3. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
4. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
5. Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012 (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Glenis Willmott im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012 (2007/2146(ΙΝΙ)) (A6-0518/2007).
Glenis Willmott, Berichterstatterin. − (EN) Frau Präsidentin! Das Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz umfasst eine Vielzahl von Aspekten. Vereinfacht ausgedrückt, geht es darum, die Zahl der Arbeitsunfälle und arbeitsbedingten Erkrankungen zu verringern. Für den Einzelnen geht es um seine körperliche Unversehrtheit, Würde und sein Wohlbefinden. Für die Unternehmen geht es darum, die durch Fehlzeiten, Krankengeld und Produktivitätsverluste entstehenden Kosten zu senken. Die Auswirkungen von Mängeln in diesem Bereich belaufen sich auf astronomische 3,8 % des Bruttoinlandsprodukts.
Die letzten Monat hier in diesem Saal – trotz des beschämenden Auftritts bestimmter Europaabgeordneter von UKIP und der britischen konservativen Partei – unterzeichnete Grundrechtecharta stellt in Artikel 31 fest, dass jeder das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen hat. Ferner heißt es darin, dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat.
Schätzungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zufolge sterben jährlich in der EU über 140 000 Menschen an Berufskrankheiten und fast 9 000 Menschen sterben infolge eines Arbeitsunfalls. Das heißt, dass alle dreieinhalb Minuten in der Europäischen Union jemand an einer arbeitsbedingten Ursache stirbt. Das bedeutet, dass in der kurzen Zeit, die ich bisher gesprochen habe, möglicherweise jemand gestorben ist, und bis zum Schluss dieser Aussprache werden möglicherweise 20 Menschen gestorben sein.
Einige unserer Kollegen fechten das Grundrecht auf gesunde und sichere Arbeitsbedingungen vielleicht an, aber ich bin sicher, dass keiner von ihnen das Recht auf Leben in Frage stellen würde. Eine Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sollte die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung des geltenden ordnungspolitischen Rahmens in den Vordergrund stellen. Unsere existierenden Rechtsvorschriften sind im Wesentlichen sehr gut, aber sie müssen EU-weit einheitlich durchgesetzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass wir Rechtsvorschriften, die eindeutig unzureichend sind, nicht aktualisieren sollten, damit sie ordnungsgemäß angewendet werden können und den bestmöglichen Schutz gewährleisten. Das bedeutet auch nicht, dass wir auf Legislativinstrumente reagieren sollten wie ein Vampir auf Knoblauch, so wie das bei einigen in diesem Haus der Fall wäre.
Natürlich würde niemand behaupten, dass der legislative Weg immer der beste ist. Es gibt aber Fälle, in denen verbindliche Vorschriften notwendig sind, um zu gewährleisten, dass auf neu aufkommende Risiken in allen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß und einheitlich reagiert wird. Die Mitteilung der Kommission ist wegen ihrer Ausrichtung auf die Senkung von Arbeitsunfällen unter besonderer Berücksichtigung von KMU sehr zu begrüßen. Wir müssen den Schwerpunkt aber auch auf Berufskrankheiten legen, die mit enormen Kosten in Bezug auf die Gesundheit der Arbeitnehmer, für Unternehmen und deren Produktivität sowie die Gesellschaft insgesamt im Zusammenhang mit Sozialversicherungs- und medizinischen Aufwendungen verbunden sind.
Dem trägt der Bericht Rechnung, und er fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass Berufskrankheiten und insbesondere arbeitsbedingte Krebserkrankungen korrekt festgestellt und behandelt werden, damit Zielwerte für ihre Reduzierung festgelegt werden können. Ferner bedarf es detaillierter Aktionspläne mit Mittelbindungen und verbindlichen Terminen. Außer der Zielsetzung einer 25%igen Verringerung der Arbeitsunfälle scheint es kaum Möglichkeiten zu geben, um den Fortgang zu überwachen und zu messen. Um die geltende Gesetzgebung durchzusetzen wird in meinem Bericht vorgeschlagen, mit Zuckerbrot und Peitsche zu arbeiten. So wünsche ich mir, dass die Mitgliedstaaten eine gute Bilanz im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz mit Steuererleichterungen und einer Bevorzugung bei Ausschreibungen, der Einführung eines Bonus-Malus-Systems bei Versicherungsverträgen und weiteren finanziellen Anreizen honorieren. Andererseits wünsche ich mir aber auch strengere Sanktionen für jene Arbeitgeber, die die Gesundheit und Sicherheit ihrer Arbeitnehmer vernachlässigen, sowie mehr Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die die geltende Gesetzgebung in diesen Bereich nicht ordnungsgemäß anwenden und durchsetzen.
Im Mittelpunkt jeder Strategie für Gesundheit und Sicherheit sollten jene stehen, die dem größten Risiko ausgesetzt sind. Zu diesen schutzbedürftigen Gruppen zählen Wanderarbeiter, die vielfach ausgebeutet werden, junge und ältere Arbeitnehmer, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, und Arbeitnehmer mit Behinderungen. Es ist unerlässlich, dass bei der Erarbeitung und Umsetzung entsprechender Strategien die Rahmenrichtlinie aus dem Jahre 1989 konsequent auf diese Gruppen sowie andere Arbeitnehmer, die häufig vernachlässigt werden, wie Beschäftigte in der Landwirtschaft und im Gesundheitswesen, angewendet wird. Die Mitgliedstaaten müssen diese Gruppen umfassend berücksichtigen. Wir brauchen eine Rahmenrichtlinie für Erkrankungen des Bewegungsapparats, um etwas gegen Probleme wie Schmerzen im unteren Rückenbereich – praktisch arbeitsbedingte Überbeanspruchungen – sowie Erkrankungen des unteren Rückenbereichs unternehmen zu können.
Es gibt noch etliche weitere Probleme, auf die ich hinweisen möchte, aber ich habe keine Zeit mehr, deshalb freue ich mich auf die Ausführungen meiner Kolleginnen und Kollegen sowie der Kommission.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments! Ich möchte eingangs Frau Willmott für den ausgezeichneten Bericht danken, den sie über die Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz erarbeitet hat.
Die Kommission misst dem Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz vorrangige Bedeutung bei und kann einer großen Zahl Ihrer Empfehlungen zustimmen.
So möchte ich betonen, dass es hier um eine Strategie der Gemeinschaft und nicht nur eine Strategie der Kommission geht. Nur so können wir das grundlegende und ehrgeizige Ziel einer kontinuierlichen und nachhaltigen Senkung der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten erreichen. Eines unserer Hauptanliegen ist deshalb auch die Einbeziehung möglichst vieler Beteiligter auf politischer, operationeller und institutioneller Ebene.
Das von der Kommission anvisierte strategische Ziel einer Senkung der Arbeitsunfälle in der Europäischen Union um 25 % erfordert in der Tat die Mitarbeit und das Engagement nicht nur der öffentlichen Verwaltungen, sondern auch der Sozialpartner, die Verantwortung für die Vermeidung von Arbeitsunfällen tragen.
In diesem Zusammenhang sei nachdrücklich auf die Verpflichtung verwiesen, die die Mitgliedstaaten mit der Entschließung des Rates vom 25. Juni 2007 eingegangen sind: in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern Strategien für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, die auf die nationalen Voraussetzungen zugeschnitten sind, zu entwickeln und umzusetzen und messbare Ziele für die Verringerung der Arbeitsunfälle und der Häufigkeit arbeitsbedingter Erkrankungen insbesondere in den Bereichen, in denen die Quoten über dem Durchschnitt liegen, festzulegen.
Besonders erfreut ist die Kommission über die Reaktion des Europäischen Parlaments auf ihre Mitteilung und die Unterstützung für die in dieser Mitteilung dargelegten allgemeinen Schwerpunkte und Vorgehensweisen.
Ich habe das Interesse des Parlaments an einer angemessenen Planung und Verteilung der Ressourcen sowie im Hinblick auf die Beurteilung der Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele der Strategie und die Vorlage von Fortschrittsberichten zur Kenntnis genommen.
Die Kommission wird im Rahmen des Anzeigers (Scoreboard) für die Gemeinschaftsagenda über die konkret auf Gemeinschaftsebene geplanten Maßnahmen informieren. Wir werden im Rahmen eines dreiseitigen Informationsaustauschs über den Inhalt der nationalen Strategien, Ziele, ergriffenen Maßnahmen und der Kontrolle der erzielten Fortschritte auch mit dem Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zusammenarbeiten. Wir werden das Parlament unverzüglich über die Ergebnisse dieses Verfahrens unterrichten.
Was Ihre Bitte um die Überprüfung der Richtlinie 91/383 des Rates angeht, so möchte ich den verehrten Abgeordneten des Europäischen Parlaments mitteilen, dass die Dienststellen der Kommission derzeit anhand einer von einem externen Berater erarbeiteten Studie die Lage in verschiedenen Mitgliedstaaten analysieren. Für 2008 ist ein Bericht geplant, und die Kommission wird auf der Grundlage der Schlussfolgerungen dieses Berichts entscheiden, welche weiteren Maßnahmen in diesem Bereich ergriffen werden sollten.
Was die Bitte um Überprüfung der Richtlinie 92/85 des Rates betrifft, so möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Dienststellen der Kommission nach einer Konsultation der europäischen Sozialpartner zu einer möglichen Änderung dieser Richtlinie jetzt eine Folgenabschätzung durchführen, um die Konsequenzen bestimmter Änderungen der Richtlinie zu bestimmen. Sollte die Kommission nach Abschluss der Folgenabschätzung beschließen, einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen, so kann noch 2008 mit der Veröffentlichung eines solchen Vorschlags gerechnet werden.
Ich teile Ihre Ansicht, dass es in den nächsten Jahren darauf ankommt, die Durchsetzung der Gemeinschaftsgesetzgebung im Bereich Gesundheit und Sicherheit gerade für den Mittelstand mit einer Kombination von Maßnahmen zu verbessern, die das richtige Maß zwischen der Verantwortung der Arbeitgeber und der Mitwirkung der Arbeitnehmer finden.
Was die Gesundheit am Arbeitsplatz angeht, so dürfte die neue Strategie einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines gesünderen Arbeitsklimas in der EU darstellen, bei dem die Bedürfnisse einer alternden Erwerbsbevölkerung berücksichtigt werden und stärker gefährdete Gruppen umfassenden Schutz genießen. Die Kommission wird ihre Bemühungen um eine angemessene Definition von Gesundheitsindizes sowie andere statistische Parameter intensivieren, damit gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz ordnungsgemäß überwacht werden können.
Wir sind davon überzeugt, dass die in der Gemeinschaftsstrategie für den Zeitraum 2007-2012 und in dem von Ihnen heute zu billigenden Bericht dargelegten Schwerpunkte die Voraussetzungen für sicherere und gesündere Arbeitsplätze in der Europäischen Union schaffen werden.
Edit Bauer, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. − (EN) Frau Präsidentin! Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter betont einerseits in seiner Stellungnahme, dass Muskel- und Skeletterkrankungen sowie psychologische Probleme die häufigsten durch die Bedingungen am Arbeitsplatz hervorgerufenen Gesundheitsprobleme bei Frauen sind. Andererseits unterstreicht er, dass das Erfordernis einer Risikoabschätzung für Frauen und Männer und der Ergreifung entsprechender Maßnahmen nicht bedeutet, dass wieder ausgrenzende Schutzmaßnahmen erlassen oder unterschiedliche Tätigkeiten für Frauen und Männer geschaffen werden.
Obwohl die europäischen Rahmenrichtlinien im Bereich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz geschlechterneutral sind, ist das kein ausreichender Grund dafür, dass arbeitsbedingte Risiken für die Gesundheit und Sicherheit von Frauen im Vergleich zu denen für Männer sowohl im Bereich der Prävention als auch der Forschung unterschätzt und vernachlässigt werden.
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überall in der EU sind unterschiedlichen Risiken an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt: chemischen, biologischen und physikalischen Agenzien, ungünstigen ergonomischen Bedingungen, einer komplexen Mischung aus Unfallgefahren und Sicherheitsrisiken zusammen mit diversen psychosozialen Risikofaktoren. Folglich bilden Frauen und Männer keine homogene Gruppe. Deshalb müssen Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz an spezielle Arbeitsplätze angepasst werden, wobei berücksichtigt werden muss, dass einige Faktoren sich unterschiedlich auf Frauen und Männer auswirken können.
In der Stellungnahme wird auch nachdrücklich auf neue Risikofaktoren wie Belästigung, Gewaltanwendung und Mobbing durch Kunden am Arbeitsplatz, vor allem in öffentlichen Dienstleistungsbereichen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, verwiesen. Abschließend wird darin die Notwendigkeit betont, die Einführung von Gefahr-, Risiko- und Präventionskonzepten in die Schullehrpläne und Bildungssysteme als ein wirksames Mittel zur Schaffung einer ausgeprägten und nachhaltigen präventiven Sicherheits- und Gesundheitskultur in Betracht zu ziehen.
Thomas Ulmer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen und Kolleginnen! Vielen Dank an Frau Willmott für die faire und gute Zusammenarbeit. Der Bericht spiegelt den hohen Stellenwert des Themas Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in der EU-27 wider. Die wesentlichen Elemente des Schutzes werden betont und gewichtet. Die Kosten für die Sicherheit und die Unfallverhütung sind hoch, aber lassen Sie mich hier eindeutig betonen: Gesundheit ist nicht bezahlbar! Wichtig ist, dass in allen Mitgliedstaaten die Bestimmungen umgesetzt und angewandt werden, wichtig ist Hilfe zur Umsetzung und Beratung durch die Europäische Union, nicht Strafe.
Ein besonderes Augenmerk gilt aus meiner Sicht den kleinen und mittleren Unternehmen, die hier Unterstützung brauchen, um im Wettbewerb mithalten zu können. Hier fordern wir die Kommission auf, die entsprechenden Rahmenbedingungen für die kleinen und mittleren Unternehmen zu schaffen, wo sie noch nicht vorhanden sind, und dort, wo sie bereits vorhanden sind, dieselben zu verbessern. Der Schutz der Arbeitnehmer darf nicht vom Land ihres Arbeitsplatzes oder der Größe ihres Betriebes abhängen.
In der Kürze der Zeit will ich nur einige Punkte aufzählen, die von besonderer Bedeutung sind, wie der verbesserte Schutz vor Hepatitis und Aids, und die weitere aufwändige, aber planmäßige Entfernung von Asbest aus der Arbeitswelt. Das Augenmerk gilt hier für mich der Hepatitis B, und hier insbesondere Personen, die beruflich ein erhöhtes Risiko tragen, sich mit Hepatitisviren zu infizieren, also im Bereich der Medizin, der Pflege und der Ersten Hilfe.
Im Bereich der Ersten Hilfe müssen in vielen Mitgliedstaaten auch die im Katastrophenschutz, in der Rettung und bei den Feuerwehren ehrenamtlich Tätigen mit einbezogen werden, die sozusagen in einem zweiten, nicht bezahlten Beruf ihren Einsatz bringen. Insgesamt waren für mich die Stringenz des Berichtes — das Festhalten am Thema — und die Vermeidung von Beispielen, die in vielen Bereichen eine Vorverurteilung gebracht hätten, sehr wichtig.
Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit! Die EVP-ED-Fraktion stimmt dem Bericht zu.
Pier Antonio Panzeri, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Am 6. Dezember 2007 sind bei einem Brand im ThyssenKrupp-Stahlwerk in Turin sieben Arbeiter gestorben. Dieser schwere Unfall zeigt, dass das Sicherheitsproblem längst noch nicht gelöst ist.
Die Tragödie in Turin veranlasst uns in diesem Hause aber noch zu einer anderen Überlegung. Von diesem multinationalen Konzern hätten wir eigentlich ein anständiges Verhalten erwartet, was indes nicht der Fall war. Italienische Zeitungen berichteten gestern, in einem nach dem verheerenden Brand in dem Stahlwerk von einem führenden ThyssenKrupp-Manager verfassten und von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten vertraulichen Dokument seien die Überlebenden, die nach dem Unfall interviewt worden sind, als Arbeiter dargestellt worden, die sich im Fernsehen als Helden und Stars aufgespielt hätten. Eine solche Behauptung lässt sich nicht anders als einfach blamabel bezeichnen.
Dieses Parlament wie auch der Kommissar sollten, abseits jeglicher Formalität, unbedingt ihre Empörung gegenüber ThyssenKrupp zum Ausdruck bringen. Was in Turin geschehen ist, geschieht gewissermaßen überall und unterstreicht, nicht zuletzt aufgrund des ausgezeichneten Berichts Willmott, die notwendige Verpflichtung zu einer deutlichen Verringerung der Zahl der Arbeitsunfälle und der arbeitsbedingten Todesfälle.
Elizabeth Lynne, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Das ist ein sehr guter Bericht, und ich möchte der Berichterstatterin für ihre Zusammenarbeit danken.
Ich freue mich, dass im Bericht von einer besseren Anwendung der Richtlinien die Rede ist. Ich begrüße ferner Forderungen nach einer Verbesserung der Inspektionen. Lippenbekenntnisse seitens der Mitgliedstaaten, wie sie im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz häufig zu hören sind, bringen wenig. Außerdem werden selbst dann oft neue Regelungen gefordert, wenn es weder wissenschaftliche noch medizinische Anhaltspunkte für ein Risiko gibt.
Ein Bereich, der gesetzlich geregelt werden muss – und das haben wir bereits 2005 gefordert – betrifft die Vermeidung von über einer Million Verletzungen mit Injektionsnadeln, von denen Arbeitnehmer im Gesundheitsbereich jedes Jahr in der EU betroffen sind. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich versehentlich mit einer Nadel verletzt, und nun müssen Sie warten, bis Sie wissen, ob Sie sich mit einer schweren Krankheit wie HIV oder Hepatitis B infiziert haben. Das ist schrecklich!
Die Kommission muss auf unsere Forderung reagieren und eine Änderung der Richtlinie über biologische Arbeitsstoffe aus dem Jahre 2000 vorlegen. In einigen Bereichen ist der Austausch der besten Praxis vielleicht ausreichend, weshalb ich mich auch freue, dass meine Änderungsanträge zu Infektionen, die sich Arbeitnehmer des Bereiches Gesundheit bei ihrer Arbeit zuziehen, im Ausschuss angenommen wurden. Infektionen wie MRSA sind nicht nur für Krankenhauspatienten gefährlich, sondern auch für Krankenhauspersonal. Die Infektionsraten sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich. So ist die Infektionsrate im Vereinigten Königreich zehnmal höher als in den Niederlanden. Wir müssen herausfinden, wieso und wie wir von den bewährten Verfahren lernen können. Deshalb fordere ich in einem meiner im Ausschuss angenommenen Änderungsanträge die Entwicklung eines EU-Verhaltenskodexes zur Prävention von Infektionen im Gesundheitsbereich sowie die EU-weite Förderung von Routineuntersuchungen des Gesundheitspersonals.
Sepp Kusstatscher, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Zunächst danke auch ich der Berichterstatterin, Frau Willmott, für die ausgezeichnete Arbeit, vor allem auch für die große Kompromissbereitschaft. Mehr als 160 000 Tote und rund 300 000 Arbeitsunfähige pro Jahr in der EU aufgrund von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Krankheiten – das ist zuviel! In unserer Gesellschaft, wo der Mensch oft nur als Produktionsfaktor gesehen wird, wird der humane Aspekt dieses Problems zuwenig bewertet. Den ausschließlich profitorientierten Wirtschaftstreibenden muss der Staat – also Gesetzgeber und Regierung – auch die Folgekosten dieser Ausbeutung aufrechnen. Nur so wird erreicht, dass Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz das nötige Gewicht bekommen.
Arbeitsunfälle werden in der öffentlichen Meinung eher wahrgenommen als die große Vielfalt der arbeitsbedingten Erkrankungen. Hier braucht es mehr und intensivere Anstrengungen. Nur durch genaues Hinschauen, d. h. durch Kontrollen und Analysen, sowie durch das Festlegen von präzisen Zielen zur Reduzierung von Berufskrankheiten, auch von neuen Krankheiten, beispielsweise infolge der Nanotechnologien, können Verbesserungen erreicht werden.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Die Annahme dieses Berichts über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz würde für noch mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand sorgen. Dabei dachte ich, dass die Kommission diesen verringern wollte!
Krankheits- und verletzungsbedingter Arbeitsausfall erhöht die Kosten für die betroffenen Unternehmen, was sich auf deren Preise auswirkt. In einer EU des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs herrscht mehr Wettbewerb, und folglich werden jene, die sich nicht um ihre Arbeitnehmer kümmern, geschäftlich den Kürzeren ziehen. Menschen, die krankheitsbedingt nicht arbeiten können, sorgen auch dafür, dass die Kosten für Sozialleistungen ansteigen und tragen damit zu einem weiteren Anstieg der Preise bei. Deshalb liegt der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im ureigensten Interesse eines Unternehmens.
Gute Ideen verbreiten sich immer, folglich dürfte das nicht so schwierig sein. Voraussetzung dafür ist natürlich ein freier Markt, aber wer wie einige Mitglieder des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten natürlich meint, dass das zum Gesetz des Dschungels führt, der muss sich mit einer weiteren ernsten Krankheit auseinander setzen. Offenbar sind Mitgliedstaaten, die den freien Markt propagieren, ein Fall für den Psychiater.
Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Frau Präsidentin! Mit den Selbstmorden von Beschäftigten bei Renault und Peugeot in Frankreich, mit den Tausenden von Lungenkrebserkrankungen bei den Arbeitern, die mit Asbest in Berührung kommen, haben wir zweifellos ein Problem im Bereich der Gesundheit am Arbeitsplatz.
Als Gegenmaßnahme legte die Europäische Kommission eine in den Rang einer Gesundheitsstrategie erhobene Mitteilung vor, die jedoch beim Lesen eher an eine Walt-Disney-Geschichte erinnert – an eine von Schneewittchen für die sieben Zwerge verfasste Entschließung. Sie ist in der Tat ganz reizend. So wird unter Ziffer 35 der Entschließung festgestellt, dass eine gesunde Lebensweise am Arbeitsplatz erforderlich sei, unter Ziffer 29, dass Arztbesuche notwendig seien, unter Ziffer 54, dass Feuerlösch-Sprinkleranlagen vorgesehen werden müssten, unter Ziffer 49, dass Stress nicht gut für die Gesundheit sei, und in Erwägung D entdecken wir, dass es im Baugewerbe mehr tödliche Unfälle gibt als im europäischen öffentlichen Dienst.
Glücklicherweise hat der Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie Lösungen parat: die Anstellung eines Psychologen und eines Seelsorgers für je 500 Beschäftigte.
Doch in Wirklichkeit wird nichts über die Gründe der Erkrankungen am Arbeitsplatz ausgesagt, von denen es drei gibt. Erstens die Ideologie des Abbaus unserer Schutzmechanismen an den Grenzen, wodurch unsere Arbeitnehmer dem unlauteren Wettbewerb mit den asiatischen Sklaven-Arbeitern ausgesetzt werden. Um dem standhalten zu können, bleibt nur die Jagd nach höherer Produktivität auf Kosten der Gesundheit.
Zweitens macht die törichte Politik des starken Euro unsere monetäre Wettbewerbsfähigkeit zunichte. Als einzige Anpassungsvariable verbleibt dann nur die Jagd nach noch mehr Produktivität, wieder unter Beeinträchtigung der Gesundheit.
Drittens bedeutet die krankhafte Philosophie der Wettbewerbsfähigkeit einen Wirtschaftskrieg zwischen Europa, Asien und Lateinamerika. Doch im Kriege gibt es Verwundete und Tote, im vorliegenden Fall Opfer von arbeitsbedingten Erkrankungen und Unfällen. Anders ausgedrückt, der europäische Arbeitnehmer steht in der weltweiten ökonomischen Arena wie ein abgehetzter, blutender Kampfstier, der seine Gesundheit bis zum Äußersten strapaziert. Die Lösung besteht darin, unsere Arbeitnehmer aus dieser weltweiten Arena des unfairen Wettbewerbs herauszuhalten, und zwar mittels einer neuen Zolltechnologie von abzugsfähigen Zollgebühren.
Romano Maria La Russa, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich einen Überblick über die Kernelemente dieser Strategie geben und die in meiner Stellungnahme enthaltenen Empfehlungen darlegen. Aspekte von primärer Bedeutung sind die Gewährleistung eines gleichen Sozialschutzes für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Form des Arbeitsvertrags, die Beschleunigung bürokratischer Prozeduren für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Schaffung von Anreizen, einschließlich finanzieller Art, für Ausbildungsmaßnahmen.
Sich nur mit diesen Aspekten befassen wäre jedoch gegenüber denjenigen schäbig, die zu Recht Erklärungen und Gerechtigkeit angesichts solch schrecklicher Tragödien fordern, wie sie sich zuletzt vor einigen Tagen in Turin ereignete und soeben von Herrn Panzeri angesprochen wurde. Ein in der Nacht vom 6. zum 7. Dezember in dem ThyssenKrupp-Stahlwerk ausgebrochener Brand hat unter den Arbeitern sieben Todesopfer gefordert; die Feuerlöscher funktionierten nicht. Erst später stellte sich heraus, dass der Betrieb die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten hat! Das Europäische Parlament und ich selbst können nicht umhin, auf einen solchen Skandal hinzuweisen.
Selbstverständlich will ich das Verhalten des deutschen Konzerns keineswegs in Bausch und Bogen verurteilen oder gar annehmen, das Werk habe, bei aller Schuld, die Sicherheitsvorschriften vorsätzlich und bewusst nicht eingehalten, um Geld zu sparen. Ich werde mich nicht den ideologischen Argumenten einiger Mitglieder der italienischen Gewerkschaftslinken anschließen, die sich im Juni dieses Jahres bei Bekanntwerden der beabsichtigten Werksschließung zu Vorkämpfern der Sicherheit erhoben und als Verantwortliche und Hüter der Betriebssicherheit des Stahlwerkes erklärt hatten. Dies ist jedoch noch nicht der richtige Zeitpunkt, um Urteile zu fällen, vor allem keine voreiligen.
Bei aller Anerkennung der nationalen Zuständigkeiten in dieser Angelegenheit halte ich es für dringend geboten, dass die Europäische Union in erster Linie durch verstärkte Inspektionstätigkeiten der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz die vollständige Umsetzung gesetzlicher Bestimmungen sicherstellt und durch besseres Funktionieren des Ausschusses Hoher Arbeitsaufsichtsbeamter für eine verstärkte Koordinierung der verschiedenen nationalen Aufsichtsämter Sorge trägt.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Es steht außer Zweifel, dass Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz dem Qualitätsmanagement, der Wirtschaftskraft und der Wettbewerbsfähigkeit zugute kommen und die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Erreichung von Haushaltszielen einschließlich der für die soziale Sicherheit vorgesehenen Budgets fördern. Natürlich gibt es neben all diesen technischen Aspekten humanitäre Gründe, aus denen der Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern und die Gewährleistung ihrer Sicherheit am Arbeitslatz nicht nur notwendig, sondern vorrangig sind.
Die Strategie für 2002-2006 verzeichnete positive Ergebnisse, und die Aussichten für den Zeitraum ab 2007 sind ebenfalls positiv, solange wir alle – nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf der jeweiligen nationalen Ebene – einen Beitrag zur Planung und Kontrolle des Gesundheits- und Arbeitsschutzes leisten, und zwar vor allem im Hinblick auf gefährdete Gruppen, also junge Menschen, ältere Arbeitnehmer – die wir auffordern, ihren Ruhestand aufzuschieben – und Frauen, die ebenfalls aufgerufen sind, am Arbeitsleben teilzunehmen, einem Arbeitsleben mit neuen Anforderungen, das aus vielen verschiedenen Verträgen, Selbständigkeit und der Beschäftigung in Klein- und Mittelbetrieben besteht, denen es wesentlich schwerer als Großunternehmen fällt, für ordnungsgemäße Arbeitsbedingungen und die erforderliche Sicherheit zu sorgen. Es muss deshalb unser aller Anliegen sein, so wie im Bericht Willmott vorgeschlagen, nationale und gemeinschaftliche Ressourcen ordnungsgemäß einzusetzen, damit die anvisierten Ziele erreicht werden können.
Maria Matsouka (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich möchte eingangs unsere Kollegin Frau Willmott beglückwünschen, denn sie hat mit ihrem Bericht größtenteils die großen Lücken geschlossen, die in der Mitteilung der Kommission enthalten sind.
Würde am Arbeitsplatz, das bedeutet Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Das bedeutet, dass Studien zur Vermeidung arbeitsbedingter Risiken durchgeführt werden, und das bedeutet, dass Arbeitgeber vorbeugende medizinische Untersuchungen anbieten. Das bedeutet lebenslanges Lernen sowie berufliche Grund- und Weiterbildung. Das bedeutet, dass Gesundheit und Sicherheit eine Schlüsselstellung bei Wirtschaftsabkommen mit Drittstaaten zukommt. Doch diese Vorschläge haben nur dann wirklich Sinn, wenn der soziale Dialog kontinuierlich geführt wird und vor allem wenn wir etwas gegen die elementaren Gefahren unternehmen, die den Bereich der Arbeitsbeziehungen überschatten.
Damit meine ich insbesondere die wachsende Armut unter Arbeitnehmern, die rasante Zunahme inoffizieller Beschäftigungsformen und die Verlängerung der Arbeitszeit. Ohne Politiken, in deren Mittelpunkt der Mensch steht und die eine Abkehr von diesen arbeitnehmerfeindlichen Bedingungen bewirken können, sind soziale Zusammenstöße vorprogrammiert.
Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Die von der Europäischen Kommission im Rahmen der Strategie für den Zeitraum bis 2012 vorgeschlagenen Maßnahmen sind im Wesentlichen oberflächlich und stellen darauf ab, dass die Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird.
Das Ziel, die Zahl der Unfälle bis zum Ablauf der Strategie um 25 % zu senken, mag beeindruckend wirken, doch in Wirklichkeit ist es völlig unzureichend. Das Ziel sollte darin bestehen, die Voraussetzungen für ein institutionelles Eingreifen des Staates zu schaffen und zu stärken, damit der tragische Tod Tausender von Menschen in jedem Jahr und die schweren arbeitsbedingten gesundheitlichen Probleme einer ähnlichen Zahl von Menschen nach Möglichkeit verhindert werden können. Vielmehr stellt die Berichterstatterin die Ausbeutung in den Mittelpunkt, der Arbeitnehmer beispielsweise an gefährlichen Arbeitsplätzen, Frauen, Zeitarbeiter, Zuwanderer und ältere Arbeitnehmer ausgesetzt sind, und schlägt strengere Maßnahmen gegen Arbeitgeber sowie eine wirksame Aufsicht vor.
Eine der wichtigsten Leistungen des Berichts besteht möglicherweise in der Erkenntnis, dass ein Dauerarbeitsverhältnis eine Voraussetzung für die Vermeidung von Unfällen und Berufskrankheiten ist.
Neben Unfällen sollte auch den Ursachen von psychischen Erkrankungen, Suchtverhalten und psychologischen Gefahren am Arbeitsplatz mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Deshalb bedarf es eines vielseitigen Ansatzes im Umgang mit allen Faktoren, die sich auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auswirken.
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich bei der Lektüre der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012, die die Europäische Kommission im Februar des vorigen Jahres vorgelegt hat, in vielerlei Hinsicht enttäuscht war. Obgleich die Kommission in dieser Strategie mit der Verringerung der Zahl der Unfälle am Arbeitsplatz um 25 % ein relativ ehrgeiziges Ziel vorgibt, umfasst die Strategie nur ganz wenige konkrete Initiativen und Empfehlungen, wie diese Zielvorgabe erreicht werden kann. Außerdem konzentriert sie sich abermals im Wesentlichen auf Arbeitsunfälle, die selbstverständlich nur einen Aspekt arbeitsbedingter Gesundheitsprobleme darstellen. Berufskrankheiten werden ziemlich vernachlässigt. Das halte ich für einen Rückschritt.
Andererseits muss ich Frau Willmott danken und zu ihrem Bericht über diese Strategie beglückwünschen. Der Bericht enthält im Gegensatz zu dem Kommissionspapier eine Fülle konkreter Vorschläge und Empfehlungen zur Erzielung besserer Ergebnisse auf dem Gebiet der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Es stimmt mich zufrieden, dass die Berichterstatterin auch herausstellt, wie notwendig es ist, Krebserkrankungen korrekt zu definieren und zahlenmäßig als Berufskrankheiten zu erfassen, um so Zielwerte für die Reduzierung dieser ernsten Erkrankung festlegen zu können. Bislang sind nur 5 % der Krebsfälle als Berufskrankheit eingestuft.
Ich habe mich sehr gefreut, dass mein Änderungsantrag über die notwendige Gewährleistung eines freien Zugangs zu technischen Normen für die breite Öffentlichkeit, den ich im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten eingebracht habe, in den Bericht eingeflossen ist. Dieses Problem, mit dem Beschäftigte in zahlreichen Mitgliedstaaten permanent zu kämpfen haben, bedarf einer Lösung.
Kathy Sinnott (IND/DEM). – (EN)Frau Präsidentin! Wenn wir die Zahl der Arbeitsunfälle senken wollen, dann müssen wir wissen, wie sie passieren. Wir können nicht alle Unfälle, die passieren oder die fast passieren, untersuchen, aber ich möchte Ihnen von einem 19-jährigen Iren erzählen, der auf einer Baustelle starb, weil sein leichter japanischer Bulldozer mit schweren europäischen Schaufeln bestückt war. Sein Tod wurde als Todesfall im Baugewerbe registriert, und die irische Behörde für Gesundheits- und Arbeitsschutz hat keine weiterführenden Untersuchungen angestellt. Wie also können wir die nächste Person, die eine falsch bestückte Zugmaschine fährt, schützen? Wir wissen es nicht.
Wir können nicht alles untersuchen, aber wir können alle tödlichen und sonstigen schweren Unfälle untersuchen, und zwar vor allem jene in Sektoren mit dem größten Gefahrenpotenzial wie der Landwirtschaft, der Fischerei, dem Baugewerbe und dem Verkehr. Wir müssen das Geschehen aufschlüsseln, um praktische Maßnahmen ergreifen zu können. Neben gefährlichen Berufen gibt es auch stark schutzbedürftige Gruppen in der Arbeitnehmerschaft, wie ältere, behinderte und solche Arbeitnehmer, die die Sprache des Landes, in dem sie ihren aktuellen Arbeitsplatz haben, nicht sprechen.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte angesichts der Tragödie, von der die Arbeiter in dem Turiner Werk heimgesucht wurden, zunächst mein Beileid aussprechen; es ist wohl eine unbestrittene Tatsache, dass es deswegen so viele tödlich verlaufende Arbeitsunfälle in Italien gibt, weil zu wenig zu ihrer Verhütung getan wird und die Vorschriften nicht streng genug eingehalten werden.
Verantwortlich dafür sind Unternehmen, Gewerkschaften und Aufsichtsämter gleichermaßen. Wir treffen Unternehmen an, die illegale Arbeitskräfte, vor allem aus Drittstaaten, einsetzen, oder Werke wie ThyssenKrupp mit ihrer Unternehmensarroganz alten Stils; diejenigen, die eigentlich die Interessen der Arbeitnehmer verteidigen sollten, halten sich bei solchen Situationen oftmals zurück oder lassen sie gar stillschweigend zu, anstatt wachsam zu sein und Mängel im Sicherheitssystem den Sicherheitsbeauftragten unverzüglich zu melden; die Arbeitsaufsicht schließlich sowie sonstige Kontroll- und Aufsichtsinstanzen lassen Eigeninitiativen häufig vermissen.
Die Sicherheit am Arbeitsplatz in der EU muss gefördert werden, und in dieser Hinsicht ist der Bericht Willmott befriedigender als der Vorschlag der Kommission. Wenn von Arbeit und Industrie gesprochen wird, dürfen wir uns nicht nur auf die Gewährleistung von Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsfähigkeit beschränken.
Iles Braghetto (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Noch immer sterben Menschen am Arbeitsplatz. Da, wo die Fähigkeit des Menschen zum geschickten und kreativen Umgang mit der Materie, zur Erweiterung seiner Kenntnisse sowie dazu, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, unter Beweis gestellt werden sollte, treten allzu oft Todesfälle sowie Gefahren für Leib und Leben auf.
Deshalb sind die Wut und die Bestürzung der öffentlichen Meinung in Italien über die sieben Arbeiter, die bei dem Brand in dem Turiner ThyssenKrupp-Stahlwerk im Dezember letzten Jahres den Tod fanden, so groß und müssen wir uns die Frage stellen, was in diesem Betrieb nicht richtig funktioniert hat, damit solche Katastrophen verhindert werden können. Wir tragen für derartige Unzulänglichkeiten an allen Arbeitsplätzen die Verantwortung.
In Europa verfügen wir heute über sehr fortschrittliche Rechtsvorschriften zur Förderung einer entsprechenden Politik der Verhütung, zur Festlegung von Unternehmenspflichten und zur Regelung neuer Berufskrankheiten. Es fehlt jedoch an ausreichenden Kontrollen, an Inspektionen zur Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowie an Personal und finanziellen Mitteln. Des Weiteren fehlt uns noch eine Kultur, bei der strikten Präventionsdienstleistungen ein hoher Stellenwert eingeräumt wird, bei der die Prävention als ein kontinuierlicher Prozess gilt und nicht als eine gelegentliche Verpflichtung, bei der zwischen den Beteiligten ein ständiger Dialog im Hinblick auf die Entwicklung hoher Sicherheitsstandards geführt wird und bei der das Auftreten neuer Berufskrankheiten psychosozialer Art erfasst werden kann.
Abschließend bin ich der Meinung, dass das Thema, das Gegenstand des Grünbuchs über die soziale Verantwortung der Unternehmen ist, bei dem Bemühen um eine Verringerung der Arbeitsunfälle und der Berufskrankheiten als Element der Kohäsion und Innovation wieder aufgegriffen werden sollte.
Richard Falbr (PSE). – (CS) Zunächst möchte ich Frau Willmott für ihren mit großer Sorgfalt verfassten Bericht danken. Wie erwähnt, strebt die Kommission eine Verringerung der Arbeitsunfälle um 25 % an. Und das halte ich nicht für möglich. Es gibt nicht genug Arbeitsaufsichtsbeamte, und für Änderungen reicht das ihnen zur Verfügung stehende Instrumentarium nicht aus. Der Gewerkschaftseinfluss wird immer mehr abgebaut; in etlichen Ländern sind die Gewerkschaften nicht mehr an Untersuchungen zu den Ursachen von Arbeitsunfällen und der Beseitigung ihrer Folgen beteiligt. Zudem ist da noch der Dschungel von Agenturen, die Arbeitnehmer beschäftigen, und es gibt den stetigen Druck, um die so genannte Flexibilität der Arbeitnehmer in Sachen Arbeitszeit zu erhöhen. Dies hat zur Folge, dass die Beschäftigten viele Stunden arbeiten und die Unfallrisiken steigen.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! In dem Entwurf eines Entschließungsantrags wird die soziale Verantwortung der Unternehmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz unterstrichen und gleichzeitig die Frage des fairen Wettbewerbs angesprochen. Es wird dort auch auf die große Bedeutung des Dialogs zwischen den Sozialpartnern und insbesondere der Rolle der Gewerkschaften bei der Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz hingewiesen.
Ferner wird darin hervorgehoben, dass die kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen der Strategie zur Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz besonderer Unterstützung bedürfen und die Arbeitnehmer kontinuierlich geschult werden müssen. Von Arbeitsunfällen sind zumeist Arbeitnehmer betroffen, die gerade eine Arbeit aufgenommen haben und denen es an Erfahrung mangelt, wie auch Arbeitnehmer, denen zu wenig Zeit bleibt, um sich nach der Arbeit zu erholen.
Der Entwurf enthält wichtige Aussagen zur Rehabilitation und Wiedereingliederung von Arbeitnehmern nach einem Arbeitsunfall sowie zu den Voraussetzungen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Krebserkrankungen in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden. Ich möchte der Berichterstatterin meinen Glückwunsch übermitteln.
Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Seit mehreren Jahren schon debattieren wir in diesem Haus über die europäische Arbeitsmarktstrategie. Es gibt eine Vielzahl von Meinungen, in welche Richtung unsere Aktivitäten gehen sollten. Während die einen für eine tief greifende Harmonisierung des Arbeitsrechts plädieren, verweisen andere nachdrücklich auf die Vorteile, die die natürliche Vielfalt auf den europäischen Arbeitsmärkten für die Wirtschaft der EU mit sich bringt.
Wie Sie wissen, tendiere ich in dieser Frage zu der letztgenannten Sichtweise – mit einer wichtigen Ausnahme allerdings. Ich meine die Regelungen zur Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Hier ist meines Erachtens das aktive Engagement der EU-Institutionen ebenso gerechtfertigt wie notwendig.
Mit der jüngsten Erweiterung der EU verzeichnen wir sogar eine noch größere Vielfalt an Arbeitsbedingungen, und das sowohl in territorialer Hinsicht als auch in Bezug auf das Umfeld, denn die meisten Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten betreffen – gleich, welches Land – Arbeitnehmergruppen wie Wanderarbeitnehmer sowie jüngere oder ältere Arbeitnehmer. Ich will damit nicht andeuten, dass diese Gruppen gezielt und bewusst diskriminiert werden. Das ist vielmehr eine Folge unzureichender Bildung und mangelnder Erfahrung. Umso mehr müssen gerade für diese Arbeitnehmer entsprechende Arbeitsbedingungen zur Gewährleistung der Sicherheit am Arbeitsplatz geschaffen werden.
Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass es in allen Mitgliedstaaten größere Probleme mit der Einhaltung der höchsten Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz in solchen Bereichen wie dem Baugewerbe, der Landwirtschaft und den Verkehrssektor gibt. In diesen Sektoren sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen zu finden, denen es aufgrund ihrer finanziellen, organisatorischen und rechtlichen Möglichkeiten schwerfällt, die hohen Gesundheits- und Sicherheitsstandards einzuhalten. Vor allem diese Unternehmen brauchen dringend die Unterstützung der Europäischen Union, der EU-Institutionen und der Regierungen der Mitgliedstaaten. Dabei geht es nicht nur um Sanktionen und eine verstärkte Überwachung. Diese Instrumente, die selbstverständlich wichtig sind, müssen ergänzt werden durch Investitionen in Bildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sowie durch die finanzielle Unterstützung für eine bessere und sicherere Arbeitsplatzausrüstung.
Gabriela Creţu (PSE). – (RO) Wir begrüßen die guten Absichten der Kommission, aber wir haben Zweifel an ihrer Wirksamkeit.
Damit Maßnahmen so wirksam wie möglich sind und um die Arbeitnehmer zu schützen, braucht man genaue Statistiken zu arbeitsbedingten Erkrankungen. Die vorhandenen Daten sind unvollständig, und dadurch werden Probleme entweder falsch dargestellt oder die wahren Sachverhalte vernachlässigt. Opfer dieses Mangels sind vor allem Frauen, hauptsächlich, weil sie in höherem Maße in informellen Tätigkeiten bzw. in der „Schattenwirtschaft“ beschäftigt sind.
In diesem Bereich werden die gesundheitlichen Folgen von Arbeitsbedingungen überhaupt nicht registriert. Beim Ansatz des vorhandenen Rechtsrahmens liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf Unfällen und Gefahren in den so genannten schweren, also den von Männern dominierten Wirtschaftszweigen.
Wir fordern die Kommission auf, die spezifischen Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gewissenhafter zu berücksichtigen und zu prüfen, welche Daten aufgeschlüsselt nach Geschlecht sowie zu den Langzeitfolgen und psychischen Auswirkungen von Arbeit verfügbar sind.
Zur Begründung unserer Forderung laden wir Sie ein, sich einmal in einer Textilfabrik umzusehen. Das Seh- und Hörvermögen kann erheblich geschädigt werden, und Kreislaufstörungen sind stark verbreitet. Diese Bedingungen werden statistisch nicht erfasst. Das ist die so genannte Leichtindustrie, in der die Arbeitnehmer überwiegend Frauen sind, und die Löhne sind auch niedrig, weil angeblich keine Risiken bestehen. So wird mit den aktuellen Statistiken die überlieferte Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, einschließlich ihrer unterschiedlichen Bezahlung, bewahrt.
Harald Ettl (PSE). – Frau Präsidentin! Eine Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz ist absolut notwendig. Während der technische Arbeitnehmerschutz deutlich steigende Erfolge zeigt, birgt die rasante Veränderung der Arbeitswelt neue Gefahren in sich. Die Probleme und Gefahren neuer chemischer Stoffe in der Arbeitswelt sind evident.
Vor allem aber – und das entspricht dem Zeitgeist in der heutigen Arbeitswelt – bringt der steigende Leistungsdruck nicht nur physische, sondern auch psychische Probleme mit sich. Unsichere Arbeitsverhältnisse und Existenzängste führen zu psychosozialen Problemen. Neue zusätzliche Aggressionspotentiale verstärken sich, zusätzliche Stressoren führen zu psychischer Gewalt und Mobbing ist an der Tagesordnung.
Besonders KMU sind für derartige Zeiterscheinungen anfällig, wenn nicht dagegengehalten, informiert, kontrolliert und ausgebildet wird. Deswegen ist diese Entschließung von größerer Bedeutung, als ihr wahrscheinlich zugebilligt wird. Ich gratuliere der Berichterstatterin.
Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Gesundheit am Arbeitsplatz muss Priorität haben. Auch im Parlament in Brüssel und Straßburg ist noch einiger Handlungsbedarf gegeben. Wenn ich alleine die Umgebungstemperatur in diesem Saal betrachte, kann man schon fast von Gesundheitsgefährdung sprechen. Ich glaube aber, dass es auch eine Vorbildwirkung gibt.
Ich war vor wenigen Monaten in einem Hotel in Griechenland eingesperrt, wo rundherum ein Waldbrand gelodert hat. Und ich muss sagen, dieses Hotel – das war ein typisches KMU – hatte sich vorbildlichst auf diese Situation vorbereitet. Wären dort nicht alle Sicherheitsvorkehrungen perfekt gestaltet gewesen, gut organisiert und auch dementsprechend vorbereitet, hätten dort wahrscheinlich viele Menschen nicht überleben können. Deshalb glaube ich, dass gerade dieses Lernen – wie der Kollege Ettl gesagt hat, dieses Ausbilden und Vorbereiten auf Krisenfälle – eine ganz besondere Bedeutung hat. Hier wären auch Anreizsysteme sinnvoll, dass z. B. die Versicherungen jenen Betrieben, die ausgebildete Mitarbeiter haben, auch dementsprechend günstigere Prämien einräumen und dass man auch von der Sozialversicherung entsprechende Schulungsmaßnahmen anbietet.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments und auch als Arzt begrüße ich den Plan der Kommission, die Zahl der Unfälle am Arbeitsplatz EU-weit um durchschnittlich 25 % zu verringern. Gleichzeitig bin ich mir der Notwendigkeit bewusst, in allen Mitgliedstaaten wirksamere Maßnahmen umzusetzen, denn hier herrschen große Unterschiede.
Neben besonders gefahrgeneigten Branchen wie Metall, Bau, Elektrizität oder Forstwirtschaft möchte ich auch die mit hohen Risiken verbundenen Tätigkeiten von Ärzten und Mitarbeitern im Gesundheitswesen hervorheben, die im Rahmen ihrer Berufsausübung einem hohen Infektions- und AIDS-Risiko sowie der Gefahr einer Ansteckung mit Tuberkulose, Hepatitis und vielen anderen Infektionskrankheiten ausgesetzt sind. Bedauerlicherweise blieben bei der Senkung der Zahl von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten insbesondere Wanderarbeiter, Arbeitskräfte mit befristetem Arbeitsverhältnis, gering qualifizierte Arbeitnehmer und Frauen in bestimmten Unternehmen, z. B. in kleinen und mittelständischen Betrieben, unberücksichtigt.
Ich möchte die in einigen Ländern geltenden Bestimmungen herausstellen, nach denen umfassende Rehabilitation nach einem Unfall Voraussetzung für erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ist.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Als Berichterstatterin des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie habe ich die gezielte Förderung der Beteiligung an europäischen Gewerkschaften befürwortet, und ich habe die Kommission aufgefordert, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um die Sozialpartner zu grenzüberschreitenden Tarifverhandlungen zu ermutigen.
Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten könnten die Ausbildung von Arbeitnehmervertretern finanzieren, die sich für den Schutz und die Förderung der Rechte von Arbeitnehmern auf Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz einsetzen.
Wir haben ferner alle Mitgliedstaaten aufgefordert, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über den Schutz der Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu unterzeichnen und zu ratifizieren und sich abgestimmt um die Verbesserung des Zugangs zur beruflichen Bildung zu bemühen, besonders für Teilzeitbeschäftigte und Vertragsbedienstete, um es ihnen zu ermöglichen, einen sichereren Arbeitsplatz zu finden.
Meiner Meinung nach sollten die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, damit schwere oder gefährliche Arbeiten als solche anerkannt werden und im Sozialschutz einer Person sowohl während ihres Erwerbslebens als auch im Ruhestand Beachtung finden.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – (RO) Eine Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz ist eine begrüßenswerte Initiative der Europäischen Kommission. Allerdings sollten meines Erachtens noch weitere Aspekte geprüft werden. Wie einer meiner Vorredner sehr richtig festgestellt hat, sollten wir die besonderen Umstände der Einwanderer auf dem europäischen Arbeitsmarkt beachten.
Wie eine neuere Untersuchung der Europäischen Kommission zeigt, sind Migranten wesentlich höheren Gefahren hinsichtlich der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz ausgesetzt. Das ist auf den größeren Anteil von illegaler Arbeit, aber auch auf andere Faktoren zurückzuführen, wie etwa mangelndes Wissen über Sozialleistungen und Rentenansprüche in Mitgliedstaaten und Probleme bei der grenzüberschreitenden Nutzung von Krankenversicherungen.
Diese Angelegenheiten fallen in den Aufgabenbereich der Gemeinschaft, und die Kommission sollte die Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufmerksam überwachen, um die unsichere Lage der Migranten zu verbessern.
Darüber hinaus könnten mit Gemeinschaftsmitteln zusätzliche Arbeitsschutzinspektoren ausgebildet werden, die zur Aufdeckung von Verstößen gegen Arbeitsschutzbestimmungen eingesetzt werden.
Stephen Hughes (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte über Verletzungen mit Injektionsnadeln sprechen, denn ich war 2006 für den Bericht in dieser Sache verantwortlich. Ich wüsste gern, ob der Kommissar ebenfalls der Meinung ist, dass die Kommission in Bereichen, in denen ein Risiko festgestellt wurde, dass auf europäischer Ebene angegangen werden sollte, zügig Fragen stellen muss.
Wenn er diese Ansicht teilt, dann wüsste ich gern, ob er erklären kann, wieso die Kommission ein ganzes Jahr gebraucht hat, um die erste Konsultationsrunde mit den Sozialpartnern zu Verletzungen mit Injektionsnadeln durchzuführen und zu bewerten, obwohl die Konsultation nur zehn Antworten erbracht hat.
Ich wüsste auch gern, ob er uns zusichern kann, dass die Arbeit zu dieser Problematik im kommenden Jahr zügiger vorangehen wird. Jährlich sind eine Million Arbeitnehmer von Verletzungen mit Injektionsnadeln betroffen. Das heißt, dass seit Fertigstellung dieses Berichts durch das Parlament etwa eineinhalb Millionen Menschen betroffen waren. Könnte die Kommission künftig bitte etwas zügiger handeln?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Frau Präsidentin! Ich bedanke mich bei allen Rednern für ihre sehr positiven Beiträge.
Jeder Unfall, jede Verletzung, jeder Todesfall am Arbeitsplatz – erinnert sei an den tödlichen Unfall im Dezember im italienischen Turin – führt uns erneut vor Augen, dass mehr getan werden muss, um die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Europa zu schützen, und erinnert uns daran, dass mehr getan werden muss, damit wir unser endgültiges Ziel erreichen, nämlich Europa in einen Standort zu verwandeln, an dem Sicherheit am Arbeitsplatz groß geschrieben wird.
So besteht das Ziel der neuen Strategie auch darin, die derzeit unvertretbar hohe Anzahl an Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu verringern.
Ich möchte betonen, dass ausgehend von den verfügbaren Humanressourcen festgestellt werden kann, dass es den Dienststellen der Kommission dank der derzeitigen personellen Ausstattung möglich ist, ihre Aufgaben in diesem Bereich ordnungsgemäß zu erfüllen. Im Rahmen der für den Bereich Beschäftigung und soziale Angelegenheiten insgesamt bereitstehenden Mitarbeiter wird die Kommission das Arbeitspensum in den verschiedenen Spezialbereichen kontinuierlich beurteilen und Mitarbeiter entsprechend einsetzen.
Zum Problem von Verletzungen mit Injektionsnadeln möchte ich feststellen, dass wir an einem Vorschlag zur Änderung der Richtlinie arbeiten, den wir 2008 vorlegen werden.
Ich möchte dem Hohen Haus nochmals für diese Aussprache und die Annahme des Berichts von Frau Willmott danken.
Wir konnten erneut feststellen, dass sich das Europäische Parlament konsequent dafür einsetzt, dass Gesundheit und Sicherheit am Arbeitslatz groß geschrieben werden – zum Nutzen der Wirtschaft und um zu garantieren, dass die Arbeitnehmer nach der Arbeit gesund und wohlbehalten in ihre Familien zurückkehren.
Glenis Willmott, Berichterstatterin. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte meinen Kollegen und Kolleginnen für ihre Hinweise danken und einige kurze Anmerkungen machen.
Erstens wäre zu den Krebserkrankungen zu sagen, dass die Karzinogen-Richtlinie überarbeitet werden muss, um dem technischen Fortschritt und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Wir brauchen unbedingt wirksame verbindliche Grenzwerte für Karzinogene, Mutagene und reproduktionsgefährdende Stoffe. Die Grenzwerte sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, und ich würde den Wissenschaftlichen Beirat der EU dringend auffordern, sich vor allem der kristallinen Kieselsäure anzunehmen. Ich bitte die Kollegen, den diesbezüglichen Verweis nicht zu löschen und Änderungsantrag 6 abzulehnen.
Zweitens ruft der Bericht dazu auf, Nanotechnologien zu überwachen und potenzielle Gesundheitsrisiken zu bewerten, und ich fordere die Kollegen auf, Änderungsantrag 5, der diese Forderung ablehnt, nicht zuzustimmen. Ich bin mir der potenziellen Vorzüge von Nanotechnologien vollkommen bewusst. Doch unser Verständnis der potenziellen Risiken für die Gesundheit der Arbeitnehmer kann mit der rasanten Entwicklung dieser Technologien nicht Schritt halten. Arbeitnehmer können Nanopartikeln durch Einatmen, Hautkontakt und Ingestion ausgesetzt sein, und wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und uns weigern, Untersuchungen durchzuführen und potenzielle Risiken zu bewerten.
Drittens möchte ich die Kommission nochmals auffordern, eine Änderung der Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit vorzulegen, um das Problem von Verletzungen mit Injektionsnadeln in Angriff zu nehmen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Wie ich bereits sagte, sind Gesundheit und Sicherheit als Grundrecht in der Charta verankert. Wir brauchen eine konsequente EU-Strategie, um zu gewährleisten, dass dieses Grundrecht respektiert wird und Arbeitnehmer in der ganzen EU angemessen geschützt sind. Jeder einzelne Unfall und jede arbeitsbedingte Erkrankung stellt eine Verletzung der Grundrechte des betroffenen Arbeitnehmers dar.
Wir alle wissen, dass es gute wirtschaftliche Gründe sowie gute geschäftliche Gründe für die Gewährleistung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz gibt. Doch das wichtigste Argument sind die Erhaltung der menschlichen Gesundheit und die Rettung von Menschenleben. Ein Menschenleben alle dreieinhalb Minuten – was lässt sich wohl dagegen sagen?
(Beifall)
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, den 15. Januar 2008, um 12.00 Uhr statt.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Gleich eingangs möchte ich die Europäische Kommission zu ihrer Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007–2012 beglückwünschen sowie unserem Ausschuss für die geleistete Arbeit danken. Jährlich werden arbeitsbedingt 500 000 Todes- bzw. Invaliditätsfälle verursacht, und daher ist das Ziel der Europäischen Kommission zu begrüßen, die Arbeitsunfälle in der Europäischen Union im Schnitt um 25 % zu senken. Ich unterstütze ebenfalls die Idee einer verbesserten Tätigkeit der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Bilbao (Spanien). In dieser Frage sowie generell im Zusammenhang mit dem Aufbau des sozialen Europas bedaure ich, dass weder in dem Bericht noch in der Mitteilung der Europäischen Kommission hervorgehoben wird, wie notwendig die Unterstützung der Sozialpartner ist, die – wie immer wieder betont werden muss – im Rahmen der gegenwärtigen Verträge laut Artikel 137 ff des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), was auch von dem in Ratifizierung befindlichen Lissabonner Vertrag bestätigt wird, über Rechtsinstrumente verfügen, die die Weiterentwicklung des europäischen Sozialrechts ermöglichen.
6. Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Csaba Öry im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (KOM(2007)0159 – C6-0104/2007 – 2007/0054(COD)) (A6-0515/2007).
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments! Das Ihnen heute vorgelegte Dokument betrifft die jüngste Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 1408/71. Dabei handelt es sich um die bekannte Verordnung zur Abstimmung der Systeme der sozialen Sicherheit. Seit über 30 Jahren bildet diese Verordnung die Grundlage für die Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit. In den letzten Jahren wurden Schritte eingeleitet, um diese Verordnung und die Verordnung zu ihrer Durchführung zu aktualisieren und zu vereinfachen. Das Parlament hat bereits die neue Verordnung Nr. 883/2004 angenommen, und über die für ihre Umsetzung erforderlichen Instrumente wird bereits verhandelt. Dabei handelt es sich um die Durchführungsverordnung und den Wortlaut der Anhänge. Solange diese neuen legislativen Instrumente noch nicht in Kraft sind, muss Verordnung Nr. 1408/71 weiter aktualisiert werden. Deshalb liegt Ihnen diese neue technische Aktualisierung vor. Sie gilt lediglich für den Wortlaut der Anhänge zur Verordnung, und sie dient der Berücksichtigung der in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgenommenen Veränderungen.
Es ist unbedingt erforderlich, dass dieser Text unverzüglich gebilligt wird, damit die Verordnung Nr. 1408/71 aktualisiert werden kann und damit Rechtssicherheit und die Wahrung der Rechte der Bürger gewährleistet werden können.
Ich möchte mich beim Berichterstatter, Herrn Öry, ganz herzlich für die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Organen bedanken. Wie er in seinem Bericht ganz klar feststellt, würde eine Abstimmung in erster Lesung eine unverzügliche Annahme ermöglichen. In diesem Sinne wurden die Änderungsanträge einschließlich der technischen Änderungen durch den Rat erarbeitet. Andererseits hat er zum jetzigen Zeitpunkt die Diskussionen ausgeklammert, die besser im Rahmen der Prüfung der Durchführungsverordnung, für die Frau Lambert die Berichterstatterin ist, zu führen wären bzw. den Text der Anhänge, insbesondere Anhang 11, für die Frau Bozkurt als Berichterstatterin fungiert.
Einige möchten ausgehend von diesem Bericht die Gelegenheit nutzen und sich weiter gefassten Themen zuwenden, wie beispielsweise den grenzübergreifenden Gesundheitsdiensten. Auch wenn mir diese Problematik durchaus am Herzen liegt, halte ich es nicht für ratsam, sie im Rahmen dieser technischen Aktualisierung zu prüfen. Mit einem begrenzten, aber pragmatischen Ansatz im Hinblick auf die technische Aktualisierung ist dem Schutz der Rechte der Bürger besser gedient. Dafür möchte ich Herrn Öry ganz besonders danken.
Die Kommission befürwortet die Änderungsanträge 1 bis 6, 9 und 11, die den ursprünglichen Text an die allgemeine Orientierung des Rates angleichen, Änderungsanträge 7 und 8, die ein besonderes Problem regeln, das unlängst in einem Mitgliedstaat, und zwar den Niederlanden, nach der Gesundheitsreform aufgetreten ist. Andererseits kann die Kommission Änderungsantrag 10 nicht befürworten. Der ungenaue Wortlaut lässt eine ordnungsgemäße Bestimmung der konkreten Umstände, die dadurch geregelt werden sollen, nicht zu. Der Änderungsantrag stellt die Vorrangsregeln im Bereich von Familienbeihilfen in Frage. Eine solche Änderung hätte rechtliche und ökonomische Konsequenzen, die weit über den betreffenden Mitgliedstaat hinausreichen würden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich möchte den Berichterstatter nochmals zu seinem Beitrag und seiner hervorragenden Zusammenarbeit beglückwünschen.
Csaba Őry, Berichterstatter. − (HU) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Gestatten Sie mir ein paar Worte zu dem uns vorliegenden Rechtsakt und seiner Bedeutung, bevor ich mich den untergeordneten Fragen im Zusammenhang mit den vorgeschlagen Änderungen zuwende.
Wie der Kommissar sagte, handelt es sich hier um einen sehr alten Rechtsakt. Er ist 1971 entstanden, und er hat seitdem als sekundäres Regulierungsinstrument traditionell eine wichtige Rolle für das Grundrecht der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union gespielt. Es ist unbestritten, dass die im Vertrag vorgesehene Freizügigkeit von Arbeitnehmern recht wertlos wäre, wenn Bürger, die in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit suchen, keinen Zugang zu den entsprechenden Systemen der sozialen Sicherheit hätten oder wenn die Übertragbarkeit der Rechte nicht gewährleistet wäre.
Im Zusammenhang mit der Freizügigkeit innerhalb der Union dürfen Arbeitnehmer, die beträchtliche Risiken eingehen, in Bezug auf die soziale Sicherheit und soziale Grundrechte nicht benachteiligt werden. Nur dann kann die Freizügigkeit von Arbeitnehmern einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich der Arbeitsmärkte der Union leisten, den die Wirtschaft der Union braucht.
Andererseits muss uns klar sein, dass die Verordnung Nr. 1408, um die es hier geht, ihre Aufgabe nur dann erfüllen kann, wenn wir sie kontinuierlich mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften harmonisieren. Doch Fragen der Sozialpolitik, der Beschäftigung und der Mobilität fallen in die nationale Zuständigkeit. Deshalb war und ist es notwendig, die Rechtsvorschriften ständig zu ergänzen und abzuändern.
Dieser Rechtsakt ist von entscheidender Bedeutung. Zwar sieht es so aus, als würden wir uns lediglich auf einen anderen Wortlaut einigen, aber er betrifft Menschen, das Schicksal von Menschen und ihre alltäglichen Probleme. Deshalb sind wir als Gesetzgeber trotzdem in die Pflicht genommen, auch wenn wir wissen, dass dieser Text nur für einen sehr kurzen Zeitraum in Kraft sein wird, denn, wie der Kommissar bereits sagte, existieren die neue Verordnung und die neue Richtlinie bereits. Sie haben bereits das Licht der Welt erblickt.
Solange uns die Durchführungsverordnung noch nicht vorliegt, ist es im Interesse der Rechtssicherheit notwendig, dass wir den Wortlaut kontinuierlich aktualisieren und an Veränderungen in der nationalen Gesetzgebung anpassen. Ein gutes Beispiel dafür ist der erste Änderungsantrag. Im ungarischen Recht wurde der Begriff des „unterhaltsberechtigten Familienangehörigen“ geändert, und so ergab sich für uns die Möglichkeit, den Wortlaut des europäischen Rechts entsprechend anzupassen.
Das gilt jedoch auch für die vorgeschlagenen Änderungen, die die Niederlande betreffen, wo auch ganz eindeutig das Schicksal der Menschen auf dem Spiel steht und Zweifel in Bezug auf den Anspruch von Familienangehörigen von im Ausland stationiertem Militärpersonal auf Sozialleistungen bestehen. Das ist völlig inakzeptabel und muss nachgebessert werden.
Wir haben jedoch im Ausschuss eine Lösung für dieses Problem gefunden, indem wir den verbalen Vorschlag des Rates in den Text aufgenommen haben. Folglich gibt es hier kein Problem, da ich glaube, dass Änderungsantrag 10 ebenfalls eine befriedigende Lösung darstellt, da sich die niederländische Regierung verpflichtet hat, die betreffenden Bürger mit einem klärenden Rundschreiben zu informieren. Folglich ist es nicht mehr notwendig, dass dieser Änderungsantrag vom Parlament angenommen wird.
Ohne Zusammenarbeit war all das jedoch nicht möglich. Deshalb möchte ich den Beteiligten, meinen Kollegen, die Änderungsanträge eingereicht haben, dem Rat und der Kommission danken. Vielen Dank dafür, dass Sie mir das Wort erteilt haben, Frau Präsidentin.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Ria Oomen-Ruijten, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Wie Herr Őry soeben ausgeführt hat, kommt der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt größte Bedeutung zu. Die Koordinierungsverordnung, die wir heute erörtern, gleicht praktisch jedes Jahr die Änderungen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten an.
Eigentlich sollten die Mitgliedstaaten alle Gesetze oder Änderungen im Sozialversicherungs- oder Steuerrecht daraufhin prüfen, ob sie auch europasicher sind. Dann träten kaum Probleme auf. Bei einem eindeutigen Ergebnis erübrigten sich spätere Anpassungen.
Gemeinsam mit Herrn Őry habe ich einige Änderungsanträge eingebracht, und meiner Ansicht nach sollte sich, wenn die jährliche Anpassung ansteht, jedes Mitglied in seinem eigenen Mitgliedstaat vergewissern, ob all das, was in den Beratungen auf administrativer Ebene vorgeschlagen wird, auf die Realitäten in Europa abgestimmt ist.
Wir haben zwei, drei Änderungsanträge eingebracht. Die ersten beiden, die Änderungsanträge 7 und 8, beziehen sich auf die Krankenversicherung der Familienangehörigen von Militärpersonal, die in Belgien oder Deutschland leben. Die niederländischen Militärangehörigen fallen nicht unter das Krankenversicherungsgesetz, weshalb sich auch die Familienmitglieder nicht versichern konnten und einem immer teurer werdenden System beitreten mussten. Die niederländische Regierung wandte sich in einem Brief an das Parlament, in dem sie das Europäische Parlament zur Annahme der Änderungsanträge aufforderte, weil dies die schnellste Lösung sei.
Der dritte Änderungsantrag – Änderungsantrag Nr. 10 – betrifft das niederländische Gesetz über Erziehungsbeihilfen. Eine Familie, die in den Niederlanden lebt und jenseits der Grenze arbeitet, hatte keinen Anspruch auf Erziehungsbeihilfen. Über eine Gesetzesänderung wurde dies nunmehr auch geregelt.
Das bedeutet, dank unserer Beharrlichkeit haben wir für viele Menschen eine ganze Menge erreicht. Mein Dank gebührt auch meinen Kolleginnen und Kollegen, die sich durch die Argumente in der zweiten Lesung nicht haben abschrecken lassen, sondern uns den Rücken gestärkt haben, so dass wir viel bewirken konnten.
Joel Hasse Ferreira, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Őry, zu seinem ausgewogenen Bericht gratulieren. Zweitens möchte ich hervorheben, dass es wichtig ist, die verschiedenen Sozialversicherungssysteme in der Europäischen Union zu koordinieren und zu vervollkommnen und sie dort, wo es sich als notwendig erweist, anzupassen. Es ist völlig klar, dass eine Reihe von Änderungsanträgen, die wir für wesentlich halten, eingereicht wurde, um eine fundierte Aussprache als Teil eines Prozesses zur Erleichterung der Annahme des Berichts Őry in erster Lesung zu ermöglichen.
Fragen der sozialen Sicherheit in Europa schließen weit mehr als die Probleme, die mit diesem Bericht gelöst werden sollen, und die damit verbundenen Regulierungspraktiken ein. Es geht hier darum, Änderungen in den Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit von Mitgliedstaaten wie Irland, Ungarn, Polen, den Niederlanden und Österreich zu berücksichtigen, um eine entsprechende Aktualisierung und Anpassung sicherzustellen .
Meine Damen und Herren! Bekanntlich laufen parallel dazu die Beratungen über die Einführung eines neuen Regulierungssystems, vor allem die Verhandlung über die jeweiligen Durchführungsverordnungen. Auch in diesem Fall begrüßen wir den Standpunkt des Berichterstatters, und wir verstehen und teilen die Ansicht, dass nur eine begrenzte Zahl unabdingbarer Änderungsanträge unterstützt werden sollte, wie wir es im Ausschuss zum Ausdruck gebracht haben. Mit diesen Änderungsanträgen soll erreicht werden, dass die bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung erforderliche Rechtssicherheit gewährleistet ist. Dem Vernehmen nach hat Herr Őry den betreffenden Änderungsantrag aus den von ihm genannten Gründen mittlerweile zurückgezogen.
Schließlich, Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, besteht das Wichtigste darin, auch auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit zu einer angemessenen Umsetzung des auf dem Gipfel von Lissabon und 2006 während des Europäischen Jahres der Mobilität bekräftigten Grundsatzes der Mobilität der Arbeitnehmer in der Europäischen Union beizutragen. Ohne diese Mobilität der Arbeit und ohne eine ausreichende Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit werden die europäischen Arbeitnehmer in ihren Möglichkeiten der Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt. Das wollen wir nicht, und deshalb unterstützen wir diesen Bericht.
Ona Juknevičienė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sichert allen Menschen Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit zu. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten. In der Praxis gibt es bekanntlich jedoch noch zahlreiche Hürden, die Bürger daran hindern, in der Union von diesen Rechten vollständig Gebrauch zu machen. Seit 1971 gilt die von uns heute debattierte Verordnung als Grundlage, um die Erbringung von Leistungen der sozialen Sicherheit für Personen zu gewährleisten, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Wie bereits erwähnt, findet die Verordnung seit über 30 Jahren Anwendung, wobei die darin enthaltenen Bestimmungen unter Berücksichtigung einzelstaatlicher Gesetze häufiger geändert wurden. Dennoch schreibt die Verordnung den allgemeinen Grundsatz fest, dem zufolge sich die Mitgliedstaaten, die Institutionen der sozialen Sicherheit sowie die Gerichte bei der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften an die Vorgaben der Verordnung halten müssen. Damit wird sichergestellt, dass Menschen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft Gebrauch machen, nicht das Nachsehen haben, wenn unterschiedliches nationales Recht angewendet wird.
Die Systeme der sozialen Sicherheit unterscheiden sich gravierend von Land zu Land. Obgleich die Verordnung mehrfach geändert wurde, soll damit keine Vereinheitlichung der Systeme, sondern eine Generalisierung erreicht werden. Aus diesem Grund ist es erfreulich, dass es dadurch möglich ist, die am stärksten gefährdeten Bürger der EU wie Frauen, Rentnerinnen und Rentner und Behinderte sowie deren Familienangehörige zu schützen. Nach meinem Dafürhalten leistet das Dokument nicht nur einen Beitrag zur Vereinigung der EU-Mitgliedstaaten, sondern auch ihrer Bürger. Daher fordere ich Sie, meine Damen und Herren, aufrichtig dazu auf, dafür zu stimmen.
Wiesław Stefan Kuc, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Das Recht, frei in der Europäischen Union leben, arbeiten und sich bewegen können, gehört zu den bedeutendsten Errungenschaften unserer Bürger. Deshalb ist unter anderem ihre soziale Absicherung von größter Wichtigkeit, vor allem jetzt, da wir eine in Europa noch nie da gewesene Migrationsbewegung verzeichnen, die von allen EU-Institutionen nachdrücklich unterstützt wird.
Nach meiner Einschätzung versuchen wir mit der geplanten Änderung der Verordnung zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit (zurzeit ist die Verordnung von 1971 noch in Kraft) lediglich, das zu ändern, was geändert werden muss und es den Veränderungen anzupassen, die sich in einigen Ländern vollzogen haben.
Meines Erachtens haben wir jedoch die Chance, die sich uns geboten hat, nämlich die Verordnung entsprechend der in der neuen Verordnung vorgeschlagenen Richtung zu ändern, nicht genutzt. Obwohl seit der Annahme des Entwurfs der neuen Verordnung bereits vier Jahre vergangen sind, ist sie noch immer nicht in Kraft, und die alte Verordnung ist nun schon 37 Jahre alt. Vielleicht wäre es besser, die bestehende Verordnung grundlegend zu ändern, als auf eine neue zu warten, denn die Zeit vergeht, und die Menschen werden ungeduldig.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch ich möchte dem Berichterstatter für seine Arbeit zu dieser Thematik danken. Ich weiß, dass dies oft sehr technisch wirkt, aber diese jährlichen Aktualisierungen sind wichtig, weil sie den Bürgern in transparenter Form ihre Ansprüche verdeutlichen. Es bedeutet auch, dass bestimmte Personen schneller erfasst werden können.
Ich möchte – so wie einige meiner Vorredner – auch unterstreichen, dass es sich hier um eine Abstimmung und nicht um eine Harmonisierung handelt. Oftmals bedeutet das, dass bestimmte Dinge, die sehr vernünftig erscheinen, aufgrund des sehr begrenzten Geltungsbereichs der Koordinierung nicht notwendigerweise akzeptabel sind. Meines Erachtens sollte ferner klargestellt werden, dass es bei dieser Koordinierung nicht darum geht, nationale Systeme zu unterminieren und sie für die Marktkräfte zu öffnen – was wir meines Erachtens im Moment gerade im Bereich Gesundheit feststellen können.
