Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über:
- die mündliche Anfrage an den Rat über die jährliche Debatte 2007 über die bei der Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erzielten Fortschritte (Artikel 2 und 39 des EU-Vertrags) von Jean-Marie Cavada im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (O-0005/2008 – B6-0006/2008),
- die mündliche Anfrage an die Kommission über die jährliche Debatte 2007 über die Fortschritte in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Artikel 2 und 39 des EU-Vertrags) von Jean-Marie Cavada im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (O-0006/2008 – B6-0007/2008).
Gérard Deprez, in Vertretung des Verfassers. − (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, findet unsere heutige Aussprache in einem Kontext statt, der durch zwei wesentliche Elemente gekennzeichnet ist.
Das erste dieser Elemente – ich muss Sie nicht daran erinnern – ist ganz einfach der Kalender. Großzügig gerechnet bleiben uns bestenfalls 16 Arbeitsmonate, bevor die aktuelle Wahlperiode des Europäischen Parlaments zu Ende geht. Das heißt, dass wir uns in einem solch engen Zeitrahmen zu den Themen einigen müssen, die wir gemeinsam in der uns verbleibenden Zeit abschließen wollen. Wir können nicht alles machen; wir werden eine Auswahl treffen und uns an unsere Entscheidung halten müssen.
Das zweite Element, Herr Präsident, ist aus unserer Sicht noch bedeutsamer. Es handelt sich darum, dass die Aussicht des Inkrafttretens des neuen Vertrags, das wissen Sie genauso gut wie wir, zu strukturellen Veränderungen von großer Tragweite in unserem Zuständigkeitsbereich führen wird. Ich erwähne im Besonderen den Wegfall der künstlichen Trennung der Politiken in der ersten Säule von denen der dritten Säule, was insbesondere dazu führen wird, dass die Mitentscheidung eingeführt wird und Maßnahmen, die bisher allein vom Willen des Rates abhingen und außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Europäischen Gerichtshofs lagen, einer wirklichen gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden.
Sie werden daher verstehen, dass wir mit Ungeduld darauf warten, dass der neue Vertrag so schnell wie möglich in Kraft tritt, da er zugleich eine Verstärkung der demokratischen Kontrolle und eine Stärkung der Bürgerrechte darstellt. Und Sie werden im Licht dieser beiden Kriterien – ich wiederhole – der Verstärkung der demokratischen Kontrolle und der Stärkung der Bürgerrechte, auch unsere prinzipielle Zurückhaltung verstehen, uns im System der aktuellen Vertragskonstellation mit sensiblen Themen zu beschäftigen, die bald gemäß den Bestimmungen des neuen Vertrags bearbeitet werden könnten.
Diese prinzipielle Zurückhaltung ist sehr real. Sie ist tief gehend und wird von verschiedenen Gruppen, die sowohl im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres als auch im allgemeineren Rahmen unseres Hauses vertreten sind, weitgehend geteilt. Wie tief diese Zurückhaltung auch geht, so ist sie zumindest gegenwärtig recht gemäßigt. Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, uns treibt keineswegs die boshafte Absicht, die Umsetzung von wichtigen Angelegenheiten, die herangereift und unzweifelhaft dringlich sind, zu verzögern.
Wir sind ganz im Gegenteil bereit zu versuchen eine Art Gentlemen Agreement zu erzielen, indem wir einen echten Dialog führen, der jeder unserer Institutionen die Sicherheiten und Garantien geben würde, die sie für notwendig ansieht. Unserer Ansicht nach müsste es möglich sein, uns sehr kurzfristig auf eine Art interinstitutionelles Legislativprogramm für 2008 und das erste Halbjahr 2009 zu verständigen, das eine begrenzte Anzahl gemeinsamer Prioritäten bei den sensiblen Themen umfassen, wechselseitige Verpflichtungen einschließen und es uns gestatten würde, von den positiven Bestimmungen des neuen Vertrags zu profitieren, ohne ihnen vorzugreifen.
Unser Parlament hat bei der Abstimmung auf der letzten Plenarsitzung in Straßburg in Bezug auf die Änderung des Statuts und der Aufgaben von Europol bereits einen möglichen Weg aufgezeigt, wie auf diese Bitte reagiert werden kann. Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, in der Tat hat unser Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit von 537 Stimmen einen Änderungsantrag angenommen, der festlegt, dass der vorliegende Beschluss innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags überprüft wird.
Dieser einseitige Änderungsantrag ist, wenngleich er mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, allerdings nicht bindend. Es handelt sich jedoch, wie Sie verstanden haben werden, um den klaren Ausdruck unseres politischen Willens, eine Debatte zu eröffnen und Lösungen zu finden. In diesem Sinne bestätigt unser Ausschuss gleichzeitig seine Entschlossenheit und seine Bereitschaft zu einem wirklichen interinstitutionellen Dialog.
Dragutin Mate, amtierender Ratspräsident. – (SL) Ich freue mich, heute hier bei Ihnen zu sein und an einer solch wichtigen Aussprache teilzunehmen. Die Umsetzung der Politiken in den Bereichen Justiz und Inneres ist von größter Bedeutung für unsere Bürger. Mit der Entwicklung unserer Gesellschaft und der modernen Technologien ist die Frage der Sicherheit eines der wichtigsten Themen für unsere Bürger geworden. Ich denke, wir – als Vertreter des Rates, der Kommission und des Parlaments – verfolgen alle dieselben Ziele: das Schaffen von Voraussetzungen für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, die unseren Bürgern ein geeignetes Maß an Sicherheit bietet.
Vor zwei Jahren begannen wir mit der Diskussion über zwei Rechtsetzungselemente, die einen enormen Sprung in der Qualität unserer Zusammenarbeit ermöglichen sollten. Das Erste war der Beschluss, Europol in eine europäische Agentur umzuwandeln, und das andere war die Eingliederung des Prümer Vertrags in das Gemeinschaftsrecht. Gemäß der neuen Rechtsgrundlage wird Europol in der Lage sein, schneller auf sich verändernde Trends im Terrorismus und im organisierten Verbrechen reagieren zu können, und es wird seine analytischen Kompetenzen und die Fähigkeit zur Unterstützung der Mitgliedstaaten weiter verbessern. Dies wird ganz wesentlich zu einer wirksameren Bekämpfung des organisierten Verbrechens und terroristischer Organisationen, die in einigen Staaten der Europäischen Union aktiv sind, beitragen. Die Eingliederung des Prümer Vertrags wird einen schnelleren Austausch von DNA, Fingerabdrücken und Fahrzeugkennzeichen aus nationalen Datenbanken ermöglichen.
Die beiden vorausgehenden Präsidentschaften, Deutschland und Portugal, haben alles daran gesetzt, die Annahme der beiden Rechtsetzungselemente bis zum Ende unserer drei Präsidentschaften zu erreichen. Gemäß dem Programm, das ich Ihren Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vorgestellt habe, planen wir, bis Juni dieses Jahres einen Konsens über beide Elemente zu erzielen. In Anbetracht ihrer Bedeutung wäre eine Verzögerung bei der Verabschiedung nicht zu rechtfertigen, insbesondere da wir sie schon gebilligt und zwischen den Mitgliedstaaten und allen drei Organen auf diesem aktuellen Stand harmonisiert haben. Was die noch zu debattierenden Rechtsetzungsakte angeht, ist die Präsidentschaft bereit, fallweise und im Geiste gemeinsamer Verantwortung für die Verabschiedung dieser Rechtsetzungsakte eng mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Beide Organe werden dabei gemeinsam die Verantwortung für die Sicherheit der EU-Bürger und in anderen Bereichen tragen.
Der Rat diskutiert derzeit Entwürfe für allgemein anwendbare Rechtsvorschriften, die der Bekämpfung aller Formen des organisierten Verbrechens und des Terrorismus dienen sollen. Dies betrifft vornehmlich Verfahren für die Erfassung und den Austausch von Daten und gilt auch für die Zusammenarbeit innerhalb von Europol. Des Weiteren erörtern wir auf spezifische Probleme und spezifische kriminelle Handlungen bezogene Rechtsvorschriften.
Ergänzend zu dem Vorschlag für die Eingliederung des Prümer Vertrags und zu dem Beschluss über Europol arbeiten wir an Maßnahmen, um unerwünschte Personen am Betreten des Hoheitsgebiets der Europäischen Union zu hindern. Ich bin persönlich in die Bemühungen um die Beschleunigung der Entwicklung der zweiten Generation des Schengener Informationssystems involviert. Wir arbeiten daran, die Verabschiedung von Rechtsvorschriften zu beschleunigen, die die Nutzung des Visa-Informationssystems vereinfachen werden. Im Bereich der Außenbeziehungen arbeiten wir mit den Ländern des westlichen Balkans und mit Russland angestrengt daran, regionale Beurteilungen der vom organisierten Verbrechen ausgehenden Bedrohungen vorzubereiten.
In diesem Monat hat der Rat die Aussprache über den ersten der beiden Vorschläge für Richtlinien über legale Einwanderung aufgenommen. Nach dem ersten Treffen der Arbeitsgruppen, dessen Thema hoch qualifizierte Arbeitnehmer waren, bestand nach Ansicht der Präsidentschaft ein breiter Konsens über die Anwendung der Richtlinie. Wir hoffen, dass die weitere Diskussion die politischen Schlüsselthemen bis zum Ende unserer Präsidentschaft herausstellen wird, und wir werden dann das Dossier der französischen Präsidentschaft übergeben, damit die Arbeit effizient fortgesetzt werden kann.
Seit zwei Jahren erörtern Parlament und Rat nun den Vorschlag für eine Richtlinie über die Rückführung illegal in der Europäischen Union aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Die Diskussion konzentriert sich auf einige spezifische Fragen, zu den die Meinungen der Organe weit auseinander gehen. Die Präsidentschaft wird weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Einigung mit dem Parlament zu erzielen, die eine möglichst rasche Annahme der Richtlinie ermöglicht, nach Möglichkeit in der ersten Lesung. Wir müssen aber darauf achten, dass diese Richtlinie die Rückführungsverfahren nicht untergräbt und damit die Wirksamkeit unserer Politiken bei der Bekämpfung illegaler Einwanderung beeinträchtigt.
