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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 30. Januar 2008 - Brüssel Ausgabe im ABl.

17. Situation in Gaza (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission zur Lage in Gaza.

 
  
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  Javier Solana, Hoher Vertreter der EU für die GASP. (ES) Danke, Herr Präsident, dass Sie mir das Wort in dieser wichtigen Debatte erteilen, die wir gleich beginnen wollen.

Herr Präsident, wir eröffnen eine Aussprache über tragische Ereignisse, die sich in den letzten Tagen und Wochen zugetragen haben: über das Gaza-Problem, über die Frage der Grenzen zwischen Gaza und Ägypten und der Grenzübergangsstellen zwischen Gaza und Israel.

Das Ergebnis, das wir in den letzten Tagen feststellen konnten, ist tragisch: Die humanitäre Situation und auch die Sicherheitslage haben sich erheblich verschlechtert.

Ich glaube, dass es in der heutigen Debatte um die Frage gehen müsste, wie wir zur Lösung der Probleme beitragen können.

Wir hatten in diesem Haus viele Aussprachen zu den Problemen der Vergangenheit, und heute sollten wir sehen, ob wir als Europäische Union in der Lage sind, zur Lösung dieses großen Problems (denn es wird auch Folgen für die Konferenz von Annapolis und den Friedensprozess haben) beizutragen.

Ich würde gern nochmals darauf verweisen, dass wir, die Europäische Union, konsequent waren, als wir dazu aufriefen, die Grenzübergänge zu öffnen und Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren zu gewährleisten, mit Sicherheitsgarantien, und nicht nur für Güter der humanitären Hilfe, sondern auch für solche, die zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region und konkret des Westjordanlands und des Gazastreifens beitragen können.

Wenn diese drei Grundelemente – politische Entwicklung, wirtschaftliche Entwicklung und Änderungen der Lage vor Ort – nicht gegeben sind, wird es für uns sehr schwierig sein, voran zu kommen. Auf diesen drei Gebieten müssen wir Fortschritte erzielen, und zwar auf allen dreien gleichzeitig.

Was könnten wir Europäer tun?

Seit wir mit dieser neuen Situation konfrontiert sind, stehen wir in ständigem Kontakt mit den Hauptakteuren.

Wie Sie wissen, fand am Sonntag eine wichtige Tagung der Arabischen Liga statt, auf der alle diese Probleme behandelt wurden und wo versucht wurde, eine Lösungsformel zu finden: eine Formel, die nicht zu weit von der Erklärung entfernt ist, die Ministerpräsident Fayyad vor einigen Wochen vor dem Europäischen Rat abgab und die er am Sonntag auf dem Gipfel der Arabischen Liga oder auf der Ministertagung der Arabischen Liga wiederholte: Es muss eine Methode gefunden werden, um die Grenzkontrolle wiederherzustellen, und zwar so, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Verantwortung dafür tragen kann.

In diesem Fall sollte die Europäische Union nach meiner Ansicht erneut die Frage von Rafah stellen, genau so wie wir es 2005 getan haben.

Bekanntlich sind wir dort im Moment physisch nicht präsent; wir stehen zum Einsatz bereit, sobald man uns ruft, aber zurzeit sind wir nicht vor Ort; wir haben keine Kräfte an der Grenze, seit der Gazastreifen von der Hamas kontrolliert wird, weil man uns keine Erlaubnis dafür gibt.

Was wir meiner Meinung nach tun müssen, ist, im Einklang mit der Debatte im Europäischen Rat vom Montag und den Entschließungen des Rates vorzugehen, da ich davon überzeugt bin, dass die Entschließungen vom Montag sehr gut sind und eine Richtung vorgegeben haben, die von allen Seiten begrüßt wurde: von Ägypten, den Palästinensern und Israel.

Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg, wie ich meine. Wir müssen jetzt sehen, wie wir sicherstellen können, dass der Weg, den wir in Übereinstimmung mit den Entschließungen des Rates eingeschlagen haben, zügig in die Praxis umgesetzt werden kann.

Die Menschen leiden schrecklich; das betrifft auch die Bevölkerung im Süden Israels, die ebenfalls den Raketen ausgesetzt ist, die aus dem Norden Gazas auf ihr eigenes Volk abgeschossen werden, ein Faktor, der eine Stabilisierung wirklich unmöglich macht.

Wenn wir ein Paket mit allen diesen Themen schnüren würden, einschließlich der Freilassung von Al-Haram ash-Sharif, die dazu gehören muss, wenn wir die Situation stabilisieren wollen, könnten wir vielleicht zusammenarbeiten, und das würde ich sehr gern wieder tun, um dieses Problem zu lösen.

Wie ich sagte, stehe ich in ständigem Kontakt mit den wichtigsten Akteuren. Ich werde nach Ägypten reisen, sobald die heute begonnenen Arbeitstreffen zwischen den Palästinensern und den Ägyptern abgeschlossen sind. Morgen oder übermorgen werde ich dort sein, sodass auch ich teilnehmen und darlegen kann, welchen Beitrag die Europäische Union leisten könnte.

Ich glaube aufrichtig, dass die beste Lösung in einer Rückkehr zu einer Situation liegt, die möglichst viele Aspekte einbezieht, in der die Palästinensische Autonomiebehörde die Grenzkontrolle ausübte und ein freier Personen- und Warenverkehr bestand, nicht nur für die humanitäre Hilfe, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung und den Handel, die notwendig sind, um wirklich voranzukommen.

Meine Damen und Herren! Nach meiner Auffassung stehen wir vor einer sehr schwierigen Lage, denn, wie ich eingangs sagte, im Nahen Osten ist alles miteinander verknüpft.

Wenn wir bei der Lösung des Gaza-Problems nicht vorankommen, steckt auch der Friedensprozess in Schwierigkeiten. Deshalb liegt eine große Verantwortung auf unseren Schultern; bitte seien Sie sich dessen bewusst, was jetzt vor uns liegt und dass wir, die Kommissarin und ich, alles nur Mögliche tun und die uns verbleibende Zeit in diesen wenigen Wochen nutzen werden, um zu sehen, ob wir helfen können, im Namen der Europäischen Union die Lösung zu finden.

