganz kurz fassen, da relativ wenig kontrovers diskutiert wurde und er die Ergebnisse der Konsultation zu den Einlagensicherungssystemen widerspiegelt. Ich denke, mit unserer Aussage zur Mindestabsicherung, die bei der nächsten Novellierung der Richtlinie einen Inflationsausgleich erhalten sollte, haben wir einen Interessenausgleich zwischen neuen und alten Mitgliedstaaten in dieser Frage herbeigeführt. Ich möchte deutlich betonen, dass es jedem Mitgliedstaat und jedem Einlagensicherer bereits heute freisteht, über das europäische Mindestniveau mit der Absicherung der Einlagen hinauszugehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der im Bericht reflektiert wird, ist die Auseinandersetzung mit der Frage: Verursachen die unterschiedlichen Einlagensicherungssysteme und ihre verschiedenen Finanzierungsarten Wettbewerbsverzerrungen? Die Kommission hat Ausführungen gemacht und eine Studie vorgelegt, die eine Harmonisierung der Finanzierung für einzelne Mitgliedstaaten nach sich ziehen würde.

Wenn Mitgliedstaaten mit Ex-post-Systemen jetzt aufgefordert werden sollten, ihre Einlagensicherung vollständig neu zu gestalten und auch hohe Kosten zu tragen, muss vorher geklärt werden, ob die Verschiedenheit der Systeme mit nicht akzeptablen und teuren Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt überhaupt zu vertreten ist. Die Untersuchungen liegen nicht vor, das wird eine wichtige Aufgabe der Zukunft sein.

Der dritte Teil des Berichts setzt sich mit der Frage des Risiko- und Krisenmanagements auseinander. Der Binnenmarkt und die zunehmende grenzüberschreitende Verflechtung erfordern es, dass wir untersuchen, ob das Risiko- und Krisenmanagement im grenzüberschreitenden Bedarfsfall reibungslos funktioniert. Hier muss dringend eine intensive Diskussion mit allen Beteiligten geführt werden. Dabei sind auch klassische Fragestellungen wie free rider-Problematik oder moral hazard anzusprechen.

Ich glaube, für die Beurteilung des Krisen- und Risikomanagements für tragbare Arrangements hinsichtlich der Lastenverteilung im grenzüberschreitenden Krisenfall und gemeinsame Methoden zur Risikofrüherkennung oder die Erarbeitung eines Systems zur Einführung risikoabhängiger Beiträge sind unbedingt empirische Studien notwendig, die die weitere Diskussion bestimmen sollten.

Vor diesem Hintergrund lehne ich auch entschieden den Änderungsantrag der PSE ab. Hierdurch werden bestehende Wettbewerbsverzerrungen in den Raum gestellt, die im Moment durch nichts belegt sind. Wir glauben, dass der jetzige Prozess der richtige Weg ist.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung und im Besonderen dem Berichterstatter Christian Ehler für die Unterstützung der in unserer Mitteilung skizzierten Politik herzlich danken.

Ich begrüße Ihren Standpunkt, dass Legislativvorschläge in dieser Phase nicht angebracht sind. Einige Problembereiche können durch bestehende Vorschriften ohne großen Kostenaufwand und durch Zusammenarbeit mit dem europäischen Forum der Einlagenversicherer EFDI (European Forum of Deposit Insurers) verbessert werden. Die jüngsten finanziellen Turbulenzen beweisen, wie wichtig es in einer Finanzkrise ist, Einlagen zu sichern bzw. das Vertrauen der Sparer nicht zu verlieren. Für Einlagensicherungssysteme scheinen zwei Elemente entscheidend zu sein: eine ausreichende Deckung sowie eine kurze Auszahlungsfrist. Wenn Einleger wissen, dass ihre Einlagen gedeckt und sie als Sparer überzeugt sind, dass die gesicherten Einlagen zügig rückerstattet werden, besteht keine Notwendigkeit für sie, vor einer Bank Schlange zu stehen.

Die bestehende Richtlinie hat sich als flexibel erwiesen und erlaubt es den Mitgliedstaaten die Deckung entsprechend ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Lage zu erhöhen. Mitgliedstaaten können unverzüglich handeln, wenn sich ihre Mindestabsicherung als unzureichend erweist. Die zeitnahe Auszahlung von gesicherten Einlagen kann in der Tat verbessert werden. In Übereinstimmung mit der Richtlinie sollte die Rückerstattung im Normalfall drei Monate nicht überschreiten, aber das entspricht dem Stand der Technik von 1994. Darum haben wir das EFDI gebeten, die Hemmnisse zu ermitteln, die einer schnellen Auszahlung im Wege stehen.

Einleger müssen auch auf den ihnen zur Verfügung stehenden Schutz hingewiesen werden. Die in der Richtlinie verankerten Informationspflichten werden in Europa in unterschiedlicher Weise ausgelegt. Darum haben wir das EFDI ersucht, bewährte Verfahren für die Verbesserung der Verbreitung entsprechender Informationen für Einleger aufzuzeigen. Im Hinblick auf grenzüberschreitende Krisen teile ich die Ansicht des Parlaments zum Bedarf an Klarheit, was die Lastenaufteilung und das Zusammenspiel aller Betroffenen betrifft, bevor eine Notsituation eintritt. Die Schlussfolgerungen des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ lassen in diesem Punkt keine Fragen offen. Ich habe den Vorschlag zur Kenntnis genommen, das EFDI möge sich an allgemeinen Diskussionen über eine Lastenaufteilung beteiligen. Lassen Sie mich betonen, dass nur sehr wenige Systeme über Befugnisse verfügen, die über eine reine Sparerentschädigung hinausgehen. Ihre Mittel decken auch nur einen Bruchteil der Beträge ab, um die es bei einer schweren grenzüberschreitenden Krise geht. Darum kann ich den Vorschlag, das EFDI in allgemeine Diskussionen über eine Lastenaufteilung einzubinden, nicht unterstützen.

Der Bericht unterstreicht auch die Bedeutung der Beseitigung möglicher Marktverzerrungen. Diese Fragen werden wir aufforderungsgemäß untersuchen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wir aber der Meinung, die hohen Kosten für eine vollständige Harmonisierung des bestehenden Rechtsrahmens wären mit einem geschätzten Aufwand von 2,5 Milliarden bis 4,5 Milliarden Euro nicht gerechtfertigt. Für Fragestellungen, was gleiche Wettbewerbsbedingungen betrifft, wird bereits nach einer Lösung gesucht. So muss beispielsweise eine Aufstockung ermöglicht werden, wenn eine Zweigniederlassung in einem Aufnahmemitgliedstaat einen besseren Schutz gewähren kann, als der Herkunftsmitgliedstaat. Manchmal haben Vereinbarungen zwischen Systemen in unterschiedlichen Mitgliedsländern in der Praxis jedoch nicht funktioniert, und wir unterstützen die Bestrebungen des EFDI, eine freiwillige Modellvereinbarung zu erreichen. Einige EU-Mitgliedstaaten passen Beiträge durch ihre Systeme bereits entsprechend den individuellen Risiken der Banken an. Wir möchten interessierten Mitgliedstaaten dabei zur Seite stehen, denn ein solcher Ansatz würde zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für Banken mit ähnlichen Risikoprofilen beitragen.

Abschließend Folgendes: Europa braucht Einlagensicherungssysteme, die Sparern in einer Finanzkrise Vertrauen geben. Ich bin überzeugt davon, dass wir diesem Ziel mit den vorgesehenen Verbesserungen näher kommen werden.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! An erster Stelle möchte ich allen danken, denn dieser Themenbereich ist von besonderer Aktualität.

Bekanntermaßen haben die gegenwärtigen Finanzturbulenzen die Bedeutung des grenzüberschreitenden Krisenmanagements und der Entscheidung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ für mehr Vorabkoordinierung zwischen Mitgliedstaaten unterstrichen. Vor allem Überwachungssysteme dürften jetzt ganz dringend benötigt werden.

Banken stehen im Zentrum des Zahlungssystems und arbeiten mit den Spareinlagen von Durchschnittsbürgern, die keine Finanzexperten sind. Aus diesem Grund ist das einwandfreie Funktionieren der Zahlungssysteme sowie des Clearing- und Abrechnungssystems besonders wichtig. Viele Banken sind mittlerweile grenzüberschreitend tätig. Uneinheitliche rechtliche Rahmenbedingungen sind nicht zweckdienlich. Gegenwärtig sind nicht einmal die Kontoarten, die unter die Anforderungen des Einlagensicherungssystems fallen, in allen Mitgliedstaaten gleich.

Das sollte nicht zum Problem der Sparer werden. Der Berichterstatter Christian Ehler hat mit seinem Bericht gute Arbeit geleistet und ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft gezeigt. Vor allem unterstreicht der Bericht zu Recht die Bedeutung der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen. Wie der Herr Kommissar äußerte, ist die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen von großer Wichtigkeit.

Allerdings geht der Bericht zu meinem Bedauern nicht auf die Frage der Ex-ante-Einlagensicherungssysteme ein. Obgleich die Mitgliedstaaten mit Ex-post-Einlagensicherungssystemen behaupten, es handle sich dabei um ein Problem, das Skandinavien und die nordischen Märkte beträfe, ist dem nicht so. Tatsächlich sind sie für den gesamten Binnenmarkt im weiteren Sinne wettbewerbsfeindlich. In der Tat sind die meisten Systeme in Europa Ex-ante-Systeme. Wenn die Regeln für die Rückerstattung und Übertragbarkeit von Mitteln, die in diese Systeme eingezahlt werden, nicht harmonisiert werden, wird dadurch die Wahl zwischen Zweigniederlassungs- und Tochtermodellen im Aufnahmemitgliedstaat verzerrt, was zu Wettbewerbsverzerrung führt. Darum ist es äußerst begrüßenswert, dass die Kommission dieses Problem untersucht und analysiert, ob Wettbewerbsverzerrungen vorliegen sowie mögliche Empfehlungen für die Zukunft in diesem Bereich abgibt, vor allem zur Rückerstattung und Übertragbarkeit von Ex-ante-Einlagensicherungen, die bereits eingezahlt wurden.

Ich begrüße die Initiative der Kommission und den Bericht von Christian Ehler, aber damit ist es noch nicht getan, die Arbeit muss weitergehen.

 
  
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  Pervenche Berès, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich danke dem Berichterstatter für den vorgelegten Text. Dieses Mal würde ich mich zahlreichen Anmerkungen von Frau Kauppi anschließen. Wir haben im Frühjahr begonnen, an diesem Text zu arbeiten, und ich denke, dass diejenigen von uns, die der Meinung waren, dass er genau zur rechten Zeit kam, durch die Ereignisse in diesem Sommer Bestätigung erhalten haben.

Was in diesem Sommer geschehen ist, wirft Fragen zu Einlagensicherungssystemen auf. Wir können einfach nicht mit einem System leben, in dem viele Marktakteure grenzüberschreitend tätig sind, ohne über Einlagensicherungsvereinbarungen zu verfügen, die zumindest abgestimmt sind oder aufgrund des Wettbewerbs sowie auch des Vertrauens in die Marktmechanismen auf gemeinsamen Grundsätzen beruhen.

Während mehrerer Reisen in diesem Sommer – nicht nur in den skandinavischen Ländern – bin ich sehr bestürzt darüber gewesen, dass mir diese Frage des Sicherungssystems immer wieder gestellt und als entscheidend angesehen wurde. Ich kenne natürlich die Antwort des Kommissars: „Wenn Sie alle Einlagensicherungssysteme auf europäischer Ebene zusammennehmen, ist die Summe im Vergleich zu den Beträgen, die nötig sind, um die Krisen zu bewältigen, nichts als ein Wassertropfen im Ozean“. Das ist ein schwaches Argument, wenn wir unsere Probleme sowohl in Bezug auf den Wettbewerb als auch auf das Vertrauen in die Marktmechanismen lösen wollen, zumal dies verheerende Auswirkungen auf die Geschäftsstrategien der Unternehmen hat, die plötzlich aus nichtigen Gründen zwischen ihren verschiedenen Tochterfirmen und Niederlassungen vermitteln müssen.

Auf der Grundlage aller dieser Argumente habe ich meine Fraktion um Unterstützung gebeten. Die Fraktion hat einen Änderungsantrag eingereicht, der die Kommission auffordert, zügiger zu arbeiten und den Erwartungen der Menschen gerecht zu werden, die vielleicht ihre Forderung zwar nicht laut und vernehmlich kundtun, jedoch beruhigt sein wollen, was die Funktionsweise der europäischen Finanzmärkte und ihre Handlungsweise betrifft. Ein gutes Einlagensicherungssystem auf europäischer Ebene kann nur dazu beitragen.

Herr Kommissar, ich glaube, dass es zu Ihren Aufgaben gehört, sich darüber im Klaren zu sein, inwieweit Vertrauen in die Funktionsweise der Finanzmärkte auf europäischer Ebene besteht oder nicht. Ich meine, dass es kaum ausreicht, einfach dazusitzen und auf neue Studienergebnisse zu warten. Sie müssen handeln, um die Reaktion zu beschleunigen, damit wir auf einer besser harmonisierten Grundlage mit einem besseren und transparenteren Verständnis der Einlagensicherungssysteme und ihrer Funktionsweise auf europäischer Ebene voranschreiten können.

 
  
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  Wolf Klinz, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einlagensicherungssysteme sind, wie schon gesagt, vor allem in den letzten Wochen wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangt. Der Fall von Northern Rock, der Ansturm von Hunderten von Kunden auf die Bank und die Frage der Anlegerentschädigung im Falle eines Kollapses des Instituts sind uns noch frisch im Gedächtnis.

Das zeigt nur zu gut, dass die weltweite Finanzmarktintegration auch für Europa neue Herausforderungen mit sich bringt. Die zunehmend grenzüberschreitende Konsolidierung im Bankensektor wirft Fragen nach der zuständigen Aufsicht, dem angemessenen Schutz durch die Sicherungssysteme und ihrer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf. Seit 1994 ist das Mindestschutzniveau auf europäischer Ebene, wie wir wissen, auf 20 000 Euro festgelegt, in Wirklichkeit ist es in vielen Staaten natürlich sehr viel höher. Die Finanzierung der Sicherungssysteme ist jedoch Sache der Mitgliedstaaten, und die Strukturen der Sicherungseinrichtungen sind ziemlich unterschiedlich.

Insbesondere folgende Punkte müssen deshalb geklärt werden, und zwar schnell: das notwendige Ausmaß einer Harmonisierung der Einlagensicherungssysteme, ihre Finanzierung sowie die proaktive Ex-ante-Mittelverwendung zur Schadensabwehr.

Bei grenzüberschreitenden Instituten stehen die Ausgestaltung der Aufsicht, insbesondere der Gruppenaufsicht, sowie die Kosten- und Lastenaufteilung – burden sharing – im Falle einer Krise im Mittelpunkt. Wenn eine Tochtergesellschaft in einem Gastland tätig ist und dessen Einlagensicherungssystem angehört und nach dem Prinzip der Gruppenaufsicht der Aufsicht des Herkunftslandes untersteht, klaffen Aufsicht und Einlagensicherung auseinander, und das ist sicherlich nicht akzeptabel und nicht im Interesse der Anleger.

Ich unterstütze allerdings die Linie des Berichterstatters. Bevor wir zu legislativen Maßnahmen greifen, sollten zunächst einmal die Mitgliedstaaten die bei ihren Einlagensicherungssystemen noch vorhandenen Schwachstellen eliminieren. Die Kommission ihrerseits sollte gleichzeitig – und zwar so schnell wie möglich – gezielte Untersuchungen zum grenzüberschreitenden Risikomanagement sowie eine genaue Analyse der Finanzierung der einzelnen Systeme vornehmen. Auf der Basis der so gewonnenen Erkenntnisse können legislative Maßnahmen, falls sinnvoll und notwendig, zu einem späteren Zeitpunkt ernsthaft erwogen werden.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte dem Berichterstatter dafür danken, dass er den Bedarf an Studien und Analysen betont hat, aber gleichzeitig zu der Schlussfolgerung kommt, im Falle von Verzerrungen im Markt müsse etwas getan werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Meines Erachtens ist dies eine wichtige Schlussfolgerung aus dieser Aussprache.

Man kann verschiedener Ansicht sein, ob es Verzerrungen gibt. Falls es denn welche gibt. Doch wenn dem so ist, muss etwas unternommen werden. Handlungsbedarf ist dann erforderlich, denn ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass wir mehr grenzüberschreitenden Wettbewerb und gleichzeitig den Schutz der Interessen der Verbraucher wollen.

Die Unterschiede zwischen verschiedenen Systemen müssen erörtert werden, denn wenn es in einigen Mitgliedstaaten Ex-ante-Systeme und in anderen unterschiedliche Ex-post-Systeme gibt, bei denen man in der Praxis davon ausgeht, dass der Staat die Banken rettet, die ihre Kunden nicht auszahlen können, dann liegt eine Verzerrung vor.