Durch die Vertiefung dieses Dialogs mit den Herkunfts- und Transitländern wird sich der Rat weiterhin um die beharrliche Umsetzung der globalen Herangehensweisen an die Probleme der Migration bemühen, wobei wir betonen, dass diese Länder eingebunden werden müssen und dass es eine geografische Ausgewogenheit geben muss. Unsere Aufmerksamkeit wird sich daher auf Nordafrika und Südosteuropa konzentrieren.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich begrüße den Herrn Ratspräsidenten und danke dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Deprez, für seine einleitenden Worte.
Selbstverständlich diskutieren wir heute nicht nur über die Bilanz der Ergebnisse 2007, die meiner Ansicht nach in unserem speziellen Bereich positiv ausgefallen sind: Wir haben mit der Schengen-Erweiterung die Binnengrenzen für über 400 Millionen Unionsbürger geöffnet; wir haben die Agentur für Grundrechte geschaffen und in Betrieb genommen; wir haben eine ganz wichtige Einigung mit dem Parlament über das Visa-Informationssystem erzielt; wir haben uns, wie der slowenische Minister Mate in Erinnerung brachte, mit der Migration befasst, und mit dem Terrorismus.
Nur um eine statistische Zahl zu nennen: 2007 machten die in meinen Verantwortungsbereich fallenden Vorschläge, die ich Ihnen unterbreitet habe, fast 20 % aller strategischen Initiativen der Europäischen Kommission aus, was bedeutet, dass dieser Sektor wirklich enorme Bedeutung hatte und weiterhin haben wird. Wir haben das Strategieprogramm in allen Punkten umgesetzt.
Heute, im Jahr 2008, stehen wir vor einer ebenso bedeutsamen Herausforderung. Wie Sie wissen, hat die Kommission 26 strategische Vorschläge für 2008 ins Auge gefasst, von denen acht, also fast 30 %, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts betreffen.
Wir werden uns in diesem Jahr mit den Außengrenzen befassen: Im Februar wird eine Paket mit Vorschlägen zur Erhöhung der Sicherheit an den Außengrenzen vorgelegt, und zwar nach demselben Konzept und denselben Kriterien, die wir für das Schengener und das Visa-Informationssystem zugrunde legten; wir werden eine umfassende Evaluierung zu Frontex vornehmen, aus der alle Lehren für die Zukunft ziehen können werden; wir werden, wie ich hoffe, einige fortschrittliche und ehrgeizige Vorschläge zum Zivilrecht vorlegen; wir erörtern gegenwärtig mit dem slowenischen Vorsitz die so genannte E-Justiz, d. h. die Mittel und Wege zur Verbesserung des Zugangs der Bürger zur Zivil- und Strafgerichtsbarkeit durch Nutzung modernster Technologien.
Selbstverständlich werden wir uns weiterhin mit der Migration beschäftigen. Die Initiativen des vergangenen Jahres, die breite politische Zustimmung fanden, werden im Laufe dieses Jahres umgesetzt und weiter ausgestaltet. In diesem Jahr wird es einen Aktionsplan zur Asylpolitik, zu den Asylbewerbern und zum europäischen System für die Behandlung von Flüchtlingen geben; im Juli und im November werden die zwei komplexen Vorschläge vorliegen.
Im Juni werden wir eine europäische Strategie zur Verhütung von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft unterbreiten, die zu den Schlüsselelementen einer politischen Strategie zur Terrorismusbekämpfung zählt.
Gleichwohl denke ich, dass die politische Frage, die von Herrn Deprez angeschnitten wurde, eine politische Antwort verdient, die ich Ihnen gern geben möchte. 2008 ist ein Übergangsjahr. Es ist ein Jahr des Übergangs zum Vertrag von Lissabon und seiner Ratifizierung im Hinblick auf sein Inkrafttreten – das wir alle uns wünschen – im Januar 2009. Es ist daher klar, dass die drei Erfordernisse – zum einen die Notwendigkeit, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, um diese Übergangsphase zu begleiten, und zum anderen die Notwendigkeit, die Maßnahmen, die ausgereift sind und befürwortet wurden, nicht zu verschleppen und zugleich den Bestimmungen des Lissabon-Vertrags und ihrem Inkrafttreten nicht vorzugreifen – eine Einheit bilden müssen. Deshalb glaube ich, dass wir eine Interinstitutionelle Vereinbarung brauchen.
Es leuchtet ein, dass diese nur zustande kommen kann, wenn sich Rat, Kommission und Parlament zunächst über die Arbeitsmethode und dann über die spezifischen Prioritäten einigen. Wenn politisches Einvernehmen über die Arbeitsmethode besteht, werden wir zusammen die gemeinsamen Prioritäten festsetzen können, und die Prioritäten sollten Initiativen mit sofortigem Zusatznutzen für die Bürger sein, die ausreichende Unterstützung finden und den von uns angestrebten Ausgleich zwischen den auf dem Spiel stehenden Interessen bewirken: Sicherheit, Gewährleistung der Sicherheit der Bürger und zugleich Förderung und Schutz der bürgerlichen Freiheiten – der normale politische Balanceakt, so lautet die Herausforderung für uns alle.
Die optimale Arbeitsmethode ist nach meinem Dafürhalten jene, die wir gegenwärtig zusammen mit dem Rat erproben: Das heißt, nicht im Halbjahresrhythmus zu arbeiten, sondern das Trio der Ratspräsidentschaften bzw. die Maßnahmen der gegenwärtigen und der vorangegangenen Präsidentschaften zusammenzuführen, die Initiativen im Zeitraum von 18 anstatt von sechs Monaten zu prüfen, denn wenn wir nur mit zeitlich begrenzten Maßnahmen arbeiten, werden wir gewiss nicht jenen Weitblick haben, der uns – glaube ich – vernünftig zumindest bis zum Juni 2009 führen muss, denn der Termin der Wahlen zum Europäischen Parlament ist meines Erachtens der einzige reale Endtermin, an dem wir uns orientieren müssen.
Ich bin also dazu bereit, ich bin bereit zu einem politischen Dialog mit dem Rat und dem Parlament, um unter den Prioritäten für 2008 und denen für 2009 jene herauszufiltern, die wir den Bürgern als sofortige Antwort anbieten können, und jene, denen erst noch genauer auf den Grund gegangen werden muss. Auf diese Weise werden wir meiner Meinung nach, ohne dem Vertrag vorzugreifen, beweisen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Organen schneller und mit besseren politischen Ergebnissen zum Ziel führt. Das ist der Weg, den wir meines Erachtens alle gemeinsam verfolgen können.
Manfred Weber, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte betrifft die europäische Innenpolitik und ich glaube, es ist richtig, das zu machen, was auch unser Vizepräsident der Kommission, Herr Frattini, schon gemacht hat, nämlich kurz einen Blick zurückzuwerfen. 2007 war ein großes Jahr für die europäische Innenpolitik. Die Öffnung des Schengen-Raums ist ein großer Erfolg, und wir können unseren Bürgerinnen und Bürgern auch rückmelden, dass es nicht zu weniger, sondern zu mehr Sicherheit führt, wenn alle Ermittlungsbehörden in Europa auf ein Datenbanksystem zugreifen.
Trotzdem müssen wir natürlich in die Zukunft schauen. Ich lese hier, dass bei der informellen Ratstagung in Slowenien unter slowenischer Ratspräsidentschaft über SIS II beraten worden ist. Nach meinem Kenntnisstand wird das Zentralsystem nun wieder auf die lange Bank geschoben. Die Kommissionsteile scheinen fertig zu sein, jetzt wird aber eine neue politische Gruppe von Fachinnenministern gegründet, die sich um das SIS II kümmern soll. Dabei wären mit SIS II wirklich praktische Fortschritte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, gegen die Kriminalität in Europa zu erzielen. Deswegen: Warum müssen wir dort weiter verschieben? Ich habe die Sorge, dass wir nach der Erweiterung in ein großes Loch fallen, weil alle zufrieden sind, dass die Erweiterung geklappt hat. Ich möchte darauf verweisen, dass wir im EP nach sechs Monaten eine Evaluierung der Systeme eingebracht haben und darauf auch bestehen werden.
Ein zweites konkretes Themenfeld, auf dem ich um Aktionen bitte, ist die Frage der Polizeizusammenarbeit. Sie wissen, dass im Vertrag von Prüm leider nicht alle Teile in das Gemeinschaftsrecht übernommen worden sind, sondern dass wesentliche Fragen der Polizeikooperation nicht übernommen wurden. Deswegen sind auch hier weitere Schritte gefordert.
Im Bereich des Grenzschutzes erwarten wir die Vorschläge der Kommission. Ich freue mich auf Vorschläge im Hinblick auf das Einreise- und Ausreisesystem, weil es sehr interessant sein wird zu wissen, wie viele overstayers wir in Europa haben.
Ein letzter Punkt: Wir bekommen den neuen Vertrag. Ich möchte deswegen unserem Ausschussvorsitzenden Deprez den Rücken stärken. Wir werden das Vertrauen der Menschen für diesen Vertrag dann gewinnen, wenn wir die Entscheidungen, die im Bereich der Innenpolitik laufen, aus den Hinterzimmern des Rates herausholen und in das helle Licht dieses Plenums bringen. Dort werden die Menschen sehen, wie entschieden wird. Deswegen: Bitte nutzen Sie die ausgestreckte Hand des Parlaments. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit!
Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Ich denke, dass ich der Herangehensweise von Kommissar Frattini an diese Aussprache zustimmen kann. Wir müssen in die Zukunft blicken, wir müssen erkennen, wie wir den Zeitraum, der noch vor uns liegt, verantwortungsbewusst und mit dem gemeinsamen Engagement aller EU-Organe bewältigen können.
