Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich freue mich sehr, dass ich in der glücklichen Lage bin, heute Abend im Parlament auf zwei Themen eingehen zu können. Ich bin sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe, dafür so schnell den Weg von Kiew hierher zu finden.
Zu Beginn möchte ich dem Parlament für die Einladung und die Gelegenheit danken, mich zum Handelsschutz zu äußern. Ich bin dem Parlament für sein großes Interesse an diesem Dossier dankbar, das es in unseren Aussprachen sowohl in der Plenarsitzung als auch im Ausschuss für internationalen Handel unter Beweis gestellt hat.
2006 kamen die Kommission und der Rat überein, dass die europäischen handelspolitischen Schutzinstrumente einer Überarbeitung bedürfen. Ziel dieser Überarbeitung war es sicherzustellen, dass diese lebenswichtigen Instrumente Europas dessen Arbeitnehmer und Unternehmen vor unfairem Handel schützen und weiterhin so effektiv wie möglich arbeiten. Dabei war insbesondere den drastischen Veränderungen in der Weltwirtschaft Rechnung zu tragen, in der die europäischen Handelsunternehmen weltweite Lieferketten betreiben und in der es unvermeidbar ist, dass die Vermischung der Interessen der europäischen Handelsunternehmen untereinander immer komplexer wird und immer schwerer zu beurteilen und zu benennen ist.
Im Anschluss an unsere Überarbeitung sowie die öffentliche Konsultation und mit der Unterstützung durch das Kollegium habe ich mit meinen Beamten eine Reihe von Änderungsvorschlägen zu den Regeln des Handelsschutzes der EU erarbeitet, die tatsächliche Verbesserungen für die Unternehmen im Hinblick auf den Zugang, die Transparenz und das Tempo sowie die Klarheit bieten würden. Sie würden zum Beispiel einen viel besseren Zugang zu Dokumenten, bedeutend bessere Unterstützung für kleine Unternehmen, die das System der handelpolitischen Schutzinstrumente anwenden, und raschere Übergangsmaßnahmen beinhalten.
Mit dem Entwurf der Richtlinien schlagen wir weiterhin vor, die Anwendung der EU-Regeln in zwei bedeutenden Bereichen klarzustellen. Erstens, sind die Kriterien für die Festlegung zu nennen, ab welchem Umfang an außereuropäischer Produktionstätigkeit ein Unternehmen nicht mehr als ein europäisches Unternehmen für die Zwecke unserer Untersuchungen und Bewertung in Bezug auf den Handelsschutz gelten kann.
Zweitens sind die Kriterien zu nennen, die bei der Prüfung der Gemeinschaftsinteressen angewandt werden sollten, die uns erlauben zu entscheiden, dass die Handelsschutzmaßnahme wirklich im allgemeinen Interesse der Europäischen Union liegt– etwas, das, wie ich sagen würde, zunehmend komplex und schwierig zu analysieren sein wird, wo die jeweilige Situation weder so eindeutig ist, noch sich so schwarz oder weiß darstellt, wie dies vielleicht an der Oberfläche erscheinen mag oder wie es in der Vergangenheit bei der klassischen Anwendung der Handelsschutzinstrumente tatsächlich der Fall war.
In den beiden Bereichen besteht das Ziel im Wesentlichen darin, die eingeführte Praxis weitgehend festzuschreiben, was Klarheit und Berechenbarkeit für die Unternehmen wie auch für die Entscheidungsfindung in strittigen Fällen schaffen würde, die wir in den letzten Jahren kennen gelernt haben und deren Zahl, so behaupte ich, in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen wird.
Welche Meinung Sie auch immer zu den Vor- und Nachteilen der Bekämpfung des Dumping haben mögen, ich meine, das sind nützliche Dinge, die verbessert und präzisiert werden müssen und zu denen Leitlinien erarbeitet werden müssen, um denjenigen mehr Gewissheit und Vorhersagbarkeit zu geben, die dazu aufrufen, diese Instrumente anzuwenden.
Ein Paket von Vorschlägen nach dieser Maßgabe wäre ausgewogen. Ich denke dabei an einen Mittelweg in der Debatte zwischen allen interessierten Parteien und den Mitgliedstaaten. Es bringt weder Vorteil noch Nutzen, den Schwerpunkt beim Entwurf und bei der Anwendung unserer handelspolitischen Schutzinstrumente angesichts der Vielzahl der Meinungen in der Europäischen Union, die dem Thema des Handelsschutzes immanent sind, auf die eine oder andere Seite zu verschieben. Es ist unabdingbar, einen Kurs zu entwickeln und zu bestimmen, mit dem, grob gesagt, allen gedient ist.
Wenngleich unsere Bemühungen von einigen oft schon als Versuch hingestellt wurden, sich auf die eine oder auf die andere Seite zu stellen, so kann dieser Eindruck nur bei denen entstanden sein, die unsere vorläufigen Schlussfolgerungen und Vorschläge nicht verstanden haben, weil in diesem Paket nichts enthalten ist, was unser Vermögen mindert, gegen unfairen Handel vorzugehen und auch nichts, was die Basis für die Anwendung unserer Handelsschutzinstrumente grundlegend verändert.
Die Konsultation hat jedoch deutlich gemacht, dass diese Thematik politisch sensibel ist und weiterhin Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen und, ich komme nicht umhin zu sagen, zu einer gewissen Uneinigkeit geben wird.
Ein Regelwerk, das die unterschiedlichen Interessen in der Aussprache angleicht, wird meines Erachtens gegenwärtig nicht die notwendige Unterstützung finden, und es ist besser, auf einen Konsens zu bauen, als zu versuchen, die derzeit nicht miteinander zu vereinbarenden Ansichten darüber, welche Klarstellung und welche Reform stattfinden sollte, in Einklang zu bringen.
