Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Francesco Musotto im Namen des Haushaltskontrollausschusses über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften – Betrugsbekämpfung – Jahresberichte 2005 und 2006 (2006/2268(INI)) (A6-0009/2008).
Francesco Musotto, Berichterstatter. − (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Herrn Kallas für seine wertvolle Mitwirkung bei der Arbeit des Parlaments bedanken. Des Weiteren danke ich OLAF, in der Person seines Direktors, Franz-Hermann Brüner, für seine rückhaltlose Unterstützung und die entscheidende Arbeit, die es geleistet hat und die keineswegs einfach war. Und zu guter Letzt möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen für ihre hilfreichen Beiträge sowie allen nationalen Einrichtungen und Institutionen, die bei dieser schwierigen Aufgabe mit uns kooperierten, meinen Dank aussprechen, insbesondere – mit Verlaub –der italienischen Guardia di finanza, die bei diesem Einsatz ihre hohe Professionalität unter Beweis gestellt hat.
Der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft ist ein Thema von herausragender Bedeutung, das uns als Staaten und als Bürger unmittelbar betrifft und deshalb mit der notwendigen Entschlossenheit und Entschiedenheit angegangen werden muss.
Mit dem heute eingereichten Entschließungsantrag soll eine konkrete Antwort auf das alarmierende Phänomen der Betrügereien zu Lasten der Gemeinschaft gegeben werden. Die erhobenen Daten …
(Der Präsident unterbricht den Redner, um einige Abgeordnete, die die Debatte stören, zur Ordnung zu rufen.)
Ich danke Ihnen, Herr Präsident, wir sprechen gerade über Transparenz und hier ist auch zivilisiertes Benehmen vonnöten.
Mit dem heute eingereichten Entschließungsantrag soll eine konkrete Antwort auf das alarmierende Phänomen der Betrügereien zu Lasten der Gemeinschaft gegeben werden. Die erhobenen Daten sind Besorgnis erregend: der Gesamtbetrag der Unregelmäßigkeiten in den Bereichen Eigenmittel, Agrarausgaben und strukturpolitische Maßnahmen belief sich im Jahr 2006 auf rund 1,143 Milliarden Euro, gegenüber 1,024 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Statistiken lassen eine ständig wachsende Zahl von Unregelmäßigkeiten erkennen.
Gleichwohl möchte ich hervorheben, dass eine hohe Zahl von Unregelmäßigkeiten nicht notwendigerweise ein hohes Betrugsvolumen bedeutet. Sie kann auch ein Indiz für die Wirksamkeit der vorhandenen Kontrollsysteme und eine enge Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaat und Kommission sein. Letztere hatte in ihrem Jahresbericht für 2006 zu Recht die Bedeutung dieser Zusammenarbeit sowohl zu Zwecken der Vorbeugung als auch der Wiedereinziehung betont. Gegenwärtig liegen den Statistiken heterogene nationale Strukturen mit unterschiedlichen Verwaltungs-, Rechts- und Prüfungssystemen zugrunde.
Insbesondere ist es inakzeptabel, dass Deutschland und Spanien der Kommission keine Informationen in elektronischer Form über die Unregelmäßigkeiten übermitteln, wie dies für alle Mitgliedstaaten vorgeschrieben ist. Die Gemeinschaftsvorschriften und die mit der Betrugsbekämpfung verbundenen Pflichten müssen von den verschiedenen Ländern gleichermaßen übernommen werden. Zu diesem Zweck ist eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Staaten und der Kommission unerlässlich für den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, die als gemeinsame Interessen verstanden werden müssen und somit über den Interessen der einzelnen Staaten stehen.
Die Kontrollbehörden und die lokalen Behörden müssen im Hinblick auf die Koordinierung und den Informationsaustausch stärker zusammenwirken. Die Beibehaltung der zentralen Mittelverwaltung und -vergabe bringt komplexe Durchführungsverfahren mit sich und erhöht die Distanz zwischen den Finanzbehörden und den Endbegünstigten.
Ein anderer wichtiger Punkt, der in dem Bericht zur Sprache gebracht wird, ist die Vereinfachung der Rechtsvorschriften. Der Programmplanungszeitraum 2000-2006 hat bewiesen, dass zu komplizierte Vorschriften Unregelmäßigkeiten begünstigen.
Was schließlich die Einziehungstätigkeit anbelangt, so ist zwar eine leichte Verbesserung zu vermelden, doch bleibt die Wiedereinziehung nach wie vor ein Problem, durch das für den Haushalt der Gemeinschaft erheblicher Schaden entsteht. Insbesondere kann nicht hingenommen werden, dass von dem Zeitpunkt der Begehung einer Unregelmäßigkeit bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie der Kommission gemeldet wird, 39 Monate vergehen, da eine solche Verzögerung die Einziehung erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Der Bericht von Herrn Musotto umfasst zwei Jahre, in denen man sich um einen verbesserten Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union bemüht hat. Ein gesundes Haushaltsführungssystem muss die Ausgaben und die Kontrolle und Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten im Blick haben, insbesondere solche mit Betrugscharakter.
Der Bericht enthält in weiten Teilen dieselben Anliegen wie der Entlastungsbericht, wobei der Schutz der finanziellen Interessen zwar als Kernelement einer gesunden Haushaltsführung angesehen wird, der Fokus aber ein anderer ist.
Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Musotto, herzlich für diesen sehr straffen Bericht danken, der sich auf die wesentlichen Aspekte konzentriert und die Kommission an mehreren Stellen dazu auffordert, ihre Bemühungen zu verstärken.
