7. Europäische Strategie zur Roma-Problematik (eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll
8. Erklärung der Präsidentschaft
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Ungarn haben gestern auch Slowenien und Malta den Lissabonner Vertrag ratifiziert.
(Beifall)
Das slowenische Parlament hat mit einer sehr großen Mehrheit für den Vertrag gestimmt. Das maltesische Parlament hat sich sogar einstimmig für den Vertrag ausgesprochen. Dies ist ein wichtiges politisches Signal. Die Mitgliedstaaten machen damit deutlich, dass sie die Vertragsratifizierung zügig voranbringen wollen, damit der Vertrag wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten kann.
Ich beglückwünsche Slowenien und Malta zu dieser in die Zukunft weisenden Entscheidung.
(Beifall)
Das slowakische Parlament hat, wie Sie wissen, aus innenpolitischen Gründen seine Abstimmung gestern auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Ich appelliere an alle politisch Verantwortlichen in der Slowakei, ihrer großen politischen Verantwortung gerecht zu werden.
9. Genehmigung des Protokolls
(Das Protokoll der vorangegangenen Sitzung wird genehmigt.)
⁂
Nigel Farage (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Im Protokoll der vorangegangenen Sitzung wird Ihr Redebeitrag aufgeführt, in dem Sie auf die Zwischenfälle bei der Dezember-Sitzung in Straßburg eingingen. Sie haben gemäß Artikel 147 unserer hoch geschätzten Geschäftsordnung seitdem 13 Mitglieder dieses Parlaments zu sich gebeten, um sie disziplinarisch zu belangen.
Das scheint mir relativ willkürlich geschehen zu sein. Ich bezweifle, dass eine dieser besagten Personen – Frau Sinnott von unserer Fraktion – jemals jemanden angeschrieen hat. Ein weiterer – österreichischer – Abgeordneter, den Sie zu sich zitierten, war an dem betreffenden Tag in Frankfurt. Er muss also wirklich eine gewaltige Stimme haben, nicht wahr?
Warum nur 13 Abgeordnete? An den so genannten Zwischenfällen waren rund 80 von uns beteiligt. Auf der Sitzung der Konferenz der Präsidenten bezeichneten Sie mich als einen der Verursacher des Ganzen – warum werde ich dann nicht bestraft? Ich bin Spartakus!
(„Ich-bin-Spartakus!“-Rufe vonseiten der IND/DEM-Fraktion)
Der Präsident. − Ich hatte aufgerufen zu Bemerkungen zum Protokoll. Ich hätte vom Fraktionsvorsitzenden der IND/DEM-Fraktion eigentlich erwartet, dass er die Bemerkungen des Präsidenten verstanden hat und sich auch zum Protokoll meldet. Das hat er ausdrücklich nicht getan, so dass wir jetzt fortfahren.
10. Anfechtung der Erklärung der Gültigkeit des Mandats eines Mitglieds: siehe Protokoll
11. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
12. Auslegung der Geschäftsordnung: siehe Protokoll
13. Arbeitsplan
Der Präsident. − Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom Donnerstag, dem 17. Januar 2007, gemäß Artikel 130 und 131 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:
Tagung in Brüssel:
Auf Antrag der GUE/NGL-Fraktion und im Einvernehmen mit allen Fraktionen schlage ich Ihnen vor, eine Erklärung des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – der bereits anwesend ist und den ich sehr herzlich begrüße, welcome, Javier Solana – und der Kommission über die Lage in Gaza als zweiten Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen, und zwar nach den Erklärungen zur Lage im Iran.
(Das Parlament nimmt den Antrag an.)
Es wurde ebenfalls beantragt, die Aussprache mit der Einreichung von Entschließungsanträgen abzuschließen und über diese während der Februar-Tagung abzustimmen.
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Die Gründe, die meine Fraktion veranlassten, eine Aussprache zu dieser Frage vorzuschlagen, sind dieselben, aus denen wir für Februar eine Entschließung vorgeschlagen haben: nämlich die Möglichkeit, Herrn Solana anzuhören, und zweitens unserem Parlament zu ermöglichen, seinen eigenen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen. Es handelt sich um drei Gründe.
Der erste ist selbstverständlich die Frage der Blockade des Gazastreifens, die wir als eine kollektive Bestrafung ansehen, die humanitär gesehen völlig inakzeptabel, politisch kontraproduktiv und in Bezug auf die Sicherheit Israels ineffektiv ist. Der zweite Grund besteht in der neuen Lage, die sich aufgrund der Grenzöffnung durch das Eingreifen der Bevölkerung von Gaza ergeben hat. Und insbesondere drittens die europäische Antwort auf die Frage, was wir tun können, um diese Öffnung auf kontrollierte, stabile Weise zu verstetigen und diesen Schritt nach vorn in die globale Perspektive des Friedensprozesses einzufügen.
Meiner Auffassung nach ist es nun sinnvoll, Herrn Solana anzuhören und eine Aussprache zu führen und diese im Februar mit einer Entschließung abzuschließen.
Daniel Hannan (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Eine Bemerkung zur Geschäftsordnung: Gemäß Artikel 173, 19 Absatz 1, 161 und 171 stellt der Beschluss des Ausschusses für konstitutionelle Fragen, den Sie soeben zitiert haben, den – ich bedauere, dies sagen zu müssen – Moment dar, an dem dieses Parlament seinem Anspruch an Rechtmäßigkeit bzw. Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gerecht wird.
In der letzten Woche baten Sie den Ausschuss für konstitutionelle Fragen willkürlich um die Gewährung eines Ermessensspielraums – den Sie auch erhielten –, um die Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses Ihrer eigenen Auffassung entsprechend nicht anzuwenden. Die Geschäftsordnung sieht einen solchen Spielraum nicht vor. Sie erwähnten Artikel 19 Absatz 1, den ich nun vorlesen möchte: „Der Präsident leitet unter den in dieser Geschäftsordnung vorgesehenen Bedingungen sämtliche Arbeiten des Parlaments und seiner Organe.“ Demnach haben Sie keinen Ermessensspielraum, diese außer Kraft zu setzen, nur weil Sie die Auffassungen derer, die Änderungsanträge oder andere Anträge vorlegen, nicht teilen, von denen Sie in Ihrem Schreiben selbst erklären, dass „sie sich formell auf die Bedingungen der (…) Geschäftsordnung stützen und sie einhalten“.
Was hat Sie dazu veranlasst, Herr Präsident? Wodurch handeln Sie so extrem, dass Sie lieber Ihre eigenen Vorschriften zerreißen als sich an die Buchstaben des Gesetzes zu halten? Trägt ein Dauerredner die Schuld, der verhinderte, dass es weiterging? Wohl kaum! Diejenigen von uns, die ein Referendum fordern, sind vielleicht 40 oder 50 von insgesamt 785! Wir sind eine kleine Minderheit. Das Schlimmste, was wir erreichen können, wäre, Ihre Mittagspause ein wenig nach hinten zu verschieben, indem wir Beiträge von einer Minute halten – aber selbst das ist für Sie unerträglich!
Könnte es sein, dass Sie so willkürlich gehandelt haben und die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen treten, weil Sie Ihre Verachtung der nationalen Wählerschaft, die gegen den Vertrag von Lissabon stimmt, wann immer sie Gelegenheit dazu erhält, ersatzweise an uns auslassen?
Wenn ich Unrecht haben sollte, beweisen Sie es, indem Sie die Referenden durchführen, die Sie befürwortet haben, als Sie dachten, sie gewinnen zu können. Legen Sie den Vertrag von Lissabon der Bevölkerung zur Abstimmung vor! Pactio Olisipiensis censenda est!
Der Präsident. − Herr Abgeordneter Hannan! Wenn Sie zitieren, würde es Ihre Glaubwürdigkeit steigern, wenn Sie alles zitieren. Denn es heißt im Artikel 19 auch: „Er“ – also der Präsident – „besitzt alle Befugnisse, um bei den Beratungen des Parlaments den Vorsitz zu führen und deren ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten.“ Um mir eine Rechtsauskunft zu holen und damit ich nicht ganz alleine nach eigener Entscheidung verfahre, bin ich den demokratischen Weg gegangen und habe diejenigen konsultiert, die am meisten davon verstehen, was die Geschäftsordnung angeht, nämlich den Ausschuss für konstitutionelle Fragen. Und der Ausschuss für konstitutionelle Fragen hat mir, dem Präsidenten, bzw. meinen Vertretern die Auslegung an die Hand gegeben, auf deren Grundlage wir verfahren können. Dies als undemokratisch zu bezeichnen, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis, denn es ist ein demokratisches und faires parlamentarisches Verfahren, das hier eingehalten wird.
Weitere Änderungen zum Arbeitsplan (siehe Protokoll).
14. Lage im Iran (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission zur Lage im Iran.
Ich begrüße sehr herzlich den Hohen Vertreter, Javier Solana, im Europäischen Parlament. Herr Hoher Vertreter, Sie haben das Wort.
Javier Solana, Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich nicht in die laufende Diskussion einmischen, sondern ergreife lediglich das Wort, weil Sie mich darum gebeten haben. Zunächst möchte ich Ihnen für die Einladung danken. Somit spreche ich jetzt zum ersten Mal im Jahr 2008 vor diesem Hohen Haus. Wir alle sind davon überzeugt, dass wir, gelinde gesagt, ein sehr aufregendes Jahr vor uns haben. Ich möchte die Zusammenarbeit mit dem Parlament, mit Ihnen und den verehrten Mitgliedern dieses Hohen Hauses, weiter ausbauen.
Die heutige Aussprache ist sehr wichtig, da es um ein Thema geht, das zu den bedeutendsten Punkten auf der Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft gehört. Ich möchte eine kurze Erklärung dazu abgeben und so viel Zeit wie nötig darauf verwenden herauszufinden, ob es eine gemeinsame Verständnisgrundlage für dieses sehr komplizierte Thema gibt – und es nicht nur verstehen, sondern auch zu seiner Lösung beitragen –, da es auf der internationalen Tagesordnung heute ganz oben steht.
Zunächst einige wenige Anmerkungen: Der Iran hat im Nahen Osten eine Schlüsselposition inne. Er hat strategische Bedeutung und ist auch als regionaler Akteur wichtig. Aus diesem Grund würden wir gerne konstruktive Beziehungen zu ihm aufbauen, was allerdings, wie Sie wissen, mit zahlreichen Problemen behaftet ist.
Die iranische Gesellschaft ist sehr dynamisch und mit talentierten Menschen gesegnet. Sie weist einen außergewöhnlich hohen Anteil an Frauen mit Hochschulabschluss auf. Persisch zählt zu den wichtigsten Sprachen im Internet, vor allem in Blogs, in denen junge Menschen nach Möglichkeiten suchen, sich selbst zum Ausdruck zu bringen.
Wie Sie nur allzu gut wissen, ist die politische Szene im Iran momentan von großem Interesse. Sie weist demokratische Elemente auf, die in anderen Ländern des Nahen Ostens nicht vorhanden sind, auch wenn der Wahlprozess noch viel zu wünschen übrig lässt. Von den im März stattfindenden Parlamentswahlen wurden, dies nur als Beispiel, 30 % der Kandidaten ausgeschlossen, worunter die Reformorientierten am meisten zu leiden hatten. Einige von ihnen werden die Möglichkeit haben, dagegen Widerspruch einzulegen, andere hingegen nicht. Dennoch ist eine unvollkommene Demokratie immer noch besser als gar keine Demokratie, und es ist richtig, dass wir mit den iranischen Abgeordneten in Kontakt treten sollten. Ich danke dem Europäischen Parlament sehr dafür, dass es eine Delegation in den Iran entsendet, die sich mit ihren Amtskollegen im iranischen Parlament trifft.
Die Mitglieder dieses Parlaments machen sich zu Recht Sorgen über die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte im Iran, der sich auf dem weltweiten Index der Pressefreiheit beinahe an letzter Stelle befindet. Die Anzahl der Hinrichtungen ist gestiegen. Bedauerlicherweise wird auch viel von Folterungen berichtet. Geschehnisse dieser Art sind untragbar und schaden nur dem Image des Iran, ein zivilisiertes Land zu sein.
Alle, die sich für die Menschenrechte im Iran einsetzen – als Beispiel soll hier die von einer Million Menschen unterzeichnete Kampagne für die Rechte der Frauen dienen –, haben unsere Unterstützung und Bewunderung verdient. Heute Morgen hatte ich glücklicherweise Gelegenheit, mich darüber mit Frau Souhayr Belhassen zu unterhalten, die, wie Sie wissen, zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Internationalen Menschenrechtsföderation gehört. Mehr Freiheit, mehr Rechenschaftspflicht und größere Gerechtigkeit könnten den Iran zu einer der kreativsten und dynamischsten Gesellschaften im Nahen Osten machen. Die Europäische Union hat in der Vergangenheit einen Menschenrechtsdialog mit dem Iran geführt, zu dem dieser seit 2004 allerdings nicht mehr bereit ist.
Es gibt jedoch viele Bereiche von gemeinsamem Interesse, deren Potenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft wird, allen voran der Energiesektor – aber auch den Drogenhandel und Terrorismus könnten wir noch besser gemeinsam bekämpfen.
Es wäre gut, wenn wir in diesem Bereich besser mit dem Iran zusammenarbeiten könnten. Das erweist sich momentan allerdings als problematisch, weil es schwierig ist, im Iran einen konstruktiven Partner zu sehen. In fast jedem Bereich verfolgen wir unterschiedliche, manchmal sogar entgegengesetzte Strategien. Wir wollen eine Zwei-Staaten-Lösung in Palästina und den Erfolg der Konferenz von Annapolis. Der Iran ist jedoch nach wie vor das einzige Land im Nahen Osten, das die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung ablehnt. Er zählt zu den wichtigsten Waffenlieferanten der Hamas. Präsident Ahmadinedschads Äußerungen über Israel und seine Leugnung des Holocaust sind für uns alle absolut untragbar. Wie Sie wissen, stellt der Iran auch einen destabilisierenden Faktor für den Libanon dar und ist der wichtigste Waffenlieferant der Hisbollah. Auch hat er mit Gruppen zusammengearbeitet, die im Irak Gewalt ausüben.
All das macht den Iran in unseren Augen zu einem störenden und schwierigen Akteur im Nahen Osten. Dennoch müssen wir ihn verstehen und besser auf ihn eingehen. Es gab Zeiten der Zusammenarbeit mit ihm, beispielsweise in Afghanistan, die von Erfolg gekrönt waren, und meiner Ansicht nach sollten wir wieder solche Gelegenheiten suchen.
Aber, wie Sie wissen, ist eines der besorgniserregendsten Themen das iranische Atomprogramm. Sollte der Iran eine Waffe entwickeln, könnte dies zu radikaler Instabilität führen und eine große Gefahr für den Nahen Osten bedeuten. Darüber hinaus würde dadurch das gesamte System der Nichtverbreitung enormen Schaden nehmen. Allein der Verdacht, dass der Iran auf eine Atomwaffe aus ist, kann bereits die Stabilität im Nahen Osten gefährden.
Unser Ziel ist es, diesen Verdacht aus der Welt zu schaffen, was letzten Endes nur durch eine Verhandlungslösung erreicht werden kann.
Wir begrüßen es, dass der Iran mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammenarbeitet, um einige der so genannten „noch offenen Fragen“ zu lösen. Momentan muss der Iran Dr. El Baradeis Fragen zu wichtigen Themen wie der Bewaffnung und vor allem andere entscheidende Fragen im Zusammenhang mit der Kontamination beantworten.
Doch selbst wenn diese Fragen zur Vergangenheit beantwortet sind, liefert dies nicht die Transparenz, die wir hinsichtlich der aktuellen Tätigkeiten oder künftigen Absichten des Iran fordern. Die Transparenz erfordert es, dass der Iran – wie bereits mehrfach gefordert – das Zusatzprotokoll jetzt ratifiziert und umsetzt.
Vertrauen in seine künftigen Absichten zu haben, ist viel schwieriger. Angenommen, der Iran verfügte in der Vergangenheit über ein Waffenprogramm – wie können wir dann heute sicher sein, dass die jetzige Anreicherung ausschließlich zivilen Zwecken dient? Besonders schwierig ist es, da es momentan keine Anzeichen dafür gibt, dass der Iran einen Vertrag über den Bau eines Atomkraftwerks unterzeichnet, abgesehen von dem Vertrag mit den Russen für das Kraftwerk in Bushehr, wofür die Russen den Brennstoff geliefert haben. Es wird lediglich von Anreicherung gesprochen. Wenn ich die Vertreter der iranischen Regierung frage – was Sie kürzlich ebenfalls taten –, was sie mit dem angereicherten Uran vorhaben, bekomme ich nie eine Antwort. Das ist auch Ihnen vor wenigen Tagen so gegangen.
Fakt ist, dass der Iran ein ziviles Programm nur mit Hilfe der Länder aufbauen kann, die der Gruppe der sechs Länder angehören, die mit ihm verhandeln – oder dies versuchen –, mit Ausnahme Japans. Kein anderes Land der Welt kann ein Land, das ein ziviles Atomprogramm nutzen oder entwickeln will, beliefern, ohne mit anderen Ländern oder Unternehmen zusammenzuarbeiten, die der Gruppe der sechs Länder plus Japan angehören. Keiner von uns hält das Zivilprogramm des Iran für problematisch; ja, wir bieten ihm sogar Hilfe an. Doch keiner von uns wird dazu bereit sein, solange wir nicht sicher sind, dass der Iran ausschließlich friedliche Absichten hegt.
Daher versuchen wir stets, eine Verhandlungslösung herbeizuführen. Bisher ist uns das bedauerlicherweise nicht gelungen. Leider ist es ebenfalls unmöglich, gar nichts zu unternehmen, während der Iran die Resolutionen der Behörde oder des UN-Sicherheitsrats weiter ignoriert. Daher wird in New York an einer weiteren Resolution gearbeitet. Ziel dieser Resolutionen ist es nicht, den Iran zu bestrafen, sondern ihn zu überzeugen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, und zwar, so sehe ich das, so bald wie möglich. Die Europäische Union und die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind da völlig einer Meinung. Am vergangenen Donnerstag fand in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Sitzung statt.
Vielleicht darf ich hier noch etwas hinzufügen, das über den Iran hinausgeht. In einer Welt, in der immer größeres Interesse an Atomkraft besteht, müssen wir Möglichkeiten finden, den Ländern zu versichern, dass sie an Kernbrennstoff herankommen können, ohne selbst anreichern zu müssen –, was für sie kostspielig wäre und zu Bedenken hinsichtlich der Weiterverbreitung führt. Ich selbst bin ein großer Verfechter der Idee, internationale Garantien für Brennstofflieferungen zu schaffen, vielleicht in Form einer Brennstoffbank. Mit diesem Gedanken spielen viele unserer Partner und viele wichtige Persönlichkeiten der internationalen Gemeinschaft. In diesem Bereich gibt es viele gute Ideen. Meiner Ansicht nach ist nun die Zeit gekommen, diese Ideen umzusetzen, sie Realität werden zu lassen.
Wie eingangs erwähnt, hat der Iran eine Schlüsselposition inne. Ich setze mich nun seit Jahren dafür ein, dass sich unsere Beziehungen zum Iran normalisieren. Davon werden wir alle profitieren – Iraner und Europäer gleichermaßen. Davon bin ich überzeugt, und ich werde unerbittlich und unaufhörlich auf dieses Ziel hinarbeiten, das meines Erachtens sowohl den Menschen im Iran als auch in der Europäischen Union zugute kommen wird.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! In der jetzigen Situation halte ich es für unvermeidlich, bei den Diskussionen über den Iran das Atomprogramm in den Mittelpunkt zu stellen. Die internationale Gemeinschaft sucht gemeinsam nach einer zufriedenstellenden Lösung. Das bedeutet, dass sie über die geeigneten Gremien mit der IAEA und dem UN-Sicherheitsrat zusammenarbeitet, und auch, dass sie die kontinuierlichen Bemühungen des Hohen Vertreters Javier Solana im Namen der Drei plus Drei unterstützt und dabei auch Rückendeckung von der Europäischen Union erhält, weil internationale Einigkeit, wie beim letzten Treffen in Berlin deutlich wurde, absolut unerlässlich ist.
Als ich in der letzten Woche Dr. Saeed Jalili, den iranischen Chefunterhändler, empfing, habe ich ihn an unseren grundsätzlichen Standpunkt erinnert. Niemand hat dem Iran je das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie abgesprochen, aber es war wirklich dringend notwendig, das Vertrauen wieder aufzubauen und einen echten politischen Willen, eine Lösung zu finden, an den Tag zu legen.
Während die Europäische Union sich wirklich nach Kräften bemühte, konnte ich auf iranischer Seite bedauerlicherweise keinen entsprechenden politischen Willen erkennen. Solange dieser nicht existiert, wird es leider auch keine Möglichkeit geben, unsere Beziehungen auszubauen, was auch für den Beginn bzw. Neubeginn der Verhandlungen über das Handels- und Kooperationsabkommen und die Energiegespräche gilt. Das habe ich Dr. Jalili bei unserem Treffen auch ganz deutlich gesagt.
Ich bin davon überzeugt, dass das Parlament das auch so sieht und den Hohen Vertreter Solana und die Drei plus Drei weiterhin nachdrücklich bei der Suche nach einer dauerhaften Lösung unterstützt – die zugleich eine diplomatische Lösung ist, die neben der Wahrung des unveräußerlichen Rechts des Iran, die Kernenergie zu friedlichen Zwecken auszubauen, auch objektive Garantien bietet, dass diese Tätigkeiten ausschließlich friedlichen Zwecken dienen.
Auch wenn der Ausbau der Beziehungen der EU zum Iran maßgeblich von den Fortschritten in diesem Bereich abhängt, sollte die EU nach Ansicht der Kommission in Bezug auf den Iran mehrgleisig fahren.
In diesem Zusammenhang möchte ich meine Anerkennung für die Arbeit der Delegation für die Beziehungen zu Iran aussprechen, die so dynamisch von Frau Angelika Beer geleitet wurde. Frau Beer, ich möchte Sie ganz besonders für die von Ihnen geleitete Teheran-Reise im Dezember loben. Kontakte des Europäischen Parlaments, zum Beispiel mit seinem iranischen Partner, stellen eine wichtige Kommunikationsmöglichkeit für die Europäische Union und die Islamische Republik Iran dar.
Ihre Treffen mit hochrangigen Beamten wie Außenminister Mottaki und den verschiedensten Vertretern der iranischen Gesellschaft waren und sind äußerst hilfreich. Durch Zusammenkünfte mit Aktivistinnen, Familien inhaftierter Studenten, Gewerkschaftern und Minderheitengruppen wird verdeutlicht, wie wichtig der Europäischen Union ein völlig freier, demokratischer und pluralistischer Iran ist, der die internationalen Übereinkommen einhält, denen die Islamische Republik Iran freiwillig beigetreten ist.
Zwischenmenschliche Kontakte eignen sich hervorragend, um Vorurteile abzubauen, mit negativen Klischees aufzuräumen und das gegenseitige Verständnis zu fördern. So ist es beispielsweise sehr wichtig, die Weiterentwicklung des akademischen, kulturellen und künstlerischen Austauschs zwischen Europa und dem Iran zu unterstützen – zwei antiken Leuchttürmen der Zivilisation, die einander eine Menge bieten können.
Daher freut es mich ganz besonders, in diesem akademischen Jahr den erfolgreichen Start des „Erasmus Mundus External Cooperation Window“ zu vermelden, mit dessen Hilfe Kontakte zwischen Unionsbürgern und Studenten und Professoren aus dem Irak, dem Jemen und dem Iran geknüpft werden. Von Teheran über Shiraz und Mashhad bis nach Alzahra – das Netz der an diesem Konsortium teilnehmenden iranischen Hochschulen sieht äußerst vielversprechend aus. Im Rahmen des ersten Loses konnten bereits mehr als 50 Studenten und Professoren aus dem Iran in Europa studieren und forschen. Ich hoffe sehr, dass dieses Verfahren in beide Richtungen funktioniert und auch europäische Studenten und Professoren in den Iran gehen werden.
Darüber hinaus setzen wir unsere Zusammenarbeit mit dem Iran auch in weiteren Bereichen fort und unterstützen beispielsweise afghanische Flüchtlinge oder bekämpfen den Drogenhandel. Hier möchte ich Sie auf die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für die Gewährung von Zuschüssen an nichtstaatliche Akteure und lokale Behörden im Iran aufmerksam machen.
Ziel des Programms –übrigens das erste für den Iran– ist die Förderung und Stärkung einer integrativen und selbstbestimmten Gesellschaft. Es umfasst Bildungs- und Entwicklungsmaßnahmen mit dem Schwerpunkt Armutsbekämpfung.
Darüber hinaus werden durch das Programm die Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und den lokalen Behörden und Maßnahmen zur Stärkung ihrer Kapazitäten gefördert. Das Ausschreibungsverfahren ist bereits eröffnet und läuft bis zum 11. Februar.
Des Weiteren begrüße ich die vom Plenum am 13. Dezember 2007 getroffene Entscheidung, 3 Mio. Euro für einen Fernsehnachrichtensender auf Farsi zur Verfügung zu stellen. Die Erstellung und Sendung von Informationen mit starkem europäischem Bezug zu unterstützen, kann in der iranischen Öffentlichkeit bei der Förderung eines besseren gegenseitigen Verständnisses eine wichtige Rolle spielen.
Abschließend möchte ich noch einen wichtigen Punkt ansprechen: die Frage der Demokratie und Menschenrechte. Vor den Augen dieses Parlaments betonte Dr. Jalili in der letzten Woche, wie wichtig die Menschenwürde sei. Ich kann ihm da natürlich nur zustimmen, doch als ich mit ihm zusammentraf, konnte ich leider nur meine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass sich die Menschenrechtslage im Iran verschlechtert.
Wie AFP anhand von Presseberichten vermeldete, wurden im Iran im letzten Jahr 297 Menschen hingerichtet. Das entsprach insgesamt einem deutlichen Anstieg gegenüber dem Jahr 2006, in dem laut Amnesty International 177 Hinrichtungen stattfanden. Auf andere sehr grausame Tötungsmethoden möchte ich hier nicht eingehen. Ich musste also meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Menschenrechtsdialog zwischen der EU und dem Iran wieder aufgenommen werden kann.
Außerdem habe ich die Hoffnung geäußert, dass bei den bevorstehenden Parlamentswahlen deutlich mehr Kandidaten zur Verfügung stehen als bisher. Die Europäische Union wird darauf sehr genau achten. Die am 25. Januar veröffentlichte jüngste Erklärung zu Todesstrafen im Iran ist ein weiteres typisches Beispiel dafür.
Wir sind völlig einer Meinung mit dem Parlament, dass sich unsere Beziehungen zum Iran nur entsprechend weiterentwickeln können, wenn sich die Menschenrechtslage systematisch bessert.
Michael Gahler, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Wir beschäftigen uns in unserer Entschließung mit der Menschenrechtslage und dem Atomkonflikt mit dem Iran. Zum Thema Menschenrechte hat sich dieses Haus seit Jahren immer wieder deutlich geäußert. Der Hohe Vertreter hat auch heute bereits auf Hinrichtungen und Folter hingewiesen. Aus aktuellem Anlass möchte ich die Namen von politischen Aktivisten der Ahwasi nennen, die zum Tode verurteilt worden sind, mit der Forderung, dass die Strafen nicht vollstreckt werden. Es sind dies: Zamal Bawi, Faleh al-Mansouri, Said Saki und Rasoul Mazrea, außerdem zwei kurdische Journalisten, Abdolwahed 'Hiwa' Butimar und Adnan Hassanpour. Möge diese europäische Öffentlichkeit ihnen Schutz gewähren!
Was den Atomkonflikt betrifft, so hat Herr Jalili, der iranische Chefverhandler, dem Auswärtigen Ausschuss in der vergangenen Woche keine Klarheit über die tatsächlichen Absichten des Iran geliefert. Fragen von 24 Kollegen wurden en bloc und nur sehr kursorisch beantwortet. So wird das große Misstrauen nicht beseitigt, das zwischen der internationalen Gemeinschaft und dem Iran herrscht. Diese Nicht-Antworten werden daher am besten durch Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft beantwortet, und deswegen begrüßen wir auch in unserer Entschließung die Vereinbarung, die am 22. Januar in Berlin zu einem Entwurf für eine neue UN-Sicherheitsratsresolution erzielt wurde. Da sind dann auch Russland und China mit an Bord. Das ist das wichtige Signal gegenüber Iran. In dieser Resolution werden weitere Maßnahmen vorgesehen, und zwar als gemeinsamer Ansatz der Völkergemeinschaft.
Ich halte es für richtig, dass wir den Dialog suchen, wo er möglich ist, dass wir in diesem Rahmen aber auch immer wieder deutlich machen, wofür wir stehen: zum einen für Menschenrechte, zum anderen aber auch für Kooperation, allerdings erst dann, wenn das Vertrauen zu dieser unserer Gemeinschaft wiederhergestellt ist.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Hoher Beauftragter, Frau Kommissarin! Es geht um drei Dinge: um die Menschenrechte, um die Frage der atomaren Bewaffnung und um freie demokratische Wahlen im Iran. Worum es heute nicht geht, ist die Frage, ob Mudschaheddin auf die schwarze Liste kommen sollen oder nicht, das werden wir getrennt behandeln.
Was die Menschenrechte betrifft, so ist uns besonders die vielfache, zum Teil sehr grausame Verhängung der Todesstrafe im Iran ein Dorn im Auge. Ich schließe mich hier den Worten des Kollegen Gahler an, und hoffe, dass unsere Öffentlichkeit etwas bewirken kann.
Zweitens, was die atomare Bewaffnung betrifft: Wir sind absolut der Meinung, die der Hohe Beauftragte auch zum Ausdruck gebracht hat. Wir wollen keine atomaren Waffen im Iran, wir wollen auch in der gesamten Region keine atomaren Waffen. Es war schon ein Skandal, wie unter anderen leider auch die Vereinigten Staaten von Amerika zugesehen haben, als die Bombe in Pakistan entwickelt wurde, und zugesehen haben, als unter anderem auch die Technologien zum Bombenbau in den Iran transferiert wurden, weil man in Pakistan nur den gemeinsamen Kampf gegen die Sowjetunion und damit auch Afghanistan gesehen hat.
Was wir aber brauchen, ist Kontrolle — da bitte ich Sie, Herr Hoher Beauftragter, in diese Richtung besonders zu wirken —, dass vor allem auch die Anreicherung und die Entsorgung im Bereich der atomaren Industrien stärker multilateralisiert und stärker kontrolliert werden. Da müssen wir mehr tun, weil es hier nicht nur um den Iran geht, sondern auch um andere Länder.
Was wir auch brauchen — da müssen die Amerikaner noch mehr nachgeben —, ist die Anerkennung von berechtigten Sicherheitsbedürfnissen, nicht einer Regierung, aber des Landes Iran. Diese Sicherheit muss gewährleistet werden, dann könnten wir sicherlich auch in unserem Dialog mit dem Iran Fortschritte machen. Ich bekenne mich ebenfalls zur UN-Resolution, weil es ein wichtiger Schritt nach vorne ist.
Auch was die Wahlen betrifft, kann ich mich Ihnen nur anschließen, Herr Hoher Beauftragter. Wahlen und Demokratie haben nur dann einen Sinn, wenn es wirklich freie Wahlen gibt, und wenn Herr Ahmadinedschad meint, er hätte eine so breite Unterstützung im Iran, dann kann ich ihm hier von dieser Stelle nur zurufen: Herr Ahmadinedschad, machen Sie wirklich freie Wahlen möglich, ohne Intervention von außen, dann werden Sie sehen, ob Sie eine so breite Unterstützung haben! Freie Wahlen im Iran sind ein wichtiger Aspekt der Demokratisierung der gesamten Region.
(Beifall)
Annemie Neyts-Uyttebroeck, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Herr Solana! Frau Kommissarin! Es ist ein Paradox, wie Herr Solana bereits sagte, dass ein Land mit solch langer Geschichte, solch reicher Kultur und einer so dynamischen Bevölkerung wie der Iran die unvorstellbarsten Menschenrechtsverletzungen begeht. Die Zahl der im vergangenen Jahr ausgesprochenen Todesurteile ist – worauf die Frau Kommissarin ebenfalls hinwies – eine tragische Illustration dieser Tatsache.
Ich teile daher gemeinsam mit meiner Fraktion die Ansicht, dass der Iran eigentlich Verrat an seiner eigenen Geschichte begeht, wenn das gegenwärtige Regime seine Bevölkerung in einer Weise behandelt, wie dies bedauerlicherweise seit Jahren geschieht. Nichtsdestotrotz liegt die Lösung nach meinem Dafürhalten in der Fortsetzung des Dialogs – zweifellos mit der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft, daneben jedoch auch mit den politischen Behörden, wie schwierig dieses Unterfangen auch sein mag.
In diesem Zusammenhang stellte sich die Diskussion mit Herrn Jalili in der vergangenen Woche als nicht gerade erfreulich heraus, obgleich ihr eine herausragende Rolle zukam, denn er wird jetzt verstanden haben, dass niemand, aus keiner Fraktion in diesem Hause, erneut dem Einsatz der iranischen Nuklearforschung für militärische Zwecke zustimmen oder auch nur in Betracht ziehen würde, ohne Reaktion unsererseits.
Im Namen meiner Fraktion begrüße ich insbesondere den Vorschlag von Herrn Solana, eine Art multilaterale, multinationale Kernbrennstoffbank einzurichten, denn dies stellt wahrscheinlich einen gangbaren Weg dar, um unsere Sorge um die Nichtverbreitung von Kernwaffen mit der Chance zu verbinden, Ländern die Möglichkeit einzuräumen, weiterhin Nuklearaktivitäten für zivile Zwecke zu betreiben.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Solana! Die wichtigste und dringlichste Frage im Zusammenhang mit dem Iran besteht darin, eine Garantie zu erhalten, dass das Land nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Trotz der Informationen aus verschiedenen Quellen, einschließlich des Geheimdienstberichts, des National Intelligence Estimate, können wir heute nicht sicher sein, dass der Iran keine solchen Waffen entwickelt.
Es ist naiv zu glauben, die Urananreicherung diene im Iran seit 2003 ausschließlich zivilen Zwecken. Seit dieser Zeit wurde der reformorientierte Präsident Khatami durch die Vertreter einer sehr viel härteren politischen Linie ersetzt. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass jedes Nuklearprogramm in der Anfangsphase unter dem Deckmantel ziviler Vorhaben entwickelt wurde; dies war der Fall in Russland, Indien, China und Israel. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das heutige zivile Programm nur ein Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Anreicherung von Uran zu militärischen Zwecken ist. Die Europäische Union muss daher höchstmöglichen Druck auf den Iran ausüben und darf eine militärische Lösung nicht ausschließen.
Angelika Beer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte mich eingangs sowohl bei Javier Solana als auch bei Frau Ferrero-Waldner für die gute Vorbereitung, den Austausch und den Dialog vor der Reise, aber auch in dem Zeitraum danach bedanken!
Ich möchte auch darauf hinweisen – und das soll uns klar sein –, dass diese Debatte im Iran gehört wird. Es ist eine aufgeweckte, eine pluralistische Gesellschaft, die versucht, ihre Informationen zu bekommen, und diesen Weg unterstützen wir mit dem Farsi-Sender. Wir wissen, dass auch die Verantwortlichen unter Ahmadinedschad diese Debatte verfolgen, und deswegen ist es richtig, Ahmadinedschad und all seinen Unterstützern hier noch einmal klar zu sagen: Wir wissen, dass die Vielzahl der Kandidaten für die 296 Parlamentssitze – es sind über 7 000, und 2 000 davon sollen ausgeschlossen werden – zeigt, dass Ahmadinedschad innenpolitisch mit dem Rücken zur Wand steht. Unsere Solidarität gehört der Zivilgesellschaft, den Frauen, den Gewerkschaftern und all denen, die bedroht sind und deren Namen gerade vorgelesen wurden.
(Beifall)
Es gibt noch einen zweiten Punkt, weswegen wir diese Debatte heute wollten, für die ich mich wirklich bedanken möchte. Es gibt eine Sackgasse. Der Iran ist mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen und weiß nicht mehr, wie er weiterkommt, ist nicht mehr in der Lage, Angebote zu machen. Allerdings frage ich auch: Haben wir Europäer wirklich alle Spielräume ausgenutzt? Das Ergebnis unserer partei- und fraktionsübergreifenden Reise ist: Wir müssen einen eigenständigen Weg finden, um zu verhandeln, und das kann nur ohne Vorbedingungen stattfinden, und nicht, indem man dem anderen die Waffe auf die Brust setzt.
Eines habe ich ganz klar verstanden von all den Menschen, die wir treffen konnten, und die unsere Unterstützung brauchen: Sanktionen schwächen die Zivilgesellschaft und stärken Ahmadinedschad. Deswegen ist ein „Nur weiter so!“ keine politische Lösung, sondern ein Bleiben in der Sackgasse.
Deshalb möchte ich als Letztes darauf hinweisen: Wir wollen keine Atomwaffen – egal wo! Ich sage, ich will keine Atomenergie. Aber wenn es die Politik Sarkozys wird, weltweit nur noch Atomenergieverträge ohne jede Absicherung, wie etwa NPT-Verträge, zu schließen, dann wird die europäische Außenpolitik zum Proliferationsrisiko und trägt nicht zur Eindämmung bei.
(Beifall)
Der Präsident. − Vielen Dank, Frau Kollegin Beer, und gute Besserung für Ihren offensichtlich gebrochenen Arm!
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Nach der Vorlage der US-Geheimdienste gibt es eine neue Situation. Notwendig ist nun ein Moratorium in der Nuklearfrage. Der Fall muss zurück zur Internationalen Atomenergiebehörde und weg vom UN-Sicherheitsrat. Es gibt eine sehr lebendige Zivilgesellschaft im Iran, trotz aller Repressionen, etwa gegen Gewerkschafter. Unerträglich ist z. B. die Ablehnung von Kandidaten und Kandidatinnen für die Parlamentswahl. Ich spreche mich klar gegen eine Verschärfung der Sanktionen aus. Das ist kontraproduktiv, insbesondere auch für die demokratische Opposition. Nach wie vor gibt es Kriegsdrohungen gegen den Iran, insbesondere der USA. Meine Fraktion ist ganz klar gegen jede Kriegsdrohung und gegen jede Kriegsplanung.
Herr Solana, Ihr Mitarbeiter Robert Cooper wird im britischen Guardian zum neuen NATO-Atomwaffenpapier wie folgt zitiert: „Vielleicht werden wir Atomwaffen vor allen anderen verwenden. Aber ich würde mich hüten, das laut zu sagen.“ Herr Solana, steht diese Aussage im Zusammenhang mit dem Iran, und wann distanzieren Sie sich von dieser Aussage?
Nochmals: Kein Krieg und keine Eskalation gegen den Iran, stattdessen Verhandlungen!
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Aus der Islamischen Republik Iran gibt es gute und schlechte Nachrichten. Die gute Nachricht erhielten wir im vergangenen Monat, Mitte Dezember, von der iranischen Opposition in Teheran, die sich klar gegen die Verleugnung des Holocausts durch Präsident Ahmadinedschad aussprach und erklärte, der Holocaust sei ein nicht zu bezweifelndes historisches Ereignis. Punkt!
Die schlechte Nachricht besteht in der jüngst an die Adresse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gerichteten öffentlichen Androhung von Außenminister Mottaki, wonach Teheran mit entsprechend ernsten Konsequenzen reagieren werde, sollte der Sicherheitsrat eine neue Resolution mit Sanktionen gegen den Iran vor dem nächsten IAEA-Bericht zum Atomprogramm des Landes im März annehmen.
Herr Solana! Mich würde interessieren, was Sie von dieser öffentlichen Drohung halten. Wie beurteilen Sie zudem die Idee, der IAEA durch Einberufung einer unabhängigen Kommission technischer Experten zum Atomprogramm des Irans den Rücken zu stärken? Schließlich gibt es dafür Vorläufer in Form von UNSCOM und UNMOVIC. Der Bericht dieser Kommission sollte dann als Richtschnur für die Überlegungen des Sicherheitsrates dienen.
Philip Claeys (NI). – (NL) Herr Präsident! Das Regime im Iran ist und bleibt eine Gefahr für die Stabilität des gesamten Mittleren Ostens und weit darüber hinaus. Der Iran unterstützt islamistische Terrorgruppen im Libanon, in den Palästinensischen Autonomiegebieten, in Afghanistan, im Irak und anderenorts. Die Strategie der Europäischen Union sollte auf eine weitestgehende Isolierung des Irans in der Region abzielen. Daneben muss Russland ermutigt werden, die Zusammenarbeit mit dem Iran im Atombereich zurückzuschrauben. Die Atompläne des Irans stellen eine Bedrohung für den Weltfrieden dar.
Der Bericht der amerikanischen Geheimdienste zur Sicherheitslage, der National Intelligence Estimate, überraschte vor einigen Monaten die ganze Welt mit der Behauptung, der Iran hätte 2003 seine Bemühungen eingestellt, Kernwaffen zu produzieren. In den USA sind nun Forderungen laut geworden, die Erkenntnisse des NIE weiter zu untersuchen. Nichtsdestotrotz wäre es verkehrt, jetzt plötzlich davon auszugehen, die nukleare Bedrohung durch das Regime im Iran bestünde nicht mehr. Weshalb wird beispielsweise die Arbeit der Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde durch den Iran weiterhin dermaßen erschwert?
Uns ist allen hinlänglich bekannt, wozu das Regime in Teheran fähig ist. Zum einen stellt die Einhaltung der Menschenrechte ein Problem dar. Zum anderen gibt es klare Beweise für die Beteiligung des Irans am internationalen islamistischen Terror in der Vergangenheit. Wenn Präsident Ahmadinedschad öffentlich erklärt, er wolle Israel von der Landkarte tilgen, dann müssen wir solche Äußerungen ernst nehmen. Unter den gegenwärtigen Umständen wäre es deshalb falsch, den Druck auf Ahmadinedschad zu lockern. Es bedarf des Dialogs, aber die Europäische Union muss entschlossen in ihren Bemühungen und Bestrebungen auftreten, Freiheit und Stabilität stärker zu fördern.
15. Begrüßung
Der Präsident. − Ich begrüße auf der Ehrentribüne eine Delegation des Europaausschusses des polnischen Parlaments unter Führung des Ausschussvorsitzenden, Herrn Andrzej Grzyb. Die Delegation hält sich zu einem dreitägigen Studienbesuch im Europäischen Parlament auf. Ich hatte gestern die Freude, sie zu treffen. Herzlich willkommen!
(Beifall)
16. Lage im Iran (Fortsetzung der Aussprache)
Der Präsident. − Es folgt die Fortsetzung der Erklärungen des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission zur Lage im Iran.
Javier Solana, Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. − (EN) Herr Präsident! Ich habe die Ausführungen der Vertreter der Fraktionen des Europäischen Parlaments sehr aufmerksam verfolgt.
Dem heute Gesagten kann ich größtenteils zustimmen, weswegen ich nicht viel hinzuzufügen habe. Ich möchte mich aber zu den drei wichtigsten Themen äußern, die wir in Bezug auf den Iran heute meiner Ansicht nach diskutieren sollten.
Ich möchte noch einmal betonen, dass es kein Widerspruch ist zu behaupten, dass der Iran ein äußerst bedeutendes Land ist, das – potenziell – eine sehr dynamische Gesellschaft besitzt, und dass wir Beziehungen zu ihm anstreben müssen. Fakt ist, dass dies momentan sehr schwer ist. Wir müssen weiterhin versuchen, die Beziehungen zu einem so wichtigen Land wie dem Iran zu verbessern. Auch müssen wir betonen, dass es nicht genügend tut, um die Beziehungen zu uns zu verbessern. Bei den drei wichtigsten Themen, die ich eingangs erwähnt habe – Menschenrechte, regionale Fragen und die Nuklearfrage –, ist es sehr schwierig, in den Verhandlungen Fortschritte zu erzielen. In einem Bereich sind Fortschritte gänzlich unmöglich, weil der Iran 2006 völlig aus den Verhandlungen ausgestiegen ist: Der Menschenrechtsdialog wurde eingestellt – und zwar nicht von uns, sondern vom Iran!
Darauf möchte ich kurz eingehen. Wie ich bereits sagte, kann ich den meisten Bemerkungen, die heute zur Menschenrechtsfrage gemacht wurden, zustimmen. Letztere steht, wie einige Abgeordnete verlauten ließen, im Zusammenhang mit den Wahlen im März. Es wird sehr wichtig sein zu beobachten, wie sich die Öffentlichkeit – die Bürger des Iran – bei diesen Wahlen verhält.
Wichtig ist allerdings, dass die Kandidaten, die vorgeschlagen wurden, überhaupt gewählt werden dürfen. Wie Sie wissen, durften sich mehr als 30 % dieser Kandidaten gar nicht zur Wahl stellen. Viele von ihnen sind meiner Ansicht nach die „modernen Kräfte“ des Iran – wenn ich diesen Begriff einmal gebrauchen darf.
Das zweite große Problem ist regionaler Natur. Es wurde hier nicht weiter darauf eingegangen, aber es ist äußerst wichtig, dass der Iran sich zu einem konstruktiven Akteur entwickelt und nicht zu einem „Quälgeist“ für die Menschen im Nahen Osten wird und die Schaffung von Frieden im Nahen Osten – denn dahin muss der Friedensprozess im Nahen Osten unserer Meinung nach führen – behindert. Auf der Tagesordnung stehen zwei wichtige Punkte. Erstens der Friedensprozess im Nahen Osten, zu dem wir grundverschiedene Auffassungen haben. Wir glauben an eine Zwei-Staaten-Lösung – der Iran jedoch nicht. Wir müssen sehen, wie wir ihn dazu bringen können, diesen Prozess gutzuheißen, auf den sich alle arabischen Länder in der Region geeinigt haben und den er vor nicht allzu langer Zeit abgelehnt hat.
Der zweite Punkt betrifft den Libanon. Heute steht er zwar nicht auf der Tagesordnung, aber eigentlich steht er dort immer, auch wenn es formell nicht der Fall ist. Die Probleme des Libanon beschäftigen uns und lassen uns nicht los. Wir wissen, dass wir es hier mit einem Problem zu tun haben, bei dem der Iran sich viel konstruktiver zeigen sollte.
Mein dritter Punkt, den wir bereits mehrfach diskutiert haben, ist die Nuklearfrage. Zunächst möchte ich Frau Beer danken, weil ich vor der Iranreise des Ausschusses mit ihr gesprochen habe und wir einen hervorragenden, gut koordinierten Meinungsaustausch führen konnten. Die Zusammenarbeit mit der Behörde ist unerlässlich. Wir haben seit jeher darauf gedrängt und würden es sehr begrüßen, wenn die Zusammenarbeit Früchte trüge. Das reicht jedoch nicht aus. Wir müssen auch die „noch offenen Fragen“ lösen.
Wie Sie wissen, gehören diese Fragen der Vergangenheit an. Warum sind sie „noch offen“? Weil sie nie erläutert wurden, und genau darin besteht der Unterschied zu einigen anderen Ländern, die erwähnt wurden. Der Iran hat den Nichtverbreitungsvertrag unterzeichnet; er ist damit Verpflichtungen eingegangen, die er nicht eingehalten hat. Momentan diskutieren Dr. El Baradei und die für das Nukleardossier zuständigen Personen, ob diese „noch offenen Fragen“ gelöst werden können. Wir haben jetzt das Jahr 2008, und einige dieser Fragen bestehen bereits seit 2003, 2004 bzw. 2005.
Das war mein erster Punkt, und der zweite, sehr wichtige ist der, dass wir den zweigleisigen Ansatz nach wie vor unterstützen müssen. Wir wollen Verhandlungen und auch den Weg nach New York – und das parallel. Wir würden gerne wissen, wie dies vonstatten gehen kann. Wir möchten die Menschen im Iran nicht bestrafen, sondern dass die Verantwortlichen mit moralischen Verpflichtungen an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Hier ein Beispiel: Wie Sie wissen, gab es am vergangenen Dienstag ein Treffen in Berlin. Am Mittwoch aß ich mit Dr. Jalili hier in Brüssel zu Abend, am Donnerstag unterhielten wir uns über New York und darüber, wie der Prozess dort vorangebracht werden kann. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass wir etwas hinter seinem Rücken tun. Zum Beweis dafür, dass wir den Dialog fortsetzen möchten, habe ich ihn getroffen, mit ihm zu Abend gegessen und ihm das klar gemacht. Sie können also versichert sein, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um uns die Möglichkeit des Dialogs offenzuhalten, und zwar nicht nur offen, sondern in produktiver Weise offen.
Ich muss Ihnen nicht sagen, dass man manchmal keine Antwort auf seine Frage erhält. Sie führen hier Diskussionen und wissen, dass Sie mitunter – vielleicht aufgrund eines Problems mit der Übersetzung – keine Antwort auf Ihre Frage erhalten, möglicherweise Antworten auf andere, jedoch nicht auf die gestellte Frage. Sie wissen das – Sie haben diese Erfahrung selbst gemacht –, aber wir müssen es immer weiter versuchen, immer und immer wieder – und das werden wir auch tun!
Was den vorhin angesprochenen Geheimdienstbericht angeht – dafür sind nicht wir zuständig, sondern die Vereinten Nationen. Doch wenn Sie ihn lesen – wenn er veröffentlicht wird –, sind die entscheidendsten Punkte in jedem Fall bekannt: In ihm steht ganz klar, dass ein Teil des nuklearen Bewaffnungsprogramms im Jahr 2003 ausgesetzt wurde. Die Bewaffnung besteht nun aus drei Aspekten: Erstens – und das ist auch am wichtigsten – braucht man angereichertes Uran, denn wenn man das nicht hat, besteht keine Möglichkeit, ein militärisches Nuklearprogramm durchzuführen. Zweitens braucht man eine Rakete und drittens die eigentliche Sprengkapsel für die Bombe. Der Iran hat in der zweiten Phase aufgehört, und zwar 2003. So sieht der erste Teil aus.
Den zweiten Teil bildet die Rakete und, wie Sie wissen, entwickelt sich die Raketentechnik rapide weiter. Wir sind besorgt. Dies ist keine der Schlüsselfragen, aber doch ein Thema. Wir haben es nun mit einer Reichweite von 1 300 km zu tun, was keine Kleinigkeit ist. Den dritten Teil bildet das angereicherte Material, das gegen den Vertrag verstößt und nach wie vor produziert wird. Darin liegt der Kern des Problems: Wir müssen sehen, wie wir uns hier einigen können.
Ich wiederhole: Ein mit Kernenergie betriebenes Kraftwerk zur Stromerzeugung– ob Ihnen dieser Gedanke gefällt oder nicht, darum geht es hier heute nicht – ist erst sieben bis acht Jahre nach Vertragsunterzeichnung betriebsbereit. Es gibt überhaupt keinen Vertrag zwischen dem Iran und einem Land, das – mit Ausnahme Russlands – ein solches Atomkraftwerk bauen kann, um Kilowatt zu erzeugen. Wie Sie wissen, enthält der Vertrag mit Russland eine Klausel, wonach erstens Russland angereichertes Uran liefert und zweitens das verbrannte Material – also angereichertes Plutonium oder was auch immer dabei entsteht – nach Russland transportiert wird. Somit braucht der Iran kein angereichertes Uran, weil es ihm geliefert wird.
Zweitens: Wenn der Iran weiterhin anreichert, stellt sich die Frage nach dem Grund dafür, weil er es nirgendwo lagern kann, da es kein weiteres Kraftwerk gibt. Man darf diese Frage also ruhig stellen, doch wird man nur schwer eine Antwort erhalten. Dies ist die einzige Antwort auf diese Frage, die ich Ihnen geben kann, weil dies von Ihnen und den führenden Politikern und Bürgern der Union kontrolliert wird.
Ich habe versucht, Ihnen ehrlich darzulegen, wie wir die Lage einschätzen und die Probleme und die drei wichtigsten Fragen beurteilen, über die wir Europäer uns Sorgen machen müssen. Ich wiederhole: Wir haben großen Respekt vor diesem Land – wir haben großen Respekt vor dem Iran – und würden uns sehr gern mit ihm an einen Tisch setzen und es begrüßen, wenn er sich in die richtige Richtung bewegen würde.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Morgen verabschiedet das Europäische Parlament eine Entschließung zum Iran, die von unserer Fraktion unterstützt wird.
Es ist kein Zufall, dass es im ersten Teil dieser Entschließung um die Lage der Menschenrechte geht.
In der letzten Woche hatte unser Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ein völlig unbefriedigendes Treffen mit Herrn Jalili, der auf keine der ihm gestellten Fragen zu den Menschenrechten, zu Folterungen, öffentlichen Hinrichtungen, zum Kauf von nordkoreanischen Raketen und sowjetischen, mit nuklearen Sprengköpfen bestückbaren Torpedos eine Antwort gab.
Herr Solana, wir haben ganz deutlich gehört, dass Sie Antworten auf die Fragen erwarten, die Sie an Herrn Jalili gestellt haben; Kommissarin Ferrero-Waldner hat uns darüber informiert, und auch wir erwarten noch Antworten auf unsere Fragen an ihn.
Daher genügt es uns nicht, das Bedauern darüber auszudrücken, dass sie ihr Atomprogramm nicht ausgesetzt und damit den Appell der internationalen Gemeinschaft und drei Resolutionen der Vereinten Nationen missachtet haben. Wie Herr Solana gerade sagte, ist die internationale Gemeinschaft überzeugt, dass sie dabei sind, Uran für ein Programm anzureichern, das keinen friedlichen Zwecken dient.
Angesichts dieser Lage reicht es uns einfach nicht, Herr Präsident, im Entschließungsentwurf zu erklären, dass wir den Weg zu einem Kooperations- oder Assoziationsabkommen mit dem Iran nicht weiter verfolgen werden, solange es keine substanziellen Fortschritte in Fragen der Menschenrechte und der objektiven Garantien gibt, die uns die klare Gewissheit geben können, dass wir uns nicht auf dem Weg einer Urananreicherung für nicht friedliche Zwecke befinden.
Deshalb, Herr Solana, möchte ich Sie fragen, ob nach Ihrer Ansicht die vierte Resolution, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf der Grundlage der Tagung von Wien unter Teilnahme der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates plus Deutschland abfassen wird, ausreicht, um den Iran zu bewegen, den Appellen der Internationalen Gemeinschaft nachzukommen? Welchen Inhalt müsste diese Resolution der Vereinten Nationen haben, Herr Solana, um dieser Herausforderung zu begegnen und die Bedrohung zu entschärfen, die dieses Programm der Urananreicherung des Iran für den Frieden und die internationale Sicherheit bedeutet?
Lilli Gruber (PSE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Präsident Ahmadinedschad sagte heute in Busher, im Süden des Landes, Israel sei ein schmutziges zionistisches Gebilde, das früher oder später untergehen werde. Diese Äußerung ist selbstverständlich inakzeptabel und offensichtlich als Propaganda gedacht.
Am 14. März werden Parlamentswahlen im Iran stattfinden, bei denen die nicht eingelösten Versprechungen mehr zählen werden als die abgegebenen. Zudem ist auch in den USA der Wahlkampf im vollen Gange, und deshalb müssen wir uns an die Fakten halten. Der Iran ist heute die Führungsmacht in der Golfregion, und Washington versucht mit diesem Land ein Abkommen auszuhandeln. Im Dezember entschied der amerikanische Nachrichtendienst, dass der Iran keine unmittelbare Bedrohung darstellt. Am 12. Januar erhielt der IAEO-Generaldirektor Dr. El Baradei von den Iranern Zusicherungen in Bezug auf alle noch offenen Fragen.
Der Druck auf den Iran darf nicht nachlassen, doch wäre es hilfreich, ein Abkommen zu schließen, das für alle und für die Stabilität der Region von Nutzen ist, wobei radikale Maßnahmen, die oftmals ineffizient sind, vermieden werden sollten. Denken wir nur an den Irak und daran, dass die Sanktionen gegen dieses Land wirkungslos waren. Die Rolle des Iran im neuen Kräftegleichgewicht muss anerkannt und dem Iran müssen Sicherheitsgarantien in einem so turbulenten regionalen Umfeld geboten werden. Die direkte Beteiligung der USA ist von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Gespräche, von denen unter diesen Umständen nichts ausgeschlossen werden darf, worum die Europäische Union auch tatsächlich bemüht ist.
Andererseits ist völlig klar, dass der Iran bestimmte Verpflichtungen übernehmen muss: Er muss seine nuklearen und militärischen Ambitionen in Verbindung mit strikten Kontrollen aufgeben, eine konstruktive Rolle bei der Lösung bestehender Konflikte spielen und die Menschen- und die Frauenrechte und ganz allgemein die demokratischen Regeln achten. Vor kurzem übermittelte mir die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi eine Mail, in der sie die ernsten und immer häufigeren Menschenrechtsverletzungen anprangerte. Sie schrieb, dass dies heute im Iran ein wesentlich dramatischeres Problem als die Atomfrage sei. Wir sollten ihr Gehör schenken.
Baroness Nicholson of Winterbourne (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich danke Herrn Solana und Kommissarin Ferrero-Waldner für die überaus schwierige Arbeit an der Problematik der Islamischen Republik Iran, die so vielen Menschen weltweit und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen so viel Kopfzerbrechen und so große Sorgen bereitet.
Es war mir eine große Freude, bei der jüngsten Iran-Reise kurz vor Weihnachten meine Fraktion vertreten zu dürfen. Wie Herr Solana und Frau Ferrero-Waldner bereits berichteten, fanden dort außergewöhnlich gute Zusammenkünfte statt.
Natürlich stößt unsere Forderung nach einem Dialog in der Islamischen Republik Iran auf offene Ohren, weil der frühere iranische Präsident, wie Sie wissen, den Vereinten Nationen im Jahr 2000 die Idee eines interkulturellen Jahrs des Dialogs unterbreitet hat, die Sie in diesem Jahr in der Europäischen Union aufgegriffen haben.
Meiner Meinung gibt es vielfältige Möglichkeiten für einen Dialog– und zwar nicht nur im Bereich der Menschenrechte oder auch in der umso wichtigeren Nuklearfrage. Ich denke, wir sollten einen Dialog über kulturelle Themen führen – Musik, Kunst, Archäologie, Malerei, Kalligraphie –, da wir in diesem Bereich so viele historische Gemeinsamkeiten haben und sich hier für die Zukunft ein großes Potenzial auftut.
Darüber hinaus sollten wir meines Erachtens ein kritisches Thema diskutieren, nämlich die so genannte Barriere zwischen dem Islam und der Demokratie. Vielleicht ist es noch nicht aufgefallen, dass die Islamische Republik Iran davon überzeugt ist, dass sie diese konkrete Barriere überwunden hat und dass ihre Form der Demokratie mit ihrer Version des Islam völlig vereinbar ist, nämlich der äußerst wichtigen Scharia und der islamischen Tradition der Schiiten. Auch dies ist etwas, das wir meiner Ansicht nach begrüßen und in genau diesem Jahr diskutieren sollten, vielleicht sogar mit dem früheren Präsidenten Khatami oder mit anderen Persönlichkeiten aus dem Iran, die religiös und traditionell Einfluss ausüben.
Romano Maria La Russa (UEN). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingedenk auch dessen, was ich in dieser Aussprache gehört habe, vertrete ich die Auffassung, dass der einzig praktikable Weg definitiv der des Dialogs ist, obgleich schwer zu begreifen ist, auf welcher Grundlage sich dieser Dialog entwickeln könnte.
Denn wie soll es möglich sein, einen Dialog mit einem Land zu führen, das die Kinderrechte nicht achtet und die Todesstrafe auf Minderjährige ausweitet? Mit einem Land, oder vielleicht sollte man besser sagen, mit einem Regime, das öffentliches Hängen praktiziert, einem Regime, das damit droht, den Staat Israel auslöschen zu wollen? Und sollten wir die Atomfrage vielleicht aufschieben und nicht gleich an der friedlichen Nutzung der Kernenergie zweifeln? Inwieweit sollten wir den militärischen Plänen der Landesverteidigung Glauben schenken? Können wir ein Regime, das den Guerillakrieg in Nachbarländern finanziert, für vertrauenswürdig halten?
Was ferner den CIA-Bericht angeht, so würde ich raten, sich nicht zu viele Illusionen über dessen Glaubwürdigkeit zu machen. Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass so ein Bericht später öffentlich dementiert wird. Sicherlich können wir niemandem die Möglichkeit verwehren, Kernversuche zu friedlichen, nichtmilitärischen Zwecken durchzuführen, doch Präsident Ahmadinedschad gibt nicht nur keine Garantien, nicht mal eine einzige, sondern lässt wirklich das Schlimmste befürchten.
Unter Ausschluss der Option einer militärischen Intervention – das ist, wie ich glaube, die Auffassung aller Repräsentanten und Mitglieder des Europäischen Parlaments: das Ausschließen einer militärischen Intervention ist das Entscheidende – denke ich, dass die Option von Sanktionen eine Katastrophe für alle wäre, sie wäre von Nachteil für die Wirtschaft und für ein hilfloses, unwissendes und unschuldiges Volk. Ich möchte nochmals dazu auffordern, auf diplomatische Mittel zurückzugreifen, weil, ich sage es noch einmal, Sanktionen noch nie etwas Gutes bewirkt haben, sondern lediglich dazu führen, den Hass auf den Westen und insbesondere auf die Vereinigten Staaten von Amerika zu verstärken.
Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Täuschung ist eine Kriegswaffe, die im Koran gemäß der Doktrin der Taqiyya gutgeheißen wird. Der Iran hat angeblich nicht vor, Kernwaffen zu entwickeln. Doch die Beweise des Gegenteils sind überdeutlich. Er verfügt bereits über 3 000 einsatzbereite Uranzentrifugen. Nicht eine einzige von ihnen kann zur Erzeugung von Atomenergie für friedliche Zwecke genutzt werden. Zusammen produzieren sie innerhalb eines Jahres so viel waffenfähiges Uran, wie für eine Bombe benötigt wird.
Derzeit plant der Iran den Bau weiterer 5 000 Zentrifugen. Mittlerweile wird er mit illegalen geheimen Importen von Rohuran aus dem Kongo beliefert – einem Land, das humanitäre Hilfe von der EU erhält. In Großbritannien dürfen iranische Studenten nach wie vor Atomphysik studieren. Darüber hinaus arbeiten der Iran, Syrien und Nordkorea daran, Raketen und chemische Sprengköpfe zusammenzubauen. Im letzten Jahr kamen Techniker dieser drei Länder ums Leben, als in Syrien etwas schief ging – in der Atmosphäre wurden später Spuren von Saringas entdeckt.
Ob diese Länder nun erfolgreich atomare Sprengköpfe entwickeln oder nicht – chemische Sprengköpfe sind in naher Zukunft sicher einsetzbar.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße die Verhandlungsbemühungen der EU, um das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Energiefragen zu bekräftigen, und unterstütze die Synergie des Arbeitsplans zwischen der IAEO und dem Iran. Er ist lobenswert und hilfreich, um Zweifel zu zerstreuen und darüber hinaus politische und strategische Spekulationen über eine angebliche Bedrohung für den Frieden zu entkräften.
Im Übrigen wird in Ziffer 5 des Entschließungsantrags die Notwendigkeit eingeräumt, politische Mutmaßungen über den Iran zu unterlassen. Der gesamte erste Teil des Entschließungsantrags und die Aufforderung zur Schaffung eines neuen multilateralen Rahmens für die Nutzung der Atomenergie sind unterstützenswert.
Der zweite Teil mutet allerdings demagogisch an. Die Menschenrechtsverletzungen in vielen anderen Regionen der Welt werden nicht so pflichtbewusst verurteilt. Ein Beispiel dafür sind die jüngsten Entschließungen zu Pakistan und China, die nicht so scharf im Ton waren und auch keine so offenkundige Unterstützung für die innere Opposition zum Ausdruck brachten. Deshalb sehe ich mich gezwungen, mich gegen den Entschließungsantrag auszusprechen, denn Menschenrechte und Freiheiten sind absolute Werte, für die keine unterschiedlichen Maßstäbe gelten dürfen und bei denen keine Unterschiede zwischen Forderungen und Verurteilung gemacht werden dürfen.