Das politische Umfeld, in dem diese Thematik erörtert wurde, ist nicht einfach. Einige wenden ein, dass wir zu einem Zeitpunkt, zu dem wir Partner wie China drängen, fairen Handel zu betreiben, nicht einmal das Risiko eingehen dürfen, den Eindruck entstehen zu lassen, die EU würde ihre handelspolitischen Schutzinstrumente lockern. Gegenwärtig bestehen weder Motivation noch Absicht hierfür, dennoch haben einige vorgebracht, es sei in der augenblicklichen Lage unklug zu riskieren, dass auch nur der Eindruck entsteht.
Des Weiteren haben die Verhandlungen zu den Regeln in der Doha-Runde, insbesondere der Beitrag des Vorsitzes, das internationale Umfeld des TDI beträchtlich in Bewegung gebracht, weil der Inhalt des Beitrags verwunderlich und, offen gesagt, nicht annehmbar war. Ich glaube nicht, dass es in der Geschichte der Beiträge des Vorsitzes in der Doha-Runde jemals einen Beitrag des Vorsitzes gegeben hat, der weniger Unterstützung aus den Reihen der WTO-Mitglieder gefunden hat, als der aktuelle Beitrag des Vorsitzes zu den Regeln.
Doch vor allem war es unser Ziel, die Einigkeit im Hinblick auf die Anwendung der Handelsschutzinstrumente zu stärken, um sie so funktionsfähiger zu machen, und in meiner Eigenschaft als Kommissar steht es mir nicht zu, diese Einigkeit zu untergraben.
Die Realität sieht heute so aus, dass diese Einigkeit, die ich gern sehen würde, unter unseren Mitgliedstaaten noch nicht in ausreichendem Maße in Erscheinung tritt. Das bedeutet nicht, dass unsere Diskussion auf der einen Seite richtig und auf der anderen Seite falsch ist, sondern nur, dass beide Seiten weiterhin auf einen größeren Konsens und, offen gesagt, einen ausgeprägteren Gemeinschaftssinn bei der Anwendung dieser Instrumente hinarbeiten müssen.
Dazu möchte ich Sie ermutigen. Wir werden uns auch künftig zu Konzepten beraten, die wir entwickelt haben, und Einigkeit erzielen, indem wir auf unsere Erfahrungen zurückgreifen.
Mit der folgenden Betrachtung möchte ich zum Ende kommen. Der Druck, den der globale Wirtschaftswandel auf unsere Handelsschutzinstrumente ausübt, wird bleiben. Er wird nicht weichen, er wird sich sogar noch verstärken. Der Druck wird sich erhöhen. Unser Geschick, mit dem gewohnten Konsens und Gemeinschaftssinn zu arbeiten, wird stärker, nicht weniger gefordert sein, weshalb es jetzt umso mehr darauf ankommt, dass die Rolle der Kommission als Lotse auf unserem Weg durch die unterschiedlichen und konkurrierenden Interessen und Standpunkte, die die Unternehmen und Mitgliedstaaten zu dieser Thematik vertreten, wächst.
Ich bin der Meinung, dass künftige Fälle zeigen werden, dass Klarheit und diese Art von Richtlinien, die wir ursprünglich entworfen haben, notwendig sind. Die Fragen, mit denen wir diese Überarbeitung begonnen haben, wird es noch in einem halben Jahr, in einem Jahr und in zwei Jahren geben, und ich bin fest davon überzeugt, dass sie zu gegebener Zeit in Angriff genommen werden müssen.
Unsere Aufgabenstellung besteht darin, gemeinsam nach wirtschaftlich und politisch glaubwürdigen Antworten zu suchen, und die Kommission wird ihre Arbeit in diesem Sinne fortsetzen.
Christofer Fjellner, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SV) Vielen Dank, Herr Mandelson. Als Sie das letzte Mal hier standen, haben Sie über die Notwendigkeit einer Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente gesprochen. Sie sprachen damals mit Überzeugung davon, wie Globalisierung und globale Versorgungsketten die Voraussetzungen für die handelspolitischen Instrumente verändert haben und dass diese daher aktualisiert werden müssten, damit sie auch weiterhin wirksam sind und den Gemeinschaftsinteressen Rechnung tragen. Alles, was Sie damals sagten, trifft auch heute noch zu. Wir brauchen eine Reform dieser Instrumente.
Seitdem hat es sich jedoch als äußerst schwierig erwiesen, eine solche Reform herbeizuführen. Es bestehen erhebliche Konflikte zwischen europäischen Unternehmen und zwischen den Mitgliedstaaten, was jedoch die Notwendigkeit einer Reform nicht verringert, im Gegenteil. Die Tatsache, dass alles derart aufgeheizt ist und man immer wieder die gleichen Schlachtordnungen mit den gleichen vorhersehbaren Frontlinien sieht, zeigt meines Erachtens nur, dass wir einen Wandel brauchen. Wir brauchen einen neuen Fokus auf die Instrumente und einen Konsens, der uns eint.
Die Reform ist nun aufgeschoben und scheint in weite Ferne gerückt zu sein, was sicherlich nicht nur von mir bedauert wird. Aber jetzt darüber zu streiten, wer die Schuld daran trägt, die Mitgliedstaaten oder die Kommission, oder welche Mitgliedstaaten der Reform Steine in den Weg gelegt haben, führt zu nichts. Gegenseitige Beschuldigungen dienen niemandem.
Denn obwohl der Vorschlag gegenwärtig auf Eis liegt, dürfen die Ideen nicht begraben werden. Wir dürfen diese Frage nicht vergessen, sondern müssen die Diskussion fortzusetzen und uns auf die Themen konzentrieren, bei denen wir uns einig sind. Ich glaube, das sind gar nicht wenige. Es geht um Transparenz und Offenheit und wahrscheinlich auch um klarere Regeln für den Schutz der Interessen der Gemeinschaft. Vielleicht geht es sogar auch darum, dass wir die Definition der Gemeinschaftsindustrie modernisieren.