Meiner Meinung nach gibt es bereits aufgrund unserer divergierenden Ansichten eine Wettbewerbsverzerrung. Diese ist um so gravierender, wenn sie zudem auf der Annahme beruht, der Staat sollten den Banken unter die Arme greifen, die nicht in der Lage sind, ihre Klienten zu bedienen.

Nach meinem Dafürhalten ist diese Schlussfolgerung auf der Grundlage des Berichts von Christian Ehler ein begrüßenswertes Ergebnis. Die Kommission sollte bei künftigen Aktionen unbedingt darauf eingehen.

Wir mögen unterschiedlicher Meinung sein, was den heutigen Stand der Dinge betrifft. Aber wir sind uns darüber einig, dass Handlungsbedarf besteht, wenn aus den durchzuführenden Studien hervorgeht, dass Verzerrungen existieren.

Ich möchte dem Berichterstatter dafür danken und auch den Herrn Kommissar auffordern, darauf mit Taten zu reagieren.

 
  
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  Antolín Sánchez Presedo (PSE). (ES) Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte Herrn Ehler für seine Arbeit danken, die zehn Jahre nach der Umsetzung der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme aus dem Jahr 1994 in einer Zeit finanzieller Turbulenzen erscheint, da Verbesserungen des europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen zur Diskussion stehen.

Gegenwärtig vertreten die Mitgliedstaaten in diesem Bereich sehr unterschiedliche Standpunkte, und wichtige Probleme müssen gelöst werden. Obgleich in den meisten EU-Mitgliedstaaten ein Ex-ante-System zur Anwendung kommt, gibt es noch immer erhebliche Unterschiede im Hinblick auf Sicherheiten, den Umfang der Mittel und Finanzierungsmöglichkeiten.

Dazu zwei Beispiele: Die Deckungssumme ist im Staat mit den umfangreichsten Schutzmaßnahmen acht Mal höher als in dem Land mit dem geringsten Schutz, und der Garantiefonds beläuft sich in einem Staat allein auf 40 % der europäischen Gesamtsumme. Dadurch entstehen Wettbewerbsverzerrungen. Das Ex-post-System bedroht die nationale und europäische Finanzstabilität in Krisenzeiten.

Auch internationale Banken stehen vor Problemen. Die Konsolidierung der Mittel aus unterschiedlichen Systemen birgt oft praktische Schwierigkeiten in sich. Eine Konzentration von Garantien in einem einzigen System kann nur durch eine Vielzahl von Vorschriften und zwischenstaatlichen Vereinbarungen erreicht werden, was das System zersplittert und anfälliger für die inakzeptable Kumulation von Risiken macht. Die Ziele des Einlagensicherungssystems werfen substantielle Fragen auf: Harmonisierung der Deckungssummen, risikobasierte Beiträge, Einsatz von Mitteln zur Gewährleistung der Liquidität, Lastenteilung, grenzüberschreitendes Krisenmanagement, Abwicklung von Institutionen und Zusammenarbeit zwischen Behörden.

Einlagensicherungssysteme sollten ein risikobasiertes Sicherheitsnetz bilden, das Sparer schützt, fairen und effizienten Wettbewerb ermöglicht, Stabilität in die Geldmärkte bringt und zu einer gerechten Lastenverteilung in Krisenfällen beiträgt.

Deshalb sollte die Nutzung all dieser Möglichkeiten im Rahmen der bestehenden Vorschriften einer gründlichen und ehrgeizigen Reform nach Abschluss der erforderlichen Studien nicht im Wege stehen.

 
  
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  Mariela Velichkova Baeva (ALDE).- (BG) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verweise auf die Tatsache, dass Finanzkrisen kein neues Phänomen darstellen. Sie sind Hinweise auf eine Asymmetrie zwischen Finanzsektor und Realwirtschaft. Die Immobilienkrise in den USA hat kürzlich Finanzexperten zu der Aussage veranlasst, die Wirtschaften und Finanzmärkte seien miteinander verknüpft und eine umfassende Diskussion zur Verbesserung des Risikomanagements sei vonnöten.

Der Ansatz im Entschließungsentwurf von Herrn Ehler, die Vorbeuge- und Frühwarnmaßnahmen der EU mit dem Ziel der Gewährleistung der Stabilität der Finanzmärkte zu prüfen und zu verbessern sowie die Frage der Sicherung von Einlagen als eine traditionelle Form des Sparens sind in meinem Heimatland Bulgarien in der Tat sehr aktuell. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die Verantwortung der Banken, ihre Portfolios sorgfältig zu organisieren und die Gelder ihrer Anleger effizient zu verwalten, von herausragender Bedeutung ist. Selbstverständlich werden durch ein größeres Bewusstsein der Bürger für Möglichkeiten der Nutzung flexibler Systeme, die Diversifikation von Sparformen und Mechanismen wie Einlagensicherungsfonds Vertrauen gestärkt und Finanzstabilität gefördert.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte den Abgeordneten für ihre Beiträge danken. Zum Abschluss möchte ich zwei wichtige Anmerkungen machen:

Nach unserem Dafürhalten sind ordnungsrechtliche Veränderungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt unangebracht. Die Richtlinie hat sich bewährt. Sie lässt sich anpassen, wenn sich die Umstände ändern. Längerfristig ist es für die positiven Einlagensicherungssysteme aus Sicht der finanziellen Stabilität entscheidend, zum reibungslosen Krisenmanagement in einem zunehmend europaweiten Bankenumfeld beizutragen.

Weitere Schritte auf dem Weg zu besser harmonisierten Systemen in der EU sind daher jetzt abhängig vom Ergebnis der breiter gefassten Arbeiten, die gegenwärtig im Rahmen des Krisenmanagements durchgeführt werden.

Was die von Frau Kauppi und Herrn Hökmark aufgeworfenen Probleme betrifft, so ist die Rückerstattung von Zahlungsbeiträgen an eine Bank, die aus dem System, aus welchem Grund auch immer, ausscheidet, nicht durch die bestehende Richtlinie gedeckt und damit ein Fall für die einzelstaatliche Gesetzgebung der Mitgliedstaaten. Die Harmonisierung auf europäischer Ebene würde eine vollständige Harmonisierung der Finanzierungsmethode erforderlich machen.

Ich möchte dem Berichterstatter Christian Ehler sowie dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung für ihren konstruktiven Ansatz meinen Dank aussprechen.

 
  
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  Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 13. Dezember 2007, statt.

 

18. Vermögensverwaltung II (Aussprache)
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  Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt der Bericht von Wolf Klinz im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über Vermögensverwaltung II (2007/2200(INI)) (A6-0460/2007).

 
  
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  Wolf Klinz, Berichterstatter. − Frau Präsidentin! Seit der 1985 verabschiedeten OGAW-Richtlinie haben sich die europäischen Fondsmärkte rasant entwickelt. Die Richtlinie ist seither zweimal an die aktuellen Marktentwicklungen angepasst worden, und eine weitere Modernisierung steht ganz oben auf der Tagesordnung für das nächste Jahr.

Dieses Reformvorhaben der Kommission geht nicht zuletzt auf die Entschließung des Europäischen Parlaments „Vermögensverwaltung I“ vom April 2006 zurück, die die Eckpunkte des Reformpakets vorgegeben hat. Ich danke der Kommission, dass sie diese Empfehlungen aufgenommen hat und nächstes Jahr legislativ umsetzen möchte.

Der nun vorliegende Entschließungsentwurf mit dem Titel „Vermögensverwaltung II“ soll in ähnlicher Weise der Kommission den Weg für zukünftige Initiativen weisen. So sieht der Entschließungsentwurf eine Vielzahl von Maßnahmen vor, die über das anstehende Revisionspaket des nächsten Jahres hinausgehen, die wir aber für notwendig halten, um Europas Fondsindustrie konkurrenzfähiger zu machen. Die wichtigsten Punkte sind folgende:

Erstens: Die Kommission sollte eine Erweiterung der wählbaren Anlagen um Immobilienfonds und Dach-Hedgefonds prüfen. Beide Produkte tragen zur Risikodiversifizierung des Portfolios bei und stellen angesichts ihrer Renditen attraktive Anlageformen dar. Neben der Möglichkeit zur Portfoliobeimischung sollte auch ein EU-Pass und damit ein direkter Zugang für Privatanleger zu diesen Produkten in Erwägung gezogen werden. Wir begrüßen die Einrichtung einer Expertengruppe für offene Immobilienfonds durch die Kommission sowie die Erstellung einer Studie für nicht harmonisierte Privatkundenfonds durch die Kommission.

Zweitens: Nicht nur Privatkunden, sondern auch professionelle Anbieter und institutionelle Investoren sollten in vollem Umfang von einem europäischen Binnenmarkt profitieren. Bislang gibt es keinerlei Möglichkeit für diese Gruppen, die praktisch nicht der klassischen Verbraucherschutzbestimmungen bedürfen, grenzüberschreitend ohne auffällige Meldeverfahren tätig zu werden. Ein europäisches Privatplatzierungsregime kann hier Abhilfe schaffen. Es muss jedoch so gestaltet sein, dass die bereits bestehenden, mitunter sehr liberalen Systeme der einzelnen Mitgliedstaaten nicht eingeschränkt werden. Um diese Flexibilität zu gewährleisten, schlägt das Parlament vor, dass der europäische Wertpapierregulierungsausschuss CESR Empfehlungen für die Ausgestaltung eines solchen Systems entwickeln soll. In einem zweiten Schritt wäre dann zu prüfen, ob dies ausreichend ist oder ob es Bedarf für eine allgemeinverbindliche Richtlinie gibt.

Drittens: Die Auswahl an Investmentprodukten für Privatanleger nimmt ständig zu, ohne dass eine relative Vergleichbarkeit der Produktinformationen gegeben wäre. Dies ist u. a. auf den hohen Fragmentierungsgrad europäischer Rechtsetzung zurückzuführen. Für eine überlegte Entscheidung des einzelnen Investors ist es allerdings notwendig, dass es eine gewisse Vergleichbarkeit der Informationsanforderungen und der Offenlegungspflichten der konkurrierenden Produkte gibt. Die unterschiedlichen Industrien sollten in fairem Wettbewerb zueinander stehen und gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen. Deswegen fordern wir die Kommission auf, den vorhandenen Rechtsrahmen der einzelnen Produktklassen zu überprüfen und Vorschläge zu unterbreiten, wie die Situation verbessert werden kann.

Es geht dabei nicht darum, eine vollständige Vergleichbarkeit der Produkte zu erreichen. Lebensversicherungen, Zertifikate und Fonds sind von Natur aus rechtlich und strukturell unterschiedlich. Vielmehr geht es um gleichwertige Informationspflichten. Allerdings vermag auch die größte Transparenz nichts, wenn der Anleger nicht über ein Mindestmaß an Kenntnissen über diverse Finanzprodukte und ihre Funktionsweise verfügt. Deswegen ist es die Aufgabe der Mitgliedstaaten, Bildungsinitiativen in diesem Bereich voranzutreiben.

Viertens: Anleger sollten nicht nur von einer großen Auswahl an Produkten profitieren, sondern sie sollten auch aus niedrigen Kosten Nutzen ziehen können. Zurzeit ist jedoch die europäische Fondslandschaft unheimlich fragmentiert, was zu ineffizienten und überhöhten Kosten im Wettbewerbsvergleich – vor allem mit anderen Staaten – führt. Die Kommission plant, im nächsten Jahr einen rechtlichen Rahmen für Fondsverschmelzungen zu schaffen. Das ist zu begrüßen. Jedoch blendet die Kommission eines der wesentlichsten Hindernisse für grenzübergreifende Fusionen aus, nämlich die Besteuerung. Wir fordern daher, grenzübergreifende Fusionen steuerlich genauso zu behandeln wie nationale Verschmelzungen, nämlich steuerneutral auf Anlegerebene. Wir fordern nicht, dass irgendwelche steuerlichen Maßnahmen zu Steuersätzen und dergleichen getroffen werden. Wir fordern nur, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen nicht anders behandelt werden als innerstaatliche.

Fünftens: Inwieweit Privatanleger Zugang zu Hedgefonds haben sollten und ob ein europäischer Rechtsrahmen für Hedgefonds und Private Equity sinnvoll wäre, wird das Parlament in einem gesonderten Bericht klären. Die Kommission sollte sich jedoch darauf vorbereiten, aktiv an den Diskussionen auf internationaler Ebene zu diesen Themen teilzunehmen.

Abschließend möchte ich meinen Kollegen, insbesondere den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen, für die gute Zusammenarbeit danken. Ich hoffe, dass die Kommission erneut, wie schon beim ersten Mal, unsere Überlegungen aufnehmen wird, so dass wir Anlegern wie Industrie die Chancen des europäischen Binnenmarkts vollständig eröffnen können.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte den Ausschuss für Wirtschaft und Währung und insbesondere den Berichterstatter Wolf Klinz für die Initiative zur Ausarbeitung eines Initiativberichts und die harte Arbeit, die in den Bericht geflossen ist, loben. Gleichzeitig möchte ich diese Chance nutzen, um dem Europäischen Parlament für seinen wertvollen Beitrag zur Aussprache über die Vermögensverwaltung meinen Dank aussprechen. Auch der letzte Bericht des Parlaments über Vermögensverwaltung war ein hervorragender Beitrag zu unserer Arbeit an der OGAW-Richtlinie.

Ein langer Prozess der Analyse und Konsultation hat nach unserem Dafürhalten zu einem soliden Kompromiss über notwendige Handlungsinhalte und Vorgehensweisen geführt. Wir sollten unsere Agenda nicht überfrachten, aber auch wissentlich keine anderen Themen und Probleme ignorieren. Der uns vorliegende Bericht zeugt von einer breiten Palette anderer Herausforderungen, vor denen die europäische Finanzindustrie steht. Wir sind bereits in vielen der im Bericht hervorgehobenen Bereiche tätig geworden. Ziel ist es, eine solide Beweislage aufzubauen, auf die sich künftige Entscheidungen aufbauen lassen. Es freut uns zu sehen, dass eine sorgfältige Folgenabschätzung vom Parlament befürwortet wird. In der Kommission sind wir von diesem Ansatz ganz fest überzeugt. Damit würde man sicherstellen, dass künftige Initiativen wirklich bedarfsorientiert zugeschnitten sind und effiziente Lösungen bieten. Diese Herangehensweise kommt auch in unserer Arbeit über private Platzierung zur Anwendung. Für Mai 2008 planen wir die Veröffentlichung einer Mitteilung der Kommission, in der der Bedarf an einem System für Privatplatzierungen und seine Machbarkeit untersucht werden.

In dem heute vorliegenden Bericht werden zügige Lösungen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Zulassung von nicht harmonisierten Investmentfonds für Privatkunden gefordert. Auch wir haben diesen wichtigen Themenkomplex im Auge und werden dem Rat und dem Parlament im August 2008 diesbezüglich Bericht erstatten. Hoffentlich beschert uns der Bericht eine empirische Grundlage für diese facettenreiche Debatte.

Folgt man dieser Aussprache, so kann man manchmal den Eindruck gewinnen, dass Lösungen gefunden werden, bevor ein Problem klar benannt worden ist. Wir warnen davor, das EU-Regelwerk für Privatkunden-Fonds vorschnell zu erweitern. Die OGAW-III-Richtlinie lässt schon heute eine große Bandbreite innovativer Strategien zu, einschließlich einiger alternativer Anlageformen. Es muss klar sein, was momentan möglich ist und ob Risikomanagement-Kontrollmechanismen sektorweit auf dem neusten Stand sind, bevor man über eine nächste Erweiterung der Rahmenbedingungen für Privatkunden-Fonds nachdenkt. Wir haben Verständnis für den Wunsch der europäischen Finanzindustrie, ihre Führungsposition im Bereich Innovation und finanzielle Kreativität auszuloten, aber nicht auf Kosten des Vertrauens von Anlegern in die OGAW-Marke.

Wir haben Verständnis für die im Bericht angesprochenen Bedenken im Hinblick darauf, dass für den Vertrieb substitutiver Produkte unterschiedliche rechtliche Auflagen gelten, und betonen, dass die Kommission offen ist, wenn ein größeres Problem gelöst werden muss. Die Reaktionen auf die im Oktober gestartete Sondierung werden uns die Möglichkeit bieten, zu ermitteln, ob aus den Unterschieden in den verschiedenen EU-Regeln ein reales und erhebliches Risiko für den Anlegerschutz erwächst. Vor dem Hintergrund der Reaktionen und weiterer Folgearbeiten plant die Kommission für den Herbst 2008 die Herausgabe einer Mitteilung über den Handlungsbedarf auf EU-Ebene.

Wir begrüßen, dass im Bericht der positive Beitrag von Hedge-Fonds zum Funktionieren der Märkte und zur Unternehmenseffizienz anerkannt wird. Einige kürzlich gestartete Initiativen unter Federführung der Industrie zur Entwicklung freiwilliger Normen für bewährte Verfahren stellen eine willkommene und angemessene Reaktion auf die Forderungen nach umfangreicherer Offenlegung dar. Wir wissen auch zu schätzen, dass das Parlament internationale Reaktionen in diesen sehr stark globalisierten Geschäftsbereichen für notwendig erachtet.