Gestatten Sie, dass ich auf vier dieser Punkte näher eingehe. Erstens wäre dies die Rolle der Mitgliedstaaten: Der Bericht bedient sich der großen Menge von Zahlen und Statistiken über Unregelmäßigkeiten in den Mitgliedstaaten und deren finanzielle Auswirkungen. Es wird auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bestimmte Mitgliedstaaten besser dastehen als andere. Ich möchte nochmals betonen, dass eine große Anzahl von Unregelmäßigkeiten nicht unbedingt mit einem hohen Grad an Betrugsdelikten gleichzusetzen ist, sie kann aber gut als Indikator für effektive und durchgreifende Kontrollen dienen.
Als ich im Juli den Kommissionsbericht vorgelegt habe, habe ich hervorgehoben, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten Informationen über Unregelmäßigkeiten korrekt, vollständig und rechtzeitig mitteilen. Ein guter Informationsfluss zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission ist von grundlegender Bedeutung für eine wirksame Wiedereinziehung und für gemeinsame Maßnahmen gegen Betrüger. In vielen Mitgliedsländern ist dies bereits Realität, aber einige andere haben hier noch Verbesserungsbedarf. Die Kommission, unterstützt durch das Europäische Parlament, wird sich nicht scheuen, diese Länder an ihre Verantwortung zu erinnern.
Ich stimme der in dem Bericht enthaltenen Aufforderung voll und ganz zu, dass der Rat die Jahresberichte auf seine Tagesordnung setzen und auf Ministerebene prüfen soll. Das Haushaltsführungssystem der EU ist komplex, weil die Verantwortung mit den Mitgliedstaaten geteilt wird. Die stärkere Gewichtung der nationalen Erklärungen und die Stärkung der Mitverantwortung der Mitgliedstaaten für die Ausgaben sollten Hand in Hand mit der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrug gehen.
Ich begrüße es sehr, dass der Bericht sich auf systemimmanente und allgemeine Aspekte konzentriert und nicht so sehr auf Einzelfälle, zu deren unabhängiger Untersuchung OLAF, das Amt für Betrugsbekämpfung, bekanntlich befugt ist.
Die Kommission stimmt mit dem Europäischen Parlament vollkommen darin überein, dass die in Mitgliedstaaten bestehenden Strukturen intensiver analysiert werden müssen, damit Unregelmäßigkeiten bekämpft werden können, dass die Mitgliedstaaten unterstützt und die Kooperation und der Informationsaustausch vereinfacht werden müssen. Dies wird ein Thema des Berichts für 2008 sein. Der diesjährige Bericht der Kommission hebt die Themen Risikoanalyse und Risikomanagement, Datenbanken zur Überprüfung von Ausschlussgründen und Warnmeldungen/Warnmechanismen, die durch interne Informanten ausgelöst werden, hervor. Darüber hinaus untersucht der Bericht die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Einziehung der nicht erhobenen oder zu Unrecht gezahlten Beträge sowie die Mechanismen der Einziehung durch Aufrechnung nach einzelstaatlichem Recht. Der Bericht enthält auch Informationen zu eingezogenen Beträgen und den vorgenommenen finanziellen Berichtigungen, insbesondere bei Zahlungen, die nicht im Einklang mit den Regeln der Gemeinschaft getätigt wurden.
Die Rolle der organisierten Kriminalität, z. B. der Mafia, bei der Unterminierung der finanziellen Interessen der EU ist ein Thema, das dem Berichterstatter sehr am Herzen liegt. OLAF hat an der von Europol erstellten OCTA, der Bewertung der Bedrohungslage der EU im Bereich der organisierten Kriminalität, mitgewirkt. Es freut mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass ich beide Behörden gebeten habe, in dieser Angelegenheit weiter zu kooperieren.
Bei der Mehrwertsteuer und beim Zoll sind die schwersten Betrugsdelikte zu verzeichnen. Traurigerweise ist dies ein Bereich, in dem die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten oft schwierig ist. Ich will mich sehr kurz fassen und mich auf das beziehen, was ich zum Bericht Newton Dunn sagen werde, und möchte dem Europäischen Parlament für dessen unablässige Unterstützung bei der Hervorhebung der nützlichen Rolle einer Zusammenarbeit auf EU-Ebene in diesem Bereich danken.
Mein vierter und letzter Kommentar bezieht sich auf die Überarbeitung der OLAF-Verordnung. Die Kommission hat im Mai 2006 einen diesbezüglichen Vorschlag vorgelegt. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass darin die wesentlichsten Aspekte einer effizienten Arbeitsweise des Amts für Betrugsbekämpfung angesprochen werden, nämlich Informationsfluss, Verfahrensrechte und der Beschwerdemechanismus, die Rolle des Überwachungsausschusses und, etwas allgemeiner, Verwaltung und Rechenschaftspflicht. Ich hoffe sehr, dass wir bereits in Kürze interinstitutionelle Diskussionen über Lösungsmöglichkeiten führen können und in diesen wichtigen Fragen vorankommen.
Der Bericht Musotto verleiht dem Wunsch Nachdruck, die Gesetzgebung zur Betrugsbekämpfung zusammenzufassen. Aus politischer Sicht bejahe ich dies voll und ganz, technisch gesehen wird diese Aufgabe jedoch nicht einfach. Die Kommission wird die gewünschte Auswertung bis zum Mai dieses Jahres an das Europäische Parlament weiterleiten.
Jan Březina, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. − (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns liegt ein Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen der EU mit der etwas doppeldeutigen Unterüberschrift „Betrugsbekämpfung“ vor.