Nach jahrelangen Debatten über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, dessen eindeutiges Demokratiedefizit dieses Parlament kritisiert hat, und der ein sehr heikler Bereich für die Grundrechte der Bürger ist, können wir unserer Auffassung nach die Unterzeichnung des neuen Vertrags begrüßen, schafft er doch endlich in diesem Raum eine europäische Dimension und überträgt dem Parlament volle Gesetzgebungsbefugnisse – auch in Fragen der justiziellen, strafrechtlichen und polizeilichen Zusammenarbeit sowie der Einreise- und Aufenthaltspolitik.
Daher ist auch meine Fraktion der Ansicht, dass selbst in dieser heiklen Ratifizierungsphase keine Institution die Tatsache außer Acht lassen kann, dass sich der Rahmen komplett verändert hat. Wir wissen, dass wir dem Inkrafttreten des Vertrags nicht einfach vorgreifen können, doch wir würden es für einen politischen Fehler halten, ein hochsensibles Thema weiter zu bearbeiten, ohne die demokratische Tragweite des Vertrags von Lissabon zu berücksichtigen.
Deshalb hält auch unsere Fraktion gemeinsame Bemühungen von Parlament, Rat und Kommission für erforderlich, um einige besonders bedeutsame Dossiers zu ermitteln, und zwar nicht, um ihr Gesetzgebungsverfahren zu blockieren, sondern um zu gewährleisten, dass das Parlament mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon konsultiert werden kann, und um diese Dossiers in das neue institutionelle Gefüge einzubeziehen. Ich denke dabei insbesondere an die relevanten Dossiers, zu denen wir bisher lediglich konsultiert worden sind, wie an den Vorschlag für das europäische PNR-System, den Vorschlag zur Überarbeitung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung, die Richtlinie über die Einreise und den Aufenthalt hoch qualifizierter Arbeitnehmer und die Richtlinie über ein einheitliches Verfahren für die Einreise von Migranten zwecks Erwerbstätigkeit.
Geben Sie mir noch ein paar Sekunden, Herr Präsident, um meine Besorgnis über die Ausführungen des Rates zur Rückführungsrichtlinie zum Ausdruck zu bringen. Wir wissen die Bereitschaft und die Mitarbeit des Rates zu würdigen, doch gibt es unserer Meinung nach einige äußerst heikle Punkte. Ganz besonders einen: 18 Monate Gewahrsam erhöhen unseres Erachtens nicht die Wirksamkeit dieser Richtlinie, sondern sind eine Unterdrückungsmaßnahme, gegen die ein Großteil dieses Parlaments weiterhin seine Ablehnung bekunden wird.
Sarah Ludford, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wir reden über den Fortschritt, den die Europäische Union auf ihrem Weg hin zu diesem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bereits erzielt hat. Gemeint ist eine Entwicklung hin zu einem Europa, in dem sowohl Bürgerrechte aufrechterhalten, als auch komplexe Angelegenheiten der Strafverfolgung, wie Terrorismus und transnationale Kriminalität, angegangen werden.
Leider sind wir in den vergangenen zehn Jahren jedoch daran gescheitert, das richtige Gleichgewicht zwischen Sicherheit, Freiheit und Recht und einer in Wahrheit sehr engen Definition von Sicherheit zu finden.
Die Ziele der Strafverfolgung müssen genauer festgelegt werden, und die Grundfreiheiten bedürfen einer Überarbeitung. Zum Beispiel ist der seit zehn Jahren erfolglose Versuch, sich auf eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung von Mindestrechten für Verdächtige und Angeklagte zu einigen, ein echtes Versäumnis.
Generalanwalt Maduro erklärte in einer Äußerung zu den „Schwarzen Terrorlisten“ – wobei er sich, glaube ich, eines Zitats des Obersten israelischen Gerichtshofes bediente –: „Gerade wenn die Kanonen dröhnen, brauchen wir die Gesetze ganz besonders. Es gibt keine schwarzen Löcher. Der Kampf gegen den Terrorismus ist auch der Kampf des Rechts gegen diejenigen, die sich gegen das Recht auflehnen.“
Es ist bedauerlich, dass der Rat der Mitgliedstaaten dies nicht bedacht hat, als er sich mit unserem Bericht aus dem nichtständigen Ausschuss zur behaupteten Nutzung europäischer Länder für die Beförderung und die unrechtmäßige Inhaftierung von Gefangenen durch die CIA befasste. Wir haben keine substanziellen Reaktionen zu diesem Bericht erhalten.
Ich stimme mit Kommissar Frattini überein, dass Kommission, Rat und Parlament sich auf ein Vorgehen einigen müssen, um den Übergang von den unbefriedigenden zwischenstaatlichen Methoden im Bereich der Strafgerichtsbarkeit hin zu einer regulären Entscheidungsfindung durch die Gemeinschaft zu schaffen. Dies erfordert eine Veränderung in Kultur und Haltung sowie Verfahrensweisen. Einige der ausstehenden Maßnahmen des dritten Pfeilers – wie Prüm, Datenschutz, EU-PNR – fallen sowohl unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Kontrolle durch, als auch im Hinblick auf die Wahrung der Grundfreiheiten.
Mit großer Zuversicht wird auf technologische Projekte gesetzt, die sich entweder mit dem Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten befassen oder mit dem Aufbau neuer EU-Datenbanken. Ich unterstütze eine angemessene Form des Datenaustauschs voll und ganz, warne aber davor, sich allzu sehr auf vermeintlich einfache technische Lösungen zu verlassen. Lassen wir die traditionelle, nachrichtendienstlich gestützte Strafverfolgung nicht außer Acht; auch wenn sich deren Umsetzung über die Landesgrenzen hinweg schwierig gestaltet, sollten wir uns nicht durch den Zauber von Datenbanken blenden und sie zu einer Nebensache verkommen lassen, denn eine solche Lösung wirft große Fragen im Bereich von Datenschutz und -sicherheit auf.
Ich habe Kommissar Frattini gebeten, ein Grünbuch in Betracht zu ziehen, das sich mit der Frage beschäftigt, ob unser System der Datensicherung angemessen ist, gerade im Hinblick auf die skandalösen Datenverluste im Vereinigten Königreich. Bisher lehnt er dies ab. Ich hoffe, er ändert seine Meinung.
Kann er zudem angesichts der Wege, die wir im Bereich des Profiling gehen, den Bedarf an einem solchen Grünbuch in Erwägung ziehen? Kommissar Frattini ist sich dessen nicht bewusst, doch die Regierung des Vereinigten Königreichs sagt ausdrücklich: „Wir betreiben Profiling.“ Lassen Sie uns erörtern, welche Schutzmaßnahmen wir benötigen.
Abschließend möchte ich mich zur Nichtteilnahme des Vereinigten Königreichs äußern. Einige Kollegen im Parlament würden es zu schätzen wissen – ich als britisches Mitglied des Europäischen Parlaments würde dies sicherlich tun –, wenn eine gewisse Vorstellung davon vorhanden wäre, welche Strategie das Vereinigte Königreich verfolgt, wenn es sich für oder gegen eine Teilnahme entscheidet, denn das wäre hilfreich, um die Absicht des Vereinigten Königreichs zu verdeutlichen, sich in den folgenden Jahren positiv bei Justiz und Innerem einzubringen.
Seán Ó Neachtain, im Namen der UEN-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Die irische Regierung spielt in Europa eine aktive, zentrale Rolle in der Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität. Die irische Polizei leistet dazu ihren Beitrag im Europäischen Polizeiamt – Europol.
Mit 500 Millionen Einwohnern in mittlerweile 27 Mitgliedstaaten ist es unerlässlich, dass die internationalen Grenzen eine Schutzfunktion gegen kriminelle Aktivitäten darstellen. Dies erfordert eine solide Grundlage: und zwar die intensive Zusammenarbeit zwischen Polizeikräften, Zollbehörden, Seestreitkräften und Geheimdiensten, und zwar in allen Mitgliedstaaten.
Ich möchte betonen, dass der Vertrag von Lissabon in keiner Weise die Neutralität Irlands beeinträchtigen wird. Irland ist ein neutrales Land, und die irischen Polizeikräfte können nicht außerhalb Irlands eingesetzt werden ohne eine entsprechende UNO-Resolution und ohne die – nach Abstimmung im irischen Parlament – erforderliche Zustimmung der irischen Regierung.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Meine Fraktion stimmt in vielen Punkten mit dem, was heute gesagt wurde, überein, insbesondere bezüglich der Betonung der Grundrechte als der entscheidenden Grundlage für viele der Beschlüsse, die aus unserer Sicht in der verbleibenden Wahlperiode dieses Parlaments noch getroffen werden sollten.
Meine Fraktion stimmt ferner zu, dass eine interinstitutionelle Vereinbarung sinnvoll wäre, um die willkürliche Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens, wie sie uns bisweilen untergekommen ist, zu verhindern. Damit meine ich die Art der willkürlichen Anwendung auf Geheiß des Rates, bei der viele von uns den Eindruck hatten, das Parlament würde als eine Art Alibi missbraucht, weil Entschließungen am Einstimmigkeitsprinzip scheiterten. Uns wäre es lieber, derartige Absprachen würden in einem geeigneten Rahmen geregelt, und zwar auf eine Weise, die wichtige Fortschritte nicht um fünf Jahre hinauszögert.
Was das Thema Grundrechte betrifft, so sind wir überaus besorgt darüber, dass die Frage der Verfahrensgarantien eine der Angelegenheiten zu sein scheint, für die der Rat keine Lösung gefunden hat.
Viele Mitglieder dieses Parlaments haben der Einführung des Europäischen Haftbefehls in dem Glauben zugestimmt, dass Verfahrensgarantien bald folgen würden. Andere, die offenbar skeptischer waren, wollten erst die Verfahrensgarantien umgesetzt sehen und dann über eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten reden. Daher wüssten wir jetzt bitte gerne, wann wir diese Maßnahmen erwarten dürfen, die für alle unsere Bürger von größter Wichtigkeit sind.
Ebenfalls teilen wir die an diesem Morgen geäußerte Besorgnis über Fragen des Datenschutzes. Die Besorgnis über mangelnde Transparenz nimmt zu, und selbstverständlich auch die Sorge der Öffentlichkeit über die Art und Weise, in der Daten verwendet und ausgetauscht werden, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was genau damit geschieht.