Zusammenfassend Folgendes: Im Bereich der Vermögensverwaltung ist viel erreicht worden, aber der Weg ist noch weit. In diesem schnelllebigen Geschäft ergeben sich konstant neue Herausforderungen. Wir tun uns jedoch auch keinen Gefallen damit, eilig und schlecht vorbereitet zu reagieren. Es erfüllt uns mit Freude zu sehen, dass die Kommission mit dem Parlament einen wertvollen Partner besitzt, mit dem sie sich gemeinsam für das gleiche Ziel einsetzt, nämlich die Schaffung eines integrierten und effizienten europäischen Finanzmarkts, der sowohl der Industrie als auch Anlegern gleichermaßen offen steht.

 
  
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  Astrid Lulling, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin! In der Frage dieses wichtigen Initiativberichts zum Weißbuch der Kommission über Investmentfonds haben wir einvernehmlich beschlossen, uns auf nicht legislative Aspekte zu konzentrieren, da der Legislativvorschlag für die Überarbeitung der OGAW-III-Richtlinie uns Anfang 2008 vorliegen wird. Die Themen, die wir angesprochen haben, sind allerdings äußerst wichtig für die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren.

Es besteht die Gefahr, dass die Erweiterung der Palette an zulässigen Vermögenswerten auf offene Immobilienfonds und alternative Fonds dem ausgezeichneten Weltruf der OGAW-Produkte schadet und sich negativ auf den Vertrieb dieser Produkte in der Europäischen Union und in Drittländern auswirkt. Um nachteilige Auswirkungen auf die Investmentfondsindustrie in Europa zu vermeiden, hat das Parlament die Kommission gebeten, eine gründliche Studie der möglichen Folgen der Einbeziehung dieser nicht harmonisierten Privatkundenfonds in die zulässigen Vermögenswerte für die Marke OGAW durchzuführen.

Investitionen in OGAW-Produkte belaufen sich auf Tausende Milliarden Euro und machen etwa 80 % des Investmentfondsmarkts in Europa aus. Der Sektor wartet ungeduldig auf die Überarbeitung der OGAW-Richtlinie. Um jedoch einen unnötigen und kontraproduktiven Verzug bei dieser Revision zu vermeiden, hat das Parlament eindeutig verfügt, dass eine Erweiterung der zulässigen Vermögenswerte nicht erfolgen soll, bevor die legislative Reform der OGAW-Richtlinie abgeschlossen ist. Im Namen meiner Fraktion habe ich immer wieder ein solches Vorgehen gefordert, und ich begrüße die Kompromissbereitschaft des Berichterstatters.

Der Bericht fordert auch die Schaffung eines harmonisierten Rahmens für Privatanlagen innerhalb der Union, und ich unterstütze seine Empfehlungen zu diesem Punkt in vollem Umfang.

Das Privatplatzierungssystem muss auf einer genauen Definition qualifizierter Investoren gemäß der MiFID-Richtlinie basieren. Für korrekt informierte und qualifizierte Investoren, die sich für die Ausführung von Privatanlagen eignen, sollte es unter keinen Umständen eine bürokratische Überbelastung infolge von Vorschriften geben, die nicht nur unnötig, sondern auch kontraproduktiv sind.

Ich spreche mich gegen den Änderungsantrag der Sozialdemokraten aus, der im Kontext der Anwendung des Privatplatzierungssystems die Gleichwertigkeit der Regulierungs- und Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten fordert, die dazu führen würde, dass ein gegenseitiger Zugang zu ihren Märkten gestattet wird. Diese Art Gleichwertigkeit auf europäischer Ebene ist einfach unrealistisch.

Lassen Sie mich noch einen Punkt hervorheben, zu dem meine Fraktion und ich nicht mit dem Berichterstatter einverstanden sind. Er betrifft Ziffer 19 zur Frage so genannter „Garantiefonds“. Das Konzept dieser Fonds ist an sich kontrovers, und wir haben versucht, gegen die falsche Definition vorzugehen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, diese Ziffer zu streichen. Ich muss allerdings dem Berichterstatter zur Qualität seiner Arbeit gratulieren, die es uns möglich macht, uns richtig auf den Legislativvorschlag vorzubereiten. Das bedeutet, dass wir jetzt der Arbeit, die für das kommende Jahr vor uns liegt, gelassen entgegensehen können.

 
  
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  Harald Ettl, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Astrid, geh doch nicht immer davon aus, dass die Sozialdemokraten untragbare Anträge stellen! Ich danke zuerst einmal dem Berichterstatter Kollegen Klinz herzlich für seinen ausgewogenen Bericht. An den Kommissar möchte ich adressieren, dass er sich nicht immer davor fürchten soll, dass wir uns zu viel vornehmen.

Vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Finanz- und Hypothekarkrise behandeln wir nun den Bericht über Vermögensverwaltung. Nicht einmal die Europäische Zentralbank ist in der Lage, die Schäden dieser Krise für das europäische Finanzsystem und für die Banken voll abzuschätzen. Und es kann und wird noch mehr kommen! Der globale Finanzmarkt ist bereits weltweit so vernetzt, dass man die Union nicht vor derartigen Spekulationsspielereien schützen konnte, die letztlich wir alle ausbaden müssen. Gierige Bankmanager, ausschließlich am shareholder value orientiert, genießen immer noch hohes Ansehen, die US-Rating-Agenturen sind nach wie vor gut im Geschäft und führen uns hinters Licht. Ich will nicht meinen Gefühlen freien Lauf lassen, das hat hier sicher keinen Sinn. Aber Anlassgesetzgebung ist nie angebracht. Trotzdem ist in diesem Bereich viel zu tun, und die Kommission kann die Frage nicht sich selbst überlassen und Markt Markt sein lassen.

Hervorheben möchte ich aus dem Bericht, dass mehr Information und Transparenz zu mehr Konsumentenschutz und zu mehr Konsumentensicherheit führen. Das ist ein sehr guter Ansatz. Positiv ist auch, dass im Bericht Bezug auf Hedgefonds und private equities genommen wird, da immer mehr Vermögensverwalter in alternative Anlageformen investieren: Dach-Hedgefonds, offene Immobilienfonds sowie andere Privatkundenprodukte sollten daher unter die OGAW-3-Richtlinie fallen – eine Arbeit, die noch bevorsteht.

Vermögensverwaltung vom Begriff her impliziert für mich eine stabile Weiterentwicklung, sei es durch Investmentzertifikate, in Pensionsfonds, Lebensversicherungsunternehmen, eine Bank oder im Bereich des privaten asset management. Seit 2003 haben wir schon eine Marktmissbrauchsrichtlinie. An der Umsetzung mangelt es rundum. Gerade die Fondsindustrie redet immer von zu teuren Überregulierungen und weigert sich, Transparenz und Haftungsregeln auszuweiten.

Wir brauchen hier eine klar strukturierte Rechtssicherheit, Herr Kommissar! Ich freue mich, dass mein Vorschlag für eine verbesserte Corporate-Governance-Regelung angenommen wurde, bedaure aber, dass mein Antrag zur EU-Finanzmarktaufsicht abgelehnt wurde. Auch in diese Richtung könnten und müssen wir wahrscheinlich weiterdenken, Herr Kommissar.

Erfreulich ist aber schon, dass zur Frage der Garantiefonds ein fraktionsübergreifender Kompromiss gefunden wurde. Letztendlich sollten und müssen wir alles daransetzen, dass in der Vermögensverwaltung Spekulationen eingeschränkt werden und dass Parlament, Kommission und Rat zusammen nicht durch Untätigkeit glänzen. Herr, Kommissar, das war an Sie adressiert – do it well!

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė , im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Ich möchte darauf hinweisen, dass der Bericht zwar recht ausgewogen und im Allgemeinen annehmbar ist, aber die Realität nicht richtig widerspiegelt. Problematisch ist, dass sich die meisten Finanzinstitute, wie es anhand der vorgelegten Daten den Anschein hat, nicht an die von uns empfohlenen Regelungen und Vorschriften halten.

Das Hauptproblem scheint der Missbrauch der Diskrepanzen in diesen Vorschriften zu sein. Daher müssen wir den Bericht im Zusammenhang mit den anderen Berichten und Dokumenten, etwa MiFID, mit dem Ziel untersuchen, eine gewisse Vereinbarkeit herauszuarbeiten. Einen weiteren Punkt will ich unterstreichen: Ich unterstütze Frau Lullings Auffassung, dass OGAW ein guter Name ist, weshalb wir sehr vorsichtig sein müssen, wenn wir neue Produkte in das Portfolio aufnehmen wollen.

Warum? Weil wir nicht wissen, wie diese Produkte beschaffen sind. Es tut mir sehr leid, aber in diesem Dokument wie auch im Kommissionsvorschlag scheinen die Portfolios und Interessen der Privatanleger und der institutionellen, professionellen Anleger etwas durcheinander geraten zu sein. Privatanleger sollten klare Definitionen und Regelungen haben. Haben wir aber sowohl OGAW-Fonds als auch alternative Investmentfonds, sieht die Wirklichkeit so aus, dass sie z. B. in meinem Land vermischt und dem Privatanleger angeboten werden, der dann nicht weiß, worin er investiert.

Deshalb brauchen wir genauere Definitionen und ein Dokument, das eindeutig strukturiert ist. Ich hoffe dringend, die Kommission erstellt im nächsten Jahr ein Dokument, das klarer strukturiert ist. Wir müssen unsere Privatanleger wirklich ganz dringend schützen. Natürlich brauchen Privatanleger mehr Rechte, aber diese sollten gesondert festgelegt werden. Wir dürfen den Leuten nicht empfehlen, in alternative Fonds zu investieren, die noch nicht einmal definiert sind. In meinem Land wird derzeit jeder Fonds als alternativ betitelt.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Zuerst möchte ich dem Berichterstatter Wolf Klinz für seinen Initiativbericht und für die Berücksichtigung aller Vorschläge und Standpunkte der anderen Fraktionen danken.

Die Harmonisierung des Umfelds für die Vermögensverwaltung und Produkte auf dem Finanzmarkt kann der europäischen Wirtschaft immensen Nutzen bringen, wie auch die OGAW-Richtlinie aus dem Jahr 1985 beweist.

Sie ist weltweit zu einer echten Marke geworden und verkauft sich auch im Ausland sehr gut. OGAW bilden das Fundament eines soliden Fondsmarkts in Europa und beleben die Wirtschaft durch erhöhte Stabilität und die produktive Wiederanlage von Ersparnissen.

Thema des Berichts ist jedoch nicht die anstehende OGAW-Prüfung, die wir begrüßen. Im Bericht geht es stattdessen um nicht harmonisierte Privatkunden-Fonds, die nicht unter die OWAG fallen. Diesbezüglich werden eine Reihe wichtiger Maßnahmen gefordert.

Vor allem begrüße ich die Regelung für Privatplatzierungen, die auch der Kommissar erwähnt hat. Entsprechende Anstöße sind maßgeblich, um einen europäischen Markt für nicht harmonisierte Fonds zu erreichen.

Zweitens ist die Gebührentransparenz ein überfälliger und bisher unterschätzter Aspekt, um Anleger besser zu informieren. Andere im Bericht aufgeführte Maßnahmen zielen auch in die richtige Richtung und tragen damit zur Beseitigung von Marktverzerrungen bei.

Allerdings – und damit komme ich auf den Erfolg der OGAW zurück – dürfen wir weder gierig werden noch Dinge vorschnell vermischen. Damit meine ich natürlich die Diskussion über eine Erweiterung der OGAW auf neue Vermögenskategorien wie offene Immobilienfonds oder Dachfonds für Hedgefonds. Nach meinem Dafürhalten ist es jetzt nicht an der Zeit, diese sensiblen Themen zu erörtern. Am Ende haben wir unter Umständen eine starrere Regelung und finden uns wahrscheinlich in einem anderen Finanzmarktumfeld wieder.

Meines Erachtens sollte man sich unbedingt auch mit der Rolle von Garantiefonds auseinandersetzen. So etwas wie einen durch Eigenkapitalanforderungen gesicherten Fonds gibt es nicht. Unsere Fraktion hat ein gewisses Maß an Flexibilität angestrebt. Unserer Meinung nach wäre das Problem mit Kapitaladäquanzvorschriften für Fonds nicht zu lösen. Garantiefonds gibt es nicht, weshalb diese Art der Definition aus der Regelung gestrichen werden sollte. Aus diesem Grund hat die PPE-DE-Fraktion auch einen Vorschlag vorgelegt.

 
  
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  Pervenche Berès (PSE). - (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte dem Berichterstatter für seinen Text danken. Die Themen, die er behandelt, sind nicht neu. Welche Barrieren gibt es beispielsweise zwischen institutionellen und professionellen Investoren und einem privaten Investor? Einige Leute möchten uns glauben machen, dass es da eine Art „Große chinesische Mauer“ zwischen beiden gibt. Das glaube ich nicht, und die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, in welchem Umfang sich Finanzinnovation von einer Art Investor zur nächsten ausbreitet bis hin zum Einzelsparer. Die Fiktion, dass wir Gesetze um die Existenz von zwei Arten von Investoren – aufgeklärte, professionelle Investoren auf der einen Seite und Kleinsparer auf der anderen – herum konzipieren können, halte ich für gefährlich. Wir wissen sehr wohl, dass es einen allmählichen Übergang zwischen Investmentprodukten gibt. Dieser Begriff von zwei Arten Investoren mag existieren, aber wir müssen klug mit ihm umgehen.

Die zweite Frage, die ich aufwerfen möchte, - die sich auch in anderen Texten zu den Finanzmärkten wieder findet – betrifft die Informationen für Investoren. Das ist natürlich von entscheidender Bedeutung, wir stehen aber noch ganz am Anfang, weil die Komplexität der Finanzinnovation etwas Neues ist, das bislang noch nicht richtig berücksichtigt worden ist oder womit man noch nicht konfrontiert war. Es dabei zu belassen, genügt aber nicht, man kann den Produktanlegern ihre Verantwortung nicht abnehmen, daran müssen wir denken.

Drittens, Herr Kommissar, muss ich sagen, dass ich glaube, dass Sie die Verbindung zwischen der Umsetzung der MiFID-Richtlinie und der OGAW-Richtlinie nicht richtig dargestellt haben. Ist es sinnvoll, dass die MiFID-Richtlinie in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird, bevor wir überhaupt wissen, wie sie mit der OGAW-Richtlinie zusammenwirkt? Ich denke, die aktuelle Situation wäre ausgewogener, wenn wir es anders gemacht hätten.

Hinsichtlich der Besteuerung hat der Berichterstatter die Auswirkungen für Fondsverschmelzungen erwähnt. Ich bin der Ansicht, wir müssen auch an die Folgen für die Produktplatzierung denken, die durch Hindernisse rein steuerlicher Natur verkompliziert werden könnte.

Ich möchte auch etwas zum Änderungsvorschlag der Sozialdemokraten sagen, denn es gibt Unterschiede in der Realität des Markts für diese Produkte zwischen den Ländern gibt, in denen sie produziert werden, Ländern, die sie kaufen, und Ländern, die sie sowohl produzieren als auch kaufen. Wir haben das Konzept der Wechselseitigkeit eingeführt, das nicht nur für die Öffnung von Märkten und den Marktzugang gelten würde, sondern auch für die Art der Regulierung und Kontrolle. Ich glaube, dass diese Elemente äußerst wichtig sind, weil die Vorstellung, dass ein Nicht-EU-Land, das diese Produkte lediglich produziert hat, zu beliebigen Bedingungen Zugang zu unseren Märkten erhält, einfach weil wir Zugang zu seinem Markt haben, der möglicherweise für europäische Verbraucher überhaupt nicht interessant sein könnte, entweder unrealistisch oder rein theoretisch erscheint, und ich kann das nicht akzeptieren.

Der Berichterstatter behauptet mehrfach, die Gegenseitigkeit würde den WTO-Vorschriften zuwiderlaufen. Aber Herr Kommissar, ich frage Sie: was haben wir getan, als wir Gleichwertigkeitsregeln mit den Vereinigten Staaten anerkannt haben? Das ist genau der Ansatz, den wir hier von Ihnen fordern. Es wird auch behauptet, das Konzept sei unrealistisch, weil es in der Europäischen Union keine Harmonisierung gäbe. Wäre es nicht bereits ein wesentlicher Fortschritt, wenn die Verhandlungen über Gleichwertigkeit mit Drittländern uns anregen könnten, einen gemeinsamen Standard für die Regulierung und die Kontrolle innerhalb der Union aufzustellen?