Eigentlich steht nicht der Betrug im Mittelpunkt des Berichts, sondern es sind eher die Unregelmäßigkeiten. Während Betrug böse Absicht voraussetzt, kann eine Unregelmäßigkeit die Folge von Nachlässigkeit oder falschen buchhalterischen Verfahren sein. Für heikle Gebiete wie die Finanzbeziehungen innerhalb der EU sollte eine solche Terminologie vorsichtig verwendet werden.
Als Berichterstatter des Ausschusses für regionale Entwicklung bedaure ich die Zunahme der Fälle von Unregelmäßigkeiten, die bei Projekten festgestellt wurden, die mit Strukturfondsmitteln finanziert werden. Das wirft ein schlechtes Licht auf einige Mitgliedstaaten und deren interne Kontrollmechanismen. Allerdings sollten Schwierigkeiten aufseiten dieser Länder nicht als Grund dafür dienen, das bestehende System der dezentralisierten Kontrolle bei der Verwendung der Strukturfonds erneut zu überprüfen. Es besteht kein Zweifel an der Verantwortlichkeit; sie ist individuell und muss als solche auch durchsetzbar sein.
Der erste notwendige Schritt besteht darin, einen angemessenen Finanzkontrollmechanismus in den einzelnen Mitgliedstaaten zu schaffen. Der nächste Schritt wäre, die Einziehung der zu Unrecht gezahlten Beträge zu gewährleisten. Ein möglicher Ansatz könnte die Aussetzung der regelmäßigen Zahlungen an die Mitgliedstaaten sein, die zögern, die unter vorschriftswidrigen Umständen gezahlten Beträge zurückzuzahlen.
Das Vorhandensein ungenügender Kontrollmechanismen ist geeignet, das Vertrauen in das Strukturfondssystem zu untergraben, und könnte ein schlechtes Licht auf die EU insgesamt werfen.
Ferner müssen die Kontrollen mit größerer Offenheit und Transparenz durchgeführt werden. Deshalb möchte ich meine Unterstützung für die europäische Transparenzinitiative zum Ausdruck bringen, die für eine Veröffentlichung der Informationen über die Begünstigten der Fondsunterstützung sorgt. Wenn wir über die Verwaltung öffentlicher Fonds sprechen, müssen auch bestimmte Forderungen an die Begünstigten einer solchen Unterstützung gestellt werden.
Eine Voraussetzung für eine bessere Bewertung der Kontrollsysteme ist die engere Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof, die bisher fehlt. Es ist zwar richtig, dass es langweilig für die EU-Organe ist, die Berichte des Rechnungshofs zu lesen, aber das sollte sie umso mehr veranlassen, ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, was ohnehin besser wäre, als den Kopf in den Sand zu stecken und sich der Verantwortung zu entziehen.
Kyösti Virrankoski, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. – (FI) Herr Präsident! Herr Musotto hat einen ausgezeichneten Bericht über die Jahresberichte 2005-2006 des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung vorgelegt, und ich möchte ihm an dieser Stelle meinen herzlichen Dank dafür ausdrücken. Der Umfang der Unregelmäßigkeiten, die von den Mitgliedstaaten angezeigt wurden, ist 2006 auf einen Wert von 1,143 Milliarden Euro angestiegen. Davon entfallen allein auf den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft 87 Millionen Euro. Das sind zwar nur 0,17 % der gesamten Agrarausgaben von 49,7 Milliarden Euro, dennoch muss das sehr ernst genommen werden. Etwa ein Drittel der festgestellten Unregelmäßigkeiten betraf Fälle von direktem Betrug.
Mit der neuen Verordnung werden die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, zu Unrecht gezahlte Beihilfen leichter als bisher zurückzufordern. Deshalb halten es der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung wie auch der Haushaltskontrollausschuss für bedauerlich, dass der Umfang der Wiedereinziehung dieser Beihilfen nach wie vor gering ist. Die Kommission sollte das Wiedereinziehungsverfahren beschleunigen und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen ergreifen. Beide Ausschüsse versichern auch die Kommission ihrer vollen Unterstützung bei der strikten Anwendung der Möglichkeit der Aussetzung von Zahlungen, wenn die Kommission nicht eine absolute Garantie dafür hat, dass Mitgliedstaaten, die Empfänger von Mitteln sind, über ein zuverlässiges Verwaltungs- und Kontrollsystem verfügen.
(Beifall)
Ingeborg Gräßle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EVP-ED-Fraktion ist erstmals für den Betrugsbericht verantwortlich, und wir danken dem Kollegen Musotto, dass er die Arbeit von OLAF und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in den Mittelpunkt seines Berichts gestellt hat. Er musste fleißig sein: 630 Seiten Statistiken – Material zum Thema Betrugsbekämpfung aus den Jahren 2005 und 2006. Seine Bilanz ist sehr gemischt, und ich glaube, dass wir hier wirklich eingreifen müssen. Die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten ist den Mitgliedstaaten nicht wichtig genug. Das sieht man auch heute daran, dass der Rat einmal mehr einer ganz wichtigen Debatte fernbleibt, wo es doch auch für ihn als zweiten Arm der Haushaltsbehörde um das Geld geht, das er für die Steuerzahler mitverwaltet und mit ausgibt.
Der Berichterstatter schlägt vor, wegen Verstoßes gegen das EU-Recht gegen Deutschland und Spanien formelle Schritte einzuleiten. Spanien übermittelt Daten zu Unregelmäßigkeiten nur in Papierform. Außerdem sind diese Daten vor allem über Unregelmäßigkeiten sehr lückenhaft, wie auch dem 18. Strukturfondsbericht zu entnehmen ist.