Ich war – gelinde gesagt – ein wenig beunruhigt über die Äußerungen des Rates zur Rückführungsrichtlinie, in denen es hieß, manche Mitgliedstaaten wollten nicht, dass die Rückführung erschwert würde. Einige von uns könnten glauben, dies bedeute, dass der Rat keinen Wert auf ein sicheres und offenes Verfahren legt, durch das die Bürgerrechte gewahrt werden, sondern die Probleme lieber, wie es in einigen Mitgliedstaaten der Fall ist, mit Hilfe des Rückführungsverfahrens löst.
Wir wollen nicht unbedingt erreichen, dass die Rückführung erschwert wird. Wir wollen, dass sie ein offeneres Verfahren wird, das die Wahrung der Grundrechte sichert. Ein Punkt, der uns beispielsweise Sorge bereitet, ist die Anwendung eines automatischen Wiedereinreiseverbots durch einige Mitgliedstaaten. Ebenfalls teilen wir die Besorgnis über die Haftdauer.
Ich begrüße die Äußerungen über den Vorschlag bezüglich hoch qualifizierter Migranten. Endlich können wir auf eine positive Maßnahme in der Einwanderungspolitik hoffen, weg von dem, was einige von uns als eine Politik der Abschreckung empfinden, die von der Union schon eine Weile verfolgt wird. Endlich erzielen wir eine Einigung, die in eine positivere und offenere Richtung weist, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Menschen betrifft, die in die Europäische Union einwandern.
Ich würde jedoch noch eine Stellungnahme zu den Entwicklungen bezüglich der Sanktionen gegenüber Arbeitgebern begrüßen. Zu guter Letzt wäre ich auch dankbar für eine Antwort auf die Anfrage sowohl an den Rat als auch an die Kommission in Bezug auf eine Stellungnahme zur Haltung des Vereinigten Königreichs zur Vertragsreform.
Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Bereitschaft der Kommission, aber auch des Rates, schnell zu einer Interinstitutionellen Vereinbarung im Hinblick auf die neuen, uns in den nächsten Monaten erwartenden Umstellungen zu kommen, sehr begrüßt. Ab Januar 2009 wird dieses Parlament in Sachen Freiheit, Sicherheit und Recht eine wichtige Rolle übernehmen können, vor allem in Anbetracht dessen, dass die Unionsbürger fähig sein müssen, die demokratische Kontrolle über die im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Europäischen Union heranreifenden Entscheidungen auszuüben.
Wir denken, dass 2008 ein Übergangsjahr sein wird, und aus diesem Grund müssen in seinem Verlauf einige Prioritäten im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht bestimmt werden. Meiner Meinung nach müssen wir in Fragen, bei denen wir nicht mehr zurückkönnen und auf denen wir beharren müssen, weiter vorankommen. Ich denke dabei an die Notwendigkeit, bis 2010 eine gemeinsame Asylpolitik zu schaffen und das Verfahren, das uns zur Festlegung dieser gemeinsamen Politik führen kann, zu beschleunigen; ich denke ferner an die Notwendigkeit, zügig einen allgemeinen Plan für legale Zuwanderung aufzustellen und nicht nur die Einreise qualifizierter oder hoch qualifizierter Migranten zu fördern, sondern einen Plan für alle Einreisen in die Europäische Union auszuarbeiten; ich denke außerdem, dass wir unser Augenmerk auf die Freizügigkeit von Männern und Frauen im Schengen-Raum richten müssen, indem wir uns die Ergebnisse von 2007 zunutze machen und versuchen, diese Aspekte stärker zur Geltung zu bringen.
Darüber hinaus sollten wir meines Erachtens 2008 einige Entscheidungen, die bereits getroffen wurden, bewerten. Dabei habe ich vor allem zwei wichtige Fragen im Sinn. Meiner Ansicht nach muss eine sachliche Bewertung der Zweckmäßigkeit und Effizienz der Frontex-Agentur vorgenommen werden. Eine objektive Einschätzung dürfte uns ohne Weiteres zu der Einsicht führen, dass sie nicht die Wirkungen hervorgebracht hat, die sich die Mehrheit dieses Parlaments und der Unionsbürger erhofft hatten. Desgleichen müsste eine Bewertung der unzähligen Datenbanken erfolgen, die uns zur Verfügung stehen. Allzu oft ist der Informationsaustausch nicht hilfreich, und bisweilen gehen Informationen verloren.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich denke, wir müssten vielleicht auch eine Abschlussbewertung der Rückführungsrichtlinie vornehmen. Es scheint, als wären wir an einem Punkt angekommen, von dem es kein Zurück mehr gibt, und vielleicht müssen wir unsere Strategie ändern: einen Aktionsplan und einen Plan für legale Zuwanderung aufstellen und dann herausfinden, wie wir die Migranten ausweisen, abschieben und in Gewahrsam nehmen können.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Fragen an den Rat fordern besondere Aufmerksamkeit für die Entwicklungen in Bezug auf Frontex. Ich habe dieses Thema in der Vergangenheit mehrfach angesprochen. Diese Aussprache ist daher eine gute Gelegenheit, unsere Besorgnis im Zusammenhang mit Frontex erneut zum Ausdruck zu bringen. Diesbezüglich schließe ich mich den Worten von Herrn Catania an.
Mehrere nationale Parlamente haben die Regierungen der Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert, Personal und Material für Frontex-Aktivitäten zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliedstaaten sind offenbar nicht wirklich erpicht darauf, sich an Einsätzen zu beteiligen, und ich bin daher erfreut, dass sich die Niederlande letztlich bereit erklärt haben, eine Fregatte einzusetzen. Meine Frage lautet daher: Was wird mit aufgegriffenen Bootsflüchtlingen und Migranten geschehen?
Kann der Ratspräsident uns darüber informieren, wie mit Menschen umgegangen wird, die auf See in Booten abgefangen werden? Wir erhalten regelmäßig Berichte über aufgehaltene Boote mit Migranten; diese Menschen werden in der Regel erst an Land gebracht und dann betreut. Ist der Mitgliedstaat, der das Kommando über das Marineschiff führt, verpflichtet, Asyl zu gewähren oder für die Aufnahme der aufgegriffenen Bootsflüchtlinge zu sorgen?
Aus den Reaktionen des niederländischen Staatssekretärs für Justiz diese Woche ist zu erkennen, dass diese Frage noch immer nicht endgültig beantwortet ist. Ich würde mir daher mehr Klarheit darüber wünschen, denn es ist natürlich nicht richtig, dass Mitgliedstaaten, die Material und Personal zur Verfügung stellen, die volle Last tragen sollen. Herr Ratspräsident, wenn Sie uns in dieser Aussprache keine Antwort auf diese Frage geben können, könnten Sie uns diese dann schriftlich zukommen lassen?
Jetzt möchte ich noch eine Frage an Kommissar Frattini richten. Es ist für die Justizminister ein Leichtes, beispielsweise die Bereitstellung von Marineschiffen zu versprechen; die Umsetzung liegt jedoch in den Händen der Verteidigungsminister, die sich häufig schon glücklich schätzen können, wenn sie über die Zusagen der Justizminister informiert werden. Offenbar entstehen also große Koordinationsprobleme.
Meine Frage an Kommissar Frattini lautet: Was gedenken Sie zu unternehmen, um derartige Probleme in Zukunft zu vermeiden? Es hat letztlich sehr lange gedauert, bis die Zusagen, die schon vor so langer Zeit gemacht wurden, beginnen, auch nur ansatzweise Wirkung zu zeigen.
Koenraad Dillen (NI). – (NL) Herr Präsident! Zu Recht wird hier im Plenum ausführlich über die Notwendigkeit aller Arten von Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit unserer Bürger diskutiert. Wir denken dabei an Frontex. Wir sollten aber nicht den Kopf in den Sand stecken, denn Europa selbst ist gerade durch die betriebene Politik der offenen Grenzen um einiges unsicherer geworden. Fakt ist, dass diese Politik die Schlagkraft des international organisierten Verbrechens spürbar erhöht hat, ohne adäquate Maßnahmen zu dessen Bekämpfung zu ergreifen.
Das ist aber nicht alles. Die europäischen Bürger sind auch Opfer von Wellen der Legalisierung des Status illegaler Einwanderer, die in bestimmten Ländern beschlossen wurden. Der verabscheuungswürdige Menschenhandel wird dadurch sicherlich nicht eingedämmt. Der Raum der Sicherheit, über den wir hier sprechen, ist, so sehr man dies auch bedauert, in gewissem Maße auch ein Raum, in dem Kriminelle – insbesondere islamistische Extremisten – freies Spiel haben.
Alle essentiellen staatlichen Zuständigkeiten auf diesem Gebiet werden mehr und mehr ausgehöhlt – zum Beispiel die Zuständigkeit hinsichtlich legaler Einwanderung. Dies ist inakzeptabel. Die Mitgliedstaaten müssen die volle und bedingungslose Kontrolle über ihre eigenen Arbeitsmärkte behalten, und es darf keinerlei Einschränkung dabei geben, wie sie ihre Arbeitsmarktpolitik organisieren.
Agustín Díaz de Mera García Consuegra (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Ich glaube, Herr Deprez hat dieses Problem richtig erkannt und Vizepräsident Frattini hat die Lösung dafür gegeben.
Genau genommen stehen wir vor einem Übergangsjahr, doch in diesem Übergangsjahr, zu dem wir außerdem sechs Monate bis zum Ende der Wahlperiode hinzurechnen müssen, sind noch einige Entscheidungen zu treffen, die wir nicht versäumen dürfen. Daher bin ich der Ansicht, dass die interinstitutionelle Vereinbarung unverzichtbar ist, damit die fälligen Initiativen mit der so dringend benötigten und sehr erwünschten Mitentscheidung in Einklang gebracht werden können.