Wie von einigen bereits angesprochen, ist die neue Durchführungsverordnung für die Aktualisierung schon in Arbeit. Wir wissen aber bereits, dass bestimmte Probleme nicht erfasst werden. Meines Erachtens müssen wir dafür nach einer Lösung außerhalb der Koordinierung suchen, und fordere die Kommission auf, dies zu prüfen. So werden Steuereinnahmen beispielsweise zunehmend zur Abstützung der Systeme der sozialen Sicherheit verwendet, und Bürger, die im Ausland arbeiten, müssen feststellen, dass sie Steuern für ein solches System zahlen, zu dem sie keinen Zugang mehr haben.
Ich würde – so wie das Parlament bereits vor einiger Zeit – auch dazu aufrufen, das nationale Vorgehen dem Geist der Verordnung anzugleichen, damit sich nicht wiederholt, was derzeit in Frankreich passiert, wo bestimmte Personen aufgrund von Änderungen der einzelstaatlichen Vorschriften jetzt keinen Zugang zu Systemen mehr haben, in die sie eingezahlt haben.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Sehr geehrter Herr Kommissar! Zweifellos müssen die in den Anhängen zu dieser Verordnung vorgeschlagenen technischen Änderungen gebilligt werden. Auf diese Weise harmonisieren wir die Verordnung mit der neuen Sprachregelung in einigen Ländern. Gleichwohl möchte ich nochmals herausstellen, dass die EU-Rechtsvorschriften schon seit Jahren der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu genaueren Vorschriften im Hinblick auf die Ansprüche von Patienten auf Erstattung von Kosten für die Gesundheitsversorgung im Ausland widersprechen. Der Widerspruch, der bei der Krankenhausbehandlung besonders zutage tritt, erstreckt sich auf alle Urteile. Betonen möchte ich, dass sich dies auf sämtliche Fälle bezieht und nicht nur auf jene, in denen sich der Rat bereits geeinigt hat. Zwar werden die Rechte der Patienten bestätigt, wenn sie den Europäischen Gerichtshof anrufen, aber diese Rechtslage ist inakzeptabel.
Ich darf Sie erneut daran erinnern, dass im Zuge der neuen, vereinfachten Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Gelegenheit zur Änderung der Ansprüche von Versicherten mithilfe eines geeigneten Verfahrens versäumt wurde. Die Chance zur Änderung der Prinzipien, die der Europäische Gerichtshof in der zwei Jahre darauf folgenden Dienstleistungsrichtlinie entwickelt hatte, wurde ebenso wenig genutzt. Ein neues Jahr hat begonnen, und wir nehmen lediglich technische, aber keine konzeptionellen Änderungen vor. Möglicherweise wird die neue Durchführungsverordnung dieses Problem lösen, es hat jedoch nicht den Anschein, als werde sie sämtliche Probleme aus der Welt schaffen, da der Rat nicht in allem Einvernehmen erzielt hat. Überdies ist die Lage vielleicht insofern vertrackt, als die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz nunmehr einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über die Patientenmobilität vorlegt. Deshalb kann sich der Rat auf kontroverse Diskussionen gefasst machen. Ein Thema, das heftige Diskussionen auslöst, ist der Streit über Beihilfen. Wir können uns auch auf weitere Verzögerungen bei der Rechtsvorschrift über Ansprüche der Bürger auf Erstattung der Kosten von Krankenhausbehandlungen einstellen. Meinungsunterschiede herrschen hier über die Höhe der Erstattung sowie über die Bedingungen für die Genehmigung durch eine Versicherungsgesellschaft im Herkunftsland.
Meiner Ansicht nach ist diese Lage unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, der Zugänglichkeit und des Rechtsverständnisses der Bürger höchst unerfreulich. Einige Länder lösen das Problem, indem sie ihre Bürger über ihnen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zustehenden Ansprüche nicht informieren. Meiner Überzeugung nach muss dieses Problem so bald als möglich durch Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 behoben werden. Wir sollten uns nicht auf die kontroverse neue Mobilitätsrichtlinie der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz verlassen und unverzüglich die Übereinstimmung mit den Urteilen sicherstellen.
Emine Bozkurt (PSE). – (NL) Herr Präsident! Mein Dank gilt Herrn Őry für seine exzellente Arbeit. In der kurzen Redezeit, die mir zur Verfügung steht, möchte ich eines herausstellen. Nicht alles, was bei der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verkehrt läuft, kann der Gesetzgebung angelastet werden. Viele der auftretenden Probleme ergeben sich aus der Durchführung dieser Vorschriften, und dafür sind die Mitgliedstaaten selbst verantwortlich.
Einige dieser praktischen Probleme traten während der Arbeit an dem Bericht Őry zutage. Und eben darum geht es bei der Koordinierung. Nicht nur die Vorschriften müssen stimmen, auch ihre praktische Anwendung muss damit in Einklang stehen. Deshalb finde ich es begrüßenswert, dass die Ratsvorsitzenden von Zeit zu Zeit das Parlament konsultieren, unter anderem zu den Anhängen XI und VI der Verordnung Nr. 883, für die ich selbst Berichterstatterin bin.
Zweifellos ist es von größter Bedeutung, dass der Rat seine Arbeiten an dieser Verordnung und den Anhängen während dieser Amtszeit des Parlaments abschließt. Ich wünsche den künftigen Ratsvorsitzenden dabei viel Erfolg.
Janusz Wojciechowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich unterstütze Herrn Őrys Bericht. Es ist sehr zu begrüßen, dass die EU die Systeme der sozialen Sicherheit koordiniert, denn in der erweiterten Europäischen Union arbeiten Millionen Menschen außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes. Die größte Gruppe stellen hier meine polnischen Landsleute, von denen inzwischen über zwei Millionen in verschiedenen Mitgliedstaaten arbeiten.
So ermutigend die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einerseits ist, so bedauerlich finden wir es andererseits, dass die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer, die schlecht behandelt werden, ständig wächst. In einigen Ländern wurden Fälle aufgedeckt, wo polnische Arbeitnehmer auf kriminelle Weise behandelt wurden, indem man sie zu Sklavenarbeit gezwungen hat. Polnische Arbeitnehmer sind Opfer rassistischer Übergriffe, wie im Vereinigten Königreich und unlängst auch in Deutschland geschehen. Die polnischen Medien haben über brutale Angriffe auf Polen in Löknitz in Mecklenburg berichtet.
Das sind ernste Vorfälle, und wir erwarten von allen Mitgliedstaaten, dass sie ausländische Arbeitnehmer besser vor Ausbeutung und Verfolgung schützen.
Gyula Hegyi (PSE). – (HU) Die Aufhebung der europäischen Grenzen und Veränderungen im Lebensstil haben dazu geführt, dass Millionen europäischer Bürger in einem Land geboren wurden, in einem oder mehreren Ländern gearbeitet haben und ihren Lebensabend in wieder einem anderen Land verbringen. Sie zahlen ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht dort, wo sie später die entsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen erfordern auch eine Angleichung der Systeme der sozialen Sicherheit. Langfristig ist daher die Schaffung eines standardisierten europäischen Systems der sozialen Sicherheit, das ein Rentensystem, die Krankenversicherung und Sozialleistungen umfasst, unvermeidlich.
Eine Arbeitsgruppe der Ungarischen Sozialistischen Partei hat empfohlen, diese Zielvorstellung in das langfristige Programm der Sozialdemokratischen Partei Europas aufzunehmen. Die Harmonisierung wird natürlich Zeit kosten und nicht ohne Rechtsstreit vonstatten gehen, aber ich bin sicher, dass im Europa der Zukunft die Zukunft einer einheitlichen sozialen Sicherheit gehört.
Petya Stavreva (PPE-DE). – (BG) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Für ein geeintes Europa sind die Harmonisierung der Sozialgesetzgebung und die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der EU von grundlegender Bedeutung, da die Freizügigkeit einen unserer Grundwerte darstellt.
Jeder, der in einem EU-Land eine Arbeit aufnehmen möchte, muss deren Rechte und Pflichten kennen; gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten die sozialen Rechte ihrer Bürger schützen und bestmögliche Arbeits- und Lebensbedingungen gewährleisten. Der Status der sozialen Sicherheit von Bürgern, die in den Ländern der EU arbeiten, wirkt sich direkt auf den Wohlstand der Gemeinschaft und ihre Wirtschaftskraft aus.
Für Bulgarien als neues Mitglied der EU ist die soziale Sicherheit von ganz besonderer Aktualität. Ich glaube, dass die Harmonisierung der sozialen Sicherheit auf europäischer Ebene für klarere und einfachere Vorschriften für Europas Bürger sorgen wird. Ich befürworte Herrn Őrys Bericht und fordere Sie auf, für ihn zu stimmen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Es geht bei diesem Dokument darum, dass es rasch gebilligt wird, damit die Rechtssicherheit der Bürger besser gewährleistet werden kann.
Wir wissen, dass die Verordnungen über die Modernisierung und Vereinfachung bereits gebilligt wurden, so dass der vorliegende Vorschlag wenig Sinn hätte, wenn es zu Verzögerungen käme.
Was die Einbeziehung der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs in unsere Rechtsvorschriften angeht, so möchte ich feststellen, dass dies eine technische Angelegenheit ist, die im Rahmen der Diskussion über die durchzusetzende Verordnung diskutiert werden sollte.
Die Kommission hat das jüngste Fallrecht des Gerichtshofs im Wesentlichen bereits in ihrem Vorschlag zur grenzübergreifenden Gesundheitsfürsorge berücksichtigt, der demnächst im Kollegium der Kommissare zur Diskussion ansteht.
Die Befürwortung dieses Dokuments durch das Europäische Parlament würde die Kommission in die Lage versetzen, sich künftig auf die Aktualisierung und Vereinfachung der Texte zu konzentrieren. Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns, bevor die neuen Texte durchgesetzt werden können. Diese Maßnahme wird es den Bürgern langfristig erleichtern, ihre Rechte bei Zu- und Abwanderung in der Europäischen Union auszuüben, und damit wird dieses grundlegende Ziel der europäischen Einigung konkretere Gestalt annehmen.
Gestatten Sie mir, dem Berichterstatter nochmals meinen Dank für seine ausgezeichnete Arbeit auszusprechen.
Csaba Őry, Berichterstatter. − (HU) Vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident. Vielleicht sollte abschließend zusammenfassend auf die Frage eingegangen werden, die über dieser Debatte schwebt und die von einigen meiner Vorredner einschließlich Frau Lambert und Frau Bozkurt angesprochen wurde.
Tatsächlich ist es so, dass wir, als ich diesen Bericht erarbeitete, keine inhaltlichen Fragen diskutiert haben, weil wir uns diesbezüglich einig waren. Allerdings haben wir darüber diskutiert, was in die Zuständigkeit der europäischen Gesetzgeber und was in die der einzelstaatlichen Gesetzgeber fällt. Ich möchte Ihnen versichern, dass es uns in diesem Fall gelungen ist, ein sehr fragiles Gleichgewicht zu erzielen.
Deshalb haben wir sämtliche Änderungsanträge mit der Kommission und dem Rat besprochen. Manchmal kam es dann endlich auch zu einer Aussprache, manchmal auch zu etlichen Aussprachen, aber wir haben eine Lösung gefunden. Betrachten wir das als einen glücklichen Zufall oder ein gutes Beispiel dafür, dass wir hin und wieder, wenn es nötig ist, sogar zusammenarbeiten können. Für uns liegt auf der Hand, dass das notwendig ist, aber meines Erachtens sollten wir nicht daran zweifeln, dass das auch aus der Sicht der europäischen Bürger erforderlich ist.
Ich selbst habe im Bericht nicht versucht, weit reichende Änderungen am Wortlaut vorzuschlagen, und zwar einfach deshalb nicht, weil wir auf die Berichte von Frau Bozkurt und Frau Lambert über die Verordnung 2003 warten. Deshalb meine ich, dass die Regelung vorläufig in Kraft bleibt – wir haben sie vielleicht etwas verbessert –, aber wir werden die Debatte fortsetzen, wenn wir die Durchführungsverordnung vorlegen. Das ist meines Erachtens der richtige Weg.
Ich möchte mich beim Rat, der Kommission und bei meinen Kollegen für die Zusammenarbeit bedanken.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 11.30 Uhr statt.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Verordnung (Nr. 1408/71), die wir ändern, spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Umsetzung einer der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union, nämlich der Freizügigkeit. Frei in der Europäischen Union arbeiten zu können, darf weder direkt durch eine Beschränkung der Berufsgruppen, die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten offen stehen, noch indirekt durch eine Aushöhlung der Sozialleistungen, auf die Arbeitnehmer, die keine Staatsangehörigen sind, Anspruch haben, eingeschränkt werden.
Aus diesem Grund wird in der von der Kommission vorgeschlagenen Verordnung mit Verbesserungen des Parlaments eindeutig festgelegt, wann Bürger von ihrem Staat gewährte Sonderleistungen in Anspruch nehmen können, unter welchen Umständen diese Leistungen exportiert werden können und ob sonstige Sozialregelungen bestehen, um eine gleichberechtigte Behandlung von Nichtstaatsangehörigen zu gewährleisten. Wenn wir die Kategorien der in Europa verwendeten Arbeitsverträge erweitern wollen, müssen wir uns außerdem darüber verständigen, was selbständige Erwerbstätigkeit umfasst.
Nicht zuletzt trägt dieser Bericht meiner Ansicht nach dazu bei, die sozialen Rechte der Bürger zu schützen, die in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten. Wenn Hindernisse für die Anerkennung sozialer Rechte beseitigt werden, dann wird dies zu mehr Mobilität innerhalb der Union und mehr Beschäftigung führen.
7. Verbraucherkredite (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (09948/2/2007 – C6-0315/2007 – 2002/0222 (COD)) (Berichterstatter: Kurt Lechner) (A6-0504/2007).
Kurt Lechner, Berichterstatter. − Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin Kuneva! Einen Kredit aufzunehmen ist etwas anderes, als eine Ware zu kaufen. Die rechtliche Komplexität ist sehr viel größer, die gewachsenen nationalen Finanzierungskulturen und Rechtstraditionen spielen eine viel größere Rolle, und damit ist auch das Vertrauen der Bürger in diesem Umfeld oft entscheidend. Vor diesem Hintergrund stößt eine Angleichung des Rechts in diesem Bereich an Grenzen und sollte nur behutsam und schrittweise erfolgen.
Der Verbraucher als der schwächere Vertragsteil muss sicherlich rechtlich geschützt werden, aber gleichwohl müssen in diesem Zusammenhang auch die Grundsätze der Vertragsfreiheit und der Eigenverantwortung des mündigen Bürgers Maßstäbe sein – und nicht Dirigismus und Bevormundung. Den nationalen Gesetzgebern müssen Spielräume bleiben, gerade damit sie flexibel den Schutz der Verbraucher vor Ort gewährleisten und auf neue problematische Entwicklungen im Verbraucherschutz schnell eingehen können. Eine Ansammlung von Vorschriften ergibt noch keinen Verbraucherschutz! Folgenabschätzungen wären unabdingbar gewesen, gerade im Interesse der Verbraucher, wo doch Hunderte Millionen von Menschen betroffen sind. Eine Gesetzgebung soll sich an typischen Fallkonstellationen und nicht an den Ausnahmen orientieren.
Unter diesen Gesichtspunkten ist zunächst dem Europäischen Parlament insgesamt zu danken, dass der völlig unannehmbare erste Vorschlag der Kommission abgelehnt und in der ersten Lesung wesentlich und entscheidend verändert wurde. Ich will zweitens den neuen Ansatz der Kommission im geänderten Vorschlag aus dem Jahre 2005 ausdrücklich begrüßen, nämlich nur einzelne Grundelemente abschließend zu harmonisieren.
Kritisieren muss ich jedoch den Gemeinsamen Standpunkt des Rates. Statt den Blick auf eine vertretbare praktikable europäische Lösung zu richten, haben die Vertreter der Staaten jeweils ihre Sonderregelungen eingebracht, verteidigt und im Kompromiss aneinandergereiht. Die Folge ist eine Überbürokratisierung der Vorschriften. Der Verbraucher hat davon keinen Nutzen! Mit einer Überflutung von Informationen ist ihm nicht geholfen. Es entstehen erhebliche zusätzliche Kosten, die insbesondere bei kleinen Krediten zu Buche schlagen.
Ziel meiner Arbeit war es deshalb von Anfang an, eine Straffung zu versuchen und mehr Spielräume für den nationalen Gesetzgeber zu eröffnen. Ich will unter diesem Gesichtspunkt auch den Kollegen Dank sagen, weil alle Abstimmungen im Binnenmarktausschuss in dieselbe Richtung gegangen sind und wohl auch alle Entscheidungen, wie sie sich abzeichnen, in diese Richtung gehen.
Ich will nur zwei wesentliche Punkte erwähnen, nämlich die erheblichen Verbesserungen und Kürzungen beim Überziehungskredit und die sich abzeichnende Regelung zum Artikel 16, also der Entschädigung bei einer vorzeitigen Rückzahlung. Trotz dieser Verbesserungen bleibt aber die sich abzeichnende Mehrheit aus meiner Sicht auf halbem Wege stehen, wohl auch unter dem Eindruck der fehlenden Zustimmung im Rat und mit Blick auf das Ziel, das Gesetzgebungsvorhaben zu einem Abschluss zu bringen. Ich halte allerdings zusätzliche Verbesserungen für unabdingbar, um zu einer positiven Gesamtwürdigung zu kommen.
Ich will zwei Punkte erwähnen, die mir noch wichtig sind, und auch hier noch einmal um Zustimmung werben. Erstens sollte die Mindestgrenze, ab der die Richtlinie gilt, auf 500 Euro angehoben werden. Natürlich weiß ich, dass in Europa die Wertverhältnisse unterschiedlich sind. Aber es geht ja nicht darum, dass die Richtlinie erst ab 500 Euro gilt, sondern dass der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit behalten soll, schon ab dem ersten Euro anzusetzen, und nicht zwingend erst ab 500 Euro.
Zweitens sollte der Verbraucher die Möglichkeit haben, auf die vorgesehenen Erläuterungen bei den Vorvertragsinformationen zu verzichten, auch unter dem Gesichtspunkt des Binnenmarkteffekts. Denn ich bin der Meinung, dass es ausreichen müsste, wenn der Verbraucher vorab einen Vertragstext erhält, und damit die vorvertraglichen Informationen erfüllt sind, wie es übrigens die Kommission in ihrem eigenen Vorschlag vorgesehen hatte. Damit würde die Papierflut eingegrenzt.
Ich befürchte, dass anderenfalls die gute Vorstellung, die mit dieser Richtlinie verbunden ist, dem Verbraucher in Europa den Binnenmarkt zu öffnen, mehr Produktvielfalt, mehr Möglichkeiten zu geben, nicht erreicht werden wird.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Die am Mittwoch in diesem Haus stattfindende Abstimmung über die Richtlinie über Verbraucherkredite ist ein sehr wichtiger Augenblick für die 500 Millionen Verbraucher in Europa.
Sie wird sich direkt auf das Leben vieler Menschen auswirken. Dabei wird es um zwei Fragen von entscheidender Bedeutung gehen. Erstens soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine fundiertere Entscheidung bei der Aufnahme eines Kredits zu treffen, um beispielsweise für eine Hochzeit, eine Waschmaschine oder ein neues Auto zu bezahlen – also die Dinge des Lebens.
Zweitens soll der Verbraucher durch mehr Wettbewerb am Markt bessere Auswahlmöglichkeiten haben. Das ist auch für die Privatwirtschaft eine wichtige Abstimmung, weil damit ein einziger, einfacher Regelungsrahmen geschaffen wird, der Banken und anderen Gläubigern die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit erleichtern dürfte.
Wir müssen diese Gelegenheit nutzen, um voranzukommen. Es liegt auf der Hand, dass der Status quo nicht funktioniert. Die Zahlen sprechen für sich selbst: In Europa schwankt der durchschnittliche Zinssatz für Verbraucherkredite zwischen 6 % in Finnland, dem preiswertesten Mitgliedstaat, und über 12 % in Portugal. In Italien liegt der Zinssatz bei etwa 9,4 %, in Irland bei etwa 6,8 %.
Der europäische Verbraucherkreditmarkt ist zersplittert und setzt sich aus 27 „Minimärkten“ zusammen. Hinzu kommt, dass auf einem europäischen Verbraucherkreditmarkt, der einen Umfang von 800 Milliarden Euro aufweist, direkte grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen nur einen winzigen Bruchteil – 1 % – sämtlicher im Fernabsatz geschlossener Kreditgeschäfte ausmachen.
Der Binnenmarkt funktioniert hier also nicht. Der Wettbewerb auf EU-Ebene funktioniert ebenso wenig. Das hat zur Folge, dass den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten und attraktive Angebote vorenthalten werden und dass wettbewerbsfähigen Unternehmen der Zutritt zu neuen Märkten verwehrt wird.
Die Verbraucherkreditrichtlinie ist notwendig, um das Potenzial des Binnenmarktes zu erschließen, den Wettbewerb anzukurbeln und den Bürgern eine größere Auswahl zu bieten. Die Verbraucherkreditrichtlinie verfolgt zwei Hauptziele: die Aufstellung von Standards – vergleichbaren Informationen – für Verbraucher, damit diese ihre Wahl informiert treffen können, und die Schaffung einheitlicher Normen für Unternehmen, damit diese grenzüberschreitend attraktive Kredite anbieten können.
Im Mittelpunkt der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge stehen Transparenz und Verbraucherrechte. Ich werde nur einige der wichtigen gemeinsamen Elemente hervorheben, die die Richtlinie vorsieht. Was die Werbung für Verbraucherkredite angeht, so muss, wenn in der Werbung für Kredite eine Zahl vorkommt, EU-weit eine Liste mit den gleichen wesentlichen Informationen angegeben werden.
Vor allem aber wird der effektive Jahreszins in der gesamten Europäischen Union erstmals einheitlich berechnet werden. Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt, weil die Verbraucher damit in der Lage sind, die tatsächlichen Kosten eines Kredits auf einen Blick zu erfassen.
Ein Wort zu den vorvertraglichen Informationen: Informationen über Verbraucherkredite werden EU-weit in einem einheitlichen Formular für Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite dargeboten, das alle wichtigen Fakten und Zahlen – von Zinssätzen über Informationen zu Gebühren bis zu an Kredite geknüpfte Versicherungen enthält. Damit werden die Verbraucher in der Lage sein, einen direkten Vergleich zwischen verschiedenen Angeboten anzustellen.
Ferner sieht die Richtlinie ganz wesentliche Rechte für die Verbraucher vor. Die Verbraucher haben nach Abschluss eines Kreditvertrags die Möglichkeit, ohne Begründung und gebührenfrei von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Dieses Recht, das in fast der Hälfte der Mitgliedstaaten ein neues Merkmal darstellt, wird für alle Verbraucherkredite in der Europäischen Union gelten.
Hinzu kommt, dass die Verbraucherkreditrichtlinie das Recht der Verbraucher auf Wechsel des Anbieters bestätigt, was nicht nur in diesem Bereich konsequent umgesetzt werden muss. Das Recht auf Wechsel und das Recht auf vorzeitige Rückzahlung zu einem beliebigen Zeitpunkt sind für die Kommission von ganz besonderer Bedeutung, weil einerseits der faire Wettbewerb für die Banken und andererseits das Recht der Verbraucher, sich frei zu entscheiden und zu einer Bank mit einem attraktiveren Angebot zu wechseln, gesichert werden müssen. Das sind wesentliche Voraussetzungen für einen gesunden Wettbewerb.
Mir ist vollkommen klar, dass eine Harmonisierung in diesem sehr sensiblen Bereich keine einfache Aufgabe ist, aber die Märkte werden von Menschen gemacht und sollten meines Erachtens für Menschen gemacht werden, und ich glaube, dass es uns in Europa darum gehen sollte, den Menschen in den Mittelpunkt des Marktes zu stellen, so dass er sich frei entscheiden kann, dass Unternehmen frei konkurrieren können und dass der europäische Markt verbraucherfreundlich funktioniert.
Ich möchte betonen, dass es in der modernen Welt nicht darum geht, Verbraucher und Unternehmen gegeneinander auszuspielen, sondern gesunde Märkte aufzubauen, auf denen Verbraucher die Wahl haben und Unternehmen konkurrieren können.
Meines Erachtens stellen die von der PSE- und der ALDE-Fraktion vorgelegten Änderungsanträge – denen der Rat zugestimmt hat – einen fairen und vernünftigen Kompromiss dar.
Das ist meiner Ansicht nach die beste Lösung, die sowohl den Interessen der Verbraucher als auch denen der Finanzdienstleister entspricht. Ich glaube, eine Entscheidung für dieses Kompromisspaket ist eine Entscheidung für wettbewerbsfähige Märkte und klare Informationen, die den Verbrauchern eine bewusste Entscheidung ermöglichen.
Das ist im Hinblick auf die Verbraucherdimension im Bereich der Finanzdienstleistungen, wo noch viel zu tun ist, ein bescheidener Anfang. Ich setze auf die Abgeordneten dieses Hauses: Sie sprechen im Namen der europäischen Bürger; Sie kämpfen seit so vielen Jahren für die Dinge, die im Alltag der Menschen wirklich von Bedeutung sind.
Die Aufgabe besteht darin, heute für eine Einigung über Kreditvorschriften zu stimmen, die für die europäischen Bürger in diesem Bereich ihres Lebens mit einem echten Mehrwert verbunden sind, und deutlich zu machen, dass Europa bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln und in einem Bereich, der für unsere Bürger und große wie kleine Unternehmen eine so große Rolle spielt, aktiv zu werden.
Malcolm Harbour, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte eingangs die enormen Anstrengungen würdigen, die Herr Lechner, der Berichterstatter für unsere Fraktion unternommen hat, sowie der Kommission und dem Rat meine Anerkennung für ihre Zusammenarbeit zu diesem schwierigen und bisweilen kontroversen Vorschlag aussprechen, der, wie die Kommissarin sagte, bereits seit Jahren in Arbeit ist.
Im Kern – und da stimme ich der Kommissarin vollkommen zu – geht es um einen äußerst wichtigen Vorschlag für Europas Verbraucher am Binnenmarkt. Verbraucherkredite sind ein sehr wirksamer Mechanismus, um Verbraucher in den Markt einzubeziehen. Wir wollen einen florierenden und innovativen Markt; wir wollen, dass Unternehmen eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen anbieten, die auf die Erfordernisse der Verbraucher hinsichtlich des Kaufs spezifischer Artikel, Produkte und Dienstleistungen zugeschnitten sind.
Aber vor allem wollen wir einen gut regulierten Markt, den die Verbraucher zuversichtlich in dem Bewusstsein in Anspruch nehmen, dass sie über die mit klaren Vertragsbestimmungen verbundenen Informationen wie auch Sicherheiten verfügen. Es liegt auf der Hand, dass im Bereich der Finanzdienstleistungen eine gute Regulierung den Markt aktiviert, und genau darum ging es uns während des gesamten Prozesses. Doch das Problem bei der Erarbeitung dieser Richtlinie bestand darin, dass der Verbraucherkreditmarkt in den einzelnen Ländern der Europäischen Union keinen einheitlichen Entwicklungsstand aufweist. Viele Länder, wie beispielsweise mein Heimatland, verfügen bereits über einen gut regulierten Markt. Der ursprüngliche Gedanke der maximalen Harmonisierung wäre mit einer Benachteiligung der Verbraucher in diesen Ländern einhergegangen, und es war diese Suche nach dem richtigen Maß, die viel Zeit gekostet hat.
Ich möchte nur einen Eindruck korrigieren, den Frau Kuneva möglicherweise unbeabsichtigt hervorgerufen hat: Das vorliegende Paket von Kompromissänderungsanträgen wird mit lediglich einer Ausnahme von unserer Fraktion befürwortet. Wir haben die gleichen Änderungsanträge vorgelegt; das gesamte Parlament vertritt hier einen einvernehmlichen Standpunkt. Ich glaube, es gibt einen Aspekt, über den wir noch streiten, aber ich bin sicher, dass wir uns noch einigen werden, und dann werden wir ein gutes und wichtiges Paket haben. Jetzt kommt es jedoch darauf an, dass wir die Herausbildung dieses Marktes im Auge behalten, darauf achten, dass er sich verantwortungsvoll entwickelt und einige der Probleme, die bei der Herausbildung und Entwicklung dieses Marktes möglicherweise entstehen, versuchen zu klären. Ich bin überzeugt, dass sich das Parlament seinen Aufgaben stellen wird und dass wir uns morgen auf ein gutes Paket einigen werden.
Arlene McCarthy, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz war sich so wie zuvor auch der Rechtsausschuss stets der potenziellen Vorzüge der Entwicklung eines Binnenmarktes für Verbraucherkredit für sowohl die Privatwirtschaft als auch die Verbraucher bewusst. Ich war Zeuge des langsamen Heranreifens dieses Rechtsaktes und hoffe, morgen sozusagen der Entbindung unseres Verbraucherkreditbabys beizuwohnen.
In den Diskussionen und Aussprachen der letzten fünf Jahre wurde deutlich, dass zwischen der Kommission und dem Parlament und vor allem zwischen den Mitgliedstaaten grundlegende Meinungsverschiedenen darüber bestehen, wie das Ziel am besten zu erreichen ist, und ich bin der Überzeugung, dass daraus Lehren gezogen werden können. Alle Vorschläge – selbst ein abgeänderter Vorschlag der Kommission – müssen einer strengen Folgenabschätzung unterzogen werden, damit alle Beteiligten die Vorzüge der Vorschläge evaluieren und bei Verbrauchern wie Privatwirtschaft für Vertrauen sorgen können.
Es ist bedauerlich, dass weder der Rat noch die Kommission damals dazu bereit waren. Heute besteht unsere Aufgabe jedoch darin, uns mit dem neuen Text auseinander zu setzen, der eine enorme Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag darstellt. Im Mittelpunkt stehen die für die Öffnung des Marktes und den Schutz der Verbraucher notwendigen Elemente und Komponenten. Der neue Text hat viele Vorteile, so versetzt er die Verbraucher in die Lage, Kreditangebote zu vergleichen; er verpflichtet Kreditgeber, die Kreditwürdigkeit der Verbraucher zu überprüfen – was im Kampf gegen die Verschuldung EU-weit eine Rolle spielt – sowie Erläuterungen zu geben. Außerdem haben alle Kreditgeber im Ergebnis unserer Änderungsanträge nunmehr die Pflicht, umfassende Standardinformationen in einem vereinfachten Format vorzulegen.
Ich begrüße das 14-tägige Widerrufsrecht sowie das Recht auf vorzeitige Rückzahlung. Das sind gute Elemente, die beim Verbraucher für Vertrauen sorgen und ihn ermutigen, sich auch außerhalb des Heimatmarktes nach Kreditangeboten umzuschauen. Dabei geht es nicht nur um die Öffnung des Marktes. Dank der neuen Freizügigkeit für Bürger und Arbeitnehmer in 27 Mitgliedstaaten erlangt dieses Gesetz neue Bedeutung. So kann ein polnischer Klempner, der in Frankreich oder Deutschland arbeitet und bei einem dortigen Kreditinstitut einen Kredit aufnimmt, die verschiedenen Angebote in Bezug auf den effektiven Jahreszins in dem Wissen vergleichen, dass er über Standardinformationen verfügt, die es ihm ermöglichen, die richtige Entscheidung zu treffen.
Abschließend begrüße ich die Tatsache, dass die Kommission Kreditgenossenschaften von dieser Regelung befreit und damit kleine gemeinschaftliche Anbieter nicht unter einem Berg bürokratischer Vorschriften begräbt. Ich begrüße auch die neue Flexibilität der Mitgliedstaaten. Damit kann beispielsweise das hohe Schutzniveau für britische Verbraucher aufrechterhalten werden, wodurch das Recht auf gesamtschuldnerische Haftung für Kreditkarten erhalten bleibt. Der Vorschlag ist also flexibel genug und könnte funktionieren. Ich würde die Kolleginnen und Kollegen auffordern, ihn zu unterstützen.
Als Vorsitzende des Ausschusses denke ich, dass unsere Arbeit hier noch nicht endet …
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Diana Wallis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Das ist normalerweise die Zeit, zu der wir uns gegenseitig alles Gute für das Neue Jahr wünschen. Doch im Vereinigten Königreich wie auch weltweit werden die Nachrichten im Neuen Jahr beherrscht von wirtschaftlichen Sorgen, insbesondere im Hinblick auf Verbraucherkredite. Das ist nicht nur eine Frage der üblichen nachweihnachtlichen Depression; wir alle wissen, dass es um mehr geht. Kredite werden sowohl für Kreditgeber als auch Kreditnehmer auf absehbare Zeit ein schwieriges Thema sein.
Vor diesem globalen Hintergrund sind wir als Gesetzgeber gefordert. Wir müssen den EU-Markt für Finanzdienstleistungen stimulieren und gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere Verbraucher eine vernünftige und fundierte Wahl treffen können und dass sie zu diesem Zweck auf alle erforderlichen Informationen und Vergleichselemente zugreifen können. Viele von uns in diesem Haus und insbesondere im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz waren in den letzten Jahren an der parlamentarischen Untersuchung der schweren Krise der britischen Versicherungsgesellschaft „Equitable Life“ beteiligt. Wir wissen, welche Konsequenzen Mängel im grenzüberschreitenden ordnungspolitischen Regime im Bereich der Finanzdienstleistungen für die Verbraucher haben. Im vorliegenden Fall brauchen wir ein solches Regime, und wir dürfen uns keine Fehler erlauben, gerade in Anbetracht der globalen Bedingungen, denen wir uns gegenübersehen.
Diese Richtlinie kann helfen. Sie kann dem europäischen Finanzdienstleistungsmarkt in einer schwierigen Zeit hilfreich zur Seite stehen, und sie kann unsere Verbraucher zur Kreditaufnahme – zumal zu wettbewerbsfähigen Bedingungen – befähigen und sie unterstützen. Meine Fraktion befürwortet ein Paket, das sie gemeinsam mit der PSE vorlegt und von dem wir hoffen, dass es allgemeine Zustimmung finden wird. Wir haben den Eindruck, dass es nach sieben Jahren der Verhandlungen und der Umformulierungen letztlich mehr oder weniger um ein einziges Wort in einem Artikel geht, bei dem wir uns nicht einigen können. Es wäre beschämend für dieses Haus und für die europäischen Institutionen, wenn es uns nicht gelingt, diese Unstimmigkeit zu überwinden und diese Richtlinie zu verabschieden, die dem europäischen Markt hoffentlich all die erwähnten Vorteile bringen wird.
Eoin Ryan, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Ich teile die Ansicht, dass die EU-Gesetzgebung in diesem Bereich aktualisiert werden muss. Die letzte Richtlinie zu dieser Problematik datiert von 1987, und der Verbraucherkreditmarkt hat sich seither dramatisch gewandelt.
Mit dieser EU-Richtlinie über Verbraucherkreditverträge soll der Wettbewerb auf dem Verbraucherkreditmarkt, der einen Wert von 800 Milliarden Euro hat, angekurbelt werden. Sie wird den Verbrauchern Rechtssicherheit bieten, die unabdingbar ist, wenn die Bürger in der Lage sein sollen, auf der Suche nach dem für sie am besten geeigneten Produkt die Angebote zu vergleichen. Sie wird auch den Unternehmen helfen, sich im Wettbewerb zu behaupten. Wenn man sich die unterschiedlichen Zinssätze für Verbraucherkredite in Europa anschaut, die von 6 % in einigen Ländern bis zu 12 % in anderen reichen, dann wird klar, dass die Angebote für Verbraucher verbessert werden müssen.
Diese neuen Vorschriften werden für mehr Transparenz sowohl für Verbraucher als auch Wettbewerber sorgen. Vor allem werden Verbraucher in ganz Europa, die einen Kredit aufnehmen, dank dieser Richtlinie Zugang zu vergleichbaren Standardinformationen haben. Bei Kreditangeboten müssen die entsprechenden Informationen beispielsweise zu Zinssätzen oder Anzahl und Häufigkeit der Zahlungen dem Verbraucher in Form eines neuen einheitlichen Formulars für europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite mitgeteilt werden.
Das begrüße ich also sehr. Meines Erachtens sind das Vertrauen der Verbraucher und die Rechtssicherheit in diesem Bereich unerlässlich. Aber ich glaube, dass die Richtlinie den Wettbewerb in diesem Bereich ankurbeln und letztlich – wie bereits ausgeführt wurde – den Verbrauchern eine größere Auswahl bieten wird. Die Verbraucher werden deutlich von dieser Richtlinie profitieren.
Heide Rühle, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider müssen wir morgen eine Richtlinie verabschieden, die unserem eigenen Anspruch auf better regulation nicht entspricht. Es gibt keine Auswirkungsstudie, obwohl es sich um einen ganz neuen Vorschlag handelt, trotz der inzwischen erfolgten Erweiterung der EU um 12 neue Mitgliedstaaten, trotz großer Differenzen im Bereich der Finanzkultur, im Bereich der Regulierungen, im Bereich der sozialen Differenzen innerhalb der Mitgliedstaaten.
Hier wäre statt einer vollständigen Harmonisierung dringend mehr Spielraum für die Mitgliedstaaten nötig gewesen. Die Mitgliedstaaten können heute ganz anders, viel schneller auf die unterschiedlichen Modelle reagieren, die ständig und täglich neu auf dem Markt erscheinen. Die Mitgliedstaaten sind auch besser gerüstet, auf die Finanzkrise zu reagieren. Die Zeiträume, in denen sie regulieren können, sind kürzer als die Zeiträume der Europäischen Union.
Deshalb hätte es Sinn gemacht, sich hier auf eine Minimalharmonisierung zu beschränken, statt den Versuch zu machen, eine Maximalharmonisierung zu erreichen. Das ist der Punkt, den wir an dieser Verbraucherrichtlinie kritisieren. Wir kritisieren außerdem auch, dass inzwischen wegen der Mitgliedstaaten zahlreiche Ausnahmeregeln geschaffen worden sind, die einfach gemacht werden mussten, um die Mitgliedstaaten ins Boot zu bekommen. Leider hat es die Stringenz des Textes überhaupt nicht verbessert.
Es gibt allerdings eine Ausnahmeregelung, für die wir auch noch plädieren würden, nämlich die Frage der Renovierungskredite. Angesichts der großen Herausforderungen des Klimawandels wäre es dringend nötig, grundpfandlich rechtlich abgesicherte Renovierungskredite aus diesem Vorschlag herauszunehmen, die nichts mit Verbraucherkrediten zu tun haben, sondern eher wie Hypothekarkredite zu bewerten sind.
Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Wenn man durch Regeln festlegt, wie ein Vertrag zwischen zwei Parteien aussehen soll, muss man natürlich auch berücksichtigen, ob diese Parteien gleichberechtigt sind oder ob eine von ihnen der anderen gegenüber von Beginn an im Vorteil ist. Hat eine Partei die Überhand, so muss das beim Abschluss des Vertrages berücksichtigt und eine Regelung gefunden werden, die die schwächere Vertragspartei stärkt.
Was die Verbraucherkredite betrifft, die wir hier diskutieren, ist derjenige, der einen solchen Kredit benötigt, in einer benachteiligten Position. Leider haben weder der Berichterstatter noch der Kompromissvorschlag diese Verantwortung für die Rechte der Verbraucher und den Verbraucherschutz ausreichend berücksichtigt. Das ist besonders ernst, da es vor allem die Menschen mit den schlechtesten finanziellen Voraussetzungen sind, die beim Einkauf überhaupt Kredite beantragen.
Lassen Sie mich noch Folgendes hinzufügen: Obwohl es einen Beschluss gibt, der die Anwendung von Gender Mainstreaming in unserer gesamten Arbeit hier im Parlament fordert, ist bei dieser Richtlinie keine geschlechtsspezifische Analyse durchgeführt worden, trotz der Tatsache, dass besonders viele Frauen mit den niedrigsten Löhnen in die Schuldenfalle geraten. Ich fordere, dass es eine Entschädigungsobergrenze bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits geben muss. Zudem finde ich, dass ein Rücktrittsrecht von drei Tagen viel zu kurz ist. Abgesehen davon fordere ich eine Mindestharmonisierung anstelle einer möglichst vollständigen Harmonisierung.
Godfrey Bloom, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Vielleicht wäre hier ein kluger Ratschlag angebracht. Ich habe den größten Teil meines Lebens in einer Handelsbank gearbeitet, wenn auch nicht im Privatkundengeschäft, und ich muss sagen, dass sich Politiker meines Erachtens nicht in die Geschäfte zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern einzumischen haben. Es würde mir bei all meiner Erfahrung nicht im Traum einfallen, diesen Bereich zu regulieren. Wenn ich mir die Namen derjenigen anschaue, die diesem Ausschuss und diesem Parlament angehören, dann kann ich nicht allzu viel Erfahrung feststellen. Hier führt wohl ein weiteres Mal der Blinde den Lahmen. Es grenzt schon an Absurdität, dass diese Institution, die seit elf Jahren an der eigenen Buchprüfung scheitert, ein Urteil zu diesem Thema abgibt.
Die Tatsache, dass man Vorschriften für Bukarest, London und Paris und die dortigen Verbraucher erlassen kann, ist vollkommen hirnrissig. Vielleicht könnte ich Leute wie die britische Regierung warnen, dass es grundsätzlich falsch ist, Banken bis zur Höhe von 50 % ihrer Reserven aus der Klemme zu helfen.
Deshalb möchte ich die Verbraucher daran erinnern, dass beim Geld die Freundschaft aufhört, und an die Adresse der Regierungen sage ich: „Dummheit und Geld lassen sich nicht vereinen.“
Andreas Schwab (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal gilt mein Dank dem Berichterstatter und natürlich auch der Kommissarin, die in dieser schwierigen Materie eine sehr konstruktive Rolle gespielt hat.
Frau Kollegin Wallis hat vorher angesprochen, dass dieses Dossier im Europäischen Parlament und in den europäischen Institutionen seit über sieben Jahren „herumgeistert“ — wie ich gerne sagen will. Und diese sieben Jahre waren nach meinem Dafürhalten keine sieben Jahre der Transparenz bei der Rechtsetzung, es waren keine sieben Jahre von better regulation, sondern es war ein Wirrwarr, den zu überblicken auch heute nur wenige Kollegen im Stande sind.
Ich glaube, dass wir damit weder dem europäischen Verbraucher noch dem europäischen Bürger, der sich dieses Gezerre hinter den Kulissen zwischen den Mitgliedstaaten hat ansehen müssen, einen großen Gefallen tun. Aber wenn das, was nun dabei am Schluss herauskommt, dazu führt, dass der Verbraucher, der z. B. einen Pkw kaufen möchte, mehr Transparenz bei der Entscheidung für einen Ratenkredit, für einen Privatkredit bekommt, dann glaube ich, dass das nützlich ist.
Es wurde hier angesprochen: Es ist ein Markt von 800 Millionen Euro, die Varianz der Kreditzinsen bewegt sich um die 6 %. Da liegt natürlich sehr viel Musik drin, und es bleibt zu hoffen, dass der Verbraucher von diesem Spielraum auch profitieren kann. Ich habe daran berechtigte Zweifel! Denn wenn der Verbraucher eine Digitalkamera für 220 Euro erwirbt und dann ein zehnseitiges Kreditformular schriftlich auszufüllen hat, wird er kaum in der Lage sein, die Risiken, die in einem Kredit über 220 Euro liegen, zu übersehen.
Es wird also aus meiner Sicht dazu führen, dass vieles, das in diesem Dossier gut gemeint ist, dem normalen, schutzwürdigen Verbraucher am Schluss nicht hilft, sondern ihn in Schwierigkeiten stürzt, so dass er von einem Ratenkredit sogar eher Abstand nimmt, weil er Angst hat, diese umfangreiche Schriftsetzung auszufüllen. Ich bleibe dabei und hoffe, dass die Varianz der Kreditzinsen für den Verbraucher transparenter wird und dass damit ein Vorteil entsteht, wenngleich das Verfahren aus meiner Sicht inakzeptabel war.
Evelyne Gebhardt (PSE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich denke, wir müssen hier zu einem Abschluss kommen, damit die Verbraucher und die Banken wissen, was in Zukunft für sie gelten und was nicht für sie gelten wird.
Ich denke, dass der Kompromiss, den wir letzte Woche erarbeitet haben und dem auch die Liberalen zugestimmt haben, durchaus ein vernünftiger Kompromiss ist, in dem wir eine vertretbare, verbraucherfreundliche, gemeinsame Lösung gefunden haben. Das ist das Wichtige!
Herr Schwab, mit Verlaub, erstens: Zehn Seiten sind das nicht. Und zweitens: Ich finde, es ist sehr gut, dass wir ein gemeinsames Formular haben, in dem für die Verbraucher klar und transparent stehen muss, wie hoch der Gesamtkreditbetrag ist, wie lange die Laufzeit ist, wie das geltende Rücktrittsrecht aussieht und wie hoch der effektive Jahreszins ist, der dann z. B. auf einer gemeinsamen, gleichen Grundlage in allen Mitgliedstaaten berechnet wird. Das ist Transparenz, und diese Transparenz ist es, die wir brauchen und die mit dem Vorschlag im Änderungsantrag 46 morgen zur Abstimmung kommen wird. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, diese Transparenz auch wirklich durchzusetzen.
Ich denke, mit Verlaub, der Berichterstatter hat viel gearbeitet, das ist richtig, aber meine Fraktion kann nicht akzeptieren, dass wir als Parlament in eine Situation hineinmanövriert werden, in der es plötzlich so aussieht, dass der Rat verbraucherfreundlicher ist als das Europäische Parlament. Für meine Fraktion ist das eine Situation, die schlicht und einfach inakzeptabel ist, und deswegen müssen wir dafür sorgen, dass es eine gute Balance gibt zwischen dem Recht der Banken, natürlich auch Geschäfte zu machen – das ist in der Marktwirtschaft eine normale Sache –, und dem Schutz der Verbraucher, damit sie auch die Informationen erhalten, die sie brauchen, um vernünftig zu entscheiden, welchen Kredit sie annehmen und welchen sie nicht annehmen. Das ist der richtige Weg, und das ist das, was wir morgen annehmen sollten.
Toine Manders (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Lechner meinen Dank für seinen Bericht und die konstruktive Zusammenarbeit aussprechen. Danken möchte ich auch dem Kommissar und dem Rat, denn der Trilog hat sich in die Länge gezogen! Einen Kompromiss haben wir leider nicht herbeiführen können, aber wir waren nur um Haaresbreite davon entfernt. Zu meiner Freude werden wir nun am Mittwochmorgen über eben diesen Kompromiss abstimmen, und ich gehe davon aus, wir werden ihn zustande bringen.
Weshalb? Wir befassen uns tatsächlich schon seit sieben Jahren damit. Wenn wir unsere politische Glaubwürdigkeit gegenüber dem Markt und unseren Bürgern, den Verbrauchern, aber auch gegenüber dem Sektor und der Industrie nicht verlieren wollen, gilt es, endlich eine Entscheidung zu treffen. Ein Kompromiss ist stets ein Geben und Nehmen, und selbstverständlich gibt es Aspekte, die verbesserungswürdig sind, aber das gilt für alle Seiten. Ein Kompromiss bedeutet nun einmal, Wasser in den Wein zu gießen, und mit dem Ergebnis muss man sich dann zufriedengeben.
Meines Erachtens wird der vorliegende Plan sowohl den Belangen des Verbrauchers als auch denen des Finanzsektors gerecht. Darauf müssen wir hinarbeiten, das liegt im Interesse Europas und des Binnenmarkts.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Frau Kommissarin! Zunächst möchte ich den Berichterstatter zu seiner ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen, die zweifellos viel Geduld erfordert, ihm selbst aber sicher große Genugtuung bereitet hat. Dieser Bericht dürfte wohl zu den kontroversesten und schwierigsten Kompromissen zählen. Sein Ziel besteht darin, die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen EU-Ländern, die tatsächlich sehr stark voneinander abweichen und deren Festlegung weitgehend in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt, anzugleichen.
Eine Harmonisierung in diesem Bereich ist einfach nicht möglich. Wir können nur versuchen, die Anforderungen teilweise anzugleichen, was aber, wie wir in den letzten Monaten gesehen haben, ebenfalls erhebliche Probleme bereitet. Ich stimme mit dem Ansatz des Berichterstatters überein, wonach den Mitgliedstaaten auf diesem schwierigen Gebiet möglichst viel Entscheidungsfreiheit gelassen werden sollte. Das scheint die einzig vernünftige Lösung zu sein, damit ein derart schwieriger und wichtiger Bericht von allen Beteiligten angenommen werden kann.
Der Text in seiner jetzigen Fassung wurde allem Anschein nach vereinfacht. Was jedoch in der gesamten Arbeit an dem Bericht augenscheinlich fehlt, das ist eine Analyse der Auswirkungen, die seine Qualität mit Sicherheit verbessert hätte. Insgesamt ist dieser Entwurf meiner Ansicht nach zufrieden stellend. Zwar ist er alles andere als ideal, aber er wurde den derzeitigen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten angepasst. Mit diesem Vorschlag sollen die finanzielle Belastung und der Verwaltungsaufwand für die Verbraucher abgebaut werden. Er enthält meines Erachtens wichtige Regelungen, die den Schutz der Verbraucher verbessern und ihnen die Aufnahme von Krediten erleichtern. Ein überaus nützlicher Vorschlag ist die Einführung eines einheitlichen Formulars mit Informationen, das den Verbrauchern den Vergleich der Kreditangebote wesentlich erleichtert.
Mia De Vits (PSE). – (NL) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich persönlich kann den Enthusiasmus über diesen Text nicht nachvollziehen. Wichtige Schritte nach vorn wurden zwar gesetzt, jedoch erfüllt dieser Text den Zweck, die Schaffung eines harmonisierten Rahmens, nicht. Dieser harmonisierte Rahmen wurde in einigen Punkten, die wir für maßgeblich erachten, verfehlt.
Ich möchte dies an zwei Punkten erläutern, die nach Ansicht unserer Delegation nach wie vor kompliziert oder sehr kompliziert sind. Das vorvertragliche Informationspaket wird gestärkt und harmonisiert. Das ist positiv. Gleichwohl wird es durch die diversen Formeln, die für den effektiven Jahreszins bei Krediteröffnung zulässig sind, verwässert. Kann mir einmal jemand erklären, wie der Verbraucher diese einzelnen Formeln objektiv vergleichen kann.
Zweitens, im Falle meines Heimatlandes, Belgien, wird die Position des Verbrauchers wahrscheinlich insofern geschwächt, als die Datenbank abgefragt werden muss, aber Sanktionen für die Banken nicht damit verbunden sind. Das könnte die Menschen noch tiefer in Schulden stürzen. Meiner Auffassung nach ist es auch für die Banken selbst eine verpasste Gelegenheit. Die Rechtsvorschrift ist und bleibt überflüssig.
Wolf Klinz (ALDE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße den gut gemeinten Versuch der Kommission, auch für den Verbraucherkredit einen funktionierenden Binnenmarkt mit verstärkten Verbraucherrechten zu etablieren. Allerdings müssen die Arbeitsergebnisse auch das halten, was dem Verbraucher versprochen wird: größere Angebotsvielfalt, bessere Konditionen durch zunehmenden Wettbewerb und weniger Bürokratie. Daran gemessen ist das Resultat der Richtlinie zum Verbraucherkredit in weiten Teilen unbefriedigend.
Erstens sind die vorgeschriebenen Standardinformationen mit rund acht Seiten zu umfangreich. Ich bezweifle, dass der Kunde sie tatsächlich zur eingehenden Information nutzt. De facto ist das ein spürbares Mehr an Bürokratie, für das am Ende des Tages der Verbraucher zahlen muss.
Zweitens hat man bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Kredits die Chance ungenutzt gelassen, den Verbraucher an einem außerordentlichen Ertrag partizipieren zu lassen, den der Kreditgeber dann hat, wenn sich die Zinssituation seit der Kreditvergabe zu seinen Gunsten verändert hat.
Drittens bedeutet der gefundene Kompromiss praktisch das Aus für den in Deutschland üblichen und viel genutzten Überziehungskredit. Die Bürger werden das sehr bedauern und einmal mehr auf den bürokratischen Moloch Brüssel schimpfen. Weniger wäre mehr gewesen!
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Ich möchte dem Berichterstatter Kurt Lechner für seine gründliche Arbeit bei der Erstellung des vorliegenden Berichts meinen Dank aussprechen. Ihm ist es gelungen, den äußerst komplizierten und bürokratischen Vorschlag des Rates durch neue Änderungsvorschläge zu vereinfachen.
Gestatten Sie mir in Anbetracht der Anwesenheit von Frau Kommissarin Kuneva im Rahmen dieser Debatte, die für die europäischen Verbraucher von Bedeutung ist, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, erneut auf die wichtige Rolle der Verbraucherverbände aufmerksam zu machen, die in der Lage sein sollten, in jedem Mitgliedstaat ihre rechtmäßigen Aufgaben zu erfüllen und die von der Kommission angemessen unterstützt werden sollten. Um die Qualität des Verbraucherschutzes zu verbessern, brauchen die einzelnen Verbraucherorganisationen zusätzliche Mittel, um Verbraucher zu schulen und eine unabhängige Beratung zu Verbraucherkrediten zu gewährleisten, insbesondere für die am stärksten gefährdeten Verbrauchergruppen.
Frau Kommissarin! Wenngleich Sie ermutigende Fortschritte für bestimmte Verbrauchergruppen erzielt haben und Ihre Amtsübernahme den Startschuss für Verbraucherschutz gab, möchte ich Sie im Jahr 2008 erneut um Ihre Unterstützung bitten.
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Ich begrüße das Erscheinen der Richtlinie, die einen Schritt in die richtige Richtung markiert. Dennoch möchte ich Ihre Aufmerksamkeit, insbesondere die der Frau Kommissarin, auf Artikel 16 lenken. In meinem Heimatland erhalten Verbraucher keine Entschädigung, wenn sie Kredite vorfristig zurückzahlen. Wenn dieser Artikel nun in Kraft tritt, werden Verbraucher tatsächlich mehr zahlen. Mir fällt es schwer zu glauben, dass dies eine Form des Verbraucherschutzes darstellen soll. Man kann wohl davon ausgehen, dass im betreffenden Artikel eine ganze Reihe von rechtlichen Schutzmechanismen enthalten sind, um zu gewährleisten, dass Verbraucher dafür nicht zur Kasse gebeten werden, doch wenn von rechtlichen Schutzmechanismen die Rede ist, sind damit Spielereien im Rechtsbereich, aber nicht die reale Wirtschaftswelt gemeint. Im wahren Wirtschaftsleben wird der Verbraucher immer besteuert, wenn dies möglich ist. Daher möchte ich Sie bitten, Artikel 16 im Hinblick auf die Tatsache, dass eine derartige Besteuerung in vielen Ländern überhaupt nicht üblich ist, sorgfältiger zu gestalten.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich denke, wir sind bei den jüngsten Verhandlungen zu einem recht guten Ergebnis gekommen. Es ist uns allerdings nicht gelungen, das Ganze zu vereinfachen. Meines Erachtens gibt es jetzt für den einfachen Verbraucher in Europa viel zu viel Information. Mit jedem Antrag seitens der Ratsmitglieder und Mitgliedstaaten um weitere Ausnahmen von den Standardinformationen wird die gesamte Richtlinie noch komplexer.
Ich denke, dass Standardinformationen wirklich einheitlich sein sollten. Wir brauchen EU-weit gleiche Ausgangsbedingungen. Jedes Mal, wenn wir im Parlament oder die Mitgliedstaaten sagen, dass wir unterschiedliche, auf die Mitgliedstaaten abgestimmte Vorschriften brauchen, machen wir die Sache noch komplexer.
Ich schließe mich dem Ziel der Kommission ohne jede Einschränkung an. Mag sein, dass die Kompromissverhandlungen in die richtige Richtung laufen, aber in Bezug auf die Vereinfachung sollte etwas unternommen werden, bevor diese Richtlinie endgültig verabschiedet wird und die Verbraucher erreicht.
Jean-Paul Gauzès (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin! Ich möchte nur einige Anmerkungen machen.
Ich halte es für gut für das Ansehen unseres Parlaments, wenn wir den europäischen Verbrauchern zeigen, dass wir uns um den Schutz ihrer Interessen kümmern. Der Bericht von Herrn Lechner stellt eine sehr umfangreiche Arbeit dar, für die er zu beglückwünschen ist, doch denke ich, dass es jetzt in dieser letzten Phase darauf ankommt, den Kompromiss zu finden, der es ermöglicht, zu demonstrieren, welche Bedeutung wir als Parlamentarier den Verbrauchern beimessen. Es wäre paradox, wenn der Rat letztlich als der beste Verbraucherschützer dastünde.
Wir müssen unbedingt diesen Kompromiss zu den wenigen Worten finden, die uns trennen, um ein Vermittlungsverfahren zu vermeiden, das meiner Meinung nach für alle nachteilig wäre. Verhindert werden müssen ebenfalls Rückschritte, und es muss gewährleistet werden, dass die Verbraucher in Frankreich ebenso wie in Litauen keine Gebühren bei vorzeitiger Tilgung zahlen müssen. Wir können den Verbrauchern keine Rückschritte gegenüber dem gegenwärtigen nationalen Recht zumuten.
Der Präsident. – Wenn es keine weiteren Redner gibt, weise ich die Mitglieder auf die Möglichkeit hin, von dem „catch the eye“-Verfahren Gebrauch zu machen, um erneut das Wort zu ergreifen, sollten sie ihrer Ansicht nach ihre erste Wortmeldung nicht zu Ende geführt haben.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Lechner, sowie allen Abgeordneten meinen aufrichtigen Dank für ihre zahlreichen wichtigen und klugen Hinweise aussprechen.
Lassen sie mich kurz auf einige davon eingehen. Wir sind der Meinung, dass der Schwellenwert sehr sorgfältig gewählt wurde. Unser gemeinsames Ziel besteht darin, schutzbedürftigen Verbrauchern nicht den Schutz durch die Richtlinie vorzuenthalten. Deshalb haben wir einen Schwellenwert festgelegt, der den Interessen der neuen Länder entspricht, dabei aber nicht die meisten Durchschnittskredite in den EU-12 ausschließt.
Ein großer Vorteil ist unserer Ansicht nach auch, dass wir jetzt über ein einheitliches Informationsblatt verfügen, das von vielen von Ihnen als einer der positivsten Schritte dieser Richtlinie bezeichnet wurde. Das ist einer der größten Vorteile, und wir benachteiligen die Verbraucher nicht, wenn wir damit das Vertragsexemplar ablösen, denn es ist für Verbraucher nicht einfach, Verträge zu vergleichen. Es fällt ihnen oft schwer, Verträge zu verstehen, wie aus Eurobarometer-Untersuchungen hervorgeht.
Was die vollständige Harmonisierung angeht, so möchte ich betonen, dass wir eine „gezielte“ vollständige Harmonisierung anstreben. Das ist unserer Ansicht nach besser als eine Mindestharmonisierung, über die einige von Ihnen selbst heute noch diskutieren wollten, weil wir meinen, dass die Marktzugangshindernisse für Finanzdienstleistungserbringer abgebaut werden müssen, und das ist einer der Hauptgründe für die Vorlage dieses Vorschlags für eine Richtlinie. Auf diesem Weg müssen wir auch das Vertrauen der Verbraucher stärken. Deshalb ist die gezielte vollständige Harmonisierung die beste Lösung.
Die Kommission möchte insbesondere Herrn Harbour gegenüber versichern, dass wir den Markt überwachen werden. Meine Dienststellen haben eine Studie eingeleitet, um Indikatoren und Daten zum aktuellen Markt zu erfassen. In einigen Jahren werden wir dieselben Indikatoren verwenden und dieselben Daten erfassen. Das wird uns eine Entscheidung über unser weiteres Vorgehen ermöglichen.
Abschließend möchte ich wiederholen, dass uns das Vermittlungsverfahren meines Erachtens nicht zu einem besseren Kompromiss verhelfen wird als den, der heute vor uns liegt. Folglich hoffe ich sehr, dass das Parlament diesen Text morgen in zweiter Lesung annehmen kann.
Kurt Lechner, Berichterstatter. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Aussprache deutlich geworden, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben. Insbesondere kann ich dem, was die Kommissarin eingangs gesagt hat, uneingeschränkt zustimmen. Die Frage ist nur, ob die Ziele mit dem Text, der jetzt auf dem Tisch liegt auch erreicht werden. Ich denke, da sind unterschiedliche Meinungen berechtigt.
Der einheitliche Effektivzins ist sicherlich uneingeschränkt ein Fortschritt, ebenso das gemeinsame einheitliche Widerrufsrecht. Aber lassen Sie mich noch einmal betonen: Was dem Schutz der Verbraucher dient, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung – auch das hat die Frau Kommissarin zu Recht gesagt –, und nicht aus einer Addition aller Vorschriften, die es irgendwo in Europa gibt. Mehr Rechtsvorschriften bedeuten nicht mehr Verbraucherschutz.
Zum Thema Zinsdifferenzen in Europa will ich darauf hinweisen, dass ich es für gut gehalten hätte, wenn man einmal eine Untersuchung vorgelegt hätte, inwieweit diese Zinsdifferenzen möglicherweise auf unterschiedliche Rechtsvorschriften in den betreffenden Ländern und auf Kompliziertheiten zurückzuführen sind, und ob möglicherweise dort, wo es einfachere rechtliche Regelungen gibt, auch die Zinsen niedriger sind. Ich weiß es nicht, aber es wäre schon richtig gewesen. Auch der Wettbewerb und die allgemeine Aufklärung der Verbraucher dienen dem Verbraucherschutz, Überkompliziertheit dient dem Verbraucherschutz nicht.
Eine kurze Bemerkung zum Trilog: Ich war schon der Ansicht, dass wir unsere Meinungsverschiedenheiten hier im Parlament austragen sollten. An mir soll eine Einigung nicht scheitern. Ich bin jedoch nicht dafür, nachdem wir immer für Transparenz – gerade auch im Ministerrat und sonstwo – plädieren, dass das hinter verschlossenen Türen in einem informellen Gremium geschieht, sondern dass zunächst jedes Parlament seine Meinung äußert, dass Anträge vorgelegt werden und dass man dann zu einem Ergebnis kommt.
Ich will noch einmal wiederholen: Der Text ist im Verlauf der über sechsjährigen Beratungen erheblich verbessert worden. Dies will ich ausdrücklich betonen! Und das Parlament trägt hieran einen entscheidenden Anteil. Ein bisschen sehe ich das auch als Erfolg meiner eigenen Arbeit an. Aber der Text ist meines Erachtens eben nicht gut genug. Gleichwohl, er wird in Kraft treten. Ich stehe nicht an, den Kollegen, der Kommission, auch dem Rat, der eigentlich immer sehr offen und eingehend informiert hat, für die Arbeit zu danken, die insgesamt durchaus erfreulich und angenehm war.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 16. Januar 2008, um 12.00 Uhr statt.
(Die Sitzung wird bis zu den Abstimmungen um 11.15 Uhr unterbrochen und um 11.30 Uhr wieder aufgenommen.)
Lasse Lehtinen (PSE), schriftlich. – (EN) Mit der Abstimmung des Parlaments über dieses sehr bedeutsame Dossier kommen wir der umfassenden Verwirklichung der vier Grundfreiheiten einen Schritt näher. Diese Richtlinie bietet Verbrauchern bei der Aufnahme eines Verbraucherkredits mehr Rechte und Transparenz. Damit wird es viel einfacher, grenzübergreifend Kreditbedingungen zu vergleichen und das beste Angebot auszuwählen. Nach fünfjährigen Vorbereitungen wird die Richtlinie für alle ungesicherten Kredite zwischen 200 Euro und 75 000 Euro gelten. Ich möchte darauf verweisen, dass die Festsetzung der Untergrenze bei 200 Euro sehr wichtig ist, da Kredite vor allem in den neuen Mitgliedstaaten nur selten einen Betrag von 500 Euro übersteigen.
Der Verbraucher wird nicht zuletzt von vollständigen Vertragsinformationen, einer einheitlichen Methode zur Berechnung des effektiven Jahreszinses und einem 14tägigen Widerrufsrecht profitieren.
Ausgewogene Rechtsvorschriften wie diese sollten uns helfen, die Zustimmung der Bürger der Europäischen Union zu erhalten.
Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Eine EU-Richtlinie über Verbraucherkredite ist seit langem in der Diskussion. Folglich ist die heutige Aussprache zu begrüßen. Man erhofft sich, dass die Verbraucher die Aufnahme von Krediten auch außerhalb ihrer Landesgrenzen in Betracht ziehen und die Möglichkeit haben, Preise zu vergleichen und sich das günstigste Angebot auszusuchen.
Nach ihrer Umsetzung sollte die Richtlinie, wenn sie von den Bürgern in Anspruch genommen wird, preiswertere Kredite zur Folge haben.
Doch das ist der Schlüssel zum Erfolg: Erstens müssen die Bürger Kenntnis von der Möglichkeit der grenzüberschreitenden Aufnahme von Krediten haben und zweitens bereit sein, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen.
Gegenwärtig ist es so, dass sich die Bürger schon in ihrem eigenen Mitgliedstaat bei der Suche nach dem günstigsten Kredit schwer tun, so wie die Verbraucher nach wie vor nur widerstrebend die Bank wechseln, obwohl sich das allmählich ändern könnte.
Der Erfolg oder Misserfolg dieser Richtlinie hängt von der wirksamen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten ab. Die Zeit wird zeigen, ob sie unseren Erwartungen gerecht werden und den Verbrauchern mehr Auswahl bieten, das Angebot an Verbraucherkrediten verbessern und vor allem die Kosten derartiger Kredite senken wird.
Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Verbraucherkredite sind eine wesentliche Säule des Binnenmarktes.
Erstens ist diese Richtlinie meines Erachtens ein erster Schritt und ein gutes Beispiel dafür, dass die EU selbst bei einer solch kontroversen Problematik zu konkreten Ergebnissen in der Lage ist.
Zweitens ist meiner Ansicht nach langfristig mehr Harmonisierung notwendig, sobald wir praktische Erfahrungen bei der Anwendung der Richtlinie gesammelt haben, um Verbrauchern die grenzüberschreitende Kreditaufnahme zu erleichtern und Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten Kredite anbieten, umfassende Rechtssicherheit bezüglich ihrer Verpflichtungen zu bieten.
Drittens möchte ich allen Beteiligten für ihre Hartnäckigkeit in diesem Prozess danken, der schon einige Jahre andauert.
(Die Sitzung wird von 11.15 Uhr bis zur Abstimmungsstunde um 11.30 Uhr unterbrochen.)
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
8. Abstimmungsstunde
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll.)
Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung. Gemäß Artikel 160 der Geschäftsordnung hat unsere Fraktion um eine namentliche Abstimmung zu allen Anträgen gebeten, und ich weiß, dass das für einiges Interesse in diesem Saal gesorgt hat.
Dazu eine kurze Erläuterung. Nicht nur diese Fraktion, sondern viele Abgeordnete aus allen Fraktionen sind besorgt über die Art und Weise, in der hier abgestimmt wird. Selbst Sie, Herr Präsident, haben vor einigen Monaten gesagt, dass wir hier einige Fehler gemacht haben, die bei einer Abstimmung dieser Größenordnung statistisch normal sind. Wir sind der Meinung, dass bei Abstimmungen über Rechtsvorschriften die Möglichkeit von Fehlern ausgeschlossen sein sollte.
Vielleicht kann ich die Abgeordneten bitten, bei der langwierigen namentlichen Abstimmung zu bedenken, wie wichtig Abstimmungen sind, und in Anbetracht dessen, was uns nächsten Monat bevorsteht, wenn wir über den Vertrag von Lissabon abstimmen werden, für eine Änderung zu stimmen, die den zehn Ländern, die ihrer Bevölkerung ein Referendum versprochen hatten, gestatten, dies auch durchzuführen.
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich würde nur um Folgendes bitten: In der Geschäftsordnung steht unter Artikel 159: „Das Parlament stimmt in der Regel durch Handzeichen ab“. Daher sollte geprüft werden, ob der Antrag der Fraktion, wonach jede Abstimmung namentlich erfolgen soll, auch der Geschäftsordnung entspricht. Aus meiner Sicht widerspricht das der Geschäftsordnung. Ich bitte, das bis morgen zu erledigen. Ich glaube, dass wir heute genau so abstimmen, wie es in der Abstimmungsliste vorgesehen ist, aber ich bitte, die rechtliche Zulässigkeit bis morgen zu überprüfen.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident! Zwei Dinge: Die hier installierte Fernsehkamera sollte nach meinem Dafürhalten entfernt werden, damit Herr Donnici – und wir alle – den Sitzungsvorsitzenden und andere Kolleginnen und Kollegen sehen können. Bei dieser Gelegenheit möchte ich des Weiteren den Beschluss des Europäischen Parlaments begrüßen, den Presseraum nach Anna Politkowskaja zu benennen.
Der Präsident. − In der Tat sieht die Geschäftsordnung des Parlaments vor, dass die Abstimmung in der Regel durch Handzeichen erfolgt, solange nicht ausdrücklich eine namentliche Abstimmung gefordert wird.
Bei der Abstimmung durch Handzeichen kann es geschehen, nicht häufig, doch hin und wieder, und nur hin und wieder, dass, weil die Abgeordneten nicht die Hand heben oder weil es zu einer Verwechslung kommt, das Präsidium bei der Beurteilung des Abstimmungsergebnisses einen Fehler begeht. Sollte dies der Fall sein, so beantragt ein Abgeordneter, was ebenfalls häufig geschieht, eine Überprüfung, der Präsident führt dann eine namentliche Abstimmung durch, und das Problem ist gelöst.
Dafür sind also Vorkehrungen getroffen, und unsere Stimmabgabe erfolgt in 99,9 % der Fälle völlig korrekt.
Jedenfalls erhielt der Präsident des Parlaments ein Schreiben des Abgeordneten Booth, in dem er auf dieses Problem aufmerksam machte und verlangte, darauf zu reagieren.
Diese Angelegenheit wird in der Konferenz der Präsidenten behandelt und natürlich in der Arbeitsgruppe, die sich mit der Reform der Arbeitsmethoden des Parlaments befasst. Das alles läuft jetzt. Bitte seien Sie deshalb versichert, Herr Farage, dass wir dieser Frage große Aufmerksamkeit schenken und uns darum bemühen werden, dass die Dinge mit jedem Tag reibungsloser funktionieren.
Herr Swoboda, wir werden heute die Abstimmung namentlich vornehmen, was ebenfalls in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung steht, da eine Fraktion einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Das gilt für heute. Und danach werden wir dann Entscheidungen treffen.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zu eben diesem Punkt hat während der letzten Legislaturperiode eine Gruppe unter dem Vorsitz von Herrn Corbett von der PSE-Fraktion diesem Haus vorgeschlagen, dass ein Bericht an den Ausschuss zurückverwiesen werden soll, wenn bei der Prüfung im Plenum über 100 Änderungsanträge vorgelegt werden. Es gab mehrere Fälle, bei denen das nicht passiert ist. Könnten Sie, wenn Sie der Konferenz der Präsidenten empfehlen, diese Angelegenheiten zu prüfen, vielleicht auch empfehlen, die sehr guten Empfehlungen zu berücksichtigen, die Herrn Corbett während der letzten Legislaturperiode gegeben hat?
Graham Booth (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte gemäß Artikel 145 eine persönliche Feststellung machen. Ja, ich habe mich, wie Sie wissen, beim Präsidenten des Parlaments über die Abstimmung beschwert. Ich habe ihn seither mehrfach über den aktuellen Stand informiert, denn meine Bitte, nur noch elektronisch abstimmen zu lassen, wurde vom Ausschuss abgelehnt. Seine Antwort lautete, dass die Sache nicht weiterverfolgt werden solle. Ich habe dazu mehrere schriftliche Eingaben gemacht. Beim schlimmsten von mir gemeldeten Fall wurde aus „abgelehnt“ „angenommen mit 567 zu 17 Stimmen bei 18 Enthaltungen“. Deshalb habe ich dieses System in der Vergangenheit als absurd bezeichnet. Hier besteht ernsthafter Handlungsbedarf.
8.1. (A6-0517/2007, Jacek Saryusz-Wolski) Gründung Europäischer Partnerschaften im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses (Abstimmung)
8.2. (A6-0506/2007, Bogusław Liberadzki) Gefahrguttransporte auf der Straße (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung:
Bogusław Liberadzki, Berichterstatter. − (PL) Herr Präsident! Wir sprechen über die Richtlinie 95. Ich hatte die Ehre, im September letzten Jahres hier in diesem Hohen Haus als Berichterstatter zu den Änderungen an dieser Richtlinie zu fungieren. Dabei geht es im Wesentlichen um Kontrolle, denn die Richtlinie enthält eine Vielzahl technischer Details zu Fahrzeugen, Frachtgut und Straßen. 1996 wurde ein neues Komitologieverfahren eingeführt, das Regelungsverfahren mit Kontrolle.