Herr Präsident, ich habe nichts weiter hinzuzufügen, ich möchte lediglich meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, zur Erreichung dieses Ziels beitragen zu können, und ich hoffe dabei auf die Unterstützung der Mitglieder dieses Hauses.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Meiner Meinung nach gab es in Annapolis einen Hoffnungsschimmer. Ich habe immer von vorsichtigem Optimismus gesprochen, wohl wissend, wie schwierig es sein würde, die bilateralen Verhandlungen zwischen Ministerpräsident Olmert und Präsident Abbas in die Wege zu leiten, und dann hatten wir eine meiner Meinung nach sehr erfolgreiche Geberkonferenz in Paris, auf der uns so viel Unterstützung zuteil wurde, dass wir glaubten, die Sache käme jetzt wieder richtig in Schwung. Doch gleichzeitig war uns immer bewusst, dass dieser neue Schwung jeden Augenblick gedämpft werden konnte. Ich glaube, die Lage in Gaza und die große Welle der Gewalt vom Januar ist eine der sehr schwierigen Situationen, die, unter vielen anderen Dingen – einschließlich des Raketen- und Granatenbeschusses, durch den israelische Zivilisten verletzt wurden – den gesamten Prozess zum Scheitern bringen könnten. Natürlich verstehen wir die Verpflichtung des Staates Israel, seine Bürger zu schützen. Durch die militärische Reaktion Israels wurden viele Palästinenser in Gaza getötet oder verletzt. Wir haben immer die Meinung vertreten, eine Abriegelung der Zivilbevölkerung sei nicht realisierbar und haben uns immer für freie Zugangs- und Bewegungsmöglichkeiten ausgesprochen. Dies hat der Zivilbevölkerung des Gazastreifens stark zugesetzt. So nimmt es nicht Wunder, dass die Situation eskaliert ist, als die Menschen die verschiedenen Zäune und Mauern zwischen Ägypten und dem Gazastreifen durchbrachen.

Jetzt stellt sich die Frage – und ich stimme Javier Solana in diesem Punkt voll und ganz zu –: Was können wir tun, um tatsächlich wieder etwas zu bewirken? Wir hatten dort lange Zeit die EU BAM Rafah, doch leider konnten sie in den letzten Monaten nichts tun. Vielleicht bietet sich uns Europäern jetzt die Chance, die Sache neu aufzurollen und nach einer Lösung zu suchen. Ich finde es gut, dass Javier Solana nach Ägypten reisen und fragen wird, was wir tun können, und vielleicht kann er die verschiedenen Parteien an einen Tisch bringen, was sehr kompliziert ist. Ich finde es jedoch auch gut, dass Salem Fayed seit einiger Zeit dazu bereit ist, die Palästinensische Behörde zur Gewährleistung der Grenzkontrollen mit ins Spiel zu bringen, denn auch das ist wichtig. Letztendlich sind sie selbst dafür verantwortlich. Um das zu ermöglichen, könnte die Europäische Union meines Erachtens wieder unterstützend wirken. Vielleicht werden wir dort keine Vermittlerrolle, sondern lediglich eine unterstützende Rolle spielen. Erst kürzlich fand die erste Nachfolgesitzung in Paris statt, auf der Bernard Kouchner, der norwegische Außenminister, und auch Tony Blair zusammenkamen. Ich bin auch eine der Ko-Vorsitzenden dieser Konferenz. Wir haben versucht herauszufinden, was vor Ort getan werden könnte, um Fortschritte zu erzielen und um nicht nur negative Erfahrungen zu machen. Wir alle beschlossen, uns auf die so genannten Schnellstartprojekte zu konzentrieren – auf die Sicherheitsinfrastruktur einerseits und andererseits insbesondere auf die Schulen, denn das ist ein Bereich, wo jeder sehen, fühlen und vielleicht sogar riechen kann, dass es Hoffnung gibt, dass wir Hoffnung bringen wollen und dass freie Zugangs- und Bewegungsmöglichkeiten in der Tat zu den erforderlichen Voraussetzungen gehören, denn sonst kommt die wirtschaftliche Entwicklung nicht in Gang. Deshalb unterstützen wir das voll und ganz und versuchen nun, dieser Strategie etwas folgen zu lassen.

 
  
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  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Wenn ich mit einem Wort beschreiben müsste, was wir in den vergangenen Tagen an der Südgrenze des Gazastreifens erlebt haben, würde ich es mit dem Wort „Verzweiflung“ tun.

Vor zwei Jahren fanden Wahlen in Palästina statt. Mehrere Mitglieder dieses Parlaments – Frau De Keyser, Herr McMillan-Scott und andere – waren während dieses Urnengangs vor Ort, und heute, zwei Jahre später, ist die palästinensische Sache ein Scherbenhaufen, und die Lage zeigt ein Bild der Trostlosigkeit, Bedrückung und Verzweiflung, was beweist, dass die Konsolidierung einer Demokratie nicht nur bedeutet, das Wahlrecht auszuüben, sondern dass repräsentative Institutionen, eine rechtmäßig Machtaufteilung und die Achtung der Menschenrechte, beginnend mit dem Recht auf Leben, notwendig sind.

Die internationale Gemeinschaft bat die Hamas inständig, auf Gewalt zu verzichten. Sie ging nicht darauf ein, und daher steht sie weiterhin auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union.

Natürlich hat sich auch die andere Seite nicht richtig verhalten. Israel hat die Spaltung in der palästinensischen Sache begrüßt, seine Siedlungspolitik fortgesetzt, willkürliche Repressalien angewendet und zudem eine rücksichtslose Blockade praktiziert, die einzig und allein der Stärkung der Hamas gedient hat.

Was können wir tun? Ich glaube, Herr Solana hat eine perfekte Beschreibung gegeben: Wir müssen die Bemühungen des Hohen Vertreters, den Ansatz der Konferenz von Neapel durch das Quartett und die gemäßigten arabischen Länder und vor allem eine Politik unterstützen, für die wir meiner Ansicht nach der Kommission und Kommissarin Ferrero-Waldner unsere Anerkennung zum Ausdruck bringen müssen, nämlich eine Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt der Aktion der Europäischen Union stellt, die Menschen, die leiden, Angst haben, in Not sind und sterben, und das meiner Meinung nach im Nahen Osten leider schon seit langer Zeit und völlig sinnlos.