 
  
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  Zsolt László Becsey (PPE-DE). - (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich versuche, mich kurz zu halten. Als Osteuropäer aus einem Gebiet, in dem es an Kapital fehlt, versetzt mich die Tatsache nicht in Verzückung, dass alle jetzt nervös schauen, was mit Hedge-Fonds oder privatem Beteiligungskapital (Private Equity) geschieht, wenn die OGAW-Richtlinie ausgeweitet wird, weil dies unsere Region nicht im Geringsten betrifft, zumindest nicht in den nächsten Jahren. Vielleicht erleben wir etwas davon von der menschlichen Seite im Hinblick auf Immobilienfonds. Aber ich möchte doch gern betonen, was ich als Osteuropäer von der Prüfung unter Umständen erwarten kann. Zum einen sollten die Banken, die sehr häufig als Verkäufer innerhalb dieses Mechanismus auftreten und riesige Summen erhalten, trotz allem geprüft werden, da die Kosten für den Verkauf gegenwärtig 60 % der Gesamtkosten ausmachen, und ich habe beobachtet, dass die Banken in meiner Region auf diese Weise unglaubliche Gewinne einfahren. Wenn wir in diesem Zusammenhang etwas erreichen, haben wir einen Schritt nach vorn getan.

Zweitens haben die MiFID-Richtlinie und ihre Bestimmungen über Anreize wenig zur Transparenz der Gebührenstrukturen beigetragen, da man beispielsweise nicht weiß, was im Rahmen eines hausinternen Geschäfts passiert, wenn eine Bank zugleich Fondsmanager und Verkäufer ist. Interessanterweise ist es nicht einmal im Rahmen solcher bankinternen Geschäfte gelungen, die unterschiedlichen Verkaufspreise im Detail aufzuschlüsseln.

Drittens unternehmen immerhin einige Mitgliedstaaten beträchtliche Anstrengungen bzw. setzen Bestimmungen um, die praktisch dafür sorgen, dass Depotbanken, Fondsmanager und die Fondsverwaltung auf dem Teppich bleiben. In meinem Heimatland bzw. in unseren Ländern gibt es eine Vielzahl fähiger junger Menschen, die in der Lage sind, beispielsweise Verwaltungsarbeiten zu einem guten Preis und in hervorragender Qualität durchzuführen, wenn sie die Chance dazu erhalten. Nach meinem Dafürhalten liegt eine Verlagerung im Interesse aller mit Blick auf ihren Eintritt in den freien Markt.

Abschließend zum Verbraucherschutz: Ich gebe zu, dass die Ausbildung ein wirklich wichtiger Aspekt ist, aber daneben müssen auch Steuerfragen Beachtung finden. Es kann nicht sein, dass ich, wenn ich OGAW in einem anderen Land erwerben möchte, letztlich mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert werde als in meinem Heimatland. Vielen Dank.

 
  
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  Gay Mitchell (PPE-DE). (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Klinz für seinen Bericht danken. Die europäische Fondsindustrie hat in den letzten Jahren einige große Schritte nach vorn getan, wozu die OGAW-Richtlinie einen entscheidenden Beitrag geleistet hat. Doch obgleich die Fondsbranche schnell gewachsen ist, steckt darin noch wesentlich mehr Potenzial. Dieses Potenzial kann durch gesteigerten Wettbewerb und Mobilität im Sektor innerhalb Europas freigesetzt werden.

Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum Bericht. Ich erkenne durchaus Wert in der Empfehlung, die OGAW-Richtlinie zu erweitern, um Möglichkeiten für Investitionen in offene Immobilienfonds und Dachfonds für Hedgefonds zu schaffen, aber dies sollte meines Erachtens Gegenstand einer gesonderte Richtlinie bzw. einer anderen Rechtsvorschrift sein. Ich sehe auch den Nutzen von Vorschlägen, die EU-Regelung für Privatplatzierungen zu verbessern und stimme darin überein, dass die Festlegung, wer Anlegergeschäfte tätigen darf, von entscheidender Bedeutung ist. Obgleich die in der MiFID-Richtlinie und in der Prospektrichtlinie enthaltenden Definitionen einen sinnvollen Ausgangspunkt bilden, gilt es zu beachten, dass es daneben noch einige weitere Themen gibt, die gegebenenfalls auch behandelt werden sollten.

Was Anlagepolitik und Risikomanagement betrifft, möchte ich das Parlament daran erinnern, dass der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR), der gerade prüft, wie Risikomanagementanforderungen der OGAW-Richtlinie in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, nicht die Absicht verfolgt, diese Anforderungen zu harmonisieren. Bestimmte Schlüsselbereiche, in denen Praktiken voneinander abweichen, müssen mit dem Ziel eines einheitlicheren Ansatzes untersucht werden. Garantiefonds sollten durch Eigenkapitalanforderungen gesichert werden. Als Lösung böte sich an, nur Fonds als Garantiefonds zu bezeichnen, die durch angemessene Garantieregelungen gesichert sind. Sorge bereitet mir jegliche Forderung nach einem „EU-Pass“ (einmalige Zulassung) für Verwahrstellen, was dazu führen würde, dass Verwahrstellen in einem anderen Staat als dem der OGAW eingerichtet werden würden. Dadurch würde eine Rechtslücke entstehen, denn ein OGAW und seine Verwahrstelle würden unterschiedlichen Regelsystemen unterliegen, wodurch unter Umständen komplexe Rechtsprobleme im Falle von Schwierigkeiten im OGAW entstehen können.

Ich danke meinem Kollegen für diesen sehr nützlichen Bericht und hoffe, der Herr Kommissar kann auf die von mir angesprochenen Punkte antworten.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Der Bericht des Parlaments verdeutlicht, dass die Vorstöße unserer Institutionen in den Bereich der Vermögensverwaltung ziemlich deutlich auf einer Linie liegen. Außerdem müssen künftige Entscheidungen auf einer umfassenden Folgenabschätzung beruhen.

Beide wollen wir effiziente Märkte, die den Bedürfnissen und Erwartungen der europäischen Fondsindustrie und der europäischen Anleger entsprechen. Wichtige Bestrebungen sind in dieser Richtung unternommen worden. Noch größere Anstrengungen liegen vor uns. Wir sind bereit, die Ärmel hoch zu krempeln, allerdings sollten wir dabei Vorsicht walten lassen. Die Reformen und der Ruf der OGAW-Marke müssen geschützt werden. Wir müssen uns die Zeit nehmen, um alle Interessenten und Betroffenen einzubeziehen und mit ihnen gemeinsam zu beraten, und wir müssen unnötige Eingriffe vermeiden, die die Gefahr von Marktverzerrungen in sich bergen, aber keinen erkennbaren Nutzen haben.

Nur wenn all diese Bedingungen erfüllt sind, können wir darauf vertrauen, dass unsere Entscheidungen der Herausforderung genügen. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit unserer Einrichtungen auf diesem wichtigen Gebiet.

 
  
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  Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 13. Dezember 2007, statt.

 

19. Zusammenarbeit zwischen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und dem Europarat (Aussprache)
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  Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt der Bericht von Adamos Adamou im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Europarat über die Zusammenarbeit zwischen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und dem Europarat (KOM(2007)0478 - C6-0311/2007 - 2007/0173(CNS)) (A6-0443/2007).

 
  
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  Franco Frattini , Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte dem Parlament und vor allem dem Berichterstatter Adamos Adamou meinen Dank für die dauerhafte und konstruktive Zusammenarbeit sowie die Unterstützung beim Abschluss dieses sehr bedeutsamen Abkommens über die Zusammenarbeit aussprechen.

Die Errichtung der Agentur für Grundrechte war ein großer Erfolg für die Förderung und Achtung der Grundrechte in der Europäischen Union. Auch im Hinblick auf die interinstitutionelle Zusammenarbeit ist sie ein Erfolg. Ich habe mich stets dafür engagiert, dass diese wichtige Initiative von den drei EU-Organen volle Rückendeckung erhält. Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem Europarat ist für die erfolgreiche Arbeit der Agentur entscheidend.

Der Entwurf des Ratsbeschlusses spiegelt dieses Ziel wider. Er zeigt die echte Bereitschaft der beiden Organisationen zur Zusammenarbeit, und es freut mich zu sehen, dass die Verhandlungen über das Abkommen zügig und für beide Seiten sehr konstruktiv verlaufen sind.

Dieses wichtige Abkommen wird die Agentur in die Lage versetzen, ihre Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen. Um in der Tat voll funktionsfähig zu sein, sind bereits einige Maßnahmen ergriffen worden und andere noch in Vorbereitung. Das Abkommen wird einen Beitrag zu einem umfassenden Kooperationsrahmen leisten. Es bietet beiden Organen eine gut strukturierte Grundlage, um den gegenseitigen Dialog und gemeinsame Aktionen zu erleichtern und effizienter zu gestalten.

So wird auch für beide Gremien Doppelarbeit vermieden. Das Abkommen sieht regelmäßige Kontakte und Zusammenkünfte zwischen Vertretern der Agentur und dem Europarat sowie den planmäßigen Austausch von Informationen vor. Die Benennung einer unabhängigen Persönlichkeit als Mitglied des Verwaltungsrates und des Exekutivausschusses der Agentur fördert den Meinungsaustausch und die Zusammenarbeit.

Abschließend stärkt das Abkommen unser gemeinsames Ziel, die Grundrechte in der Europäischen Union zu stärken und zu schützen.

 
  
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  Adamos Adamou, Berichterstatter. (EL) Frau Präsidentin! Herr Kommissar! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich meine Zufriedenheit angesichts der bislang hervorragenden Zusammenarbeit zwischen der Grundrechteagentur der EU und dem Europarat zum Ausdruck bringen, insbesondere beim Abschluss eines Abkommens, mit dem beide Seiten glücklich sind. Hoffentlich wird sich die künftige Zusammenarbeit auf dieser Grundlage so problemlos fortsetzen.

Trotz der lange Debatten und Beratungen mit den Schattenberichterstattern über den wesentlichen Inhalt des Berichts wurde uns vom „Tabling Office“ mitgeteilt, dass es nach Artikel 83 (7) und 51 (2) der Geschäftsordnung nicht möglich sei, den Text des Abkommen abzuändern und im Hinblick auf den Bericht selbst, nur Verfahrensänderungen zulässig seien, ein Umstand, der einige Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres dazu veranlasst hat, nur unter Protest für den Bericht zu stimmen. Daher billigt mein Bericht lediglich den Abschluss des Abkommens zwischen dem Europarat und der Agentur für Grundrechte.

Das System von Grundsätzen zum Schutz der Grundrechte der EU hat sich hauptsächlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelt und wurde durch seine ausdrückliche Anerkennung in den Verträgen der EU bestätigt. Allerdings ist es von besondere Bedeutung, dafür Sorge zu tragen, dass dieses System zum Schutz der Menschenrechte durch die Gewährleistung von Grundprinzipien wie der Nichtdiskriminierung, der Nichtausgrenzung, der Achtung der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Gewissensfreiheit sowie der sozialen und wirtschaftlichen Rechte weiter gestärkt wird.

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte könnte die relevanten Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf den Schutz der oben genannten Grundrechte unterstützen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass der Europarat durch seine intensive Tätigkeit auf dem Gebiet ein umfassendes System von Normen, Rechtsinstrumenten und justiziellen Instrumenten zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit entwickelt und einen großen Erfahrungsschatz angesammelt hat. Daher muss das der Agentur für Grundrechte und dem Europarat gemeinsame Ziel, die Grundrechte zu schützen, auf komplementäre und positive Weise erreicht werden, wobei Doppelarbeit sowie eine mögliche Schwächung und Aushöhlung des vom Europarat geschaffenen und gut etablierten juristischen oder sonstigen Systems zum Schutz der Menschenrechte und der individuellen Rechte vermieden werden müssen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Präzedenz und der wesentliche Inhalt des Menschenrechtsschutzes durch den Europarat, einer Organisation mit 47 Mitgliedern, nicht in Frage gestellt werden.

Darüber hinaus möchte ich betonen, dass die Gefahr einer Dopplung von Befugnissen und Verfahren verhindert werden muss, um Irritationen hinsichtlich der Ziele und Zuständigkeiten der beiden Organisationen zu vermeiden, damit die Zusammenarbeit zwischen beiden harmonisch verläuft. Dies muss sich vor allem im Jahresarbeitsprogramm der Agentur sowie in der Stärkung des Zusammenhalts und der Komplementarität zwischen beiden Einrichtungen widerspiegeln.

Was denn Informationsaustausch zwischen dem Europarat und der Agentur für die Grundrechte betrifft, ist es von überragender Wichtigkeit, dass ein solcher Austausch möglichst unter den Bedingungen beiderseitiger absoluter Vertraulichkeit stattfindet. Die Grundrechteagentur und der Europarat sollten sich auf genauere Regelungen für die Anwendung von Artikel 15 des Abkommens einigen, der vorsieht, dass die Agentur dem Europarat Finanzhilfen mit dem Ziel gewährt, völlige Transparenz zu schaffen und jedes Anzeichen von übermäßiger Interdependenz der beiden Einrichtungen zu vermeiden.

Ferner ist es erforderlich, Artikel 7 des Abkommens dergestalt umzusetzen, dass es den beiden Einrichtungen möglich wäre, bei gegenseitiger Zustimmung unter Einhaltung ihrer Geschäftsordnung so viele Daten wie möglich im Einklang mit den geltenden Vorschriften zur Wahrung der Vertraulichkeit auszutauschen. Die jeweiligen Informationen sollten nicht von anderen Einrichtungen als denen genutzt werden, die direkt an der Prüfung der anstehenden Fragen beteiligt sind. Die Informationen sollten auch keinen Einrichtungen oder Agenturen von Drittstaaten zugänglich gemacht werden, wenn es keine Garantien und Kontrollen in Bezug auf ihre Nutzung gibt.

Wie ich bereits sagte, hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Europarat während der Verhandlungen über das Abkommen als vorteilhaft erwiesen, und so ist auch zu erwarten, dass die beiden Einrichtungen in Zukunft in demselben Geist der Zusammenarbeit, der Transparenz und der Komplementarität effizient zusammenarbeiten werden. Es ist jedoch von herausragender Bedeutung, dass das Europäische Parlament in diesen Prozess durch regelmäßige Berichte einbezogen wird und dass der Europarat in Bezug auf alle Überprüfungen und Bewertungen der Komplementarität, der Vermeidung von Doppelarbeit und der Transparenz der Tätigkeiten der beiden Einrichtungen konsultiert wird.

 
  
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  Kinga Gál, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Es freut mich, heute als Schattenberichterstatterin der PPE-DE-Fraktion für den Bericht über den Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Europarat über die Zusammenarbeit zwischen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und dem Europarat das Wort zu ergreifen.

Wir haben lange Aussprachen geführt und uns vielfach gefragt, ob Bedarf an einer Agentur besteht, ob dies für den Europarat hinnehmbar ist, ob die beiden Gremien wirklich auf sinnvolle Weise zusammenarbeiten werden.

Die ganze Zeit haben sowohl das Parlament als auch die Kommission klar gesagt: Ja, wir brauchen die Agentur, diese Einrichtung ist sinnvoll, und wir können uns eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und der Agentur vorstellen.

Aus diesem Grund begrüße ich die Tatsache, dass wir uns jetzt, da das Abkommen vorliegt, mit der institutionalisierten Zusammenarbeit beschäftigen können. Zum anderen bedauere ich, dass wir den Text durch Änderung einiger Aspekte nicht wirklich verbessern konnten, denn ich hätte gern die Notwendigkeit hervorgehoben, dass die Agentur bei der Behandlung konkreter Themen die geballten Erfahrungen, die Fachkompetenz der Parlamentarischen Versammlung des http://de.wikipedia.org/wiki/Europarat" \o "Europarat"

mit seinem System der Berichterstattung in den verschiedenen Ausschüssen, wie etwa dem Ausschuss für Recht und Menschenrechte mit seinem ausgezeichneten Fachwissen und seiner Erfahrung im Umgang mit diesen Fragestellungen, berücksichtigt.

Ich bin trotzdem freudig gestimmt, da der Abschluss des Abkommens aufzeigt, dass die Agentur, ihre Arbeit schnellstmöglich aufnehmen sollte. Offiziell wurde sie am 1. März eröffnet, aber noch fehlt eine Arbeits- und Verwaltungsstruktur. Es ist zwingend erforderlich voranzuschreiten und die Situation zu verbessern, um den nächsten Schritt zu gehen.

Ich verfolge dieses Dossier seit den Anfängen meines Mandats und kenne daher die extremen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, Umfang, Zuständigkeitsbereich und Entscheidungsstrukturen zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu gestalten.

Dies betrifft uns alle, da die Agentur Daten erfassen und zusammenstellen und an die Institutionen auf diesem Gebiet Empfehlungen weiterleiten wird – eine Aufgabe, deren Grenzen sich kaum festlegen lassen, da es sich um eine horizontale Aufgabe handelt, die in alle EU-Politiken hineinspielt.

Wir können erst dann zufrieden sein, wenn wir eine glaubwürdige und verantwortungsbewusste Agentur geschaffen haben, die mit ausreichenden Befugnissen und einem angemessenen Haushalt ausgestattet ist, um ihren Auftrag zu erfüllen. Dazu kann das Abkommen einen Beitrag leisten.