Unser Ausschuss schlägt vor, das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle im Rahmen der Befugnisse der Europäischen Kommission bei der Umsetzung der geänderten Richtlinie 95 einzusetzen. Die Bedeutung des Europäischen Parlaments würde dadurch nicht geschmälert. Wir wollen eine zu stark ins Detail gehende Kontrollfunktion des Parlaments vermeiden. Der Entwurf der Verordnung wurde vom Ausschuss einstimmig angenommen. Ich ersuche auch das Hohe Haus um Einstimmigkeit.
8.3. (A6-0513/2007, Paolo Costa) Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung:
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Bekanntlich sah der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission eine einzige Verordnung für die Abänderung von Verordnung Nr. 11 über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen und die Abänderung von Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene vor.
Der Kommissionsvorschlag stützte sich auf die Artikel 75, 152 und 95 des EG-Vertrags, und die Annahme sollte im Verfahren der Mitentscheidung geschehen. Die Mitgesetzgeber – der Rat und das Parlament – beschlossen, den ursprünglichen Vorschlag in zwei getrennte Verordnungen aufzuteilen: eine zur Abänderung von Verordnung Nr. 11 über die Beförderung auf der Grundlage von Artikel 75 Absatz 3, der keinen Eingriff des Europäischen Parlaments in das Legislativverfahren vorsieht und zu dem der Verkehrsausschuss eine Stellungnahme abgegeben hat, und eine zweite zur Abänderung der Verordnung über Lebensmittelhygiene auf der Grundlage der Artikel 95 und 152 Absatz 4 Buchstabe b, zu dem der Umweltausschuss in Kürze eine Stellungnahme abgeben wird. Wir sind heute aufgerufen zu entscheiden, ob Artikel 75 Absatz 3 eine angemessene Rechtsgrundlage für die Abänderung der Verordnung über die Beförderung darstellt. Die Abänderung von Verordnung 852/2004 wird, wie wir bereits festgestellt haben, zu einem späteren Zeitpunkt zur Diskussion stehen.
Der uns heute vorliegende Vorschlag für eine Verordnung sieht die Streichung von Artikel 5 vor, der mit dem Jahr 1961 seine Gültigkeit verlor, sowie die Abänderung von Artikel 6, mit der der Verwaltungsaufwand der Beförderungsunternehmer verringert werden soll, indem diese nicht mehr verpflichtet werden, eine Ausfertigung der Beförderungspapiere aufzubewahren, in denen sämtliche Frachten angeben sind, da diese Informationen ohnehin in den Frachtbriefen und den Buchführungssystemen der Beförderungsunternehmer enthalten sind. Diese Änderungen ermöglichen eine Kontrolle von Frachten und Beförderungsbedingungen und die Feststellung einer potenziellen Diskriminierung. Folglich befindet sich diese Änderung vollständig im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 75 Absatz 3 Satz 2 EG-Vertrag, und da die Änderung von Artikel 6 notwendig ist, damit die europäischen Behörden die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im Bereich Verkehr nach Artikel 75 Absatz 3 EG-Vertrag prüfen können, hat der Rechtsausschuss festgestellt, dass Artikel 75 Absatz 3 die einzige Rechtsgrundlage zur Abänderung von Verordnung Nr. 11 darstellt.
8.5. (A6-0406/2007, Johannes Blokland) Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien (Abstimmung)
8.6. (A6-0515/2007, Csaba Őry) Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Abstimmung)
8.7. (A6-0494/2007, Jorgo Chatzimarkakis) CARS 21: Ein wettbewerbsfähiges Kfz-Regelungssystem für das 21. Jahrhundert (Abstimmung)
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
9. Feierliche Sitzung – Großmufti von Syrien
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine besondere Ehre und Freude, im Rahmen des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs heute im Europäischen Parlament Seine Eminenz Sheikh Ahmad Badr Al-Din Hassoun, den Großmufti von Syrien, herzlich willkommen zu heißen.
(Beifall)
Wie ich letzte Woche in Ljubljana bei der Eröffnungszeremonie dieses Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs nachdrücklich betont habe, ist für das Europäische Parlament dieses Europäische Jahr des Dialogs der Kulturen von großer Bedeutung.
Ich bin tief überzeugt — und viele mit mir —, dass ein friedliches Zusammenleben von Kulturen und Religionen sowohl in der Europäischen Union als auch mit den Völkern in allen Regionen der Welt, insbesondere jenseits des Mittelmeers, im Nahen Osten, zugleich möglich und notwendig ist! Denn das Ergebnis eines solchen Vorhabens wird unsere gemeinsame Zukunft nachhaltig prägen. Wir müssen gemeinsam eine geistige und kulturelle Brücke über das Mittelmeer bauen, die auf gegenseitiger Bereicherung und gemeinsamen Werten beruht.
Diese Brücke bauen wir durch einen ständigen, ehrlichen und offenen Dialog, in dem wir einander zuhören, unsere Meinungen offen austauschen und ein gegenseitiges Verständnis entwickeln.
Der Kern des interkulturellen Dialogs ist die Toleranz. Toleranz bedeutet nicht Beliebigkeit. Toleranz bedeutet eigene Standpunkte zu vertreten und die Überzeugung des anderen zu hören und zu respektieren.
Dort, wo es nicht möglich ist, den anderen Standpunkt zu akzeptieren, ist es gleichwohl notwendig, den Auffassungen mit Respekt zu begegnen und sich friedlich auszutauschen und, wo immer es geht, gemeinsames Handeln zu ermöglichen und dadurch Spannungen zu entschärfen.
Wir müssen unsere Gemeinsamkeiten, ja die Substanz der universellen demokratischen Werte betonen. Dazu gehören vor allem die Würde des Menschen und die Verteidigung der unveräußerlichen Menschenrechte.
Das Europäische Parlament wird im Laufe des Jahres 2008 und darüber hinaus mehrmals die Gelegenheit ergreifen, solche Gespräche zu führen. Der heutige Besuch des Großmuftis von Syrien bildet die erste Gelegenheit dazu. Ahmad Badr Al-Din Hassoun, der frühere Mufti von Aleppo, gilt als herausragender Verfechter des interreligiösen Dialogs in einem Lande, wo die religiösen Gemeinschaften in ihrer Vielfalt bis heutzutage friedlich zusammenleben und -wirken.
Ein deutliches Zeichen dafür ist auch die Tatsache, dass der Großmufti bei seinem heutigen Besuch von hochrangigen religiösen Führern begleitet wird — das war sein ausdrücklicher Wunsch —, und hier möchte ich insbesondere den Vorsitzenden der chaldäischen Bischöfe, Bischof Antoine Audo, sehr herzlich begrüßen!
Eminenz! Ich freue mich sehr Sie jetzt bitten zu dürfen, vor dem Europäischen Parlament das Wort zu ergreifen!
(Beifall)
Ahmad Badr Al-Din Hassoun, Großmufti von Syrien. −
(Der Redner spricht Arabisch. Es folgt eine Niederschrift der englischen Dolmetschfassung.)
Ich grüße Sie im Namen unseres Schöpfers, der die Menschheit aus ein und derselben Erde geschaffen hat und durch dessen Seele wir zum Leben erweckt wurden. Die Quelle der Energie, die uns erleuchtet, stammt vom den einzigen Gott, dem Schöpfer; wir sind seine Geschöpfe und folglich grüße ich Sie als Brüder auf diesem Planeten, meine Brüder im Geiste, meine Mitmenschen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrte Abgeordnete! Ich bin zu Ihnen gekommen aus einem Land, das nicht ich gewählt habe, sondern der Himmel hat entschieden, dass ich sein Bürger sein möge. Dieses Land, das wir das „gesegnete Land“ nennen, das Land Al-Sham, das den Libanon, Palästina, Syrien, Jordanien und Israel umfasst, dieses Land, das alle Kulturen des Himmels vereint: Der Prophet Abraham hat unser Land durchschritten, der Prophet Moses führte dort ein glückliches Leben, und Jesus (möge Gott ihn segnen) wurde in unserem Land geboren, und von unserem Land stieg er in den Himmel auf. Mohammed, der Prophet, kam aus Mekka in unser Land, wo er ebenfalls in den Himmel gehoben wurde. Deshalb möchte ich, dass Sie die Bedeutung dieses Landes verstehen, das eine Quelle des Lichts und der Erleuchtung war, ohne die wir keine Christen oder Anhänger von Abraham und Moses wären, und wir wären keine Muslime und hätten nicht die Aufgabe, die göttliche Botschaft in die Welt zu tragen.
Deshalb danke ich Ihnen von ganzem Herzen, und ich danke dem Präsidenten des Parlaments, der mir gestattet hat, diese kulturelle Aussprache im Jahr des interkulturellen Dialogs zu eröffnen.
Ich sage Kulturen, aber eigentlich gibt es keine verschiedenen Kulturen, sondern es gibt nur eine einzige Kultur.
Die Kulturen haben die Kultur der Menschheit beeinflusst und bereichert, und die Kultur ist unsere eigene Schöpfung: wir haben die Kultur erschaffen. Dieses Parlament wurde nicht durch einen Christen oder einen Juden oder einen Muslim erbaut, sondern durch einen Menschen. Dieser Bau ist ein Symbol der Kultur.
Wir alle sind Teil einer einzigen Kultur, der Menschheitskultur. Deshalb glauben wir in unserer Region nicht an einen Konflikt der Kulturen. Das Universum kennt nur eine einzige Kultur. Doch verschiedene Kulturen können existieren oder koexistieren.
(Beifall)
Schauen wir uns also an, wo ein Kampf der Kulturen stattfindet. Konflikte gibt es dort, wo es Ignoranz, Terrorismus und Rückständigkeit gibt. Doch ein kultivierter Mensch hält unabhängig von seiner Religion meine Hand, damit wir die Menschheitskultur gemeinsam aufbauen können. Als der Mensch auf dem Mond landete, bestanden die damalige sowjetische Agentur und die NASA nicht nur aus Amerikanern oder Russen, ihnen gehörten auch Europäer, Italiener, Deutsche, Franzosen, Belgier und Araber an. Gemeinsam errichteten sie die Zivilisation, die es dem Menschen ermöglichte, in den Weltraum zu fliegen.
Schauen wir uns noch einmal die Terminologie bzw. den Begriff „Konflikt“ der Kulturen oder Zivilisationen an. Das ist gefährlich, denn Zivilisationen können nicht getrennt errichtet werden. Die Menschen, die die Pyramiden gebaut haben, sind unsere Urgroßväter, und diejenigen, die die Pyramiden in Chile gebaut haben, zählen auch zu unseren Urgroßvätern, folglich gibt es, wie ich bereits sagte, nur eine Zivilisation.
Ein zweiter Punkt. Hat die Zivilisation eine Religion? Oder ist es eine menschliche Kultur, in der die Religion ihre moralischen Werte propagiert? Es gibt keine islamische Zivilisation oder christliche Zivilisation oder jüdische Zivilisation. Die Religion verleiht der Zivilisation ihre moralischen Werte. Gott schuf die Religion, aber wir schaffen die Kulturen. Das ist unser Werk, doch die Religion ist das Werk Gottes. Deshalb dürfen wir die Zivilisation nicht beschränken, denn sie ist das Ergebnis unseres Wirkens, während die Religion, wie ich bereits sagte, das Werk Gottes ist.
Wer erschafft die Zivilisation? Die Menschheit – Sie und ich. Wer sind wir, Sie und ich? Sind Sie anders als ich? Nein. Sie sind nicht die andere Partei. Das Tier ist die andere Partei, Sie aber sind mein Bruder oder meine Schwester, ganz gleich, welche Sprache Sie sprechen oder welche Religion Sie ausüben, denn meine Mutter ist Ihre Mutter, mein Vater ist Ihr Vater, und das Land ist unsere Mutter, und Abraham ist unser Vater. Lassen Sie uns deshalb eine neue Generation erschaffen und dazu erziehen, in den Tieren die „Anderen“ zu sehen. Doch der Mensch ist unabhängig von seiner Religion oder Herkunft mein Bruder oder meine Schwester, und sein Blut ist mein Blut. Sein Geist ist auch der meine, und seine Ideen sind die meinen, seine Freiheit ist meine Freiheit, und seine Kultur unterscheidet sich von meiner Kultur. Lassen Sie uns also die Zivilisation gemeinsam aufbauen. Wir glauben in unserer Region nicht an die Multiplizität der Religionen: multiple Religionen gibt es nicht.
Abraham, Moses, Jesus und Mohammed hatten eine einzige Religion – die Anbetung Gottes und die Würde der Menschheit. Recht und Gesetz ändern sich von Zeit zu Zeit und von Periode zur Periode. Es kann viele Gesetze geben, aber nicht viele Religionen. Deshalb sind Ihr Gott und unser Gott ein und derselbe Gott, und wir alle beten denselben Schöpfer an. Deshalb kann es keine religiösen Konflikte geben. Das veranlasst mich zu der Feststellung, dass es keinen heiligen Krieg gibt. Ich glaube nicht an heilige Kriege, weil ein Krieg niemals heilig sein kann: Frieden ist heilig!
(Beifall)
Lassen Sie uns deshalb unsere Kinder in Schulen, Kirchen und an religiösen Orten sowie in Moscheen lehren, dass nicht die Kaaba oder die Al-Aqsa-Moschee oder die Dreifaltigkeitskirche heilig ist, sondern der Mensch – die Menschheit ist das größte Heiligtum des Universums, und ihre Bedeutung übersteigt die aller anderen Heiligtümer.
(Beifall)
Warum sage ich Ihnen das, meine Damen und Herren? Weil die Kaaba von Abraham geschaffen wurde, einem Menschen, und die Mauer in Mekka wurde von einem Juden erbaut, und die Dreifaltigkeitskirche von einem Christen – doch wer erschuf den Menschen? Das ist das Werk des Schöpfers, und wer das Werk des Schöpfers zerstört, der sollte unsere Achtung verlieren.
Wer ein israelisches oder irakisches Kind tötet, muss sich vor Gott verantworten, denn diese Kinder sind ein Werk Gottes auf diesem Planeten, und wir haben dieses Werk zerstört. Können wir diesen Menschen ihr Leben zurückgeben? Wenn die Kaaba zerstört würde, dann könnten unsere Kinder sie wieder aufbauen, und wenn die Al-Aqsa-Moschee zerstört würde, dann könnten wir sie wieder aufbauen. Wenn die Dreifaltigkeitskirche zerstört würde, dann würde die nächste Generation sie wieder aufbauen, aber ich frage Sie, wenn ein Mensch getötet wird, wer kann ihm sein Leben zurückgeben?
Deshalb grüße und lobe ich Europa, das mich eingeladen hat, hierher zu kommen. Und so wende ich mich zunächst an Sie und rufe Sie auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Dialog zwischen den Kulturen offen ist und nie abbricht, damit wir Staaten auf einer zivilrechtlichen Grundlage aufbauen können – keiner religiösen oder ethnischen Grundlage, denn die Religion ist die Beziehung zwischen Ihnen und Gott – doch wir müssen friedlich in dieser Welt zusammenleben. Ich zwinge Ihnen nicht meine Religion auf, und Sie zwingen mir nicht Ihre Religion auf. Das ist eine Sache zwischen uns und dem Schöpfer.
Lassen Sie uns eine neue Generation erziehen, die daran glaubt, dass die Zivilisation der Menschheit ein gemeinsames Werk ist und dass Menschheit und Freiheit die höchsten Güter sind – selbstverständlich nach Gott. Wenn wir Frieden für die Welt anstreben, dann sollten wir im Land des Friedens beginnen: in Palästina und Israel. Deshalb sollte unsere Botschaft an alle Menschen in Anlehnung an das, was der Papst schon vor Jahren sagte, lauten: Lasst uns keine Mauer bauen, sondern die Brücken des Friedens, denn Palästina ist das Land des Friedens. Wenn man bedenkt, wie teuer der Bau dieser Mauer ist, dann könnte man mit diesen Mitteln christlichen, jüdischen und muslimischen Kindern den Besuch einer gemeinsamen Schule und ein Zusammenleben als Brüder und Schwestern in einer Schule des Friedens ermöglichen.
(Beifall)
Ja, wir haben Ihnen im vergangenen Jahr in Syrien unsere Hand geboten. Präsident Bashar al-Asad hat der Welt seine Hand geboten und erklärt: „Ich will wahren Frieden.“ Ich werde heute keine Waffe tragen, aber ich werde stets die Worte des Friedens bei mir tragen und der Welt zurufen: Ab morgen keine Kriege mehr! Der Sieger des Krieges wird der Verlierer sein, auch wenn er zeitweilig siegreich ist, denn er hat getötet. Doch die wahren Sieger werden jene sein, die zum Bruder anderer Menschen werden. Nicht das Land ist geheiligt, sondern der Mensch. Lassen Sie uns also eine heilige Welt aufbauen, in der der Mensch der Heilige wird.
Deshalb bitte ich Sie, den Medien keinen Glauben zu schenken, denn die Medien sagen oftmals nicht die Wahrheit. Viele von Ihnen haben mich in Syrien besucht und sind in meine Moschee gekommen, und ich bin mit ihnen in die Kirchen gegangen, und sie haben gesehen, wie wir als eine einzige Familie leben. Wir glauben nicht an das einfache Zusammenleben, sondern an ein Leben in der Familie. Ganz gleich, ob wir Muslime, Juden oder Christen sind, wir glauben an das eine Haus – das Haus des Lebens.
Wie Sie bin ich Parlamentsabgeordneter. In dem Moment, als ich vor zehn Jahren in Syrien das Parlament betrat, fühlte ich, dass ich nicht meine politische Partei oder meine Fraktion vertrat, denn ich war unabhängig; sondern ich vertrat jede Person, die mich gebeten hatte, sie zu vertreten, und ich vertrat jede Person, die mich nicht gebeten hatte, sie zu vertreten, weil sie mein Bruder oder meine Schwester ist. Damit war ich ein Vertreter aller Bürger meines Landes. Vertreten Sie Ihre Länder oder politischen Parteien, oder vertreten Sie die Menschen? Bitte vertreten Sie uns und Ihre Menschen, denn die Menschheit ist im Universum einmalig.
Ja, Sie müssen uns in Fragen des Friedens, der Wahrhaftigkeit und des Glaubens vertreten. Die islamische Welt ist heute Zeuge von Kriegen in vielen ihrer Länder. Diese Welt muss Frieden schaffen, sie hat immer Frieden gewollt, und wenn es bestimmte Krisen gibt, dann sind sie ein Ergebnis der Ungerechtigkeit. Das Christentum hat den Auftrag, den Frieden zu sichern. Worin sollte andernfalls die Mission von Propheten wie Moses bestehen, der zum Frieden aufrief? Niemand wollte töten, und jeder, der einen Menschen töten will, würde sich im Widerspruch zu seinem Glauben und seiner Religion befinden. Man darf die Religion nicht zum Töten benutzen; die Religion steht für Frieden und Leben.
Ja, das ist meine Botschaft aus meinem Land, aus einem Land, das vom Himmel gesegnet ist und in dem alle Propheten lebten und wirkten.
Die Frau genießt in unserem Land hohes Ansehen, sie ist würdevoll, ganz gleich, ob sie Jüdin, Christin oder Muslimin ist, auch wenn sie vielleicht vom Mann ungerecht behandelt wurde. Frauen nehmen auf allen Ebenen unseres Landes am Leben teil, und die führenden Vertreter meines Landes, einschließlich des Präsidenten, rufen zur Einbeziehung der Frauen in alle Bereiche der Gesellschaft auf.
Diese Stadt ist ein Begriff für den Frieden. Ich habe ihren Aufbau verfolgt und erklärt, dass Europa das Wunder des 20. Jahrhunderts ist. Dieses Wunder, das Zeuge des Ersten und des Zweiten Weltkrieges war und schließlich, ohne einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen, die Berliner Mauer niederriss. Ganz Europa und alle seine Menschen sind in einem Parlament vereint. Könnten Sie uns beim Aufbau eines solchen Parlaments – eines menschlichen, geistigen und alles umfassenden Parlaments helfen? Bitte helfen Sie uns, denn Syrien und die gesamte islamische Welt – Muslime wie Christen – erwarten Sie.
In Anbetracht der Tatsache, dass Damaskus in diesem Jahr arabische Kulturhauptstadt ist und Sie dieses Jahr zum Jahr des interkulturellen Dialogs ausgerufen haben, würde ich Sie abschließend bitten, einem Treffen der Kulturen in Damaskus, der arabischen Kulturhauptstadt, zuzustimmen. Unsere Botschaft sollte sein, dass es nur eine Welt gibt und dass wir dem Libanon unsere Hand reichen, denn der Libanon hat ein Volk, und wir sollten alle zur Schaffung eines Libanon, eines wahren Palästinas, eines wahren Israels, eines wahren Iraks, eines Landes des Friedens für jeden Menschen, beitragen.
(Anhaltender Beifall)
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Beifall zeigt, dass ich in Ihrer aller Namen Sheikh Ahmad Badr Al-Din Hassoun, dem Großmufti von Syrien, herzlich für seine Botschaft gegen die Gewalt, gegen den Krieg, gegen den Terrorismus danken darf. Er stellt die Würde des Menschen in den Mittelpunkt, und das ist die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen den Kulturen, es ist die Toleranz, die bedeutet, wir haben unseren eigenen Standpunkt, wir müssen den Standpunkt des anderen nicht akzeptieren, aber wir respektieren ihn und leben so unter Anerkennung der Würde des Menschen friedlich auf dieser Erde zusammen. Herzlichen Dank, Ahmad Badr Al-Din Hassoun, für Ihre Rede hier vor dem Europäischen Parlament!
(Beifall)
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
10. Abstimmungsstunde (Fortsetzung)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll.)
Graham Booth (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! In aller Kürze. Ich glaube, Sie haben sich vorhin bei der Abstimmung nicht an die Geschäftsordnung gehalten.
Sie sagten: „Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.“ Aber Sie haben nicht gefragt: „Haben alle Abgeordneten abgestimmt“, bevor Sie die Abstimmung geschlossen haben, und Sie haben nicht die Ergebnisse verlesen.
Das war meines Erachtens nicht in Ordnung.
Der Präsident. − Herr Booth, das Abstimmungsergebnis erscheint auf der Anzeigetafel. Da Sie darum ersucht haben, alle heutigen Abstimmungen namentlich durchzuführen, verfahren wir so; und ich bemühe mich, diese Form der Abstimmung so wenig aufwändig wie möglich für das Parlament zu gestalten, wenn Sie damit einverstanden sind, Herr Booth.
10.1. (A6-0481/2007, Piia-Noora Kauppi) Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzübergreifenden Sachverhalten (Abstimmung)
10.2. (A6-0518/2007, Glenis Willmott) Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012 (Abstimmung)
⁂
Christopher Beazley (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich erhebe mich in Verbindung mit Artikel 152 und 160 der Geschäftsordnung, die das Abstimmungsverfahren und die namentliche Abstimmung betreffen. Es ist offensichtlich, dass die Geschäftsordnung missbraucht und in einer Weise benutzt wird, die ihren Absichten zuwiderläuft. Darf ich Sie bitten, dafür zu sorgen, dass sich Sachverständige wie Herr Corbett und andere Spezialisten sehr genau anschauen, was heute passiert ist? Nach meinem Dafürhalten liegt es im Ermessen des Präsidenten, Anträge auf eine namentliche Abstimmung für ungültig zu erklären. Das könnte sich künftig, wenn die Abstimmungen an Umfang zunehmen werden, erforderlich machen.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Wir haben in diesem Hause zu Recht eine sehr liberale und vor allem minderheitenfreundliche Geschäftsordnung. Daran wollen wir und daran sollen wir festhalten. Das setzt allerdings auch voraus, dass die jeweiligen Gruppen ihre Minderheitenrechte korrekt und nicht missbräuchlich einsetzen. Wenn das geschieht — und der heutige Fall war ein solcher —, dann sollten wir diese Praxis überdenken.
Daniel Hannan (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich muss gegen die beiden soeben gemachten Bemerkungen zur Anwendung der Geschäftsordnung protestieren. Die Geschäftsordnung ist in diesem Punkt absolut eindeutig. Jede Fraktion hat das Recht, namentliche Abstimmungen zu beantragen. Der Präsident hat dabei keinerlei Ermessensfreiheit. Wir haben stets akzeptiert, dass in einer demokratischen Einrichtung letztlich die Mehrheit ihre Ansichten durchsetzt, aber was wir gerade gehört haben, das ist ein vollkommen intoleranter Standpunkt, der keinerlei Widerspruch duldet, der abweichende Meinungen nicht zulässt, und wenn meine Kollegen verstehen wollen, weshalb die Europäische Union bei den Wählern so unpopulär ist, dann brauchen Sie sich nur Ihre intolerante Haltung gegenüber allen, die anderer Meinung als Sie selbst sind, anzuschauen.
(Beifall)
Der Präsident. − Herr Hannan, soweit ich weiß, fanden alle Abstimmungen heute Vormittag namentlich statt. Folglich wurde die Geschäftsordnung akribisch eingehalten.
Nigel Farage (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte an die Adresse von Herrn Beazley und Herrn Rack und vielleicht auch an Ihre Adresse, Herr Präsident, feststellen, dass wir heute tatsächlich das erste Mal, seit ich Abgeordneter dieses Parlaments bin, sicher sein können, dass die Ergebnisse stimmen, denn normalerweise sind sie eine Farce. Sie sollten uns also keine Vorwürfe machen, denn wir helfen Ihnen, für mehr Ordnung zu sorgen, damit künftig mehr Arbeit in den Ausschüssen geleistet wird und wir nicht mit Hunderten und in manchen Fällen Tausenden von Änderungsanträgen konfrontiert werden. Wir haben uns ganz klar an die Regeln gehalten, und Sie alle – vor allem jene, die an diese Institution glauben – sollten daraus eine Lehre ziehen.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich beziehe mich auf Artikel 171 der Geschäftsordnung und beantrage Folgendes im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion: Aufgrund des dringenden Beratungsbedarfs, den wir zur Geschäftsordnung und der Interpretation der Geschäftsordnung haben, bitte ich nunmehr, die Sitzung jetzt zu unterbrechen. Ich bitte, alle weiteren Aussprachen — auch die Stimmerklärungen zu den Abstimmungen — auf heute Abend, 22.00 Uhr, zu vertagen.
(Beifall)
Der Präsident. − In diesem Haus haben 14 Abgeordnete beantragt, Erklärungen zur Abstimmung nach jeder der sieben Debatten abgeben zu dürfen, die gestern und heute Vormittag stattgefunden haben. 14 Mitglieder, und alle haben sie um eine Stimmerklärung zu jeder der sieben Aussprachen ersucht: Zehn sind Mitglieder der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie, zwei der Fraktion der Europäischen Volkspartei und zwei sind fraktionslos.
Wenn diese Stimmerklärungen jetzt abgegeben werden, wird das wahrscheinlich etwa zwei Stunden dauern.
Deshalb unterbreite ich dem Haus folgende Geschäftsordnungsfrage: Entweder wir nehmen die Erklärungen entgegen und bleiben zwei Stunden länger, oder wir unterbrechen die Sitzung jetzt, wie Herr Schulz vorgeschlagen hat, und die Stimmerklärungen erfolgen heute Abend.
(Das Parlament nimmt den Vorschlag an.)
Meine Damen und Herren, um 15.00 Uhr wird mitgeteilt, wann die Stimmerklärungen abgegeben werden.
11. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 12.55 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
12. Tagesordnung
Der Präsident. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, haben 19 Abgeordnete Anträge auf mündliche Stimmerklärungen zu jedem der sieben Berichte eingereicht, über die heute Mittag abgestimmt wurde. Es gibt zehn weitere einzelne Anträge auf Stimmerklärung. Theoretisch würden diese Stimmerklärungen 143 Minuten dauern, d. h. etwas mehr als zwei Stunden. Damit diese Erklärungen zur Stimmabgabe noch heute behandelt werden können, schlage ich die folgende Änderung der Tagesordnung vor:
Die gegenwärtig für 21.00 Uhr vorgesehene Erklärung der Kommission zum Müllnotstand in der Region Kampanien findet unmittelbar nach dem Bericht Angelilli über Kinderrechte statt.
Die Stimmerklärungen werden dann in der Abendsitzung nach der mündlichen Anfrage zum Status der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments aufgerufen.
Der Arbeitsplan würde dann wie folgt aussehen:
– von 15.00 bis 17.30 Uhr: Bericht Cashman, Bericht Angelilli, danach die Erklärung der Kommission zum Müllnotstand in der Region Kampanien,
– dann von 17.30 bis 19.00 Uhr: Anfragen an die Kommission,
– danach in der Abendsitzung von 21.00 bis 24.00 Uhr in folgender Reihenfolge: Bericht Pack, Bericht Graefe zu Baringdorf, die mündliche Anfrage zu den in Polen gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments und schließlich die Erklärungen zu den Abstimmungen von heute Mittag.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung. Es geht um eine Klarstellung der Anwendung der Geschäftsordnung am heutigen Tag. In Artikel 171 zur Unterbrechung der Sitzung, auf den sich Herr Schulz beruft, steht nicht, dass dieser Artikel zu diesem Zeitpunkt – wir waren mit der Abstimmung fertig und der nächste Punkt wären die Stimmerklärungen zur Abstimmung gewesen – in Anspruch genommen werden kann. Wird die Sitzung unterbrochen, so ist es in diesem Haus üblich, dass dann bei Wiederaufnahme mit der Tagesordnung fortgefahren wird, und das wären in diesem Fall – ausgehend von der üblichen Vorgehensweise in diesem Haus, so wie ich das in den acht Jahren, in denen ich Abgeordneter dieses Hauses bin, kennen gelernt habe – die Stimmerklärungen gewesen. Ich bin gern bereit, gleich zu welchem Zeitpunkt zurückzukommen, um meine Stimmerklärung abzugeben, denn das habe ich im Falle mehrerer Berichte vor.
Ich möchte Sie fragen, was die Grundlage für die Entscheidung zu Artikel 171 war, denn meines Erachtens war das nicht in Ordnung. Sie wissen so gut wie ich, dass Sie die Regeln manipulieren, damit Sie dem demokratischen Willen einiger Abgeordneter dieses Hauses nicht entsprechen müssen. Das ist eine merkwürdige Art von Demokratie, bei der Sie versuchen, die Minderheit, die lediglich tut, was ihr im Rahmen der Geschäftsordnung gestattet ist, mundtot zu machen.
Der Präsident. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf einige grundlegende Punkte unserer Geschäftsordnung verweisen. Der Präsident kann die Sitzung jederzeit unterbrechen.
Ich brauche mich nur zu erheben, meinen Platz zu verlassen, und unsere Beratung ist automatisch unterbrochen. Seien Sie beruhigt, ich habe nicht die Absicht, meinen Sitz zu verlassen, doch halten Sie sich vor Augen, dass der Präsident sich jederzeit nur zu erheben braucht, damit unsere Beratungen unterbrochen werden.
Somit ist also erstens zu sagen, dass die Sitzung unterbrochen wurde, denn es steht allein in der Macht des Präsidenten, die Beratungen jederzeit zu unterbrechen, wenn er dies wünscht.
Zweite absolute Regel: Das Plenum, und nur das Plenum, hat die Entscheidungsgewalt, die absolute Entscheidungsgewalt über seine Tagesordnung. Daher schlage ich Ihnen vor, die Tagesordnung wie eben erläutert zu ändern.
Wenn Sie die Tagesordnung nicht nach meinen Vorschlägen ändern wollen, dann und nur dann – da haben Sie Recht, Herr Heaton-Harris – werden wir die Tagesordnung in der vorher beschlossenen Form fortsetzen.
Daher frage ich Sie jetzt, ob es Kollegen gibt, die es förmlich ablehnen, die Tagesordnung wie von mir vorgeschlagen abzuändern. Wir werden eine begründete Ablehnung anhören, dann werde ich jemandem das Wort erteilen, der sich dafür ausspricht.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Es stimmt zweifellos, dass Sie als Präsident den Vorsitz abgeben und damit die Versammlung unterbrechen könnten. Doch das ist nicht die Grundlage für das, was vor der Mittagspause passiert ist. Grundlage dafür war ein Vorschlag gemäß Artikel 171 von Herrn Schulz zur Unterbrechung der Sitzung.
Die Vorschrift ist eindeutig. Wird ein solcher Vorschlag vorgelegt, so sollten je ein Befürworter und ein Gegner zu Wort kommen. Das war nicht der Fall. Das heißt, der Vorschlag entsprach nicht den Vorschriften und sollte nicht zur Abstimmung gebracht werden, und die Entscheidung war folglich nicht verbindlich. Deshalb sollten Sie jetzt zur Tagesordnung zurückkehren.
Der Präsident. – Ich möchte nochmals betonen, dass allein das Plenum zu entscheiden hat. Der Präsident ist folglich befugt – wie ich es gegenwärtig tue –, einen Redner, der für den Vorschlag spricht, und einen, der dagegen spricht, aufzurufen. Dies steht in der Macht des Präsidenten.
Wenn das Plenum abgestimmt hat – und ich glaube, heute Vormittag ist eine Abstimmung mit elektronischer Überprüfung durchgeführt worden –, dann denke ich, kann das Ergebnis nicht mehr angefochten werden.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte nur festhalten: Es ist richtig, der Präsident, der die Sitzung am Vormittag geleitet hat, hat vergessen zu fragen, wer für bzw. gegen den Vorschlag sprechen will. Aber es ist ebenso richtig, dass die eindeutige Mehrheit dieses Hauses so abgestimmt hat, dass wir nicht jetzt debattieren oder die Erklärungen zur Stimmabgabe haben, sondern am Abend um 22.00 Uhr. Jetzt kommt ein neuer Vorschlag, und ich möchte ihn für meine Fraktion – und, ich glaube, auch für andere Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses – unterstützen. Ich halte die Regelung, die Sie vorgeschlagen haben, für vernünftig, und wir werden sehen, was die Abstimmung ergibt. Und wie Sie selbst gesagt haben: Das Haus ist souverän. Das Haus entscheidet mit seiner Mehrheit.
(Beifall)
Der Präsident. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einem Redner gegen den Antrag und einem dafür das Wort erteilt. Wenn Sie jetzt das Wort ergreifen, dann muss es zu einem anderen Punkt sein; Sie dürfen nicht nochmals dafür oder dagegen argumentieren, sonst kann ich Ihnen nicht das Wort erteilen.
Daniel Hannan (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung. Mag sein, dass dieses Haus souverän ist, wie Sie sagen, trotzdem muss es sich an die eigene Geschäftsordnung halten.
Die Unterbrechung oder der Schluss einer Sitzung wird durch Artikel 171 geregelt. Ich zitiere: „Während einer Aussprache oder einer Abstimmung kann die Sitzung unterbrochen oder geschlossen werden.“ Das war nicht während einer Aussprache oder Abstimmung heute Morgen, sondern nach der Abstimmung.
Hinzu kommt, dass es laut Artikel 163 nicht im Ermessen des Vorsitzes liegt, über Durchführung und Zeitpunkt der Stimmerklärungen zu entscheiden. Darin heißt es lediglich: „Wenn die allgemeine Aussprache abgeschlossen ist, kann jedes Mitglied zur Schlussabstimmung eine mündliche Erklärung, die höchstens eine Minute dauern darf, … abgeben.“
Es stimmt, dass die Vorschriften dieses Hauses dem Vorsitz ein beträchtliches Maß an willkürlichen Entscheidungsbefugnissen einräumen. Doch das sind zwei Punkte, für die es keine derartigen Befugnisse gibt, und dieses Haus hat es – in äußerst skandalöser Weise – vorgezogen, sich über das eigene Regelwerk hinwegzusetzen, nur damit einige Leute rechtzeitig zu Mittag essen können.
Ich muss sagen, dass dieses Vorgehen symbolisch ist für die Art und Weise, in der die Europäische Union mit der Ratifizierung des Lissabonner Vertrags, nein der europäischen Verfassung verfährt. Sie setzen sich lieber über Ihr eigenes Regelwerk hinweg, wenn es Ihnen nicht in den Kram passt, als eine gegenteilige Ansicht zu tolerieren.
Der Präsident. – Was ich Ihnen vorschlage, werte Kolleginnen und Kollegen, ist Folgendes: Zweifellos können wir heute Nachmittag im Plenum nicht über alle Argumente der verschiedenen Seiten zur Auslegung der Geschäftsordnung entscheiden.
Wenn es Beschwerden gibt, dann reichen Sie sie bitte schriftlich beim Parlamentspräsidenten ein. Ich bin sicher, dass er sie dann dem zuständigen Ausschuss vorlegen wird.
Jetzt geht es einfach nur um die Festlegung der Tagesordnung. Ich habe einen Vorschlag gemacht. Ich habe einen Abgeordneten dafür und einen dagegen sprechen lassen. Nun stelle ich den Vorschlag zur Abstimmung.
(Das Parlament stimmt dem Antrag zu.)
(Die Tagesordnung wird entsprechend geändert.)
13. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung
Der Präsident. – Das Protokoll der Sitzung von Montag, dem 14. Januar 2008, wurde verteilt.
Gibt es Anmerkungen?
Cristiana Muscardini (UEN). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir das Wort 20 Minuten später, als ich darum gebeten hatte, zu erteilen, obwohl ich dem Vorsitz direkt gegenübersitze. Um der Demokratie in diesem Saale willen möchte ich etwas zu Protokoll geben.
Das Parlament und alle Fraktionsvorsitzenden sollten wissen, zwei Mal falsch bedeutet nicht ein Mal richtig. Das politisch Nützliche ist nicht immer politisch korrekt, und nach der heutigen Ansprache des Großmuftis müssen wir für uns alle klar und eindeutig entscheiden, ob wir uns in diesem Plenarsaal an die demokratischen Bestimmungen der Geschäftsordnung halten oder die je nach Umständen bestehenden Einzelinteressen verfolgen.
Heute Vormittag wurde hinsichtlich der Geschäftsordnung des Parlaments ein Fehler begangen, und dieser Fehler wird nicht dadurch bereinigt, dass heute in einem leeren Plenum abgestimmt wird. Wir begehen einen weiteren Fehler, der der Demokratie hier zum Schaden gereicht. Ich sage im Namen der UEN-Fraktion nicht, ob heute Abend um 21.00 Uhr oder morgen um 17.00 Uhr eine Aussprache über die Abfälle in Italien geführt werden soll oder ob die Erklärungen zur Abstimmung, wie in diesem Parlament stets üblich, nach der Abstimmung, nach dem abgegebenen Votum folgen sollten, wie heute Vormittag erforderlich gewesen wäre. Ich frage Sie jedoch, Herr Präsident – und Sie mögen mir das Wort entziehen, das interessiert mich überhaupt nicht –, wie die Bestimmungen der Geschäftsordnung dieses Parlaments lauten. Wissen Sie es? Diese Frage möchten Sie diesem leeren Hause damit beantworten, dass es auf der Grundlage derer abstimmen sollte, denen das Wort erteilt wurde, und nicht derjenigen, die einen unabhängigen Standpunkt äußern wollten! Das ist doch absurd!
Der Präsident. – Frau Vorsitzende, ich werde Ihnen mit einer Gelassenheit antworten, die ebenso groß ist wie Ihre Aufgeregtheit bei Ihren Ausführungen. Ich habe Ihnen das Wort erteilt, um festzustellen, ob Sie etwas zum Protokoll vom Montag, dem 14. Januar, zu sagen haben. Dazu haben Sie nicht gesprochen. Ich habe Sie höflich bis zum Schluss angehört, und ich hoffe, die Kolleginnen und Kollegen werden ebenso wie ich den Ton zu würdigen wissen, den Sie gegenüber dem Plenum angeschlagen haben.
Ich schlussfolgere somit, dass es keine Anmerkungen gibt, da die Frau Vorsitzende nicht nochmals um das Wort bittet.
(Das Protokoll der vorangegangenen Sitzung wird genehmigt.)
14. Mehrjahresrahmen für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte für den Zeitraum 2007-2012 (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Michael Cashman im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 hinsichtlich der Annahme eines Mehrjahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte für den Zeitraum 2007-2012 (KOM(2007)0515 – C6-0322/2007 – 2007/0189(CNS)) (A6-0514/2007).
Eine Anmerkung zur Geschäftsordnung: Werter Kollege, würden Sie mir sagen, auf welchen Artikel der Geschäftsordnung Sie sich beziehen?
Roger Knapman (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung in Verbindung mit Artikel 171. Soeben haben Sie dem Haus mitgeteilt, dass 19 Abgeordnete einen Antrag auf Abgabe einer Stimmerklärung gestellt haben. Vor der Mittagspause war von 14 Abgeordneten die Rede. Ich weiß, dass die Dinge hier etwas vage werden, sobald es um konkrete Zahlen geht, vor allem dann, wenn keine namentliche Abstimmung durchgeführt wird, aber könnten Sie erläutern, woher diese Differenz kommt?
Der Präsident. – Es fällt mir schwer, Ihnen sofort eine Erklärung zu geben, doch werde ich mein Bestes tun.
Die Anträge auf Stimmerklärungen – und ich habe oft bei den Erklärungen zur Abstimmung den Vorsitz geführt – gehen laufend ein. Als mein Kollege Vidal-Quadras seine Ankündigung machte, hatte er sicherlich 14 Namen vor sich auf dem Pult, und dann sind in den folgenden Sekunden oder Minuten noch weitere Abgeordnete zum Pult des Präsidenten gekommen und haben mitgeteilt, dass auch sie sprechen möchten. Und dadurch hat sich sicherlich zwischen der Bekanntgabe von Vizepräsident Vidal-Quadras und meiner eigenen Ankündigung vorhin die Zahl von 14 auf 19 erhöht. Doch wir werden diesen sehr interessanten Punkt zur Geschäftsordnung auf jeden Fall überprüfen.
Jetzt werden wir, wenn es Ihnen recht ist, zum Bericht Cashman zurückkommen, und ich erteile der Kommission das Wort.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Parlament für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und die Unterstützung für die rasche Verabschiedung des Mehrjahresrahmens für die Agentur für Grundrechte für den Zeitraum 2007-2012 danken.
Mein besonderer Dank gilt dem Berichterstatter, Herrn Cashman, für sein persönliches Engagement in dieser Angelegenheit. Der von der Kommission vorgeschlagene und vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres beratene Mehrjahresrahmen für den Zeitraum 2007-2012 wird der Agentur die vollständige Ausschöpfung ihres Leistungspotenzials ermöglichen. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich voll und ganz verstehe, welche Überlegungen den Berichterstatter zu seinen Änderungsanträgen veranlasst haben. Ich freue mich, feststellen zu können, dass ich folgende Änderungsanträge akzeptieren kann: Änderungsantrag 1; Änderungsantrag 2 in Bezug auf ethnische Minderheiten; Änderungsanträge 3, 4, 5, 8 und 13 (teilweise) im Hinblick auf die Mehrfachdiskriminierung; Änderungsantrag 15 in Bezug auf die soziale Ausgrenzung und vor allem Änderungsantrag 16, da alle diese Änderungsanträge die Kompromisslösungen widerspiegeln, die in den Gesprächen zwischen dem Ratsvorsitz, der Kommission und dem Berichterstatter gefunden wurden.
Was die anderen Änderungsanträge angeht, so kann ich diese aus einer Reihe von rechtlichen und technischen Gründen, die ich rasch erläutern möchte, nicht akzeptieren. Einige der Änderungsanträge, und zwar die Änderungsanträge 10, 11 und 18, befinden sich nicht im Einklang mit der zugrunde liegenden Verordnung. In einigen Fällen gehen die Änderungsanträge über die Verordnung hinaus, wie im Falle von Änderungsantrag 17. In einigen anderen Fällen befinden sie sich meines Erachtens im Widerspruch zur Verordnung, wie im Falle von Änderungsantrag 10. Andere wiederum erfüllen nicht die Anforderungen in Bezug auf eine bessere Rechtsetzung. Das betrifft vor allem die Änderungsanträge 2, 7 und 13 und hier den Zusatz der „traditionellen nationalen und sprachlichen Minderheiten“, die in der Verordnung bereits erfasst sind.
Einige Änderungsanträge, und zwar die Änderungsanträge 14 und 15 (teilweise), überschreiten die Kompetenz der Gemeinschaft oder die Kompetenz der Agentur. Und Änderungsantrag 12 schließlich würde den Umfang der Bereiche, mit denen sich die Agentur gemäß Artikel 2 unseres Vorschlags befasst, beträchtlich einschränken.
Eine Anmerkung zu Änderungsantrag 6. Ich habe nichts gegen den sachlichen Inhalt des Änderungsantrags. Doch meiner Auffassung nach ist der Vorschlag für einen Mehrjahresrahmen kein geeigneter Ort, um allgemeine Erklärungen zum Wesen und zur Definition von Menschenrechten abzugeben.
Der beste Ort dafür sind die jeweiligen internationalen Übereinkommen und die Charta. Ich werde diesen Änderungsantrag jedoch nicht ablehnen, wenn sowohl der Rat als auch das Parlament bereit sind, ihn zu akzeptieren.
Die Änderungsanträge 7 und 9 schließlich kann ich nicht befürworten. Zu Änderungsantrag 7 ist festzustellen, dass es Aufgabe des Mehrjahresrahmens ist, die Verpflichtungen der europäischen Institutionen und/oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Überwachung der Einhaltung aller für die Mitgliedstaaten geltenden internationalen Menschenrechtsübereinkommen zu regeln.
Zu Änderungsantrag 9 wäre zu sagen, dass ein Verweis auf eine Überprüfung des Mehrjahresrahmens vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums nicht erforderlich ist, da Kommission, Rat und Parlament immer die Möglichkeit haben, sich über den Geltungsbereich von Artikel 2 des Rahmens hinwegzusetzen.
Generell war der Fünfjahreszeitraum festgesetzt worden, um die Effektivität der Arbeit der Agentur nicht zu gefährden, denn die Agentur braucht Zeit, um ihre Arbeit zu planen und durchzuführen. Die Einführung systematischer Überprüfungen könnte die Arbeit der Agentur unterminieren.
Abschließen möchte ich feststellen, dass die Errichtung der Agentur ein großer Erfolg für die Förderung der Achtung der Grundrechte in der Europäischen Union ist. Sie ist auch ein Erfolg hinsichtlich der interinstitutionellen Zusammenarbeit. Jetzt müssen wir die Bedingungen schaffen, die der Agentur eine erfolgreiche Tätigkeit ermöglichen, damit sie sich in den kommenden Jahren bewähren kann.
Michael Cashman, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte Vizepräsident Frattini für seine Worte danken.
Wenn das Parlament in dieser Frage mitentscheiden könnte, dann wären wir in einer besseren Position. Ich muss den Kollegen hier sagen, dass ich mich ganz zu Beginn so wie einige Schattenberichterstatter mit Vertretern von NRO und der Zivilgesellschaft getroffen habe, um zu sehen, was wir tun können. Mir war von Anfang an klar, dass ich, wenn es nach mir gegangen wäre, eine endlos lange Liste hätte, denn die Menschenrechte sind einfach zu wichtig: Sie sind von übergeordneter Bedeutung und der eigentliche Grund, weshalb die Institutionen gebildet wurden, nämlich damit nie wieder jene Bedingungen entstehen, die den Zweiten Weltkrieg ausgelöst und einen Schatten über so viele Völker und so viele verschiedene Minderheiten geworfen haben.
Die Realität sieht jedoch so aus, dass wir kaum konsultiert wurden, was mich in eine sehr schwierige Position gebracht hat. Für mich als Homosexuellen ist es sehr schwierig, auf die spezielle Einbeziehung der Homophobie zu verzichten. Doch wenn ich den Grundsatz, dass wir die Dinge, die nicht erfasst sind, einbeziehen müssen, konsequent umsetze, dann muss ich auf eben die Dinge verzichten, die mir besonders am Herzen liegen. Es war also schwierig.
Ich freue mich festzustellen, dass dieser Bericht mit 48 Stimmen bei acht Enthaltungen und keiner Gegenstimme angenommen wurde. Das deutet darauf hin, dass das vorliegende Dokument den Wünschen des Ausschusses entspricht, auch wenn ich einige der Änderungsanträge persönlich nicht unterstützen konnte. Ich möchte dem portugiesischen Ratsvorsitz und meinem Kollegen hier in diesem Saal meine Anerkennung aussprechen. Er hat sehr eng mit mir zusammengearbeitet und im Parlament darauf hingewirkt, dass es zu einem Standpunkt gelangte, den sowohl der Rat als auch die Kommission befürworten können.
Ich freue mich, dass der Kommissar neun der achtzehn Änderungsanträge aufgeführt hat. Wir erhalten zu 50 % Unterstützung – natürlich wünsche ich mir 100 % Unterstützung, aber ich lebe in der realen politischen Welt. Vor allem möchte ich, dass die Agentur ein Erfolg ist. Ausgangspunkt der Agentur sind die Charta der Grundrechte und all die internationalen Menschenrechtsübereinkommen, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind.
Es gibt jedoch einige Delegationen, einige Politiker und einige Mitgliedstaaten, die sich ein Scheitern der Agentur wünschen. Sie sind nicht an deren effektiver Tätigkeit interessiert, und das ist der Grund, weshalb ich bei den Anforderungen, die wir an die Agentur stellen, sehr konkret geworden bin. Ich möchte, dass sie ein Erfolg wird. Ich glaube, dass die von uns im Ausschuss angenommenen Änderungsanträge dazu beitragen werden, ohne zu große Anforderungen an die Agentur zu stellen, die deren sowohl personelle wie finanzielle Ressourcen überschreiten würden.
Einigen der Frauengruppen scheinen unsere Vorschläge nicht weit genug zu gehen, doch wir haben geschlechterspezifische Gesichtspunkte aufgenommen und das Institut für Gleichstellungsfragen berücksichtigt. Natürlich ist Komplementarität wichtig, aber es darf keine Überschneidungen geben, weil dies zu einer Ressourcenverschwendung führen würde.
Damit will ich zum Schluss kommen und zuhören, was in der Politik zweifellos eines der schwierigsten Unterfangen sein dürfte. Ich möchte der Aussprache zuhören, aber ich werde nicht in der Lage sein, den Änderungsanträgen zuzustimmen, die dem Plenum morgen vorgelegt werden, und zwar aus dem einfachen Grund, den ich bereits eingangs erwähnte. Ich konnte eine ganze Reihe von Änderungsanträgen nicht übernehmen, und wenn ich diese Einstellung jetzt ändere, dann würde ich mich nicht an die Einigung halten, die ich mit den Schattenberichterstattern erzielt habe. Natürlich sind Minderheitensprachen wichtig, natürlich sind andere Bereiche wichtig, aber nichts ist wichtiger als eine Agentur für Grundrechte, die die Aufgaben, die wir ihr stellen, erfolgreich löst.
Libor Rouček, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Die Errichtung der Agentur für Grundrechte Anfang letzten Jahres markiert einen überaus wichtigen und notwendigen Schritt hin zur Förderung und zum Schutz der Grund- und Menschenrechte innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Leider wurde der Mehrjahresrahmen noch nicht angenommen und einige personelle Fragen sind noch zu klären. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten fordert daher, in dieser Frage so bald als möglich Abhilfe zu schaffen. Was die Tätigkeiten der Agentur außerhalb der EU betrifft, unterstützt der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten die ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelarbeit und zur Gewährleistung der angemessenen Koordinierung der Tätigkeiten mit internationalen Organisationen, die in diesem Bereich aktiv sind: insbesondere mit dem Europarat, den Vereinten Nationen und der OSZE. Ferner sind wir der Ansicht, dass der Menschenrechtsdialog von enormer Bedeutung für die Beziehungen der Union zu den Entwicklungsländern ist. Wir begrüßen daher die Tatsache, dass die Agentur offen für die Beteiligung von Bewerberländern ist. Und schließlich setzen wir voraus, dass die Agentur dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für die Außen- und Sicherheitspolitik bei seiner oder ihrer Arbeit jegliche Unterstützung zuteil werden lässt, sobald der Reformvertrag in Kraft tritt und dieses Amt geschaffen wird.
Kinga Gál, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident. Ich freue mich sehr, dass wir kurz vor der Annahme des Mehrjahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte stehen, und ich möchte dem Berichterstatter für seine Arbeit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit danken, die er bei der Lösung dieser schwierigen Aufgabe demonstriert hat.
Es ist jetzt für die Institutionen, die Mitgliedstaaten und die Bürger der EU gleichermaßen wichtig, dass die Agentur baldmöglichst ihre Arbeit aufnehmen kann. Schließlich war sie am 1. März des letzten Jahres offiziell in Wien errichtet worden, aber sie hat noch immer weder eine Struktur, noch ein Mandat oder eine Leitung, die bzw. das diesem Zweck gerecht würde.
Deshalb ist es unbedingt erforderlich, dass das Rahmenprogramm jetzt angenommen wird. Wir haben es hier mit einem äußerst komplexen Problem zu tun. Einerseits könnten wir zahllose Fragen im Bereich der Menschen- und Grundrechte anführen, andererseits müssen wir darüber nachdenken, wie wir diese Agentur heute zweckgerecht ausstatten.
Meines Erachtens hat mein Kollege Herr Cashman in seiner Stellungnahme versucht, beiden Kriterien gleichzeitig gerecht zu werden: dafür zu sorgen, dass die Agentur flexibel auf die Menschenrechtsprobleme, die uns in dieser oder jener Form alle betreffen, eingehen kann, und die Agentur gleichzeitig so auszustatten, dass sie ihrem Zweck gerecht werden kann.
Ich glaube, dass das Parlament diese Vorschläge vorbehaltlos unterstützt, und ich hoffe – obwohl ich mir die Einwände von Herrn Frattini und der Kommission sehr genau angehört habe, – dass der Rat unsere zahlreichen Fragen versteht, denn sie könnten der Schlüssel dafür sein, wie die Arbeit der Agentur organisiert werden sollte, damit sie sich auf die wirklichen Probleme konzentrieren kann.
Die sprachlichen und nationalen Minderheiten waren in der ursprünglichen Aufzählung nicht enthalten, sind aber Bestandteil des Vorschlags. Das ist meines Erachtens sehr wichtig, da diese Probleme immer wieder auftreten. Die Union muss sich ihnen stellen und etwas unternehmen. Deshalb hoffe ich, dass sich die Agentur dieser Probleme annehmen kann. Wir haben es hier nicht mit einem „Papiertiger“ zu tun, sondern mit einer realen funktionierenden Einrichtung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Stavros Lambrinidis, im Namen der PSE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Agentur für Grundrechte muss endlich ihre wichtige Arbeit aufnehmen. Deshalb war der Berichterstatter, den ich beglückwünsche, gezwungen, die Zahl der Änderungsanträge zu beschränken, um eine schnelle Einigung in dieser Frage mit den anderen Institutionen zu ermöglichen. Natürlich wäre es besser, wenn auch der Bereich der sozialen Rechte aufgenommen werden könnte. Zudem gab es konkrete Verweise auf Fragen des Menschenhandels und den Schutz der Privatsphäre und der Menschenwürde im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus. Doch die Tür bleibt offen.
Ich möchte mich heute auf einen wichtigen Änderungsantrag konzentrieren, den ich gemeinsam mit einigen Kollegen eingereicht habe, einen Änderungsantrag, der angenommen wurde und der ausdrücklich eine effiziente und unabhängige Rechtsprechung erwähnt, und zwar auch im Hinblick auf die Rechte von Angeklagten und verdächtigen Personen.
Herr Präsident, wenn das öffentliche Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz unterminiert wird, dann stellt das eine Unterminierung des Fundaments unserer demokratischen Gesellschaft dar, und aus diesem Grund zählt auch diese Dimension von Anfang an zu Recht zu den Aufgaben der Agentur. Gleichzeitig neigen wir dazu zu vergessen, dass jeder Mensch unschuldig ist, solange seine Schuld nicht erwiesen ist. Das Anprangern von Angeklagten durch die Medien, um Einschaltquoten in die Höhe zu treiben, oder sogar durch Regierungen und Beamte, die damit kurzfristig politisch punkten wollen, verletzt diesen Grundsatz in flagranter Weise. Und Verdächtige, Herr Präsident, dürfen gerade in der heutigen Zeit, da offenbar sehr viele Grundsätze im Namen der Terrorismusbekämpfung verletzt werden können, nicht entführt, misshandelt und ihrer Grundrechte beraubt werden, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen hätte. Gerade das Lager in Guantanamo, dessen sechster Jahrestag bedauerlicherweise von kaum jemandem zur Kenntnis genommen wurde, sollte uns diesbezüglich eine Lehre sein.
Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich zum Ausdruck bringen, wie sehr ich den Berichterstatter, Herrn Cashman, schätze. Ich sehe in ihm stets einen wichtigen Verbündeten im Kampf zur Verteidigung der Grundrechte. Unterschiedlicher Ansicht sind der Berichterstatter und ich daher nicht über die Substanz, den Inhalt, sondern über die Strategie. Möglicherweise hat es strategischen Charakter, im Tausch für die Unterstützung des Rates ein paar Prioritäten fallen zu lassen. Aber bietet uns der Rat genug, um unsere eigenen Wünsche aufzugeben? Ich meine nicht. Und in diesem Fall ziehe ich es vor, einfach klar und deutlich Stellung zu nehmen.
Die ALDE-Änderungsanträge empfehlen vier zusätzliche Prioritäten, nämlich Homophobie, Schutz der Privatsphäre, Antiterrorpolitik und Grundrechte sowie Diskriminierung der Roma. Nun sind das genau die vier wichtigsten Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten fortwährend die Menschenrechte verletzen. Die Agentur für Grundrechte hätte ein Wachhund werden sollen, der die Mitgliedstaaten auf dem rechten Weg hält. Aber leider hat sie das nicht vermocht. Ohnehin ist sie bereits ein zahnloser Tiger. Von mir aus – erst recht, wenn ich höre, was Kommissar Frattini soeben vorgetragen hat – sollte das Europäische Parlament als wichtigster Partner der Agentur für Grundrechte einfach seine eigenen klaren Prioritäten setzen.
Wenn wir auf die Unterstützung oder das Einverständnis des Rates bauen, dann frage ich mich offen gestanden überhaupt, wo der Rat heute ist. Obwohl ich inhaltlich mit dem Berichterstatter völlig konform gehe, bedauere ich sagen zu müssen, dass ich – ich werde mich hierzu mit meiner Fraktion beraten – der Strategie wohl nicht zustimmen kann.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Die Agentur für Grundrechte ist aus der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hervorgegangen. Mit dieser Veränderung könnte sich eine Wende zum Besseren ankündigen. Die Beobachtungsstelle in Wien war bekannt für ihre Unzuverlässigkeit und ihren nachlässigen Umgang mit Beschwerden über Rassismus und Antisemitismus, wie zum Beispiel 2001 und 2005 im Falle des Senders Radio Maryja, der Republikanischen Liga und meines Heimatlandes Polen.
Wenn die neue Institution den Empfehlungen des Berichterstatters folgt, wird sie bald die gleichen Fehler machen wie die alte. Der Vorschlag, über die thematischen Themenbereiche hinauszugehen, die Flexibilität und die so genannten proaktiven Maßnahmen – das sind Zitate aus der Begründung zum Bericht – bedeuten für die Agentur praktisch grünes Licht, unkontrolliert und geleitet von radikalen Ideologien außerhalb des völkerrechtlichen Rahmens zu agieren. Das alles wäre kein Problem – obwohl dies nicht der einzige Fall wäre, in dem europäische Gelder verschwendet würden –, aber ein System für den Schutz der Menschenrechte ohne einen völkerrechtlichen Rahmen, das professionellen Antirassisten überlassen bleibt, verliert sein wichtigstes Gut, nämlich seine Glaubwürdigkeit.
Cem Özdemir, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Wir haben dem Bericht im LIBE-Ausschuss zugestimmt. Wir werden ihm auch hier zustimmen, obwohl wir vieles an Kritik teilen, die im Plenum geäußert wurde, auch durch den Berichterstatter selbst. Ein Punkt wurde bereits vom Berichterstatter angesprochen. Zwar spielt die Geschlechterdiskriminierung künftig auch eine Rolle für die Grundrechteagentur, aber die Frage der Homophobie beispielsweise ist leider nicht Bestandteil des Arbeitsauftrags. Angesichts der Debatten, die wir innerhalb Europas haben, und auch des Diskussionsstandes, den wir in Europa haben, ist es bedauerlich, dass wir uns nicht zu diesem Kompromiss mit Rat und Kommission haben durchringen können.
Andere Punkte wären zu nennen: Wir haben im LIBE-Ausschuss Änderungsanträge gestellt, die leider alle abgelehnt worden sind. Ich will nur an wenige erinnern. Die Diskriminierung von Roma wäre beispielsweise ein wichtiger Punkt gewesen, aber auch die Frage des Schutzes der Privatsphäre. Der Datenschutz wäre ein wichtiger Punkt gewesen. Hier haben wir in Europa einen bestimmten Standard erreicht, den wir auch nach innen vertreten müssen, wenn wir glaubwürdig sein wollen. Wichtig ist allerdings, auch aufgrund der Erfahrungen mit der Bekämpfung des Terrorismus, die Frage, inwiefern sich Terrorismusbekämpfung mit Grundrechten verträgt. Auch diese Frage wäre es wert gewesen, in den Arbeitsauftrag der Grundrechteagentur aufgenommen zu werden.
Alle sind sich einig: Die Grundrechteagentur soll so schnell wie möglich arbeiten. Wir haben uns noch nicht einmal auf einen Direktor verständigen können. Insofern ist ein gewisser Zweifel angebracht, inwiefern die Grundrechteagentur tatsächlich ihren Arbeitsauftrag wird erfüllen können. Die gute Nachricht ist: Verfahren dieser Art wird es nicht mehr viele geben. Wenn ab 2009 der EU-Vertrag wirksam wird, dann werden wir künftig andere Prozesse haben, wie das Europäische Parlament in diese Debatten eingebunden wird.
Bairbre de Brún, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Ich begrüße Herrn Cashmans Bericht über die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte. Die Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten haben auf diesem Gebiet ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ich beglückwünsche sie wie auch den Berichterstatter.
Doch besonders begrüße ich die Verbesserungen, dank derer die Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer traditionellen Sprache oder Minderheit nunmehr in die konkrete Zuständigkeit der Agentur fällt. Ich fordere die Abgeordneten auf, diese Reformen morgen zu unterstützen.
Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr zum Internationalen Jahr der Sprachen ausgerufen. Die Europäische Union muss sich an diesem Ereignis beteiligen, und auch wir müssen einen Beitrag leisten.
Ich habe ein ganz persönliches Interesse an dieser Angelegenheit. Ich werde mich auch künftig auf EU-Ebene in dieser Sache engagieren und die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für Irisch als einer der Arbeitssprachen der EU fordern, und in meinem Wahlkreis unterstütze ich die Kampagne für ein Gesetz über die irische Sprache, eine Regelung, die in Nordirland zum Schutz der Rechte der Irisch sprechenden Bürger dringend erforderlich ist.
Diese Rechte können derzeit nicht ausgeübt werden. Das wird sich ändern, sobald sie gesetzlich verankert sind und ein Gremium wie die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte konkrete Maßnahmen gegen eine Diskriminierung aufgrund der Sprache ergreifen kann.
Koenraad Dillen (NI). – (NL) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde aus tiefster Überzeugung gegen diesen Bericht stimmen, weil ich diese Agentur als Wachhund der politischen Korrektheit verstehe, die in Europa immer mehr um sich greift. Diese Agentur gibt offiziell vor, die Grundrechte der Bürger zu schützen, in Wirklichkeit aber stellt sie eine Bedrohung für einige unserer grundlegendsten Rechte und Freiheiten sowie für das Subsidiaritätsprinzip dar.
Der Geist der politischen Korrektheit, der durch Europa spukt, sorgt dafür, dass die Freiheit der Meinungsäußerung den Forderungen einer bestimmten Religion, nämlich des Islam, der keinerlei Kritik duldet, vollkommen untergeordnet werden muss.
Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus, der die Agentur nachfolgen soll, setzte ganz bewusst den legitimen Diskurs gegen Einwanderung und gegen die negativen Aspekte des Islam mit Rassismus gleich. Eben diese Stelle behauptete auch, Islamophobie sei eine neue Form der Diskriminierung und nach den Krawallen wegen der dänischen Karikaturen seien Gesetze gegen Gotteslästerung notwendig. Und als eine in Auftrag gegebene Studie zeigte, dass Gewalt gegen Juden in Europa vor allem von jungen Muslimen ausgeht, beförderte der Direktor dieses Zentrums die Studie prompt in den Papierkorb.
Nur wenige in diesem Hause scheinen sich bewusst zu sein, dass die Freiheit der Meinungsäußerung das oberste Grundrecht verkörpert und dass Fortschritte der geistigen Freiheit stets die Triebkraft geschichtlicher Fortschritte waren. Ohne die Freiheit, offen und ungehemmt die Wahrheit sagen zu dürfen, wie schmerzlich sie auch sein mag, wäre Europa einst nie das Zentrum der Welt gewesen. Dieser Bericht und diese Agentur stellen diesen Grundsatz in Frage.
Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Die Errichtung eines Mehrjahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ist ein außerdordentlich wichtiges Thema für jene von uns, die der Ansicht sind, dass die Grundrechte in der DNA der Europäer liegen. Deshalb möchte ich mich dem Berichterstatter und den übrigen Sprechern anschließen, die sagten: „Vorwärts“ mit dem Mehrjahresrahmen, „Vorwärts“ mit der Arbeit der Agentur.
Ich glaube auch, dass dieser Bericht, wie Frau Gál erklärte, die ich als Sprecher meiner Fraktion unterstütze, ausgewogen ist und produktiv sein will, ohne zu viel zu verlangen.
Realistisch, das ist, glaube ich, der Ausdruck, den der Berichterstatter verwendet hat. Da der Bericht realistisch ist, möchte ich Kommissar Frattini, meinen guten Freund Franco Frattini, um ein wenig mehr Unterstützung bitten. Dass die Europäische Kommission nur neun der von uns vorgelegten 18 Änderungsanträge akzeptiert, erscheint mir ein dürftiger Kraftaufwand, und um einen Kraftaufwand, Herr Vizepräsident der Kommission, geht es bei einem so wichtigen Thema wie diesem.
Ich hatte das Glück und die Ehre, Vorsitzender der Delegation des Parlaments in dem Konvent zu sein, der die Charta erarbeitete, und ich leitete mit gleicher Ehre die Arbeitsgruppe ATD Vierte Welt, und es ist uns gelungen, einen Änderungsantrag, die Nr. 15, einzubringen: die Aufnahme des Kampfes gegen soziale Ausgrenzung und Armut in die Ziele der Agentur. Weshalb? Weil jene Menschen, die sozial ausgegrenzt sind und in extremster Armut leben, letztendlich keine Grundrechte haben, und daher wäre es unserer Meinung nach ein wichtiges politisches Signal an unsere Mitbürger, wenn Sie, Herr Vizepräsident der Kommission, den Änderungsantrag 15 mit größerem Wohlwollen als bisher betrachten würden. Denn schließlich vertreten wir Abgeordneten die Menschen, und sie verlangen von uns, dass wir uns auch um jene sorgen, die am bedürftigsten sind.
Deshalb, Herr Kommissar, hoffe ich, dass Ihnen diese Debatte helfen wird zu verstehen, wie wichtig es ist, mehr als neun Änderungen zu akzeptieren und die Position des Europäischen Parlaments in dieser Frage zu unterstützen.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Es ist für mich neun Monate nach der feierlichen Eröffnung der Agentur für Grundrechte keine Freude, darüber zu sprechen, dass diese Institution noch immer nicht arbeitsbereit ist und noch immer keine Leitung hat.
Zumindest wird in dieser Woche der Mehrjahresrahmen vom Parlament angenommen, wofür ich dem Berichterstatter, Herrn Cashman, danken möchte. Der Mehrjahresrahmen ist für die Arbeit der Agentur von entscheidender Bedeutung. Von ihm wird abhängen, wie effektiv sie die Grundrechte überwachen und entsprechende Maßnahmen formulieren kann. Im Rahmen des trilateralen Einigungsprozesses für die Erarbeitung der Gründungscharta wurden einige Wege abgesteckt, die wir beschreiten sollten.
So sind nach Ansicht des Rates politische Befugnisse erforderlich, um der Agentur eine Untersuchung der Durchsetzung der Menschenrechte im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten und die Union die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, solange dies noch nicht eindeutig die Aufgabe der Agentur ist, was nach dem Inkrafttreten des Reformvertrags der Fall sein wird.
Gleichzeitig müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass die individuellen und kollektiven Rechte nationaler und ethnischer Minderheiten garantiert werden, und zwar nicht nur durch ein Verbot der Diskriminierung, sondern durch eine positive Rechtsdurchsetzung. Grundsätzlich kann auch die Anerkennung sozialer Rechte als Menschenrechte nicht in Frage gestellt werden, da es keine Menschenwürde ohne grundlegende Sicherheit gibt.
Es ist ein Klischee, das aber dennoch stimmt, dass nämlich jede Entscheidung nur das wert ist, was von ihr umgesetzt wurde. Herr Vizepräsident Frattini hat mit seinen Ausführungen Zweifel gesät, dennoch hoffe ich, dass die Agentur die Menschenrechte konsequent verteidigen wird.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zwei grundsätzliche Anmerkungen zu machen. Die erste ist, dass ich dringend ersuche und hoffe, dass nach dem Festlegen des Arbeitsprogramms auch umgehend darangegangen wird, den Direktor für diese Menschenrechtsagentur zu benennen, denn es hat eben nur einen Sinn, eine Agentur einzurichten, wenn sie dann auch möglichst rasch funktionstüchtig gemacht wird.
Die zweite grundsätzliche Anmerkung: Ich möchte diese Diskussion nutzen, um wieder einmal eine Bewertung der Leistung und der Sinnhaftigkeit aller Agenturen einzufordern. Ich bin nämlich nicht überzeugt, dass alle Agenturen so arbeiten, wie wir uns das wünschen, und dass sie auf alle Ewigkeit hin bestehen müssen, sondern ich bin vielmehr überzeugt, dass es hier teilweise Parallelstrukturen gibt und dass man durchaus auf einige Agenturen wird verzichten können, ohne dass es irgendjemand merkt und ohne dass irgendjemand darunter leiden würde. Ich möchte Sie fragen, wann die Kommission gedenkt, mit einer derartigen Bewertung zu beginnen.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte den Berichterstatter, Michael Cashman, beglückwünschen und gleichzeitig eine Anmerkung machen. In den Sitzungen des LIBE-Ausschusses haben wir ausführlich darüber diskutiert, ob die Grundrechteagentur die gleichen Aufgaben haben wird wie der Europarat. Wir sind zu dem Schluss gelangt, dass dem nicht so ist, aber ich habe den Eindruck, dass wir den Europarat um seine herausragende Stellung beneiden, die es ihm gestattet, ein spezielles Rechtssystem anzuwenden.
Meiner Auffassung nach muss die Grundrechteagentur ungeachtet der Bedingungen und ihrer Befugnisse strikt auf der Charta der Grundrechte basieren, das heißt, sie muss sich dessen bewusst sein, dass sie auch als Wächter der Grundrechtecharta fungiert, und zwar auch für die Bürger und Mitgliedstaaten, die die Charta der Grundrechte nicht vollständig anerkannt haben. Das ist meines Erachtens sehr wichtig, und ich bin ferner der Überzeugung, dass die Grundrechteagentur mit unserer Hilfe, mit Unterstützung des Europäischen Parlaments, diese Richtung einschlagen sollte.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich bei allen, die sich an der Aussprache beteiligt haben, für ihre Vorschläge und Beiträge bedanken.
Erstens sollte die Europäische Union nicht nur der beste Verteidiger, sondern auch der beste Förderer der Grundrechte sein, und das muss für die Bürger auch sichtbar werden. Damit meine ich die Rechte von Gruppen und Gemeinschaften wie auch die Rechte des Einzelnen. Das ist ein sehr wichtiger Ansatz.
Ich bin ferner der Ansicht, dass sich die Agentur mit der Verkündung der Charta und der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon zum wirksamsten europäischen Instrument in diesem Bereich entwickelt sollte. Deshalb sähe ich es gern, wenn das Parlament baldmöglichst die Anhörung der in die engere Wahl genommenen Kandidaten für die Position des Direktors organisieren würde, damit die Agentur von Anfang an effektiv arbeiten kann.
Ich teile Herrn Cashmans Ansicht, dass wir der Agentur jetzt die Möglichkeit geben müssen, ihre Arbeit aufzunehmen, voll und ganz. Wenn wir sie mit zu vielen Aufgaben überlasten, riskieren wir, dass die Agentur zwar scheinbar leistungsfähig ist, aber in der Praxis nicht zügig genug reagieren kann.
Ich möchte abschließend feststellen, dass ich mir der Bedenken, die viele von Ihnen geäußert haben, bewusst bin und Ihnen versprechen kann, dass ich lange vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums bereit wäre, die Befugnisse der Kommission zu nutzen und die Agentur zu bitten, den Geltungsbereich von Artikel 2 im Bereich der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Justiz und der Sicherheit auszudehnen.