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
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  Véronique De Keyser, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Alle Mauern fallen schließlich einmal: die Mauer von Jericho, die des Warschauer Ghettos, die Berliner Mauer, der Atlantikwall oder auch die Mauer der Indifferenz. Mit ihrer symbolischen Bedeutung ist die Mauer von Rafah Teil dieses unbezähmbaren Strebens der Menschen nach Freiheit.

Und wie haben die Gazabewohner ihre neu gewonnene Freiheit genutzt? Sind sie nach Ägypten geflohen? Haben sie sich mit Kalaschnikows bewaffnet? Nein, denn die Waffen erreichen leider, ob mit oder ohne Mauer, immer ihren Bestimmungsort. Die Gazabewohner haben sich mit den dringend benötigten Bedarfsartikeln versorgt. Sie haben eingekauft, sich in Gaza nicht erhältliche Medikamente oder Milch für Babys beschafft. Mopeds, Ziegen und Kühe wurden unter dem Beifall der Menge von Kränen nach Rafah gehievt. Es mutete surrealistisch an. Und dann sind alle nach Hause gegangen. Diese Bilder sagen alles aus: Das gestern noch Unmögliche war plötzlich zum Greifen nahe, und dann nahm das Alltagsleben wieder seinen Lauf.

Wir haben jetzt eine historische Verantwortung. Die Frage ist nicht, wer die Tore eines Freiluftgefängnisses öffnet, sondern wer sich wagt, sie wieder zu schließen und die Gazabewohner wieder zurück in ihren langsamen Siechtod zu schicken. Seit dem Beginn von Annapolis ist die Europäische Union aus dem Spiel. Auf der Grundlage der Roadmap hat sie die Kontrolle des Friedensprozesses an die USA abgegeben. Den Ko-Vorsitz der Pariser Geberkonferenz zu erreichen, war eine wirkliche Heldentat. Bravo! Doch für die Zugänge zu Gaza haben die Europäer seit 2005 ein Mandat. Wird es uns mit den Ägyptern, der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit der Hamas und mit Israel gelingen, den Dialog wieder herzustellen und den Zugang der Palästinenser zur Außenwelt in geregelte Bahnen zu lenken, oder werden wir im Gegenteil nur Zuschauer bei der unvermeidlichen Repression sein, die anderenfalls nicht auf sich warten ließe? Das genau ist die Frage. Über die EU-BAM-Mission hinaus geht es bei dieser Frage um das Schicksal der palästinensischen Einheit und des Friedensprozesses, die Achtung des internationalen Rechts und die Ehre der Europäischen Union. Die Botschaft, die ich Ihnen, Herr Solana, im Namen meiner Fraktion übermittle, ist eindeutig: Machen Sie um Himmels Willen Druck!

 
  
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  Chris Davies, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Als Mitglied der Parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu dem Palästinensischen Legislativrat habe ich versucht herauszufinden, warum, wenn wir ein Ende des Baus von Siedlungen fordern, uns die Israelis ignorieren und wir nichts unternehmen. Warum, wenn wir die Abschaffung der Grenzkontrollen fordern, uns die Israelis ignorieren und wir nichts unternehmen. Warum, wenn wir ein Ende der kollektiven Bestrafung der Menschen in Gaza fordern, uns die Israelis ignorieren und wir nichts unternehmen.

Daher bin ich auch Marc Otte so dankbar, dem EU-Sonderbeauftragten für den Nahen Osten, der gestern an einer Delegationssitzung teilnahm und sagte, unsere Politik – Europas Politik – solle sich an der amerikanischen Politik orientieren.

Nun, erst vor wenigen Wochen sagte der israelische Ministerpräsident über Präsident Bush: „Er macht absolut nichts, womit ich nicht einverstanden wäre. Er unterstützt nichts, wogegen ich wäre. Er sagt absolut nichts, was seiner Meinung nach Israel das Leben schwerer machen würde.“

Amerikanische Politik ist also israelische Politik, und wir Europäer schließen uns hübsch brav dem Anführer an. Kein Wunder, dass unsere Verurteilung der israelischen Aktionen in palästinensischen Ohren so hohl klingt. Und kein Wunder, dass sich der Erfolg nicht einstellen will. Dieser europäische Ansatz hat dazu geführt, dass wir vor zwei Jahren zwar die Wahlen in Palästina finanziert haben, uns dann aber geweigert haben, dem Ergebnis Beachtung zu schenken – was unsere Unterstützung der Demokratie im Nahen Osten untergrub.

Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass wir die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung gefordert haben – und als eine solche Einheitsregierung dann gebildet worden war, haben wir uns geweigert, mit dem Premierminister und dem halben Kabinett zu sprechen, und die Regierung brach auseinander.

Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass wir uns weigern, mit Vertretern der Hamas in Gaza zu sprechen, obwohl sie die eigentliche Macht in diesem Gebiet haben. Welche Lektionen haben wir aus unserer Geschichte gelernt? Ist es nicht an der Zeit, dass Europa das Band zerreißt, das uns blendet und uns an diese einseitige Politik von Amerika und Israel fesselt? Ist es nicht an der Zeit, eine unabhängige Sprache zu finden und mit Weitsicht zu handeln?