Das setzt jedoch voraus, dass wir die Diskussion am Leben erhalten, weiter debattieren und Kompromisse eingehen. Ich hoffe, dass wir dies hier im Europäischen Parlament tun werden. Ebenso hoffe ich, dass auch die Mitgliedstaaten und die Kommission die Aussprache weiterführen.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Kommissar für seinen Bericht und auch für seine Aufrichtigkeit danken, mit der er die Dilemmas erläutert hat, vor denen er steht, wenn er mit seinen Kollegen und den Mitgliedstaaten über die Reform der handelspolitischen Schutzmechanismen der Europäischen Union spricht. Das ist das eine. Und ich bin froh, dass Sie ehrlich sagen, weshalb Sie im Augenblick keine Vorschläge präsentieren können, da es einfach ungemein schwierig ist, in der Europäischen Union Übereinstimmung über die bestmögliche Vorgehensweise zu erzielen.
Der Kommissar stellt zudem heraus, wie wichtig es ist, eine Brücke zwischen den Ländern zu schlagen, die vornehmlich mit Handel ihr Geld verdienen, und jenen Ländern, die vor allem von der Produktion abhängig sind. Ich selbst stamme zwar aus einem Handelsland, den Niederlanden, kann aber die Sorgen von Ländern wie Frankreich und Deutschland mit einer großen Produktionsbasis um die Entwicklung des Welthandels und des Schutzes recht gut nachvollziehen. Sie müssen auch ihre eigene Industrie schützen. Deshalb gilt es, diese Brücke zu finden, und nicht minder wichtig ist es, dass der Kommissar besonderes Augenmerk darauf richten will.
Ich denke, wir müssen diese Diskussion führen. Wir sollten uns nicht davor scheuen, über die notwendige Reform dieser handelspolitischen Schutzinstrumente zu sprechen, weil wir uns einem rasanten Wandel der internationalen Wirtschaft gegenübersehen. Worüber sollten wir dann diskutieren? Ich sage ausdrücklich „diskutieren“, denn alle Antworten habe ich auch noch nicht parat. Diskutieren müssen wir über Transparenz in dem System, über die größere Flexibilität, die vonnöten ist, über eine präzisere Definition für den Begriff europäisches Unternehmen sowie über soziale und Umweltaspekte in Verbindung mit der Festlegung der Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Das sind einige Punkte, die wir als Parlament erörtern und zu denen wir Schlussfolgerungen ziehen sollten, über die wir uns dann im Anschluss wieder mit dem Kommissar austauschen können.
Ich halte es für verfrüht, selbst von meiner eigenen Fraktion aus, schon jetzt ganz konkrete Vorschläge zu präsentieren, wie dies gehen soll. Ich bin bereit, eine Diskussion über die Notwendigkeit von Reformen in Gang zu setzen und dann darüber nachzudenken, wie wir einige Bereiche abstecken können, an denen wir weiter arbeiten wollen. Ebenso wie im Rat und in der Kommission erfordert das auch in meiner Fraktion noch umfangreichere Diskussionen. Lassen Sie es uns versuchen. Ich bin mit dem Kommissar einer Meinung. Ob es nun sechs Monate, ein Jahr oder zwei Jahre dauert, lassen Sie uns wenigstens die Debatte anstoßen. Wir können nicht einfach ignorieren, dass in der Welt, auch in der Weltwirtschaft, Veränderungen im Gange sind, an die unser handelspolitisches Schutzsystem angepasst werden muss. Das scheint mir ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Diskussion zu sein, und ich freue mich, dass der Kommissar so offen über die Probleme berichtet hat, mit denen er sich selbst konfrontiert sieht.
Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Vielen Dank, Herr Kommissar. Aussprachen mit Ihnen sind immer unterhaltsam. Außerdem werde ich in meiner Ansicht bestärkt, dass fairer Handel besser ist als freier Handel, und natürlich auch darin, dass solidarischer Handel mit einem schwächeren Partner wichtiger ist als formal gerechter Handel auf Gegenseitigkeit.
Nun aber zum TDI, dem Handels- und Entwicklungsindex.
Übrigens, vielleicht sollten wir einmal gegenseitig unsere Bücherregale inspizieren und versuchen, bei einer Tasse Roibuschtee den Hintergrund zu verstehen. Oder Sie können auch mit mir zu der Müllhalde kommen, wo ich politisch aktiv geworden bin, und meine Straßenkinder in Brasilien treffen.
Aber wieder zurück zum TDI. Was ist ein europäisches Unternehmen? Es ist schwer, dass heutzutage zu definieren, und daher kam es auch schwierige sein, diesen Begriff zu verwenden. Was sind echte Gemeinschaftsinteressen? Die der Verbraucher? Die der gemeinnützigen Organisationen? Die der kleinen Firmen? Die der Großunternehmen? Es ist ganz und gar nicht leicht, das zu definieren, was es auch schwer macht, dieses Instrument heutzutage anzuwenden, ausgenommen in bestimmten eindeutigen Fällen.
Eine bestimmte Dimension in all dem fehlt völlig, und es wäre ausgesprochen interessant, wenn Sie bei der Vorstellung der neuen Vorschläge darauf zurückkommen könnten. Sollte Umwelt- und Sozialdumping nicht mit direktem Dumping gleichgestellt werden? Worin besteht der Unterschied, ob ein Unternehmen Umweltvorschriften und soziale Bestimmungen im Wert von einer Milliarde Euro unterläuft oder ob es eine Milliarde Euro an staatlichen Beihilfen kassiert? Es wäre interessant, wenn Sie eine solche Diskussion mit der WTO führen würden und wir sehen könnten, ob wir in dieser Frage weiterkommen.
Helmuth Markov, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Ganz deutlich gesagt: Ich freue mich, dass die von Ihnen vorgeschlagene Reform der Handelsschutzinstrumente gescheitert ist. Sie, Herr Kommissar, haben versucht, die TDI-Reform voranzutreiben, indem Sie dieses Vorhaben in die Global Europe Strategy aufgenommen haben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine solche benötigt wird, ist doch klar, dass es darum gehen sollte, diese Instrumente dort, wo sie Sinn machen, zu stärken, anstatt sie praktisch abzuschaffen. Aber Letzteres war Intention Ihrer Mitteilung vom November 2007. Sie haben damit auch die große Mehrheit der Interessenvertreter, die das bestehende System befürworten, übergangen, der nur eine kleine Minderheit gegenübersteht, die es schleichend aushöhlen will. Die Beendigung des Neuordnungsvorhabens schon auf der Ebene der Kommission zeigt, dass die große Mehrheit der Mitgliedstaaten und auch viele Ihrer eigenen Kollegen die Vorschläge für nicht akzeptabel hielten und dass diese zu sehr an den Interessen einer kleinen, aber sehr lautstarken Lobby ausgerichtet waren.