Jacek Saryusz-Wolski (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Das iranische Atomprogramm bereitet uns nach wie vor größte Sorge. Wir hoffen, dass der Verhandlungsprozess zur Herbeiführung einer Lösung fortgesetzt wird.
Die Europäische Union sollte in dieser sehr schwierigen Frage einheitlich handeln und die Bemühungen des Hohen Vertreters und der Kommission, der Mitgliedstaaten und der internationalen Gemeinschaft sowie die kürzlich vorgeschlagene Resolution des UN-Sicherheitsrates unterstützen.
Wir sollten den Iran ermutigen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und über die langfristigen Maßnahmen zur Lösung der Nuklearfrage zu diskutieren.
Wir, die Mitglieder des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten dieses Hohen Hauses, hatten beschlossen, Herrn Jalili zu Gesprächen einzuladen und einen Dialog zu führen. Unser Ausschuss war mit den gegebenen Antworten nicht zufrieden und weiß nur zu gut, wie schwierig der Dialog ist. Doch bei diesem Treffen hat sich gezeigt, dass wir in der Iran-Frage völlig einer Meinung sind, und wir haben der iranischen Regierung ein deutliches politisches Signal gegeben.
Wenn wir einen sinnvollen Dialog führen wollen, müssen wir unseren Beziehungen wieder Glaubwürdigkeit verleihen. Unsere Partner im Iran müssen ihr Atomprogramm völlig transparent gestalten, indem sie uneingeschränkt mit der IAEA zusammenarbeiten. Sie müssen die Bestimmungen des umfassenden Sicherungsabkommens voll und ganz umsetzen, und wir sollten weiterhin Druck auf die iranische Regierung ausüben, dass sie ihre Verpflichtungen einhält, und ihr zu verstehen geben, dass dies die einzige Möglichkeit ist, internationale Anerkennung zu erlangen, und dass sie die wirtschaftliche Entwicklung zum Wohle ihrer Bürger erfolgreich fortsetzen muss.
In letzter Zeit hat sich die Menschenrechtslage im Iran erheblich verschlechtert und wir sollten die systematische Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten weiterhin verurteilen, vor allem wenn es um jugendliche Straftäter und Frauen geht.
Als wertebasierte Gemeinschaft, in deren Mittelpunkt Menschenrechte und Demokratie stehen und für die Stabilität und Sicherheit Vorrang haben, sollten und können wir die sich verschlechternde Menschenrechtslage nicht außer Acht lassen und müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um unsere Partner davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir, mich in meinem heutigen Redebeitrag auf zwei Aspekte im Hinblick auf den Iran zu konzentrieren.
Zunächst möchte ich auf die Zivilgesellschaft eingehen. Wie ich unlängst bei meinem Besuch in Teheran erleben konnte, gibt es im Iran eine sehr starke und aktive Zivilgesellschaft. Frauen, Journalisten, nationale und religiöse Minderheiten – alle kämpfen um ihre Rechte. Das Studentenleben ist recht lebhaft. Busfahrer, Bäcker und viele andere Berufsgruppen organisieren ihre eigenen unabhängigen Gewerkschaften. Wirtschaftsvertreter und Unternehmer machen sich für eine Privatisierung und Liberalisierung der iranischen Wirtschaft stark.
Alle diese Gruppen und Elemente, die die iranische Gesellschaft bilden, wenden sich an Europa, an die Europäische Union, auf der Suche nach Dialog und Hilfe. Darum möchte ich die Kommission und den Hohen Vertreter Javier Solana aufrufen, die neuen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für die Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten im Rahmen dieses Dialogs wirksam einzusetzen.
Nach meinem Dafürhalten sollte die Europäische Union zudem eine diplomatische Vertretung im Iran unterhalten. Damit würde man nicht nur den Austausch und Dialog mit der Zivilgesellschaft fördern, sondern auch die Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen und Behörden in Bereichen, die von gemeinsamem Interesse sind. Trotz unserer unterschiedlichen Auffassungen zum Nuklearprogramm oder den Menschenrechten haben wir tatsächlich vieles mit dem Iran gemein.
Ich möchte nur auf ein Nachbarland des Iran eingehen, und zwar auf Afghanistan. Meiner festen Überzeugung nach nutzt es weder uns noch dem Iran, wenn Europa tonnenweise mit illegalen Drogen aus Afghanistan überschwemmt wird. Wir hegen ähnliche gemeinsame Absichten hinsichtlich der Frage afghanischer Flüchtlinge und einer umfassenden, friedlichen Lösung für die Lage in Afghanistan.
Das ist nur einer von vielen Gründen, warum die Europäische Union eine eigene diplomatische Vertretung in Teheran braucht.
Struan Stevenson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Sowohl Herr Solana als auch Frau Ferrero-Waldner haben in ihren heutigen Beiträgen mehrmals betont, wie wichtig Dialog, Verhandlung und Überzeugungsarbeit sind. Frau Ferrero-Waldner hat zudem die Notwendigkeit zwischenmenschlicher Kontakte hervorgehoben und uns über den Erfolg des Programms Erasmus Mundus sowie der Programme zur Linderung der Armut berichtet.
Bilden wir die iranischen Atomphysiker wirklich an unseren Universitäten aus? Kommen wir mit unseren Steuergeldern für die Armutsminderung in einem der reichsten erdölproduzierenden Länder der Welt auf, weil es beschlossen hat, Milliarden für sein Atomwaffenprogramm auszugeben? Was hat unsere Beschwichtigungspolitik gebracht?
Herrn Solana zufolge gab es bisher keinen Erfolg, da das Regime im Iran uns nach wie vor ignoriert. Frau Ferrero-Waldner berichtete, dass es mehr Hinrichtungen gibt als je zuvor. Nun ja, Herr Präsident, in den ersten beiden Wochen dieses Jahres wurden 23 Menschen hingerichtet, darunter mehrere Frauen. Fünf Personen wurden Hände oder Füße abgehackt. In diesem dschihadistischen, menschenfeindlichen, homophoben, völkermordenden und brutalen Regime, das den Terror auf der ganzen Welt sponsert, werden immer noch Menschen zu Tode gesteinigt.
Wenn wir wirklich iranische Studenten fördern wollen, sollten wir die mutigen Studenten der Teheraner Universität unterstützen, die in den letzten fünf Tagen demonstriert und einen Regimewechsel gefordert haben. Statt die Beschwichtigung zu unterstützen, sollten wir der rechtmäßigen iranischen Opposition den Rücken stärken. Statt die PMOI auf unserer Terrorliste zu führen, sollten wir die iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU setzen.
Helmut Kuhne (PSE). – Herr Präsident! Wie wir gerade gehört haben, gibt es auch bei uns im Europäischen Parlament Vertreter, die ihre Priorität nicht auf eine Verhaltensänderung des iranischen Regimes, sondern auf eine Zerstörung dieses Regimes richten. Ich glaube, man muss eines ganz klar sagen, und das ist die zwingende politische Logik: Wer die Zerstörung des Regimes will und seine Politik darauf ausrichtet, wird keine Verhaltensänderung des Regimes bekommen. Und das ist das, worauf wir zielen müssen, wenn wir über die Nuklearfrage reden.
Die diplomatische Seite würde sehr gestärkt werden, wenn die Vereinigten Staaten sich direkt an den Gesprächen beteiligen würden, denn sie können etwas anbieten, das die Europäische Union in dem Ausmaß nicht anbieten kann, nämlich Sicherheitsgarantien. Herr Solana hat darauf hingewiesen: Die Erkenntnisse der amerikanischen Geheimdienste rechtfertigen nicht den Schluss, dass keine potenzielle Bedrohung durch das iranische Programm besteht. In der Tat, da ist ein Problem. Und dieses Problem kann man nicht dadurch lösen, dass man den Druck wegnimmt. Man kann das Thema nicht wegnehmen aus dem Weltsicherheitsrat, weil sonst irgendwann die Gefahr besteht, dass das iranische Regime sagt: Danke das war’s, wir haben genug hochangereichertes Uran, wir treten jetzt aus dem Atomwaffensperrvertrag aus und produzieren unsere Nuklearwaffen. Sollte dieser Fall eintreten, bliebe uns nichts anderes als die Rückkehr zur Strategie nuklearer Abschreckung, wie wir sie aus den 60er und 70er Jahren kennen.
Was wir aus dieser Debatte aber auf jeden Fall ausschließen sollten — und das muss ebenso klar sein —, ist die so genannte militärische Option. Was immer unter dem Begriff „der Westen“ verstanden wird, ob sich das nur auf Nordamerika bezieht oder auch auf Europa, die Wahrnehmung der so genannten militärischen Option wäre ein politisches Desaster auf Jahrzehnte, nicht nur in der muslimischen Welt, sondern auch gegenüber Staaten wie Indien, die mitgeholfen haben, dieses Thema in den Weltsicherheitsrat zu bringen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Lassen Sie mich zum Ausdruck bringen, wie sehr mich die Verschlechterung der Menschenrechtslage im Iran beunruhigt: Anwendung der Todesstrafe, Folter, unmenschliche Behandlung von Gefangenen und Unterdrückung politischer Gegner. Wir sollten derart offenkundige Verletzungen von Menschenrechten und Grundfreiheiten, die die Grundlage unserer demokratischen Gesellschaften bilden, kategorisch verurteilen.
Persönlich bin ich, als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft, über die Sicherheitsfrage und über den Umstand, dass Iran trotz der Proteste von Seiten der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft die Entwicklung seines Atomprogramms fortsetzt, ziemlich besorgt. Trotz der Beteuerungen, dass dies aus rein friedlichen Absichten geschieht, ist es schwer, über die Richtung, in die diese Entwicklung läuft, nicht beunruhigt zu sein.
Abschließend würde ich gerne auf die Tatsache verweisen, dass Russland den Iran kürzlich mit Kernmaterial beliefert hat. Es gibt weitere Hinweise darauf, dass der Iran kein vertrauenswürdiger Partner ist, und dementsprechend sollten wir uns verhalten.
Ana Maria Gomes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Haben sämtliche EU-Mitgliedstaaten konsequent die politische Botschaft an den Iran übermittelt, dass die Bemühungen der EU-3 sowie von Herrn Solana in der Nuklearfrage unterstützt werden müssen, indem die wirtschaftlichen Sanktionen auch wirklich umgesetzt werden?
Und haben die EU-Mitgliedstaaten und Sie, Herr Solana, Druck auf die Bush-Administration ausgeübt, direkt mit dem Iran zu sprechen und nicht nur über den Irak, sondern vor allem über die Nuklearfrage? Oder sind Sie der Meinung, dass das keinen Sinn hat und die nächste US-Regierung abgewartet werden soll?
Janusz Onyszkiewicz (ALDE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte auf die Anmerkung von Herrn Solana bezüglich der richtigen Interpretation des CIA-Berichts über das Nuklearprogramm des Iran zurückkommen.
Lassen Sie mich wiederholen, was Herr Solana sagte: Nur ein Teil wurde eingestellt, und es ist äußerst zweifelhaft, ob dieser endgültig eingestellt wurde. Die iranische Opposition behauptet, das Programm sei lediglich auf andere Standorte verteilt worden, werde aber fortgesetzt. Meines Erachtens sollten wir dies glauben, denn die iranische Opposition hat ja schließlich als Erste auf die militärischen Aspekte des Nuklearprogramms im Iran hingewiesen, und ihre Aussagen erwiesen sich als völlig zutreffend.
Das führt mich zum nächsten Punkt, nämlich dazu, dass es höchste Zeit ist, die Volksmudschaheddin von der Liste der terroristischen Vereinigungen zu streichen. Die Gerichte, die Parlamentarische Versammlung des Europarats und das italienische Parlament haben sich bereits dafür eingesetzt. Es wäre an der Zeit, dass auch wir dies tun.
Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Ebenso wie Herr Solana und Frau Ferrero-Waldner sehe auch ich keinen Unterschied zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Kernkraft. Herr Solana hat uns erklärt, dass es für die Herstellung einer Bombe ausreicht, über Uran zu verfügen. Ich glaube, man muss schon etwas naiv sein, um zu glauben, dass ein Land mit so gewaltigen Naturreichtümern wie der Iran für seine Entwicklung die Kernenergie braucht. Es ist hingegen sehr wohl bekannt, dass es die Kernkraft braucht, um die Bombe zu bauen.
Herr Solana hat weiterhin festgestellt, dass die Atomindustrie ein Faktor der Instabilität sei und wir keinen Einfluss auf den Iran hätten. Damit hat er völlig Recht. Wir sind voll und ganz einverstanden mit seinem Vorschlag eines Verbots der Anreicherung. Ich würde sogar noch weiter gehen: Meiner Meinung nach sollte die Kernenergie insgesamt verboten werden. Gegenwärtig sind im Weltmaßstab nur 4 % der Energie nuklearen Ursprungs.
Ich möchte Herrn Solana und Frau Ferrero-Waldner folgende Frage stellen: Finden Sie nicht auch, dass Frankreich und sein Präsident Sarkozy mit dem Feuer spielen und Instabilität in der Welt schaffen, wenn sie Nuklearabkommen mit Ländern wie Libyen, China oder Georgien abschließen? Könnte man die unglückselige Erfahrung mit dem Iran nicht nutzen, um die Verbreitung der Kernenergie im Weltmaßstab zu stoppen?
Erik Meijer (GUE/NGL). – (NL) Herr Präsident! In der Diskussion über den Iran geht es um mehr als Kernenergie, Kriegsandrohungen und Menschenrechtsverletzungen. In seinen einführenden Worten hat Herr Solana bereits beschrieben, warum der Iran trotz bestimmter demokratischer Merkmale und eines hohen Bildungsniveaus für unzählige Menschen kein Land ist, indem es sich gut leben lässt.
Viele Menschen, die von der iranischen Regierung verfolgt werden oder unter dem gegenwärtigen Regime nicht in Freiheit leben können, haben Zuflucht in Europa gesucht. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten dürfen diesen Menschen keine Hindernisse in den Weg stellen und sollten der friedlichen Opposition im Exil weitestgehende Freiheit ermöglichen.
Aus diesem Grund ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von Bedeutung, der zufolge es falsch war, diese Organisation auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Das Parlament sollte den Rat darauf hinweisen, dass dieser Schritt unberechtigt und unannehmbar ist. Die Liste stellt einen Bereich dar, indem es keine Kompromisse mit dem iranischen Regime geben kann.
Vytautas Landsbergis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich wüsste gern, ob mir jemand eine Antwort geben kann. Hat die Delegation des Europäischen Parlaments bei ihrem Besuch in Teheran öffentlichen Hinrichtungen beigewohnt? Vor allem an denen, wo in Europa hergestellte Kräne verwendet wurden?
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) Ich möchte darauf verweisen, dass das iranische Nuklearprogramm paradoxerweise zu einer Zeit anlief, als der Iran noch ein Verbündeter der USA war. Die Amerikaner rieten dem Schah, zwanzig Kernkraftwerke zu bauen. Offenbar haben sich die Zeiten geändert: Aus Verbündeten sind Feinde geworden, und das Bild über den Iran ist voller Widersprüche.
Wenngleich mir die Schwierigkeiten unserer Freunde in der Tudeh-Partei bekannt sind, muss ich auch darauf hinweisen, dass in keinem anderen arabischen Land ein solches Maß an Pluralität herrscht und es eine so weit entwickelte Zivilgesellschaft gibt wie im Iran.
Die von Herrn Rouček erwähnten Gewerkschaften verdienen fraglos Beachtung, so wie auch die Frauenbewegung. Meiner Meinung nach sollte man den Vorschlag von Herrn Rouček, eine Vertretung der EU in Teheran zu eröffnen, prüfen und unterstützen.
Es ist äußerst wichtig, Beziehungen dieser Art zu entwickeln. Der Iran ist ein riesiges Land mit einer großartigen Kultur, die mehr Gemeinsamkeiten mit der unsrigen aufweist, als wir uns vorstellen können.
Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Der Iran gefährdet nach wie vor die Stabilität in der Welt und im Nahen Osten. Die iranischen Dschihadisten kämpfen gemeinsam mit den Terroristen im Irak und töten britische Soldaten. Die Richter des Landes verurteilen routinemäßig Homosexuelle und Teenager zu Tode.
Warum treibt der Iran die Urananreicherung voran, wenn er keine betriebsbereiten Atomkraftwerke und nicht einmal Pläne hat, welche zu bauen? Warum entwickelt er Shahab-III-Raketen, die atomare Sprengköpfe tragen und gegen europäische Städte gerichtet werden können?
Unsere Botschaft muss klar und kompromisslos sein. Die internationale Gemeinschaft wird es dem Iran nicht gestatten, sich mit Atomwaffen zu bewaffnen.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Diese Diskussion war natürlich sehr wichtig. Warum? Weil die Zivilgesellschaft im Iran riesig ist und mit Sicherheit ein anderes Leben führen möchte, wir es hier aber mit einem nach wie vor schwierigen Regime zu tun haben.
Ich denke, uns ist allen klar, dass die Nuklearfrage momentan einen gewaltigen Hemmschuh darstellt. Sie macht alle Entwicklungsmöglichkeiten zunichte und macht bilaterale Beziehungen, die ein großartiges Potenzial hätten, unmöglich. Ich habe Herrn Jalili wiederholt gefragt: „Warum nehmen Sie das nicht an? Warum gibt es keine Möglichkeit, einen Dialog mit Ihnen zu beginnen? Warum zeigen Sie hier keinerlei politischen Willen?“ Meiner Meinung nach müssen wir das tun – wir müssen versuchen, auch an die Bevölkerung zu appellieren, um herauszufinden, ob es vielleicht eine Chance gibt, dass sich die Lage nach den nächsten Wahlen ändert – auch wenn wir wissen, dass dies sehr schwierig werden wird.
Für interessant halte ich es allerdings, dass die Opposition endlich wieder zusammenfindet. Sie war geteilt, hatte resigniert. Nun ist zumindest wieder der Wille vorhanden, sich zur Wahl zu stellen und möglicherweise die Lage, zumindest in der Regierung zu ändern. Doch wie ich bereits sagte, findet momentan die Überprüfung der Kandidaten durch den Wächterrat statt, was von entscheidender Bedeutung ist. Wie Frau Beer sagte, wurden, wenn für die 290 Sitze 7 000 Bewerber kandidieren können, bereits zu viele Kandidaten abgelehnt. Das werden an die zweitausend gewesen sein. Daher hoffe ich sehr, dass ein Einspruchsverfahren hier Abhilfe schaffen wird. Die iranischen Wähler verdienen es, ihre Vertreter aus einem breiten Spektrum von Parteien und Meinungen auswählen zu können. Natürlich ist es klar, dass wir keine bestimmte Partei unterstützen, aber es ist wichtig, dass sich ein echter Pluralismus Bahn bricht.
Allerdings stimme ich voll und ganz all jenen zu – und ich bin nicht auf alle Einzelheiten eingegangen –, die der Ansicht sind, dass wir an der Menschenrechtsfront noch viel mehr unternehmen müssen, auch wenn wir in der Nuklearfrage nicht weiterkommen. Selbstverständlich haben wir sämtliche Resolutionen der Vereinten Nationen unterstützt. Eine dieser Resolutionen hat Kanada vorgelegt. Sie wurde angenommen und macht deutlich, wo der Iran heute – bedauerlicherweise – steht. Einigen Mitgliedern dieses Parlaments, die der Meinung sind, dass wir das EIDHR-Instrument nutzen sollten, möchte ich sagen, dass wir es über die UNO, UNICEF und UNODC bereits umsetzen, zum Beispiel in den Bereichen Jugendgerichtsbarkeit und Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen sowie bei Fragen der Justiz. Doch in dieser sehr starren Atmosphäre wird es immer komplizierter. Ich habe versucht, einen Diplomaten in die Botschaft in Teheran zu entsenden, um zu gewährleisten, dass die Koordinierung gemeinsamer Projekte reibungsloser verläuft. Das ist natürlich nur ein kleiner Schritt, aber hoffentlich ein bedeutsamer, der der Entwicklung unserer Zusammenarbeit zumindest ein wenig den Weg ebnen könnte. Bedauerlicherweise weicht der Iran nach wie vor aus. Als ich dieses Problem in der letzten Woche persönlich ansprach, bekam ich keine Antwort.
Javier Solana, Hoher Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. − (EN) Herr Präsident! Ich werde mich ganz kurz fassen, da ich vorhin bereits antworten konnte. Es gibt nicht viele neue Fragen und, wie ich bereits sagte, sind wir uns im Wesentlichen einig.
Zur Frage von Herrn Salafranca Sánchez-Neyra kann ich sagen, dass im Sicherheitsrat derzeit eine Diskussion stattfindet, weswegen ich darauf nun nicht weiter eingehen sollte. Sie fragten mich, was ich mir wünsche. Das wäre keine Resolution, weil der Dialog, den wir fordern, Realität geworden ist. Sie wissen, welcher Aspekte es bedarf, um einen sinnvollen Dialog zu führen.
Zu unseren weiteren Überlegungen zur Verstärkung der Zusammenarbeit sei gesagt, dass es viele weitere Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können und sollten. Es wurde von Afghanistan und Drogen gesprochen. Das ist ein wichtiges Thema, bei dem wir sehr gern zusammenarbeiten würden.
Weitere Fragen betrafen die Gruppe der Sechs innerhalb der Vereinten Nationen. Ich kann nicht in fremdem Namen sprechen, sondern nur im Namen der Sechs, mit denen ich verhandele. Alle haben mich unterstützt, alle Mitglieder der Gruppe, einschließlich der Europäischen Union – daran besteht kein Zweifel –, aber das gilt auch für die übrigen Mitglieder des Sicherheitsrates, die keine EU-Mitglieder sind.
(FR) Zur Frage von Frau Béguin über die Kernenergie. Ich will heute keine Debatte über die Kernenergie insgesamt beginnen. Dazu werden wir Gelegenheit haben, wenn das Thema Energie auf der Tagesordnung steht. Doch will ich Ihnen den eindeutigen Unterschied zwischen der Kernkraft für die Erzeugung von Elektroenergie und der Kernkraft zu anderen Zwecken, die Sie deutlich unterschieden haben, erklären. Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass für die Herstellung von Elektroenergie eine Urananreicherung in der Größe von X erforderlich ist, während für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen eine weitaus höhere Anreicherung notwendig ist.
Der zweite Unterschied besteht in den Abfällen. Man muss genau wissen, was damit wird. Wie Sie wissen, enthalten diese auch Plutonium und andere nutzbare Elemente. Die Unternehmen, die die Technologie anbieten, sind auch gehalten, alle Abfälle abzunehmen. Die Situation ist also völlig anders als diejenige, um die es geht, wenn wir vom Iran und dem selbstständigen Anreicherungsprozess sprechen.
In meinem ersten Redebeitrag habe ich den Iran beschrieben, den ich gern erleben möchte. Ich denke, dass dieser Iran möglich und wünschenswert ist und dass es ein Land ist, in dem wir uns engagieren müssen. Es ist ein lebendiges Land, ein Land mit großer kultureller, intellektueller Tiefe, von dem wir wünschten, dass es in mehreren Fragen mit uns zusammenarbeitet, wie der Frage der Energie, der Menschenrechte, des Nahen Ostens, der Kernenergie. Dazu ist es erforderlich, dass wir beginnen, wirklich einen ernsthaften Dialog zu all diesen Fragen zu führen.
Abschließend möchte ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit in dieser wichtigen Aussprache danken. Ich bin bereit, zu Ihnen zu kommen, um über den Iran oder andere Fragen zu sprechen, wann immer Sie mich einladen.
Der Präsident. − Herzlichen Dank, Herr Hoher Vertreter.
Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, 31. Januar, statt.
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission zur Lage in Gaza.
Javier Solana, Hoher Vertreter der EU für die GASP. − (ES) Danke, Herr Präsident, dass Sie mir das Wort in dieser wichtigen Debatte erteilen, die wir gleich beginnen wollen.
Herr Präsident, wir eröffnen eine Aussprache über tragische Ereignisse, die sich in den letzten Tagen und Wochen zugetragen haben: über das Gaza-Problem, über die Frage der Grenzen zwischen Gaza und Ägypten und der Grenzübergangsstellen zwischen Gaza und Israel.
Das Ergebnis, das wir in den letzten Tagen feststellen konnten, ist tragisch: Die humanitäre Situation und auch die Sicherheitslage haben sich erheblich verschlechtert.
Ich glaube, dass es in der heutigen Debatte um die Frage gehen müsste, wie wir zur Lösung der Probleme beitragen können.
Wir hatten in diesem Haus viele Aussprachen zu den Problemen der Vergangenheit, und heute sollten wir sehen, ob wir als Europäische Union in der Lage sind, zur Lösung dieses großen Problems (denn es wird auch Folgen für die Konferenz von Annapolis und den Friedensprozess haben) beizutragen.
Ich würde gern nochmals darauf verweisen, dass wir, die Europäische Union, konsequent waren, als wir dazu aufriefen, die Grenzübergänge zu öffnen und Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren zu gewährleisten, mit Sicherheitsgarantien, und nicht nur für Güter der humanitären Hilfe, sondern auch für solche, die zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region und konkret des Westjordanlands und des Gazastreifens beitragen können.
Wenn diese drei Grundelemente – politische Entwicklung, wirtschaftliche Entwicklung und Änderungen der Lage vor Ort – nicht gegeben sind, wird es für uns sehr schwierig sein, voran zu kommen. Auf diesen drei Gebieten müssen wir Fortschritte erzielen, und zwar auf allen dreien gleichzeitig.
Was könnten wir Europäer tun?
Seit wir mit dieser neuen Situation konfrontiert sind, stehen wir in ständigem Kontakt mit den Hauptakteuren.
Wie Sie wissen, fand am Sonntag eine wichtige Tagung der Arabischen Liga statt, auf der alle diese Probleme behandelt wurden und wo versucht wurde, eine Lösungsformel zu finden: eine Formel, die nicht zu weit von der Erklärung entfernt ist, die Ministerpräsident Fayyad vor einigen Wochen vor dem Europäischen Rat abgab und die er am Sonntag auf dem Gipfel der Arabischen Liga oder auf der Ministertagung der Arabischen Liga wiederholte: Es muss eine Methode gefunden werden, um die Grenzkontrolle wiederherzustellen, und zwar so, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Verantwortung dafür tragen kann.
In diesem Fall sollte die Europäische Union nach meiner Ansicht erneut die Frage von Rafah stellen, genau so wie wir es 2005 getan haben.
Bekanntlich sind wir dort im Moment physisch nicht präsent; wir stehen zum Einsatz bereit, sobald man uns ruft, aber zurzeit sind wir nicht vor Ort; wir haben keine Kräfte an der Grenze, seit der Gazastreifen von der Hamas kontrolliert wird, weil man uns keine Erlaubnis dafür gibt.
Was wir meiner Meinung nach tun müssen, ist, im Einklang mit der Debatte im Europäischen Rat vom Montag und den Entschließungen des Rates vorzugehen, da ich davon überzeugt bin, dass die Entschließungen vom Montag sehr gut sind und eine Richtung vorgegeben haben, die von allen Seiten begrüßt wurde: von Ägypten, den Palästinensern und Israel.
Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg, wie ich meine. Wir müssen jetzt sehen, wie wir sicherstellen können, dass der Weg, den wir in Übereinstimmung mit den Entschließungen des Rates eingeschlagen haben, zügig in die Praxis umgesetzt werden kann.
Die Menschen leiden schrecklich; das betrifft auch die Bevölkerung im Süden Israels, die ebenfalls den Raketen ausgesetzt ist, die aus dem Norden Gazas auf ihr eigenes Volk abgeschossen werden, ein Faktor, der eine Stabilisierung wirklich unmöglich macht.
Wenn wir ein Paket mit allen diesen Themen schnüren würden, einschließlich der Freilassung von Al-Haram ash-Sharif, die dazu gehören muss, wenn wir die Situation stabilisieren wollen, könnten wir vielleicht zusammenarbeiten, und das würde ich sehr gern wieder tun, um dieses Problem zu lösen.
Wie ich sagte, stehe ich in ständigem Kontakt mit den wichtigsten Akteuren. Ich werde nach Ägypten reisen, sobald die heute begonnenen Arbeitstreffen zwischen den Palästinensern und den Ägyptern abgeschlossen sind. Morgen oder übermorgen werde ich dort sein, sodass auch ich teilnehmen und darlegen kann, welchen Beitrag die Europäische Union leisten könnte.
Ich glaube aufrichtig, dass die beste Lösung in einer Rückkehr zu einer Situation liegt, die möglichst viele Aspekte einbezieht, in der die Palästinensische Autonomiebehörde die Grenzkontrolle ausübte und ein freier Personen- und Warenverkehr bestand, nicht nur für die humanitäre Hilfe, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung und den Handel, die notwendig sind, um wirklich voranzukommen.
Meine Damen und Herren! Nach meiner Auffassung stehen wir vor einer sehr schwierigen Lage, denn, wie ich eingangs sagte, im Nahen Osten ist alles miteinander verknüpft.
Wenn wir bei der Lösung des Gaza-Problems nicht vorankommen, steckt auch der Friedensprozess in Schwierigkeiten. Deshalb liegt eine große Verantwortung auf unseren Schultern; bitte seien Sie sich dessen bewusst, was jetzt vor uns liegt und dass wir, die Kommissarin und ich, alles nur Mögliche tun und die uns verbleibende Zeit in diesen wenigen Wochen nutzen werden, um zu sehen, ob wir helfen können, im Namen der Europäischen Union die Lösung zu finden.
Herr Präsident, ich habe nichts weiter hinzuzufügen, ich möchte lediglich meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, zur Erreichung dieses Ziels beitragen zu können, und ich hoffe dabei auf die Unterstützung der Mitglieder dieses Hauses.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Meiner Meinung nach gab es in Annapolis einen Hoffnungsschimmer. Ich habe immer von vorsichtigem Optimismus gesprochen, wohl wissend, wie schwierig es sein würde, die bilateralen Verhandlungen zwischen Ministerpräsident Olmert und Präsident Abbas in die Wege zu leiten, und dann hatten wir eine meiner Meinung nach sehr erfolgreiche Geberkonferenz in Paris, auf der uns so viel Unterstützung zuteil wurde, dass wir glaubten, die Sache käme jetzt wieder richtig in Schwung. Doch gleichzeitig war uns immer bewusst, dass dieser neue Schwung jeden Augenblick gedämpft werden konnte. Ich glaube, die Lage in Gaza und die große Welle der Gewalt vom Januar ist eine der sehr schwierigen Situationen, die, unter vielen anderen Dingen – einschließlich des Raketen- und Granatenbeschusses, durch den israelische Zivilisten verletzt wurden – den gesamten Prozess zum Scheitern bringen könnten. Natürlich verstehen wir die Verpflichtung des Staates Israel, seine Bürger zu schützen. Durch die militärische Reaktion Israels wurden viele Palästinenser in Gaza getötet oder verletzt. Wir haben immer die Meinung vertreten, eine Abriegelung der Zivilbevölkerung sei nicht realisierbar und haben uns immer für freie Zugangs- und Bewegungsmöglichkeiten ausgesprochen. Dies hat der Zivilbevölkerung des Gazastreifens stark zugesetzt. So nimmt es nicht Wunder, dass die Situation eskaliert ist, als die Menschen die verschiedenen Zäune und Mauern zwischen Ägypten und dem Gazastreifen durchbrachen.
Jetzt stellt sich die Frage – und ich stimme Javier Solana in diesem Punkt voll und ganz zu –: Was können wir tun, um tatsächlich wieder etwas zu bewirken? Wir hatten dort lange Zeit die EU BAM Rafah, doch leider konnten sie in den letzten Monaten nichts tun. Vielleicht bietet sich uns Europäern jetzt die Chance, die Sache neu aufzurollen und nach einer Lösung zu suchen. Ich finde es gut, dass Javier Solana nach Ägypten reisen und fragen wird, was wir tun können, und vielleicht kann er die verschiedenen Parteien an einen Tisch bringen, was sehr kompliziert ist. Ich finde es jedoch auch gut, dass Salem Fayed seit einiger Zeit dazu bereit ist, die Palästinensische Behörde zur Gewährleistung der Grenzkontrollen mit ins Spiel zu bringen, denn auch das ist wichtig. Letztendlich sind sie selbst dafür verantwortlich. Um das zu ermöglichen, könnte die Europäische Union meines Erachtens wieder unterstützend wirken. Vielleicht werden wir dort keine Vermittlerrolle, sondern lediglich eine unterstützende Rolle spielen. Erst kürzlich fand die erste Nachfolgesitzung in Paris statt, auf der Bernard Kouchner, der norwegische Außenminister, und auch Tony Blair zusammenkamen. Ich bin auch eine der Ko-Vorsitzenden dieser Konferenz. Wir haben versucht herauszufinden, was vor Ort getan werden könnte, um Fortschritte zu erzielen und um nicht nur negative Erfahrungen zu machen. Wir alle beschlossen, uns auf die so genannten Schnellstartprojekte zu konzentrieren – auf die Sicherheitsinfrastruktur einerseits und andererseits insbesondere auf die Schulen, denn das ist ein Bereich, wo jeder sehen, fühlen und vielleicht sogar riechen kann, dass es Hoffnung gibt, dass wir Hoffnung bringen wollen und dass freie Zugangs- und Bewegungsmöglichkeiten in der Tat zu den erforderlichen Voraussetzungen gehören, denn sonst kommt die wirtschaftliche Entwicklung nicht in Gang. Deshalb unterstützen wir das voll und ganz und versuchen nun, dieser Strategie etwas folgen zu lassen.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Wenn ich mit einem Wort beschreiben müsste, was wir in den vergangenen Tagen an der Südgrenze des Gazastreifens erlebt haben, würde ich es mit dem Wort „Verzweiflung“ tun.
Vor zwei Jahren fanden Wahlen in Palästina statt. Mehrere Mitglieder dieses Parlaments – Frau De Keyser, Herr McMillan-Scott und andere – waren während dieses Urnengangs vor Ort, und heute, zwei Jahre später, ist die palästinensische Sache ein Scherbenhaufen, und die Lage zeigt ein Bild der Trostlosigkeit, Bedrückung und Verzweiflung, was beweist, dass die Konsolidierung einer Demokratie nicht nur bedeutet, das Wahlrecht auszuüben, sondern dass repräsentative Institutionen, eine rechtmäßig Machtaufteilung und die Achtung der Menschenrechte, beginnend mit dem Recht auf Leben, notwendig sind.
Die internationale Gemeinschaft bat die Hamas inständig, auf Gewalt zu verzichten. Sie ging nicht darauf ein, und daher steht sie weiterhin auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union.
Natürlich hat sich auch die andere Seite nicht richtig verhalten. Israel hat die Spaltung in der palästinensischen Sache begrüßt, seine Siedlungspolitik fortgesetzt, willkürliche Repressalien angewendet und zudem eine rücksichtslose Blockade praktiziert, die einzig und allein der Stärkung der Hamas gedient hat.
Was können wir tun? Ich glaube, Herr Solana hat eine perfekte Beschreibung gegeben: Wir müssen die Bemühungen des Hohen Vertreters, den Ansatz der Konferenz von Neapel durch das Quartett und die gemäßigten arabischen Länder und vor allem eine Politik unterstützen, für die wir meiner Ansicht nach der Kommission und Kommissarin Ferrero-Waldner unsere Anerkennung zum Ausdruck bringen müssen, nämlich eine Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt der Aktion der Europäischen Union stellt, die Menschen, die leiden, Angst haben, in Not sind und sterben, und das meiner Meinung nach im Nahen Osten leider schon seit langer Zeit und völlig sinnlos.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Véronique De Keyser, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Alle Mauern fallen schließlich einmal: die Mauer von Jericho, die des Warschauer Ghettos, die Berliner Mauer, der Atlantikwall oder auch die Mauer der Indifferenz. Mit ihrer symbolischen Bedeutung ist die Mauer von Rafah Teil dieses unbezähmbaren Strebens der Menschen nach Freiheit.
Und wie haben die Gazabewohner ihre neu gewonnene Freiheit genutzt? Sind sie nach Ägypten geflohen? Haben sie sich mit Kalaschnikows bewaffnet? Nein, denn die Waffen erreichen leider, ob mit oder ohne Mauer, immer ihren Bestimmungsort. Die Gazabewohner haben sich mit den dringend benötigten Bedarfsartikeln versorgt. Sie haben eingekauft, sich in Gaza nicht erhältliche Medikamente oder Milch für Babys beschafft. Mopeds, Ziegen und Kühe wurden unter dem Beifall der Menge von Kränen nach Rafah gehievt. Es mutete surrealistisch an. Und dann sind alle nach Hause gegangen. Diese Bilder sagen alles aus: Das gestern noch Unmögliche war plötzlich zum Greifen nahe, und dann nahm das Alltagsleben wieder seinen Lauf.
Wir haben jetzt eine historische Verantwortung. Die Frage ist nicht, wer die Tore eines Freiluftgefängnisses öffnet, sondern wer sich wagt, sie wieder zu schließen und die Gazabewohner wieder zurück in ihren langsamen Siechtod zu schicken. Seit dem Beginn von Annapolis ist die Europäische Union aus dem Spiel. Auf der Grundlage der Roadmap hat sie die Kontrolle des Friedensprozesses an die USA abgegeben. Den Ko-Vorsitz der Pariser Geberkonferenz zu erreichen, war eine wirkliche Heldentat. Bravo! Doch für die Zugänge zu Gaza haben die Europäer seit 2005 ein Mandat. Wird es uns mit den Ägyptern, der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit der Hamas und mit Israel gelingen, den Dialog wieder herzustellen und den Zugang der Palästinenser zur Außenwelt in geregelte Bahnen zu lenken, oder werden wir im Gegenteil nur Zuschauer bei der unvermeidlichen Repression sein, die anderenfalls nicht auf sich warten ließe? Das genau ist die Frage. Über die EU-BAM-Mission hinaus geht es bei dieser Frage um das Schicksal der palästinensischen Einheit und des Friedensprozesses, die Achtung des internationalen Rechts und die Ehre der Europäischen Union. Die Botschaft, die ich Ihnen, Herr Solana, im Namen meiner Fraktion übermittle, ist eindeutig: Machen Sie um Himmels Willen Druck!
Chris Davies, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Als Mitglied der Parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu dem Palästinensischen Legislativrat habe ich versucht herauszufinden, warum, wenn wir ein Ende des Baus von Siedlungen fordern, uns die Israelis ignorieren und wir nichts unternehmen. Warum, wenn wir die Abschaffung der Grenzkontrollen fordern, uns die Israelis ignorieren und wir nichts unternehmen. Warum, wenn wir ein Ende der kollektiven Bestrafung der Menschen in Gaza fordern, uns die Israelis ignorieren und wir nichts unternehmen.
Daher bin ich auch Marc Otte so dankbar, dem EU-Sonderbeauftragten für den Nahen Osten, der gestern an einer Delegationssitzung teilnahm und sagte, unsere Politik – Europas Politik – solle sich an der amerikanischen Politik orientieren.
Nun, erst vor wenigen Wochen sagte der israelische Ministerpräsident über Präsident Bush: „Er macht absolut nichts, womit ich nicht einverstanden wäre. Er unterstützt nichts, wogegen ich wäre. Er sagt absolut nichts, was seiner Meinung nach Israel das Leben schwerer machen würde.“
Amerikanische Politik ist also israelische Politik, und wir Europäer schließen uns hübsch brav dem Anführer an. Kein Wunder, dass unsere Verurteilung der israelischen Aktionen in palästinensischen Ohren so hohl klingt. Und kein Wunder, dass sich der Erfolg nicht einstellen will. Dieser europäische Ansatz hat dazu geführt, dass wir vor zwei Jahren zwar die Wahlen in Palästina finanziert haben, uns dann aber geweigert haben, dem Ergebnis Beachtung zu schenken – was unsere Unterstützung der Demokratie im Nahen Osten untergrub.
Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass wir die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung gefordert haben – und als eine solche Einheitsregierung dann gebildet worden war, haben wir uns geweigert, mit dem Premierminister und dem halben Kabinett zu sprechen, und die Regierung brach auseinander.
Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass wir uns weigern, mit Vertretern der Hamas in Gaza zu sprechen, obwohl sie die eigentliche Macht in diesem Gebiet haben. Welche Lektionen haben wir aus unserer Geschichte gelernt? Ist es nicht an der Zeit, dass Europa das Band zerreißt, das uns blendet und uns an diese einseitige Politik von Amerika und Israel fesselt? Ist es nicht an der Zeit, eine unabhängige Sprache zu finden und mit Weitsicht zu handeln?
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Hoher Vertreter, Frau Kommissarin! Der Versuch, ein ganzes Volk als Geisel zu nehmen, ist gescheitert. Dies war ein Konzept der Vergangenheit, das nicht funktionieren konnte; doch das Schlimmste ist, dass die Lage sich politisch und humanitär verschlechtert hat. Daher müssen wir uns in der Tat Fragen stellen. Die Politik der Isolierung der Hamas und damit der Isolierung des Gazastreifens ist gescheitert. Die Popularität der Hamas ist heute größer denn je. Eines ist sehr seltsam, Herr Hoher Vertreter, Frau Kommissarin: Sie haben gesagt, die Palästinenser sollen die Autorität über die Grenzen wieder übernehmen, doch wie soll die Palästinensische Autonomiebehörde die Macht in Gaza übernehmen? Die Grenzen sind nicht das Westjordanland. Das ist ein Problem. Ein weiteres Problem sind die Grenzen von Gaza. Zudem besteht ein Abkommen zwischen Ägypten und Israel, demzufolge die Ägypter auf der Sinaihalbinsel nicht bewaffnet sein dürfen. Dieses Abkommen stammt aus der Zeit des Friedensvertrages von vor 20 Jahren. Das heißt, selbst wenn die Ägypter versuchen wollten, Terroristen auf der Sinaihalbinsel zu verhaften, dann könnten sie dies gar nicht, sie hätten kein Recht dazu. Die Situation ist also völlig verfahren, und in einer solchen Situation muss man verantwortlich handeln. Verantwortung heißt in diesem Fall, in erster Linie zu gewährleisten, dass die Bevölkerung von Gaza mit dem Lebensnotwendigsten versorgt wird, und dazu muss mit denen verhandelt werden, die administrativ die Macht in Gaza ausüben. Man kann nicht sagen: Wir wollen sie mit Essen und Trinken versorgen, wir wollen sie mit Medikamenten versorgen, aber wir wollen nicht mit denen reden, die ihnen die Medikamente zukommen lassen können.
Zweitens ist zu sagen, dass die Palästinenser an den Frieden glauben werden, wenn dieser ihnen etwas bringt. Heute gibt es im Westjordanland keine Verbesserungen in Bezug auf die Grenzen oder die Bewegungsfreiheit. Frieden ist nicht abstrakt, sondern konkret. Deshalb muss im Interesse der israelischen Sicherheit – denn der Raketenbeschuss wird in der gegenwärtigen Situation nicht aufhören – Israel gesagt werden: Die Blockade macht den Palästinensern das Leben unerträglich und daher ist sie eine Gefahr für die Sicherheit Israels. So sieht die Wahrheit aus! Und Präsident Bush müssen wir sagen, dass er auf jeden Fall in einigen Monaten nicht mehr da sein wird, dass er deshalb besser schweigen sollte und es denen, die die Lage besser verstanden haben, überlassen sollte, Politik zu machen. Ob sich die israelische Politik an der US-amerikanischen ausrichtet oder umgekehrt, sie ist auf jeden Fall ein Misserfolg und wir können sie nicht unterstützen. Die Europäische Union muss daher nicht nur sagen: „Machen Sie Druck“, sondern: „Machen Sie Druck in die richtige Richtung, verhandeln Sie mit denen, die zuständig sind, sprechen Sie mit den israelischen Verantwortlichen“. Sie muss zum Ausdruck bringen, dass unsere Solidarität mit Israel nicht bedeutet, dass wir es weiterhin in einer völlig selbstmörderischen Politik unterstützen.
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Hoher Vertreter, Frau Kommissarin! Die Helden von Gaza haben wieder einmal unter Beweis gestellt, dass befestigte Mauern den freien Geist der Menschheit nicht gefangen halten können und dass die Gewalt das Leben nicht bezwingen kann. Diese Worte stammen von Nurit Peled, der israelischen Friedensaktivistin und Sacharowpreisträgerin. Sie hat sie vergangenen Samstag vor anderen palästinensischen und israelischen Demonstranten vor den Toren Gazas ausgesprochen.
Wer könnte unberührt bleiben von den Gefühlen dieser Mutter Courage angesichts des Schauspiels dieses in unerträglichem Maße unterdrückten und gedemütigten Volkes, das die von Israel verhängte Blockade durchbricht und endlich die freie Luft atmet, während man Milch für die Kinder, Lebensmittel für die Familie besorgt und ein wenig Glück verspürt, das die Stimmung hebt.
Und nun? Jeder nimmt die zweifache Gefahr wahr, die von der israelischen Führung ausgeht. Die erste besteht in dem Bestreben, diesen schmalen Freiraum wieder mit Gewalt zu verschließen oder verschließen zu lassen. Die zweite generelle Gefahr besteht darin, die Verantwortung der Besatzungsmacht gegenüber Gaza auf Ägypten abzuschieben.
Wenn die richtigen Worte der Erklärung des Rates vom 28. Januar eine konkrete Bedeutung erhalten sollen, dann muss sich die Europäische Union entschließen, direkt auf die israelischen Behörden und im Rahmen des Quartetts Druck auszuüben, der über die üblichen gewundenen Floskeln hinausgeht, damit sie den Grundsatz einer dauerhaften Öffnung der Übergangspunkte unter der Verantwortung der Palästinensischen Behörde mit Unterstützung der Europäischen Union und der Arabischen Liga akzeptieren. Wenn der Palästinensischen Behörde weiterhin jede Möglichkeit genommen wird, ihrem Volk auch nur die kleinste positive Perspektive zu bieten und für die notwendige nationale palästinensische Wiederversöhnung zu wirken, dann würde dies darauf hinauslaufen, das schlimmste Szenarium zu akzeptieren. Im Augenblick befürchte ich, dass wir mit großen Schritten darauf hinsteuern.
Jeder versteht, dass von der internationalen Gemeinschaft jetzt ein starker Impuls im Hinblick auf Gaza, auf das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem ausgehen muss. Dieser Impuls wird nicht von einem verbrauchten und diskreditierten US-Präsidenten kommen. Es ist an Europa, zu handeln!
Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Gaza bleibt eine menschliche Tragödie, und niemand von uns Parlamentariern kann es den leidgeprüften palästinensischen Menschen verübeln, dass sie durch die Öffnung in der Mauer des Grenzübergangs Rafah geströmt sind, um in Ägypten einzukaufen.
Doch die von der EU verbotene Terrororganisation Hamas hat nach wie vor die brutale Kontrolle über das Gebiet und über die Bevölkerung von Gaza, und die Hamas macht mit ihrem meiner Ansicht nach willkürlichen Kriegsverbrechen weiter, Kassam-Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abzuschießen einschließlich der vor kurzem auf Aschkelon gerichteten Raketen mit längerer Reichweite. Das heißt, Sie können es Israel nicht verübeln, dass es eine Wirtschaftsblockade aufrechterhält und nur die notwendigste humanitäre Hilfe durchlässt.
Tut mir leid, Herr Davies; tut mir leid, Herr Cohn-Bendit – wenn die Hamas die Raketen einstellt, wird Israel die Blockade aufheben – so einfach ist das.
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (EN) Herr Präsident! Die tatsächliche Trennung von Gazastreifen und Westjordanland verkompliziert einerseits ein bereits komplexes Bild noch mehr. Doch andererseits vereinfacht es dieses.
Lassen Sie mich erklären, wie ich letzteres meine: Erstens ermöglichte diese Tatsache den Dialog zwischen Israel und der Palästinensischen Behörde vom Westjordanland. Zweitens wurde dadurch ein radikalislamischer Kampfgeist in Grenzen gehalten, was einen klaren Ansatz ermöglichte, denn auf der einen Seite haben wir die radikalen Hamas-Führer und die übrige Bevölkerung und in dieser Hinsicht ist es kein Geheimnis, wen wir unterstützen müssen.
Drittens ergibt sich daraus, dass wir jetzt statt einer Gleichung mit zwei Faktoren (einer davon ganz klar – Israel –, der andere, die Palästinenser, ein wenig unscharf), eine Gleichung mit drei klar definierten Faktoren – einschließlich Gaza – haben, mit einem Multiplikationszeichen zwischen diesen Faktoren, d. h. wenn einer der Faktoren gleich Null ist, dann ist auch das Ergebnis gleich Null.
David Hammerstein (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident! Nur ein paar ganz konkrete Fragen: Wie können wir die EUBAM-Mission am Grenzübergang von Rafah wiedereinsetzen, nachdem die Situation so unsicher war? Hier geht es um ein unbewaffnetes europäisches Korps! Wenn nur ein einziger Schuss fällt, wenn eine nur ganz kleine Unsicherheit in der Lage auftritt, werden dann alle Polizisten in ihr Hotel in Ashkelon zurückkehren?
Wie können wir mit den Palästinensern, mit Ägypten und Israel ein Abkommen zur Veränderung dieser Situation aushandeln? Wenn wir dazu nicht imstande sind, wird es wenig Sinn haben, zum vorherigen Zustand zurückzukehren, wie Frau Ferrero-Waldner sagte. Wir brauchen einen Zustand, der gegen Unsicherheitsfaktoren gefeit ist.
Ferner, wie können wir Frieden herstellen, ohne uns mit der Lage in Gaza zu befassen? Der Prozess von Neapel hat die Situation in Gaza beschönigt, und ich bin der Ansicht, dass man so nicht weitermachen kann: Es ist unmöglich, dass eine palästinensische Autonomiebehörde die unsichere Lage in Gaza tolerieren kann, solange dort kein Frieden herrscht.
Abschließend würde ich gern nach den mittelfristigen Lösungen für die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser und Strom fragen. Könnte man nicht Lösungen im Grenzgebiet zwischen Gaza und Ägypten vorschlagen, ähnlich dem Vorschlag zur Errichtung von Entsalzungs- und Energieerzeugungsanlagen?
Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestern starb ein Kind im Shifa-Krankenhaus in Gaza, 80 Menschen starben im Krankenhaus in Gaza, weil sie nicht nach Israel zur Behandlung konnten. Heute hat der israelische Gerichtshof der Regierung, d. h. Herrn Barak, grünes Licht gegeben, die Brennstofflieferungen zu blockieren oder zu reduzieren. Das ist die gegenwärtige Lage!
Herr Solana stellte sich die Frage, was wir Europäer tun könnten. Die Frau Kommissarin erklärte, wir müssten einen Unterschied machen. Wahrheit kann den Unterschied machen. Der Unterschied ist der Mut, nicht nur zu reden: Ich weiß, dass Sie eine schwere Aufgabe haben, dass Sie sich stets bemühen und mit uns gemeinsam unter dem Leid von Palästinensern und Israelis leiden, aber, bitteschön, es ist auch erforderlich zu handeln! Der israelischen Regierung muss klipp und klar gesagt werden, dass sie, wenn sie Salam Fayyad und Mahmud Abbas helfen will, nicht nur die Belagerung von Gaza, sondern auch die Tötungen von Jugendlichen einstellen muss – gestern hat sie in Bethlehem weitere Jugendliche getötet – und dass sie damit aufhören muss, die Palästinenser im Westjordanland in Ghettos zu sperren.
Es geht nicht nur um Gaza. Gaza ist zum vorherrschenden Bild geworden, doch die Besetzung geht Tag für Tag weiter. Der Frieden ist für alle unentbehrlich, für die Palästinenser ebenso wie für die Israelis. Wir müssen …
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Es ist gut, dass wir heute so zeitnah zu den dramatischen Ereignissen im Gazastreifen diese Debatte durchführen können. Es ist auch gut, dass das Parlament seine Positionen hier gegenüber dem Beauftragten Solana und der Kommissarin zum Ausdruck bringen kann. Es ist aber auch wichtig, dass wir diese Gelegenheit nutzen, um uns besser zu informieren. Daniel Cohn-Bendit hat davon gesprochen, dass es nicht genügt, Essen zu geben, sondern wir müssen reden. Nun haben wir neue Mechanismen, wie etwa das Programm Pegasus, um hier einen besseren Dialog und eine bessere Kooperation zu erreichen. Vielleicht können wir darüber weitere Informationen von der Frau Kommissarin erhalten.
Frieda Brepoels (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Herr Solana! Frau Kommissarin! Ich stimme den Kolleginnen und Kollegen völlig zu, die erklärten, die Zeit sei vorbei, um sich über die dramatischen Ereignisse und die humanitäre Situation in Gaza lediglich besorgt zu äußern, und es nicht reiche, bloß Gelder bereitzustellen.
Im Gegenteil, die Situation in Gaza und die Blockade müssen meiner Ansicht nach im Zusammenhang mit dem Gesamtkonflikt zwischen Israel und Palästina gesehen werden. Die Palästinenser haben klar all ihre Hoffnung in die Europäische Union gesetzt, um endlich Ergebnisse zu erzielen. In der Vergangenheit wurden viele Versprechungen gemacht, wie wir aber feststellen können, wird die EU beim Follow-up der Umsetzung der Verhandlungsergebnisse der Nahost-Konferenz in Annapolis sowie im Rahmen der Vereinten Nationen der Rolle eines aktiven Vermittlers nicht gerecht. Nach meinem Dafürhalten ist dies unannehmbar. Darüber hinaus kann die EU nicht länger hinnehmen, von den Vereinigten Staaten an den Spielfeldrand gestellt zu werden. Vielmehr muss sie eine unabhängige Stellung einnehmen.
Bairbre de Brún (GUE/NGL). – (GA) Herr Präsident! Ich habe Kommissarin Ferrero-Waldner aufmerksam zugehört, aber ich bin nicht der Meinung, dass es ausreicht, nur von Unterstützung oder Ermutigung zu sprechen, wenn die israelische Regierung weiterhin die Art Politik verfolgt, die wir an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten erlebt haben.
Die EU-Organe müssen handeln; sie müssen sich gegen die israelische Regierung stellen und laut und deutlich sagen, dass sie gegen die unmenschliche Blockade sind, die das Leben im Gazastreifen erstickt.
Diese Politik ist in höchstem Maße grausam und eine Zumutung für die gesamte Bevölkerung unter israelischer Besetzung. Ein Vorgehen dieser Art findet im 21. Jahrhundert keine Rechtfertigung. Und es ist grotesk, dass Israel behauptet, sich lediglich selbst zu verteidigen, wenn gewöhnliche palästinensische Bürger auf der Suche nach einem Leben sind, das frei von dem Leid ist, das man ihnen ständig zufügt.
Wir müssen handeln, anstatt tagelang, wochenlang oder gar monatelang nichts weiter zu tun, als immer nur zu reden.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Die Ereignisse in Gaza sind tragisch, und alle meine Kollegen hier in diesem Parlament haben ihre Bestürzung darüber zum Ausdruck gebracht. Was dort geschieht, ist auch für die Europäische Union sehr bedauerlich. Abgesehen davon, dass unsere politischen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, weiß ich auch nicht, wie wir unsere Zusagen für eine wirksame finanzielle Unterstützung und die humanitäre Hilfe, zu der wir uns verpflichtet haben, einhalten sollen. Der vorläufige internationale Mechanismus TIM wird durch den Mechanismus PEGASE abgelöst, und wir investieren in Humanressourcen, in Mechanismen und in Hilfen für die Gemeinschaft.
Die Frage ist, wie wir zum jetzigen Zeitpunkt etwas bewirken können.
Haben Sie etwas Neues erfahren, Frau Ferrero-Waldner? Kommt die humanitäre Hilfe in Gaza an? Gibt es Zusammenarbeit mit Israel, wenn auch nur in diesem Bereich? Kann die palästinensische Autonomiebehörde in irgendeiner Weise zur Entspannung der Lage beitragen und die humanitäre Hilfe erleichtern? Der Mechanismus PEGASE sollte selbstverständlich so schnell wie möglich eingesetzt werden. Ihre Dienststelle hat Finanzmittel für die einzelnen Elemente, die Planung und die personellen Ressourcen bereitgestellt. Wie können wir dieses Vorhaben in die Tat umsetzen und diese Ressourcen nutzen, Frau Ferrero-Waldner?
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Die Lage in Gaza erfordert die unverzügliche Aufhebung der Blockade durch Israel. Die Menschen in Gaza müssen unterstützt werden, damit sie ihre dringendsten Bedürfnisse erfüllen können. Die Arabische Liga, die Europäische Union und auch Israel müssen den Kontakt zwischen Fatah und Hamas fördern, um die Spaltung des palästinensischen Volkes zu beseitigen und die Eintracht wiederherzustellen, die unter der Regierung der nationalen Einheit bestand. Damit dies geschehen kann, müssen alle gewählten Vertreter des palästinensischen Volkes, die der Hamas angehören, aus israelischer Haft entlassen werden. Es müssen die notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung allgemeiner Wahlen geschaffen werden. Sowohl die Europäische Union als auch die Vereinigten Staaten müssen das Ergebnis der Wahlen uneingeschränkt respektieren, wie immer es auch ausfallen mag.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Darf ich noch einmal ganz kurz zu dieser wirklich schwierigen Thematik Stellung nehmen. Wir haben auch im Rat der Außenminister am Montag wieder ausgiebig darüber diskutiert. Ich darf Ihnen sagen, dass wir selbstverständlich nicht nur diskutieren, sondern wir haben gemeinsam eine Strategie verabschiedet mit den Vereinigten Staaten, mit den Palästinensern, mit den Israelis, mit der Europäischen Union, und im Quartett natürlich auch mit den Vereinten Nationen und mit Russland.
Diese Strategie bestand darin, dass auf der einen Seite – das habe ich vorhin angesprochen, als ich auf Annapolis eingegangen bin, allerdings nur sehr kurz –, ein bilateraler Verhandlungsprozess zwischen Präsident Abbas und Premierminister Olmert stattfindet, und dass wir auf der anderen Seite versuchen – das ist sozusagen mehr mein Teil, der mich in der Kommission betrifft – für die Menschen eine neue Entwicklung herbeizuführen, dass es Fortschritte gibt, wissend, dass das enorm schwierig ist. Mir war das immer sehr bewusst, aber selbstverständlich wollten und wollen wir alles tun, um hilfreich zu sein. Deshalb geht unsere Politik dahin, Präsident Abbas darin zu unterstützen, mit seinen Gesprächen einen Frieden zustande zu bringen, um diesen dann für einen Versöhnungsprozess mit Hamas zu nutzen. Das war die eigentliche Idee dieser Strategie.
Wir wollen nach wie vor auch weitere Treffen unterstützen. Es hat in den letzten Tagen eine Zusammenkunft zwischen Olmert und Abbas gegeben, von der wir wissen, dass sie nicht sehr substanziell war, aber das ist auch verständlich, weil alle Treffen momentan durch eine sehr schwierige Situation überschattet werden. Trotzdem müssen wir diesen Weg fortsetzen. Wir haben die Möglichkeit, bis zum nächsten Treffen in Moskau doch einiges zu ermöglichen, wenn wir beide Seiten unterstützen.
Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die humanitäre und die wirtschaftliche Seite. Hierzu möchte ich denen, die vielleicht meine Erklärung nicht gelesen haben, Folgendes sagen: Am 21. Januar habe ich eine sehr klare Stellungnahme zur Situation in Gaza abgegeben, weil auch ich sah, dass hier die Dinge einfach zu weit gegangen sind. Dies hat zusammen mit anderen Stellungnahmen von Außenministern und internationalen Organisationen bewirkt, dass es eine Verbesserung der Situation gab. Es gibt natürlich keine völlige Auflösung der Blockade, aber eine wesentliche Verbesserung der Situation. Das heißt – auch als Antwort an Sie, Frau Vizepräsidentin Kratsa-Tsagaropoulou –, tatsächlich gelangen viele Lieferungen auch nach Gaza hinein, um hier jetzt nur den humanitären Teil anzusprechen.
Trotzdem wissen wir, dass das nicht genügend ist. Und mir ist natürlich bewusst, dass das äußerst schwierig ist, Herr Cohn-Bendit. Sie haben natürlich Recht, dass das eine äußerst diffizile Situation ist, das ist auch dem Hohen Vertreter durchaus bewusst, und vielleicht wird er auch dazu Stellung nehmen. Dennoch bleibt es im Augenblick bei dieser gemeinsamen Strategie, die wir gemeinsam definiert haben und umsetzen wollen, und uns bleibt eigentlich nur der Spielraum, dass wir uns bemühen, die Grenzöffnung durchzuführen, die ja Salam Fayyad selber als wesentlich angesehen hat.
Nun ein kurzes Wort zu dem Mechanismus, den wir ausgearbeitet haben und der tatsächlich ab 1. Februar, d. h. ab übermorgen, funktionieren wird. Es ist ein dauerhafter Mechanismus, nicht wie vorher TIM, der nur vorläufig war und den wir immer wieder verlängert haben. Und dieser Mechanismus wurde auch ganz bewusst in Partnerschaft mit der palästinensischen Autonomiebehörde erstellt. Wir haben hier sehr eng mit Salam Fayyad zusammengearbeitet, damit er dem entspricht, was er wollte, nämlich einen Entwicklungs- und einen Fortschrittsplan für die Wirtschaft, aber natürlich auch für die Infrastruktur.
Es sollte eine gemeinsame europäische Anstrengung sein, d. h. dieser Mechanismus – ein Finanzmechanismus – kann sowohl von uns als auch von anderen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden. Es ist sogar gedacht, dass manche internationale Organisationen oder außereuropäische Staaten diesen Mechanismus grundsätzlich nützen. Es ist wie TIM ein Mechanismus, der volle Kontrollen und monitoring bietet, weil wir selbstverständlich alle Transparenzkriterien erfüllen wollen, und er ist so ausgestattet, dass er entweder direkte Budgethilfe leisten kann oder dass die Hilfen z. B. an UNRWA und andere Organisationen gehen oder in unsere Projekte fließen. Aber ich weiß, dass diese Frage derzeit zurücktritt hinter der großen politischen Frage: Wie können wir die Situation lösen? Ich bin mir selbstverständlich des Problems bewusst, aber im Augenblick kann ich Ihnen nur diese Antwort liefern.
Javier Solana, Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. − (EN) Herr Präsident! Ich habe das, was hier gesagt worden ist, sehr aufmerksam verfolgt. Ich würde dasselbe sagen, und ich würde es genauso emotional und mit denselben Gefühlen ausdrücken, denn wir sind hier einer Meinung.
Doch Sie sagen, wir sollten handeln statt zu reden. Glauben Sie, dass Handeln unsere Politik heute um 180 Grad verändern wird? Ich bin mir nicht sicher, ob das ein vernünftiger Ansatz ist, um ehrlich zu sein.
Was ist in den letzten Tagen passiert, abgesehen von dem humanitären Drama? Wir können stundenlang reden und unsere Ansichten wirklich äußern, denn wir vertreten dieselbe Meinung wie Sie – ich zumindest – und ich bin mir sicher, auch die Frau Kommissarin.
Anfang der Woche, nur wenige Stunden, nachdem die Situation eskalierte, kam die Arabische Liga zusammen. Sie trafen eine Entscheidung, eine Entscheidung, die am Montag vom Rat Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen unterstützt wurde, eine Entscheidung, die wir in den Stunden nach dem Treffen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Ägypten vom Vormittag umsetzen wollen – das jetzt, da wir hier sprechen, noch läuft und das in der Nacht und wahrscheinlich morgen oder übermorgen fortgesetzt wird –, wenn sie den Punkt erreicht haben, an dem wir wirklich effektiv ansetzen können.