Deutschland ist ein ganz besonderer Fall. Es braucht länger als die anderen Mitgliedstaaten zur Meldung, und es ist das einzige EU-Land, das Unregelmäßigkeiten ohne Namen meldet. Wie kann OLAF seine Arbeit tun, ohne die Namen zu kennen? Hinter dem Datenschutz dürfen sich hier Betrüger verstecken, denn immerhin, Herr Kollege Březina, 15 bis 20 % der Unregelmäßigkeiten haben einen betrügerischen Hintergrund. Deutschland behindert auch die Ermittlungsarbeiten von OLAF vor Ort, etwa wenn es um Zollvergehen und Exporterstattungen geht. Wir fordern die Kommission auf, uns über jeden Mitgliedstaat und dessen Willen oder Unwillen zur Zusammenarbeit zu berichten, spätestens beim nächsten turnusmäßigen OLAF-Bericht.
Aus der Sicht unserer Fraktion muss die anstehende Reform der Rechtsgrundlage von OLAF vor allem dazu genutzt werden, die Arbeitsbedingungen von OLAF mit den Mitgliedstaaten zu verbessern. Ich möchte mich ganz herzlich bei OLAF selbst und bei den Mitarbeitern bedanken, die auf einem ganz schwierigen Feld tätig sind. Ich glaube, dass die Resultate des Amtes sich wirklich sehen lassen können. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass diese Resultate durch eine bessere Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten besser sein könnten als sie es sind.
Szabolcs Fazakas, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident, Herr Vizepräsident, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament betrachtet den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union als eine ihrer wichtigsten Aufgaben, da es, wie alle Parlamente, das Recht und die Pflicht hat, die Ausgaben zu überwachen. Darüber hinaus verstärkt sich in Europa die Ansicht, dass die EU-Mittel unzureichend kontrolliert werden, so dass wir der Öffentlichkeit, unseren Wählern und den Steuerzahlern gegenüber in dieser Hinsicht auch eine politische Verantwortung haben.
Dieser legislativen und politischen Verantwortung kommen wir in erster Linie durch das Entlastungsverfahren nach, und darüber hinaus verfassen wir regelmäßig Berichte über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und die Betrugsbekämpfung. Unser Ziel besteht dabei nicht darin, etwas Sensationelles zu veröffentlichen oder einen Skandal zu provozieren, sondern die Lage objektiv darzustellen und Probleme zu lösen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und meinem Kollegen, Herrn Musotto, zu diesem ausgezeichneten Bericht gratulieren und dem Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Kallas, sowie dem Generaldirektor von OLAF, Herrn Brüner, für die konstruktive Zusammenarbeit danken, die sie auch auf diesem Gebiet bewiesen haben.
Ungeachtet der Tatsache, dass diesen hochrangigen Berichten Jahr für Jahr große Anerkennung gezollt wird, kommen wir uns in den Organen der EU manchmal so vor, als würden wir gegen Windmühlen kämpfen, da die in den Berichten getroffenen Feststellungen auf den Widerstand des Rates treffen mit dem Ergebnis, dass die Kommission seit Jahren nicht in der Lage ist, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.
Unserer Meinung nach ist die Haltung der Mitgliedstaaten das schwächste Glied, da einige Mitgliedstaaten – unsere Kollegin, Frau Gräßle, erwähnte in diesem Zusammenhang soeben Deutschland – nicht erkennen, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass EU-Mittel entsprechend den Vorschriften ausgegeben, dass Ausgaben sorgfältig kontrolliert und dass zu Unrecht ausgezahlte Beträge wieder eingezogen werden.
Wir halten es für besonders bedauerlich, dass sich MWSt-Betrug in der Form von so genannten Karussellgeschäften in ganz Europa ausbreitet, so dass es keine Gesamtzahlen für die betreffenden Beträge gibt, obwohl aus Schätzungen hervorgeht, dass es sich um etwa 35-40 % des EU-Haushalts handeln könnte. Es ist höchste Zeit, auch in dieser Hinsicht entschlossen zu handeln – sowohl im Interesse der Verwaltung der europäischen Angelegenheiten als auch im Interesse der öffentlichen Meinung. Vielen Dank.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich ergreife im Namen der Fraktion Union für das Europa der Nationen zum Thema Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften das Wort und möchte auf folgende Punkte aufmerksam machen. Erstens: Das Schadensvolumen aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Bereich Eigenmittel hat sich von 212 Millionen Euro im Jahr 2004 auf 328 Millionen Euro im Jahr 2005 und 353 Millionen Euro im Jahr 2006 erhöht. Bei den strukturpolitischen Maßnahmen ist der Betrag der Unregelmäßigkeiten von 601 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 703 Millionen Euro im Jahr 2006 angestiegen.
Zweitens: Im Bereich Landwirtschaft hat sich das Schadensvolumen aufgrund von Unregelmäßigkeiten deutlich verringert – von 102 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 82 Millionen Euro im Jahr 2006. Dieser Rückgang ist insofern bemerkenswert, als die Agrarausgaben sehr oft eine große Zahl von Empfängern, also Landwirten, betreffen, die bei dem komplizierten Abrechnungsverfahren für die bereitgestellten Mittel häufig auf sich allein gestellt sind.
Drittens: Ich möchte die Aussage des Berichts unterstreichen, wonach vor allem die komplizierten Planungsgrundsätze und unwirksamen Kontroll- und Überwachungsmethoden zu den Unregelmäßigkeiten bei den Haushaltsmitteln beitragen.
Viertens: Hervorzuheben ist auch die Forderung nach mehr Transparenz bei der Zuweisung der Mittel.
Ganz entscheidend dafür ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Informationen über die Projekte und Begünstigten von Mitteln im Rahmen aller gemeinschaftlichen Fonds zu veröffentlichen.
Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Der Kommissar äußerte sich ähnlich: Der Bericht steht tatsächlich im Zusammenhang mit dem Entlastungsverfahren. Auch in diesem Sinne stimmt diese Aussprache auf die Anhörung mit den Kommissaren Špidla und Hübner in der nächsten Woche ein. Wir kennen die Zahlen zu den gemeldeten Unregelmäßigkeiten. Diese sagen selbstverständlich nicht alles, aber durchaus viel über die Probleme aus, die in den Politikfeldern der Eigenmittel, der Landwirtschaft und der Strukturfonds gemeldet wurden. Der Bericht erwähnt gemeldete Unregelmäßigkeiten in Höhe von insgesamt 1,1 Milliarden Euro und der Trend zeigt nach oben. Nach besseren Zahlen in den Jahren 2003, 2004 und 2005 befinden wir uns wieder auf dem Niveau von 2002. Die Landwirtschaft schneidet relativ gut ab.
Zu den Problemsektoren zählen ganz eindeutig die Eigenmittel und die Strukturfonds: Bei den Eigenmitteln belaufen sich die gemeldeten Unregelmäßigkeiten auf 325 Millionen Euro, bei den Strukturfonds auf 700 Millionen Euro. Innerhalb der Strukturfonds entfallen auf fünf Mitgliedstaaten 84 % der gemeldeten Unregelmäßigkeiten. Wen es interessiert, kann in Herrn Musottos Bericht nachlesen, um welche Länder es sich handelt. Es ist wirklich recht bemerkenswert. Dabei ist zu bedenken, dass in dem Zeitraum vor 2006 noch 1 Milliarde Euro an nicht wiedereingezogenen Mitteln ausstanden und dass dem Rechnungshof zufolge 12 % der Strukturmittel 2006 nicht hätten ausgezahlt werden dürfen. In diesem Rahmen findet das derzeitige Entlastungsverfahren statt, und das erfüllt uns mit großer Sorge. Wir werden darauf noch zu sprechen kommen.
Was die Eigenmittel betrifft, so wird das Problem des Zigarettenschmuggels richtig angegangen. Wir hatten die Vereinbarung mit Philip Morris. Eine neue Vereinbarung mit Japan Tobacco wurde getroffen, die eine Menge Geld bringen und auch den Schmuggel reduzieren wird. Der Problembereich per se auf dem Gebiet der Eigenmittel sind die Mehrwertsteuerkarusselle. Die Zahlen werden genannt: es sind gigantische Beträge, die in die Milliarden Euro gehen. Die Studie des britischen Oberhauses zeigt dies noch deutlicher auf. Ich bin froh, dass unser Parlament dieses Problem in Angriff nimmt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat bereits eine Anhörung organisiert, der Haushaltskontrollausschuss veranstaltet selbige am 4. oder 5. Mai. Ich hoffe, als Berichterstatter einen ebenso guten Bericht über die Mehrwertsteuerkarusselle vorlegen zu können, wie ich es über den Zigarettenschmuggel vermocht habe.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Dieser Bericht ist ein langer Katalog von Versäumnissen. Er illustriert anschaulich, wie die Zahl der Betrugsdelikte, die als „Unregelmäßigkeiten“ bezeichnet werden, unablässig steigt und dass Versuche, etwas dagegen zu unternehmen, immer wieder scheitern. Es wird offen zugegeben, dass sich der Gesamtbetrag der Betrugsdelikte in den Bereichen Eigenmittel, Agrarausgaben und strukturpolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Jahr 2006 auf rund 1,143 Milliarden Euro belief. Diese Zahl lag 2003 bei 922 Millionen Euro; das bedeutet einen Anstieg von über 200 Millionen Euro in nur vier Jahren.
Ich möchte jeden in dieser Institution daran erinnern, dass es sich hierbei nicht um irgendwelches Geld handelt, sondern um das Geld der Steuerzahler. Die EU setzt sich zusammen aus ihren Bürgern, unter anderem auch aus den stark geschröpften Steuerzahlern in Großbritannien. Die haben für ihr Geld etwas Besseres verdient. Die Regierungen aller Mitgliedstaaten hätten hier schon längst einen Schlussstrich ziehen müssen, und diese erschreckenden Zahlen geben umso mehr Anlass dazu, dass die Regierung meines Landes sich an ihre Manifestverpflichtung halten und dem britischen Volk ein Referendum über den Vertrag von Lissabon gewähren sollte.
Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Bekanntlich ringt die Union seit Jahren darum, ihre Finanzen unter Kontrolle zu bekommen. Wir fördern Großunternehmen, die dann von einem Mitgliedstaat in den anderen ziehen, während Klein- und Mittelbetriebe leer ausgehen. Die Union scheint oft nicht einmal zu wissen, wen sie so alles fördert und wer sie beeinflusst. Da wäre meines Erachtens ein Lobbyistenregister längst überfällig.
Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt auch die Vielzahl von Unregelmäßigkeiten, vor allem wenn sie in direktem Zusammenhang mit EU-Institutionen stehen. In diesem Zusammenhang ist das Einfrieren der EU-Gelder für Bulgarien bis zur Aufklärung der Korruptionsaffären ein wichtiges Signal. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten offenbar wenig Interesse daran haben, zu Unrecht ausbezahlte Gelder wiedereinzuziehen. Wenn jetzt erst Verfahren aus den 90er-Jahren abgeschlossen werden, mahlen die Mühlen der Europäischen Union schlicht und einfach zu langsam!