Aus diesem Grund vertrete ich die Auffassung, Herr Präsident, dass die Bedeutung von Initiativen wie der im Zusammenhang mit dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – bedenken wir, dass ein Drittel der 26 strategischen Vorschläge der Kommission unter den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts fallen – uns eine sehr große Verantwortung für die laufenden Gesetzesentwürfe überträgt.
Daher verdient die viel geforderte Bewertung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen unsere volle Aufmerksamkeit. Das gilt auch für alle Themen im Zusammenhang mit der Migration, der legalen und auch der illegalen Einwanderung.
Die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit für einen effektiveren Dienst am Bürger, Europol, eine verbesserte Europäische Agentur im neuen Rahmen des Verfassungsvertrags – nicht zu vergessen der Datenschutz im dritten Pfeiler, Herr Präsident –, das alles ist es wert, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Bezug auf Verfahren und Zeit zu harmonisieren.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Das Internet ist das neue Schlachtfeld. Nach Ansicht der Kommission und des Rates ist es ein Schlachtfeld zur Terrorismusbekämpfung, und das steht auch gar nicht zur Debatte. Für viele von uns ist das Internet jedoch auch ein Schlachtfeld, auf dem für den Schutz der Grundrechte unserer Bürger gekämpft wird. Wie wir alle wissen, dient das Internet natürlich Terroristen, aber auch Millionen unschuldiger Bürger zur Kommunikation. Zweifellos wird dort auch über Terrorismus debattiert, den die Bürger, ohne ihn rechtfertigen zu wollen, zu verstehen suchen: Und das ist es, was wir hier viel zu selten tun. Bei aller Wichtigkeit einer Rechtsetzungsinitiative gegen die Verbreitung terroristischer Propaganda über das Internet ist dies auch ein sehr sensibles Thema.
Herr Kommissar, Herr Ratspräsident, ich muss Ihnen sagen, dass diese Rechtsetzungsinitiative in ihrer vorliegenden Form gewisse Probleme aufwirft. Einer Person muss nicht unbedingt die Absicht der Verbreitung terroristischer Propaganda nachgewiesen werden und ... „und“ diese Propaganda muss auch nicht notwendigerweise zu einem terroristischen Anschlag führen. In Ihrem Text steht „oder“ statt „und“. Das heißt also, sollte ein Bürger versuchen, über einen irgendwo auf der Welt begangenen Terroranschlag Erkundigungen einzuholen, um ihn zu verstehen, läuft er Gefahr, in Schwierigkeiten zu geraten, da „jemand“ seine Äußerungen für den Auslöser eines terroristischen Anschlags halten könnte: Dieser Bürger wird dann beschuldigt, obwohl er keinerlei Absicht hatte, einen solchen Anschlag zu verursachen. Sie müssen dafür sorgen, dass dies korrigiert wird.
Außerdem möchte ich Sie um eine Erklärung dazu bitten, ob der Inhalt unserer E-Mails kontrolliert werden soll. Und wer wird für diese Kontrolle zuständig sein, um die Polizei zu ermächtigen, zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen das von Ihnen unterstützte neue Gesetz vorliegt? Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie uns während der Diskussion um die Telefondatenspeicherung wiederholt versichert haben, dass der Inhalt unser SMS-Nachrichten und Telefongespräche nicht aufgezeichnet wird. Soll nun der Inhalt unserer E-Mails hier im Ergebnis der von Ihnen vorgeschlagenen neuen Maßnahme aufgezeichnet werden?
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen, und zwar auf die Initiative zum Europäischen System der Fluggastdatensätze (PNR). Diese Initiative, liebe Kollegen, brauchen wir nicht. Sie haben uns zumindest bis jetzt noch nicht erklärt, warum wir so etwas brauchen sollten. Wir haben APIS, und wir haben das Visa-Informationssystem VIS, wie Herr Frattini sehr richtig ausführte, beides erfolgreiche Ergebnisse unserer Vereinbarung, und wir haben Schengen: Wir wissen also sehr gut, wer in dieser Welt wohin fährt und wer nach Europa kommt.
Außerdem verfügen von 27 europäischen Mitgliedstaaten bis jetzt erst drei über die notwendigen Voraussetzungen für eine Umsetzung der PNR-Initiative. Woher stammt der Druck, die Rechtsvorschriften für das PNR-System nun harmonisieren zu müssen?
Warum treiben Sie diese Maßnahme so vehement voran, da doch selbst europäische Datenschützer diese ablehnen? Warum beraten Sie sich darüber nicht mit dem Parlament und mit den für die Terrorismusbekämpfung Verantwortlichen? Dort könnten allerdings ähnliche, wenn nicht sogar noch größere, Bedenken zum Datenschutz herrschen, als wir uns manchmal vorwerfen lassen müssen.
Alexander Alvaro (ALDE). – Herr Präsident! Was einen positiv stimmen kann, ist, dass nicht nur in den Dokumenten sowohl des Rates als auch der Kommission vermehrt der Schwerpunkt auf den Begriff Sicherheit gelegt wird, sondern dass auch tatsächlich die Grundfreiheiten und Grundrechte der Menschen scheinbar mehr in das Bewusstsein der Kommission und des Rates gerückt sind. Wir können aber in Europa an dem gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts so viel arbeiten wie wir wollen, wenn uns Rechtssysteme von Drittstaaten scheinbar in dieser Ausübung hindern.
Ich glaube, dass die Kommission, und vor allem auch die Mitgliedstaaten verstärkt ein Auge darauf legen sollten, inwiefern z. B. das Rechtssystem der Vereinigten Staaten Auswirkungen bis hinein in die Haushalte der europäischen Bürger hat. Die Kommission und der Rat werden sich einer Anfrage von mir und einigen Kollegen gegenübersehen, in der gefragt wird, wie es möglich ist, dass Posttransferdaten der Vereinigten Staaten, die ja eigentlich nur für Zollzwecke genutzt werden sollen, an Sicherheitsbehörden weitergegeben werden.
Das Brief- und Postgeheimnis ist eine der letzten Bastionen, die wir bis jetzt sichern konnten. Ich wünsche mir, dass die Kommission in Zusammenarbeit mit dem Rat das Problem eines globalen Ansatzes zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität nicht nur von der Sicherheitsseite, sondern auch von der Seite der Freiheit, des Schutzes der Bürger und der Behebung der Probleme in kollidierenden Rechtssystemen löst.
Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der stellvertretende Chefredakteur des „Corriere della sera“, Magdi Allam, der über jeden Verdacht des Rassismus und der Islamfeindlichkeit erhaben sein dürfte, hat ein schwerwiegendes Problem zur Sprache gebracht: die Imame der großen Moschee in Rom und alles was dazu gehört – Finanzierung und Gehälter – werden von den Botschaftern einiger islamischer Länder unterstützt.
Sieht so etwa die Sicherheit in Europa, in einer seiner großen Hauptstädte, aus, wo das reale Risiko der Verbreitung islamistischer Lehren besteht? Ich denke nicht. Vielmehr sollte es nach meinem Verständnis eine Kontrolle über die Verbreitung fundamentalistisch-islamischer Theorien, die dem Terrorismus nahe stehen, geben, und damit sollte sich die Europäische Union eingehend befassen.
Stichwort Terrorismus: Wie sind die vor kurzem vom Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Poiares Maduro, geäußerte Auffassung bzw. sein Vorschlag zu werten, die Verordnung (EG) Nr. 881/2002 betreffend das Einfrieren von Vermögenswerten der auf der Schwarzen Liste stehenden Al-Qaida- und Taliban-Mitglieder für nichtig zu erklären? Ich möchte daran erinnern, dass mit dieser Verordnung nicht mehr und nicht weniger als die UN-Resolution Nr. 1390 umgesetzt wird, die die ganze internationale Gemeinschaft als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September angenommen hatte. Die zivilisierte Welt will sich vor der Terrorismusgefahr schützen: Die Wachsamkeit gegenüber der tödlichen Gefahr des islamischen Terrorismus darf niemals nachlassen!
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Im Gegenteil: Die Regierungen gestatten ihren Bürgern nicht, über den Vertrag von Lissabon per Referendum mitzubestimmen, und daher entfernen wir uns von der Freiheit.
Warum dürfen die Bürger nicht selbst entscheiden, ob sie eine geringere Mitsprache ihres Landes an EU-Entscheidungen wollen? Warum dürfen die Bürger nicht selbst entscheiden, ob sie eine Beendigung des Vetorechts ihrer Regierungen in den Bereichen Einwanderung, Energie und Verkehr wollen, ebenso wie bei der Kontrolle über die Europäische Zentralbank? Warum erfahren die Bürger der Mitgliedstaaten, vor allem der kleineren, nicht, dass es für sie praktisch gar nicht in Frage kommen wird, den Vorsitz im Europäischen Rat nach dem Rotationsprinzip innezuhaben? Und hat ihnen denn irgendjemand erzählt, dass ihr Land innerhalb von sechs Jahren sein automatisches Recht verlieren wird, einen Kommissar in die Europäische Kommission zu entsenden? Der Reformvertrag ändert die zentralen EU-Dokumente in grundlegender Weise. Wenn er nur durch die Parlamente angenommen wird, ohne Referenden und Diskussionen auf Mitgliedstaatenebene, dann werden wir statt Freiheit bald die zügellose Arroganz der Mächtigen haben. Darauf sollte die Europäische Kommission die Regierungen aufmerksam machen.
Mihael Brejc (PPE-DE). – (SL) Zunächst möchte ich Ihnen für die ausgezeichneten Beiträge zu diesem recht komplizierten Thema, das Gegenstand unserer heutigen Aussprache ist, danken.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und auf einen weiteren Bereich aufmerksam machen, den wir noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit behandelt haben. Ich spreche von den Außengrenzen der Europäischen Union. Alle Mitgliedstaaten, die nun für die neuen Außengrenzen der Europäischen Union zuständig sind, haben große Anstrengungen in die richtige Absicherung dieser Grenzen investiert, um sie zu schützen und zu gewährleisten, dass die Infrastruktur brauchbar ist, und damit haben sie die Implementierung der Schengen-Standards ermöglicht. Zugleich haben wir jedoch festgestellt, dass das Leben an der Grenze schlechter geworden ist. Ich möchte Sie auf die gesunkene Lebensqualität der Menschen an der Grenze aufmerksam machen, insbesondere in weniger entwickelten Regionen, und ich möchte fragen, ob Rat und Kommission irgendwelche besonderen Zusatzmaßnahmen in Erwägung ziehen, um die Lebensqualität in Grenzregionen zu verbessern, und damit das Abwandern der Menschen aus diesen Gebieten zu verhindern. Wir sind uns alle sehr wohl bewusst, dass die Grenzgebiete schwer zu schützen sind, wenn die Menschen sie verlassen und sie damit unbewohnt sind.