Wir werden dafür sorgen, dass eine Überlappung dieser Aufgaben und Doppelarbeit vermieden werden. Hoffen wir, dass die heutige feierliche Proklamation der Charta der Grundrechte die eine Seite und die Agentur die andere Seite derselben Medaille darstellen: einen ersten praktischen Schritt auf dem Weg zu einer künftigen EU-Politik auf dem Gebiet der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

 
  
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  Genowefa Grabowska, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Worüber wir heute diskutieren, ist ein untypischer Vorgang, denn das Europäische Parlament äußert sich zur Zweckmäßigkeit des Abkommens über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem Europarat. Wir haben keine Möglichkeit, in dieses Abkommen einzugreifen, wir beurteilen es ausschließlich und geben unsere Stellungnahme dazu ab.

Der Europarat ist die älteste europäische Organisation, die sich mit den Menschenrechten und der Förderung der Demokratie befasst. Wie allgemein bekannt ist, arbeiten der Europarat und die Europäischen Union – und vormals die Europäischen Gemeinschaften – von Anfang an zusammen. Ein Staat, der der Europäischen Union beitreten will, kann schließlich nur unter der Bedingung beitreten, dass er die Werte respektiert, die im Statut des Europarats verankert sind: Rechtstaatlichkeit, Demokratie und vor allem Achtung der Menschenrechte.

Es ist deshalb gut, dass diese beiden Institutionen, die Europäischen Gemeinschaften – heute die Europäische Union – und der Europarat nicht nur zusammenarbeiten, weil sie beide ihren Sitz in Straßburg haben, sondern weil sie ein gemeinsames Tätigkeitsfeld haben. Dieses Abkommen, über das wir heute sprechen, ist weder sonderlich originell noch neu, so wie die Agentur für Grundrechte keine völlig neue Institution ist.

Die Agentur für Grundrechte hat bekanntlich die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien ersetzt, und diese Stelle hatte ein ähnliches Kooperationsabkommen mit dem Europarat. Dieses 1999 geschlossene Abkommen haben beide Seiten respektiert und war bis jetzt gültig, bis zu dem Zeitpunkt also, als die Stelle durch die Agentur für Grundrechte abgelöst wurde.

Jetzt aber, da ein neues EU-Organ einbezogen ist, müssen wir das Abkommen über Zusammenarbeit mit dem Europarat prüfen, um sicherzustellen, dass die beiden scheinbar gleichen Institutionen nicht miteinander konkurrieren, sondern zusammenarbeiten.

Ich muss sagen, dass das Abkommen zwar schnell, aber doch gut ausgehandelt wurde. Wir haben keine größeren Bedenken zum Inhalt und könnten sie auch nicht haben. Das Abkommen schafft einen Rahmen für die Zusammenarbeit, sieht regelmäßige Kontakte vor, und, was besonders wichtig ist, es schafft personelle Verbindungen, da vorgesehen ist, dass der Europarat eine unabhängige Person beruft, die gemeinsam mit ihrem Stellvertreter in der Verwaltung und im Vorstand der Agentur sitzt. Aufgrund seiner Gestaltung insgesamt unterstütze ich voll und ganz den Appell, das für beide Seiten vorteilhafte Abkommen zu unterzeichnen.

 
  
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  Irena Belohorská (NI). - (SK) Meine Damen und Herren! Danke für die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Der Bericht befasst sich mit möglichen Interessenkonflikten zwischen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und dem Europarat. Meiner Ansicht nach ist dieses Thema zweitrangig. Die wirkliche Schwierigkeit besteht zwischen dem Europäischen Gerichtshof für Menschrechte in Straßburg und dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Beide Gerichte sind für Verletzungen im Bereich der Menschenrechte zuständig, und es liegen einige Entscheidungen vor, bei denen sie sich widersprechen. Zumeist betreffen diese Fälle die Artikel 6 und 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und hängen mit Verfahren zu Wettbewerbsverstößen zusammen, z. B. in den Fällen, die National Panasonic, die Hoechst AG, Niemetz usw. betreffen.

Und schließlich sind die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die von der Europäischen Union gebilligt wurden, zwei ähnliche und dennoch gesonderte Dokumente. Schwerpunktmäßig liegen die Zuständigkeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte auf der Überwachung und Unterstützung. Daher ist das nach Artikel 300 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geschlossene Abkommen, das die individuellen Zuständigkeiten klären wird, zu begrüßen. Dass der Europarat einen Vertreter in den Verwaltungsrat entsendet, ist auch zu begrüßen.

Da die Zuständigkeiten der Agentur begrenzt sind, werden ihre Aktivitäten die des Europarats eher ergänzen als mit ihnen konkurrieren. Auf jeden Fall müssen wir dieses Thema angesichts der Änderungen am Rechtsstatus der Charta der Grundrechte weiter diskutieren.

 
  
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  Panayiotis Demetriou (PPE-DE). - (EL) Frau Präsidentin! Herr Kommissar! In den vergangenen Monaten hat die Europäische Union vier entscheidende Schritte auf dem Weg zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte getan. Erstens wurde die Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte errichtet. Zweitens wurden ein Artikel über den rechtlich bindenden Charakter der Charta der Grundrechte und ein Artikel über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 in den Reformvertrag integriert. Drittens wurde die Grundrechtscharta heute feierlich im Parlament unterzeichnet und wird mit ihrer formalen Proklamation Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes. Ein moderner Menschenrechtskodex! Viertens zeigt der Abschluss des Abkommens zwischen der Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte und dem Europarat, wofür die EU steht, nämlich die Förderung der Menschenrechte, und beweist, dass dieses Element in modernen Gesellschaften, ja in jedem modernen Staat von grundlegender Bedeutung ist.

Eine Unterordnung, Dopplung, ein Ersatz für die Rolle des Europarates ist nicht erkennbar, da dieser als internationaler Hüter der Menschenrechte einen sicheren Platz einnimmt. Im Gegenteil, eine neue Phase der Zusammenarbeit, nicht des Antagonismus ist eingeläutet worden. Darum stimme ich mit allen themenbezogenen Äußerungen meines Landsmanns, dem Berichterstatter, überein und unterstütze seinen Bericht in jeder Hinsicht und gratuliere ihm dazu.

Ich bin Ehrenmitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, was für mich eine Ehre ist, aber heute empfinde ich großen Stolz und Freude, weil die beiden Einrichtungen, die Europäische Union und der Europarat, den Startschuss für ihre Zusammenarbeit in diesem Bereich geben und ich hoffe, dieses Jahrhundert wird in der Weltgeschichte seinen Platz als Jahrhundert der Menschenrechte finden.

 
  
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  Sylwester Chruszcz (NI).(PL) Frau Präsidentin! Die Agentur für Grundrechte der Europäischen Union in Wien ist nur wieder eine teure Institution, die sich zudem das Recht anmaßt, die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einhaltung der Charta der Grundrechte und anderer Belange zu beobachten und zu beurteilen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gelder der europäischen Steuerzahler für eine weitere Agentur ausgegeben werden, um die Macht in Brüssel zu stärken und die Entstehung eines Eurostaates zu forcieren. Der Europarat und die OSZE sind Institutionen, die sich mit denselben Belangen auf internationaler, nicht auf supranationaler Ebene befassen. Somit haben wir es mit einer Dopplung bereits bestehender Institutionen zu tun, wodurch die Macht der Europäischen Union und der EU-Bürokratie wächst.

Die Staaten in Europa – darunter auch mein Heimatland, Polen – sind dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern, unter anderem durch die Europäische Konvention für Menschenrechte. Die Agentur für Grundrechte ist ebenso wie andere Agenturen, die in atemberaubendem Tempo entstehen, nicht nur Geldverschwendung, sondern eine weitere zweifelhafte, um nicht zu sagen unannehmbare Initiative aus Brüssel.

 
  
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  Roberta Alma Anastase (PPE-DE).(RO) Meine Damen und Herren! Während dieser Plenartagung wurden verschiedene Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich Menschenrechte erörtert, und wir hatten die Möglichkeit, für das Jahr 2007 Bilanz zu ziehen.

Mit der Schaffung der Agentur für Grundrechte und der Proklamierung der Charta der Grundrechte ist die Entscheidung, zwischen der oben genannten Agentur und dem Europarat ein Kooperationsabkommen abzuschließen, Teil der Bemühungen der EU, sowohl intern als auch extern ihre Leistung und Rolle als Förderin der Menschenrechte zu festigen. In diesem Zusammenhang sind meiner Meinung nach zwei Aspekte hervorhebenswert.

Zum Ersten begrüße ich es, dass mit diesem Abkommen zwei Ziele auf einmal verwirklicht werden sollen, nämlich einerseits Effizienz und Konsolidierung der europäischen Politik im Bereich Menschenrechte und Zusammenhalt und andererseits die Vermeidung von Doppelarbeit. Das ist für uns die einzige Möglichkeit, die Achtung der Grundprinzipien, die von der Europäischen Menschenrechtskommission festgelegt und durch die Charta für Grundrechte ergänzt wurden, zu fördern, indem wir beispielsweise die uns dafür zur Verfügung stehenden Mechanismen stärken.

Zum Zweiten begrüße ich die Absicht, die Zusammenarbeit bei den gezielten, vom Europarat ins Leben gerufenen Projekten zum Schutz der Menschenrechte zu verstärken. Durch diese Art von Wechselwirkung können wir weiter zur Verbesserung der Menschenrechtssituation beitragen und in speziellen Fällen sowohl intern als auch extern aktiv werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass eine solche Kooperation vor allem in den an die Union grenzenden europäischen Ländern gefördert werden sollte, um an der Außengrenze der Europäischen Union einen Raum der echten Demokratie zu schaffen.

Als Berichterstatterin über die regionale Zusammenarbeit im Schwarzmeerraum ersuche ich die Organe der Europäischen Union, die Projekte der regionalen Zusammenarbeit zu unterstützen. In dieser Hinsicht halte ich die vom Europarat ins Leben gerufene Initiative, zur Förderung der Demokratie auf regionaler Ebene eine Schwarzmeer-Euroregion zu schaffen, für einen guten Ausgangspunkt, und ich fordere die Kommission auf, diese Initiative mit allen Kräften zu unterstützen, damit sie zu einem Erfolg wird.

 
  
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  Der Präsident. - Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 13. Dezember 2007, statt.

 

20. Zuständigkeit und Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten (Aussprache)
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  Der Präsident. - Als nächster Punkt folgt der Bericht von Genowefa Grabowska im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten (KOM(2005)0649 - C6-0079/2006 - 2005/0259(CNS)) (A6-0468/2007).

 
  
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  Franco Frattini , Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Das Ziel des vorgeschlagenen Rechtsinstruments für Unterhaltspflichten ist die Verbesserung der schwierigen Lage von Menschen, die zur Befriedigung ihrer täglichen Bedürfnisse auf Unterhalt angewiesen sind.

In der Europäischen Union, in der die Mobilität der Menschen zunimmt, sollten Unterhaltsberechtigte, vor allem Kinder, nicht mit Schwierigkeiten konfrontiert werden, die ihnen zustehenden Gelder zu bekommen, vor allem wenn der bzw. die Unterhaltspflichtige, wie beispielsweise ein Elternteil, die Familie verlässt oder ins Ausland verzogen ist.

Ich danke Frau Genowefa Grabowska, der Berichterstatterin, für ihre Bemühungen. Sie hat sich dafür eingesetzt, solchen Interessenvertretern wie z. B. Nichtregierungsorganisationen, die Unterhaltsberechtigten helfen, im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 11. September eine Stimme zu geben.

Allgemein begrüßen wir den Bericht von Frau Grabowska, der den Vorschlag in seinen Grundelementen unterstützt.

Ich habe lediglich einige Anmerkungen zu einigen der hier vorgeschlagenen Änderungsanträge. Erstens zur Rechtsgrundlage: Wir sind der Auffassung, das aktuelle Instrument bezieht sich auf das Familienrecht. Ich verstehe aber die Sorge des Parlaments angesichts der bestehenden Rechtslage. Darum haben wir den Rat aufgefordert, in einer Mitteilung, die zum gleichen Zeitpunkt wie die vorgeschlagene Verordnung verabschiedet worden ist, zu entscheiden, dass das vorliegende Instrument in Übereinstimmung mit Artikel 67 Absatz 2 des Vertrags nach dem Mitentscheidungsverfahren anzunehmen ist. Das ist meine Meinung, und ich werde den Rat weiterhin ersuchen, dieser Aufforderung nachzukommen.

Nun zu den übrigen Änderungsanträgen über die Vorschriften für das anzuwendende Recht. Im vergangenen Monat wurden Verhandlungen über ein weltweites Übereinkommen über Unterhaltspflichten im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht erfolgreich abgeschlossen.

Vor dem Hintergrund der zufrieden stellenden Ergebnisse der Konvention und dem zugehörigen Protokoll über das anzuwendende Recht streben die Gemeinschaft und ihre Mitgliedsaaten eine Einhaltung dieser internationalen Regelungen an. Folglich sollten die Bestimmungen der Verordnung und die diesbezüglichen vorgeschlagenen Änderungsanträge überarbeitet werden, um die Übereinstimmung mit den internationalen Vorschriften zu wahren.

Im Bericht wird vorgeschlagen, angerufenen Gerichten zu gestatten, ihr jeweiliges Recht anzuwenden, wenn dies zu einer beschleunigten Beilegung des Streitfalls führt. Obgleich wir das Anliegen würdigen, das Rechtsverfahren zu beschleunigen, bietet die vorgeschlagene Lösung nach unserem Dafürhalten keine ausreichende Rechtssicherheit, und es besteht die Gefahr, dass damit den Interessen der Unterhaltsberechtigten nicht gedient ist, die durch Anwendung des gleichen materiellen Rechts geschützt werden sollten, unabhängig davon, welches Gericht angerufen wurde.

Das Parlament stimmt jetzt über den Bericht ab. Nun ist der internationale rechtliche Kontext klar. Ich hoffe inständig, dass dieses Projekt 2008 mit Höchstgeschwindigkeit fortgesetzt wird und vertraue darauf, dass der Rat ihm in den kommenden Monaten höchste Priorität einräumen wird.

 
  
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  Genowefa Grabowska, Berichterstatterin. − (PL) Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zunächst meinen Dank aussprechen. Ich möchte mich herzlich bei der Europäischen Kommission für ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken. Ich möchte mich auch beim Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und beim Schattenberichterstatter bedanken, vor allem beim Rechtsausschuss und bei Diana Wallis, der Verfasserin der Stellungnahme, für ihre wirklich hervorragende Zusammenarbeit. Frau Wallis hat die schwere Aufgabe auf sich genommen, die Kommission von den notwendigen Änderungsanträgen zur Rechtsgrundlage zu überzeugen.

Vielleicht beginne ich mit der Rechtsgrundlage, denn der Vorschlag für eine Verordnung wurde uns in einem Verfahren vorgelegt, das für das Parlament inakzeptabel ist. Wir wollten, dass die Verordnung nicht im Mitentscheidungsverfahren, sondern im Anhörungsverfahren angenommen wird. Deshalb begrüße ich die Darlegungen des Herrn Kommissars, und ich weiß von der Mitteilung an den Rat, der uns diesen Weg ebnen soll. Ich möchte den Ausführungen des Herrn Kommissars nur eines hinzufügen.

Es steht auch für mich außer Frage, dass das Unterhaltsverhältnis aus dem Familienrecht hervorgeht. Ich bin aber der Ansicht, dass das Unterhaltsverhältnis als Ganzes betrachtet verschiedene Bereiche berührt. Dass es auf das Familienrecht zurückgeht, bedeutet nicht, dass es auf diesen Rahmen beschränkt bleibt. Es hat Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt und auf die wirtschaftliche Situation beider Seiten, z. B. auf die des Unterhaltsberechtigten und die des Unterhaltspflichtigen. Wir sind demzufolge dazu berechtigt, das Unterhaltsverhältnis von seinen Ursprüngen im Familienrecht loszulösen und die Zahlung der Unterhaltsverpflichtung nicht mit dem Familienrecht zu verbinden, das in der Tat in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, sondern es Bereichen zuschreiben, in denen sich das Parlament zuständig sieht, nämlich dem Gemeinsamen Markt, der Familienfürsorge und den Menschenrechten. Dann sollte es meiner Ansicht nach nicht schwierig sein, das Verfahren zu ändern.

Deshalb meine ich, dieser Vorschlag verdient es, dass der Rat ihm nicht nur seine Aufmerksamkeit schenkt, sondern ihn auch annimmt. Während der Arbeit an der Verordnung haben wir Anhörungen durchgeführt, die wahrlich einem einzigen Klagen glichen. Vor allem Frauen haben uns berichtet, in welch schwieriger Lage sie sich befinden, wenn sie versuchen, die Unterhaltszahlungen für Kinder durchzusetzen, deren zweiter Elternteil in einem anderen Land lebt und nicht sonderlich an der Erziehung des Kindes oder dessen Finanzierung interessiert scheint.