Ville Itälä (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident! Ich möchte mich bei dem Berichterstatter, Herrn Musotto, bedanken. Er hat eine sehr gründliche und ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dieser Bericht ist ausgesprochen wichtig, und der Kampf gegen Betrug ist eine Sache, über die das Vertrauen der Öffentlichkeit entweder gewonnen oder verloren wird. Ich denke, es gibt drei sehr wichtige Probleme in diesem Bericht, die gelöst werden müssen.
Zunächst einmal ist es nicht hinnehmbar, dass einige Länder noch nicht einmal Auskunft über die Agrarausgaben geben. Deutschland und Spanien sind herausragende Beispiele dafür. Deutschland übermittelt noch nicht einmal Details zu Personen und Unternehmen, die das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung aber definitiv brauchen würde, um sich dieser Probleme annehmen zu können. Das können wir natürlich überhaupt nicht dulden: Die Regeln müssen von allen Mitgliedstaaten befolgt werden. Wenn einige große Länder mit schlechtem Beispiel vorangehen, dann macht das keinen besonders guten Eindruck.
Das zweite Problem ist, dass die Anzeige von Unregelmäßigkeiten bis zu 39 Monate dauern kann – über drei Jahre. Das ist viel zu lange und fördert nicht gerade das Vertrauen in die Vorstellung, dass die Mitgliedstaaten hinreichend wachsam handeln.
Sehr interessant und wichtig ist drittens die Tatsache, dass es auch in diesem Bereich ein spezialisiertes und organisiertes Verbrechen gibt. Das ist inzwischen so gravierend, dass alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen, um dieser Art von Kriminalität Einhalt zu gebieten.
Es handelt sich hier um einen sehr wichtigen Bericht, und es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um die Lage zu verbessern, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit gewonnen werden kann.
(Beifall)
Herbert Bösch (PSE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herzliche Gratulation dem Berichterstatter. Es ist nicht einfach, in ein so umfassendes Dossier neu hineinzugehen, und ich glaube, wir können stolz darauf sein, dass der Kollege Musotto diese Aufgabe so großartig gemeistert hat. Das können wir heute schon sagen, da es ja auch morgen keine Änderungsanträge zu diesem Bericht gibt. Auch das ist eine Auszeichnung für den Berichterstatter.
Zweitens: Es interessiert offenbar einen Teil der Haushaltsbehörde überhaupt nicht, was mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler passiert. Der Rat entzieht sich zum wiederholten Male seiner Verantwortung. Er fehlt einfach dann, wenn über die Verwendung europäischer Steuergelder diskutiert wird und Auswege aus problematischen Situationen gesucht werden. Aber wir haben gesehen — und da bin ich auch bei der Frage, wie es mit den Entlastungen in unserem Ausschuss weitergehen soll —, dass seit Jahren im Bereich der Agrarpolitik, wo man entschlossen gehandelt und Systeme entwickelt hat, um die direkten Ausgaben unter Kontrolle zu bekommen, die Misswirtschaft abgenommen hat.
Wir sehen, dass im Bereich der Strukturpolitik, wo man nichts getan hat, wo man seit Jahren zugeschaut hat, die Zahlen nach oben gehen. Dass wir, Herr Kommissar Kallas, bei der Entlastung für das Jahr 2006 ein Problem in diesem Bereich haben und von Ihnen erwarten, dass Sie tätig werden und nicht weiter zuschauen, ist seit Jahren ablesbar, das wiederholt sich in den Betrugsberichten seit Jahren.
Deshalb hätte ich ganz gerne — und das sagt auch der Berichterstatter, mit voller Unterstützung aller bisherigen Redner —, dass Sie zu den Staaten, die einfach so tun, als ob für sie die Regeln, die wir gemeinsam entwickelt haben, nicht gültig wären, sagen: O.K., wir stellen euch 10 % der Mittel in den Eiskasten. Wir bilden eine Reserve, und ihr bekommt das Geld wieder heraus, wenn ihr entsprechend gehandelt habt. Das ist eine ganz konkrete Forderung des Parlaments. Das heißt Aktion, nicht Aktionspläne. Das erwarten wir von der Kommission, dann sind wir mit Ihnen sehr zufrieden.
Nochmals Gratulation an den Berichterstatter.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wie meine Vorredner auch möchte ich dem Berichterstatter zunächst für diesen sehr wichtigen Bericht danken.
Ich fühle mich zur Teilnahme an dieser Diskussion veranlasst, weil es hier vorrangig um die Landwirtschaft geht. Manche anderen Redner vertraten die Ansicht, es habe Verbesserungen bei den Kontrollen und Inspektionen gegeben, vor allem im Bereich der finanziellen Hilfen für Landwirte, und nun gibt es die Transparenzinitiative, die offenlegen soll, was die Landwirte genau erhalten.
Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft verdienen, haben das Problem, dass sie sich sehr oft so lange schuldig fühlen, bis ihre Unschuld bewiesen ist. Natürlich kann und will niemand von uns stillschweigend über Betrug hinwegsehen, und weil es im EU-Haushalt Betrug gibt, gibt es nur eine sehr geringe öffentliche Wahrnehmung für die Europäische Union und dafür, wie sie für die eingenommenen Gelder Rechenschaft ablegt. Wenn die Öffentlichkeit etwas mehr Einblick in den EU-Haushalt hätte, würden die Leute mit wesentlich mehr Nachdruck fordern, dass wir energischer gegen Betrug vorgehen.