Meine zweite Frage lautet: Bei der Ausschuss-Sitzung erwähnte der Ratspräsident, dass die Zusammenarbeit mit den Balkanländern ebenfalls eine der wichtigen Aufgaben ist, auf die sich die Aufmerksamkeit des Rates konzentriert. In diesem Zusammenhang interessiert es mich ganz besonders, ob die Durchsetzung der Schengen-Standards und die Gewährleistung unserer Sicherheit die Zusammenarbeit zwischen unseren Polizeikräften und den Polizeikräften in den Balkanländern behindern werden.
Martine Roure (PSE). – (FR) Herr Präsident! Wir sind an einem entscheidenden Wendepunkt für das Europäische Parlament bei der Schaffung eines wirklichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angelangt, und die Annahme des Lissabonner Vertrags macht es uns möglich, die demokratische und gerichtliche Kontrolle zu verstärken. Natürlich möchte ich die Bitten meiner Kollegen unterstützen, dass eine Liste von Prioritäten aufgestellt wird, an denen wir in Anwendung eines vorzeitigen Mitentscheidungsverfahrens auf der Grundlage einer interinstitutionellen politischen Vereinbarung arbeiten können.
Die umfassende Beteiligung des Europäischen Parlaments kann in der Tat nur die Qualität der Beschlüsse verbessern und, wie wir schon gesehen haben, ermöglichen, dass überhaupt eine Einigung erzielt wird. Das geht offensichtlich nicht, ohne dass die nationalen Parlamente in diese Aussprache einbezogen werden, und ich schlage vor, dass wir auch die verstärkte Rolle, die ihnen der neue Vertrag überträgt, vorwegnehmen.
Eine weitere unserer Prioritäten muss natürlich der Datenschutz sein. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich darauf zurückkomme. Sie wissen ja, dass wir uns für die Annahme des Rahmenbeschlusses zum Datenschutz in der dritten Säule eingesetzt haben. Natürlich freuen wir uns, dass das Europäische Parlament erneut zu diesem Thema konsultiert wird. Wir sind jedoch sehr besorgt über die mittelmäßigen Ergebnisse, die gerade wegen der Einstimmigkeitsregel im Rat zu diesem Text erzielt wurden.
Denken Sie nicht, dass es angesichts der Tatsache, dass die Säulen demnächst wegfallen werden, und um einen wirklichen Schutz der Privatsphäre unserer Mitbürger zu gewährleisten, eine Lösung wäre, die existierenden Richtlinien zum Datenschutz zu ändern, sodass sie auch für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit Geltung besitzen? Es ist umso wichtiger, ein hohes Datenschutzniveau zu gewährleisten, da dies auch den Vorschlag zur Schaffung eines europäischen PNR bestimmen muss. Die Frage, die ich Ihnen stelle, ist eine wichtige Frage, und ich möchte wirklich gern eine Antwort erhalten.
VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
Sophia in 't Veld (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich von der Kommission und vom Rat volle Transparenz hinsichtlich der laufenden Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über eine transatlantische Regelung für Datenschutz erhalten. Offenbar bittet die Kommission nun – am Ende des Verhandlungsprozesses – den Rat um ein Mandat. Das ist die falsche Reihenfolge.
Zweitens wird das PNR-Dossier so langsam ein Durcheinander. Die Notwendigkeit des gesamten Programms ist noch längst nicht erwiesen. Es besteht Unklarheit über die Rechtsgrundlage. Es gibt noch keine Regelung für den Schutz von personenbezogenen Daten im dritten Pfeiler. Dies hat die Innenminister anscheinend nicht davon abgehalten, einen Beschluss über ein europäisches PNR-Programm zu fassen. Der Vertreter des Europäischen Parlaments, Herr Deprez, war übrigens nicht eingeladen.
Ich möchte gerne verstehen, wie es möglich ist, dass der deutsche Justizminister gleichzeitig erklärt hat, ein europäisches PNR-Programm würde gegen das deutsche Grundgesetz verstoßen. Meines Erachtens ist dieses Dossier noch lange nicht abgeschlossen; das Europäische Parlament möchte erst einmal erfahren, warum dieses Programm erforderlich ist.
Konrad Szymański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Als bedeutendstes Ereignis des Jahres 2007 auf dem Gebiet der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gilt ganz klar die Ausdehnung des Schengen-Raums. Heute können wir sagen, dass die Erwartungen, ein Grenzübertritt würde dann einfacher, brutal mit der Realität kollidiert sind.
Das Passieren der polnisch-deutschen Grenze zwischen Sachsen und Niederschlesien gestaltet sich jetzt wegen der Ausdehnung des Schengen-Raums problematisch. Menschen werden willkürlich des Schleusens illegaler Einwanderer beschuldigt und wie gewöhnliche Verbrecher stundenlang in Polizeigewahrsam gehalten. Derartige Anschuldigungen werden an Taxifahrer im Grenzgebiet gerichtet. Sie werden widerrechtlich aufgefordert, die Ausweise ihrer Fahrgäste zu überprüfen. Und Fahrzeuge mit polnischem Kennzeichen werden über Stunden kontrolliert.
Die Art und Weise, wie das Schengener Abkommen an der polnisch-deutschen Grenze umgesetzt wird, schreckt die Menschen vor einem Grenzübertritt ab. Dies widerspricht dem Ziel dieses Abkommens und verlangt von der Europäischen Kommission rasches Handeln.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). – (RO) Die Bemühungen der Kommission und des Rates zur Gewährleistung der Freizügigkeit in ganz Europa trugen im Dezember 2007 mit der Erweiterung des Schengen-Raums Früchte. Auf dem Gebiet der illegalen Einwanderung werden die Gesetzgebungsvorlage für gemeinsame Normen zur Rückführung illegaler Einwanderer aus Drittstaaten und die Sanktionen gegen Arbeitgeber, die illegale Einwanderer beschäftigen, gewiss mithelfen, dieses Phänomen einzudämmen.
Im Hinblick auf die legale Einwanderung hat die Kommission Rechtsvorschriften auf den Weg gebracht, als sie dem Parlament den Gesetzentwurf über Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für hoch qualifizierte Arbeitskräfte und die kombinierte Erlaubnis für Drittstaatsangehörige vorlegte.
Ich möchte auf ein Thema aufmerksam machen, dem ich größte Bedeutung beimesse: Nach wie vor gelten Übergangsregelungen, die einige Mitgliedstaaten erlassen haben, um die Freizügigkeit von Arbeitskräften aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzuschränken. Das ist ja alles gut und schön, wenn man eine gemeinsame Politik für die legale Einwanderung aus Drittstaaten fördert, aber nicht normal ist es, Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten Beschränkungen aufzuerlegen. Von einem Raum der Freiheit kann nicht die Rede sein, wenn die Arbeitnehmer in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt sind.
Nach meinem Dafürhalten müssen die Richtlinien über legale Einwanderung aus Drittstaaten eindeutig in Kraft treten, die von einigen Mitgliedstaaten praktizierten Beschränkungen hingegen müssen gleichzeitig aufgehoben werden. Das kann allmählich geschehen, indem Mitgliedstaaten, die die Richtlinie über legale Einwanderung anwenden, aufgefordert werden, alle Beschränkungen für Arbeitnehmer außer Kraft zu setzen, die für die in der Richtlinie aufgeführten Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten gelten.
Außerdem sollte das Präferenzkonzept angewendet werden, sodass Angehörige der Mitgliedstaaten bei der Deckung des Arbeitsmarktbedarfs Vorrang erhalten. Überdies sollte zwischen Drittstaaten weiter unterschieden werden, wobei Angehörige von Nachbarstaaten, speziell jenen, die in die Nachbarschaftspolitik eingebunden sind, Priorität hätten. Ich hoffe, die Diskussion zwischen den Herren Frattini und Deprez eingangs unserer Aussprache wird zu wirklichen Ergebnissen und unsererseits zu erfolgreicher Arbeit führen.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Geburt des Vertrags von Lissabon und die Reform der Europäischen Union bringen, obschon von den EU-Bürgern erwartet, gewaltige Veränderungen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit sich. Insbesondere die Unterordnung dieses Raumes unter die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs erfordert sowohl seitens der Länder als auch der EU-Organe gründliche Vorbereitung. Das Parlament ist sich dessen bewusst und wappnet sich für die neuen Aufgaben, speziell für das mehrheitliche Mitentscheidungsverfahren.
In diesem Zusammenhang möchte ich vom Rat wissen, ob wir mit der Arbeit an einer gemeinsamen Prioritätenliste im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beginnen sollen. Und wenn ja, wann? Bekanntlich haben ja der Rat und die Kommission Programme. Das Parlament weiß über meinen Ausschuss, den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, auch, was getan werden muss. Gleichwohl bedarf es des gemeinsamen, zielorientierten und transparenten Handelns und einer gemeinsamen Prioritätenliste zum Wohle unserer Bürger.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch der portugiesischen Präsidentschaft für die Ausdehnung des Schengen-Raums danken und zugleich dringend um die regelmäßige Bewertung des Funktionierens dieses Systems bitten. Nach nur wenigen Wochen zeichnen sich neben den ausgezeichneten Vorteilen bereits einige damit verbundene negative Folgen ab. Dazu zählen die unerschwinglichen Visumkosten für Bürger von Drittstaaten, vor allem für Belarussen. Die Kosten eines Visums – 60 Euro – stellen eine Hürde dar und halten sie davon ab, ihre EU-Nachbarn zu besuchen. Dies bereitet uns auch Schwierigkeiten, unsere Nachbarschaftspolitik weiter zu verfolgen, die immerhin in dem Reformvertrag verankert ist.