Dabei werden viele Tricks angewandt, ich will sie gar nicht alle nennen, möchte aber ein Beispiel anbringen. Man braucht nur einen Buchstaben in seinem Nachnamen zu ändern, um in Europa nahezu spurlos zu verschwinden, und so ist die Unterhaltsverpflichtung zusammen mit dem Unterhaltspflichtigen weg. Mit dieser Verordnung wollen wir erreichen, dass sich in Europa kein Unterhaltspflichtiger sicher fühlt und nicht meint, er brauche nur das Land zu verlassen, in dem ein Kind zurückbleibt, dessen Unterhalt nicht gezahlt wird, er brauche nur in die offene Europäische Union zu reisen, deren Binnengrenzen abgeschafft sind – gerade jetzt, da die neuen Mitgliedstaaten in ein paar Tagen dem Schengen-Raum beitreten –, um so eine Situation ausnutzen zu können, die demjenigen Vorteile verschafft, der keine Verantwortung für seine Familie übernimmt.

Lassen Sie mich die zwei Passagen in der Entschließung zitieren, die mir am wichtigsten erscheinen und eine Neuerung darstellen. Eine Unterhaltsentscheidung, die in dem Staat vollstreckt wurde, in dem der Unterhaltspflichtige ansässig ist, muss nicht in dem Staat bestätigt werden, in dem der Unterhaltsempfänger lebt. Die Verordnung schlägt dagegen eine Abschaffung des „Exequaturverfahrens“ vor. Mir ist klar, dass das neu ist, aber wenn wir sicherstellen wollen, dass die Unterhaltsverpflichtungen tatsächlich durchgesetzt werden, diesen Schritt wählen. Wenn wir an dem „Exequaturverfahren“ festhalten, ist der ganze Versuch, die Unterhaltszahlung wirksam zu erzwingen, zwecklos.

Mir ist bewusst, dass wir alle Bestimmungen zu respektieren haben, die im Rahmen der Haager Konvention und Konferenz angenommen wurden, aber das internationale System läuft äußerst langsam, und die Ratifizierung von Übereinkommen im Bereich des internationalen Privatrechts kann Jahre dauern. Die Europäische Union muss vorangehen und sicherstellen, dass für die Kinder gesorgt wird, die vom Vater oder der Mutter im Stich gelassen werden. Zum Wohl der Kinder muss diese Verordnung deshalb schnell in Kraft treten. Darin kommt nicht nur die Sorge um die Kinder zum Ausdruck, sondern auch der Schutz der Unterhaltsempfänger. So danke ich der portugiesischen Präsidentschaft für die Mitarbeit an der Verordnung und übergebe die Angelegenheit in die Hände der slowenischen Präsidentschaft in vollem Vertrauen, dass sie das Dokument zu einem Abschluss führt und wir eine gute Verordnung haben werden.

 
  
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  Diana Wallis, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte dem Kommissar für seine äußerst positiven Äußerungen danken. Außerdem möchte ich Frau Grabowska für ihre wunderbare Zusammenarbeit im Rahmen dieses Themenbereiches meinen Dank aussprechen.

Durch diesen Vorschlag könnte Europa für die Menschen, denen wir zu Diensten stehen, zur Realität werden. Ihrem Leben könnte dadurch in schwierigen Zeiten praktischer Mehrwert gegeben werden. Ich weiß nicht, wie oft ich als gewählte Abgeordnete des Europäischen Parlaments von Wählern angesprochen worden bin, die Schwierigkeiten hatten, Unterhalt von jemandem in einem anderen Mitgliedstaat zu bekommen. Viel zu oft bin ich nicht in der Lage gewesen, ihnen eine praktikable und positive Antwort zu geben.

Mithilfe dieser Verordnung gelingt es uns hoffentlich, in den meisten Fällen mehr zu erreichen. Der Vorschlag erlaubt es der EU potenziell viel weiter zu gehen, als dies den Staaten durch das bereits erwähnte Übereinkommen im Rahmen der Haager Konferenz möglich ist. Wir sollten in der Tat darüber hinausgehen können. Schließlich müssen wir unsere Bürger dazu ermutigen, sich frei über alte nationale Grenzen hinweg innerhalb der EU zu bewegen und sollten Antwort in Form eines soliden, einfachen und funktionierenden Rechtssystems geben können, wenn sie schwere Zeiten in ihren Ehen durchleben oder Partnerschaften auseinander gehen. Vor allem sollten wir Kindern Hilfe anbieten können, die unter den finanziellen Folgen einer gescheiterten Ehe leiden. Durch diesen Vorschlag hätten wir ein vereinfachtes Verfahren statt des gegenwärtigen Albtraums, ein Gericht anzurufen, um dann mehr oder weniger das gleiche Vollstreckungsverfahren in einem ausländischen Gericht durchlaufen zu müssen. Das überfordert Menschen in Momenten in ihrem Leben, in denen sie verletzlich und verzweifelt sind.

Der Rechtsausschuss ist erfreut, dem Vorschlag größtenteils seine Unterstützung zu geben, und er hat versucht, nur einige technische Verbesserungen einzubringen. In dieser Hinsicht bin ich meinem Kollegen, Herrn Casini, zu großem Dank verpflichtet. Wie die Berichterstatterin können jedoch auch wir die Wahl der Rechtsgrundlage nicht hinnehmen. Das Mitentscheidungsverfahren hätte gewählt werden müssen, nicht das Konsultationsverfahren. Meines Erachtens haben die Mitgliedstaaten sowohl im Hinblick auf den Gesetzesinhalt als auch auf die Folgen für unsere Bürger absolut unvernünftig gehandelt. Hoffentlich reagieren sie auf den Appell des Kommissars.

Im Namen meiner Fraktion wollen wir keine Aushöhlung der Effizienz dieses einfachen Systems erleben. Natürlich müssen die Rechte der Verteidigung – des Unterhaltspflichtigen, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt – geachtet werden, aber dies sollte für das Erstgericht gelten. Eine Wiedereröffnung des Falles im vollstreckenden Gericht sollte nicht zulässig sein, anderenfalls vernichten wir den Nutzen, den wir bezwecken. Darum streben wir die Löschung von Artikel 33 Buchstabe a an und haben ernsthafte Bedenken bezüglich Änderungsantrag 61, der noch immer zu viel zulässt.

Zum Abschluss möchte ich als britische Abgeordnete des Parlaments einige Anmerkungen machen. Die Entscheidung Großbritanniens, sich nicht an diesem Instrument zu beteiligen, ist eine schlechte Nachricht für viele EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten, die im Vereinigten Königreich leben sowie für viele Briten, deren Partner in einen anderen Mitgliedstaat ziehen. In der Tat gibt es alle möglichen vorstellbaren Szenarien, in denen die Nichtbeteiligung Chaos und Irritationen verursachen wird. Menschen werden zu Bürgern zweiter Klasse im Hinblick auf das ihnen zur Verfügung stehende Rechtssystem.

Was ich jedoch am meisten bedauere, ist das Unvermögen der britischen Regierung, die ausweglose Position der britischen MdEP in dieser Frage zu verstehen. Sollten wir wirklich an Vorschlägen über Dinge arbeiten, darüber reden und, was noch wichtiger ist, über solche Vorschläge abstimmen, die nach dem aktuellen Stand keinen Bezug zu unseren Wählern haben? Andere fangen an, die Rechtmäßigkeit unseres Standpunkts zu hinterfragen. Solche Ausstiege sind demokratisch unvertretbar und zerstören die Kohärenz des Zivilrechtsystems der EU. „Pick-and-mix“, „Opt-in“ und „Opt-out“ treffen bloß jene, die gefährdet sind und am dringendsten Rechtschutz benötigen.

 
  
  

VORSITZ: ADAM BIELAN
Vizepräsident

 
  
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  Panayiotis Demetriou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EL) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich der Berichterstatterin Frau Genowefa Grabowska für ihre Initiative danken, dieses Thema anzusprechen sowie für die äußerst positive Sicht, die sie am heutigen Abend verbreitet hat.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Runde der Anhörungen der Haager Konferenz, die vor sieben Jahren begann, nähert sich ihrem Ende. Damit stellt sich die Frage: Welche Fortschritte wurden in der Frage der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen im internationalen Privatrecht erreicht? Wo bitte ist die Erklärung, dass das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen den Eckpfeiler der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei für die Schaffung eines Bereichs der Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit bildet? Die Antwort lautet, dass in dieser Richtung keine nennenswerten Erfolge erzielt worden sind. Das 2004 verabschiedete Haager Programm ist nicht im erforderlichen Umfang vorangetrieben worden, trotz der Bemühungen und Initiativen des zuständigen Kommissars, Herrn Frattini.

Leider behindert der Missbrauch der Berufung auf die nationale Souveränität durch einige Mitgliedstaaten die Harmonisierung des Rechts, nicht nur im Hinblick auf Sachthemen, sondern auch in Verfahrensfragen. Diese allgemeinen Beobachtungen schmälern natürlich nicht den Wert und die Bedeutung des Vorschlags, mit dem wir uns gerade auseinandersetzen. Im Gegenteil, sie unterstreichen die Notwendigkeit, weitere Vorschläge für Verordnungen des Rates anzunehmen, die sich über den gesamten Bereich des Familiengesetzes erstrecken: Scheidung, Trennung, Unterhalt und Eigentumsfragen. Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung muss radikal reformiert und modernisiert werden. Diesem Bedarf wurde in der Tat in beträchtlichem Umfang durch den Vorschlag für die Änderung der Verordnung entsprochen, allerdings nur im Hinblick auf die Frage des Unterhalts. Die Unterschiede im materiellen Recht der Mitgliedstaaten unter dem entscheidenden Motto der Gerechtigkeit bestehen fort. Der Weg ist noch lang. Dennoch sollte, wo Möglichkeiten für eine Annäherung bestehen, die Harmonisierung des Rechts weiter vorangetrieben werden.

Die vom EU-Parlament eingebrachten Änderungsanträge füllen viele Lücken im Vorschlag und tragen zu seiner inhaltlichen Verbesserung bei. Vor allem gelingt es dadurch viele Hürden zu nehmen, die die Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen in der EU behindern. Außerdem werden Möglichkeiten für den unterhaltspflichtigen Elternteil oder Partner begrenzt, sich dem Gesetz zu entziehen, wenn er oder sie in einen anderen EU-Mitgliedstaat übersiedelt. Genau darum geht es in dem von mir eingereichten Änderungsantrag zu Artikel 33a, in dem ich erstens versucht habe, die Möglichkeiten der Nichtvollstreckung eines Urteils aufgrund zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannter Umstände einzugrenzen und zweitens Raum zu lassen, um die Situation entsprechend zu handhaben, wenn ernstliche, relevante oder erheblich relevante Umstände vorliegen, die dem Gericht genau dieses Recht geben, sein Urteil zu revidieren.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Genowefa Grabowska, ganz herzlich für die Arbeit danken, die sie in die uns heute vorliegende Verordnung und in den Bericht investiert hat. Das hervorragende Ergebnis überrascht mich nicht, da Frau Professor Grabowska eine der führenden Expertinnen für europäisches Recht in Polen ist.

Angesichts der steigenden Zahl an Scheidungen und Trennungen in der Europäischen Union werden die rechtlichen Hindernisse bei einer Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über Unterhaltspflicht zu einem immer größeren Problem. Darüber hinaus ist aufgrund des Integrationsniveaus zwischen den Mitgliedstaaten und der nach wie vor hohe Zahl verbindlicher Rechtsquellen innerhalb der Europäischen Union ein weiter reichendes Rechtssystem erforderlich.

Derzeit fehlt auf EU-Ebene ein harmonisiertes System in diesem Bereich. Deshalb bin ich für die Annahme der Verordnung, die äußerst zweckvolle Vorschläge zu dem hier diskutierten Problem enthält. Es sei auch erwähnt, dass sie das Ergebnis eines langfristigen Aktionsprogramms ist, des Haager Programms zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union. Ich bin auch der Ansicht, dass eine wirksame Betreibung der Unterhaltsansprüche die Lebensbedingungen und Bildungschancen vieler Kinder, die in erster Linie Unterhaltsempfänger sind, verbessert. Das ist den europäischen Sozialdemokraten sehr wichtig.

Die vorgeschlagene Verordnung ist nicht nur für bestimmte Probleme der heutigen Gesellschaft eine Antwort, sie kann auch zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beitragen, insbesondere im Hinblick auf die Beseitigung von Hindernissen für den freien Verkehr von Personen, die derzeit unter den Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Vollstreckung von Unterhaltspflichten zu leiden haben.

Mit Blick auf das Wohl aller Bürger in der Europäischen Union müssen wir versuchen, eine rasche und, wenn möglich, kostenlose Betreibung des Unterhalts zu erreichen. Derzeit müssen die zuständigen Behörden manchmal zu radikalen Maßnahmen greifen, um die Unterhaltszahlung durchzusetzen, während die Unterhaltsempfänger oft in ärmlichen Verhältnissen leben.

Ich unterstütze auch die Überlegung, dass Gerichtsentscheidungen dieselbe Rechtskraft besitzen sollten, die sie in den Herkunftsmitgliedstaaten haben, ohne weitere Formalitäten.

Abschließend möchte ich betonen, dass sich das Europäische Parlament mehr einbringen sollte, wenn es darum geht, Entscheidungen in Fragen zu treffen, die so wichtig für das zukünftige Funktionieren der Europäischen Union und den Binnenmarkt sind.

 
  
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  Carlo Casini (PPE-DE). - (IT) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Sinn und Zweck des uns zur Erörterung vorliegenden Berichts ist der Abbau der meisten Hindernisse für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen in Europa. Dadurch wird es möglich, einen rechtlichen Rahmen in Übereinstimmung mit den legitimen Erwartungen von Unterhaltsberechtigten zu schaffen.

Den wichtigsten Ausgangspunkt bildet die Tatsache, dass in den allermeisten Fällen der bzw. die Unterhaltsberechtigte die schwächere Partei darstellt und darum äußerst schutzbedürftig ist. Es liegt auch auf der Hand, dass das größte Problem die eigentlichen Umstände der Unterhaltspflichtigen sind. Dennoch ist es ratsam, wenigstens das Mögliche zu tun, das heißt, unnötige bürokratische Hürden zu beseitigen und Sicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu schaffen, dafür zu sorgen, dass vorzugsweise das Recht des Landes anwendbar ist, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und Unterhaltsentscheidungen unverzüglich vollstreckbar sind, auch in anderen Ländern, als in dem Land, in dem das Urteil ergangen ist.

Der Rechtsausschuss, der aufgefordert wurde, eine Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich Rechtsprechung, anwendbares Recht und Urteilsvollstreckung in Bezug auf Unterhaltspflichten abzugeben, hat eine gewichtige Rolle bei der Ausarbeitung des Textes gespielt und eine wichtige Einigung zwischen den größten politischen Fraktion erzielt, für die ich Frau Wallis öffentlich meinen Dank ausspreche. Die Hauptziele der vom Rechtsausschuss unterbreiteten Änderungsanträge beziehen sich auf die Ausarbeitung einer klaren Definition von Unterhaltsverpflichtungen, die Erweiterung des Anwendungsbereiches, den Schutz der schutzbedürftigsten Betroffenen und die Vereinfachung des vorgeschlagenen Textes.

Die Herausarbeitung einer unzweideutigen Definition des Begriffs „Unterhaltspflichten“ sowie die Einbeziehung sämtlicher Entscheidungen in Bezug auf die Zahlung pauschaler Beträge in den Geltungsbereich der Verordnung sind nötig gewesen. Besondere Aufmerksamkeit wurde, wie bereits gesagt, der schutzbedürftigsten Seite gewidmet und in dieser Hinsicht muss der Wortlaut der Verordnung weiter vereinfacht werden. Abschließend, da sich meine Redezeit dem Ende nähert, bin ich sicher, dass die PPE-DE-Fraktion die Entscheidung voll unterstützt.

 
  
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  Tadeusz Zwiefka (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Die steigende Zahl von Paaren, die sich trennen, bringt neben der zunehmenden Mobilität in der Europäischen Union immer mehr grenzüberschreitende Streitfälle über Unterhaltsansprüche mit sich. Um derzeit eine Forderung gegenüber einem Unterhaltspflichtigen zu vollstrecken, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, muss man sich an die Justiz in dem Land wenden, in dem das Urteil vollstreckt werden soll. Leider funktioniert das oft nicht, deshalb gibt es hier ganz klar Handlungsbedarf, die genauen Regeln der Rechtsprechung in Bezug auf Unterhaltsforderungen festzulegen.

Ziel des Vorschlags für eine Verordnung ist es, die formalen Anforderungen zu reduzieren, sodass eine Gerichtsentscheidung in jedem Mitgliedstaat getroffen und wirksam vollstreckt werden kann. Nach ihrem Inkrafttreten ermöglicht die neue Verordnung einer unterhaltsberechtigten Person, in der gesamten Europäischen Union einen Vollstreckungstitel zu erwirken. Sie vereinfacht und vereinheitlicht auch das Vollstreckungssystem. Ich begrüße die Maßnahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, stimme aber auch vollauf der Berichterstatterin zu, dass die Verordnungen in diesem Bereich in der Europäischen Union weiter reichend und schneller umgesetzt sein müssen.