Es ist ganz wichtig, den Unterschied zwischen Betrug und Unregelmäßigkeiten deutlich zu machen, von denen viele aufgedeckt werden, weil sie sehr verschieden sind. Wir können uns nicht selbst für Unregelmäßigkeiten bestrafen, aber wir sollten Betrug gegenüber dem Gemeinschaftshaushalt bestrafen. Von dieser Thematik sind auch die Mitgliedstaaten betroffen, wie mein Vorredner bereits erwähnte, da sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union in gutem Glauben verpflichtet und durch eine bestimmte Politik Ressourcen gebündelt haben, und nun ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass das zusammengetragene Geld wohl überlegt ausgegeben wird, und dass mit öffentlichen Mitteln kein Betrug geschieht.
Wenn Mitgliedstaaten leichtfertig mit Betrugsfällen umgehen, muss dies auf irgendeine Weise bestraft werden, aber sehr wichtig ist auch, dass Mitgliedstaaten, die sich in dieser Frage vorbildlich verhalten, nicht bestraft werden. Darum muss die Kommission unbedingt Maßnahmen auf Mitgliedstaatenebene einleiten.
Bevor ich schließe, möchte ich noch einmal auf den sehr wichtigen Aspekt hinweisen, dass es unter den Landwirten mittlerweile das stark ausgeprägte Gefühl gibt, manchmal schuldig zu sein, bis ihre Unschuld bewiesen ist. Dies kann keinesfalls hingenommen werden, und deshalb müssen wir aufpassen, dass uns hier nicht der richtige Blickwinkel verloren geht.
Bart Staes (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Ich danke Ihnen, dass Sie mir erneut das Wort erteilen. Wer meine Arbeit in meinem politischen Amt und meine Erklärungen verfolgt, weiß, dass ich zwar ein kritischer Politiker bin und auch der Europäischen Union recht kritisch gegenüberstehe, aber ein überaus engagierter Proeuropäer bin. Ich kann daher Herrn Clarks Worte – der mittlerweile den Saal verlassen hat – nicht unbeachtet lassen. Wie alle Euroskeptiker bedient sich Herr Clark Halbwahrheiten, kompletter Lügen und einer Menge allzu starker Vereinfachungen. Beispielsweise sprach er in seiner Rede über Betrug in Millionenhöhe, obgleich in dem Bericht klipp und klar steht, dass es sich um Unregelmäßigkeiten handelt. Er ersetzt stets und ständig „Unregelmäßigkeiten“ durch das Wort „Betrug“. Das ist unanständig, denn das findet sich so nicht in dem Bericht.
Zweitens, er tut so, als komme jedes Unheil, das uns widerfährt, von der Europäischen Union. Ich möchte Herrn Clark nur einmal auffordern, sich den Bericht des britischen Oberhauses über Mehrwertsteuerkarusselle zu Gemüte zu führen. Dann wird er erkennen, dass es seinen eigenen Behörden nicht gelingt, diesen Mehrwertsteuerbetrug zu stoppen. Dabei geht es um 3,5 bis 4,5 Milliarden Pfund Sterling pro Jahr. Das sind über 10 Millionen Pfund Sterling pro Tag! Das ist erheblich mehr...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Dumitru Oprea (PPE-DE). – (RO) Ich gratuliere Herrn Musotto zu seinem Bericht. Meiner Meinung nach wurden viele Unregelmäßigkeiten in den Jahren 2003-2006 durch die Veränderung der Regelung zur Vorlage des 6. Rahmenprogramms beispielsweise im Vergleich zum 5. Rahmenprogramm begünstigt. Im 5. Rahmenprogramm war die B-Partei anonym und jeder Verweis auf das Land und die hinter dem Projekt stehende Person wurde bestraft. Im 6. und 7. Rahmenprogramm war Schluss mit der Anonymität. Wäre es im 8. Rahmenprogramm möglich, dieses System der Vorabeinreichung von Projekten nicht länger anzuwenden?
Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident! Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, noch einmal zu sprechen. Ich möchte mich beim Kollegen Bösch bedanken, nicht nur für das Lob an unseren Berichterstatter, sondern auch für seine Fairness und seine Hilfe. Kollege Bösch hat ja den Betrugsbericht über viele Jahre bearbeitet. Jetzt haben wir diese Ehre, und ich glaube, dass es ein ganz starkes Zeichen des Haushaltskontrollausschusses war und ist, dass wir hier einig antreten.
Wir haben die ganze Angelegenheit auf die Mitgliedstaaten zugespitzt. Die Kommission sollte auch die Botschaft mitnehmen, dass wir ihr helfen wollen, ihre Unklarheiten mit den Mitgliedstaaten zu beseitigen. Wenn man die Zahlen zum Thema Wiedereinziehung betrachtet, dann hat man es mit einer bunten Meinungsvielfalt zu tun. Deswegen führen wir im laufenden Entlastungsverfahren ja auch diese Diskussion. Deswegen möchte ich die Kommission wirklich bitten, doch den Mut zu haben, es auch zu sagen, wenn sie bestimmte Dinge nicht weiß, damit wir ihr helfen. Denn ich glaube, dass wir, wenn wir gemeinsam an diesem Thema arbeiten, auch gemeinsam Erfolg haben. Nochmals ganz herzlichen Dank an den Kollegen Bösch!
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich bedanke mich bei den Damen und Herren Abgeordneten für ihre Stellungnahmen zu diesem Bericht. Wir beurteilen den Bericht als sehr konzentriert und konstruktiv. Ich habe lediglich zwei Bemerkungen zu einer Frage, die viele von Ihnen thematisiert haben, nämlich, was ist Unregelmäßigkeit, was ist Betrug, und wie sollte man Wiedereinziehungen bewerkstelligen?
Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir uns anlässlich eines vorbereitenden Treffens mit den entsprechenden Leuten beim Rechnungshof bemüht haben, diese Terminologie zu harmonisieren. Wahrscheinlich wird uns das auch bei all unseren künftigen Entlastungsdebatten helfen, und tatsächlich hängen alle drei Berichte – einschließlich des nächsten – sehr eng zusammen.
Zweitens habe ich diesen Punkt mit dem Ratsvorsitz besprochen und ihn gebeten, diesen parlamentarischen Bericht in seinen Beratungen zu behandeln, das heißt dieses Dokument im Rahmen des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister zu erörtern. Ich hoffe, dass meiner Bitte entsprochen wird. Nach der Abstimmung über diesen Bericht, wenn er also zu einem offiziellen Dokument wird, werden wir auf jeden Fall versuchen, diese Diskussion im Rat anzuregen, unter anderem auch auf der Ebene der entsprechenden Unterausschüsse.
Francesco Musotto, Berichterstatter. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für ihre freundlichen Worte bedanken, und ganz besonders bei Herrn Bösch, dessen Vorarbeiten den Grundstein für meinen eigenen Bericht legten.
Ich möchte einige Punkte herausstellen, deren wichtigster das Einvernehmen mit Kommissar Kallas ist, vor allem in Bezug auf den Charakter der für die Mittelvergabe geltenden Regelungsmechanismen. Die Kommission hat diesbezüglich eine Verpflichtung übernommen. Ein wichtiger Aspekt, den Herr Kallas hervorgehoben hat, ist, Folgender: je mehr Schwierigkeiten und Komplikationen es gibt, desto schwieriger wird die Auslegung dieser Vorschriften und desto leichter wird es für die organisierte Kriminalität sowie für sämtliche Formen ungesetzlicher Handlungen, in diese Grauzonen vorzudringen. Deshalb ist die Vereinfachung und, mehr noch, die Schließung der Kluft zwischen denjenigen, die die Mittel ausreichen, und denen, die davon begünstigt werden, ein weiterer Mechanismus, der zu Klarheit, Transparenz und leichtem Verständnis des ganzen Systems beiträgt.
Die Einziehungen sind ein reales Problem. Die Verfahren dauern zu lange, und die Fähigkeit, Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die Betrügereien zum Nachteil der Europäischen Gemeinschaft begehen, muss durch Bürgschaften und Garantien gewährleistet werden, wie sie durch Banken angewandt werden. Es müssen unbedingt Methoden gefunden werden, um die Auszahlung und vor allem die Möglichkeit der Einziehung dieser Beträge sicherzustellen und mithin die Fristen für die Einziehung zu verbessern und zu verkürzen.
Ich bin der Meinung, dass dank der Zusammenarbeit, des guten Willens und des politischen Engagements aller Kolleginnen und Kollegen eine entscheidende Arbeit geleistet wurde. Es steht außer Frage, dass diese Zusammenarbeit, diese Bereitschaft und diese Entschlossenheit, ein für unsere Europäische Gemeinschaft äußerst schädliches Phänomen auszurotten, ausschließlich politisch motiviert sind.
Selbstverständlich erleichtert das Fernbleiben des Rates das alles nicht gerade; Anwesenheit eines Vertreters hätte uns die Möglichkeit geboten zu erfahren, wie der Rat darüber denkt. Doch das Parlament ist sich in Bezug auf diese Grundsätze völlig einig, weshalb wir glauben, dass wir etwas Positives vollbracht haben, was uns für die Zukunft hoffen lässt.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am 19. Februar 2008 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Edit Herczog (PSE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meinen Glückwunsch zu diesem Bericht, der nicht nur auf die in der jüngsten Vergangenheit erzielten Erfolge verweist, sondern auch auf einige beklagenswerte Mängel und seit Langem bestehende Verpflichtungen.
Für mich ist dieser Bericht ganz aktuell, weil in Ungarn ein Beschluss gefasst wurde, ein nationales Gremium für den gewerblichen Rechtsschutz (anti-counterfighting) zu schaffen. Dieses Gremium wird in erster Linie eine koordinierende Funktion haben und das ungarische Patentamt, andere Regierungsstellen und Wirtschaftsakteure miteinander verknüpfen; darunter fallen auch Aufgaben, die mit Datendiensten im Zusammenhang mit der Europäischen Union stehen.
Wir müssen uns auf einen langen und vergeblichen Kampf vorbereiten. Wissen – sei es geschützt oder im öffentlichen Bereich – wird zunehmend immer weiteren Kreisen zugänglich. Ein in einem Raum ausgestelltes Kraftfahrzeug kann innerhalb von fünf Minuten im Raum nebenan kopiert werden. Das Ergebnis fällt nicht schlechter aus, ist nur billiger: Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir dennoch das teurere Erzeugnis kaufen wollen. Wir müssen entscheiden, ob wir gewillt sind, für die geistige Errungenschaft, die Innovation, zu zahlen, auch wenn wir die Chance haben, das sekundäre Produkt oder die sekundäre Dienstleistung zu wählen, die keinen Mehrwert besitzt.
Um das zu tun, ist ein beträchtliches Bewusstsein und Engagement erforderlich. Wir können von dem einzelnen Bürger nicht erwarten, dass er diese Zusammenhänge versteht und auf Werten basierende Entscheidungen trifft, wenn unsere Gesetzgeber bzw. Regierungen dazu nicht in der Lage sind.
Besonders wichtig ist es, die Zahl der Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung von Gemeinschaftsmitteln auf ein Niveau zu senken, das unterhalb der akzeptablen Fehlergrenze liegt: Betrug dieser Art lässt die Europäische Union insgesamt lächerlich erscheinen, wenn EU-Mittel in einer Art und Weise verwendet werden, die den erklärten Zielen der EU widerspricht.