Aber ich denke, dass wir uns einen Monat nach der Pariser Konferenz, anderthalb Monate nach der Konferenz von Annapolis, nun, da alle arabischen Länder mit im Boot sind, da andere Länder zum ersten Mal eine konstruktive Rolle spielen, in diese Richtung anpassen müssen. Jetzt wäre es von unserer Seite nicht seriös, eine Solorolle zu spielen. Wir müssen mit allen vorhandenen Partnern zusammenarbeiten. Wir unterstützen – und in den Schlussfolgerungen des Rates kommt das ganz klar zum Ausdruck – die Resolution der Arabischen Liga vom Sonntag, was die Grenzen betrifft, und das wurde am Montag bestätigt. Wir verfolgen die Diskussionen am Mittwoch und Donnerstag.
Ich denke, das nennt man Handeln, aber ich weiß jetzt nicht, was ich noch tun soll. Es ist eine andere Geschichte, wenn Sie mich bitten,
(FR) „in die richtige Richtung Druck zu machen“. Das bedeutet, dass wir uns gegenwärtig in die falsche Richtung bewegen.
(Zwischenruf von Herrn Cohn-Bendit: „...in eine unbekannte Richtung ...“)
Herr Präsident, ich glaube, wenn Herr Cohn-Bendit
(EN) ein gestandenes Parlamentsmitglied, sagt, die derzeitige Strategie der Europäischen Union sei „inconnue“, je ne comprends rien, dann können Sie sagen, was Sie wollen. Sie können sagen, die derzeitige Strategie der Europäischen Union sei nach Annapolis, nach unserem Vorsitz der Pariser Konferenz, nach unserer Unterstützung der Arabischen Liga „inconnue“, Sie können andere Dinge sagen, aber ich glaube nicht, dass „inconnue“ hier das passende Wort ist. Das mag Ihnen nicht gefallen –
(Einwand)
Sie mögen da anderer Meinung sein, doch man kann sehr schwer sagen, sie sei unbekannt. Ich teile viele der Gedanken, denen Sie so eloquent Ausdruck verliehen haben. Und ich könnte sagen, dass Sie, dass wir Verantwortung tragen und uns in den kommenden Tagen und Stunden den Herausforderungen stellen müssen. Sind wir in der Lage, die Situation zu lösen? Ich weiß es nicht. Sie wissen es nicht. Doch Sie können sicher sein, dass wir es versuchen werden, und wir werden versuchen, Salam Fayyad zu unterstützen, denn er war die ganze Zeit über unser Ansprechpartner. Er ist ein Mann des guten Willens, und deshalb können wir ihn nicht enttäuschen. Ich werde ihn nicht enttäuschen.
Deshalb müssen wir in dieser Richtung weitermachen. Es wird Frust geben. Es wird frustrierend sein. Werden wir alle Probleme lösen? Ich weiß es nicht. Doch wir werden es mit all unserer Energie tun und unser Bestes geben.
Ich teile alle Ansichten, die hier zum Ausdruck gekommen sind. Ich würde nicht sagen, in stärkerem Maße als Sie, aber zumindest im selben Maße wie alle Kollegen hier, denn wir stehen auf derselben Seite, wir kämpfen schon lange Zeit zusammen an dieser Front. Deshalb gibt es keine Meinungsunterschiede, und wir müssen das fortsetzen, was wir angefangen haben.
Ich denke, wir müssen uns in diese Richtung bewegen. Ich verspreche Ihnen, dass ich das tun werde. Ich werde versuchen, mich mit den Ägyptern, den Saudis und allen anderen zu treffen – den Amerikanern, den Russen, einfach allen –, um zu schauen, ob uns etwas Neues einfällt. Es muss etwas völlig anderes sein. Ansonsten werden wir meiner Meinung nach keine Ergebnisse erzielen können.
Sie sagen jetzt vielleicht, Sie hätten viele Jahre lang keine Ergebnisse gesehen. Seit 1967 haben wir gemeinsam, als eine internationale Gemeinschaft, keine Ergebnisse erzielt. Das stimmt. Dafür sind wir verantwortlich. Doch ich denke nicht, dass wir das Problem morgen lösen können, indem wir jetzt eine Entscheidung fällen, die sich von der unterscheidet, die wir am Montag im Rat getroffen haben.
Wir haben jetzt von der Sitzung des Europäischen Rats am Montag ein Gerüst, und wir müssen versuchen, dieses umzusetzen. Ich würde gerne noch einmal mit Ihnen reden und ganz offen, so wie jetzt hier, die Konsequenzen unseres Tuns besprechen.
Doch bitte denken Sie nicht, wir seien nicht einer Meinung. Denn wir sind es. Wir kennen die Situation dort und mehr können wir nicht sagen. Und was das Handeln betrifft, seien Sie sicher, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der Februar-Tagung statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. – (IT) Vielen Dank, Herr Präsident! Zu oft hat dieses Hohe Haus die israelisch-palästinensische Frage in langen Debatten erörtert. Nichtsdestotrotz müssen wir feststellen, dass objektiv gesehen die Europäische Union bisher in dieser Angelegenheit nur eine vollkommen unerhebliche Rolle zu spielen vermochte: viele Proklamationen, Absichtserklärungen, Anträge und Dokumente, doch dann in der Praxis wirklich wenig konsequente Aktionen. Ich habe vor kurzem Palästina besucht und festgestellt, dass Mutlosigkeit, Enttäuschung und Resignation unter der Bevölkerung herrschen, die der jahrelangen, nicht eingehaltenen Versprechungen überdrüssig ist: Die Situation spitzt sich zu und bringt die ernste Gefahr mit sich, dass die palästinensischen Gebiete den Hamas-Extremisten in die Hände fallen. Die Lage ist angespannt, und der Einsatz von Gewalt scheint nahezu unausweichlich. Es ist fünf vor Zwölf: Entweder Europa bringt die Kraft und die Fähigkeit auf, das Blatt zu wenden, oder wir alle werden die Verantwortung dafür tragen müssen, nicht genug getan zu haben, um das Schlimmste zu verhindern.
Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Wie mein Kollege Michael Gahler sagte, orientiert sich die gegenwärtige Entschließung an der Linie der sechs Mächte, um den Druck auf den Iran aufrechtzuerhalten.
Meiner Ansicht nach besteht das praktische Problem darin, wie diese Entschließung vom iranischen Regime aufgenommen werden wird. In einer Situation, in der die wichtigsten Mächte der internationalen Politik nicht willens oder in der Lage sind, der Verhängung von harten Sanktionen über Iran zuzustimmen, gibt es kaum eine Chance, dass diese Entschließung etwas bewirken wird.
Doch es gibt noch einen anderen – bisher noch nicht erprobten – Weg, mit dem man etwas bewirken könnte.
Dieser Weg wäre, der iranischen Oppositionsbewegung eine Chance zu geben, indem sie von den EU-Regierungen nicht mehr unterdrückt wird. Das Europäische Gericht erster Instanz urteilte im Dezember 2006 und die britischen Gerichte voriges Jahr im November, es gebe absolut keinen Grund, die iranische Opposition so zu isolieren. Wenn die iranische Opposition freie Hand für friedliche Aktivitäten erhält, wird die EU nicht nur über ein effektives Druckmittel verfügen, um das Mullah-Regime zu beeinflussen, sondern es wird auch eine dritte und realistischere Option zwischen Wunschdiplomatie auf der einen Seite und Militärinterventionen à la USA auf der anderen Seite eröffnet.
Wenn es uns ernst damit ist, im Iran eine positive Wende herbeizuführen, dann lassen Sie uns dieser dritten Option eine Chance einräumen.
18. Raketenabwehrsystem der Vereinigten Staaten (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zum Raketenabwehrsystem der Vereinigten Staaten.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Der Rat hat die Stationierung des US-Raketenabwehrsystems auf dem Hoheitsgebiet der Europäischen Union nicht erörtert. Zu meinem Bedauern kann ich daher den Standpunkt des Rates in dieser Angelegenheit nicht darlegen. Gleichwohl sei daran erinnert, dass die Entscheidung über die Stationierung von Streitkräften oder militärischen Ausrüstungen in der nationalen Zuständigkeit jedes einzelnen Mitgliedstaates liegt. Die Mitgliedstaaten treffen deswegen Entscheidungen in diesen Fragen unabhängig.
Lassen Sie mich eines klarstellen: Bislang hat es keine Gespräche zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über die Stationierung des Raketenabwehrsystems gegeben. Auch sieht keine Seite eine mögliche Zusammenarbeit auf diesem Gebiet vor. Der Rat der Europäischen Union hat daher keine Gespräche zur Erörterung dieser Frage geplant, weder mit den USA noch innerhalb der NATO-Allianz. Die Raketenabwehr ist bekanntlich Gegenstand der Zusammenarbeit innerhalb der NATO sowie des NATO-Russland-Rates.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich werde mich heute ganz kurz fassen, da die Kommission in dieser Angelegenheit sehr wenig Zuständigkeit besitzt.
Lassen Sie mich jedoch sagen, dass sich die Interaktion zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, Russland und den EU-Mitgliedstaaten in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung in stärkerem Maße auf diese wichtigen Partnerschaften auswirkt. Das ist klar. Deshalb und obwohl wir, wie ich schon sagte, für diese Angelegenheit wirklich nicht zuständig oder verantwortlich sind, hoffen wir, dass eine ausgewogene Lösung gefunden werden kann, die letztendlich für alle befriedigend ist.
Wir haben von Anfang an die Gespräche begrüßt, die seit Oktober vorigen Jahres in Moskau auf hoher Ebene geführt werden und denen Expertentreffen gefolgt sind. Und wir sehen in dem jüngsten direkten Dialog zwischen Moskau und Warschau eine Möglichkeit, die jeweiligen Positionen in Bezug auf die nationale Souveränität zu klären.
Schlussendlich wäre es meiner Meinung nach – unabhängig davon, in welchem Rahmen diese Themen diskutiert werden, sei es auf NATO- oder OSZE-Ebene – wichtig, in die Entscheidungen über die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur auch die Europäische Union einzubeziehen.
Karl von Wogau, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir in Europa über Raketenabwehr sprechen, dann dreht sich die Diskussion meist um die von den Vereinigten Staaten vorgesehenen Installationen in Polen und in Tschechien. Vielen ist die Tatsache nicht bewusst, dass es sich hier lediglich um die Ergänzung eines bereits bestehenden Systems handelt, dessen Aufgabe es ist, die Vereinigten Staaten von Amerika zu schützen. Für uns im Europäischen Parlament muss es jedoch in erster Linie um die Frage gehen, was dies für die Sicherheit des europäischen Kontinents bedeutet. Die Vereinigten Staaten haben ja für ihr Raketenabwehrsystem bereits über 100 Milliarden Dollar ausgegeben, pro Jahr investieren sie weitere 10 Milliarden in den Ausbau des Systems. Dabei sind die Vereinigten Staaten von potenziellen Gefahrenquellen deutlich weiter entfernt als wir in Europa. Die aktuelle Situation ist ungefähr so, als würde Luxemburg Geld für Deichbau ausgeben, während die Niederlande dies nicht für notwendig halten.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob überhaupt eine Bedrohung besteht und ob es notwendig ist, darauf zu reagieren. Die Debatte mit Javier Solana, die wir soeben gehört haben, zeigt, dass die Situation im Iran nach wie vor besorgniserregend ist. Auch wissen wir, welche Bedrohung von der instabilen Lage in Pakistan ausgehen könnte.
Wir im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung haben intensive Gespräche mit Vertretern der Vereinigten Staaten geführt, unter anderem auch mit dem für die Raketenabwehr zuständigen General Obering. Dabei wurde deutlich, dass das amerikanische System theoretisch dazu in der Lage wäre, einen Teil Europas zu schützen, jedoch nicht ganz Europa. Vor allem Zypern, Malta, Teile von Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Süditalien können durch dieses System nicht geschützt werden. Aus europäischer Sicht dürfen wir aber nicht zulassen, dass unser Kontinent in unterschiedliche Zonen mit unterschiedlichen Niveaus von Sicherheit auseinander bricht. Darum müssen wir unsere gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteressen in diesem Zusammenhang auch gemeinsam definieren.
Es wird uns bei dieser Gelegenheit bewusst, dass zurzeit kein Forum besteht, in dem eine solche Debatte stattfindet und in dem diese gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteressen definiert werden. Es ist klar, dass hier auch eine sehr intensive Abstimmung mit Russland notwendig ist.
Wir erwarten, dass der NATO-Gipfel in Bukarest im April Vorschläge für ein gemeinsames System vorlegen wird, und wir erwarten, dass dabei unsere spezifischen europäischen Sicherheitsinteressen in angemessener Art und Weise berücksichtigt werden.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Dieses Thema diskutieren wir nicht zum ersten Mal. Und zum wiederholten Male erhalten wir vom Rat dieselbe Antwort, der erklärt, er sei in dieser Frage nicht zuständig. Gleiches gilt für die Kommission, obwohl die Frau Kommissarin – dafür mein Lob – am Ende einräumte, die Dinge müssten in der Europäischen Union anders geregelt werden.
Über Vorkommnisse, die die Sicherheit aller Bürger Europas betreffen und die in den Bereich der Sicherheitsstrategie fallen, die Herr Solana uns beschrieben hat, muss untereinander debattiert werden können. Das Parlament ist glücklicherweise in der Lage, darüber zu reden. Diese Frage beschäftigt sowohl die Bürger als auch die Mitgliedstaaten der EU, weshalb wir die Auffassung vertreten, das Problem habe einen berechtigten Platz auf der Tagesordnung.
Ich hege nicht die Absicht, sämtliche Einwände zu wiederholen, die unsere Fraktion bereits zu dem Plan der Amerikaner vorgebracht hat. Unserer Ansicht nach liegt der Fehler darin, dass bilaterale Verhandlungen mit zwei Mitgliedstaaten der NATO geführt werden, die zufällig oder auch nicht Mitglied der EU sind, was Auswirkungen auf die Beziehungen zu Russland hat, einschließlich der Beziehungen der Europäischen Union zu Russland. Außerdem ist es ein Problem, dass das System einseitig weiterentwickelt wird, selbst wenn dies innerhalb der NATO geschieht, und dass nicht klar dargelegt worden ist, wofür das System genau gebraucht wird, ob es funktioniert und ob es nicht zu teuer wird.
Spannend ist die gegenwärtig in Polen stattfindende Debatte, da die neue Regierung verlautbart hat, man sei gegebenenfalls bereit, sich am System zu beteiligen, allerdings nur, weil dies der Wunsch der Amerikaner ist und es vorrangig um die Sicherheit Amerikas und nur nachrangig um die Polens geht. Denn bei Lichte besehen bedroht das System eher die Sicherheit Polens, als dass es diese erhöht. Deshalb fordern die Polen auch zusätzliche Unterstützung beispielsweise bei der Entwicklung der Luftabwehr der polnischen Streitkräfte, was eine Art Wettrüsten verursacht.
Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass die Diskussion in Polen erneut über den Nutzen oder die Notwendigkeit des Systems aufgeflammt ist und der neue polnische Premierminister bzw. zumindest der polnische Außenminister den Schneid hatte, mit den Russen darüber zu diskutieren. Wir unterstützen diese Bemühungen aus vollem Herzen.
In Tschechien sieht die Lage anders aus. Uns scheint, die Entscheidung für das Raketenabwehrsystem und den tschechischen Beitrag dazu wird gegen den Willen der Bevölkerung durchgeboxt, da meines Wissens nach 70 % der Tschechen gegen die Entwicklung des Systems sind. Daher befürchte ich, dass Manöver im Gange sind, um noch in diesem Jahr bestimmte Entscheidungen durchzudrücken, Verträge mit Polen und Tschechien abzuschließen, bevor – hoffentlich – eine neue Regierung in den USA die Macht ergreift. Bekanntermaßen stehen die Demokraten der Entwicklung des Raketenabwehrsystems recht skeptisch gegenüber.
Auf jeden Fall hoffen wir, dass im Rat eine Aussprache stattfindet, und wir bitten nachdrücklich darum, die Sache äußerst ernst zu nehmen. Wenn sich das System durchsetzt, wird dies zwangsläufig Folgen für unsere bereits problembehafteten Beziehungen zu Russland haben. Die Öffentlichkeit ist besorgt. Es handelt sich um ein neues Wettrüsten, und es gibt eine Reihe anderer Fragen, zu denen sich das Europäische Parlament unbedingt äußern sollte. So haben wir es in der Vergangenheit gehalten und das sollten wir auch weiterhin tun.
Meiner Auffassung nach besteht unsere vorrangige Aufgabe darin, zu eruieren, ob das Raketenabwehrsystem nötig ist, ob sich ein neues Wettrüsten anbahnt, ob damit wirklich ein Beitrag zu mehr Sicherheit geleistet wird und ob man so zum Kampf gegen die so genannten Schurkenstaaten beiträgt. Ich bin noch immer nicht überzeugt davon, dass die Iraner so schnell in der Lage sein sollen, Raketen abzuschießen, wie die Amerikaner behaupten. Auch dazu liegen uns gegenteilige Informationen vor. Hoffentlich gelingt es uns, im Rahmen der Aussprache in diesem Hause die Diskussion voranzutreiben und zu verfolgen, was in Tschechien und Polen geschieht. Meine Fraktion lehnt das Raketenabwehrsystem weiterhin ab.
Anneli Jäätteenmäki, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Die größte Bedrohung für die Menschheit ist nicht die Verbreitung von Atomwaffen in andere Länder. Das eigentliche Problem besteht in der Existenz von Atomwaffen überhaupt. Die einzige ethische und dauerhafte Option in unserer Haltung zu Raketenabwehrsystemen und anderen nuklearen Systemen ist deren Abschaffung. Auch die EU sollte sich zu neuen Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle verpflichten und sich engagiert für die Einleitung des Abrüstungsprozesses einsetzen.
Amerikas Raketenabwehrsystem würde die Gefahr eines Atomkriegs erhöhen. Der nukleare Schutzschild für Polen und die Tschechische Republik basiert auf der Annahme, dass ein nuklearer Krieg gewonnen werden kann. Die Art der Raketenabwehr, wie sie von den Vereinigten Staaten praktiziert wird, unterscheidet sich grundlegend von ihrer früheren Politik der Abschreckung, denn deren Ziel war es zu verhindern, dass ein Land gegen ein anderes Rache übt. Die ehemals abschreckende Wirkung der nuklearen Aufrüstung ist also aus dem Blickfeld geraten. Das Gleichgewicht des Schreckens ist damit ausgeblendet. Das ist der Grund, warum ein US-Raketenabwehrsystem in Polen oder in der Tschechischen Republik für ganz Europa und alle seine Mitgliedstaaten ein ernsthafter Anlass zur Sorge ist. Und weil das so ist, muss die EU unbedingt diese Debatte führen und die Anliegen ihrer Bürger deutlich machen. Wir sollten an dieser Stelle wirklich auch einmal prüfen, ob dies der Verbesserung der Sicherheit in Europa und der europäischen Verteidigung dient, oder ob das neue System nicht im Gegenteil die Sicherheit in Europa tatsächlich schwächt.
Ģirts Valdis Kristovskis, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Sehr verehrte Damen und Herren! Manchmal erinnert uns Präsident Putins Rhetorik daran, dass Russland seine Raketen vielleicht gegen Europa richten könnte, was beweist, dass ein bestimmtes strategisches Gleichgewicht zwischen den Vereinigten Staaten und Russland herrscht. Doch zwischen Europa und Russland gibt es ein derartiges Gleichgewicht nicht. Und es kann auch nicht durch Frankreichs und Großbritanniens Nuklearschirme sichergestellt werden kann. Daher ist es nach meinem Dafürhalten richtig, sich zu fragen, wie sich Europas gemeinsame Raketenabwehr statt des USA-Abwehrsystems gewährleisten lässt. Debattieren wir diese Fragen nur, weil sich die Amerikaner eben um ihre eigene Verteidigung kümmern? Frau Ferrero-Waldner, Mitglieder der Kommission und die EU sorgen sich nicht einmal um diese Form der Verteidigung. Meinen Sie nicht auch, dass es für die USA, die NATO und bestimmte Mitgliedstaaten ganz selbstverständlich ist, diese Frage gemeinsam zu entscheiden? Meiner Ansicht nach muss die EU eine eindeutige Position formulieren, die dann gemeinsam mit der NATO und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden sollte. Ansonsten sollten wir hier nicht weiter unsere Zeit verschwenden, wenn ohnehin alles von der NATO entschieden wird.
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Minister, Frau Kommissarin! Ich muss gestehen, das ist zweifellos eine neue europäische Politik. Sie erinnert mich an meinen Sohn, als dieser vier Jahre alt war. Wenn man ihn damals fragte: „Wo bist du?“, dann legte er die Hände auf die Augen und sagte: „Ich bin nicht da.“ Und genau so sagt uns die Kommission: „Wir sind nicht da! Das hat nichts mit uns oder mit Europa zu tun.“
Entschuldigung, das ist ja absoluter Unsinn! Entweder entscheiden wir uns jetzt, dass wir eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik wollen? Wir haben sogar einen neuen Vertrag, wonach wir einen eigenen Außenminister für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik haben. Und wenn wir einen Außenminister haben, dann müssen wir doch auf europäischer Ebene diskutieren, nicht als einzelne Staaten mit anderen einzelnen Staaten, die über ihre Sicherheit diskutieren, oder wie Herr von Wogau, der sagt, ganz Europa ist bedroht vom Iran, oder ich weiß nicht von wem. Ich bin nicht dieser Meinung, auf jeden Fall müssen wir auf europäischer Ebene diskutieren. Wir können doch nicht einfach sagen, die Amerikaner haben jetzt irgendeine spinnerische Idee. Vielleicht ist Herr Bush in sechs Monaten nicht mehr da, dann haben sie diese spinnerische Idee nicht mehr. Aber wir Europäer haben damit nichts zu tun.
Wir sind sehr skeptisch gegenüber dieser ganzen Raketenverteidigungsstrategie, aber wir sind der festen Überzeugung, dass dies etwas ist, was wir in Europa diskutieren müssen, als Europäer. Es ist nicht eine Entscheidung der polnischen oder der tschechischen Mitglieder, oder welcher Mitglieder auch immer — morgen Rumänien, Bulgarien, übermorgen Sizilien —, sondern wir haben ein gemeinsames Interesse daran, über unsere Sicherheit Entscheidungen zu treffen. Das ist im Grunde genommen in dem Vertrag festgelegt, den Sie ratifiziert haben, den wir ratifizieren wollen: eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Und deswegen muss dieses Thema zum Thema der Europäischen Union werden. Die Entscheidung darf nicht bilateral — zwischen Polen und den Vereinigten Staaten oder zwischen Tschechien und den Vereinigten Staaten — getroffen werden. Es ist eine europäische Entscheidung, es ist ein europäisches Problem, und das müssen wir europäisch lösen.
Vladimír Remek, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass das Problem der Errichtung des amerikanischen Raketenabwehrsystems in der Tschechischen Republik und Polen, das heißt, auf dem Gebiet der Europäischen Union, im Europäischen Parlament debattiert wird, das die demokratischste Institution der EU ist, da sie direkt von den Bürgern der Union gewählt wird, die von diesem Problem betroffen sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass ich mir der Rückendeckung durch meine Fraktionskolleginnen und -kollegen gewiss bin und ich auch auf meine eigenen Erfahrungen als Militärexperte zurückgreifen kann. Am wichtigsten ist jedoch die Tatsache, dass mich die Mehrheit der Bürger meines Landes unterstützt, von denen 70 % die Installation des amerikanischen Radarsystems ablehnen.
Das amerikanische Raketenabwehrsystem wird uns als Verteidigungsschild dargeboten, aber warum war es der Tschechischen Republik dann zum Beispiel nicht gestattet, das passive Radarsystem Tamara ohne aktive militärische Komponenten an China zu verkaufen? Angeblich würden China daraus unangemessene Vorteile in ihrem Verhältnis zu anderen Staaten erwachsen. Ist das nicht Wortklauberei? Geht es in Wahrheit bei der Stationierung des Radars in der Tschechischen Republik nicht auch darum, einen Vorteil zu gewinnen? Selbst ein Laie kann begreifen, was Krieger schon lange vor Hannibal wussten: Ein Schild in der Hand eines Soldaten ist ein Mittel, um sein Schwert besser und wirksamer einzusetzen.
Es wird viel über erhöhte Sicherheit geredet, aber geht es nicht eigentlich um eine Erhöhung der Sicherheitsrisiken? Logischerweise werden wir prompt zum Ziel Nr. 1 für potenzielle Gegner. Uns wird gesagt, wir seien den USA verpflichtet, um zu beweisen, dass wir gute Verbündete sind. Kanada ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen – sind die Kanadier damit schlechte Verbündete der USA? Ist es nicht vielleicht doch so, dass Kanada seine Lehren aus der recht zweckorientierten Rechtfertigung für den Militäreinsatz im Irak gezogen hat?
Uns überrascht die Reaktion Russlands. Vor dem Hintergrund, dass die USA einseitig aus dem ABM-Vertrag ausgestiegen sind und im eigenen Interesse handeln, ist die Reaktion allerdings nicht unlogisch. Waren die Vereinigten Staaten vor Jahren erfreut über die unmittelbare Nähe sowjetischer Raketen in Kuba?
Zweifelsohne sind die USA eine Supermacht, deren Ansichten, Vorschläge und Forderungen nicht einfach so vom Tisch gefegt werden können. Wenn uns vor allem in Europa größere Sicherheit wirklich wichtig ist, führt der Weg dorthin über einen sehr komplizierten Weg von Verhandlungen und Vereinbarungen, aber nicht mittels einseitiger Schritte. Diese Verantwortung tragen nicht nur die Hauptakteure – die USA und Russland – sondern auch die Europäische Union.
Jana Hybášková (PPE-DE). – (CS) Zu Beginn unseres 21. Jahrhunderts ist die Verbreitung von Mittel- und Langstreckenraketen enorm. Aufgrund eines fehlenden internationalen Sicherheitssystems kann ihr leider nur durch wirksame Verteidigung Einhalt geboten.
Die EU-Mitgliedstaaten haben das vorrangige Recht auf wirksame Verteidigung. Die zurzeit in Prag stattfindenden Verhandlungen über ein Stationierungsabkommen sind ein legitimes Recht der Tschechischen Republik. Da das Radarsystem auf dem Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik die Sicherheit vieler europäischer Länder garantieren soll und dies für Tschechien – ein Land, das viele Jahre besetzt war – die erste Möglichkeit sein wird, aktiv zur europäischen Sicherheit beizutragen, muss die tschechische Regierung äußerst verantwortungsbewusst handeln.
Das Raketenabwehrsystem muss zuverlässig und für Verteidigungszwecke ausgelegt sein, und sie muss die Unteilbarkeit der Sicherheit wahren. Darum begrüßen wir die Informationen über den Gipfel in Bukarest, auf dem über den Bau eines ergänzenden ALTBMD-Systems entschieden werden soll. Indem man die Verhandlungen der NATO überträgt, garantiert man die Umsetzung des Unteilbarkeitsprinzips. Durch die amerikanisch-polnisch-tschechisch-russischen Verhandlungen soll deutlich gemacht werden, dass es sich um ein reines Verteidigungssystem handelt.
Mein abschließender Punkt betrifft die Frage der Wirksamkeit. Berücksichtigt man, was über die im November durchgeführten iranischen Tests bekannt ist, so müssen wir unsere gemeinsame Verantwortung begreifen. Wir dürfen die Wirksamkeit unserer gemeinsamen Verteidigung nicht durch Streitigkeiten darüber schwächen, ob wir uns überhaupt verteidigen sollten.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Gestatten Sie mir, meine einminütige Redezeit zu nutzen, um den Rat der Europäischen Union sowie den Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aufzufordern, das amerikanische Raketenabwehrsystem auf europäischer Ebene zu diskutieren.
Die Errichtung des Raketenabwehrsystems der Amerikaner in Europa ist eine gesamteuropäische Frage, die nicht nur Tschechen, Polen und Amerikaner betrifft. Die Beziehungen innerhalb der EU, die Beziehung zwischen EU und NATO, die Beziehungen zwischen EU und USA sowie das Verhältnis der EU zu Russland stehen auf dem Spiel. Daher möchte ich darum bitten, dieses Problem auf die Tagesordnung des Rates zu setzen.
Bezüglich der Tschechischen Republik möchte ich eine Tatsache erwähnen: 70 % der tschechischen Bürger lehnen das System ab. Drei Viertel aller Tschechen fordern eine Volksabstimmung darüber. Die tschechische Regierung kommuniziert nicht mit der Öffentlichkeit, sondern macht alles hinter dem Rücken des tschechischen Volkes. Das sollte man wissen und dies sollte im Rat der Europäischen Union vorrangig beachtet werden.
Janusz Onyszkiewicz (ALDE). – (PL) Herr Präsident! Darf ich zunächst alle daran erinnern, dass das Raketenabwehrschild nicht nur eine Angelegenheit Polens und der Tschechischen Republik ist. Es betrifft auch das Vereinigte Königreich und Dänemark, denn Anlagen in diesen beiden Ländern sollen ebenfalls in das System einbezogen werden. Wir sollten daher nicht nur über Polen oder die Tschechische Republik sprechen.
Zweitens, das Raketenabwehrschild und die Anlagen, die ein Teil davon sind, werden kein Anziehungspunkt für Terroristen sein. Terroristen haben weiche Ziele, keine sorgfältig verteidigten Militärbasen.
Abschließend ein dritter Punkt. Die Europäische Union ist kein militärischer Verbündeter. Vielleicht ist das bedauerlich, aber so ist die Realität, und der neue Vertrag, der Vertrag von Lissabon, ändert nichts in dieser Hinsicht. Angesichts dessen sind für die Verteidigungsfrage entweder die NATO oder die Länder zuständig, die sich nicht entschieden haben, einem Bündnis beizutreten und sich getrennt verteidigen wollen. Offensichtlich muss in der NATO erörtert werden, wie dieses System in andere Systeme passen könnte, die von der NATO entwickelt werden sollen. Dies ist von größter Wichtigkeit. Vergessen wir nicht, dass 21 Länder in der Europäischen Union Mitglieder der NATO sind.
Milan Horáček (Verts/ALE). – Herr Präsident! Einer der großartigsten Anti-Kriegsromane ist über „den braven Soldaten Schwejk“ von Jaroslav Hašek! Was die Position von Rat und Kommission bringt, übertrifft aber den Schwejk, es übertrifft auch den Franz Kafka, es übertrifft auch den Vogel Strauß. Diese Vogel-Strauß-Politik können wir nicht machen! Wir müssen das diskutieren auf dem Boden des Europäischen Parlaments, unter uns, aber natürlich auch mit den NATO-Staaten. Wir müssen das diskutieren mit den Tschechen, den Polen und den Russen. Das ist ein Vorgang, der gesamteuropäisch notwendig ist.
Tobias Pflüger (GUE/NGL). – Herr Präsident! Das geplante Raketensystem ist zur Verhinderung der Zweitschlagsfähigkeit da, das ist technisch eindeutig. Das bedeutet, es ist auch ein Angriffssystem. Das sollte bei der Debatte mit berücksichtigt werden. Ob das Raketensystem nun von den USA, oder von der NATO zusammen mit den USA oder wie auch immer aufgebaut wird – es bleibt ein Aufrüstungsprogramm! Der bezeichnende Punkt für mich ist, dass die Europäische Union dazu keine gemeinsame Position findet. Diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union macht sich an diesem Punkt völlig lächerlich! Da kann Daniel Cohn-Bendit den Reformvertrag zitieren, solange er lustig ist. Solange so agiert wird, wie das gerade eben passiert, dass man nämlich gar keine Position bezieht, macht man sich einfach nur lächerlich.
Was wir machen müssen, ist klar sagen, dass wir dieses Raketensystem nicht wollen. Hier im Europäischen Parlament gibt es nämlich eine ganz klare Mehrheit, die zu diesem Raketensystem Nein sagt. Außerdem ist auch in den Ländern, z. B. in Tschechien, die Bevölkerung sehr deutlich gegen dieses Raketensystem, und die polnische Regierung vertritt inzwischen ja durchaus eine differenziertere Position als zuvor. Deshalb wäre es mir recht, wenn wir hier einmal eine Entschließung verabschieden, die zu diesem Raketensystem klar Nein sagt.
Jan Zahradil (PPE-DE). – (CS) Gestatten Sie mir, dem durch die slowenische Präsidentschaft vertretenen Rat sowie der durch Frau Kommissarin Ferrero-Waldner repräsentierten Kommission dafür zu danken, dass sie sich ziemlich streng an den Wortlaut der europäischen Verträge gehalten haben. Gemäß den Verträgen fallen die betreffenden Problemstellungen ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Einzelstaaten. Selbst im neuen Vertrag von Lissabon wird explizit erklärt, die einzelnen EU-Mitgliedstaaten seien für Fragen der nationalen Sicherheit zuständig.
Meiner Überzeugung nach ist die europäische Sicherheit untrennbar mit der Sicherheit der gesamten euro-atlantischen Region verbunden. Wenn die Europäische Union nicht in der Lage ist, ihre Mitglieder vor neuen Gefahren zu schützen – ob finanzieller oder technologischer Natur –, erhält diese Verbindung grundlegende Bedeutung.
Zu dem hier bereits mehrfach erwähnten Thema der öffentlichen Meinung kann ich nur hinzufügen, dass jene Menschen, die sich auf Meinungsumfragen berufen und ein Referendum fordern, oftmals diejenigen sind, die eine Volksabstimmung über eine andere Frage von grundlegender Bedeutung abgelehnt haben, nämlich den neuen EU-Vertrag.
Oldřich Vlasák (PPE-DE). – (CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, alle Argumente zusammenzufassen.
Im Kern geht es bei diesem Problem nicht nur um die Erhöhung der Sicherheit der Tschechischen Republik und Polens, sondern faktisch um die Verbesserung der Sicherheit in ganz Europa. Die Verantwortung für die Verhandlungen über die Stationierung eines solchen Systems trägt der jeweilige Einzelstaat. In anderen Ländern, in Mitgliedstaaten der EU, gibt es vergleichbare Systeme.
Die heutigen Rednerinnen und Redner haben klar die Existenz einer realen Gefahr hervorgehoben. Wir müssen begreifen, dass Entscheidungen in Sicherheitsfragen sehr schnell gefällt werden müssen. Entscheidungen dieser Art können auch ein Element der Prävention enthalten. Nur wenn wir bereit und stark sind, können wir Aggressoren an den Verhandlungstisch und zur Einhaltung von Sicherheitsforderungen zwingen.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich die Meinung, die tschechische Regierung kommuniziere nicht mit den Bürgern über das System, in keiner Weise teilen kann. Seit Monaten läuft eine entsprechende Informationskampagne.
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) Ich möchte auf vier Aspekte zum Thema eingehen.
Der erste Punkt bezieht sich auf die im Mai 1997 unterzeichnete Grundakte zwischen der NATO und der Russischen Föderation, in der sich beide Seiten verpflichteten, auf die Anwendung von Gewalt und selbst die Androhung von Gewalt auf dem europäischen Kontinent zu verzichten. Wenn dieses Dokument rechtskräftig ist, schließt es eigentlich die Möglichkeit der Entstehung einer Situation auf unserem Kontinent aus, wie wir sie debattiert haben.
Der zweite Aspekt betrifft den Helsinki-Prozess. Die Unterzeichnerstaaten der Schlussakte verpflichteten sich in Helsinki, die Präsenz militärischer Systeme in Europa zu verringern. Diese Maßnahme könnte den Trend umkehren. Nach meinem Dafürhalten sollte die Anzahl der Militärsysteme auf dem europäischen Kontinent weiter abgebaut werden.
Drittens geht es um die Zahl von Stützpunkten. Die Amerikaner unterhalten Stützpunkte in 18 europäischen Staaten. Zählt man die neuen hinzu, stiege die Gesamtzahl auf 20. Damit bestätigten sich die Worte Zbigniew Brzezińskis, der meinte, die Europäische Union sei de facto ein amerikanisches Protektorat.
Der vierte Aspekt betrifft den Zweck des ganzen Systems. Meiner Ansicht nach ist dieser hinreichend klar: die Gewährleistung flächendeckender Aufklärung und Kontrolle durch Geheimdienste auf dem gesamten europäischen Kontinent.
Urszula Gacek (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Premierminister Tusk ist aufgeschlossen für die Argumente seiner europäischen Nachbarn. Polens mögliche Beteiligung an diesem amerikanischen Vorhaben darf nicht zu Missverständnissen innerhalb der Union selbst führen. Die neue polnische Regierung legt Wert auf gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, ist sich aber bewusst, dass Polen vor allem ein Mitglied der europäischen Familie ist.
Polen schenkt auch den Vorbehalten Russlands Beachtung und reagiert trotz des barschen Tons einiger Vertreter der russischen Streitkräfte gelassen. Da die Europäische Union derzeit keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat, wird die endgültige Entscheidung Polens über die Stationierung von Teilen des Raketenabwehrschilds auf seinem Staatsgebiet seine unabhängige Entscheidung sein. Polen erkennt auch andere Meinungen an und nimmt Kritik nicht übel.
Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, unseren Standpunkt zu respektieren, bei dem es in erster Linie darum geht, die Sicherheit unserer eigenen Bürger zu gewährleisten.
(Beifall)
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte Herrn Cohn-Bendit danken, der daran erinnerte, dass Slowenien gestern als zweiter Mitgliedstaat den neuen Vertrag von Lissabon ratifiziert hat. Der Vertrag ist allerdings noch nicht in Kraft. Bekanntlich steht noch in 24 Ländern die Ratifizierung aus, und der slowenische Vorsitz möchte die Hoffnung äußern, dass die Staaten die Ratifizierung pünktlich abschließen, damit der neue Vertrag von Lissabon zum vorgesehenen Termin in Kraft treten wird.
Ich möchte betonen, dass sich daraus keine gravierenden Änderungen oder etwas Neues für die Prämissen ergeben, die der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zugrunde liegen. Insbesondere ändert sich nichts an der Tatsache, dass diese Politik auf der nationalen Zuständigkeit beruht, die den Mitgliedstaaten im Bereich der nationalen Sicherheit und Verteidigung vorbehalten bleibt.
Die Europäische Union verfügt bereits über eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die auch einen Rahmen für derartige Diskussionen im Rat bietet. Alternativ finden solche Gespräche im Rat statt. Das hängt allerdings weniger von der Präsidentschaft als vielmehr von dem Willen und dem Interesse der Mitgliedstaaten ab. Ich darf Ihnen versichern, dass der Rat über die heutige Aussprache und die in ihr zum Ausdruck gebrachten Standpunkte ausführlich unterrichtet wird.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
19. Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste der Gemeinschaft (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste in der Gemeinschaft (13593/6/2007 – C6-0410/2007 – 2006/0196(COD)) (Berichterstatter: Markus Ferber) (A6-0505/2007).
Markus Ferber, Berichterstatter. − Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind am Ende einer langen Debatte, die wir hier im Europäischen Parlament über vier Legislaturperioden geführt haben, beginnend 1992 mit der Veröffentlichung eines Weißbuches der Europäischen Kommission über die Entwicklung der Postdienste, über die Verabschiedung einer ersten Richtlinie im Jahr 1997, die Weiterentwicklung dieser Richtlinie im Jahr 2002, und jetzt, zu Beginn des Jahres 2008, nach über fünfzehn Jahren, haben wir es hoffentlich geschafft, dass wir gemeinsam eine vernünftige Regelung verabschieden, die einen Beitrag dazu leistet, dass wir die Interessen der Verbraucher, die Interessen der Unternehmen, die bisher im Monopol Postdienstleister waren, die Interessen der Wettbewerber, die in diesen interessanten Markt gehen wollen, die Interessen der Beschäftigten in diesem Sektor, dass wir all dies miteinander vereinigen können. Wir haben hier als Europäisches Parlament in den letzten Monaten sehr hart gearbeitet.
Frau Präsidentin, ich darf nur darauf hinweisen, dass die Uhr falsch läuft, ich habe noch keine dreieinhalb Minuten gesprochen.
Ich glaube, es ist uns hier im Europäischen Parlament gelungen, einen guten Kompromiss zwischen all diesen Interessen zu erreichen. Ich darf mich bei allen bedanken, die mitgewirkt haben, diesen Kompromiss zu erreichen, natürlich bei den Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament, insbesondere bei Brian Simpson, mit dem mich eine 14-jährige Freundschaft in Zusammenhang mit den Postdiensten verbindet. Wir haben seit 1994 hier gemeinsam dieses wichtige Thema begleitet. Ich darf mich bei der Kommission bedanken, die eine sehr konstruktive Rolle gespielt hat, sowohl in ihren Vorschlägen als auch dann bei den konkreten Verhandlungen.
Ich muss an dieser Stelle, es tut mir Leid, nicht der slowenischen Ratspräsidentschaft danken, sondern ganz besonders der portugiesischen Ratspräsidentschaft, der es gelungen ist, am 1. Oktober letzten Jahres einen gemeinsamen Standpunkt zu formulieren.
Worauf ich schon stolz bin, worauf wir als Europäisches Parlament gemeinsam stolz sein können, ist die Tatsache, dass der Rat in seinem Gemeinsamen Standpunkt das, was wir als Parlament zwischen den Fraktionen erarbeitet haben, übernommen und zu über 95 % als Grundlage des Gemeinsamen Standpunktes herangezogen hat. Das ist ein großer Erfolg des Europäischen Parlaments, und es zeigt, dass das Parlament verantwortungsvoll so schwierige Themen wie die Öffnung der Postmärkte lösen kann, womit auch gerechtfertigt ist, dass es mit dem Reformvertrag weitere Kompetenzen erhält.
Deswegen haben wir in der Beratung im Ausschuss zur zweiten Lesung festgestellt, ob es noch Stellen am Gemeinsamen Standpunkt gibt, an denen wir Verbesserungen vornehmen können. Wir haben uns das nicht leicht gemacht, weil jeder Kompromiss natürlich an der einen oder anderen Stelle noch Punkte hat, wo man vielleicht noch etwas besser machen könnte. Aber wir haben in einem großen übereinstimmenden Votum im Verkehrsausschuss im Dezember am Ende festgestellt, dass eigentlich alle Punkte, auf die wir als Parlament Wert gelegt haben, vom Rat berücksichtigt wurden und dass wir nichts besser machen können. Wir können die Dinge nur schlechter machen.
Deswegen darf ich als Berichterstatter heute sagen, dass die Empfehlung des Ausschusses mit großer Mehrheit lautet, den Gemeinsamen Standpunkt unverändert anzunehmen, und ich würde mich freuen, wenn das morgen gelingen würde. Wir hätten damit auch ein Beispiel gesetzt, dass wir dieses schwierige Thema der Liberalisierung der Postdienste, das uns in diesem Hause jetzt fünfzehn Jahre lang bewegt hat, ohne ein einziges Vermittlungsverfahren erreicht haben. Ich darf nur in Erinnerung rufen, dass wir es in der zweiten Lesung immer geschafft haben, zu einer Einigung zu kommen. Das wäre der krönende Abschluss eines langen Gesetzgebungsverfahrens. In dem Sinne bitte ich um Unterstützung und bedanke mich nochmals bei allen, die hier sehr konstruktiv zusammengearbeitet haben.
VORSITZ: LUISA MORGANTINI Vizepräsidentin
Andrej Vizjak, amtierender Ratspräsident. − (SL) Es ist mir eine große Ehre, heute Ihrer Plenarsitzung beiwohnen zu dürfen.
Der Kommissionsvorschlag für die Richtlinie über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste zählte für die Mitgesetzgeber zu den anspruchsvollsten Legislativvorschlägen der vergangenen 15 Monate. Als die Kommission ihn im Oktober 2006 unterbreitete, erwartete jedermann in unseren Organen endlosen Streit und lebhafte Debatten über die Zukunft eines der ältesten und traditionellsten öffentlichen Dienste in Europa.
Die Beratungen zu dieser Thematik verlangten dem deutschen und insbesondere dem portugiesischen Vorsitz im Jahr 2007 alles ab. Von Anbeginn war es in den Diskussionen erklärtes Ziel unserer Institutionen, Populismus und Demagogie zu vermeiden und die wesentlichen Parameter in den Blickpunkt zu rücken. Dazu zählen soziale Aspekte für die Postbediensteten und die ständige Finanzierung eines Universaldienstes.
Bekanntlich muss sich der Postsektor, der vom Strukturwandel bedroht ist, an neue wirtschaftliche und soziale Bedingungen anpassen. Die letzte Phase der gesamten Reform des Binnenmarktes für Postdienste eröffnet allen beteiligten Anbietern eine einzigartige Möglichkeit für Wachstum. Schließlich erwartet die Öffentlichkeit von uns den Erhalt und die Verbesserung der Qualität und Effizienz von Postdiensten zum Nutzen der Verbraucher, unabhängig davon, wo sie leben.
Die Marktöffnung für Postdienste war bislang eine Erfolgsgeschichte. Neue Akteure drängten auf den Markt, neue Möglichkeiten wurden genutzt, und zwar nicht nur von diesen neuen Akteuren, sondern auch von den etablierten. Es entstehen neue Dienste für die Verbraucher. Ganz offensichtlich ist die vollständige Liberalisierung der Postdienste eine notwendige Voraussetzung für die Belebung dieses Sektors und für die Sicherung seiner Existenz neben neuen Formen des Wettbewerbs und alternativen Diensten.
Der Ansatz unserer beiden Organe ist ein weiterer Beweis für die Grundprinzipien, qualitativ anspruchsvolle, zuverlässige und erschwingliche Dienste für sämtliche Verbraucher zu gewährleisten und diskriminierende Hemmnisse für neue Akteure, die in den Markt eintreten, zu verhindern. Zugleich erkennen das Europäische Parlament und der Rat an, dass einige Postdienstmärkte in der Europäischen Union im Grunde unter verschiedenen Bedingungen operieren. Bei der Formulierung seines Gemeinsamen Standpunkts hat der Rat daher beschlossen, dass die Frist für die Liberalisierung Ende 2010 abläuft. Einigen Mitgliedstaaten wurde jedoch für die Umsetzung der neuen Regeln eine Übergangszeit bis Ende 2012 zugestanden. Genau wie das Grundprinzip aller früheren Richtlinien über Postdienste bietet das Subsidiaritätsprinzip den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die gemeinsamen Vorschriften an ihre besondere nationale Situation anzupassen und stellt es eine unabhängige Regulierungsbehörde zur Kontrolle des Postdienstmarktes sicher.
Gestatten Sie mir zum Schluss meines kurzen Vortrags, Herrn Ferber und die Berichterstatter aller beteiligten Fraktionen, d. h. die Schattenberichterstatter, zu ihren Beiträgen zu unseren fruchtbaren und konstruktiven Gesprächen zu beglückwünschen. Obgleich ihre einzelnen Bemerkungen nicht immer unsere uneingeschränkte Zustimmung fanden, darf ich Sie daran erinnern, dass der Rat im November 2007 einige geeignete Abänderungen in seinen Gemeinsamen Standpunkt aufgenommen und damit seine politische Entschlossenheit, Offenheit und konstruktive Flexibilität unter Beweis gestellt hat.
Besonders herausstellen möchte ich die ausgezeichnete Arbeit der Kommission in dem gesamten Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung und ihr Engagement für die wirksame Unterstützung und Orientierung der Mitgliedstaaten in allen Fragen, die die Durchführung der neuen Richtlinie betreffen. Meine Damen und Herren! Morgen, wenn Ihnen die endgültige Entscheidung vorliegt, werden Sie erneut unsere grundlegende Übereinkunft nach Maßgabe des Gemeinsamen Standpunkts des Rates und der Empfehlung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr vom 19. Dezember letzten Jahres bestätigen. Zweifelsfrei haben wir die richtige Balance zwischen den einzelnen Zielen gefunden und uns offen und mit Feingefühl mit den politischen Anforderungen auseinandergesetzt, ohne die Rechtssicherheit von Postdiensteanbietern und Verbrauchern zu gefährden.
Ich darf Ihnen nochmals für Ihre Mitwirkung und für den Text danken, der, und darin bin ich mir sicher, angenommen wird. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Leonard Orban, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Morgen sollte das Europäische Parlament eine historische Entscheidung fällen, die das Ende eines Prozesses markiert, der vor über fünfzehn Jahren begann. Die dritte Postrichtlinie bringt den gründlich vorbereiteten schrittweisen Prozess der vollständigen Marktöffnung zu einem guten Ende.
Was heute als eine eindeutige und offensichtliche Lösung erscheint, war zu Beginn der Diskussion alles andere als unbestritten. Am 18. Oktober 2006 legte die Kommission ihre Vorschläge vor. Es folgten intensive und konstruktive Verhandlungen in den Organen. Schließlich war es das Europäische Parlament mit seinem Bericht in erster Lesung am 11. Juli 2007, das den Weg für die Kompromisslösung ebnete, die heute vor Ihnen liegt.
Viele in diesem Hohen Haus haben einen aktiven Beitrag zur Erzielung dieses wichtigen Ergebnisses geleistet, und ich möchte – im Namen meines Kollegen, Kommissar Charlie McCreevy, – insbesondere dem Berichterstatter, Markus Ferber, und seinen Schattenberichterstattern aus den anderen Fraktionen Anerkennung zollen, die diesen Kompromiss ausgearbeitet haben. Dasselbe gilt für die finnische, deutsche, portugiesische und – nicht zuletzt – die slowenische Ratspräsidentschaft.
Einige inhaltliche Bemerkungen: Der Text, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist ausgewogen. Er berücksichtigt die Interessen verschiedener Fraktionen und Mitgliedstaaten. Im Vorschlag der Kommission war ein früheres Datum für die Marktöffnung vorgesehen, und damit wurde das in der alten Postrichtlinie anvisierte Datum bestätigt. Zwei zusätzliche Jahre sind eine lange Zeit. Zeit genug für alle Beteiligten, ihre Vorbereitungen abzuschließen. Das sollte jedoch nicht zu Bequemlichkeit führen.
Wichtig für den Postsektor, seine Kunden, seine Unternehmen und seine Beschäftigten ist die Tatsache, dass es ein endgültiges und vorbehaltloses Datum für die vollständige Marktöffnung gibt. Der Gemeinsame Standpunkt sieht faire Bedingungen vor und fordert von uns die Abschaffung der Marktzugangshemmnisse.
Eine begrenzte Zahl an Änderungsanträgen ist für die morgige Abstimmung eingereicht worden. Das sind überwiegend Änderungsanträge, die bereits im Dezember vom Ausschuss für Transport und Fremdenverkehr abgelehnt worden waren. Wie mein Kollege Charlie McCreevy damals feststellte, wird mit diesen Änderungsanträgen kein Mehrwert für den Binnenmarkt, für die Kunden der Post oder für die bei der Post Beschäftigten geschaffen. Die Sache ist jetzt in Schwung, so dass der Prozess der Postreform abgeschlossen werden könnte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Ihnen vorliegende Text ausgewogen und substanziell ist, und wenn Sie sich den Wortlaut ansehen, dann werden Sie mir zustimmen, dass er unserem Ziel gerecht wird – einer wirklichen Marktöffnung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel, um das höhere Ziel eines qualitativ hochwertigen, gut funktionierenden und nachhaltigen Postsektors, der den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, zu verfolgen.
Reinhard Rack, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Wir alle, auch ich, haben in den vergangenen Jahren immer wieder beklagt, dass auch bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben die Ratsbank weitgehend leer geblieben ist. Wir sollten uns daher heute ganz bewusst darüber freuen, dass die slowenische Präsidentschaft auf hohem Niveau an dieser wichtigen Gesetzgebungsdebatte teilnimmt und so gesehen zu einem gewissen Grad die Zukunft des Vertrages von Lissabon, den sie ja gerade ratifiziert haben, vorweg nimmt.
Der Binnenmarkt für Postdienste hat eine lange Vorgeschichte. Wir freuen uns, dass wir mit dem vorliegenden Text heute hoffentlich zu einem guten Ende beitragen werden. Der seinerzeitige Kommissionsvorschlag war prinzipiell in sich schlüssig und akzeptabel, aber für uns im Europäischen Parlament war das Prinzipielle in vielen Fällen oft ein wenig zu global, und wichtige Detailfragen sind aus unserer Sicht offen geblieben.
So gesehen war es gut, dass wir unter der Führung unseres Berichterstatters, Markus Ferber, dem ich im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei und der Europäischen Demokraten herzlich gratuliere, in der ersten Lesung mit einer ganz großen Mehrheit dem Kommissionsvorschlag eine Reihe von wichtigen Aspekten hinzugefügt haben bzw. ihn interpretiert und konkretisiert haben.
Wir haben vor allem zu den Fragen der Finanzierung eine weitere Option hinzugefügt — wichtig, damit hier dieses ganz zentrale Thema nicht unberücksichtigt bleibt. Wir haben die sozialen Gesichtspunkte, vor allem die Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Urlaub und Ähnliches noch verstärkt, und wir haben im Besonderen auch eine vorübergehende Gegenseitigkeitsklausel eingeführt, um sicherzustellen, dass es hier nicht windfall profits für einige gibt, die sich in anderen Bereichen hier breit machen könnten.
Als Gegenleistung haben wir das Inkrafttreten der Richtlinie um zwei Jahre verschoben. Wir glauben, dass das insgesamt ein ausgewogener Vorschlag war und wir sehen uns im Verhalten des Rates bestätigt, der dann auch weitestgehend der Position des Europäischen Parlaments zugestimmt hat. Wir sollten morgen diese Position akzeptieren, und uns mit dem Rat, der Kommission und dem Berichterstatter über das Ergebnis freuen.
Brian Simpson, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Im Namen der PSE-Fraktion möchte ich Markus Ferber für seinen Bericht und seine fleißige, jahrelange Arbeit danken.
Die PSE-Fraktion erkennt an, dass der Rat einen Großteil des vom Parlament in erster Lesung vertretenen Standpunkts übernommen hat, und damit wird der Universaldienst garantiert; damit wird die Finanzierung dieses Dienstes garantiert; damit wird außerdem der Bedarf an sozialen Sicherheitssystemen anerkannt, und damit wird das Inkrafttreten um zwei Jahre, auf Ende 2010 für alle alten Mitgliedstaaten und 2012 für alle neuen, verschoben.
Ich finde, das ist ein guter Kompromiss. Einige kämpfen ja immer noch gegen die Liberalisierung. Doch diese Schlacht wurde vor über fünfzehn Jahren verloren, als das Parlament – gegen meinen damaligen Rat – akzeptierte, den Postdienstleistungssektor zu liberalisieren.
Einige von uns Parlamentariern haben die vollständige Umsetzung um diese fünfzehn langen Jahre verzögert, doch schließlich kommt eine Zeit, in der wir uns der Realität stellen müssen.
Ich persönlich würde zwar eine zweite Lesung ohne Änderungsanträge bevorzugen, aber meine Fraktion möchte die Finanzierung der Universaldienste geklärt und solche Dienstleistungen geschützt wissen, die zurzeit für Sehbehinderte und Blinde angeboten werden. Wir werden deshalb die Änderungsanträge 1, 2, 6, 18 und 19 unterstützen.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Postdienste wettbewerbsfähig sind, nicht notwendigerweise miteinander, sondern mit anderen Technologien. Doch wir brauchen gleiche Rahmenbedingungen, und ich hoffe, dass wir – unter den von mir angesprochenen Vorbehalten – unsere Arbeit an diesem Dossier, das auf unserem in erster Lesung vertretenen Standpunkt beruht, beenden und uns dem wichtigsten Ziel widmen können, der Bereitstellung eines zuverlässigen, regelmäßigen und bezahlbaren Postdienstes für unsere Bürger sowie der Anerkennung der wichtigen Arbeit, die alle Postangestellten in der Europäischen Union leisten.
Übrigens, als Markus Ferber und ich mit der Arbeit an diesem Dossier begannen, hatte keiner von uns graue Haare. Nun schauen Sie uns jetzt mal an!
Luigi Cocilovo, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte wie all meine Kollegen den Berichterstatter, Herrn Ferber, zu seiner Arbeit beglückwünschen. Diese Arbeit wurde vor langer Zeit begonnen und in ihrem Verlauf haben wir wichtige Momente der Annäherung und einige Momente der konstruktiven Diskussion erlebt. Was meinen persönlichen Standpunkt und den meiner Fraktion angeht, so haben wir nie eine grundsätzliche oder ideologische Auseinandersetzung gegen die Idee der Liberalisierung geführt, die wir begrüßen und unterstützen, während wir natürlich versuchten, die notwendigen Garantien für die Gewährleistung des Universaldienstes durchzusetzen.
Der aktuelle Richtlinienvorschlag, wie er vom Parlament in erster Lesung angenommen und dann vom Rat erneut geprüft wurde, enthält diese Garantie, auch wenn einige Bedingungen genauer präzisiert, spezifiziert und ausführlicher dargelegt werden müssen. Wir wollen nicht die Dummen sein, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, doch andererseits wollen wir auch nicht außer Acht lassen, dass der Teufel mitunter im Detail steckt. Eben deshalb hätten wir es lieber gesehen, dass einige Fragen im Zusammenhang mit den Genehmigungen, der Möglichkeit eines echten Wettbewerbs zwischen dem Universaldienstanbieter und den anderen Einzeldiensten – auch bei den Tarifen, den Rechten und Pflichten des Zugangs zum Postnetz genauer ausgeführt worden wären. Wir hätten das lieber gesehen, doch den meisten in diesem Parlament vertretenen Ansichten zufolge, die auch im Ausschuss zum Ausdruck kamen, wurde diese Präzisierung der Garantien wahrscheinlich für überflüssig gehalten und sollte lieber nicht das Risiko eines komplizierten Vermittlungsverfahrens eingegangen werden.
Alles in allem wollen wir hier diesen Standpunkt unterstützen, und was die Änderungsanträge zur Lage der Blinden und Sehschwachen anbelangt, so erklären wir klipp und klar, dass, wenn uns einzig und allein diese Änderungsanträge zum Vermittlungsverfahren zwingen sollten, wir das ablehnen würden. Für den Fall, dass andere Änderungsanträge angenommen werden sollten, würden wir ebenso dafür stimmen. Doch wenn nicht, würden wir alle eingereichten Änderungsanträge ablehnen.
Roberts Zīle, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Mein Dank gilt der Frau Präsidentin, dem Herrn Kommissar und den Mitgliedern des Rates. Zunächst möchte ich jedoch Herrn Felber für sein Bemühen um die Herstellung eines Kompromisses zwischen dem Parlament und dem Rat in einem politisch so heiklen Bereich wie den Postdiensten danken. Ich möchte betonen, dass sich die objektiven Schwierigkeiten bei der Liberalisierung des Universaldienstes, insbesondere in den neuen EU-Mitgliedstaaten, in der Richtlinie in Form einer angemessenen Zusatzfrist von zwei Jahren für die Anpassung dieser Dienste widerspiegeln. Gleichzeitig wurde ein solider rechtlicher Rahmen geschaffen, um den Universaldienst zu gewährleisten. Daher ist der Ball meiner Ansicht nach nun im Spielfeld der einzelstaatlichen Behörden. Trotz der Schwierigkeiten, mit denen Postunternehmen in einigen Mitgliedstaaten konfrontiert werden, einschließlich in meiner Heimat Lettland, stellt die Liberalisierung des Marktes nach meinem Dafürhalten eine Lösung für die scheinbar ausweglose Lage unzeitgemäßer Postdienstleister dar. Was die morgige Abstimmung betrifft, fordere ich Sie auf, die genannten Vorschläge nicht zu unterstützen, weil die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit auch für die Blinden und Sehschwachen geltend machen müssen. Vielen Dank!
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Von meiner Seite leider kein Einstimmen in den Jubel aufgrund der Fakten. Faktum eins: Wer profitiert? Es sind jene Verbraucher, die Werbesendungen lieben und in einer Stadt wohnen. Die werden profitieren. Es sind auch jene Unternehmen, die sich auf Massen- und Werbesendungen spezialisieren, die werden profitieren.
Nicht profitieren hingegen werden die Blinden und Sehbehinderten. Ich bitte Sie deshalb inständig, unterstützen Sie unseren Änderungsantrag in dieser Frage. Nicht profitieren werden die Angestellten der Postdienste mit niedrigen Löhnen und enormem Stress, der unter den gegebenen Bedingungen noch zunehmen wird. Und nicht profitieren werden Menschen, die auf dem Land oder in schwer zugänglichen Bereichen leben und auf Privatpost angewiesen sind, denn hier wird es einen schleichenden Abbau der Leistungen bis an die Grenze des gerade noch Möglichen und Erlaubten geben. Vor allem nicht profitieren werden die Steuerzahler, denn die müssen jetzt wieder die Universaldienste finanzieren, die vorher durch eine Subvention sozusagen intern zwischen Massensendungen und Privatpost finanziert wurden.
Deswegen: meine Bilanz ist negativ. Ich halte das für den falschen Weg. Wettbewerb ist gut, aber man muss schauen, dass er zu fairen Konditionen stattfindet. Dies ist hier nicht der Fall!
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Postdienste sind eine arbeitsintensive öffentliche Dienstleistung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die europäischen Staaten beschlossen, sie bräuchten ihr eigenes Postmonopol, weil private Unternehmen der Sache nicht gewachsen waren.
Es hat schon immer Privatunternehmen gegeben, die versucht haben, diese Bestimmung zu umgehen. Sie offerierten günstigere Dienstleistungen, allerdings nur in bestimmten Feldern, wobei sie in den arbeitsintensivsten Bereichen der Postzustellung tätig waren und schlechtere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen boten. Seit den neunziger Jahren hat sich eine politische Mehrheit bemüht, für solche Unternehmen zunehmend mehr Raum zu schaffen. Mit dem nun vorgeschlagenen Beschluss bekommen sie fast vollends freie Hand. Als Fraktion erwarten wir uns davon Nachteile bei der Postzustellung für die Kunden, schlechtere Arbeitsbedingungen für die Postangestellten und zusätzliche Kosten für die Mitgliedstaaten, um ihren Universaldienst aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen.
Obgleich sich die drei großen Fraktionen auf einen Kompromiss zu Fristen und flankierenden Maßnahmen geeinigt haben, betrachtet meine Fraktion die Entscheidung weiterhin als Rückschritt. Neben Maßnahmen zur Verbesserung in Detailbereichen, wie verbindlichere Garantien für blinde Kunden und Postpersonal schlagen wir vor, die Liberalisierung abzulehnen. Damit würden wir uns auch den Wählern in Leipzig anschließen, die sich kürzlich gegen den Verkauf von staatlichen Unternehmen aussprachen.
Michael Henry Nattrass, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich nehme die Formulierung „unwiderruflicher Termin“ zur Kenntnis. Eine Sache, die der EU-Gründer Jean Monnet an der Demokratie hasste, war die Tatsache, dass nichts unwiderruflich ist. Keine demokratische Regierung kann ihre Nachfolgerin an das Unwiderrufliche binden.
Es gibt ein Demokratiedefizit in der EU, denn die immer engere Union war als etwas Unwiderrufliches geplant. Keine Chance für die Demokratie. Die Menschen können ihre Stimme nur für etwas abgeben, das die EU-Elite möchte. Das ist eine Einbahnstraße. Die Menschen Frankreichs und der Niederlande haben sich gegen diese unwiderrufliche Union ausgesprochen. Dass sie ignoriert wurden und stattdessen dieselbe gescheiterte Verfassung eingeführt wurde, gibt mir Recht.
Sie haben aus der Geschichte nichts gelernt. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Hitlers Tausendjähriges Reich währte zwölf Jahre. Die starke Reaktion, die Sie hervorrufen, weil Sie den Menschen ein Referendum verweigern, wird diesem intoleranten EU-Imperium ein Ende bereiten – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Etelka Barsi-Pataky (PPE-DE). – (HU) Frau Präsidentin! Bis Ende 2012 wird die Liberalisierung der Postdienste abgeschlossen sein und wir werden auch auf diesem Gebiet den Binnenmarkt vollendet haben. Da die Marktöffnung in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Auswirkungen haben wird, haben wir mit dieser Rechtsetzung eine schrittweise Öffnung des Marktes erreicht. Außerdem kann die jeweilige Post jetzt den ihr zur Verfügung stehenden Gewinn bis zum Ende des Anpassungszeitraums behalten, was ich persönlich als positives Ergebnis verbuche. Nach langer Zeit haben wir endlich eine europäische Regelung, womit nun eine Wettbewerbssituation für alle geschaffen wird. Dafür möchte ich dem Berichterstatter ganz besonders danken. Mit anderen Worten, diese Richtlinie wird nach der Marktöffnung Mitwettbewerbern keine Nachteile bringen, sondern neue Möglichkeiten für alle Unternehmen bieten.