Die zunehmende Mobilität der Bürger bringt eine steigende Zahl von Ehen mit sich, in denen die Ehepartner unterschiedlicher Staatsangehörigkeit sind und in unterschiedlichen Staaten wohnen, oder sie wohnen in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsbürger sie beide nicht sind. Wenn ein internationales Ehepaar sich zur Scheidung entschließt, können sich beide Ehepartner auf unterschiedliches Recht berufen. Der breite subjektive und objektive Geltungsbereich der Verordnung lässt sich dadurch rechtfertigen, dass in einigen EU-Mitgliedstaaten erschreckend wenige ihrer Unterhaltspflicht nachkommen. In meinem Heimatland Polen sind es gerade einmal zehn Prozent.

Die Verordnung ermöglicht es auch einer Mutter eines nicht ehelichen Kindes, vom Vater des Kindes Zahlungen für Kosten, die durch Schwangerschaft und Geburt anfallen, als auch für ihren eigenen Lebensunterhalt nach der Geburt des Kindes zu fordern. Derzeit wird eine solche Forderung in vielen Mitgliedstaaten nicht als Unterhaltsforderung anerkannt, was deren Betreibung deutlich erschwert.

Bevor Polen der Europäischen Union beigetreten ist, wurden jährlich mehr als 1 000 Unterhaltsforderungen aus dem Ausland bei den Gerichten eingereicht. Infolge der Öffnung der Grenzen wird in allen Prognosen ein drastischer Anstieg solcher Unterhaltsforderungen sowohl in Polen als auch in anderen Ländern vorhergesagt. Die offenen Grenzen und der Arbeitsmarkt mögen manchen Vater dazu bewegen, vor seinen Unterhaltspflichten zu fliehen, und darunter leiden vor allem die Kinder. Das dürfen wir nicht zulassen.

 
  
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  Franco Frattini, Mitglied der Kommission. (IT) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich werde mich kurz halten. Ich möchte allen Rednerinnen und Rednern, der Berichterstatterin und den an der Arbeit beteiligten Abgeordneten danken. In den kommenden Monaten liegen meines Erachtens drei Ziele vor uns, und ich hoffe, die slowenische Präsidentschaft wird sie erfolgreich vorantreiben.

Erstens: den Rat zu überzeugen, die Rechtsgrundlage nach Artikel 67 des Vertrages zu ändern, wenn dies für nützlich erachtet wird, um eine Initiative auf breitere demokratische Füße zu stellen, durch die schutzbedürftigen Gruppen, insbesondere Kindern, nach dem Zusammenbruch der Familie objektiv Schutz gewährt wird.

Das zweite Ziel besteht darin, Unterhaltsberechtigte in gleichem Maße zu schützen, unabhängig davon, wo die Sache vor Gericht gebracht worden ist. Es wäre sehr merkwürdig, wenn durch die Anwendung des so genannten Kriteriums des lex fori erhebliche Unterschiede beim Schutz von Unterhaltsberechtigten auftreten würden. Ein anderes wesentliches Ziel ist daher der Versuch einer Harmonisierung der Bestimmungen.

Das dritte Ziel, an dem aus meiner Sicht gearbeitet werden muss, betrifft die eigentliche Vollstreckung. In zu vielen Fällen wird zwar das Prinzip des Schutzes von Unterhaltsberechtigten in Familiensachen bestätigt, aber dann nicht für die Vollstreckung gesorgt, oder der Fall wird inhaltlich wieder aufgerollt, wenn ein Zahlungsauftrag fällig ist. Im Falle von Unterhalt funktioniert das nicht, anderenfalls wäre die Maßnahme sinnlos.

Wir haben recht innovative Vorschläge ausgearbeitet: die vorübergehende Sperrung des Bankkontos des Unterhaltspflichtigen bezüglich Teilen dieses Kontos, wenn sich dieser weigert zu zahlen, oder die Einrichtung eines regelmäßigen Pflichtzahlungsauftrags aus dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen über den Betrag, den dieser schuldig ist. Wie Ihnen bekannt ist, sind die meisten Mitgliedstaaten im Rat anderer Meinung und widersetzen sich diesem Ansatz, aber darauf kommt es bei einer Verordnung wirklich an: Entweder die Maßnahme kann wirklich durchgesetzt werden oder es ist sinnlos, weiter die Wichtigkeit des Schutzes von unterhaltsberechtigten Kindern oder geschiedenen Ehepartnern zu bekräftigen.

An diesen drei Themenbereichen müssen wir in den kommenden Monaten arbeiten, und mehr als in anderen Fällen herrscht zwischen Kommission und Parlament Einigkeit. Wir müssen den Rat überzeugen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 13. Dezember 2007, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Zurzeit besteht in Europa kein einheitliches System, wie die gesetzliche Verpflichtung, im Ausland Unterhalt zu gewähren, anzuerkennen und durchzusetzen ist. In dieser Hinsicht verfügt die Gemeinschaft über keine ausreichenden Bestimmungen zur Verfolgung von Schuldnern, die sich ihren Unterhaltsverpflichtungen entziehen wollen.

Der gegenwärtigen Verordnung zufolge muss jedes in einem Mitgliedstaat in Bezug auf Unterhalt erlassene Urteil zügig und korrekt in jedem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden.

Damit ist das Leben der Bürger leichter geworden, und zwar durch die Eintreibung von Kindesunterhalt von dem Elternteil oder anderen Schuldnern, die sich in einem anderen Land aufhalten als dem des Kindes, durch die Verwirklichung eines der Grundrechte der Gemeinschaft, nämlich das Recht auf Privat- und Familienleben, und den Schutz des Kindes, durch die Vereinheitlichung und Vereinfachung der europäischen Rechtsnormen in der gesamten EU und durch die Errichtung des europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie Maßnahmen für ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes.

Ich denke, dass die angerufenen Gerichte die Unabhängigkeit und Kompetenz der Rechtsberater überprüfen und die Situation der Parteien während der Verhandlung berücksichtigen sollten. Für den Unterhaltsberechtigten sollten die gesetzlichen Bestimmungen im Wohnsitzland gelten, die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten sollte weniger kostspielig sein, und es sollte nicht mehr möglich sein, das Land mit den vorteilhaftesten Rechtsvorschriften zu wählen.

 

21. Zeitpunkt der Einführung einer elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen (Aussprache)
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 hinsichtlich des Zeitpunkts der Einführung einer elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen (KOM(2007)0710 – C6-0448/2007 – 2007/0244(CNS)) (A6-0501/2007).

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Bekanntlich ist die Rückverfolgbarkeit ein Schüssel zur Einhaltung hoher Standards für Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Wir haben in der EU vor nicht allzu langer Zeit Erfahrungen mit bestimmten Krankheiten wie Maul- und- Klauenseuche und Blauzungenkrankheit gesammelt, was erneut die Bedeutung effizienter Kennzeichnungssysteme gezeigt hat. Ohne elektronische Kennzeichnung ist eine ordnungsgemäße individuelle Identifizierung nicht möglich.

Die Kommission wurde gebeten, in ihrem Bericht das Datum für die Umsetzung der elektronischen Kennzeichnung zu bestätigen bzw. zu ändern, nicht aber die Grundsätze der Verordnung in Frage zu stellen. Darum handelt es sich um einen technischen Bericht über verschiedene Methoden und Techniken der elektronischen Kennzeichnung.

Der Bericht der Kommission konzentriert sich schwerpunktmäßig lediglich auf die beste Möglichkeit der Durchsetzung der elektronischen Kennzeichnung. Um jedoch einen Bericht auszuarbeiten, brauchen wir Daten und Zuarbeit der Mitgliedstaaten, vor allem von den Mitgliedstaaten, die bereits an dem System arbeiten. Die für die Erstellung des Berichts erforderlichen Studien und Versuche nahmen wesentlich mehr Zeit in Anspruch, als ursprünglich geplant, was das verspätete Erscheinen des Berichts erklärt.

Wir würdigen die Zustimmung des Parlaments und danken ihm dafür, die Sache als dringlich zu behandeln. Dadurch wird im Januar 2008 eine Situation der Rechtsunsicherheit verhindert.

Der Bericht kommt zu der Schlussfolgerung, dass die technischen Bedingungen für die elektronische Kennzeichnung von Schafen und Ziegen gegeben sind, aber die Mitgliedstaaten eine angemessene Frist benötigen, um die Einführung der elektronischen Kennzeichnung vorzubereiten.

Wir stimmen mit dem Standpunkt des Parlaments überein und akzeptieren die Notwendigkeit eines feststehenden Datums für die Einführung des Systems. Andererseits können wir die übrigen vorgeschlagenen Änderungsanträge nicht billigen, die die eigentlichen Grundsätze der Verordnung in Frage stellen würden, da die Frage jetzt lautet, zu welchem Datum die Umsetzung erfolgen sollte.

Erneut möchte ich dem Berichterstatter für die zügige Arbeit danken und dem Parlament für seine Bereitschaft, das Thema als dringlich zu behandeln.

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Berichterstatter. − Herr Präsident, Herr Kommissar Kyprianou! Wir sind der Aufforderung, dieses Thema schnell zu behandeln, nachgekommen. Wir behandeln hier eine Dringlichkeit. Deswegen finden wir uns auch noch zu dieser späten Stunde ein.

Die Frage ist natürlich: Wie kommt es zu dieser dringlichen Situation? Sie haben schon etwas dazu gesagt. Ich habe mich mal etwas in den Papieren umgeschaut und bin auf die Verordnung gestoßen, die wir ja heute verändern wollen. Die ist vom 17. Dezember 2003. In dieser Verordnung wird festgelegt, dass ab dem 1. Januar 2008: „die elektronische Kennzeichnung gemäß Absatz 1 [...] verbindlich für alle Tiere vorgeschrieben wird“. Da gibt es auch noch ein paar Ausnahmeregelungen, die lasse ich jetzt weg. Und dann steht da: „Die Kommission unterbreitet dem Rat vor dem 30. Juni 2006 einen Bericht über die Anwendung der Regelung für die elektronische Kennzeichnung sowie geeignete Vorschläge, über die der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließt.“

Also, die Sache liegt sehr lange zurück. Offensichtlich hat es den Bericht der Kommission an den Rat nicht gegeben, und es hat auch keine Rückmeldung des Rates gegeben. Sie machen ein Zeichen? Wenn Sie den Bericht doch gegeben haben, umso besser, dann hat es aber keine Rückmeldung der Länder gegeben. Und nun kamen wir in diese Bredouille, dass wir feststellen müssen, der Termin ist nicht einzuhalten. So weit, so schlecht. Jetzt kommt aber von Ihnen der Vorschlag, nicht etwa einen neuen Termin zu setzen, sondern Sie sagen: Wir möchten diesen Termin im Komitologieverfahren festlegen. Also, es ist in Ihre Entscheidung gesetzt, wann dieser Termin stattfinden soll. Das wiederum ist nun dann der Mühe nicht wert, die wir uns hier machen, und somit hat auch der Ausschuss beschlossen, zum 31. Dezember 2009, also zum 1. Januar 2010 – zwei Jahre später, als es ja in der ersten Verordnung vorgeschrieben war – die elektronische Kennzeichnung verbindlich in Kraft zu setzen. Das war ein Jahr eher, als der Berichterstatter vorgeschlagen hatte. Aber immerhin: Das Wichtige ist, es gibt einen Termin. Es wurde dann vom Ausschuss noch gesagt, es solle auch Bericht darüber erstattet werden.

Das Problem ist ja bei diesem Vorschlag, den Sie machen, dass Sie immer mehr in das Komitologieverfahren ziehen, so wie Sie auch in der alten Verordnung vom 17. Dezember 2003 die Vorschriften und die Anwendung, die diese Regelung zur elektronischen Kennzeichnung umfasst, im Komitologieverfahren in die Kommission geholt haben. Es sollte dann noch einen Bericht an den Rat geben, aber keinen Bericht an das Parlament. Somit werden wir durch diese Praxis, das alles in die Komitologie zu nehmen, aus der Entscheidung und der Überprüfung der Kontrollinstanz des Parlaments herausgenommen und nehmen dann irgendwann zur Kenntnis, dass das überhaupt nicht stattgefunden hat.

Wenn Sie jetzt nicht mit diesen Änderungen gekommen wären, weil der Termin Sie drückte, und das Eilverfahren beantragt hätten, hätten wir weiter gedacht, das sei alles in Ordnung. Es ist aber nicht in Ordnung! Das muss uns im Parlament eine Warnung sein, dass wir eben nicht zu viel in die Verfügung der Kommission legen, sondern unsere Kontrollrechte weiterhin auch wahrnehmen.

Nun hat es ein paar Änderungsanträge gegeben. Sie haben gesagt, Sie können sie nicht so übernehmen. Der Ausschuss hat festgestellt, es soll verbindlich sein. Das ist auch in der Grundverordnung enthalten, die ja nicht aufgehoben, sondern nur geändert wird. Nun gibt es Änderungsanträge – Herr Stevenson, und einer ist von Ihnen und Frau McGuinness –, die sagen: Jetzt machen wir es freiwillig. Ja, wenn wir es jetzt freiwillig machen, dann können wir die ganze Übung auch lassen! Was wird denn dann noch vorgeschrieben? Dann sind bei Nacht alle Katzen grau. Also meine ich, dass wir schon bei einer verbindlichen Regelung bleiben müssen und dass diese verbindliche Regelung auch ein Datum haben und einen Bericht an das Europäische Parlament beinhalten muss.

Es wird uns eine Lehre sein, dass wir jetzt eher zufällig über diesen Bericht auf diese doch sehr ungewöhnliche Verfahrensweise der Kommission und des Rates gestoßen sind.

Ich hoffe, Herr Kyprianou, das ist nicht zuviel Kritik. Aber Sie können sich vorstellen, als ich den Bericht ausgearbeitet und mich auf heute Abend vorbereitet habe und das mal nachgeschlagen habe, dass ich mir doch ziemlich die Augen gerieben habe über das, was alles auf unserer europäischen Ebene möglich ist. Wir müssen beide – Parlament und Kommission, und meinetwegen auch wir als Personen – ein Interesse daran haben, dass das so nicht wieder passiert und einreißt.

 
  
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  Struan Stevenson, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, mit der Beantwortung einer von Herrn Graefe zu Baringdorf an mich gerichteten Frage zu beginnen. Er fragte mich, warum ich denn in meinen Änderungsanträgen versuche, das System auf freiwillige Basis zu stellen. Ich kann Herrn Graefe zu Baringdorf in knappen Worten darlegen, warum ich die freiwillige Beteiligung für sinnvoll erachte.

In der vergangenen Woche wurden in meinem Wahlkreis in Schottland alte Auen – für die nicht landwirtschaftlich bewanderten Abgeordneten (von denen es in diesem Haus nicht viele gibt) alte weibliche Schafe – für zwei britische Pfund pro Tier verkauft. Vor einem Jahr lag der Verkaufspreis bei 60 Pfund pro Kopf, in diesem Jahr bei zwei Pfund. Deshalb frage ich den Berichterstatter: Wie soll ein Landwirt, der nur zwei Pfund pro Schaf erhält, Mikrochips anbringen und teure Scanner und Lesegeräte kaufen, die dem zwingend vorgeschriebenen elektronischen Kennzeichnungssystem entsprechen? Das ist ein wirtschaftliches Problem.

Im ursprünglichen Vorschlag der Kommission bemühte man sich völlig zu Recht um die Anhörung von Betroffenen und Interessengruppen und die Durchführung einer wirtschaftlichen Verträglichkeits- und Kosten-Nutzen-Analyse. Bisher habe ich nicht alle Zahlen gesehen. Ich weiß nicht, was das für die Schafhalter in meinem Wahlkreis bedeuten würde. Ich muss die Mitglieder dieses Hauses daran erinnern, dass das Vereinigte Königreich über den bei weitem größten Schafbestand in ganz Europa verfügt. Die Auswirkungen wären angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftslage katastrophal. Tatsächlich hieß das – wenn die Teilname am System obligatorisch ist und man von dem vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in ihrer Abstimmung am Montag festgelegten Datum ausgeht, wobei der 31. Dezember 2009 als Datum für die Pflichteinführung bestimmt wurde –, dass eine ganze Gruppe von Schafhaltern in Großbritannien dicht macht und ihr Geschäft aufgibt. In den von Schafen seit Jahrhunderten beweideten Hochlandgebieten und Bergen, um die sich die Schafhalter kümmern, wird das Ökosystem kippen, und dann wird die Öffentlichkeit begreifen, welcher Schaden entstanden ist.