Ein Wort zum Schluss. Ich habe Verständnis für das, was Herr Méndez de Vigo sagte und werde seine Vorschläge insbesondere im Hinblick auf Änderungsantrag 15 genau prüfen, um den Erwartungen bezüglich der europäischen Strategie zur Minderung der Armut gerecht zu werden.
Ich möchte zudem wiederholen, dass ich bereit bin, Änderungsantrag 6 zu akzeptieren, auch wenn ich ihm dem Grundsatz nach nicht zustimme. Ich hoffe, dass Herr Cashman mit meinen Bemühungen, Ihren Erwartungen gerecht zu werden, zufrieden ist.
Der Präsident. – Danke, Herr Kommissar. Das wird dem Parlament sicherlich gefallen.
Michael Cashman, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Ich danke dem Kommissar dafür, dass er in der sehr wichtigen Frage von Änderungsantrag 6 eingelenkt hat. Änderungsantrag 6 lautet wie folgt: „Alle Menschen sind gleichberechtigt geboren und deshalb sind Menschenrechte unteilbar und unverletzlich.“ Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen für ihre Beiträge danken, und ich möchte Folgendes feststellen: Wenn einer der fraktionslosen Abgeordneten erklärt, dass sie gegen mich stimmen werden, wenn die Extremisten hier im Parlament gegen mich und meinen Bericht stimmen, dann erfüllt das mein Herz mit Freude, und mein Kopf sagt mir, dass wir es genau richtig getroffen haben. Denn wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte geht, darf es keinen Extremismus geben mit Ausnahme des extremen Schutzes der Menschenrechte.
An die Adresse der verehrten Abgeordneten Sophia in ’t Veld möchte ich sagen, dass ich ihr natürlich zustimme, aber ich bin der Ansicht, dass die Bereiche Roma, Privatsphäre und Homophobie bereits abgedeckt sind. So fällt der Bereich Roma unter Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Zugehörigkeit. An die Adresse von Herrn Lambrinidis stelle ich fest, dass die Charta der Grundrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention uns die Grundlagen für den Schutz der Privatsphäre, die Bekämpfung von Menschenhandel und sozialer Ausgrenzung bieten. Frau Gál sagte ganz richtig, dass es um die Arbeitsfähigkeit der Agentur gehe und dass wir uns damit befassen müssten.
Deshalb habe ich die Mehrfachdiskriminierung aufgenommen. Wir müssen bedenken, dass wir es nicht ausschließlich mit Bereichen zu tun haben, die sie abdecken können. Das sind thematische Bereiche, die eine objektive Grundlage in Form der Charta der Menschenrechte und der internationalen Konventionen, die für alle Mitgliedstaaten gelten, haben.
Meinem Freund Cem Özdemir – çok teşekkür ederim! – sage ich, ja, der Datenschutz ist erfasst. Außerdem haben wir einen Datenschutzbeauftragten und Datenschutzrichtlinien, und das Letzte, was wir wollen, das sind Überschneidungen.
Es ist interessant, und wir haben Grund zum Feiern. Der Bericht Angelilli steht bevor. Das ist ein Initiativbericht, trotzdem ist es eine absolute Verpflichtung – keine Eigeninitiative, kein Ersuchen –, dass sich die Agentur, die die Grundrechte schützt, auch um die Rechte des Kindes kümmern muss. Deshalb beglückwünsche ich das Hohe Haus und fordere es auf, mit mir abzustimmen. Wir sollten das Ganze nicht überfrachten oder verwässern. Wir sollten uns auf unser wichtigstes Ziel konzentrieren und unsere Arbeit erledigen. Und damit, Herr Präsident, komme ich zum Schluss.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Ich möchte auf das Schärfste dagegen protestieren, was Herr Cashman soeben geäußert hat: Ich gehöre zu den fraktionslosen Abgeordneten und möchte anmerken, dass ich in der Vergangenheit als Mitglied des Europarates einen Bericht über das Verbot von Kinderarbeit geschrieben habe und auch an der Erstellung eines anderen Berichts über die Rechte des Kindes beteiligt war. Daher protestiere ich vehement gegen die Bemerkungen des Berichterstatters, es sei ihm einerlei, ob jemand von den Fraktionslosen gegen ihn stimme.
Der Präsident. – Herr Cashman, Sie haben das Wort zu einer Erwiderung auf einen als persönlich empfundenen Angriff.
Michael Cashman, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Als ich diese Bemerkung machte, hatte ich natürlich nicht die verehrte Abgeordnete im Sinn.
Ich meinte die fraktionslosen Abgeordneten im Allgemeinen, aber insbesondere die Bemerkungen von Herrn Dillen, die meiner Ansicht nach äußerst extremistisch sind. Ich wollte keineswegs die verehrte Abgeordnete beleidigen, deren Ruf für sich selbst spricht.
Der Präsident. – Ich kann auf jeden Fall für die französische Übersetzung feststellen, dass sich die Bemerkung auf Extremisten und nicht auf Fraktionslose bezog. Der Berichterstatter hat hier klar unterschieden.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 17. Januar 2008, statt.
15. EU-Kinderrechtsstrategie (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Roberta Angelilli im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie (2007/2093(INI)) (A6-0520/2007).
Roberta Angelilli, Berichterstatterin. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich den Kolleginnen und Kollegen für ihre wertvolle Zusammenarbeit und insbesondere Herrn Frattini danken, der sich in seiner Amtszeit von Anfang an für den Schutz der Rechte von Kindern eingesetzt hat.
Der Bericht erhebt selbstverständlich nicht den Anspruch, erschöpfend zu sein, stellt meines Erachtens aber einen guten Ausgangspunkt dar. Das Ziel bestand darin, den Grundstein für eine Strategie zur Förderung und zum Schutz der Rechte von Kindern im Rahmen der internen und externen Politiken der Europäischen Union zu legen und die diesbezüglichen Anstrengungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen. Wir wollten die besondere Situation der Kinderrechte, die sich von der allgemeiner gefassten Kategorie der Grundrechte vollkommen unterscheiden, wiewohl sie Bestandteil davon sind, als Ausgangsbasis nehmen.
Die Strategie zielt hauptsächlich auf die Förderung der positiven Durchsetzung der Kinderrechte, darunter das Recht auf Familie, Gesundheit, Bildung, soziale Integration, aber auch das Recht auf Unterhaltung, Spiel, Sport sowie auf ein sauberes und beschütztes Umfeld. Im Wesentlichen geht es darum, eine kindgerechte Gesellschaft zu schaffen, in der sich Kinder behütet und als wichtige Akteure fühlen können.
Deshalb liegen dem Bericht zwei entscheidende Voraussetzungen zugrunde: 1) die aktive Beteiligung von Kindern an allen Entscheidungen, die sie betreffen; 2) das so genannte Mainstreaming, d. h. die Kinderrechte in alle Politikbereiche der Union zu integrieren und sie in all diesen Bereichen zu vertreten. Kurzum, die Rechte von Kindern müssen letztendlich zu einem vorrangigen politischen Anliegen für Europa werden, auch deswegen, weil Kinder etwa 30 % der europäischen Bürger ausmachen, und es gilt noch viel für sie zu tun, angefangen bei der Bekämpfung von Gewalt und Missbrauch angesichts der Besorgnis erregenden Zunahme der Pädophilie und Kinderpornografie im Internet. Das allgemeine Ziel ist das Verbot jeder Form von Gewalt, einschließlich so genannter traditioneller Praktiken wie Ehrenmorde und Zwangsheirat. Es gilt nicht nur Verursacher von Gewalt zu bestrafen, sondern auch eine Strategie zur Verhütung von Gewalt auszuarbeiten, durch die vor allem gefährdeten Kindern geholfen werden soll.
Eine weitere Priorität ist die Bekämpfung von Kinderarmut. Es sei daran erinnert, dass innerhalb der Europäischen Union 19 % der Kinder unterhalb der Armutsgrenze leben und dass deshalb Hilfsmaßnahmen notwendig sind, mit denen auch die Familien der Kinder unterstützt werden sollten. Notwendig sind insbesondere gezielte Maßnahmen für Roma-Kinder und Straßenkinder, die oft zum Betteln gezwungen sind und damit leicht zu Opfern von Ausbeutung, Menschenhandel und organisierter Kriminalität werden.
Ein weiterer grundlegender Aspekt der Strategie ist die Gewährleistung von Bildung und Erziehung aller Kinder, einschließlich der ärmsten und am stärksten benachteiligten. Vonnöten sind zudem gezielte Maßnahmen für behinderte, für „anders befähigte“, Kinder, um Diskriminierung jeglicher in Form zu vermeiden. Wir sind hier unter Fachleuten, sodass in diesem Saale wohl nicht alle Probleme aufgeführt zu werden müssen, die dringend in Angriff genommen werden müssen: von der Verbreitung gewalttätiger Videospiele über den Anstieg von Fällen internationaler Kindesentziehung, den Bürokratismus, der internationale Adoptionen erschwert, das Drama von Kindersoldaten, Kinderarbeit, Kinder, die bei der Geburt nicht registriert werden, bis hin zur erschreckenden Zahl verschwundener Kinder, von denen man keine Nachricht mehr erhält. Diese Aufzählung ließe sich noch weiter fortsetzen.
In Wirklichkeit kommt es darauf an, dass entsprechende Instrumente zum Einsatz gebracht und Informationen rechtzeitig bereitgestellt werden, um Erfahrungen und bewährte Praktiken auszutauschen, und zwischen den betreffenden rechtlichen und strafrechtlichen Instrumenten muss eine Synergie geschaffen werden, um die Probleme konkret und in Echtzeit angehen und sie möglichst verhüten zu können.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass uns durch die Verabschiedung des Vertrags von Lissabon etwas mehr Möglichkeiten geboten werden. Die Charta der Grundrechte der EU ist nun Bestandteil des Vertrags, mithin auch Artikel 24, der ausdrücklich die Rechte des Kindes regelt und somit eine Rechtsgrundlage für die Umsetzung der Strategie schafft. An dieser Stelle müssen wir als Parlament, vor allem aber die Mitgliedstaaten, uns umgehend an die Arbeit machen.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Frau Angelilli für diesen Bericht herzlich danken.
Die Rechte des Kindes sind für mich von Beginn meiner Amtszeit an eindeutig ein vorrangiges Anliegen, sie nehmen einen zentralen Platz auf meiner Agenda ein, und die Zusammenarbeit mit dem Parlament auch in diesem Bereich hat nun zu den politischen Leitlinien geführt, die das Ergebnis des vorliegenden Berichts – der hoffentlich mit überwältigender Mehrheit angenommen wird – sein und Richtschnur für das Vorgehen der Kommission bilden werden, denn es gibt nicht einen einzigen Punkt in diesem Bericht, dem ich nicht zustimmen würde. Darin werden bereichsübergreifende Maßnahmen dargelegt, die sich über eine Vielzahl von Politikfeldern erstrecken, der gemeinsame Nenner jedoch ist, dass Minderjährige, das heißt Kinder, das Herzstück unserer Gesellschaft bilden und sie daher zweifellos unsere maximale Aufmerksamkeit verdienen.
In den kommenden Wochen werden meine Mitarbeiter und ich gemeinsam Überlegungen anstellen, wie sich die in dem Bericht von Frau Angelilli enthaltenen einzelnen Punkte konkret in die Praxis umsetzen lassen. Einige Maßnahmen sind nun schon im Gange, wie etwa die im Juli 2006 vorgelegte Mitteilung – der Sie Rechnung getragen haben –, eine allgemeine Mitteilung im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie mit der gänzlich politischen Zielsetzung, diese Rechte zu einer politischen Priorität zu machen, wie Frau Angelilli erwähnte.
Andere auf den Weg gebrachte Maßnahmen umfassen die EU-weite Einrichtung einer einheitlichen Telefonnummer 116 000 für Hilfe suchende Kinder. Bei dieser Gelegenheit möchte ich die zahlreichen Mitgliedstaaten, die diese Maßnahme noch nicht in die Praxis umgesetzt haben, auffordern, keine weitere Zeit zu verlieren; mein Appell richtet sich selbstredend nicht an das Parlament, sondern an die Regierungen der Mitgliedstaaten. Diese Entscheidung ist vor über einem Jahr getroffen worden, doch mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten verfügen noch immer über keine wirklich funktionierende Helpline, obwohl es sich um einen Beschluss handelt, dessen Ausführung meiner Meinung nach innerhalb kurzer Zeit möglich gewesen wäre.
Im Oktober vorigen Jahres haben wir mit dem Ratsvorsitz in Lissabon darüber gesprochen, ob es möglich ist, gemeinsam ein europäisches Netz von Frühwarnsystemen einzurichten, das bei Kindesentführungen bzw. beim Verschwinden von Kindern zum Einsatz gebracht werden kann. Wie Sie wissen, haben wir das französische System als Vorbild geprüft, wir haben das belgische Modell untersucht, wir haben zur Kenntnis genommen, dass in Portugal und Griechenland Systeme eingerichtet werden bzw. in den letzten Wochen bereits eingerichtet worden sind, doch halten sich Kindesentführer natürlich nicht an geografische Grenzen, sodass Warnsysteme auch nicht an diesen Grenzen enden können.
Wir haben uns intensiv mit der Internetkriminalität gegen Kinder befasst. Unsere Tätigkeit im Rahmen einer Konferenz von Fachleuten im November letzten Jahres führte zu wichtigen Ergebnissen im Sinne einer technischen Zusammenarbeit, die zu einer Zusammenschaltung elektronischer Systeme zur Vorbeugung und Reaktion gegen Online-Pädophilie führen könnte. Dies ist eine der schrecklichsten Kindesgefährdungen, und da die Bekämpfung der Pädophilie zu den Schwerpunkten von Eurojust und Europol für das Jahr 2007 gehört, ist es heute bekanntlich möglich, zahlreiche im Internet operierende internationale Kinderpornografie-Netzwerke zu zerschlagen.
Ebenfalls im November vorigen Jahres haben wir – wie unter anderem hervorgehoben wurde – einen Fortschrittsbericht über die Implementierung des Rahmenbeschlusses von 2004 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern vorgelegt. In diesem Bericht habe ich, wie Sie sich erinnern werden, darauf hingewiesen, dass dieser aus dem Jahre 2004 stammende und somit vier Jahre zurückliegende Rahmenbeschluss über die sexuelle Ausbeutung von Kindern von einer Vielzahl von Mitgliedstaaten noch nicht umgesetzt worden ist.
Mit dem Europäischen Forum haben wir zweifellos ein nützliches Instrument geschaffen. Die auf dem ersten Forum in Deutschland, das unter dem deutschen Vorsitz veranstaltet wurde, gesammelten Erfahrungen betrafen hauptsächlich den Internet-Missbrauch und Gewalt-Videospiele. Das nächste Europäische Forum für die Rechte des Kindes unter dem slowenischen Vorsitz wird sich mit anderen Themen befassen, insbesondere mit den internationalen Adoptionen. Wir werden die Sachlage prüfen, und wie von Frau Angelilli erhofft, sondieren wir außerdem konkrete Möglichkeiten, Kinder, d. h. Vertreter von Kindern, zur direkten Beteiligung an den Tagungen des Europäischen Forums einzuladen. Sie werden verstehen, dass es schwierig ist, Kinder, die zum Teil noch recht klein sind, zur Teilnahme an diesen Tagungen einzuladen, da eine solche Zielsetzung jedoch beschlossen worden ist, werden wir dieser Empfehlung des Parlaments ebenfalls Folge leisten.
Gegenwärtig entwickeln wir eine kinderfreundliche europäische Website, die in einer für Kinder verständlichen Form gestaltet und aufgebaut sein wird und beispielsweise Möglichkeiten eines nicht aggressiven, nicht provozierenden Schutzes vor den vielen Gefahren für die Sicherheit der Kinder im täglichen Leben aufgezeigt werden; erklärt wird, wie man den Gefahren sozusagen aus dem Weg geht. Über die Agentur für Grundrechte ist wenig gesprochen worden; ich hatte unter anderem vorgeschlagen, die Rechte des Kindes in die vorrangigen Aufgaben des Mehrjahresprogramms dieser Agentur aufzunehmen.
Es bleibt noch viel zu tun. Frau Angelilli hat Recht mit der Feststellung, dass wir uns um die Migrantenkinder kümmern müssen. Mit diesem Thema werden wir uns speziell im Rahmen der europäischen Einwanderungspolitik befassen: In dem allgemeinen Kontext der Migrationsströme sind Kinder oftmals Opfer, sie sind häufig am meisten gefährdet. Die dringend notwendige Durchführung des europäischen Aktionsplans zur Bekämpfung des Menschenhandels muss mit größerem Nachdruck eingefordert werden, vor allem in Bezug auf Kinder und Frauen, denn als die beiden schwächsten Gruppen sind sie es, die oft zu Opfern des internationalen Menschenhandels werden. Wir müssen die Möglichkeiten untersuchen, konkrete Vorschläge und Projekte im Rahmen der europäischen Programme zu finanzieren.
Das neue Programm DAPHNE und das neue Grundrechte-Programm ermöglichen uns beispielsweise auch die finanzielle Unterstützung des europäischen Netzwerks der Kinderbeauftragten. Diesem Netzwerk sowie selbstverständlich auch der Tätigkeit der NRO in diesem Bereich messe ich große Bedeutung bei. Das neue als DAPHNE III bekannte Programm wurde refinanziert und kann als sehr nützliches Instrument dienen.
Abschließend sei bemerkt, dass ich natürlich mehr als bereit und auch bestrebt bin, diese politische Strategie weiterzuentwickeln, auch um für unsere Bürger und Bürgerinnen in einem Bereich, der ihnen besonders am Herzen liegt, konkrete Ergebnisse zu erzielen.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. − (EL) Herr Präsident! Der Schutz der Rechte des Kindes war schon immer Bestandteil der internen und externen Politiken der Europäischen Union. Doch da eine entsprechende Rechtsgrundlage fehlte, waren diese Politiken nur Stückwerk, und aus diesem Grund, Herr Vizepräsident, wird Ihr Vorschlag für die Erarbeitung einer Strategie zum Schutz der Kinderrechte vom Europäischen Parlament wie auch von der Zivilgesellschaft positiv aufgenommen. Wir hoffen, dass das Inkrafttreten des Reformvertrags, der ja die Grundrechtecharta als integralen Bestandteil umfasst, diesem Prozess zugute kommen wird, wie von der Berichterstatterin, Frau Angelilli, die ich zu ihrer sehr geschickten Erarbeitung und Präsentation des heutigen Berichts beglückwünschen möchte, bereits festgestellt wurde.
Dank eines integrierten und koordinierten Ansatzes im Bezug auf den Schutz des Kindes auf europäischer Ebene – der nicht zuletzt auf die zahlreichen interessanten Vorschläge durch die Kommission zurückzuführen ist – wird es möglich, das Kind nicht nur als Opfer, sondern als den Inhaber von positiven Rechten und Pflichten zu sehen, der in einem gesunden familiären Umfeld aufwachsen sollte, in dem seinen materiellen und immateriellen Bedürfnissen entsprochen wird.
Die Achtung der Rechte des Kindes sollte nicht nur durch die Planung von europäischen Maßnahmen gestärkt werden, sondern auch durch den politischen Willen den Mitgliedstaaten, Dazu bedarf es Maßnahmen, die den elementaren Bedürfnissen der Kinder entsprechen und sie vor vielfältigen Gefahren schützen.
Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter hat die Unterstützung der Mutter und der Familie bei der Ausübung ihrer Pflichten in den Mittelpunkt seiner Stellungnahme gestellt. Er fordert zur Unterstützung gefährdeter Gruppen auf, und zwar der Kinder, die durch Missbrauch und einen Mangel an Bildung, Gesundheitsfürsorge, ordnungsgemäßer Ernährung und Möglichkeiten für ihre Entwicklung und die Entfaltung ihres Potenzials gefährdet sind.
Die Vereinbarung von Beruf und Familie seitens der Eltern stellt ein unveräußerliches Recht des Kindes dar sowie eine wertvolle Investition in die Zukunft der Gesellschaft. Die Rechte der Kinder werden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union häufig verletzt, und es kommt nach wie vor zur Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Es existieren geschlechterbezogene Klischeevorstellungen, die für die Ausgrenzung bestimmter Gruppen von Kindern und insbesondere von Mädchen und jungen Müttern verantwortlich sind. Der Schutz von Frauen vor allem während der Schwangerschaft und Kindererziehung muss gewährleistet werden, damit Kinder von Anfang an in den Genuss ihrer Grundrechte kommen.
Irena Belohorská, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. – (SK) Vielen Dank, Herr Präsident. Gleichzeitig danke ich auch Frau Angelilli für ihren Bericht.
Ich begrüße es, dass sich die slowenische Ratspräsidentschaft das Problem von Kindern in bewaffneten Konflikten als eine ihrer Prioritäten auf die Fahnen geschrieben hat. Diese Frage ist auch eines meiner Themen. In meiner Stellungnahme im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten geht es auch um die Notwendigkeit, Kinder bei der Geburt zu registrieren. Kinder, die nicht erfasst werden, sind unsichtbar und werden daher oftmals Opfer von sexuellem Missbrauch oder Menschenhandel. Sie werden gemeinsam mit Erwachsenen eingesperrt und als aktive Kämpfer in bewaffneten Konflikten eingesetzt, weil man nicht feststellen kann, ob sie bereits volljährig sind oder nicht. Die Geburtsurkunde garantiert einem Kind seinen Namen und seine Staatsbürgerschaft sowie beispielsweise Zugang zu medizinischer Versorgung. Ich bedauere nur, dass die Annahme des Berichts erst im Januar erfolgt. Vor dem Sommer wurde über die meisten Stellungnahmen abgestimmt und diese dem Ausschuss vorgelegt. Der Bericht hätte somit also früher angenommen werden können.
Eine Lösung für die Frage der Rechte von Kindern ist dringend nötig. Dies zeigt sich zum Beispiel anhand des jüngsten Falls, als mehr als 100 Kinder aus dem Tschad nach Frankreich gebracht werden sollten. Ziel der Aktion war die Unterstützung der Flüchtlingsfamilien in Darfur. Die Kinder – allesamt Waisen – sollten bei Pflegeeltern in Europa leben. Die UNO bestätigte allerdings, dass es sich in der Mehrzahl der Fälle nicht um Waisenkinder handelte und diese nicht aus Darfur stammten, sondern aus dem Nachbarland Tschad.
Nicht nur Entwicklungsländer haben Bedarf an einer dringenden Lösung für das Problem der Rechte von Kindern, sondern auch wir.
Glenys Kinnock, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte eingangs feststellen, dass nach Ansicht des Entwicklungsausschusses die durchgängige Berücksichtigung der Rechte der Kinder in allen Aspekten der Entwicklungspolitik durch die Kommission unbedingt erforderlich ist, weil er darin einen Beitrag zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele sieht. Ich weiß, dass die Mitteilung der Kommission entsprechende Vorschläge enthält.
Ich möchte ganz klar feststellen, dass wir einen Ansatz brauchen, der sich auf die Rechte der Kinder stützt, und uns davon lösen, Probleme wie Kinderhandel, Entführung und Pornographie in den Mittelpunkt zu stellen, wie das einige meiner Vorredner getan haben. Wir müssen wirklich verstehen, dass wir über die Rechte der Kinder sprechen: die Rechte der Kinder auf Konsultation und Anhörung, die Rechte der Kinder auf Achtung durch die Erwachsenen und das Recht darauf, nicht von Erwachsenen bevormundet zu werden.
Ferner begrüße ich die Tatsache, dass die Rechte der Kinder Eingang in den Vertrag von Lissabon gefunden haben. Das begrüßen wir, denn zur Zeit verfügen nur die Rechte der Tiere über eine solche Rechtsgrundlage in der Europäischen Union, und es war dringend erforderlich, auch die Rechte der Kinder entsprechend zu verankern.
Abschließend möchte ich feststellen, dass es uns bei allem, was wir tun, darum gehen muss, in Europa wie auch in der übrigen Welt das Leben der Kinder zu schützen und für ihr Wohlergehen zu sorgen.
Dimitrios Papadimoulis, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. − (EL) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Frau Angelilli zu ihrer konstruktiven Arbeit beglückwünschen.
Die Strategie für Kinderrechte ist ein positiver Schritt auf dem Weg zu einem koordinierten Ansatz im Hinblick auf sowohl die interne Politik als auch die externen Beziehungen.
Der Beschäftigungsausschuss, dessen Stellungnahme ich verfasst habe und jetzt präsentiere, legt den Schwerpunkt auf die sozialen Aspekte der Verletzung der Rechte von Kindern. Er stellt die Kinderarmut, von der fast jedes fünfte Kind in der Europäischen Union betroffen ist, in den Mittelpunkt. Ferner verweist er auf die Probleme der Kinderarbeit und der sozialen Ausgrenzung und fordert dazu auf, gefährdeten sozialen Gruppen wie Kindern von Zuwanderern, Straßenkindern und Kindern mit Behinderungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir befürchten, Herr Präsident, dass die Welt, in der die Kinder von heute leben werden müssen, möglicherweise schlechter sein wird als die Welt früherer Generationen. Deshalb muss die Europäische Union jetzt handeln und dazu sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten anspruchsvolle Verpflichtungen eingehen, sich entsprechende Ziele setzen und die erforderlichen Ressourcen bereitstellen.
Christa Prets, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur und Bildung. − Herr Präsident! Ich möchte zunächst einmal der Berichterstatterin gratulieren, auch zu der guten Zusammenarbeit. Wir stimmen in vielen wichtigen Aspekten mit all dem, was vorliegt, überein.
Ich möchte aber zwei Punkte herausstreichen, die mir besonders wichtig sind, nämlich erstens das Recht auf Bildung als Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Entwicklung der Kinder. Die Mitgliedstaaten müssen hier einen barrierefreien Zugang schaffen für alle Kinder und Jugendlichen, und zwar unabhängig von ihrer ethnischen und gesellschaftlichen Herkunft sowie ihrem Familienstand. Das heißt auch, dass jede Art von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gegen Kinder verhindert werden muss. Der Start der Helpline sollte so schnell wie möglich forciert werden. Der zweite Punkt, der mir ganz wichtig ist, ist die Förderung der Sprachen als europäisches Kulturgut.
Auch eine Neuerung sollten wir nicht außer Acht lassen: Die Rechte der Kinder umfassen auch, dass wir sie in die neuen Entwicklungen der Ausbildung und Bildung, nämlich auch im Bereich der Medienkompetenz, einbinden und dies als ein ganz wichtiges Bildungsinstrument forcieren.
Kinga Gál, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident. Ich glaube, nur sehr wenige von uns sind nicht in direkter oder indirekter Form von der Frage des Schutzes der Rechte von Kindern betroffen.
Die Gemeinschaftseinrichtungen haben sich schon oft mit unterschiedlichen Aspekten dieser Problematik befasst. Doch sie sind mit dem vorlegenden Ausschuss übereingekommen, dass zusätzlich dazu eine umfassende Strategie erarbeitet werden muss. Es gibt einige spezielle Bereiche, die wir bei der Erarbeitung einer solchen Vision unbedingt berücksichtigen müssen. Dazu zählen beispielsweise das Verbot jeder Art von Gewalt gegen Kinder, die Bekämpfung von Armut und Diskriminierung und das Recht auf Bildung.
Da Herr Frattini in seiner Einleitung erklärte, dass sich die Agentur gerade dieses Bereiches annehmen wird, möchte ich ihm eine Empfehlung geben: Die Kommission könnte die Agentur doch als Erstes ersuchen, die Durchsetzung genau dieses Bereiches, des Bereiches der Kinderrechte, zu untersuchen.
Besonders Besorgnis erregend sind meines Erachtens der sexuelle Missbrauch von Kindern und die enormen Unterschiede, mit denen Kinder von Flüchtlingen in den einzelnen Mitgliedstaaten behandelt werden. Straßenkinder und bettelnde Kinder stellen hier in unserer unmittelbaren Umgebung ein ernstes Problem dar.
Ferner bin ich der Überzeugung, dass die umfassende Durchsetzung der Rechte von Kindern innerhalb der Union vor allem mit einer Neubewertung der Rolle der Familie in diesem neuen Europa einhergehen muss, bei der die Erziehung neben der Bildung einen größeren Stellenwert erhalten muss, damit unsere Kinder in unserer immer unruhigeren Welt neben professioneller Bildung eine Orientierung erhalten. Vielleicht würden sich dann weniger Kinder der Gewalt zuwenden und körperlichen oder psychischen Schaden nehmen. Vielen Dank.
Inger Segelström, im Namen der PSE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Ich möchte zunächst der Kollegin Angelilli sowie allen Schattenberichterstattern danken. Mein Dank gilt aber auch allen Abgeordneten, die dazu beigetragen haben, dass es bald den ersten Beschluss des Europäischen Parlaments zu einer EU-Kinderrechtsstrategie geben wird. Die entscheidende Frage ist die der Beteiligung und Einflussnahme der Kinder. Hier liegt noch mühevolle und wichtige Arbeit vor uns, um dafür zu sorgen, dass dies nicht nur Worte bleiben, sondern auch Wirklichkeit wird. Das erwarten die Kinder und Jugendlichen von uns.
Der in meinen Augen größte Erfolg sind die Vorschläge in Bezug auf Gewalt gegen Kinder. Dabei hat sich der Ausschuss einstimmig hinter meine Forderung gestellt, jegliche Gewalt gegen Kinder, einschließlich körperlicher Züchtigung in der Familie, durch Gemeinschaftsrecht zu verbieten. Das ist ein enormer Erfolg für die Kinder. In meinem Heimatland Schweden, in dem körperliche Züchtigung verboten ist, wissen schon die Kindergartenkinder und alle Jugendlichen, dass Erwachsene Kinder nicht schlagen dürfen. Dass wir jetzt auch die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zur Verhinderung des Missbrauchs von Kindern hervorheben, bedeutet, dass wir verstärkt mit Akteuren wie Banken, Reiseunternehmen, Kreditinstituten und Wechselstuben zusammenarbeiten müssen, um Kinderpornographie, Sextourismus und Ausbeutung von Kindern zu verhindern und das Internet gegen Pädophile zu sichern. Außerdem müssen illegale Websites geschlossen werden können und die Mitgliedstaaten mit Gesetzen gegen den Sexhandel vorgehen, um dafür zu sorgen, dass Kinder nicht zu einer Handelsware werden.
Das schwierigste Problem, dass wir im Ausschuss hatten, betraf die Adoption. Ich bin sehr zufrieden, dass wir uns jetzt darauf geeinigt haben, dass ein Kind ein Recht auf Familie hat, unabhängig davon, ob es sich dabei um Blutsverwandte, eine Pflegefamilie oder eine durch nationale oder internationale Adoption zustande gekommene Familie handelt. Entscheidend muss das Wohl des Kindes sein, nicht das der Erwachsenen. Wir erinnern uns noch alle an die Geschehnisse in Kinderheimen in Rumänien und Guatemala, wo Kinder für Adoptionen entführt wurden. Kinder sind keine Handelsware.
Jetzt ist es an der Kommission, die klugen Ideen aufzugreifen, die wir hier im Parlament erarbeitet haben, und dann konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie wir die Rechte der Kinder verankern können, die jetzt, mit dem neuen Vertrag von Lissabon in der EU, zu einem gesetzlich festgelegten Ziel werden. Mit dem neuen Vertrag von Lissabon muss die EU zuhören und dafür sorgen, dass die Rechte der Kinder in ihre Arbeit integriert werden. Das muss natürlich auch in globaler Hinsicht gelten, in der Entwicklungsarbeit, der Kultur sowie in allen anderen Bereichen. Kinderarmut wird natürlich ein zentrales Thema sein, aber auch das Leben von Kindern im Krieg und alle Arten von gesundheitlichen Risiken. Ich bin stolz darauf, an dieser Arbeit im Parlament teilgenommen zu haben, zu der wir morgen einen Beschluss fassen werden.
Siiri Oviir, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ET) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich, dass die Aussprache über die EU-Kinderrechtsstrategie endlich auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments steht, denn eine Politik, die Kinderrechte fördert, legt das Fundament der Gesellschaft von morgen.
Das Wohlergehen der Gesellschaft und des Staates hängt von den Werten und Prinzipien der künftigen Eltern ab. Mein Dank gilt der Berichterstatterin für die Konzipierung eines derart umfassenden Papiers.
Es ist richtig, dass die in dem UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes und in den Zusatzprotokollen zu diesem Übereinkommen verankerten Prinzipien als Grundlage für die Erarbeitung einer EU-Kinderrechtsstrategie dienten. Allerdings muss diese Strategie wirkungsvoller und in allen 27 Mitgliedstaaten anwendbar sein, sie muss genauere Bestimmungen zur Durchführung von Maßnahmen enthalten, deren Umsetzung sowohl mit Mitteln der Mitgliedstaaten als auch der Europäischen Union gefördert wird.
Die Strategie ist inhaltsreich, und ich habe nicht die Zeit, auf jeden einzelnen Aspekt einzugehen. Herausstellen möchte ich nur eine positive Initiative, die aber in jeder Hinsicht wirksam ist, nämlich die Empfehlung in der EU-Kinderrechtsstrategie zur Einrichtung einer Notrufnummer für Kinder in der gesamten Europäischen Union. Bei uns in Estland gibt es jetzt seit drei Jahren eine solche Nummer für Kinder, und ich kann Ihnen versichern, dass sie gut funktioniert.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Zielgruppen lenken, da der Schutz der Rechte dieser Gruppen meiner Ansicht nach stärker im Blickpunkt unserer Überlegungen stehen sollte.
Die erste Zielgruppe sind behinderte Kinder. Ich habe den Eindruck, dass wir in unserer Kinderrechtsstrategie den Schutz der Rechte von Kindern mit Behinderungen vermehrt in den Mittelpunkt rücken müssen und dass auch ihnen wie auch allen anderen Zielgruppen wirklich gesicherte Möglichkeiten und Chancengleichheit geboten werden, damit sie aktiv in das gesellschaftliche Leben einbezogen werden.
Als zweiten Bereich möchte ich den Schutz der Rechte der Kinder hervorheben, deren Eltern sich nicht um sie kümmern. Alle Kinder haben zweifelsohne Anspruch auf eine Familie. Da heute nicht alle Kinder im Schoße der Familie aufwachsen können, leben manche in Kinderheimen. In unserem Papier finden Kinder, die die Kinderheime im Alter von 18 oder 19 Jahren verlassen, nicht genügend Beachtung: Rechtlich gesehen sind sie erwachsen, aus sozialer Sicht jedoch nicht. Und darauf sollten wir unser Augenmerk immer stärker richten.
Bogusław Rogalski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments, der sich schon seit einigen Jahren für den Schutz der Kinderrechte einsetzt, stimme ich sehr gern für Frau Angelillis Bericht im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie.
Die Verletzung der Rechte der Kinder, Gewalt gegen Kinder und Kinderhandel zum Zwecke rechtswidriger Adoption, Prostitution, rechtswidriger Arbeit oder Straßenbettlerei sind in der EU noch immer ein großes Problem. Jede Kinderrechtsstrategie sollte ihre Wurzeln in den Werten und Grundsätzen haben, die in dem UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes festgelegt sind, insbesondere was den Schutz vor jeder Form von Diskriminierung anbelangt.
Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen wie auch das Recht, im Kulturkreis der Eltern aufzuwachsen und die Sprache beider Elternteile zu lernen. Diese Rechte werden vom Jugendamt in Deutschland immer wieder verletzt, wenn es um Kinder geht, deren einer Elternteil Ausländer ist. Bei Scheidungen lässt das Jugendamt nichts unversucht, um dem Elternteil, der nicht aus Deutschland stammt, das Sorgerecht zu entziehen. Den Kindern wird das Recht verwehrt, die Sprache des anderen Elternteils zu lernen, und beim begleiteten Umgang darf in keiner anderen Sprache als Deutsch kommuniziert werden. Wie es in offiziellen Dokumenten heißt, sei Zweisprachigkeit für Kinder schädlich. Über 250 Beschwerden über Maßnahmen des Jugendamtes sind beim Petitionsausschuss eingegangen. Obwohl die Europäische Kommission vor einem Jahr festgestellt hat, dass die Maßnahmen des deutschen Jugendamtes gegen Artikel 12 des EG-Vertrags verstoßen, der jegliche Diskriminierung verbietet, geht der deutsche Staat in seinen diskriminierenden Praktiken gegenüber Kindern von Ausländern jetzt noch strenger vor, und das ist absolut skandalös.
Ich hoffe, dieser Bericht, der den Standpunkt des Europäischen Parlaments widerspiegelt, wird dazu beitragen, der Diskriminierung in diesem Bereich ein Ende zu setzen.
Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie sind auch nicht so genannter natürlicher Teil der Familie oder der Gesellschaft, sondern sie sind eigene Rechtspersonen mit eigenen Rechten.
Alle EU-Mitgliedstaaten haben die bahnbrechende UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, aber wir stehen in Europa in vielen Bereichen erst am Anfang. Ein Lichtblick ist es, dass die Europäische Kommission die Rechte der Kinder auf die Agenda setzt, aber der Vorschlag der Kommission ist uns noch zu viel Lyrik und zu wenig konkrete Maßnahmen.
Ich freue mich, dass durch den Bericht – und noch einmal meine Glückwünsche an die Berichterstatterin – diese Empfehlung der Kommission mehr mit Leben ausgefüllt wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Kommission ihre Hausaufgaben macht und im Grünbuch „Kinderrechte 2008“ konkreter wird. Wir brauchen Indikatoren zur Umsetzung von Kinderrechten und genaue Zeitpläne.
Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen, die mir am Herzen liegen, nämlich die Rechte der Mädchen, insbesondere der Mädchen mit Migrationshintergrund. Die Verwirklichung der Rechte der Kinder ist immer auch eine Frage der Gleichstellung, der Geschlechtergerechtigkeit zwischen Mädchen und Jungen, und das hat sich ja auch in diesem Bericht gezeigt. Einen Punkt möchte ich herausgreifen: Ich bin froh, dass der Ausschuss und auch die Berichterstatterin unserem Vorschlag gefolgt sind, wonach in den EU-Mitgliedstaaten zumindest in der Grundschule das Kopftuch für Mädchen verboten werden soll, damit die Mädchen eine echte Wahlfreiheit haben und das Recht auf Kindheit gewahrt wird. Es gibt auch keine Rechtfertigung für Schulverbote für Mädchen mit Migrationshintergrund.
Zweitens: Was mir am Herzen liegt, ist Gewalt gegen Kinder und die zunehmende Verwahrlosung. Hier gilt es, die Medienkompetenz bei Kindern zu stärken. Die Verbreitung von Pornos und Gewalt über Handys hat erschreckend zugenommen, und dies führt zu Abstumpfung und in eine Gewaltspirale, die sich immer schneller dreht. Ich bitte Sie, Herr Frattini, wirklich genau zu prüfen, wie der Jugendschutz im Medienbereich verbessert werden kann und wie wir Kinder besser vor Gewalt schützen können.
Drittens: Ökologische Kinderrechte – ein Thema, das noch niemand angesprochen hat –, also das Recht eines jeden Kindes, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen. Die Kommission hat leider in der Kinderrechtestrategie nicht berücksichtigt, dass wir die Schadstoffgrenzwerte künftig mehr an Kindern ausrichten sollten, und nicht nur an den Erwachsenen. Das gilt für Lärm und andere Stoffe. Ich bitte Sie also, auch die ökologischen Kinderrechte aufzunehmen, denn die Kinder sind die Bürgerinnen und Bürger von morgen. Wir alle sind in der Verantwortung, dass das europäische Haus auch ein Haus der Kinder ist!
Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Frau Angelilli für ihre aufgeschlossene Haltung gegenüber einem Thema danken, das von großer Bedeutung ist: Eine Gesellschaft, die ihre Kinder willkommen zu heißen versteht, wird alle ihre Bürger freundlich aufzunehmen wissen. Desgleichen vollziehen wir heute in diesem Parlament einen meines Erachtens sehr wichtigen Schritt, denn Institutionen, die sich der Belange Minderjähriger anzunehmen vermögen, werden zweifellos besser imstande sein, sich um die Belange aller europäischen Bürger zu kümmern.
Der vorliegende Bericht enthält nach meinem Dafürhalten zahlreiche interessante und anregende Ideen, die der Kommission auch als Wegweiser für künftige Schritte dienen, die wir noch erwarten. Es gibt einige Punkte, die meiner Meinung nach herausgestellt werden müssen, insbesondere die Notwendigkeit, unbegleiteten Minderjährigen in Auffanglagern für Migranten große Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat bei einer Besichtigung solcher Lager festgestellt, dass in vielen Ländern wie beispielsweise Frankreich, Belgien und Italien zahlreiche unbegleitete Minderjährige, zahlreiche Kinder in diesen Lagern unter unmenschlichen und entwürdigenden Verhältnissen – die übrigens für kleine Kinder ebenso wie für alle Männer und Frauen unzulässig sind – interniert sind.
Wir betonen, dass dieser Punkt unbedingt mit Nachdruck behandelt werden muss. Zudem muss unseres Erachtens das Augenmerk auf die Vermeidung von Kinderarbeit gerichtet werden. Kinderarbeit ist häufig mit Ausbeutung und Armut verbunden. Deshalb muss dieses Parlament einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Verhältnisse in der Europäischen Union leisten.
Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich habe sehr viel zu den Rechten des Kindes zu sagen. Zunächst einmal begrüße ich die Änderungsanträge zu diesem Bericht, die die Familie und deren Bedeutung für die Entwicklung des Kindes in den Mittelpunkt stellen. Ich möchte auf das Primat der Eltern – und nicht des Staates – als Vormund von Kindern verweisen und deshalb betonen, dass Familien bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt werden müssen. Der Staat sollte die Eltern in Bezug auf den Schutz und die Förderung der Kinder unterstützen und die Eltern nur dann ablösen, wenn diese nicht bereit oder in der Lage sind, für ihre Kinder zu sorgen.
Was Behinderungen angeht, so möchte ich den Bericht dafür loben, dass die Achtung und Gleichbehandlung von Kindern mit Behinderungen fordert. Ich selbst habe viele Kinder und deren Eltern vertreten, die für eine gesicherte Bildung ihrer Kinder kämpften. Einer der größten Mängel des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das dieser Strategie zugrunde liegt, besteht darin, dass es zwar die Grundschulbildung für alle Kinder garantiert, aber spezielle Bildungsangebote für behinderte Kinder „im Rahmen der verfügbaren Mittel“ bereitgestellt werden sollen. Diese fünf Worte hindern Kinder mit speziellen Bedürfnissen in meinem Land daran, die Hilfe zu bekommen, die sie brauchen.
In Änderungsantrag 3 geht es um Kinder in der EU, die ehemals in Heimen betreut wurden. Auf diese wichtige Problematik sind viele Europaabgeordnete durch den Dokumentarfilm der BBC „Bulgaria’s abandoned children“ aufmerksam geworden, bei dem Heime für behinderte Kinder im Mittelpunkt standen. Am 4. März 2008 wird eine Aufführung dieses Dokumentarfilms in Anwesenheit des Regisseurs stattfinden, zu der ich alle meine Kollegen einladen möchte.
Die EU hat kürzlich gegen einen Änderungsantrag gestimmt, der dem Haushaltsausschuss vorgelegt worden war und darauf abzielte, EU-Mittel, die für Heime vorgesehen waren, in Leistungen auf der Ebene der Kommune und der Familie umzulenken. Dieser Antrag ist gescheitert. Wir müssen unseren Ansatz zur Deinstitutionalisierung konsequent verfolgen und die Kinder in die Gesellschaft integrieren, und wir müssen künftig mehr Mittel für kommunale Ansätze zur Verfügung stellen.
Ich begrüße ferner die konsequente Linie, die das Parlament in Bezug den Kinderhandel verfolgt. Besonders zu erwähnen wäre hier Änderungsantrag 1. Man kann sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als ein Kind, das seiner Familie einfach weggenommen wird, sei es für militärische oder sexuelle Zwecke, als Arbeitskraft oder um einem Paar den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen.
Ich möchte auch den Handel mit Babys vor und nach der Geburt zum Zweck der Entnahme von Organen und Zellen erwähnen und meine Kollegen daran erinnern, dass sich die Präambel des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes auf Kinder sowohl vor als auch nach der Geburt bezieht.
Ich freue mich, dass der Bericht auch Zuwandererfamilien und unbegleitete Minderjährige berücksichtigt. Angesichts der multikulturellen Entwicklung müssen wir auch künftig darauf verweisen, dass wir unbedingt alle Kinder in unsere sich ständig wandelnde Gesellschaft einbeziehen müssen. So schön es ist, dass die Arbeitsmigration es Eltern ermöglicht, im Ausland zu arbeiten, mehr zu verdienen und besser für ihre Familien zu sorgen, so sollten wir doch eine Gerechtigkeit anstreben, die eine solche Trennung nicht erforderlich macht und es den Familien ermöglicht, gemeinsam in ihrem Heimatland oder einem Land ihrer Wahl zu leben.
Ich komme jetzt zu den sexuellen und reproduktiven Rechten, die in sechs Artikeln erwähnt werden. Ich bin persönlich verantwortlich für sechs Mädchen und zwei Jungen im Teenageralter. Natürlich müssen sie sexuell aufgeklärt werden, aber vor allem müssen sie wissen, dass sie sehr wertvolle, sich in der Entwicklung befindende Menschen sind, Personen mit einer Würde und einer Zukunft, die einen unverwechselbaren Beitrag zu ihrer Gemeinschaft und Familie leisten können. Die häufig im Namen der sexuellen und reproduktiven Rechte propagierte Botschaft, dass sie nicht verantwortlich und wandelnde Desaster sind, die zur Schadensbegrenzung auf die Hilfe von Erwachsenen angewiesen sind, und dass sie diese Hilfe ohne negative Auswirkungen für sich und ohne Wissen der Eltern erhalten können, nützt den Jugendlichen gar nichts. Jugendliche sollten die Unterstützung von Personen erhalten, die älter sind als sie, die sie lieben und die selbst einmal jung waren.
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
VORSITZ: MAREK SIWIEC Vizepräsident
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht meiner Kollegin ist hervorragend, und Maßnahmen der Union sowie eine Strategie zum Schutz der Rechte des Kindes halte ich für vordringlich. Es muss anerkannt werden, dass Minderjährige Rechte besitzen und dass auch diesbezügliche Politiken und Maßnahmen erforderlich sind, um das Leben des Individuums von der Empfängnis an zu schützen.
In dem Bericht werden weitere Vorkehrungen sowie – was von niemandem widersprochen werden kann – die Bekräftigung der Rechte des Kindes als Bestandteil der für die Union und ihre Mitgliedstaaten verbindlichen Rechte gefordert, für die es einer spezifischen Rechtsgrundlage bedarf.
Lassen Sie mich unter den zahlreichen akuten Problemen, mit denen Kinder konfrontiert sind, die erschreckende Zahl verschwundener Kinder hervorheben; Fälle dieser Art enden oft tragisch infolge sexueller Ausbeutung und Gewalt im Zusammenhang mit Kinderpornografie. Die Union darf meiner Meinung nach nicht zulassen, dass in einem ihrer Mitgliedstaaten irgendeine Form von Pädophilie in irgendeiner Weise toleriert wird, und sie muss das Recht, dafür zu werben und sie zu praktizieren, natürlich untersagen.
Edit Bauer (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Angesichts der demografischen Krise ist das Leben eines jeden Kindes sehr wertvoll. Wir können nicht auf der einen Seite auf einen Anstieg der Geburtenrate drängen und dann auf der anderen Seite nicht für die erforderlichen Lebensbedingungen, gleiche Chancen und die geistige und körperliche Entwicklung der geborenen Kinder sorgen.
Deshalb halte ich Herrn Frattinis Zusicherung, der Gewährleistung der Rechte von Kindern in der Unionspolitik horizontale Priorität einzuräumen, für äußerst wichtig. Im Bericht, zu dem ich Frau Angelilli beglückwünschen möchte, wird zu Recht auf bestimmte Probleme verwiesen, die der dringenden Lösung bedürfen.
Die Kinderarmut hat erschreckende Ausmaße angenommen. Wie einige meiner Vorredner schon sagten, lebt jedes fünfte Kind in Armut, und natürlich besteht hier ein enger Zusammenhang mit dem frühzeitigen Abgang von der Schule. Wir können nicht die Augen verschließen vor der Lage, in der sich Tausende von obdachlosen und Straßenkindern in den Mitgliedstaaten der Union befinden, von denen viele zum Betteln, Stehlen, zu illegaler Arbeit und zur Prostitution gezwungen sind.
Einer kürzlich von der UNICEF veröffentlichten Studie zufolge gibt es kein Land und auch kein EU-Land, das nicht vom Kinderhandel betroffen ist. Wir wissen wenig über die Kinder, deren Zahl auf mehrere Hundert geschätzt wird, die jedes Jahr aus Kinderheimen und Flüchtlingslagern verschwinden. Die Gewalt gegen Kinder und die Zunahme der Aggression unter Kindern gibt Anlass zu berechtigter Sorge.
Herr Präsident, nach dem Vertrag von Lissabon garantiert Artikel 24 der Charta der Grundrechte die Rechte des Kindes. Der Bericht, dessen Annahme ich befürworte, ist ein erster ernsthafter Schritt der Institutionen der Union einschließlich des Parlaments zur konsequenteren Gewährleistung der Rechte des Kindes und zur Verbesserung ihrer Lage. Bleibt zu hoffen, dass auch die Mitgliedstaaten diesbezüglich alles in ihren Kräften Stehende tun werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Martine Roure (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich begrüße, dass die Kommission die Einführung einer EU-Kinderrechtsstrategie vorschlägt.
Denn ein Großteil der Unionspolitiken betrifft die Kinder, so dass es erforderlich ist, eine spezifische Aktion zum Schutz ihrer Rechte und zu ihrer aktiven Einbeziehung vorzusehen.
Besonders erfreut bin ich, dass das Parlament die Definierung von „gefährdeten Kindern“ fordert, denn dies wird es uns ermöglichen, Kindern in einer sozialen Situation, die ihre geistige oder körperliche Unversehrtheit gefährdet, spezielle Hilfe angedeihen zu lassen.
Gleichzeitig dürfen wir die in Armut lebenden Kinder nicht ihrem Schicksal überlassen. Diese Kinder erhalten nicht immer den Schutz, den sie brauchen, denn ihre Eltern haben nicht die Mittel dazu. Sie brauchen besondere Hilfe, damit sie nicht sozial ausgegrenzt werden, und die Mitgliedstaaten müssen dafür verantwortlich sein, allen Kindern unabhängig von der sozialen oder rechtlichen Stellung der Eltern den Zugang zu gesundheitlicher Betreuung und Bildung zu sichern, um in der Praxis die Chancengleichheit für alle zu gewährleisten.
Ich möchte auch besonders auf die spezielle Lage von Migrantenkindern verweisen. Die administrative Ingewahrsamnahme von Kindern ist inakzeptabel. Wir können nicht verstehen, dass Menschen, die vor Krieg und Verzweiflung flüchten, als Kriminelle angesehen werden und gleich gar nicht Kinder, die alle nach der Kinderrechtskonvention Schutz und Bildung erhalten müssen.
Ona Juknevičienė (ALDE). – (LT) Anerkanntermaßen sind Kinderrechte Teil der Menschenrechte, die wir im Rahmen internationaler und europäischer Vereinbarungen beachten müssen. Die Rechte des Kindes werden in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt. Sie sollten auch Teil des Reformvertrages werden und ihre Einhaltung damit für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Herr Kommissar Frattini! In Ihrer Mitteilung verlautbaren Sie, die Situation in der Union im Hinblick auf den Schutz der Kinderrechte sei nach wie vor nicht befriedigend. Doch meines Erachtens ist sie furchtbar. Nahezu ein Fünftel aller Kinder lebt in Armut. Fast die Hälfte aller Familien in Litauen, die aus einem Erwachsenen und abhängigen Kindern bestehen, ist arm. Darüber hinaus stehen uns keine Statistiken zur Verfügung, wie viele Kinder in der erweiterten Gemeinschaft ohne Eltern aufwachsen, weil diese auf der Suche nach Arbeit abgewandert sind und ihre Kinder ohne angemessene Aufsicht und Pflege zurückgelassen haben.
Schockiert lesen wir über sexuelle und psychologische Gewalt gegen Kinder. Wir haben Mitleid mit Straßenkindern und legen eine Münze in die Hände der kleinen Bettler. In den meisten Fällen tun wir jedoch nichts, weil es einfacher ist, wegzusehen, unsere Augen zu verschließen und zu beharren, es sei nicht unsere Schuld, sondern andere trügen dafür die Verantwortung. Herr Kommissar Frattini! Nach Ihren Aussagen sind die einzelnen Staaten zuständig und Sie wollen sich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen. Brüssel mischt sich in viele Angelegenheiten der Mitgliedstaaten ein: Uns ist es wichtig, die Landwirtschaft, Binnenmärkte, Kapitalflüsse zu regulieren. Unserer Ansicht nach handelt es sich dabei um Probleme von grundlegender Wichtigkeit. Nach meinem Dafürhalten sollten die Menschenrechte und vor allem Kinder unser vorrangiges Interesse genießen. Sie sind unsere Zukunft. Meiner Meinung nach sollte speziell die Europäische Union Verantwortung für die Gewährleistung der Menschenrechte und vor allem der Kinderrechte übernehmen. Ich lehne ein Dokument ab, in dem man sich lediglich sorgt, das erinnert und ermutigt. In dieser Frage müssen wir uns, und das ist meine Überzeugung, aktiv um unsere Bürger kümmern.
Wojciech Roszkowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Frau Angelilli zu ihrem ausgezeichneten Bericht über ein für die Zukunft der Europäischen Union überaus wichtiges Thema beglückwünschen. Die meisten Vorschläge in diesem Bericht verdienen zweifellos unsere Unterstützung, doch habe ich auch einige Bedenken.
Erstens: In dem Bericht wird der Grundsatz der Gleichheit von Mädchen und Jungen erörtert und damit gewissermaßen impliziert, dass sie identisch sind, während alle Eltern wissen, dass Mädchen und Jungen verschieden sind und unterschiedlich erzogen werden müssen, um den Grundsatz der gleichen Würde zu befolgen. Zweitens: Im Hinblick auf die Rechte der Kinder stellt die steigende Zahl alternativer Familienmodelle, die in dem Bericht behandelt werden, eine Gefahr dar, gegen die etwas unternommen werden muss. Diese Gefahr wird im Bericht nicht erwähnt. Drittens: In Ziffer 167 wird dazu aufgefordert, für Sexualerziehung von Kindern und Jugendlichen Sorge zu tragen. Ziffer 163 und 164, in denen von dem Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit die Rede ist, sind überflüssig, es sei denn, hinter diesen Begriffen verbirgt sich das Recht auf Abtreibung.
Hier wird deutlich, dass die Rechte der Kinder, die bereits auf der Welt sind, nicht losgelöst von den Rechten der Ungeborenen betrachtet werden dürfen. Auch wenn sie ihr Leben als Embryo beginnen, werden doch unweigerlich Kinder aus ihnen, und wenn irgendjemand daran zweifelt, möge er sich daran erinnern, dass wir alle einmal Embryos waren.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL). – (PT) In diesem Redebeitrag von einer Minute möchte ich unterstreichen, dass nach meinem Dafürhalten die oberste Priorität der Europäischen Union in Bezug auf die Kinder darin bestehen muss, die Auswirkungen ihrer Strategie auf die Durchsetzung bzw. Nichtdurchsetzung der Kinderrechte, vor allem was die rasche und deutliche Verringerung der Kinderarmut anbelangt, zu bewerten, wobei allen Kindern die gleichen Chancen geboten werden müssen.
In diesem Zusammenhang möchte ich als Beispiel die folgenden Fragen stellen: Welche Auswirkungen hat die Geldpolitik der Europäischen Union und ihr Ziel der Preisstabilität, oder besser gesagt, der Lohnzurückhaltung auf die Nichtdurchsetzung der Rechte der Kinder? Welche Auswirkungen haben die Flexicurity der Europäischen Union, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Erleichterung von Entlassungen, die zunehmend unsicheren Beschäftigungsverträge, die Erhöhung der Arbeitszeit und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten auf die Nichtdurchsetzung der Rechte der Kinder? Welche Auswirkungen hat die gegenwärtige Politik der Europäischen Union zur Förderung der Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, einschließlich Gesundheits- und Bildungswesen, auf die Nichtdurchsetzung der Rechte der Kinder? Dies sind einige Beispiele dafür, was das geeignetste, notwendigste und dringlichste Mainstreaming der Europäischen Union in Bezug auf die Kinderrechte wäre.
Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Kommissar, meine Damen und Herren Abgeordneten! Gewalt gegen Schutzlose ist ganz besonders verurteilenswert. Gewalt gegen Kinder ist ausgesprochen widerlich. Wir brauchen gemeinschaftliche Rechtsvorschriften, die jedwede Form von Gewalt, ob körperliche, psychologische oder sexuelle, verbieten. Es wurden bereits die UNICEF-Daten für das Jahr 2003 erwähnt, denen zufolge in Ländern der Gemeinschaft wie beispielsweise Frankreich wöchentlich drei Kinder aufgrund von Missbrauch oder Vernachlässigung sterben, während in anderen Ländern wie Deutschland oder dem Vereinigten Königreich diese Zahl bei ca. zwei pro Woche liegt.
Ich begrüße das Engagement der Mitgliedstaaten und der Institutionen der Europäischen Union bei der Umsetzung der in den letzten Jahren zahlreicher gewordenen politischen Maßnahmen zugunsten von Kindern. Gleichwohl sind die bestehenden Gesetze, Politiken und Strukturen nach wie vor unzureichend, um all den im Zusammenhang mit dem Schutz der Kinder aufgeworfenen Fragen gerecht zu werden, ob diese nun Opfer von Armut, Kinderhandel, familiärer Gewalt, sexuellem Missbrauch, Pornographie, Kinderarbeit oder des im 21. Jahrhundert andauernden Dramas der Kindersoldaten sind.
Deshalb beglückwünsche ich Herrn Frattini zu dieser Initiative, die zeigt, dass der notwendige Wille vorhanden ist, sie zu einer Priorität der EU zu machen und eine generelle Strategie der Union zur effektiven Förderung und zum Schutz der Kinderrechte im Rahmen der internen und externen Politiken der Union zu entwickeln. Ich begrüße es darüber hinaus, dass die Rechte des Kindes als eines der Ziele der Union in den Vertrag von Lissabon einbezogen werden und so eine neue Rechtsgrundlage zur Verteidigung dieser Rechte geschaffen wird.
Es ist in der Tat notwendig, die Prävention und die Informationskampagnen zu verbessern sowie die sozialen Rechte für die Hilfe der Opfer zu stärken. Intensiviert werden müssen auch grenzübergreifende Operationen gegen kinderpornographische Internetseiten, mit dem Ziel, diese Seiten zu schließen und diese kriminellen Netzwerke aufzudecken. Das Internet bietet den Kindern fantastische Möglichkeiten, zu kommunizieren und Informationen zu bekommen, aber wir müssen gewährleisten, dass sie das sicher tun können.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Unsere Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten. Sie haben ein unverletzbares Recht auf den Schutz ihrer Grundrechte, und das heißt: keine erniedrigende Behandlung und Gewalt, keine unmenschlichen Arbeitsbedingungen, keine Ausgrenzung von Bildung, keine Armut, keine sexuelle Ausbeutung und kein sexueller Missbrauch, keine Kindersoldaten im Krieg. Und für Kinder sind diese universellen Werte noch wichtiger als für Erwachsene. Erstens deshalb, weil sie definitionsgemäß jung und gefährdet sind. Zweitens weil ihre Eltern, Lehrer oder Geistliche und alle jene, mit denen sie in Kontakt kommen, sich Kindern gegenüber stets in einer Position der Verantwortung befinden, und drittens weil alles, was in der Kindheit schief geht, schwer wiegende Auswirkungen auf die Zukunft des Kindes hat.
Das sind die Rechte, zu deren Unterstützung wir heute aufgerufen sind. Ich möchte mich auf zwei davon konzentrieren:
Erstens sind die Kinder von Zuwanderern vielleicht am stärksten gefährdet. Zumindest müssen die in unseren Ländern geborenen Kinder sofort deren Nationalität erwerben. Sie sollten nicht von Geburt an stigmatisiert werden und natürlich unabhängig vom Status ihrer Eltern die Schule besuchen, und sie sollten nicht zur sozialen Ausgrenzung verurteilt sein.
Zweitens geht es mir um den Schutz der Kinder im Internet: Kinder, die oft arglos im Internet surfen und mit Fremden chatten, und Kinder, die Opfer der sexuellen Ausbeutung werden – Waren in einem sehr profitablen Geschäft. Herr Präsident, das Internet ist der neue Dorfplatz. So wie Eltern ihre Kinder davor warnen, auf dem Dorfplatz mit Fremden zu sprechen, so müssen sie darüber aufgeklärt werden, dass auch im Internet eine ähnliche Vorsicht und ähnliche Warnungen notwendig sind. Europa sollte einen Beitrag zu dieser Aufklärung leisten und entsprechende Hotlines für Eltern und Kinder einrichten.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich unterstütze praktisch sämtliche Empfehlungen, die in diesem ausgezeichneten Bericht gegeben werden. Vor allem teile ich die Ansicht, dass die künftige Strategie der EU die wichtige Rolle der Familie als grundlegende Institution in der Gesellschaft für das Überleben, den Schutz und die Entwicklung des Kindes anerkennen sollte.
Ich unterstütze auch das Recht eines jeden Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen. Ich befürworte ohne jede Einschränkung die im vorliegenden Bericht unterbreiteten Vorschläge, eine kinderfreundliche Gesellschaft zu schaffen, in der sich Kinder behütet und als wichtige Akteure fühlen können.
In Ziffer 27 werden die Kommission und die Mitgliedstaaten aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte geistig behinderter Kinder in Bezug auf den Zugang zu Bildung zu ergreifen. In Irland haben sie Anspruch auf eine angemessene Primarschulbildung, die allerdings von der Verfügbarkeit entsprechender Mittel abhängt. In der Realität bedeutet das oft, dass sie keine angemessene Primarschulbildung erhalten.
In Ziffer 27 wird ferner gefordert, dass geistig behinderte Kinder Zugang zu Gerichten haben sollen. Wir hatten in Irland unlängst den Fall eines jungen Mädchens mit Down-Syndrom, das sexuell missbraucht worden war, und dennoch entschied der Richter, dass sie nicht in der Lage war, dem Schwurgericht die Wahrheit zu sagen. Er unterzog sie im Gerichtssaal mit Unterstützung der Anklagevertreter einem Test. Während dieses Tests waren der Beschuldigte und seine Anwälte anwesend, während die Familie des Mädchens den Saal verlassen musste. Solange nicht alle Kinder sicher sein können, dass sie ein uneingeschränktes Recht auf Zugang zu den Gerichten genießen, lassen wir unsere Kinder im Stich.
Abschließend möchte ich eine kurze Frage an den Kommissar richten. Die jüngste Entscheidung, die Rechte des Kindes als eines der Ziele der EU in den Vertrag von Lissabon einzubeziehen, wird eine neue Rechtsgrundlage für die Rechte des Kindes schaffen. Könnte der Kommissar vielleicht ganz kurz etwas zu den praktischen Ergebnissen sagen, die er in diesem Zusammenhang erwartet? Ich stelle diese Frage vor allem in Anbetracht des in Irland anstehenden Referendums über den Vertrag von Lissabon.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte auf ein Problem aufmerksam machen, dass in Ziffer 118 des Berichts angesprochen wird und die Einschränkung des Rechts der Eltern auf Kontakte mit ihren Kindern in zerrütteten multinationalen Familien betrifft.
Besonders krasse Fälle in Bezug auf die Maßnahmen des Jugendamtes gibt es in dieser Hinsicht in Deutschland. Eltern, die nicht deutsche Staatsbürger sind, wird hier das Recht verwehrt, in ihrer eigenen Sprache mit ihren Kindern zu sprechen. In extremen Fällen wird ihnen sogar das Sorgerecht entzogen.
Die Vorschriften, auf deren Grundlage das Jugendamt ins Leben gerufen wurde, stammen aus dem Jahr 1939 – ich wiederhole: aus dem Jahr 1939 –, und gelten nahezu unverändert im Rahmen des bestehenden Rechts immer noch. Diese Einrichtung handelt im Interesse des so genannten Wohles des Kindes, aber dieser Begriff ist nirgends definiert, so dass er beliebig ausgelegt werden kann. In Verfahren begünstigt das Jugendamt Eltern deutscher Abstammung. Bedenklich ist auch, dass es keiner unabhängigen Kontrolle unterliegt. Deshalb ersuche ich die Europäische Kommission, Regelungen vorzuschlagen, auf deren Grundlage jegliche Diskriminierung in den Einrichtungen der Mitgliedstaaten, wie sie gegenwärtig in Deutschland zu beobachten ist, verhindert werden kann.
Tadeusz Zwiefka (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich feststellen, dass ich mit Frau Foltyn-Kubicka völlig einer Meinung bin.
Die Gesetzgeber der Europäischen Union messen dem Schutz der Rechte der Kinder wachsende Bedeutung bei. Gleichzeitig steigt jedoch die Zahl der Bereiche in der Zuständigkeit der Union, die direkten Einfluss auf die Rechte des Kindes haben. Deshalb nehme ich auch mit Genugtuung die Mitteilung der Kommission über die Einführung einer Kinderrechtsstrategie zur Kenntnis. Das Anliegen, dieser Frage, das heißt der Anerkennung der Kinder als vollwertige Rechtssubjekte, in der Europäischen Union Vorrang einzuräumen, verdient unsere volle Unterstützung. Die vorsichtige Formulierung im Titel des Berichts, wo es „im Hinblick auf eine Kinderrechtsstrategie“ und nicht einfach „eine Kinderrechtsstrategie“ heißt, deutet auf weitere Schritte in Form öffentlicher Anhörungen hin, die dazu beitragen könnten, die maßgeblichen Prioritäten für das künftige Handeln der Union zu bestimmen.
Bislang hat die Europäische Union keine spezielle Rechtsgrundlage für die Rechte des Kindes geschaffen. An dieser Stelle möchte ich meine Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, denn mit der Ratifizierung des Verfassungsvertrags hätte in Artikel I-3, in dem direkt auf die Rechte des Kindes Bezug genommen wird, ein besser geeigneter Rechtsrahmen eingeführt werden können. Der Schutz der Rechte des Kindes ist im Vertrag von Lissabon als internes und externes Ziel der Europäischen Union festgeschrieben. Diese Rechte sind auch in der Charta der Grundrechte verankert. Es ist jedoch beschämend, dass 100 Millionen Kinder in der Europäischen Union hinsichtlich ihrer Rechte und Freiheiten nicht gleichberechtigt sind.
Es liegt auf der Hand, dass Kinder aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit und ihrer spezifischen Bedürfnisse besonderer Fürsorge und auch eines angemessenen rechtlichen Schutzes bedürfen. Allerdings dürfen die Rechte des Kindes nicht losgelöst von den Menschenrechten insgesamt gesehen werden und auch nicht zu diesen im Widerspruch stehen. Wie aus einer Analyse von EU-Dokumenten hervorgeht, besteht allem Anschein nach eine Tendenz, die Rechte des Kindes losgelöst von den Menschenrechten als Ganzes zu betrachten. Das ist eine riskante Entwicklung, die zu einer gefährlichen Spaltung führen könnte.
Ich danke der Berichterstatterin, dass es ihr bei diesem sensiblen Thema gelungen ist, ihren ausgewogenen Ansatz beizubehalten. Es ist zu begrüßen, dass sich der Bericht nicht ausschließlich auf Schutzmaßnahmen konzentriert, sondern darin die Notwendigkeit einer positiven Durchsetzung der Kinderrechte wie des Rechts auf Familie, Bildung, soziale Integration, Gesundheitsversorgung und Chancengleichheit betont wird.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Eine starke Gesellschaft und Wirtschaft können nur mit Generationen und Bürgern aufgebaut werden, die sich eines gesunden Körpers und Geistes erfreuen. Deshalb müssen wir alles tun, um die Zukunft und die Rechte künftiger Generationen zu garantieren, und zwar auch in unserem eigenen Interesse, denn früher oder später sind wir alle auf die Solidarität künftiger Generationen angewiesen.
Folglich gebührt Frau Angelilli Anerkennung für ihren Bericht, der das Thema komplex präzisiert. Das Recht unserer Kinder auf ein erfülltes Leben stellt ein kompliziertes System aus sozialen Anforderungen und gesetzlichen Garantien dar: das Recht der Kinder, in einem gesunden Umfeld geboren zu werden und aufzuwachsen; ihr Recht zu lernen und sich ihre Träume zu erfüllen.
Die Armut von Familien und Kindern stellt ein schwer wiegendes Hindernis bei der Durchsetzung dieser Rechte dar. Deshalb kann gar nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, dass die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten einen Beitrag zur Bekämpfung der Armut leisten. Das ist auch für die Verhinderung von Verbrechen gegen Kinder und der Ausbeutung von Kindern von großer Bedeutung.
Ende des vergangenen Jahres brach für das Europa ohne Grenzen ein neues Zeitalter an. Es ist eine große Herausforderung, dafür zu sorgen, dass die Erweiterung des Schengen-Raums nicht günstigere Bedingungen für Straftäter schafft. Es wäre daher wünschenswert, ein System zu entwickeln, mit dem den Mitgliedstaaten Informationen über Straftaten gegen Kinder und die dafür verhängten Strafen zur Verfügung gestellt werden könnten, um Straftäter von den Kindern fernzuhalten.
Frau Angelillis ausgezeichneter Bericht wird sich dann zu einem wirklich wertvollen Bericht entwickeln, wenn ihm legislative Schritte folgen. Davon gehe ich aus. Vielen Dank, Herr Präsident.
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – (RO) Die Rechte von Kindern sind ein wichtiges Thema, das uns alle, unabhängig von unserem Herkunftsland oder politischen Standpunkt, eint.
Über Kinder zu sprechen heißt über unsere Zukunft zu sprechen, die Zukunft der Bürger und Bürgerinnen Europas und der Union selbst. Daher kann ich den Bericht über die EU-Kinderrechtsstrategie nur begrüßen. Die Erstellung des Berichts ist bereits eine Bestätigung für die Bedeutung dieses Themas und des Textabschnitts in der Charta der Grundrechte, waren doch daran verschiedene Ausschüsse beteiligt, die sechs Stellungnahmen beisteuerten.
Das beste Interesse des Kindes sollte an oberster Stelle stehen. Die Europäische Union hat aufgrund ihrer Werte und ihres Entwicklungskonzepts die moralische Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Rechte des Kindes im Handeln sowohl innerhalb der Union als auch international hohe Priorität genießen.
Im Rahmen der Europäischen Union möchte ich das Hauptaugenmerk auf zwei Aspekte legen: An erster Stelle auf die negativen Folgen von Migration und die schlimme Lage von Kindern, die von zugewanderten Eltern in ihren Heimatländern zurückgelassen werden. Ich danke dem Berichterstatter, dass er meine Anregung aufgenommen hat, auf dieses Problem aufmerksam zu machen, das das Leben europäischer Bürgerinnen und Bürger nach wie vor berührt, und ich versichere ihn meiner Unterstützung für seine Forderung nach angemessener Fürsorge, sozialer Integration und umfassender Bildung für diese Kinder. Nicht minder bedeutsam ist das Ziel, das Recht auf Bildung für alle Kinder Europas zu gewährleisten.
Außerhalb der Europäischen Union kommt es vor allem darauf an, dass wir die Rechte von Kindern auf internationaler Ebene fördern, insbesondere im Rahmen der Beziehungen der Europäischen Union zu ihren Nachbarländern und ihren strategischen Partnern. Von den weltweit herrschenden Bedingungen möchte ich vor allem die Verletzung der Rechte von Kindern in Krisen- und Konfliktsituationen herausheben, besonders bei schwelenden Konflikten, wo die Rechtsstaatlichkeit schlicht verweigert wird. Die Europäische Union darf solche Situationen nicht hinnehmen und muss sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Kinderrechte überall geachtet werden.
Im Jahr 2007 hat die Europäische Union entscheidende Schritte in dieser Richtung unternommen, aber ausschlaggebend für die tatsächliche Durchsetzung der neuen Kinderrechtsstrategie wird das Jahr 2008 sein. Deshalb fordere ich die Kommission und den Rat auf, den Empfehlungen des Parlaments gebührend Rechnung zu tragen, damit der Erfolg dieser Strategie gesichert ist.
Iratxe García Pérez (PSE). – (ES) Herr Präsident! Dieser Bericht vermittelt ein umfassendes und in sich schlüssiges Bild von der Arbeit mit Kindern, die wir in der Europäischen Union unterstützen müssen. Es gilt, alle auf diesem Gebiet Verantwortlichen in diese Tätigkeit einzubeziehen, um die Rechte der Mädchen und Jungen auf eine für alle gleiche und effektive Erziehung in die Praxis umzusetzen, indem wir gegen jede Art von Gewalt und gegen Kinderarbeit kämpfen und die Einwandererkinder schützen.