Wem hätte diese Reform genützt? Weder den europäischen Arbeitnehmern, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, weil Großunternehmen die von Ihnen hochgelobten komparativen Vorteile in Schwellenländern ausnutzen, noch den Arbeitnehmern dort, die unakzeptablen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind, und ganz zu schweigen – das sage ich Ihnen als Unternehmer – von den Unternehmen, die in der Europäischen Union nach entsprechenden Regeln produzieren und ihre Profite nicht durch mangelhafte Anwendung von Umwelt- und Sozialstandards in einigen Drittländern in die Höhe treiben wollen.
Mit Fairness und Gerechtigkeit in den globalen Handelsbeziehungen und zwischen den Unternehmen hatten die Vorschläge nichts zu tun. Vorteile hätten allein die großen Importgesellschaften daraus geschlagen, die es natürlich ärgert, wenn versucht wird, ihre missbräuchlichen Praktiken einzudämmen. Es sind zum einen die Großhandels- und Vertriebsketten, die sich hinter den Verbraucherinteressen verstecken und gerne vergessen machen, dass Verbraucher auch Arbeitnehmer, Bürger und Steuerzahler sind, und es sind auch diejenigen in der EU, die vor allem an ihre Erlöse aus Kapitalanlagen denken, ohne Rücksicht darauf, dass die Union vor allem mittels gegenseitiger Solidarität und Unterstützung weiterentwickelt werden muss.
Das System der handelspolitischen Schutzinstrumente ist nicht perfekt, aber es ist bislang das weltweit am besten funktionierende. Das habe im Übrigen nicht ich mir ausgedacht, sondern Sie – die Kommission – haben im Jahre 2006 eine Studie in Auftrag gegeben, in der das steht. Wir sollten zunächst abwarten, welche Änderungen sich im Rahmen der Welthandelsorganisation ergeben, bevor wir in diesem Bereich herumreformieren. Eine solche Reform muss berücksichtigen, wie unsere Handelspartner vorgehen, statt unilateral auf jegliche rechtliche Möglichkeit zum Schutz vor Dumping zu verzichten. Rechtliche Möglichkeiten übrigens, die auf einem international vereinbarten Regelwerk beruhen.
Hinzufügen muss ich leider, dass ich mit dem Vorgehen der Kommission bei der Anwendung der Handelsschutzinstrumente während des Jahres 2007 nicht einverstanden bin. Viele Mitgliedstaaten und andere Akteure haben dagegen protestiert, dass die Kommission die von ihr vorgeschlagenen Änderungen einfach schon mal eben angewandt hat, bevor Rat und Parlament überhaupt die Chance hatten, sich dazu zu äußern. Die GD Handel hat in den vergangenen Monaten schlicht und ergreifend einige bisher geltende Grundsätze der institutionellen Zusammenarbeit für sich außer Kraft gesetzt. Das Ergebnis ist, dass überhaupt keine neuen Fälle eröffnet worden sind. Ich kann nur hoffen und bitte Sie auch, dass diese Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Parlament künftig nicht so fortgeführt wird. Ebenso bitte ich Sie, Ihre entscheidenden Vorhaben im Rahmen des Rahmenwerks zu den Handelsschutzinstrumenten in unserem Ausschuss für internationalen Handel vorzustellen und auch ernsthaft mit den Abgeordneten zu diskutieren.
Daniel Caspary (PPE-DE). – Herr Präsident, geschätzter Herr Kommissar! Das heutige Thema hat in den vergangenen Tagen und Wochen so manchen überfordert. Im Ratsausschuss hat so mancher fast einen Herzinfarkt bekommen, als er den ersten Reformentwurf gelesen hat.
Die Kommission hat die Initiative gestoppt, weil Sie, Herr Kommissar, anscheinend damit überfordert waren, einen mehrheitsfähigen Reformvorschlag vorzulegen. Unsere Parlamentsverwaltung war überfordert und hat die heutige Debatte mit dem unsinnigen Titel Commission statement – Reform of trade protection instruments in die Tagesordnung aufgenommen, und auf der Rednerliste steht Reform of consumer protection instruments — auch nicht viel besser. Die Öffentlichkeit hat sich, wenn ich die Tribüne anschaue, überfordert in ein Restaurant oder nach Hause zurückgezogen. Vielleicht schaut uns ja wenigstens jemand übers Internet zu, und hoffentlich behalten wir hier im Saal den Überblick.
Ich bedauere es sehr, dass es der Kommission nicht gelungen ist, einen Vorschlag für eine Reform vorzulegen, der die Mehrheit im Rat und Parlament hätte finden können. Sicherlich ist im Moment nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Reform, aber dass die Reform so kläglich scheitert, hätte niemand von uns erwartet.
Was ist nun wichtig? Erstens: Wird die Kommission das Parlament frühzeitig über eine Wiederaufnahme der Reform informieren und uns eng einbinden? Ich verweise ausdrücklich auf die Mitentscheidungsrechte nach dem Vertrag von Lissabon.
Zweitens: Wird es nun eine Reform durch die Hintertür ohne Beschluss des Rates und des Parlaments geben? Oder werden Sie, Herr Kommissar, wirklich, wie gerade eben gesagt, versuchen, wieder Vertrauen aufzubauen? Die Handelsschutzinstrumente sind entsprechend den derzeit gültigen Regeln und der bisherigen Praxis anzuwenden.
Drittens: Warum nehmen Sie in der entsprechenden Abteilung genau jetzt personelle Veränderungen vor? Wir werden das Verhalten der Kommission und der GD Handel in den nächsten Wochen sehr aufmerksam verfolgen.