Herr Kommissar, Überwachung allein reicht nicht, das muss geändert werden.
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte mich auf ein Thema konzentrieren, das weniger wichtig zu sein scheint, sich aber 2007 ernsthaft zugespitzt hat und Millionen von Menschen betrifft: die Sicherheit auf den europäischen Flughäfen.
Die Europäische Kommission und der Rat haben zugelassen und tun es auch weiterhin, dass die Verhütung terroristischer Anschläge auf den Flughäfen gehandhabt wird, als ginge es um Verkehrspolitik.
Da werden Freiheiten beschnitten und Rechte eingeschränkt durch Verfahren, erdacht für logistische und technische Vorschriften für Flugzeuge und Züge. Letztendlich haben die Bürger keinen Schutz gegen Missbrauch, und es werden Einschränkungen von Rechten beschlossen, ohne Rücksicht auf Verhältnismäßigkeit oder Effektivität. Männer und Frauen werden von den Sicherheitskräften an den Kontrollstellen manchmal wie Vieh behandelt, da diese Kräfte die von ihnen angewandten Vorschriften oder die Ausnahmen dazu nicht kennen, weil die Bestimmungen für geheim erklärt wurden.
Ich bitte die Kommission – und insbesondere Herrn Frattini –, ihre Autorität in dieser Frage wiederherzustellen, und ich ersuche den Rat, dieses Problem ernsthaft zu prüfen.
Wir haben die Flughäfen zu Bereichen im Ausnahmezustand gemacht, wo weder das Gesetz noch die grundlegendsten Garantien, sondern nur die polizeiliche Autorität ohne jede Kontrolle gelten.
Roselyne Lefrançois (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte drei Themen anschneiden, die mir besonders am Herzen liegen. Das Erste bezieht sich auf die Art und Weise, auf die wir die Phase bis zum Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags angehen werden. Wie alle meine Kollegen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres möchte ich, dass wir eine interinstitutionelle Einigung erzielen, um den neuen, auf unseren Zuständigkeitsbereich anwendbaren Bestimmungen vorzugreifen. Das scheint mir in der Tat die Bedingung sine qua non einer effektiven und transparenten Zusammenarbeit zu sein. Die neuen Regeln zur Rolle der nationalen Parlamente sollten ebenfalls bereits in diesem Jahr erprobt werden. Als Berichterstatterin über den Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung habe ich mich übrigens zu einer engen und strukturierten Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten verpflichtet.
In Bezug auf den Terrorismus würde eine Übersicht der verschiedenen bereits angenommenen Texte ihren jeweiligen Geltungsbereich und ihre Verbindung untereinander deutlicher erkennbar machen. Wenn die Terrorismusbekämpfung eine vorrangige Angelegenheit für die Europäische Union sein muss, dann muss der Schutz der Grundfreiheiten genauso Vorrang haben. Deswegen werde ich bei der Arbeit an dem Rahmenbeschluss sehr genau auf die Klarheit der Definitionen und der verwendeten Termini achten, damit jedes potenzielle Risiko der Beeinträchtigung dieser Freiheiten, insbesondere der freien Meinungsäußerung, vermieden wird.
Lassen Sie mich schließlich einige Worte zu unserer künftigen Tätigkeit in Bezug auf die Einwanderung sagen. Über lange Zeit war es die Hauptsorge der Europäischen Union, sich ein wahres Arsenal an Gesetzen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung zu schaffen, ohne dass es im Gegenzug zu dieser Haltung zum Schutz ihrer Grenzen eine Politik zur legalen Einwanderung, die diese Bezeichnung verdient, gegeben hätte. Ich freue mich also über die Initiativen, die in den letzten Jahren in diesem Bereich angenommen worden sind, und hoffe, dass der politische Wille, ein aufnahmefreundliches Europa zu unterstützen, genauso stark ist wie bei der Verteidigung der Festung Europa.
Der Präsident. − Wir kommen nun zu der Praxis, die von den Engländern „Catch the eye“ genannt wird. Da ich als Vizepräsident auch für die Fragen der Vielsprachigkeit zuständig bin, werde ich auf jeden Fall versuchen, mit den Dolmetschern, meinen Freundinnen und Freunden, den Dolmetschern, zu sprechen, um zu erfragen, wie man „Catch the eye“ in die anderen Sprachen übersetzen kann.
Lassen Sie uns einstweilen sagen, dass jeder, der sprechen möchte, dies tun kann, wenn ihm der Präsident das Wort durch „Catch the eye“ erteilt. So gebe ich durch „Catch the eye“ das Wort an Herrn Cavada, der uns sicherlich viel zu diesem Thema zu sagen hat.
Jean-Marie Cavada (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Sie zunächst bitten, diese Veränderung in der Tagesordnung oder genauer in der Prioritätenordnung zu entschuldigen. Eine Zugpanne zwischen Paris und Brüssel hat mich fast aus Europa hinausbefördert, aber das ist wieder in Ordnung gebracht, ich danke Ihnen.
Jedes Jahr erörtern wir die Fortschritte, die bei der Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gemacht wurden. Diese Aussprache hat jedoch heute eine besondere Bedeutung, und deshalb möchte ich die Gründe anführen, die den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres bewogen haben, diese beiden mündlichen Anfragen an den Rat beziehungsweise die Kommission zu richten und Druck auf die Vertreter dieser Institutionen auszuüben, damit sie auf die Fragen, die wir stellen, klare Antworten geben.
Wenn diese Aussprache wichtig ist, so aus dem Grund, weil die mit den Grundrechten und der Umsetzung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verbundenen Politiken mit der Unterzeichnung des Lissabonner Vertrags im Dezember des vergangenen Jahres und seinem für den 1. Januar 2009 geplanten Inkrafttreten wesentliche Änderungen erfahren müssen und werden, wie sie das Parlament – das ist Ihnen bekannt, meine Damen und Herren – bereits seit mehreren Jahr unablässig gefordert hat.
Unter diesen Änderungen sei das Ende der Säulenstruktur genannt, wodurch es möglich sein wird, die meisten Verfahren in der derzeitigen dritten Säule auf Gemeinschaftsebene zu bearbeiten, die Abstimmung mit absoluter Mehrheit allgemein einzuführen, die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu erweitern und die Rolle des Parlaments als Mitgesetzgeber zu stärken sowie der Charta der Grundrechte bindenden Charakter zu verleihen.
Um in vollem Umfang von den Möglichkeiten zu profitieren, die dieser neue Vertrag bietet, müssen wir bereits jetzt eine gemeinsame interinstitutionelle Strategie erarbeiten, mit der wir die Vorschläge auflisten können und die 2008 auf politischer Ebene verhandelt und dann im Zeitraum Januar-Mai 2008/2009 offiziell angenommen werden sollte.
Abschließend möchte ich sagen, Herr Präsident, dass eine derartige Strategie bedeuten würde, dass wir ab dem Inkrafttreten des neuen Vertrags nicht ständig Vorschläge abändern müssten, die gerade erst angenommen worden sind, und dass zugleich ebenfalls eine vollständige gerichtliche Kontrolle seitens des Gerichtshofs sowie die umfassende Beteiligung des Parlaments an der Festlegung der Politiken, die die Rechte der Bürger in ihrem Kern betreffen, garantiert würde.
Was die Frage angeht, die Sie mir gestellt haben, so werde ich meine Aufmerksamkeit darauf richten und darüber nachdenken, um Ihnen auf meine bescheidene Art zu helfen.
Dragutin Mate, amtierender Ratspräsident. − (SL) Vielen Dank für die Fragen, die Sie mir heute hier gestellt haben. Leider reicht die Zeit nicht aus, um sie alle im Detail zu beantworten, so werde ich versuchen, die wichtigsten von ihnen zu erörtern. Zunächst möchte ich auf Herrn Webers Frage in Bezug auf das SIS-II-System eingehen.
Ich möchte ganz deutlich sagen, dass wir im Rat der Ansicht sind, dass die Sicherheit bei der Übertragung vom „SIS I für alle“ auf das SIS-II-System von allergrößter Wichtigkeit ist und wir nicht zulassen dürfen, dass Daten auf irgendeine Weise verloren gehen oder der Betrieb des Systems in irgendeiner Form gefährdet wird. Aus diesem Grund haben wir uns für einen stufenweisen Transfer von einem auf das andere System entschieden, was natürlich die Entwicklung eines Konverters bedingt. Mithin wird dies die für die Inbetriebnahme des SIS-II-Systems benötigte Frist etwas verlängern. Ich halte dies für eine sehr gute Entscheidung, da sie die Datensicherheit gewährleistet und natürlich eine Verbesserung der Qualität der Daten, die das neue System bieten wird, was ja der wichtigste Aspekt des SIS-II-Systems ist.
Weiterhin möchte ich auf eine von einigen Abgeordneten gestellte Frage hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament eingehen. Meines Erachtens muss diese Zusammenarbeit in den meisten Fällen sehr eng sein. Wir brauchen natürlich einen gewissen politischen Konsens und eine gegenseitige Beziehung, um ein angemessenes Sicherheitsniveau und den Schutz der Menschenrechte herzustellen und zu gewährleisten. Wir benötigen ein begründetes und ausgewogenes Herangehen, wobei dem Europäischen Parlament eine herausragende Rolle zukommt, und ich kann mir kaum vorstellen, wie wir ohne diese enge Zusammenarbeit mit dem Parlament arbeiten könnten.