Wir sind uns der gesellschaftlichen Trends bewusst und geben zu, dass das traditionelle Familienmodell nicht der einzige Bezugspunkt sein kann und dass immer mehr alternative Modelle entstehen, denen wir aus der tiefen Überzeugung Rechnung tragen müssen, dass die Kinder ein positives Familienumfeld benötigen.
In Verbindung mit diesem Thema möchte ich die Initiative zu den internationalen Adoptionen hervorheben, für die Rechtsvorschriften benötigt werden, die der Realität besser angepasst sind und die den unbekannten Faktoren Rechnung tragen, mit denen wir heute konfrontiert sind. Ein solcher Prozess ist in einigen Staaten wie Spanien im besten Interesse der Minderjährigen bereits im Gange.
Doch bevor ich schließe, möchte ich die Vorbehalte der spanischen sozialistischen Delegation gegenüber Ziffer 127 zum Ausdruck bringen, in der es um das Kopftuchverbot an Schulen geht, denn wir sind eher für Dialog und Vermittlung.
Meine Damen und Herren, wir sprechen hier von dem am stärksten verletzlichen Sektor der Gesellschaft, aber auch von einer Zukunft, die einer soliden Basis bei Werten wie Achtung, Toleranz und Miteinander bedarf.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße diesen Bericht und die von der Berichterstatterin geleistete Arbeit.
Die Aussprache macht deutlich, dass bezüglich dessen, was zur Sicherung der Rechte der Kinder getan werden muss, fast vollständiges Einvernehmen herrscht. Die Zeiten, als es hieß, dass man Kinder sehen, aber nicht hören sollte, sind wohl längst vorbei. Heute wollen wir unsere Kinder nicht nur sehen, sondern auch hören, was sie zu sagen haben.
Es besteht jedoch Klärungsbedarf – und vielleicht könnte der Kommissar mir hier helfen – in Bezug auf die Zuständigkeit, die die EU im Bereich der Rechte der Kinder in Anbetracht des erwähnten Vertrags und unserer Volksabstimmung über den Reformvertrag in Irland hat. Wie Sie wissen, bietet nach der irischen Verfassung die Familie den besten Schutz für die Rechte der Kinder. Wir müssen die wichtige Rolle betonen, die die Familie beim Schutz der Rechte der Kinder spielt, und wir müssen prüfen, wie Familien gestärkt und erforderlichenfalls unterstützt werden können.
Außerdem stellt sich die Frage nach Kindern innerhalb und außerhalb der Ehe und danach, inwiefern Kinder in beiden Gemeinschaften gleichberechtigt sind. Die Zahl derjenigen, die getrennt oder geschieden sind, nimmt in Irland ebenso zu wie die der unverheirateten Paare: Eine von zwölf Familien fällt in eine dieser Kategorien, und davon sind 50 000 Kinder betroffen. Wir müssen prüfen, wie die Rechte dieser Kinder durch das geltende irische Recht geschützt werden.
Ein weiteres Problem betrifft den Zugang von Kindern zu beiden Elternteilen und die Tatsache, dass Kinder im geltenden irischen Familienrecht nicht so recht vorkommen. Hier besteht Handlungsbedarf.
Ein letzter Punkt: Als der Oberste Gerichtshof Irlands 2006 das Gesetz über Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen mit der Begründung aufhob, dass es dem Beschuldigten nicht die Möglichkeit gab, einen ehrlichen Irrtum in Bezug auf das Alter des Opfers als Argument zu seiner Verteidigung anzugeben, war die Empörung groß. Bei dem Fall ging es um einen 41-jährigen Mann und ein zwölfjähriges Mädchen. Heute wurden merkwürdigerweise im Bezirksgericht von Dublin die gegen diese Person erhobenen Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs fallen gelassen. In Irland wird es zwei Verfassungsänderungen in Bezug auf die Familie sowie den eben erwähnten Fall geben, und ich glaube, wir müssen herausfinden, welche Rolle die EU in diesem Bereich spielt, damit wir uns in Irland richtig entscheiden können.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Unsere heutige Aussprache beweist, dass das Europäische Parlament in die Gestaltung der europäischen Politik in Bezug auf die Kinder einbezogen werden möchte. Deshalb ist der Standpunkt vieler Mitgliedstaaten beunruhigend, wonach nahezu sämtliche Regelungen zu den Rechten des Kindes in den Bereich des Familienrechts gehören und damit – gleichsam per definitionem – ausschließlich in nationaler Verantwortung liegen.
Eine solch enge, auf den nationalen Aspekt beschränkte Sichtweise schließt das Parlament von dem maßgeblichen Entscheidungsprozess im Hinblick auf die Rechte des Kindes aus und macht aus uns, dem Parlament, ein Gremium mit ausschließlich beratender Funktion. In einem Europa, das sich durch zunehmende Integration auszeichnet, ist das kein guter Ansatz. Als Beispiel sei hier die Verordnung zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im EU-Ausland genannt, die das Parlament erst kürzlich, nämlich im Dezember, im Rahmen des Konsultationsverfahrens verabschiedet hat. Mit dieser Verordnung soll erreicht werden, dass Kinder, die von einem Elternteil vergessen wurden, nicht länger Hunger leiden und vernachlässigt werden und dass sie die im Rahmen eines neuen und effektiveren Systems vollstreckten Mittel erhalten. Deshalb hat das Parlament, das schließlich im Namen aller europäischen Kinder handelt, meiner Überzeugung nach die moralische Pflicht, sich an der Rechtsetzung zu ihren Gunsten aktiv zu beteiligen.
Zusammenfassend möchte ich dem Herrn Kommissar sagen, dass das Parlament stärker in die europäische Rechtsetzung zum Thema Kinder einbezogen werden muss.
Edward McMillan-Scott (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin Roberta Angelilli und den anderen Berichterstattern für ihre Arbeit an diesem wichtigen Dossier danken. Mein Dank gilt ferner Kommissar Frattini für seine Ermutigung sowie die Mitteilung und die Arbeit der Kommission in diesem Bereich.
Zwar sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für diese Problematik verantwortlich, dennoch kommt der Europäischen Union meines Erachtens eine Rolle zu, die in der Charta der Grundrechte verankert ist, in die erstmals die Rechte der Kinder Eingang gefunden haben. Meines Erachtens kann man den Charakter einer Gesellschaft am besten daran erkennen, wie sie mit ihren unschuldigen Mitgliedern umgeht, und wir sind als Europäische Union eine Gesellschaft.
Mein besonderes Interesse in diesem Bereich gilt der grenzüberschreitenden elterlichen Kindesentführung. Ich habe mich mit vielen Fällen in diesem Bereich befasst, von denen es jedes Jahr Hunderte zwischen den Mitgliedstaaten der EU und zwischen EU-Mitgliedstaaten und unseren Nachbarländern sowie anderen Ländern gibt. Trotz internationaler Übereinkommen wie dem Haager Übereinkommen und intern dem Brüssel-II-Übereinkommen gibt es nach wie vor zahlreiche Unzulänglichkeiten. Ich bin der internationalen Anwaltskanzlei Freshfields dankbar dafür, dass sie unlängst mehrere Fälle im Rahmen des Brüssel-II-Übereinkommens geprüft und dabei auf einige der Probleme verwiesen hat, die innerhalb unserer Mitgliedstaaten bestehen.
Meines Erachtens muss die vom Europäischen Parlament und der Kommission geleistete Arbeit im Zusammenhang mit der internationalen Rechtsentwicklung gesehen werden. Ich denke, dass das alte Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das die Interessen des Kindes an erste Stelle setzt, von ausschlaggebender Bedeutung ist. Das Recht eines Kindes auf Zugang zu beiden Elternteilen ist auch in der Charta der Grundrechte verankert. Das ist unerlässlich und wird inzwischen weltweit zunehmend anerkannt.
Aber es gibt zwei Aspekte, die variieren können, je nachdem wie ein Fall vor Gericht behandelt wird. Wir sollten, auch wenn dieser Punkt im Bericht nicht ausdrücklich erwähnt wird, die Rechte von Kindern berücksichtigen, die reif genug sind, um ihre Wünsche vor Gericht zu äußern, wie unlängst im Falle eines Mädchens in meinem Wahlkreis, der siebenjährigen Jessica, vor dem High Court. Zweitens sollte in Fällen, in denen dies angebracht ist, eine unabhängige Vertretung vor Gericht bereitgestellt werden. Das sind zwei Elemente, an denen wir meines Erachtens in den kommenden Monaten noch arbeiten müssen.
Alessandro Battilocchio (PSE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Berichterstatterin für ihre ausgezeichnete Arbeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Kinder praktisch überhaupt keine Rechte; Ende des Jahrhunderts waren deutliche und unbestreitbare Fortschritte zu verzeichnen, doch steht noch ein langer Weg bevor, der zudem nicht einfach sein wird, worauf an zahlreichen Stellen des Berichts hingewiesen wird.
In der kurzen mir zur Verfügung stehenden Redezeit sowie auch aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen mit UNICEF möchte ich die Kommission dringend auffordern, den Nachdruck auf den folgenden Aspekt zu legen: Wir benötigen ein Gemeinschaftsinstrument für den Bereich der Adoption, denn die diesbezüglich geltenden Rechtsvorschriften der 27 Mitgliedstaaten stehen in völligem Widerspruch zueinander. Nützlich wäre die Festlegung eines Rechtsrahmens, der die Qualität der Unterstützung durch Informationsdienste verbessert, um die verschiedenen Schritte zur Vorbereitung auf internationale Adoptionen zu ordnen und das Verfahren für die Regelung von Anträgen auf internationale Adoptionen und Leistungen zur Betreuung von Familien nach Adoptionen zu klären. In diesem Bereich kommen immer noch zu viele Missbräuche, Unzulänglichkeiten, Verzögerungen und Schwierigkeiten vor, was die adoptierenden Familien und vor allem die Kinder wirklich nicht verdienen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Sämtliche EU-Mitgliedstaaten haben die UNO-Kinderrechtskonvention von 1989 ratifiziert. Allerdings sieht die Konvention keine strafrechtlichen Sanktionen vor.
Verschiedene Stellen bemühen sich, die Rechte des Kindes zu verbessern. Ihre Aktivitäten sollten sorgfältiger koordiniert werden und größere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, beispielsweise durch die Erstellung einer gemeinsamen Website. Auf diese Weise ließe sich die unerwünschte Doppelung ihrer Bemühungen vermeiden. Alternativ könnte man dem Kommissar für Grundrechte den Schutz der Kinderrechte anvertrauen. Ich würde es begrüßen, wenn sich der Herr Kommissar auf der Grundlage von Schwerpunktbereichen für den Kampf gegen Kinderarmut und sämtliche Formen der Gewalt gegen Kinder einsetzen würde. Kinder sollten niemals Gewalt erfahren. Darum ist es meines Erachtens wichtig, nicht nur Täter zu bestrafen, sondern vor allem solch unmenschliches Verhalten zu verhindern.
In dieser Hinsicht unterstütze ich die Forderung der Berichterstatterin nach Verfahren zur Verbesserung der extraterritorialen Strafverfolgung. In der Praxis sollte gewährleistet werden, dass eine in einem Mitgliedstaat verurteilte Person auch in den anderen Mitgliedstaaten als Gewalttäter gegen Kinder erfasst wird. Meiner Ansicht nach stellt diese Methode einen wichtigen Schritt zur Vermeidung weiteren Missbrauchs von Kindern dar wie beispielsweise sexuelle Verstümmelung, sexueller Missbrauch, Kinderpornografie, Kindesentführung und Menschenhandel.
Was die Kinderpornografie betrifft, befürworte ich die Initiative der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit einigen Banken und Kreditkartenunternehmen, mit der angestrebt wird, die Websites, über die kinderpornografisches Material vertrieben wird, vom Online-Zahlungsverkehr auszuschließen. Dieser Schritt könnte für die Erstellung einer Datenbank mit Informationen über Händler von Kinderpornografie nützlich sein. Entsprechende Informationen über Urheber und Verbreiter dieser abscheulichen Form des Handels stünden dann den Polizeidiensten der jeweiligen Mitgliedstaaten, Europol und Interpol zur Verfügung. Da ich mir der großen Bedeutung dieses Bereichs bewusst bin, unterstütze ich die Bereitstellung der zum Schutz der Kinderrechte erforderlichen Personal- und Finanzressourcen. Es geht um die Zukunft unserer Kinder, das heißt um unsere Zukunft.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte mich den Glückwünschen für Frau Angelilli anschließen, die in der Tat einen integrierten Rahmen für die Stärkung der Charta der Kinderrechte vorgestellt hat.
Ich möchte mich bei meinen Ausführungen auf drei Punkte konzentrieren, über die bisher noch nicht gesprochen wurde.
Erstens brauchen wir eine unverzügliche Diagnose und Reaktion in Bezug auf das Problem der Gewalt gegenüber Kindern und deren Missbrauch. Dazu sollte ein spezielles Erfassungssystem eingerichtet werden, das einen wachsenden Beitrag zur effektiven Vermeidung dieses Problems leistet.
Zweitens sollten alle Mitgliedstaaten das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, annehmen, wobei es u. a. notwendig sein wird, die Frage der Ausstellung von Genehmigungen für den zeitweiligen oder nicht ständigen Aufenthalt innerhalb ihrer Grenzen zu überprüfen.
Und schließlich geht es um die Frage der Bewältigung des Problems der Jugendkriminalität durch Maßnahmen zu deren Verhinderung und zur sozialen Integration Minderjähriger sowie durch gerichtliche und außergerichtliche Maßnahmen.
Herr Präsident, wir begehen 2008 das Jahr des interkulturellen Dialogs, und wir müssen die Verbindung zwischen allen Kulturen und allen religiösen Überzeugungen aufrechterhalten. Meines Erachtens kann Ziffer 127 des Berichts nicht akzeptiert werden.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Zita Gurmai (PSE). – (HU) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Das Schicksal Europas hängt wesentlich davon ab, wie es unserem Kontinent gelingt, Gesellschaften zu errichten, die Kinder integrieren und unterstützen. Die Förderung und der Schutz der Rechte von Kindern sind für die Zukunft der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung. Die Entwicklung kinderfreundlicher Gesellschaften in der Union kann nicht von der weiteren Vertiefung und Stärkung der europäischen Integration getrennt werden.
Es bedarf einer umfassenden EU-Strategie zur Förderung und Gewährleistung der wirksamen Durchsetzung der Rechte von Kindern sowohl innerhalb als auch außerhalb der Union. Kinder haben Anspruch auf besondere Bestimmungen und einen angemessenen gesetzlichen Schutz. Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, die Eltern in vielfältiger Weise bei der Erziehung der Kinder zu unterstützen. Nur mithilfe dieser Instrumente können wir ein sicheres und integratives Europa aufbauen.
Wir müssen in unseren Politiken stets die Vielfalt und die unterschiedlichen Erfordernisse von Kindern berücksichtigen und unser Augenmerk insbesondere auf Armut, soziale Ausgrenzung und negative Diskriminierung sowohl auf Unionsebene als auch auf globaler Ebene richten.
Es ist meines Erachtens dringend geboten, dass die Empfehlungen der VN-Konvention über die Rechte des Kindes im Rahmen bilateraler Vereinbarungen zwischen der EU und Drittstaaten konsequent und systematisch berücksichtigt werden.
(EN) Die PSE-Fraktion beantragt eine gesonderte Abstimmung zu Änderungsantrag 127.
Catherine Stihler (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße die Entscheidung, die Rechte der Kinder als ein Ziel in den Vertrag von Lissabon aufzunehmen und damit eine neue Rechtsgrundlage für die Kinderrechte zu schaffen.
Frau Angelillis Bericht befasst sich mit zahlreichen wichtigen Aspekten, die das Wohlergehen und den Schutz der Kinder betreffen. Ich möchte jedoch die Feststellung unterstreichen, dass Armut und soziale Ausgrenzung der Eltern für das Kind schwerwiegende Beschränkungen bei der Wahrnehmung seiner Rechte darstellen.
Ich unterstütze die im Bericht ausgesprochene Aufforderung an die EU, sich in Zusammenarbeit mit den zuständigen Einrichtungen der Vereinten Nationen, internationalen Organisationen und Forschungszentren um eine bessere Erhebung vergleichbarer statistischer Daten betreffend die Lage der Kinder in der Europäischen Union zu bemühen, um eine größere Zahl von Indikatoren entwickeln und heranziehen zu können, die speziell die Situation von Kindern betreffen, wie z. B. Armut und soziale Ausgrenzung von Kindern.
Die Kinderarmut ist ein vernachlässigtes Thema. Trotzdem lebt eins von fünf Kindern in der EU am Rande der Armut. Sind damit nicht 20 % der künftigen Erwachsenen in der EU dazu verdammt, ihr wahres Potenzial nicht auszuschöpfen?
Wenn der politische Wille vorhanden ist, dann sollten die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, ihre bewährten Praktiken austauschen und voneinander lernen. Wir waren Zeuge der EU-weiten Kampagne zur Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern. Weshalb solle es nicht möglich sein, eine ähnliche Kampagne in der EU durchzuführen und der Armut ein Ende zu setzen?
Katrin Saks (PSE). – (ET) Vielen Dank, Herr Präsident.
Angesichts der Tatsache, dass ein Drittel der Kinder weltweit nicht genug zu essen hat und ein Sechstel keine Schule besucht, mag es seltsam anmuten, wenn wir über Armut in Europa sprechen. Nichtsdestotrotz gibt es das Problem, und der Umstand, dass die Zahl der in Armut lebenden Kinder die der Erwachsenen bei weitem übersteigt, ist in besonderem Maße Anlass zur Sorge. Das bedeutet im Allgemeinen nicht, dass Kinder Hunger leiden, sondern dass es an den zur Entwicklung notwendigen Möglichkeiten mangelt.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass infolge der turbulenten Entwicklung der Marktwirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten die Schichtenbildung vorangeschritten ist und das Wohl der Kinder ganz akut beeinflusst. Soziale Probleme wiederum verstärken dies. Und das ist nicht nur für Kinder tragisch.
Ein beträchtlicher Teil der Humanressourcen – eben das, was in meinem Heimatland Estland immer knapper wird – bleibt beispielsweise erwerbslos, und aus diesem Grund ist das Problem Sache der Mitgliedstaaten und der Union.
Obgleich die meisten Politiken betreffend Kinder in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, möchte ich die Bedeutung der Strategie, der Indikatoren, Datenbanken und Berichte der Europäischen Union herausstellen. Ich hoffe, ihr Einfluss auf die Mitgliedstaaten wird weiter zunehmen.
Als Politikerin weiß ich, wie schwierig es ist, seiner eigenen Wählerschaft zu erklären, weshalb sich beispielsweise die Nachbarn besser um die Kinder kümmern.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Diese Initiative für eine Kinderrechtsstrategie ist nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt ein Signal, wie die Rechte der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft geschützt werden sollten. Deshalb möchte ich Frau Angelilli für ihren ausgezeichneten Bericht meine Anerkennung aussprechen.
Leider kommt es in bestimmten Teilen Europas – eines Europas, wo wir so stolz sind auf unser hoch entwickeltes System für den Schutz der Menschenrechte – immer wieder zu Verletzungen der Rechte Minderjähriger. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Kinder, die Erniedrigungen verschiedenster Art erleiden, wissen, dass es jemanden gibt, an den sie sich um Hilfe wenden können und der ihnen diese Hilfe auch gibt. Daher unterstütze ich die Forderung der Berichterstatterin nach einem wirksameren Überwachungssystem wie auch den Vorschlag der Europäischen Kommission, eine Hotline für Hilfe suchende Kinder einzurichten.
Ein wichtiges Thema ist auch die Situation der Kinder aus armen Familien, aus Einwanderer- oder Flüchtlingsfamilien. Sie leiden aus Gründen, für die sie nicht verantwortlich sind, und ihre Lebensbedingungen sind deshalb oftmals schlechter als die ihrer Altersgenossen, die nicht aus ihrem Heimatland fliehen mussten. Daher unterstütze ich den Vorschlag, diesen Kindern – unabhängig vom rechtlichen Status ihrer Eltern – alle ihnen zustehenden Rechte und den gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu garantieren.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke allen, die das Wort ergriffen haben, und freue mich auch über ihre Anerkennung der Tatsache, dass erstmals in Europa und noch vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon von Kommission und Parlament gemeinsam eine echte bereichsübergreifende europäische Politik zum Schutz und zur Förderung der Rechte des Kindes formuliert wird. Das ist eine politische Leistung bei einem Thema, das vor zwei Jahren noch nicht auf der Tagesordnung in Europa stand, und mithin wird damit auch jenen entsprochen, die sich der Notwendigkeit praktischer Ergebnisse bewusst waren. Europa schreitet in diesem Bereich weiter voran.
Sehr erfreut war ich über die Ausführungen von Herrn McMillan. Eines der Hauptkriterien für die Beurteilung des Zivilisationsgrades eines Landes ist die Art und Weise, wie es seine jüngsten Mitglieder, seine Kinder behandelt; die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und wir Europäer sind alle bestrebt, hinsichtlich der Behandlung von Kindern und der Chancen, die wir ihnen bieten, eine Vorreiterrolle in der Welt zu spielen.
Eine Vielzahl von Themen wurde zur Sprache gebracht, und in dem von mir vorgelegten Vorschlag sowie in den sehr brauchbaren Empfehlungen von Frau Angelilli sind einige bereits erwähnt, während andere Punkte meines Erachtens in den kommenden Monaten noch eingehender beleuchtet werden müssen. Lassen Sie uns 2008 zum Jahr weiterer Fortschritte bei dieser europäischen Strategie machen.
Frau Gál und Frau Sinnot, die die Rolle der Familie angesprochen haben, wiesen mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Probleme, auf die wir stoßen, vielfach aus einer Sicht der Rolle der Familie herrühren, die überholt und nicht mehr angemessen ist. Wir haben uns im Vorjahr, wie Sie sich erinnern werden, im Zusammenhang mit Gewalt-Videospielen damit befasst; einer statistischen Erhebung in Europa zufolge waren nur 20 % der Befragten daran interessiert, wie ihre Kinder das Internet nutzen und mit Videospielen in Kontakt kommen bzw. davon Gebrauch machen. 80 % der Eltern, bei denen die Umfrage durchgeführt wurde, wussten demnach nicht, welche Art elektronischer Spiele oder Internetseiten von ihren Kindern aufgesucht werden. Daran zeigt sich, weshalb die Familie, wie erwähnt wurde, der wichtigste Ort ist, an der die Rechte des Kindes gefördert werden müssen.
Herr Catania und andere Redner haben sich zum Thema Kinderarbeit geäußert. Wie Sie sicher wissen, habe ich in meinem Vorschlag im Hinblick auf harte Strafen gegen alle, die legale Einwanderer für Schwarzarbeit ausbeuten, besondere Kritik am Einsatz der Kinder von Migranten geübt, die zum einen als Migranten schutzbedürftig sind und zum anderen ausgebeutet werden, weil sie illegal arbeiten; sie sind also besonders schutzbedürftig, denn Kinder sollten nicht arbeiten, sondern zur Schule gehen. Wird dieser auf dem Tisch liegende Vorschlag angenommen, so wird er zu einer EU-Richtlinie und die Mitgliedstaaten infolgedessen gesetzlich zur Einführung von Bestimmungen zwingen, wie sie heute leider noch nicht bestehen.
Ein wichtiges Thema sind unbegleitete Migrantenkinder, und wir diskutieren derzeit über Möglichkeiten der Finanzierung gezielter Vorhaben, denn zusätzlich zu den bereits erwähnten Fällen sind Situationen entdeckt worden, die wirklich tragisch sind. Auf den Kanaren ist die spanische Regierung zum Beispiel äußerst besorgniserregenden Fällen – denen nachgegangen werden muss – von Kindern auf die Spur gekommen, die dort in großer Zahl ohne Begleitung eintreffen, weil ihre Eltern sie ganz einfach allein losgeschickt haben. Das ist per se ausgesprochen schockierend. Wir brauchen verschärfte europäische Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Gewalt gegen Kinder, wie es Frau Segelström klar und deutlich dargelegt hat.
Es gibt ein sehr ernstes Problem, das mich persönlich mit Sorge erfüllt. Es bestehen ja entsprechende Regelungen, um tatsächlich zu gewährleisten, dass im Falle einer Trennung oder Scheidung einem der beiden Elternteile das Sorgerecht für ein Kind zuerkannt wird. In vielen Mitgliedstaaten werden die geltenden Bestimmungen indes nicht in die Praxis umgesetzt; nicht, weil die Regierungen sie nicht anwenden, sondern weil sie den Richtern, den Gerichten oftmals kaum bekannt sind. Es gibt Fälle, in denen ein Elternteil das Kind dem anderen Teil regelrecht entzieht. In manchen Fällen erweist es sich als unmöglich, Entscheidungen durchzusetzen, und deshalb muss diese Frage im Rahmen des Fürsorgerechts für Minderjährige viel stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.
Ein weiterer Bereich, dem wir uns zuwenden müssen, ist der Sextourismus, einschließlich der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Behörden und Privatpersonen, Reisebüros und Kreditkartenunternehmen, wodurch uns bei der Identifizierung derer geholfen werden soll, die kinderpornografisches Material im Internet kaufen. Denn Pädophile zahlen ja natürlich nicht in bar, sie zahlen per Kreditkarte. Kommt es zu einer solchen Zusammenarbeit, womit jetzt ein erster Anfang gemacht wird, dann werden wir die Tragödie des Sextourismus ebenfalls mindern und ihr ein Ende setzen können.
Ein neuer Bereich betrifft das Recht, in einer nicht verschmutzten Umwelt aufzuwachsen, die ökologischen Kinderrechte. Damit müssen wir uns sehr eingehend beschäftigen, denn es handelt sich um einen Bereich, der nicht nur neu ist, sondern der ganz offenkundig uns alle angeht.
Die Frage der Auswirkungen des Vertrags von Lissabon ist unter anderem von Frau Harkin aufgeworfen worden. Mit diesem Vertrag wird zwar keine spezifische Rechtsgrundlage eingeführt, aber der heute hier zur Diskussion stehenden Strategie, die bis jetzt auf einem gemeinsamen politischen Entschluss beruhte, die Bedeutung einer europäischen Politik verliehen. Mit dem Vertrag von Lissabon können wir die Strategie zum Schutz der Kinder als wirklich europäisch betrachten, was einen ganz außerordentlichen Fortschritt bedeutet.
In den kommenden Monaten werden wir uns also mit diesem Kapitel zu befassen haben, womit Europa fraglos in seine Zukunft investiert. Es investiert in seine Jugendlichen, es investiert mit Blick auf die Kinder. Ich sehe allerdings noch ein anderes Gebiet, auf dem Kinder in eines der wichtigsten Politikfelder der Europäischen Union aktiv einbezogen werden könnten: die Politik zur Integration von Einwanderergemeinschaften. Wenn wir uns auf die Kinder, auf die Kleinsten in der Schule verlassen und sie zu Botschaftern der Integration machen – da es für sie doch wesentlich leichter ist, Seite an Seite mit Kindern aus anderen Kulturen und mit einem anderen Hintergrund zu spielen oder zu lernen –, werden wir damit Kindern einen Auftrag nicht als kleine Erwachsene, wie jemand sagte, sondern als aktiv Mitwirkende an einer Integrationspolitik erteilt haben. Beruht diese Politik nämlich nicht auf der Eingliederung von Kindern in der Schule, wird sie nie eine echte Integrationspolitik für Einwanderer aus anderen Ländern sein.
Roberta Angelilli, Berichterstatterin. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst Kommissar Frattini nochmals für die erneute Bekräftigung des entschiedenen Engagements der Europäischen Kommission für die Rechte des Kindes danken. Des Weiteren sei ihm für den in seiner einleitenden Rede an die Mitgliedstaaten gerichteten Appell gedankt, die Einrichtung von Helplines für Kinder zügig voranzutreiben, denn die hier aufgetretenen Verzögerungen sind wirklich nicht zu rechtfertigen. Außerdem danke ich ihm noch für seinen Hinweis, dass bislang noch nicht alle Mitgliedstaaten das Amt eines nationalen Kinderrechtsbeauftragten eingeführt haben, was in unserem Bericht ebenfalls erwähnt und bedauert wurde.
Mein Dank gilt schließlich sämtlichen Kolleginnen und Kollegen, die an der Abfassung dieses Berichts mitwirkten, sowie denen, die das Wort ergriffen haben, denn wir alle waren uns wohl einig, dass es um das Wohl des Kindes geht. Selbstverständlich begrüße ich dies und teile die Bedenken, die heute im Plenum zum Ausdruck gebracht wurden. Die Mitgliedstaaten müssen gezwungen werden, ihre Worte rascher in Taten umzusetzen, und zweifellos müssen Parlament und Europäische Kommission ihren Teil dazu beitragen.
Lassen Sie mich kurz ein paar Worte zu einigen der Themen sagen, die hervorgehoben worden sind. Hinsichtlich der Umwelt möchte ich Herrn Frattini bestätigen, dass im Rahmen des Berichts vielleicht mehr hätte getan werden können; doch wir haben deutlich gemacht, dass das Recht auf eine intakte und saubere Umwelt zu den wichtigsten Rechten gehören muss, die Minderjährigen zu garantieren sind.
Erfreut habe ich zur Kenntnis genommen, dass eines der auf dem nächsten Europäischen Forum über die Rechte des Kindes behandelten Themen das Problem internationaler Adoptionen betreffen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich ferner darauf hinweisen, dass neben den enormen und oftmals ausschließlich bürokratischen Schwierigkeiten internationaler Adoptionen außerdem noch die Tragödie von Kindern besteht, um die sich ihre Eltern nach einer Trennung oder Scheidung streiten. Dies ist ein wirklich dringliches europäisches Problem, das offensichtlich auch infolge der Öffnung der Grenzen akuter geworden ist.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass ich über die geleistete Arbeit natürlich sehr zufrieden bin, und obwohl das Ergebnis sicherlich nicht perfekt sein mag, kann es einen hervorragenden Ausgangspunkt bilden, vorausgesetzt, dass – um es nochmals zu sagen – unverzüglich ernsthafte, verantwortungsbewusste und konkrete Schritte unternommen werden.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die Segregation im Bereich der Bildung zählt zu den schlimmsten Formen der Diskriminierung gegen Roma-Kinder. Als elementares Menschenrecht ist die Bildung eine Grundvoraussetzung für die Erlangung anderer Menschenrechte, und die Investition in die frühkindliche Bildung für die Roma ist eine Politik, die auf mehreren Ebenen funktioniert und nicht nur den Kindern zugute kommt, auf die sie ausgerichtet ist. Zu den Vorteilen der frühkindlichen Bildung zählen: die Förderung der sozialen Gerechtigkeit, die Steigerung der individuellen und der sozialen Produktivität, der Abbau der Armut und die Beseitigung diskriminierender Einstellungen und der sozialen Ausgrenzung. In dem Maße, in dem Roma-Kinder Bildung erlangen, verbessern sich ihre Aussichten, dass sie sich zu produktiven Mitgliedern der werktätigen Bevölkerung entwickeln. Indem sie Geld verdienen und durch Steuern auf ihr Einkommen und ihren Verbrauch zum nationalen Haushalt beitragen, beeinflussen sie das Bild, das andere Bevölkerungsgruppen von ihnen haben, was sich wiederum auf allgemeinere soziale Probleme auswirken dürfte. Hinzu kommt, dass die Roma mit zunehmender Erwerbstätigkeit aus der Armut herausfinden und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten, anstatt auf deren Leistungen angewiesen zu sein. Die Kombination aus gewachsenem Beitrag und verringerten staatlichen Leistungen bilden den Nettonutzen, der sich daraus für den nationalen Haushalt ergibt. Ein Programm, das diese Entwicklungen fördert, käme allen Europäern zugute, nicht nur den Roma.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Eine der grundlegendsten den gemeinsamen europäischen Werten unterliegenden Strukturen ist unsere Verpflichtung zum Schutz unschuldiger Seelen, nämlich der Kinder. Es gibt kaum Dinge, in denen wir uns so einig sein können.
Es ist unabdingbar, dass die Rechte der Kinder auch auf europäischer Ebene wirksamer geschützt werden, als dies derzeit der Fall ist. Die Mitteilung der Kommission über die Erarbeitung einer Strategie zum Schutz der Rechte von Kindern war sehr begrüßenswert.
Der Bericht des Parlaments zu dieser Strategie ist hervorragend. Ich möchte ein paar Punkte zu diesem umfassenden Thema ansprechen.
Zunächst einmal gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Stellung von Familien und den Rechten von Kindern. Die Familie ist unbestreitbar die beste Umgebung für ein Kind. Die Familie und der Schutz des Familienlebens sind in der Tat Rechte der Kinder, die dann zur Geltung kommen, wenn es der Familie gut geht. Die Strategie sollte daher auch Maßnahmen zur Förderung des Familienwohls enthalten. Das Recht eines Kindes auf Zugang zu beiden Elternteilen sollte um jeden Preis geschützt werden.
Kinder sind schon sehr früh grausamen, gewalttätigen und sexuellen Formen der Unterhaltung ausgesetzt, und das hat verheerende Folgen. Der im Bericht enthaltene Vorschlag, innerhalb der EU beispielsweise eine einheitliche Klassifizierung und Kennzeichnung für den Verkauf und Vertrieb von audiovisuellen Inhalten und Video-Spielen für Minderjährige zu schaffen, ist lobenswert. Bei gewalttätigen Formen der kommerziellen Unterhaltung sollte das Verursacherprinzip gelten, weil der Schaden, den diese verursachen, enorm ist.
Drittens sollten entschiedene Anstrengungen zur Beseitigung der Kinderpornographie unternommen werden. Zu den Prioritäten der Kommission gehören die Stärkung grenzüberschreitender Operationen, um Internetseiten, auf denen Kinder unterdrückt werden, aus dem Netz zu nehmen, und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Stellen.
Bedauerlicherweise bleiben die Rechte der Kinder nicht von dem allgemeinen Geist der Relativität der Werte verschont, der in der Gesellschaft vorzuherrschen scheint. Wir müssen mit lauter Stimme sagen, was definitiv nicht relativ ist. Die Rechte und der Schutz der Kinder stehen im Mittelpunkt der menschlichen Werte, und deshalb müssen wir die Menschen stets daran erinnern, dass Übeltäter mit empfindlichen Konsequenzen zu rechnen haben.
Katalin Lévai (PSE) , schriftlich. – (HU) Der Europäischen Union kommt eine besondere Verantwortung für den Schutz der Menschenrechte, vor allem der Rechte von Kindern, zu. Dennoch sind 19 % der Kinder in der Union von Armut bedroht, und diese Zahl liegt höher als bei der Erwachsenen (15 %). Weltweit sind 40 Millionen Kinder unter 12 Jahren einer Art von Gewalt ausgesetzt. Nahezu 6 Millionen müssen Zwangsarbeit leisten, anderthalb Millionen werden Opfer von Menschenhändlern. Vor diesem Hintergrund ist eine europäische Strategie der Nulltoleranz zum Schutz der Rechte von Kindern von außerordentlich großer Bedeutung.
Meiner Auffassung nach kann eine bessere Rechtsetzung dabei eine entscheidende Rolle spielen, darunter eine Untersuchung der Auswirkungen neuer und geltender Vorschriften auf Minderjährige. Ich befürworte allerdings nicht die Bildung eines gesonderten parlamentarischen Gremiums, das für die Rechte von Kindern zuständig ist. Alle Aufgaben eines derartigen Gremiums können von dem von der Kommission ernannten Koordinator für Kinderrechte wahrgenommen werden. Dagegen unterstütze ich die Einrichtung des Postens eines Kommissars für Menschenrechte und Minderheiten, der auch für den Schutz der Rechte von Kindern zuständig wäre. Es sei darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der Kinder aus benachteiligten Verhältnissen Roma sind oder zu der in Europa lebenden Minderheit gehören. Es wäre zudem ratsam, europäische institutionelle Reformen durchzuführen, so dass die dem Kommissar unterstehenden Koordinatoren für Kinderrechte zwischen den Institutionen, NRO und Regierungen vermitteln und für einen kontinuierlichen Dialog und für Zusammenarbeit sorgen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich bereits viele europäische Organisationen und Einrichtungen innerhalb der Union mit Kinderrechten befassen, müssen wir vor allem dafür sorgen, dass die vorhandenen einheitlicher und wirksamer arbeiten, anstatt neue zu schaffen.
Neben dem Schutz der Rechte von Kindern gewinnt die Frage der Erziehung immer größere Aktualität. Pädagogische Maßnahmen können dafür sorgen, dass aus schlecht gebildeten straffälligen Jugendlichen mündige, gesetzestreue Bürger werden.
Joseph Muscat (PSE), schriftlich. – (MT) Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass ich im Rahmen dieser Aussprache über die Rechte der Kinder den Fall Shaun Attard erwähne, der den Menschen von Malta und Gozo das Herz gebrochen hat.
Dieses Kind wurde in einer Weise von seinem Vater in Gozo getrennt, die nicht ohne psychologische Auswirkungen bleiben konnte.
Möglicherweise werden in diesem Fall die Gesetze eingehalten und die europäischen Richtlinien respektiert. Es muss jedoch ernsthaft bezweifelt werden, ob die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich im Interesse dieses Kindes sind.
Leider muss ich aus meiner Sicht feststellen, dass die britischen Behörden dem Vater eine faire Anhörung in diesem Fall erschweren. Selbst für die wenigen Kontakte zwischen Vater und Sohn müssen zahlreiche Hindernisse überwunden werden.
Ich möchte dazu aufrufen, dass Mario Attard unter Einhaltung der geltenden Gesetze eine faire Anhörung ermöglicht und ernsthaft geprüft wird, was wirklich im Interesse von Shaun ist.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN), schriftlich. – (PL) In der heutigen Aussprache über die Rechte des Kindes geht es um zahlreiche grundlegende Aspekte einer angemessenen Entwicklung unserer Jugend. Die Zukunft unserer Kinder, die Schaffung der Voraussetzungen für ihre angemessene persönliche Entwicklung sind Fragen, die mit Blick auf die Herausbildung positiver zwischenmenschlicher Beziehungen für die Zukunft unseres Kontinents von entscheidender Bedeutung sind.
Die Rechte des Kindes müssen respektiert werden. Auch müssen wir das Recht der Eltern achten, ihre Kinder im Einklang mit den Werten zu erziehen, an die sie glauben. Von den Rechten des Kindes zu sprechen und dabei sein Recht außer Acht zu lassen, in einer natürlichen Familie mit Vater und Mutter aufzuwachsen, bedeutet eine Verletzung seiner Rechte. Mit Sicherheit ist es eine Verletzung der Grundrechte des Kindes, wenn der Adoption eines Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar zugestimmt und damit über sein künftiges Schicksal entschieden und ihm gewissermaßen eine sexuelle Orientierung aufgezwungen wird. Wir können das nicht stillschweigend hinnehmen, nur weil dies eine Verletzung der Political Correctness in der EU wäre.
16. Müllnotstand in der Region Kampanien (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zum Müllnotstand in der Region Kampanien.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments! Wie wir aus den Medien erfahren, sind die Berge von Müll, die sich seit dem 21. Dezember in den Straßen von Neapel und in Neapels Nachbarstädten ansammeln, auf über 100 000 t angewachsen. Das gibt in Verbindung mit den negativen – ich würde sogar sagen katastrophalen – Auswirkungen für die Bewohner und die Umwelt Anlass zu sehr großer Sorge.
Die Krise der letzten Tage in Neapel kommt nicht von ungefähr. Sie ist der Kulminationspunkt der mangelnden Umsetzung der europäischen Abfallgesetzgebung der letzten 14 Jahre, für die Italien wiederholt vom europäischen Gerichtshof verurteilt wurde.
Neben der in der Presse hervorgehobenen Rolle, die das organisierte Verbrechen spielt, ist die derzeitige Krise auch direkt auf Untätigkeit und den mangelnden Willen, die erforderlichen Maßnahmen zur Lösung der chronischen Probleme im Bereich der Abfallwirtschaft einzuleiten, zurückzuführen.
Als die Kommission im Frühjahr 2007 erstmals Kenntnis von der Krise im Bereich der Müllsammlung und –entsorgung in Kampanien erhielt, wurde gegen Italien ein Verfahren wegen Verletzung der gemeinschaftlichen Abfallgesetzgebung eingeleitet. Seither überwacht die Kommission die Situation vor Ort und hat auf Ersuchen der italienischen Regierung eine erste operative Lageeinschätzung vorgenommen. In den nächsten Tagen wird ein weiteres Treffen mit den zuständigen italienischen Behörden stattfinden. Es ist Aufgabe der italienischen Behörden, unverzüglich Maßnahmen zur Beseitigung des Mülls von den Straßen zu ergreifen. Doch wie diese neue Krise zeigt, ist es mit der Müllbeseitigung nicht getan. Die kurzfristigen Maßnahmen müssen durch die Verabschiedung und vor allem die wirksame Umsetzung langfristiger strategischer Maßnahmen ergänzt werden. Dazu zählt beispielsweise ein angemessenes Netz von Abfallverarbeitungsanlagen, die den von der Gemeinschaftsgesetzgebung vorgeschriebenen Standards entsprechen. Parallel dazu muss es eine integrierte langfristige Strategie für die Abfallwirtschaft geben, die auf das Recycling und Sortieren von Abfällen nach deren Erfassung orientiert.
Das im Mai 2007 zur Überwindung des Müllnotstands erlassene gesetzesvertretende Dekret Nr. 61 hat sein Ziel verfehlt. Der von Premierminister Prodi am 8. Januar verkündete Notstandsplan ist ein ambitionierterer Schritt in diese Richtung, aber von entscheidender Bedeutung ist der Zeitpunkt der Maßnahmen, die rasch und effektiv durchgeführt werden müssen. Wir werden die praktische Umsetzung der Maßnahmen durch die italienischen Behörden genau überwachen. Die Kommission wird weiterhin Druck auf die italienische Regierung ausüben, damit die Krise beendet werden kann, und beabsichtigt, das Verfahren gegen Italien fortzusetzen. Der anhaltenden Verletzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts in Kampanien muss, wie es das Gemeinschaftsrecht erfordert, endlich ein Riegel vorgeschoben werden.
Auch wenn die Lage schwierig erscheint, ist es für die italienischen Behörden nicht unmöglich, die Auflagen der gemeinschaftlichen Abfallgesetzgebung zu erfüllen. Ich bin sicher, dass man sich ein Beispiel nicht nur an anderen Mitgliedstaaten, sondern auch an anderen Regionen Italiens nehmen kann, in denen Lösungen für eine kontrollierte Abfallentsorgung mittels eines Mixes aus der Verringerung des Abfallaufkommens und Maßnahmen der Abfallsammlung und –entsorgung gefunden wurden.
Giuseppe Gargani, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich dem Herrn Kommissar sogleich sagen, dass ich bei aller Zustimmung zu seiner Erklärung die Lage nicht für so schwierig, sondern viel eher für dramatisch halte.
Bei meinen Ausführungen könnte ich mich darauf beschränken, aus einem vor wenigen Tagen im Economist erschienenen Artikel zu zitieren: Der sich auf den Straßen der Stadt türmende Müll kann nicht nur gesundheitsschädlich, sondern auch politisch gefährlich sein. Er bringt den Wählern die Zerbrechlichkeit der Zivilisation zum Bewusstsein – und kann sie veranlassen, sich gegen ihre gewählten Vertreter zu wenden. Das ist die Situation.
Neapel ist bekanntlich durch den Film „Die vier Tage von Neapel“, in dem es um den Aufstand der Bevölkerung gegen die fremden Invasoren geht, berühmt. Eine Zeitung schrieb, die heutigen Feinde im Lande seien diejenigen, durch die Neapels guter Ruf in der Welt besudelt wurde. Zerstört wird eine ganze Zivilisation. Der Müllnotstand in Neapel und in Kampanien ist nicht über Nacht ausgebrochen, sondern dauert schon 14 Jahre an; 8 Milliarden Euro wurden in den Sand gesetzt, und die Fernsehbilder haben Europa und der ganzen Welt gezeigt, dass die Straßen der Stadt völlig unpassierbar geworden sind. Die eigentliche Tragödie begann, wie der Herr Kommissar in Erinnerung brachte, am 21. Dezember, als die städtische Müllabfuhr keinen Abfall mehr wegräumte, da die Deponien völlig überfüllt waren und es keine Verbrennungsanlagen gibt; die Gesundheit ist unmittelbar gefährdet, und von getrennter Abfallsammlung, Herr Kommissar, ist überhaupt nicht die Rede.
In Kampanien gibt es in der Tat keine Müllverbrennungsanlagen, und die Abfallbewirtschaftung ist in der Hand des organisierten Verbrechens, der Camorra. Die Region Kampanien war unfähig, mit einem letztlich die laufende Verwaltung betreffenden Problem wie der Stadtreinigung fertig zu werden, weil sie nicht den Willen dazu besaß, weil die Regionalverwaltung und ihr Präsident der organisierten Kriminalität hörig sind, von der das ganze Geschäft kontrolliert wird.
Einige der politischen Kräfte, die der Regierung Prodi angehören, und sämtliche Oppositionsparteien haben die Auflösung des Regionalrats und die Ernennung eines mit Sondervollmachten ausgestatteten Regierungskommissars als Gegenmaßnahme zu dem unverantwortlichen Umweltminister Pecoraro Scanio gefordert. Der Zuschuss in Höhe von 200 Millionen Euro im Rahmen des EU-Programms 1994-1999 ist nur zu 81 % in Anspruch genommen worden; da ein Regionalplan fehlt, muss jemand kommissarisch eingesetzt werden.
Ich hoffe, der Präsident gewährt mir noch ein paar Sekunden Redezeit. Nach diesem System können Aufträge vergeben werden, ohne sich an die entsprechenden EU-Vorschriften zu halten, wodurch ein Teufelskreis entsteht, der zu Illegalität und Ineffizienz führt. Es besteht tatsächlich die konkrete Gefahr, dass 330 Millionen Euro aus den Strukturfonds verloren gehen. Die Kommission hat gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet; das war leider unabwendbar, denn Kampanien ist zweifellos Lichtjahre von der Einhaltung der Bestimmungen der EU-Richtlinien entfernt, die selbst von Regierungsbeauftragten nicht beachtet worden sind.
Wir fordern, dass die Kommission Ende des Monats Ermittlungen durchführt und eine entschiedene Haltung zum obligatorischen Einsatz von Verbrennungsanlagen einnimmt. Die EU ist dazu berechtigt, und wir fordern außerdem eine Untersuchung, einen Qualitätssprung seitens des Parlaments.
Der Präsident. – Bevor wir die Aussprache fortsetzen, muss ich Sie über die neuen Verfahren belehren. Zunächst möchte ich die Kolleginnen und Kollegen bitten, sich an die Bestimmungen zur Redezeit zu halten. Zweitens weise ich darauf hin, dass es Mitgliedern, die ihrer Ansicht nach nicht ihre ganze Redezeit beansprucht haben, nach dem „catch the eye“-Verfahren möglich ist, eventuell erneut um das Wort zu bitten. Die Worterteilung erfolgt selbstverständlich erst, nachdem das Wort denen erteilt worden ist, die erstmals sprechen.
Gianni Pittella, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Ihnen für Ihre schlüssige, präzise und sachdienliche Erklärung, für die heute Abend sowie auch in den vergangenen Tagen und Wochen von Ihnen gezeigte Besorgnis sowie für Ihre Vorhaltungen danken, denen wir beipflichten in dem Bewusstsein, dass EU-Rechtsvorschriften unbedingt eingehalten werden müssen.
Das Europäische Parlament darf unseres Erachtens nie zu einem Podium für nationale Auseinandersetzungen werden, erst recht nicht, wenn es um solch heikle Themen und so dramatische Probleme geht. Vielmehr müssen wir, gerade weil die Situation so dramatisch ist, unseres Erachtens fordern, dass eingehende Untersuchungen angestellt werden, sowohl in Bezug auf den vorliegenden Fall als auch in Bezug auf die Abfallproblematik allgemein, die nicht nur Neapel und Kampanien betrifft, sondern die von allen Gemeinden bewältigt werden muss. Es handelt sich um ein Thema, das ein Entwicklungsmodell in Frage stellt, bei dem Mensch und Umwelt oft dem Profitdenken zum Opfer fallen, ein Thema, bei dem häufig ideologische Rezepte feilgeboten werden und zugleich der abstruse Gegensatz zwischen seelenlosem Industrialismus und Fortschritt hemmendem Ökologismus hergestellt wird.
Italien gehörte, was wir nicht vergessen dürfen, zu den ersten Ländern, das 1997 unter der Regierung Prodi und mit Herrn Ronchi als Minister ein modernes Gesetz verabschiedete, das den schon seit geraumer Zeit gestellten Forderungen der Europäischen Union entspricht: Umwelterziehung, getrennte Abfallsammlung, Sicherheitsmaßnahmen, Nutzung fortschrittlicher sowie für Mensch und Umwelt unbedenklicher Recycling- und Verwertungsverfahren. Dieses Gesetz ist auch hervorragend umgesetzt worden und hat nicht zuletzt zu wirtschaftlichem Wachstum und neuen Arbeitsplätzen geführt.
In Kampanien war dies allerdings nicht der Fall. Was ist schief gegangen? Was hat nicht richtig funktioniert? Ohne Zweifel kann die politische Verantwortung für das Geschehene sowohl der Rechten wie der Linken zugeschoben werden, vor allem, was die kommissarischen Verwaltungen anbelangt. Unsere Aufgabe besteht jetzt nicht darin, eventuelle Verantwortlichkeiten sonstiger Art festzustellen, die gegebenenfalls streng bestraft werden müssten, wir wären jedoch nicht aufrichtig, wenn wir alles nur auf die Politik schieben würden.
In Kampanien haben zahlreiche andere Faktoren eine entscheidende, und zwar eine negative, Rolle gespielt, wie die organisierte Kriminalität, ein schwach ausgeprägter Bürgersinn oder historische Infrastrukturmängel. Die italienische Regierung hat jetzt prompt reagiert und wichtige Entscheidungen getroffen; so ist sie bestrebt, die Verantwortung wieder den Gebietskörperschaften zu übertragen, von dem System des Einsatzes von Sonderbeauftragten abzugehen und eine autarke Abfallentsorgung zu gewährleisten. Mit solchen Entscheidungen lässt sich zuversichtlicher in die Gegenwart und die Zukunft blicken – ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident –, und meines Erachtens kann damit zudem den berechtigten Anliegen der Europäischen Union in glaubhafter Weise entsprochen werden. Jetzt gilt es, diese Entscheidungen zu unterstützen; es geht darum, einer Stadt, einer Region und einem Land, Italien, dem es – nach den Worten von Herrn Napolitano – nicht an positiven Energien, an innovativen Kräften fehlt, wieder Würde zu verleihen.
Alfonso Andria, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Thema müssen wir der Versuchung einer Instrumentalisierung widerstehen; stattdessen müssen Objektivität und intellektuelle Aufrichtigkeit im Vordergrund stehen, ohne dass die Hintergründe des Problems außer Acht gelassen werden. Es geht hier um Folgendes: die Interessen der organisierten Kriminalität und die von ihr infiltrierte Abfallbewirtschaftung, mit der Folge unzähliger illegal betriebener Deponien, die über die gesamte Region Kampanien verstreut sind; die ständig aus anderen Regionen, vor allem aus Norditalien aufgenommenen gefährlichen und giftigen Abfälle; die Schwächen der lokalen Behörden; die kulturelle Rückständigkeit der Bevölkerung in ihrem Umgang mit Abfällen als Ressource; die selbst von Vertretern der örtlichen katholischen Kirche gegen die Standorte der verschiedenen Müllentsorgungsanlagen erhobenen Stimmen; die Gespaltenheit nicht nur politischer, sondern auch wissenschaftlicher Kreise beispielsweise in der Frage der Entsorgungsmethoden; die unzulängliche Technologie, wie sie nach einer 1998 in Kampanien durchgeführten europäischen Ausschreibung für die geplante Anlage zur endgültigen Entsorgung gewählt wurde.
Heute nun greift der Staat massiv ein. Die Politiker, alle Politiker haben endlich eingesehen, dass mehr getan werden muss, denn während der letzten vierzehn Jahre war keine der politischen Parteien, ob als Mitglied der Regierung oder der Opposition, ob auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene, zu durchgreifenden, drastischen und konsequenten Gegenmaßnahmen in der Lage.
Wir wissen daher die noble Geste der Solidarität zu würdigen, mit der verschiedene Regionen Italiens, auch Regionen mit Mitte-Rechts-Regierungen, Kampanien in dieser äußerst schwierigen Zeit Beistand geleistet und bei der Wiederherstellung des Ansehens, das die Region durch die Anziehungskraft ihrer Kultur und Landschaft sowie ihr hohes Produktionspotenzial und ihre reichen Talente verdientermaßen genießt, mitgeholfen haben.
Jetzt dürfen diejenigen, die hauptverantwortlich sind und eine gesamtpolitische Schuld tragen, sich nicht der Verantwortung entziehen oder sie bestreiten. Nunmehr gilt es, Verantwortung zu übernehmen, und daher begrüße ich die von Kommissar Dimas in seiner Rede eingenommene Haltung – eine konstruktive Haltung, die das Bild eines Europas vermittelt, das nicht nur bestraft und das sich nicht auf Sanktionsmaßnahmen beschränkt, sondern auch einem Mitgliedstaat aus einer Krise heraushilft.
Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Müllproblem in Kampanien ist nicht mehr nur eine Gesundheits- und Umweltkatastrophe, sondern entwickelt sich zu einem ökonomischen und institutionellen Krimi. Während der ökonomische Krimi hoffentlich von der Justiz aufgeklärt wird, bedarf es zu dem institutionellen Krimi weiterer Erkenntnisse.
Am 11. September 2007 hat die Kommission in Beantwortung einer von mir gestellten Anfrage zwar ihre Besorgnis geäußert, sich aber zuversichtlich gezeigt, dass die Sofortmaßnahmen der italienischen Behörden zur Lösung der Situation beitragen werden, und sie bekräftigte ferner ihre Absicht, Schritte gemäß Artikel 226 des Vertrags zu unternehmen, sollten die laufenden Ermittlungen ergeben, dass die Rechtsvorschriften verletzt worden sind. Am 2. Januar 2008 hingegen erklärte der Sprecher der Kommission, das Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien sei im Juni 2007 eingeleitet worden. Was entspricht nun der Wahrheit? Die mir am 11. September schriftlich erteilte Antwort oder die Erklärung des Sprechers der Kommission? Weshalb erwähnt die Kommission in ihrer Antwort nicht dieses Vertragsverletzungsverfahren?
Ein weiterer Krimi entsteht damit, dass sich einige der Regierung Prodi nahe stehende europäische Fraktionen gegen einen gemeinsamen Entschließungsantrag zur Umwelt- und Gesundheitskatastrophe in Kampanien, mit dem unsere Aussprache hätte abgeschlossen werden sollen, ausgesprochen haben. Sind die Zufälle zahlreicher, als gemeinhin erwartet werden kann, dann geht es höchstwahrscheinlich um die Verteidigung eines Interesses, und wenn sich das politische Interesse, sei es auch unbewusst, mit anderen Interessen verbindet, die sich überdies mit denen der „Ökomafia“ decken, handelt es sich schon nicht mehr um eine Frage von rechts oder links oder um bloßes politisches Unvermögen. Wir hegen den starken Verdacht, dass die europäischen Institutionen aus Gründen parteipolitischer Interessen absichtlich hinters Licht geführt worden sind.
Die hohen Dioxinwerte in dem Gebiet, das Fortbestehen einer rechtswidrigen Lage, das Bestreben des Parlaments, auf seine Verantwortung für einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu verzichten, stehen in engem Zusammenhang mit den politischen Entscheidungen der italienischen Regierung, der Region Kampanien und der Gemeinde Neapel, die – zufällig – aus dem gleichen politischen Holz geschnitzt sind.
Wir fordern, dass OLAF dringend in Aktion tritt, um die Verwendung der bisher bereitgestellten Mittel zu überprüfen und die ordnungsgemäße Bewirtschaftung künftiger Mittel zu gewährleisten. Wir verlangen, dass die Kommission binnen der nächsten 30 Tage dem Parlament Aufschluss darüber gibt, wo die Verantwortung für diesen skandalösen und tragischen Notstand, der heute nicht mehr lediglich eine regionale, sondern eine nationale und europäische Dimension besitzt, liegt und wem sie anzulasten ist.
Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Kommissar Dimas sehr herzlich danken, der in den letzten Wochen und Monaten in einer Weise gehandelt hat, wie sie sich zahlreiche Umweltschützer auch bei anderen Anlässen wünschten, d. h. durch entschlossenes, sichtbares und insbesondere für alle wahrnehmbares Eintreten für die Verteidigung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.
Das ist meines Erachtens nicht immer der Fall gewesen, und ich möchte darauf hinweisen, dass von seiner Institution auch in vorhergehenden Jahren – vor allem in der Amtszeit der Vorgängerin der gegenwärtigen Regierung – hinsichtlich der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden, die aber leider im Wesentlichen unbeachtet blieben und vor allem als reine Routine behandelt wurden. Genannt seien hier die Vertragsverletzungen betreffend illegale Müllkippen – wovon es über 4 000 gibt – sowie eine ganze Reihe weiterer Probleme im Zusammenhang mit der Definition von Abfällen usw.
All dies führte zu der Situation, in der wir uns heute befinden. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat, wenn eine Regierung, die seinerzeit über eine Mehrheit von etwa hundert Abgeordneten verfügte, in Sachen Abfallgesetzgebung nicht mehr zu tun vermochte, als gegen Gemeinschaftsrichtlinien zu verstoßen, um Schlupflöcher zu finden, ist die Wahrscheinlichkeit von Missständen in der Verwaltungstätigkeit, von Missmanagement, Kriminalität und völliger Nichterfüllung von Verpflichtungen weitaus größer.
Daher bin ich der Kommission für ihr Eingreifen äußerst dankbar und hoffe, dass sie ihre Überwachungstätigkeit entschlossen fortsetzt, denn das wird wohl vonnöten sein, und meines Erachtens ist auch die Abkehr von dem bisherigen Krisenmanagement eine unabdingbare Voraussetzung für einen Ausweg aus der jetzigen Situation. Für wichtig halte ich außerdem die Frage nach den Verantwortlichen.
In dieser Hinsicht gehe ich mit denen konform, die von der Kommission zudem die Einführung von Verfahren zur Kontrolle bereits ausgegebener Mittel und künftiger Ausgaben fordern, denn nicht nur für uns als italienische Bürger, sondern für sämtliche europäische Bürger ist die Frage der eindeutigen Mittelverwendung von absolut zentraler Bedeutung und geht uns alle an.
Dennoch bin ich der Meinung, dass die Maßnahmen der italienischen Regierung, wie sie vor allem für die nächsten drei, vier Monate angekündigt wurden, unterstützt werden müssen, wobei die Spielregeln allerdings klar sein und auch eingehalten werden müssen. Es wäre meines Erachtens wirklich höchst bedauerlich, wenn wir uns in einer Situation befänden, in der einem Notstand mit Notmaßnahmen begegnet wird und dabei Rechtsvorschriften verletzt werden, denn die jetzige Lage ist nicht zuletzt das Ergebnis solcher Rechtsverletzungen.
Roberto Musacchio, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme inhaltlich den Ausführungen von Kommissar Dimas zu, der uns alle an unsere Verantwortung erinnert und uns die richtige Richtung angibt; er weist darauf hin, dass zur Bewältigung der Probleme die europäischen Rechtsvorschriften eingehalten werden müssen und von dem Weg des Krisenmanagements, das nur neue Krisen entstehen lässt, abgegangen werden muss. Aus diesem Grund ist die heutige Aussprache wichtig, denn sie kann und muss uns als Hilfe bei unserem Bemühen um eine Lösung der erschreckenden Abfallprobleme in Neapel und Kampanien dienen.
Dringend notwendig sind nicht so sehr politische Auseinandersetzungen, sondern ist die Beseitigung des Mülls, durch den für die Gesundheit der örtlichen Bevölkerung gefährliche Verhältnisse geschaffen werden. Die Regierung unternimmt jetzt zwar entsprechende Schritte, doch muss anschließend eine wirksame Lösung gefunden werden, die unbedingt auf den europäischen Rechtsvorschriften beruhen muss. Die EU-Bestimmungen sind, wie der Kommissar hervorhob, eindeutig, sie sind im Laufe vieler Jahre gefestigt worden und werden in der neuen Rahmenrichtlinie, mit der wir uns derzeit befassen, bekräftigt. Für die Behandlung des Abfallproblems besteht eine Hierarchie, und nach dieser Hierarchie steht an erster Stelle die Verringerung der Erzeugung von Abfällen, gefolgt von getrennter Sammlung, dann Wiederverwendung und Recycling, und erst als Ultima Ratio, wenn nichts anderes mehr geht, kommt die Abfallbeseitigung.
In Italien tut man sich überaus schwer, sich an diese Leitlinien zu halten, und in Neapel sowie in Kampanien hat sich die Lage verschärft. Probleme gibt es indes auch anderswo, wie die Vertragsverletzungen zeigen: Zu viele Behördeninstanzen haben Sonderbeauftragte eingesetzt, Bestimmungen für den Abfall- und den Energiebereich wurden zu stark miteinander verwoben, was zu unzulässigen Methoden führte, wie etwa zu der Praxis, wonach aus Abfällen gewonnene Energie in Italien jahrelang als erneuerbare Energiequelle galt, wofür erhebliche Fördermittel – 30 Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren im Rahmen einer als CIP 6 bekannten Maßnahme – bereitgestellt wurden, durch die sich massive Verzerrungen sowohl bei der Energie- wie der Abfallpolitik ergaben und darüber hinaus recht paradoxe Situationen entstanden sind, wie beispielsweise sieben Millionen Tonnen in Ballen verpackter Müll in Kampanien, die selbst bei Öffnung der Verbrennungsanlage, in der sie entsorgt werden sollten, dort nicht verbrannt werden könnten.
Es gibt zu viele Ausnahmeregelungen von den europäischen Umweltvorschriften. Ich kann nicht oft genug wiederholen, dass durch den Notstand neue Notsituationen herbeigeführt wurden. Jetzt gilt es, wozu die Regierung meines Erachtens wirklich bereit ist, die Situation mit den Regeln in Einklang zu bringen, und diese Regeln sind die europäischen Vorschriften, von der Umweltverträglichkeitsprüfung bis hin zur Abfallhierarchie. Aus diesem Grund darf unsere heutige Debatte nicht zur Plattform für Polemiken werden, sondern muss einen Dialog mit dem Kommissar ermöglichen, um zwischen Europa und den Mitgliedstaaten eine solche Beziehung zu fördern. Ich sage es nochmals: an erster Stelle die Hierarchie, damit das gemeinsam erstellte Regelwerk optimal umgesetzt werden kann.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Welches Recht besitzt die italienische Linke – angestachelt von der europäischen Linken –, um eine Aussprache über den skandalösen Müllnotstand in Kampanien, das schon seit vielen Jahren eine Mitte-Links-Regierung hat, durchzusetzen, ohne dass darüber abgestimmt wird. Es ist dieselbe Linke, die uns die Erderwärmung vorhält, sich aber nicht darum kümmert, Millionen Bürgern Kampaniens eine integre Umwelt und ein annehmbares Leben zu gewährleisten; der Gipfel des Ganzen ist, dass von der notwendigen Verteidigung nationaler Interessen gesprochen wurde! Es sind die gleichen Beschützer des nationalen Interesses, die vor einigen Jahren Italien, seine Regierung und die Ordnungskräfte mit der Diskussion und der Abstimmung über den legendären Fall Lampedusa in Verruf gebracht haben.
Ich hoffe zumindest, dass dieses Parlament mehr Erkenntnisse und besseren Aufschluss über ein Problem gewinnt, das nicht nur Italien betrifft, und dass es die Geschehnisse mit einem Votum rückhaltlos an den Pranger stellt, das meiner Forderung nicht zuletzt als Vorsitzender der Azione della Fiamma entspricht, nämlich alle denkbaren Sanktionsmaßnahmen gegen die Regional- und die Landesregierung zu ergreifen, die für dieses langjährige Problem zwar die Verantwortung tragen, aber offenkundig völlig außerstande sind, es zu lösen, und sich nicht zu einem würdevollen Rücktritt entschließen.
Antonio Tajani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Die Situation in Neapel ist deswegen in hohem Maße bedenklich, weil statt um Abhilfe für die Beanstandungen an dem ergangenen Schuldspruch des Gerichtshofs bemüht zu sein und so eine mit dem EU-Recht im Einklang stehende Abfallbewirtschaftung sicherzustellen, Zeit vergeudet wurde, was wir außerordentlich bedauern. Soll jedoch verhindert werden, dass die Krise in Kampanien auf andere Regionen übergreift, müssen unter Anwendung der europäischen Rechtsvorschriften Maßnahmen auf den Weg gebracht und – ungeachtet des schier unglaublichen Widerstands bestimmter Pseudoumweltschützer wie des Ministers Pecoraro Scanio – Verbrennungsanlagen gebaut sowie die getrennte Sammlung gefördert werden.
Kampanien ist allerdings kein Spiegelbild für das ganze Italien, und in zahlreichen Regionen wie der Lombardei gab es zum Glück beachtliche Fortschritte und wurden erfolgreiche Müllsammlungs- und Müllentsorgungssysteme eingerichtet. In anderen Regionen besteht hingegen Anlass zu großer Besorgnis. Die Bürger sind beunruhigt; dies ist jedenfalls in Rom und Latium der Fall. Dazu einige Zahlen: die Abfallmengen sind größer als in Neapel und in Kampanien; in Rom werden täglich 4 500 Tonnen Müll gesammelt gegenüber 1 000 in Neapel, und den 450 Kilo pro Kopf in Kampanien stehen 617 Kilo in Latium gegenüber, womit der Landesdurchschnitt von 539 Kilo pro Italiener überschritten wird. All dies ist in einer Anfrage enthalten, die wir zusammen mit anderen gewählten Volksvertretern in Rom soeben eingereicht haben.
Der regionale Abfallplan ist indes nie in Gang gesetzt worden, und es wurden schon zwei Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die beunruhigten Einwohner setzen ihre Hoffnung in die europäischen Organe, insbesondere in das Parlament und in die Kommission. Deshalb, Herr Kommissar, fordern wir Sie nachdrücklich auf, die Kommission möge sich bei dem Treffen am 28. Januar Daten und Informationen zur Lage in Rom und Latium beschaffen und eine Untersuchung, wie wir hoffen, durch Kommissar Dimas in Aussicht stellen; ferner schlagen wir die Untersuchung durch eine Delegation dieses Parlaments vor, nicht zuletzt, um zu beurteilen, inwieweit – und damit komme ich zum Schluss – die Maßnahmen für 2008 ausreichend sind. Es muss etwas unternommen werden, Herr Kommissar, bevor es zu spät ist.
Marco Pannella (ALDE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Trösten Sie sich, Herr Präsident, es ist nicht das erste Mal. Herr Kommissar, wenn Sie, wie soeben hervorgehoben wurde, am 28. Januar zu Gesprächen mit unserer Regierung in Rom sein werden, ist es für Italien – und meines Erachtens für Europa – unerlässlich, dass die Kommission die Tätigkeit der europäischen Justiz mit aller Entschiedenheit unterstützt. Sie haben darauf verwiesen, dass Italien einen Rekord innehat, nämlich bei den Urteilen gegen jenen Müllhaufen, den die italienische Justiz, nach 20 Jahren vergeblicher Abmahnungen, darstellt.
Es gibt nur ein Problem: Es gibt eine Flut von Gesetzwidrigkeiten, die zwangsläufig die Zerstörung, und schlimmer noch, die Vernichtung von Leben bedeutet, und zwar nicht allein in Italien, und deshalb hoffe ich, Herr Kommissar, die Kommission möge bedenken, dass wir hier nun den Beweis haben, dass Italien wie in den 20er-Jahren einen neuen, anderen Weg einschlägt, dass es für unser gesamtes Europa zur Gefahr wird, das Land, das (...).
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Roberta Angelilli (UEN). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Müllnotstand in Kampanien stellt eine Tragödie dar, die sich schon lange abzeichnete, und die sich auf den Straßen türmenden Abfallberge sind nur die Spitze eines aus Ineffizienz, Verschwendung und Misswirtschaft entstandenen Eisbergs.
Leider schadet diese Krise nicht nur dem Ansehen der Region Kampanien, sondern auch dem Ansehen ganz Italiens; wenn freilich erneut nicht darüber gesprochen wird, beim wem die Verantwortung liegt, und wenn man die Augen davor verschließt, wäre dies der Lösung des Problems, das durch Stillschweigen und Intrigen noch schlimmer geworden ist, wenig hilfreich, und obgleich die Bürger nicht als politisches Faustpfand benutzt werden sollten, halte ich eine gewisse auch heute Abend in diesem Hause umgehende Schönfärberei für nicht minder unzulässig.
Wir dürfen die Tatsache, dass Millionen von Euro, an europäischen, nationalen und lokalen Geldern in Rauch aufgegangen sind, nicht länger mit Stillschweigen übergehen und auch nicht rechtfertigen, ebenso wenig wie es der Rechnungshof tat. An wen sollen sich die Bürger denn wenden, um für diese Umweltkatastrophe, für das beschädigte Image und für die Vergeudung öffentlicher Mittel Schadenersatz zu fordern? Welche Maßnahmen gedenkt die Kommission insbesondere zu ergreifen, um den italienischen Staat wirklich zu zwingen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, nachdem in Neapel und in Kampanien die Kinder heute wieder nicht zur Schule gegangen sind?
Umberto Guidoni (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Dem Kommissar sei für seine präzise Analyse gedankt. In Neapel und in weiten Teilen Kampaniens hat sich die Müllsituation nunmehr zugespitzt, und die Folgen sind für alle sichtbar, jedoch gibt es auch in anderen Bereichen Probleme, wie die zahlreichen Vertragsverletzungsverfahren auf dem Gebiet der Umwelt zeigen, die sich in Italien in den letzten Jahren häuften.
Nennen möchte ich hier unter anderem das berüchtigte Programm CIP 6, bei dem aus Müll erzeugte Energie als erneuerbare Energiequelle galt, mit dem Ergebnis, dass von den Fördermitteln für Maßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energieträger ansehnliche Beträge den mächtigen Industrielobbys zugeflossen sind, was erhebliche Probleme in der Abfallbewirtschaftung zur Folge hatte. Was die Lage in Kampanien noch dramatischer werden lässt, sind die Intrigen und die Verantwortungslosigkeit der letzten vierzehn Jahre, die zu dem ersten Prozess gegen Unternehmen und Vertreter der öffentlichen Institutionen und zuletzt zu dem Umweltkatastrophen-Prozess gegen Impregilo vor dem Europäischen Gerichtshof geführt hat.
Zur Lösung der Krise bedarf es eines neuen kommunalen Regierungsstils: keine Ausnahmeregelungen mehr, sondern Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften. Die EU hat in der neuen Abfallrahmenrichtlinie eine ganz klare Hierarchie festgelegt. Die Beseitigung ist nur als Ultima Ratio nach Mülltrennung, Recycling usw. zulässig.
Nun müssen wir jedoch einen Ausweg aus einer Situation finden, die in Kampanien den Punkt zu erreichen droht, von dem an es kein Zurück gibt, weshalb alle verfügbaren Ressourcen zu mobilisieren sind und auf die Solidarität der italienischen Regionen sowie auf die Hilfe der EU zurückgegriffen werden muss, damit in den kommenden drei oder vier Monaten Sofortmaßnahmen durchgeführt werden können, um die Gefahren für die Bewohner abzuwenden und Neapels Europa-Rückkehr zu ermöglichen.
Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Von Padanien aus, wo der Müll getrennt gesammelt wird und Abfallgebühren gezahlt werden, erscheint die Lage in Kampanien als Science-Fiction. Die Tatsache, dass die Linke in der Regierung unseres Landes, zudem mit einem grünen Umweltminister, den ehemaligen Chef der Staatspolizei als Müllsonderbeauftragten einsetzen muss, erscheint wie aus einer anderen Welt. Wir sagen klipp und klar, dass Kampanien außerhalb des europäischen Rechtsraums steht und dass es von einer schändlichen Verbindung zwischen Politik und Camorra beherrscht wird, die wir schon seit längerem beanstanden.
Herr Kommissar, keine weiteren Finanzierungen mehr, stellen Sie alle Fördermittel ein, lassen Sie der Camorra, den Kriminellen, keinen weiteren Cent zukommen. Nehmen Sie den hart arbeitenden und ehrlichen Norden zum Vorbild! Befreien Sie die anständigen Leute Kampaniens von der Herrschaft der Camorra, in die verschiedene Parteien verwickelt sind! Wir wollen nichts damit zu tun haben, wir sind gegen diese Beherrschung der Politik durch die Mafia! Soll diesen Menschen geholfen werden, benötigt unser Land Föderalismus! Wir brauchen einen Wandel, die Situation muss sich ändern! Befreien Sie die anständigen Menschen, die im Süden tätig sind, vom Joch der Mafia! Das ist es, was das redliche Padanien zu sagen hat!