Frau Präsidentin, dies ist jedoch nur der halbe Sieg, wenn wir nicht auch die nächsten Schritte gehen. Worin bestehen diese? Erstens müssen die Postunternehmen, die von der Anpassung profitieren, sich in den kommenden Jahren darauf konzentrieren, die Anforderungen des europäischen Wettbewerbs zu erfüllen, d. h. die ihnen ab jetzt zur Verfügung gestellte Zeit auch wirklich nutzen.
Zweitens müssen die einzelstaatlichen Gesetze und Maßnahmen sicherstellen, dass im Zuge der jetzt unter dem Schlagwort der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit erfolgenden „Verschlankung“ der Post der Universaldienst auch tatsächlich auf einem entsprechenden Niveau gewährleistet wird. Wir sollten nicht vergessen, dass die Verantwortung für diese Dienste auch weiterhin beim Staat liegt. Diese Vorschrift entstand ja vor allem deshalb, um den europäischen Bürgern unabhängig von ihrem Wohnsitz, und sei der Ort auch noch so klein, den Zugang zu Postdiensten zu einem angemessenen Preis und in vertretbarer Qualität zu ermöglichen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Gilles Savary (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich glaube, unsere morgige Abstimmung ist historischer Natur, denn seit undenklichen Zeiten, insbesondere seit der Zeit der Monarchien, ist die Post eine öffentliche Einrichtung. Das war so, weil die Postzustellung von strategischer Bedeutung ist, und sicherte auch einen universellen und schnellen Postdienst.
Wir haben der öffentlichen Kontrolle des Postdienstes zugunsten eines weitgehend deregulierten Postmarktes ein Ende bereitet bzw. werden dies morgen tun. Was uns diese Richtlinie beschert, ist in einer Linie ein riesiger Markt für Anwälte und Juristen, denn es handelt sich nicht um eine Harmonisierung, da jeder Staat seine Finanzierungsart wählen kann, von denen es nicht weniger als vier gibt! Diese Richtlinie beinhaltet auch etwas völlig Paradoxes, nämlich einen Ausgleich für die Finanzierung des Universaldienstes durch staatliche Beihilfen dort, wo in bestimmten Ländern mittels Kostenausgleich unrentable Bereiche durch rentable finanziert wurden.
Ich denke, wir machen einen Fehler. Die Zukunft wird dies zeigen, doch wir haben bereits heute Hinweise darauf. Über 800 Millionen Euro mussten schon in die britische Post gesteckt werden; die spanische Post hat kürzlich unter dem Druck der Konkurrenz angekündigt, in den ländlichen Gebieten keine direkte Zustellung mehr durchzuführen; die Deutschen haben Probleme, den Mindestlohn mit dem Postmarkt in Übereinstimmung zu bringen. Ich glaube, wir dienen heute den Privatunternehmen – wir werden ihnen die Marktabschöpfung ermöglichen –, aber nicht mehr dem allgemeinen Interesse an Postdienstleistungen und der externen Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union.
Dirk Sterckx (ALDE). – (NL) Frau Präsidentin! Ich unterstütze den von Herrn Ferber erzielten und vom Rat angenommenen Kompromiss, da ich einen offenen Markt für Postdienste befürworte. Nach meinem Dafürhalten wird mit dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten ausreichend Raum gegeben, um für die ordnungsgemäße Öffnung ihrer Märkte zu sorgen, damit verschiedene Dienstleister auf der Basis garantierter Qualität um Kunden konkurrieren können.
Freilich sollten die Mitgliedstaaten diese Freiheit nicht nutzen, um die Öffnung ihrer Märkte zu verhindern, denn auch diese Gefahr besteht. Man könnte die Richtlinie problemlos auch so anwenden, dass die Anforderungen für neue Unternehmen dermaßen hoch gesteckt werden, dass sich kein Neueinsteiger mit der Briefpost befassen würde. Wenn die Mitgliedstaaten die Richtlinie in dieser Art und Weise umsetzen, haben wir zwar einen wohlklingenden Gesetzestext angenommen, aber in der Praxis wird sich für die Postkunden nichts ändern.
Meiner Ansicht nach sollten wir den Text unbedingt verabschieden, aber ich möchte die Kommission auffordern, darauf zu achten, dass das Ziel der Schaffung eines offenen Marktes für Postdienste nicht durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten umgangen wird. So wurden beispielsweise im Heimatland des Berichterstatters unlängst Schritte ergriffen, die faktisch zu einer erneuten Abschottung des Postmarkts in Deutschland geführt haben.
Seán Ó Neachtain (UEN). – (GA) Herr Präsident! Das Postwesen spielt in Irland eine zentrale Rolle im Leben ländlicher Gemeinden, insbesondere für die Landbewohner und Menschen in abgelegenen Gebieten, die keine Nachbarn haben. Daher begrüße ich die Bereitstellung eines Universalpostdienstes – der für die Menschen in Irland von großer Bedeutung ist und, da bin ich mir sicher, in jedem anderen Mitgliedstaat ebenso.
Ich möchte zunächst den Berichterstatter, Herrn Ferber, dazu beglückwünschen, dass er an diesem Grundsatz eisern festhielt. Zum Wohle der Kunden sollte er in unsere Entwürfe aufgenommen werden, und in diesem Zusammenhang begrüße ich auch den neuen Finanzdienst, der in Irland von der irischen Post eingerichtet wurde. Dies beweist, dass Anbieter von Postdienstleistungen sich auf neue Marktanforderungen einstellen und gleichzeitig ihren Universalpostdienst fortsetzen können.
Ich möchte zudem die jüngste Entscheidung des Gerichtshofes loben, die besagt, dass es einem Anbieter von Postdienstleistungen zusteht, eine Vereinbarung über die Auszahlung von Sozialhilfeleistungen einzugehen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL). – (PT) Der Rat stimmte der vollständigen Öffnung des Marktes für Postdienste auf EU-Ebene ab dem 31. Dezember 2010 während der portugiesischen Ratspräsidentschaft zu, um einen Binnenmarkt für Postdienste zu schaffen, womit Wettbewerbsregeln auf eine Dienstleistung Anwendung finden, von der manche sagen, sie solle in öffentlicher Hand verbleiben. „Großartig“, wird der portugiesische Ministerpräsident sagen. Diese Entscheidung stellt aber einen herben Schlag für die öffentlichen Postdienste dar, insbesondere bezüglich der Abschaffung der reservierten Bereiche, indem ein Prozess in Gang gesetzt wird, durch den diese abgebaut und danach an profitgesteuerte transnationale Unternehmen übergeben werden, noch dazu auf Kosten der Öffentlichkeit, denn die Rechte der Nation und der Arbeitnehmer in dieser Branche werden dadurch gefährdet.
Wenn es noch Zweifel über die wahre Bedeutung der Aufnahme des „Protokolls über Dienste von allgemeinem Interesse“ in den Vertragsentwurf gab, dann werden sie mit dieser Richtlinie ausgeräumt: Fortführung des Abbaus und Vernichtung öffentlicher Dienste, indem ihre Eigentumsrechte und ihre Erbringung durch demokratisch geführte und kontrollierte öffentliche Unternehmen gefährdet werden. Das ist der Grund, weshalb wir vorschlagen, diese Richtlinie abzulehnen.
Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Frau Präsidentin! Die Post gehört zu den von den Bürgern, und zwar von Alt und Jung, am meisten geschätzten öffentlichen Dienstleistungen. Daher ist die Formulierung des Beschlusses von ungeheuer großer Bedeutung. besonders wichtig. Bei früheren Aussprachen zu dieser Richtlinie habe ich meiner Befürchtung Ausdruck gegeben, dass die Bedürfnisse der dünn besiedelten Gebiete womöglich nicht genügend berücksichtigt werden, denn es war nicht deutlich geworden, dass allen der gleiche Service geboten würde. Während einer Fragestunde mit Kommissar McCreevy wurde mir hingegen zugesichert, dass es keine Veränderung im garantierten Universaldienst geben würde. Heute haben wir einen Kompromiss vorliegen, der Garantien dafür enthält, dass auch bei uns in den dünn besiedelten Gebieten an fünf Tagen pro Woche eine Abholung und Zustellung der Post erfolgt, so wie bei allen anderen Bürgern auch. Ich werde morgen diesen Kompromiss zur Postrichtlinie unterstützen und hoffe, dass die Deregulierung auf einem weiteren Sektor des Binnenmarktes zu einem besseren Service, niedrigeren Preisen sowie einem wirksameren Postsystem für jeden beitragen wird.
Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin! Ich möchte unserem Berichterstatter Markus Ferber ganz herzlich zu seiner Arbeit gratulieren. Ihm ist es gelungen, das Parlament in erster Lesung dazu zu bewegen, sich in diesem schwierigen Punkt zu einigen, auch wenn wir beide persönlich der Auffassung waren, man hätte noch einen Schritt weiter gehen können. Aber unsere geschlossene Haltung ist letztlich für den Rat maßgeblich gewesen und darum kann auch ich dem Gemeinsamen Standpunkt voll und ganz zustimmen.
Die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratischen Fraktion und der Fraktion der Grünen haben bedauerlicherweise kalte Füße bekommen und vermögen nicht die enormen Chancen zu erkennen, die die Richtlinie neuen Unternehmen und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze eröffnet. Davon bin ich absolut überzeugt, wie auch Beispiele in einer Reihe von Mitgliedstaaten illustrieren. Allerdings kommt es jetzt darauf an, dass die Europäische Kommission wirklich an dieser Richtlinie festhält, um sie mit Leben zu füllen.
Bei Einführung der Richtlinie wird mit Sicherheit auch das Ziel der Öffnung der Märkte erreicht. Die Qualität von Dienstleistungen für den Kunden wird sich verbessern, und es wird nicht, wie in Deutschland, dazu kommen, dass unter dem Vorwand des sozialen Schutzes neue Akteure – und nicht nur neue Akteure, sondern auch neue Unternehmen, neue Dienstleistungen, neue Arbeitsplätze – vom Markt verdrängt werden.
Daher stimmt mich die Antwort der Europäischen Kommission zuversichtlich, die ich gestern erhalten habe. Nach meinem Verständnis wird die Kommission die Situation in Deutschland untersuchen. Ich möchte Sie ermutigen, dies bitte umgehend zu tun, denn das Wasser steht den Neueinsteigern im deutschen Markt bis zum Halse, und es wäre wirklich bedauerlich, wenn diese Sache keinen guten Ausgang nähme und man damit genau das falsche Beispiel gäbe.
Ich sage Ihnen schon heute, Frankreich und andere Länder werden diesem Vorbild folgen, womit wir letztlich nichts erreicht hätten. Damit liegt eine große Aufgabe vor der Europäischen Kommission. Hoffentlich nutzen Sie alle rechtlichen Möglichkeiten sowie politischen Druck, um die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie im europäischen Postmarkt durchzusetzen.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Postdienste sind für das wirtschaftliche und soziale Leben von Gemeinden von herausragender Bedeutung. Wir müssen daher den Zugang zu Postdiensten gewährleisten, und vor allen Dingen müssen wir die Qualität dieser Dienste sicherstellen.
Die vollständige Liberalisierung des Marktes für Postdienste, einschließlich Sendungen, die weniger als 50 Gramm wiegen, wird verstärkten Wettbewerb, das Entstehen neuer Anbieter und die Schaffung neuer Arbeitsplätze ermöglichen.
Ich möchte jedoch auf mehrere wichtige Punkte genauer eingehen. Erstens ist die Gewährleistung eines Universaldienstes unverzichtbar, damit alle Bürger Post erhalten können, unabhängig davon, ob sie ganz oben im Gebirge oder auf einer Insel wohnen. Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass die Beschäftigten in diesem Bereich zu angemessenen Bedingungen arbeiten. Insbesondere müssen wir sichern, dass den Beschäftigten soziale Garantien für ihre Arbeitsplätze und ihr Einkommen gegeben werden. Drittens müssen die Mitgliedstaaten, um den Universaldienst zu garantieren, unbedingt so bald wie möglich die Mittel zur Finanzierung des Universaldienstes festlegen. Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten in diesem Punkt Flexibilität ein. Viertens ist es erforderlich, dass die Postdienstbetreiber, da wir in einer zunehmend digitalisierten Welt leben, ihren Tätigkeitsbereich ausweiten und auch elektronische Dienste anbieten.
Einige Mitgliedstaaten haben vielleicht zwei Jahre mehr zur Verfügung, bis ihre Postdienste vollständig liberalisiert sind. Doch es spielt keine Rolle, wann die Liberalisierung stattfindet – die Postdienstbetreiber sollten so oder so über ein wirksames Management verfügen, das die hohe Qualität dieser Dienste gewährleistet.
Dariusz Maciej Grabowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die Entscheidung, privaten Anbietern die Erbringung von Postdiensten zu gestatten, ist umstritten. Die Zeit wird zeigen, ob dies für die Verbraucher von Vorteil ist.
Wir dürfen nicht vergessen, dass in einigen Mitgliedstaaten mit einem niedrigeren Entwicklungsstand die Institutionen, die die Interessen des Wettbewerbs und der Verbraucher vertreten, im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht stark verankert sind. Es besteht die Gefahr, das Gleichgewicht zwischen den Interessen des Kapitals und der Verbraucher zu stören. Die Festsetzung einer Frist für das Jahr 2012 ist daher zu begrüßen.
Gleichzeitig möchte ich vorschlagen, noch vor 2012 zu untersuchen, wie die Märkte für Postdienste in den Ländern funktionieren, die bereits die neuen Bestimmungen angenommen haben. So können Unregelmäßigkeiten festgestellt und in den übrigen Ländern verhindert werden. Ein Anbieter öffentlicher Dienstleistungen sollte auch meines Erachtens von den Behörden eine Vergütung und nicht, wie die Verfasser des Berichts vorschlagen, lediglich eine Entschädigung erhalten.
Durch die jahrelange Arbeit an dieser Rechtsvorschrift sind die Haare von Herrn Ferber grau geworden. Ich hoffe, die Einführung der neuen Verordnungen wird ihm nicht noch weiteren Kummer bereiten und gar zum Ausfall seiner Haare führen.
Gabriele Zimmer (GUE/NGL). – Frau Präsidentin! Es ist ja wohl offensichtlich, dass zwischen den Positionen von Herrn Ferber oder auch von Frau Wortmann-Kool und anderen Abgeordneten sehr große Differenzen bestehen. Ich halte es für falsch, Privatisierung, Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen als die geeignete Antwort auf die Globalisierung zu stilisieren. Ich gehe auch davon aus, dass zunehmend mehr Menschen diese Frage anders bewerten. Am Wochenende haben sich in einer Entscheidung in Leipzig 80 Prozent der Stimmberechtigten bzw. der Abstimmenden gegen die Privatisierung ausgesprochen und somit dafür Sorge getragen, dass die Stadt in den nächsten drei Jahren keine Privatisierungen mehr vornehmen darf.
Ich sage Ihnen auch, dass es eben nicht so ist, dass in diese Richtlinie, über die wir heute sprechen, tatsächlich Schutzbedingungen aufgenommen worden wären, um Menschen – Beschäftigte – vor Sozialdumping zu schützen. Es hat sich gezeigt, dass bei der Einführung der Mindestlöhne im Postdienstleistungsbereich in Deutschland der Widerstand gerade von jenen Unternehmen gekommen ist, die Dumpinglöhne bestritten haben und darauf ihre Geschäftsgrundlage aufbauten. Ich halte es auch für problematisch, wenn öffentliche Einrichtungen ihre Aufträge an solche Unternehmen auch noch weitergeben.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Seit mehr als 15 Jahren wird nun an der Liberalisierung des Postsektors gearbeitet, der in der gesamten Union einen Wert von jährlich 90 Milliarden Euro darstellt. Wir stehen nun kurz vor der Abstimmung über diese Rechtsvorschriften und schließen damit dieses Kapitel in der Geschichte der Union ab. Ich möchte den Berichterstatter zu seiner ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen.
Die derzeitige Fassung des Entwurfs ist ein breiter Kompromiss, mit dem die Hauptziele erreicht zu sein scheinen, d. h., die Vollendung des Binnenmarktes bei den Postdiensten, vor allem durch die Aufhebung des Briefmonopols, und die gesicherte Fortsetzung eines hochwertigen und kostengünstigen öffentlichen Dienstes.
Die derzeitige Fassung der Richtlinie ist jedoch weniger ambitioniert als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag. Im Laufe der Verhandlungen wurde immer deutlicher sichtbar, dass von der Vorstellung einer Liberalisierung zugunsten einer allmählichen, recht vorsichtigen Öffnung des Postmarktes für Sendungen unter 50 Gramm abgewichen wird. Dies spiegelt sich in dem Kompromiss über die Frist für das Inkrafttreten der Richtlinie wider, vor allem im Falle neuer Mitgliedstaaten und bevölkerungsarmer Länder bzw. Länder mit kleinen geografischen Gebieten sowie in den Klauseln für öffentliche Dienstleistungen.
Die Frist bis 31. Dezember 2012 für die Mitgliedstaaten, die der Union 2004 beigetreten sind, erscheint unnötig weit gesteckt. Ich bin mir bewusst, dass dies Teil des ausgehandelten Kompromisses ist, den wir billigen, doch dadurch könnten die vorgeschlagenen Änderungen abgebremst werden. Ich fürchte, ein derart langer Zeitraum – über vier Jahre – für das Inkrafttreten der Richtlinie wird die Änderungen verlangsamen, die im Falle eines Zweijahreszeitraums beispielsweise fast unmittelbar wirksam würden.
Abschließend möchte ich mich der Forderung von Frau Pleštinská nach Wiederaufnahme von Klauseln für blinde und sehbehinderte Personen anschließen. Sie fehlen in der derzeitigen Fassung.
Saïd El Khadraoui (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Ich danke dem Berichterstatter sowie den Kolleginnen und Kollegen, die zu einem Ergebnis beigetragen haben, das deutlich besser ist als der ursprüngliche Vorschlag der Kommission. Ich kann verstehen, warum viele es dabei belassen wollen, allerdings stecken hinter den der Richtlinie zugefügten positiven Elementen auch einige Gefahren. Bislang wurde faktisch noch nichts erreicht, weil in zwei entscheidenden Punkten ein hohes Maß an Verantwortung an die Mitgliedstaaten delegiert wird.
Erstens bleiben im Hinblick auf die Finanzierung des Universaldienstes viele Fragen offen. Die Mitgliedstaaten haben eine Reihe von Optionen, aber es ist nicht immer klar, ob diese auch funktionieren. In vielen Fällen werden die unterschiedlichsten Konflikte entstehen, einschließlich rechtlicher Art. Folglich scheint es mir sinnvoll, zwei Aspekte zu verdeutlichen. Zum einen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den Universaldienst sowie dessen Finanzierung unter allen Umständen zu gewährleisten und zum anderen, dass die Mitgliedstaaten die Pflicht haben, ihre Hausaufgaben zu erledigen und sich rechtzeitig und gründlich auf die neuen Gegebenheiten vorzubereiten.
Ein zweiter wichtiger Punkt betrifft die soziale Frage. In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass die Richtlinie den EU-Mitgliedern die Möglichkeit einräumt, mittels eines Genehmigungssystems alle Postunternehmen zu verpflichten, beispielsweise dieselben Tarifverträge oder andere Mindeststandards zu erfüllen. Das ist begrüßenswert, allerdings ist die Bestimmung noch fakultativ und ihre Anwendung von Land zu Land verschieden.
Kurz gesagt könnte die Richtlinie meiner Ansicht nach noch verschärft werden, was nichts mit kalten Füßen zu tun hat, sondern die Tatsache widerspiegelt, dass ein freier Markt reguliert werden muss und eine Liberalisierung des Marktes stets einer gründlichen Vorbereitung bedarf.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Wir sind enttäuscht über die Europäische Kommission, den Rat und unseren Berichterstatter, weil sie mit keinem Wort auf die Schwankungen bei den Beschäftigtenzahlen im Sektor, die Arbeitsbedingungen, die Arbeitszeiten oder das Arbeitsentgelt eingegangen sind.
Außerdem sind weder eine wirksame Überprüfung der Tarifgestaltung für Unternehmen noch der Monopolstellungen privater Anbieter bei der Paketzustellung und der Schnellpost vorgesehen.
Ferner wird in dem Bericht die ungeachtet lokaler Schwankungen stabile Beschäftigungslage in den Mitgliedstaaten hervorgehoben, doch es werden keine Daten vorgelegt, die dies untermauern.
Unter diesen Bedingungen ist eine angemessene Bewertung im Interesse der Arbeitnehmer nicht möglich.
Abschließend sollte hervorgehoben werden, dass der Rat mit der umfassenden Diskussion, die nun über die sozialen Folgen sowohl für die Beschäftigten dieser Dienstleistungsbereiche als auch für die Verbraucher geführt wird, die Änderungsanträge des Parlaments in gewisser Weise unterstützt hat.
Astrid Lulling (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Zur Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste kann man wirklich sagen: Was lange währt, wird endlich gut! Was nach fünfzehn Jahren zähen Verhandlungen hier auf dem Tisch liegt, dem kann sogar ich zustimmen. Ich gehöre ja zu denen, die am liebsten das Postmonopol für Briefe unter 50 Gramm aufrechterhalten hätten. Jetzt tritt diese letzte Stufe der kontrollierten Öffnung des Postmarktes für den Wettbewerb am 1. Januar 2011 in Kraft.
Angesichts der Strukturierung der Postdienste in Luxemburg, der Auflagen zur Beschäftigung von Armeefreiwilligen im öffentlichen Dienst und der daraus resultierenden Kosten hätte ich eine schnelle und ungenügend kontrollierte Postmarktöffnung nicht mittragen können, denn sie hätte riskiert, zu unzumutbaren Folgen für Personal und Kunden zu führen.
Für die erste Lesung hatte ich deshalb dem Berichterstatter Markus Ferber — dem ich für sein Verständnis herzlichst danke — vorgeschlagen, kleinen Ländern mit geringer Bevölkerung eine weitere Galgenfrist von zwei Jahren zuzugestehen, damit sie bestimmte Dienstleistungen weiterhin für den Universaldiensteanbieter reservieren können. Was ich diskret umschrieben hatte, so dass die Ausnahme auf Luxemburg zutraf, das wollten die Minister unmissverständlich festlegen, indem sie die Länder nannten. Damit sind wir sicher.
Wichtig ist, dass der Universaldienst eine Abholung und schnelle Zustellung zu der Wohnadresse oder den Geschäftsräumen an jedem Werktag, selbst in abgelegenen oder dünnbesiedelten Gebieten, gewährleistet. Auch die eventuell erforderliche externe Finanzierung zur Deckung der Nettokosten des Universaldienstes — so die Frage der erschwinglichen Tarife — ist zufriedenstellend geregelt. Schließlich sind die Erhaltung dauerhafter, qualifizierter Arbeitsplätze bei den Universaldiensteanbietern sowie die Beachtung von Beschäftigungsbedingungen, die Systeme der sozialen Sicherheit aufgrund von vorhandenen Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen bestens abgesichert, entgegen dem, was Linke hier behaupten wollen. Sie sollten einmal die Texte lesen! Und ausdrücklich ist auch festgeschrieben, dass sozialen Überlegungen bei der Vorbereitung der Öffnung des Postmarktes gebührend Rechnung getragen werden muss.
Zu dem Antrag der missionarischen Gutmenschen betreffend kostenlose Postdienste für Sehbehinderte sehe ich persönlich nicht ein, weshalb reiche Sehbehinderte auf Kosten des Steuerzahlers gratis Post verschicken sollten. Übrigens rennen diese Antragsteller offene Türen ein, weil die Mitgliedstaaten das ohnehin garantieren. Subsidiarité oblige !
Zita Gurmai (PSE). – (HU) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die schrittweise Öffnung des Marktes für Postdienste ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Vollendung des Binnenmarktes. Sie wird zur Abschaffung der Sonderrechte im Postsektor beitragen und ein festes und endgültiges Datum für die Marktöffnung festlegen, wobei gleichzeitig ein Universaldienst auf hohem Niveau aufrechterhalten wird. Die Marktöffnung wird den Wettbewerb verschärfen und damit das Niveau der Dienste im Hinblick auf Qualität, Preis und Wahlmöglichkeiten erhöhen. Diese Maßnahmen unterstützen die Harmonisierung der grundlegenden Prinzipien im Hinblick auf die Regulierung der Postdienste und führen vermutlich zu niedrigeren Gebühren sowie zu besseren und innovativeren Dienstleistungen und zu besseren Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung.
Die an der Richtlinie vorgenommenen Änderungen sind das Ergebnis eines beispielhaften Kompromisses, der die Unterschiede berücksichtigt, die sich aus den unterschiedlichen historischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben. Dabei wird auch berücksichtigt, dass die Vorbereitung auf die Liberalisierung in einigen Mitgliedstaaten, in erster Linie in den mittel- und osteuropäischen, längere Zeit in Anspruch nimmt. Um die Interessen anderer zu beachten und um Wettbewerbsverzerrungen auf den Märkten der Mitgliedstaaten zu verhindern, die ihren Postsektor bereits vollständig liberalisiert haben, darf Diensteanbietern der Länder, die ihre Märkte noch nicht geöffnet haben, bis zum Auslaufen der Frist für die Marktöffnung im Dezember 2012 die Genehmigung verweigert werden. Ich möchte dem Kollegen Ferber für seine Arbeit danken, aber natürlich gebührt mein Dank auch dem Schattenberichterstatter, Herrn Simpson.
Emanuel Jardim Fernandes (PSE). – (PT) Ich beglückwünsche Herrn Ferber und Herrn Simpson zu der Qualität ihres Berichts und alle Beteiligten zu ihrer Offenheit während der Verhandlungen. Diese Liberalisierung des Marktes für Postdienste ist immer noch weit davon entfernt, einen Wettbewerbsmarkt zu schaffen, aus dem Verbraucher und Firmen den größten Nutzen ziehen. Deshalb habe ich eingewendet, dass der Ansatz der Kommission den Universaldienst nicht ausreichend sicherstellen könnte. Dementsprechend habe ich die Position des Schattenberichterstatters, Herrn Simpson, in Bezug auf die Notwendigkeit der Sicherstellung des Universaldienstes und der Schaffung eines Entschädigungsfonds unterstützt, sowie in Bezug auf die Verpflichtung, im Jahr 2010 Postdienste für Sendungen unter 50 Gramm zu schaffen, oder aber, in besonderen Fällen, wie etwa in den neuen Mitgliedstaaten mit äußerst abgelegenen Gebieten, bis zum 31. Dezember 2012. Ich bin ebenfalls erfreut darüber, dass für einige Staaten Sonderregelungen aufgenommen wurden, wenngleich ich darauf hinweisen muss, dass diese nicht ausreichen könnten. In diesem Fall werden zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein.
Hinsichtlich der Beschäftigung freut mich die Ergänzung außerordentlich, die zuvor vorgenommen wurde und die Vorlage eines Berichts verbindlich vorsieht, der sich mit der allgemeinen Entwicklung der Beschäftigung in dieser Branche sowie mit den Arbeitsbedingungen aller Betreiber innerhalb eines Mitgliedstaats und mit möglichen zukünftigen Maßnahmen befasst. Ich bin sehr glücklich über den von uns erzielten gemeinsamen Standpunkt, unterstütze aber die unter anderem von meinen Kollegen Herrn Savary, Herrn El Khadraoui und Frau Ayala Sender sowie meiner Fraktion eingereichten Änderungsanträge, da mit diesen die Vorstellung der Notwendigkeit eines durchdachten Liberalisierungsprozesses zur Stärkung des gleichberechtigten allgemeinen Zugangs, der Entwicklung und Beschäftigung bekräftigt wird. Aus all diesen Gründen bitte ich das Plenum dringend um seine Unterstützung für diesen Bericht und den Rat sowie für den Standpunkt des Parlaments.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Das Parlament sollte unsere Änderungsanträge annehmen, um wieder obligatorische kostenlose Postdienste für blinde Menschen in diese Richtlinie aufzunehmen.
Herr Vizjak, Sie sagten, Sie seien offen und flexibel, und doch haben Sie die Änderungsanträge des Parlaments zu obligatorischen kostenlosen Postdiensten für blinde Menschen vollständig zurückgewiesen. Und Herr Orban hat heute Abend im Namen von Kommissar McCreevy gesagt, mit unseren Änderungsanträgen werde kein Mehrwert für die Kunden der Post geschaffen.
Herr Orban, sind blinde Menschen etwa keine Kunden der Post? Und meinen Sie mit Mehrwert nicht eigentlich die zusätzlichen Kosten, die blinden Menschen aufgezwungen werden sollen?
Herrn Ferber muss ich leider sagen, dass es meiner Meinung nach falsch war, einen Kompromiss einzugehen und diese Bedingung, die das Parlament in erster Lesung angenommen hatte, wieder fallen zu lassen. Gestern haben Sie auch meine Frage nicht beantwortet: Sind die Dienstleistungen für blinde Menschen in Gefahr? Ich hoffe, dass Sie heute darauf antworten werden. Denn wenn sie nicht bedroht sind, welche Einwände könnten Sie dann haben, diesen Punkt in die Richtlinie aufzunehmen? Und wenn sie bedroht sind, dann ist das erst recht ein Grund, den Punkt aufzunehmen. In Italien, Deutschland, Finnland, den Niederlanden, Griechenland und Portugal bietet die Post – nicht die Regierung – diese kostenlose Dienstleistung an. Neue und bereits existierende Anbieter auf einem liberalisierten Markt werden unweigerlich versuchen, die Kosten zu senken; blinde Menschen dürfen nicht die Opfer sein. In Neuseeland wurden die Dienstleistungen für blinde Menschen nach der Liberalisierung abgeschafft. Das dürfen wir hier nicht zulassen.
Und denjenigen, die gesagt haben, sie stünden Menschen mit Behinderungen wohlwollend gegenüber, dies sei jedoch nicht der richtige Ort oder die richtige Art, es zu zeigen – das haben Sie auch schon gesagt, als es um die Aufzugsrichtlinie und die Busrichtlinie und andere Binnenmarktrechtsvorschriften ging. Doch das Parlament sagte Nein, und wir bestanden auf obligatorischem Zugang für behinderte Menschen. Auch heute müssen wir wieder auf verbindlichen Rechten für blinde und sehbehinderte Menschen in Europa bestehen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Frau Präsidentin! Ich danke Ihnen, dass Sie mir das Wort erteilen.
In dem vom Rat angenommenen Gemeinsamen Standpunkt sind die Änderungsanträge bezüglich der kostenlosen Postdienste für Blinde nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament in erster Lesung für eine Beibehaltung dieser kostenlosen Postdienste für Blinde nach der Liberalisierung des europäischen Postmarktes gestimmt hat.
Ich wollte eigentlich für den von Eva Lichtenberger eingereichten Änderungsantrag 3 stimmen, in dem der Standpunkt des Parlaments aus der ersten Lesung wiederholt wird. Nach der heutigen Diskussion mit dem Berichterstatter, Marcus Ferber, wurde mir mitgeteilt, dass die Zustimmung zu einem der Änderungsanträge einen zuvor erzielten Kompromiss zur Annahme der Richtlinie über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste bei der zweiten Lesung gefährden würde, was bedeuten könnte, dass ein Vermittlungsverfahren eingeleitet werden muss.
Mir ist bewusst, wie wichtig es ist, dass diese Richtlinie angenommen wird. Wenn die Mitgliedstaaten sie in einzelstaatliches Recht umsetzen, können sie diese Frage im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip lösen. Ich bitte daher alle Mitgliedstaaten dringend, gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und den Universaldienstverpflichtungen kostenlose Postdienste für Blinde und Sehbehinderte anzubieten.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Ich möchte ebenfalls die Änderungsanträge zu sehbehinderten Personen unterstützen. Wenn die Europäische Union allen und jedem gegenüber erklärt, sie duldet keine Diskriminierung, dann muss der Zugang zu Postdiensten auch für alle gleich sein. Und für sehbehinderte Menschen bedeutet dies unterstützter Zugang.
Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Frau Präsidentin! Diese Richtlinie ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sich gleichmacherische, inkompetente EU-Rechtsvorschriften nachteilig auf das Leben der britischen Bevölkerung auswirken. Diese Richtlinie ist der Grund für die Schließung von Postämtern und dafür, dass Postangestellte ihre Arbeitsplätze verlieren werden. Postämter spielen in den Gemeinden eine wichtige Rolle, insbesondere für alte und arme Menschen, für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und für behinderte Menschen. Das ist nur eines von unzähligen EU-Gesetzen, die meinem Land geschadet haben und die ihm auch weiter schaden werden. Die britische Bevölkerung weiß das, und das ist einer der Gründe, warum ihr ein Referendum zur EU-Verfassung verweigert wird. Sollte diese ratifiziert werden, dann können sich die Menschen auf viele weitere Gesetze dieser Art freuen.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich glaube, der Berichterstatter hat im Großen und Ganzen – wenn auch nicht bis ins letzte Detail – ein ausgewogenes Ergebnis vorgelegt. Die Universaldienstbestimmung wird gewährleisten, dass die Verbraucher uneingeschränkten Zugang zu den Postdiensten haben und dass die Mitgliedstaaten nach wie vor über die Flexibilität verfügen, um die wirksamsten und effizientesten Mechanismen zur Gewährleistung der Universaldienstverpflichtung zu bestimmen.
Mit der Universaldienstverpflichtung wird außerdem sichergestellt, dass genügend Zugangspunkte eingerichtet werden, um den Bedürfnissen der Nutzer in ländlichen und dünn besiedelten Gebieten vollständig Rechnung zu tragen, und ich weiß, man wird das begrüßen, insbesondere in meiner Heimat Irland.
Anfangs hatte ich ehrlich gesagt einige Bedenken ob der Auswirkungen auf die Postangestellten, doch die Mitgliedstaaten haben nach wie vor das Recht, in diesem Sektor die Arbeitsbedingungen und die Tarifverhandlungen zu regulieren, solange das keinen unlauteren Wettbewerb zur Folge hat.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich den Änderungsantrag unterstütze, der die Verpflichtung anstrebt, kostenlose Dienstleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen anzubieten. Ich kann Kommissar Orban – oder ist es Kommissar McCreevy? – nicht zustimmen; ich glaube schon, dass dadurch ein Mehrwert geschaffen wird, denn in einem vollständig liberalisierten Markt werden kostenlose Dienstleistungen für blinde oder sehbehinderte Menschen verschwinden, und es wird ein Mehrwert geschaffen, wenn wir ihnen diese Dienstleistungen auch weiterhin garantieren können.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Frau Präsidentin! Ich danke Ihnen, dass Sie mir das Wort erteilen. Ich möchte mich zunächst bei Herrn Ferber für einen hervorragenden Bericht bedanken, dem wir es zu verdanken haben, dass die lang erwartete Richtlinie bald in Kraft treten wird. Diese Richtlinie bedeutet, dass der Binnenmarkt für Postdienste am 1. Januar 2009 vollendet sein wird.
Es freut mich ganz besonders, dass das Subsidiaritätsprinzip beibehalten und die genaue Umsetzung den Mitgliedstaaten überlassen wurde, die Gesetze formulieren werden, die an ihre jeweilige Lage angepasst sind. Ich möchte aber auch den sozialen Aspekt dieser Gesetzgebung im Hinblick auf die Rechte Behinderter, insbesondere Blinder und Sehbehinderter, und deren Recht auf kostenlose Postdienste, betonen.
Ich fordere meine Kollegen auf, die einschlägigen Änderungsanträge zu unterstützen, die diese Woche im Plenum eingereicht und in der ersten Lesung vom Parlament angenommen wurden. Diese Dienstleistungen sind angemessen und besonders wichtig für diesen Teil der Bevölkerung: Menschen mit außergewöhnlich niedrigem Einkommen, Regionen mit sehr hoher Arbeitslosigkeit und Menschen in schwierigen sozialen Umständen, ganz zu schweigen von denen, die von sozialer Ausgrenzung betroffen sind.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Vielen Dank, dass Sie mir Gelegenheit geben, mich an dieser Aussprache zu beteiligen. Ich möchte dem Berichterstatter zu der geleisteten Arbeit gratulieren. Ich denke, die Öffentlichkeit glaubt, die Richtlinie sei bereits in Kraft, denn in vielen Mitgliedstaaten gibt es bei den Postdienstleistungen von Region zu Region qualitative Unterschiede. Ich freue mich, dass bei diesem Thema der Subsidiaritäts-Grundsatz Anwendung finden wird und dass die Mitgliedstaaten den besten Weg für die Umsetzung des Grundsatzes eines deregulierten Marktes selbst bestimmen können.
Ich muss dem Vorsitzenden meiner interfraktionellen Arbeitsgruppe, Richard Howitt, beim Thema Behinderung Recht geben. Leider wurde hier gesagt, reiche blinde Menschen würden profitieren. Traurigerweise gibt es viel zu wenig reiche blinde Menschen in Europa und weltweit. Ich wünschte, wir könnten einfach sagen, sie seien alle reich und berühmt, aber das ist nicht der Fall.
Ich glaube, wir müssen uns in diesem Punkt zur Wehr setzen, schon allein um zu beweisen, dass Europa nicht nur für freien Kapital- und Dienstleistungsverkehr steht, sondern sich auch für diejenigen einsetzt, die keine Stimme haben und für diejenigen, die nicht sehen können.
VORSITZ: Diana WALLIS Vizepräsidentin
Andrej Vizjak, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die heutige lebhafte Aussprache hat gezeigt, wie geteilt berechtigterweise die Auffassungen zur Regulierung dieses traditionellen und ältesten öffentlichen Dienstes sind. Gut und richtig war es auch, dass etliche unterschiedliche Meinungen und Bedenken zum Ausdruck gebracht wurden.
Dennoch müssen wir herausstellen, dass in dem vorgeschlagenen Text ein ausgewogener Kompromiss einerseits zwischen der Öffnung des Binnenmarktes für Postdienste, der Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit und des damit verbundenen Zugewinns sowie andererseits dem Verbraucherschutz und dem Schutz der Rechte der Verbraucher, der schutzbedürftigen Verbrauchergruppen und jener, die in abgelegenen Gebieten leben, gefunden wurde. Kurzum, nach Einschätzung des Rates kann sich der Kompromisstext sehen lassen, und dieser Meinung möchte ich mich anschließen.
Wir begrüßen auch die Absicht, die hinter einigen Änderungsanträgen steckt, doch aus Diskussionen in früheren Aussprachen zeichnete sich eine endgültige Kompromisslösung ab. Deshalb vertreten wir die Auffassung, dass der Kompromiss annehmbar ist, und ich hoffe, Sie werden morgen viel politische Klugheit walten lassen, wenn Sie die letzte Gelegenheit haben, diesen Text zu unterstützen.
Leonard Orban, Mitglied der Kommission. – (RO) Zunächst möchte ich allen, die sich an dieser Aussprache beteiligt haben, meinen Dank aussprechen und betonen, dass die Aussprache das große Interesse der Mitglieder des Europäischen Parlaments an diesem Dossier bewiesen hat. Dieses Interesse steht in engem Zusammenhang mit der maßgeblichen Rolle, die Postdienste in Europas Wirtschaft und im Alltag der europäischen Bürger einnehmen.
Ich möchte betonen, dass die Vollendung dieses Prozesses eine beständig hohe Qualität des Universaldienstes für alle europäischen Bürger und die Geschäftswelt sichern wird.
Das Kernziel der Postreform besteht darin, allen Verbrauchern und Nutzern von Postdiensten, einschließlich der Bevölkerungsgruppen mit besonderen Bedürfnissen, zu dienen. In diesem Zusammenhang habe ich den Beiträgen mehrerer Abgeordneter, die zur Beibehaltung kostenloser Dienstleistungen für Blinde und Sehbehinderte sprachen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Europäische Kommission hat großes Verständnis für diese Sorgen. Wir meinen, dass die Marktliberalisierung in dieser Frage keine Veränderung mit sich bringen wird und dass die internationalen Verpflichtungen weiterhin vollständig erfüllt werden. Ich möchte betonen, dass der gemeinsame Standpunkt vorsieht, dass die Marktliberalisierung den kostenlosen Zugang zu Postdiensten für Blinde und Sehbehinderte nicht verhindert.
Gemäß Artikel 23 der Richtlinie muss die Europäische Kommission einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie erarbeiten, in dem auch Informationen zu den oben genannten Gruppen enthalten sein müssen. Die Kommission glaubt, dass der aktuelle Stand der Richtlinie, in ihrer derzeitigen Ausführung, zu der das Europäische Parlament entscheidend beigetragen hat, den besten rechtlichen Rahmen darstellt, der zu hoher Qualität und Nachhaltigkeit bei den europäischen Postdiensten führen wird, wobei zugleich die internationalen Verpflichtungen eingehalten werden.
Abschließend sind wir der Meinung, meine Damen und Herren, dass der Bericht, der von Herrn Markus Ferber erarbeitet und im Verkehrsausschuss mit großer Mehrheit angenommen wurde, unterstützt werden sollte.
Markus Ferber, Berichterstatter. − Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur ein paar wenige Bemerkungen.
Erstens: Ich würde mich freuen, wenn die Kolleginnen und Kollegen, die hier große Reden halten und die Welt erklären, dann wenigstens bis zum Schluss der Debatte dablieben. Das hat mich doch etwas enttäuscht. Ich meine da zum Beispiel ganz konkret die Kollegin Lichtenberger.
Zweitens: Ich möchte darauf hinweisen, dass wir hier über eine Liberalisierung reden und nicht über eine Privatisierung. Die Frage der eigentumsrechtlichen Organisation interessiert die Europäische Union nicht und wird in dieser Richtlinie auch nicht angesprochen.
Drittens möchte ich auf Folgendes hinweisen: Als vor 500 Jahren die Postdienste gegründet wurden, waren es private Unternehmen, die die Postdienstleistungen erbracht haben. Und erst dann hat der Staat gesagt, er könne es besser. Also, hier sollte die Geschichte bitte nicht verfälscht werden!
Viertens möchte ich darauf hinweisen, dass es auch Missbrauch von Staatsmonopolen gibt. Ich freue mich, dass die Kollegin Zimmer auf dieses Problem aufmerksam gemacht hat. Sie kommt ja selber aus einer Region, wo bis 1990 der Staat durchaus sein Postmonopol gegen unschuldige Menschen missbraucht hat. Auch das sollte dann an dieser Stelle deutlich gesagt werden.
Lassen Sie mich eines ganz deutlich sagen: Wir haben in der Gesetzgebung die Blinden nicht vergessen! Sie stehen drin, aber sie stehen so drin, wie es dem Geist dieser Richtlinie entspricht. Wir sagen als Europäische Union: Liebe Mitgliedstaaten, ihr seid zuständig für den Universaldienst, ihr seid zuständig für die Finanzierung der Verpflichtungen des Universaldienstes und ihr seid auch über die Lizenzierungs- und Autorisierungsverfahren zuständig dafür, dass bestimmte Dienste, wie zum Beispiel die Blindenpost, auch dauerhaft aufrechterhalten werden können. Ich bin dem Kommissar sehr dankbar, dass er angekündigt hat, dass die Kommission im Rahmen des Berichts nach Artikel 23 dieser Richtlinie auch dieses Thema berücksichtigen wird. Wir haben nichts vergessen, wir haben die Blinden nicht vergessen. Aber ich stelle mir schon die Frage, warum Blinde einen kostenlosen Zugang kriegen sollen, europäisch garantiert, und Rollstuhlfahrer nicht. Auch darüber sollte man nachdenken.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am 31.1.2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße die Annahme in zweiter Lesung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates zur Änderung der Postrichtlinie von 1997 im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste und beglückwünsche meinen geschätzten deutschen Kollegen Markus Ferber zu der umfangreichen geleisteten Arbeit.
Es freut mich, dass der Rat alle Hauptelemente des Standpunktes des Europäischen Parlaments übernommen hat, insbesondere die Verschiebung der generellen Marktöffnung auf den 31. Dezember 2010 mit einer zweijährigen Verlängerung für die ab 2004 der Union beigetretenen Länder; den Universaldienst mit mindestens einer Abholung und Zustellung an fünf Tagen der Woche für jeden Unionsbürger sowie mit einer ausreichenden Anzahl von Zugangspunkten in ländlichen, abgelegenen oder dünnbesiedelten Gebieten; die Beachtung der Subsidiarität auf sozialem Gebiet, wobei ich mir wünsche, dass die Sozialpartner auf europäischer Ebene arbeiten. Ich bedaure, dass keine Bestimmungen für die Schaffung einer europäischen Regulierungsbehörde vorgesehen wurden. Des Weiteren habe ich den Wunsch, dass die Betreiber sich rasch auf die Herausgabe einer europäischen Briefmarke für den 50-Gramm-Brief einigen, und werde in Kürze eine politische Initiative dazu starten.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE) , schriftlich. – (RO) Der gemeinsame Standpunkt wird den Anforderungen, die das Parlament in seiner Abstimmung zur ersten Lesung stellte, sowie den durch den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten vorgeschlagenen Änderungen gerecht. Die Kommission bleibt bislang jedoch klare Forschungsergebnisse zu den voraussichtlichen Auswirkungen der Liberalisierung der Postdienste auf die Beschäftigung schuldig.
In seiner Stellungnahme bat der Ausschuss um eine Bewertung der Auswirkungen, die diese Maßnahmen auf die fünf Millionen oder mehr Arbeitsplätze im Postwesen und den von ihm abhängigen Branchen hat. Eine solche Studie wird durch den Umstand erleichtert, dass die Postdienste in mehreren EU-Mitgliedstaaten bereits liberalisiert wurden, etwa im Vereinigten Königreich, in Schweden und in den Niederlanden. Die Erfahrung hat in diesen Ländern bislang nicht gezeigt, dass die Liberalisierung zu einer Zunahme der Arbeitsplätze in der Branche oder zu einer Verbesserung der Qualität dieser Arbeitsplätze geführt hätte.
Ich glaube, gewisse Schutzmechanismen sollten in solchen Situationen bewilligt werden, wenn das Auftreten eines neuen Anbieters von Postdiensten auf dem Markt zu massivem Stellenabbau führt. Ein Mechanismus, der den betroffenen Firmen und Mitgliedstaaten zur Verfügung steht, könnte der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung sein.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Frau Präsidentin! Es ist immer noch ein langer Weg in Richtung Liberalisierung der Postdienste zu beschreiten. Daran ist zum Teil das Europäische Parlament schuld, da es die von der Europäischen Kommission gesetzte Frist um zwei Jahre verlängert hat. In den Standpunkten der nationalen Delegationen spiegelt sich die unterschiedliche Lage auf den Märkten der 27 Länder wider. Schweden, das Vereinigte Königreich und Finnland als Spitzenreiter auf dem offenen Markt, sowie Deutschland und die Niederlande, die ein großes Stück in diese Richtung gegangen sind, sie alle betrachten die endgültige Frist als einen Sieg des Protektionismus an. Die neuen Mitgliedstaaten sehen – ausgehend von ihrem Modell einer staatlich kontrollierten Wirtschaft – nicht nur die ursprünglich vorgeschlagene Frist von 2009, sondern auch die Kompromiss-Frist von 2011 als eine Bedrohung für die Arbeitsplätze im Postsektor. In Polen sind beispielsweise 100 000 Menschen im Unternehmen Poczta Polska beschäftigt, das nicht in der Lage ist, sich mittelfristig dem offenen Wettbewerb zu stellen. Nachdem sie Verbündete bei den öffentlichen Diensten in Westeuropa, vor allem bei Frankreichs La Poste, gefunden haben, ist es ihnen gelungen, Sonderbedingungen auszuhandeln, um die Umsetzung des freien Marktes bis Ende 2012 zu verschieben.
In diesem Fall wog das gemeinsame Interesse der Postbediensteten stärker als das der Verbraucher, die während der vorweihnachtlichen Hauptgeschäftszeit im Dezember 2007 schwer geprüft wurden, als sich die Unfähigkeit des Postmonopols in aller Härte zeigte. Das zu langsame Fortschreiten der Liberalisierung dieses Sektors des europäischen Marktes, die bereits 1989 mit dem ersten Entwurf einer Richtlinie begonnen wurde, zeigt die Stärke der Unternehmensinteressen, die für den Status quo und somit gegen eine Ausweitung des öffentlichen Interesses eintreten.
Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. – (EN) Wir haben hier einen weiteren ideologisch motivierten Vorschlag, diesmal zum Thema Postdienste. Es hat keine Einschätzung seiner potenziellen sozialen Auswirkungen und keine ernsthafte Konsultation der Führungsebene, der Angestellten bzw. der Kunden der Post gegeben.
An einer Liberalisierung der Postdienste besteht kein Bedarf, sie folgt keiner Logik und es gibt dafür auch keine Rechtfertigung. Die Menschen wollen nicht mit verschiedenen konkurrierenden Postämtern konfrontiert werden, die ihre Produkte vermarkten. Sie wollen nicht, dass ihre örtlichen Postämter schließen, weil der Markt den privaten Postunternehmen, die den Markt überschwemmen und öffentliche Betreiber wie An Post verdrängen werden, nicht genug Profit bietet.
Die Menschen wollen einen zuverlässigen Postdienst, mit dem ihre Post so unkompliziert wie möglich zugestellt wird und mit dem die örtlichen Postämter im Herzen der Gemeinden, für die sie zuständig sind, erhalten bleiben.
Wie können die Menschen die Idee ernst nehmen, die EU fördere ein soziales Europa, wenn dieser Vorschlag doch nur ein weiterer Nagel in seinem Sarg ist?!
Es ist an der Zeit, dem ideologisch motivierten, erzwungenen Marsch in Richtung Liberalisierung und Privatisierung Einhalt zu gebieten.
Die Menschen in Irland haben die Möglichkeit, diesen Prozess aufzuhalten, indem sie „Nein“ zum Vertrag von Lissabon sagen.
Katrin Saks (PSE), schriftlich. – (ET) Ich unterstütze die schnellstmögliche Liberalisierung des Marktes und begrüße die Richtlinie, die die Schaffung des Binnenmarktes für Postdienste vollendet.
Die Schließung kleiner Postämter in Estland hat die Bevölkerung zwar verärgert, es ist jedoch offensichtlich, dass durch die Einführung neuer Technologien, zum Beispiel des Internets, der Bedarf an traditionellen Postdiensten gesunken ist.
Wo Wettbewerb vorhanden ist, könnte ein neues Geschäft mit internetgestützten Dienstleistungen entstehen, was zu begrüßen ist. Ich verstehe auch die Notwendigkeit einer bekannten Umsetzungsfrist in den Mitgliedstaaten.
Die Einhaltung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit ist daher von Bedeutung, wenn den Mitgliedstaaten gestattet wird, sich der Öffnung ihrer Märkte für Anbieter von Postdienstleistungen aus Nachbarstaaten zu verweigern, deren Anbieter durch das Gesetz geschützt sind.
Der entscheidende Punkt ist, dass der Universalpostdienst auch für jeden Bürger gewährleistet ist, einschließlich solcher Personen, die in abgelegenen Gebieten und auf Inseln wohnen. Der Postdienst muss erschwinglich, hochwertig und für jeden zugänglich sein.
Es ist erforderlich, den Grundriss eines kostenorientierten Postdienstes auszuarbeiten, da in den einzelnen Mitgliedstaaten verschiedene Ansichten darüber vorherrschen. Ich denke, dass es Gründe für die Forderung gibt, Kostenerwägungen aller Dienste beim Universalpostdienstindikator nicht zu berücksichtigen.
Richard Seeber (PPE-DE), schriftlich. – Die EU-weite Liberalisierung der Post kommt. Aber nicht wie ursprünglich geplant schon im Jahr 2009, sondern erst 2011. Der Postsektor ist wirtschaftlich gesehen von großer Bedeutung und wirkt sich auch auf andere Sektoren aus. Genau wie in allen anderen Bereichen, macht auch in der Briefzustellung mehr Wettbewerb Sinn. Davon werden natürlich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Konsumenten enorm profitieren. Allerdings nur dann, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen. Das heißt, es muss garantiert werden, dass die Briefzustellung weiterhin in der gewohnten Qualität und auch zu vernünftigen Preisen erfolgt. Es muss dafür gesorgt werden, dass eine flächendeckende Versorgung der Postdienstleistungen dauerhaft gesichert wird. Und zwar überall. Also auch für all jene, die in abgelegenen Regionen leben.
Besonders wichtig sind gute und vor allem sichere Arbeitsbedingungen für all jene, die bei der Post beschäftigt sind. Wichtig ist natürlich auch, dass alle Postanbieter unter den gleichen Voraussetzungen arbeiten. Es war von Beginn an klar, dass dies keine Brutalliberalisierung werden soll.
Wir müssen für alle – die Postunternehmen, deren Mitarbeiter und natürlich auch für die Kunden – eine gute und dauerhafte Regelung schaffen.
Esko Seppänen (GUE/NGL), schriftlich. – (FI) Die Öffnung der Postdienste für den freien Wettbewerb wird unweigerlich zu einer Verschlechterung der Dienstleistungen, vor allem in dünn besiedelten Ländern wie Finnland, führen. Die Post sollte ein öffentlicher Dienst sein, und wir müssen garantieren, dass dieser angemessen finanziert wird, und zwar mit dem Geld aus jenen Dienstleistungen, die „einfach“ zu bewirtschaften sind, um jene Bereiche zu unterstützen, in denen es „schwieriger“ ist. Eine Nation, die ihre Einheit und ihren Sinn für Gemeinschaft erhalten möchte, wird ihre öffentlichen Postdienste nicht privatisieren. Wir vertrauen auch deshalb auf einen öffentlichen Dienst, weil wir den Schutz der Privatsphäre und den Sicherheitsstandard gewährleisten wollen, den wir von der Post fordern. Die Privatisierung könnte zu einer unsoliden Personalpolitik führen, wodurch das Vertrauen der Menschen in die Post beschädigt würde. Aus diesem Grunde stimmt unsere Fraktion gegen den Standpunkt zur Privatisierung, wie er vom Rat angenommen worden ist.
Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die Liberalisierung der Postdienste ist ein wichtiger Bereich des Europäischen Binnenmarktes.
Während der Aussprache sind im Zusammenhang mit dem Universalpostdienst viele Bedenken geäußert worden. Ich glaube, wir können auf den Erfahrungen einiger europäischer Postmärkte aufbauen, die bereits liberalisiert sind. In diesen Ländern ging die Sicherung der Postdienste mit einer Verbesserung von Qualität und Service durch geschäftsmäßigere Maßnahmen Hand in Hand. Wenn ich durch Europa reise, erlebe ich jedoch in vielen Ländern einen schlechten und langsamen Service; dort wird versucht, mit Hilfe der Liberalisierungspläne so viele Ausnahmen wie möglich zu erlangen.
Außerdem lässt dieser Bericht den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Liberalisierung viel Spielraum. Viele Bedenken, die geäußert worden sind, werden deshalb Bedenken bleiben, mit denen sich die nationalen Behörden beschäftigen müssen.
Ich möchte Herrn Ferber für sein Durchhaltevermögen in diesem sehr schwierigen Prozess danken.
Iuliu Winkler (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Vollendung der Liberalisierung der Postdienste in den Mitgliedstaaten wird sich nicht nur für Konsumenten und Nutzer der Postdienste, denen neue und innovative Dienstleistungen sowie niedrigere Preise zugute kommen werden, sondern auch für die Wirtschaft der Mitgliedstaaten insgesamt positiv auswirken.
Der zur Diskussion stehende Richtlinienvorschlag ist in seiner derzeitigen Form vollständig, da diese eine Ausdehnung der Frist für die vollständige Liberalisierung des Marktes für Postdienste im Falle bestimmter Mitgliedstaaten erlaubt.
Rumänien ist einer der Begünstigten der neuen Bestimmungen, die das Europäische Parlament angenommen hat. Der rumänische Universaldienstanbieter wird zurzeit nach einem durch die rumänische Regierung vorgegebenen Zeitplan von 2007 bis 2010 umstrukturiert, und die Vorbereitung der Liberalisierung wird erst im Anschluss beginnen.
Dieser Zeitrahmen kommt den rumänischen Verbrauchern zugute, da die Aussicht auf Marktliberalisierung nach dem 1. Januar 2013 für sie bessere Qualität zu einem erschwinglichen Preis bedeutet.
20. Ergebnisse der Weltklimakonferenz (Bali) (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Ergebnissen der Weltklimakonferenz auf Bali.
Janez Podobnik, amtierender Ratspräsident. − (SL) Es ist mir eine Ehre, heute wieder bei Ihnen weilen und Ihnen als Ratspräsident eine Einschätzung der Ergebnisse der Konferenz von Bali zum Klimawandel vorlegen zu dürfen. Ich freue mich sehr, dass das Europäische Parlament eine überaus aktive Rolle übernommen hat und an der Debatte über den Klimawandel beteiligt war. Eine starke Delegation des EP, die unter Leitung seines Vizepräsidenten, Herrn Vidal-Quadras, stand und der einige angesehene Vertreter des Parlaments angehörten, war auf der Konferenz in Bali ebenfalls anwesend.
Ich möchte auch meine Unterstützung für den ersten Zwischenbericht über den Klimawandel bekunden, der Ihrem Ausschuss zum Klimawandel am vorigen Montag vorgelegt wurde. Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, herrschte an den letzten Tagen der Konferenz eine sozusagen sehr elektrisierte Atmosphäre der Ungewissheit. Als es so aussah, als scheiterten die Verhandlungen und es käme keine Einigung zustande, schaltete sich auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Herr Ban Ki-moon, ein, dessen Vermittlungsbemühungen von großer Bedeutung waren.
Die Tatsache, dass die Verhandlungen um einen Tag verlängert und in den beiden letzten Nächten ohne Unterbrechung geführt wurden, zeugt davon, wie mühevoll sie waren. Die abschließende Vereinbarung führte zur Entscheidung über die langfristige Zusammenarbeit im Rahmen des Übereinkommens unter der Bezeichnung Aktionsplan von Bali. Diesem Papier entsprechend werden die Verhandlungen bereits im März oder April beginnen und sollten bis Ende nächsten Jahres zu einer vollständigen weltweiten Übereinkunft über die Bekämpfung des Klimawandels für die Zeit nach 2012 führen.
Gestatten Sie mir, einige wesentliche Elemente dieser Vereinbarung herauszugreifen. Erstens, den Teil, der sich auf internationale Verbesserungsmaßnahmen, das heißt Eindämmungsmaßnahmen, bezieht. Diese Vereinbarung legt Nachdruck darauf, dass die Anstrengungen aller entwickelten Länder zur Emissionsreduzierung miteinander vergleichbar sein müssen. Das bedeutet, die Vereinigten Staaten werden ebenfalls in die Senkung der Emissionen einbezogen. Hier ist zu betonen, dass dieser Plan im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll für den Zeitraum 2008-2012 keine quantifizierten Verpflichtungen vorsieht.
Das zweite Element bezieht sich auf die Entwicklungsländer, die im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung einen Beitrag zur Emissionsreduzierung leisten werden. Hier kommt der Hilfe der entwickelten Länder in Form von Technologietransfer und angemessenen Finanzmitteln immense Bedeutung zu. Zur Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels dienen auch Maßnahmen und positive Anreize zur Unterbindung der Abholzung und Waldzerstörung in Entwicklungsländern, die einen Großteil der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen.
Drittens sind verbesserte Anpassungsmaßnahmen durch internationale Zusammenarbeit zu erwähnen. Viertens, verbesserte Maßnahmen im Bereich der Entwicklung und des Transfers von Technologien, die parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung eine Eindämmung und Anpassung ermöglichen. Für eine wirksamere Eindämmung von und Anpassung an Klimaänderungen ist es unverzichtbar, dass den Entwicklungsländern leichter Zugang zu umweltverträglicheren Technologien gewährt wird. Die fünfte Entscheidung betrifft die verbesserte Finanzierung und Investitionstätigkeit im Bereich der Eindämmung des Klimawandels. Sie sieht die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Durchführung von Maßnahmen zur Eindämmung von und Anpassung an Klimaänderungen auf nationaler Ebene vor.
Weitere Verhandlungen sollen unter Leitung der neu geschaffenen Ad-hoc-Arbeitsgruppe zur langfristigen Zusammenarbeit im Rahmen des Übereinkommens stattfinden. In diesem Jahr wird sie bereits vier Mal zusammenkommen. Der Verhandlungsprozess wird intensiv und erfordert große Anstrengungen aufseiten der Verhandlungsführer. Die derzeitigen Verhandlungen über die Verpflichtungen der entwickelten Länder, die das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, für die Zeit nach 2012 gehen weiter. Diese Verhandlungen, die ebenfalls bis Ende nächsten Jahres zum Abschluss kommen sollten, laufen parallel zu den Verhandlungen innerhalb des Aktionsplans von Bali.
Nach unserem Dafürhalten sind die auf der Konferenz von Bali getroffenen Entscheidungen angemessen. Sie umfassen wesentliche Elemente, die wir in der Europäischen Union anstreben. Zu den größten Errungenschaften zählt die Einbeziehung sämtlicher Länder, der entwickelten und der Entwicklungsländer, in die gemeinsame Emissionsreduzierung. Von dem Aktionsplan von Bali versprechen wir uns eine Wende bei der ins Stocken geratenen Weitergabe umweltverträglicher Technologien an Entwicklungsländer.
Meine Damen und Herren! Die Konferenz gibt uns einen breiten Rahmen für weitere Verhandlungen vor. Dieser Kompromiss stellt gewissermaßen das Maximum dar, das wir angesichts des derzeitigen Stands des globalen Konsenses erreichen konnten. Künftige Verhandlungen werden technisch und politisch überaus anspruchsvoll sein. Unserer Meinung nach werden sie von Erfolg gekrönt sein, wenn es uns gelingt, die im vergangenen Jahr deutlich gewordene Tendenz zu bewahren, als der Klimawandel einen der vordersten Plätze auf der politischen Agenda eingenommen hat.
Um ein wirksames internationales Übereinkommen zu erreichen, benötigen wir Stehvermögen und Geduld sowie eine Menge politischen Willen. Mitunter werden die notwendigsten Maßnahmen als Letztes akzeptiert.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich Ihnen danken, dass Sie mir Gelegenheit geben, über die Ergebnisse der Konferenz zum Klimawandel, die Ende letzten Jahres in Bali stattfand, und über die weiteren Schritte zu berichten, die nach einer Einigung über die Aufnahme von Verhandlungen geplant sind.
Die aktive Rolle des Europäischen Parlaments und die Unterstützung, die es vor und während der Konferenz geleistet hat, möchte ich an dieser Stelle ganz besonders würdigen. Die Kontakte und Gespräche, die wir mit Ihrer Delegation im Verlauf der Konferenz hatten, waren überaus hilfreich. Ausdrücklich erwähnen möchte ich auch die sehr wichtige Funktion, die das Europäische Parlament bei der Versorgung von Teilnehmern aus anderen Ländern mit Informationen übernommen hat. Wir müssen uns natürlich gegenseitig unterstützen, um die Position der EU einem möglichst großen Kreis von Akteuren mitzuteilen und deutlich zu machen, weil wir nur so unsere führende Rolle in diesem Bereich weiterhin sichern können. Dies war insbesondere in Bali nützlich und wird sich in den nächsten zwei Jahren als noch wichtiger erweisen.
Was die Ergebnisse von Bali selbst anbelangt, möchte ich zunächst sagen, dass die Konferenz ein voller Erfolg war, da sich zu Beginn der Verhandlungen alle wichtigen Länder darauf geeinigt haben, ein Abkommen zum Klimawandel für die Zeit nach 2012 zu schließen. Das Abkommen soll 2009 geschlossen werden und alle grundlegenden Elemente beinhalten, für die sich die EU mit Nachdruck eingesetzt hat.