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Hoher Vertreter, Frau Kommissarin! Der Versuch, ein ganzes Volk als Geisel zu nehmen, ist gescheitert. Dies war ein Konzept der Vergangenheit, das nicht funktionieren konnte; doch das Schlimmste ist, dass die Lage sich politisch und humanitär verschlechtert hat. Daher müssen wir uns in der Tat Fragen stellen. Die Politik der Isolierung der Hamas und damit der Isolierung des Gazastreifens ist gescheitert. Die Popularität der Hamas ist heute größer denn je. Eines ist sehr seltsam, Herr Hoher Vertreter, Frau Kommissarin: Sie haben gesagt, die Palästinenser sollen die Autorität über die Grenzen wieder übernehmen, doch wie soll die Palästinensische Autonomiebehörde die Macht in Gaza übernehmen? Die Grenzen sind nicht das Westjordanland. Das ist ein Problem. Ein weiteres Problem sind die Grenzen von Gaza. Zudem besteht ein Abkommen zwischen Ägypten und Israel, demzufolge die Ägypter auf der Sinaihalbinsel nicht bewaffnet sein dürfen. Dieses Abkommen stammt aus der Zeit des Friedensvertrages von vor 20 Jahren. Das heißt, selbst wenn die Ägypter versuchen wollten, Terroristen auf der Sinaihalbinsel zu verhaften, dann könnten sie dies gar nicht, sie hätten kein Recht dazu. Die Situation ist also völlig verfahren, und in einer solchen Situation muss man verantwortlich handeln. Verantwortung heißt in diesem Fall, in erster Linie zu gewährleisten, dass die Bevölkerung von Gaza mit dem Lebensnotwendigsten versorgt wird, und dazu muss mit denen verhandelt werden, die administrativ die Macht in Gaza ausüben. Man kann nicht sagen: Wir wollen sie mit Essen und Trinken versorgen, wir wollen sie mit Medikamenten versorgen, aber wir wollen nicht mit denen reden, die ihnen die Medikamente zukommen lassen können.

Zweitens ist zu sagen, dass die Palästinenser an den Frieden glauben werden, wenn dieser ihnen etwas bringt. Heute gibt es im Westjordanland keine Verbesserungen in Bezug auf die Grenzen oder die Bewegungsfreiheit. Frieden ist nicht abstrakt, sondern konkret. Deshalb muss im Interesse der israelischen Sicherheit – denn der Raketenbeschuss wird in der gegenwärtigen Situation nicht aufhören – Israel gesagt werden: Die Blockade macht den Palästinensern das Leben unerträglich und daher ist sie eine Gefahr für die Sicherheit Israels. So sieht die Wahrheit aus! Und Präsident Bush müssen wir sagen, dass er auf jeden Fall in einigen Monaten nicht mehr da sein wird, dass er deshalb besser schweigen sollte und es denen, die die Lage besser verstanden haben, überlassen sollte, Politik zu machen. Ob sich die israelische Politik an der US-amerikanischen ausrichtet oder umgekehrt, sie ist auf jeden Fall ein Misserfolg und wir können sie nicht unterstützen. Die Europäische Union muss daher nicht nur sagen: „Machen Sie Druck“, sondern: „Machen Sie Druck in die richtige Richtung, verhandeln Sie mit denen, die zuständig sind, sprechen Sie mit den israelischen Verantwortlichen“. Sie muss zum Ausdruck bringen, dass unsere Solidarität mit Israel nicht bedeutet, dass wir es weiterhin in einer völlig selbstmörderischen Politik unterstützen.

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Hoher Vertreter, Frau Kommissarin! Die Helden von Gaza haben wieder einmal unter Beweis gestellt, dass befestigte Mauern den freien Geist der Menschheit nicht gefangen halten können und dass die Gewalt das Leben nicht bezwingen kann. Diese Worte stammen von Nurit Peled, der israelischen Friedensaktivistin und Sacharowpreisträgerin. Sie hat sie vergangenen Samstag vor anderen palästinensischen und israelischen Demonstranten vor den Toren Gazas ausgesprochen.

Wer könnte unberührt bleiben von den Gefühlen dieser Mutter Courage angesichts des Schauspiels dieses in unerträglichem Maße unterdrückten und gedemütigten Volkes, das die von Israel verhängte Blockade durchbricht und endlich die freie Luft atmet, während man Milch für die Kinder, Lebensmittel für die Familie besorgt und ein wenig Glück verspürt, das die Stimmung hebt.

Und nun? Jeder nimmt die zweifache Gefahr wahr, die von der israelischen Führung ausgeht. Die erste besteht in dem Bestreben, diesen schmalen Freiraum wieder mit Gewalt zu verschließen oder verschließen zu lassen. Die zweite generelle Gefahr besteht darin, die Verantwortung der Besatzungsmacht gegenüber Gaza auf Ägypten abzuschieben.

Wenn die richtigen Worte der Erklärung des Rates vom 28. Januar eine konkrete Bedeutung erhalten sollen, dann muss sich die Europäische Union entschließen, direkt auf die israelischen Behörden und im Rahmen des Quartetts Druck auszuüben, der über die üblichen gewundenen Floskeln hinausgeht, damit sie den Grundsatz einer dauerhaften Öffnung der Übergangspunkte unter der Verantwortung der Palästinensischen Behörde mit Unterstützung der Europäischen Union und der Arabischen Liga akzeptieren. Wenn der Palästinensischen Behörde weiterhin jede Möglichkeit genommen wird, ihrem Volk auch nur die kleinste positive Perspektive zu bieten und für die notwendige nationale palästinensische Wiederversöhnung zu wirken, dann würde dies darauf hinauslaufen, das schlimmste Szenarium zu akzeptieren. Im Augenblick befürchte ich, dass wir mit großen Schritten darauf hinsteuern.

Jeder versteht, dass von der internationalen Gemeinschaft jetzt ein starker Impuls im Hinblick auf Gaza, auf das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem ausgehen muss. Dieser Impuls wird nicht von einem verbrauchten und diskreditierten US-Präsidenten kommen. Es ist an Europa, zu handeln!

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Gaza bleibt eine menschliche Tragödie, und niemand von uns Parlamentariern kann es den leidgeprüften palästinensischen Menschen verübeln, dass sie durch die Öffnung in der Mauer des Grenzübergangs Rafah geströmt sind, um in Ägypten einzukaufen.

Doch die von der EU verbotene Terrororganisation Hamas hat nach wie vor die brutale Kontrolle über das Gebiet und über die Bevölkerung von Gaza, und die Hamas macht mit ihrem meiner Ansicht nach willkürlichen Kriegsverbrechen weiter, Kassam-Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abzuschießen einschließlich der vor kurzem auf Aschkelon gerichteten Raketen mit längerer Reichweite. Das heißt, Sie können es Israel nicht verübeln, dass es eine Wirtschaftsblockade aufrechterhält und nur die notwendigste humanitäre Hilfe durchlässt.