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Adriana Poli Bortone (UEN). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Italien ist meiner Ansicht nach überhaupt nicht geneigt, europäische Rechtsvorschriften einzuhalten. Bestätigt wird dies durch die Tatsache, dass es das einzige Land war, dessen Regierung, mit einem grünen Umweltminister, dem Gemeinsamen Standpunkt zur jüngsten Abfallrichtlinie seine Zustimmung im Rat versagt hat.
Ich möchte eine Frage stellen, denn außer dem Unheil, einen grünen Umweltminister zu haben, der völlig unverantwortlich handelt und ohne jegliche Entschiedenheit, bestand darüber hinaus auch geringes Interesse an einer Kontrolle durch die Europäische Kommission. Im Zeitraum 2000-2006 hatten wir nämlich Finanzmittel erhalten, und bei der Umsetzung der Regionalen Operationellen Programme in Kampanien ließ es der Kontrollausschuss offenkundig an der gewissenhaften Erfüllung seiner Aufgaben fehlen, denn sonst hätte er Gelder, die in der Region ohne jegliche Wirkung geblieben sind, gesperrt. Wer zu jener Zeit Kommissionspräsident war und heute in Italien Ministerpräsident mit einem grünen Minister ist, muss wohl nicht erst in Erinnerung gebracht werden?
Riccardo Ventre (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Gratulation zu dieser neuen Form von Demokratie. Glückwünsche vor allem zu der klaren Analyse des Kommissars, der nun hoffentlich konkrete Maßnahmen folgen werden, in die auch das Europäische Parlament – und diese Forderung richtet sich gleichermaßen an den Parlamentspräsidenten – eingebunden werden sollte, denn das Müllproblem in Neapel hat nicht nur mit Details der Entsorgung, mit der Umwelt und sonstigen Fragen zu tun, sondern wird darüber hinaus zu einem unserer Ansicht nach nationalen und europäischen Problem.
Ganz kurz noch einige Anmerkungen: Die Abfallmenge, die jetzt von den Straßen eingesammelt wird, ist weitaus geringer als die dort wieder abgelegte Menge, sodass die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen völlig unzureichend sind. Die Müllmasse, die Gesamtmenge an Müll, nimmt stündlich weiter zu, wodurch die Situation immer dramatischer wird.
Zweitens noch eine politische Bemerkung. Herr Pittella forderte, das Europäische Parlament dürfe nicht zum Podium für nationale Auseinandersetzungen werden. Nun, genau dies scheint bei der Aussprache heute Abend seitens der linken Mitte zu geschehen. Nehmen wir seine Äußerungen zur Kenntnis.
Pasqualina Napoletano (PSE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe um das Wort gebeten, weil ich über den Richtungsverlauf der Debatte in Italien und in gewissem Maße auch hier sowie über die Art der Unterrichtung der Bürger sehr besorgt bin, denn nunmehr wird der Eindruck erweckt, der einzige Ausweg aus der Krise bestehe in einer Patentlösung: Ordnungskräfte und Militär auf der einen Seite sowie Müllverbrennungsanlagen auf der andern Seite.
Die Bürger geben sich somit der Erwartung hin, jemand von außen werde kommen, um dieses Problem zu lösen; die ihnen erteilten Auskünfte gehen nicht auf die Tatsache ein, dass es ohne Verringerung und Trennung der Abfälle und ohne ein anderes, ein staatsbürgerliches Verhalten keine Lösung geben wird. Schuld daran sind die Gebietskörperschaften, die glaubten, die Probleme dadurch beheben zu können, dass sie ein Unternehmen namens Impregilo damit beauftragten. Sie haben ihm den Schwarzen Peter zugeschoben und sind zu Komplizen und Hörigen dieses mächtigen Konzerns geworden.
Salvatore Tatarella (UEN). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Müllverbrennungsanlagen sind in Italien und im übrigen Europa in Betrieb. Getrennte Sammlungen erfolgen in Italien und im übrigen Europa. Recycling findet in Italien und im übrigen Europa statt. Lediglich in Neapel ist dies mindestens in den letzten 15 Jahren nicht der Fall gewesen, und zwar unter den Augen sämtlicher Institutionen, die eigentlich hätten handeln müssen: Und zu diesen Institutionen gehören auch Europa und die Kommission.
Nach meinem Dafürhalten wurde wenig getan und muss mehr getan werden, auch seitens der Kommission, denn die bisher, einschließlich in den letzten Tagen, von der Regierung ergriffenen Maßnahmen sind völlig nutzlos und überhaupt nicht zweckdienlich. Die Entsendung des Polizeichefs nach Neapel für nur vier Monate bringt keinerlei Problemlösung, sofern Neapel nicht sämtliche EU-Rechtsvorschriften einhält, und wenn die italienische Regierung außerstande ist, dies sicherzustellen, sollte die Europäische Kommission mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dafür Sorge tragen.
Armando Veneto (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Einen Rückblick auf die Vergangenheit halte ich nur dann für hilfreich, wenn die Zukunft genutzt wird, um aus der Vergangenheit herrührenden Problemen ein Ende zu setzen, was nun aber offensichtlich nicht geschieht, denn wie üblich bedeutet der hier geführte politische Schlagabtausch, dass jeder den Standpunkt vertritt, der ihm am besten zupass kommt.
Der einzig ernsthafte Schritt, den wir unternehmen können, besteht meiner Meinung nach darin, den Kommissar zu bitten, mit Nachdruck darauf zu bestehen, dass nun endlich das eigentliche Problem gelöst wird, nämlich die Mülltrennung, und zwar mithilfe von Instrumenten, die dies ermöglichen, wie Belohnungen für diejenigen, die sie durchführen, sowie eines Sonderplans für das Sammeln von Pappe und sonstigen Werkstoffen. CONAI, das gemeinsame Konsortium der italienischen Hersteller und Verwender von Verpackungen, das für die Wiederverwendung von nicht feuchtem Abfall verantwortlich ist, kassiert letzten Endes das Geld im Süden, um es dann an den Norden zu zahlen, der wie gewöhnlich als Nutznießer der Situation Mittel aus dem Süden ab- und dem Norden zufließen lässt. Damit muss Schluss sein!
Wir ersuchen daher den Kommissar, dessen Initiativen unsere hohe Wertschätzung finden, mit Nachdruck zu fordern, dass die Sonderbeauftragten in Kampanien nicht auf die Vergangenheit zurückkommen, sondern den Blick ein für alle Mal in die Zukunft richten.
Mario Mantovani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin gewähltes Mitglied einer Fraktion, die, als sie vor der jetzigen Regierung in Italien an der Regierung war, die Polizeikräfte aufbieten musste, um mit dem dringend benötigten Bau regulärer Abfallentsorgungsanlagen in Kampanien beginnen zu können, gegen den seinerzeit von Gegnern, Frau Frassoni, die heute Minister in der Regierung von Romano Prodi sind, Widerstand geleistet wurde.
Die jüngsten Erklärungen von Romano Prodi zum Müllnotstand in Kampanien liefern den Beweis für das völlige Versagen der von ihm geleiteten Regierung. Neapel ist der Beleg für einen Staat, der Recht und Gesetz nicht garantiert und eine die Gesundheit der Bürger gefährdende sowie für den Fremdenverkehr und das Ansehen Italiens und mithin für die italienische Wirtschaft und die italienischen Ausfuhren schädliche Situation duldet. Die ernsten Probleme, denen Kampaniens Bürger gegenüberstehen, sind dennoch nur auf eine von zwanzig Regionen Italiens begrenzt, und die politische sowie administrative Verantwortung lässt sich unschwer einigen Amtsverwaltern zuschreiben, deren Rücktritt wir daher fordern.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass die Verantwortung für die korrekte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in erster Linie bei den Mitgliedstaaten liegt. Laut Vertrag ist die Kommission nicht befugt, die Behörden der Mitgliedstaaten bei deren Planungs- und Entscheidungsaktivitäten abzulösen, also beispielsweise selbst zu entscheiden, ob und wo Müllentsorgungsanlagen gebaut werden sollen. Die Aufgabe der Kommission ist es, die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu überwachen. Ist diese nicht zufrieden stellend – so wie im vorliegenden Fall –, kann die Kommission Vertragsverletzungsverfahren einleiten, doch die Lösungen müssen stets von den Mitgliedstaaten gefunden und umgesetzt werden.
Wir sind besorgt darüber, dass sich die Situation in Kampanien trotz der von den italienischen Behörden 2007 ergriffenen Maßnahmen verschlimmert. Es kommt darauf an, dass sich die italienischen Behörden neben den Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Krise intensiver um Strukturen bemühen, die der Region Kampanien langfristig eine nachhaltige Abfallwirtschaft ermöglichen und die sich vollständig im Einklang mit der europäischen Abfallgesetzgebung befindet. Meines Erachtens muss es dem Krisenmanagement dieses Mal gelingen, in der Abfallpolitik eine Kehrtwende einzuleiten, um eine weitere Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu verhindern. Deshalb müssen alle einzuleitenden Maßnahmen eine effektiv implementierte Strategie zum Ziel haben, bei der es nicht nur um den Aufbau eines ausreichend großen Netzes von Müllaufbereitungsanlagen geht. Ebenso wichtig sind die für die Mülltrennung, das Recycling und die Abfallvermeidung notwendigen Strukturen, wobei die Abfallhierarchie zu beachten ist, bei der die Deponierung die am wenigsten wünschenswerte Option darstellt.
Ein entsprechender neuer Plan für die Abfallwirtschaft darf nicht wie in der Vergangenheit nur auf dem Papier existieren, sondern muss konsequent umgesetzt werden. Die derzeitige Müllkatastrophe sollte als Chance begriffen werden, um zu zeigen, dass Italien in der Lage ist, die Region Kampanien zu einem Vorbild für die ordnungsgemäße Abfallwirtschaft zu entwickeln. Andere italienische Regionen wie z. B. die Region Mailand haben gezeigt, dass das möglich ist.
Als Hüterin der Verträge wird die Kommission das im Juni 2007 gegen Italien wegen Verletzung der Abfallgesetze der Gemeinschaft eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren fortsetzen. Sie ist bereit, weitere Schritte einzuleiten, sollte die derzeitige Verletzung des Gemeinschaftsrechts fortdauern. Sie wird dabei alle ihr im Rahmen des Vertrags zustehenden Mittel einschließlich der Verhängung von Bußgeldern gemäß Artikel 220 EG-Vertrag ausschöpfen.
Abgesehen davon sind meine Dienststellen bereit, Italien in dem Maße, in dem dies notwendig und hilfreich ist, bei der Suche nach einer langfristigen und nachhaltigen Lösung für den derzeitigen Müllnotstand sowie deren Umsetzung zu unterstützen.
(Beifall)
VORSITZ: DIANA WALLIS Vizepräsidentin
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
17. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0001/2008).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.
Teil I
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Könnten Sie dem Haus Anhaltspunkte zum zeitlichen Ablauf geben, damit diejenigen unter uns, die Fragen eingereicht haben, eine konkrete Vorstellung vom Ablauf haben? Werden Sie die Fragen gleichmäßig in drei Teile aufteilen oder in zwei Teile von je einer halben Stunde? Ich frage deshalb, weil diejenigen von uns, die an einem möglichen dritten Teil beteiligt sind, wissen müssen, was in Anbetracht des Zeitpunktes, an dem wir beginnen, auf sie zukommt.
Die Präsidentin. − Vielen Dank, Frau Doyle, Sie haben ganz Recht. Wir werden die vorrangigen Fragen behandeln und dann die Fragestunde, soweit dies möglich ist, zu gleichen Teilen zwischen Kommissarin Kuneva und Kommissar McCreevy aufteilen. Wir hoffen, wenigsten bis 19.30 Uhr Zeit zu haben und, die Nachsicht der Dolmetscher vorausgesetzt, vielleicht sogar noch etwas länger. Ich hoffe, dass wir damit nach Möglichkeit jeden zufrieden stellen können.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 31 von Mairead McGuinness (H-0980/07)
Betrifft:
Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher vor gefälschten und minderwertigen Arzneimitteln
Sicherheit und Effizienz in der Arzneimittelversorgungskette in Europa werden heute zu einem wesentlichen Anliegen der europäischen Verbraucher, und die Schwächen, die dieses System zur Zeit aufweist, können sich katastrophal auf die Sicherheit der Patienten auswirken.
Es versteht sich von selbst, dass die europäischen Verbraucher unbedenkliche und erschwingliche Arzneimittel brauchen. In Irland zahlen die Verbraucher jedoch eine Gebühr für ihre Arzneimittel, die bei der gegenwärtigen Großhandelsspanne 17,66 % ausmacht, das ist mehr als das Doppelte des EU-Durchschnitts. Diese Tendenz ist in der gesamten EU festzustellen; weil der Markt dort zersplittert ist, ist es zu einer entsprechenden Zunahme des Parallelhandels mit Arzneimitteln gekommen.
Laut einer Meldung der Europäischen Allianz für den Zugang zu unbedenklichen Medikamenten gelangen gefälschte und minderwertige Arzneimittel in die EU-Versorgungskette.
Die Kommission wird gebeten, ihre Haltung hierzu darzulegen. Gedenkt sie, dieses Problem in Angriff zu nehmen, indem sie den Parallelhandel untersucht und einen wirklichen Binnenmarkt für pharmazeutische Erzeugnisse fördert, was im Interesse der Verbraucher liegt und als wesentliche Voraussetzung dafür erscheint, dass die Vorteile des Binnenmarkts, einschließlich erschwinglicher Arzneimittel, in allen Teilen der europäischen Wirtschaft zur Geltung kommen?
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Hauptanliegen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und politischen Konzepte im Arzneimittelbereich besteht darin, eine Versorgung der Patienten mit sicheren, wirksamen und hochwertigen Arzneimitteln bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer Erschwinglichkeit und allgemeinen Verfügbarkeit sicherzustellen.
In der Vergangenheit ist schon mehr als einmal die Frage der Sicherheit von Arzneimitteln im Zusammenhang mit ihrer Vermarktung im Rahmen des so genannten Parallelhandels angesprochen worden. Das hat mich veranlasst, zur umfassenden Klärung dieser Frage eine Untersuchung in Auftrag zu geben, bei der alle Aspekte der Vertriebswege und insbesondere Fragen im Zusammenhang mit gefälschten Arzneimitteln und Parallelhandel geprüft werden sollen. Die Untersuchung zielt darauf ab, die gegenwärtige Lage zu analysieren und politische Optionen zu entwickeln, um Lücken zu schließen, erforderlichenfalls durch Änderung der geltenden Rechtsvorschriften. Untersucht werden in diesem Zusammenhang auch potenzielle Verbindungen zwischen dem Parallelhandel und dem Auftauchen gefälschter Arzneimittel.
Ich muss Ihnen leider sagen, dass der erste, bereits abgeschlossene Teil der Untersuchung zum Thema Parallelhandel gezeigt hat, dass beträchtliche Risiken für die Patientensicherheit durch Parallelhandel entstehen. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich, darunter Fehler bei der Neuverpackung oder Neuetikettierung, geringe Wirksamkeit von Produktrückrufen, komplexere Verteilungswege, Versorgungsunterbrechungen und schließlich Mängel bei der Durchsetzung geltender Rechtsvorschriften.
Die Kommission führt derzeit eine Analyse der Untersuchungsergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung einer kohärenten Strategie zur Beseitigung dieser Sicherheitsrisiken durch. Die verschiedenen politischen Optionen werden hinsichtlich ihrer voraussichtlichen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen überprüft. Angesichts der großen Bedeutung dieser Frage für die öffentliche Gesundheitspolitik hat die Frage für die Kommission eine hohe Priorität. Entscheidungen bezüglich des weiteren Vorgehens werden in Kürze fallen.
Darüber hinaus möchte ich Sie informieren, dass das Pharmaforum eine Plattform für einen erleichterten Einsatz und Austausch bewährter Praktiken in den Bereichen Preisgestaltung und Kostenerstattung für Arzneimittel bietet. Diese Themen fallen zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, entsprechende Maßnahmen müssen jedoch mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht übereinstimmen. Die Arbeiten des Pharmaforums, in dem Patientenorganisationen, Angehörige der medizinischen Berufe und Führungskräfte aus der Branche sowie die Gesundheitsminister aller Mitgliedstaaten vertreten sind, können einen Beitrag zu der wichtigen Frage eines erschwinglichen Zugangs zu sicheren Arzneimitteln leisten.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Kommissar, die klar, aber alarmierend ist, denn es bestehen offensichtlich Probleme im Hinblick auf die Sicherheit.
Ich bitte Sie, etwas zum zeitlichen Rahmen der von Ihnen in Ihrer Antwort angesprochenen Maßnahmen zu sagen, denn meines Erachtens sind sich die Bürger der Gefahren in Verbindung mit gefälschten Arzneimitteln generell nicht bewusst. Und könnte ich Sie ferner bitten, – vielleicht schriftlich – auf ein Problem einzugehen, das für Irland von Belang ist, und zwar geht es um Impfstoffe, die zwar legitim sind, die aber bei Kindern gesundheitliche Schäden verursacht haben, für die die Betroffenen nach 40 Jahren noch immer auf Entschädigung warten.
Vielleicht könnten Sie mir schriftlich mitteilen, wie andere Mitgliedstaaten dieses strittige Problem handhaben.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Ich bin dazu gerne bereit. Zu Ihrer ersten Frage möchte ich sagen, dass ich bereits entschieden habe, dass die Frage des Parallelhandels mit gefälschten Medikamenten mit Priorität behandelt wird. Ich habe den Arbeitsplan der Generaldirektion geändert, und wir werden noch in diesem Jahr gesetzgeberische Vorschläge machen. Ich denke, das wird kurz nach der Sommerpause möglich sein.
Was Ihre andere Frage angeht, so danke ich für Ihr Verständnis, dass ich das nicht ohne vorherige Prüfung beantworten kann. Ich werde diese Prüfung veranlassen, und Sie werden die erbetene schriftliche Antwort in den nächsten Tagen erhalten.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Ich habe eine Frage zu den Preisen. In Deutschland kosten Nasentropfen anderthalb bis zweimal weniger als das gleiche Arzneimittel in Litauen. Wir bemühen uns, dafür zu sorgen, dass Menschen in allen Ländern der Welt, auch in den Entwicklungsländern, Zugang zu Arzneimitteln haben. Könnten wir versuchen zu gewährleisten, dass unsere Bürger, die Bürger der Europäischen Union, zumindest einen ähnlichen Preis für gleiche Arzneimittel zahlen? Ließe sich denn in dieser Hinsicht etwas in Europa unternehmen?
Josu Ortuondo Larrea (ALDE). – (ES) Frau Präsidentin! Die Gesundheitsdienste bilden ein immer wiederkehrendes Thema in den Debatten des Europäischen Parlaments. Immer wenn wir die Dienstleistungsrichtlinie behandeln, gibt es Bemühungen, diese Frage einzubeziehen, bis jetzt haben wir es abgelehnt, und die Gesundheitsdienste blieben außen vor.
Die Versorgung mit Medikamenten ist ein Gesundheitsdienst. In einigen Staaten wie Spanien hat sich eine Gruppe von Einrichtungen etabliert – die Apotheken –, und nur dort dürfen Medikamente ausgegeben werden.
Ich möchte den Kommissar fragen, ob bei der von der Kommission durchgeführten Untersuchung zwischen jenen Staaten, in denen die Apotheken einen eingegrenzten und kontrollierten Markt bilden, und dem Rest irgendein Unterschied in der Frage der Fälschung von Medikamenten und geringerer Qualität von Arzneimitteln festgestellt wurde.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Zur ersten Frage möchte ich feststellen, dass neben der Studie zur Sicherheit von Arzneimitteln im Parallelhandel derzeit weitere Aspekte im Zusammenhang mit dem Parallelhandel untersucht werden, und zwar insbesondere im Hinblick auf Initiativen zur Preisgestaltung.
Eine Überarbeitung der Transparenzrichtlinie, damit spezielle Preisinformationen aufgenommen werden können, wäre ebenfalls eine Möglichkeit. Doch vorher möchte ich mir einen Überblick über die aktuelle Situation verschaffen, damit ich genau weiß, wie die Dinge liegen. Dann muss geprüft werden, ob die EU-Gesetzgebung daran etwas ändern kann, denn der gesamte Bereich der Preisgestaltung und der Erstattung für Arzneimittel fällt vollständig in die Kompetenz der Mitgliedstaaten; wir haben hier keinerlei Befugnisse. Aber es liegt auf der Hand, dass wir zusammenarbeiten müssen. Das ist der Grund, weshalb der Bereich Preisfindung und Erstattung für Arzneimittel zu unseren Prioritäten zählt.
Mir ist vollkommen klar, dass es für die Bürger nur schwer nachvollziehbar ist, weshalb ein und dasselbe Arzneimittel in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU ganz unterschiedliche Preise hat. Das verstehe ich selbst kaum. Die Tatsache, dass diese Preise reguliert werden, ist nur ein Faktor. Ein weiterer Faktor ist natürlich die Tatsache, dass die pharmazeutische Industrie Teil der Marktwirtschaft ist. Folglich kann sie die Preise frei festsetzen, aber wir untersuchen die Lage sehr genau, und ich denke, dass es uns gelingen wird, Lösungen vorzulegen.
Zur zweiten Frage kann ich sagen: Ja, es stimmt, dass in der Europäischen Union unterschiedliche Systeme existieren. So können in einigen Ländern bestimmte Medikamente nur in der Apotheke verkauft werden. In anderen Ländern kann man sie im Supermarkt kaufen. Nur im Falle von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist die Situation überall gleich. Diese Arzneimittel gibt es nur in der Apotheke.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 32 von Chris Davies (H-0984/07)
Betrifft: Kohlendioxidemissionen
Welches Ziel hat sich die Kommission selbst für die Verringerung der Kohlendioxidemissionen gesetzt, die durch ihre Tätigkeiten sowie durch ihre Gebäude- und Transporterfordernisse entstehen?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Frau Präsidentin! Die Kommission hat bisher das Problem der von ihr verursachten Kohlendioxidemissionen im Rahmen des Gemeinschaftssystems für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, besser bekannt als EMAS, gelöst und dabei die Auflagen dieses Systems eingehalten.
Seit 2005 setzt die Kommission EMAS in fünf der Abteilungen in Brüssel und in acht ihrer Gebäude durch. Sie konnte seither eine klare Senkung der Zuwachsrate beim Verbrauch u. a. von Strom durch diese Abteilungen feststellen, was zweifellos eine positive Entwicklung ist.
Gesamtziele für die Senkung der CO2-Emissionen wurden für die Kommission noch nicht festgelegt, aber die Kommission prüft und analysiert im Rahmen von EMAS die Gesamtmenge ihrer CO2-Emissionen und wird 2008 Gesamtziele für die Emissionsreduzierung festlegen. Was insbesondere ihren Fahrzeugpark betrifft, so hat sich die Kommission bereits eine Senkung der CO2-Emissionen um durchschnittlich 26 % zwischen 2006 und 2012 vorgenommen.
Chris Davies (ALDE). – (EN) Die Kommission wird am Mittwoch einige wichtige Maßnahmen ankündigen, und ich nehme an, dass die Menschen dann überall fragen werden, ob wir praktizieren, was wir predigen. Zu hören, dass sich bisher nur fünf GD dem EMAS angeschlossen haben ist nicht sehr ermutigend, obwohl das Parlament nicht von sich behaupten kann, das es besser ist. Es würde eine solche Prüfung keinesfalls bestehen, obwohl jetzt Maßnahmen ergriffen werden, um Abhilfe zu schaffen.
Akzeptiert der Kommissar, dass seine Argumente zugunsten umfassender Veränderungen, die in den Mitgliedstaaten erforderlich sind, wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen, ins Leere laufen, wenn nicht nach außen sichtbar wird, dass die Kommission selbst diese Verbesserungen vornimmt?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Ja, da stimme ich Ihnen zu. Wir sollten praktizieren, was wir predigen, und genau das haben wir uns für 2008 vorgenommen. Ich erwarte, dass die Kommission und ihre Dienststellen eine Senkung der Emissionen auf mindestens dasselbe Niveau anvisieren, wie wir es von den Mitgliedstaaten fordern.
Bekanntlich haben wir uns vorgenommen, die Emissionen um 30 % zu senken, vorausgesetzt, dass sich andere Industrieländer anschließen. Kommt kein internationales Klimaschutzabkommen zustande, dann beträgt das Ziel 20 %. Wir werden uns ein Ziel von 30 % setzen, und ich denke, wir machen damit deutlich, dass wir bereit sind, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Übrigens müssen wir eine Studie zur Ermittlung der exakten Menge der von der Kommission verursachten Emissionen durchführen, bevor wir Ziele und einen Zeitplan aufstellen. Außerdem brauchen wir einen Aktionsplan zur Emissionsbekämpfung.
Paul Rübig (PPE-DE). – Mich würde interessieren: Wir haben diese „top down“-Vorgaben mit minus 30 %, und da scheint es ja eine große Einigkeit zu geben. Sie haben ja völlig richtig gesagt, das werden die anderen tun, um diese Ziele zu erreichen.
Ich möchte Sie persönlich fragen: Haben Sie einen Plan, wie Sie persönlich diese 30 %-ige Reduktion in Ihrem persönlichen Umfeld erreichen werden?
Karin Scheele (PSE). – Das Europäische Parlament hat ja unter Heranziehung von EMAS minus 30 % bis 2012 festgesetzt, und wir sind auch gespannt, welche konkreten Maßnahmen es vom Europäischen Parlament und von den Verantwortlichen gibt.
Herr Kommissar, Sie haben gesagt, dass das Ergebnis des Heranziehens von EMAS ein geringerer Stromverbrauch ist. Mich würde interessieren: Welche konkreten Maßnahmen wurden gesetzt, welche konkreten Maßnahmen sind für die kommenden Jahre vorgesehen, und welche Rolle spielen dabei erneuerbare Energien?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Mir war nicht klar, dass Ihre Frage an mich ganz persönlich gerichtet war. Ich gebe im Allgemeinen nur ungern Auskunft über mein Tun, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich beispielsweise in Brüssel kein Auto habe – ich fahre nicht Auto; ich ziehe es vor, an den Wochenenden zu Fuß zu gehen, was ja auch gesund ist. Bezüglich meines Dienstwagens habe ich Folgendes getan, denn ich habe derartige Fragen erwartet: Ich habe den WWF, der zehn nachhaltige Spitzenprojekte durchführt, gebeten, mir das nachhaltigste Auto zu empfehlen, und man hat mir eins empfohlen, das ich jetzt auch nutze. Übrigens liegen dessen Emissionen innerhalb der Grenzen, die von der Automobilindustrie bis 2012 erreicht werden sollen. In Griechenland, wo ich Parlamentsabgeordneter war, habe ich ein sehr kleines Auto, das noch kleiner ist als mein hiesiger Dienstwagen und das ich sehr selten fahre.
Ich würde Ihnen auch dies lieber nicht erzählen, aber ich habe für meine Reise nach Bali eine Abgabe in eines dieser Programme eingezahlt – ich glaube, es war das Emissionshandelssystem –, wodurch die Emissionen ausgeglichen werden. Ich versuche also, möglichst viel zu tun, und wenn Sie weitere Vorschläge für mich haben, dann will ich Ihrem Rat gern folgen.
Was die erneuerbaren Energien angeht, so ist die Diskussion groß. Wir sollten tun, was wir Anfang des letzten Jahres – im März 2007 – beschlossen haben und das Soll von 20 % in allen Mitgliedstaaten erreichen. Bei den Gebäuden und Dienststellen der Kommission sollten wir einen möglichst hohen Anteil an erneuerbaren Energien anvisieren, denn die Hauptemissionsquelle der Kommission sind die Gebäude. Fast drei Viertel ist auf die Gebäude zurückzuführen; wenn wir also Möglichkeiten für die Nutzung von erneuerbaren Energien für unsere Dienststellen finden können, dann wäre das sehr gut. Aber das muss im Rahmen des von mir bereits erwähnten Aktionsplans geprüft werden.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 33 von Claude Moraes (H-0986/07)
Betrifft: Schutz der Verbraucher gegen Spam, Spyware und bösartige Software
Die Europäische Kommission hat den Schutz der Verbraucher in der digitalen Welt zu einem der zentralen Themen ihrer Pläne für den Verbraucherschutz in den kommenden Jahren erklärt. In diesem Zusammenhang hat sie ausgeführt, dass wirksame und reaktionsfähige Durchführungsmechanismen, die den nationalen Behörden eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung krimineller Händler, die sich Spam und betrügerischer Internetseiten bedienen, von entscheidender Bedeutung sind.
Welche Fortschritte hat die Kommission bei der Ausarbeitung solcher Mechanismen gemacht, um die Verbraucher zu schützen?
Was ist insbesondere getan worden, um die Möglichkeiten für die Verbraucher zu verbessern, auf rechtlichem Weg ihr Geld zurückzuerhalten, wenn sie Opfer von Spam, Spyware oder anderer bösartiger Software werden sollten?
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Probleme im Zusammenhang mit der Privatsphäre und der Sicherheit in der Informationsgesellschaft bereiten der Kommission vor allem dann Sorge, wenn diese die Verbraucher gefährden.
Der Einsatz von Spam, Spyware und bösartiger Software stellt eine eindeutige Verletzung der europäischen Rechtsvorschriften zum Schutz der Privatsphäre und in einigen Fällen sogar eine strafbare Handlung dar. Deshalb müssen die zuständigen Behörden diese Vorschriften konsequent durchsetzen.
Letzten Dezember begrüßte Kommissarin Reding (die ich die Freude habe, hier zu vertreten) das rasche und effektive Eingreifen der niederländischen Regulierungsbehörde, die gegen drei niederländische Unternehmen wegen der gesetzeswidrigen Installation von Spyware und Adware auf über 22 Millionen Computern in den Niederlanden und in anderen Ländern eine Geldbuße von insgesamt einer Million Euro verhängte.
Sie hat andere Regulierungsbehörden aufgerufen, diesem Beispiel zu folgen. Am 13. November 2007 hat die Kommission ihre Vorschläge zur Reform der Vorschriften für die Telekommunikation verabschiedet, die auch Bestimmungen zur weiteren Stärkung der Sicherheit und der Privatsphäre in der Informationsgesellschaft umfassen.
Was Spam betrifft, so sehen die Vorschläge für Internet-Diensteanbieter die Möglichkeit vor, gegen Spammer rechtliche Schritte einzuleiten. Wir gehen davon aus, dass sich diese Bestimmung zu einem wichtigen Instrument im Kampf gegen Spam in Europa entwickelt.
Die Wirksamkeit von Anti-Spam-Maßnahmen wird noch dadurch verstärkt, dass sie in den Geltungsbereich der Verordnung über Zusammenarbeit im Verbraucherschutz aufgenommen wird, die eine gemeinschaftsweite Vernetzung der für die Durchsetzung zuständigen Behörden sowie ein Mindestmaß gemeinsamer Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse, um diese Verordnung wirksam anzuwenden, vorsieht.
Generell sehen die Vorschläge u. a. vor, dass Abnehmer elektronischer Kommunikationsleistungen über mögliche Maßnahmen informiert werden, die ein Dienstanbieter gegebenenfalls im Falle der Gefährdung der Sicherheit oder als Reaktion auf eine Beeinträchtigung der Sicherheit oder Integrität ergreift.
Mit der Einführung des Konzepts der Mitteilung bei Verletzung der Sicherheit würden Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste über Verletzungen der Sicherheit informiert werden, wenn diese den Verlust oder die Beschädigung persönlicher Daten zur Folge hätten. Sie würden ferner Informationen über Vorkehrungen erhalten, die sie treffen können, um den elektronischen Verlust oder sozialen Schaden im Ergebnis einer Sicherheitsverletzung zu minimieren.
Um die Einhaltung dieser Auflagen zu gewährleisten, werden nationale Aufsichtsbehörden die Befugnis erhalten, Betreibern verbindliche Anweisungen über Maßnahmen zu erteilen, die für die Sicherheit elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste notwendig sind, sowie deren ordnungsgemäße Umsetzung zu kontrollieren.
Zu den Hauptaufgaben der vorgeschlagenen europäischen Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation wird der Schutz der Netz- und Informationssicherheit gehören. Gleichzeitig wird sie die Kommission erforderlichenfalls bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen auf europäischer Ebene unterstützen.
Claude Moraes (PSE). – (EN) Vielen Dank für diese umfassende Antwort, Herr Kommissar. Ich weiß nicht, was das digitale Äquivalent einer „Epidemie“ ist, aber seit Weihnachten müssen wir eine Epidemie dieser Art von Verhalten feststellen. Das wird von sämtlichen unabhängigen Organisationen bestätigt.
Ich möchte die von der Kommission ergriffenen Maßnahmen keineswegs abwerten; ich denke, die Kommission räumt diesem Bereich vorrangige Bedeutung ein. Ich habe aber den Eindruck, dass Beispiele wie die Unterstützung von Strafverfolgungsmaßnahmen wie im Fall der Niederlande bzw. die Aufforderung an ISP, gegen die Verursacher vorzugehen, die Verbraucher nicht erreichen. Kann die Kommission den Europaabgeordneten etwas Einfaches in die Hand geben, mit dem wir unsere Verbraucher darüber informieren können, was wir tun und wie effektiv wir dabei sind?
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wie ich bereits sagte, liegen Vorschläge vor, die derzeit von Parlament und Rat geprüft werden. Ich gehe davon aus, dass sie in Kraft treten werden, so dass wir dann über die erforderlichen Voraussetzungen verfügen werden.
Die derzeitige Rechtslage gestattet Maßnahmen gegen entsprechende Verletzungen, die sich jedoch nach dem jeweiligen Einzelfall richten. Im Falle einer Straftat kann die Polizei um Unterstützung gebeten werden, oder es können rechtliche Schritte eingeleitet werden. Wie ich bereits sagte, hat die Kommission das Beispiel der niederländischen Aufsichtsbehörde OPTA in einer Pressemitteilung begrüßt. Ich habe die ausführliche Textfassung mit und kann sie Ihnen, wenn Sie möchten, nach der Fragestunde geben, damit Sie nachlesen können, was wir bereits unternommen haben.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Kommissarin Reding ist leider nicht da, aber ich bin sicher, der Vizepräsident der Kommission, Herr Verheugen, verfügt über ausreichende Kenntnisse, um meine Zusatzfrage beantworten zu können. Liegen dem Kommissar Hinweise für eine Verbindung zwischen der Quelle unerbetener Emails – Spam – und Unternehmen vor, die Dienste und Produkte zum Schutz gegen eine derart unerwünschte Verletzung der Privatsphäre anbieten?
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Ich möchte eine Verbindung herstellen zwischen der ersten Frage von Frau McGuinness über den Schutz der Verbraucher vor gefälschten und minderwertigen Arzneimitteln und der Frage von Herrn Moraes über den Schutz der Verbraucher vor Spam. Eines der riesigen Probleme, die ich und die meisten anderen Internetnutzer haben, betrifft die Mengen von Medikamenten, für die mit Spam geworben wird, sowie alle möglichen Produkte zur Vergrößerung aller möglichen Körperteile, die einige von uns noch nicht einmal besitzen! Ich wüsste unter Bezugnahme auf die von Ihnen erwähnte Studie zum Parallelhandel gern, ob derzeit Studien zur gesamten Internetproblematik im Zusammenhang mit Spam und gefälschten Arzneimitteln und insbesondere minderwertigen Arzneimitteln, die Verbrauchern keinerlei Garantien in Bezug auf ihre Wirksamkeit oder Sicherheit bieten, durchgeführt werden. Dieser spezielle Bereich verzeichnet einen erschreckenden Zuwachs.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Das ist eine recht interessante Kombination. Zur ersten Frage ist festzustellen, dass der Kommission derartige Angaben nicht vorliegen, da es sich um Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten handelt. Aber ich werde diese Frage an Kommissarin Reding weiterleiten, und vielleicht können wir in Verbindung mit den Mitgliedstaaten eine Lösung finden.
Ich kann aus meiner Sicht sagen, dass ich den Ihrer Frage zugrunde liegenden Gedanken ganz vernünftig finde, und ich denke, wir sollten versuchen, eine Verbindung herzustellen.
Zur zweiten Frage. Sie bezieht sich sogar auf einen Punkt, den wir heute Abend nicht angesprochen haben, nämlich die Frage der Patienteninformationen. Es geht hier um drei Probleme: den Missbrauch elektronischer Kommunikationssysteme, das Problem der Informationen für Patienten, die häufig irreführend sind, und das Problem des Handels mit gefälschten Arzneimitteln und des Parallelhandels. Darauf bin ich in meiner Antwort auf die Frage zu gefälschten Arzneimitteln und zum Parallelhandel nicht eingegangen, deshalb kann ich das jetzt tun.
Wir arbeiten auch an einem Vorschlag für einen klaren Rahmen in Bezug auf Patienteninformationen und stoßen dabei auf genau das von Ihnen erwähnte Problem, dass nämlich die geltenden Bestimmungen und Beschränkungen vom Internet sozusagen ausgehebelt werden. Das ist uns wichtig – und aus diesem Grund untersuchen wir das gesamte Problem und werden einen Vorschlag zur Organisation der Informationen für Patienten in der Europäischen Union vorlegen, obwohl wir wissen, dass das extrem schwierig ist. Aber ich muss sagen, dass es bereits entsprechende Vorschriften gibt.
So ist es nicht erlaubt, für rezeptpflichtige Arzneimittel zu werben. Ist das im Internet der Fall, so stellt das natürlich eine Verletzung des geltenden Rechts dar, und die Mitgliedstaaten haben nicht nur das Recht, sondern meines Erachtens auch die Pflicht, dagegen etwas zu unternehmen.
Deshalb lautet die Antwort auf Ihre Frage: Ja. Die Kommission weiß um dieses Problem und wird sich in den anstehenden Vorschlägen um eine Lösung dafür bemühen.
Ich muss hier jedoch eine Einschränkung vornehmen: Die Nutzung des Internet ist nicht kontrollierbar. Das ist genau das Problem, das wir haben, und wir werden versuchen, die bestmögliche Lösung dafür zu finden.
Die Kommission hat Ende November eine Bestandsaufnahme des Systems zur Kontrolle der Sicherheit von Konsumwaren vorgelegt, die zahlreiche Funktionsmängel hinsichtlich der Anwendung der geltenden Richtlinien in den Mitgliedstaaten, aber auch bezüglich der Rückverfolgbarkeit und der Verantwortlichkeiten der Industrie, der Händler und der Importeure zutage gefördert hat.
Kann die Kommission insbesondere Folgendes mitteilen: Welche konkreten Maßnahmen gedenkt sie zu treffen, um die von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/95/EG(1)
durchgeführten Kontrollen im Hinblick auf die Produktsicherheit sowie die Zusammenarbeit mit den Zollämtern zu verbessern? Welche Maßnahmen gedenkt sie zu treffen, um die Rückverfolgbarkeit der eingeführten Konsumgüter sicherzustellen? Welche Maßnahmen gedenkt sie zu treffen, um die Hersteller, die Importeure und die Händler von eingeführten Konsumwaren verstärkt in die Verantwortung einzubinden und gegebenenfalls zu bestrafen?
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Die ersten Ergebnisse der Bestandsaufnahme zur Produktsicherheit wurden am 22. November 2007 veröffentlicht. Aus ihnen geht hervor, dass der ordnungspolitische Rahmen, wenn er ordnungsgemäß angewendet wird, für seinen Zweck geeignet ist. Das Rapex-System ist effizient und gewährleistet, dass gefährliche Produkte vom Markt in der gesamten Europäischen Union zurückgerufen werden.
Dennoch deutet die Bestandsaufnahme darauf hin, dass es Reserven gibt, und zwar sowohl im Hinblick auf Präventivmaßnahmen als auch die verbesserte Rechtsdurchsetzung. Einige der geplanten Verbesserungen stehen kurz vor ihrer Umsetzung. Das gilt insbesondere für die Revision der Richtlinie über die Sicherheit von Spielzeug. Die Kommission arbeitet ferner an einer zeitweiligen Maßnahme, die bis zur Überarbeitung der Normen Warnvorschriften für Magneten in Spielzeug vorsieht, um der Gefahr zu begegnen, die solches Spielzeug darstellt. Die Kommission unterstützt die Marktaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Ermittlung und gemeinsamen Nutzung bewährter Verfahren, um die entsprechenden Kontrollen zu verbessern.
Im Oktober 2007 berichteten die Mitgliedstaaten über Initiativen zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsakteuren sowie über spezielle Kampagnen zur Kontrolle von Spielzeug. Die Kommission beabsichtigt, im Rahmen einer neuen und, wie ich hoffe, hilfreichen Initiative im Verbraucher-Anzeiger für 2008 vergleichende Angaben zur Durchsetzungskapazität zu veröffentlichen. Ferner stärkt die Kommission auch weiterhin konkret die Marktüberwachungskapazität der Mitgliedstaaten, indem sie sich finanziell an gut durchdachten gemeinsamen Vorhaben zur Marktüberwachung beteiligt. Für derartige Vorhaben wurden 2007 1,3 Millionen Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt bereitgestellt.
Zusätzlich zu Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes innerhalb der EU wird viel getan, um den Schutz an den Grenzen zu verbessern. Die jüngsten wesentlichen Änderungen in der Zollgesetzgebung der EU werden zur Feststellung gefährlicher Ladungen und deren Kontrolle beitragen. Sichere Mechanismen für den Informationsaustausch zwischen Zollbehörden werden zudem ein rasches Reagieren ermöglichen, sobald Informationen über neue Arten von gefährlichen Produkten auftauchen. Mithilfe dieses Mechanismus werden im Rapex-System erfasste Informationen verteilt, um die zuständigen Zollbehörden über spezielle, potenziell gefährliche Ladungen zu informieren. Die Kommission teilt die Ansicht, dass die Rückverfolgbarkeit weiter verbessert werden muss. Aus statistischen Angaben geht hervor, dass die Menge der über Rapex gemeldeten Produkte unbekannter Herkunft im Oktober 2007 erstmals auf 3 % zurückgegangen war, während sie 2006 noch 17 % betragen hatte. Die Kommission prüft derzeit mit Unterstützung der Mitgliedstaaten, wie ein solcher Rückgang nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft erreicht werden kann.
Die Kommission hat in die Rechtsvorschriften im Rahmen des für den Binnenmarkt für Waren geltenden Pakets eine Bestimmung aufgenommen, der zufolge Wirtschaftsakteure die Identität ihrer Lieferanten kennen müssen. Dies dürfte nach Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften die Marktüberwachung erleichtern. Die Kommission hat sich zudem erkundigt, was China zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit tun kann, und begrüßt die in China ergriffenen Initiativen, denen zufolge bestimmte Kategorien von Waren, bei denen das Risiko besonders hoch ist, auf der Ebene des Herstellerbetriebs mit einer Strichkodierung zu versehen sind.
Abschließend sei erwähnt, dass die Kommission nachdrücklich auf die Verantwortung der Wirtschaftsakteure verwiesen hat. Sie begrüßt daher die Verpflichtung der Industrie, vor allem im Rahmen des so genannten „Sicherheitspaktes“ Maßnahmen zu erarbeiten, mit denen das Vertrauen der Verbraucher gestärkt werden soll. Ferner wird die Kommission eine Studie zu Sicherheitsmaßnahmen in der Lieferkette in Auftrag geben und darüber im ersten Quartal 2008 Bericht erstatten.
Giovanna Corda (PSE). – (FR) Frau Kommissarin! Ich danke Ihnen für Ihre Antwort und bin froh darüber, dass die Kommission gewillt ist, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, um die sich aus dem Vermarktung von insbesondere aus China importiertem Spielzeug ergebenden Risiken so weit wie möglich zu verringern.
Einer der wichtigen Punkte ist, wie die Kommission unterstreicht, die Verfolgbarkeit des Spielzeugs vom Hersteller zum Kunden, auf die Sie kurz eingegangen sind. Eine äußerst wichtige Frage bleibt allerdings bestehen. Wenn wie im letzten Jahr hunderttausende von Spielzeugen vom Markt genommen werden, können Sie mir sagen, Frau Kommissarin, was aus diesem Spielzeug wird? Welche Beweise haben Sie, dass es vollständig vom Markt verschwindet? Ich habe gehört, was mich zu meiner heutigen Frage veranlasst, dass es anderswo wieder auf den Markt gebracht wird, um an andere Kinder verkauft zu werden. Alle Kinder der Welt haben jedoch Anspruch auf Gleichbehandlung von unserer Seite; darüber sind wir uns wohl alle einig. Ermöglicht Ihnen die Verfolgbarkeit auch die Feststellung, ob das Spielzeug tatsächlich zerstört wird?
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich denke, Ihre Frage ist absolut berechtigt und sehr human. Wir müssen unser Ziel verfolgen: Dieses gefährliche Spielzeug dar nicht nur nicht auf den europäischen Markt gelangen, für den wir zuständig sind, sondern auf gar keinen Markt, und dafür stehen uns einige gut entwickelte Instrumente zur Verfügung. Wir können den Markt überwachen, wir verfügen über Kontrollen und unser Rapex-System, mit dem wir Informationen über den Markt erhalten und weiterleiten können, und zwar nicht nur, wenn gefährliche Güter an unseren Grenzen gestoppt werden.
Doch als weltweiter Vorreiter im Bereich Produktsicherheit müssen wir verhindern, dass diese gefährlichen Waren – vor allem Spielzeuge – in Kinderhände – auch in China – gelangen. Es reicht nicht aus, nur die Sicherheit europäischer Kinder einzufordern, die zu unseren Aufgaben gehört. Ich habe die wichtigsten Hersteller in aller Offenheit und unmissverständlich gebeten, das Spielzeug zu vernichten, und ich habe sie in die Kommission nach Brüssel eingeladen, wo wir beraten haben, wie die Vernichtung des Spielzeugs sichergestellt werden kann. Sie alle haben eine entsprechende Verpflichtung abgegeben. Vor allem habe ich Mattel als den wichtigsten Vertreter der Spielzeugindustrie mit mehr Rückrufaktionen als alle anderen aufgefordert, sich an die Vorschriften zu halten, was mir auch zugesagt wurde. Sie sind dazu nicht gesetzlich verpflichtet: Ich kann sie nicht zwingen, ihre Fabriken zu zerstören. Aber ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der Rechtsrahmen nur ein Rahmen ist und es Dinge gibt, die außerhalb dieses Rahmens vonstatten gehen. Wir müssen konsequent Maßnahmen verfolgen, die aus gesetzgeberischer Sicht über das absolut Notwendige hinausgehen. Ich hatte Gelegenheit, diese Problematik im Rahmen des Transatlantischen Verbraucherdialogs mit UNICEF und den Amerikanern zu diskutieren. Ich bin mir Ihrer Bedenken voll und ganz bewusst, und Sie dürfen mir glauben, dass ich nichts unversucht lassen werde, um für Öffentlichkeit und die Vernichtung dieser Spielzeuge zu sorgen. Außerhalb von Europa fehlt mir dazu allerdings die Rechtsgrundlage.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Frau Kommissarin! Sie haben darauf hingewiesen, dass sehr viel gemacht wird, um gefährliche Güter vom Markt zu nehmen. Das ist ein wichtiger Schritt. Nun werden manche dieser Güter auch mit allgemein bekannten Prüfzeichen versehen auf unsere Märkte gebracht, u. a. auch mit dem bekannten CE-Prüfzeichen. Das ist nun nach allen Regeln der Kunst, etwa wenn die Sicherheit nicht gegeben ist oder wenn das Spielzeug tatsächlich gefährlich ist, nicht nur ein Missbrauch, sondern das ist eigentlich Betrug. Gibt es hier die Möglichkeit, strafrechtliche Konsequenzen anzudenken?
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, Frau Kommissarin. In Irland ist ein in der Weihnachtszeit erworbenes Produkt sogar explodiert, und der Name des Herstellers konnte nicht ermittelt werden.
Wäre es möglich, in allen Ländern Gesetze zu erlassen, die den Verkauf von Produkten verbieten, bei denen der Hersteller nicht identifiziert werden kann? Ich denke, so kommen wir weiter, und ich wüsste gern, ob das möglich wäre.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Wenn Sie nichts dagegen haben, dann beginne ich mit der zweiten Frage, weil ich für deren Beantwortung eine bessere Rechtsgrundlage habe. Die Kommission hat im Rahmen des für den Binnenmarkt für Waren geltenden Pakets von Rechtsvorschriften bereits eine Bestimmung vorgesehen, der zufolge Wirtschaftsakteure die Identität ihrer Lieferanten kennen müssen. Das dürfte die Identifizierung von Waren erleichtern, und es dürfte einfacher werden, Hersteller wie auch Lieferanten zu ermitteln. Die globale Kette wird immer länger, und es gibt keinen Gegenstand mehr, bei dem wir absolut sicher sein können, dass er in nur einem einzigen Land hergestellt wurde.
Ich verstehe Ihre Frage, aber ich denke, dass wir auf diese Problematik aufmerksam machen und verstärkt an die Wachsamkeit der Eltern appellieren müssen, denn skrupellose Händler wird es immer geben. Wir müssen in Bezug auf die Überprüfung von Händlern aufklären und den Bürgern nahe legen, nur von verantwortungsbewussten Händlern zu kaufen. Außerdem sollte auch die Produktkennzeichnung überprüft werden. Obwohl uns als Verbrauchern niemand die Verantwortung abnehmen kann, halte ich Ihr Argument für absolut berechtigt und bin ebenfalls der Ansicht, dass auf dem Etikett nicht nur der Name des Herstellers erscheinen sollte, sondern dass es auch spezielle Informationen enthalten muss, und zwar vor allem im Falle von Spielzeug.
Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, dann könnte zwischen Ihrer Frage und der ersten Frage in Bezug darauf, was wir gegen Produktfälschungen unternehmen können, ein Zusammenhang bestehen. Wenn ein Produkt eine Fälschung ist, dann ist das eine Sache. Wir müssen im Rahmen der geistigen Eigentumsrechte und der Tätigkeit unserer Zollbehörden gegen Produktfälschungen vorgehen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass unsere Zollbehörden die Häufigkeit der Kontrollen auf das Dreifache der weltweit üblichen Kontrollhäufigkeit angehoben haben. Empfehlungen des Weltzollvereins zufolge sollen an Grenzen und in Häfen 3 % aller Güter kontrolliert werden. In Europa werden 10 % kontrolliert. Meines Erachtens wäre es auch sinnvoll, zur Verschärfung der Überwachung und Kontrolle an den Grenzen unsere Forschung und Entwicklung zu intensivieren, damit uns bessere technische Geräte für routinemäßige Kontrollen zur Verfügung stehen und andere wichtige Innovationen zur Inspektion der auf unsere Märkte gelangenden Produkte an den Grenzen eingeführt werden können.
Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass ein Produkt, selbst wenn es keine Fälschung ist und klar das CE-Prüfzeichen trägt, nicht notwendigerweise allen Anforderungen im Rahmen dieser Richtlinie genügt. Außerdem müssen wir uns an die Richtlinien nach dem neuen Konzept halten, die festlegen, wie ein Produkt herzustellen ist, und wir müssen für eine kontinuierliche Marktüberwachung unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit sorgen, denn manchmal ist die Sicherheit noch wichtiger oder mindestens ebenso wichtig und steht nicht immer im Einklang mit der Art und Weise, in der ein Produkt hergestellt wird.
So kann es wie im Falle der Magneten bei Spielzeug passieren, dass wir feststellen, dass sich die Lage geändert hat und wir reagieren und Maßnahmen auf der Grundlage der Sicherheit einleiten müssen und nicht nur auf der Grundlage der Auflagen, die wir einem Hersteller erteilt haben. Wenn wir diese beiden Pakete von Anforderungen – an die Hersteller und an das Produkt, sobald es auf dem Markt ist – miteinander verbinden, dann können wir unsere Verbraucher besser schützen.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 35 von Manolis Mavrommatis (H-0966/07)
Betrifft: Wucherpreise im Lebensmittelhandel
In den meisten Mitgliedstaaten sind starke Preiserhöhungen bei Lebensmitteln zu verzeichnen, die in vielen Fällen auf die Möglichkeit der Geschäfte zurückzuführen sind, Zeiten hohen Konsums, wie z. B. Festtage, auszunutzen. Insbesondere Milch ist ein Produkt, dessen Preis in allen Mitgliedstaaten ständig ansteigt.
Verfolgt die Kommission die Handelstätigkeit der Lebensmittelläden und der Supermärkte zu Zeiten erhöhten Konsums? Arbeitet sie mit den nationalen Verbraucherschutzzentren zusammen, um eine wirkliche Lösung für die Wucherphänomene zu finden?
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich weiß, dass das eine sehr wichtige Frage ist, und ich möchte Ihnen versichern, dass die Kommission die Geschäfte zu Zeiten des erhöhten Konsums nicht überwacht, ebenso wenig arbeitet sie in dieser speziellen Frage mit nationalen Verbraucherorganisationen zusammen.
Wir verlassen uns in diesem Punkt also auf die einzelnen Mitgliedstaaten. Die Kommission hat jedoch die Absicht, ihre Instrumente für die Überwachung der Funktionsweise des Binnenmarktes aus der Perspektive der Verbraucher zu verbessern.
In der Bestandsaufnahme zum Binnenmarkt werden die Pläne der Kommission für einen Verbraucher-Anzeiger und eine detailliertere Preisüberwachung dargelegt, aber ich möchte betonen, dass es vor allem um die Überwachung geht.
Den von Eurostat veröffentlichten Angaben ist zu entnehmen, dass die Preise für Milch, Käse und Eier in Griechenland um 38 % über dem EU-Durchschnitt für diese Produktgruppe liegen. Der Durchschnittspreis für diese Produktgruppe ist zwischen 1996 und 2007 in Griechenland um fast 52 % gestiegen, während der Anstieg in der EU lediglich 24 % betrug.
Diese Entwicklung scheint jedoch struktureller und weniger saisonaler Natur zu sein. Seit 2005 scheinen die Preise für Molkereierzeugnisse in Griechenland keine saisonalen Schwankungen aufzuweisen.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich möchte der Kommissarin recht herzlich danken. Vielen Dank für die Informationen. Ich werde Eurostat konsultieren, damit wir uns den gesamten Anzeiger anschauen können, denn er ist natürlich gerade auch für mein Land – das Sie erwähnt haben – von großer Bedeutung. Ich glaube jedoch, dass die Lage in anderen Ländern ähnlich ist, und mich würde deshalb interessieren, wie Ihre Kommission diese Problematik generell anzugehen gedenkt. Entweder mit einer Empfehlung oder einer Richtlinie, die sich auf sämtliche Produkte und nicht nur Verbrauchsgüter erstrecken wird.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Kommission hat auf unterschiedlichen Ebenen Maßnahmen zur Dämpfung der Lebensmittelpreise eingeleitet. Eine Initiative ist die Überwachung der Preise, die ich bereits erwähnte. Das ist eines der Ziele des Verbraucherbarometers, an dem wir arbeiten und der, so glaube ich, schon bald die Unterstützung der Kommission haben wird.
Die Kommission hat ferner eine Reihe von Maßnahmen im Rahmen der Agrarpolitik vorgeschlagen. Dazu zählen die Verringerung der obligatorischen Flächenstilllegung, die bereits für das Wirtschaftsjahr 2008 gilt; die von der Kommission beschlossene und dem Rat vorgeschlagene Anhebung der Milchquoten für den Zeitraum 2008-2009, die, falls sie angenommen wird, am 1. April 2008 in Kraft treten wird, sowie eine Senkung der Einfuhrsteuern im Getreidesektor, um einen weiteren Anstieg der Getreidepreise und künftig der Fleischpreise zu verhindern. Diese Maßnahme trat im Januar 2008 in Kraft.
Das ist ein Überblick über die von uns ergriffenen Maßnahmen. Doch im Rahmen des Verbraucherbarometers werden die Preise eines unserer Hauptthemen für unsere Untersuchungen sein, zu denen auch die Lebensmittelpreise zählen. Wir werden Sie ordnungsgemäß informieren; wir werden Konsultationen zu den sich an die Preisüberwachung anschließenden Schritten führen, und wir werden untersuchen, was sich hinter diesen Entwicklungen verbirgt. All das wird natürlich Hand in Hand mit den nationalen Behörden geschehen.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Es ist interessant, dass die Kommission im Falle steigender Lebensmittelpreise reagiert, und ich würde die Kommission auffordern, uns Zahlen vorzulegen, aus denen hervorgeht, wie sich der Endverbraucherpreis zwischen Erzeuger – und damit meine ich die Landwirte – und Verbraucher aufteilt, denn diese Informationen sind nicht verfügbar. Ich denke, man kann mit einiger Berechtigung ganz offiziell feststellen, dass die Zeit der relativ niedrigen Lebensmittelpreise vorbei ist, und die Kommission sollte den Leuten mit Behauptungen, dass wir zu niedrigeren Lebensmittelpreisen zurückkehren werden, nichts vormachen. Vielleicht sollten wir die Bürger dazu erziehen, dass sie hochwertige Lebensmittel zu einem fairen Preis kaufen.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Im vergangenen Sommer kam es in allen EU-Mitgliedstaaten zu Preisanstiegen. Damals warfen wir die Frage auf, ob vielleicht Kartellabsprachen dahintersteckten. In Litauen, meinem Heimatland, stellte man fest, dass sich milchverarbeitende Betriebe auf Preiserhöhungen geeinigt hatten. Jetzt wird der Fleischsektor unter die Lupe genommen. Werden solche Studien auch in anderen EU-Staaten durchgeführt? Eine neue Begrifflichkeit ist jetzt entstanden: „Das Ende von Billignahrung“. Wird dieser neue Begriff nicht von Vertretern der Lebensmittelindustrie verwendet, und wie können sich Verbraucher schützen?
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Schwankung der Lebensmittelpreise ist auf den saisonalen Charakter der landwirtschaftlichen Produktion zurückzuführen. Diese Schwankungen bekommt der Verbraucher nur bedingt zu spüren, weil die Rohstoffkosten bis vor kurzem sanken und weil durch die Lagerhaltung die saisonale Verknappung ausgeglichen werden konnte. In letzter Zeit scheinen die Lebensmittelpreise systematisch anzusteigen, und der Hauptgrund dafür scheint die wachsende Nachfrage seitens der großen aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien zu sein. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass letztes Jahr in Indien die Zahl der Menschen, die auf eine neue Ernährung mit mehr Milch, Milchprodukten und Fleisch umgestiegen sind, um fünf Millionen angestiegen ist.
Letzten Sommer hat sich die Lage aufgrund ungünstiger klimatischer Bedingungen in vielen Erzeugerregionen verschlechtert, und das ist auch der Hauptgrund für den außerordentlich starken Anstieg der Lebensmittelpreise in der Europäischen Union seit September 2007. Die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden verfolgen den Markt sehr aufmerksam. Wettbewerbswidrige Praktiken wurden im Molkereisektor im Vereinigten Königreich und in Griechenland festgestellt, und die an diesen Praktiken beteiligten Firmen wurden mit Geldbußen belegt.
Ich denke, dass die lettischen Behörden, wenn sie entsprechend informiert wurden, in dem von Ihnen erwähnten Fall tätig werden, zumal das öffentliche Interesse dafür sehr groß ist. Was wir wirklich brauchen, das ist eine sektorale Untersuchung, um festzustellen, ob es ein Kartell gibt, wie das bereits in zwei EU-Ländern der Fall war.
Die Präsidentin. − Ich habe soeben erfahren, dass wir leider ein Problem mit der Verfügbarkeit unserer Kommissare haben. Herr McCreevy muss uns um 19.20 Uhr verlassen. Deshalb würde ich jetzt gern mit Kommissar McCreevy weitermachen, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Frau Kuneva, und würde Sie bitten, nach Möglichkeit zu bleiben, um anschließend einige Zusatzfragen zu beantworten. Das wäre wirklich sehr hilfreich.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 41 von Marian Harkin (H-0962/07)
Betrifft: Binnenmarktstrategie
Welche Maßnahmen gedenkt die Kommission im Lichte ihrer kürzlichen Mitteilung über die Binnenmarktstrategie zu ergreifen, um die Unterrichtung und die Einbeziehung der Verbraucher im finanziellen Bereich sowie geeignete Rechtsmittel für die Verbraucher, insbesondere angesichts der jüngsten Subprime-Krise in den USA und der aktuellen finanziellen Turbulenzen, zu fördern?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich möchte der Frau Abgeordneten für ihr Interesse an der Prüfung des Binnenmarkts danken.
Gleichzeitig mit unserer Mitteilung über einen Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts haben wir ein Paket von Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der Finanzdienstleistungsmärkte für Privatkunden angenommen. Bestandteil dieses Pakets sind Initiativen zur Erhöhung des Vertrauens der Verbraucher, die in die Lage versetzt werden sollen, das auf ihre individuellen Bedürfnisse am besten zugeschnittene Produkt zu finden. Obwohl die gezielte Stärkung des eigenverantwortlichen Handelns der Verbraucher durch die Kommission nichts Neues ist, machen die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten deutlich, wie wichtig dieses Herangehen ist. Ich möchte auf alle drei der von der Abgeordneten genannten Bereiche eingehen: Unterrichtung, Einbeziehung und Rechtsmittel.
Die Unterrichtung über finanzielle Angelegenheiten sollte so nah am Bürger wie möglich erfolgen, und zwar auf der Ebene nationaler und regionaler Behörden, Nichtregierungsorganisationen und des Finanzdienstleistungssektors. Ende 2007 haben wir eine Mitteilung über Erwerb und Vermittlung von Finanzwissen angenommen, um darauf aufmerksam zu machen, dass die finanzielle Kompetenz der Bürger erhöht und die Vermittlung von Finanzwissen in der Europäischen Union verbessert werden müssen, und um einige praktische Instrumente zur Erreichung dieser Ziele bereitzustellen. Sie umfasst einige Grundsätze, die Erbringern von Finanzdienstleistungen als Anleitung dienen sollten, und kündigt einige praktische Initiativen an. So wird die Kommission eine Online-Datenbank über die laufenden Schulungsprogramme und Forschungsarbeiten in der EU einrichten und das Online-Schulungsprogramm Dolceta verbessern, um Lehrern die Aufnahme von Finanzthemen in den allgemeinen Lehrplan zu erleichtern.
Ein eigenes Bankkonto ist heute die Voraussetzung für die umfassende Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, und alle EU-Bürger sollten Zugang zu einem einfachen Bankkonto haben. Wir führen derzeit eine Studie durch, um festzustellen und zu analysieren, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten ergreifen, um eine finanzielle Ausgrenzung zu verhindern. Ausgehend von diesen Informationen, die uns hoffentlich bis Ende dieses Monats vorliegen werden, wollen wir prüfen, wie gewährleistet werden kann, dass alle EU-Bürger Zugang zu einem einfachen Bankkonto haben.
Die Verbraucher müssen beim Erwerb von Finanzdienstleistungen wissen, dass sie im Falle von Schwierigkeiten problemlosen Zugang zu Rechtsbehelfen haben. Obwohl in vielen EU-Ländern Stellen für die außergerichtliche Streitbeilegung existieren, gehören nicht alle dem von der Kommission eingerichteten FIN-NET an, dessen Ziel darin besteht, dem Verbraucher den Zugang zu Rechtsmitteln in grenzüberschreitenden Streitfällen zu erleichtern. Ausgehend davon bemühen wir uns darum, alle für die außergerichtliche Streitbeilegung zuständigen Stellen in das FIN-NET aufzunehmen.
Wir denken auch darüber nach, wie die Einrichtungen alternativer Wiedergutmachungssysteme, sofern es sie nicht bereits gibt, gefördert werden könnte. Diese Initiativen werden bei den Verbrauchern nicht von heute auf morgen für Vertrauen und eigenverantwortliches Handeln sorgen, aber sie ergänzen die Initiativen, die wir in verwandten Bereichen, wie Information und Beratung, ergriffen haben.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Ich habe Respekt vor den Terminproblemen von Herrn McCreevy, aber andere Leute haben auch Termine. Ich möchte schlichtweg wissen, ob meine Frage an Frau Kuneva noch drankommt oder nicht, ob ich jetzt in die Fraktionssitzung gehen kann oder ob ich hier warten soll.
Die Präsidentin. − Es ist unwahrscheinlich, dass wir Ihre Frage noch schaffen, und bedauerlich, dass wir uns in dieser Lage befinden. Ihre Frage wird mit großer Sicherheit schriftlich beantwortet werden.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Kommissar! Ich möchte gern etwas mehr über die Vermittlung von Finanzwissen, das neue Schlagwort, erfahren. Sie sind sicher ebenfalls der Ansicht, dass ein echtes Ungleichgewicht zwischen der Macht der Finanzinstitutionen und den Verbrauchern besteht, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Verbraucher erstens Zugang zu Krediten brauchen und sie zweitens unabhängig vom Niveau ihres Finanzwissens ja wohl kaum das 25-seitige Dokument lesen, das beispielsweise ihrer Versicherungspolice beigefügt ist, bzw. dieses jedes Jahr aufs Neue studieren.
Sie sagten, diese Problematik müsse auf lokaler und regionaler Ebene angegangen werden. Aber meinen Sie nicht auch, dass die Zusammenarbeit zwischen den wichtigsten Interessenvertretern wie Finanzaufsichtsbehörden, Regierungen, Verbraucherorganisationen und einschlägigen Beschwerdestellen verbessert werden muss, damit sie durch ihre Zusammenarbeit einige der Probleme und Fragen herausstellen und zumindest als Frühwarnsystem für den Verbraucher fungieren können?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Wir haben im Bereich Finanzwissen Folgendes versucht. Wir wollen ihn thematisieren und vor allem in den Mitgliedstaaten deutlich machen, dass es vielleicht sinnvoller wäre, in diesen Bereich zu investieren und bereits sehr früh die Vermittlung elementarer Finanzkenntnisse auf den Lehrplan zu setzen.
Denn im Verlaufe des Lebens kommt jeder, ob er nun Leiter der Finanzkontrolle einer großen Einrichtung ist oder einer einfachen Tätigkeit in seiner Heimatstadt nachgeht, zwangsläufig mit einer wichtigen Finanztransaktion wie dem Kauf eines Autos, eines Hauses, einer Waschmaschine oder einer anderen großen Anschaffung in Berührung.
Meines Erachtens wäre es besser, wenn die Bürger bereits in der Schule gewisse Grundkenntnisse erwerben, damit sie mit elementaren Vorgängen vertraut sind.
Was Frau Harkin anspricht, betrifft eine höhere Ebene. Dabei geht es darum, welche Informationen der Verbraucher erhalten sollte, denn sie hat vollkommen Recht: Die Menge an Informationen, die sie erhalten, und die 48 kleingedruckten Seiten, die sie durchlesen sollen, dienen meines Erachtens (und diesen Standpunkt habe ich schon immer vertreten) nur einem einzigen Zweck, der Bereicherung der Anwälte, damit diese im Fall der Fälle immer höhere Gebühren dafür verlangen können, dass sie einem sagen, ob man verloren oder gewonnen hat. Dafür fehlt mir jedes Verständnis.
Ein Teil dieses speziellen Bereiches fällt in meine direkte Zuständigkeit. Ich denke oft an einen ganz konkreten Fall. Das war vor etwa zwei Jahren in Schottland, wo ich mit einigen Vermittlern von Finanzwissen zusammentraf, die über die Prospekt-Richtlinie im Bereich OGAW sprachen. Sie sagten, die Richtlinie sei 81 Seiten lang und der vereinfachte Prospekt für ein spezielles Produkt 78 Seiten. Frau Kuneva wird bei der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge, die meines Wissens zurzeit im Parlament behandelt wird, einige Verbesserungen im Hinblick auf die grundlegenden Informationen, die Verbraucher erhalten sollten, vornehmen. Für diese speziellen Aspekte ist Frau Kuneva zuständig. Doch mir ging es im Bereich der Vermittlung von Finanzwissen in erster Linie darum, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass bereits in der Schule elementare Finanzkenntnisse vermittelt werden sollten. Ein solches Vorgehen wäre meines Erachtens für alle Beteiligten wesentlich sinnvoller als jede Menge Kleingedrucktes, das ohnehin keiner liest.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Kommissar! Sie haben sicher recht, wenn Sie fordern, dass wir hier mit der schulischen Erziehung anfangen, um Verbraucher tatsächlich eher in die Lage zu setzen, a) ihre Rechte zu kennen und b) dann damit umzugehen.
Nun haben wir aber auf dem Sektor der Finanzdienstleistungen noch eine Generation oder mehrere Generationen, die anders denken, die gehört haben und im Bewusstsein agieren, dass gerade die Finanzleistungen und der Finanzmarkt starke staatliche Aufsicht haben und dass sie sich auf diese staatliche Aufsicht verlassen können. Hier ist nun in der letzten Zeit über den Aufbruch des Marktes sehr viel passiert. Kann man in dieser staatlichen Aufsichtsgeschichte vielleicht nicht doch das eine oder andere noch machen?
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Könnte ich in Ergänzung zu dem, was der Herr Kommissar sagte, feststellen, dass die Informationsflut nicht nur der Bereicherung der Anwälte, sondern auch der Verwirrung der Verbraucher dient? Und dafür sind die Informationen da. Bei vielen Informationen ist es wie mit der Gebrauchsanweisung für die Waschmaschine. Wir lesen sie, wenn sie kaputtgeht und es zu spät ist.
Könnte ich vorschlagen, dass Sie in Bezug auf die Vermittlung von Finanzwissen auch an die Kreditgenossenschaften denken, denn gerade in Irland ist das meines Erachtens von Belang. Und darf ich Sie im Zusammenhang mit der von Ihnen erwähnten Wiedergutmachung daran erinnern, dass Versicherungsnehmer der Equitable Life darauf bisher vergeblich warten? Ich bin sicher, dass Frau Wallis mich in diesem Punkt unterstützt. Vielleicht könnten Sie uns ja zur gegebenen Zeit schriftlich darüber informieren, was seit der Abstimmung über unseren Bericht, den Sie befürwortet haben, passiert ist.
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Die erste Frage bezieht sich auf den regulierten Markt, und ich denke, der Fragesteller zieht Schlüsse aus den jüngsten Schwierigkeiten – den Schwierigkeiten der letzten acht Monate – an den Finanzmärkten und stellt eine voreilige Verbindung zur Frage von Frau Harkin her. Meines Erachtens besteht hier nicht notwendigerweise eine Korrelation, doch alle Studien und die Arbeit verschiedener Gremien einschließlich der Kommission deuten darauf hin, dass die Vermittlung von Finanzwissen durchaus in Betracht gezogen werden könnte.
Ich denke, dass die Probleme, die die finanziellen Turbulenzen ausgelöst haben, auf verantwortungslose Kreditvergabe in einem bestimmten Teil der Welt zurückzuführen sind. Das ist der Ursprung des Problems, aber wir sind weit davon entfernt. Es war allerdings ein gewisser Ansteckungseffekt, der für die Ausbreitung auf andere Gebiete gesorgt hat. Doch die Ursprünge des Problems sind meines Erachtens wahrscheinlich auf die unverantwortliche Vergabe von Krediten durch bestimmte Einrichtungen zurückzuführen.
Zur Frage von Frau McGuinness: Für die Bildung sind die Mitgliedstaaten verantwortlich, und es ist meiner Ansicht nach durchaus in Ordnung, wenn ein Mitgliedstaat, einschließlich des Mitgliedstaates, den wir am besten kennen, ihren Vorschlag aufgreift. Das scheint eine vernünftige Idee zu sein, die auf dieser speziellen Ebene umgesetzt werden könnte.
Was die Frage zur Equitable Life angeht, ja, ich habe den Bericht befürwortet. Wir warten auf weitere Informationen. Soweit ich weiß, ist der Bericht des britischen Bürgerbeauftragten noch immer die einzige Quelle für eine Wiedergutmachung, und dieser Bericht steht noch immer aus. Ich werde meine Mitarbeiter in der Kommission fragen, ob ihnen neuere Informationen über den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses britischen Berichts vorliegen. Wenn ich mich recht erinnere, dann hatte man letztes Jahr um diese Zeit gehofft, dass der Bericht bis Ende 2007, ich glaube November 2007, vorliegt; inzwischen haben wir 2008. Vielleicht können wir mehr in Erfahrung bringen, aber jedenfalls ist das der nächste wichtige Termin in diesem Bereich.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 42 von Georgios Papastamkos (H-0970/07)
Betrifft: Märkte für Finanzinstrumente
Am 1. November 2007 trat der neue europäische Rechtsrahmen zur Regelung der Märkte für Finanzinstrumente in Kraft.
Kann die Kommission mitteilen, wie vielen europäischen Investmentgesellschaften und -unternehmen dieser neue Rechtsrahmen wahrscheinlich zugute kommen wird? Welche Zahlen liegen diesbezüglich speziell für Griechenland vor?
Gemäß einer Erklärung von Kommissionsmitglied Charlie McCreevy wird mit der Zeit eine Minderung der Kapitalkosten eintreten. Auf welchen Daten basiert diese Prognose? Ist es möglich, diese Prognose genauer zu formulieren, insbesondere hinsichtlich einzelner Sektoren und hinsichtlich des erwarteten Rückgangs in jedem einzelnen Fall?