Somit haben wir die Grundlage und den dringend notwendigen Impuls für die Aufnahme von Verhandlungen, deren Ziel ein Abkommen über den Klimawandel ist. Wir streben ein Abkommen an, das in einer ersten Phase bis 2020 zu einer drastischen Verringerung der weltweiten Emissionen führt und in den Folgejahren eine noch weitere Senkung vorsieht. Daher sind wir insgesamt mit dem Ergebnis zufrieden, das unseren gemeinsamen Zielen für Bali voll und ganz entspricht.
Die Teilnahme der Vereinigten Staaten an den Gesprächen in Bali ist ein klares Zeichen dafür, dass sie in den Verhandlungen eine aktive Rolle übernehmen wollen. Ebenso wichtig wie der Beschluss von Bali ist jedoch, dass erstmals ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Entwicklungsländer aktive Maßnahmen einleiten müssen.
Die führende, man könnte auch sagen die vermittelnde, Rolle der EU hat ebenso wie die kompromissbereite und konstruktive Haltung einiger Entwicklungsländer, wie zum Beispiel Brasiliens und Südafrikas, entscheidend dazu beigetragen, dass dieses Ergebnis erreicht werden konnte. Von nun an werden wir uns darauf konzentrieren, bei der 2009 in Kopenhagen stattfindenden Konferenz der Vertragsparteien eine Einigung über einen künftigen Rahmen zum Klimawandel zu erzielen. Natürlich werden wir unsere Zielsetzungen auch entsprechend dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse anpassen.
Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass der Weg bis zu einer Einigung in Kopenhagen lang und schwierig sein wird. Vor allem muss die EU weiterhin eine Führungsrolle einnehmen, wie sie es bei den Vorbereitungen für die Konferenz von Bali bereits erfolgreich getan hat. Im Vorfeld der Konferenz hat sie ihre Karten auf den Tisch gelegt, uns gezeigt, welchen Kurs wir einschlagen sollten, und schon vor dem Beginn der eigentlichen Konferenz andere für ihre Positionen gewonnen. Die EU hat maßgeblich zum positiven Ausgang der Konferenz beigetragen. Daran sollten wir denken, wenn wir uns auf die Konferenz von Kopenhagen vorbereiten.
Bei den Vorschlägen der Kommission, die letzte Woche zum Maßnahmenpaket für Klimaschutz und erneuerbare Energienträger angenommen wurden, haben wir dies getan. Diese Vorschläge sind ein Beweis dafür, dass die EU entschlossen ist, Fortschritte zu erreichen. Ich zähle auf Ihre Unterstützung und Entschlossenheit in dem Legislativverfahren, das soeben begonnen hat, damit das Maßnahmenpaket noch vor Ende der Amtszeit dieses Parlaments und rechtzeitig vor Kopenhagen verabschiedet werden kann. In den nächsten zwei Jahren müssen wir den hohen politischen Druck aufrechterhalten, mit dem wir dieses Thema vorantreiben, denn 2007 erwies sich dieser Druck als überaus nützlich. Alle Möglichkeiten müssen so gut es geht ausgeschöpft werden, um sicherzustellen, dass die Aufmerksamkeit für dieses Thema auf europäischer Ebene, und – was noch wichtiger ist – auf internationaler Ebene, nicht nachlässt.
Wenn wir bis Ende 2009 ein Abkommen erreichen wollen, müssen wir enger mit unseren wichtigsten Partnern zusammenarbeiten und noch strategischer vorgehen. Dies gilt vor allem für unsere Partner aus Entwicklungsländern, weil wir sie dazu bewegen müssen, dass sie mehr Bereitschaft zu entschlossenen Fortschritten bei der drastischen Verringerung von Emissionen zeigen. Wir wissen, dass es, wenn wir hier nicht die nötigen Anstrengungen unternehmen, zweifellos schwierig werden wird, die Entwicklungsländer dazu zu bewegen, sich zu weiteren Maßnahmen zu verpflichten. Wir müssen daher alle verfügbaren internationalen Foren nutzen, dazu gehören die G8-Gipfeltreffen, die Treffen zwischen den großen Volkswirtschaften und bilaterale Gespräche, um ihre Unterstützung zu gewinnen und sie gezielt in diese Richtung zu führen.
Uns allen ist klar, dass einige unserer Partner schwer zu überzeugen sein werden. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor sehr zurückhaltend. Andererseits wissen wir aber auch, dass Fortschritte auf der staatlichen Ebene, in Wirtschaftskreisen und, allgemein gesagt, bei der öffentlichen Wahrnehmung dieses Themas gemacht werden. Der Klimawandel ist schon ein zentrales Thema in der politischen Debatte, was wir an den laufenden Präsidentschaftsvorwahlen in den USA sehen können.
Klima und Energie werden auf der Agenda des diesjährigen G8-Gipfels unter dem Vorsitz Japans zu den Prioritäten gehören. Dieser Gipfel wird nicht nur eine gute Plattform zur Ankündigung umfassender und wichtiger politischer Maßnahmen, sondern auch wertvolle Gelegenheiten bieten, die zum Meinungsaustausch mit unseren Partnern aus den Industrienationen genutzt werden müssen. Derzeit findet in Japan eine lebhafte Debatte über den Klimawandel statt. Lassen Sie uns diese Gelegenheit nutzen, um unsere Partner näher zusammenzubringen und zu zeigen, dass ehrgeizige Ziele nicht im Widerspruch zur wirtschaftlichen Entwicklung oder Wettbewerbsfähigkeit stehen.
Ich möchte nun die Aktivitäten erläutern, die parallel dazu erfolgen. Zweifellos wird die UNO weiterhin das wichtigste Verhandlungsforum für ein Klimaabkommen für die Zeit nach 2012, das bis spätestens 2012 unter Dach und Fach sein muss, bleiben. Ganz konkret müssen wir angesichts der beschränkten Ressourcen und Mittel, die uns zur Verfügung stehen, aber auch der sehr kurzen verbleibenden Zeit sicherstellen, dass alle diese internationalen Foren und Aktionspläne strategisch genutzt werden, um den Aktionsplan der UNO zu unterstützen und zu ergänzen, ohne diesen Plan in irgendeiner Weise zu untergraben. Nachdem bereits erste Schritte zur Umsetzung des UNO-Aktionsplans unternommen wurden, können wir es uns einfach nicht leisten, doppelten Aufwand zu betreiben oder Zeit zu verlieren.
Wir müssen auch mit unseren Partnern aus Entwicklungsländern noch enger kooperieren, um ihre Beteiligung und ihren Beitrag zu einem künftigen Abkommen sorgfältig zu planen. Auf der Konferenz in Bali hat sich deutlich gezeigt, dass das Thema Entwicklung im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen wird: Aus diesem Grund besteht unsere Hauptaufgabe darin, auf gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Die Entwicklungsländer, zumindest die am weitesten entwickelten Länder, sind zum Handeln bereit. Sie werden aber nur aktiv werden, wenn die Industrieländer ihre bestehenden und neuen Verpflichtungen zur Senkung der Emissionen erfüllen. Zudem müssen die Industrieländer auch den Entwicklungsländern Zugang zur Technologie oder, ganz allgemein, zu finanzieller Unterstützung gewähren.
Vor diesem Hintergrund müssen wir eng mit den Schwellenländern zusammenarbeiten, um die beste Kombination von Methoden und Anreizen zu finden, die sicherstellt, dass diese Volkswirtschaften einen wesentlichen Beitrag leisten und ihre Anstrengungen in der Zeit nach 2020 sogar noch verstärken. Die bilaterale Zusammenarbeit und der Dialog mit wichtigen Ländern, wie China und Indien, werden von entscheidender Bedeutung sein.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass das Maßnahmenpaket zum Klimaschutz und zur Energieeinsparung ein Beleg dafür ist, dass wir entschlossen sind, unseren Worten auch Taten folgen zu lassen. Es zeigt auch, dass dies auf eine gerechte und wirtschaftlich effiziente Weise möglich ist, bei der alle Beteiligten profitieren. Dies ist meiner Ansicht nach der beste Weg, um unsere Partner positiv zu beeinflussen.
Karl-Heinz Florenz, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Sie hatten ein exzellentes Team in Bali. Sie haben gearbeitet bis zur Erschöpfung, und ich möchte Sie herzlich bitten, diesen Dank auch an Ihre Mitarbeiter auszusprechen. Ich glaube — als europäischer Patriot —, dass der wirkliche Erfolg von Bali eigentlich darin lag, dass die Europäische Union im März vergangenen Jahres ganz entscheidende Entscheidungen getroffen hat, nämlich dreimal 20 % Reduktion, und auf dieser Grundlage wird sich das Leben auf diesem Kontinent in den nächsten Jahren abspielen.
Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Erfolge von Bali eingehen, weil meine Kollegen das sicherlich noch machen werden. Ich freue mich darüber, dass wir es — neben dem Fortschritt mit den Amerikanern — auch geschafft haben, dass außer den 38 Ländern, die Kyoto unterschrieben haben, auch die nächsten G 77-Länder mit in der Verpflichtung sind, jetzt etwas zu tun und nicht immer zu sagen: Also, wenn der eine nichts tut, dann tut der andere auch nichts. Dieses Katz-und-Maus-Spiel ist vorbei! Das war übrigens auch nur mit Hilfe der Amerikaner möglich.
Lassen Sie mich, verehrter Herr Kommissar und verehrter Herr Ratspräsident, nur etwas sagen zu den Dingen, die uns in dieser Debatte ereilen werden. In Bali haben wir gelernt, dass wir zu kurz springen, wenn wir immer nur über CO2 reden. Ich glaube, dass wir viel mehr Bewusstsein für eine nachhaltige Debatte entwickeln müssen, und es hat gezeigt, dass wir mehr haben als nur eine Klimakrise, sondern auch eine Rohstoffkrise, aber auch die kann man positiv umwandeln.
Ich denke, dass wir den Begriff Nachhaltigkeit viel mehr als bisher vor unsere Leitwörter setzen müssen, um dieses Bewusstsein zu schärfen. Aber da, Herr Ratspräsident, bin ich dann natürlich schnell bei Ihnen. Wir sehen bereits, dass unsere Mitgliedsländer bei den Zielen 20 – 20 – 20 schon anfangen zu zucken und Himmel und Erde in Bewegung setzen, um diese Ziele nicht erreichen zu müssen. Ich glaube, da liegt für Sie eine ganz außergewöhnliche Herausforderung, mit uns gemeinsam diese Ziele zu erreichen, denn wenn es weitergeht nach Potsdam und später auch in ein anderes nördliches Land, dann müssen wir stehen. Ich hoffe, dass die Kommission mit dem Parlament der Garant dafür ist, dass wir in dieser Frage weiterkommen.
Guido Sacconi, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich sagen, dass ich die Erklärungen, die Minister Podobnik und Kommissar Dimas soeben abgegeben haben, voll unterstütze. Wir treffen immer öfter mit ihnen zusammen und werden uns bald schon mit der Zeichensprache verständigen können, d. h. ohne Worte und ohne Dolmetscher, weil wir uns nach meinem Dafürhalten gegenseitig sehr gut verstehen.
Ich stimme auch ihren Ausführungen darüber zu, dass es die gewachsene Verantwortung der Europäischen Union bei der Konferenz von Bali mit sich bringt, dass wir unseren Part mit noch größerer Konsequenz als bisher übernehmen müssen. Doch heute reden wir über Bali, und bei diesem Thema sollten wir einen Augenblick verweilen, nicht zuletzt, weil wir vielleicht morgen einen Entschließungsantrag annehmen werden, den ich für sehr ausgewogen halte.
Die treffendste Einschätzung, die ich zu Bali gelesen habe, war eine, die Herr Yvo de Boer niedergeschrieben hatte, der, wie Sie wissen, Exekutivdirektor des UN-Rahmenübereinkommens ist. Er schrieb über den „Fall der Berliner Mauer des Klimawandels“. Ich finde das sehr treffend, denn in Bali wurde, wie bereits erwähnt, vor allem der Fahrplan bis Kopenhagen festgelegt, mit ausreichend präzisen Etappen und Zeitrahmen. Insbesondere wurde – und das möchte ich hervorheben – das Thema der Anpassung erörtert, noch vor 2012, und zwar auch durch eine Mittelaufstockung. Es wurde speziell über Technologietransfer gesprochen und das Thema Abholzung der Wälder aufgenommen, vor allem aber – und das ist für mich das Wichtigste und Erfolgversprechendste – wurde de facto die Barriere – die „Berliner Mauer“ – von Anhang I zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern in einer sich verändernden Welt, in der viele der ehemaligen Entwicklungsländer nun ein stürmisches Wachstum erfahren, überwunden.
Alles in allem wurde die Taktiererei zwischen den USA, Indien und China, die dazu diente, untätig zu bleiben, gewissermaßen entlarvt, und deshalb ist eine Situation entstanden, in der schwierige – ganz gewiss schwierige – Verhandlungen wirklich eine große Aussicht auf Erfolg haben.
Chris Davies, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Meiner Meinung nach hat der Minister Recht, dass wir mit der Einigung zufrieden sein können, und wir können allen Beteiligten dazu gratulieren.
Ich unterschätze die Schwierigkeiten nicht, die wir bis zur Konferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 lösen müssen; neben der Regenwaldproblematik und dem Technologietransfer gilt es noch diverse weitere Hürden zu überwinden.
Uns muss darüber hinaus klar sein, dass der Klimawandel in jedem Fall stattfindet, unabhängig vom Ergebnis dieser Verhandlungen. Am Sonntag habe ich in Liverpool einen Gottesdienst zum Holocaust-Gedenktag besucht und mich gefragt, wie Europa, unsere Bevölkerung und unsere Politiker darauf reagieren werden, dass Milliarden Menschen auf der Welt unter akuter Wasserknappheit leiden, wenn immer mehr Bewegungen stattfinden und immer mehr Menschen auf der ganzen Welt zu- und abwandern? Wie wird die Reaktion aussehen? Zu wie viel Scheinheiligkeit wird diese unvermeidliche Konsequenz führen?
Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun. Ich setze große Erwartungen in den Emissionshandel. Meines Erachtens wird er immer besser, und ich denke, dass das Handelssystem in Verbindung mit Höchstmengen es uns ermöglicht, mit dem Löwenanteil der Gase fertig zu werden. Auch die Technologie verbessert sich und wird gefördert. Heute Nachmittag habe ich an einer fantastischen Sitzung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Fahrzeugen teilgenommen. In diesem Bereich scheint die Einführung der entsprechenden Rechtsvorschriften wirklich dazu geführt zu haben, dass die Einstellungen sich ändern und sich neue Möglichkeiten ergeben. Vielleicht können wir diese Ziele wirklich ganz ohne Biokraftstoffe erreichen und letztere in Kraftwerken verwenden.
Was die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (CCS) betrifft, so bin ich wirklich der Meinung, dass wir uns ehrgeizigere Ziele stecken könnten. Ich denke, wir könnten unsere Ziele vielleicht drei oder vier Jahre früher erreichen und versuchen, weit vor 2020 realistische und voll funktionsfähige Programme auf den Weg zu bringen.
Wir müssen es bewerkstelligen, dass die Regierungen auf dem EU-Frühjahrsgipfel gewisse feste Zusagen machen. Aber was den EU-Gipfel betrifft, so würde ich Folgendes sagen: Erneuerbare Energie und Energieeinsparung – das sind meines Erachtens die Themen, bei denen die große Gefahr besteht, dass die Regierungen sich aus der Verantwortung stehlen, ihre Versprechungen nicht einhalten und die erforderlichen institutionellen Veränderungen aufgrund politischer Schwierigkeiten nicht herbeiführen. Ich denke, die Kommission muss so viel Druck wie möglich ausüben, die Schuldigen benennen und neue Mechanismen finden, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die nun vereinbarten Ziele einhalten.
Mirosław Mariusz Piotrowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Der Klimawandel hat den Menschen während seiner gesamten Geschichte begleitet. Nach Ansicht vieler angesehener Wissenschaftler ist der Einfluss des Menschen auf diese Veränderungen jedoch nicht sehr groß. Dieser Standpunkt kommt beispielsweise in einem offenen Brief von hundert Wissenschaftlern aus der ganzen Welt an den UNO-Generalsekretär zum Ausdruck. Der Europäischen Kommission scheint dieser Aspekt der Frage überhaupt nicht bewusst zu sein, und statt tätig zu werden, um die Faktoren abzuschwächen, die zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen, attackiert sie Dinge, die nichts mit menschlichen Tätigkeiten zu tun haben.
Die Kommission versucht nun, den Bürgern Europas hohe Kosten für eine Maßnahme aufzubürden, die sie sich aus einer Science-Fiction-Welt ausgedacht hat – wobei es sich hier mehr um Fiktion als um Science handelt. Ersten Schätzungen zufolge wird jede Familie durchschnittlich mehr als fünfzig Euro monatlich für dieses Projekt bezahlen, dessen Ergebnisse möglicherweise in etwa hundert Jahren spürbar sein werden. Das tatsächliche Ergebnis wird jedoch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den neuen Mitgliedstaaten innerhalb der nächsten zwei oder drei Jahre sein. Eine so drastische Reduzierung der CO2-Emissionen wird zum Beispiel in Polen, das seine Energie hauptsächlich aus Kohle erzeugt, einen starken Konjunkturrückgang bewirken.
Wenn die Organe der Europäischen Union einen praktischen Ansatz bei der Reduzierung der CO2-Emissionen wählen wollen, sollten sie bei sich selbst anfangen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass 20 000 Tonnen Kohledioxid jedes Jahr allein als Folge der sinnlosen Reisen zu den Tagungen nach Straßburg in die Atmosphäre ausgestoßen werden.
Satu Hassi, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FI) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Klima-Konferenz auf Bali war ein Erfolg, und wir können stolz auf die Rolle der EU dabei sein. Die Gespräche über die Zukunft des Kyoto-Protokolls wurden offiziell begonnen, und alle wesentlichen Fragen liegen auf dem Tisch. Keine davon wurde ausgelassen. Den Vereinigten Staaten ist es somit nicht gelungen, künftige Verhandlungen, die sicherlich schwierig werden, zu begrenzen, wie man hier gesagt hat.
Die wichtigste Botschaft aber, die Europa der Welt verkünden kann, hat mit unserer eigenen Klimapolitik zu tun. Die beste Möglichkeit, den internationalen Prozess zu beschleunigen, ist für uns die Verabschiedung ehrgeiziger Rechtsvorschriften zum Emissionshandel, zu den erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz.
Ich bin froh, dass die Kommission in der vergangenen Woche den Klimaschutz als eine positive wirtschaftliche Option betrachtet hat – die neue industrielle Revolution. Wie wir es schaffen, auch weiterhin an der Spitze der Entwicklung neuer sauberer Energietechnologien zu stehen, ist von entscheidender Bedeutung für unsere wirtschaftliche Zukunft.
Wir müssen auch verstehen, dass der wirkliche gordische Knoten im Hinblick auf die internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz die Fairness ist. Der Planet kann nicht gerettet werden, wenn die großen Entwicklungsländer wie China und Indien nicht auch ihre Emissionen begrenzen. Damit sie dies akzeptieren können, müssen sie das Gefühl haben, dass jedwede ausgehandelte Lösung fair ist. Wir müssen bereit sein, Entwicklungsländer auf die eine oder andere Weise dafür zu entschädigen, dass unsere Emissionen pro Kopf der Bevölkerung die Emissionen in den Entwicklungsländern um ein Mehrfaches übertreffen.
Dimitrios Papadimoulis, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Der Kompromiss, der in letzter Minute in Bali erreicht wurde, ermöglicht es uns, nun den Blick auf die 2009 in Kopenhagen stattfindende Konferenz zu richten, und er hat die gegnerischen Kräfte erkennen lassen, die das notwendige Abkommen zu untergraben suchen. Die EU muss im Vorfeld dieser Konferenz an vorderster Stelle für ein umfassendes Übereinkommen eintreten, das konkrete, ehrgeizige Zusagen und einen Zeitplan beinhaltet. Die Vorteile, die sich aus einem solchen Übereinkommen ergeben werden, überwiegen die wirtschaftlichen Kosten bei weitem.
Von meiner Fraktion sind ebenso wie im Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments vom November 2007 ehrgeizigere und verbindlichere Ziele festgelegt worden als die Ziele, die von der Kommission vor einigen Tagen für die EU und die Mitgliedstaaten vorgestellt wurden. Meine Fraktion tritt ferner für eine großzügigere Unterstützung der Entwicklungsländer ein. Sie sollten wachsam sein, Herr Kommissar: Die traditionelle Industrielobby hat bereits damit begonnen, den Vorschlag der Kommission aufzuweichen und gleichzeitig versucht die Atomlobby, wie ein Wolf im ökologischen Schafspelz, erneuerbare Energieträger durch die Atomenergie zu ersetzen. Bitte lassen Sie sich davon nicht beirren.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Die Europäische Union ist mit lauter guten Absichten nach Bali gereist, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Sie konnte nicht alle ihre Zielsetzungen erreichen, dennoch bin ich zuversichtlich gestimmt.
An erster Stelle freut mich natürlich, dass alle Teilnehmerstaaten den Aktionsplan von Bali unterzeichnen konnten und die Verhandlungen beginnen können. Bedauerlicherweise wurden keine konkreten Emissionsnormen in den endgültigen Text des Aktionsplans aufgenommen. Allerdings wurden in anderen Feldern Fortschritte verbucht, wie beispielsweise die Einführung eines Arbeitsprogramms, um das gravierende Problem der Entwaldung zu lösen. Ausgerechnet in der vergangenen Woche gab es weitere alarmierende Nachrichten über die Entwaldung in Brasilien. Des Weiteren ist zu begrüßen, dass die westlichen Länder die Entwicklungsländer beim Einsatz nachhaltiger Technologien verstärkt unterstützen werden.
Abschließend Folgendes: Ein noch ungelöstes Problem stellt der Treibhausgasausstoß durch die Meeresschifffahrt dar. Angesichts des komplexen Charakters dieses die Umwelt stark belastenden Sektors ist ein globaler Ansatz vonnöten. Es muss Druck auf die Internationale Meeresorganisation (IMO) ausgeübt werden, um schnellstmöglich wirksame politische Maßnahmen zu entwickeln. Herr Kommissar! Sie können sich unserer Unterstützung Ihrer Politik gewiss sein.
Roger Helmer (NI). – (EN) Frau Präsidentin! Soviel ich weiß, landeten an dem Tag, an dem die Bali-Konferenz begann, auf dem Flughafen von Bali so viele Privatjets, dass nicht genügend Parkflächen zur Verfügung standen. Insofern haben wir unsere Ziele also überhaupt nicht erreicht.
Auf der Konferenz von Bali sollte der Weg für eine Post-Kyoto-Einigung geebnet werden, doch Kyoto selbst ist ja gescheitert. Es ist uns nicht nur nicht gelungen, einige der weltweit größten CO2-Emittenten mit ins Boot zu holen, sondern auch hier in Europa wird nur eine Handvoll Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll einhalten. Ja, die Vereinigten Staaten, die wir wegen ihrer Nichtratifizierung des Protokolls verteufeln, stehen in der Tat besser da als die EU, was die Entwicklung der Emissionen betrifft. Doch auf Bali haben wir uns auf kaum mehr geeinigt als darauf, weiter zu verhandeln und einen gescheiterten Klimavertrag durch einen anderen zu ersetzen.
Ich würde es begrüßen, wenn wir uns weniger über den Klimawandel und mehr über die Energiesicherheit Sorgen machten. Wir sollten uns weniger mit Windparks und Emissionen von Fahrzeugen und mehr mit Investitionen in nukleare Stromerzeugungskapazitäten und in Müllverbrennungsanlagen zur Energiegewinnung beschäftigen.
Romana Jordan Cizelj (PPE-DE). – (SL) Meines Erachtens spiegelt der Entschließungsantrag, der vom Ausschuss zum Klimawandel ausgearbeitet wurde, die wesentlichen Entscheidungen der Konferenz von Bali sowie den Standpunkt des Europäischen Parlaments wider. Meine Einschätzung des Zeitplans von Bali, d. h. der Frist für den Abschluss des Abkommens für die Zeit nach 2012, fällt sehr positiv aus. Nur ein klarer Arbeitsplan kann nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls die von diesem Parlament ständig angestrebte Kontinuität sichern.
Es stimmt mich froh, dass die Entwicklungsländer ebenfalls einen Teil der Verantwortung für die Senkung der CO2-Emissionen übernommen und sich zu einer nachhaltigen Entwicklung bekannt haben. Selbstverständlich zieht das eine verstärkte internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Finanz- und Humanressourcen nach sich. Ich wünsche mir sehnlichst, dass die in Europa bestehenden und gegenwärtig implementierten Mechanismen wie der Kohlenstoffmarkt auf internationaler Ebene erfolgreich umgesetzt werden. Wir müssen sie allerdings vereinfachen und verhindern, dass sie zu einer bürokratischen Belastung werden, die in keinem Verhältnis zu den potenziellen Vorteilen steht. Nur so können wir davon ausgehen, dass wir die gesteckten Ziele erreichen.
Ich verstehe die gegenwärtige Situation in erster Linie als Chance. Wie ich es sehe, hängt eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung hauptsächlich von einem Ausbau der Forschungskapazitäten ab. Beispielsweise wurden die weltweiten Investitionen in die Forschung im Bereich der Energieversorgung seit den 80er Jahren um 40 % zurückgefahren. In der Europäischen Union stellt sich die Lage nicht viel besser dar. Wir brauchen mehr Gelder und mehr gebildete, kreative Menschen. Ich beglückwünsche die Verhandlungsführer der Europäischen Union und hoffe, wir werden künftig stets von solch hartnäckigen, routinierten und erfolgreichen Unterhändlern vertreten. Abschließend möchte ich erwähnen, dass zwar, wenn es um den Klimawandel geht, normalerweise alle Augen auf die Politiker gerichtet sind, dass aber das Wirken auf dem Gebiet des Klimawandels nicht nur Sache der Politiker ist. Es ist an der Zeit, dass die Wirtschaft, Unternehmer und Wissenschaftler eine passende Antwort geben.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) In der Entschließung, über die wir morgen abstimmen werden, erkennt das Parlament die politische Bedeutung der Bali-Konferenz an. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben den politischen Willen zu handeln bewirkt, und bis 2009 werden sich alle Länder – ob entwickelte Länder, Schwellen- oder Entwicklungsländer – mit verschiedenen, aber konkreten Zielen dem Kampf gegen den Klimawandel widmen.
Anders als manche meiner Kollegen hätte ich von einigen Partnern, insbesondere den Vereinigten Staaten, gerne eine stärkere Beteiligung gesehen, sowohl in Bali als auch in Kyoto. Doch andererseits ist es positiv, dass es in Bali gelang, Versäumnisse von Kyoto zu beheben, etwa in Bereichen wie Waldbewirtschaftung, Anpassungshilfe – die vor allem für die ärmsten Länder notwendig ist, Rolle der Technologie und Ausdehnung der Klimaverantwortung auf Volkswirtschaften, die normalerweise nicht zu den entwickelten Volkswirtschaften gezählt werden.
Europas führende Rolle war deutlich, und diese Entschließung beweist, dass das Parlament beabsichtigt, Bedingungen zu schaffen, die es Europa ermöglichen, noch ehrgeizigere Verpflichtungen einzugehen. Das zugrunde liegende Arbeitsprogramm ist anspruchsvoll, und das Parlament ist bereit, es zu bewältigen.
In diesem Sinne möchte ich der Kommission persönlich Beifall spenden für das Paket der von ihr am 23. Januar gefassten Beschlüsse. Durch Übertragung des politischen Willens in politische Instrumente erlangt die Europäische Union Glaubwürdigkeit. Es werden ziemlich viele detaillierte Analysen notwendig sein, aber die Quantifizierung der Ziele im Bereich erneuerbarer Energien, die Klärung von Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe und die Überarbeitung klimabezogener Finanzinstrumente sind zum Beispiel begrüßenswert. Ich persönlich bin erfreut über den Wechsel von einem nationalen hin zu einem branchenspezifischen Ansatz beim Emissionshandelssystem, wenngleich ich den Eindruck habe, dass dessen Verträglichkeit mit der europäischen Wettbewerbsfähigkeit vor 2009 dringend zu verbessern ist. Der auf Vereinbarungen zwischen den weltweit größten Emissionsverursachern der wichtigsten Branchen beruhende Ausbau des Emissionshandelssystems bis hin zur internationalen Ebene könnte ein denkbarer Weg sein.
Holger Krahmer (ALDE). – Frau Präsidentin! Wenn wir uns die Konferenz von Bali anschauen, dann müssen wir feststellen: Es war die größte, teuerste und aufwändigste Klimakonferenz aller Zeiten, die eigentlich nur ein einziges Ergebnis gebracht hat, nämlich dass wir weiter verhandeln. Etwas anderes ist eigentlich nicht dabei herausgekommen.
Eine ehrliche Bestandsaufnahme nach Bali zwingt uns zu folgender Analyse. Erstens: Der Weltklimarat hat einen Großteil der globalen Öffentlichkeit von seinen Klimaszenarien überzeugt, aber keineswegs von den daraus zu ziehenden Konsequenzen. Das Zweite ist: Während Europa alleine voranprescht, gibt es international kaum eine Bereitschaft, sich auf verbindliche CO2-Reduktionsvereinbarungen einzulassen. Das gilt nicht nur für die USA, das gilt auch für Japan, Kanada, Australien und viele andere Länder. Ein Blick auf die vier verbliebenen ernstzunehmenden US-Präsidentschaftskandidaten zeigt ziemlich deutlich, dass es so gut wie nirgendwo ein commitment zu einem UN-Prozess in der Klimapolitik gibt.
Wir – damit meine ich die EU – sollten unsere Strategie überdenken. Was passiert, wenn Kopenhagen 2009 scheitert? Es gibt kosteneffiziente Alternativen zu einem internationalen Abkommen: Technologietransfer, der Schutz der Tropenwälder durch ein vernünftiges Anreizsystem, carbon capture and storage oder auch der Ausbau der Kernenergie. Am Ende wird das Marktgesetz der Knappheit auch die USA und China noch dazu bringen, Energie zu sparen und CO2 zu vermeiden.
Die neue industrielle Revolution wird kommen, wenn der Ölpreis weiter steigt. Wir brauchen sie nicht per Gesetz zu erzwingen.
Madeleine Jouye de Grandmaison (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin! Die Konferenz von Bali hat uns vor Augen geführt, dass die globale Erwärmung ein Problem für die Entwicklung darstellt. Es ist zu befürchten, dass die globale Erwärmung die Kluft zwischen entwickelten Ländern und Ländern mit Entwicklungsrückstand weiter vertieft, denn es besteht kein Zweifel, dass die Letzteren am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden haben. Dies trifft in besonderem Maße auf die Inseln zu, die in mehrfacher Hinsicht gefährdet sind, insbesondere durch Zyklone und das Ansteigen der Ozeane. Daher müssen die Anpassungshilfe für diese Länder sowie der Transfer von geeigneten Technologien meiner Meinung nach Priorität genießen.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist nicht mehr von der Verringerung der Armut und der Verwirklichung der Millenniumsziele zu trennen. Dies stellt, wie ich glaube, den besten Weg dar, um die Zustimmung der G-77 zu erreichen. Wenn der Prozess, der zu Kopenhagen 2009 führt, erfolgreich sein und die bescheidene Roadmap von Bali angereichert werden soll, dann müssen unbedingt Fortschritte in Bezug auf die Entwicklungsländer erreicht werden. Ich habe festgestellt, dass diese Notwendigkeit die Aufmerksamkeit der Union gefunden hat, was ich begrüße. Doch ich möchte nochmals sehr nachdrücklich auf den Fall der Inseln aufmerksam machen.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen sehr. Sowohl der Bali-Fahrplan, der bei der internationalen Konferenz beschlossen wurde, als auch der neu geschaffene Anpassungsfonds verpflichten die Europäische Union, eine führende Rolle einzunehmen.
Die Europäische Union muss das tolerierbare Maß der Senkung jedoch realistisch untersuchen und bewerten. Der Vorschlag, die Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, oder sogar um 50 % bis 2050, erscheint mir zu willkürlich, ohne wirkliche Kenntnis darüber, in welchem Umfang die Emissionen gesenkt werden können. Das ist eine Lotterie mit Prozentsätzen: ein unvorbereitetes und unrealistisches Spiel, bei dem Zahlen aus einem Hut gezogen werden. Hinzu kommt, dass keine der Bemühungen der EU die gewünschte Wirkung zeigen wird, wenn sich die USA, China und Indien nicht beteiligen, denn wir können ein globales Problem nicht im Alleingang lösen.
Wenn wir zu hohe Anforderungen an uns stellen, wird erst ein Land das Ziel nicht erreichen, dann ein weiteres, und schließlich werden wir feststellen, dass wir alle gescheitert sind. Angesichts dieser Situation würde ich behaupten, dass wir, wenn wir die Emissionssenkung nicht gar so ehrgeizig, dafür aber realistisch angehen, eine vernünftige Lösung erzielen werden. Es würde ausreichen, sich anzusehen, wie die Europäische Union die im Vertrag von Lissabon dargelegten Ziele erreichen kann.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Kritiker aus den Reihen der Medien haben die Klimakonferenz auf Bali als Gespräche bezeichnet, bei denen die Beteiligten außer Sonnenbaden nichts getan haben. Doch für mich, die an den letzten fünf COP-Sitzungen teilgenommen hat, wurde auf Bali durchaus etwas erreicht. Es wurde ein Fahrplan für die nächsten zwei Jahre ausgearbeitet, der allen Ländern die Verhandlungsrichtung im Hinblick auf die Bewältigung des Klimawandels vorgibt.
Natürlich ist es bedauerlich, dass wir zugeben müssen, noch immer kein weltweit verbindliches Ziel zu haben, und dass wir nach wie vor Einzelkämpfer sind. Doch es ist zumindest theoretisch möglich, dass wir in den nächsten zwei Jahren eine breitere Front haben als nur ein Viertel der Emittenten.
Nicht lange nach Verkündung der Ergebnisse von Bali fragten einige Optimisten bereits, ob dies nun automatisch bedeute, dass die Front breit genug für die Emissionssenkung um 30 % sei, wie auf dem Gipfel im März vereinbart wurde, sofern die EU nicht als einzige so handelt.
Die Antwort lautet: Noch nicht ganz, und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen. Für die EU ist es politisch wichtig, die Führung zu übernehmen und zu hoffen, dass die anderen Länder ihrem Beispiel folgen werden. Aber unsere einseitigen Bemühungen – denn das sind sie noch immer – mindern unsere Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten und verschaffen den Verursachern Vorteile.
Das nennt man, wie ich bereits mehrmals herausgestellt habe, Verlagerung von Emissionsquellen. Das globale Kapital geht einfach dorthin, wo die CO2-Emission nichts kostet. Eine Verlagerung der Verschmutzung ist keine Reduzierung der Verschmutzung.
Eine einseitige Klimapolitik wirkt sich am stärksten auf die energie- und personalintensiven Branchen aus, weswegen das Verursacherprinzip dazu führt, dass der Verursacher gewinnt bzw. seine Produktion verlagert. Glücklicherweise hat die Kommission diese Gefahr erkannt, das haben Sie, Kommissar Dimas, soeben ganz klar vermittelt, wofür ich Ihnen danke. Kommissar Verheugen beschrieb die Gefahren einseitiger Senkungen vor Kurzem folgendermaßen: „Wir exportieren Verschmutzung und importieren Arbeitslosigkeit. Ist das nicht dumm von uns?“
Er hat Recht. Aus diesem Grund müssen wir einen wirklich weltmarktbasierten Mechanismus entwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Rahmen unseres kürzlich veröffentlichten Klimapakets vor allem Ausgewogenheit schaffen müssen, was die drei in Bezug zueinander stehenden und ein ständiges Dilemma verursachenden Bereiche Energieversorgung, Umweltschutz und weltweit wettbewerbsfähige Industrie für unsere Arbeitskräfte betrifft.
Riitta Myller (PSE). – (FI) Frau Präsidentin! Das beste Ergebnis bei den Verhandlungen auf Bali bestand darin, dass internationale Verhandlungen über eine Vereinbarung nach Kyoto aufgenommen wurden. Wichtig war auch, dass wir uns auf eine Frist, nämlich Kopenhagen 2009, geeinigt haben.
Man hat sich hier überrascht gezeigt über die Prozentwerte, die von der Europäischen Union in der Vereinbarung von Bali vorgeschlagen worden sind. Es sind die gleichen Zahlen, die die IPCC-Arbeitsgruppe in ihren Einschätzungen vorgelegt hat, und sie zeigen das Ausmaß, in dem wir in Europa – und weltweit – Reduzierungen bei den Emissionen erreichen müssen, um den Klimawandel ohne gewaltige Opfer in den Griff zu bekommen. In etwas weniger als zwei Jahren müssen wir zu einer Vereinbarung gelangen, in der wir uns verpflichten, die Temperatur auf der Erde um nicht mehr als zwei Grad ansteigen zu lassen. Dazu brauchen wir alle: Wir brauchen die Europäische Union, um den Weg aufzuzeigen, wir brauchen die entwickelten Länder, und wir müssen gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die Entwicklungsländer mitzunehmen.
Jetzt haben wir erst einmal unsere eigenen Hausaufgaben zu erledigen. Wir müssen dafür sorgen, dass die von der Kommission letzte Woche eingebrachten Vorschriften hier im Parlament so ambitioniert wie möglich durchgebracht und in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Hans-Peter Martin (NI). – Frau Präsidentin! Man kann ja Bali ersetzen durch Kyoto oder Rio 1992, und Sie können einen Großteil der hier gehaltenen Reden dann in dem Zusammenhang genau gleich wahrnehmen. Woran liegt’s, werte Ratspräsidentschaft? Sie aus einem kleinen Land können das vielleicht beurteilen, dass wir zu keinen Lösungen kommen. Ist es die Macht der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Interessen, ist es das Nichtfunktionieren des internationalen Systems, oder ist es die mangelnde Wahrnehmung bei der Bevölkerung? Ich glaube, Letzteres ist es — jedenfalls wenn es um Entscheidungsträger geht — nicht mehr.
Alles reduziert sich auf die Wirtschaft und die Politik, und da denke ich, dass wir sehr viele Fehler machen. Wir können nur dann glaubwürdig in den Prozess hineingehen und tatsächlich konstruktive Lösungen finden, wenn wir bei uns selber anfangen. Konkret würde dies einfach heißen, den CO2-Ausstoß des Politikbetriebes zu reduzieren.
Ein ganz konkretes Beispiel, womit sich die Slowenen beschäftigen könnten: Würden wir Straßburg aufgeben und uns nur hier in Brüssel treffen, so wäre das ein kleines Signal auch im Bereich von CO2. Das wäre für Ihre Ratspräsidentschaft durchaus erreichbar, und nicht die ganz großen Dinge, die ja sowieso in sechs Monaten an jemand anderen weitergegeben werden.
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Janez Podobnik, amtierender Ratspräsident. − (SL) Gestatten Sie mir, kurz auf einige der in dieser überaus interessanten Diskussion geäußerten Auffassungen einzugehen. Immerhin bekamen wir zu hören, dass wir gar keine Ergebnisse erreichen. Der Vorsitz und der Ratspräsident sind anderer Meinung. Die Dinge bewegen sich, und wir erzielen Resultate. Schließlich waren die Konferenz von Bali und die zwischen den nicht entwickelten und den am weitesten entwickelten Ländern zustande gekommene Einigung sogar ein großer Erfolg, aber der Erfolg wird erst in Kopenhagen vollkommen. Deshalb kommt es auf die nächsten beiden Jahre an.
Ich möchte auch meine Unterstützung für den Entschließungsantrag bekunden, der morgen vom Europäischen Parlament verabschiedet werden soll. Wir halten ihn für ehrgeizig und solide, und er ist eine zusätzliche Hilfe zum Erreichen einer Übereinkunft für die Zeit nach 2012. Der Vorsitz geht auch mit Ihrer bereits dargelegten Einschätzung konform, dass die Delegation der Europäischen Union sehr erfolgreich war. Sie agierte kompetent, geeint und ungemein aktiv. Und zu guter Letzt war sie glaubwürdig, woran der Europäischen Union besonders gelegen ist. Wir können fürwahr stolz auf die Europäische Union und auf die Rolle sein, die sie in Bali spielte, insbesondere auf ihre Beharrlichkeit.
Es wurde erwähnt, dass die Europäische Union Vorreiter bei der Entwicklung neuer Technologien ist. Das beantwortet vielleicht auch einige der berechtigten Ängste und Zweifel, die von EU-Mitgliedstaaten in Verbindung mit dem neuen Energie- und Klimapaket geäußert wurden, das die Europäische Kommission in der vergangenen Woche derart wirkungsvoll präsentierte. Erwidern möchte ich darauf, dass wir darin auch eine Chance für neue Arbeitsplätze und neue ökologische Innovationen sehen und dass keine Befürchtungen um die wirtschaftliche Entwicklung aufkommen sollten.
Wir gehen damit konform, dass dies nicht nur Sache der Politik, sondern auch der Wirtschaft ist. Eigentlich könnten wir sogar noch ambitionierter sein. Der Kampf gegen den Klimawandel ist in der Tat eine Erfolgsgeschichte der europäischen Politik. Nicht nur für die europäische Politik und Wirtschaft, sondern auch für die Bürger stellt er eine gewaltige Herausforderung dar. Nachdrücklich möchte ich dem Kommissar darin beipflichten, dass die Haltung der Medien keinesfalls zu unterschätzen ist. Die Medien könnten hier eine sehr bedeutende Rolle übernehmen. Das Paket, das die Europäische Kommission in der vorigen Woche verabschiedet hat, ist das Ergebnis einer von großer Sachkenntnis geprägten Herangehensweise. Die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Solidarität sind darin berücksichtigt. Da dem Europäischen Parlament bei der Annahme dieses Pakets eine bedeutende Rolle zukommt, erwarten wir von ihm, dass es diese Rolle ganz aktiv ausfüllt.
Jemand wollte wissen, ob es nötig war, nach Bali zu reisen und dabei nicht nachhaltige Verkehrsmittel zu nutzen. Nach Bali kommt man nicht anders, als mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Unsere Antwort lautet jedoch, dass das Ziel gut gewählt war. Weshalb? Weil es so war… Indonesien ist ein Entwicklungsland. Einer der Schlüsselmomente für die Einigung von Bali war der Beitritt der Entwicklungsländer zu diesem weltweiten Übereinkommen. Eine solche Einigung konnte leichter in Bali, in Indonesien, als sonst wo auf unserem Planten zustande kommen.
Abschließend möchte ich auf eine Frage zu den dreimal 20 % eingehen. Sind diese Ziele zu schaffen? Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union steht und fällt nicht zuletzt deshalb mit der Erreichung dieser Ziele, weil sich die Staats- und Regierungschefs auf der letzten Frühjahrstagung des Rates zu der Vision von 20/20/20 bekannt haben. Die Präsidentschaft wird engagiert alles daransetzen, um diese Zielvorgaben zu erreichen.
Pilar del Castillo Vera (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Es versteht sich von selbst, dass ich die Vertreter der Kommission und des Parlaments zu ihrer Arbeit in Bali beglückwünsche.
Ich möchte dieses Problem und damit zusammenhängende Fragen aus einer eher eurozentrischen, eurozentristischen Sicht behandeln, nämlich folgendermaßen:
Lassen Sie mich eingangs sagen, wie hier schon zur Sprache kam, wenn auch etwas anders, dass eine Notwendigkeit auch Chancen bietet. Je größer die Notwendigkeit, desto größer die Chance. Womit haben wir es zu tun? Wir sind mit zwei Erfordernissen konfrontiert: erstens, der Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels, hauptsächlich bedingt durch die Entwicklung und das Bevölkerungswachstum; und zweitens, der Lösung der Probleme der Versorgung mit traditionellen Energieträgern, über deren Nutzung Ungewissheit herrscht, entweder weil sie knapp werden oder weil sie sich in geopolitisch komplizierten Regionen befinden.
Welche Chance eröffnet sich? Es gibt eine Chance, effiziente Energieformen zu entwickeln, die unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, saubere Energien, die keine Verschmutzung verursachen, und so auch die Versorgung zu sichern, weil es sich um neue Energieformen handelt.
Worin liegt das Problem? Nach meiner Ansicht besteht ein Führungsdefizit in den europäischen Institutionen bei der Bewältigung dieser Probleme, ein Defizit in der Kommission und im Parlament. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wir sind nämlich nicht in der Lage zu erklären, dass sich die saubere Energie sowohl aus erneuerbaren Energien als auch aus Kernenergie zusammensetzt.
Das wird nicht getan, das wird nicht erklärt, und es ist Aufgabe der führenden Politiker, Lösungen vorzuschlagen, auch wenn es vielleicht schwierig ist, sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zu diskutieren.
Werden wir uns irgendwann mit der paradoxen Lage konfrontiert sehen, dass China, Indien und andere Schwellenwirtschaften durch die Entwicklung der Kernenergie sauberere Energien haben und sie zudem mit niedrigeren Löhnen konkurrieren können? Das ist ein Thema, das einfach angesprochen werden muss, Herr Kommissar.
So hoffe ich, dass die Frage der Kernenergie im Parlament und der Kommission besonnen, aber auch entschlossen diskutiert werden kann, da wir ständig um sie herumschleichen und ihr ausweichen.
Dorette Corbey (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Bali war nur der Anfang, ein begrüßenswerter erster Schritt auf dem Weg zu einer internationalen Klimavereinbarung im Jahr 2009. Dank europäischer Führungsstärke konnte in letzter Minute noch ein Erfolg verbucht werden. Dazu gratuliere ich Herrn Kommissar Dimas und seinem Team.
Im Dezember findet in Poznan eine Weltklimakonferenz statt. Dort steht die europäische Führung erneut auf dem Prüfstand. Europa muss klar mit einer Stimme sprechen und sich deutlich für entschlossene Schritte aussprechen. Wir müssen dem Rest der Welt unseren Standpunkt unmissverständlich verdeutlichen. Europa will bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen um 30 % senken. Mit dieser Position gehen wir in die Verhandlungen. Die intensive Lobbyarbeit einiger Regierungen und Industriebosse gegen das Energie- und Klimapaket sendet die falschen Signale aus.
Europäische Führung bedeutet zudem, dass wir die Emissionssenkungen, die wir von anderen Ländern verlangen, in unseren 27 Mitgliedstaaten umsetzen. Das ist entscheidend. In Poznan müssen wir auch aufzeigen, dass Europa bereit und in der Lage ist, mehr zu leisten als eine Senkung um 20 %. Wenn wir den Konsens von Bali ernst nehmen, müssen wir bei mindestens 25 % anfangen. Wir müssen darstellen, dass dies ohne den Verlust von Arbeitsplätzen möglich ist, und ich bin äußerst zuversichtlich, dass man im Jahr 2009 eine historische Klimavereinbarung unterzeichnet. Eine solide europäische Klimapolitik ist dafür jedoch eine grundlegende Voraussetzung.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Die Klimakonferenz auf Bali war ein Test dafür, ob überhaupt die Möglichkeit einer weltweiten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels besteht. Diese Frage hat für die ganze Welt zweifellos außergewöhnliche Bedeutung, aber die politische Bühne, auf der wir uns bewegen, hat sehr unterschiedliche Gesichter, und wir müssen unsere Argumente den verschiedenen geopolitischen Realitäten anpassen. Auch wenn es keine Aufsehen erregenden Erfolge gab, wurde mehr erreicht als zuvor. Wir haben wichtige Partner gefunden.
In der Europäischen Union ist der Klimawandel ein vorrangiges Thema. Vereinfacht gesagt, niemand möchte, dass im Zuhause seiner Kinder das Licht ausgeht. Aber nicht alle Länder Europas befinden sich auf dem gleichen technischen Stand, und dies ist eine weitere Herausforderung für die Europäische Union. Polen ist ein Land, in dem 96 % des Stroms durch Verbrennung von Kohle erzeugt werden, und aus diesem Grund könnte sich die Anpassung unserer Energieindustrie bis 2020 als unerträgliche Bürde erweisen. Wir hier in Brüssel, die für das Wohlergehen der Menschen in ganz Europa verantwortlich sind, müssen die Möglichkeiten der einzelnen Länder stärker berücksichtigen und dürfen die Messlatte nicht so hoch ansetzen, dass nur wenige sie erreichen können.
Bei der Reduzierung der Gasemissionen ist die Diversifizierung der Ressourcen nicht der einzig mögliche Ansatz. Die emissionslose Verbrennung von Kohle ist auch eine Untersuchung wert. Eine weitere Möglichkeit ist die Kernkraft. Sofern bei der Planung eines Kernkraftwerks spezifische Strategien vorgesehen werden, um alle Fragen der späteren Nutzung zu klären, ist die Kernenergie eine der saubersten Energiequellen.
Kurz gesagt, meines Erachtens ist es für unsere Zukunft äußerst wichtig, dass wir besonderen Druck auf die Forschung ausüben, um neue Techniken zu entwickeln, die deutlich vorteilhafter und effizienter für unseren Planeten sind als die uns derzeit zur Verfügung stehenden.
Adam Gierek (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Das für die Europäische Union vorgeschlagene Paket für Energie und Klimawandel ist eine sorgfältig ausgearbeitete Mischung aus Organisation und Rechtsetzung mit dem Ziel, eine erhebliche Senkung der CO2-Emissionen zu erreichen. Die anspruchsvollen Pläne der Europäischen Kommission beruhen auf der Annahme, dass der sich weltweit vollziehende Klimawandel – eine nicht zu bezweifelnde Tatsache – auf CO2-Emissionen zurückzuführen ist. Doch dies ist noch nicht erwiesen und wurde in Bali nicht unterstützt. Alle diesbezüglichen Prognosen stützen sich einzig und allein auf Computersimulationen und stellen noch keinen Beweis dar.
Herr Kommissar, zunächst einmal sind glaubwürdigere Daten zum Einfluss der CO2-Emissionen auf das Klima erforderlich. CO2 ist das notwendige Substrat für die Photosynthese. Ist es deshalb ein zerstörerischer Stoff? Ich möchte Sie auf das bereits genannte Schreiben verweisen, das hundert namhafte Wissenschaftler im Dezember an den UNO-Generalsekretär gerichtet haben.
Zweitens: Die Festlegung von Beschränkungen der CO2-Emissionen innerhalb der Europäischen Union durch die Kommission, ohne zuvor die Frage auf internationaler Ebene gelöst zu haben, wird zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung mit ernsten sozialen Folgen führen.
Drittens, der wichtigste Punkt: Die Kommission hat bei ihrem Paket zu Energie und Klimawandel die wichtigste Schlussfolgerung der Konferenz von Bali hinsichtlich der Anpassung der Gesellschaften an den unvermeidbaren Klimawandel, d. h. an Steppenbildung, Wüstenbildung, Mangel an Trinkwasser, Überschwemmungen usw., nicht berücksichtigt. Für diese Hauptziele sollten die Mittel, welche die Union für die Bekämpfung des Klimawandels in Europa einplant, wirklich verwendet werden.
Ivo Strejček (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! In der Diskussion über den so genannten Klimawandel erachten wir einige fragwürdige Voraussetzungen als selbstverständlich. Erstens finden die klimatischen Veränderungen tatsächlich statt und werden überwiegend vom Menschen verursacht. Zweitens sind die Schlussfolgerungen der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über Klimaänderungen (IPCC) die einzig gültigen Ergebnisse. Es gibt keine anderen Gruppen von Wissenschaftlern, die bezüglich des weltweiten Klimawandels eine andere Meinung vertreten. Drittens sind die Menschen generell bereit, ihre Zukunft außen vor zu lassen und ihren derzeitigen Lebensstandard zu opfern. Viertens werden die europäischen Unternehmen im weltweiten Wettbewerb überleben, auch bei höheren Preisen. Fünftens wird es uns gelingen, den Rest der Welt davon zu überzeugen, sich unseren Verpflichtungen anzuschließen. Beim Verfolgen der Aussprache in diesem Hohen Haus stelle ich fest, dass ich hier in der Minderheit bin, doch ich möchte dennoch meinen Standpunkt verdeutlichen:
Erstens sind die Ergebnisse der IPCC übertrieben. Es gibt andere Gruppen von Wissenschaftlern, die hinsichtlich des Klimawandels und seiner Ursachen anderer Meinung sind. Zweitens ist nicht bewiesen, dass der Klimawandel überwiegend vom Menschen verursacht wird. Drittens ist der Klimawandel zu einem politischen Modeinstrument geworden, um die Menschen zu manipulieren. Viertens hat die Konferenz von Bali bewiesen, dass die übertriebenen und extrem teuren Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels auf keine breite Unterstützung stoßen. Fünftens werden die europäischen Hersteller die politischen Entscheidungen bei ihrer Preisgestaltung berücksichtigen müssen, was zu einem Preisanstieg und einem weiteren weltweiten Rückgang der europäischen Wettbewerbsfähigkeit führen wird. Sechstens werden die ehrgeizigen Pläne für die Reduzierung der Treibhausgase den Entwicklungsländern schaden, was zu noch größeren Unterschieden zwischen Arm und Reich führen wird.
Was sollten wir also tun? Wir täten gut daran, die legendäre europäische Bürokratie abzubauen, weniger Rechtsvorschriften auf supranationaler Ebene zu erlassen und die Menschen arbeiten und Erfindungen machen zu lassen.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Wir alle spüren bereits den Klimawandel, unabhängig davon, auf welchem Kontinent oder in welchem Land wir leben. Wir erleben Überschwemmungen, Wüstenbildung, Wasserknappheit, Waldbrände, das Schmelzen der Gletscher und Veränderungen in der Pflanzenwelt. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2008 zum Internationalen Jahr des Planeten Erde erklärt. Die Bali-Konferenz ist für ein Kyoto-Nachfolgeabkommen zur Bekämpfung des Klimawandels von außerordentlicher Bedeutung.
Die Europäische Union sollte mit ihren Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen weiter die Vorhut bilden. Die bestehenden europäischen Rechtsvorschriften und das neue Paket von Vorschriften zur Förderung erneuerbarer Energiequellen, das die Kommission kürzlich vorgestellt hat, sind beste Beispiele dafür.
Es freut mich, dass wir diese Aussprache während der Europäischen Woche für erneuerbare Energien abhalten. Auf das Verkehrswesen entfallen 30 % des weltweiten Energieverbrauchs, und der Stadtverkehr ist für 70 % der Emissionen verantwortlich. Die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Emissionsquoten ist ein riesiger Schritt. Weitere Ziele der Gemeinschaft sollten ein effizienterer Stadtverkehr sowie die Förderung des Bahn- und Schiffsverkehrs sein, da diese Verkehrsträger weniger Verschmutzung verursachen.
Wir fordern die Kommission und den Rat auf, den Klimawandel in die Liste ihrer vordringlichen Themen aufzunehmen, und zwar sowohl in EU-Angelegenheiten, als auch in ihren internationalen Beziehungen.
Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Konferenz in Bali war ein Schritt in die richtige Richtung, und ich möchte hier allen Kolleginnen und Kollegen sowie der Kommission für dieses aus meiner Sicht positive Ergebnis herzlich danken.
Die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur zeigt in vielen Gebieten der Erde bereits Auswirkungen. Das Ziel, die globale Erwärmung auf einem Wert von maximal 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu halten, ist daher unbedingt einzuhalten. Dieses Ziel muss durch neue Innovationen unterstützt und gefördert werden, Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber vor allem auch in Bildung und Ausbildung. Die Landwirtschaft ist vom Klimawandel in dreifacher Hinsicht betroffen. Nach Verkehr und Industrie ist sie einerseits der drittstärkste Verursacher, andererseits aber der am stärksten betroffene Sektor, da unsere Produktion unter freiem Himmel stattfindet, sodass wir am unmittelbarsten von den Auswirkungen betroffen sind.
Drittens kann die Landwirtschaft den Klimawandel aber auch als Chance sehen und nutzen. Als Produzent von nachwachsenden Rohstoffen und vor allem in zweiter und dritter Generation als Produzent des Ersatzes von petrochemischen Produkten oder auch durch neue Möglichkeiten in der Bodenbearbeitung haben wir hier eine Chance. Gerade auf diesem Gebiet möchte ich noch einmal die Bedeutung von Forschung und Entwicklung sowie der Bildung betonen. Die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen erfordert aber unbedingt die Entwicklung und Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien.
Herr Kommissar, der Klimawandel ist ein globales, gesamtgesellschaftliches Problem und keineswegs ein sektorales. Er ist daher auch nur in diesem globalen Ansatz zu lösen, EU-weit und auch weltweit. Hier sollte die Europäische Union eine führende und vermittelnde Rolle einnehmen!
Margaritis Schinas (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Dimas! Der Weg von Bali nach Kopenhagen ist jetzt frei und ich denke, dass wir uns nicht so intensiv mit diesem Thema befassen sollten. Wir müssen uns nun dringend auf das neue Paket der Ziele konzentrieren, das Sie vorgelegt haben: die drei 20er-Ziele für 2020, wie ich es nenne, oder das „Dimas-Paket“, wie es auch bezeichnet wird. So wie die Dinge liegen, glaube ich, dass dieses Paket von Initiativen in den nächsten achtzehn Monaten bis zum Ende der Amtszeit dieses Parlaments gebilligt und in die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften übernommen werden müsste. Dies ist unsere absolute Priorität. Viele haben Sie dafür kritisiert, dass Sie ein zu ehrgeiziges Paket geschnürt haben, während andere der Meinung sind, dass die Maßnahmen völlig unzureichend sind. Dies ist vermutlich der beste Beweis dafür, dass Sie auf dem richtigen Weg sind.
Einen anderen Punkt möchte ich auch noch kurz ansprechen. Nicht nur Regierungen und das Europäische Parlament, sondern auch die einzelnen Bürger müssen ihren Beitrag leisten. Wir alle können in diesem Bereich viel mehr tun. Alles, vom Verkehrsstau bis hin zur Gestaltung von Gebäuden und unserer Lebensweise in ihnen betrifft die Bürger, nicht nur die Regierungen. Ich hoffe, dass Ihre Arbeit in Brüssel dazu beitragen wird, das allgemeine Bewusstsein dafür zu stärken.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Bei der heutigen Aussprache habe ich überrascht festgestellt, dass der Begriff sustainable development – „nachhaltige Entwicklung” – nicht ein einziges Mal verwendet wurde. Dies war noch in den frühen 1990-er Jahren eines modernes, wenn auch etwas überstrapaziertes Konzept, wie sich in der Vereinbarung der Teilnehmerstaaten an der Konferenz von Rio de Janeiro 1992 zeigte, um die Umwelt bei ihrer Nutzung in sinnvoller Weise zu schützen.
Meine Damen und Herren, die nachhaltige Entwicklung ist kein veraltetes Konzept, keine zeitweilige Modeerscheinung, der Politiker und Umweltschützer anhängen. Mit diesem Konzept sollen die Interessen der großen Umweltlobby mit den Interessen der Industrielobby vereinbart werden. Daher sollten wir die Errungenschaften der Konferenz von Bali im Lichte des alten Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung betrachten, eines Grundsatzes, dem man nicht nur in Europa, sondern auch auf internationaler Ebene hohen Wert beimisst. Wir müssen unseren Planeten vor dem Klimawandel schützen, aber nicht zum Preis der Zerstörung unserer Industrie. Wir müssen einen vernünftigen Kompromiss finden.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Kommissar! Ich habe als Mitglied der polnischen Delegation an der Konferenz von Bali teilgenommen. Sie war mäßig erfolgreich. Die europäischen Staaten sind nun verantwortlich für COP14 und COP15. Worin besteht das größte Hindernis auf dem Weg zum Erfolg?
Meines Erachtens ist dies das Fehlen einer effizienten, zugänglichen und preiswerten Technologie. Wir sollten uns als Europäische Union darauf konzentrieren. Indem wir dies tun, helfen wir uns selbst und unserer Wirtschaft, und wir helfen auch anderen durch den Transfer und Austausch der besten Technologien. Dies wird sehr viel billiger sein, als der Industrie immer drastischere Emissionssenkungen aufzuerlegen. Es erfordert die Überprüfung des Haushalts der EU und eine Mittelübertragung. Wir sollten beschließen, dies zu tun.
Die polnische Regierung wird dieses Jahr in Poznán, im Rahmen von COP14, eine weltweite Prüfung der besten Technologien vorschlagen. Die führenden Firmen und die am weitesten fortgeschrittenen Länder werden die besten technischen Lösungen erläutern. Soll Kopenhagen 2009 erfolgreich sein, müssen wir zunächst Poznań 2008 zu einem Erfolg verhelfen.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich habe nun zum fünften Mal an der UN-Klimakonferenz der COP und MOP teilgenommen und bin aus Bali mit dem Gefühl zurückgekehrt, in dieser allerwichtigsten aller Fragen zum ersten Mal etwas erreicht zu haben.
Was auf Bali am deutlichsten wurde, ist, dass dringend ein Mechanismus gefunden werden muss, mit dem die Verhinderung der Abholzung und die Verschlechterung des Zustands unserer Wälder Teil des internationalen Übereinkommens für die Zeit nach 2012 werden.
Ich möchte, dass wir unsere Formel „20/20/20 im Jahr 2020“ um weitere 20 % erweitern. Wenn wir ein vereinbartes Gutschriftensystem hätten, um unsere Gemeinschaften zu belohnen oder ihnen einen finanziellen Ausgleich zu verschaffen, indem wir die derzeitige Abholzungsquote, vor allem in den Regenwäldern, senken – trotz der enormen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des bestehenden Waldbestands –, könnten wir die weltweiten CO2-Emissionen um weitere 20 % senken, weswegen „20/20/20/20 im Jahr 2020“ unser Ziel sein muss.
Auf der Konferenz von Bali wurde ein Fahrplan für ein weltweites Abkommen der COP15 im Jahr 2009 in Kopenhagen festgelegt und Sie haben die Verhandlungen für die EU sehr kompetent geführt. Ich möchte Sie, Herr Kommissar, zu Ihrem persönlichen Beitrag beglückwünschen.
Anni Podimata (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Die EU steht bei der Bekämpfung des Klimawandels ganz vorn, und in diesem Kampf spielen Sie zweifellos eine besondere Rolle. Wenn die EU bei diesen Bemühungen weiterhin führend sein soll, reicht es jedoch nicht aus, bloß Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen oder verbindliche Ziele festzulegen. Die EU muss auch eine führende Rolle bei der Umsetzung der von ihr festgelegten verbindlichen Zielvorgaben einnehmen und dabei so geschlossen wie möglich auftreten. Es ist offensichtlich, dass es zwischen den EU-Mitgliedstaaten viele gravierende Unterschiede bei der Umsetzung der Zielvorgaben gibt, die für die Bekämpfung des Klimawandels festgelegt wurden. Aus diesem Grund erwarten wir nun Maßnahmen, Anreize und Initiativen, mit denen diese Unterschiede verringert und die Anstrengungen besser koordiniert werden können, die von den EU-Mitgliedstaaten insgesamt zur Erreichung dieser Ziele unternommen werden.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Als stellvertretendes Mitglied des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel möchte ich den großen Erfolg hervorheben, den das Europäische Parlament bei der Weltkonferenz in Bali erzielt hat.
Das Europäische Parlament muss ein Visionär werden, der auf dauerhafte nachhaltige Entwicklung drängt. Was müssen wir als Nächstes tun? Erstens dürfen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Die Europäische Union muss Investitionen in Forschung und Entwicklung anregen mit dem Ziel, effiziente Technologien zu entwickeln, die weniger Energie verbrauchen.
Wir können nicht ausschließlich über CO2 reden. Immer strengere ökologische Vorgaben zu machen ist nicht der richtige Weg, denn dadurch riskieren wir, dass unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen in Europa benachteiligt werden. Wir dürfen uns neuen Ideen nicht verweigern, wie etwa der Strategie, dem Klima mittels Wasser zu helfen, sich zu erholen.