Tut mir leid, Herr Davies; tut mir leid, Herr Cohn-Bendit – wenn die Hamas die Raketen einstellt, wird Israel die Blockade aufheben – so einfach ist das.

 
  
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  Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (EN) Herr Präsident! Die tatsächliche Trennung von Gazastreifen und Westjordanland verkompliziert einerseits ein bereits komplexes Bild noch mehr. Doch andererseits vereinfacht es dieses.

Lassen Sie mich erklären, wie ich letzteres meine: Erstens ermöglichte diese Tatsache den Dialog zwischen Israel und der Palästinensischen Behörde vom Westjordanland. Zweitens wurde dadurch ein radikalislamischer Kampfgeist in Grenzen gehalten, was einen klaren Ansatz ermöglichte, denn auf der einen Seite haben wir die radikalen Hamas-Führer und die übrige Bevölkerung und in dieser Hinsicht ist es kein Geheimnis, wen wir unterstützen müssen.

Drittens ergibt sich daraus, dass wir jetzt statt einer Gleichung mit zwei Faktoren (einer davon ganz klar – Israel –, der andere, die Palästinenser, ein wenig unscharf), eine Gleichung mit drei klar definierten Faktoren – einschließlich Gaza – haben, mit einem Multiplikationszeichen zwischen diesen Faktoren, d. h. wenn einer der Faktoren gleich Null ist, dann ist auch das Ergebnis gleich Null.

 
  
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  David Hammerstein (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident! Nur ein paar ganz konkrete Fragen: Wie können wir die EUBAM-Mission am Grenzübergang von Rafah wiedereinsetzen, nachdem die Situation so unsicher war? Hier geht es um ein unbewaffnetes europäisches Korps! Wenn nur ein einziger Schuss fällt, wenn eine nur ganz kleine Unsicherheit in der Lage auftritt, werden dann alle Polizisten in ihr Hotel in Ashkelon zurückkehren?

Wie können wir mit den Palästinensern, mit Ägypten und Israel ein Abkommen zur Veränderung dieser Situation aushandeln? Wenn wir dazu nicht imstande sind, wird es wenig Sinn haben, zum vorherigen Zustand zurückzukehren, wie Frau Ferrero-Waldner sagte. Wir brauchen einen Zustand, der gegen Unsicherheitsfaktoren gefeit ist.

Ferner, wie können wir Frieden herstellen, ohne uns mit der Lage in Gaza zu befassen? Der Prozess von Neapel hat die Situation in Gaza beschönigt, und ich bin der Ansicht, dass man so nicht weitermachen kann: Es ist unmöglich, dass eine palästinensische Autonomiebehörde die unsichere Lage in Gaza tolerieren kann, solange dort kein Frieden herrscht.

Abschließend würde ich gern nach den mittelfristigen Lösungen für die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser und Strom fragen. Könnte man nicht Lösungen im Grenzgebiet zwischen Gaza und Ägypten vorschlagen, ähnlich dem Vorschlag zur Errichtung von Entsalzungs- und Energieerzeugungsanlagen?

 
  
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  Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestern starb ein Kind im Shifa-Krankenhaus in Gaza, 80 Menschen starben im Krankenhaus in Gaza, weil sie nicht nach Israel zur Behandlung konnten. Heute hat der israelische Gerichtshof der Regierung, d. h. Herrn Barak, grünes Licht gegeben, die Brennstofflieferungen zu blockieren oder zu reduzieren. Das ist die gegenwärtige Lage!

Herr Solana stellte sich die Frage, was wir Europäer tun könnten. Die Frau Kommissarin erklärte, wir müssten einen Unterschied machen. Wahrheit kann den Unterschied machen. Der Unterschied ist der Mut, nicht nur zu reden: Ich weiß, dass Sie eine schwere Aufgabe haben, dass Sie sich stets bemühen und mit uns gemeinsam unter dem Leid von Palästinensern und Israelis leiden, aber, bitteschön, es ist auch erforderlich zu handeln! Der israelischen Regierung muss klipp und klar gesagt werden, dass sie, wenn sie Salam Fayyad und Mahmud Abbas helfen will, nicht nur die Belagerung von Gaza, sondern auch die Tötungen von Jugendlichen einstellen muss – gestern hat sie in Bethlehem weitere Jugendliche getötet – und dass sie damit aufhören muss, die Palästinenser im Westjordanland in Ghettos zu sperren.

Es geht nicht nur um Gaza. Gaza ist zum vorherrschenden Bild geworden, doch die Besetzung geht Tag für Tag weiter. Der Frieden ist für alle unentbehrlich, für die Palästinenser ebenso wie für die Israelis. Wir müssen …

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Es ist gut, dass wir heute so zeitnah zu den dramatischen Ereignissen im Gazastreifen diese Debatte durchführen können. Es ist auch gut, dass das Parlament seine Positionen hier gegenüber dem Beauftragten Solana und der Kommissarin zum Ausdruck bringen kann. Es ist aber auch wichtig, dass wir diese Gelegenheit nutzen, um uns besser zu informieren. Daniel Cohn-Bendit hat davon gesprochen, dass es nicht genügt, Essen zu geben, sondern wir müssen reden. Nun haben wir neue Mechanismen, wie etwa das Programm Pegasus, um hier einen besseren Dialog und eine bessere Kooperation zu erreichen. Vielleicht können wir darüber weitere Informationen von der Frau Kommissarin erhalten.

 
  
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  Frieda Brepoels (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Herr Solana! Frau Kommissarin! Ich stimme den Kolleginnen und Kollegen völlig zu, die erklärten, die Zeit sei vorbei, um sich über die dramatischen Ereignisse und die humanitäre Situation in Gaza lediglich besorgt zu äußern, und es nicht reiche, bloß Gelder bereitzustellen.