Liegen der Kommission Informationen über den grenzüberschreitenden Wertpapierhandel und grenzüberschreitende Investmentdienstleistungen vor? Auf welchen Umfang beläuft sich diesbezüglich der Kapitalzu- und -abfluss in Griechenland?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Kommission unterhält kein konsolidiertes Register bezüglich der Anzahl europäischer Investmentgesellschaften oder der Anzahl von Investmentgesellschaften in Griechenland. Gemäß der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente MiFID sind die Mitgliedstaaten jedoch verpflichtet, ein Register über sämtliche auf ihrem Territorium registrierten Investmentgesellschaften zu führen. Folglich sollte die griechische Kapitalmarktkommission in der Lage sein, die Informationen für griechische Unternehmen bereitzustellen.
Durch die MiFID wurden das Handelsmonopol der Börsen abgeschafft, der Zugang zum Europäischen Wirtschaftsraum für Investmentgesellschaften mittels MiFID-Pass verbessert und der Verbraucherschutz gestärkt. Dies kurbelt den Wettbewerb über Grenzen hinweg und zwischen den Handelsplätzen an, was wiederum die Liquidität und die Tiefe der Finanzmärkte verbessert und damit sowohl der Industrie als auch den Verbrauchern zugute kommt.
Unsere Prognose der Minderung der Kapitalkosten basiert auf einer Studie, die 2002 von London Economics mit großer Konsequenz durchgeführt wurde. Im Rahmen der Studie wurde anhand eines Modells untersucht, welche Auswirkungen die Finanzintegration, deren Grundlage u. a. die MiFID bildet, auf die damals EU-15 hat. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen der Studie lautet, dass die Finanzintegration die Kosten der Inanspruchnahme von Beteiligungskapital um durchschnittlich 50 Basispunkte in den Mitgliedstaaten und die Kosten von Fremdkapital bei Nichtbanken um 40 Basispunkte senken wird.
Im Ergebnis der Studie wird der kombinierte Effekt der Finanzmarktintegration auf die EU-Wirtschaft wie folgt eingeschätzt: langfristig EU-weite Erhöhung des BIP um real 1,1 %; Anstieg der Geschäftsinvestitionen um insgesamt 6 %; Anstieg des privaten Verbrauchs um 0,8 % und Zuwachs im Bereich Beschäftigung um insgesamt 0,5 %.
Die vom Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden im Vorfeld der Umsetzung der MiFID informell zusammengestellten Daten deuten darauf hin, dass zum damaligen Zeitpunkt nur eine sehr geringe Zahl von Unternehmen den Pass für Wertpapierdienstleistungen im Rahmen der damaligen Richtlinie für Wertpapierdienstleistungen für grenzübergreifende Dienstleistungen aus und nach Griechenland in Anspruch nahmen. Wir gehen davon aus, dass sich dies künftig ändern wird, da sich die griechischen Märkte im Ergebnis der MiFID öffnen und griechische Unternehmen zunehmend Chancen in anderen Mitgliedstaaten erkennen werden.
Der Verband europäischer Börsen führt eine Statistik über den Auslandsaktienhandel sowie über den Anteil von Aktien, die von Investoren gehalten werden. Per Dezember 2005 befanden sich 41 % der an der Athener Börse gehandelten Aktien in der Hand ausländischer Investoren. Im November 2007 hatte der Auslandsaktienhandel an der Athener Börse einen Umfang von 970 Millionen Euro.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich danke dem Herrn Kommissar für seine Antwort und möchte eine Zusatzfrage stellen. Liegen der Kommission Angaben über den Umfang der Kreditvermittlung in der Europäischen Union vor, und zwar insbesondere über den Anteil dieser Kreditvermittlung am europäischen BIP.
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Diese Informationen liegen mir nicht vor. Ich bin auch nicht sicher, ob sie meinen Dienststellen vorliegen, aber ich werde nachfragen. Sollten sie diese Informationen haben, werden wir sie selbstverständlich an den Abgeordneten weiterleiten.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 43 von Colm Burke (H-0972/07)
Betrifft: Entwicklungspläne für die irischen Grafschaften
Im Juni dieses Jahres hat die Kommission Irland um Informationen im Zusammenhang mit den Entwicklungsplänen bestimmter irischer Grafschaften sowie mit den Bestimmungen für die Erteilung von Baugenehmigungen ersucht, die als restriktiv beurteilt werden können.
Soweit mir bekannt ist, wurde der irischen Regierung ein einmonatiger Aufschub gewährt; Ende September schließlich hat sie der Kommission eine Antwort übermittelt.
Kann sich die Kommission zum derzeitigen Stand des Verfahrens äußern, nachdem nun die Antwort der irischen Regierung eingegangen ist?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Nach einer Beschwerde vom 29. Juni 2007 hat die Kommission ein Mahnschreiben an die irischen Behörden geschickt.
In dem Schreiben wird um Informationen zu den restriktiven Bedingungen gebeten, die in einer Reihe von Entwicklungsplänen für irische Grafschaften enthalten sind. Die Kommission stellte die Vereinbarkeit bestimmter Auflagen für die Erteilung der Baugenehmigung mit zwei Grundsätzen des Vertrags in Frage, und zwar denen der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs.
Indirekt könnten derartige Restriktionen auch die Freizügigkeit von Arbeitnehmern beeinträchtigen, aber dieses Problem wurde nicht angesprochen.
Im Anschluss an den vereinbarten Aufschub von einem Monat übermittelten die irischen Behörden Ende September ihre Antwort. Meine Dienststellen haben deren Inhalt geprüft und planen, sich mit den irischen Behörden in Verbindung zu setzen, um ein Treffen auf technischer Ebene zu organisieren, bei dem der Standpunkt der irischen Behörden weiter präzisiert und diskutiert werden soll.
Danach wird die Kommission in der Lage sein zu beurteilen, ob Gründe für die Fortsetzung des Vertragsverletzungsverfahrens bestehen.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Die Erwiderung der irischen Regierung datiert vom 28. September 2007. Soweit ich weiß, wurde sie nicht veröffentlicht. Das ist ein sehr wichtiges Problem, von dem 22 lokale Behörden in Irland betroffen sind.
Ich frage mich, ob die Antwort jetzt, da sie der Kommission vorliegt und diese Zeit hatte, sie zu prüfen, veröffentlicht werden kann. Könnte der Kommissar sagen, in welchem Zeitraum die Kommission eine Entscheidung in dieser Sache treffen wird?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Normalerweise veröffentlichen wir Antworten nicht, trotzdem gelangen sie häufig an die Öffentlichkeit.
Ich kann bestätigen, was der Herr Abgeordnete sagte. Wir haben am 28. September 2007 eine Antwort erhalten. Wie ich bereits sagte, planen wir ein Treffen mit den irischen Behörden in dieser Angelegenheit. Dann werden wir weitersehen.
Ich möchte außerdem feststellen, dass Irland nicht der einzige Mitgliedstaat mit derartigen Schwierigkeiten ist.
Meine Dienststellen werden hoffentlich in naher Zukunft mit den irischen Behörden zusammentreffen, und wir werden sehen, was sie zu sagen haben, und dann erforderlichenfalls weitere Schritte einleiten.
Brian Crowley (UEN). – (EN) Ich möchte den Kommissar im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip und vor allem dem Problem der Baugenehmigung fragen, ob dies ein Bereich ist, in den die Kommission überhaupt involviert sein sollte, da ja die Planung und das Recht auf Bau eines Gebäudes getrennt ist vom Recht, ein Gebäude zu besitzen und zu nutzen.
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Das ist eine sehr gute Frage, Herr Crowley, aber wenn die Kommission eine Beschwerde erhält, ist es unsere Pflicht, darauf zu reagieren und eine Untersuchung einzuleiten. Die Beschwerde betrifft die von mir erwähnte Freizügigkeit gemäß Artikel 43 und 56 EG-Vertrag, und darum geht es. Deshalb sind wir gesetzlich verpflichtet, Angelegenheiten zu untersuchen, wenn der Eindruck entsteht, dass sie sich im Widerspruch zu den Grundsätzen des Vertrags befinden. Das haben wir in diesem speziellen Fall getan. Wie ich bereits in Beantwortung der Frage Ihres Kollegen Herrn Burke sagte, gibt es in anderen Mitgliedstaaten ebenfalls Beschwerden über ähnliche Restriktionen, und die müssen auch bearbeitet werden.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 44 von Gay Mitchell (H-0974/07)
Betrifft: Krankenversicherungsbranche in Irland
Kann die Kommission eine Erklärung zur Lage des Krankenversicherungssektors in Irland abgeben, insbesondere unter Berücksichtigung der jüngsten mit Gründen versehenen Stellungnahme, worin Irland aufgefordert wurde, die für die freiwillige irische Krankenversicherung (VHI) geltende Ausnahme von bestimmten Rechtsvorschriften der EU abzuschaffen?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 17. November forderte die Kommission Irland auf, die für die freiwillige irische Krankenversicherung (VHI) geltende Ausnahme von bestimmten Rechtsvorschriften der EU abzuschaffen. Ziel dieser Rechtsvorschriften, insbesondere der ersten Nichtlebensversicherungsrichtlinie von 1973 in ihrer geänderten und ergänzten Fassung, ist die Harmonisierung bestimmter Anforderungen für die Aufnahme und Durchführung des Nichtlebensversicherungsgeschäfts, und sie gelten damit folglich auch für die private Krankenversicherung.
Die erste Nichtlebensversicherungsrichtlinie sah für die VHI wie auch andere Anstalten eine Freistellung von ihren Vorschriften vor. Diese Ausnahme gilt jedoch nur, solange die Zuständigkeit der freigestellten Anstalt nicht durch eine Änderung ihrer Satzung oder der entsprechenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften geändert wird. Folglich hat eine Erweiterung oder Änderung der Zuständigkeit einer Anstalt zur Folge, dass sie allen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts unterliegt, die für die Nichtlebensversicherung gelten.
Diese Vorschriften sehen beispielsweise vor, dass Versicherungsanstalten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit eine behördliche Zulassung einholen; eine bestimmte Rechtsform annehmen und angemessene Schutzmechanismen vorsehen, die durch das Vermögen der Anstalt ausreichend untersetzt sein müssen, um eine angemessene Solvabilitätsspanne zu bewahren. Eines der Hauptziele dieser Regelungen besteht darin, die Rechte von Versicherungsnehmern zu schützen und damit zu gewährleisten, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht den Verbraucherschutz beeinträchtigt. Außerdem sorgen diese Vorschriften für gleiche Ausgangsbedingungen für Versicherungsanstalten.
Angesichts der ursprünglichen Freistellung von der ersten Richtlinie und solange sich nichts an der Zuständigkeit änderte, brauchte sich die VHI nicht an diese Vorschriften zu halten. Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass sich die Zuständigkeit der VHI geändert hat. Etliche Änderungen, die das irische Gesetz 1996, 1998 und 2001 erfahren hat, sorgten für eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit der VHI, die weit über die Zuständigkeit der Anstalt zum Zeitpunkt der Gewährung der Freistellung hinausgeht. Deshalb ist die ursprüngliche Freistellung der VHI von den EU-Vorschriften für Versicherungsanstalten nicht mehr gültig. Die Kommission hatte dies in der mit Gründen versehenen Stellungnahme dargelegt, die Irland am 14. November zuging. Sie forderte Irland auf, innerhalb von zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um die VHI jenen aufsichtsrechtlichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu unterstellen, von denen sie vorher ausgenommen war.
Nach Ansicht der Kommission ist die mit Gründen versehene Stellungnahme ein entscheidender Schritt, um für alle Wettbewerber am irischen Privatkrankenversicherungsmarkt gleichberechtigte Bedingungen gemäß der europäischen Versicherungsgesetzgebung zu schaffen. Das dient sowohl den Interessen der Versicherungsnehmer als auch dem fairen Wettbewerb. Die Kommission wird die von der irischen Regierung ergriffenen Maßnahmen genau beobachten und, sofern die entsprechenden Schritte ausbleiben, ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte dem Kommissar für die Beantwortung der Frage danken. Dürfte ich ihn fragen, ob er uns in etwa sagen kann, wann mit einer Antwort der irischen Regierung vor allem in Bezug auf die VHI zu rechnen ist? Wird sich das in irgendeiner Form auf den Ausgleich auswirken? Die VHI beherrscht nach wie vor 75 % des Marktes in Irland, doch sie erhebt Anspruch auf einen Risikoausgleich, um zu verhindern, dass sie Anlaufpunkt für all die älteren Versicherungsnehmer wird, die eine größere Belastung darstellen. Wird das vom Kommissar angesprochene Problem in irgendeiner Form Auswirkungen auf den Ausgleich haben?
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. − (EN) Irland ist am 14. November 2007 eine mit Gründen versehene Stellungnahme zugegangen. Irland hat für die Antwort eine Frist von zwei Monaten, die zufällig am 14. Januar, also gestern, ablief. Soweit ich weiß, ist die Antwort gestern Abend eingegangen und wird derzeit von der Kommission geprüft.
An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass unser Schriftwechsel mit dem irischen Gesundheitsministerium und mein Schriftwechsel mit dem irischen Gesundheitsminister in einen Gesetzesentwurf mündete, der dem Parlament (Oireachtas) vor den Wahlen im vergangenen Mai vorgelegt wurde. Wie die irischen Abgeordneten wissen, kam der Gesetzesentwurf zu Fall, als die Wahlen anberaumt wurden. Wir haben in Irland keine institutionelle Kontinuität – was meines Erachtens eine gute Sache ist –, aber als die neue Regierung das Amt antrat, wurde der Entwurf wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben den irischen Behörden bereits einige Änderungen zum Gesetzesentwurf in der veröffentlichten Fassung vorgeschlagen.
Wir werden also die gestern Abend eingegangene Antwort (die ich nicht gesehen habe, die aber meines Wissen angekommen ist) genau prüfen und feststellen, welche weiteren Änderungen darin vorgeschlagen werden. Ausgehend davon werden wir die nächsten Schritte einleiten.
Doch Herrn Mitchells zweite Frage ist sehr wichtig. Er wollte wissen, ob sich das in irgendeiner Form auf die Debatte um den Risikoausgleich auswirkt. Die Antwort lautet Nein. Das betrifft die anderen Bereiche, für die ich direkt zuständig bin, wie die Lebensversicherungsrichtlinie, bei der es um die Solvenz geht, und diese Fragen, die öffentlich zugänglich sind. Herr Mitchell stellt ganz richtig fest, dass die VHI einen Marktanteil von etwa 75 % hat. Ich glaube, es sind jetzt sogar 76 %. Soweit ich weiß, ist ihr Marktanteil jetzt noch größer als in der Vergangenheit. Sie konnte ihren Marktanteil ausbauen und in den letzten zwölf bis achtzehn Monaten sehr viele neue Kunden gewinnen. Das ist eine Tatsache. Er ist gut informiert. Doch mein Problem ist die Nichtlebensversicherungsrichtlinie und nicht die Höhe des Risikoausgleichs. Der Vollständigkeit halber sei festgestellt – und das ist Ihnen sicher bekannt, Herr Mitchell –, dass unabhängig davon ein weiteres Verfahren vor dem Gericht in Luxemburg anhängig ist, das von einem der Wettbewerber am irischen Markt veranlasst wurde. Und zwar handelt es sich um den Europäischen Gerichtshof, und ich nehme an, dass vielleicht noch in diesem Jahr eine Entscheidung fallen wird.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 36 von Jim Higgins (H-0978/07)
Betrifft: Onlineverkauf von Flugtickets
Könnte die Kommission angeben, weshalb sie die Liste der Websites nicht veröffentlicht hat, die nachweislich gegen die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, gemäß denen auf Websites mit genauen Angaben zu werben ist, verstoßen, sondern unter Hinweis auf das Recht auf Gegendarstellung zugelassen hat, dass deren Namen ungenannt bleiben, was zu Lasten der Verbraucher geht, die unwissentlich Websites nutzen werden, die sie hätten umgehen können, wenn die Kommission beschlossen hätte, die Namen Mitte November zu veröffentlichen?
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Kommission nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente, um die Rechte der Verbraucher EU-weit konsequent durchzusetzen. Ende 2006 wurde im Rahmen der Richtlinie über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz ein neues Netzwerk für die Durchsetzung der Verbraucherrechte gebildet. Es sieht einen Rahmen für die gemeinsame Marktüberwachung und Durchsetzungsmaßnahmen vor. Ein Beispiel dafür war die im September 2007 durchgeführte Überprüfung von Webseiten für den Verkauf von Flugtickets.
Das war die erste Aktion dieser Art. Die Kommission hat diese Aktion koordiniert und die Ergebnisse der ersten Phase der Untersuchung im November 2007 vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt wäre die vom Herrn Abgeordneten vorgeschlagene Veröffentlichung der Namen der Webseiten, auf denen Unregelmäßigkeiten festgestellt worden waren, verfrüht gewesen und hätte gegen den Rechtsrahmen in einigen Mitgliedstaaten verstoßen.
Ich kann Ihre Ungeduld gut verstehen, denn wir alle wollen Probleme lösen, und zwar so, wie es sich gehört. Doch in allen EU-Staaten gilt das Recht auf Gegendarstellung, also das Recht darauf, sich selbst zu verteidigen. Für die Anwendung dieses Rechts sind die nationalen Behörden und Gerichte zuständig, und wir warten derzeit auf die gerichtlichen Entscheidungen in einigen Ländern. Die Kommission wird deshalb das Ergebnis der in den Mitgliedstaaten laufenden Untersuchungen und Durchsetzungsmaßnahmen vorlegen, sobald diese Verfahren abgeschlossen sind. Ich habe Gespräche mit den Behörden auf der Grundlage des Netzwerks für die Durchsetzung der Verbraucherrechte geführt, und sie sind entschlossen, weiterführende Maßnahmen zu ergreifen und diese Daten bereitzustellen, da aber in mindestens zwei Ländern noch Gerichtsverfahren laufen, liegen uns noch nicht alle Angaben vor, die wir folglich noch nicht öffentlich bekannt geben können.
Jim Higgins (PPE-DE). – (EN) Ich denke, wir haben alle im August des vergangenen Jahres den Bericht Degutis gelobt, als wir feststellten, dass wir endlich für Transparenz sorgen können, weil nunmehr alle Steuern und Gebühren in der Werbung von Anfang an angegeben werden müssen. Und dann lesen wir am 31. Oktober 2007 in der Zeitung „The European Voice“, dass Flugticket-Webseiten an den EU-Pranger gestellt werden sollen und die Kommission damit drohe, die Namen von Hunderten von Webseiten bekannt zu geben, die die Verbraucher angeblich irreführen.
Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, weshalb diese großen Wirtschaftsunternehmen nicht namentlich genannt und angeprangert werden. Sie unterlaufen weiterhin die geltenden Regeln und Vorschriften und verstoßen gegen die entsprechenden Verpflichtungen. Sie führen die Verbraucher nach wie vor in die Irre. So hat Ryanair – wobei ich deren bisherige Leistungen gar nicht schmälern will – letzte Woche folgende Anzeige in allen irischen Tageszeitungen geschaltet: „Einen Flug buchen und einen zweiten geschenkt bekommen. Sie zahlen keine Gebühren, Steuern oder sonstigen Zuschläge.“ Also habe ich einen Flug gebucht, und der hat mich 153 Euro gekostet. Und der zweite, der völlig kostenlos sein sollte, hatte folgenden Preis: Kreditkartengebühr: 12 Euro; Steuern, Gebühren und Aufgeld: 39,96 Euro; Versicherung: 14 Euro. Gesamtpreis für den kostenlosen Flug: 67 Euro. Wie viel Beweise brauchen Sie denn noch?
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Es sind vor allem Fälle wie dieser, die uns veranlasst haben, diese Durchsetzungsmaßnahmen einzuführen und zu intensivieren.
Aber ich muss wiederholen: In vielen Mitgliedstaaten können die Namen von Fluggesellschaften erst nach Abschluss der Untersuchungen und der Rechtsdurchsetzung veröffentlicht werden.
Da es zwischen den einzelnen Fällen Unterschiede gibt, dauert auch deren Bearbeitung unterschiedlich lange. Derzeit bespricht die Kommission den zeitlichen Rahmen für den Abschluss dieser Maßnahmen mit den Mitgliedstaaten, und dann wird die Kommission – diese Zusage habe ich bereits – diese Namen veröffentlichen, sobald das rechtlich möglich ist. Andernfalls riskiert die Kommission eine Klage.
Wenn die Mitgliedstaaten die Fälle abschließen, wie ursprünglich geplant, dann können die Namen in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. Ich hatte ursprünglich mit einer Veröffentlichung im Februar gerechnet, aber nach weiteren eingehenden Diskussionen, bei denen Rechtssysteme verglichen und erörtert wurde, wie viel Zeit aus juristischer Sicht erforderlich ist, ist meines Erachtens mit einer Verzögerung um eineinhalb Monate zu rechnen.
Aber ich denke, Sie haben vollkommen Recht, und wenn Sie gestatten, dann werde ich Ihren Fall als einen weiteren Grund dafür benutzen, weshalb wir an Tempo zulegen müssen. Seit Anfang des Jahres gilt die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, und ohne zu stark auf die einzelnen Fälle einzugehen, denke ich, dass wir es hier auch mit einer Verletzung der Rechtsvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken zu tun haben.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich war einer der Ersten, wenn nicht gar der Erste, der diese Frage gestellt hat, bevor die Sache im November auf den Tisch kam und vor der Bekanntgabe.
In Ihrer Antwort teilten Sie mir mit, dass uns innerhalb eines angemessenen Zeitraums von vielleicht zwei Monaten die Namen oder die Ergebnisse Ihrer Nachforschungen vorliegen würden. In einem späteren Interview sprachen Sie von vier Monaten. Als, wie unser Kollege Herr Higgins ganz richtig feststellte, der Name Ryanair auftauchte bzw. in den Zeitungen als der Name eines der Unternehmen genannt wurde, und Ihren Untersuchungen zufolge gibt es 433 Fluggesellschaften und Reiseanbieter, die mit dieser Art von Billigticket arbeiten, erklärte Ryanair, dass es nicht das einzige Unternehmen sei. Auch einige große, bekannte Anbieter, deren Namen ich nicht nennen will, bekannten sich dazu, aber Sie haben die Augen vor dieser Tatsache verschlossen. Deshalb halte ich es für ratsam, dass Sie die Namen bald bekannt geben, damit sich die öffentliche Meinung und der Wettbewerb zwischen den Unternehmen, ob groß oder klein, abkühlen können.
Meglena Kuneva, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich will gar nicht verhehlen, dass ich vom Parlament und seinen Abgeordneten schon häufig Anregungen erhalten habe, und ich freue mich, dass das auch in diesem speziellen Fall, der die Untersuchung von Flugticketpreisen betrifft, so ist. Wir haben ganz gezielt Flugtickets für unsere Untersuchung gewählt.
Ich möchte nicht defensiv klingen. Ich tue, wozu ich gesetzlich verpflichtet bin. Ich habe mich vom Juristischen Dienst der Kommission beraten lassen, und ich kann vor Abschluss der Gerichtsverfahren in bestimmten Mitgliedstaaten keine weiterführenden Maßnahmen einleiten. Wenn das Verfahren in einem Mitgliedstaat vier Monate dauert, dann kann ich nichts unternehmen. Maßnahmen vor Abschluss des Verfahrens wären ein Verstoß gegen die nationale Gesetzgebung und würden den Ruf der Kommission gefährden. Deshalb warte ich mit der Veröffentlichung der Namen, bis diese Verfahren abgeschlossen sind.
Die Präsidentin. − Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
Die Präsidentin. − Ich möchte Kommissarin Kuneva danken, dass sie gewartet hat.
Die Fragestunde ist geschlossen.
Brian Crowley (UEN). – (EN) Frau Präsidentin! Ich entschuldige mich bei Ihnen und den Dolmetschern für eine weitere Verzögerung. Ich möchte lediglich offiziell gegen die unmögliche Art und Weise protestieren, in der zum wiederholten Mal mit der Fragestunde verfahren wurde. Diejenigen unter uns, die sie als ein politisches Instrument nutzen, um von den Institutionen Antworten zu erhalten, sind sprachlos darüber, wie schlecht wir als Abgeordnete dieses Hauses behandelt werden. Ich werde dieses Problem auf der Konferenz der Präsidenten ansprechen, aber ich hoffe, dass es auch das Präsidium aufgreifen und dafür sorgen wird, dass die Tätigkeit dieses Hauses nicht jedes Mal mit unserer Fragestunde in Konflikt gerät.
Die Präsidentin. − Vielen Dank Herr Crowley. Ich denke, Sie wissen, dass der heutige Tag aus verschiedenen Gründen schwierig war. Wir hatten fast eineinhalb Stunden zu unserer Verfügung, und wir haben uns nach Kräften bemüht, jedermanns Wünsche zu berücksichtigen. Wie Sie wissen, hoffen wir, dass die Reformarbeitsgruppe Verbesserungen bewirken wird, aber herzlichen Dank für Ihre Hinweise und ein Dankeschön an unsere Dolmetscher.
(Die Sitzung wird um 19.45 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Doris Pack im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung über Erwachsenenbildung: Man lernt nie aus (2007/2114(INI)) (A6-0502/2007).
Doris Pack, Berichterstatterin. − Herr Präsident, lieber Herr Kommissar! „Es ist nie zu spät zu lernen“, und „Man lernt nie aus“. Die beiden Titel der Mitteilung und des Aktionsplans der Kommission zum Thema Erwachsenenbildung sind ja überall ganz bekannte Sprüche, die aber, wenn man sie genau liest, in diesem Fall eigentlich auch ein Eingeständnis früherer Versäumnisse in der europäischen Bildungspolitik sind. Dennoch, wir sind froh, dass die Kommission mit diesem Kommunikations- und Aktionsplan in eine Zeit der wachsenden Erkenntnis der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens stößt und in eine Zeit, die den neuen demographischen Herausforderungen gerecht werden muss.
Wirtschaftliche und soziale Veränderungen in der EU erfordern größere Anpassung von Qualifikationen und Fähigkeiten im Arbeitsleben. Den Herausforderungen des Arbeitsmarktes muss entsprochen werden, d. h. die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen muss eines der wichtigsten Ziele in der Erwachsenenbildung sein.
Bildung, insbesondere Erwachsenenbildung, ist aber auch ein Faktor für die persönliche Weiterbildung, für die Selbstachtung, für aktive Bürgerschaft, für soziale Eingliederung und den interkulturellen Dialog. Mehrere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass der nichtwirtschaftliche Vorteil des Lernens einen wichtigen und positiven Effekt hat, z. B. für die eigene Gesundheit, für eine höhere Beteiligung aller Altersschichten am gesellschaftlichen Leben, und natürlich auch zur Senkung der Kriminalität beiträgt.
Daher ist meine politische Priorität, die Motivation für die Teilnahme am lebenslangen Lernen zu steigern. Medienkampagnen, Information und Beratungszentren, angepasste Kommunikation für benachteiligte Gruppen sind ganz wichtig. Auch spezielle Rufnummern und Webseiten haben sich bereits in einigen Ländern als sehr erfolgreich erwiesen.
In diesem Zusammenhang ist die Vereinbarung von Arbeitsleben, Familienleben und lebenslangem Lernen ebenfalls von großer Bedeutung. Ich will nur Stichworte nennen: Anpassung von Arbeitszeiten, Flexizeit, Fernkurse und informelle Wege des Lernens. Die Anwendung neuer Technologien muss ständig eingeübt werden, besonders beim Ausbau des Internetzugangs, um diese neuen Lernmethoden anzuregen. Weiterhin muss die Anzahl der öffentlichen und privaten Kindertagesstätten, der Betriebskinderbetreuungsstätten ausgeweitet werden.
Wichtig erscheinen mir aber auch die Solidarität zwischen den Generationen und die interkulturelle Solidarität. Die Weitergabe von Wissen und Fachkönnen von Erwachsenen und Senioren an jüngere Erwachsene — gerade auch im Handwerks- und im Geschäftsbereich — kann unterstützend wirken. Es können Praxisanleitungen sein, sie müssen auch vernetzt werden können, und ich glaube, hier kann einer vom anderen lernen.
Es gibt aber auch einen Familienlernansatz. Eltern sind motiviert, zum Lernen zurückzukehren, damit sie ihren Kindern in der Schule helfen können. Und auch die ehrenamtliche Arbeit braucht die Erwachsenenbildung, damit von gemachten Erfahrungen und qualifizierten Bildungsangeboten auch diese Arbeit profitieren kann.
Den speziellen Bedürfnissen von Migranten muss ebenfalls Rechnung getragen werden. Ich will jetzt nur Sprachkurse erwähnen. Wir brauchen diese Sprachkurse für die Migranten, damit sie die Sprache des Gastlandes lernen. Wir brauchen aber auch Sprachkurse für die Erwachsenen, damit sie die Sprache des Nachbarlandes lernen oder noch eine andere Sprache, wie wir schon immer gesagt haben.
Der Zugang zu Hochschuleinrichtungen für Erwachsene mit praktischer Arbeitserfahrung muss ebenfalls erleichtert werden. Aber ganz wichtig ist eine bessere Qualität und Pädagogik in den bestehenden Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Benötigt werden hochqualifizierte Erwachsenenbildungslehrer und auch spezifische Programme in diesem Bereich. In Deutschland, kann ich nur sagen, gibt es einen Universitätsabschluss, der zu einem Diplom in der Erwachsenenbildung führt. Ich glaube, wir müssen alle daran erinnern, dass die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen z. B. über den Europäischen Sozialfonds oder über alle Strukturfonds erfolgen kann. Natürlich erwarte ich von der Kommission, dass sie das bestehende Programm „Lifelong Learning“ sowohl im Grundvig-Programm als auch im Leonardo-Programm anbietet, um eben den Aktionsplan auch von unserer Seite aus auf den Weg zu bringen.
Ich glaube, es gibt viele Möglichkeiten, hier Gutes zu tun, und wir sollten das ganz schnell tun.
Noch eines möchte ich unterstreichen: Die Resultate der Erwachsenenbildung müssen messbar werden, weil man ansonsten nicht weiß, wer was tut. Es gibt sehr viele Akteure in diesem Feld, und all diesen muss Rechnung getragen werden, den privaten, den universitären und auch den Bildungseinrichtungen der öffentlichen Art. Es gibt also vieles zu tun, und ich würde anregen, packen wir es an!
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte meine Anerkennung für diesen Bericht aussprechen und die Berichterstatterin, Frau Pack, zu ihrem Engagement, ihrer Mühe und ihrem Beitrag beglückwünschen. Gleichzeitig gratuliere ich Herrn Andersson vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie Frau Flasarová vom Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter.
Ich freue mich sehr, dass das Europäische Parlament so konkret und entschlossen auf unsere beiden Mitteilungen von 2006 und 2007 reagiert hat. Bei der ersten ging es um die Erwachsenenbildung und bei der zweiten um den europäischen Aktionsplan in dieser Angelegenheit, der im September angenommen wurde. Wie Sie festgestellt haben, nimmt die Bedeutung der Erwachsenenbildung eindeutig zu. Erstens ist der globale Wettbewerb eine Realität. Wir müssen auf allen Lebensabschnitten und allen Ebenen in Bildung investieren, und die Fähigkeiten und Kompetenzen von Erwachsenen bedürfen der kontinuierlichen Aktualisierung. Zweitens bedeutet der demografische Wandel, dass die Bürger zumindest einige Jahre länger arbeiten müssen, und dazu muss ihre Qualifikation stets auf dem aktuellen Stand sein. Drittens trägt die Erwachsenenbildung zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung bei. Zu vielen Erwachsenen mit niedrigem Bildungsniveau droht die Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt.
Die Erwachsenenbildung spielt also eine entscheidende Rolle im Hinblick auf Strategien für ein lebenslanges Lernen. Ich begrüße Ihre Unterstützung aus vielen Gründen, insbesondere weil sie zur Verbesserung der Qualität und der Zugänglichkeit der Erwachsenenbildung beiträgt, indem beispielsweise bessere Kinderbetreuungs- und E-Learning-Möglichkeiten angestrebt werden, und zwar vor allem für Gruppen mit besonderen Bedürfnissen, aber auch weil Sie sich für eine Beschleunigung der Bewertung von Qualifikationen und die Anerkennung des informellen Lernens, für größere Investitionen generell und die stärkere Berücksichtigung der Erfordernisse von Frauen, Migranten und der alternden Bevölkerung einsetzen. Und schließlich, weil Sie sich, wie Frau Pack sagte, für die Entwicklung zuverlässiger und vergleichbarer Daten einsetzen, um die Erwachsenenbildung messbar zu machen. Wir werden all diese Elemente bei der Umsetzung des europäischen Aktionsplans im Auge behalten.
Wie Sie schon sagen, handelt es sich dabei ausnahmslos um bewährte Praktiken der Mitgliedstaaten, die wir in unserer Zusammenarbeit nutzen werden. Wir werden diese bewährten Praktiken im Rahmen von Methoden wie dem „Peer Learning“ und Studien, über das Programm des lebenslangen Lernens und den bereits erwähnten Europäischen Sozialfonds fördern, um so Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Wir werden bei der in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten geplanten Umsetzung des Aktionsplans die Wirkung nationaler Reformen auf die Erwachsenenbildung analysieren, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund des unlängst angenommenen Europäischen Qualifikationsrahmens. Wir werden ferner auf der Grundlage bewährter Erfahrungen Normen für Erwachsenenbildner und Qualitätssicherungsmechanismen entwickeln. Wir möchten die Mitgliedstaaten ermutigen, Ziele für die Erhöhung des Qualifizierungsniveaus bei Erwachsenen zu setzen und den Prozess der Bewertung und Anerkennung der nicht formalen und informalen Bildung für Risikogruppen zu beschleunigen. Und schließlich werden wir ein Paket von Kerndaten zur Verbesserung der Überwachung des Sektors vorschlagen. Ich freue mich auf die Aussprache und vor allem auf die weitere Unterstützung für diese Vorhaben.
Jan Andersson, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. – (SV) Herr Präsident! Herr Kommissar! Ich möchte der Berichterstatterin für einen ausgezeichneten Bericht danken. Aus der gesamten in der EU und durch den Lissabon-Prozess verfolgten Strategie ergibt sich, dass Bildung ein Schlüsselbereich ist, nicht nur, um für die Zukunft Wachstum und Beschäftigung zu sichern, sondern auch, um soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Damit die EU-Mitgliedstaaten sich im internationalen Wettbewerb behaupten können, spielen Bildung und Arbeitsplätze – aber nicht nur mehr Arbeitsplätze, sondern auch bessere – sowie Menschen mit hoher Qualifikation eine entscheidende Rolle. Darum begrüßen wir diesen Bericht.
Lassen Sie mich noch einige weitere Kommentare abgeben. Es ist wichtig, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen, um Bildung für verschiedene Gruppen möglich zu machen. Ein Beispiel dafür ist die Kinderbetreuung. Es muss für Mütter wie auch für Väter kleinerer Kinder möglich sein, Bildungsangebote zu nutzen. Daher brauchen wir auch eine Strategie für die Kinderbetreuung. Außerdem ist es wichtig, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Gruppen richten, z. B. auf die ältere Generation. Gegenwärtig gibt es nur sehr wenige ältere Arbeitnehmer, was zu einem großen Teil darauf zurückzuführen ist, dass diese keinen Zugang zu Fortbildung und Erwachsenenbildung haben. Wir müssen uns auf diese Gruppe konzentrieren. Eine andere Gruppe sind die gering Qualifizierten. Wenn wir uns beim Betrachten der aktuellen Ausbildungssituation einmal die Fortbildung und Erwachsenenbildung anschauen, stellen wir fest, dass genau diejenigen, die bereits eine hohe Qualifikation haben, die meiste Weiterbildung erhalten. Außerdem ist der Gleichstellungsaspekt auch bei der Bildung sehr wichtig. Da meine Redezeit begrenzt ist, will ich abschließend nur noch darauf verweisen, dass gute Zusammenarbeit und die Einbeziehung der Sozialpartner in diesen Prozess von großer Bedeutung sind.
Věra Flasarová, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße den Bericht meiner Kollegin, Frau Pack, und ich möchte ihr dazu gratulieren, wie sie mit dem Thema umgegangen ist. Herausstellen möchte ich, wie wichtig es ist, der Bildung von Frauen, sozial Benachteiligten, Einwanderern und Minderheiten Aufmerksamkeit zu widmen. Einen weiteren Aspekt der Bildung möchte ich nicht unerwähnt lassen. In einer Welt, in der die meisten Dinge dem Geld, dem Handel, der Werbung, der beruflichen Karriere und dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt untergeordnet sind, scheint Bildung oft nur als Sprungbrett für eine bessere gesellschaftliche Stellung zu dienen. Wenn Bildung dieses praktische Ziel erreicht, eine Person besser auf die Arbeit vorbereitet und diese Person dann im Wettbewerbsumfeld mithalten kann, dann ist das selbstverständlich eine gute Sache. Am wichtigsten an der Bildung ist allerdings, dass ein Mensch an innerem Reichtum gewinnt und besser zwischen Gut und Böse zu unterscheiden vermag. Die Gesellschaft steckt in einer Wertekrise. Anstelle von Traditionen und Autoritäten besitzen wir die individuelle Freiheit, für die wir in unserer ganzen jüngeren Geschichte gekämpft haben. Gleichwohl gehört dazu auch die Freiheit des Wissens und des Nichtwissens, die Freiheit des Sehens und des Augenverschließens, die Freiheit, sich eine eigene Meinung zu bilden und die Freiheit, Ideen anderer anzunehmen. Bildung allein wird unsere Probleme nicht lösen, aber sie kann uns zum Nachdenken darüber anregen.
Pál Schmitt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kommissar! Die demografische Situation in Europa erfordert eine Reorganisation der Rentensysteme und eine Anhebung der Altersgrenze, und es ist immer häufiger von kontrollierter Zuwanderung Rede, anstatt das verborgene Potenzial unserer Generation 50+ zu erkennen.
Im Rahmen einer gut organisierten Erwachsenenbildung könnten Fachkräfte, die seit Jahrzehnten im Berufsleben stehen, ihr Wissen auffrischen und sich veränderten Bedingungen anpassen. Außerdem könnten Erwachsene, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, das Rentenalter aber noch nicht erreicht haben, durch Umschulung, Sprach- und IT-Ausbildung und sonstige berufliche Schulungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt integriert werden. In den mittel- und osteuropäischen Ländern, in denen die Beschäftigungsindizes weit unter dem Durchschnitt der EU-15 liegen, ist diese Funktion der Erwachsenenbildung von besonderer Aktualität.
Neben ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat die Erwachsenenbildung auch eine dritte – soziale und persönliche – Dimension, da Internet-Sprachkurse, Tanzunterricht oder Kochkurse speziell für ältere Bürger zur Verbesserung der Lebensqualität und zu einer positiven Einstellung dieser Menschen beitragen.
Zwei Dinge sind meines Erachtens für eine effektive Erwachsenenbildung besonders wichtig: Einerseits geht es um bessere Informationen und einen besseren Zugang, die Vorstellung erfolgreicher Projekte und den Erfahrungsaustausch zwischen allen Beteiligten. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den neuen Mitgliedstaaten nur eine winzige Minderheit der älteren Menschen das Internet benutzt. Deshalb müssen wir mit herkömmlichen, traditionellen Methoden arbeiten, zu denen sie Zugang haben. Eine wichtige Rolle spielen dabei kommunale Behörden, die eine detaillierte Kenntnis von den örtlichen Bedingungen und Bedürfnissen haben.
Andererseits ist die Bewertung der Bedürfnisse eine wichtige Aufgabe, d. h. die Mitgliedstaaten sollten sich bei der Gestaltung ihrer Programme der Erwachsenenbildung mit Wirtschaftsakteuren, Unternehmen und Arbeitgebern abstimmen. Dabei müssen die wirtschaftlichen Erfordernisse des in Frage stehenden Landes berücksichtigt werden, damit die für die Erwachsenenbildung ausgegebenen Mittel nicht unnötig vergeudet werden, sondern nachweislich dem Einzelnen, der Gesellschaft und der Wirtschaft zugute kommen.
Ich möchte Frau Pack zu ihrem bedeutenden und aktuellen Bericht beglückwünschen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Maria Badia i Cutchet, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Pack, zu ihrer ausgezeichneten Arbeit und ihrer kooperativen Haltung im Hinblick auf unsere Vorschläge meinen Glückwunsch aussprechen.
Lassen Sie mich unterstreichen, dass der Zeitpunkt dieses Berichts gut gewählt ist, da das Ausmaß des sozioökonomischen Wandels, der schnelle Übergang zu einer Informationsgesellschaft und die demografische Entwicklung in Verbindung mit einer Alterung der europäischen Bevölkerung insgesamt große Kraftanstrengungen in der Erwachsenenbildung und -ausbildung sowie im lebenslangen Lernen erforderlich machen. Sie sind Schlüsselelemente, um die, wie wir sie nennen, Ziele der Lissabon-Strategie zu erreichen.
Im Bericht selbst möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit lenken, die Motivation der Menschen für die Weiterbildung zu fördern. Doch damit sie wirksam wird, müsste sie meiner Ansicht nach von aktiven Maßnahmen begleitet werden, die vor allem zur Vereinbarkeit des Lernens mit dem Familien- und Arbeitsleben beitragen, insbesondere bei Frauen.
Diese Maßnahmen müssten die Form von Anreizen für die Teilnahme an Bildungsprogrammen und vor allem für die Erweiterung der öffentlichen Kinderbetreuung und -erziehung sowie der Pflege von älteren Menschen, das heißt, Betreuungsbedürftigen, haben, um die Familien von Aufgaben zu entlasten, die in vielen Fällen noch auf den Schultern der Frauen ruhen.
Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass eine Kultur des Lernens gefördert werden sollte, die das Verdienst anerkennt und die Beschäftigungsaussichten von gering qualifizierten Personen verbessert und zur Verstärkung der sozialen Integration und der persönlichen Entwicklung beiträgt. Dieser Ansatz ist besonders für die so genannten Risikogruppen von entscheidender Bedeutung.
Weiterhin halte ich es für wichtig, die Hochschulbildungssysteme zu modernisieren und flexibler zu gestalten, damit sie den wachsenden und unterschiedlichen sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragen, indem sie die Bildungsqualität verbessern und das Angebot erweitern.
Schließlich möchte ich bemerken, dass es wichtig ist, das Bildungsangebot in den digitalen Technologien zu erweitern, um die digitale Kluft zu überwinden, die auch innerhalb unserer Gesellschaften zwischen den Geschlechtern, zwischen Generationen und Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher geografischer Regionen existiert.
Kurz, ich begrüße den Vorschlag der Kommission und hoffe, dass er die Vorschläge dieses Parlaments berücksichtigt, damit wir gemeinsam dazu beitragen, die Mitgliedstaaten von der Notwendigkeit zu überzeugen, so bald wie möglich auf diesem Gebiet tätig zu werden, nicht nur um Hindernisse für die Teilnahme von Erwachsenen am Lernen zu beseitigen, sondern um Anreize zu schaffen, ihren wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Wert in allen Ländern zu erkennen und nationale Daten auszutauschen, mit denen die erreichten Fortschritte verglichen und gemessen werden können.
Jolanta Dičkutė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Das lebenslange Lernen spielt in der modernen Gesellschaft eine zunehmend wichtigere Rolle. Erfreulicherweise werden Bedeutung und Notwendigkeit der Erwachsenenbildung immer aktiver untersucht und in wachsendem Maße von allen EU-Mitgliedstaaten und den wichtigsten Institutionen anerkannt. Litauische Fachleute für Erwachsenenbildung bringen ebenfalls aktiv ihre Vorschläge in diese Aussprache ein. Mithilfe des Regierungsprogramms soll die Bereitstellung informeller Angebote im Bereich der Erwachsenenbildung an Bildungseinrichtungen auf Gemeindeebene ausgeweitet werden. Ferner will man gewährleisten, dass Unterrichts- und Ausbildungsgebäude sowie das Umfeld der Erwachsenenbildung modern und attraktiv gestaltet werden und Bildungszentren mit modernen Lehrmitteln ausgestattet werden. Zudem möchte ich betonen, dass Lehrkräfte im Bereich der Erwachsenenbildung und ihre Verbände eine lautere Stimme brauchen und Politiker gefragt sind, zuzuhören und ihre Unterstützung anzubieten, um qualitative Fortschritte in der Erwachsenenbildung zu erzielen. Wir müssen nicht nur die dabei aufkommenden Problemfragen diskutieren, sondern auch angemessene Lösungen dafür finden, denn auf diese Weise werden Maßstäbe für die Entwicklung der Erwachsenenbildung in den kommenden Jahren gesetzt
Das litauische Problem ist in diesem Zusammenhang von dringlicher Relevanz: die Integration schutzbedürftiger Gruppen in die Gesellschaft, insbesondere von Behinderten. Darüber hinaus gibt es noch keine Lösung für die Schwierigkeiten von Eltern mit jüngeren Kindern, sich nach der Arbeit weiterzubilden. In vielen Fällen können sich Eltern nicht fortbilden, weil Betreuungsangebote für ihre Kinder fehlen. Dem System der Erwachsenenbildung mangelt es zudem an Flexibilität. Mitunter möchten Jugendliche, die die Sekundarstufe nicht abgeschlossen haben und noch nicht volljährig sind, gern ihre Schulausbildung im Rahmen von Erwachsenenbildungsprogrammen fortsetzen, was ihnen allerdings verwehrt bleibt, weil entsprechende Bildungsangebote nur Personen ab 18 offen stehen. Fraglos stellen auch fehlende Finanzmittel ein gravierendes Problem dar. Ich stimme dem litauischen Präsidenten Valdas Adamkus zu, der meinte, immer mehr Bürger in Litauen würden begreifen, dass das Lernen nicht nur Aufgabe junger Menschen ist. Heute wird lebenslanges Lernen zu einer Herausforderung für unser Land und seine Bürger. Wir müssen diese Chance nutzen, weil sie uns ermöglicht, der sich rasch verändernden Welt zu beweisen, dass Litauen kreativ und offen für Innovationen ist und sich nicht scheut, sich anspruchsvolle Ziele im Hinblick auf neue Lernmöglichkeiten und -angebote zu setzen.
Mikel Irujo Amezaga, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Auch ich möchte Frau Pack für den Bericht danken und sie beglückwünschen – dank ihrer Bereitschaft wurden auch die meisten der von unserer Fraktion eingereichten Änderungsanträge berücksichtigt. Ich möchte bemerken, dass die Erwachsenenbildung stets eine der besten Formen war, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Völker voranzubringen und zu einer besseren Verteilung des Reichtums beizutragen.
Heute, in dieser sich verändernden Informationsgesellschaft, in der wir unser Wissen ständig auf den neuesten Stand bringen müssen, stellen die Grundbildung der Erwachsenen und die nachfolgende fortlaufende Weiterbildung ein Erfordernis ersten Ranges dar. Die Erwachsenen müssen sich dem von der Globalisierung auferlegten stetigen Wandel anpassen und Entscheidungen treffen, um unter Beibehaltung einer angemessenen Lebensqualität überleben zu können.
Allerdings geben die meisten Bildungssysteme keine ausreichende Antwort auf die Bedürfnisse der Menschen, um sie in die Lage zu versetzen, der im Wandel befindlichen Gesellschaft, in der sie leben, ausreichend gerecht zu werden. Im Gegensatz zu vorangegangenen Epochen soll die Bildung keine Lehren erteilen für die Anwendung in einer bekannten Welt, sondern für die Anwendung in einer Welt, die sich im ständigen Wandel befindet und in der unvorhersehbare Situationen auftreten können.
Es geht also um die Bereitstellung eines Bildungssystems, das den Bedürfnissen der Erwachsenen in einer sich fortlaufend verändernden Gesellschaft Rechnung tragen kann. Kurzum, die Bildung muss die Menschen auf den Blick in die Zukunft und auf Innovationen vorbereiten und darf sich nicht mehr nur damit befassen, sich einzufügen.
Wir befinden uns im Übergang von einer Industrie- zur Post-Industriegesellschaft, und dieser Gesellschaftstyp, auf den wir uns zubewegen, wird den Rahmen für die Erwachsenenbildung abgeben. In diesem Zusammenhang habe ich der Berichterstatterin gratuliert und möchte ich auch der Kommission meinen Glückwunsch aussprechen, denn ich glaube, der vorliegende Bericht geht in diese Richtung.
Thomas Wise, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Das lebenslange Lernen ist etwas, worin sich das Vereinigte Königreich schon immer ausgezeichnet hat. Unsere Open University war die erste Einrichtung dieser Art weltweit. Gegründet in den 60er Jahren basiert sie auf einem Konzept, das in die 20er Jahre zurückreicht. Hunderttausende so genannter älterer Studenten haben die Open University absolviert, viele von ihnen Hochschulabsolventen, die sich erneut dem Studium zuwenden. Deshalb denke ich, dass das Vereinigte Königreich in diesem Bereich viel erreicht hat, und – bei allem Respekt – ich glaube nicht, dass wir uns eine weitere Einmischung der EU in die Bildung, die immer noch in der Zuständigkeit der einzelnen Länder liegt, gefallen lassen müssen.
Einfach nur etwas bereitzustellen, das reicht der EU nicht aus. Nein, der nächste Schritt ist Zwang. Warum soll man schließlich etwas anbieten, was nicht in Anspruch genommen wird? Aber das ist ja nichts Neues, dass EU-Institutionen Milliarden von Euro und anderen Währungen verschwenden und dass Nationalstaaten lammfromm Anweisungen folgen, das ist ja zu erwarten.
Um aber zu diesem Haus zurückzukehren – vor allen zu den Bürokraten und Politikern hier –, so ist mir eines klar geworden: Egal, wie lange Sie leben, Sie werden es nie kapieren! Sie wollen noch nicht einmal zuhören. Sie machen mit Ihren Projekten einfach weiter und scheren sich einen Teufel um all jene, die anderer Meinung sind. Das erinnert mich an den alten Spruch, der Sun Tzu zugeschrieben wird, aber durch Kennedy eigentlich bekannt wurde: Wer friedlichen Protest verbietet, beschwört gewalttätige Revolutionen herauf. Wenn Sie nicht aus Ihren Fehlern lernen, sind Sie zu deren Wiederholung verdammt.
Milan Gaľa (PPE-DE). – (SK) Zunächst gestatten Sie mir, Frau Doris Pack für Ihre große Mühe bei der Erstellung des vorliegenden Berichts zu danken. Außerdem möchte ich den Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission für die Initiativen zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation meinen Dank aussprechen.
Als Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung bezüglich des Europäischen Qualifizierungsrahmens für lebenslanges Lernen erachte ich die Frage lebenslanger Bildung besonders in zweierlei Hinsicht als essenziell. Zum einen betrifft dies die Verbesserung von Qualifikationen, die Verbesserung der Chancen, Arbeit zu finden und Diskrepanzen im Arbeitsmarkt zu überwinden sowie die Erhöhung der geografischen und beruflichen Mobilität. Der zweite Aspekt ist das Streben nach lebenslanger persönlicher Entwicklung und Integration in die Gesellschaft.
Die Zahl der an Bildungsmaßnahmen und berufsbildenden Maßnahmen teilnehmenden Erwachsenen ist zu gering. Meines Erachtens wäre ein positiver Schritt, schwerpunktmäßig Bürger für das lebenslange Lernen besser zu motivieren. Im Rahmen dieses Prozesses ist es von grundlegender Bedeutung, die Verbesserung der Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Solidarität zwischen den Generationen und Kulturen und den Spracherwerb sowie eine Verbesserung der Qualität von Bildungsangeboten und den damit verbundenen Perspektiven zu berücksichtigen. Die Anerkennung und Wertschätzung nicht formaler und informaler Bildung sind unbedingt zu empfehlen. Wichtige Ziele sind die Verbesserung der Qualifikationen von gering qualifizierten Arbeitnehmern, die ein Drittel der europäischen Arbeitskräfte – bis zu 72 Millionen Menschen – ausmachen und schließlich die Ausbildung von Einwanderern.
Wenn die EU bis zum Jahr 2010 die Vorgabe von 12,5 % Mitwirkung an der Erwachsenenbildung erreichen will, das heißt, dass darin weitere vier Millionen Menschen einbezogen werden sollen, so ist die Verknüpfung von Bildungssystemen auf europäischer Ebene mit den nationalen Qualifikationsrahmen eine der Voraussetzungen dafür.
Der Präsident. – Ich möchte Frau Pack versichern, dass Anerkennungen durch den Vorsitz eine gebührende Respektbezeigung der Institution gegenüber den Berichterstattern und den von ihnen vertretenen Standpunkten sind, selbst wenn man inhaltlich überhaupt nicht damit übereinstimmt.
Gyula Hegyi (PSE). – (EN) Herr Präsident! Einem ungarischen Sprichwort zufolge lernt ein guter Priester bis zu seinem Tod. Heute sollten nicht nur Priester, sondern alle Erwachsenen ihr Leben lang lernen. Ich begrüße Frau Packs Bericht und auch den Aktionsplan der Kommission für die Erwachsenenbildung. Natürlich ist es sehr bedauerlich, dass lediglich 9,6 % der erwachsenen Bürger am lebenslangen Lernen teilnehmen. Es ist nicht einfach, im Erwachsenenalter neu zu lernen. Familie, Beruf und Lernen unter einen Hut zu bringen, das ist schwierig, doch langfristig könnte die Erwachsenenbildung sowohl der Familie als auch der beruflichen Entwicklung zugute kommen.
In Europa haben wir Millionen von Arbeitslosen und gleichzeitig Millionen von unbesetzten Arbeitsplätzen, für die qualifizierte Arbeitskräfte notwendig sind. Ein niedriges Qualifikationsniveau birgt ein hohes Risiko, keine Arbeit zu finden, doch kontinuierliche Aus- und Weiterbildung dürften sich sowohl für den Einzelnen als auch die Gesellschaft günstig auswirken. Ich teile Frau Packs Ansicht, dass es nicht nur darum geht, das lebenslange Lernen zu fördern, sondern auch Anreize zu schaffen, damit Arbeitgeber verstärkt ältere Arbeitnehmer einstellen. Für die Herausforderung unserer alternden Gesellschaft gibt es nur eine Lösung: Achtung gegenüber älteren Arbeitnehmern und angemessene Arbeitsplätze auch für die ältere Generation. Dafür brauchen wir natürlich lebenslanges Lernen und eine lebenslange berufliche Bildung.
Ramona Nicole Mănescu (ALDE). – (RO) Wir wissen, dass die Mitgliedstaaten die überaus wichtige Rolle des lebenslangen Lernens anerkennen, trägt sie doch zum Wohlbefinden, zur Selbstachtung, zur sozialen Integration und zum interkulturellen Dialog bei. Dennoch haben Erwachsene nach wie vor nur begrenzt Zugang zu Programmen für lebenslanges Lernen, obwohl die Europäische Union bis 2010 eine Mitwirkung von 12,5 % erreichen will.
Deshalb könnte die Durchführung und Förderung wirkungsvoller Gemeinschaftsprogramme für die allgemeine und berufliche Bildung Erwachsener, insbesondere älterer Menschen, Behinderter und Zuwanderer, durch die Mitgliedstaaten deren erfolgreichere soziale Eingliederung bewirken und ihre Mobilität auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.
Als Mitglied des Ausschusses für Kultur und Bildung halte ich die Ausarbeitung von Freiwilligenprogrammen im Zusammenhang mit der Solidarität zwischen den Generationen und die Einbeziehung von staatlichen Stellen, privatwirtschaftlichen Unternehmen und Einzelpersonen für einen entscheidenden Aspekt, damit wir uns den neuen Herausforderungen stellen können, vor denen wir infolge des demografischen Wandels, von Armut und sozialer Ausgrenzung stehen.
Eingedenk des Rechts auf Bildung und der Pflicht der Mitgliedstaaten, für ihre erwachsenen Bürger eine hochwertige Ausbildung zu ermöglichen, bin ich, Herr Präsident, überzeugt, dass auch wir für die Entwicklung tragfähiger Instrumente für die Finanzierung und Förderung der lebenslangen allgemeinen und beruflichen Bildung verantwortlich sind.
Kathy Sinnott (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Wenn der Kommissar die Bürger fragen würde, wo sie lernen, dann würden sie ihm sagen, wo sie zur Schule gegangen sind. Doch das meiste Wissen erwerben wir außerhalb dieser formalen Form der Bildung.
Die Herausforderung in Bezug auf das lebenslange Lernen besteht nicht nur darin, Erwachsenen Möglichkeiten für den Erwerb neuer und besserer Qualifikationen zu bieten, sondern auch einen Weg zu finden, um das sehr wertvolle Wissen, das viele Erwachsene im Verlaufe ihres Lebens und ihrer Berufstätigkeit außerhalb der formalen Bildung erwerben, anzuerkennen und zu nutzen. Ein Bürger in meinem Wahlkreis hat neuartige Methoden für die erfolgreiche Bewirtschaftung einer der schwierigsten Fischarten sowie die umweltfreundlichen Fischzuchtmethoden, die sie erfordert, entwickelt. Er hat keinen College-Abschluss. Folglich erhält er keinen der Zuschüsse, die die Kommission in diesem Bereich vergibt. Stattdessen gehen die Zuschüsse an Akademiker ohne Erfahrungen, die sich dann an ihn wenden, um sich über seine Methoden zu informieren. Er hat genug von diesem Schwindel, und für den Fischereisektor ist das ein Verlust.
Ich fordere den Kommissar auf, dies zu prüfen, denn es muss einen besseren Weg geben.
Tomáš Zatloukal (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident, Herr Kommissar! Im Wesentlichen ist es Zeitmangel wegen beruflicher oder familiärer Pflichten, der Erwachsene daran hindert, sich an der Bildung zu beteiligen. Als weiterer negativer Faktor kommt Mangel an Information und Motivation hinzu. Es ist eine allgemein verbreitete Ansicht, dass Bildung im höheren Lebensalter nicht genug geschätzt und nicht ausreichend honoriert wird. Ein wichtiger Aspekt der Erwachsenenbildung ist ihre Effizienz und Fairness. Der Schwerpunkt der Bildungssysteme der EU-Mitgliedstaaten liegt in erster Linie auf der allgemeinen und beruflichen Bildung junger Leute. Fortschritte, um an dieser Situation etwas zu ändern, gab es kaum, und wenn, dann waren sie bislang kaum von Bedeutung. Allgemeines Ziel muss es daher sein, die einzelnen Angebote im Erwachsenenbildungssystem bestmöglich zu nutzen. Unser Ziel ist es, den Zugang zu nützlichen und aktuellen Informationen über Erwachsenenbildungsmöglichkeiten zu ermöglichen und die Zugangsvoraussetzungen und Kosten zu erläutern, von den Vorteilen eines solchen Bildungsabschlusses ganz zu schweigen.
Ich gehe mit der Berichterstatterin darin konform, dass die Mitgliedstaaten Beratungs- und Informationssysteme von hoher Qualität sowie zielgerichtete finanzielle Anreize für Einzelpersonen einführen sollten. Zudem müssen sie die Entwicklung lokaler Partnerschaften unterstützen. Außerdem ist unbedingt ein System einzuführen, welches Lernergebnisse im Kontext der nationalen Rahmen für Qualifikationen unter Berücksichtigung des europäischen Qualifikationsrahmens anerkennt und verifiziert. OECD-Studien bestätigen ebenfalls die Vorteile von Investitionen in die Erwachsenenbildung. Der öffentliche und private Nutzen liegt in der besseren Beschäftigungsfähigkeit, der höheren Arbeitsproduktivität, den niedrigeren Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung und Sozialleistungen sowie der geringeren Zahl von Vorruheständlern. Dieser Bericht fordert uns auf, die politischen Prioritäten im Bereich Erwachsenenbildung neu zu überdenken und konkrete Schritte zu ergreifen. Herzlichen Glückwunsch an unsere Berichterstatterin.
Marianne Mikko (PSE). – (ET) Sehr geehrte Damen und Herren!
Infolge der Erweiterung im Jahre 2004 stieg das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union in einem Maße, das ungerechtfertigtes Vertrauen erzeugte. Heute allerdings verursacht die Abkühlung der Wirtschaft selbst in den neuen Mitgliedstaaten soziale Spannungen.
Ich verweise auf das Gesetz über Arbeitsverträge, das in meinem Heimatland, Estland, derzeit kontroverse Diskussionen auslöst. In Erwartung der Freisetzung von Arbeitskräften versuchen estnische Geschäftsleute, die Hauptlast der mit dem Verschwinden von Arbeitsplätzen verbundenen sozialen Auswirkungen auf die Menschen abzuwälzen, die freigesetzt werden sollen. Vielleicht fragen sich diejenigen, die schutzbedürftiger sind, nämlich Arbeitnehmer, die ihre Stelle verloren haben, wieder einmal, wofür sie bestraft werden sollen.
Mangels wirksamer Maßnahmen bleiben sichere Flexibilität und lebenslanges Lernen nur leere Worte, in deren Schatten die Schutzbedürftigeren der Gesellschaft ohne die Unterstützung sitzen gelassen werden, die sie brauchen. Die Anhebung des Rentenalters entsprechend dem Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung besagt, dass ein 45-jähriger Arbeitnehmer noch nicht die Mitte seines Berufslebens erreicht hat. Das bedeutet einen Neubeginn im mittleren Alter.
Bislang ist Diskriminierung aus Gründen des Alters und des Geschlechts an den Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt einschließlich der Europäischen Union eine nicht zu leugnende Tatsache. Wegen der Tendenz, erst später im Leben Kinder zu bekommen, haben es Frauen doppelt so schwer, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.
Das Programm für lebenslanges Lernen bietet zumindest bis zu einem gewissen Grad eine Möglichkeit zur Entschädigung für die heute herrschende Ungerechtigkeit. Ebenso sollten Arbeitgeber dazu angeregt werden, in Menschen mit Lebenserfahrung zu investieren. Die Arbeitgeber sollten davon überzeugt werden, dass Kenntnisse und Fertigkeiten, die in anderen Lebensbereichen erworben werden, ja sogar in der Hauswirtschaft, überaus wertvoll sind.
Ich möchte noch einmal betonen, dass das System des lebenslangen Lernens die soziale Sicherheit lediglich ergänzt und nicht ersetzt. Autofahrer sollten sich unabhängig von ihrer Erfahrung stets anschnallen.
Ich danke der Berichterstatterin und beglückwünsche sie zu dieser exzellenten Arbeit. Vielen Dank, Frau Pack!
Ljudmila Novak (PPE-DE). – (SL) Der Mensch ist das anpassungsfähigste Wesen, und deshalb haben bereits viele Erwachsene akzeptiert, dass man auch in reifen Jahren und selbst im hohen Alter weiter Wissen erwerben sollte. Künftig wird es den Menschen, die nie aufgehört haben zu lernen, leichter fallen, sich den raschen Veränderungen anzupassen, mit denen wir täglich konfrontiert sind.
Es ist auch für das Wohlbefinden älterer Menschen wichtig, dass sie mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen weiter an der Gestaltung der Gesellschaft teilnehmen können. Es tut ihnen gut zu wissen, dass sie nützlich sind und von der Gesellschaft gebraucht werden. Doch da die Bevölkerung immer älter wird, müssen neue, den Erfordernissen älterer Arbeitnehmer entsprechende Arbeitsplätze geschaffen werden.
Eine Freundin, die zehn Kinder und keine Großmutter hat, die ihr bei der Kindererziehung hilft, fragte mich: „Weißt Du, wo ich eine Oma für meine Kinder kaufen kann?“ Ich denke auch oft an die Geschichte von dem Arzt, der eine pensionierte Lehrerin bat, einen Jungen zu unterrichten, der mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus lag. Man befürchtete, dass der Junge sterben würde. Dank der Hartnäckigkeit, Geduld und Erfahrung der Lehrerin begann der Junge, auf ihre Fragen zu reagieren. Er glaubte wieder an das Leben. Warum würden die Ärzte einen Lehrer bitten, derart intensiv mit einem Jungen zu arbeiten, den sie bereits aufgegeben hatten? Das Wissen eines älteren Menschen rettete ein junges Leben.
Junge Menschen mögen viele Fähigkeiten und Vorteile in Bezug auf das Lernen haben, die sie manchmal nicht voll nutzen, aber ältere Menschen müssen Willenskraft aufbringen und ermutigt werden, denn zum Lernen ist es nie zu spät, und sie können Dinge kompensieren, für die sie in ihrer Jugend vielleicht keine Zeit oder kein Geld hatten. Mehr Wissen bedeutet mehr Lebensfreude.
Rolf Berend (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass allgemeine und berufliche Bildung sich nicht mehr nur auf die Schule und die unmittelbaren Jahre danach beschränken kann, sondern über das gesamte Arbeitsleben hinweg aktualisiert und ausgeweitet werden muss, braucht in unserem Jahrhundert sicherlich keine Überzeugungsanstrengungen. Der demographische Wandel zum Beispiel spricht hier für sich.
Der ausgezeichnete Bericht der Kollegin Pack schlägt in diesem Zusammenhang ein positives Konglomerat von Anregungen vor und spricht in diesem Zusammenhang ganz gelungen von der Herbeiführung einer Lernkultur, insbesondere für Erwachsene. So nennt sie eine Reihe von Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Ebenen getroffen werden sollten. Natürlich ist das vorrangig eine Aufgabe der Mitgliedstaaten. Daher können wir seitens der EU auch nicht verordnen, sondern müssen vielmehr Anregungen geben, die Mitgliedstaaten ersuchen, ermutigen, auffordern, im Bereich der Erwachsenenbildung Angebote zu unterbreiten, um mehr Menschen für diese zu gewinnen.
Ich bin wie die Berichterstatterin davon überzeugt – das sage ich jetzt als stellvertretender Vorsitzender des Regionalausschusses –, dass sich viele Mitgliedstaaten diesbezüglich der Bedeutung und Verwendung des Europäischen Sozialfonds und anderer Strukturfonds für die Erreichung dieses Ziels des lebenslangen Lernens nicht voll bewusst sind. Sie sollten die Strukturfonds dahingehend überwachen und auch sicherstellen, dass mehr Mittel für diejenigen bereitgestellt werden, die am meisten Bedarf an lebenslangem Lernen haben. Kurzum, der Bericht fordert klar eine aktive Nutzung auch des Europäischen Sozialfonds durch die Mitgliedstaaten und von der Kommission eine Verstärkung spezifischer Programme in diesem Bereich.
Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Freude, heute Abend in einem, wie ich meine, doch recht gut besetzten Plenum das Wort zu ergreifen.
Der vorliegende Bericht über Erwachsenenbildung: „Man lernt nie aus“ ist uns heute von Frau Pack sehr klug und mit ihrem üblichen Sachverstand erläutert worden. Ich begrüße die Anwesenheit der Vertreter der Kommission, einschließlich Herrn Figel', der zu denen gehört, die ihre Tätigkeit am regesten und mit dem größten Engagement ausüben, denn Einsatzbereitschaft ist wirklich gefordert, da dieses Thema – Bildung und Lernen von Personen, die nicht mehr ganz so jung, berufstätig oder schon etwas älter sind – die Bürger Europas tatsächlich einander näher bringen kann.
Ich möchte zu einer Gruppe von Erwachsenen, die von diesem Lernen profitieren könnten, etwas sagen: Es gibt nämlich Erwachsene ersten Grades, Erwachsene zweiten Grades und Erwachsene dritten Grades. Mit Erwachsenen dritten Grades meine ich diejenigen, die das Arbeitsleben beendet haben, in Rente gegangen sind und sich endlich dem Studium des Themas widmen können, das sie sich schon immer gewünscht haben, mit dem sie sich aber aus Zeitgründen nie eingehend befassen konnten. Ich würde beispielsweise Astronomie studieren, andere beschäftigen sich vielleicht mit Physik oder Geografie.
Daher finde ich es richtig und wichtig, dass Europa den Übergang von der Erwerbstätigkeit und vom arbeitsfähigen Alter zu dem Alter, in dem man nicht mehr berufstätig, aber gleichwohl zu lernen, zu studieren und sich zu bilden berechtigt ist, erleichtert. Aus diesem Grund bin ich mit dem vorliegenden Bericht und dieser Initiative des Europäischen Parlaments zur Förderung der Bildung auch der Älteren überaus zufrieden.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Im Kampf gegen Arbeitslosigkeit zielt die Strategie im Kern darauf ab, den Beschäftigten die Anpassung an den Arbeitsmarkt zu erleichtern, und das ist mit lebenslangem Lernen möglich. Angestrebt wurde eine Mitwirkung an der Erwachsenenbildung von mindestens 12 % der Menschen bis zum Jahr 2010. Jetzt wissen wir, dass wir dieses Ziel verfehlen. Gleichwohl möchte ich darauf hinweisen, dass einige Länder wie die Niederlande und Österreich das Lissabon-Ziel dank erheblicher Anreize wie Time-Sharing und Ausgabenteilung zwischen Arbeitnehmern, Unternehmen und dem Staat erreicht haben. Nicht weniger wertvoll sind die Erfahrungen Dänemarks. Hier erleichtert die Rotation von Arbeitnehmern die Entwicklung von Qualifikationen. Wenn ein Arbeitnehmer eine Ausbildung absolviert, nimmt eine zu diesem Zeitpunkt erwerbslose Person seinen Arbeitsplatz ein. Diese und andere Länder stellen unter Beweis, dass es machbar ist, dass die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu Innovationen führt, die neue Arbeitsplätze schaffen. Daraus resultiert die niedrigste Langzeitarbeitslosenquote: Die Langzeitarbeitslosigkeit in Dänemark beträgt nur 0,8 %. Ich möchte meinen, dass sich mit den Beispielen und den enormen Anreizen des Europäischen Sozialfonds im Rücken die Lage selbst in den neuen Ländern grundlegend ändern wird. Ich begrüße die Mitteilung der Kommission und Frau Packs Bericht.
Mihaela Popa (PPE-DE). – (RO) Es ist in der Tat nie zu spät zum Lernen. Ich möchte der Berichterstatterin dazu gratulieren, wie sie an dieses Thema herangegangen ist, das auf europäischer Ebene und darüber hinaus eine so wichtige Rolle spielt. Leider glauben viele Bürgerinnen und Bürger noch immer, dass Bildung etwas ist, was man im ersten Lebensabschnitt erwirbt.
Wir müssen den Zugang zu verfügbaren Gemeinschaftsmitteln für die Erwachsenenbildung fördern, vor allem in den Mitgliedstaaten, die der Union neu beigetreten sind. In diesen Staaten werden die Mittel nur wenig in Anspruch genommen, und die Zahl der Menschen, die sich an beruflichen Umschulungen und am lebenslangen Lernen beteiligen, ist sehr niedrig.
Ich halte es für wesentlich, die Einstellung junger Menschen zu ändern, die sich noch in der ersten Phase ihrer Bildung befinden, um sie auf ein Europa im Wandel vorzubereiten. Mit der Entwicklung neuer Programme auf europäischer Ebene sollten wir ihnen vermitteln, dass Bildung nicht endet, wenn man seinen ersten Abschluss erlangt hat. Man muss sich bewusst sein, dass jeder jederzeit, unabhängig von Alter, Volkszugehörigkeit, Geschlecht oder Ort, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben kann. Wenn man all dies in Betracht zieht, ergibt sich ein grundlegendes Gebot: Wir müssen lernfähig sein.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Sehr verehrte Damen und Herren! Aufgrund der raschen Veränderungen in der Struktur des Arbeitsmarktes bedarf es hoch qualifizierter Arbeitskräfte. Gering qualifizierte Menschen haben nur am Rande am sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt teil.
Kreativität und Innovation sind Schlüsselfaktoren der Moderne. Je einfallsreicher jemand ist, umso größer ist sein Kreativitätsfaktor für die Wirtschaft. Prosperierende Wirtschaften investieren in Humankapital (das heißt Bildung), in die grundlegenden technischen und fremdsprachlichen Fähigkeiten der erwerbstätigen Bevölkerung. Es ist wichtig, durch lebenslanges Lernen jene Fähigkeiten zu entfalten, die in Menschen jedes Alters schlummern und nur darauf warten, genutzt zu werden.
Meiner Ansicht nach wird es gelingen, den Worten des hervorragenden Berichts der Berichterstatterin Doris Pack „Erwachsenenbildung: Man lernt nie aus“ Taten folgen zu lassen. Herr Kommissar Figel! Ich bedanke mich für Ihr persönliches Engagement im Bereich des lebenslangen Lernens.
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – (RO) Ich schließe mich den Glückwünschen meiner Kolleginnen und Kollegen an Doris Pack für ihre Arbeit als Berichterstatterin an. Das Thema ist für das Europa von heute und besonders für das Europa von morgen sehr wichtig.
Die Herausbildung einer neuen Gesellschaft sowie der soziale Zusammenhalt sind eng mit Bildung verknüpft, und bei Bildung sollten wir nicht nur an formelle Bildung denken, sondern auch die nicht formelle und informelle Bildung mit dem Augenmerk auf dem Einzelnen fördern.
Ich möchte auf den wichtigen Punkt der Bildung von Zuwanderern hinweisen. Wir haben ja wohl in der Praxis gesehen, dass Bildung für Zuwanderer für deren soziale Eingliederung, für Toleranz, Stabilität, Leistung und für die Entwicklung Europas insgesamt notwendig ist.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich beglückwünsche die Berichterstatterin, Frau Pack, und auch den Herrn Kommissar, der seine Aufgaben – auch im Hinblick auf seinen Einsatz für das Europäische Technologieinstitut – hervorragend erfüllt. Heute sprechen wir jedoch über etwas anderes. Ich möchte hier auf einen ganz bestimmten Aspekt aufmerksam machen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Europa das Analphabetentum bekämpft, und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten alle Europäer lesen und schreiben. Analphabetentum heute bedeutet mangelnde Computerkenntnisse und fehlenden Zugang zum Internet. Ich schlage vor, dieses Thema noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Die digitale Kluft hat auch Auswirkungen auf die Kluft zwischen den Generationen. Es geht darum, dass wir wissen sollten, in wie viel Jahren – in fünf oder zehn Jahren – jeder Europäer, gleich welchen Alters, mit einem Computer umgehen kann und einen Internetzugang hat. In den abgelegenen Gebieten Europas könnten Internet-Cafés diesen Zweck erfüllen, wo mehrere Computer in einem Raum aufgestellt sind und alle Einwohner diese Einrichtung nutzen können. Das ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts.
Jan Figeľ, Mitglied der Kommission. – (SK) Viele der Beiträge sind in meinen Augen in der Tat eine Motivation, sich mit der Frage der Erwachsenenbildung auseinanderzusetzen.
Folgt man dieser Philosophie, so ist es, wie bereits hervorgehoben wurde, zum Lernen nie zu spät. Im zweiten Dokument wird dargelegt, dass es immer einen guten Grund oder einen günstigen Zeitpunkt gibt, um zu lernen. Ich betrachte den Bericht von Doris Pack sowie die zahlreichen erwähnten Initiativen als Ergänzung oder Zusatz zum Vorschlag der Kommission. Daher ist dieser Ansatz so wertvoll und begrüßenswert. Ich möchte auf einige spezifische Maßnahmen noch einmal eingehen, weil sie hilfreich sind und eine Verbesserung des Ansatzes insgesamt darstellen: die notwendige Motivierung der Erwachsenen, sich zu bilden; die Notwendigkeit einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und lebenslangem Lernen; das Erfordernis generations- und kulturübergreifender Solidarität; die Bedeutung des Erwerbs bzw. der Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen; die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse schutzbedürftiger Gruppen und die Bedeutung hoch qualifizierter Lehrkräfte, über die kürzlich debattiert wurde. Das ist ein Schlüsselfaktor für Bildungserfolge sowie ein sinnvollerer Ansatz für die höhere Bildung und die Erhebung vergleichbarer statistischer Daten bzw. Informationen.
Die Kommission wird auch Ihre Aufforderung zur Prüfung der Karriereaussichten im Rahmen der Erwachsenbildung und die Frage der Finanzierung der Erwachsenenausbildung in Erwägung ziehen. Dabei handelt es sich um ganz konkrete Fragen, die ebenfalls in den Aufgabenbereich der Mitgliedstaaten fallen.
Abschließend möchte ich Folgendes anmerken: Ein Ergebnis des vorliegenden Berichts wie auch der Kommissionsdokumente sind die Diskussion der Mitgliedstaaten und die Schlussfolgerungen des EU-Ministerrates vom Februar. Ich bin davon überzeugt, dass sie mit der nötigen Ernsthaftigkeit getroffen wurden und zugängliche, qualitativ hochwertige Bildungsangebote im Bereich der Erwachsenenbildung befördern werden. Gestatten Sie mir abschließend noch eine Anmerkung: Es geht dabei nicht nur um Wertschätzung und Dankbarkeit, sondern auch um die Würdigung von Inspiration. Als Kommissar, Politiker und Vater bin ich davon überzeugt, dass Bildung – und damit meine ich allgemein zugängliche und qualitativ hochwertige Bildungsangebote – für die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung des Einzelnen und der gesamten Gesellschaft ganz entscheidend ist. Bildung eignet sich außerdem hervorragend dafür, bei Fragen, die für die Gleichstellung aller Menschen von grundlegender Bedeutung sind, einen Ausgleich zu schaffen. Vielen Dank. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.
Doris Pack, Berichterstatterin. − Herr Präsident, lieber Herr Kommissar! Zunächst einmal danke ich allen Kolleginnen für die Blumen, die sie mir überreicht haben. Ich gebe gerne einige ab aus diesem Bouquet an Jan Figeľ. Nachdem ich seit 1993 für Erwachsenenbildung werbe, haben wir nach dem ersten Erfolg mit dem Grundvig-Programm nun den großen Erfolg, dass in allen Politikbereichen die Erwachsenenbildung als wichtig angesehen wird.
Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass alle Anreize, die nur möglich sind, geschaffen werden, um Menschen zu motivieren, die Bildung im Erwachsenenalter aufzunehmen. Viele hatten nie die Chance, viele müssen dazu motiviert werden. Man muss ihnen auch die Scheu nehmen, die Barrieren wegräumen, damit man dort teilnehmen kann. Deswegen glaube ich auch, dass die vielen Volkshochschulen, Stiftungen und Wohlfahrtsverbände, die sich in dieser Arbeit ja heute schon hervortun, Unterstützung genießen sollen, und dass das hohe Niveau – meinethalben kann es auch noch höher werden – in diesen Bereichen gehalten werden muss. Wie ich vorhin schon gesagt habe, müssen wir dafür sorgen, dass die Qualität der Erwachsenenbildung noch besser wird.
Ich freue mich, dass ich gehört habe, dass jetzt schon eine Arbeitsgruppe gebildet wurde im Bereich Ihrer Kommission, Herr Figeľ. Ich freue mich, dass dies vielleicht auch mit Grundvig verknüpft werden kann, und wir so etwas wie eine Initialzündung für die nationalen Regierungen auslösen können.
Also fangen wir damit an. Es müssen jetzt wirklich den vielen schönen Worten Taten folgen, und wir müssen einfach das alte deutsche Sprichwort widerlegen: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Das ist so falsch, wie etwas nur falsch sein kann, und deswegen hoffe ich, dass wir mit unserer und mit Ihrer Hilfe jetzt versuchen können, die nationalen Regierungen auf das Pferd zu setzen, damit sie anfangen zu traben. Mit dem Galopp wird es noch ein bisschen dauern.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 16. Januar 2008, um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Edit Herczog (PSE), schriftlich. – (HU) Ich möchte die Berichterstatterin und die Ausschüsse zu ihrer erfolgreichen Arbeit und ihrem sozialen Engagement beglückwünschen. Gleichzeitig stelle ich mit Bedauern fest, dass sich darin keinerlei Hinweis auf die Entwicklung von digitalen Fertigkeiten findet. Wir sollten bedenken, wie viele Rechtsvorschriften wir im Verlaufe der Jahre erlassen haben, mit denen neue Rechte der europäischen Bürger anerkannt werden, und in wie vielen Fällen wir festgelegt haben, dass Arbeitnehmer, Verbraucher, Rentner und sogar Touristen Zugang zu entsprechenden Informationen und Kanälen im Internet haben sollten.
All dies ist sinnvoll, solange die Begünstigten Zugang zu den entsprechenden Informationen haben. Die Entwicklung der digitalen Kompetenz in den Bereichen lebenslanges Lernen und allgemeine Grundbildung erlangen als Fundament einer wissensbasierten Informationsgesellschaft entscheidende Bedeutung. Eine weitere Schlüsselaufgabe für die Mitgliedstaaten wird die Förderung der Chancengleichheit im Bereich Informationstechnologien und digitale Integration sein. Ich freue mich, dass sich alle ungarischen Parteien diesbezüglich einig sind, auch wenn sie sich sonst über nicht allzu viel einig sind.
Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien selbst stellen eine beispiellose Möglichkeit zur Förderung des Zusammenhalts und der Chancengleichheit dar, aber diese Möglichkeiten können wir nur nutzen, wenn wir gewährleisten können, dass wir alle Bürger ihr Leben lang integrieren, damit der Titel der Stellungnahme des Ausschusses „Man lernt nie aus“ auch im Falle der digitalen Kompetenz zutrifft. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
19. Maßnahmen zum Einsatz der Fernerkundung in der Gemeinsamen Agrarpolitik (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Maßnahmen der Kommission zum Einsatz der Fernerkundung in der Gemeinsamen Agrarpolitik im Zeitraum 2008-2013 (KOM(2007)0383 – C6-0273/2007 – 2007/0132(CNS)) (A6-0508/2007).
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Bevor ich mich dem Inhalt des Berichts zuwende, möchte ich zunächst dem Berichterstatter, Herrn Graefe zu Baringdorf, und den Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die Arbeit danken, die sie im Zusammenhang mit der Evaluierung des Vorschlags der Kommission geleistet haben.
Ich möchte einige allgemeinere Bemerkungen vorausschicken, um den Vorschlag der Kommission in den richtigen Kontext zu stellen. Der Vorschlag betrifft das agrarmeteorologische System, das für Erntevorausschätzungen und die Beobachtung des Zustands der Kulturen in der Europäischen Union genutzt wird. Entwickelt wurde das System in den 90er Jahren, und seit 1998 ist es voll betriebsfähig. Ich muss sagen, dass wir es meines Erachtens dabei mit einem sehr nützlichen Instrument zu tun haben.
Das System stellt den Dienststellen der Kommission präzise Informationen über die Lage im Pflanzenbau zur Verfügung und hilft der Kommission, zeitnahe Entscheidungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu treffen, und deshalb halte ich seine Finanzierung im Rahmen der Ausrichtung für ganz natürlich.
Zu einigen der Vorschläge im Bericht des Agrarausschusses möchte ich Folgendes sagen. Sie haben Bedenken bezüglich der Verwendung der erfassten Daten. Dazu möchte ich klipp und klar feststellen, dass es nicht darum geht, die Landwirte in der Europäischen Union zu kontrollieren. Das System kann und wird nicht zu Kontrollzwecken eingesetzt werden.
Aus technischer Sicht ist festzustellen, dass die Resolution der durch das Fernerkundungssystem erzeugten Aufnahmen für Kontrollen zu gering ist. Außerdem muss klar sein, dass dieses System nichts mit unserem Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (IVKS) zu tun hat.
Der Berichterstatter stellt ferner fest, dass noch kein Konsens darüber besteht, ob das System tatsächlich Wirkung zeigt. Die Entwicklung des Systems begann Ende der 80er Jahre, und, wie ich schon sagte, liefert das System den Dienststellen der Kommission seit 1998, als es den Betrieb aufnahm, regelmäßig Ertragsvorausschätzungen. Wir arbeiten täglich mit diesen Informationen, beispielsweise im Rahmen unserer Analyse zu den Angebots- und Preisentwicklungen im Getreidesektor.
Im September 2007 legte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Bewertung des Systems in Form eines Berichts vor, in dem die Nützlichkeit des Systems nachgewiesen wurde. Das System wird in einigen Mitgliedstaaten auch auf nationaler Ebene genutzt, und andere Länder nutzen oder entwickeln ähnliche Systeme. Ich kann Ihnen in diesem Punkt also nicht ganz zustimmen.
Abschließend stelle ich fest, dass ich den Gedanken, ein Verzeichnis aller Projekte und Initiativen im Bereich der Raum- und Fernerkundung einzurichten, grundsätzlich begrüße. Doch dieser Vorschlag ist nicht der richtige Ort dafür. Das sollte im Rahmen der europäischen Initiative zur globalen Überwachung von Umwelt und Sicherheit geschehen. Wir haben also einige Meinungsverschiedenheiten, aber ich freue mich auf die Ansichten der verehrten Abgeordneten.
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Berichterstatter. − Herr Präsident, Frau Kommissarin! Wir haben im Koordinationsausschuss des Agrarausschusses überlegt: Machen wir zu dieser Angelegenheit einen Bericht oder lassen wir es ohne Bericht durchlaufen? Ich hatte die Aufgabe, das noch einmal zu durchleuchten, und wir sind dann zu dem Ergebnis gekommen, doch einen Bericht zu machen, was auch dazu führt, dass wir beide uns heute Abend wieder unterhalten können, was auch einen Wert an sich hat.
Aber es sind uns einige Punkte aufgestoßen, die wir dann auch in den Änderungsanträgen niedergeschrieben haben. Erstens wurde im Bericht der Kommission gesagt, dass das ziemlich unstrittig sei, auch im Rat. Nach unseren Erkundungen gibt es aber einige Länder, vor allem im Norden Europas, die mit diesen Satellitendaten wenig anfangen können, weil dann, wenn sie aufgenommen werden, noch alles mit Schnee bedeckt ist.
Zweitens werden die Daten von privaten Unternehmen gesammelt, die der Kommission die Daten zur Verfügung stellen, und diese privaten Unternehmen sind im Wesentlichen für Kunden tätig, die aus dem Gas- und Ölgeschäft kommen, also einem Geschäft, das bis in die Spekulation geht. Wofür wir Sorge tragen und wofür wir das Parlament als Kontrollinstanz in Ansatz bringen wollen, ist, dass mit diesen gesammelten Daten tatsächlich keine spekulativen privaten Ambitionen verbunden sind, sondern dass sie tatsächlich nur – wie Sie sagen – für die Erntevorausschätzungen und Ertragsvorausschätzungen gebraucht werden. Aber Sie wissen auch, dass an den Börsen mit Warentermingeschäften heute genau damit spekuliert wird, und diese Vorausschau könnte dafür gebraucht werden.
Ich will das gemeinsame Interesse von Kommission und Parlament gerne vorausschicken und unterstreichen, aber das Parlament hat hier eine Kontrollaufgabe, und deswegen ist es sinnvoll, dass wir das hier zur Sprache bringen und dass wir von der Kommission Berichte fordern, in denen deutlich wird, was mit diesen Daten passiert ist, wie sie aufgenommen werden und welchen Nutzen sie haben. Im Wesentlichen geht es darum, von Ihnen in den nächsten Jahren Rechenschaft zu fordern.
Dann waren wir natürlich etwas verblüfft, dass jetzt bei der Fortsetzung dieser Datensammlung plötzlich die Finanzgrundlage geändert werden sollte. Bislang hatten wir im Haushalt eine eigene Linie, bei der um die Erhöhung oder die Beibehaltung der Mittelansätze jeweils diskutiert werden musste. Jetzt sollen diese Tätigkeiten in den Garantiefonds übertragen werden, d. h. in einen Fonds, wo die Möglichkeit der Kontrolle durch das Parlament nicht mehr so stark gegeben ist. Nun können wir davon ausgehen, dass der Garantiefonds, wenn der Vertrag in Kraft ist, Anfang 2009, nicht mehr existiert, dass wir also auch diese Bereiche voll in die Haushaltshoheit des Parlaments nehmen werden. Aber immerhin wurde dieser Ansatz vorgeschlagen, und als wir den Bericht übernommen haben, war noch nicht klar, wann der Vertrag kommen wird. Also haben wir gesagt: Nein, wir wollen das jetzt gar nicht mehr umändern, es soll so bleiben, wie es war, nämlich in einer Haushaltslinie, die dann vom Parlament, was die Ausgaben betrifft, auch kontrolliert werden kann.
Insgesamt, Frau Kommissarin, glaube ich, dass wir zur Zeit sicherlich wichtigere Probleme zu besprechen und zu entscheiden haben, die den health check angehen, als das, was wir heute Abend hier zu verhandeln haben. Aber die Bäuerinnen und Bauern sind sehr empfindlich, wenn es darum geht, ob sie ausspioniert werden. Sie haben deutlich gemacht, es geht hier nicht um Kontrollen, es geht nicht um Ausspionieren. Das will ich auch gerne so weitergeben, aber Sie müssen uns verstehen. Als Parlament müssen wir auch Sorge dafür tragen. Wir haben das besprochen, wir haben darauf hingewiesen, um unseren Wählerinnen und Wählern Rechenschaft geben zu können.
Esther Herranz García, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, guten Abend. Wieder sprechen wir am Abend über die Landwirtschaft. Wie der Ausschuss in seinem Bericht bemerkt, hat die Fernerkundung in den letzten Jahren gezeigt, wie wir die Erfordernisse der Verwaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik richtig bewältigen können. Die traditionellen Systeme der statistischen und landwirtschaftlichen Prognose veralten allmählich im Zuge der neuen Technologie, die in allen Bereiche unseres Lebens Einzug hält.
Durch sie wurde es auch möglich, die Präzision, Objektivität, Geschwindigkeit und Häufigkeit von Erkundungen zu verbessern und zudem Folgekosten zu sparen und Agrarausgaben zu überwachen. Deshalb ist die Fernerkundung in der Gemeinsamen Agrarpolitik höchst willkommen.
Der Berichtsentwurf, der morgen zur Abstimmung vorgelegt wird, gibt im Allgemeinen der Europäischen Kommission Recht, außer in einem Punkt, den ich für wichtig halte, da es um die Finanzierung der Maßnahme geht. Im Landwirtschaftsausschuss habe ich den Vorschlag des Berichterstatters unterstützt, spezifische Haushaltsmittel für die Fernerkundung in Höhe von 9,2 Millionen Euro außerhalb des Garantiefonds für die Landwirtschaft bereitzustellen, um so künftig die Unterstützung der Gemeinschaft für die Entwicklung der Fernerkundung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Daher freue ich mich über das Ergebnis der Abstimmung im Landwirtschaftsausschuss, dessen Bericht zudem die Notwendigkeit aufgreift, die Computereinrichtungen der Gemeinsamen Forschungsstelle in Ispra für die Erfassung von Raumdaten zu nutzen, anstatt eine neue Computerinfrastruktur zu schaffen, wie es die Europäische Kommission vorschlägt.
Lassen Sie uns also die Infrastrukturen sowie die Haushaltsmittel rationalisieren und daher im Parlament das Dokument unterstützen, das morgen zur Abstimmung vorgelegt wird.
VORSITZ: ADAM BIELAN Vizepräsident
Lily Jacobs, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Technik macht’s möglich. Uns liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verlängerung des Programms vor, das neueste Technologien zur Kontrolle unserer europäischen Landwirtschaft nutzt. Nach jahrelanger Forschung können die beteiligten Wissenschaftler mit Fug und Recht stolz auf sich sein.
Mit Satelliten können unter anderem die Bodennutzung und der Zustand der Böden kontrolliert, die Auswirkungen des Klimawandels untersucht und sogar Erntevorausschätzungen erstellt werden. Das bedeutet, wir können die Situation im Auge behalten und Probleme wie die schlechte Getreideernte in diesem Jahr rechtzeitig prognostizieren und abwenden.
Ich bin von Haus aus Ingenieurin und finde eine derartige praktische Anwendung hochmoderner Technologie zu unserem Wohl höchst spannend. Ein TomTom-System für die Landwirtschaft. Wer hätte das gedacht? Nun müssen wir uns überlegen, ob wir als Parlament für die Weiterführung der Erforschung und den Einsatz dieser Anwendung sind. Wie können wir dazu nein sagen?
Obgleich ich meinen Kollegen der Sozialdemokratischen Fraktion empfehle, für diese Richtlinie zu stimmen, möchte ich der Frau Kommissarin, die zu dieser späten Stunde unter uns weilt, einige Bemerkungen mit auf den Weg geben.
Erstens, ich habe Bedenken gegen die Aufnahme des Budgets und des Programms in den Garantiefonds für die Landwirtschaft. Bislang hatte dieses Projekt eine eigene Haushaltslinie, dank der das Parlament die Situation überwachen konnte und auch regelmäßig informiert wurde. Die Forschung geht trotz des erwiesenen Nutzens des Programms weiter. Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn die Kommission uns nicht mehr über die Fortschritte und Ergebnisse dieses Programms oder über die damit verbundenen Kosten Bericht erstattet. Als Mitglied des Parlaments und als Beteiligte möchte ich darauf drängen, an der gesonderten Haushaltslinie festzuhalten, damit wir auch künftig auf dem Laufenden gehalten und in die Überlegungen eingebunden werden können.
Zweitens, ich möchte, dass sämtliche Forschungsergebnisse anderen Interessenten wie Universitäten und Forschungsinstituten frei zur Verfügung gestellt werden. Speziell auf dem Gebiet der Klimaforschung können die Daten, die dank MARS und LUCAS gewonnen werden, von enormem Nutzen sind.
Herr Präsident, Frau Kommissarin, mit diesem Aufruf zu Transparenz möchte ich meine Jungfernrede in diesem Plenum schließen. Ich erhoffe mir von Frau Fischer Boel eine positive Reaktion.
Samuli Pohjamo, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Ich möchte zunächst dem Berichterstatter, Herrn Graefe zu Baringdorf, für die hervorragende Art und Weise danken, in der er dieses Thema für die Debatte aufbereitet hat. Er hat gute Arbeit geleistet und die Fehler und Probleme der Fernerkundung herausgearbeitet.
Ein vorsichtiger Ansatz mit dem Schwerpunkt auf Transparenz und exakter Festlegung des Anwendungsbereichs ist hier angemessen. Im besten Falle stellt die Fernerkundung eine Möglichkeit dar, schnell zu Informationen über den Zustand der landwirtschaftlichen Betriebe, die Ernteerträge und die Anbaubedingungen zu kommen. Diese Informationen können dann zum Beispiel in der Forschung, bei der Planung der Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte und zur Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik genutzt werden.
Die eingesetzten Methoden weisen allerdings noch viele Mängel auf, das hat der Berichterstatter ausgeführt. Die Bedingungen variieren zwischen den Mitgliedstaaten, und die Daten aus den einzelnen Mitgliedstaaten sind noch nicht vollständig miteinander vergleichbar. In meinem Heimatland Finnland sind beispielsweise von Schnee bedeckte Parzellen oft so klein, dass die Bestimmung von Oberflächengrößen mithilfe von Satellitenaufnahmen nicht immer erfolgreich ist. Angesichts dessen erscheint der Änderungsantrag, in dem es heißt, dass die gewonnenen Informationen ausschließlich zum Schätzen von Erträgen und nicht für Kontrollzwecke verwendet werden sollten, sachgerecht.
Die Landwirte leiden heutzutage unter Bürokratie, Schreibarbeit und ständiger Überwachung. Versehentliche Fehler aufgrund schlechter Beratung führen gleich zu unverhältnismäßig harten Sanktionen. Es bleibt zu hoffen, dass sich in dem Maße, wie sich die Methoden der Fernerkundung weiterentwickeln, dies zum Abbau der Bürokratie beiträgt, die eine ständige Qual für die Landwirte darstellt.
Zunächst brauchen wir aber genauere Forschungsergebnisse, um sicherzustellen, dass die Methoden tatsächlich verlässlich sind und dass sie alle Landwirte gleich behandeln. Bei der Einführung neuer Methoden müssen wir aber auch dafür sorgen, dass die Privatsphäre der Landwirte geschützt wird und der Gesamtprozess transparent ist.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Frau Kommissarin! Was wir für eine reibungslos funktionierende Gemeinsame Agrarpolitik vor allem brauchen, das sind präzise und verlässliche Daten.
Fernerkundungsverfahren ermöglichen unter anderem die Beobachtung von Kulturen sowie Erntevorausschätzungen, was in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dank der Fernerkundung können wir schneller feststellen, welche Bedingungen für die Entwicklung der Pflanzen ungünstig sind und so rascher und präziser vorhersagen, welchen Gebieten eine Dürre droht. Diese Verfahren liefern Daten für ökonometrische Modelle, die wir häufig einsetzen, um die Folgen von Veränderungen in der Funktionsweise der Gemeinsamen Agrarpolitik abzuschätzen. Mit präziseren Ausgangsdaten können wir die Fehlerwahrscheinlichkeit bei den Vorausschätzungen verringern.
Deshalb muss das MARS-Projekt meiner Meinung nach unbedingt fortgeführt werden. Allerdings sollte an den Finanzierungsquellen für das Projekt nichts geändert werden, das heißt, die Mittel sollten über eine separate Haushaltslinie bereitgestellt werden und nicht über den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft. Da das Projekt aus EU-Mitteln, also aus Steuermitteln unserer Bürger, finanziert wird, müssen die Wirksamkeit des MARS-Projekts und weitere Möglichkeiten für seine Anwendung überprüft werden.
Wie üblich beglückwünsche ich den Berichterstatter zu seinem ausgezeichneten Bericht. Ich stimme völlig mit ihm überein, dass wir das System stärker konsolidieren und es vor allem leistungsfähiger und effektiver machen müssen.
Abschließend möchte ich etwas zum Datenzugang sagen. Diese Informationsquelle sollte jedem zur Verfügung stehen, nicht nur den Entscheidungsträgern der EU, sondern auch den Mitgliedstaaten sowie den Forschungsinstituten und akademischen Einrichtungen. Von den Informationen könnten sogar die Landwirte profitieren, die die Daten aus der Fernerkundung beispielsweise für die Optimierung der agrotechnischen Verfahren nutzen könnten.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich unterstütze den Standpunkt des Berichterstatters und möchte unterstreichen, dass die Fernerkundung der Europäischen Kommission von Nutzen sein kann. Erstens zur Unterstützung der Verwaltung der Agrarmärkte, zweitens zur Beobachtung von Kulturen und zur Erntevorausschätzung und schließlich drittens, weil diese Vorausschätzungen sich auf die Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe auswirken dürften, was in den nächsten Jahren besonders wichtig ist, da die Lebensmittelpreise kontinuierlich steigen.
Selbst wenn nur einige der vorgenannten Ziele erreicht werden, würde dies ausreichen, um zu bestätigen, dass die Fernerkundung wichtige Informationen liefert, die für die reibungslose Verwaltung der Märkte für die einzelnen Agrarerzeugnisse von Nutzen sind.
Dieses Verfahren ist meines Erachtens positiv zu bewerten, und ich stimme mit dem Berichterstatter dahingehend überein, dass die Mittel dafür aus einer speziellen Haushaltslinie und nicht aus dem Garantiefonds für die Landwirtschaft kommen sollten.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrte Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war unlängst bei einem Rotary-Club eingeladen und da hat sich eine sehr interessante Debatte ergeben: Ein sehr europakritischer Rotarier hat nämlich bemängelt, dass es in Europa sehr viel Betrug gibt, dass hier nicht kontrolliert wird und dass wir gerade im Agrarbereich viele Probleme haben. Interessant war, dass sich wenige Minuten später ein Landwirt zu Wort gemeldet hat, der gesagt hat, er habe gerade eine Kontrolle hinter sich, die sehr penibel und sehr genau war, und er kenne keine bessere Kontrolle als im Landwirtschaftsbereich.
Ich glaube, das zeigt sehr deutlich, was bei den Bürgerinnen und Bürgern gefragt ist, nämlich die Aufklärung darüber, was tatsächlich geschieht. Daher sind best practice und Bench Marking ganz wesentliche Voraussetzungen, um der europäischen Bevölkerung zu erklären, wie wichtig die Agrarpolitik für uns ist.
Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Berichterstatter! Dieser Verordnungsvorschlag zur Einführung der Fernerkundung per Satellit ist interessant. Bereits in den 90er Jahren hatte Michel Debatisse, ein französischer Bauernführer, hier ein Fernerkundungsprojekt vorgeschlagen, allerdings für die Viehzucht. Dabei ging es darum, Rindern und Schafen elektronische Chips in die Ohren einzusetzen, um insbesondere die Gewährung von Prämien zu kontrollieren und Betrügereien in bestimmten Teilen Südfrankreichs zu vermeiden. Es waren sogar elektronische Kapseln vorgesehen, die die Rinder verschlucken und die sich in einer Falte des Darmtraktes festsetzen sollten, um deren Überwachung per Satellit zu ermöglichen.
Heute geht es um etwas anderes, um ein bereits sieben Jahre altes Vorhaben mit seinen Pilotprojekten MARS und LUCAS. Es dient zur Erfassung von Daten zur Bodennutzung und -bedeckung sowie zum Zustand der Kulturen zwecks Ertragsvorausschätzungen, um somit die Agrarmärkte besser verwalten und ökonometrische Modelle aufstellen zu können.
Dieses Ziel, das darin besteht, Daten zu erfassen, Statistiken aufzustellen, Vorausschätzungen durchzuführen, gar eine Website einzurichten, birgt zweifellos ein Risiko – wie ich sagen möchte – ein Fernerkundungs-Insider-Risiko in sich, denn es wird nur den großen Landwirten bzw. den sehr reichen Regionen zugänglich sein und daher nicht allen ermöglichen, Kursprognosen vorzunehmen, die insbesondere in Zeiten, wenn die Getreidekurse steigen, höchst nützlich sind. Die Möglichkeit zur Prognose der Kurse mehrere Monate im Voraus auf der Grundlage von Erntevorausschätzungen weckt natürlich großes Interesse auf den Börsenmärkten von Chicago und anderenorts.
Unser Berichterstatter Graefe zu Baringdorf interessiert sich daher zu Recht für die Frage, wer von dem System profitieren wird, insbesondere wenn man die Kosten bedenkt, denn – wie ich verstanden habe – geht es um rund zehn Millionen, wenn auch über einen Zeitraum von fünf oder sechs Jahren, und vor allem werden diese Summen nicht aus einer eigenständigen Haushaltslinie entnommen, sondern aus einem landwirtschaftlichen Garantiefonds. Es ist daher angebracht, Frau Kommissarin, eine Erprobung vorzunehmen bzw. weiterzuführen.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Es stimmt, dass wir manchmal die Gelegenheit haben, spätabends hier zu sitzen und über Landwirtschaftsfragen zu diskutieren, aber ich muss sagen, dass es mir unabhängig von der Uhrzeit eine Freude war, Gedanken zu diesem – zumindest für die heute Abend Anwesenden – sehr interessanten Thema auszutauschen.
Erstens ist klar, dass es nicht möglich ist, Daten über die angebauten Kulturen zu erfassen, wenn die Flächen von Schnee bedeckt sind – das gilt für unsere finnischen Freunde –, aber es können meteorologische Daten erfasst werden, die unabhängig von den Witterungsbedingungen zur Verfügung stehen. Da hier auch eine enge Verbindung zu der Entwicklung besteht, bei der es in den Diskussionen um den Klimawandel geht, haben diese Informationen meines Erachtens auch ihre Berechtigung und Bedeutung. Es gab Bedenken bezüglich der Verfügbarkeit der Daten, und ich kann feststellen, dass diese Daten zur Verfügung stehen, ganz gleich, wo jemand lebt. Sie können über die Mitgliedstaaten oder im Internet abgerufen werden. Von Geheimniskrämerei hinsichtlich der in den verschiedenen Gebieten erfassten Daten kann also keine Rede sein.
Was das Budget angeht, so kommt es angesichts der begrenzten uns für die Landwirtschaft zur Verfügung stehenden Mittel meines Erachtens darauf an, dass wir sie möglichst sinnvoll ausgeben und dass wir (ich beziehe mich hier auf den Beitrag von Herrn Martinez) begründen können, wie wir die Mittel ausgeben, und Betrug verhindern. Ich denke, wir haben dem Europäischen Parlament gegenüber recht erfolgreich begründet, wofür die Mittel verwendet werden und wie kontrolliert wird. Gleichzeitig muss ich aber nochmals darauf hinweisen, dass die bei diesem System eingesetzte Technologie zur Erfassung der Feldkulturen nicht für Kontrollzwecke genutzt werden kann. Es handelt sich um eine ganz andere Technologie, und das Bild kann nicht für Kontrollzwecke genutzt werden. Also stellen Sie bitte nicht diese Verbindung her, denn sie ist vollkommen unangebracht. Ich glaube jedoch nach wie vor, dass das Geld, das wir künftig für dieses System ausgeben werden, gerechtfertigt ist, und zwar werden das zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Euro pro Jahr sein. Es ist gerade in Anbetracht der dramatischen Preisschwankungen, die wir im Agrarsektor erlebt haben, wichtig, dass uns zuverlässige Daten vorliegen, die wir unseren Prognosen zugrunde legen können.
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Berichterstatter. − Herr Präsident, Frau Kommissarin! Nach dem neuen System hat der Berichterstatter das letzte Wort — Sie sehen das Selbstverständnis des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission. Wir sind uns ja über die Fortsetzung der Sache nicht uneins. Ich schlage nicht vor, das System abzubrechen, ich habe nur einige Verbesserungsvorschläge gemacht — ich will sie nicht wiederholen —, die die Kontrolle des Parlaments verstärken.
In der Frage der Daten, die für Klimaangelegenheiten genutzt werden können, haben wir darauf hingewiesen, dass es zwei Pilotprojekte gibt, nämlich LUCAS und MARS. Das macht aber auch deutlich, dass die Daten, die erfasst werden, ja über den landwirtschaftlichen Bereich hinausgehen. Deshalb wird in der Begründung gefordert, dass eine eigene Haushaltslinie bestehen bleibt.
Zum Schluss eine kleine Anekdote, damit Sie sehen, womit wir uns beschäftigen müssen: Ein Betrieb in der Nachbarschaft erhielt Besuch von der Ordnungsbehörde, weil diese über das Satellitensystem einen verbotenen Gully, also ein Abwassersystem, entdeckt haben wollte. Sie sagten, da und da muss er liegen, das hat das System angezeigt. Der Landwirt meinte aber, er habe nichts gemacht. Und was war passiert? Es war eine Plastikfußmatte in das Gras eingewachsen — was ja auch nicht passieren soll —, und das hatte das Satellitensystem wahrgenommen. Und nun war die Ordnungsbehörde da und wollte ihn an den Kanthaken kriegen.
Mit solchen kleinen Geschichten — davon haben wir Politiker vor Ort sicher mehr, aber Sie haben so etwas sicher auch schon mitbekommen — haben wir zu tun. Und die Sorge, dass hier auf eine Weise kontrolliert wird, die dann nicht mehr von der Öffentlichkeit nachvollzogen und nicht mehr vom Parlament überprüft wird, die ist eben da. Deswegen haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir einen solchen Bericht auch durch das Parlament gehen lassen und diskutieren müssen und dass wir auch in Zukunft aufmerksam sein müssen! Ansonsten wollen wir uns auch gegenseitig in dieser Arbeit unterstützen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 16. Januar 2008, statt.
20. Status der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission über den Status der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments von Giuseppe Gargani im Namen des Rechtsausschusses (O-0082/2007 – B6-0002/2008).
Giuseppe Gargani, Verfasser. – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Aussprache heute Abend ist im Rechtsausschuss, dessen Vorsitzender zu sein ich die Ehre habe, mehr als einmal eingehend behandelt worden, und der Ausschuss hat mich beauftragt, mithilfe der vorliegenden Anfrage eine Diskussion und einen Meinungsaustausch mit der Kommission zu eröffnen.
Die Anfrage betrifft den Status der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments, für die in Bezug auf die Wahlen und sämtliche Bestimmungen zu den Wahlen der Mitglieder der Parlamente in anderen Mitgliedstaaten eine Ausnahmeregelung gilt. In Polen sind die Wahlen zum Europäischen Parlament nämlich durch das Gesetz vom 23. Januar 2004 geregelt, dessen Artikel 9 die Voraussetzungen für die Wählbarkeit festlegt: Die Kandidaten müssen am Wahltag mindestens 21 Jahre alt sein, dürfen nicht wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt sein und müssen in Polen wohnhaft sein sowie eine Reihe weiterer Kriterien erfüllen.
In Kapitel 17 dieses Gesetzes werden die Fälle beschrieben, in denen ein in Polen gewähltes Mitglied des Europäischen Parlaments seinen Sitz verlieren würde: beim Wegfall der Wählbarkeit, d. h. Nichterfüllung der Kriterien für die Wählbarkeit am Wahltag, woraufhin bei fehlender Wählbarkeit die Möglichkeit des Mandatsverlustes erwächst, und diverse weitere Elemente, die ich jetzt nicht aufführen werde, um zum springenden Punkt des Themas zu gelangen, den ich hier behandeln möchte.
Aufgrund dieser Bestimmungen zusammengenommen, wie wir Juristen zu sagen pflegen, würde ein Mitglied des Europäischen Parlaments sein Mandat automatisch verlieren – d. h. ein Mitglied des Europäischen Parlaments verliert automatisch seinen Sitz –, wenn es wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt wurde; für die Mitglieder des polnischen Parlaments dagegen sieht das Gesetz vom 12. April 2001 – hinsichtlich der Wahlen sowohl zum Sejm als auch zum Senat der Republik – keine entsprechende Bestimmung vor, sodass diese Bestimmungen die polnischen Mitglieder des Europäischen Parlaments, nicht aber die Mitglieder des polnischen Parlaments betreffen.
Aus diesem Grund haben wir uns bei der Behandlung der mündlichen Anfrage eine Frage gestellt, die unter anderem Auswirkungen hat, was Anträge auf Aufhebung der Immunität betrifft; bekanntlich besitzen wir – wie Kommissar Frattini sehr wohl weiß – die Zuständigkeit, darüber zu entscheiden. Wenn ein Mitglied wegen eines Tatbestands, bei dem die Immunität nicht geschützt werden kann, automatisch sein Mandat verliert, besteht selbstverständlich ein zusätzliches Problem, eine weitere Unklarheit.
Daher fragen wir, und daher frage ich im Namen des Ausschusses, den Kommissar, ob die polnischen Rechtsvorschriften für die Wahlen zum nationalen Parlament seiner Auffassung nach nicht gegen Artikel 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen verstoßen, demzufolge während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht. Infolgedessen besteht ein eklatanter Widerspruch, wenn bestimmt wird, dass ein polnisches Mitglied seinen Sitz verliert, während für die Mitglieder des nationalen Parlaments nicht die gleiche Regelung gilt.
Des Weiteren frage ich die Kommission, ob sie den Gerichtshof anzurufen beabsichtigt, um sicherzustellen, dass Polen die notwendigen Änderungen an seinen Rechtsvorschriften vornimmt, um den Vertrag korrekt anzuwenden, denn offensichtlich wird der Vertrag nicht so implementiert, wie es sein sollte. Da es sich um eine Ausnahme handelt und da die einheitliche und gleiche Behandlung der Parlamentsmitglieder aus allen Ländern bedeutet, dass diese Ausnahmeregelung für die Mitglieder aus dem polnischen Mitgliedstaat in völligem Gegensatz zu den Bestimmungen für die Mitglieder aus allen anderen Mitgliedstaaten steht, möchte ich der Kommission, zur Information des Parlaments, diese beiden Fragen stellen und den Kommissar fragen, ob er sie beantworten kann und ob es möglich sein wird, eine Lösung für die darin von mir genannten Probleme zu finden.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Das von Herrn Gargani aufgeworfene Problem stellt unbestritten ein wichtiges Thema dar, wichtig insofern, als es hier um zwei Grundsätze geht, die meines Erachtens beide von entscheidender Bedeutung sind.
Der erste Grundsatz wird zweifellos in Artikel 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen und über den Status der Mitglieder des Europäischen Parlaments angesprochen, in dem es heißt, dass den Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Mitgliedern des nationalen Parlaments dieses Landes zuerkannten Vorrechte zustehen.
Ins Spiel kommt jedoch noch eine weitere Bestimmung – eine Bestimmung, die meiner Ansicht nach ebenfalls von Bedeutung ist –, nämlich Artikel 13 des Aktes von 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. In diesem Artikel wird klar und deutlich bestimmt, dass, wenn ein Mitgliedstaat zu dem hier vorliegenden Fall, nämlich dem Statusverlust, dem Verlust der Eigenschaft als Mitglied des Europäischen Parlaments, eine nationale Regelung einführt, die Beendigung des Mandats eines Europaabgeordneten in diesem Land dem nationalen Gesetz unterliegt.
Mit anderen Worten, es besteht ein offenbarer Widerstreit, weil die in dem Protokoll über die Vorrechte enthaltenen Bestimmungen, wie sie von Herrn Gargani angeführt wurden, von gleichen Vorrechten für die Mitglieder des polnischen Parlaments und die in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments sprechen, gleichzeitig jedoch wird in dem Akt von 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments hinsichtlich des Verlustes der Eigenschaft als MdEP offenkundig – bzw. sogar ausdrücklich – eine Regelung getroffen und bestimmt, dass der Verlust dieser Eigenschaft durch nationales Gesetz geregelt wird.
Meiner Meinung nach geht es hier um ein Problem, das mehr den Verstoß gegen ein drittes Leitprinzip der Europäischen Union betrifft, nämlich um die Frage, inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz in den nationalen Rechtsvorschriften Polens niedergelegt ist, jenes in allen europäischen Ländern verfassungsrechtlich verankerte Prinzip, wonach gleichartige Situationen gleich behandelt werden müssen. Es ist eher dieser allgemeine Grundsatz, der zur Debatte steht; dieser allgemeine Grundsatz gestattet es der Europäischen Kommission gleichwohl nicht, die Richtung der an den polnischen Rechtsvorschriften vorzunehmenden Änderungen zu bestimmen; da die Regelung dem nationalen Gesetz unterliegt, wäre es nämlich auf Wunsch möglich, in dem nationalen Gesetz nicht den Verlust der Eigenschaft als Mitglied des nationalen Parlaments, sondern den Verlust der Eigenschaft als Mitglied des Europäischen Parlaments anders zu regeln; das Entscheidende ist, dass die jeweiligen Bestimmungen miteinander in Einklang gebracht werden.
Dies ist meine persönliche Meinung in dem Sinne, dass die Kommission heute nicht sagen kann „wir rufen den Gerichtshof an, um sicherzustellen, dass Polen die notwendigen Änderungen an seinen Rechtsvorschriften vornimmt“; meines Erachtens lässt sich jedoch ein allgemeiner Grundsatz aufstellen. Der allgemeine Grundsatz lautet, dass zur Änderung dieser unterschiedlichen Behandlung die polnische Rechtsordnung gefordert ist, und dies ist nach meinem Dafürhalten Aufgabe des polnischen Gesetzgebers. Da es sich um ein Problem handelt, das sich noch nie gestellt hat und zu heikel ist, um auf die Schnelle behandelt zu werden, sollte zunächst eine Feststellung getroffen werden: Wenn diese unterschiedliche Behandlung durch, wie ich glaube, den polnischen Gesetzgeber abgeschafft werden soll, fällt diese Aufgabe in die Zuständigkeit des polnischen Parlaments.
Zweitens: Stehen die polnischen Rechtsvorschriften mit den Bestimmungen des von mir soeben angeführten europäischen Aktes von 1976 im Einklang? Ich kann Ihnen sagen, Herr Gargani, dass ich eine Vergleichsstudie für die 12 neuen Mitgliedstaaten in Auftrag gegeben habe, um zu ermitteln, ob die Gesetzgebung nicht nur Polens, sondern auch die der anderen 11 Länder, die der Europäischen Union zwischen 2004 und 2007 beigetreten sind, ob also die nationalen Rechtsvorschriften jener Mitgliedstaaten den Bestimmungen des europäischen Aktes von 1976 entsprechen.
Fazit: Zwei Aufgaben sind zu erledigen. Erstens: Eine Prüfung – die ich jetzt vornehme – der Übereinstimmung der nationalen Rechtsvorschriften Polens, und nicht nur Polens, denn die Tatsache, dass Herr Gargani den Fall Polens zur Sprache gebracht hat, bedeutet nicht, dass in anderen Mitgliedstaaten keine ähnliche Situationen bestehen. Meines Erachtens muss für alle eine Prüfung vorgenommen werden.
Zweitens ist der Frage nachzugehen, inwieweit das polnische Parlament auf dem Wege der Gesetzgebung die Möglichkeit zur Aufhebung eines objektiv eklatanten Widerspruchs hat, denn es gibt eine klare Ungleichbehandlung zwischen dem gesetzlich geregelten Status der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Mitglieder des polnischen Parlaments. Es besteht eine eindeutige Diskrepanz, und das Einzige, was ich für wohl kaum zulässig halte, ist, dass sich die Europäische Kommission an den Gerichtshof mit der Frage wendet, in welche Richtung der polnische Gesetzgeber tätig werden muss.
Erklärt sich das Parlament mit diesem Standpunkt einverstanden, könnten wir uns auf den Hinweis beschränken, dass es in Polen einen offenkundigen Statusunterschied zwischen zwei Gruppen von Parlamentariern gibt. Das ist ein absolutes Novum, und wir sollten versuchen, die Aufgabe, um die es hier geht, in kooperativem Geiste gemeinsam einer Lösung näher zu bringen.
Tadeusz Zwiefka, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Vorsitzende, Herr Gargani, hat die Situation der Mitglieder des Europäischen Parlaments im Hinblick auf das polnische Gesetz sehr anschaulich geschildert, ebenso wie die Ungleichbehandlung der polnischen Abgeordneten sowie der Senatoren im gleichen Zusammenhang. Ich stimme Kommissar Frattini zu, dass damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parlamentsabgeordneten vor dem Gesetz verstoßen wird.
Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass die polnische Regierungskoalition aus Bürgerplattform und Polnischer Bauernpartei bereits an einer Änderung dieses Gesetzes arbeitet, um die Mitglieder des Europäischen Parlaments, des polnischen Parlaments und die polnischen Senatoren rechtlich gleichzustellen. Diese Änderung orientiert sich an der entsprechenden Vorschrift in der Wahlordnung des Europäischen Parlaments, so dass derselbe Grundsatz auch für die polnischen Mitglieder des Parlaments und die polnischen Senatoren gilt.
In diesem Zusammenhang und Bezug nehmend auf die Ausführungen von Herrn Gargani, der sagte, dass wir hier eine Diskussion über ein Problem von möglicherweise größerem Ausmaß einleiten, frage ich mich jedoch, ob man nicht über eine zumindest in den Grundzügen einheitliche Wahlordnung nachdenken sollte, eine für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende gemeinsame Wahlordnung für das Europäische Parlament, da sich die Gegebenheiten in den 27 Mitgliedstaaten heute doch sehr voneinander unterscheiden. Das kann kaum jemand ablehnen. Selbstverständlich akzeptiere ich alle gesetzlichen Beschränkungen in Bezug auf die Mitglieder des Europäischen Parlaments, ich kann mich jedoch nicht damit abfinden, dass jemand, der aufgrund einer öffentlichen Anklage wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe verurteilt wurde oder aber einer solchen Straftat angeklagt ist, automatisch sein Mandat als Abgeordneter des Europäischen Parlaments verliert.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! In der heutigen Aussprache geht es um die Ungleichbehandlung der polnischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments und der Mitglieder des Sejms im Hinblick auf die Wahlkriterien wie auch die Kriterien für den Verlust des Mandats.
Wie es in Artikel 9 des Gesetzes vom 23. Januar 2004 über die Wahlordnung zum Europäischen Parlament heißt, kann sich für die Wahlen zum Europäischen Parlament aufstellen lassen, wer – neben anderen Kriterien – nicht für eine vorsätzliche Straftat verurteilt oder unter öffentliche Anklage gestellt wurde. Artikel 142 legt fest, dass ein Mandat zum Beispiel dann zurückgezogen werden kann, wenn die Wahl des Abgeordneten zum Europäischen Parlament für ungültig erklärt wird. Das bedeutet, dass ein Abgeordneter (gemeint ist ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, wie das zuvor schon gesagt wurde), der für eine vorsätzliche Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, automatisch sein Mandat verliert, während das für Abgeordnete des polnischen Parlaments kein Hindernis für eine Kandidatur ist und auch nicht den Verlust ihres Mandats zur Folge hat.
Zu den Vorrechten der Mitglieder des Europäischen Parlaments heißt es in Artikel 5 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments: „Die Mitglieder genießen Vorrechte und Befreiungen gemäß dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften.“ Laut Präambel des Protokolls sind darin die zur Erfüllung der Aufgaben für die Europäischen Gemeinschaften erforderlichen Vorrechte und Befreiungen geregelt. Artikel 10a besagt Folgendes: „Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu“. Die Mitglieder des polnischen und des Europäischen Parlaments genießen damit die gleiche Unverletzlichkeit. In Artikel 11 heißt es: „Den Vertretern der Mitgliedstaaten, die an den Arbeiten der Organe der Gemeinschaften teilnehmen, sowie ihren Beratern und Sachverständigen stehen während der Ausübung ihrer Tätigkeit und auf der Reise zum und vom Tagungsort die üblichen Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen zu.“
Es besteht kein Zweifel daran, dass ein Mitglied des Europäischen Parlaments Vertreter eines Mitgliedstaates ist, der an der Arbeit der Organe der Union teilnimmt. Da die Mitglieder des Europäischen Parlaments und des polnischen Parlaments die gleichen Befreiungen und Vorrechte genießen sollten, müssen für sie auch die gleichen Regeln bezüglich ihrer Wählbarkeit sowie des Verlusts ihres Mandats gelten.
Mit seinem Beitritt zur Europäischen Union hat sich Polen verpflichtet, das EU-Recht und insbesondere jene Vorschriften zu respektieren, die sich direkt auf das nationale Rechtssystem der Mitgliedstaaten auswirken. Ich unterstütze die schnellstmögliche Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften bezüglich des Status der Mitglieder des polnischen Parlaments sowie der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments und stimme in diesem Punkt voll und ganz mit Kommissar Frattini überein.
Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Das polnische Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament ist im Vergleich zum Gesetz über die Wahlen ins nationale Parlament wahrhaft unfair und undemokratisch. Der Verlust des Mandats eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments aufgrund von Gesetzen über die Wählbarkeit ist ein einfaches Mittel, um Druck auf politische Gegner auszuüben, und bietet die Möglichkeit, mit jenen politisch abzurechnen, die mehr Autorität besitzen.
Leider wird in vielen ehemals kommunistischen Ländern nach wie vor Missbrauch mit diesem Gesetz getrieben, obwohl sie Mitglied der Europäischen Union sind. Das gilt auch im Falle von Herrn Tomczak. Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments repräsentieren polnische Europaabgeordnete nicht nur die Polen, sondern auch alle anderen Europäer.
Es ist inakzeptabel, dass diese Volksvertreter dadurch diskriminiert werden, dass für sie andere Gesetze gelten als für Abgeordnete des polnischen Parlaments. Ein polnischer Europaabgeordneter, der rechtskräftig verurteilt wird, wird nicht nur nach polnischem Recht bestraft, sondern verliert auch sein Mandat als Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Diese Tatsache ist ein klarer Ausdruck der Diskriminierung polnischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments im Vergleich zu den Abgeordneten nationaler Parlamente. Diese Situation ist unvertretbar und zeigt ganz klar, wie ungerecht und unfair das polnische Wahlgesetz ist.
Darf ich Polen dringend auffordern, seine Wahlgesetzgebung zu ändern?
Aloyzas Sakalas (PSE). – (EN) Herr Präsident! Diese mündliche Anfrage ist das Ergebnis der Debatten über die Immunität von Herrn Tomczak im Rechtsausschuss.
Die Immunität von Herrn Tomczak wurde vom Parlament bereits vor einigen Jahren thematisiert. Vor kurzem erhielt der Rechtsausschuss einen Antrag von Herrn Tomczak auf Schutz seiner Immunität. Der Ausschuss hat über den Antrag beraten und einen Beschlussentwurf erarbeitet. Die Annahme des endgültigen Beschlusses wurde jedoch vertagt, weil der Ausschuss darüber informiert wurde, dass für polnische Abgeordnete des Europäischen Parlaments andere rechtliche Konsequenzen im Falle einer Aufhebung der Immunität gelten als für Abgeordnete des polnischen Parlaments.
Nach dem polnischen Gesetz vom 23. Januar 2004 verliert ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus Polen im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch sein Mandat. Für Abgeordnete des polnischen Parlaments gilt diese Bestimmung nicht. Eine solche Unterscheidung verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht, da für die Mitglieder des nationalen Parlaments und die polnischen Mitglieder des Europäischen Parlaments unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten. Diese Diskrepanz zwischen polnischem und EG-Recht muss geklärt werden.
Deshalb befürworte ich ohne jede Einschränkung eine Anfrage an die Kommission. Ich hoffe, Herr Frattini wird seinen gesamten Einfluss geltend machen, um diese Diskrepanz zwischen der polnischen Gesetzgebung um dem Gemeinschaftsrecht auszuräumen.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar Frattini, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Demokratie in Europa ist ständig weiterzuentwickeln, und wir haben sehr viele Angriffe von außerhalb Europas auf unser demokratisches System. Natürlich entscheiden die Abgeordneten des Europäischen Parlaments über sehr viele Fragen, die die europäischen Bürger direkt und unmittelbar betreffen. Die Abgeordneten entscheiden nicht für sich selbst, sondern sie vertreten ihre Wähler.
Deshalb darf es für die Abgeordneten des Europäischen Parlaments keine Schlechterstellung gegenüber den nationalen Abgeordneten geben, und umgekehrt sollten die nationalen Abgeordneten nicht schlechter gestellt werden, als diejenigen des Europäischen Parlaments.
Deshalb glaube ich, dass die Kommission prüfen sollte, wie sich das neue Statut, das ab dem Jahr 2009 gilt, für die Abgeordneten aus Polen auswirkt, welche Änderungen es hier gibt und ob nicht die Möglichkeit besteht, diese Grundsätze auch in diesem Bereich umzusetzen.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident! Kommissar Frattini hat wie immer eine komplexe rechtliche Analyse abgegeben. Wie er sagte, gibt es unter den derzeitigen Umständen anscheinend keinen Grund, das Verfahren direkt an den Gerichtshof zu geben.
Doch nachdem ich Herrn Zwiefka gehört habe, der von einem Vorschlag der jetzigen polnischen Regierung zur Gesetzesänderung spricht, frage ich den Kommissar, ob er meint, dass sich die Kommission, ausgehend von der gerade in diesem Haus geführten Aussprache, einfach an die polnische Regierung wenden könnte, um zu erfahren, ob diese wirklich vorhat, das Gesetz zu ändern und den Status des Europaabgeordneten dem der Mitglieder des nationalen Parlaments anzupassen.
Marek Aleksander Czarnecki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Der Vorschlag von Herrn Zwiefka, die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Mitglieder des polnischen Parlaments gleichzustellen, löst das Problem nicht. Die beste Lösung, die allerdings schon im polnischen Recht verankert ist, besteht für mich darin, dass Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wurden, vom Gericht auch die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt werden sollten, was bedeutet, dass sie nicht kandidieren können.
Eine solche Regelung gibt es beispielsweise in Frankreich. Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel nennen: Unser Kollege, Herr Onesta, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, wurde vor einigen Monaten von einem französischen Gericht für eine Tat, die nach polnischem Recht automatisch den Verlust seines Mandats für das Europäische Parlament zur Folge gehabt hätte, zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Ich halte die derzeitige Situation für völlig unangemessen und denke, wir sollten dem Vorschlag von Herrn Frattini folgen.
Giuseppe Gargani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir noch einige kurze Bemerkungen: Ich bin zufrieden, dass durch die Aussprache insgesamt anerkannt worden ist, dass es sich um ein wichtiges und schwieriges Problem handelt. Insbesondere möchte ich Kommissar Frattini danken, der sich in seiner Eigenschaft als erfahrener Jurist noch eingehender mit der Frage befasst hat, die, wie er richtig feststellt, selbstverständlich nicht nur Polen betrifft. Es geht hier um einen allgemein gültigen Grundsatz, und deshalb bin ich sehr erfreut, und der Ausschuss ist ebenso erfreut, dass von Ihnen eine generelle Untersuchung angestellt wird, um die Übereinstimmung zu kontrollieren und zu prüfen, inwieweit die Rechtsvorschriften im Einklang stehen, was die nationale und europäische Frage betrifft.
Eines aber ist sicher: Es handelt sich nicht um einen scheinbaren Widerspruch, denn das polnische Gesetz ist hinsichtlich der Garantien vertragswidrig; verliert ein polnisches Mitglied des Europäischen Parlaments seinen Sitz, würde der Vertragsartikel, wonach die Möglichkeit der Teilnahme an den Sitzungen besteht, eindeutig hinfällig. Wie Sie in der Aussprache vorhin von Herrn Medina und von mir persönlich vernommen haben, geht es dem Ausschuss selbst nicht darum, gerichtliche Schritte zu unternehmen, sondern darum, dass der Frage nachgegangen wird, um das Problem zu lösen. Wenn der polnische Kollege, Herr Zwiefka, erklärt, dieses Problem sei in Polen bereits zur Sprache gebracht worden, ist dies schon ein gewisser Fortschritt.
Erforderlich ist Vergleichbarkeit, denn diese Vergleichbarkeit lässt Europa zum Garanten der Einheit von miteinander kooperierenden Staaten, der Bürgerschaft und der gleichen Rechte in Bezug auf die Freiheit und den Status jedes Einzelnen werden.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Auch ich unterstütze die hier getroffenen Aussagen und stimme den meisten davon zu. Selbstverständlich müssen wir unsere Vorschriften meiner Überzeugung nach schnellstmöglich harmonisieren. Wie wichtig das ist, möchte ich am Beispiel eines heute hier anwesenden Kollegen und Mitglieds dieses Parlaments veranschaulichen. Herr Tomczak war in Polen jahrelang in eine Strafsache involviert, die nun zu einem Abschluss gebracht werden soll und seine Zukunft als Mitglied des Europäischen Parlaments beeinflussen könnte. In diesem Fall ist kein großer Schaden entstanden, und die Zeugen bestreiten, dass sich dieser Vorfall überhaupt ereignet hat. Der Fall war bereits abgeschlossen, wurde jedoch – möglicherweise unter dem Einfluss politischer Turbulenzen – wieder aufgenommen. Herr Tomczak, der zweimal gewählt wurde (2005 zum Parlamentsabgeordneten und 2004 zum Mitglied des Europäischen Parlaments), muss nun damit rechnen, dass seine Immunität aufgehoben und sein Mandat aberkannt wird. Das ist ein unglaublicher Vorgang, der Schaden anrichtet und dem schnellstmöglich ein Ende gesetzt werden muss und der auch nicht mehr Gegenstand dieses Forums sein darf.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Aussprache heute Abend hat meines Erachtens zwei Dinge gezeigt: Erstens besteht eine weit verbreitete Ansicht, die gar von allen, die das Wort ergriffen haben, geteilt wird – und die ich auch für richtig halte –, dass nämlich die unterschiedliche Behandlung zwischen in Polen gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Mitgliedern des polnischen Parlaments abgeschafft werden muss und dass in allen anderen neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, bei denen noch keine Prüfung der Übereinstimmung mit dem europäischen Akt von 1976 durchgeführt worden ist, eine solche Untersuchung ebenfalls vorgenommen werden sollte.
Bei der zweiten Schlussfolgerung, und ich verweise auf den Vorschlag von Herrn Medina Ortega, dem ich zustimme, geht es darum, den zuständigen Behörden der polnischen Regierung das Ergebnis dieser Aussprache zur Kenntnis zu bringen und sie darüber zu informieren, dass diese ungleiche Behandlung durch die einzelstaatliche Gesetzgebung aufzuheben ist. Dies übernehme ich, und ich kann Ihnen gleich sagen, dass ich mich natürlich auf offiziellem Wege an den Justizminister der polnischen Regierung wenden werde, um ihm die allgemeine Ansicht dieses Parlaments – der ich mich anschließe – zu übermitteln: Die Beseitigung dieser Ungleichbehandlung ist weiter als Ziel zu verfolgen, unbeschadet der souveränen Entscheidung des nationalen polnischen Gesetzgebers darüber, wie dieses Ziel zu erreichen ist.
Der Standpunkt, den ich in meiner einleitenden Rede zum Ausdruck gebracht habe, ist folgender: Ich kann dem polnischen Gesetzgeber meiner Ansicht nach nicht vorschreiben, wie er vorgehen soll, ich kann ihm aber wohl das Ziel vorgeben, und dieses Ziel ist die Abschaffung der unterschiedlichen Behandlung zwischen dem Status der Mitglieder des nationalen polnischen Parlaments und dem Status der in Polen gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments.
Ich werde diese Information ganz gewiss weiterleiten und füge noch hinzu, dass ich in Anbetracht des Interesses von Herrn Gargani und des Rechtsausschusses diesem Parlament über die Überprüfung der anderen 11 neuen Mitgliedstaaten berichten werde, damit die Regierungen anderer Mitgliedstaaten, die davon betroffen sein könnten, dann entsprechend in Kenntnis gesetzt werden können.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
21. Stimmerklärungen
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Stimmerklärungen.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte darum bitten, dass man die Temperatur im Saal auf menschenwürdige Grade einstellt. Es ist teilweise so kalt hier drinnen, dass es bald notwendig wird, einen Mantel anzuziehen. Ich bitte die Verwaltung, für eine angemessene Temperatur zu sorgen. Danke!
Der Präsident. − Ich möchte die für die Beheizung des Saals verantwortlichen Mitarbeiter bitten, die Temperatur zu erhöhen. Möglicherweise wird sie während der folgenden Aussprache ohnehin steigen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Ich begrüße die Tatsache, dass wir grünes Licht für den modernen Rahmen zur weiteren Entwicklung der Automobilindustrie in Europa gegeben haben. Zu meiner Freude haben wir für Ziele gestimmt, die realistisch sind und die Vorkehrungen für den Anstieg des Ölpreises und für unsere hohen Ansprüche in Bezug auf Sicherheit und Umweltschutz treffen. Die Ziele gefährden Europas Wettbewerbsfähigkeit nicht. Steigende Anforderungen für immer sicherere Fahrzeugkonstruktionen und leistungsfähigere Motoren, die ein Drittel weniger Treibhausgase ausstoßen sollen, sind insgesamt Ziele, die bereits auf einen Anstieg der Preise und der Betriebskosten von Kraftfahrzeugen schließen lassen. Wir sind uns bewusst, dass diese Anforderungen an sich nicht der wichtigste Beweggrund für die Mittelklasse und die weniger Wohlhabenden sind, um ihre Fahrzeuge häufiger zu erneuern. Das Verschwinden der Altfahrzeuge von den Straßen Europas ist daher Grundvoraussetzung, wenn sich CARS 21 bewähren soll. Der Schlüssel dazu heißt Motivationsänderung bei den Verbrauchern. Allerdings liegen Steuern und Steuerpolitik nicht in den Händen der Europäischen Union. Daher obliegt es den Mitgliedstaaten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Rahmenbedingungen festzulegen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob und wann sicherere und umweltfreundlichere Fahrzeuge auf unseren Straßen den Platz der alten Autos einnehmen. Das wäre auch ein Lackmustest für die Effektivität von CARS 21.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines polnischen Kollegen Jacek Saryusz-Wolski gestimmt, der dem Europäischen Parlament vorschlägt, der Änderung der Verordnung von 2004 über die Gründung von Partnerschaften im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses zuzustimmen. Es geht darum, die Bezeichnung der Partnerschaft mit der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien von „Europäische Partnerschaft“ in „Beitrittspartnerschaft“ umzuändern und damit an die Bezeichnung für die Partnerschaften mit den beiden anderen Kandidatenländern, Kroatien und Türkei anzugleichen. Des Weiteren war es erforderlich, der Unabhängigkeit Montenegros Rechnung zu tragen. Zu dem Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, muss ich auch an das Kosovo denken und hoffe auf eine friedliche und europäische Lösung dieser schwierigen Situation.
Erik Meijer (GUE/NGL), schriftlich. − (NL) Im Dezember 2005 erkannte der Rat der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Kandidatenlandes zu, und im Juni 2006 wurde Montenegro als unabhängiger Staat anerkannt. In einem vereinfachten Verfahren ohne Aussprache wird nunmehr in Artikel 1 der Verordnung vorgeschlagen, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien einschließlich des Kosovo eine Europäische Partnerschaft zuzuerkennen und in Artikel 1a, Kroatien und Mazedonien eine Beitrittspartnerschaft zu gewähren. Die Definitionen der beiden Konstrukte sind nahezu identisch. Der Berichterstatter billigt den Vorschlag der Kommission und fordert den Rat auf, das Parlament erneut zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von diesem Vorschlag abzuweichen. Und ich halte eine solche Abweichung für realistisch. Nicht geregelt ist, wie der in einigen Wochen erwarteten Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo Rechnung getragen werden soll.
Ebenso wenig ist klar, ob Mazedonien damit länger auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen warten muss oder ob Serbien vorrangig eine Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt wird. Bekanntlich sind die Niederlande und Belgien dagegen, solange der Kriegsverbrecher Ratko Mladić nicht an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) in Den Haag ausgeliefert wird. Ich erwarte daher, dass dieser Punkt wieder auf die Agenda gesetzt wird, stimme aber nicht gegen den Bericht.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. − (PL) Ich stimme für den Bericht von Herrn Liberadzki über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 95/50/EG in Bezug auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse.
Herr Liberadzki hat einen ausgezeichneten Bericht vorgelegt. Ich teile die Meinung des Berichterstatters, der sich für den Vorschlag der Kommission ausgesprochen hat, und empfehle ebenfalls, den Vorschlag ohne Änderungen anzunehmen.
In der Richtlinie 95/50/EG sind die Verfahren für die von den Mitgliedstaaten durchzuführende Kontrolle von Gefahrguttransporten auf der Straße festgelegt. Zur Durchführung dieser Kontrollen wurde eine Liste von Verstößen vorgeschlagen, bei denen Fahrzeuge angehalten werden können und die Fortsetzung der Fahrt von der Bedingung abhängig gemacht werden kann, dass die Sicherheitsvorschriften erfüllt werden. Ein wichtiger Punkt besteht auch darin, dass jeder Mitgliedstaat für jedes Kalenderjahr einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie übermittelt.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Die unter dem Deckmantel der Verkehrsverlagerung eingeführten Lkw-Mauten konnten, wie absehbar, den Bahntransport nicht attraktiver machen, sondern wurden auf den Konsumenten umgewälzt. Vor allem auf den Hauptverkehrsrouten und in den Ballungsgebieten wird die Konzentration auf den Verkehrsträger Straße die vorhandenen Probleme wie Stau, Lärm, Umweltverschmutzung und Feinstaubbelastung verschärfen.
Bedenklich ist auch die Sorglosigkeit, mit der manche Transporte durchgeführt werden. Wöchentliche Lkw-Schwerpunktkontrollen haben in Österreich zu deutlich mehr Sicherheit bei Lkw-Transporten geführt und sollten in diesem Sinne EU-weit zum Standard werden. Wenn der Europäischen Union die Gesundheit ihrer Bevölkerung und der Umweltschutz am Herzen liegt, gilt es, sehr rasch Hauptverursacher von Schadstoffemissionen, wie gewerbliche Nutzfahrzeuge mit alternden Dieselmotoren, zu ersetzen, rollende Landstraßen ökonomisch attraktiv zu machen und für eine Umsetzung der Alpenschutzkonvention zu sorgen.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. − (PL) Der Berichterstatter, Paolo Costa, hat aufgezeigt, wie Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen beseitigt werden können. Es trifft zu, dass sich durch relativ geringfügige Änderungen der bestehenden Rechtsvorschriften kurzfristig erhebliche Verbesserungen erzielen lassen.
Als Schattenberichterstatter möchte ich darauf hinweisen, dass sich Rat, Kommission und Parlament auf einen gemeinsamen Ansatz verständigt haben.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe gemäß dem Bericht meines deutschen Kollegen Ulrich Stockmann für die legislative Entschließung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zu Flughafenentgelten gestimmt.
Zu einem Zeitpunkt, da die europäischen Flughäfen, die sich vornehmlich im Besitz der öffentlichen Hand befinden, privatisiert werden, da die Nutzer nicht immer einen eindeutigen Überblick über ihre Inanspruchnahme von Dienstleistungen haben und sich die Fluggesellschaften in einem Rahmen mit zahlreichen Variablen entwickeln, war es normal, gemeinsame Grundsätze für die Erhebung von Flughafengebühren festzulegen.
Ich begrüße die Schaffung von unabhängigen nationalen Regulierungsbehörden zur Überwachung dieses Marktes und wünsche mir, dass es rasch zu einer europäischen Koordinierung kommt und dass sich in der Zukunft eine unabhängige europäische Regulierungsbehörde herausbildet.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Die Kommissionsvorschläge enthalten eine lange Reihe ausführlicher Regeln zur Festlegung der Flughafenentgelte. Es gehört zu den Aufgaben der Kommission, die Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft zu kontrollieren. Die vorliegenden Vorschläge bedeuten jedoch eine übertriebene Bürokratisierung und Detailregelungen, was den Mitgliedstaaten zum Nachteil gereicht, die sich für eine Liberalisierung ihres Luftfahrtsektors entschieden haben.
Das Europäische Parlament spricht sich dafür aus, dass die gemeinsamen Prinzipien hinsichtlich der Flughafenentgelte nur auf Flughäfen Anwendung finden sollen, die 5 Millionen Fluggastbewegungen oder aber ein jährliches Gesamtaufkommen von mehr als 15 % der Fluggastbewegungen ihres Mitgliedstaates aufweisen. Diese Position ist dem Vorschlag der Kommission vorzuziehen, der auch kleinere regionale Flughäfen einbezieht. Wir stehen oft vor der Frage, inwieweit wir gemeinsame EU-Vorschriften unterstützen sollen, um eine Gleichbehandlung aller Akteure auf dem Binnenmarkt zu erreichen. In diesem Fall ist es offensichtlich, dass die Linie der Kommission eine ungerechtfertigte Bürokratisierung bedeutet.
Auf der Grundlage dieser Argumente haben wir bei der Schlussabstimmung für den Vorschlag des Europäischen Parlaments, aber gegen die legislative Entschließung gestimmt.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Auch wenn der Bericht einige Punkte enthält, die den Vorschlag der Kommission verbessern, wird deutlich, dass er integraler Bestandteil des Prozesses der Liberalisierung des Luftverkehrs in der EU ist.
Eine bessere Transparenz der Methodik zur Berechnung der Flughafenentgelte ist gewiss begrüßenswert. Wir sind jedoch gegen eine Politik, die darauf abstellt, einen strategisch wichtigen öffentlichen Dienst wie den Luftverkehr zu liberalisieren und zu privatisieren, indem in diesem Fall „ein wirklich wettbewerbsfähiger Luftverkehrsmarkt“ oder die Einführung von Prinzipien wie das „Verursacherprinzip“ und das Rentabilitätsprinzip in einem Dienst, der öffentlich sein sollte, gefördert werden. Darüber hinaus wird sogar angestrebt, dem öffentlichen Bereich seine so genannte Regulierungsrolle abzusprechen, wozu „unabhängige Regulierungsbehörden“ geschaffen werden.
Die Privatisierungen in dem Sektor haben zu keinem Wertzuwachs in den erbrachten Dienstleistungen geführt, sie haben Arbeitsplätze vernichtet, und sie haben eine Verschlechterung der Rechte der Arbeitnehmer sowie in einigen Fällen sogar technische und betriebliche Störungen bewirkt.
Wir bedauern, dass unsere Vorschläge abgelehnt wurden. Durch sie sollte sichergestellt werden, dass in der Richtlinie die Zwänge anerkannt werden, denen die Regionen unterliegen, die geografische und naturbedingte Nachteile aufweisen wie etwa die Regionen in äußerster Randlage, und dass infolgedessen für die Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtungen entsprechende Ausnahmen festgelegt werden.
Timothy Kirkhope (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die britischen konservativen Abgeordneten befürworten besondere Überprüfungen von größeren Flughäfen, wenn diese eine marktbeherrschende Stellung haben. Wir verfügen im Vereinigten Königreich jedoch bereits über ein effektives ordnungspolitisches System und sind deshalb der Meinung, dass dies eine unnötige Einmischung darstellt, die negative Folgen für regionale Flughäfen haben könnte, welche für die lokale Wirtschaft von enormer Bedeutung sind.
Wir haben versucht, die Maßnahme zu verbessern, um eine Nichtteilnahme auf nationaler Grundlage aufrechtzuerhalten oder zumindest die Schwelle anzuheben, damit die meisten Regionalflughäfen ausgenommen sind, und obwohl diese Versuche bisher nicht erfolgreich waren, werden wir sie in zweiter Lesung erneut unternehmen. Bis dahin behalten wir uns unsere Position vor.
Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich. − Ich habe diesem Bericht betreffend die Richtlinie zu Flughafenentgelten nicht zugestimmt, weil das, was hier vorgeschlagen wird, zu einer unannehmbaren Diskriminierung des Flughafens Luxemburg führen wird. So kann man mit einem kleinen Land nicht umgehen. Die Anwendung der Richtlinie auf den Flughafen Luxemburg mit 1,6 Millionen Passagieren pro Jahr und die Nichtanwendung auf die direkten Konkurrenzflughäfen Frankfurt-Hahn oder Brüssel-Charleroi, welche über 3 Millionen Passagiere abfertigen, ist eine im Binnenmarkt unzumutbare Diskriminierung, nur weil eine nationale Grenze dazwischen liegt.
Nicht nationale Grenzen dürfen in diesem Fall ausschlaggebend sein, sondern objektive Kriterien, wenn es Zweck der Richtlinie sein soll, den eventuellen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung von Flughäfen zu unterbinden.
Bei kleineren Flughäfen, auch wenn sie der einzige eines Landes sind, ist ein solches Missbrauchsrisiko nicht gegeben, zumal die erwähnten Konkurrenzflughäfen, wo sich auch noch Billigflieger etabliert haben, in bequemer Reichweite liegen. Luxemburg ist so klein, dass man nach 30 Minuten Autofahrt in drei benachbarten Ländern ist.
Bei diesem Vorschlag handelt es sich um eine auferlegte Verletzung des Proportionalitätsprinzips, die so nicht hingenommen werden kann. Deshalb lehne ich diesen Vorschlag unter Protest ab.