Während wir eine Herde kaputt machen, die in Europa schon heute die beste Rückverfolgbarkeit aufweist – wir haben im Vereinigten Königreich gegenwärtig eine garantierte Rückverfolgbarkeit von 100 %, und Schafhalter können nicht begreifen, warum wir ein neues System der elektronischen Kennzeichnung einführen wollen, wenn die Rückverfolgbarkeit heute schon höchsten Anforderungen genügt –, importieren wir Schaffleisch aus Drittstaaten in die EU, die weder unsere Hygiene- und Gesundheitsstandards noch die strengen Bestimmungen erfüllen, die wir unseren Schafhaltern auferlegen.

Also, lassen wir ein wenig Verstand walten. Ich hoffe, dass die Mitglieder bei der morgigen Abstimmung den Grund für unsere Forderung nach einem freiwilligen System sowie der Nichtfestlegung eines verpflichtenden Einführungsdatums für die elektronische Kennzeichnung verstehen.

 
  
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  Rosa Miguélez Ramos, im Namen der PSE-Fraktion. (ES) Herr Präsident! Ich gehöre zu jenen, die Herrn Stevenson immer genau zuhören, wenn er das Wort ergreift, und ich höre ihm jetzt schon seit mehreren Jahren zu, aber diese Rede überrascht mich, denn sie hätte besser im Jahr 2003 statt 2007 bzw. fast 2008 gehalten werden sollen.

Herr Graefe zu Baringdorf hat es sehr richtig formuliert: Es handelt sich um eine Verordnung aus dem Jahr 2004. Wir haben darüber 2003 im Parlament debattiert, und die Verordnung sieht vor, dass das System zur elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen am 1. Januar 2008 in Kraft tritt.

Herr Stevenson! Ich hege keine Zweifel daran, dass es in ihrem Wahlkreis Schafe gibt, so wie auch bei mir. Die fünf Mitgliedstaaten mit den größten Beständen an Schafen und Ziegen sind neben Ihrem und meinem Heimatland, Frankreich, Italien und Griechenland. Diese vier Mitgliedstaaten haben es sich zur Aufgabe gemacht – die Ihnen augenscheinlich so zuwider ist – ihre Landwirte zu überzeugen, Schafe und Ziegen zu kennzeichnen, weil uns gesagt wurde, in der Verordnung sei die elektronische Kennzeichnung ab dem 1. Januar 2008 vorgeschrieben.

Als Mitglied dieses Parlaments habe ich vollstes Verständnis dafür. Aber ich verstehe auch, dass es Mitgliedsländer so wie Ihr Heimatland gibt, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, weshalb ich Ihnen zugehört habe. Vor diesem Hintergrund habe ich freiwillig ein Datum vorgeschlagen, das auch vom Landwirtschaftsausschuss gebilligt wurde, um die Frist etwas zu verlängern, aber wie Sie wissen, zahlt man in meinem Wahlkreis lediglich ein Pfund, während man in Ihrem Wahlkreis zwei Pfund pro Tier bekommt.

Zum jetzigen Zeitpunkt und angesichts häufiger Probleme durch Tierkrankheiten bietet ein System wie dieses nach meinem Dafürhalten eine Garantie und eine Möglichkeit des Wertzuwachses bei den erzeugten Produkten. Es handelt sich um ein Kennzeichnungssystem, das es ermöglicht, die Herkunft eines Tieres, das durch das Hoheitsgebiet der EU befördert wurde, zu bestimmen und uns garantiert, dass es sich guter Gesundheit erfreut. Das ist eine Garantie für die Verbraucher, was doch dem Landwirt zugute kommen muss, weil er mehr für sein Fleisch bekommt.

Wenn sie nicht mehr für ihr Fleisch erhalten, ist das das Ergebnis der Blauzungenkrankheit, der Maul- und Klauen-Seuche und des Chikungunya-Fiebers, mit denen wir jetzt zu kämpfen haben. Und wenn das der Fall ist, gibt es für uns keine Hoffnung mehr. Deshalb lassen Sie uns bitte die Ärmel hochkrempeln, lassen Sie uns koordiniert vorgehen. Lesen und prüfen wir doch die von Herrn Graefe zu Baringdorf genannte Verordnung, bei der es sich – ich wiederhole mich – um eine Verordnung aus dem Jahr 2004 handelt. Lesen wir sie gründlich, erkennen wir an, dass es darin einige Ausnahmeregelungen gibt, aber das bedeutet keinen Freibrief, denn das Datum kann nicht freiwillig festgelegt werden. Ein freiwilliges System wird es nicht geben, weil wir, die Kommission und der Rat beschlossen haben, dass es rechtsverbindlich sein soll.

Mit anderen Worten, ich kann die Uhr nicht drei Jahre zurückstellen und meinen Bauern erzählen, all ihre Bemühungen bis zum heutigen Tag wären völlig sinnlos gewesen, weil die Briten es versäumt haben, von ihren Landwirte dasselbe zu fordern. Verstehen Sie, was ich meine?

Ich fordere Sie auf, meinen Änderungsantrag gründlich zu lesen. Meiner Fraktion geht es definitiv nicht darum, den rechtsverbindlichen Charakter des Systems in Frage zu stellen, weil dadurch eine rechtswidrige Diskriminierung unter den Mitgliedstaaten und in der EU selbst entstünde, obgleich es mich nicht überraschen würde – und damit meine ich nicht Sie, Herrn Stevenson – wenn jemand, der die Frechheit besessen hat, die Charta der Grundrechte heute in diesem Haus abzulehnen, ein ähnliches oder noch größeres Maß an Dreistigkeit an den Tag legen und der Kennzeichnung von Schafen und Ziegen eine Absage erteilen würde.

Deshalb Folgendes: Meines Erachtens haben wir eine Verordnung. Die Kommission hat uns einen vernünftigen Vorschlag unterbreitet, und auch wir haben der Kommission einen sinnvollen Vorschlag vorgelegt. Darum lassen Sie uns versuchen, diese Sache am heutigen Morgen zu beenden, ohne dass es einer der beiden Seiten zum Nachteil gereicht.

 
  
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  Neil Parish (PPE-DE). (EN) Herr Präsident! Ich unterstütze die Worte von Herrn Stevenson sowie die Bemühungen der Kommission sehr engagiert. Meines Erachtens müssen wir uns den Umfang der Schafhaltung und die Zahl der betroffenen Tiere begreiflich machen. Die Rede ist von über 25 Millionen Schafen im Vereinigten Königreich, 8,5 Millionen in Frankreich, drei Millionen in Irland und einer beträchtlichen Anzahl in Spanien und anderen Ländern. Das System muss passen. Wenn man ein elektronisches System einführt, muss dieses praktikabel und kosteneffizient gestaltet sein, und Landwirte müssen es in der Praxis sinnvoll anwenden können. Wie Herr Stevenson zu Recht bemerkte, ist ein Schaf ein Tier von nicht besonders hohem Wert, folglich sind nicht für alles Mögliche Tierärzte erforderlich. Vieles müssen die Bauern selbst machen, und wenn sie die Marken lesen, muss das ohne großen Aufwand am Hang im Regen usw. möglich sein.

Ich habe viele dieser elektronischen Systeme im Einsatz in Hotelzimmern gesehen, wenn Menschen sich durch verschiedene Türen bewegen. Angeblich kommt es zu keiner Interferenz zwischen den verschiedenen Tags. Erstrebenswert wäre ein System, bei dem man, wenn eine LKW-Ladung Schafe auf den Markt kommt, unter idealen Bedingungen in der Lage ist, jedes einzelne im LKW befindliche Schaf elektronisch zu überprüfen. So sieht das ideale System aus. Was ich Ihnen ohne große Umschweife mitteile, ist die Tatsache, dass es keinen Sinn macht, die elektronische Kennzeichnung voranzutreiben, bis das System praktikabel, kostenwirksam und einsatzfähig ist. Deshalb haben Sie nach meinem Dafürhalten völlig Recht mit Ihrer Aussage, man solle bis Ende 2009 warten, um zu sehen, wo wir dann stehen. Wie Herr Stevenson durchaus zu Recht anmerkte, sollte das System auf Freiwilligkeit basieren, wenn die Mitgliedstaaten bereit dazu sind, wenn größere Zahlen von Schafen bewegt werden und wenn das System funktioniert. Übereilen Sie die Einführung nicht, bevor wir nicht so weit sind.

 
  
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  James Nicholson (PPE-DE). (EN) Herr Präsident! Einmal mehr setzen wir uns hier mit der Kennzeichnung von Schafen auseinander. Ich kann nur sagen, es ist äußerst schade, dass die Kommission nicht schon vor langer Zeit am Anfang auf uns gehört hat, als wir ihre damaligen Vorschläge hinterfragt und Empfehlungen abgegeben haben. Frau Miguélez Ramos möchte ich Folgendes mitteilen: Ja, wir haben diese Reden vor langem zu Beginn der Debatte über die Kennzeichnung von Schafen gehalten. Aber bedauerlicherweise hat uns niemand Gehör geschenkt, selbst als wir erklärten, das System sei nicht umsetzbar.

Wir haben Sie ja gewarnt, aber Sie haben einfach nicht hingehört. In der Realität können sich Schafhalter niemals die Kosten für die elektronische Kennzeichnung leisten, weil sie für ihre Lämmer heute weniger bekommen als vor 20 Jahren. Nennen Sie mir doch einen Teil eines anderen Unternehmens eines anderen Industriezweigs, der aufgefordert wird, beträchtliche Ausgaben zu tätigen, um dann weniger für seine Produkte zu erhalten als vor 20 Jahren. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass das der Fall ist.

Das gegenwärtige System ist ausreichend. Also, lassen wir das Ganze in einer tiefen Schublade für die fernere Zukunft verschwinden. Eine Wiederaufnahme des Themas im Jahr 2009 wäre für mich akzeptabel. Vielleicht ist bis dahin die Technologie für die elektronische Kennzeichnung, die gegenwärtig deutlich zu teuer ist, wie in vielen anderen Bereichen der Technik durch eine Kombination aus niedrigeren Kosten und einer besseren Rendite für Schafzüchter günstiger. Dann können wir die Sache erneut prüfen.

Rentabilität ist die große Herausforderung für die Schafproduktion. Wenn diese erreicht ist, können wir mit Vertrauen voranschreiten. Zugegebenermaßen habe ich mit großem Interesse den Meinungsaustausch über Schafe zwischen Frau Miguélez Ramos und Herrn Stevenson verfolgt, da sie sich ja sonst immer über Fisch unterhalten, was etwas ganz anderes ist! Dieser Gedankenaustausch ist wohl etwas lebhafter als der über Schafe heute Abend.

Für Schafbauern ist es schwierig, weil sie, wie Herr Parish beschrieben hat, so wenig Lohn und Anerkennung für ihre harte Arbeit erhalten. Auf den Bergen leben im Sommer Tausende von Schafen. Man versucht, sie zu fangen, sie zu kennzeichnen, ihnen zu folgen. Ich muss dem Kommissar Folgendes sagen: Ich wünschte, Sie würden ein paar von Ihren Beamten, die einige der Pläne auszuarbeiten, in diese Gebiete entsenden, damit sie begreifen, was die Schafbauern erdulden, was sie in Kauf nehmen müssen. Vielleicht verstehen Sie dann, wie es uns geht und warum wir diese Ansichten vertreten.

Ja, gestalten wir das System auf freiwilliger Basis, und zwar dann, wenn wir soweit sind. Schreiten wir mit dem richtigen Tempo voran – mit einem Tempo, das wir uns erlauben können.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich werde mich sehr kurz fassen, da es schon spät ist. Ich möchte die verehrten Abgeordneten daran erinnern, dass wir heute über das Datum für die Einführung des Systems debattieren. Es wurde ordnungsgemäß entschieden, das System einzuführen, aber das Datum hatte man offen gelassen. Oder anders gesagt: Es wurde ein Datum festgelegt, dass, wie beschlossen wurde, nachträglich geändert oder bestätigt werden sollte.

Die Angaben aus einigen Mitgliedstaaten zeigen zwei Aspekte. Erstens sei die Umsetzung sowohl technisch als auch wirtschaftlich machbar, wie es im Bericht heißt. Zweitens bräuchten die Mitgliedstaaten mehr Zeit, um das System einzuführen, das heißt, ein realistischeres Datum war erforderlich.

Die Kommission hatte ja in der Tat wirklich vorgeschlagen, das Datum zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen. Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht in unserer Absicht lag, das Parlament zu umgehen. Genau deshalb haben wir diese Vorgehensweise gewählt – mittels dieser Aussprache und nicht durch Aufnahme eines Artikels in die Verordnung, wodurch wir in der Lage gewesen wären, allein mit dem Rat eine Entscheidung zu fällen.

Die Kommission hat nie vorgehabt, das Parlament nicht in diese Beschlüsse einzuziehen. Die Festlegung des Datums galt als technische Frage. Da der Grundsatz bereits verabschiedet worden war, vertraten wir die Auffassung, diese technische Frage lasse sich durch das Ausschusswesen regeln, und um meine früheren Worte zu wiederholen: Wir haben kein Problem damit, die Änderung der Festlegung eines konkreten Datums anzunehmen, das den Mitgliedstaaten nach meinem Dafürhalten ausreichend Zeit gibt – zwei Jahre –, um sich vorzubereiten.

Allerdings würde es uns widerstreben, uns auf ein freiwilliges System zu einigen, da es in der Verordnung um Rückverfolgbarkeit geht und es diese in allen EU-Mitgliedsländern wirksam und in gleicher Weise durchzusetzen gilt. Es geht im Besonderen auch um die Tiergesundheit in der europäischen Union. Man kann die direkten Kosten des Systems an sich betrachten, aber wenn man sich den langfristigen Nutzen aufgrund von Einsparungen durch die Verringerung von Verlusten und Tierkrankheiten vor Augen hält, wird es sich unserer Ansicht nach letzten Endes aus wirtschaftlicher Perspektive als nützlich erweisen.

Nichtsdestotrotz sind wir bereit, den Änderungsantrag des Parlaments anzunehmen, den der Rat in der kommenden Woche unserer Überzeugung nach auch billigen wird.

 
  
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  Der Präsident. − Das Wort hat Herr Graefe zu Baringdorf mit einer Verfahrensfrage.

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Berichterstatter. − Erlauben Sie mir noch eine Frage an den Kommissar. Herr Kommissar Kyprianou! Ich habe einen Änderungsantrag eingebracht, der bestimmte Ausnahmen vorsieht, die nicht freiwillig erfolgen sollen, und auch der ursprüngliche Text lässt eine Variation, eine Aktualisierung zu, wenn man das unter Artikel 9 Absatz 4 nimmt. Es wäre unter bestimmten Bedingungen – zu denen nicht die Freiwilligkeit gehören darf, da wir es dann ja gleich lassen können – möglich, bestimmte Überlegungen anzustellen, wie man den Anliegen, die die Kollegen hier vorgetragen haben, in der Praxis entgegenkommen könnte. Das soll nur eine Anregung und eine Frage sein, die Sie sich vielleicht einmal durch den Kopf gehen lassen können.

 
  
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  Der Präsident. − Das war keine Verfahrensfrage, aber würde der Herr Kommissar bitte die Frage beantworten?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie ich bereits sagte, haben wir ein Problem, Änderungsanträge anzunehmen, die Auswirkungen auf die Grundprinzipien und auf die wichtigsten Aspekte der Verordnung haben.

Wir werden die Sache erneut prüfen, aber dennoch bereitet uns dies Bauchschmerzen.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 13. Dezember 2007, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich.(EN) Meines Erachtens wurde nicht ausreichend über die Effizienz und Wirksamkeit der elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen informiert. Zudem vertrete ich die Ansicht, eine wirtschaftliche Bewertung, und zwar eine Kosten-Nutzen-Analyse der Auswirkungen auf Produzenten, sei notwenig, bevor ein Datum für die Einführung der elektronischen Kennzeichnung festgelegt werden sollte.

Nach meinem Dafürhalten gibt es keine Rechtfertigung für die Festlegung eines Datums für die Einführung des Systems, bis die Auswirkungen der elektronischen Kennzeichnung, vor allem in Bezug auf Rückverfolgbarkeit und Krankheitsbekämpfung, bewertet worden sind.

In Irland schrumpft die Schafhaltung. Viele Landwirte steigen aus dem Sektor aus. Aus diesem Grund ist die Einführung dieser Maßnahmen und Kosten für die Branche zum gegenwärtigen Zeitpunkt unpassend.

Wenn es eine legitime Rechtfertigung für die elektronische Kennzeichnung in diesem Sektor gibt, würden Halter reagieren und sie selbst auf freiwilliger Basis einführen. Unabhängig davon, ob und wann das System zur elektronischen Kennzeichnung eingeführt wird, sollte die Einführung auf freiwilliger Grundlage und nicht zwingend erfolgen.

Außerdem sollte die elektronische Kennzeichnung – wenn sie kommt – nur für Tiere gelten, die nach einem bestimmten Stichtag geboren wurden und nicht für den bestehenden Gesamtbestand.

 

22. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

23. Schluss der Sitzung
  

Ich erkläre die Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 23.25 Uhr geschlossen.)

 
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