Es muss uns natürlich klar sein, dass der Vertrag von Lissabon noch nicht in Kraft ist. Der Ratifizierungsprozess ist im Gange. Dieser Prozess ist relativ heikel, in einigen Ländern möglicherweise heikler als in anderen. Doch wir müssen in einer Weise arbeiten und vorgehen, die den Ratifizierungsprozess in keinem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Gefahr bringt. Ich halte es daher für klug, in diesem Jahr, das zur Anwendung des Vertrags von Lissabon führt, miteinander zu kooperieren und Rechtsakte, die wir erörtern, in zwei Gruppen aufzuteilen. Eine Gruppe besteht aus den Rechtsakten, deren Bearbeitung fast abgeschlossen ist und zu denen uns die Stellungnahme des Parlaments vorliegt bzw. die ganz abgeschlossen sind oder sich im Endstadium des Abschlusses befinden. Die andere Gruppe besteht aus Rechtsakten, die wir vorlegen oder in Kürze vorlegen werden und für die wir die enge und regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Parlament benötigen. Ich denke, auf diesem Weg finden wir eine geeignete Form der Zusammenarbeit, um angemessene Sicherheit und eine ausreichend effiziente Methode des Vorgehens zu gewährleisten sowie künftige Arbeitspraktiken festzulegen.
Ferner möchte ich kurz die Rückführungs-Richtlinie und Frontex ansprechen. Die technischen Debatten und Verhandlungen über die Rückführungs-Richtlinie werden unter der slowenischen Präsidentschaft fortgesetzt, und wir haben auch eingewilligt, politische Verhandlungen zu führen. Ich hoffe daher, dass wir zu dem notwendigen und geeigneten politischen Kompromiss finden werden. Ich habe noch stets die Hoffnung, dass dieser Kompromiss erzielt wird, und wir waren bereits in Kontakt mit dem Berichterstatter, Herrn Weber, was mich glauben lässt, dass die Sache gute Fortschritte macht.
Was Frontex betrifft, möchte ich nur sagen, die Bewertung der Arbeit von Frontex macht Fortschritte, und die Präsidentschaft plant eine noch ausführlichere Diskussion auf Ministerebene während der Konferenz Anfang März, wenn wir über Frontex und die Zukunft dieser Agentur sprechen sowie ihre bisherige Arbeit bewerten werden. Nach dieser Diskussion werden wir in der Lage sein, dem Parlament eingehender Bericht zu erstatten.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Aussprache von heute Morgen hat gezeigt, dass aufseiten aller drei Organe die gemeinsame Bereitschaft zur Zusammenarbeit besteht. Doch nicht nur die Arbeitsmethode ist wichtig, sondern auch der sachliche Inhalt. Der zu Beginn der Ausführungen von Herrn Deprez geäußerte Wunsch, der, ich würde sagen, auf breite Zustimmung, auch beim Ratspräsidenten, stieß und von mir persönlich unterstützt wird, bezieht sich daher auf die richtige Arbeitsmethode, die verfolgt werden muss.
Wie ich eingangs sagte, erwies sich im Rat die Idee, nach einem nicht nur auf sechs Monate beschränkten Zeitplan zu arbeiten, als erfolgreich. Wir sollten versuchen, sie auch hier umzusetzen, denn meinem Eindruck nach haben sich aus den Redebeiträgen einige Themen herausgeschält, deren Priorität offensichtlich ist. Es ist für alle offensichtlich, dass wir in unseren Bemühungen um die Einrichtung von SIS II – der neuen Generation von SIS – nicht nachlassen dürfen. Wir müssen vorankommen, und abgesehen von den Überlegungen über den Zeitrahmen besteht unsere Sorge darin, dass die Erprobung dieses neuen Systems beweisen muss, dass es wirklich einen Zusatznutzen für die Sicherheit unserer Außengrenzen bringt.
Deshalb würde ich nicht von Verzögerung sprechen, sondern vielmehr von der Notwendigkeit – der ich beipflichte –, das System gründlich durch die Mitgliedstaaten zu erproben, um zu sehen, wie es funktioniert und noch besser funktionieren kann, bevor es in die Praxis überführt wird. Die Zeitpläne, die wir mit dem Vorsitz erörtert haben und die wir in wenigen Wochen auf der Februartagung des Ministerrats in aller Form bestätigen werden, beweisen, dass wir auf einen Mehrwert der neuen Generation von SIS hinarbeiten, was ganz klar zu den Prioritäten gehört.
Viele haben auf eine Bewertung der Effizienz der Sicherheits- und insbesondere der Antiterrormaßnahmen hingewiesen. Das ist eine Forderung dieses Parlaments, der ich mich vor einem Jahr gestellt habe. Gegenwärtig läuft eine Untersuchung. Im Dezember letzten Jahres haben alle Mitgliedstaaten einen detaillierten Fragebogen zu den Ergebnissen der durchgeführten Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen erhalten. Ich kann nicht nur Baronesse Ludford, sondern Ihnen allen versichern, dass ich bis Mitte April in der Lage sein werde, die vollständigen Ergebnisse dieser 27 Mitgliedstaaten betreffenden Analyse zu veröffentlichen. Das ist meines Erachtens ein weiteres vorrangiges Diskussionsthema, für das sich dieses Parlament stets interessiert hat.
Einige haben über die Verfahrensgarantien gesprochen. Sie wissen, dass es zu keiner Einigung kam, weil uns einige Mitgliedstaaten unüberwindliche Hindernisse in den Weg legten, doch nun hat der slowenische Vorsitz ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das meiner Meinung nach als Schwerpunkt behandelt werden könnte: das Thema der Versäumnisurteile. Das ist einer der Aspekte, die die Verfahrensgarantien betreffen. Noch nicht die Gesamtüberlegung, aber ein äußerst wichtiger Aspekt: Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Versäumnisurteile – ein Punkt, den meines Wissens Frau Lambert angesprochen hat – ist ein Thema, das nach 2008 eine vorrangige Behandlung verdienen würde.
Die Evaluierung von Frontex haben wir bereits erwähnt. Am 13. Februar veröffentlichen wir unsere erste Gesamtevaluierung zu Frontex. Selbstverständlich wird dieses Kommissionsdokument im Rat und im Parlament erörtert werden und dann die Grundlage einer Aktion bilden, die ich für 2008 ebenfalls als vorrangig bezeichnen würde: Wie hat Frontex funktioniert, wie können wir die Agentur verbessern und wie können wir die Mitgliedstaaten zu einer stärkeren Beteiligung bewegen.
Ferner wurde der Terrorismus zur Sprache gebracht, auf den viele eingegangen sind. Die terroristische Propaganda im Internet und die Radikalisierung und Gewaltbereitschaft sind alles Themen, die Gegenstand nichtlegislativer Maßnahmen sein werden. Einige Rechtsetzungsmaßnahmen sind bereits geplant, es wird Mitteilungen der Kommission und entsprechende Debatten dazu geben.
Ich habe die Ausführungen von Frau Roure zum europäischen PNR-System sehr begrüßt. Das ist eine Diskussion, die das ganze Jahr 2008 über fortgeführt werden wird. Ich glaube nicht, dass wir bis Ende dieses Jahres das europäische PNR-System unter Dach und Fach haben werden. Allerdings glaube ich, dass drei Kriterien – die, wenn ich nicht irre, von Frau Roure genannt wurden – unsere Richtschnur sein müssen: Verhältnismäßigkeit bei der Datenerhebung und ihr Mehrwert für die Terrorismusbekämpfung, denn darum geht es. Wenn dieses Instrument funktioniert, werden wir es annehmen, wenn nicht, werden wir es modifizieren oder nicht annehmen. Ich persönlich glaube, dass es hilfreich sein wird, dass es jedoch hier erörtert werden muss. Ferner geht es darum, wie die erhobenen Daten geschützt werden können und wie diejenigen, die Missbrauch damit treiben, bestraft werden sollen. Dies sind offensichtlich noch offene Diskussionsthemen, die wir im Laufe des Jahres 2008 angehen können.
Zuletzt zur Einwanderung. Ich denke, dass wir nun den Gesamtansatz zur Migrationsfrage entsprechend den Vorgaben des Europäischen Rates vom Dezember weiterverfolgen und mit Blick auf die bevorstehende französische Präsidentschaft über den europäischen Pakt für Einwanderung nachdenken müssen, den die französische Regierung vorschlagen will, und ich habe Ihnen hier bereits die uneingeschränkte Bereitschaft der Kommission zu einer diesbezüglichen Zusammenarbeit angekündigt.
Abschließend noch zur Asylpolitik. Das Jahr 2008 wird entscheidend sein, denn bis spätestens 2010 müssen wir ein europäisches Asylsystem geschaffen haben. 2008 wird der Kommission der Aktionsplan vorgelegt werden.
Ich habe Beispiele angeführt, um in diesem Sinne deutlich zu machen, dass der meines Erachtens zustimmungsfähige Vorschlag von Herrn Deprez darin besteht, uns zusammenzuschließen und konkret festzulegen, welche Maßnahmen sofort ergriffen werden können, weil sie bereits herangereift sind – viele werden wir unter slowenischem Vorsitz abschließen können –, und welche wir, ich würde sagen, bis Juni 2009, weiter diskutieren können.
Sophia in ’t Veld (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Mit einiger Überraschung und Bedauern habe ich zur Kenntnis genommen, erstens, dass der Rat auf keine der Fragen zu den PNR geantwortet hat. Würde er sich an dieser Stelle bereit erklären, alle Fragen, die hier gestellt werden, schriftlich zu beantworten?
Zweitens stelle ich – ebenfalls mit Bedauern – fest, dass wir seit nunmehr einem Jahr um Informationen über die Kontaktgruppe auf hoher Ebene und die Verhandlungen zwischen der Kommission und Amerika zum Datenschutz bitten. Auch hierzu haben wir keine Antwort erhalten. Die Verhandlungen laufen seit einem Jahr, und meiner Ansicht nach wird es höchste Zeit, dass uns mitgeteilt wird, was der Gegenstand dieser Verhandlungen ist. Ich bitte um eine schriftliche Antwort.
Der Präsident. − Danke, Frau in 't Veld. Ich glaube, die Kommission und auch der Rat haben Ihre Worte zur Kenntnis genommen, und ich bin sicher, dass sie auf die gerade von Ihnen geäußerten Bitten schriftlich antworten werden.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der März-Tagung statt.