Im Gegenteil, die Situation in Gaza und die Blockade müssen meiner Ansicht nach im Zusammenhang mit dem Gesamtkonflikt zwischen Israel und Palästina gesehen werden. Die Palästinenser haben klar all ihre Hoffnung in die Europäische Union gesetzt, um endlich Ergebnisse zu erzielen. In der Vergangenheit wurden viele Versprechungen gemacht, wie wir aber feststellen können, wird die EU beim Follow-up der Umsetzung der Verhandlungsergebnisse der Nahost-Konferenz in Annapolis sowie im Rahmen der Vereinten Nationen der Rolle eines aktiven Vermittlers nicht gerecht. Nach meinem Dafürhalten ist dies unannehmbar. Darüber hinaus kann die EU nicht länger hinnehmen, von den Vereinigten Staaten an den Spielfeldrand gestellt zu werden. Vielmehr muss sie eine unabhängige Stellung einnehmen.

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL).(GA) Herr Präsident! Ich habe Kommissarin Ferrero-Waldner aufmerksam zugehört, aber ich bin nicht der Meinung, dass es ausreicht, nur von Unterstützung oder Ermutigung zu sprechen, wenn die israelische Regierung weiterhin die Art Politik verfolgt, die wir an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten erlebt haben.

Die EU-Organe müssen handeln; sie müssen sich gegen die israelische Regierung stellen und laut und deutlich sagen, dass sie gegen die unmenschliche Blockade sind, die das Leben im Gazastreifen erstickt.

Diese Politik ist in höchstem Maße grausam und eine Zumutung für die gesamte Bevölkerung unter israelischer Besetzung. Ein Vorgehen dieser Art findet im 21. Jahrhundert keine Rechtfertigung. Und es ist grotesk, dass Israel behauptet, sich lediglich selbst zu verteidigen, wenn gewöhnliche palästinensische Bürger auf der Suche nach einem Leben sind, das frei von dem Leid ist, das man ihnen ständig zufügt.

Wir müssen handeln, anstatt tagelang, wochenlang oder gar monatelang nichts weiter zu tun, als immer nur zu reden.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Die Ereignisse in Gaza sind tragisch, und alle meine Kollegen hier in diesem Parlament haben ihre Bestürzung darüber zum Ausdruck gebracht. Was dort geschieht, ist auch für die Europäische Union sehr bedauerlich. Abgesehen davon, dass unsere politischen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, weiß ich auch nicht, wie wir unsere Zusagen für eine wirksame finanzielle Unterstützung und die humanitäre Hilfe, zu der wir uns verpflichtet haben, einhalten sollen. Der vorläufige internationale Mechanismus TIM wird durch den Mechanismus PEGASE abgelöst, und wir investieren in Humanressourcen, in Mechanismen und in Hilfen für die Gemeinschaft.

Die Frage ist, wie wir zum jetzigen Zeitpunkt etwas bewirken können.

Haben Sie etwas Neues erfahren, Frau Ferrero-Waldner? Kommt die humanitäre Hilfe in Gaza an? Gibt es Zusammenarbeit mit Israel, wenn auch nur in diesem Bereich? Kann die palästinensische Autonomiebehörde in irgendeiner Weise zur Entspannung der Lage beitragen und die humanitäre Hilfe erleichtern? Der Mechanismus PEGASE sollte selbstverständlich so schnell wie möglich eingesetzt werden. Ihre Dienststelle hat Finanzmittel für die einzelnen Elemente, die Planung und die personellen Ressourcen bereitgestellt. Wie können wir dieses Vorhaben in die Tat umsetzen und diese Ressourcen nutzen, Frau Ferrero-Waldner?

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Die Lage in Gaza erfordert die unverzügliche Aufhebung der Blockade durch Israel. Die Menschen in Gaza müssen unterstützt werden, damit sie ihre dringendsten Bedürfnisse erfüllen können. Die Arabische Liga, die Europäische Union und auch Israel müssen den Kontakt zwischen Fatah und Hamas fördern, um die Spaltung des palästinensischen Volkes zu beseitigen und die Eintracht wiederherzustellen, die unter der Regierung der nationalen Einheit bestand. Damit dies geschehen kann, müssen alle gewählten Vertreter des palästinensischen Volkes, die der Hamas angehören, aus israelischer Haft entlassen werden. Es müssen die notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung allgemeiner Wahlen geschaffen werden. Sowohl die Europäische Union als auch die Vereinigten Staaten müssen das Ergebnis der Wahlen uneingeschränkt respektieren, wie immer es auch ausfallen mag.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Darf ich noch einmal ganz kurz zu dieser wirklich schwierigen Thematik Stellung nehmen. Wir haben auch im Rat der Außenminister am Montag wieder ausgiebig darüber diskutiert. Ich darf Ihnen sagen, dass wir selbstverständlich nicht nur diskutieren, sondern wir haben gemeinsam eine Strategie verabschiedet mit den Vereinigten Staaten, mit den Palästinensern, mit den Israelis, mit der Europäischen Union, und im Quartett natürlich auch mit den Vereinten Nationen und mit Russland.

Diese Strategie bestand darin, dass auf der einen Seite – das habe ich vorhin angesprochen, als ich auf Annapolis eingegangen bin, allerdings nur sehr kurz –, ein bilateraler Verhandlungsprozess zwischen Präsident Abbas und Premierminister Olmert stattfindet, und dass wir auf der anderen Seite versuchen – das ist sozusagen mehr mein Teil, der mich in der Kommission betrifft – für die Menschen eine neue Entwicklung herbeizuführen, dass es Fortschritte gibt, wissend, dass das enorm schwierig ist. Mir war das immer sehr bewusst, aber selbstverständlich wollten und wollen wir alles tun, um hilfreich zu sein. Deshalb geht unsere Politik dahin, Präsident Abbas darin zu unterstützen, mit seinen Gesprächen einen Frieden zustande zu bringen, um diesen dann für einen Versöhnungsprozess mit Hamas zu nutzen. Das war die eigentliche Idee dieser Strategie.

Wir wollen nach wie vor auch weitere Treffen unterstützen. Es hat in den letzten Tagen eine Zusammenkunft zwischen Olmert und Abbas gegeben, von der wir wissen, dass sie nicht sehr substanziell war, aber das ist auch verständlich, weil alle Treffen momentan durch eine sehr schwierige Situation überschattet werden. Trotzdem müssen wir diesen Weg fortsetzen. Wir haben die Möglichkeit, bis zum nächsten Treffen in Moskau doch einiges zu ermöglichen, wenn wir beide Seiten unterstützen.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die humanitäre und die wirtschaftliche Seite. Hierzu möchte ich denen, die vielleicht meine Erklärung nicht gelesen haben, Folgendes sagen: Am 21. Januar habe ich eine sehr klare Stellungnahme zur Situation in Gaza abgegeben, weil auch ich sah, dass hier die Dinge einfach zu weit gegangen sind. Dies hat zusammen mit anderen Stellungnahmen von Außenministern und internationalen Organisationen bewirkt, dass es eine Verbesserung der Situation gab. Es gibt natürlich keine völlige Auflösung der Blockade, aber eine wesentliche Verbesserung der Situation. Das heißt – auch als Antwort an Sie, Frau Vizepräsidentin Kratsa-Tsagaropoulou –, tatsächlich gelangen viele Lieferungen auch nach Gaza hinein, um hier jetzt nur den humanitären Teil anzusprechen.

Trotzdem wissen wir, dass das nicht genügend ist. Und mir ist natürlich bewusst, dass das äußerst schwierig ist, Herr Cohn-Bendit. Sie haben natürlich Recht, dass das eine äußerst diffizile Situation ist, das ist auch dem Hohen Vertreter durchaus bewusst, und vielleicht wird er auch dazu Stellung nehmen. Dennoch bleibt es im Augenblick bei dieser gemeinsamen Strategie, die wir gemeinsam definiert haben und umsetzen wollen, und uns bleibt eigentlich nur der Spielraum, dass wir uns bemühen, die Grenzöffnung durchzuführen, die ja Salam Fayyad selber als wesentlich angesehen hat.

Nun ein kurzes Wort zu dem Mechanismus, den wir ausgearbeitet haben und der tatsächlich ab 1. Februar, d. h. ab übermorgen, funktionieren wird. Es ist ein dauerhafter Mechanismus, nicht wie vorher TIM, der nur vorläufig war und den wir immer wieder verlängert haben. Und dieser Mechanismus wurde auch ganz bewusst in Partnerschaft mit der palästinensischen Autonomiebehörde erstellt. Wir haben hier sehr eng mit Salam Fayyad zusammengearbeitet, damit er dem entspricht, was er wollte, nämlich einen Entwicklungs- und einen Fortschrittsplan für die Wirtschaft, aber natürlich auch für die Infrastruktur.

Es sollte eine gemeinsame europäische Anstrengung sein, d. h. dieser Mechanismus – ein Finanzmechanismus – kann sowohl von uns als auch von anderen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden. Es ist sogar gedacht, dass manche internationale Organisationen oder außereuropäische Staaten diesen Mechanismus grundsätzlich nützen. Es ist wie TIM ein Mechanismus, der volle Kontrollen und monitoring bietet, weil wir selbstverständlich alle Transparenzkriterien erfüllen wollen, und er ist so ausgestattet, dass er entweder direkte Budgethilfe leisten kann oder dass die Hilfen z. B. an UNRWA und andere Organisationen gehen oder in unsere Projekte fließen. Aber ich weiß, dass diese Frage derzeit zurücktritt hinter der großen politischen Frage: Wie können wir die Situation lösen? Ich bin mir selbstverständlich des Problems bewusst, aber im Augenblick kann ich Ihnen nur diese Antwort liefern.

 
  
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  Javier Solana, Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. (EN) Herr Präsident! Ich habe das, was hier gesagt worden ist, sehr aufmerksam verfolgt. Ich würde dasselbe sagen, und ich würde es genauso emotional und mit denselben Gefühlen ausdrücken, denn wir sind hier einer Meinung.

Doch Sie sagen, wir sollten handeln statt zu reden. Glauben Sie, dass Handeln unsere Politik heute um 180 Grad verändern wird? Ich bin mir nicht sicher, ob das ein vernünftiger Ansatz ist, um ehrlich zu sein.

Was ist in den letzten Tagen passiert, abgesehen von dem humanitären Drama? Wir können stundenlang reden und unsere Ansichten wirklich äußern, denn wir vertreten dieselbe Meinung wie Sie – ich zumindest – und ich bin mir sicher, auch die Frau Kommissarin.

Anfang der Woche, nur wenige Stunden, nachdem die Situation eskalierte, kam die Arabische Liga zusammen. Sie trafen eine Entscheidung, eine Entscheidung, die am Montag vom Rat Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen unterstützt wurde, eine Entscheidung, die wir in den Stunden nach dem Treffen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Ägypten vom Vormittag umsetzen wollen – das jetzt, da wir hier sprechen, noch läuft und das in der Nacht und wahrscheinlich morgen oder übermorgen fortgesetzt wird –, wenn sie den Punkt erreicht haben, an dem wir wirklich effektiv ansetzen können.

Aber ich denke, dass wir uns einen Monat nach der Pariser Konferenz, anderthalb Monate nach der Konferenz von Annapolis, nun, da alle arabischen Länder mit im Boot sind, da andere Länder zum ersten Mal eine konstruktive Rolle spielen, in diese Richtung anpassen müssen. Jetzt wäre es von unserer Seite nicht seriös, eine Solorolle zu spielen. Wir müssen mit allen vorhandenen Partnern zusammenarbeiten. Wir unterstützen – und in den Schlussfolgerungen des Rates kommt das ganz klar zum Ausdruck – die Resolution der Arabischen Liga vom Sonntag, was die Grenzen betrifft, und das wurde am Montag bestätigt. Wir verfolgen die Diskussionen am Mittwoch und Donnerstag.

Ich denke, das nennt man Handeln, aber ich weiß jetzt nicht, was ich noch tun soll. Es ist eine andere Geschichte, wenn Sie mich bitten,

(FR) „in die richtige Richtung Druck zu machen“. Das bedeutet, dass wir uns gegenwärtig in die falsche Richtung bewegen.

(Zwischenruf von Herrn Cohn-Bendit: „...in eine unbekannte Richtung ...“)

Herr Präsident, ich glaube, wenn Herr Cohn-Bendit

(EN) ein gestandenes Parlamentsmitglied, sagt, die derzeitige Strategie der Europäischen Union sei „inconnue“, je ne comprends rien, dann können Sie sagen, was Sie wollen. Sie können sagen, die derzeitige Strategie der Europäischen Union sei nach Annapolis, nach unserem Vorsitz der Pariser Konferenz, nach unserer Unterstützung der Arabischen Liga „inconnue“, Sie können andere Dinge sagen, aber ich glaube nicht, dass „inconnue“ hier das passende Wort ist. Das mag Ihnen nicht gefallen –

(Einwand)

Sie mögen da anderer Meinung sein, doch man kann sehr schwer sagen, sie sei unbekannt. Ich teile viele der Gedanken, denen Sie so eloquent Ausdruck verliehen haben. Und ich könnte sagen, dass Sie, dass wir Verantwortung tragen und uns in den kommenden Tagen und Stunden den Herausforderungen stellen müssen. Sind wir in der Lage, die Situation zu lösen? Ich weiß es nicht. Sie wissen es nicht. Doch Sie können sicher sein, dass wir es versuchen werden, und wir werden versuchen, Salam Fayyad zu unterstützen, denn er war die ganze Zeit über unser Ansprechpartner. Er ist ein Mann des guten Willens, und deshalb können wir ihn nicht enttäuschen. Ich werde ihn nicht enttäuschen.

Deshalb müssen wir in dieser Richtung weitermachen. Es wird Frust geben. Es wird frustrierend sein. Werden wir alle Probleme lösen? Ich weiß es nicht. Doch wir werden es mit all unserer Energie tun und unser Bestes geben.

Ich teile alle Ansichten, die hier zum Ausdruck gekommen sind. Ich würde nicht sagen, in stärkerem Maße als Sie, aber zumindest im selben Maße wie alle Kollegen hier, denn wir stehen auf derselben Seite, wir kämpfen schon lange Zeit zusammen an dieser Front. Deshalb gibt es keine Meinungsunterschiede, und wir müssen das fortsetzen, was wir angefangen haben.

Ich denke, wir müssen uns in diese Richtung bewegen. Ich verspreche Ihnen, dass ich das tun werde. Ich werde versuchen, mich mit den Ägyptern, den Saudis und allen anderen zu treffen – den Amerikanern, den Russen, einfach allen –, um zu schauen, ob uns etwas Neues einfällt. Es muss etwas völlig anderes sein. Ansonsten werden wir meiner Meinung nach keine Ergebnisse erzielen können.

Sie sagen jetzt vielleicht, Sie hätten viele Jahre lang keine Ergebnisse gesehen. Seit 1967 haben wir gemeinsam, als eine internationale Gemeinschaft, keine Ergebnisse erzielt. Das stimmt. Dafür sind wir verantwortlich. Doch ich denke nicht, dass wir das Problem morgen lösen können, indem wir jetzt eine Entscheidung fällen, die sich von der unterscheidet, die wir am Montag im Rat getroffen haben.

Wir haben jetzt von der Sitzung des Europäischen Rats am Montag ein Gerüst, und wir müssen versuchen, dieses umzusetzen. Ich würde gerne noch einmal mit Ihnen reden und ganz offen, so wie jetzt hier, die Konsequenzen unseres Tuns besprechen.

Doch bitte denken Sie nicht, wir seien nicht einer Meinung. Denn wir sind es. Wir kennen die Situation dort und mehr können wir nicht sagen. Und was das Handeln betrifft, seien Sie sicher, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet während der Februar-Tagung statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. (IT) Vielen Dank, Herr Präsident! Zu oft hat dieses Hohe Haus die israelisch-palästinensische Frage in langen Debatten erörtert. Nichtsdestotrotz müssen wir feststellen, dass objektiv gesehen die Europäische Union bisher in dieser Angelegenheit nur eine vollkommen unerhebliche Rolle zu spielen vermochte: viele Proklamationen, Absichtserklärungen, Anträge und Dokumente, doch dann in der Praxis wirklich wenig konsequente Aktionen. Ich habe vor kurzem Palästina besucht und festgestellt, dass Mutlosigkeit, Enttäuschung und Resignation unter der Bevölkerung herrschen, die der jahrelangen, nicht eingehaltenen Versprechungen überdrüssig ist: Die Situation spitzt sich zu und bringt die ernste Gefahr mit sich, dass die palästinensischen Gebiete den Hamas-Extremisten in die Hände fallen. Die Lage ist angespannt, und der Einsatz von Gewalt scheint nahezu unausweichlich. Es ist fünf vor Zwölf: Entweder Europa bringt die Kraft und die Fähigkeit auf, das Blatt zu wenden, oder wir alle werden die Verantwortung dafür tragen müssen, nicht genug getan zu haben, um das Schlimmste zu verhindern.

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. (EN) Wie mein Kollege Michael Gahler sagte, orientiert sich die gegenwärtige Entschließung an der Linie der sechs Mächte, um den Druck auf den Iran aufrechtzuerhalten.

Meiner Ansicht nach besteht das praktische Problem darin, wie diese Entschließung vom iranischen Regime aufgenommen werden wird. In einer Situation, in der die wichtigsten Mächte der internationalen Politik nicht willens oder in der Lage sind, der Verhängung von harten Sanktionen über Iran zuzustimmen, gibt es kaum eine Chance, dass diese Entschließung etwas bewirken wird.

Doch es gibt noch einen anderen – bisher noch nicht erprobten – Weg, mit dem man etwas bewirken könnte.

Dieser Weg wäre, der iranischen Oppositionsbewegung eine Chance zu geben, indem sie von den EU-Regierungen nicht mehr unterdrückt wird. Das Europäische Gericht erster Instanz urteilte im Dezember 2006 und die britischen Gerichte voriges Jahr im November, es gebe absolut keinen Grund, die iranische Opposition so zu isolieren. Wenn die iranische Opposition freie Hand für friedliche Aktivitäten erhält, wird die EU nicht nur über ein effektives Druckmittel verfügen, um das Mullah-Regime zu beeinflussen, sondern es wird auch eine dritte und realistischere Option zwischen Wunschdiplomatie auf der einen Seite und Militärinterventionen à la USA auf der anderen Seite eröffnet.

Wenn es uns ernst damit ist, im Iran eine positive Wende herbeizuführen, dann lassen Sie uns dieser dritten Option eine Chance einräumen.

 
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