Eine Gruppe slowakischer und tschechischer Wissenschaftler, angeführt von Michal Kravčík, einem namhaften Experten für den Einsatz von Wasser zur Sanierung ausgetrockneter Stadtgebiete, hat ein neues Wasser-Paradigma erarbeitet. Das Auffangen von Regenwasser in Rückhaltebecken ist ein einfacher, schneller und effizienter Lösungsansatz. Ich glaube, dass die Maßnahme, Regenwasser für die künftige Nutzung aufzufangen, anstatt es ungenutzt abfließen zu lassen, eine gute strategische Lösung ist – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Ich vertraue darauf, dass die Kommission und der Rat die Ideen der Innovatoren fördern werden, und dass das neue Wasser-Paradigma auch in Europa die Unterstützung erhält, die es verdient.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Es ist großartig, eine Aussprache zu verfolgen und antworten zu können und dann wieder die Beiträge der Konferenzteilnehmer zu hören, weil wir nicht genug mitbekommen, was dort geschieht.
Kann ich kurz ein konkretes Thema ansprechen? Es ist modern geworden, über den Klimawandel zu diskutieren, und während die Öffentlichkeit uns hier momentan Glauben schenkt, laufen wir meiner Meinung nach Gefahr, sie wieder zu verlieren. Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass das, was wir anregen und vorschlagen, auch machbar ist und dass uns praktische Ergebnisse vorliegen, die wir präsentieren können.
Was die Landwirtschaft anbelangt – das hat vor allem Frau Schierhuber zur Sprache gebracht –, so entfallen in Irland beispielsweise 28 % der Emissionen auf die Landwirtschaft. Meiner Meinung nach hat die Landwirtschaft bereits einen erheblichen Beitrag geleistet. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht zu viel von ihr verlangen und unsere Nahrungsmittelsicherheit aufs Spiel setzen. Das Problem lässt sich also nicht so einfach lösen. Es wurden auch die Wälder angesprochen. Ich denke, wir sollten die Kontinente mit großen Waldflächen ermutigen, diese nicht abzuholzen, ebenso wie wir versuchen, unsere Landwirte dazu zu animieren, ihr Dauergrünland aufgrund der so wichtigen Kohlenstoffsenken nicht zu pflügen.
Tun wir also, was wir weltweit tun können, und hoffen wir, dass die Menschen den führenden europäischen Politikern glauben, da wir ansonsten keine Chance haben, unsere Ziele zu erreichen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Frau Präsidentin! Als Erstes möchte ich den Mitgliedern des Europäischen Parlaments für ihre überaus positiven Beiträge danken.
Unbestritten ist, dass wir heute Abend Positionen gehört haben, die die Argumente von Staaten wie den USA und Australien widerspiegeln, die nicht zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bereit waren. Mittlerweile sind diese Positionen aufgegeben worden, da Australien das Kyoto-Protokoll ratifiziert hat und in den Vereinigten Staaten keine Unterstützung dafür mehr zu finden ist, weder auf föderaler noch auf bundesstaatlicher Ebene.
Aufgefallen ist mir auch, dass ein Mitglied des Europäischen Parlaments, sicher in gutem Glauben, behauptet hat, dass die USA beim Klimaschutz bessere Ergebnisse vorzuweisen haben als die EU. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Wie die Daten für 2005 zeigen, sind die Treibhausgasemissionen in den USA um 16,4 % gestiegen, während die EU das Ziel von Kyoto erreicht und ihren Emissionsausstoß 2005 auf einen Wert senken konnte, der um insgesamt 7,9 % unter dem Niveau von 1990 lag. Deshalb besteht ein großer Unterschied zwischen dem, was die EU erreicht hat und dem, was die USA nicht umsetzt. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass in dem von den Vereinigten Staaten unterzeichneten, jedoch nicht ratifizierten Protokoll von Kyoto festgelegt ist, dass die USA ihre Emissionen um 7 % verringern. Doch statt die Emissionen um 7 % zu senken, wurde der Emissionsausstoß 2005 um 16,4 % gesteigert. Die EU dagegen ist auf dem Weg, die angestrebte Reduzierung von 8 % zu erreichen. Dieser Wert liegt bereits unter dem Niveau von 1990.
Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass in Irland das größte Problem in dem enormen Anstieg der verkehrsbedingten Kohlendioxidemissionen besteht. In den letzten Jahren sind die Treibhausgasemissionen um 160 % gestiegen. Einen großen Anteil daran hat unbestritten auch die landwirtschaftliche Produktion, und es gibt zahlreiche Lösungsansätze für dieses Problem. So wurden in Neuseeland z. B. spezielle Futtermittel entwickelt, durch die sich die Kohlendioxidemissionen deutlich verringern lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der im Dezember letzten Jahres beschlossene Aktionsplan von Bali ist ein zentrales Element in den Debatten über das zukünftige internationale Klimaschutzkonzept. Unser größter Erfolg besteht darin, dass bereits formale Verhandlungen aufgenommen worden sind. Es gibt nun klare Anzeichen dafür, dass hinsichtlich des Klimaabkommens für die Zeit nach 2012 das erforderliche Ziel im Kampf gegen den Klimawandel erreicht wird. Innerhalb des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen wurde die Einrichtung einer neuen Ad-hoc-Gruppe gebilligt, die gemeinsam mit einer nach dem Protokoll von Kyoto bereits eingesetzten Ad-hoc-Gruppe Verhandlungen über die langfristige Zusammenarbeit führen soll. Alle Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen, auch die Vereinigten Staaten, werden an diesen Verhandlungen teilnehmen. Ein wichtiges Thema wird die Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen sein. Wir müssen Wege finden, damit wir die Finanzmittel schneller bereitstellen und die Investitionen gezielter ausrichten können, und dabei muss der Aspekt des Umweltschutzes noch stärker berücksichtigt werden: Auf diese Weise werden saubere Technologien und Maßnahmen zur Anpassung an die unausweichlichen Auswirkungen des Klimawandels gefördert und Investoren, nicht nur aus dem öffentlichen Sektor, sondern in großem Umfang auch aus dem privaten Sektor, angezogen. Dies ist das zentrale Element der Verhandlungen. Ich möchte jedoch an dieser Stelle ausdrücklich betonen, wie wichtig es ist, dass wir in der EU unverzüglich handeln. Wie Sie in Ihrem Entschließungsantrag zu Recht betonen, müssen wir, unter anderem, stärker darauf achten, dass Klimaaspekte in unserer Entwicklungspolitik umfassender als bisher berücksichtigt werden.
Ich bin davon überzeugt, dass wir auch in Bereichen wie Handel und Investitionen auf bilateraler und regionaler Ebene noch mehr bewirken können. Eine stärkere Mobilisierung des privaten Sektors ist ebenfalls unverzichtbar, und diese Möglichkeit muss noch besser genutzt werden.
Besonders wichtig ist natürlich auch, dass Maßnahmen gegen die Abholzung getroffen werden. Sie haben bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass wir schon mit relativ kleinen Investitionen im Kampf gegen die Klimaänderung und auch beim Schutz der Artenvielfalt Erfolge erreichen können. Wir sollten hier aktiv werden, weil wir auch bevor ein Abkommen geschlossen worden ist oder das neue Abkommen in Kraft tritt schon etwas gegen die Abholzung unternehmen können. Daher ist dies ein sehr wichtiger Bereich für uns, den wir angehen sollten.
Die Kommission ist entschlossen, der EU bei der Sicherung ihrer führenden Rolle in diesen neuen Verhandlungen über zukünftige Klimaschutzabkommen zu helfen. Ich hoffe sehr, dass Sie uns dabei unterstützen werden. Wir stehen erst am Anfang dieser Verhandlungen über die Klimaschutzpolitik für die Zeit nach 2012. Die führende Rolle der EU beim Klimaschutz wird von entscheidender Bedeutung dafür sein, dass dieser Dialog fortgeführt wird und positive Ergebnisse erbringt. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass unsere führende Rolle von der Politik und den Maßnahmen abhängt und beeinflusst wird, die wir innerhalb der EU beschließen. Die Umsetzung der Klimapolitik in der EU und die zügige Annahme des Maßnahmenpakets zum Klimaschutz und zur Energieeinsparung wird weiterhin von entscheidender Bedeutung sein, wenn wir unsere führende Rolle sichern und die internationalen Anstrengungen im Kampf gegen die Klimaänderung zu einem erfolgreichen Abschluss bringen wollen.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass wir auch in Zukunft unsere enge Zusammenarbeit mit dem Parlament in diesem Prozess fortsetzen möchten.
Die Präsidentin. – Zum Abschluss der Aussprache wurde gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung ein Entschließungsantrag eingereicht(1).
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am 31. Januar 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Sebastian Valentin Bodu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Wir erhielten kürzlich ein Schriftstück, das sich mit dem Klimawandel, den wir alle spüren können, befasste. Das Dokument trägt den Titel „Don’t fight, adapt – We should give up futile attempts to combat climate change“ und wurde als offener Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen geschickt.
Wie schon der Titel besagt, fordern uns 100 Sachverständige mit Nachdruck auf, den Klimawandel nicht mit Resignation, sondern mit Begeisterung zu akzeptieren. Sie stützen sich dabei auf das Argument, CO2 sei entscheidend für die Photosynthese.
Ich bin zwar weder Chemiker noch Biologe, doch ich kann die drastischen Klimaveränderungen der letzten Jahre nicht einfach ignorieren. Ich komme nicht umhin, festzustellen, dass wir nicht mehr vier Jahreszeiten, sondern nur noch zwei haben. Ich werde mich nicht damit abfinden, dass ich in zehn Jahren nur noch in der Halle, auf einer 100-Meter-Piste, Skifahren werde. Ich werde es nicht hinnehmen, dass ich mich aus Angst vor Hautkrebs nur noch zwischen fünf und sieben Uhr morgens werde sonnen können. Daher sage ich mir, warum soll ich mich um deren Photosynthese kümmern? Ich möchte Skifahren, in der Sonne baden und ein normales Leben führen.
Gyula Hegyi (PSE), schriftlich. – (HU) Der von der UNO organisierte Klimagipfel in Bali brachte keine besonderen Ergebnisse, machte aber den Weg frei für ein neues, globales Klimaabkommen nach 2012. Leider verweigern die Länder mit den größten Emissionen, die USA und China, noch immer ihre Beteiligung an diesem wichtigen Prozess, zur Rettung der Zukunft der Erde. Mit Blick auf die gegenwärtig laufenden Vorbereitungen für die amerikanische Präsidentschaftswahl bleibt jedoch zu hoffen, dass dabei ein Kandidat gewinnt, der im Gegensatz zur bisherigen Administration bereit ist, Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten zu übernehmen. Wenn die Vereinigten Staaten das Klimaabkommen unterzeichnen, wird es hoffentlich leichter werden, auch China zu überzeugen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Europa der größte Verbraucher chinesischer Erzeugnisse ist und wir somit als Käufer natürlich auch eine Rolle bei den Treibhausgasemissionen Chinas spielen.
Die Vertreter der Europäischen Union in Bali haben in ihren Erklärungen von einer Verringerung der Treibhausgasemissionen um 25-40 % gesprochen. Im vergangenen Jahr hat das Europäische Parlament für eine Reduzierung der Emissionen um 30 % gestimmt, während der jüngste Bericht der Kommission nach wie vor nur eine Emissionsreduzierung um 20 % bis zum Jahr 2020 empfiehlt. Es wäre ratsam, diese Ziffern zu ordnen und sowohl nach innen als auch nach außen die gleichen Ziele zu vertreten. Ich persönlich unterstütze dabei natürlich das ehrgeizigere Ziel einer Reduzierung um 30 %.
Daciana Octavia Sârbu (PSE), schriftlich. – (RO) Der krönende Moment der Bali-Konferenz war die Annahme des Fahrplans für eine sichere Zukunft des Klimas in Form eines neuen Verhandlungsverfahrens, das 2009 abgeschlossen sein und zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über die globale Erwärmung nach 2012 führen soll, wenn die erste Phase des Kyoto-Protokolls ausläuft.
Das Ergebnis der Konferenz bestand aus bedeutenden Entscheidungen, die den Fahrplan untermauern: der Anpassungsfonds, der Transfer von Umwelttechnologien aus den reichen in die armen Länder, Maßnahmen zur Senkung der Emissionen, die durch Entwaldung und Schädigung der Wälder in den Entwicklungsländern entstehen. Die Entwaldung zu bekämpfen, genießt in der europäischen Umweltpolitik oberste Priorität, und koordinierte Anstrengungen auf Seiten der Mitgliedstaaten werden dazu beitragen, die Erderwärmung aufzuhalten.
Es ist ein viel versprechendes Signal, dass der Bali-Aktionsplan Strategien zur Eindämmung von Umweltkatastrophen sowie Mittel zur Regelung der Verluste und Schäden beinhaltet, die Entwicklungsländer durch den Klimawandel erleiden müssen. Die Europäische Union hat entscheidend am erfolgreichen Ausgang dieser Konferenz mitgewirkt und dafür gesorgt, dass die neuesten wissenschaftlichen Empfehlungen der Zwischenstaatlichen Gruppe für Klimaänderungen gebührend berücksichtigt wurden.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Ich begrüße den auf dem Klimaschutzgipfel in Bali erzielten Kompromiss sowie den darauf bezogenen Beschluss des Ausschusses für Klimaänderung des Europäischen Parlaments.
Dieser Kompromiss von Bali stellt in meinen Augen einen Durchbruch dar, da sich die Parteien auf ein Mandat für Verhandlungen über ein neues Klimaschutzabkommen als Nachfolger für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll geeinigt haben. Gleichzeitig haben sich erstmalig Entwicklungsländer und die USA zur Reduzierung der Auswirkungen des Klimawandels verpflichtet.
Ungarn vertritt dabei die gleiche Position wie die meisten anderen EU-Mitgliedstaaten. Im März 2007 hat der Europäische Rat eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 % gegenüber dem Niveau von 1990 beschlossen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, hat die Europäische Kommission ihren Plan für ein Richtlinienpaket „Erneuerbare Energiequellen und Klimawandel“ entwickelt, und damit ein Beispiel für andere Industrieländer gegeben.
Ich hoffe ja, dass der gestern vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments angenommene Bericht über nachhaltige Landwirtschaft und Biogas auch zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen wird.
Ich möchte Sie auch darauf aufmerksam machen, dass der Klimawandel in Ungarn bereits zu einem echten Problem geworden ist, da das Gebiet zwischen Donau und Theiß von Desertifikation, d. h. der Wüstenbildung, bedroht ist. Die ökologische und soziale Erosion im Gebiet der Sandrücken des Homokhátság muss gestoppt werden, denn dadurch würde der Lebensunterhalt von rund 800 000 Einwohnern immer stärker bedroht.
Wir müssen der Desertifikation der Sandrücken des Homokhátság ein Ende bereiten!
(Die Sitzung wird um 20.40 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
21. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute.
Iuliu Winkler (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Der Fonds für Regionale Entwicklung und der Kohäsionsfonds sind von großer Bedeutung für die neuen Mitgliedstaaten, da dort erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen bestehen. Mein Heimatland Rumänien kann bis 2013 mehr als 20 Milliarden Euro für die regionale Entwicklung beantragen. Ein Jahr nach unserem Beitritt zeigt sich in der Praxis, dass wir immer besser in der Lage sind, Fonds für regionale Entwicklung zu nutzen, wobei wir allerdings noch weit entfernt sind von dem, was wir erreichen wollen. Für die Regionen Rumäniens ist es äußerst wichtig, dass sie ihre Fähigkeiten zur Beantragung von Mitteln aus den Fonds verbessern, indem sie diese effektiv nutzen und ihre Verwendung methodisch nachweisen.
Dazu benötigt Rumänien Instrumente wie z. B. ein effektives und immer stärker dezentralisiertes System der öffentlichen Verwaltung sowie eine neue Einteilung in wirtschaftliche Entwicklungsgebiete, da die gegenwärtigen Regionen ihren Zweck nicht mehr erfüllen und nicht wirkungsvoll sind. Es müssen also von Grund auf neue Regionen auf der Basis gesellschaftlicher Vereinbarungen geschaffen werden, die durch gewählte regionale Regierungen geleitet werden. Die neue Einteilung Rumäniens in wirtschaftliche Entwicklungsgebiete duldet keinen Aufschub. Vielen Dank.
Маrusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einige Probleme in Bezug auf Katastrophen und Unfälle auf See richten. Meistens spricht man darüber, nachdem sie sich ereignet haben, und dann löscht die Zeit schnell die Tragödien aus der Erinnerung. Unfälle auf See fallen jedoch unter die gemeinsame Meerespolitik. Wir müssen uns ebenso darauf vorbereiten wie auf die Durchführung eines Transfers.
Kürzlich erlitt das bulgarische Schiff „Vanessa“ im Asowschen Meer Schiffbruch. In den vergangenen Monaten ereigneten sich bei schlechtem Wetter mehrere Unfälle in der Straße von Kertsch. Einige Besatzungsmitglieder kamen ums Leben, andere gelten als vermisst. Es entstanden Schäden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Das Asowsche Meer und das Schwarze Meer wurden durch Öl verschmutzt. Die gemeinsame Meerespolitik muss Maßnahmen zur Minimierung der Risiken vorsehen und Regelungen für die Schifffahrt durchsetzen, durch die die Zahl der Unfälle gesenkt wird. Wir brauchen ein umfassendes System für schnelles Eingreifen und die Durchführung von Notrettungsmaßnahmen. Wir benötigen Ausrüstungen, die für schweres Wetter geeignet sind und so bereitgehalten werden, dass sie am Unfallort schnell eingesetzt werden können.
Magor Imre Csibi (ALDE). – (RO) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Fettleibigkeit betrifft mehr als die Hälfte der Bevölkerung in den meisten Mitgliedstaaten. Noch beunruhigender ist, dass jährlich mehr als 400 000 Kinder in Europa übergewichtig werden. Eines der Themen, das im Kampf gegen die Fettleibigkeit angegangen werden muss, ist die wirksame Kennzeichnung von Lebensmitteln. Bedauerlicherweise enthalten die europäischen Lebensmitteletiketten noch nicht die Informationen, die die Verbraucher benötigen, um gesunde und sichere Entscheidungen zu treffen.
Ich begrüße daher den Vorschlag der Kommission, die Richtlinie über die Kennzeichnung von Lebensmitteln zu überarbeiten; zugleich bin ich für die damit einhergehende Schaffung eines vereinfachten Kennzeichnungssystems, bei dem die Kennzeichnung auf die Vorderseite der Lebensmittelverpackung aufgedruckt wird. Indes bedauere ich, dass der Vorschlag der Kommission keine Farbkennzeichnung enthält, die den Nährwert des Produkts (niedrig, mittel, hoch) eindeutig angibt. Die Kennzeichnung soll zum Vorteil sowohl der Hersteller als auch der Verbraucher sein, und ein gut aufgeklärter Verbraucher wird eine aus ernährungswissenschaftlicher Sicht kluge Wahl treffen.
Brian Crowley (UEN). – (EN) Herr Präsident! Im Hinblick auf die bevorstehende Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag in Irland möchte ich gern die Bedeutung des Referendums aus wirtschaftlicher Sicht darstellen, da es im Reformvertrag in erster Linie darum geht, die Entscheidungskompetenz der Europäischen Union effizienter zu gestalten, was an sich schon zu größerem ökonomischen Erfolg und höherem Wachstum führt. Im vergangenen Jahr wurden 2,6 Milliarden Euro in die irische Industrie und irische Unternehmen investiert und 9.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Exportvolumen betrug über 80 Milliarden. Mehr als 80 % aller in Irland hergestellten Waren wurden überwiegend in EU-Märkte exportiert. Der durchschnittliche Jahresverdienst in Irland liegt bei 44 000 Euro und der Staat nimmt jährlich über drei Milliarden Euro Körperschaftssteuer ein. Diese Aspekte spielen für die Sicherung des weiteren Wirtschaftswachstums, für Beschäftigung und Vermögensverwaltung eine herausragende Rolle. Darum hoffen wir alle auf ein „Ja“ bei der Volksabstimmung in Irland.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Zu einem Zeitpunkt, da die Arbeitslosigkeit in Portugal einen der höchsten Stände der vergangenen zwanzig Jahre erreicht hat und vor allem Frauen und junge Menschen betrifft, setzt ein weiterer multinationaler Konzern seine Mitarbeiter unter Druck, ihre Arbeitsverträge aufzuheben. Das Unternehmen, von dem die Rede ist, heißt Yasaki Saltano und beabsichtigt, seine Kabelproduktion in Serzedo, Gaia, aufzugeben. Es möchte die Verlagerung seiner Produktion in andere Länder, insbesondere in Länder Asiens und Afrikas, fortsetzen, nachdem es bereits massiv Personal abgebaut hat. Dieser multinationale Konzern beschäftigte mehr als 6 000 Mitarbeiter in seinen Fabriken in Ovar und Serzedo und erhielt dafür mehrere Millionen Euro an Gemeinschaftsbeihilfen. Diese Stellen sind nun aber um mehr als zwei Drittel gekürzt worden.
Wir müssen daher noch einmal betonen, dass effiziente Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese Produktionsverlagerungen zu verhindern und nicht nur ihre Folgen etwas zu lindern, wie das z. B. der derzeitige Globalisierungsfonds für Arbeitnehmer tut, die von Standortwechseln multinationaler Unternehmen betroffen sind, vor allem in der Automobil- und Zulieferindustrie; als Beispiele ließen sich hier Opel Portugal, Johnson Controls und Alcoa Fujikura nennen, die inzwischen geschlossen wurden.
Urszula Krupa (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Auf der letzten Tagung durfte ich nicht sprechen. Daher protestiere ich heute im Europäischen Parlament gegen eine Verletzung der Menschenrechte und einen Angriff auf die Würde des Einzelnen.
Auf einem Flug nach Buenos Aires auf Einladung der polnischen Gemeinschaft in Amerika, wo wir gemeinsam mit dem Direktor eines katholischen Radiosenders – der bei Millionen von Hörern Ansehen genießt – universelle europäische Werte vermitteln und verteidigen wollten, wurden wir von Journalisten des privaten kommerziellen Fernsehnetzes TVN belästigt, die versuchten, uns zu Interviews zu zwingen und die den Geistlichen und mich, ein Mitglied des Europäischen Parlaments, persönlich beleidigten. Diese psychische Gewalt, die unser geistiges und körperliches Wohlbefinden während des vierzehnstündigen Flugs beeinträchtigte, wurde zwar durch das mehrfache Eingreifen der Flugbesatzung der Lufthansa gelindert, setzte sich jedoch nach der Landung fort.
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass es gefährlich ist, entgegen den geltenden Rechtsvorschriften Informationen über Flüge, Sitzplatznummern und Hotelreservierungen an Dritte weiterzugeben, da dies von Terroristen aller Couleur ausgenutzt werden kann.
Peter Baco (NI). – (SK) Meine Damen und Herren! In ihren Reden vor dem Europäischen Parlament greifen unsere ungarischen Kollegen regelmäßig zu Unrecht die Slowakei an. Die letzte Verbalattacke bestand aus Lügen über die Abschaffung der nationalen Rundfunkanstalt in der Slowakei und Sticheleien darüber, wie denn nun die Slowakei mit Ungarn bei der Normalisierung der Schutzmaßnahmen für die Gewässer um die Kleine Schüttinsel auf der Donau zusammenarbeiten solle.
Wir haben uns schließlich bereits über den Wasserhaushalt im gesamten Donaugebiet geeinigt. Die letzte Vereinbarung bestand aus einem Vertrag zwischen Delegationen der ungarischen und der slowakischen Regierung im Jahr 1998 – ich habe die slowakische Delegation angeführt –, und ich erinnere mich sehr gut daran, dass dieser Vertrag auch den ungarischen Anforderungen bezüglich dieser Region Rechnung trug. Die slowakische Regierung hat diesen Vertrag ratifiziert und erkennt ihn an, und nun muss er endlich auch von der ungarischen Regierung ratifiziert und anerkannt werden.
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – (RO) Herr Präsident! Als Berichterstatterin über die regionale Zusammenarbeit in der Schwarzmeerregion möchte ich meine Besorgnis über Bulgariens Zusage vom 18. Januar 2008 ausdrücken, sich am russischen Energievorhaben „Südstrom“ zu beteiligen und dieses zu unterstützen.
Dieses Projekt stellt in zweifacher Hinsicht ein Problem für die Energiesicherheit der Europäischen Union dar. Erstens läuft die Unterstützung eines Mitgliedstaates für dieses Projekt unserem obersten Ziel zuwider, die Energieressourcen der Union zu diversifizieren. Das Vorhaben „Südstrom“ würde die Abhängigkeit der EU von einer einzelnen Quelle nur noch verstärken. Zweitens untergräbt das Projekt „Südstrom“ durch seine bloße Existenz das NABUCCO-Projekt, von dem wir annehmen, dass es für den Erfolg der Energiesicherheitspolitik der EU strategische Bedeutung besitzt.
Erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, dass diese Vereinbarung zwischen Bulgarien und Russland zu einer Zeit getroffen wurde, als das Europäische Parlament mit einer Stimmenmehrheit den Bericht über die Zusammenarbeit in der Schwarzmeerregion annahm.
Cătălin-Ioan Nechifor (PSE). – (RO) Es wäre mir lieber gewesen, meine erste Rede im Rahmen der Ausführungen von einer Minute würde sich nicht mit einem negativen Thema befassen, aber was vergangene Woche an der östlichen Grenze der Europäischen Union geschehen ist, sollte uns allen eine Warnung sein.
Am 21. und 22. Januar blockierten Gruppen ukrainischer Bürger die Autozufahrt zum Grenzübergang zwischen Siret und Porubnoe, d. h. zwischen Rumänien und der Ukraine, weil sie verärgert darüber waren, dass sie für ein Visum zur Einreise in rumänisches Gebiet bezahlen müssen, während rumänische Staatsangehörige für die Einreise in die Ukraine seit dem 1. Januar 2008 kein Visum mehr benötigen.
Als Mitgliedstaat muss Rumänien die europäischen Vorschriften zur Visaerteilung für Nicht-EU-Bürger einhalten und kann unter keinen Umständen die Ukraine bevorzugt behandeln. Ich glaube deshalb, dass das Parlament und die Kommission die Ukraine zu einem einheitlicheren Vorgehen auffordern sollten, um ihr Potenzial als EU-Bewerberstaat zu beweisen…
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen kürzlich von der Umweltschutzagentur veröffentlichten Bericht über die Wasserqualität in Irland lenken. Obgleich wir im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie beträchtliche Summen in die Verbesserung der Abwassersysteme investiert haben, wurden bestimmte Zielsetzungen im Hinblick auf die Wasserqualität noch nicht erreicht.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Problem eingehen, das in Irland lange ignoriert wurde und noch immer nicht zur Kenntnis genommen wird, nämlich die Frage der Investition umfangreicher Ressourcen in die Verbesserung und Sanierung von Fallgruben, insbesondere in ländlichen Gebieten. Nur allzu häufig wird versucht, Klärgruben für eine mögliche Verseuchung des irischen Trinkwassers verantwortlich zu machen. Allerdings muss die irische Regierung – soweit wirklich ein Problem besteht – ein staatlich gestütztes Programm auflegen, um bestehende Faultanks zu untersuchen und gegebenenfalls nachzurüsten.
Doch vielleicht wird absichtlich nicht in den Ausbau von Klärgruben investiert, um ein Druckmittel gegen die ländliche Bevölkerung in der Hand zu haben. Sollte dies der Fall sein, so ist das ein kurzsichtiger Ansatz, der in völligem Widerspruch zur EU-Gesetzgebung steht.
Francesco Enrico Speroni (UEN). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Politiker Neapels haben die Angewohnheit, ihren Müll überall hin nach Europa zu schicken. Heute ist der Müll am Quirinalspalast angekommen, wo der niederträchtige Bolschewik Napolitano einen Schmusekurs anordnete, um die Agonie seiner Spießgesellen zu verlängern, wobei er sich einen Teufel um die Demokratie und den Willen des Volkes nach Neuwahlen für das Parlament schert. Doch von einem Befürworter der sowjetischen Invasion in Ungarn war ja nichts anderes zu erwarten.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL). – (PT) Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um vor dem Plenum die inakzeptable Lage von Kader Şahin zu verurteilen, einer jungen Aktivistin der Kommunistischen Partei der Türkei, die auf Beschluss der türkischen Behörden seit Januar 2007 ohne Begründung für die Anschuldigungen gegen sie oder für ihre vorbeugende Untersuchungshaft festgehalten wird.
Kader Şahin wurde bei einer Pressekonferenz verhaftet, auf der die Unterdrückung türkischer politischer Gefangener im Dezember 2000 verurteilt wurde und die durch die türkische Polizei gewaltsam gestört wurde. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine weitere Anhörung in ihrem Fall für den 5. Februar angesetzt ist, verleihen wir unserer Bestürzung über diese Situation Ausdruck und fordern wir die türkischen Behörden auf, sie unverzüglich freizulassen und die grundlosen Anschuldigungen gegen sie fallen zu lassen.
Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Alexander Litwinenko sagte vor der Mitrochin-Kommission in Italien aus und behauptete mir gegenüber persönlich, Romano Prodi habe KGB-Verbindungen gehabt. Mario Scaramella, ein Mitglied der Mitrochin-Kommission, kam später nach London, um Litwinenko zu warnen, es gäbe Morddrohungen gegen ihn. Kurz darauf wurde Litwinenko umgebracht.
Scaramella kehrte nach Italien zurück, wo er unverzüglich festgenommen wurde. Er sitzt seit 13 Monaten unter weit hergeholten Anschuldigungen, ohne Gerichtsverhandlung und Zugang zur Außenwelt in Haft. Er hat sein Einkommen und sein Haus verloren; er ist von seinen Kindern getrennt und seine Gesundheit ist gefährdet. Mario Scaramella ist ein politischer Gefangener. Seine fortgesetzte Haft ist ein Skandal im Herzen der Europäischen Union. Sein einziges Vergehen war, wenn man dies so bezeichnen kann, Licht in die dunklen Ecken der europäischen Politik zu bringen. Alle Demokraten sollten seine sofortige und bedingungslose Freilassung fordern.
László Tőkés (NI). – (HU) In diesem Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen außerordentlich diskriminierenden Gesetzentwurf der Konservativen Partei Rumäniens lenken, der bei seiner Annahme Mitglieder ethnischer Minderheiten, die die offizielle Amtssprache Rumäniens nicht sprechen, mit dem Verlust ihrer Nationalität bedroht. Dieses Sprachengesetz ist in erster Linie gegen die ungarische Minderheit in ihrem angestammten Heimatland Transsilvanien gerichtet. Bis jetzt hat sich noch keine der im rumänischen Parlament vertretenen Parteien gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen, und auch der Nationale Rat für die Bekämpfung der Diskriminierung hat ihm grünes Licht gegeben. Gleichzeitig bereitet das rumänische Parlament die Annahme eines weiteren diskriminierenden Gesetzes, des Schulgesetzes, vor. Wir werden uns in Kürze zu diesen Fragen an Leonard Orban, den für Mehrsprachigkeit zuständigen rumänischen Kommissar wenden, denn nach unserer Überzeugung muss Rumänien in seinen Sprachengesetzen der demokratischen Praxis des Europäischen Parlaments folgen.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte auf ein Problem in Verbindung mit dem Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern aufmerksam machen. Vier Jahrzehnte nach dessen Verabschiedung 1967 ist es veraltet und bedarf der Revision.
Im Jahr 2002 beschloss der Europarat die Novelle. 2004 einigte man sich auf Vorschläge. Rechtsexperten verständigten sich 2007 über den Text des neuen Übereinkommens. Allerdings scheint sich ein Land zu sperren und blockiert damit die Vorlage vor dem Ministerausschuss.
Meiner Ansicht nach sollte das Parlament dem Europarat unmissverständlich mitteilen, dass die Sache schnellstmöglich der Novellierung bedarf und ein neues Übereinkommen erlassen werden sollte, um der aktuellen Realität in einzelnen Ländern sowie den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Rechnung zu tragen. Ich fordere hiermit ein klares Signal an den Europarat.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Kosten für Visa von Nicht-EU-Bürgern sind nach der Erweiterung des Schengen-Raums gestiegen. Bürger von Belarus beispielsweise müssen nun zwölf Mal so viel für ein Visum zahlen, d. h., 60 statt 5 Euro. So viel verdient ein junger Arzt in Belarus. 60 Euro sind ein Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes. Viele Bürger von Belarus hält dieses Hindernis davon ab, Visa zu erwerben und ihre Nachbarn in der EU zu besuchen.
Die Union verhindert den unmittelbaren Kontakt zwischen Bürgern zu einer Zeit, in der sie eine Politik der guten Nachbarschaft im Vertrag von Lissabon festschreibt. Die Erhöhung der Preise für Visa ist damit ein trauriges Paradoxon. Es ist auch ein hervorragendes Geschenk an Präsident Lukaschenko, der ja sagt, Belarussen hätten nichts von Europa zu erwarten.
Meine Damen und Herren, dies muss geändert werden. Ich rufe dazu auf, alle Vorkehrungen zu treffen, um die Preise der Visa für Bürger aus Belarus zu senken.
Toomas Savi (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Gestern veröffentlichte die staatlich finanzierte russische Jugendorganisation Naschi eine Liste estischer Bürgerinnen und Bürger, die zu personae non gratae in Russland erklärt werden sollen. Darunter befindet sich neben dem Präsidenten der Republik Estland, Toomas-Hendrik Ilves, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments, auch mein Freund und Kollege Tunne Kelam, der Mitglied der Delegation im Parlamentarischen Kooperationsausschuss EU-Russland ist.
Naschi unterstützt das undemokratische Regime von Präsident Putin und beschreibt Tunne Kelam als konsequenten Russenfeind, der bekannt sei für seine Nervosität und seinen ungesunden hausgemachten Nationalismus.
Alle, die wir Tunne Kelam gut kennen, wissen genau, dass diese herzlosen Worte glatte Lügen sind. Meiner Meinung nach sollte das Europäische Parlament auf diese Beleidigung reagieren. Andererseits ist es allerdings ein großes Kompliment an Tunne Kelam, aufgrund seiner Bemühungen als Feind der Feinde der Demokratie in Russland zu gelten.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Einer der wichtigsten Grundsätze der ganzen Europäischen Union ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Viele Dokumente enthalten Verweise auf die Notwendigkeit eines besonderen Schutzes der Rechte behinderter Menschen. Die soziale Rolle des Sports, einschließlich seiner Rolle bei der sozialen Eingliederung, wird ebenfalls geschätzt. Einige EU-Staaten verabschieden derzeit Rechtsvorschriften über Sozialleistungen für Sportler und ehemalige Sportler, vor allem frühere Teilnehmer an Olympischen Spielen, die in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben. So weit, so gut. Es ist aber schwer zu akzeptieren, dass behinderte Sportler in diesem Zusammenhang übersehen werden sollen.
Desislav Chukolov (NI). – (BG) Seit 20 Jahren sollte Bulgarien nun schon ein Rechtsstaat sein, aber das ist nicht der Fall. Die Neokommunisten in unserem Land machen vor nichts Halt. Georgi Pirinski, der Präsident des bulgarischen Parlaments, schränkt die Redefreiheit ein, indem er Journalisten Verbote auferlegt und sie damit an der Ausübung ihrer Arbeit hindert. Zugleich stellt sich heraus, dass Herr Pirinski amerikanischer Staatsbürger und nach bulgarischem Recht somit kein bulgarischer Bürger ist. Andererseits hat einer der berüchtigtsten Drogenhändler in Europa, Budimir Kujovic, die bulgarische Staatsbürgerschaft, weil ihm die höchsten Beamten im Innenministerium einen Pass ausgestellt haben, damit er frei in der EU reisen und seinen Geschäften nachgehen kann. Die Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen an. Keiner ist es gewesen, aber der Pass ist eine Tatsache.
Zur gleichen Zeit wird die Oppositionspartei mit der kritischsten Stimme in unserem Land, Ataka, tagtäglich von den Machthabern angegriffen. Die Frau unseres Parteivorsitzenden, Kapka Siderowa, erlitt eine Fehlgeburt, weil die Schikanen ihr gegenüber so weit gingen, dass man in einem inszenierten politischen Prozess Anklage gegen sie erhob. Abschließend möchte ich Herrn Pöttering empfehlen, etwas zu unternehmen, statt gleichgültig dazusitzen und die Neokommunisten in Bulgarien zu unterstützen.
Jaroslav Zvěřina (PPE-DE). – (CS) Schon im Jahr 2000 äußerte der Europäische Rat den Wunsch, die Europäische Union innerhalb von zehn Jahren in den dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Teil der Welt zu verwandeln. Seither wurde wiederholt geäußert, bislang habe sich noch kein nennenswerter Erfolg eingestellt.
Bei der Patentgesetzgebung wurden keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Unserem gesamten Innovationsumfeld fehlt es an Dynamik.
Die modifizierte Lissabon-Strategie enthält kaum Neues. Vielleicht sind die darin festgelegten Zielsetzungen bescheidener. Das ist ein weiterer Grund, warum wir Ziele setzen sollten, die einfacher zu erreichen sind. Nach meinem Dafürhalten gehört dazu auch die Vereinfachung der Gesetzgebung und die Abschaffung unnötiger Rechtsvorschriften in allen Bereichen, soweit dies möglich ist.
Eine Beschneidung der umfangreichen EU-Gesetzgebung stellt eine viel versprechende Methode dar. Die Einführung des Grundsatzes der Diskontinuität in Bezug auf die Arbeitsweise des Europäischen Parlaments wäre in dieser Hinsicht sicher nützlich. Es wäre begrüßenswert, wenn nicht vorgelegte Gesetzesvorschläge nach Ablauf der Legislaturperiode ad acta gelegt werden könnten.
Pierre Pribetich (PSE). – (FR) Herr Präsident! Letzte Woche ist ein Legislativpaket zum Klimawandel und zur Energie vorgelegt worden. Wir können den Geist der Kommissionsvorschläge nur begrüßen. Von diesen Problematiken sind zahlreiche Bereiche betroffen, vor allem die Wohnbauten und insbesondere die Sozialwohnungen. Wir sind uns wohl bewusst, dass ein beträchtlicher Teil des Sozialwohnungsbestandes auf dem Unionsgebiet von diesen notwendigen Veränderungen betroffen ist. Die Kosten insbesondere für Heizung stellen für den Mieter einen großen Ausgabenposten dar, der reguliert und, dringender noch, verringert werden muss. Die Modernisierung der Sozialwohnungen ist Teil unserer Politik der nachhaltigen Entwicklung und erfordert eine angemessene Finanzierung, um diesen neuen Erfordernissen nachzukommen. Bis jetzt hat die Kommission die Finanzierung auf die neuen Mitgliedstaaten konzentriert, die somit eine bedeutende Unterstützung erhalten. Dies trifft nicht auf die alten Mitgliedstaaten zu. Doch die nationalen Wohnungspolitiken erfordern eine umfassende finanzielle Unterstützung, um den Wandel der Sozialwohnungen zu beschleunigen. Damit die beschriebenen Politiken glaubhaft werden, müssen jedoch den Worten Taten folgen. Die Kommission muss alle Konsequenzen ziehen und die Weiterentwicklung der Sozialwohnungen auf dem gesamten Unionsgebiet finanzieren.
Hans-Peter Martin (NI). – Herr Präsident! Hiermit möchte ich auch an dieser Stelle festhalten, was heute Nachmittag im Plenum geschehen ist. Unter dem Vorsitz des Präsidenten Pöttering hat der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, Martin Schulz, von der ersten Reihe aus ganz laut und so deutlich zu mir gerufen, dass man es auch hier hinten verstehen konnte: „Halt die Klappe, du Blödmann“. Das ist ein wirklich inakzeptables Verhalten, das ist beleidigend und außerdem auch ehrabschneidend. Ich erwarte, dass entsprechende Schritte unternommen werden, zumal gegenüber einem Mann, der die Position anstrebt, die Herr Pöttering derzeit innehat. So kann es in einem Parlament nicht gehen. Erst recht nicht, wenn gleichzeitig willkürlich einige Abgeordnete herausgegriffen werden, weil sie den Mut hatten, ein Referendum zu fordern, und ihnen dann absurde Sanktionen angedroht werden.
Petya Stavreva (PPE-DE). – (BG) Das zweite Jahr der Mitgliedschaft Bulgariens in der Europäischen Union kann bald für viele bulgarische Milchbauern zu einem Schicksalsjahr werden. Hohe Futtermittelpreise, niedrige Einkaufspreise für Milch ab Hof und fehlende Mittel für die Fütterung der Tiere in den Wintermonaten sowie der Mangel an einer zielgerichteten Regierungspolitik für die Viehzucht sind Faktoren, die zu einer Liquidierung des Tierbestands und zum Bankrott vieler bulgarischer Landwirte führen könnten. Wenn die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ein Aspekt von herausragender Bedeutung für die EU ist, sollten wir heute auch die gegenwärtigen Bedingungen im Agrarsektor in den neuen Mitgliedstaaten berücksichtigen. Wir können unsere Augen nicht vor den Schwierigkeiten verschließen, vor denen die Bauern in den neuen Beitrittsstaaten stehen. Sie resultieren aus den Anpassungen zur Einhaltung europäischer Normen. So wie ihre europäischen Kollegen erwarten Bulgariens Landwirte kluge Entscheidungen für die Zukunft der Landwirtschaft in der Gemeinschaft.
Marianne Mikko (PSE). – (ET) Meine Damen und Herren! Die Schikanierung des Leiters des St. Petersburger Büros des British Council, Stephen Kinnock, und seiner Kollegen, bei der diese sogar durch die russischen Behörden verhört wurden, erfordert unsere volle Aufmerksamkeit. Die Anschuldigungen gegenüber dem British Council sind ein Glied in der Kette, zu der auch die Online-Attacken gegen Estland, die Blockade polnischer Lebensmittel und der radioaktive Anschlag in London gehören. In jedem dieser Fälle gab sich der Kreml unschuldig und behauptete, es handele sich um einen Einzelfall.
Meine Damen und Herren! Eine solch hohe Anzahl an Einzelfällen weist auf ein System hin. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte am vergangenen Donnerstag ausdrücklich, die Reform von Europas Sicherheitsarchitektur sei ein vorrangiges Thema der russischen Außenpolitik im Jahr 2008. Russland möchte die Europäische Union reformieren, indem es unsere Außenpolitik lahmlegt und uns in Bezug auf unsere Energieversorgung in den Schraubstock zwischen Nordstrom und Südstrom zwängt.
Da wir nicht das wehrlose Ziel einer starken russischen Außenpolitik werden wollen, müssen wir Stärke und Solidarität zeigen. Wir, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, müssen die Schikanierung des British Council verurteilen.
Marian Zlotea (PPE-DE). – (RO) Der freie Warenverkehr ist einer der Eckpfeiler der Europäischen Union. Ich würde die Aufmerksamkeit des Parlaments gerne auf die Sachlage dieses elementaren Grundsatzes in Rumänien lenken. Beim Beitritt beschloss die Regierung, eine Erstzulassungsgebühr für Kraftfahrzeuge zu erheben. Dann kündigte die Regierung ihre Absicht an, diese Gebühr, die aus Sicht der Kommission im Widerspruch zum gemeinschaftlichen Besitzstand steht, auszusetzen, um eine Fortsetzung der gegen Rumänien eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren zu verhindern. Die rumänischen Behörden weigern sich jedoch, die Bürger für die bereits bezahlten Gebühren zu entschädigen, obwohl diese Verpflichtung in der Rechtsprechung des EuGH verankert ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gedanke einer Europabürgerschaft und gleicher Rechte für alle europäischen Bürger wird erst dann vollständig verwirklicht sein, wenn alle Mitgliedstaaten die im Vertrag festgelegten Rechte umsetzen und einhalten. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich an einer schriftlichen Erklärung arbeite und Sie bitten würde, diese zu unterschreiben, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Die Lissabon-Strategie bringt die feste Absicht der EU zum Ausdruck, zum wettbewerbfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum zu werden. Zu den Zielen der Lissabon-Strategie gehören erhöhte Investitionen in die Forschung, die Entwicklung der Informationsgesellschaft und die Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze.
Leider haben erbärmlich wenige Mitgliedstaaten 3 % ihres BIP in die Forschung investiert. Zwei Drittel dieser Mittel sollten aus der Privatwirtschaft kommen. Wenn wir heute über den Abbau des Klimawandels, über nachhaltige Energieträger, umweltfreundlichere Fahrzeuge, erhöhte Energieeffizienz verschiedener Industrien, den Wechsel zu digitalen Technologien usw. reden, dann sollten Investitionen in die Forschung eines unserer vorrangigen Themen sein. Bedauerlicherweise ist die Verbindung zwischen der Grundlagenforschung und der Nutzung ihrer Ergebnisse auf Seiten der Industrie trotz Bereitstellung nationaler oder gemeinschaftlicher Gelder noch immer sehr schwach.
Ich fordere die Europäische Kommission auf, eine Strategie und einen Aktionsplan zu erarbeiten, die es ermöglichen, dass die Forschungsergebnisse allen europäischen Bürgern Nutzen bringen. Ich bin überzeugt, dass der Ausbau der angewandten Forschung zur Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze und zur Entwicklung eines wissensbasierten Wirtschaftsraums führen wird.
Oldřich Vlasák (PPE-DE). – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir über ein Thema zu sprechen, das im Hinblick auf die Wahrung der Vielfalt regionaler Erzeugnisse und den Schutz traditioneller Produkte von großer Bedeutung ist, nämlich das tschechische Bier.
Die Bezeichnung „české pivo“ wurde im Amtsblatt der Europäischen Union Mitte Januar dieses Jahres zusammen mit einem Vorschlag zur Eintragung als geschützte geografische Angabe veröffentlicht.
„České pivo“ ist nicht nur einzigartig, wenn man seinen Verbrauchern vertrauen darf, sondern auch laut Angaben von Brauereifachleuten und Kommissionsbeamten. Aufgrund der Art, wie sich die tschechische Brauereiindustrie in der Vergangenheit entwickelt hat, haben die verwendeten Malz- und Hopfenarten sowie die eingesetzten Brauverfahren dem tschechischen Bier einen Geschmack verliehen, der es von anderen europäischen Bieren wie Heineken oder Stella Artois unterscheidet.
Die Tschechische Republik hat mehr als drei Jahre auf die Anmeldung gedrängt. Lange und aufreibende Verhandlungen gipfelten in der Veröffentlichung im Amtsblatt.
Ich möchte den Beamten der Europäischen Kommission sowie den tschechischen Fachleuten für ihr verantwortungsbewusstes Vorgehen in dieser Frage danken. Meines Erachtens wird nichts „České pivo“ nun darin hindern, Teil des kulturellen Erbes Europas zu werden.
Catherine Stihler (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte gern etwas zum Thema „Chronisch obstruktive Lungenerkrankung“ (COPD) sagen – eine Krankheit, die im Jahr 2020 die dritthäufigste Todesursache weltweit sein wird. An einer COPD starben im Jahr 2000 2,7 Millionen Menschen. Etwa drei Viertel aller COPD-Patienten haben Schwierigkeiten bei der Bewältigung einfacher Aufgaben wie Treppensteigen. COPD ist ein Sammelbegriff für viele verschiedene gesundheitliche Probleme, wobei das Rauchen nicht als einziger Risikofaktor gilt. Auch passives Rauchen und Umweltverschmutzung werden mit COPD in Verbindung gebracht. Mit der fortschreitenden Vergreisung der Bevölkerung wird COPD zu einem zunehmenden Problem. Ich fordere daher die Kolleginnen und Kollegen auf, die Schriftliche Erklärung 0102/2007 zu unterzeichnen.
Csaba Sógor (PPE-DE). – (HU) Herr Präsident! Ich spreche hier in meiner Muttersprache, Ungarisch, was ich zuhause nicht kann, und bin erfreut, dass das hier möglich ist. Was die Frage der Roma angeht, ist es unser aller Pflicht, die kürzlich zwischen ethnischen Gruppen aufgeflammten Spannungen abzubauen und der weit verbreiteten romafeindlichen Stimmung ein Ende zu bereiten. Wir brauchen eine rasche Lösung für das Problem der Wirtschaftsmigration.
Die Europäische Strategie zur Roma-Problematik bildet indes eine gute Grundlage für die Erarbeitung einer Strategie für neue und traditionelle nationale Minderheiten in der EU. Kosovo hat uns erneut daran erinnert, dass die Menschen- und Minderheitenrechte zu einer internationalen, einer europäischen Frage geworden sind. Wir sind verantwortlich dafür, was innerhalb und außerhalb der EU geschieht. Gegenwärtig wird in einem unserer Mitgliedstaaten nicht Gemeinschaftsrecht, sondern Gemeinschaftsunrecht geschaffen. Das in Rumänien vorgesehene Sprachengesetz würde Hunderttausende Menschen ihrer Nationalität berauben. Wir schneiden diese Frage an, da wir alle für unsere Länder, für unsere Nachbarn und für ganz Europa Verantwortung tragen. Diese Verantwortung gilt nicht nur in Wahlzeiten, sondern auch in unserer täglichen Arbeit und bei der erfolgreichen Suche nach einer Lösung für die Roma-Problematik. Vielen Dank.
Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). – (SK) Die Lage im slowakischen Parlament ist angespannt und ungewöhnlich. Es gilt, einen Beschluss zum Vertrag von Lissabon zu fassen, doch die Abgeordneten der Opposition beabsichtigen, aus Protest gegen ein undemokratisches Pressegesetz nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Das sind überraschende Neuigkeiten, aber was steckt dahinter?
Die Regierung von Robert Fico fährt fort, Maßnahmen zu verabschieden, die den elementaren Grundsätzen von Demokratie und Rechtsstaat widersprechen. Der Premierminister ignoriert die Opposition und – wie er selbst schon bei mehr als einer Gelegenheit zugegeben hat – sieht die größte Opposition in den Medien. Das Pressegesetz ist restriktiv, und die Art und Weise, mit der darin die Rede- und Pressefreiheit beschnitten wird, ist inakzeptabel. Dies hat nicht nur der slowakische Journalistenverband deutlich gemacht, sondern auch die OSZE. Letztere forderte das Parlament sogar energisch auf, den umstrittenen Vorschlag abzulehnen.
Im Namen der großen Mehrheit der Oppositionsmitglieder kann ich sagen, dass wir den Vertrag von Lissabon unterstützen und wir es bedauern, dass die Mittel der slowakischen Opposition, gegen ein derart schändliches Pressegesetz zu protestieren, begrenzt sind.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Das Europäische Parlament erkannte den Kampf für Menschenrechte in Kuba an, indem es den Sacharow Preis 2002 an den kubanischen Regimekritiker Oswaldo Payá Sardiñas und 2005 an die „Damen in Weiß“ vergab. Bei der Solidarität, meine Damen und Herren, geht es jedoch um weit mehr.
Das Volk Kubas, das von Freiheit nur träumen kann, während ihm Unterdrückung und Gefangenschaft droht, braucht mehr als Solidarität. Die „Damas de Blanco“ benötigen heute die konkrete Hilfe des Europäischen Parlaments zur Freilassung ihrer Männer – Gegner des diktatorischen Regimes, deren Gesundheitszustand sich aufgrund der unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis verschlechtert hat und denen ein Tod in der Haft droht.
Herr Präsident! Ich ersuche Sie um Ihre Unterstützung, um die Entlassung des 45-jährigen Antonio Ramón Díaz Sánchez zu bewirken, der 2003 zu 27 Jahren Haft verurteilt wurde. Antonio, dessen Familie wir seit längerem unterstützen und den ich, gemeinsam mit meinen Kollegen Peter Šťastný und Milan Gaľa, symbolisch adoptiert habe, ist schwer krank und benötigt dringend Hilfe – ohne sie wird er im Gefängnis seiner Krankheit erliegen.
Péter Olajos (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! In der vergangenen Woche hat Kommissionspräsident Barroso hier in diesem Hause den Fahrplan der Kommission zum Erreichen der ehrgeizigen europäischen Ziele für die Reduzierung der CO2-Emissionen vorgestellt. Am darauf folgenden Tag hat der Verwaltungsrat von Trebišov in der Slowakei einstimmig den Plan zum Bau eines Kraftwerks abgelehnt, das CO2-Emissionen in Höhe von 4 Millionen Tonnen jährlich verursacht hätte, und gegen das es seit anderthalb Jahren auf beiden Seiten der Grenze umfassende Proteste mit Petitionen und Geldbußen gegeben hatte. Jetzt könnten wir ausrufen „Hurra! Lang leben Demokratie, Subsidiarität und Zivilcourage!“. Es geht dabei aber auch noch um eine andere Frage. Wie kann es überhaupt so weit kommen, dass das slowakische Umweltministerium den Bau eines solchen Kraftwerks unterstützt und empfiehlt? Ich kann es mir nur so erklären, dass einige Länder noch immer eine ganze Menge kostenloser CO2-Quoten von der Kommission erhalten. Daher fordere ich die Kommission auf, die Grundlagen für die Zuteilung von CO2-Quoten an die Slowakei zu überprüfen, denn, wenn die slowakische Regierung sich im Jahr 2008 den Kopf über ein gigantisches Kohlekraftwerk mit veralteter Technik zerbrechen kann, funktioniert das Anreizsystem der Union nicht. Vielen Dank.
Milan Gaľa (PPE-DE). – (SK) In ihrem am 17. Januar 2008 veröffentlichten Bericht gibt die Gruppe Europäischer Regulierungsstellen an, dass seit der Annahme der Richtlinie über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft durch das Europäische Parlament und den Rat die Roaminggebühren gesunken sind und die Mobilfunkbetreiber nicht versucht haben, ihre Verluste durch Anhebung der Gebühren für andere Verbindungen auszugleichen.
Es wurde ferner festgestellt, dass im Falle von Roaminggesprächen die europäischen Mobilfunknetzbetreiber aufgrund unterschiedlicher Gesprächstarife bis zu 20 % zu viel berechnen – Roaminggespräche werden nach Minuten abgerechnet. Ich begrüße die Anstrengungen von Kommissarin Reding, die mitgeteilt hat, die Kommission werde sich diesbezüglich um eine Lösung bemühen.
Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass die Mobilfunkbetreiber den Verbrauchern auch bei Roaming nach Sekunden abgerechnete Gespräche anbieten, wie sie es auf nationaler Ebene ja auch tun. Ich halte es zudem für empfehlenswert, in dem Papier, das gerade erarbeitet wird, auch die Kosten für SMS und das Roaming für Datendienste anzusprechen.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Auf der Grundlage einer klugen Entscheidung der Kommission, der zufolge nur brasilianisches Rindfleisch von anerkannten Betrieben importiert werden darf, sollte zum 1. Februar eine Positivliste mit etwa 300 Höfen auf der Basis früherer Inspektionen durch das Lebensmittel- und Veterinäramt vorliegen.
Die Verwirrung ist nach der heutigen Erklärung von Kommissar Kyprianou groß, der zufolge ab Freitag ein Verbot gelten soll, da die brasilianischen Behörden eine Liste mit 2 600 landwirtschaftlichen Betrieben vorgelegt haben, was große Zweifel aufkommen ließ. Daher benötigt man mehr Zeit für eine entsprechende Überprüfung. Der Herr Kommissar fügte jedoch hinzu, es gäbe gegenwärtig keine Positivliste, aber das könne sich in den nächsten Tagen ändern.
Wird es also eine Sperre geben oder nicht? Bilden die circa 300 vom Lebensmittel- und Veterinäramt inspizierten Betriebe also eine De-facto-Positivliste, solange die Inspektion anderer Unternehmen aussteht? Warum wurde heute keine Pressemitteilung von einer Quelle aus dem Umfeld von Kommissar Kyprianou veröffentlicht? Unsere Verbraucher und Landwirte verdienen eine Klarstellung.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Darf ich die Aufmerksamkeit des Hauses auf einen äußerst bedeutsamen Bericht über das Leben von über einer Million in Anstalten untergebrachten Europäerinnen und Europäern lenken, der gestern von der Kommission veröffentlicht wurde? Dabei handelt es sich um Menschen mit Behinderungen. Die Schlussfolgerungen lesen sich nicht sehr angenehm. Die Lebensqualität in den Anstalten variiert beträchtlich, wobei die Würde der dort lebenden Menschen nicht immer garantiert ist.
Institutionelle Pflege wird oft in nicht hinnehmbar schlechter Qualität angeboten. Darf ich die Abgeordneten bitten, ihren jeweiligen Länderbericht zu lesen, denn das rüttelt uns vielleicht alle wach? Über die Situation in Bulgarien wurde meines Wissens kürzlich in den Medien berichtet. Vielen von uns bereitet dies Sorge, aber selbst in meinem Heimatland könnten wir in diesem Bereich noch einiges verbessern.
Dabei geht es nicht nur um Geld. Leistungen auf Gemeindebene sind nicht teurer als die Pflege in einer Anstalt, wenn man den Bedürfnissen der Bewohner und ihrer Lebensqualität Beachtung schenkt.
Abschließend möchte ich das Delta Centre erwähnen, das ich in der vergangenen Woche in Carlow (Irland) besucht habe. Es ist ein Vorzeigemodell bewährter Verfahren für erwachsene Menschen mit Behinderungen, die in der Gemeinde leben und das Zentrum besuchen können.
Mihaela Popa (PPE-DE). – (RO) Herr Präsident! Die Roma-Frage betrifft nicht nur Rumänien, sondern die gesamte Europäische Union. Die Union hat erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die Förderung der Chancengleichheit zu sichern. Die Mittel waren für die Beseitigung der Diskriminierung der Roma vorgesehen; es gibt aber noch immer Probleme. Ich meine, dass die Verwendung dieser europäischen Mittel überwacht werden sollte, vor allem müsste die Nachhaltigkeit EU-finanzierter Projekte überwacht werden.
Denkweisen lassen sich nur bedingt ändern. Allerdings spielt die Bildung eine wichtige Rolle beim Wandel von Gesinnungen. Ich bin daher der Auffassung, dass zusätzliche Mittel für interkulturelle Bildung, kulturelle und künstlerische Aktivitäten, Sportveranstaltungen, Abschlüsse auf dem zweiten Bildungsweg, Gesundheitserziehung usw. benötigt werden, die zur Integration der Roma in allen europäischen Gesellschaften führen würden. Ich möchte wiederholen, dass eine Überwachung dieser Programme, insbesondere ihrer Nachhaltigkeit, vonnöten ist.
Der Präsident. – Damit sind die Ausführungen von einer Minute beendet, die heute etwas länger als gewöhnlich gedauert haben. Ich glaube, das waren die längsten Ausführungen von einer Minute in der Geschichte des Parlaments. Irgendwann musste dies ja einmal passieren.
22. Aktionsplan für Energieeffizienz (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Fiona Hall im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie zum Aktionsplan für Energieeffizienz: Das Potenzial ausschöpfen (2007/2106(INI)) (A6-0003/2008).
Fiona Hall, Berichterstatterin – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst den Schattenberichterstattern für ihre gute Zusammenarbeit bei der Erstellung dieses Berichtes danken.
Energieeffizienz hat grundlegende Bedeutung für die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen, die Erhöhung der Versorgungssicherheit und die Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz. Im Oktober 2006 legte die Kommission einen Aktionsplan für Energieeffizienz vor, der eine Verbesserung der Energieeffizienz um 20 % bis 2020 vorsieht und 10 vorrangige Handlungsfelder beschreibt. Die aufgezeigte Spanne reichte von Geräten über Gebäude bis hin zum Verkehr und beinhaltete finanzielle Anreize, Energieeffizienzbewusstsein und vieles mehr. Der Aktionsplan der Kommission wurde im März des vergangenen Jahres von den EU-Staats- und Regierungsoberhäuptern befürwortet. Zudem machte das Thema „Energieeffizienz“ Schlagzeilen, als Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete, ineffiziente Glühbirnen sollten verboten werden.
Jetzt ist es die Aufgabe des Parlamentes, den Aktionsplan zu beurteilen. Ich hoffe, unser Bericht wird ein überzeugendes Signal aussenden und aufzeigen, welche Vorstellungen und Erwartungen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Bereich Energieeffizienz hegen. Zum Ersten verdeutlicht der Bericht, dass einige Vorschläge der Kommission nicht weit genug reichen. Dazu möchte ich drei Beispiele nennen. Nehmen wir erstens den Vorschlag zur Revision der Richtlinie über das Energieprofil von Gebäuden: Die Kommission schlägt die Festlegung von Mindestanforderungen für das Energieprofil von Gebäuden und Gebäudeteilen vor, was begrüßenswert ist. Gebäude sind der Schlüssel zur Senkung der Energienachfrage. Über 40 % der genutzten Energie wird in Gebäuden verbraucht, wobei 75 % der jetzigen Gebäude auch 2050 noch stehen werden, weshalb wir die Energieeffizienz sowohl in existierenden als auch in noch zu erbauenden Gebäuden verbessern müssen. Allerdings sollten wir in der Richtlinie über das Energieprofil von Gebäuden nicht nur den 1 000 m2-Grenzwert senken, sondern ihn ganz abschaffen und die Richtlinie auf alle Gebäude gleich welcher Größe anwenden, die beheizt und gekühlt werden müssen. Außerdem müssen wir den Termin zur Einführung einer Passivhaus-Norm für Wohn- und Geschäftshäuser europaweit vorziehen. Es reicht nicht, dies nur als mittelfristiges Ziel zu formulieren.
Zweitens einige Worte zu Geräten: In seinem Bericht begrüßt das Parlament den Vorschlag, Mindestanforderungen an das Energieprofil in Verbindung mit einem dynamischen System der Energiekennzeichnung einzuführen, um mit der Technologieentwicklung Schritt zu halten. Der Bericht appelliert jedoch an die Kommission, eine Vorschrift zu erarbeiten, nach der Geräte im Bereitschaftsmodus nur ein Watt Strom verbrauchen dürfen. Des Weiteren sollten potenzielle Energieeinsparungen durch die Abschaffung des Bereitschaftsmodus untersucht werden. Der Bericht fordert die Kommission außerdem dringend zur Festlegung eines Zeitplans auf, um einige der energieineffizientesten Geräte wie zum Beispiel Terrassenheizstrahler vom Markt zu nehmen.
Drittens fordert der Bericht mehr Unterstützung für Kleinunternehmen, die insbesondere von steigenden Kraftstoffpreisen betroffen sind und daher großen Bedarf an Energieeffizienz haben. Bedauerlicherweise sind sowohl die Finanzierungspläne der EU als auch der Mitgliedstaaten in der Regel sehr kompliziert. Für große Firmen ist es leichter als für Kleinstunternehmen mit nur einer Handvoll Mitarbeitern, die entsprechenden Kapazitäten aufzubringen, um an solch komplexen Programmen teilzunehmen. Kleinunternehmen müssen daher wie Privathaushalte behandelt werden, denen man einfache Lösungen sowie Vorfinanzierungen anbieten muss.
Die erste Botschaft des Berichtes lautet demzufolge: Wir müssen noch ein paar Schritte weiter gehen. Die zweite wichtige Aussage besteht darin, dass es weder der Kommission noch den einzelstaatlichen Regierungen gelungen ist, die bereits existierende Gesetzgebung zur Energieeffizienz umzusetzen. Der Aktionsplan der Kommission, demgemäß 20 % Energie bis 2020 eingespart werden sollen, ist kein Einzelwerk. Er stützt sich in großem Maße auf die existierende Gesetzgebung, deren Umsetzung allerdings blamabel ist. Die Gebäuderichtlinie wurde nur von wenigen Mitgliedstaaten angemessen umgesetzt. Sechs Monate nach dem Abgabetermin am 30. Juni hatte ein Drittel der Mitgliedstaaten ihre nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne noch nicht vorgelegt. Die Kommission hat nicht die gesamte Zahl von 20 zusätzlichen Mitarbeitern eingestellt, die man nach ursprünglichen Angaben gebraucht hätte, um die Verpflichtungen im Bereich der Energieeffizienz zu erfüllen. Deswegen konnte der Zeitplan des Aktionsplans nicht eingehalten werden.
Nichtsdestotrotz möchte ich der Kommission für ihre überaus positiven und konstruktiven Reaktionen auf die im Bericht geäußerten Kritikpunkte danken. Insbesondere möchte ich in diesem Zusammenhang auf den Briefwechsel zwischen Kommissar Piebalgs und Frau Niebler hinweisen, durch den das Parlament in dieser Problematik auf den neusten Stand gebracht wurde.
Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich herzlichst bei Frau Fiona Hall für ihren sehr bedeutsamen Bericht danken, der zur rechten Zeit erschienen ist.
Wir konzentrieren unsere Anstrengungen definitiv nicht nur auf die Umsetzung der aktuellen Gesetzgebung, sondern auch auf die Erfüllung der Energieeffizienz-Aktionspläne. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass wir auch in dieser Hinsicht nachhaltige Erfolge erzielt haben. In dieser Woche haben wir den Startschuss für den Bürgermeisterkonvent gegeben, an dem mehr als 100 Städte teilnehmen. Im Kollegium der Kommissionsmitglieder haben wir nun eine Richtlinie über erneuerbare Energien verabschiedet, die die Energieeffizienz indirekt stärkt. Wir haben einen Vorschlag zur CO2-Reduzierung im Nicht-EHS-Sektor sowie zu Schadstoffemissionen bei Kraftfahrzeugen angenommen. Ich könnte noch weitere wichtige Maßnahmen nennen, bei denen die Kommission Erfolge erzielt hat. Wir haben nicht nur in Fragen der Gesetzgebung Ergebnisse erreicht. Auch die Europäische Woche für nachhaltige Energie führt deutlich vor Augen, wie die Strategien der Kommission zur Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien fruchten.
Nach meinem Dafürhalten sollten wir die Umsetzung weiter voranbringen. Die Kommission hat 59 Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht rechtzeitiger Umsetzung in Gang gebracht. Gegenwärtig werden 42 dieser Fälle bearbeitet. Die Kommission wird weiter daran arbeiten und sämtliche Gesetze bezüglich der Einhaltung überprüfen. Die Europäische Kommission legt darauf großes Augenmerk. Ich bin der Überzeugung, die aktuellen Gesetzesvorschläge zu Emissionshandel, Nicht-EHS-Sektor und erneuerbaren Energien werden die Mitgliedstaaten animieren, der Energieeffizienz mehr Bedeutung zuzumessen.
Der Start der Energieeffizienz-Aktionspläne war eher verhalten. In einem Schreiben erinnerte ich die Minister an ihre Rechenschaftspflicht und ihre Aufgabe, qualitative Pläne aufzustellen. Bislang sind 21 von 27 Mitgliedstaaten dieser Aufforderung nachgekommen. Wir haben begonnen, die Energieeffizienz-Aktionspläne vorab zu analysieren, die Teil des Pakets sind und manchmal etwas von den legislativen Bestrebungen überschattet werden. Meiner Ansicht nach ist die Fortsetzung dieser Bemühungen gerechtfertigt.
Zu den Themen, auf die Frau Hall eingegangen ist, möchte ich Folgendes äußern: Eine Überarbeitung der Richtlinie zum Energieprofil von Gebäuden ist Teil des diesjährigen Arbeitsplanes. Gegenwärtig befinden wir uns in der Schlussphase hinsichtlich der Festlegung von Energieprofilen für Geräte. Wir werden außerdem die Kennzeichnungsrichtlinie ändern. Tatsächlich versuchen wir, allen Forderungen des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission nachzukommen.
Meines Erachtens bietet die Richtlinie sehr solide Ansatzpunkte für die Kommission, da sie sehr konkret ist. So sieht es in manchen Fällen besser, in anderen schlechter aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir aufmerksam vorgehen, aber hier besteht noch Verbesserungspotenzial. Wir werden definitiv Ergebnisse vorlegen. Der vorliegende Bericht wird nicht in der Schublade verschwinden, sondern als Arbeitsdokument fungieren. Ich werde das Parlament kontinuierlich über unsere Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz auf dem Laufenden halten.
Evangelia Tzampazi (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht ist vollständig und kohärent. In der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit haben wir die wichtigen Punkte unterstrichen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Steigerung der Energieeffizienz der schnellste, nachhaltigste und wirtschaftlichste Weg zur Senkung von Treibhausgasemissionen sowie zur effizienteren Energienutzung ist. Wir sollten Forschung und Ökoinnovation durch die Entwicklung energieeffizienter Technologien fördern, ohne dabei jedoch zu vergessen, dass auch wir als Verbraucher unser Verhalten ändern müssen. Wir haben hervorgehoben, welchen Beitrag der öffentliche Sektor zur Erreichung der europäischen Ziele leisten kann, indem hier energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen eingesetzt werden.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir alle als europäische Bürger mit den Entscheidungen, die wir in unserem täglichen Leben treffen, die Anstrengungen unterstützen können, was sowohl die Politikgestaltung als auch die Umsetzung geltender Rechtsvorschriften anbelangt.
Avril Doyle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich stimme Frau Hall zu, die in ihrem Bericht unterstreicht, dass der effizientere Energieeinsatz das am unmittelbarsten wirkende und kostengünstigste Instrument für die Senkung der Kohlenstoffemissionen ist.
Zugegebenermaßen hat die Kommission Recht mit ihrer Aussage im Aktionsplan für Energieeffizienz, zur Erreichung der Ziele bedürfe es vor allem des politischen Willens und Engagements auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene.
Der gesamte Bericht schlägt zu Recht gegenüber der Kommission und den Mitgliedstaaten einen kritischen Ton an, weil sie nicht größere Anstrengungen unternehmen, um bestehende Gesetze zum effizienten Einsatz von Energie umzusetzen. Dieser Druck hat dazu geführt, dass der Kommissar seinen Mitarbeiterstab im Bereich Energieeffizienz aufgestockt und meines Wissen ein Sonderreferat zur Nachverfolgung der Umsetzung des Energieeffizienzplans eingerichtet hat, was den Stellenwert unterstreicht, den die Kommission endlich der Energieeffizienz zuschreibt, um zu einer Senkung des CO2-Ausstoßes in der EU beizutragen und das schwerwiegende Problem der Klimaveränderung zu lösen.
Der Bericht des Parlaments verdeutlicht jedoch, dass das Tempo bei der Vorlage der einzelstaatlichen Energieeffizienz-Aktionspläne leider weiterhin gering ist. Darum fordere ich die Kommission auf, weiter Druck auf die betreffenden Länder auszuüben.
Selbst in Bali wurde die Europäische Union für die mangelnde Schwerpunktsetzung im Bereich der Energieeffizienz und ihre geringen Bemühungen zum Abbau von Kohlendioxidemissionen kritisiert. Wir brauchen eine Mischung aus legislativen und marktbasierten Antworten. Wenn man beispielsweise die gesamte Lichttechnik in der EU auf neue Technologien umstellen würde, könnten beachtliche Energieeinsparungen erzielt werden. Fünfzig Millionen Barrel Öl würden so eingespart und der CO2-Ausstoß um 28 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt werden.
Wir erwarten in diesem Jahr eine Revision der Richtlinie über die Energieetikettierung durch die Kommission, da die gegenwärtig verwendete Skala von A bis G für Haushaltsgeräte keinen weiteren Raum für erhöhte Energieeffizienz lässt. Und obwohl das Modell sehr klar und verbraucherfreundlich gestaltet ist, entstehen jetzt Vermarktungsprobleme für deutlich effizientere Produkte, weil es seine Grenzen erreicht hat. Viele Geräte werden als A+ oder A++ eingestuft – Kategorien, die es eigentlich nicht gibt. Andererseits gibt es gegenwärtig 188 Millionen Haushaltsgeräte in der EU, die über 10 Jahre alt und furchtbar ineffizient sind.
Ich danke Frau Hall für ihren umfassenden Bericht, den ich meinen Kolleginnen und Kollegen gern empfehle.
Adam Gierek, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! In dem Bericht von Frau Hall, die ich zu ihrem komplexen Ansatz beglückwünsche, wird darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der Umsetzung geltender Rechtsvorschriften in diesem Bereich weit zurückliegen.
Die effiziente Nutzung der Primärenergie hängt ab von einer höheren Effizienz ihrer Umwandlung in Elektrizität, der Einführung von Normen für möglichst geringen Energieendverbrauch, der umfassenden Thermomodernisierung von Gebäuden, der ausgedehnten Einführung der Kraft-Wärme-Kopplung durch Beseitigung von Verwaltungshemmnissen sowie von der Eindämmung von Energieübertragungs- und Reibungsverlusten.
In dem Bericht werden auch der globale Rahmen des Problems und die Notwendigkeit betont, die Treibhausgasemissionen zu senken. Der Gebäudebereich trägt mit etwa 40 % zum gesamten Energieverbrauch bei, die Thermomodernisierung könnte den Verbrauch mindestens um die Hälfte, d. h. um 20 % der insgesamt verbrauchten Energie, reduzieren. Außerdem lässt sich die Energieeffizienz durch Kraft-Wärme-Kopplung plus Verringerung von Energieübertragungsverlusten verdoppeln. Alles in allem können die potenziellen Einsparungen an Primärenergie, die durch die Nutzung bekannter Techniken, vor allem Thermomodernisierung und Kraft-Wärme-Kopplung, zu erreichen sind, auf etwa 25 bis 30 % geschätzt werden, mit einer entsprechenden Senkung der CO2-Emissionen.
Das Paradoxon besteht jedoch darin, dass die Umsetzung dieser Pläne durch spätere Verordnungen der Europäischen Kommission aufgehalten werden könnte, vor allem durch restriktive Normen für CO2-Emissionen, die im Falle älterer Kraftwerke und Heizwerke, in denen Modernisierungsbedarf besteht, die Produktionskosten erhöhen und die Möglichkeiten für Investitionen in die Modernisierung einschränken.
Ein anderer Aspekt des globalen Charakters dieses Problems ist die Notwendigkeit, gemeinsame Normen für die Umwelttauglichkeit aufzustellen, die innerhalb der Europäischen Union und in ihren Partnerländern anwendbar sind. Dies ist eine Vorbedingung für nutzbringende Zusammenarbeit wie auch für fairen Wettbewerb auf den Weltmärkten.
Jorgo Chatzimarkakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst mein Dank und Glückwunsch an meine Kollegin Fiona Hall. Sie gibt hiermit die richtige Antwort auf eine sehr wichtige und richtige grundsätzliche Initiative der Kommission. Ich muss Kommissar Piebalgs dafür loben, dass er sich an die Spitze derjenigen gesetzt hat, die sich für Energieeffizienz einsetzen. Denn Energieeffizienz ist tatsächlich eine der größten Quellen der Energieunabhängigkeit. Sie ist auch eine Quelle für Innovation, denn wenn wir das alles machen, was wir in dem Bericht fordern, dann werden wir uns auch im Weltmaßstab, was Innovation und den Lissabon-Prozess angeht, ganz nach vorne setzen.
Gleichwohl fällt mir die übertriebene Lifestyle-Kritik an manchen Stellen auf. Ich möchte ein Beispiel aus diesem Bericht nennen: In Ziffer 16 wird ganz lapidar davon gesprochen, die Kommission möge doch einige Gerätschaften vom Markt nehmen. Freiluftheizungen werden hier erwähnt, oder, im Volksmund, Heizstrahler, Heizpilze. Die Klimahysterie trägt doch teilweise wirklich totalitäre Züge!
Wir haben es gerade vollbracht, die Raucher aus den Cafés herauszubringen. Ich finde das richtig, ich finde das in Ordnung, ich habe kein Problem damit! Viele Wirte haben jetzt clever gehandelt und diese Heizpilze draußen aufgestellt. Es hat sich eine neue Kultur entwickelt. Die Menschen haben gesellige Abende entwickelt, rauchen draußen, und jetzt kommt die Europapolitik, wir paar Menschen hier, und sagen 490 Millionen Menschen, was sie in ihrer Freizeit zu tun und zu lassen haben! Wir wollen jetzt den Lifestyle wieder umändern. Ich glaube, die Bürger werden das lange Zeit nicht mitmachen.
Es ist richtig, die Klimaschutzziele hoch anzusetzen, aber überall im Detail Lifestyle zu regulieren – da müssen wir uns doch wirklich fragen, ob wir das machen wollen. Oder wollen wir die Weihnachtsmärkte, die wir aus Deutschland und auch aus Luxemburg – lieber Claude –, aus Belgien und aus Österreich kennen – wollen wir denen jetzt auch vorschreiben, dass auf den Weihnachtsmärkten keine Freiluftheizung mehr zu sein hat? Ich rate uns allen, dass wir die Mitbürger nicht aus dem Blick verlieren und nicht dort eingreifen, wo die Gesellschaft so sympathisch ist, nämlich im Privatleben.
Mieczysław Edmund Janowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Homo sapiens hat der Umwelt, deren wichtigster Teil er selbst ist, bisher großen Schaden zugefügt. Dies ist zu einem erheblichen Teil auf die Energienutzung zurückzuführen, und Frau Halls Bericht über die rationelle Nutzung von Energie ist daher sehr zu begrüßen.
Ich begrüße insbesondere die Tatsache, dass in dem Bericht die Anforderungen behandelt werden, die an Gebäude gestellt werden müssen. Die höchsten Standards der Energieeffizienz und der Wärmedämmung müssen nicht nur für neue Gebäude, sondern auch für den renovierten Gebäudebestand gelten.
Der nächste Punkt ist die Nutzung von Lampen mit Leuchtdioden, die energiesparend und langlebig sind. Viele elektrische Haushaltsgeräte könnten auch beim Betrieb viel weniger Energie verbrauchen. Verhindert werden müssen auch Energieverluste von Geräten im Bereitschaftsmodus.
Ich bin für steuerliche Anreize für rationellen Energieverbrauch. Die Aufklärung der Öffentlichkeit über Energiefragen ist ebenfalls sehr wichtig und sollte in der Kindheit beginnen. Das sind Dinge, die wir erledigen müssen, wenn unser Planet eine Zukunft haben soll.
Claude Turmes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Der Bericht von Fiona Hall lässt die Alarmglocken schrillen. Wir befinden uns gerade mitten in der Europäischen Woche für nachhaltige Energie. Ungeachtet der positiven Dimension dieses Ereignisses sollte es nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einzelstaatlichen Ergebnisse im Bereich der Energieeffizienz vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren äußerst enttäuschend ausgefallen sind. Gesetze nicht umzusetzen, Aktionspläne für Energieeffizienz vorzulegen, die keine Aktionspläne sind, sondern reine Flickschusterei – das ist unglaublich!
Ich appelliere an den Stolz der Staats- und Regierungsoberhäupter. Meine Damen und Herren! Sie kommen ein Jahr nach dem historischen Gipfel, auf dem Sie als Staats- und Regierungschefs viele Worte über die Priorität der Prioritäten, nämlich die Energieeffizienz, verloren haben, im März in Brüssel zusammen. Doch ein Jahr später stehen Sie mit fast leeren Händen da!
Meines Erachtens sollten wir gemeinsam den Regierungen den Weg weisen. Die Kommission muss zudem neue Initiativen zur Förderung der Anwendung von KWK sowie zur Ausweisung von Energieeinsparungen genehmigen und ergreifen.
Abschließend ein Wort zu meinem geschätzten Kollegen Chatzi:
Der einzige Hansel hier, das bist Du, denn Weihnachtsmärkte gab es schon, als es noch keine Heizlüfter gab, und ich denke, das Parlament ist komplett in seinem Recht, um zumindest die Frage zu stellen, welche Inkonsequenz wir in diesem Bereich haben. Das ist kein Eingriff in die Lebensgewohnheiten, sondern, das ist den Punkt auf eine Wunde legen, und die wir gemeinsam betreten müssen.
Nils Lundgren, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin! In der Europäischen Union herrscht allgemeines Einvernehmen darüber, dass wir die Treibhausgasemissionen reduzieren müssen, um den Klimawandel aufzuhalten. Das darf jedoch nicht zu einer bürokratischen Gesellschaft ohne Freiheit und Dynamik führen.
In diesem Zusammenhang gelten zwei Grundprinzipien: Wir müssen Emissionsziele für jedes einzelne Land aufstellen und es dann diesen Ländern und dem Markt überlassen, diese Ziele im freien Wettbewerb zu erreichen. Ferner müssen wir die Emissionskosten durch ausreichend teure Emissionsrechte internalisieren. Dann werden diese Kosten automatisch in die Milliarden von Wirtschaftsentscheidungen einbezogen, die tagtäglich auf der ganzen Welt durch Haushalte und Unternehmen getroffen werden. Dann wählen die Haushalte von sich aus Energiesparlampen, entwickeln die Automobilhersteller Fahrzeuge mit hoher Kraftstoffeffizienz, errichten Bauherren Passivhäuser, erzeugen Energieproduzenten Energie mit geringen Emissionen. Dann zahlen sich Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet aus.
Die EU darf jedoch keine Verbote oder Detailregelungen einführen. Darum wenden wir uns gegen ein Verbot von Freiluftheizungen sowie gegen Steuererleichterungen für den Abriss von Gebäuden und gegen die öffentliche Finanzierung von Energieeinsparungen.
Anni Podimata (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte als Erstes der Berichterstatterin, Frau Hall, zu ihrem mutigen, umfassenden Ansatz zum Thema Energieeffizienz danken, der über die Vorschläge der Europäischen Kommission hinausgeht.
Angesichts der aktuellen Situation im Energiesektor ist die Energieeffizienz das wirksamste Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels, nachdem das System des Handels mit Treibhausgasemissionen bislang noch nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat.
Was die Energieeffizienz anbelangt, muss dem Bausektor besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da im Gebäudebereich mehr als 40 % unserer Energie verbraucht werden. In Griechenland wird rund ein Drittel der gesamten Energie im Bereich Gebäude verbraucht, auf den 40 % der Kohlendioxidemissionen entfallen. Dennoch hat Griechenland die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof die Umsetzung angemahnt, und Griechenland wurde in die Liste der zehn Länder aufgenommen, die noch keinen nationalen Aktionsplan für Energieeffizienz vorgelegt haben. Doch auch wenn die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften an die Gesetzgebung der Gemeinschaft unverzichtbar ist, können wir damit allein unsere angestrebten Ziele nicht erreichen. Ich freue mich, dass Herr Kommissar Dimas hervorgehoben hat, dass die EU mit allem Nachdruck eine kohärentere Umsetzung der energiepolitischen Ziele durch alle Mitgliedstaaten einfordern muss.
Die in dem Bericht vorgeschlagenen Maßnahmen und Anreize, wie der Zugang zu strukturpolischen Finanzmitteln zur Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen, die Erhöhung des Mindestanteils an den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds zur Verbesserung der Energieeffizienz, Steueranreize und vor allem ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für energieeffiziente private Wohngebäude und KMU können zu diesem Zweck sehr nützlich sein.
Die Klimaschutzziele können nur erreicht werden, wenn alle Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen. Wenn wir wollen, dass die EU weiterhin eine Führungsrolle bei diesem Vorhaben einnimmt und aus einer starken Position heraus mit anderen Staaten verhandeln kann, muss es unsere vorrangige Aufgabe sein, die Kluft zwischen den Ländern, die beim Klimaschutz an der Spitze stehen und denen, die dahinter zurückliegen, zu schließen.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Kommissar! Ich beglückwünsche Sie zu den ergriffenen Maßnahmen. Europas vordringlichste Probleme sind heute die Energienutzung und ihre Folgen für das Klima. Es ist heute wichtiger für Europa als die Nahrungsmittelerzeugung – dessen können wir sicher sein. Nach sorgfältiger Prüfung habe ich herausgefunden, dass die letzten acht Ratsvorsitze alle dieser Frage Priorität eingeräumt haben, einige von ihnen haben sie zur Priorität Nummer eins erklärt. Aber wenn Energiefragen so wichtig sind, müssen entsprechende Mittel dafür bereitgestellt werden. Anderenfalls werden wir nur immer wieder die gleichen leeren Phrasen dreschen, hinter denen nichts steht.
Wir wissen, wie viel zusätzlicher Nutzen geschaffen werden kann, wenn wir in der Europäischen Union alle an einem Strang ziehen. Wenn wir unsere Erfahrungen austauschen, die besten Lösungen auswählen und sie miteinander kombinieren, können wir sicher sein, große Fortschritte zu erzielen. Daher lautet die Frage: Sind wir bereit, gemeinsame europäische Mittel für Forschung, Technologien, Innovation und Entwicklung im Energiesektor einzusetzen?
Die Energieeffizienz, über die wir sprechen – also Eignung und Einsparungen – ist sogar noch wichtiger als erneuerbare Energien oder saubere Kohletechnologie. Bisher werden von einem Gesamthaushalt von Tausend Milliarden Euro jedoch nur einige Hundert Millionen in einem Zeitraum von sieben Jahren für gemeinsame europäische Forschungs- und Entwicklungsprogramme aufgewendet.
Ich fordere den Kommissar, die Europäische Kommission und den Europäischen Rat auf, die Frage zu überdenken und sich für eine rasche technologische Entwicklung zu entscheiden, bevor sie sehr strikte Emissionsnormen festlegen.
Vladimir Urutchev (PPE-DE). – (BG) Heute beraten wir erneut über wichtige Energiefragen in diesem Hause, was beweist, dass die Auseinandersetzung mit Energieproblemen und ihrem Einfluss auf den Klimawandel bei den europäischen Institutionen allerhöchste Priorität genießt. Der ausgezeichnete und umfassende Bericht von Fiona Hall ist ebenfalls ein Beleg dafür.
Energieeffizienz ist zweifellos eine der Säulen, auf die sich unsere Energiepolitik langfristig stützen wird. Die Bürger Europas erkennen ihre Aufgabe und begreifen, welche Rolle der Energieeffizienz im Hinblick auf die Erreichung der Ziele zur Stabilisierung des Klimas sowie künftiger, erhöhter Energiesicherheit zukommt. Daher möchte ich angesichts der öffentlichen Unterstützung und der günstigen politischen Lage die Kommission ermutigen, mehr Initiative zu zeigen, alle Mechanismen zur Verhaltensbeeinflussung einzusetzen, um zu gewährleisten, dass das ehrgeizige Ziel von 20 % erreicht wird und alle Europäer die Vorteile von energieeffizientem Verhalten spüren können.
Wenn unser oberstes Ziel die Rettung des Planeten vor den katastrophalen Auswirkungen der Klimaveränderung ist und wir gleichzeitig Energiesicherheit und ein auf dem globalen Markt wettbewerbsfähiges Europa haben wollen, sollten wir den verbleibenden 80 % die entsprechende Aufmerksamkeit schenken. Diese 80 % beinhalten die Kernenergie, die gegenwärtig unterschätzt und in den vergangenen zwei Jahrzehnten noch immer von Ängsten und Dogmen überschattet wurde. Wir müssen unser Wissen und unseren gesunden Menschenverstand bündeln, um dieses Problem zu lösen und die Nuklearenergie endlich offen und deutlich als Unternehmen und als eine Chance diskutieren, die die Menschheit und Europa nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfen. Alle Abgeordneten dieses Hauses haben die politische Verantwortung, dazu beizutragen.
Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Es ist mir ein großes Vergnügen, nach dem „catch the eye“-Verfahren sprechen zu dürfen. Die Aussprache über den Bericht von Frau Hall hat sehr deutlich gezeigt, dass wir einen Zahn zulegen müssen. Es gibt unzählige Möglichkeiten für energieeffizientes Verhalten. In den Niederlanden spricht man von „niedrig hängenden Früchten“. Wenn wir die sich uns bietenden Möglichkeiten nutzen, können wir dazu beitragen, die gemeinsam gesteckten Ziele tatsächlich umgehend zu erreichen, die in Bali bekräftigt und in dem Paket der Kommission vom 23. Januar erneut bestätigt wurden. Herr Piebalgs hat hier eine herausragende Rolle gespielt.
Im Ausschuss für regionale Entwicklung haben wir konstatiert – Herr Buzek sprach bereits darüber –, dass es im Zeitraum bis 2006 ohne weiteres möglich war, im Rahmen der Zielstellungen der Strukturfonds die Bereiche Energie und Energieeffizienz ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen, allerdings wurden lediglich 1,16 % dafür aufgewendet. Frau Hübner hat nun in Rücksprache mit dem Ausschuss für regionale Entwicklung in der vergangenen Woche angekündigt, die Verordnung werde überarbeitet und den betreffenden Aspekten in den Programmen 2007-2013 ein höherer Stellenwert gegeben. Daher lautet meine diesbezügliche Schlussfolgerung, dass wir unsere Bemühungen beschleunigen und die auf europäischer Ebene existierenden Instrumente effektiver nutzen müssen.
Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte den Parlamentsabgeordneten für die äußerst ausführliche Debatte danken. Wie ich bereits betont habe, ist die Kommission bestrebt, den Aktionsplan für Energieeffizienz einzuhalten. Ich weiß, Sie wünschten manchmal, wir wären schneller, aber es gibt noch weitere Schritte, die ebenfalls erforderlich sind: bessere Rechtsvorschriften, öffentliche Debatten und eine Folgenabschätzung. Alles braucht Zeit. Aus meiner Sicht ist eine Diskussion über Rechtsbestimmungen und Anreize vonnöten. Meines Erachtens sollten beide Instrumente in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, aber beide auch eingesetzt werden.
Heute hatte ich ein Treffen mit einem Minister aus Montenegro. Das Land verfügt über eine hervorragende Energiestrategie bis zum Jahr 2025, aber ich habe den Minister angehalten, unbedingt Rechtsvorschriften zu erlassen, denn das Land wird einen Bauboom erleben. Die Montenegriner werden keine Investoren abschrecken, wenn sie an strengen Auflagen hinsichtlich der sofortigen Berücksichtigung erneuerbarer Energien festhalten. Das wird sich auf das Niveau, auf dem sich das Land befindet, positiv auswirken. Anderenfalls zahlt der Steuerzahler die zusätzliche Energierechnung.
Nach meinem Dafürhalten bedarf es eines gewissen Ehrgeizes. Wir haben uns auf neue Leitlinien in der Haushaltsfrage geeinigt. Wir müssen größere Anstrengungen unternehmen, um zu bestimmen, wann staatliche Beihilfen für neue Technologien, Energieeffizienz und erneuerbare Energien angewendet werden sollen. Zudem arbeiten wir an einer internationalen Plattform für Energieeffizienz, die auf internationaler Ebene Synergien schaffen könnte. Allerdings liegt die Haushaltshoheit nicht nur bei der Kommission, sondern auch beim Parlament.
Ich bin äußert dankbar für die Arbeit von Herrn Buzek im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms. Meiner Meinung nach stehen uns noch immer umfangreiche Mittel zur Verfügung, was zum Teil auch Ihr Verdienst und der dieses Hauses ist. Haushaltserhöhung oder Umverteilung sind wesentlich komplexere Fragen, die ich nicht beantworten kann. Ich hätte nichts gegen zusätzliche Finanzmittel in den Töpfen meiner Kolleginnen und Kollegen, beispielsweise für Herrn Potočniks Haushalt oder das Budget für Außenbeziehungen, allerdings sollte dies im Rahmen der Haushaltsdebatte betrachtet werden.
Der Bericht ist meines Erachtens ausgezeichnet. Gegenüber der Kommission ist er nicht immer freundlich formuliert, aber um Nettigkeiten geht es nicht. Wir reden von Energieeffizienz, und ehrgeizige Ziele stehen auch auf der Agenda der Kommission definitiv weit oben.
Fiona Hall, Berichterstatterin. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen für die positiven Anmerkungen und ihren Zuspruch danken und erneut betonen, dass ich die konstruktive Unterstützung der Kommission in Reaktion auf die Kritik des Parlaments zu schätzen weiß.
Ich möchte lediglich zwei Punkte aufgreifen. Erstens finde auch ich es wirklich beschämend, dass man der Bewertung der nationalen Aktionspläne für Energieeffizienz durch die Kommission, die vergangene Woche zusammen mit dem Paket von Vorschlägen zum Klimaschutz veröffentlicht wurde, nicht mehr Beachtung geschenkt hat. Schließlich handelte es sich um eine äußerst besorgniserregende, pessimistische Einschätzung. Den Regierungen der Mitgliedstaaten mangelt es in ihren Aktionsplänen weiterhin klar an ehrgeizigen Zielstellungen. Sie schauen nicht auf das gesetzte Ziel von 20 %. Um mit den Worten der Kommission zu sprechen: In manchen Mitgliedstaaten besteht eine „erhebliche Diskrepanz zwischen der politischen Selbstverpflichtung zur Energieeffizienz […] und den […]
beschlossenen Maßnahmen“. Diese Aussage gibt meines Erachtens Anlass zur Sorge.
Zweitens: Die Tatsache, dass wir jetzt die Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und die darin formulierten Ziele haben, bedeutet, die Energieeffizienz hat nie eine so wichtige Rolle gespielt wie heute. Wenn wir das verbindliche Ziel von 20 % EU-weit erreichen wollen, müssen wir den Energiebedarf steuern. Wir können die 20 % nur schaffen, wenn der Gesamtverbrauch an Energie insgesamt gesenkt wird und nicht weiter steigen darf.
Hoffentlich markiert der Bericht einen Neuanfang sowie den Beginn der Schließung der Kluft zwischen politischer Rhetorik über Energieeffizienz und deren eigentlicher Umsetzung.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am Donnerstag, dem 31. Januar 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Roberta Alma Anastase (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße den Entwurf dieses Berichts und den globalen Ansatz, den er hinsichtlich seiner thematischen und geografischen Ausgestaltung in Bezug auf die Energieeffizienz in der Europäischen Union vorschlägt. Es ist von Bedeutung, dass wir heute über einen Aktionsplan und seine Einzelheiten sprechen. Dies beweist, dass wir konkrete Schritte in diese Richtung unternehmen.
Als Berichterstatterin über die regionale Zusammenarbeit in der Schwarzmeerregion möchte ich betonen, wie wichtig die Energieeffizienz in dieser Region ist, um das Energiesicherheitsziel zu erreichen und unsere Abhängigkeit von Energiequellen zu verringern.
Ich schätze auch den internationalen Ansatz beim Thema der globalen Herausforderungen und ihrer Untersuchung. Daher begrüße ich es auch, dass sich das Europäische Parlament des Umstands bewusst ist, dass Russland künftig nicht in der Lage sein wird, den einheimischen und den auf Verträgen beruhenden Erdgasbedarf zu decken, und seine diesbezügliche Besorgnis äußert.
Dies gibt uns Anlass, gegenüber den EU-Organen die Bedeutung zweier Kernziele zu bekräftigen: verstärkter Ersatz der Energieeinfuhren der EU durch andere Quellen, wirksame Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung und die Notwendigkeit, die Energiereform in der Schwarzmeerregion und den EU-Nachbarstaaten mit der Aussicht zu fördern, eine transparente und nachhaltige Energiebranche zu schaffen.
John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – (EN) Der Aktionsplan mit dem Ziel der Reduzierung des Energieverbrauchs um 20 % bis 2020 ist ambitiös, aber notwendig. Andererseits ist es sinnlos, Ziele zu stecken, wenn es am Willen mangelt, sie zu erreichen. So wurden beispielsweise von den für 2007 zur Vollendung vorgesehenen Maßnahmen nur drei vollständig abgeschlossen. Das ist ein deprimierendes Ergebnis. Zwar laufen viele Maßnahmen zugegebenermaßen noch, aber dennoch ist ein Anteil von unter 15 % an der Gesamtzahl abgeschlossener Projekte nichts, worauf man stolz sein kann.
Es beschämt mich, einräumen zu müssen, dass das Problem in meinem Heimatland Malta bislang nicht ernsthaft behandelt wurde. Von einer Insel, auf der es Sonne und Wind im Überfluss gibt, sollte man erwarten, dass beide Elemente umfassend genutzt werden.
Nur eine äußert geringe Zahl von privaten, gewerblichen und öffentlichen Gebäuden nutzt die Solarenergie als alternative Energieform.
Windenergie spielte in der Vergangenheit in landwirtschaftlichen Gebieten eine größere Rolle. Der Staat beabsichtigt, Windparks vor der Küste einzurichten, obgleich die verfügbare Technologie nicht für die Wassertiefe der maltesischen Gewässer geeignet ist. Darüber hinaus wurde einem großen Projektträger, der vier Windräder zum Zwecke der Energieerzeugung aufstellen wollte, von staatlicher Seite mitgeteilt, die entsprechende Genehmigung würde aus ästhetischen Gründen nicht erteilt werden.
András Gyürk (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Die Verbesserung der Energieeffizienz ist die einleuchtendste Lösung zur Reduzierung der Schadstoffemissionen. Gemeinsame Aktionen auf diesem Gebiet leisten außerdem einen echten Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeit der Europäischen Union von Energieeinfuhren.
Das größte Potenzial für Energieeinsparungen liegt wohl in der Energieeffizienz von Gewerbe- und Wohngebäuden, was immer stärker in den neuen Mitgliedstaaten der Union zutrifft. Die aus der Zeit des Sozialismus stammenden Industrieanlagen und die von hunderttausenden Menschen bewohnten Hochhäuser, die so typisch für diese Region sind, stellen zugleich auch ein Symbol für Energieverschwendung dar. Es ist zu begrüßen, dass die Europäische Kommission die besondere Situation der ehemals sozialistischen Länder in ihrem Aktionsplan anerkennt und die Förderung der Energieeffizienz als vorrangiges Ziel in den neuen Mitgliedstaaten benennt.
Wir halten es für bedauerlich, dass verschiedene Mitgliedstaaten ihre Zusagen zur Umsetzung geltender Rechtsvorschriften über Energieeffizienz nicht einhalten. Dazu gehört beispielsweise auch die ungarische Regierung, von der es zwar Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz gibt, die aber die Annahme des Nationalen Aktionsplans für Energieeffizienz auf Monate hinaus verschoben hat.
Zugleich begrüßen wir, dass einzelne Kommunen dennoch die gebotenen Chancen nutzen. Ein gutes Beispiel dafür ist das in Óbuda, einem der größten Stadtbezirke von Budapest, angenommene Programm, in dessen Rahmen zahlreiche Wohnhochhäuser in den kommenden Jahren mit Gemeinschaftsmitteln saniert werden.
Wir sind überzeugt davon, dass Europa eine führende Rolle auf dem Gebiet der Energieeffizienz spielen kann. Das liegt auch in seinem ureigensten Interesse, denn eine effizientere Energienutzung bedeutet auch eine effizientere Wirtschaft, neue Arbeitsplätze, eine bessere Wettbewerbsfähigkeit und nicht zuletzt eine lebenswertere Umwelt.
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – (EN) Zunächst möchte ich den Initiativbericht von Frau Hall begrüßen. In der Tat erscheint der Bericht zu einer Zeit, da jede Initiative zur Bekräftigung konkreter Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz allseits willkommen sein sollte. Energieeffizienz ist fraglos das wirksamste Mittel, um mit verfügbaren Technologien nachhaltig und schnell auf die Herausforderungen der globalen Erwärmung und begrenzter fossiler Brennstoffe zu reagieren. Wir haben uns auf den Weg gemacht, den Energieverbrauch zu senken. Die planmäßige Erreichung unserer Ziele ist dabei unabdingbar. Natürlich verursacht ein solcher Plan immense Kosten und fordert wirtschaftliche Opfer. Diese Kosten und Opfer stellen vor allem für jene Länder eine besondere Herausforderung dar, die über ein niedriges Budget und eine weniger entwickelte Wirtschaft verfügen. Darum ist es wichtig, dass die Energieeffizienzziele die Lage der schwächsten Wirtschaften und Industrien in den ärmsten Mitgliedstaaten nicht noch verschärfen. Daher bedarf es kurzfristiger Übergangsmaßnahmen zur Unterstützung der anfälligsten Sektoren und Länder im Rahmen der Umsetzung der Gesetze, um einen Zusammenbruch des Marktes zu verhindern. Langfristig bergen Energieeinsparungen selbstverständlich ein enormes Rentabilitätspotential. Außerdem wird eine starke Energieeffizienzpolitik dem Arbeitsmarkt in der Europäischen Union mit Sicherheit zum Vorteil gereichen.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Es gibt wohl nur wenige Entscheidungen, die in ihrer Wirkung so weit reichend und zugleich so widersprüchlich in sich selbst sind wie der Drei-Säulen-Plan des Rates zur Klima-Politik aus dem Frühjahr 2007: eine Verringerung der Emissionen um 20 %, Energieeinsparungen um 20 % und ein Anteil von erneuerbaren Energien von 20 %, und das alles bis zum Jahr 2020. Die dritte der genannten verbindlichen Zielvorgaben droht leider den Klimawandel zu beschleunigen. Solange dies nicht verstanden wird, kann jeder Nutzen für das Klima nur aus den ersten beiden gewonnen werden.
Energie sparen, insbesondere durch Verbesserung der Energieeffizienz, ist natürlich eines der wirksamsten Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel. Darüber besteht im Parlament ein breiter Konsens, ebenso über den Inhalt des Berichts, und ich danke Frau Hall dafür, dass sie dies ermöglicht hat.
Lobenswert ist an diesem Bericht die Tatsache, dass er Verständnis für die Tragweite des Problems und die vorhandenen Optionen zeigt: Das Beharren auf Energieeffizienz muss Auswirkungen haben, die die gesamte Gesellschaft durchdringen. Es muss sich auf die gesamte Planung und die Tätigkeit auf allen Ebenen beziehen. Die Energieeffizienzziele und die einzuhaltenden Vorschriften müssen gleichermaßen für Geräte, Gebäude, Energieerzeugung und -übertragung, Verkehr und Konsumverhalten gelten.
Wir müssen sofort handeln. Deshalb ist es bedauerlich, dass das Parlament die Kommission daran erinnern sollte, dass es bereits Rechtsvorschriften in diesem Bereich gibt. Der Grad der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten ist bislang noch nicht einmal zufrieden stellend, worauf die Kommission einmal ihre Aufmerksamkeit richten sollte.
Bei der Verbesserung der Energieeffizienz geht es darum, solche Anstrengungen zu unternehmen, bei denen unter Marktbedingungen die besten Ergebnisse für das Klima erreicht werden. Ein Beispiel hierfür sind die verschiedenen Normungssysteme. Wir müssen uns vor unflexiblen Rechtsvorschriften hüten: Wenn die beste verfügbare Technologie nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche eingesetzt wird, dann reichen die unternommenen Anstrengungen aus. Die kleinliche Einmischung des Gesetzgebers in alle Einzelheiten führt nur zur Ermüdung der betroffenen Organisationen.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN), schriftlich. – (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! In dieser Aussprache über die rationelle Energienutzung stimme ich zwar den Hauptargumenten der Berichterstatterin, Frau Hall, zu, möchte jedoch auf einige Fragen aufmerksam machen, die für die neuen Mitgliedstaaten von besonderer Bedeutung sind.
1. Um die Kluft zwischen sich selbst und den meisten entwickelten EU-Staaten zu verringern, müssen sich die neuen Mitgliedstaaten zwei- bis dreimal schneller entwickeln als Letztere, d. h. eine jährliche Wachstumsrate des BIP von mindestens 6 % aufweisen. Eine solche Wachstumsrate bedeutet eine beträchtliche Erhöhung der CO2-Emissionen, dies hat aber die Europäische Kommission bei den Vorschlägen nicht berücksichtigt, die sie in ihrem jüngsten Maßnahmenpaket zu Energie und Klimawandel vorgelegt hat.
2. Die Vorschläge der Kommission sind ganz eindeutig auf eine Einschränkung der Kohlenutzung ausgerichtet, dies wird vor allem Volkswirtschaften wie die Polens treffen, in denen die Energie hauptsächlich durch die Verbrennung verschiedener Arten von Kohle erzeugt wird.
3. Der Vorschlag, demzufolge die Energie erzeugende Industrie alle ihre CO2-Emissionsrechte ab 2013 über Auktionen erwerben muss, wird zu einem massiven Anstieg der Energiepreise führen, der in den Volkswirtschaften der einzelnen Länder besonders schmerzhaft zu spüren sein wird. Derzeit kauft die Energie erzeugende Industrie in Polen lediglich 10 % ihrer Emissionsrechte über Auktionen, und der Strompreis ist 2007 um etwa 15 % gestiegen und soll in den nächsten Jahren um weitere 20-30 % steigen.
Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Der vorliegende Bericht zur Energieeffizienz kommt gerade rechtzeitig angesichts unserer Sorge um die Klimaveränderung und der Notwendigkeit, sich dem endlichen Vorkommen an fossilen Brennstoffen zu stellen.
Die Vermeidung von Energieverschwendung ist schon allein und aus einer völlig eigennützigen Perspektive als positiv zu bewerten. Durch die Verbesserung der Energieeffizienz sollten Kosten für Privathaushalte und Unternehmen sinken.
Vielen Menschen ist die Notwendigkeit der bewussteren Nutzung von Energie klar. Viele wissen, dass ein auf Stand-by-Betrieb geschalteter Fernseher 45 % der Menge an Strom verbraucht, die ein laufendes Gerät benötigt. Elektrische Geräte im Bereitschaftsmodus verbrauchen 10 % der in EU-Haushalten eingesetzten Energie. Auch ein angeschlossenes Telefonladegerät verbraucht Strom, wovon 95 % verschwendet werden.
Zwar kann jeder von uns Elektrogeräte ausschalten, die gerade nicht benutzt werden, aber wäre es nicht wirkungsvoller, wenn Hersteller Geräte mit dem Ziel konzipierten, Energieverschwendung zu meiden.
Eine Kombination aus Neuentwicklungen in der Fertigung und einer Sensibilisierung der Verbraucher wird Früchte tragen, aber die Industrie braucht Anreize, um neue, energieeffiziente Produkte zu entwickeln, und die Öffentlichkeit benötigt positive Botschaften, um ihr die Größenordnung möglicher Energieeinsparungen zuhause und am Arbeitsplatz zu vermitteln.
Péter Olajos (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Als Berichterstatter der PPE-DE im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über das Grünbuch zur Verbesserung der Energieeffizienz („Energieeffizienz oder weniger ist mehr“) begrüße ich die wiederholten und verstärkten Anstrengungen der Union auf diesem Gebiet.
Gleichzeitig muss ich meiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen, dass trotz des ernsthaften Engagements von Kommission und Parlament zur Schaffung gemeinsamer Regeln und zur Vorbereitung umsetzbarer Pläne, das Interesse einiger Mitgliedstaaten an deren Durchführung unzureichend ist.
Einige Mitgliedstaaten haben die Frist zur Erstellung von Aktionsplänen um mehrere Monate oder noch länger überschritten. Dazu gehören u. a. sieben Länder, die ihre Pläne bis heute nicht eingereicht haben, obwohl sie schon vor sieben Monaten fällig gewesen wären.
Das ist jedoch nicht das einzige Problem. Es mangelt auch an gesellschaftlichem Konsens in Bezug auf diese Pläne, die oft sehr farblos sind und in vielen Fällen keine realistischen Zeitpläne oder Instrumente zum Erreichen der gemeinsamen Ziele enthalten.
Folglich können wir ganz offen sagen, dass viele Mitgliedstaaten der Union in Bezug auf Energieeffizienz, Sparsamkeit und das letztendliche Ziel einer Gesellschaft mit niedrigen Kohlenstoffemissionen nur Lippenbekenntnisse abliefern. Welche Zukunft gibt es da schon für eine Wirtschaft, für Haushalte und einen Verkehrssektor ohne CO2-Emissionen?
Es wäre gut, wenn die Hüterin des Gemeinschaftsrechts, die Kommission, von Zeit zu Zeit zusammenfassende Analysen und Bewertungen bezüglich der Qualität der eingereichten nationalen Pläne und deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten anfertigen würde.
Bogusław Rogalski (UEN), schriftlich. – (PL) Zunächst einmal möchte ich den Initiativbericht von Frau Hall begrüßen. Dieser Bericht wird zu einer Zeit vorgelegt, in der alle Initiativen zur Verstärkung konkreter Maßnahmen für bessere Energieeffizienz ausdrücklich begrüßt werden sollten. Energieeffizienz ist in der Tat das wirksamste Ziel, da bereits verfügbare technische Instrumente für die tatsächliche und rasche Bewältigung der Herausforderungen, die durch die Erwärmung der Erdatmosphäre und die Begrenztheit fossiler Ressourcen entstehen, genutzt werden. Wir verfolgen nun den Plan, den Energieverbrauch zu senken, und es ist äußerst wichtig, dass wir unsere Ziele rechtzeitig erreichen. Doch ein solcher Plan bringt natürlich enorme Kosten mit sich und verlangt wirtschaftliche Opfer. Diese Kosten und Opfer werden vor allem für die Länder mit den kleinsten Haushalten und den am wenigsten entwickelten Volkswirtschaften besonders hoch sein. Es ist wichtig, dass die Energieeffizienzziele die Lage der schwächsten Volkswirtschaften und Industrien in den ärmsten Mitgliedstaaten nicht auch noch verschlechtern. Deshalb müssen Ad-hoc-Übergangsmaßnahmen ergriffen werden, um die schwächsten Sektoren und Länder bei der Umsetzung dieser Rechtsvorschriften zu unterstützen und um ein Marktversagen zu verhindern. Langfristig hat die Energieeinsparung natürlich wirklich ein hohes wirtschaftliches Potenzial, und eine energischere Politik der Energieeffizienz dürfte dem Arbeitsmarkt in der Union höchstwahrscheinlich zugute kommen.
Toomas Savi (ALDE), schriftlich. – Zunächst möchte ich Frau Hall für ihren wirklich umfassenden Bericht danken, der sich der Verbesserung der Energieeffizienz widmet und an jene Mitgliedstaaten appelliert, die bei der Umsetzung der bestehenden Gesetzgebung weit zurückliegen, doch alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Zweitens freut es mich festzustellen, dass der Bericht nicht nur Möglichkeiten für gewerbliche Verbraucher aufzeigt, Energie zu sparen, sondern auch für Privatverbraucher, insbesondere durch eine Sensibilisierung der Energiekonsumenten und die Bereitstellung verlässlicher Informationen zu den verfügbaren umweltfreundlichsten Optionen. Festgehalten werden sollte, dass der Privatverbrauch 40 % des Gesamtenergieverbrauchs ausmacht. Darum sind wir alle dafür verantwortlich, einen Beitrag zur Maximierung der Energieeffizienz zu leisten.
Drittens steigt der Verbrauch an Energie allmählich und damit wachsen auch die Energiekosten. Aus diesem Grund ist es nur vernünftig, Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz durchzusetzen, um eine optimale Ausnutzung der Produktionsmittel zu erreichen.
Alyn Smith (Verts/ALE), schriftlich. – (EN) Herr Präsident! Ich gratuliere Frau Hall zu ihrem Bericht, der eine Reihe solider, vernünftiger und umsetzbarer Vorschläge zur Verbesserung der Energieeffizienz enthält. Inmitten der aktuellen, lebhaft geführten Diskussion um die Erzeugung von Energie und die Sicherung der Energieversorgung laufen wir Gefahr, die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass schon allein Änderungen von Bau- und Gerätenormen sowie ein Wandel in der Art, wie wir Energie nutzen, ein beträchtliches Maß an Energieeinsparungen ermöglichen. Mit Freude unterstütze ich den Bericht und hoffe, dass er den Startschuss für weitere Schritte in diese Richtung markiert.
23. Einschränkung von unerwünschten Beifängen und Abschaffung von Rückwürfen in der europäischen Fischerei (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Carl Schlyter im Namen des Fischereiausschusses über eine Politik zur Einschränkung von unerwünschten Beifängen und zur Abschaffung von Rückwürfen in der europäischen Fischerei (2007/2112(ΙΝΙ)) (Α6-0495/2007).
Carl Schlyter, Berichterstatter. – (SV) Frau Präsidentin! Ich danke den Schattenberichterstattern, dass wir einen guten Bericht erarbeiten konnten. Ferner möchte ich Herrn Kommissar Borg dafür danken, dass er endlich – endlich! – energische Maßnahmen vorgeschlagen hat, um das Problem der Rückwürfe und der unerwünschten Beifänge zu lösen.
Wir haben gegenwärtig eine Fischereipolitik, die die Weltmeere leert, Meeresböden verwüstet, Ökosysteme zerstört, Fischbestände vernichtet und sogar Seevögel tötet. Würde eine solche Zerstörung an Land geschehen – würden wir unseren Wald auf die gleiche Weise behandeln wir unsere Meere – gäbe es einen Aufstand in den Straßen. Aber so erfolgt die Vernichtung der Meere im Verborgenen und in aller Stille. Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“ wurde 1962 zu einem Begriff und für viele zu einem Weckruf, sich im Umwelt- und Naturschutz zu engagieren. Jetzt befinden wir uns in der Zeit des „stillen Meeres“. Im vergangenen Jahr hat die Journalistin Isabella Lövin ein Buch mit genau diesem Titel herausgegeben. Lassen Sie uns den Kampf für die Rettung zukünftiger Generationen von Fischen und Fischern aufnehmen.
Die Vorschläge der Kommission bedeuten ein Ende des Quotensystems und der Detailregulierung, mit der die Fischer faktisch ermuntert wurden, die Meere leer zu fischen und den nicht profitablen Fisch tot zurückzuwerfen, und durch die es bei der Entwicklung der Fanggeräte hauptsächlich darum ging, mehr und mehr aus den Meeren zu holen. Mit der Drohung, ihre Schiffe mit unprofitablem Fisch füllen zu müssen, schwingt die EU jetzt die Peitsche über den Fischern, um sie zu selektiverem Fischfang zu bewegen.
Aber für eine erfolgreiche Politik wird auch Zuckerbrot benötigt. So können wir beispielsweise mehr Tage auf See für Fahrzeuge erlauben, die selektiveres Fanggerät einsetzen, oder ihnen Zugang zu Gebieten einräumen, die für die Fahrzeuge gesperrt sind, die kein selektives Fanggerät einsetzen.
Wichtig sind für jede Fischart die Festlegung jährlicher quantitativer Ziele im Hinblick auf die Reduzierung der Beifänge und Rückwürfe sowie ein Dialog mit allen Beteiligten, um ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen. Positive Beispiele sind der Golf von Biskaya sowie Kattegatt und Skagerrak. Dort verwenden französische und schwedische Fischer mit großem Erfolg Sortiergitter beim Fang von Kaisergranat (Nephrops norvegicus), was in der Praxis dazu geführt hat, dass Beifänge vollständig ausgeschlossen werden.
Etwas mehr Freiheit und Verantwortung für die Fischereiflotte kann vielleicht zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Fischern führen, was wiederum eine positive Entwicklung einleiten kann. Das wird verbunden mit besseren Daten über die Art des gefangenen Fisches. Wir müssen uns Systeme mit elektronischen Logbüchern und einer eventuellen Videoüberwachung anschauen, um zu erkennen, ob wir eine gute Lösung finden, bei der die persönliche Integrität geschützt wird.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Frage, was wir mit dem Fisch machen, der in Form von Beifängen nach einem Rückwurfverbot angelandet wird. Dieser sollte auf irgendeine Art und Weise genutzt werden, aber gleichzeitig sollte die Bezahlung dafür so niedrig sein, dass kein Anreiz für die aktive Suche nach Beifängen besteht.
Ich hoffe und glaube, dass die Kommission schnell einen umsetzbaren Vorschlag dazu erarbeitet. Dieser wäre dann ein wichtiges Element im Kampf gegen die Überfischung und für eine nachhaltige Fischerei. Das ist jedoch nicht ausreichend – wir benötigen auch eine generelle Reduzierung des Fischereiaufwands bei gegenwärtig bedrohten Arten, aber vielleicht können wir das zu ein anderes Mal diskutieren.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter und allen Mitgliedern des Fischereiausschusses für ihre hervorragende Arbeit danken.
Wir alle teilen die Ansicht, dass Rückwürfe, milde ausgedrückt, eine unnötige Verschwendung guter natürlicher und wirtschaftlicher Ressourcen darstellen und gestoppt werden sollten. Jede Fischerei ist jedoch anders und erfordert maßgeschneiderte Lösungen. Wir haben uns daher für einen ergebnisorientierten Ansatz entschieden, der bedeutet, dass wir Ziele festlegen, um die Menge der Rückwürfe in einem bestimmten Zeitraum zu verringern, und es dann den betreffenden Fischern überlassen, wie sie diese Ziele erreichen. Zu solchen Maßnahmen könnten eine Vergrößerung der Maschenweite, die Nutzung von Sortiergittern, Echtzeit-Schließungen, Wechsel der Fanggründe oder andere mögliche Maßnahmen oder eine Kombination davon zählen.
Nun will ich konkret zum Bericht Stellung nehmen. Was die gemeinschaftlichen Aktionspläne für Seevögel und Haie betrifft, kann ich Sie darüber unterrichten, dass letzterer in Arbeit ist und meine Dienststellen für ersteren noch Informationen und wissenschaftlichen Rat einholen, um den Entwurf dann bis Ende 2009 fertigzustellen.
Ich teile insbesondere die Meinung, dass die Rückwurfpolitik nicht als isolierte Maßnahme gesehen werden sollte, sondern als Teil des allgemeinen Ansatzes zur Verwirklichung des Konzepts des maximalen Dauerertrags. Wir sind uns auch einig, was den fallspezifischen Ansatz und die Bedeutung der Beteiligung und der Konsultation des Sektors auf allen Ebenen betrifft. Hier nehme ich mit Interesse Kenntnis von Ihrem Vorschlag, neue Überwachungstechniken für Rückwürfe auszuprobieren, wie es in einigen Drittländern praktiziert wurde.
Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass eine wirkliche Verringerung der Rückwürfe durch Anreize belohnt wird. Sie müssen daher sorgfältig geprüft werden, damit sie sich nicht nachteilig auswirken. Die Mitgliedstaaten verfügen bereits über Möglichkeiten, durch die Zuweisung von Quoten eine „saubere“ Fischerei zu fördern. Ich bin jedoch der Ansicht, dass Anreize die verschiedenen Phasen der Umsetzung begleiten sollten, um eine Veränderung des Verhaltens zu fördern, bis das endgültige Ziel erreicht ist.
Was die Umsetzung der Politik betrifft, bin ich allgemein mit Ihren Vorschlägen einverstanden, jedoch würde ich einen anderen Schwerpunkt wählen. Wir sollten das Ziel eines Rückwurfverbots überall dort, wo es möglich ist, von Anfang an festlegen und nicht nur als letzten Ausweg, wie Sie es vorzuschlagen scheinen. Ich muss hier klarstellen, dass das festgelegte Ziel in einigen Fällen die Verringerung der Rückwürfe auf ein absolutes Minimum sein kann.
Wo stehen wir also in diesem Prozess? Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Gutachten, die bald eingehen dürften, werden wir Fischereien auswählen, für die noch in diesem Jahr Rechtsvorschriften erarbeitet werden sollen, und gleichzeitig einen Fahrplan mit einem zeitlichen Rahmen für die späteren Vorschläge entwerfen, die im Laufe der Zeit sämtliche europäische Fischereien abdecken sollen.
Parallel dazu werden die Mitgliedstaaten, wie bei der Dezember-Ratstagung beschlossen, Möglichkeiten zur Verringerung der Rückwürfe in der Weißfischfischerei in der Nordsee austesten, um Rückwürfe von Weißfisch um 30 % zu verringern. Für Kabeljau wurde mit Norwegen die Vereinbarung getroffen, dass die Rückwürfe auf weniger als 10 % verringert werden müssen. Zu den weiteren Tätigkeiten gehören der Vorschlag für technische Maßnahmen im Atlantik, der Vorschlag für einen geänderten Plan zur Wiederauffüllung der Kabeljaubestände, die Überprüfung der Kontrollverordnung und verschiedene Studien und Folgenabschätzungen für die Legislativvorschläge.
Schließlich kann ich den Änderungsvorschlägen 1, 3, 5, 6, 8 und 10 bis 12 zustimmen. Die Änderungsvorschläge 2 und 7 hängen miteinander zusammen, und ich kann ihnen vorbehaltlich einer kleinen Änderung zustimmen. Was Änderungsantrag 9 betrifft, ist Vorsicht geboten, da diese Techniken noch weiter erforscht werden müssen. Es gibt hier Probleme mit hohen Kosten und Zuverlässigkeit.
Änderungsantrag 4 kann ich nicht unterstützen. Was die Änderungsanträge 13, 14 und 15 anbelangt, muss ich noch einige Überlegungen anstellen, da die Frage, welche Anreize angemessen sind, um Fischer zur Umsetzung einer wirksamen Rückwurfpolitik zu ermutigen, insgesamt noch weiter erörtert und geprüft werden muss, bevor eine endgültige Stellungnahme angenommen werden kann.
Gestatten Sie, dass ich abschließend noch einmal auf die dringende Notwendigkeit einer Legislativmaßnahme in diesem Bereich hinweise. Ich freue mich auf Ihre weitere Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung dieser Politik.
Avril Doyle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Durch Rückwürfe von Fischen in europäische Gewässer werden jährlich über eine Million Tonnen Fische zerstört, insbesondere in Fischereien, die mehrere Arten gleichzeitig befischen. Laut Schätzungen der FAO werden weltweit jährlich Millionen von Tonnen unerwünschte Beifänge ins Meer zurückgeworfen. Dies wirkt sich sehr negativ auf die wirtschaftliche Lage der Fischereien der Zukunft wie auch auf den Zustand der Meeres-Ökosysteme aus. Diese Praxis ist unmoralisch, ethisch bedenklich sowie äußerst umweltschädigend und ist eine direkte Folge der Gemeinsamen Fischereipolitik, die Fischer für die Anlandung von Beifängen bestraft und sie somit zu Rückwürfen zwingt – Fischer, die verzweifelt versuchen, von der Fischerei zu leben, während sie mit immer stärker zurückgehenden Fischbeständen konfrontiert sind.
Unser Hauptziel muss sein, diese unerwünschten Beifänge zu verringern und dafür zu sorgen, dass es praktisch keine Rückwürfe mehr gibt, indem ein Rückwurfverbot aufgestellt und gleichzeitig Anreize geschaffen werden, um zu gewährleisten, dass sämtliche unerwünschten Beifänge angelandet werden müssen. Wie und wann wir das Stadium eines Verbots erreichen, sollte jedoch Sache aller Beteiligten sein, einschließlich der Kommission, der Regionalbeiräte, der Fischer, der Wissenschaftler, der nationalen Regierungen und NRO, und dies, wenn nötig, für jede Fischerei einzeln. Die negative Spirale des Mikromanagements muss vermieden werden, und die Gemeinsame Fischereipolitik muss von Grund auf geändert werden, da die Rückwürfe diese ernsthaft in Misskredit bringen. Das Problem der Rückwürfe zu lösen, würde allen Beteiligten zugute kommen, insbesondere den Fischern. Die Einführung von Verboten ist möglich, wie die Beispiele Norwegen und Island zeigen.
Ich freue mich, wenn im Bericht unterstrichen wird, dass Fischer und andere Beteiligte die Verantwortung für eine Politik zur Abschaffung von Rückwürfen übernehmen und diese Politik mittragen sollen. Neue Wege zur Überwachung der Schiffe könnten genutzt werden wie elektronische Logbücher und Videoüberwachungsanlagen auf Fischereifahrzeugen, die in Kanada und Neuseeland versuchsweise angebracht wurden und sich als erfolgreich erwiesen haben. Der einzige Weg zu einer erfolgreichen Umsetzung eines wie auch immer gearteten Rückwurfverbots wird über die Einbeziehung der Fischer in die Überwachung und Kontrolle gehen und vor allem über Gruppendruck zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Ich danke dem Berichterstatter für seine Zusammenarbeit und für diesen ausgewogenen Bericht, den ich dem Parlament empfehle.
Catherine Stihler, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Rückwürfe sind eine unerträgliche Verschwendung. Jährlich werden in den europäischen Fischereien weltweit Unmengen an Fischen weggeworfen: Sieben bis acht Millionen Tonnen sollen es sein! Nichts für die Verringerung der Rückwürfe zu tun, ist keine Option, und wir haben jetzt den Bericht Schlyter, der als Initiativbericht eine Antwort auf die Mitteilung der Kommission von 2007 darstellt.
Die Mitteilung der Kommission ist zu begrüßen, auch wenn sie etwas verspätet kommt, und die Kommission beabsichtigt nun, schnell zu handeln und einige Aspekte im Jahr 2008 in eine neue Verordnung über technische Maßnahmen einfließen zu lassen.
In einer idealen Welt würden wir direkt zu einem umfassenden und sofortigen Verbot von Rückwürfen greifen. Aber die Wirklichkeit ist komplizierter. Der Bericht von Herrn Schlyter erkennt die Vielschichtigkeit des Problems der Rückwürfe an, und ich begrüße seinen umfassenden Ansatz sehr.
Er unterstreicht praktische Aspekte wie die Kosten für den Umgang mit Beifängen und die Frage, was mit angelandeten Beifängen geschehen soll, sowie die Kosten für die Einführung selektiveren Fanggeräts, die Auswirkungen eines Rückwurfverbots auf die zulässigen Gesamtfangmengen und die Quotenregelung und schließlich die Notwendigkeit, Fischern Anreize für nachhaltigeres Fischen zu geben. Es wird anerkannt, dass die Gründe für die Rückwürfe und die erforderlichen Maßnahmen zu deren Verringerung von Fischerei zu Fischerei verschieden sind und ein EU-weit einheitlicher Ansatz daher nicht funktionieren wird.
Eine Amnestie auf Beifänge ist nicht die Lösung, da dies die Entstehung eines Handels mit Beifängen fördern könnte, statt die Fischer zu einer nachhaltigeren Fischerei zu ermutigen. Angesichts des Stands der Überfischung und der Sorgen über die Fischereibestände insbesondere von Kabeljau und Rotem Thun müssen wir immer noch auf eine nachhaltige Bestandsbewirtschaftung achten.
Der Bericht stellt das Problem der Rückwürfe auch in den größeren Zusammenhang des Problems der Beifänge von Seevögeln und Haien und fordert eine bedeutende Anzahl von Pilotvorhaben in verschiedenen geografischen Gebieten, um das Phänomen der Rückwürfe zu untersuchen.
Ich rufe die Kollegen auf, diesen Bericht, der einen wichtigen Beitrag für den Umgang mit dieser schändlichen Rückwurfpraxis darstellt, zu unterstützen.
Elspeth Attwooll, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Die ALDE-Fraktion begrüßt nachdrücklich den Inhalt von Herrn Schlyters Bericht, der aufgrund seines vorsichtigen und doch sehr konkreten Ansatzes zu empfehlen ist.
Für die Öffentlichkeit ist nicht nachvollziehbar, wie wir es erlauben können, dass Fische gefangen und dann tot wieder ins Meer zurückgeworfen werden. Auch Fischer haben große Bedenken angesichts der Tatsache, dass ihnen diese Maßnahme in gewisser Weise aufgezwungen wird, da das derzeitige Zusammenspiel von Regeln und technischen Möglichkeiten bedeutet, dass einige Fische an Bord einfach nicht erwünscht sind. Manchmal liegt es daran, dass mit ihnen keine ausreichenden Einkünfte erzielt werden können. Wir müssen rasch und gemeinsam handeln, um Rückwürfen vorzubeugen, die sich aus dem Versuch zur Aufwertung der Fänge ergeben. Ich vermute, dass die Versuchung einer solchen Praxis in Fischereien, in denen die Anzahl der Tage auf See begrenzt ist, bereits geringer ausfällt.
Manchmal sind die Rückwürfe jedoch das Ergebnis von Bedingungen, die wir selbst festlegen, wie Mindestanlandegrößen und Quotenbeschränkungen. Natürlich brauchen wir zulässige Gesamtfangmengen, wenn wir es mit der Erhaltung ernst meinen. Meines Erachtens müssen wir jedoch die Methoden, die wir einsetzen, um die Fischerei im Rahmen dieser zulässigen Gesamtfangmengen zu halten, genau prüfen, um unter anderem herauszufinden, inwieweit zwischen der Festlegung von Quoten und dem Problem der Rückwürfe, insbesondere in gemischten Fischereien, ein Zusammenhang besteht.
Dies sowie die Annahme der im Bericht vorgeschlagenen Maßnahmen muss natürlich mit vollem Einsatz der Beteiligten unternommen werden. Ohne diesen haben wir keine Aussicht auf Erfolg. Die Fischereiwirtschaft gibt bereits den Weg vor. Ich bin besonders stolz auf die Schotten, die eine Regelung eingeführt haben, bei der Fanggründe freiwillig und mit sofortiger Wirkung für einen bestimmten Zeitraum geschlossen werden. Wir brauchen richtige Anreize für positive Schritte dieser Art, denn es bleibt noch viel zu tun. Ich vertraue darauf, dass das Parlament dem Bericht seine volle Unterstützung geben wird und dass die Kommission und der Rat den Empfehlungen des Berichts nachgehen werden.