Erika Mann (PSE). – Herr Präsident! Herr Kommissar, Sie haben mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Sie haben eines der schwierigsten Ressorts überhaupt zu verwalten. Der Bereich Handel/Außenwirtschaft sieht sich vollständig neuen Herausforderungen gegenübergestellt. Seit vielen Jahren reden wir über Globalisierung, aber ich glaube, wir fangen überhaupt erst an zu begreifen, worum es geht.
Sie haben, als Sie in Ihrer berühmten Churchill-Rede, die Sie in Berlin gehalten haben, davon gesprochen, dass Europa neuen Herausforderungen unterworfen ist und dass sich die Herausforderungen seit dem Ende des Krieges geändert haben, weil unsere Koordinaten nicht mehr Berlin oder Paris wären, sondern unsere Koordinaten sind Bombay, Schanghai und die anderen großen Weltstädte dieser aufstrebenden Entwicklungsländer. Da teilen wir Ihre Meinung. Sie haben völlig Recht. Wir bewerten das ähnlich wie Sie. Wir sehen die Herausforderungen, denen sich die Europäische Union stellen muss, in einem neuen internationalen und globalen Kontext. China ist real. China ist nicht nur ein Mythos oder ein Bild, sondern China ist für uns alle eine Realität geworden und steht als Symbol für die Veränderung. Die Frage ist: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus? Sie ziehen die Schlussfolgerung, dass wir die Instrumente ändern müssen. Sie ziehen die Schlussfolgerung, dass wir uns den Herausforderungen stellen müssen, indem wir die Handelsschutzinstrumente oder andere Bereiche anpassen.
In meiner Fraktion haben wir die endgültige Antwort nicht gefunden, aber wir haben auf jeden Fall sehr viel mehr Zweifel. Wie Sie hören, wird dieser Zweifel in diesem Haus auch geteilt. Wir haben Zweifel, weil die Schutzinstrumente bewährt sind. Die Schutzinstrumente haben eine gewisse Flexibilität. Die Schutzinstrumente können unterschiedlich interpretiert werden. Die Schutzinstrumente können die Interessen der unterschiedlichen Industrien berücksichtigen. Die Schutzinstrumente können das Gemeinschaftsinteresse unterschiedlich interpretieren. Der Test kann unterschiedlich angewandt werden. Ja, es ist nicht immer perfekt.
Es hat im Übrigen wenig Fehler in Ihrem Haus gegeben. Ich habe selbst zwei verfolgen können, wo die Bewertung falsch war. Aber ich denke, das wird auch mit neuen Instrumenten der Fall sein. Das heißt: Wo soll der Kurs hingehen? Sie sagen, Sie möchten den Kurs weiterführen, Sie möchten die Beratungen weiterführen. Sie haben die Truhe noch nicht zugemacht. Also, wo soll der Kurs hingehen? Wie sollen die Beratungen weitergeführt werden? Wie möchten Sie die Beratungen mit diesem Haus und mit dem zuständigen Ausschuss führen? Drei Fragen, die sich anschließen an das, was meine Kollegen gefragt haben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie darauf eingehen, weil ich jeden Tag E-Mails erhalte. Ist die Umstellung in Ihrem Haus ein Indikator, dass Sie die Umstellung in Richtung Ihrer angedeuteten Mitteilung weiterführen? Ist die technische Umgestaltung, die Sie offensichtlich in Ihrem Haus durchführen, ein Indikator dafür? Kann auch die Nichtanwendung der Handelsschutzinstrumente im Jahr 2007 als Indikator interpretiert werden? Oder ist das ein Zufall und verweist auf andere Vorgänge?
Tokia Saïfi (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Die Kommission hat beschlossen, das Projekt der Reform der Handelsschutzinstrumente zu vertagen, und ich begrüße diesen weisen Entschluss, Herr Kommissar, der dazu beitragen wird, dass wir den unlauteren Wettbewerb weiterhin effizient bekämpfen können. Diese Instrumente sind ein unabdingbarer Teil des internationalen Handelssystems, denn sie sichern den Unternehmen, vor allem den KMU, die die ersten Opfer des Dumpings sind, gerechte und stabile Wettbewerbsbedingungen, die wiederum die Voraussetzungen für eine gesunde Wirtschaft sind.
Deshalb möchte ich Herrn Verheugen zitieren, der vergangene Woche in Mailand anlässlich einer Konferenz über die Textilindustrie Folgendes erklärt hat: „Die Handelsschutzinstrumente sind nützlich für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien und sind keinesfalls Instrumente des Protektionismus.“ Ich glaube, damit ist alles gesagt. Diese Instrumente stellen keinen verschleierten Schutz der Gemeinschaftsindustrie vor dem ungehinderten Wirken der internationalen Konkurrenz dar, sondern ermöglichen es im Gegenteil, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, indem sie, wenn notwendig, die Bedingungen einer normalen Konkurrenz wiederherstellen.
Deshalb ist eine Schwächung der Umsetzung dieser Instrumente gewiss nicht der Weg, um die Handelspolitik der Europäischen Union besser an den sich verändernden globalen wirtschaftlichen Kontext anzupassen. Im Gegenteil, die Interessen der Industrie würden damit aufs Spiel gesetzt, und die Maßnahmen würden indirekt die Verlagerungen und die Abwanderung unserer Forschungs- und Innovationszentren fördern.
Europa muss im Rahmen der Globalisierung eine schützende Rolle spielen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, dürfen wir nicht vor unseren Partnern in die Knie gehen, sondern müssen die Regeln des fairen und gleichberechtigten internationalen Handels durchsetzen.
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Sie haben mit Ihren Ausführungen soeben den Beweis geliefert, dass Ihr Vorschlag zumindest kontrovers ist. Anfangs gab es jedoch keine Debatte. Die Kommission hatte eine unabhängige Studie und eine öffentliche Konsultation durchgeführt, die beide einen breiten Konsens hinsichtlich der Effizienz und der Stabilität des gegenwärtigen Systems offenbarten. Die einzigen Verbesserungen, die alle Akteure sich wünschten, waren mehr Transparenz, höheres Tempo und besserer Zugang für die KMU.
Unter Verschleierung dieser Realität hat die Kommission nun aber eine Reform eingeleitet, die wegen des gegen sie ausgelösten allgemeinen Widerstandes in die Geschichte eingehen wird. Sowohl die Gewerkschaften als auch die Unternehmen sowie die meisten Mitglieder des Rates haben sich gegen ein Projekt gestellt, das die Fähigkeit der Union, sich gegen unlautere Handelspraktiken zur Wehr zu setzen, bedroht.
Die Kommission hat nun ihren Vorschlag zurückgezogen, worüber ich sehr froh bin. Der darin zugrunde gelegte Ansatz war gefährlich und führte zu Zwietracht. Es muss wohl kaum unterstrichen werden, dass die Rolle der Kommission darin besteht, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten und die verschiedenen bestehenden Interessen zu respektieren, aber nicht Zwietracht zu sähen, indem Verbraucher gegen Arbeitnehmer oder Importeure gegen Produzenten ausgespielt werden. Darf ich Sie daran erinnern, Herr Kommissar, dass jedes Reformprojekt zwei Dinge voraussetzt: die Berücksichtigung der Empfehlungen und der Ergebnisse der eigenen Erhebungen und die Vorabinformation der Parlamentarier über die genaue Zielsetzung des Projekts, vor allem hinsichtlich seiner umstrittensten Aspekte.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! In einer Minute kann ich leider nur Herrn Mandelson zu der Entscheidung, die Überprüfung der handelspolitischen Schutzinstrumente nicht fortzusetzen, beglückwünschen.
Stellen Sie sich einmal ein Wehrsystem in einem Verbund tosender Flüsse vor. Die Schleusen werden durch gemeinsame Vorschriften betätigt. Ist es da hinnehmbar, wenn beschlossen wird, eines der Wehre zu ändern, ohne dass andere das auch tun, nur weil einige glauben, dass das Wasser diesen Winter nicht bis an ihr Haus gelangen wird? Eine einseitige Änderung der handelspolitischen Schutzinstrumente würde das Wehr schwächen, um die Betätigung der Schleusen zu verhindern. Das braucht Europa nicht, und die Kommission hat die klaren Botschaften, die ihr in diesem Parlament auch seitens der Gewerkschaften, der europäischen Industrie und der meisten Mitgliedstaaten übermittelt wurden, verstanden.
Der freie Handel wird nicht überleben, wenn die Regeln, von denen er sich leiten lässt, gebrochen werden. Es gilt aber, diese Regeln zu modernisieren und universelle Werte darin einzubinden, wie den Schutz zumutbarer Arbeitsplätze, der Umwelt und des Klimas oder der öffentlichen Gesundheit. In diesem Sinne und in keinem anderen muss Europa sein politisches Gewicht und seine handelspolitische Stärke bei den bilateralen Abkommen mit den wichtigsten Produzenten der Welt in die Waagschale werfen. Nur mit Gegenseitigkeit und modernen und universellen Regeln kann der Handel dazu beitragen, die Lebensbedingungen der Bürger außerhalb Europas, in der Welt im Allgemeinen, aber auch die Lebens- und Überlebensbedingungen der europäischen Arbeitnehmer und der Unternehmer, die auch künftig in Europa produzieren und leben und von Europa aus exportieren wollen, zu verbessern.
Das ist es, was von dem Kommissar, der Europa auf der Weltbühne vertritt, erwartet wird. Herzlichen Glückwunsch, Herr Mandelson!
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Kommissar Mandelson hat seine Freude über seine Teilnahme an zwei Aussprachen hier zum Ausdruck gebracht, und ich bin darüber ebenfalls ganz erfreut, weil ich ihn um eine Präzisierung seiner sehr hilfreichen Antwort in Bezug auf den Nicht-Agrar-Bereich der WTO bitten wollte, und ich danke ihm für die darin enthaltenen Einzelheiten.
Er behauptet, die Gerüchte darüber, dass auf dem Agrarsektor zu weit gegangen wird, gingen von einer verschwindend kleinen Interessengemeinschaft aus. Ich würde sagen, sie (ich nehme an, wir sprechen über irische Landwirte und Agrarbetriebe) sind im Allgemeinen gut unterrichtet, und was ich noch vor Mitternacht geklärt haben möchte, ist, dass sie sich irren – ich hoffe, dass sie sich irren – und dass das, was Sie uns heute Abend berichten, den Tatsachen entspricht. Ich begrüße Ihre Anmerkung zum Nicht-Agrar-Bereich der WTO. Auch Sie haben Ihr Bedauern über den dort vorliegenden Beitrag geäußert.
Meine ursprüngliche Frage angesichts Ihrer Bemerkungen über die WTO und über die Freihandelsabkommen lautet: Sind Sie jetzt weniger zuversichtlich als zu jedem anderen Zeitpunkt, dass Sie in der WTO zu einem Ergebnis gelangen werden? Die Frage ist ein wenig direkt gestellt, dennoch wäre eine Antwort hilfreich.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wir befinden uns in der Zwickmühle zwischen dem freien Handel, wovon wir überzeugt sind, und dem fairen Handel, gegen den verstoßen wird. Wenn der Fairness nicht Rechnung getragen wird, müssen wir, zumindest zeitweilig, diejenigen schützen, die in der richten Weise handeln.
Ich möchte die Position der polnischen Regierung vorstellen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Reform ist und erklärt, dass es im Bericht von Daniel Caspary heißt, dass das, worüber wir verfügen, ausreichend sei. Warum ist das so? Es besteht die Vermutung, dass einige Länder zum Beispiel in China Unternehmen gegründet haben. Und der Schutz würde bedeuten, dass diese stärker begünstigt würden als andere Unternehmen in den Ländern Europas, genau das ist nicht fair. Ich denke, dass uns 2005 durch den freien Handel mit Textilien eine Lektion erteilt wurde, und nach meiner Auffassung sollten wir nun auf sehr kluge Weise an die neue Reform herangehen. Ich hoffe, dass der Herr Kommissar alle Anstrengungen unternehmen wird, sie erfolgreich zu betreiben.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Das Handelsvolumen ist ein Indikator für die Wirtschaftsentwicklung. Hohe Exportraten sind ein Merkmal entwickelter Volkswirtschaften, doch der Handel darf keine Einbahnstraße sein, das heißt, es muss auch Importe geben. Wenn alles überwiegend nur in eine Richtung fließt, so führt das zu einer Störung des Gleichgewichts, zu einem Mangel an Partnerschaft und einer immer tieferen Kluft im Entwicklungsniveau. Deshalb brauchen wir bestimmte Grundsätze für die Festlegung entsprechender Qualitätsstandards und Regelungen, um für Stabilität und Partnerschaft im Handelssektor zu sorgen.
Allzu oft haben wir, wenn wir von gegenseitiger Solidarität und Chancengleichheit sprechen, den Schutz unserer nationalen Interessen im Auge, und zwar auf Kosten unserer gemeinsamen Interessen. Allzu oft fördern wir auch die Entwicklung des Exports und Investitionsmöglichkeiten in bestimmten Ländern, ohne zu prüfen, ob diese die demokratischen Grundsätze befolgen und die Menschenrechte achten, von der Einhaltung der Umweltnormen, dem Lohnniveau und dem Sozialschutz ganz zu schweigen. Handelspolitische Schutzinstrumente müssen Gerechtigkeit und Chancengleichheit gewährleisten.
Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Kommissar Mandelson, vielen Dank für Ihre freimütige Auskunft über die Gründe des Scheiterns. Wenn ich einige meiner Kollegen höre, dann sind sie froh, dass es Ihnen nicht gelungen ist, die handelspolitischen Schutzinstrumente zu reformieren, und das liegt meiner Auffassung nach daran, dass sie befürchten, Sie wollten sie abschaffen. Das habe ich Ihren Ausführungen allerdings nicht entnommen. Aber wäre es nicht weitaus aufrichtiger zu sagen, dass Sie vielleicht zu ambitioniert waren, dass Sie mit den Reformen zu weit gehen wollten? Ich meine insbesondere die Neuordnung des Gleichgewichts zwischen den Industrieländern und den Handelsinteressen.
Angesichts dieses Scheiterns wird es uns nun nicht gelingen, auf dem Gebiet des Zugangs für kleine und mittlere Unternehmen einige notwendige Änderungen vorzunehmen, die sich einer breiten Unterstützung erfreuen. Außerdem wird es nunmehr in den nächsten zwei Jahren leider nicht zu den Änderungen im Hinblick auf die Transparenz, das Tempo, den Zugang zu Dokumenten kommen, die nötig sind und breite Zustimmung finden. Können wir einen Weg finden, um sicherzustellen, dass diese Änderungen doch kommen und dass wir die weiter reichenden Vorschläge noch einmal intensiv erörtern?
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn Sie ein neues Reformprojekt ins Auge fassen, das dem derzeitigen ähnelt, dann nehmen Sie doch nicht an, in der WTO eine Politik vertreten zu können, die Dumping sanktioniert, wenn es von ausländischen Unternehmen praktiziert wird, es jedoch akzeptiert, wenn europäische Unternehmen davon profitieren? Das Problem besteht doch nicht darin, zu wissen, wer die Waren, die nach Europa gelangen, herstellt, sondern ob sie zu fairen Bedingungen exportiert werden. Es wäre nicht hinnehmbar, dass ein so genanntes europäisches Unternehmen, das Dumping praktiziert, unangreifbar wird, nur weil es nach Ihrer neuen Definition europäisch ist.
Warum sollte man angesichts der Tatsache, dass diese Debatte auf multilateraler Ebene geführt werden muss, nicht weiter gehen und das Sozial- und Umweltdumping in den Bereich der Handelsschutzinstrumente einbeziehen? Sich an die Spitze dieses Kampfes zu stellen, würde Europa gut anstehen und ihm zur Ehre gereichen.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) Herr Kommissar! Als Ergänzung zu meiner Frage und meiner Bemerkung von vorhin möchte ich Ihnen sagen, dass im Falle Europas die im Zusammenhang mit der Textil- und der Schuhindustrie eingeleiteten Verfahren vor allem in meinem Heimatland Veränderungen möglich machten, die Arbeitslosigkeit verhindert haben. Dabei handelte es sich jedoch keinesfalls um eine Art protektionistischer Bewegung, und die betreffenden Unternehmen haben ihre Betriebstätten in außereuropäische Länder verlagert und schaffen nun außerhalb und innerhalb Europas Arbeitsplätze. Insofern war es eine interessante Bewegung.
Dessen ungeachtet wurden von der Kommission im Jahr 2007 offenbar keine neuen Verfahren eingeleitet.
Daher meine Frage: Hat die Kommission deshalb keine Verfahren (Verfahren, die nicht mit Portugal, sondern mit anderen Ländern im Zusammenhang stehen), keine Untersuchungen (Antidumping- oder Antisubventionsverfahren) eingeleitet, weil sie die Entscheidung über den laufenden Überprüfungsprozess abwarten wollte, oder sollten die Fälle, bei denen sie bereits mit der Untersuchung begonnen hatte, aufgeschoben werden? Diese Frage wollte ich Ihnen gerne stellen.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich fürchte, ich habe die Übersetzung der gesamten letzten Frage, die an mich gerichtet wurde, nicht verstanden. Ich habe lediglich den letzten Teil erfasst, worin offenbar angedeutet wurde, dass wir die Anwendung der Handelsschutzinstrumente ausgesetzt hätten und dass wir keine Untersuchung mehr einleiten oder Fälle verfolgen würden.
Ich verstehe den Hintergrund dieser Frage nicht ganz, denn jede Überprüfung der Website der Generaldirektion Handel wird die Informationen liefern können, die die Frau Abgeordnete zu den Fällen wünscht, zu denen gegenwärtig ein Verfahren eingeleitet wurde, zu denen Ermittlungen durchgeführt werden und zu denen in der üblichen Art und Weise Vorschläge vorgelegt werden.
Ich beklage mich nicht darüber, dass ich bezichtigt werde, übermäßig ehrgeizig zu sein – das ist der Maßstab meines Handelns und dafür, wie ich an meine Aufgabe herangehe. Wenn es einem Kommissar oder einer Kommissarin an Ehrgeiz mangelt, wird, so meine ich, die Messlatte bei ihm oder ihr recht niedrig angelegt. Ich bin jedoch nicht ehrgeizig genug, um den Vorschlag meines Kollegen, Herrn Schlyter, direkt aufzunehmen und mich von meinem Unvermögen wegzubewegen, einvernehmliche Reformen der Handelsschutzinstrumente gegen die niedrigen Kosten des Produktionsdumpings vorzuschlagen, um mich auf ein neues Konzept des Bio-Dumpings oder ökologischen Dumpings zuzubewegen. Ich denke, wir wollen uns lieber weiterhin auf das Erstere konzentrieren, ehe wir das Letztere in den Fokus rücken, allerdings hoffe ich, dass er es nicht als Zeichen fehlenden Ehrgeizes meinerseits, sondern ausschließlich als hohes Maß an Realitätssinn interpretiert.
Herr Caspary deutete seine Enttäuschung darüber an, dass keine Vorschläge auf den Weg gebracht wurden. Ich kann seine Enttäuschung durchaus nachvollziehen, andererseits bin ich mir wirklich nicht sicher, ob es selbst diesem Parlament besser gelungen wäre, einen einfachen Konsens darüber zu erreichen, welche Reform stattfinden soll, als den Konsens, den die Mitgliedstaaten erreichen konnten.
Herr Arif hat behauptet, die Beweggründe meines Handelns würden darin bestehen würden, die Verbraucher gegen die Arbeitnehmer auszuspielen und die Importeure gegen die Erzeuger. Ich spiele niemanden gegen einen anderen aus, es ist einfach so im wirklichen Leben, dass Menschen unterschiedliche Interessen verfolgen und dass sie unterschiedliche Standpunkte vertreten sowie verschiedene Bedürfnisse haben. Es tut mir leid, aber wir leben noch nicht in einer idealen sozialistischen Gesellschaft, wo niemand einen anderen Standpunkt einnimmt, niemand andere Bedürfnisse hat und niemand andere Interessen verfolgt. Wir müssen leider in der realen Welt arbeiten, und wir müssen uns unseren Weg durch diese Interessen und Bedürfnisse bahnen und in unserem Bestreben, diese Politik vorwärts zu steuern, zu einem fairen und gerechten sowie annehmbaren Ergebnis kommen.
Meiner Meinung nach beschreibt Frau Mann sehr realistisch die Zwangslage, in der wir uns in diesem Politikbereich befinden. Es ist nicht zutreffend, dass ich eine höhere Flexibilität per se angestrebt habe. Mein Ziel, das ich mit dieser Revision verfolgt habe, bestand darin, eine Reihe von Handelsschutzinstrumenten zu schaffen, die sich nicht grundsätzlich unterscheiden bzw. abweichen von den uns gegenwärtig zur Verfügung stehenden, die jedoch in einem klar verständlichen Rahmen wirken sollten, die exakt berechenbar und eindeutig angemessen sowie ausgewogen sein sollten, was ihre Auswirkung auf die unterschiedlichen Unternehmen betrifft, die unter den immer vielfältigeren Bedingungen der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts Handel treiben. Und dafür bitte ich nicht um Entschuldigung.
Abschließend möchte ich direkt auf Herrn Markovs Beitrag antworten: Ja, es ist vermutlich ein treffendes Fazit, dass das System der handelspolitischen Schutzinstrumente, über das wir verfügen, nicht das beste ist, aber es ist das einzige, das wir haben. Ich glaube, dies ist eine zutreffende Beschreibung unseres Regelwerks.
Die Fragen, die ich stellen musste und die noch zu beantworten sind, lauteten nicht, ob unser Regelwerk das beste ist – das ist es wahrscheinlich nicht, trotzdem ist es das einzige, über das wir verfügen, und es ist in angemessener Weise funktionsfähig. Ich musste danach fragen, ob es, so wie es jetzt funktioniert, auch in Zukunft funktionsfähig bleiben wird? Wird es unter den europäischen Unternehmen zunehmend umstritten und angefochten werden? Eignet es sich für die im Wandel befindlichen Produktionsmodelle und Lieferketten einer wachsenden Zahl europäischer Unternehmen, die immer stärker globalen Charakter annehmen, was sich mehr denn je fortsetzen wird? Das sind die Fragen, die ich aufgeworfen habe. Sie sind noch nicht zufrieden stellend beantwortet worden, aber ich denke, es gibt noch Antworten, und wir müssen weiterhin nach ihnen suchen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Zehn Jahre sind seit der Überarbeitung der handelspolitischen Schutzinstrumente vergangen. Sie bedürfen der Modernisierung, um zu gewährleisten, dass sie im Hinblick auf das globale Umfeld, in dem der EU-Handel stattfindet, weiterhin maßgebend bleiben.
Offene Märkte nützen allen, und sie sollten unser Ziel sein, dennoch ist es eine Tatsache, dass die Handelsschutzmaßnahmen unverzichtbar bleiben werden, um uns vor unfairem Handel zu schützen. Um jedoch zu bestimmen, was unfairer Handel bedeutet, müssen wir auch ein weiter gefasstes Gemeinschaftsinteresse in Betracht ziehen als es die aktuelle Regelung zulässt, und wir müssen verhindern, dass europäische Länder Schaden erleiden, die weltweite Lieferketten einrichten. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass die Interessen von Millionen von Verbrauchern sorgfältig gegen die zum Teil eigennützigen Interessen einer Handvoll von Erzeugern abgewogen werden.
Ich hoffe, dass die Kommission in naher Zukunft das politische Umfeld für angemessen erachten wird, um die Vorschläge zur Reformierung unserer handelspolitischen Schutzinstrumente wieder aufzunehmen.