Seán Ó Neachtain, im Namen der UEN-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Ich möchte anmerken, dass ich diesen Bericht gutheiße; der Berichterstatter hat meiner Meinung nach einen praktikablen, umfassenden Ansatz zum Umgang mit dem Problem von Fischrückwürfen auf See erarbeitet. Die Lage ist jedoch nicht so einfach, und jeder macht sich Gedanken über die neuen Methoden, die zum Einsatz kommen sollen.
Es wird Zeit, dass wir die umfangreichen Gespräche zu diesem Thema beenden und endlich handeln. Der Bericht enthält zahlreiche praktikable Vorschläge, die in die Tat umgesetzt werden könnten. Doch eines dürfen wir unter keinen Umständen tun: untätig bleiben. Wir müssen handeln, solange Fischrückwürfe ein Problem darstellen.
Ich möchte die Kommission zudem bitten, sicherzustellen, dass kleine Fischereibetriebe durch die Maßnahmen zur Lösung des Problems dieser Rückwürfe nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden.
Ian Hudghton, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) hat jämmerlich versagt. Sie hat es nicht vermocht, die Bestände zu erhalten, sie hat es nicht geschafft, unsere von der Fischwirtschaft abhängigen Gemeinschaften zu unterstützen, und sie hat es auch nicht geschafft, in der Öffentlichkeit Unterstützung oder Glaubwürdigkeit zu erreichen.
Einer der Hauptgründe dafür ist die skandalöse Rückwurfpraxis. Das Quotensystem der GFP ist an sich schon eine direkte Ursache für Rückwürfe. Nicht die Menge der gefangenen Fische wird gemessen, sondern lediglich die Menge der angelandeten Fische.
In dieser Hinsicht begrüße ich weitgehend diesen von Herrn Schlyter verfassten Bericht. Insbesondere stimme ich dem Grundsatz positiver Anreize voll und ganz zu, nach dem Fischer, die Maßnahmen zur Verringerung oder Vermeidung von Rückwürfen ergreifen, belohnt werden.
Ich teile auch die Ansicht, dass die Maßnahmen auf die verschiedenen Fischereien zugeschnitten werden müssen. Es ist schon lange ein großer Mangel der GFP, dass sie übermäßig zentralisiert und unflexibel ist. Ich weise auf Ziffer 15 hin, in der begrüßt wird, dass Schottland eine Regelung eingeführt hat, bei der Fanggründe freiwillig und mit sofortiger Wirkung geschlossen werden, was ein hervorragendes Beispiel für die Art Initiative darstellt, die von der GFP gefördert und belohnt werden sollte, jedenfalls solange wir sie noch als Bewirtschaftungsmaßnahme erdulden müssen.
Thomas Wise, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Rückwürfe sind nur ein Aspekt des Albtraums, den die GFP darstellt. Die EU zerstört durch ihre schlecht durchdachte Politik Existenzgrundlagen in Entwicklungsländern überall auf der Welt. Der Fisch-Export ist für die Entwicklungsländer unter Handelsgesichtspunkten weitaus wichtiger als andere Waren wie Reis, Kaffee oder Tee.
Mauretanien zum Beispiel ist abhängig von seiner Fischereiwirtschaft, die die Hälfte seiner Exporte ausmacht, was 15 % seines BIP darstellt. Nachdem die Kommission jedoch die Gewässer Mauretaniens ausgebeutet hat, will sie jetzt das Geschäft platzen lassen. Sie denkt, dass diese nun leer gefischten Gewässer nicht 86 Millionen Euro pro Jahr wert sind. Dieser Verrat eines Fischereiabkommens soll ein Geheimnis sein; nun, das war es bis jetzt. Ich denke, dass die Afrikaner von den schäbigen und ehrlosen Plänen der EU wissen sollten. Das ist Kolonialismus in seiner brutalsten Form, und ich beschuldige diese Institutionen des Rassismus und der Ausbeutung verwundbarer Gesellschaften. Präsident Barrosos nicht-imperialistisches Imperium ist nicht so gutartig wie er uns glauben machen will. Wenn Sie also weiter kommen wollen, verabschieden Sie sich von Giscard und lassen Sie den Vertrag von Lissabon sowie die GFP sausen.
Jim Allister (NI). – (EN) Frau Präsidentin! Die skandalösen Rückwürfe sind von der EU hausgemacht. Unmögliche Quoten und Beschränkungen werden der gemischten Fischerei aufgezwungen, unvermeidlich werden verbotene Fische gefangen und daher zurück ins Meer geworfen – und zwar tot. All dies während die Menschen in vielen Teilen der Welt an Hunger leiden.
Jahrelang hat die EU diesen Zustand beklagt, aber, ehrlich gesagt, nichts dagegen unternommen. Solche Fische sollten meines Erachtens angelandet werden; sie sollten zu einem festen Preis verkauft werden, der niedrig genug ist, um keinen Anreiz für absichtliche Fänge zu schaffen, und hoch genug, um deren Anlandung lohnenswert zu machen.
Ebenso ist es vernünftig und richtig, die Nutzung von selektiverem Fanggerät zu belohnen. Ich spreche mich jedoch eindeutig gegen jegliches pauschale Rückwurfverbot aus, da dies eine weitere Maßnahme darstellen würde, durch die noch mehr unserer Fischer ihre Tätigkeit aufgeben müssten.
Wir haben jahrelang über dieses Thema gegrübelt. Jetzt ist es an der Zeit, endlich tätig zu werden.
Carmen Fraga Estévez (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin! Im Großen und Ganzen unterstütze ich den Bericht des Berichterstatters als Ausdruck der anhaltenden Sorge über die mangelnde Flexibilität der Gemeinsamen Fischereipolitik bei der Lösung der unserem Fischereimanagementsystem innewohnenden Probleme, wofür die Rückwürfe einfach ein weiteres Beispiel sind.
Insbesondere stimme ich den Punkten zu, in denen dafür plädiert wird, dass die Einschränkung und allmähliche Abschaffung der Rückwürfe und unerwünschten Fänge spezifisch für jede einzelne Fischereiart angewendet werden und ein eventuelles Verbot nur verhängt wird, wenn feststeht, dass es keine anderen Alternativen gibt, wie der Rat und alle regionalen Beiräte erklärten.
Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, und wir könnten kein totales und allgemeines Verbot der Rückwürfe im Rahmen eines Bewirtschaftungssystems festlegen, das sie fördert, sowohl durch die starre TAC-Regelung und die geltenden Quoten als auch durch das Fehlen geeigneter technischer Maßnahmen, die einen Hauptfaktor zur Verhinderung von Beifängen darstellen und auf deren Revision und Anpassung für den Atlantik wir schon seit Jahren warten.
Was ich nicht akzeptieren kann, Frau Präsidentin, ist der Änderungsantrag 10, der die Schaffung eines parallelen Fischmarkt auf der Grundlage von ausgesondertem und daher illegalem Fisch ermöglichen würde. Meiner Ansicht nach müssen wir konsequent sein in der Verteidigung des Prinzips der Nichtvermarktung der Rückwürfe, wie in Ziffer 32 des Berichts dargelegt wird und wie es in Ländern mit einer größeren Tradition in diesem Bereich, wie Norwegen, vorgeschrieben ist.
Die Anreize zur Vermeidung von Rückwürfen müssen anderer Art sein: beispielsweise Anreize zu ihrer Minimierung durch die Anwendung von selektiverem Fanggerät. Es ist viel besser, wenn ein Jungfisch im Meer weiterlebt und wächst, um den Menschen oder anderen Fischen als Nahrung zu dienen, als dass er ausgesondert und zu Fischmehl verarbeitet wird.
Stavros Arnaoutakis (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich sagen, dass ich den Entwurf des Berichts über die Rückwürfe begrüße, und ich mache darauf aufmerksam, dass dies eines der wichtigsten Probleme in der europäischen und internationalen Fischerei ist.
Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum vorliegenden Bericht. Meiner Ansicht nach muss neben den vorgeschlagenen Maßnahmen eine gemeinsame Politik zur endgültigen Abschaffung von Rückwürfen umgesetzt werden. Diese Politik sollte auf der Grundlage einer Studie, in der diese Problematik in allen Fischereiländern der EU untersucht wird, und unter Berücksichtigung aller nationalen Studien sowie der weltweiten Forschung auf diesem Gebiet festgelegt werden.
Um das Problem entschlossen anzugehen, muss die EU unverzüglich eine Studie über die gesamte Fischereiausrüstung, alle Fischereimethoden und alle Arten von Fängen finanzieren. Außerdem muss sie darauf spezialisierte Forschungseinrichtungen mit der Durchführung dieser Studie beauftragen. Auf diese Weise kann die EU zentral die geeignetsten und wirksamsten Maßnahmen festlegen und die Mitgliedstaaten über Rechtsvorschriften zur Umsetzung verpflichten. Andernfalls befürchte ich, dass das Problem erörtert und dann auf die lange Bank geschoben wird, bis schließlich die gesamten Fischbestände vernichtet sind.
Philippe Morillon (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin! Auch ich möchte zum Ausdruck bringen, wie sehr ich das von unserem Berichterstatter vorgeschlagene Konzept zur Verringerung der Ressourcenvergeudung begrüße, die in der zu Recht kritisierten gegenwärtigen Praxis der Rückwürfe besteht.
Carl Schlyter war sich während der gesamte Erarbeitung seines Berichts bewusst, was eine sofortige Verhängung eines vollständigen Verbots der Rückwürfe für Folgen haben würde, zum einen für das schwache finanzielle Gleichgewicht der Fischer und zum anderen für die Kontrolle seiner Befolgung durch die Mitgliedstaaten und die Kommission, da dies von ihnen eine Aufstockung der Kontrollmittel erfordern würde, die unvereinbar mit der sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel wäre, zu der sie verpflichtet sind.
Daher hat er es vorgezogen, die schrittweise Einführung einer Reihe von Maßnahmen vorzuschlagen, die den Fischern den Anreiz bieten, selbst ihre Fangmethoden und ihr Fanggerät zu verändern, was ihm die weit reichende Zustimmung der Kommission eingebracht hat.
Struan Stevenson (PPE-DE). – (EN) (unverständlich) … von Anfang an, das halte ich für äußerst ehrgeizig. Gestatten Sie, dass auch ich Herrn Schlyter und Frau Doyle zu der vielen Arbeit gratuliere, die beide für diesen Bericht geleistet haben.
Mit Freude unterstütze ich Frau Doyles Vorschlag, die Fischer zu verpflichten, alles anzulanden, was sie fischen. Dies hat zahlreiche Vorteile. Wissenschaftler werden sich ein viel deutlicheres Bild davon machen können, welche Fische wo gefangen werden, wodurch genauere Bestandserhaltungs- und Bestandserholungspläne ausgearbeitet werden können. So könnten Fischereiinspektoren, wenn junge untermaßige Fische angelandet werden, unverzüglich eine vorübergehende Schließung einzelner Fanggründe fordern, um weiteren Druck auf unreife Bestände zu verhindern.
Im Rahmen dieser Maßnahmen könnten untermaßige Fische und andere Arten, die zuvor zurückgeworfen worden wären, dem verarbeitenden Sektor verkauft werden, der dringend Rohmaterial zur Versorgung der Fischmehl- und Fischölindustrie benötigt. Ihnen würde – über einen regionalen Ausgleichsfonds – ein symbolischer Betrag, sagen wir, in Höhe von etwa 50 Euro pro Tonne, gezahlt werden, was kein ausreichender Anreiz wäre, um diese Fische gezielt zu fischen und einen Schwarzmarkt entstehen zu lassen, den Frau Fraga Estévez fürchtet, aber zuviel, um sie tot ins Wasser zurückzuwerfen.
Der gesamte Ablauf könnte überwacht werden, indem an jedem Schiff wetterfeste Überwachungskameras angebracht werden. In einem Wirtschaftsbereich, der bereits durch die Begrenzung der Anzahl von Seetagen eingeschränkt ist, wird die für das Fangen und Aussortieren von kommerziell wertlosen Fischen verbrauchte Zeit als Verlust kostbarer Zeit angesehen. Daher denke ich, dass Fischer diesen Vorschlag unterstützen werden.
Rosa Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Schlyter für seine Arbeit danken. Vor allem freue ich mich, dass mehrere meiner eingereichten Änderungsanträge in den Text des heute zur Diskussion stehenden Berichts eingeflossen sind.
Ich meine vor allem jene, die klarstellen, dass die Rückwürfe nicht nur mit der Verwendung eines bestimmten Fanggeräts zu tun haben, sondern auch durch die Art der betreffenden Fischerei beeinflusst werden, wie im Fall der europäischen Fischereien, die nahezu alle mehrere Arten gleichzeitig befischen, wodurch die Gefahr von Rückwürfen größer ist. Deshalb muss jede Maßnahme, die ergriffen wird, auf den jeweiligen spezifischen Fall angewendet werden.
Dank meiner Änderungsanträge können wir aus dem Bericht auch entnehmen, dass die Rückwürfe durch eine Reihe von Faktoren verursacht werden, u. a. durch den exzessiven Fischereiaufwand und das derzeitige TAC-Konzept, das Rückwürfe von Fischen fordert, für die es keine Quote gibt. Deshalb müssen Maßnahmen getroffen werden, um zu verhindern, dass Arten mit zulässiger Größe, deren Fang unvermeidbar ist, zwangsweise zurückgeworfen werden müssen, nur weil es für sie keine entsprechende Quote gibt.
Nach diesen Ausführungen möchte ich Herrn Schlyter zur Vorsicht mahnen, denn nach der Kritik, die er in seiner Rede an den Fischern und diesem aufopferungsvollen und uralten Handwerk der Fischerei vorgebracht hat, weiß ich nicht genau, was wir hier tun oder ob Herr Schlyter den Kommissar, die Mitglieder des Fischereiausschusses und die Fischer in die Arbeitslosigkeit schickt. (Das ist ein Scherz, Frau Präsidentin).
Neil Parish (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Schlyter sehr für seinen Bericht. Ich halte ihn für hervorragend. Ich möchte auch dem Herrn Kommissar für den Teil seines Redebeitrags zu Beginn danken, in dem er zu einem Rückwurfverbot tendiert, da ich und viele andere Mitglieder dieses Parlaments, wie er sehr gut weiß, wiederholt beobachtet haben, wie er kurz davor stand, ein Rückwurfverbot vorzuschlagen, und ich denke, dass es höchste Zeit ist, dies zu tun.
Meiner Ansicht nach ist es letztendlich langfristig auch besser für die Fischer, wenn wir die Fischbestände schützen können, da wir nachhaltige Fischereien brauchen. Natürlich kann der wissenschaftliche Rat, auf den wir uns stützen, sehr oft fehlerhaft sein. Daher werden wir uns durch die Anlandung sämtlicher Fänge und Beifänge zur gründlichen Untersuchung derselben ein sehr viel besseres Bild vom Zustand der Fischbestände machen können. Ich denke ferner, dass einige Praktiken wie die Gespannfischerei und andere, die erschreckende Mengen von Beifängen mit sich bringen, die Lage noch deutlicher herausstellen werden. Natürlich werden viele mit dem Fangen von Delphinen, Haien und Schweinswalen verbundene Schwierigkeiten und zahlreiche andere Dinge durch die Anlandung der Beifänge ans Tageslicht kommen. Wenn wir also die richtige Menge von Anreizen schaffen können, damit diese angelandet werden, und nicht so viele, dass zu Beifängen ermutigt wird, dann, so meine ich, ist dies die Lösung. Ich begrüße also die Unterstützung des Herrn Kommissars für diesen Bericht, ich begrüße den Bericht selbst, und wir sollten ihn alle unterstützen.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich den Abgeordneten für Ihre interessanten Beiträge danken, die erneut zeigen, dass wir das gemeinsame Ziel haben, dieser unerträglichen Praxis ein Ende zu bereiten.
Wie ich bereits sagte, wird unser Vorschlag schrittweise, aber wirksame Maßnahmen beinhalten. Wenn wir realistisch sind, müssen wir zugeben, dass wir ein Rückwurfverbot schlicht und einfach nicht über Nacht herbeiführen können. Wie jedoch eine Rednerin sagte, ist Nichtstun keine Option. Zweifellos werden wir neben der Schaffung von Anreizen und der Ermutigung der Mitgliedstaaten zur Durchführung von Pilotprojekten, die zur Einführung einer Begrenzung der Rückwürfe oder vielleicht sogar zu Rückwurfverboten führen könnten, im Laufe dieses Jahres hoffentlich drei Legislativvorschläge zur Verringerung der Rückwürfe in bestimmten Fischereien unterbreiten.
Das Beispiel Schottlands, das vom Rat im Dezember angenommen wurde, ist sehr lobenswert.
Was die positiven Anreize angeht, stimme ich zu, dass diese wichtig sind, aber wir müssen die richtige Mischung und das richtige Maß finden, weil sie sich sonst als kontraproduktiv erweisen könnten und wir am Ende eine Situation haben könnten, in der wir mehr Fänge fördern, obwohl wir diese aus Gründen der Nachhaltigkeit verringern möchten, um höchstmögliche Dauererträge zu erzielen.
Ich möchte auch betonen, dass ich mit Ihnen absolut übereinstimme, dass unsere Vorschläge auf die einzelnen Fischereien zugeschnitten sein müssen und, wie ich bereits sagte, integrierte Anreize beinhalten müssen sowie die Fischer dabei unterstützen sollten, ihr Verhalten zu ändern.
In unserer TAC- und Quotenverordnung haben wir bereits Anreize beschlossen, um Fischer zur Nutzung selektiverer Fangmethoden zu bewegen und somit Rückwürfe zu vermeiden.
Im ersten und auch in weiteren Beiträgen wurde erklärt, die Rückwürfe seien auf die gemeinsame Fischereipolitik zurückzuführen. Ich möchte darauf hinweisen, dass dies nicht ganz stimmt, da die Rückwürfe auch durch die von den Fischern angestrebte Aufwertung der Fänge, die unabhängig von Quoten stattfindet, sowie durch Fänge von Jungfischen, die ebenfalls unabhängig von Quoten sind, entstehen. Es ist nur dann der Fall, wenn Fangquoten überschritten werden, aber auch da muss unterschieden werden, denn wenn es sich um eine saubere Fischerei handelt und die Quoten überschritten werden, dann wurde die Quote aus Gründen der Nachhaltigkeit festgelegt.
Eigentlich gibt es nur dann Rückwürfe aufgrund der TAC- und Quotenverordnungen, wenn bei einem gemischten Fang für eine gefangene Art aus Nachhaltigkeitsgründen eine niedrige Quote gilt und die anderen Fänge angestrebt werden.
Das sind die Aspekte, auf die wir eingehen möchten, um selektivere Fanggeräte einzuführen, damit die Fänge noch sauberer werden können – was eine der Methoden darstellt, durch die Rückwürfe wirksam verringert werden könnten.
Ich möchte auch betonen, dass Schätzungen der FAO zufolge Rückwürfe in Gemeinschaftsgewässern etwa eine Million Tonnen betragen. Weltweit betragen sie etwa acht Millionen Tonnen. Es handelt sich hier um sehr vorsichtige Schätzungen. Wenn man bedenkt, dass das System, über das wir verfügen, weniger als ein Zehntel aller Rückwürfe hervorbringt – unter Berücksichtigung der zulässigen Gesamtfangmengen und Quoten – muss es außer dem System der gemeinsamen Fischereipolitik meines Erachtens eine Reihe anderer Faktoren geben, die Rückwürfe begünstigen.
Wir suchen natürlich trotzdem aktiv nach Mitteln und Wegen, die Bewirtschaftung so zu verbessern, dass die zulässigen Gesamtfangmengen und Quoten sich dahingehend auswirken, dass Rückwürfe auf ein striktes Minimum begrenzt oder vollständig verboten werden.
Schließlich möchte ich zu der Bemerkung über Mauretanien sagen, dass wir gerade eine neue Absichtserklärung mit Mauretanien unterzeichnet haben und dass diese zu einem neuen Protokoll führen wird, das Mauretanien eine Summe garantieren wird, die genauso hoch ist wie im derzeitigen Protokoll, die aber die aktuellen Fischereimöglichkeiten realistischer widerspiegelt.
Wir werden Mauretanien also im Rahmen des Entwicklungsfonds Mittel gewähren, um es bei der Stärkung seiner Fischereiinfrastruktur und seiner Wirtschaft allgemein zu unterstützen, so dass Mauretanien auf diese Weise die volle Summe garantiert wird. Aber zumindest wird der Betrag, den wir für die Fische bezahlen, die tatsächliche Menge der Fische, die in mauretanischen Gewässern gefangen werden können, widerspiegeln.
Carl Schlyter, Berichterstatter. – (SV) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ja, Herr Kommissar, es gibt natürlich viele Gründe dafür, warum man Fisch über Bord wirft, aber ich bin nach wie vor der Ansicht, dass dies durch bestimmte Elemente unserer Fischereipolitik verschlimmert worden ist.
Da ist eine Sache, die ich Sie fragen möchte: Ich verstehe nicht so recht, warum Sie gegen Änderungsantrag 4 sind, der ja in die Richtung geht, die Sie selbst anstreben. In der jetzt vorliegenden Fassung des Berichts steht, dass ein Rückwurfverbot nur dann beschlossen werden soll, nachdem andere Abschreckungsmaßnahmen zum Einsatz gekommen sind. Bei der Annahme von Änderungsantrag 4 gehen wir doch von derselben Voraussetzung aus, dass wir ein Rückwurfverbot haben, dessen Umsetzung jedoch von den Bedingungen jeder einzelnen Fischerei abhängig ist. Ich verstehe daher nicht ganz, warum Sie gesagt haben, Sie wären gegen Änderungsantrag 4, aber vielleicht können wir uns darüber später noch unterhalten.
Mich stimmt optimistisch, dass wir trotz allem eine Art Konsens haben. Ich habe mich sowohl mit Wissenschaftlern als auch mit Fischern unterhalten, und es herrscht hier große Übereinstimmung in der Frage, was getan werden muss. Kommission und Parlament sind auf der gleichen Linie, und auch die Fischer und Umweltorganisationen sind mit an Bord. Das erfüllt mich mit etwas Optimismus. Vielleicht können alle Akteure in dieser Frage zusammenarbeiten und wir kommen zu Ergebnissen.
Für Änderungsantrag 10 wurde eine getrennte Abstimmung beantragt. Wenn wir für den ersten und gegen den zweiten Teil stimmen, können wir damit die Ausführungen von Frau Fraga Estévez berücksichtigen.
Vielen Dank. Mein Dank gilt auch allen, die sich an der Aussprache und an der Arbeit beteiligt haben. Es war mir ein Vergnügen, an diesem Bericht zu arbeiten.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am Donnerstag, dem 31. Januar 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Bogdan Golik (PSE), schriftlich. – (PL) Meine Damen und Herren!
Die Menge an zurückgeworfenem Fisch, die der Berichterstatter auf möglicherweise ein Viertel der Gesamtfangmenge schätzt, ist ein großes ökologisches und wirtschaftliches Problem, das uns nicht gleichgültig sein darf. Das Ausmaß des Phänomens deutet auf eine enorme Verschwendung von Ressourcen und eine starke Beschädigung der Artenvielfalt durch unverantwortliches Eingreifen des Menschen hin.
Mit einem Herumbasteln an den Vorschriften wird man nicht das gewünschte Ergebnis erzielen. Die Lage erfordert weitaus umfassendere Maßnahmen – eine vollständige Änderung des Ansatzes und der Denkweise bei der Frage. Wir müssen unsere Ziele deutlich festlegen, entsprechend kohärente GFP-Instrumente beschließen und die notwendige Finanzierung sicherstellen. Wir müssen verhindern, dass die Nebenwirkungen bestimmter Rechtsinstrumente einfach ignoriert werden, wie dies derzeit geschieht. Die Festlegung zulässiger Gesamtfangmengen oder Mindestgrößen der anzulandenden Fische (vor allem bei gemischten Fischereien) ist ein typisches Beispiel, da dies zu Rückwürfen führt.
Ich teile die Ansicht des Berichterstatters vorbehaltlos, dass unser Ansatz zur Verringerung der Rückwürfe im Wesentlichen in Anreizen für die Fischer bestehen sollte, nach neuen, innovativen Lösungen bei Fangmethoden und -geräten zu suchen. Ihre Erfahrungen und das Wissen der Forschergemeinschaft sollten stärker genutzt werden.
Ich möchte betonen, dass eine wirksame Informationskampagne entscheidende Bedeutung für den Erfolg dieser Strategie hat. Wenn die Fischereiindustrie nicht versteht, wie wichtig es ist, auf übermäßige Rückwürfe zu verzichten, und wenn es keine breite Unterstützung der Fischer gibt, ist die Strategie zum Scheitern verurteilt.
24. Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit von Gerardo Galeote im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung (Ο-0076/2007/rev.1 – Β6-0008/2008).
Gerardo Galeote, Verfasser. − (ES) Frau Präsidentin! Ein wichtiger Aspekt bei der Revision der Verordnungen über die Strukturfonds, die vom Ausschuss für regionale Entwicklung erfolgreich durchgeführt wurde, war die Förderung der territorialen Zusammenarbeit als vorrangiges Ziel unserer Kohäsionspolitik, deren Finanzierung, das möchte ich bemerken, vom Europäischen Parlament im Rahmen der Verhandlungen der Finanziellen Vorausschau erhöht wurde. Deshalb kann die Aufforderung zu dieser Debatte niemanden verwundern: Sie erfolgte einstimmig durch die Fraktionen, und ich eröffne sie im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung. Ich danke der Kommissarin für ihre Anwesenheit und bedaure, dass der Rat nicht in der Lage war, an einer Aussprache teilzunehmen, die ihn unmittelbar betrifft.
Aus den Erfahrungen, die wir im Laufe der Jahre bei der Anwendung der INTERREG-Programme gewonnen haben, können wir ableiten, dass das Fehlen einer Initiativstruktur mit ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit ihre Wirksamkeit beeinträchtigt hat, und wir begrüßen den Vorschlag der Kommission zur Schaffung von Europäischen Verbünden für territoriale Zusammenarbeit als Instrumente mit eigener Rechtspersönlichkeit.
In einem vereinten Europa der Staaten und Bürger erlangen die Regionen, wie es im Vertrag von Lissabon heißt, in diesen Körperschaften ihre höchste Ausdrucksform.
Ich sage das, wenngleich eine Reihe von Mitgliedstaaten während der Prüfung durch den Rat bereits Vorbehalte in Bezug auf den Nutzen der Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit zum Ausdruck gebracht haben.
Man kann darüber diskutieren, ob der Charakter und Inhalt der Verordnung, so wie sie angenommen wurde, zu vage sind und ob eine gewisse Rechtsunsicherheit entstanden ist, weil ihre Anwendung in zu vielen Fällen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften unterliegt.
Man könnte sagen, dass die Art, in der einige Mitgliedstaaten mit einer komplexen Situation umgehen, vom Grad ihrer Dezentralisierung abhängt, die sie zwingt, Strategien im Rahmen der territorialen Zusammenarbeit festzulegen.
Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die Verordnung 1082/2006 im Juli 2006 verabschiedet wurde, ein Jahr nach ihrer einstimmigen Annahme durch das Europäische Parlament auf Vorschlag unseres Kollegen Jan Olbrycht, und dass sie seit dem 1. August 2007 für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist.
Die Mitgliedstaaten hatten also sechs Monate Zeit, um die erforderlichen Anpassungen der Rechtsvorschriften vorzunehmen.
Doch nach den vorliegenden Informationen, und die Kommissarin möge mich korrigieren, wenn ich mich irre, haben nicht einmal zehn Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um zu sichern, dass die Verordnung zu diesem Zeitpunkt heute voll wirksam ist.
Bekanntlich hat die Europäische Kommission die Pflicht und Verantwortung, eine effektive Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass die Hindernisse, die einer solchen Umsetzung im Weg stehen können, ausgeräumt werden.
Informell abgegebene Erklärungen, dass das Prinzip der Subsidiarität Maßnahmen gegen säumige Staaten verhindert, werden nicht akzeptiert: Wenn das so wäre, könnten die Mitgliedstaaten die gemeinschaftliche Rechtsvorschrift hinauszögern oder sich weigern, eine Rechtsvorschrift der Gemeinschaft umsetzen, die sie als unzweckmäßig oder anfechtbar betrachten.
Folglich, Frau Hübner, fordern wir mit unserer Anfrage an die Europäische Kommission, das Parlament klar und deutlich über die Probleme zu informieren, mit denen die Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieser Verordnung konfrontiert sind.
Welche Mitgliedstaaten ergreifen nicht die erforderlichen Maßnahmen für die ordnungsgemäße Umsetzung der Verordnung, und welche Maßnahmen hat die Europäische Kommission getroffen oder gedenkt sie zu treffen – konkret, die Einleitung von Verstoßverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof –, um die Einhaltung der Verordnung durch alle Mitgliedstaaten zu garantieren und zu verhindern, dass die zugewiesenen Mittel durch die Unfähigkeit einiger Staaten, die festgelegten Bestimmungen zu erfüllen, aufs Spiel gesetzt werden?
VORSITZ: ADAM BIELAN Vizepräsident
Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass die einjährige Frist für die Annahme nationaler Vorschriften sehr ehrgeizig war. Wenn wir uns andere Verordnungen ansehen, bei denen Rechtspersönlichkeiten geschaffen werden, können wir feststellen, dass die vorgesehenen Fristen in der Regel drei bis vier Jahre betragen. Das ist ein Aspekt, den wir auch berücksichtigen müssen.
Um das Verfahren insgesamt zu beschleunigen, hat die Generaldirektion für Regionalpolitik einen Fragebogen ausgearbeitet, der die Elemente der Verordnung umfasst, die in den nationalen Vorschriften berücksichtigt werden müssen. Dieser Fragebogen wurde allen Mitgliedstaaten im März 2007 über die Netzwerke der Mitglieder des Fonds-Koordinierungsausschusses zugesandt. Im vergangenen Jahr war der Fragebogen auch zweimal Gegenstand von Diskussionen mit den Mitgliedstaaten anlässlich von Treffen des Fonds-Koordinierungsausschusses im April und Mitte Juli.
Wo stehen wir also heute bei der Umsetzung? Sechs Mitgliedstaaten haben bereits angemessene nationale Vorschriften erlassen: Ungarn, das Vereinigte Königreich, Bulgarien, Portugal, Rumänien und Spanien. In vier Mitgliedstaaten dürfte das Verfahren zur Annahme der nationalen Vorschriften sehr bald abgeschlossen sein: in Frankreich, Luxemburg, Deutschland und Belgien. Von den verbleibenden 17 Mitgliedstaaten haben 15 bereits das Verfahren zur Annahme im Parlament oder in der Regierung eingeleitet. Von zwei Mitgliedstaaten – Dänemark und Estland – haben wir jedoch noch keinerlei Informationen zum Stand der Umsetzung. Von ihnen wird erwartet, dass sie die Mitte Februar endende Frist einhalten, die im Schreiben des Generaldirektors festgelegt wurde, das allen Mitgliedstaaten zugeschickt wurde und in dem wir diese ersuchen, uns bis zum 14. Februar über ihr Verfahren zur Annahme von Vorschriften zu informieren. In demselben Schreiben, in dem wir diese Mitte Februar endende Frist für die Mitgliedstaaten festlegten, die uns noch darüber unterrichten müssen, ob sie bereits Vorschriften angenommen haben oder welchen Zeitplan sie für die Annahme haben, informierten wir die Mitgliedstaaten auch über die Vorbereitung des interinstitutionellen Seminars des Europäischen Verbunds für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (EVGZ), das gemeinsam mit dem Parlament und dem Ausschuss der Regionen am 19. Juni in Brüssel unter slowenischem Ratsvorsitz abgehalten wird. Wir ermutigten sie auch, sich an der EVGZ-Expertengruppe zu beteiligen, die vom Ausschuss der Regionen eingerichtet wurde.
Was ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren angeht, möchte ich zunächst sagen, dass es sich hier um eine sehr spezifische Verordnung handelt und nicht um eine Richtlinie. Wir haben es hier mit einer Verordnung zu tun, die in allen 27 Mitgliedstaaten unmittelbar gilt und von Seiten der Mitgliedstaaten zusätzliche Maßnahmen und nicht nur den Erlass von Durchführungsvorschriften erfordert. Nach dem 14. Februar, wenn wir von den einzelnen Mitgliedstaaten – insbesondere von denjenigen, deren Zeitplan für die Annahme der erforderlichen Vorschriften uns noch nicht bekannt ist – Antwort erhalten haben werden, von der jegliche Entscheidung der Kommission zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens abhängen wird, werden wir unseren Standpunkt erneut prüfen und sehen, wo ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird. In jedem Fall werden wir natürlich auch die Anwendung der Vorschriften sorgfältig prüfen, wenn diese in Kraft sind. Lassen Sie mich jedoch sagen – und ich denke, dass dies ein sehr wichtiger Aspekt dieses gesamten Verfahrens ist – dass am vergangenen Montag zwischen Frankreich und Belgien der erste EVGZ errichtet werden konnte, obwohl die nationalen Regelungen noch nicht angenommen wurden, da diese Verordnung direkt anwendbar ist und die regionalen und lokalen Behörden das Recht haben, Verbünde einzurichten. In nationalen Regeln muss das Verfahren für die Ex-ante-Überprüfung festlegt und eine zuständigen Behörde bestimmt werden, bei der die Anträge der regionalen oder lokalen Behörde auf Beteiligung an einem EVGZ eingehen würden. Es gibt europaweit derzeit etwa 30 Programme für Projekte, bei denen die Möglichkeit eines EVGZ in Betracht gezogen wird. Es gibt auch Regionen, die bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet haben. Zahlreiche Vorbereitungsarbeiten sind im Gange, so dass wir davon ausgehen, dass der Prozess sich beschleunigen wird, sobald die nationalen Durchführungsvorschriften endgültig festgelegt sein werden.
Jan Olbrycht, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Frau Kommissarin! Ich hatte die Ehre, der Berichterstatter für die Verordnung zu sein, mit dem der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit als Teil des europäischen Rechtssystems geschaffen wurde. Ich habe an vielen Gesprächen über die neuen Möglichkeiten teilgenommen, die eine territoriale Zusammenarbeit auf der Grundlage des neuen Rechtsinstruments eröffneten.
Die Argumente, mit denen die neuen Möglichkeiten betont wurden, waren von Befürchtungen organisatorischer und politischer Art, vor allem vonseiten der Vertreter der Mitgliedstaaten, begleitet. Schließlich wurde eine Verordnung entworfen, die Unterstützer und Skeptiker zufrieden stellte. Als man erkannte, dass die Einführung dieser neuen Form der Rechtspersönlichkeit in die nationalen Systeme zu Komplikationen führen könnte, einigten sich die Mitgliedstaaten auf eine Frist, zu der die Arbeiten an den entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften abgeschlossen sein müssten. Diese Frist wurde nicht eingehalten, und bislang haben nur einige wenige Staaten die Aufgabe erfüllt, darunter Bulgarien und Rumänien, die die Verordnung als Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes übernehmen mussten.
Entsprechend der Verordnung überwacht der Ausschuss der Regionen die Umsetzung und das Funktionieren der Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit und besitzt bereits aufschlussreiche Informationen über die Vorbereitungen zur Einrichtung der neuen Gremien. Aufgrund der vorliegenden Informationen kann ich sagen, dass die europäischen Organe – nicht nur die Kommission, sondern vor allem der Rat – eine besonders aktive Rolle dabei spielen müssen, die Regierungen davon zu überzeugen, die Maßnahmen zu ergreifen, die sie einleiten müssen und auf die sie sich zuvor geeinigt haben. Es wäre nicht von Vorteil, wenn die Umsetzung auf Urteile gestützt werden müsste, die eine Folge von Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof sind.
Rosa Miguélez Ramos, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Die Initiative INTERREG war von Anfang an der Keim einer echten polyzentrischen Idee vom europäischen Raum auf der Grundlage grenzüberschreitender, transnationaler und interregionaler Zusammenarbeit.
Dieses neue Rechtsinstrument, der EVTZ, entstand wegen der Schwierigkeiten, die sich bei derartigen Aktionen infolge der verschiedenen Systeme und unterschiedlichen Verfahren ergaben.
Die Lösung, die das Europäische Parlament in fast zwei Jahren legislativer Arbeit erreichte, gestattete und gestattet es den öffentlichen Behörden und Einrichtungen, sich als in der gesamten Union anerkannte Körperschaften mit Rechtspersönlichkeit zu registrieren.
Die Mitgliedstaaten waren gefordert, wie schon bemerkt wurde, bis zum 1. August 2007 eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen. Angesichts der sehr offenkundigen Verzögerung hielt der Ausschuss der Regionen im Juli ein Seminar ab, um die Situation zu analysieren, zu dem ich als Berichterstatterin eingeladen wurde. Bei dem Seminar unterbreitete ich als Zeichen der Bereitschaft des Europäischen Parlaments zur Zusammenarbeit bei der Suche nach einer Lösung eine Anfrage, die Frau Kehl gemeinsam mit mir unterzeichnete und die den Grundstein für die Debatte bildete, die wir jetzt führen.
Heute, Frau Kommissarin, kann ich mit Stolz sagen, dass mein Land, Spanien, und meine Region, Galicien, zusammen mit der nördlichen Region Portugals, eine Vorreiterrolle übernommen haben und ein Modell darstellen, dem andere europäischen Regionen folgen können.
Deshalb möchte ich Sie fragen, wie das Europäische Parlament mit der Kommission zusammenarbeiten kann, um die noch säumigen Länder zu bewegen, ihre nationalen Rechtsvorschriften anzupassen und sich zu solchen territorialen Verbünden zu verpflichten und sie zu bilden?
Mojca Drčar Murko, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SL) Während der Aussprache über diese Verordnung waren wir uns bewusst, dass der springende Punkt die Wahl der Rechtsgrundlage für die im Rahmen der territorialen Zusammenarbeit zu erlassenden Rechtsakte war. Mit dieser Verordnung sollten die Kooperationspartner in die Lage versetzt werden, Rechtsvorschriften anzuwenden, die in beiden Ländern denselben Effekt haben, denn das bisher praktizierte Verfahren der gleichzeitigen Anwendung zweier Rechtssysteme hatte sich als nicht wirksam erwiesen. In dieser Hinsicht ist die Verordnung eindeutiger als alle ähnlich gearteten früheren Dokumente. Das bedeutet, es ist das Recht des Ortes anwendbar, an dem die Behörde für grenzüberschreitende Zusammenarbeit ihren Sitz hat, sofern eine solche Behörde geschaffen worden ist.
Uns war bekannt, dass diese Verordnung nicht als neues Rechtsinstrument, sondern als Werkzeug in Verbindung mit anderen bereits vorhandenen Strukturen dienen sollte. Nunmehr steht unzweideutig fest, dass diese Verordnung nicht in der gesamten Europäischen Union dieselbe Wirkung haben wird und dass wegen der von den Staaten festgelegten unterschiedlichen Bedingungen höchstwahrscheinlich verschiedenartige Verbünde für territoriale Zusammenarbeit entstehen werden. Damit die Verordnung wirksam angewendet werden kann, müssen die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften den Bestimmungen von Artikel 16 entsprechend angepasst werden. Nur wenn das geschieht, können wir tatsächlich davon ausgehen, dass die einheitliche Anwendung längerfristig Wirkung zeitigt.
Die Mitgliedstaaten sind daher aufgefordert, Rechtsvorschriften zu verabschieden, mit denen die Entwicklung der territorialen Zusammenarbeit auf den Weg gebracht und die Rechtssicherheit ihres Rahmens gefördert werden. Kurzum, wegen ihrer Unvollkommenheit wird die Verordnung wohl zu einer Art Rechtslabor für den Vergleich von Praktiken und Bedingungen, sofern und sobald sie von den Staaten festgelegt werden. Deshalb wäre es sinnvoll, systematisch Fälle zu überwachen, in denen die Verordnung Anwendung findet und damit gleichzeitig eine öffentliche Datenbank der Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit zu schaffen.
Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Worum geht es eigentlich am heutigen Abend? Wir versuchen, bezüglich einer Situation Bilanz zu ziehen, die aus einer sehr klaren Entscheidung hervorgeht, die vom Europäischen Parlament und zwischen den drei Institutionen getroffen wurde und in der wir verlautbart haben, dass nun neue Instrumente zur Verbesserung der grenzüberschreitenden territorialen Zusammenarbeit zur Verfügung stehen.
Noch immer sind nationale Grenzen Narben der Vergangenheit, die manchmal quer durch Gemeinden und neue Entwicklungsgebiete verlaufen. Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Krankenhäusern usw. in Europa ist gefragt. Wir brauchen neue Instrumente, und wirft man einen kritischen Blick auf die verabschiedete Gesetzgebung, so ist der den einzelnen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehende Umsetzungsspielraum ausgesprochen groß. Aus diesem Grund ist es angesichts der Notwendigkeit einer Beschleunigung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit äußert enttäuschend, dass so wenige EU-Mitglieder – die doch auf all diese Freiheiten gepocht haben – diese nun umsetzen.
Das Parlament fordert daher zu Recht die Kommission und vor allem den Rat auf, der heute Abend durch Abwesenheit glänzt, Verantwortung zu übernehmen und schnell Taten folgen zu lassen. Erfreulicherweise gibt es anderswo positive Beispiele – der Ausschuss der Regionen wurde gerade genannt – für Möglichkeiten, den Integrationsprozess zu beschleunigen, ohne die Rechtssysteme der nationalen Behörden in Frage zu stellen. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen müssen.
Manche Leute haben davor Angst: Offenbar sind die Hürden zu hoch. Wir haben heute Abend hier über Energieeffizienz in der bebauten Umgebung diskutiert. Fünf Jahre hat es gedauert, bis sich die Einzelstaaten an die Umsetzung gemacht haben. An dieser Stelle ist es meines Erachtens notwendig, gemeinsam die Initiative zu ergreifen, damit innerhalb eines Jahres die Zahl von sieben Staaten auf 25 bis 27 wächst. Das muss möglich sein. Darum erwarte ich vom Rat eine Antwort, aber der Rat ist heute Abend bedauerlicherweise nicht anwesend.
Gábor Harangozó (PSE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Kommissarin! Meine Damen und Herren! Aufgrund der besonderen Lage Ungarns ist für uns die Förderung der praktischen Durchführung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit besonders wichtig. Aus eben diesem Grund war Ungarn eines der ersten Länder, die nationale Vorschriften formuliert und eingeführt haben, die der Schaffung der EVTZ im Gemeinschaftsrecht entsprechen. Da die Anwendung des neuen Instruments in der Praxis jedoch auf Schwierigkeiten stößt, möchten wir eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, die in Zusammenarbeit mit unseren Partnern in diesem Programm ein Handbuch erarbeitet.
Ich möchte die Kommissarin fragen, ob sie eine Arbeitsgruppe EVTZ im Rahmen des Unterstützungsprogramms INTERACT befürwortet und, wenn das der Fall ist, wie dies verwirklicht werden kann. Darüber hinaus sind nicht nur interne grenzüberschreitende Programme, sondern auch externe IPA- und ENPI-Programme von Bedeutung für die EVTZ. Unsere internen grenzüberschreitenden Programme sind bereits durch die Europäische Kommission bestätigt worden, und die Programme im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) werden wahrscheinlich im Februar genehmigt. Zum Abschluss der Planungsarbeiten für die durch die ENPA finanzierten grenzüberschreitenden Programme zwischen Ungarn, Rumänien, der Slowakei und der Ukraine müssen wir jedoch noch die von der Kommission zu erstellenden Indizes abwarten.
Ich möchte auch anfragen, wann wir die Veröffentlichung der Indizes der Kommission in Bezug auf die Nachbarschaftsprogramme erwarten können. Vielen Dank.
Jean Marie Beaupuy (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Lassen Sie mich zum Ausdruck bringen, mit welcher Freude ich heute Abend das Wort zu diesem Thema ergreife, denn bei der Beratung dieses von Jan Olbrycht vorgelegten Berichts habe ich bereits gesagt, welche Hoffnung ich mit diesem Bericht verbinde.
Zufälligerweise hat sich gestern das Parlament in Frankreich mit diesem Thema befasst, und alle Fraktionen – was hervorzuheben ist, denn dies kommt nicht häufig vor – haben die Einführung dieses EVTZ begrüßt. Es sind zahlreiche Beispiele angeführt worden, die zeigen, dass es in Nordfrankreich, in Südfrankreich, in den Alpen, in Lothringen gute Gründe gibt, solche Verbünde sehr schnell ins Leben zu rufen. All dies wird, wie die Frau Kommissarin anführte, durch das Beispiel von Lille bestätigt, wo letzten Montag ein EVTZ für zwei Millionen Einwohner Belgiens und Frankreichs gegründet wurde.
Warum sind mit den EVTZ so große Hoffnungen verbunden? Weil unsere Kollegen drei, vier Jahre lang nach juristischen Formen gesucht, aber keine gefunden haben. Mit dem EVTZ liegt nun die Lösung vor. Jetzt erwarten wir, dass die 70 000 Franzosen, die täglich in Luxemburg arbeiten, die 30 000 Franzosen, die in Monaco und Italien ebenso wie in Spanien und anderswo arbeiten, jetzt mit den EVTZ wirklich neue Formen der Zusammenarbeit verwirklichen können.
Ebenso wie meine Kollegen erwarte ich, dass die Frau Kommissarin die Staaten, die in Verzug sind, auf Trab bringen wird. Abgesehen von dem erforderlichen Regelungszwang kann man ihnen sagen, dass bestimmte Länder solche Verbünde bereits voller Freude umsetzen.
Rolf Berend (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit soll grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Kooperationsmaßnahmen durchführen und verwalten. Ja, der Verbund soll die Qualität des täglichen Lebens unserer Bürger verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen steigern, die Reichweite unserer Forschungs- und Bildungszentren erweitern und nicht zuletzt auch die Umwelt erhalten.
Für die Unterstützung der Maßnahmen ist eine finanzielle Beteiligung der EU nicht zwingend erforderlich. Die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften werden mit diesem Instrument in die Lage versetzt, einen grenzüberschreitenden Verbund mit eigener Rechtspersönlichkeit zu gründen – eine bedeutende Neuerung in Bezug auf die Möglichkeit zur Realisierung der territorialen Zusammenarbeit. Die EVTZ bietet eine einmalige Gelegenheit, Synergien über die institutionellen Ebenen hinaus herzustellen und bessere, koordinierte Investitionen und eine einheitliche und effiziente Nutzung von Ressourcen zu gewährleisten.
Am 5. Juli 2006 wurde – wie wir wissen – dieses Instrument durch eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates geschaffen. Bis zum 1. August 2007 sollten alle Mitgliedstaaten ergänzende Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften erlassen haben. Die Tatsache, dass bis dato nur fünf oder sechs Mitgliedstaaten nationale Bestimmungen erlassen haben, ist Anlass zu großer Sorge. Die Leidtragenden sind die potenziell engagierten Teilnehmer, die sich mit guten Ideen und innovativen Projekten um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit bemühen. Insofern ist die Anfrage berechtigt, und wir erwarten hier auch eine dringende Auskunft seitens des Rates.
Stavros Arnaoutakis (PSE). – (EL) Herr Präsident, Frau Hübner! Die territoriale Zusammenarbeit ist das dritte Ziel der Kohäsionspolitik für den neuen Programmplanungszeitraum. Nach dieser Zielsetzung ist die Zusammenarbeit zur Förderung einer ausgewogenen, harmonischen Entwicklung der Regionen in Europa von größter Bedeutung.
Der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit ist ein neues Instrument, das es ermöglicht, Verbünde für eine Zusammenarbeit zwischen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften aus unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten mit einer Rechtspersönlichkeit auszustatten. Die Entscheidung zur Schaffung dieses Instruments wurde nicht leichtfertig getroffen. Sie ist eine Reaktion auf technische und rechtliche Probleme, die bei Kooperationsprogrammen auftreten. Leider muss nun, sechs Monate nach Ablauf der gesetzten Frist, festgestellt werden, dass von den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften noch kein Verbund für territoriale Zusammenarbeit eingerichtet worden ist, weil es die Mitgliedstaaten ohne triftigen Grund versäumt haben, entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung der Verordnung zu treffen oder weil sie die Einleitung dieser Maßnahmen verzögern. Wir müssen den Mitgliedstaaten gegenüber nun unmissverständlich klarstellen, dass die EU-Organe größten Wert auf die ordnungsgemäße Umsetzung der Verordnung im neuen Programmplanungszeitraum sowie auf die Zusammenarbeit als Instrument zur Verwirklichung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts legen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Fünfzig Jahre sind seit der Entstehung der ersten Euroregion entlang der deutsch-niederländischen Grenze vergangen. Seither sind viele weitere Regionen eine Zusammenarbeit eingegangen. Sie unterstützen einander bei der Lösung ähnlicher oder identischer Probleme, die in Grenzregionen häufig auftreten. Sie schaffen neue Arbeitsplätze und teilen ihre Kultur.
Die Verordnung über die Schaffung eines Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit, die im Juli 2006 verabschiedet wurde, scheint ein durchaus geeignetes Instrument für regionale Zusammenarbeit und ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Sie bietet den Regionen Flexibilität bei der Zusammenarbeit und hat einen günstigen Einfluss auf die Bevölkerung der Mitgliedstaaten, die Wirtschaft und das Geschäftsumfeld. Umso bedauerlicher ist es daher, dass die Mitgliedstaaten diese nützliche Verordnung nicht in einzelstaatliches Recht umgesetzt haben, obwohl dies bis zum 1. August 2007 geschehen sein sollte.
Viele Regionen sind sehr am Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit interessiert, da er ihnen einerseits die Möglichkeit bietet, mit anderen Regionen zusammenzuarbeiten, ihnen andererseits aber ein erhebliches Maß an Unabhängigkeit in ihren Beziehungen mit Regierungen und Zentralverwaltungen einräumt. Er hat zudem einen günstigen Einfluss auf das Leben der Bevölkerung in den einzelnen Regionen: Eines der Ziele der regionalen Zusammenarbeit besteht in der Förderung einer effizienteren Entwicklung der Humanressourcen und somit darin, ein Gleichgewicht in der Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf den regionalen Arbeitsmärkten zu erreichen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass der EVTZ auch der Geschäftswelt dienen wird, indem er nämlich die Entwicklung der Wirtschaft unterstützt und das Ziel verfolgt, ihre Produktivität und Struktur zu verbessern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und gefährdete Arbeitsplätze zu stabilisieren. Einzelne Verbünde für territoriale Zusammenarbeit werden in der Lage sein, einen Beschäftigungsanstieg und die soziale Eingliederung aktiv zu fördern.
Die Verordnung vereinfacht und fördert die regionale Zusammenarbeit in den Mitgliedstaaten der Union und erleichtert so den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Das ist eine gute Sache, und aus diesem Grund ersuche ich den Rat und die Kommission dringend, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Umsetzung dieser Verordnung in den einzelnen Mitgliedstaaten sicherzustellen.
Antolín Sánchez Presedo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Der europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit stellt ein neues Werkzeug zur Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion in der Union dar.
Er ist ein Instrument für eine fortgeschrittene und strukturierte Zusammenarbeit mit eigener Rechtspersönlichkeit, das Zugang zur Gemeinschaftsfinanzierung und zu Mitteln aus anderen Quellen hat.
Der Höhepunkt in Braga vor zehn Tagen auf dem 23. portugiesisch-spanischen Gipfel bildete einen entscheidenden Meilenstein. Beide Länder gehören zu den sechs, die bereits die notwendigen Bestimmungen für die wirksame Umsetzung der europäischen Verordnung vom Juli 2006 verabschiedet haben.
Die Regierung von Galicien und die Behörden der nördlichen Region Portugals, die im November 2006 die Erarbeitung des Entwurfs des Übereinkommens und der Statuten abgeschlossen hatten, werden demnächst einen Verbund gründen, zu dem 6 400 000 Einwohner gehören und der seinen Sitz in Vigo haben wird.
Sie werden eine führende Rolle bei der Errichtung einer Euroregion mit Regierungsorganen spielen, die eine ambitiöse und beispielhafte europäische Zusammenarbeit der neuen Generation fördern wird.
Ihre Anstrengungen verdienen die Anerkennung des Europäischen Parlaments.
Ivo Belet (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Wie bereits mehrfach gesagt wurde, stellt der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) ein ausgesprochen nützliches Instrument dar, insbesondere für die Grenzregionen. Es freut mich außerordentlich, Frau Kommissarin, dass Sie auf das Projekt an der französisch-belgischen Grenze hingewiesen haben. Auch Herr Beaupuy hat bereits darauf Bezug genommen. Die Städte Kortrijk, Doornik und Lille haben just in dieser Woche eine Zusammenarbeitsvereinbarung mit dem Ziel geschlossen, konkret bei Projekten zusammenzuarbeiten, die unter anderem die Öffentlichkeit betreffen. Ferner geht es um grenzüberschreitende Arbeit, öffentlichen Verkehr, die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und die Verbrechensbekämpfung – in diesen Bereichen erwarten die Menschen konkrete Problemlösungen von uns.
Auch in einer anderen Grenzregion – an der Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden – sind verschiedene konkrete Initiativen angelaufen, um die praktische Zusammenarbeit zwischen Universitäten anhand eines EVTZ zu fördern. Dies betrifft die belgische und die niederländische Provinz Limburg sowie die Region Aachen. Ziel ist es, mit Hilfe eines EVTZ eine transnational fusionierte Universität ins Leben zu rufen, wobei der EVTZ eingesetzt werden soll, um viele noch bestehende verwaltungstechnische Hindernisse zu überwinden bzw. zu umgehen.
Herr Präsident, Frau Kommissarin, der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit löst natürlich nicht alle Probleme, und mir ist klar, dass – wie wir bereits gehört haben – viele Mitgliedstaaten davon erst noch Gebrauch machen müssen. Dennoch sollten wir schon heute auf der Grundlage der vorläufigen Erfahrungen mit diesem Instrument weiter in die Zukunft schauen und auf Basis dieser ersten Evaluierung über Verbesserungen nachdenken. Bestimmte Probleme müssen gelöst werden, wie die unterschiedlichen sozialen Regelungen, mit denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konfrontiert werden, die im Rahmen eines EVTZ arbeiten.
Frau Kommissarin! Ich kann nur sagen, es ist äußerst wichtig, dass die Kommission weiterhin auf jene Regierungen Druck ausübt, die es bislang versäumt haben, diesem Instrument Leben einzuhauchen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Frau Kommissarin! Die Zahl der Projekte in Grenzregionen – und zwar sowohl der erfolgreich abgeschlossenen als auch der zurzeit laufenden Projekte, die gerade unter der Federführung von Euroregionen entwickelt werden – beweist, dass es eine ganze Reihe von Entwicklungsmaßnahmen mit viel Potenzial gibt, und dass diese Maßnahmen nicht ohne Hilfe der EU umgesetzt werden könnten.
Es muss jedoch klare Vorschriften geben, denn andernfalls wird das Geld nicht verwendet werden. Ich vertraue darauf, dass diese Aussprache die interessierten Grenzparteien zur Teilnahme am EVTZ ermutigen wird.
Die Grenzparteien, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, müssen von den Mitgliedstaaten ermittelt werden. Die Kommission muss ihre Bemühungen verstärken, um zu garantieren, dass die grenzübergreifende Zusammenarbeit nicht gefährdet wird. Die Euroregionen sind grenzübergreifende Strukturen, die schon lange existieren und im vorhergehenden Programmplanungszeitraum Aufgaben im Rahmen von INTERREG wahrnahmen, vor allem im Fall kleiner Projekte, bei denen Menschen aus benachbarten Regionen zusammenkamen und persönliche Kontakte knüpften.
Ich glaube nicht, dass die Euroregionen gescheitert sind. Ich bin überzeugt, dass die Euroregionen mit der aktiven Unterstützung der Kommission, der Mitgliedstaaten, der regionalen und nationalen Regierungen, der Industrie- und Handelskammern und aller Menschen, die in Grenzregionen zu Hause sind, ihre Erfahrung nutzen werden, um von diesem neuen EVTZ-Instrument Gebrauch zu machen.
Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich danke den Abgeordneten vielmals für ihre Beiträge und insgesamt für die Unterstützung, die sie diesem Instrument entgegenbringen, sowie für ihr Engagement.
Gestatten Sie mir, in Erinnerung zu rufen, dass kein Mitgliedstaat die Umsetzung dieses Instruments abgelehnt hat, was meines Erachtens sehr wichtig ist. Es steht außer Zweifel, dass es von allen umgesetzt werden muss. Ich habe in meinen einleitenden Bemerkungen zu erklären versucht, wie wir uns bemüht haben, auf den Abschluss hinzuarbeiten und den gesamten Prozess durch sehr unterschiedliche Maßnahmen zu beschleunigen. Natürlich können wir auch heute noch direkt durch Ihre aktive Präsenz in Ihren Mitgliedstaaten und Regionen Unterstützung bieten, so wie wir es das ganze letzte Jahr getan haben. Bei all meinen Besuchen, Treffen und Konferenzen – nicht nur über territoriale Zusammenarbeit, sondern auch über das zentrale Anliegen der Politik – haben wir ermutigt, geredet und Anweisungen gegeben. Wir haben viel mit den Regionen zusammengearbeitet, um ihnen zu helfen, sich für die Umsetzung dieses neuen Instruments für die Zusammenarbeit vorzubereiten.
Ich denke jedoch, dass wir uns nun auf dem Weg befinden. Meiner Meinung nach ist das Bewusstsein in den Mitgliedstaaten bedeutend gestiegen. Ich hoffe, dass die meisten nationalen Anpassungen für die Durchführungsverordnungen nach dem Anstoß, den der Generaldirektor durch seine jüngsten Maßnahmen gegeben hat, bis Juni stehen werden.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass jedes Programm sein Management jederzeit auf den EVGZ übertragen kann, so dass der Politik kein Schaden dadurch entsteht, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Anpassungen noch nicht eingeführt haben. Jedes Projekt kann dieses Instrument also für seine Umsetzung nutzen, und, wie wir wissen, kann es bis Ende 2013 neue Projekte geben. Es besteht also auch hier keine Gefahr.
Das ist kein Trost, aber ich möchte, dass Sie auch sehen, dass die Tatsache, dass noch nicht alle Durchführungsvorschriften abgeschlossen wurden, in dieser Hinsicht keinen Schaden anrichtet.
Wir können heute ein großes Interesse anderer Generaldirektionen in der Kommission beobachten, die dieses Instrument unbedingt für das siebte Rahmenprogramm, aber auch im Rahmen des Programms für Wettbewerb und Innovation sowie in anderen Politikbereichen nutzen möchten.
Sie sollten die Regionen bei Ihren Treffen auf regionaler und lokaler Ebene daran erinnern, dass, wie das jüngste Beispiel von Frankreich und Belgien deutlich zeigt, der EVTZ auch gegründet werden kann, wenn es noch keine Durchführungsvorschriften gibt, und dass ein Mitgliedstaat ad hoc eine Behörde einführen und bestimmen kann, an die sich die regionalen und lokalen Einrichtungen wenden können, um Informationen über die Gründung des EVTZ zu erhalten.
Zum Handbuch über EVTZ kann ich sagen, dass INTERACT daran arbeitet. Im März wird in Brüssel eine Konferenz stattfinden, und alle Interessenten werden zu diesem Seminar über die Erstellung des Handbuchs eingeladen werden.
Was das Madrider Abkommen betrifft, sollten wir nicht vergessen, dass es bis jetzt 20 Jahre gedauert hat, dieses Abkommen zu ratifizieren, und, wenn ich mich recht erinnere, haben noch nicht alle unsere Mitgliedstaaten dieses Abkommen ratifiziert. Diese Verordnung wurde vor weniger als zwei Jahren neu verhandelt, und wir befinden uns jetzt im ersten Jahr ihrer Umsetzung.
Ich denke, das wäre die Antwort auf Ihre Beiträge. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir uns hier voll und ganz engagieren, weil wir den Mehrwert sehen, und wir arbeiten mit den Regionen zusammen. Das ist auch der Grund, weshalb so viele von ihnen so gut vorbereitet sind. Wir sehen alle Aspekte, die Sie genannt haben und die den Mehrwert dieses Instruments ausmachen.
Selbstverständlich dürfen wir nicht vergessen, dass dies nicht die Finanzmittel garantiert. Es handelt sich nicht um ein Projekt, sondern um ein Instrument, das wir für die Zusammenarbeit nutzen wollen. Aber natürlich kann der EVGZ gemäß den normalen Verfahren im Rahmen der Europäischen Kohäsionspolitik Gemeinschaftsmittel bekommen. Auch dies sollte nicht vergessen werden.
Vielen Dank noch einmal für Ihr Interesse. Wir sind entschlossen, diesen Prozess so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Art. 142)
Bairbre de Brún (GUE/NGL), schriftlich. – (GA) Ich möchte anregen, dass der Ausschuss für regionale Entwicklung Initiativen ergreifen und Druck ausüben sollte, um Maßnahmen zu bewirken, die es erlauben, Fähigkeiten und Kompetenzen in einem Europäischen Verbund für regionale Zusammenarbeit zu vereinigen mit dem Ziel, die Verfahrensweisen aufzudecken.
Die neuen EVTZ dienen dazu, Rechtsvorschriften in Mitgliedstaaten durchzusetzen sowie eine neue Dynamik bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu erzeugen und werden dazu beitragen, ein höheres Maß an Vertrauen und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg aufrechtzuerhalten.
In meinem geteilten Heimatland könnten derartige Initiativen und andere EU-Fördermaßnahmen, die darauf abzielen, die nachteiligen Folgen der Teilung für Irland zu begrenzen, eine entscheidende Rolle spielen. Ich unterstütze voll und ganz den vernünftigen Denkansatz, der einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zugrunde liegt, da er ein europäisches Ideal darstellt.
Für Irland ist es dringend notwendig, jeden nur erdenklichen Weg einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auszuloten, da unsere Grenzgebiete in armen Bezirken liegen und einen niedrigen Entwicklungsstand aufweisen. Wir haben viel Zeit vertrödelt und nach Ausreden gesucht. Die Mitgliedstaaten sind in der Pflicht, die Grenzgebiete bei der schnellstmöglichen Umsetzung der EVTZ zu unterstützen.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Das Problem der Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten ist kein neues Problem. Ich wage zu behaupten, es besteht in den meisten gemeinschaftlichen Politikbereichen.
Die Ausarbeitung eines gemeinsamen Standpunkts von 27 Staaten auf europäischer Ebene ist in der Tat nur der Beginn eines mühsamen Prozesses der Harmonisierung und Umsetzung der beschlossenen Grundsätze. Es ist höchste Zeit, dass die Mitgliedstaaten selbst Verantwortung für diesen Prozess übernehmen. Die Wirksamkeit unserer gemeinsamen Bemühungen auf europäischer Ebene hängt größtenteils vom Engagement und von der Umsetzung der Empfehlungen durch die nationalen Verwaltungen der Mitgliedstaaten ab.
Notwendig ist eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen unserer öffentlichen Verwaltung. Ich kann sicherlich sagen, dass wir als Mitglieder des Europäischen Parlaments, die direkt von den Menschen in den einzelnen Mitgliedstaaten gewählt werden, bereit und offen für jede Form der Zusammenarbeit mit unseren nationalen und regionalen Verwaltungen sind, die dazu beitragen kann, die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu verbessern und zu beschleunigen.
Wir können nicht zulassen, dass Fragen wie die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, die eine der Grundprinzipien der Verträge ist, an den Rand gedrängt werden – wie dies bei dem uns heute vorgelegten Problem der Fall ist. Eine entsprechende Verordnung der EU zu Verbünden der territorialen Zusammenarbeit gibt es seit Juli 2006, doch bisher ist es unmöglich, sie zu nutzen, da die entsprechenden Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten fehlen.
25. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll