Der Präsident. – Ich erkläre die am Donnerstag, dem 31. Januar 2008, unterbrochene Sitzungsperiode für wieder aufgenommen.
2. Erklärung des Präsidenten
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Parlament des Kosovo hat gestern die Unabhängigkeit des Kosovo proklamiert. Diese Entscheidung war erwartet worden und spiegelt den Willen der Bürgerinnen und Bürger in Kosovo wider, ihr politisches Schicksal und die institutionelle Gestaltung der Unabhängigkeit friedlich in die Hand zu nehmen.
Vor ungefähr einem Jahr hat sich das Europäische Parlament infolge des Ahtisaari-Berichts für eine durch die internationale Gemeinschaft überwachte Souveränität des Kosovo ausgesprochen. Die Verhandlungen zwischen Belgrad und Priština waren äußerst schwierig und haben bedauerlicherweise nicht zu einer Lösung geführt, die politisch für alle Beteiligten zufrieden stellend war. Wie oft in der Politik gab es keine Zauberformel. Die schwere Last der jüngsten Geschichte hat hierzu beigetragen. Aber die Entwicklung im Kosovo ist kein Präzedenzfall. Die Situation des Kosovo als UN-Protektorat ist einzigartig und stellt einen unvergleichbaren Sonderfall dar.
Ich möchte alle Beteiligten in dieser Situation zu Besonnenheit und Ruhe aufrufen. Ich bin davon überzeugt, dass alle — Serben und Albaner — im Kosovo vor allem Stabilität und Wohlstand in ihrer Region verwirklichen möchten. Dies ist auch das vorrangige Ziel der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments. Es ist unsere Aufgabe und Verpflichtung, die politisch Verantwortlichen im Kosovo zu ermutigen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und demokratische politische Institutionen zu schaffen, die die Rechte und Freiheiten aller Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines multiethnischen Kosovo respektieren, das in gutnachbarschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn lebt.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des Rates zur Entsendung der EULEX-Kosovo-Mission unter Leitung von Yves de Kermabon. Die Aufgabe dieser Mission wird es sein, den Kosovaren Hilfe im Bereich Recht und Polizei zu leisten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
Ich begrüße auch die Ernennung von Pieter Feith zum Sonderbeauftragten der Europäischen Union im Kosovo. Dies macht das klare und einhellige Engagement der Europäischen Union und den Willen deutlich, konkret etwas für die dauerhafte Stabilität im Wahlkampf zu leisten.
Im Übrigen vertraue ich der Weisheit und Klugheit der Entscheidung, die der Allgemeine Rat bei seiner Sitzung heute Nachmittag treffen wird. Die Länder des westlichen Balkans haben eine europäische Perspektive. Ihr Beitritt wird nicht in naher Zukunft erfolgen können, aber jedes der Länder hat diese Perspektive. Unter diesem Aspekt sollten wir sowohl den Menschen in Serbien als auch im Kosovo dabei helfen, ihre Unterschiede unter dem Blickwinkel der europäischen Integration zu überwinden, so wie dies schon in anderen Teilen Europas geschehen ist. Die für Mittwoch vorgesehene Debatte ist eine erste Gelegenheit dazu.
3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
4. Anfechtung der Gültigkeit des Mandats eines Mitglieds des Europäischen Parlaments: siehe Protokoll
5. Antrag auf Schutz der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll
6. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen: siehe Protokoll
7. Nichtständiger Ausschuss zum Klimawandel (Verlängerung des Mandats): siehe Protokoll
8. Berichtigungen zu angenommenen Texten: siehe Protokoll
9. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll
10. Eventueller Machtmissbrauch durch große Supermarktketten, die in der Europäischen Union tätig sind (schriftliche Erklärung): siehe Protokoll
11. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
14. Mündliche Anfragen und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll
15. Petitionen: siehe Protokoll
16. Mittelübertragungen: siehe Protokoll
17. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
18. Arbeitsplan
Der Präsident. − Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom Donnerstag, dem 14. Februar 2008, gemäß Artikel 130 und 131 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:
Montag/Dienstag:
Keine Änderungen.
Mittwoch:
Die IND/DEM-Fraktion hat beantragt, dass die Abstimmung über den Bericht der Herren Corbett und Méndez de Vigo über den Vertrag von Lissabon (A6-0013/2008) auf eine spätere Tagung verschoben werden soll.
Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Es ist Ihre Aufgabe, diesem Parlament das Image einer ernsthaften Kontrollinstanz für europäische Angelegenheiten zu verleihen. Daher würde ich Sie bitten, die Abstimmung über den Vertrag zu verschieben.
Die Einreichungsfrist für Änderungsanträge zu diesem Bericht wurde festgesetzt, bevor wir den Vertrag vom Ausschuss bekommen haben. Die von Ihnen zugesagte konsolidierte Fassung haben wir noch immer nicht erhalten. Dies läuft einer einstimmigen Entscheidung des Ausschusses für konstitutionelle Fragen zuwider.
Ich habe auf der Grundlage einer privaten konsolidierten Fassung angefangen, Fragen zu stellen, und habe bereits irreführende Fehler in der Übersetzung gefunden.
Seit 29 Jahren haben Sie und ich unterschiedliche Ansichten zu Verfassungsfragen, außer wenn es um Transparenz geht. Mit unseren Meinungsverschiedenheiten hat man sich stets in ernsthafter Art und Weise auseinandergesetzt, nachdem im Ausschuss für konstitutionelle Fragen eine ordnungsgemäße Kontrolle erfolgt ist.
Ich mache mich dafür stark, dass Kompetenzen der nicht gewählten Kommission an dieses direkt gewählte Parlament übertragen werden. Wir haben angeregt, dass keine EU-Rechtsvorschrift ohne Zustimmung dieses Parlaments angenommen werden soll. Wie aber können wir diesen Bericht vor dem Europäischen Parlament verteidigen, wenn Sie unseren Entscheidungsfindungsprozess beenden, bevor irgendjemand hier eine lesbare Version des Vertrags gesehen hat?
Anlässlich der letzten Regierungskonferenz fanden die geheimnisvollsten Vertragsverhandlungen statt, die wir je erlebt haben. Ich fordere Sie dringend auf, die Aussprache am Mittwoch zwar beizubehalten, doch die Abstimmung zu verschieben und damit allen Bürgern der EU zu zeigen, dass wir ein ernst zu nehmendes Parlament sind.
Wir sind nicht Teil der Exekutive. Wir vertreten die Wähler.
Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident! Wir stimmen hier nicht über den konsolidierten Vertrag ab, sondern über den Vertrag von Lissabon. Dieser wurde am 17. Dezember 2007 im Amtsblatt veröffentlicht. Ich habe ihn hier. Wir haben ihn alle bekommen.
Zugegebenermaßen ist das hier ein Text, durch den die bestehenden Verträge geändert werden, und um damit zu arbeiten, müssen Sie sich die im Vertrag von Lissabon enthaltenen Änderungen anschauen und auch die Originalverträge. Aber genau dafür werden wir als gewählte Vertreter ja auch bezahlt: Um auf die Einzelheiten zu achten und uns die Mühe zu machen, die Texte zu vergleichen und zu sehen, welche Änderungen vorgenommen wurden.
Es stimmt zwar, dass es hilfreich wäre, einen konsolidierten Vertrag zu haben, der zeigt, wie die Verträge aussehen würden, wenn dieser Vertrag ratifiziert ist – ich sage „wenn“, weil ich sicher bin, dass er ratifiziert wird – und den die Bürger wesentlich leichter lesen könnten.
Aber fast alle unsere nationalen Regierungen haben bereits konsolidierte Fassungen des Vertrags in ihrer jeweiligen Landessprache veröffentlicht. Ich habe hier die englische Fassung der konsolidierten Verträge, wie sie also nach der Verabschiedung des Vertrags von Lissabon aussehen werden. Soviel ich weiß, war außerdem die dänische Regierung eine der Ersten, die eine konsolidierte Fassung veröffentlicht haben, und zwar in Dänisch. Daher bin ich sicher, dass es für Herrn Bonde kein Problem sein wird, eine konsolidierte, lesbare Fassung der Verträge zu finden, die ihm bei seiner Arbeit im Ausschuss für konstitutionelle Fragen weiterhilft.
(Beifall)
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich will es sehr kurz machen. Ich wundere mich, wieso schon seit Wochen und Monaten aktiv und massiv und zum Teil aggressiv gegen einen Vertrag Stellung genommen wird, wenn der Vertrag den Kolleginnen und Kollegen gar nicht bekannt ist, die gegen diesen Vertrag Stellung nehmen.
(Beifall)
Kollege Corbett hat es im Wesentlichen gesagt: Es geht nicht um die konsolidierte Fassung, es geht um den Inhalt des Reformvertrags. Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Das ist ja in einer Demokratie zulässig, und es ist auch gut, dass es unterschiedliche Meinungen gibt und dass man eifrig darüber diskutiert. Aber jeder sollte auch die Meinung des anderen zur Kenntnis nehmen, und darüber sollte eine Abstimmung stattfinden.
Wir haben über Wochen und Monate sehr ernsthaft über diesen Vertrag diskutiert, und es ist Zeit, jetzt auch ein klares Signal zu geben, ob die Mehrheit dieses Hauses dafür oder dagegen ist. Demonstrationen und die Verhinderung von Reden, die wir hier erlebt haben, könnten nämlich ein falsches Bild in der Öffentlichkeit abgeben. Lassen Sie doch zu, dass die Mehrheit dieses Hauses diese Woche entscheidet, ob sie für oder gegen den Vertrag ist! Das entspricht der Demokratie!
(Beifall)
Jens-Peter Bonde (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Als Antwort kann ich Herrn Corbett, der behauptet, es gebe eine konsolidierte Fassung in dänischer Sprache, nur bestätigen, dass es zwar eine Version auf der Grundlage eines Entwurfs vom Oktober 2007 gibt, dass jedoch noch keine konsolidierte Fassung dessen vorliegt, was am 13. Dezember 2007 in Lissabon verabschiedet wurde. Die neue Ausgabe enthält 7 000 Wörter mehr als die alte, und ich hätte gern, dass Herr Swoboda, der ja anscheinend der Experte ist, uns einmal erklärt, was diese 7 000 neuen Wörter beinhalten.
(Heiterkeit)
(Das Parlament lehnt den Antrag in namentlicher Abstimmung ab.)
Donnerstag:
Keine Änderungen
(Der Arbeitsplan ist somit angenommen.)
19. Ausführungen von einer Minute (Artikel 144 GO)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Es ist kein Geheimnis, dass das erklärte Ziel für Biokraftstoffe auf 10 % der erneuerbaren Energiequellen festgelegt wurde.
Ich habe den Eindruck, dass die für Energie, Umwelt, Industrie und Landwirtschaft zuständigen Kommissionsmitglieder unterschiedliche Ansichten haben. Um Zeit zu sparen, werde ich mich nicht auf private Mitteilungen beziehen. Doch wie kann es sein, dass vier Kommissionsmitglieder vier unterschiedliche Ansichten haben?
Herr Präsident, meine Damen und Herren, was kann ich den griechischen Landwirten sagen, die nach der Umstrukturierung der GMO für Zucker ihre landwirtschaftliche Produktion umgestellt haben oder dies beabsichtigen, um Biokraftstoffe der ersten Generation herzustellen?
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (RO) Für das bevorstehende Festival, das vom Europäischen Parlament im Rahmen des interkulturellen Dialogs veranstaltet wird, wurde jedes Land gebeten, einen Film zu diesem Thema zu erstellen. Soweit ich weiß, wurde der ursprüngliche Vorschlag Rumäniens deshalb nicht akzeptiert, weil er nicht auf das Thema einging. Doch die an seiner Stelle ausgewählte Filmproduktion, nämlich „California Dreamin’“, weist sogar noch größere Mängel auf.
Erstens wird sie diesem Thema noch weniger gerecht, auch wenn der Film in der Eröffnungsnacht in Cannes gezeigt wurde, mystifiziert die Realität und verändert das Bild meines Landes. Während all die anderen Filme den interkulturellen Dialog auf die persönliche, menschliche Ebene versetzen, wird im Film „California Dreamin’“ der imaginäre Fall eines amerikanischen Transports durch Rumänien geschildert, der von den örtlichen Behörden aufgehalten wird und in einem Bürgerkrieg endet.
Darüber hinaus wimmelt es in dem Film nur so von obszönen Ausdrücken und ausgesprochenen Sex- und Gewaltszenen, was für ein Festival ungewöhnlich ist. Meiner Meinung nach sind das keine Tugenden des interkulturellen Dialogs. Doch der größte Mangel besteht darin, dass dieser Film offensichtlich nicht von der rumänischen Seite ausgewählt wurde, sondern von den Bediensteten des Europäischen Parlaments.
Wenn das stimmt, dann ist die Sache ernst, weil ein unpolitisches Konzept wie der interkulturelle Dialog aus irgendeinem unerfindlichen Grund politisiert wird und damit dem Ansehen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union Schaden zugefügt wird. Daher fordere ich das Europäische Parlament auf, diese Angelegenheit zu untersuchen.
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (ES) Herr Präsident! Die Transparenz muss einen der Eckpfeiler der EU-Organe bilden: auch für dieses Parlament und mehr noch für die Europäische Kommission, wo hohe Beamte eine sehr große Macht, aber kaum eine politische Kontrolle haben.
Deshalb möchte ich in diesem Hohen Haus die Praxis der Kommission anprangern, auf politische Entschließungen dieses Parlaments durch Mechanismen zu antworten, die den Zeiten eines „Politbüros“ oder der „Kremlforscher“ bei der Analyse von Dokumenten ähnlich sind. Ich beziehe mich beispielsweise, auch wenn dies nur ein Beispiel ist, auf das Sitzungsprotokoll vom 13. Dezember 2007, wo unter der Überschrift „Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments“ festgestellt wird, dass eine Mitteilung der Kommission über die Weiterbehandlung einer vom Parlament angenommenen Entschließung verteilt worden ist.
Dieser Text, Herr Präsident, ist nur in Englisch und Französisch, nicht in allen Amtssprachen der Gemeinschaft, als SP/207/5401 auf einer Webseite veröffentlicht. Ich habe mit Unterstützung des Sekretariats und anderer Beamter des Hauses drei Wochen gebraucht, um ihn zu finden. Ohne Transparenz gibt es keine Demokratie. Wir haben es hier mit Scheinheiligkeit in der Aussage der Kommission zu tun, wenn sie behauptet, das Parlament konsultiert zu haben, und danach ihre Dokumente und Erwiderungen im Internet vergräbt, ohne sie in irgendeiner Weise publik zu machen.
Jan Tadeusz Masiel (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Debatte über genetisch veränderte Organismen ist in den letzten Wochen wieder in den Vordergrund gerückt. Die polnischen Landwirte könnten durch die Verwendung von GVO die Produktionskosten senken, aber das wollen sie nicht. Vielmehr wollen sie die europäischen Verbraucher schützen und sicherstellen, dass die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus Polen auch künftig gesund und schmackhaft sind.
Leider sind die polnischen Bauern an die Gemeinschaftsvorschriften gebunden. Jeder Mitgliedstaat der Union sollte selbst entscheiden dürfen, ob er genetisch veränderte Organismen einsetzt. Wenn die europäischen Steuerzahler die Subventionierung der Landwirtschaft schon in so hohem Maße mittragen, sollten die landwirtschaftlichen Produkte wenigstens gesund und schmackhaft sein und keine Überraschungen enthalten.
Claude Turmes (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Am Mittwoch dieser Woche wird das Parlament über den Vertrag von Lissabon diskutieren, und EU-Bürger werden dem Parlament bei der Behandlung dieser institutionellen Fragen zusehen. Die Bürger finden es jedoch noch spannender, den EU-Organen dabei zuzusehen, wie sie die praktische Frage der Gestaltung europäischer Politiken angehen. Eine der vorrangigsten Fragen ist die von Transparenz und Lobbyarbeit.
Die EU-Kommission war gut beraten, als sie vor drei Jahren eine so genannte Transparenzinitiative startete; dagegen ist jetzt zu hören, dass die Kommission ein Register vorstellen möchte, in dem keine Namen von Interessenvertretern auftauchen sollen und auch keine aussagekräftigen Informationen darüber, wie viel Geld für Lobbyarbeit ausgegeben wird.
Ich warne den Kommissionspräsidenten, Herrn Barroso, und ich warne auch Herrn Kallas: Sie sollten die Glaubwürdigkeit, die Sie bezüglich der Transparenzinitiative in Europa genießen, nicht aufs Spiel setzen, sondern ein aussagekräftiges Register vorlegen.
Das ist es, was die Bürger brauchen, um an eine faire Politikgestaltung und Entscheidungsfindung in Brüssel glauben zu können.
Daniel Strož (GUE/NGL). – (CS) Ursprünglich hatte ich die Absicht, mich zu einem ganz anderen Thema zu äußern. Die Umstände haben mich jedoch veranlasst, meinen Standpunkt zu einer besonders ernsten Angelegenheit zum Ausdruck zu bringen – nämlich zur Proklamation der Unabhängigkeit des Kosovo durch albanische Separatisten.
Ich bin überzeugt, dass diese Entwicklung, die mit dem Völkerrecht nicht vereinbar ist, tragische Konsequenzen und Auswirkungen für ganz Europa haben wird. Besonders tragisch ist, dass die EU die Absicht hat, diesen separatistischen Akt zu billigen, der auf Kosten von Serbien, einem bereits schwer geprüften souveränen Staat, ausgeführt wurde.
Das gesamte Szenario dieses separatistischen Aktes erinnert mich lebhaft an Ereignisse, die 1938 in meinem Heimatland, der Tschechoslowakei, stattfanden. Damals folgte auf einen separatistischen Akt deutscher Nationalisten, der auch von den Westmächten unterstützt wurde, der schrecklichste Krieg in der Geschichte. Bekanntermaßen wiederholt sich die Geschichte entweder als Farce oder als Tragödie.
Wir müssen dafür sorgen, dass es zu keiner dieser Situationen kommt. Ich appelliere an das Hohe Haus, gegen diesen separatistischen Akt und die Verletzung der serbischen Souveränität Einspruch zu erheben.
Slavi Binev (NI). – (BG) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil mich ein riesiges soziales, wirtschaftliches, umweltpolitisches und moralisches Problem bedrückt, das die bulgarische Gesellschaft seit nunmehr achtzehn Jahren aushöhlt. Statt dagegen anzugehen, lässt man es weiter wachsen wie einen bösartigen Tumor mit unvorhersehbaren Folgen.
Ich spreche vom Stahlwerk Kremikovtzi, das angeblich eine strategische Rolle in der bulgarischen Wirtschaft spielt. Anstatt Einnahmen für den Staatshaushalt zu bringen, hat es sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten für die gesamte Gesellschaft zu einem Krebsgeschwür entwickelt. Es dient lediglich der persönlichen Bereicherung bestimmter Mafia-Gruppen und füllt die Taschen der politischen Parteien. Und das alles geschieht unter der Schirmherrschaft der verschiedenen aufeinander folgenden Regierungen einschließlich der amtierenden.
Besonders alarmierend ist, dass die gegenwärtige Krise bei Kremikovtzi, wo die reale Gefahr besteht, dass das Werk schließen muss und damit Zehntausende von Arbeitern und deren Familien Lohn und Brot verlieren, das unmittelbare Ergebnis des Handelns von Menschen ist, die Verbindungen sowohl zur kriminellen Unterwelt als auch zum Establishment haben.
Hierbei handelt es sich um den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, Valentin Zachariev, den ehemaligen Generalstaatsanwalt, Nikola Filtschev, und den ehemaligen Chef der Spezialeinheit zur Bekämpfung des Terrorismus („Die Berrets“), Filko Slavov. Ihre Namen stehen nicht nur im Zusammenhang mit dem Management von Kremikovtzi, sondern auch mit den dunkelsten Seiten von Bulgariens Übergang zur Demokratie. Darunter fällt auch die Ermordung des Militärstaatsanwalts Nikolai Kolev.
Wie sich herausstellt, haben diese Menschen den Schutz der Justiz und der Regierung genossen und genießen diesen auch weiterhin. Sie fühlen sich auch weiterhin über dem Gesetz stehend. Ich bin mir bewusst, dass es für einen Mitgliedstaat unvorstellbar ist…
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Nicolae Vlad Popa (PPE-DE). – (RO) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang Februar veröffentlichte die Europäische Kommission den Zwischenbericht über die von Rumänien bei der Justizreform gemachten Fortschritte. Der Abschlussbericht dieses Jahres wird für Juni vorbereitet und dann wird entschieden, ob die Schutzklausel angewandt wird oder nicht. Nach meinem Dafürhalten wird das nicht der Fall sein, da die Einrichtungen, die Versäumnisse aufweisen, ihre Probleme in den vier angegebenen Bereichen in diesem Zeitraum lösen können.
Die Durchsetzung der Schutzklausel würde die Nichtanerkennung von Gerichtsentscheidungen in den Mitgliedstaaten bedeuten, was sich auf Gerichtsverfahren von Bürgern und Parteien auswirken würde, die nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, dass die entsprechenden Institutionen, die Regierung und das Parlament, ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Die Durchsetzung der Schutzklausel darf sich nicht gegen die rumänischen Bürger richten, denn normalerweise müssen diejenigen, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten, dafür zur Rechenschaft gezogen werden, nicht jedoch die rumänischen Bürgerinnen und Bürger.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Herr Präsident! Am 13. Februar hat sich der australische Premierminister von der Labour Party, Kevin Rudd, offiziell im Namen der australischen Regierung für die Erniedrigung entschuldigt, der die einheimischen Aboriginals zwei Jahrhunderte lang ausgesetzt waren. Diese Geste spricht für sich und ist ganz aktuell für uns hier in Europa.
Mehr als 60 Jahre nach den tragischen Ereignissen, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg stattfanden, gibt es ein Land in Europa, wo drei Millionen Menschen – Ihre Leute, Herr Präsident – ins Exil getrieben wurden, während weitere Fünfhunderttausend ihrer Staatsbürgerschaft, ihrer Menschenrechte und ihres Eigentums beraubt wurden. Bis zum heutigen Tag gibt es keine Entschuldigung.
Europa setzt nicht auf Nationalismus und Konfrontation, sondern auf Entschuldigung und Vergebung, auf eine Politik der Versöhnung. Statt sich auf kollektive Schuld und die Suche nach Sündenböcken zu konzentrieren, wäre es gut, wenn sich die führenden Politiker aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ganz Europas von ihrer Verpflichtung leiten ließen, bedingungslos an grundlegenden europäischen Werten festzuhalten, einander zu achten, sich zu entschuldigen und die Menschenrechte sowie die Rechte der Minderheiten zu schützen. Vielen Dank.
Tunne Kelam (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Nächsten Sonntag, am 24. Februar, feiert Estland den 90. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Obwohl Estland also ein verhältnismäßig junger Staat ist, ist es seit dem 13. Jahrhundert Teil des europäischen Kulturerbes und der gemeinsamen europäischen Werte. Ein besonderes Merkmal der 90 Jahre seit unserer Unabhängigkeitserklärung, das wir mit unseren Nachbarn, den Letten und Litauern, teilen, ist jedoch die Tatsache, dass wir aufgrund von Fremdherrschaft nur 39 Jahre Freiheit genießen konnten. Daher möchte ich an einen wichtigen Umstand erinnern: Vor genau 25 Jahren reagierte das Europäische Parlament als erstes EU-Organ auf den Appell von 45 Freiheitskämpfern aus Litauen, Lettland und Estland und verabschiedete eine Entschließung, die den Gedanken an die Wiederherstellung der Souveränität der drei besetzten baltischen Nationen unterstützen sollte. Ich möchte allen früheren und jetzigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments danken, die ihre Solidarität mit den drei baltischen Nationen so mutig zum Ausdruck gebracht haben.
Neena Gill (PSE). – (EN) Herr Präsident! Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking richtet die internationale Gemeinschaft ihren Blick auf die Verletzungen der Menschenrechte, die in China begangen werden. Wir dürfen dabei jedoch nicht vergessen, dass andere Lebewesen ebenfalls leiden müssen, vor allem die Tiger. Ihr Bestand ist aufgrund der extrem hohen Nachfrage nach Tigerprodukten – besonders aus China – nahezu vernichtet worden.
Der Grund dafür, dass Tiger heute vom Aussterben bedroht sind, ist die illegale Jagd auf diese Tiere in Indien. Es sind sogar schon Aufseher in Reservaten erschossen worden, um an die Tiger heranzukommen. Die Tiere werden dann über die Grenze nach China geschmuggelt. Schätzungen zufolge wird jeden Tag ein Tiger getötet. Bei dieser Rate wird der Tiger innerhalb der nächsten fünf Jahre ausgerottet sein.
Ich begrüße die Nachricht der letzten Woche, dass die indische Regierung die Schaffung von acht neuen Reservaten plant, um den schwindenden Tigerbestand zu schützen. Dennoch wird es fünf Jahre dauern, bis neue Reservate eingerichtet sind, und in den letzten fünf Jahren hat sich die Tigerpopulation bereits um über 50 % verringert. Wenn die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft nicht Sofortmaßnahmen ergreifen, um die Nachfrage einzuschränken, die Wilderei und den illegalen Handel zu bekämpfen und die Einstellung gegenüber Tigerprodukten in China zu verändern, werden die neuen Reservate deshalb zu spät kommen.
Abschließend hoffe ich, dass Sie mich beim „Tiger Awareness Day“, also dem Tag des Tigerschutzes, unterstützen werden.
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Viktória Mohácsi (ALDE). – (HU) Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren, die unverhohlen rassistischen Äußerungen von Herrn Silvio Berlusconi letzte Woche, als er null Toleranz gegenüber Roma, illegalen Einwanderern und Straftätern forderte, sind schockierend und nicht hinnehmbar.
In einer Erklärung sprach gestern Herr Francesco Storace, der sich für den Bürgermeisterposten in der italienischen Hauptstadt bewirbt, davon, Rom „entnomadisieren“ zu wollen, und erklärte klipp und klar, in der Ewigen Stadt sei kein Platz für Roma. Wie kann es solche Erklärungen geben, nachdem das Europäische Parlament erst vor achtzehn Tagen eine Entschließung zu einer europäischen Strategie für die Roma angenommen hat?
Ich möchte meine Abgeordnetenkollegen aus Italien bitten, ihren Kollegen zu Hause zu erklären, wie es kam, dass wir diese Entschließung, die Ziele, die sie enthält und die wir gemeinsam formuliert haben, unterstützt haben, und weshalb es im 21. Jahrhundert unangemessen ist, Zigeuner zu beleidigen. Der offene Brief, den ich im Zusammenhang mit diesen Roma-feindlichen Erklärungen veröffentlicht habe, wurde von insgesamt 72 Nichtregierungsorganisationen der Roma unterzeichnet – darunter von 33 in Italien, 12 in Ungarn, 9 in Mazedonien, 4 in Rumänien, 3 in der Türkei, 2 in der Republik Moldau, 5 in Bulgarien und 2 in Frankreich. Danke.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Herr Präsident! Herr Alexander Milinkiewitsch, der Führer der belarussischen Opposition, ist heute in Minsk erneut verhaftet worden. Herr Milinkiewitsch ist Träger des Sacharow-Preises, der ihm im Jahr 2006 vom Europäischen Parlament verliehen wurde. Auch Olga Kazulin, die Frau von Alexander Kazulin, einem prominenten Gegner von Herrn Lukaschenko, wurde festgenommen.
Herr Milinkiewitsch hatte an einer Demonstration teilgenommen, die von Privatunternehmern organisiert worden war, deren Handlungsfreiheit durch neue Bestimmungen beschnitten wird, indem ihnen höhere Steuern auferlegt und sie bei der Einstellung von Arbeitnehmern in ihrer freien Entscheidung eingeschränkt werden. Das war nicht die erste Demonstration, auf der diese gesellschaftliche Gruppe ihren Unmut zum Ausdruck brachte. Neben Herrn Milinkiewitsch und Frau Kazulin, die nicht an der Demonstration teilgenommen hatte, wurden auch die Organisatoren der Veranstaltung verhaftet und verhört. Wie oft hat Europa schon tatenlos zugesehen, wenn einer seiner Preisträger verhaftet wurde? Wie oft sind unmittelbar jenseits der Ostgrenze der Union Menschenrechte verletzt worden, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden?
Urszula Gacek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Letzte Woche haben die polnischen Medien über Karolina berichtet – ein junges Mädchen, dessen Leben von ihrem ehemaligen Freund zerstört wurde. Ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung hatte er intime Momente aufgenommen und diese Aufnahmen nach dem Ende ihrer Beziehung ins Internet gestellt. Karolinas Familie und Freunde haben E-Mails mit pornografischem Inhalt erhalten. Da Karolina volljährig ist, genießt sie nicht den Schutz des polnischen Rechts, und der Täter wurde nicht bestraft. Die polnischen Behörden haben zugesagt, das Gesetz schnellstmöglich zu ändern, um Personen zu schützen, deren Privatsphäre und Würde auf diese Weise verletzt wurde. Doch das Internet kennt keine nationalen Grenzen, und es gibt keine Gemeinschaftsvorschriften, die potenzielle Täter abschrecken würden und eine Handhabe zur Bestrafung derjenigen bieten, die so etwas tun.
Ich appelliere an die Kommission und die Mitgliedstaaten, gegen ein solches Verhalten, das man als Vergewaltigung per Internet bezeichnen könnte, vorzugehen.
Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu viele europäische Tieraufnahmestationen dienen im Grunde nur einem Zweck, nämlich streunende Katzen und Hunde loszuwerden. So grauenhaft dies ohnehin schon klingt, die wirkliche Grausamkeit zeigt sich erst in den Methoden, die angewendet werden, die vom Vergiften über Verhungern bis zum Erschlagen der Tiere jegliche vorstellbare Krudität beinhalten. Das Allerschlimmste an dieser Geschichte ist, dass diese Grausamkeiten nicht weit weg in fernen Ländern passieren, sondern – wie mir engagierte Aktivistinnen aus Österreich berichtet haben – gleich vor der Haustür. Erst kürzlich wurden Fälle von Tierquälerei in Tschechien bekannt.
Beunruhigend ist weiters, dass die Kommission darauf nur kurz und bündig erklärte, dass Haustierschutz weiterhin in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten falle. Man hat den Eindruck, dass die Kommission dort, wo sie nicht handeln sollte, sehr oft handelt, und dort, wo sie handeln sollte, viel zu wenig handelt. Dies muss sich ändern, weil eine Kompetenz der Mitgliedstaaten nicht impliziert, dass sich die EU völlig aus einem Thema heraushalten soll.
Deshalb appelliere ich an alle Kolleginnen und Kollegen, das Thema Tiertötungsstationen auch in ihren Heimatländern nicht totzuschweigen. Weiters appelliere ich an die Kommission und den Rat, solche grausamen Machenschaften zu verdammen.
Toomas Savi (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin ernstlich beunruhigt wegen der falschen Darstellung, die die Kollegin Sahra Wagenknecht in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Regnum am 7. Februar dieses Jahres verbreitet hat. Sie warf der estnischen Regierung vor, die Menschenrechte zu missachten und bezichtigte die Europäische Union der Verschleierung von Tatsachen in Bezug auf die „Bronzenacht“ und die anschließenden Gerichtsverfahren in Estland.
Ich kann Ihnen versichern, dass die noch laufenden Gerichtsverfahren gegen die der Anstiftung zu den Krawallen beschuldigten Personen im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip und unter Achtung der Menschenrechte durchgeführt werden. Ich möchte meine Kollegin außerdem darauf aufmerksam machen, dass es zu den Aufgaben des Staates gehört, die Unantastbarkeit von Privateigentum zu schützen.
Das Plündern letztes Jahr in Tallinn hatte mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder dem Demonstrationsrecht nichts zu tun. Es wurden Straftaten begangen, und daher war der Staat zum Eingreifen gezwungen. Die Rechtfertigung von Verbrechen gereicht einer Politikerin nicht zur Ehre, aber zum Glück kann nicht behauptet werden, die Ansichten von Frau Wagenknecht erstreckten sich auf die gesamte politische Linke.
Bogusław Rogalski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Gestern hat das Parlament des Kosovo die Unabhängigkeit erklärt. Serbien hat damit zum zweiten Mal in seiner Geschichte die Wiege seines Staatswesens verloren. Ich möchte das Hohe Haus daran erinnern, dass diese serbische Provinz im Mittelalter zuerst von den Türken besetzt wurde. Heute hat Serbien – begünstigt durch die Mitgliedstaaten der Union und durch unser Schweigen – dieses für das Land so wertvolle Territorium erneut verloren. Meine Damen und Herren, die Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo stellt eine Verletzung des Völkerrechts dar, das die Unantastbarkeit und Unverletzlichkeit der Grenzen und Staaten festschreibt. Mit der Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo wird die Büchse der Pandora geöffnet, weil dadurch Extremismus und Nationalismus gefördert werden und Extremismus in jeglicher Form in und außerhalb von Europa angeheizt wird. Ähnliche Forderungen gibt es zum Beispiel bereits in Ossetien, Berg-Karabach und im Baskenland. Dies ist im Hinblick auf einen der Mitgliedstaaten, nämlich Zypern, ein völlig falsches Signal. Wie soll Zypern, das um seine Wiedervereinigung kämpft, während wir separatistische Bewegungen unterstützen, darauf reagieren? Wir dürfen die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen, weil dies die Sicherheit Europas und vor allem die innere Sicherheit Serbiens gefährdet.
Milan Horáček (Verts/ALE). – Herr Präsident! Anfang März finden in Russland Präsidentschaftswahlen statt. Viele Hinweise auf einen guten Ausgang gibt es aber nicht. Was ist im Vorfeld passiert? Die Opposition wurde systematisch behindert und mundtot gemacht, die Pressefreiheit umfassend eingeschränkt, die Wahlmodalitäten wurden beschnitten.
Nur ein Beispiel: Der Kreml-Kritiker und russische Oppositionspolitiker Garri Kasparow wurde letzte Woche wieder mit banalen Anschuldigungen von der Polizei verhaftet. Was wird während der Wahl passieren? Es wird keine transparente Wahl stattfinden, weil Russland der OSZE für die Wahlbeobachtung Steine in den Weg gelegt hat. Und was wird nach der Wahl passieren? Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich die Situation der Menschenrechte durch den von Putin inthronisierten Dmitrij Medwedew verbessert. Hier muss die EU ansetzen. Die russische Bevölkerung darf nicht sich selbst überlassen werden.
(Beifall)
Zsolt László Becsey (PPE-DE). – (HU) Präsident! Die Unabhängigkeit des Kosovo stellt eine grundlegende Veränderung auf dem Balkan dar. Dieser Schritt, wenn auch schmerzlich, ist offensichtlich eine weitere unvermeidliche Stufe auf der Leiter zu einer Lösung der Balkan-Frage.
Was die Zukunft des Kosovo betrifft, so brauchen wir eine Lösung, die die kollektiven und individuellen Rechte einer dort ansässigen Minderheit, der Serben, sichert und gewährleistet, dass sie als Gemeinschaft auch weiterhin an ihrem historischen Geburtsort leben können. Wenn einige von ihnen dennoch den Kosovo verlassen wollen, müssen wir sie daran hindern, in Gebiete Serbiens zu ziehen, in denen andere ethnische Gruppen leben, beispielsweise die von Albanern bevölkerten südlichen Gebiete oder die von Ungarn bewohnten nördlichen Regionen. Eine massenhafte Einwanderung dieser Art würde lediglich nur zu neuen Spannungen zwischen den Serben, die gegenwärtig verständlicherweise verärgert sind, und diesen Minderheiten führen.
Durch Vermeidung dieses Risikos könnten wir eine andere Lösung erleichtern, zu der die langfristige – und nicht nur oberflächliche – Regelung des Verhältnisses zwischen Belgrad und Novi Sad sowie zwischen den einheimischen Minderheiten in der Vojvodina und dem Staat gehört. Das könnte auch helfen, den toten Punkt zu überwinden, und die Schaffung eines funktionierenden Staates in Bosnien ermöglichen. Solche wünschenswerte Entwicklungen würden durch das System der ethnischen Rechte und der Toleranz begünstigt, das jetzt im Kosovo eingeführt wird. Vielen Dank, Herr Präsident.
Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Gewerkschaften vieler Mitgliedstaaten ernsthaft besorgt sind wegen des aktuellen Laval-Urteils des Europäischen Gerichtshofs. Die Kommission muss dringend öffentlich darlegen, inwiefern dieses Urteil auf die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen und natürlich auch auf die Tarifverhandlungssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten ausstrahlt. Ich weiß, dass es in Schweden erhebliche Auswirkungen gibt, und dass diese in Irland wesentlich geringer sind. Dennoch müssen Maßnahmen ergriffen werden, die deutlich machen, dass die EU nirgendwo Sozialdumping absegnet.
Es erscheint unbedingt geboten, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten Schritte einleiten, um zu verhindern, dass die prophezeiten Katastrophenszenarien der Europaskeptiker zum gängigen Standpunkt werden. Auf ernsthafte Bedenken muss eingegangen werden, und alle Lücken in Gemeinschaftsinitiativen und nationalen Rechsetzungsinitiativen, die von wem auch immer skrupellos ausgenutzt werden können, müssen durch Parlamente auf EU- und nationaler Ebene geschlossen werden. Ich ersuche Sie nachdrücklich, Herr Präsident, diese Angelegenheit Herrn Kommissar Špidla und Herrn Kommissar McCreevy zu übertragen, da beide in dieser Frage zuständig sind.
Csaba Sógor (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! In einem früheren Beitrag habe ich erwähnt, dass ich hier in meiner Muttersprache sprechen kann, was zu Hause jedoch nicht möglich ist. Mit „hier“ meinte ich selbstverständlich das Europäische Parlament, und „zu Hause“ bezieht sich dann natürlich auf das slowakische Nationalparlament.
Selbstverständlich können wir außerhalb des Parlaments in unserer Muttersprache sprechen; das ist auch in einigen höheren Bildungseinrichtungen möglich, obgleich in geringerem Maße, als das angesichts des prozentualen Anteils der Ungarisch sprechenden Menschen an der Bevölkerung gerechtfertig wäre. Von den 6,4 % ethnischen Ungarn in der Bevölkerung sind lediglich 4 % an höheren Bildungseinrichtungen vertreten und nur 1,6 % lernen in ihrer Muttersprache. Zum ersten Mal seit ungefähr 50 Jahren können Ungarisch sprechende Csángó-Kinder in den östlichen Teilen Rumäniens wieder Ungarisch lernen, obwohl das in einigen Dörfern nur außerhalb des Schulunterrichts – wenn überhaupt – erfolgt.
Dennoch war die von Kommissar Orban abgegebene Erklärung zu der so genannten zweiten Muttersprache ermutigend. Wir sind sicher, dass nunmehr die ethnischen Mehrheitsgruppen in europäischen Ländern nicht nur dem Erwerb der Amtssprache ihres Landes Bedeutung beimessen, sondern auch dafür sorgen, dass gemeinsam mit ihnen dort lebende andere Gruppen in der Lage sind, ihre Muttersprache zu pflegen und auf allen Ebenen in ihren eigenen Bildungseinrichtungen lernen können, und dass sie auch ihre Muttersprache in öffentlichen Verwaltungen, im Gericht und im Parlament sprechen können.
2008 ist das Jahr des Interkulturellen Dialogs. Möge es diesem Namen gerecht werden. Danke.
Маrusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Herr Präsident! In allen Ländern gibt es das Problem, dass Kinder unter benachteiligten Bedingungen aufwachsen. Die Rechte der Kinder und ihr Schutz erfordern eine integrierte Politik.
Die Verringerung der Zahl der in Heimen untergebrachten Kinder ist ein wunderbares Ziel, doch wird es in allen Ländern immer Kinder geben, um die sich die Gesellschaft kümmern muss, weil sie entweder keine Eltern haben oder aus anderen Gründen sozial benachteiligt sind. Was wir brauchen, ist eine solidarische Haltung gegenüber diesen Kindern und diesen Ländern und keine demonstrative Ohrfeige, die sie ihrer Würde beraubt.
Ich appelliere an die Europäische Kommission, spezielle Programme für benachteiligte Kinder aufzulegen und dabei zu berücksichtigen, was die Mitgliedstaaten bereits erreicht haben, und alle Versuche zu verhindern, deren guten Ruf zu beschmutzen.
Die Verbreitung von tendenziösen Informationen, wie das bei einem Heim in Bulgarien der Fall ist, sollte nicht unterstützt werden. Das wirkt sich nachteilig auf mein Land aus und leistet keinen positiven Beitrag zur gemeinsamen europäischen Politik.
Wir brauchen Programme für die effektive Erziehung von sozial benachteiligten Kindern, ungeachtet dessen, wie und wo sie aufgewachsen sind, und müssen die Ausbeutung durch Kinderarbeit und die Einbeziehung von Kindern in verschiedene Aktivitäten verhindern, die sich negativ auf ihr Verhalten auswirken.
Μarie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte daran erinnern, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 13. Dezember 2006 das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert hat. Die Ratifizierung dieses Übereinkommens läuft seit März 2007, doch es wurde lediglich von 15 Ländern, zwei davon sind Mitgliedstaaten der EU, ratifiziert.
Meiner Ansicht nach sollten alle Mitgliedstaaten dieses Übereinkommen ratifizieren, zumal die EU eine Politik verfolgt, die die Rechte der Behinderten im Bereich Kultur und Menschenwürde unterstützt. In ihren 50 Artikeln werden ausführlich die Rechte von Personen mit besonderen Bedürfnissen in allen Bereichen menschlicher Tätigkeit (Gesundheit, Justiz, Familie) beschrieben, und sie werden aufgefordert, an Entscheidungsprozessen mitzuwirken.
Magor Imre Csibi (ALDE). – (RO) Die Unionsbürgerschaft bietet eine Reihe von Rechten und Freiheiten auf dem gesamten Hoheitsgebiet der EU. Aus diesem Grunde haben sich die Mitgliedstaaten durch Unterzeichnung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet, jede Diskriminierung zu verbieten.
Dennoch erhielt ich vor einigen Tagen Kenntnis von einem Fall, dass einem rumänischen Bürger nicht gestattet wurde, in Brüssel ein Auto zu mieten, weil er rumänischer Staatsbürger ist. Die Weigerung des Angestellten stützte sich lediglich auf eine interne Anweisung einer bestimmten Autovermietung. In den letzten Tagen haben mich verschiedene Bürger meines Landes über viele andere Fälle von Diskriminierung aufgrund ihrer rumänischen Staatsbürgerschaft informiert.
Liebe Kollegen, es ist unsere Pflicht, als Vertreter von mehr als 490 Millionen Europäern die Alarmglocke zu läuten. Durch einen aktiven Dialog mit unseren Mitbürgern können wir mithelfen, dass solche Zwischenfälle in der Zukunft vermieden werden. Ich erachte es als Pflicht der Europäischen Union, als einem demokratischen Gebilde, die Achtung vor den Rechten aller Unionsbürger zu fördern, indem sie europäische Aufklärungs- und Informationsprogramme gegen Diskriminierung auf den Weg bringt.
Ferner fordere ich die Europäische Kommission auf festzustellen, ob die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen einhalten, die sie in Verträgen in Bezug auf Diskriminierung aufgrund der Nationalität eingegangen sind.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL). – (CS) In Ihrem Beitrag sprachen Sie über die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass das Internationale Protektorat im Kosovo in Übereinstimmung mit der Resolution 1244 und dem Völkerrecht Bestandteil Serbiens bleibt. Ich bin mir nicht sicher, was das mit der Proklamation der Unabhängigkeit des Kosovo zu tun hat, der Sie zuzustimmen scheinen. Sie haben auf jeden Fall Recht, wenn sie sagen, dass es unsere Pflicht ist zu gewährleisten, dass der Kosovo wieder multiethnisch und demokratisch wird.
Diese einseitige Proklamation der Unabhängigkeit stellt eine beispiellose Verletzung des Völkerrechts dar. Mehrere hunderttausend Einwohner dieses Gebiets, die acht verschiedenen ethnischen Gruppen angehören, wurden mit schweigender Zustimmung der Besatzungstruppen aus ihren Häusern vertrieben. Man kann schwer glauben, dass diese Kräfte nicht in der Lage waren, die Bedingungen für ihre Rückkehr zu schaffen. Statt dafür zu sorgen, dass solche Bedingungen geschaffen werden, stimmen Sie heute der einseitigen Ausrufung eines zweiten albanischen Staates zu. Herr Präsident, spielt es für Sie keine Rolle, dass sich die Wirtschaft dieses Staates offensichtlich auf den Opiumhandel in Europa stützt?
Das Parlament der Tschechischen Republik sowie die Parlamente anderer Länder haben eine Lösung dieser Angelegenheit durch internationale Verhandlungen gefordert. Uns muss klar sein, dass es einmalige Lösungen, von denen Sie in Ihrem Beitrag sprachen, nicht gibt. Jede Lösung schafft einen Präzedenzfall. Wir dürfen die Verletzung der serbischen Souveränität nicht zulassen.
Der Präsident. − Herr Kollege, ich empfehle, dass Sie meine Erklärung noch einmal durchlesen. Dann klärt sich vielleicht manches Missverständnis.
László Tőkés (NI). – (HU) Herr Präsident! Ich möchte dem albanischen Volk des Kosovo meinen Glückwunsch zur Erringung der Unabhängigkeit übermitteln und des albanischen Führers, Ibrahim Rugova, gedenken.
In jedem Plan zur Erzielung einer Lösung, der in den letzten anderthalb Jahrzehnten der tragischen Geschichte dieser jugoslawischen Region vorgelegt wurde, ging es um die Selbstverwaltung des Volkes, um Autonomie und um Machtteilung. Die Verwirklichtung des Ahtisaari-Plans, des Letzten in dieser Reihe, der auch den Carrington-Plan, das Dayton-Abkommen, die Verhandlungen von Rambouillet sowie das Ohrid-Abkommen umfasst, zeigt auch, dass noch ein langer Weg vor uns liegt, bis wir die Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen und nationalen Gemeinschaften in unserer Region als geklärt betrachten können. Das beweist allerdings auch, dass in Zukunft eine Lösung für jede Krise durch internationale Zusammenarbeit gefunden werden kann.
In diesem Sinne ist die Lösung im Kosovo für uns beispielgebend und ein Präzedenzfall. Wir sind zuversichtlich, dass auch im friedlichen Kampf um Autonomie, den die ethnischen Ungarn in Rumänien führen, sowie des Szeklerlandes um seine territoriale Unabhängigkeit mit der wohlwollenden Beteiligung der Europäischen Union ein positives Ergebnis möglich ist.
Anna Záborská (PPE-DE). – (SK) Am 25. Februar 1948 führten die Kommunisten einen Staatsstreich durch und errichteten in unserem Land ein totalitäres Regime. Das war das Ergebnis der Entwicklung, die sich in diesem Land seit 1946 vollzogen hatte. Die Tschechoslowakei verlor allmählich ihre Freiheit innerhalb des neu geschaffenen Staates. Das ist außerordentlich wichtig. Zum Erbe des vereinigten und friedlichen Europas gehört nicht nur der Sieg über den Faschismus, sondern auch der Sieg über den Kommunismus. Aufgrund dieser Errungenschaft können heute die Vertreter von zehn Mitgliedstaaten Mitglieder dieses Hohen Hauses sein.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf drei Aspekte lenken. Wir müssen in gleicher Weise die Rehabilitierung von kommunistischen wie auch Nazisymbolen verurteilen. Sowohl der Kommunismus als auch der Faschismus müssen vor allem wegen der Opfer, für die sie verantwortlich sind, auf eine Stufe gestellt werden. Sowohl das kommunistische als auch das faschistische totalitäre Regime wurden in demokratischen Staaten durch den Missbrauch der Demokratie errichtet. Deshalb müssen wir auch heute noch, in der Europäischen Union, wachsam sein. Auch die Opfer des Kommunismus verdienen eine Schweigeminute in diesem Hohen Haus.
Ioannis Gklavakis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Entsprechend den Bestimmungen der GMO für Tabak werden die Mittel, die den Tabakbauern als Direktbeihilfen gewährt werden, von Säule 1 auf Säule 2 übertragen, bei der es um Strukturmaßnahmen geht.
In meinem Heimatland, Griechenland, wird Tabak in der Regel von armen Landwirten, die keine andere Chance haben, in kaum fruchtbaren Gebieten angebaut. Wenn daher der Tabakanbau in bestimmten Gebieten unterbunden wird, werden wir soziale, wirtschaftliche und ökologische Probleme bekommen.
Mir ist ferner aufgefallen, dass das Ganze auf den Tabakanbau, nicht aber auf das Rauchen abzielt. Wenn wir daher dem Tabakanbau gleichzeitig mit dem Rauchen Einhalt gebieten, dann dürften wir uns alle einig sein. Und so sollte es auch sein. Allerdings ist das nicht der Fall. Die europäische Zigarettenindustrie wird auch weiterhin Zigaretten herstellen, und der ganze Tabak wird einfach aus Drittländern eingeführt.
Daher sollten wir die Chance, die uns die Überprüfung der GAP bietet, nutzen, um dieses Übel zu beheben. Wir müssen zeigen, dass die EU ein Raum der Gleichheit, des Rechts und der Solidarität ist. Deshalb plädiere ich dafür, die gegenwärtige Regelung nach 2009 beizubehalten und den Tabakbauern weiterhin…
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Am 4. Februar 2008 hat das rumänische Parlament den Reformvertrag der Europäischen Union ratifiziert. Wir begrüßen diese Ratifizierung durch das rumänische Parlament.
Der Reformvertrag bekräftigt den Grundsatz der Gleichheit aller EU-Bürger, verleiht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechtskraft, führt die Kontrolle der Subsidiarität durch die nationalen Parlamente ein, anerkennt den universellen Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, betont die Bedeutung der Versorgungssicherheit und stärkt den Geist der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet und legt spezielle Maßnahmen für die Bekämpfung des Klimawandels fest.
Die Einführung des Konzepts des territorialen Zusammenhalts und seine Anerkennung als Zielsetzung haben dazu geführt, dass die Ausschüsse des Europäischen Parlaments, die eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Struktur- und Kohäsionspolitik spielen, nach der Ratifizierung des Vertrages ihre Aktivitäten verstärken müssen.
Aus der Sicht des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr legalisiert der Reformvertrag das Mitentscheidungsverfahren, das bereits auf dem Gebiet der See- und der Luftfahrt Anwendung findet, und gibt dem Europäischen Parlament die Rechtsgrundlage, um Unterstützungsmaßnahmen für die Festigung der Identität des Fremdenverkehrssektors vorzuschlagen.
VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident
Péter Olajos (PPE-DE). – (HU) Danke, Herr Präsident! Zum zigsten Mal spreche ich hier in diesem Parlament innerhalb der letzten sieben Jahre über die anhaltende Verunreinigung des Flusses Raba. Die maßgeblichen österreichischen Stellen haben uns mehrfach versprochen, etwas zu tun, und die österreichischen und ungarischen Behörden haben sogar einen Aktionsplan ausgearbeitet. Die Europäische Union verfolgt diesen Prozess genau, und die von den beiden Ländern eingerichteten Flusskomitees setzen sich – wie auch in dieser Woche – regelmäßig zusammen.
Offensichtlich leisten die Politiker ihren Beitrag, aber Tatsache ist, dass der Fluss in der Zwischenzeit stirbt. Mittlerweile stirbt er jedoch nicht nur auf der ungarischen Seite, sondern auch in Österreich. Bisher sind elf Fischarten ausgestorben und 13 sind ernsthaft gefährdet. Greenpeace hat mehrfach Wasserproben vor Ort genommen und festgestellt, dass die österreichischen Fabriken illegal das Wasser verunreinigen und die zulässigen Höchstgrenzen um ein Vielfaches überschritten werden. Auf dem Fluss selbst schwimmen inzwischen mehr Schaumkronen als jemals zuvor.
Bei dem Fluss, von dem ich spreche, handelt es sich nicht um einen Abwasserkanal, Herr Präsident, sondern um ein Natura-2000-Gebiet, ein echtes Feuchtgebiet. Die dort lebenden Menschen sind der Meinung, dass die EU-Vorschriften entweder nicht gut sind oder deren Einhaltung unzureichend ist. Meiner Meinung nach müssen wir in diesem Hohen Haus diese Angelegenheit auf der Tagesordnung belassen, bis sie ein für allemal geklärt ist. Danke. Ich werde es auf jeden Fall tun.
Iuliu Winkler (PPE-DE). – (RO) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die mit der Kohäsionspolitik der Europäischen Union im Zusammenhang stehenden Finanzinstrumente sind für die Verringerung der Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen Europas äußerst wichtig.
Bei den jüngsten Mitgliedstaaten der Europäischen Union leisten die im Rahmen der Kohäsionspolitik zur Verfügung gestellten Mittel einen wichtigen Beitrag zur Absicherung der weiteren Entwicklung der weniger wohlhabenden Regionen in diesen Ländern. Die Absorptionsrate steigt in den neuen Mitgliedstaaten kontinuierlich an. Die Union muss die Mittelausstattung der Instrumente der Kohäsionspolitik an die Gegebenheiten eines erweiterten Europas anpassen.
Nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens ist die garantierte Erhöhung der Finanzmittel der Kohäsionspolitik nach 2013 zu einer Notwendigkeit geworden. Die Aufstockung des Kohäsionsfonds ist die logische Folge der jüngsten Erweiterung der Union und wird die Kohärenz der Politik der Union in Bezug auf die weniger entwickelten europäischen Regionen unter Beweis stellen; außerdem ist das ein starkes politisches Signal für die neuen Mitgliedstaaten.
Milan Gaľa (PPE-DE). – (SK) Kürzlich hatten wir eine große Debatte über die Energieeffizienz. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die gegenwärtige Etikettierung von Haushaltsgeräten, durch die die Verbraucher informiert werden, wie energieintensiv die Geräte sind, nicht zuverlässig ist. Da die meisten im Laden verkauften Geräte zur Kategorie A gehören, gibt es keine eindeutige Information zu den Energieeinsparungen, die durch die Verwendung des betreffenden Gerätes erzielt werden, und der Hersteller verliert die Motivation, ein energieeffizientes Gerät zu produzieren.
Wenn wir Verbraucher und Hersteller motivieren wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Haushaltsgeräte in neue Energiekategorien eingestuft werden. Die ursprüngliche Klassifizierung von Geräten besteht seit 1994. Ich appelliere an die Europäische Kommission, sowohl die Vorbereitung des neuen Systems der Kennzeichnung von Geräten als auch den Prozess der Aufnahme anderer Geräte in dieses System, der bereits im Gange ist, zu beschleunigen.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte ein Thema ansprechen, das mit den Zahlungen an Landwirte im Rahmen der REPS-Regelung zu tun hat. In den letzten vierzehn Jahren erfolgten die REPS-Zahlungen in einer sehr frühen Phase, sobald die Unterlagen bei der Kommission oder beim Landwirtschaftsministerium in Irland eingereicht worden waren. Ich habe jetzt gehört, dass sich die Zahlungen nun verzögern sollen und dass von dem Zahlungsrückstand bereits mehr als 6 000 Landwirte betroffen sind. Mir ist auch mitgeteilt worden, dass sich diese Zahl in den nächsten Monaten auf über 60 000 erhöhen wird.
Es geht nämlich darum, dass die Landwirte ihre Finanzen für einen Zeitraum von zwölf Monaten geplant haben, und zwar mit ihren Banken, und dass nun viele von ihnen aufgrund dieser Änderung nicht in der Lage sein werden, ihre Rückzahlungen an die Banken zu leisten.
Ich möchte darum bitten, mein Anliegen an den Kommissar weiterzuleiten und dieses Problem so zu lösen, dass das frühere Verfahren, das vierzehn Jahre lang Gültigkeit besaß, wieder in Kraft gesetzt werden kann.
Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident! Völkerrechtlich gesehen ist die Sache ganz klar. Was das Kosovo betrifft, so gilt ein Staat als existent, wenn Folgendes gegeben ist: erstens eine Bevölkerung, zweitens ein Territorium, drittens öffentliche Dienste. Im Kosovo gibt es keine öffentlichen Dienste; die Kommission braucht sich nur dorthin zu begeben, um sich davon zu überzeugen. Der einzige Dienst, die funktioniert, ist die der Mafia.
Ein Staat ist souverän, wenn er uneingeschränkte Hoheitsgewalt besitzt. Wie es damit bestellt ist, hat der Parlamentspräsident vorhin gesagt: nämlich dass es sich beim Kosovo um eine überwachte Souveränität handelt.
Ein Staat ist souverän, wenn seine Hoheitsgewalt unabhängig ist, autonomos auf Griechisch, das heißt dass er selbst darüber entscheidet, was er tut. In diesem Fall sind es aber die NATO und die USA, die entscheiden.
Ein Staat ist souverän, wenn seine Hoheitsgewalt ausschließlich ist. Auf dem Territorium des Kosovo gibt es aber verschiedene Streitkräfte, und nicht nur eine Streitkraft.
Ein Staat ist souverän, wenn er den Grundsatz des uti possidetis, der Unantastbarkeit der Grenzen, respektiert.
Mit anderen Worten, im Kosovo ist keines der völkerrechtlichen Kriterien eines souveränen Staates gegeben. Und warum? Weil man nach den Schurkenstaaten und den Mafiastaaten die Versuchsstaaten erfunden hat, in denen die Europäische Kommission den Föderalismus durch Zersetzung von Staaten testet und erprobt.
Ján Hudacký (PPE-DE). – (SK) Die gestrige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist möglicherweise ein gefährlicher Präzedenzfall für die Entwicklung der verschiedenen Länder und Regionen weltweit. Die Tatsache, dass dieser Akt die erhebliche politische und diplomatische Unterstützung der USA und der Mehrzahl der großen Länder der Europäischen Union genießt, lässt ihn umso fraglicher erscheinen, denn es steht von vornherein fest, dass es sich hier um eine Verletzung des Völkerrechts handelt.
Eine wesentlich bessere Lösung für den Balkan wäre, wenn die Europäische Union einen Beitrag zur stärkeren Demokratisierung in Serbien leisten würde. Dadurch wiederum würde eine positivere Atmosphäre für die Festigung der Beziehungen zwischen den Serben und der albanischen Minderheit in ihrem gemeinsamen Territorium geschaffen. Selbstverständlich handelt es sich dabei ganz klar um eine langfristige Angelegenheit. Es ist ferner naiv anzunehmen, dass die Einforderung der Rechte der Minderheiten auf territoriale Selbständigkeit, die durch diesen Präzedenzfall noch verstärkt wird, auch für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union selbst in naher Zukunft nicht zu einem unlösbaren Problem wird.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Dürfte ich meinem Kollegen beipflichten und die Kommission mit Nachdruck auffordern, sich in den nächsten Monaten nicht immer wieder mit verschiedenen Abteilungen der irischen Behörden herumzustreiten, da wir gerade ziemlich wichtige Aufgaben zu erfüllen haben? Muss ich ganz genau erklären, was von den Iren in Bezug auf den Vertrag von Lissabon verlangt werden soll?
Ich habe mich vor allem deswegen erhoben, weil ich mich über die Art und Weise beschweren will, wie die Beamten immer wieder auf dem REPS-Zahlungssystem in Irland herumhacken. Schon seit mehr als vierzehn Jahren leisten die Behörden des irischen Landwirtschaftsministeriums – mit der Zustimmung der Kommission – termingerecht Zahlungen im Rahmen der Regelung zum Schutz der ländlichen Umwelt, genannt REPS, an Tausende von Landwirten und deren Familien. In diesem Jahr nun, im letzten Monat, hat die Kommission beschlossen, dass die REPS-Zahlungen nicht jetzt geleistet werden können, sondern erst am Ende des Jahres. Bitte suchen Sie nicht ständig Zank mit den irischen Landwirten oder mit anderen Bereichen in Irland, vor allem nicht in diesem Jahr, sondern geben Sie den Leuten die Gelder, die ihnen zustehen, so, wie dies über vierzehn Jahre lang der Fall war, nämlich jetzt. Es ist jetzt keine Zeit für Streitereien. Bitte hören Sie auf uns.
Der Präsident. − Damit ist dieser Punkt abgeschlossen.
20. Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Witold Tomczak (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Aloyzas Sakalas im Namen des Rechtsausschusses über den Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Witold Tomczak (2007/2130(IMM)) (A6-0008/2008).
Aloyzas Sakalas, Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Im April 2005 stellte Witold Tomczak beim Europäischen Parlament den Antrag, seine Immunität wegen eines Strafverfahrens zu schützen, das Parlament hat jedoch – ein Jahr später – beschlossen, seine Immunität nicht zu schützen.
Am 21. Mai 2007 hat Witold Tomczak erneut beim Europäischen Parlament um Schutz seiner Immunität ersucht. In seinem neuen Antrag legte Witold Tomczak drei neue Argumente vor, die den gleichen Fall betrafen. Das erste Argument war folgendes: Witold Tomczak beschwert sich darüber, dass das Gericht in Ostrów ihm keinen Zugang zu den Verfahrensakten gewährt habe. Nach Prüfung dieser Beschwerde stellte sich jedoch heraus, dass Witold Tomczak sehr wohl Zugang zu den Akten erhalten hatte, als er sich persönlich zum Gericht begab. Mindestens ein Dokument hat er sogar fotografiert.
Das zweite Argument: Witold Tomczak beschwert sich, das Verfahren sei nicht objektiv, da der stellvertretende Vorsitzende des Gerichts den vorsitzenden Richter in der Sache angewiesen hatte, so bald wie möglich das Urteil zu fällen, auch in Abwesenheit des Beschuldigten. Diese Anweisung erging jedoch erst, nachdem Witold Tomczak zwölf Mal hintereinander nicht vor Gericht erschienen war.
Nun zum dritten Argument: Witold Tomczak behauptet, das Gericht in Ostrów sei gegenüber seiner Person voreingenommen. Die von Witold Tomczak angeführte Tatsache, dass der vorsitzende Richter in dem Verfahren in derselben Stadt lebt wie der Staatsanwalt, gegen den Herr Tomczak vorher Beschwerde eingereicht hatte, schließt jedoch nicht aus, dass dieser Richter objektiv handelt.
Darüber hinaus hat Witold Tomczak die Möglichkeit, bei einem übergeordneten Gericht Rechtsmittel einzulegen und eine Kassationsbeschwerde beim polnischen Obersten Gerichtshof einzureichen. Das von Witold Tomczak, der 1999 Mitglied des polnischen Parlaments war, vorgebrachte Argument, seine nationale parlamentarische Immunität stelle ein formelles Hindernis für das Strafverfahren dar, sollte von den polnischen Justizbehören ordnungsgemäß geprüft werden.
Die problematische rechtliche Folge, dass Witold Tomczak nach polnischem Recht seinen Sitz im Parlament verlieren könnte, wurde vom Rechtsausschuss zur Kenntnis genommen, und der Vorsitzende des Ausschusses hat eine mündliche Anfrage an die Kommission gerichtet. Diese wurde am 14. Januar 2008 von Herrn Kommissar Frattini beantwortet, der versprach, sich an die polnischen Behörden zu wenden, um sicherzustellen, dass das polnische Recht Mitglieder des Europäischen Parlaments gegenüber nationalen Parlamentariern nicht diskriminiert.
Nach Aussprache mit der Kommission beschloss der Rechtsausschuss aus den oben genannten Gründen, den Schutz der parlamentarischen Immunität von Witold Tomczak nicht zu empfehlen.
Es ist klar, dass Artikel 8 und 9 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften im Falle von Witold Tomczak nicht anwendbar sind. Sein Antrag sollte wie ein Antrag beim Europäischen Parlament um Aussetzung des Verfahrens gegen ihn behandelt werden, wie dies z. B. laut Artikel 105 der polnischen Verfassung möglich ist.
Gemäß seiner üblichen Verfahrensweise könnte das Europäische Parlament beschließen, die Immunität eines seiner Mitglieder zu schützen, wenn die Vermutung besteht, dass dem strafrechtlichen Vorgehen die Absicht zugrunde liegt, der politischen Tätigkeit des Mitglieds zu schaden (fumus persecutionis). Dafür liegen im Fall von Witold Tomczak keine eindeutigen Anzeichen vor.
Angesichts der genannten Erwägungen empfehle ich, die Immunität von Witold Tomczak nicht zu schützen.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die parlamentarische Immunität dient in erster Linie dem Schutz des Parlaments als demokratisch gewähltes Vertretungsorgan. Sie gewährleistet die kollektive Unabhängigkeit dieser Institution gegenüber Beeinflussung von außen und garantiert ihren Mitgliedern bei der Ausübung ihrer parlamentarischen Pflichten das Recht auf freie Meinungsäußerung und unabhängiges Handeln. Die Rechtsgrundlage für die Immunität der Mitglieder des Europäischen Parlaments bildet das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften von 1965. In Artikel 8 des Protokolls heißt es, dass Mitglieder des Europäischen Parlaments wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden dürfen. Artikel 9 legt fest, dass während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht, seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaates weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden können. Diese Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments.
In Anbetracht dessen bezieht sich die Anklage gegen Herrn Tomczak nicht auf eine in Ausübung seines Amtes erfolgte Äußerung oder Abstimmung, da er zu dem fraglichen Zeitpunkt nicht Mitglied des Europäischen Parlaments war. Deshalb besteht keine rechtliche Handhabe, die parlamentarische Immunität von Herrn Tomczak aufrechtzuerhalten. Der Fall von Herrn Tomczak hat aber auch gezeigt, dass zwischen den Regeln für die Wahl zum polnischen Sejm und die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments in Polen keine Übereinstimmung besteht. Das gilt sowohl für die Voraussetzungen, die die Kandidaten erfüllen müssen, als auch für die Umstände, unter denen ein bereits gewählter Abgeordneter seinen Sitz wieder verlieren kann.
Über diese Frage wurde auf einer Sondersitzung beraten. Mit seinem Beitritt zur Union hat Polen sich verpflichtet, geltendes EU-Recht einzuhalten und dabei vor allem die Vorschriften, die direkte Auswirkungen auf das nationale Recht eines Mitgliedstaates haben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und fordere dazu auf, die Vorschriften für den Status der Mitglieder des polnischen Sejms und des Europäischen Parlaments so bald als möglich zu harmonisieren. Im Moment sieht es so aus, dass ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments seinen Sitz automatisch verliert, wenn er sich etwas zuschulden kommen lässt, während ein Mitglied des polnischen Sejms für die gleiche Tat möglicherweise gar nicht bestraft wird.
Marek Aleksander Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Fall von Herrn Tomczak zeigt, dass die polnische Justiz die Verpflichtung, die Polen mit seinem Beitritt zur Europäischen Union übernommen hat, nämlich geltendes Gemeinschaftsrecht einzuhalten, nicht anerkennt. Obwohl das Europäische Parlament noch keine Entscheidung über die Immunität von Herrn Tomczak getroffen hat, wurde von dem zuständigen Gericht für den 15. Februar – also letzte Woche – eine Sitzung anberaumt.
Ein solches Vorgehen seitens des Gerichts kommt nicht nur einer Missachtung des Europäischen Parlaments gleich, sondern verstößt auch gegen dessen Geschäftsordnung und gegen das polnische Strafgesetzbuch, wonach ein Abgeordneter nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, solange das Europäische Parlament nicht über seine Immunität entschieden hat. Der von mir geschilderte Fall von Herrn Tomczak lässt den Schluss zu, dass wir es hier entweder mit einem ausgesprochen inkompetenten Gericht zu tun haben oder aber das Gericht Herrn Tomczak für ein kleineres Vergehen verurteilen will, was für ihn den Verlust seines Sitzes im Europäischen Parlament bedeuten würde.
Jens-Peter Bonde (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Ich fordere alle Mitglieder dringend auf, gegen die Aufhebung der Immunität im Fall Tomczak zu stimmen. Wir hatten eine sehr gute Aussprache im Plenarsaal. Alle waren sich darüber einig, dass wir nicht zulassen können, dass Polen zweierlei Standards setzt: einen für Parlamentarier im eigenen Land und einen weiteren, wesentlich strengeren, für Mitglieder des Europäischen Parlaments. Der zuständige Kommissar, Herr Frattini, hat zugesagt, in einem Schreiben an den polnischen Justizminister auf gleichen Regeln für die Aufhebung der parlamentarischen Immunität zu bestehen.
Ich habe nach dem Treffen vom 14. Januar mit Herrn Frattini gesprochen und ihn vor zwei Wochen erneut getroffen, wobei er mir mitteilte, er habe seine Dienststellen angewiesen, das Schreiben abzusenden. Vorige Woche habe ich mit seinem Büro Rücksprache gehalten. Da versicherte man mir, der Brief sei abgeschickt worden, und ich würde noch am selben Tag eine Abschrift davon erhalten. Danach rief mich plötzlich jemand aus Herrn Frattinis Büro an und erzählte mir etwas anderes, nämlich, dass das Schreiben noch immer im Hause sei. Also sitzen wir jetzt hier ohne Schreiben und ohne Antwort der polnischen Regierung.
Wir haben sehr klare Regeln: Wir brauchen eine Abstimmung. Daher möchte ich Sie bitten, gegen die Aufhebung der Immunität zu stimmen und zu beantragen, dass der Fall an den Rechtsausschuss zurückverwiesen wird, damit eventuell ein neuer Beschluss gefasst werden kann, sobald uns der Brief von Kommissar Frattini und die Antwort aus Polen vorliegen.
Aloyzas Sakalas, Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Ich denke, dass die Folgen der Frage der Aufhebung der Immunität nicht dasselbe wie die Aufhebung der Immunität sind. Herr Witold Tomczak war zwölf Mal vom Gericht vorgeladen worden, und er ist nicht erschienen.
Alle verfahrenstechnischen und sachlichen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Rechtstreit Tomczak aufgeworfen wurden, insbesondere was die Frage der angeblichen beleidigenden Worte gegen Polizeibeamte durch Witold Tomczak anbelangt, sollten von den polnischen Justizbehörden objektiv geklärt werden. Hierzu möchte ich gern zwei Punkte hervorheben. Die Frage, ob die Immunität von Witold Tomczak zu Beginn des Verfahrens ordnungsgemäß aufgehoben wurde, als er Mitglied des polnischen Parlaments war, ist eine Frage, die sich nur von der zuständigen Justizbehörde in Polen klären lässt, in dem hier vorliegenden Fall vom Amtsgericht in Ostrów Wielkopolski. Es besteht immer die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen.
Zweitens kann die Möglichkeit, dass Witold Tomczak seinen Sitz im Europäischen Parlament verlieren könnte, nicht als Grund für die Strafverfolgung angesehen werden, da Tomczak zum Zeitpunkt des Vorfalls vom 19. Juni 2004 kein Mitglied des Europäischen Parlaments war und das für Mitglieder nationaler Parlamente geltende Gesetz keine Bestimmungen für derartige Folgen beinhaltet.
Aufgrund der genannten Erwägungen empfiehlt der Rechtsausschuss dem Europäischen Parlament, die parlamentarische Immunität von Witold Tomczak nicht zu schützen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
21. Transparenz in Finanzangelegenheiten (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von José Javier Pomés Ruiz im Namen des Haushaltskontrollausschusses über die Transparenz in Finanzangelegenheiten (2007/2141(INI)) (A6-0010/2008).
José Javier Pomés Ruiz, Berichterstatter. − (ES) Herr Präsident! Unser Europäisches Parlament wollte schon immer eine Politik der Transparenz unserer Mittel, der Mittel der Europäischen Union, umsetzen. So war es auch, als, vielleicht durch Misswirtschaft, Probleme entstanden, die die Kommission unter Vorsitz von Herrn Santer zum Rücktritt zwangen.
Seitdem, so ist festzustellen, sind erhebliche Verbesserungen eingetreten; dieses Parlament betreibt eine Politik der Transparenz, und die Kommission steht ihm dabei zur Seite. Das Ergebnis dieses Interesses der Barroso-Kommission ist die Schaffung von nichts weniger als der Funktion eines Vizepräsidenten, um dieses Ziel zu erreichen, hier vertreten durch Vizepräsident Siim Kallas, den ich begrüßen möchte.
Die europäischen Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, was wir mit der sehr geringen Geldmenge machen, die sie an die EU zahlen, was wir mit diesen knapp 1 % tun; eine stärkere Kontrolle über die Gemeinschaftsmittel durch die Sichtbarmachung ist notwendig. Die Sichtbarkeit besteht nicht mehr nur in einem Schild, das an einem Rathaus oder an einer mit den Regional- oder dem Kohäsionsfonds finanzierten Baustelle hängt; es gilt, weit darüber hinauszugehen, und es muss möglich sein festzustellen, wo diese geringen Mittel sind, die uns die europäischen Steuerzahler durch die Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen.
Das ist die Transparenzinitiative, die unser Parlament vorbehaltlos unterstützt. Dieser Initiativbericht, den wir hier vorlegen, sagt zwei Dinge aus. Erstens, dass etwas mehr getan werden muss. Im Text gestatten wir uns, darauf hinzuweisen, dass sich die Transparenz durch die Veröffentlichung schwarzer Listen äußern muss, durch die Bekanntgabe, welche Bieter bei Ausschreibungen akzeptiert und welche nicht berücksichtigt wurden, und das OLAF muss über einen Kodex verfügen, der die Unschuldsvermutung gewährleistet, was häufig nicht der Fall ist. Mit anderen Worten, innerhalb der EU besitzt das Europäische Parlament bereits einen eigenen Ehrenkodex. Wir sind keine Beamten, wir sind Politiker; auch wir müssen transparent sein, und wir sind es schon.
Deshalb fordere ich im Änderungsantrag 2 zu Ziffer 22, die von der Transparenzinitiative vorgeschlagene Liste zu streichen, in der Hauptsache nicht nur, weil dieses Parlament bereits Beschlüsse zu unseren finanziellen Interessen, zu Dienstreisen und Reisen gefasst hat, sondern weil wir auch die Auffassung vertreten, dass es in dieser Hinsicht Regeln für die gesamte Europäische Union geben muss. Dieses Parlament besitzt seine eigenen Regeln, die jedoch verbessert und vielleicht noch erweitert werden müssen.
In einem weiteren Änderungsantrag streiche ich die Erwähnung von MdEP als Träger öffentlicher Ämter; wir haben keine öffentlichen Ämter inne, wir sind Politiker. In einigen nationalen Rechtsvorschriften könnte dieses Missverständnis zu Problemen führen.
Durch diese von uns unterstützte größere Transparenz wollen wir die Aufmerksamkeit auch auf die Tatsache lenken, dass die Mitgliedstaaten 80 % der Mittel mitverwalten, und daher fordern wir sie erneut auf, nationale Zuverlässigkeitserklärungen vorzulegen. Das ist dringlich und notwendig, und wir bestehen darauf. Wir sagen, dass in die von Kommissar Kallas vorgestellte Initiative auch die Wiedereinziehung der Gemeinschaftsmittel aufzunehmen ist. Sie darf nicht ausgeklammert werden: Wenn unser Geld missbräuchlich verwendet wird, müssen wir wissen, wo es ist und wie und wann es wieder eingezogen werden muss.
Wir haben die Transparenz erheblich verbessert, Herr Kommissar, doch unser Parlament wird sich dafür einsetzen, dass noch viel mehr unternommen wird.
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich bin sehr froh, mich hier und heute im Namen der Kommission zu dieser Schlüsselfrage der Transparenz äußern zu können. Ich danke Herrn Pomés Ruiz für diesen Initiativbericht und dem Haushaltskontrollausschuss für seinen wertvollen Beitrag.
Der Bericht behandelt fünf Hauptthemen. Erstens vermittelt er eine Anleitung zur Offenlegung von Informationen über die Empfänger von EU-Mitteln in Form von Beihilfen und Aufträgen. Wir sind dabei, die Bestimmungen der geänderten Haushaltsordnung zur Transparenz umzusetzen. Diese Bestimmungen wurden dank des Engagements des Parlaments in die Haushaltsordnung aufgenommen und traten im Mai 2007 in Kraft.
Zur direkten Mittelverwaltung hat die Kommission im letzten Jahr eine Webseite eingerichtet, über deren zentrales Portal alle relevanten Webseiten in den verschiedenen Generaldirektionen zugänglich sind. Obwohl wir diese Webseiten ständig aktualisieren, erscheint das Portal als Ausgangspunkt nach wie vor recht verwirrend und kompliziert zu sein. Die Dienststellen der Kommission bemühen sich, hier Abhilfe zu schaffen.
Bei der geteilten Mittelverwaltung hat die Kommission die Aufgabe, bis April 2008 mit den Mitgliedstaaten zu einem Abschluss und zu einer Einigung über die gemeinsamen Standards für diese Datensätze zu kommen. So steht es im Entwurf des Entlastungsberichts von Herrn Jørgensen. Die Zuständigkeit für die betreffenden Daten verbleibt weiterhin bei den Mitgliedstaaten. Die Kommission übernimmt die Verantwortung für die geltenden Standards und prüft, ob die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Haushaltsordnung einhalten.
Als zweites Thema behandelt der Bericht von Herrn Pomés Ruiz die Frage der Wiedereinziehungen. Im Januar 2008 habe ich im Haushaltskontrollausschuss deutlich gemacht, dass die Kommission bisher nicht imstande war, dem Parlament ein umfassendes Bild all unserer Wiedereinziehungsbemühungen zu übermitteln. Ich habe eine Schätzung zu den 2006 erfolgten Wiedereinziehungen abgegeben und Verbesserungen an unseren eigenen Systemen angekündigt, sodass das System der periodengerechten Buchführung (ABAC) dieses Jahr genauere und vollständigere Daten zu diesen Einziehungen enthalten wird. Derzeit erörtern wir die entsprechende Methodik mit dem Europäischen Rechnungshof.
Informationen über Wiedereinziehungen wären nicht vollständig ohne verlässliche Angaben von Seiten der Mitgliedstaaten. Was die Landwirtschaft betrifft, so zeichnet sich hier ein recht optimistisches Bild ab. Morgen soll die Kommission einen Aktionsplan zur Stärkung unserer Aufsichtsfunktion bei den Strukturfonds verabschieden, wobei unter anderem diese Frage zur Sprache kommt.
Das dritte Thema des Berichts betrifft die Erklärung der finanziellen Interessen und insbesondere die Ergebnisse einer im Juli 2006 begonnenen und 2007 veröffentlichten unabhängigen Vergleichsstudie im Kontext der Europäischen Transparenzinitiative.
Die Studie ergab, dass die EU-Organe mehrheitlich eine intensivere Regulierung erfährt als Institutionen auf nationaler Ebene. Für die Kommission und die Europäische Investitionsbank gelten die umfangreichsten ethischen Regeln von allen EU-Organen.
Die Studie hält fest, dass die Kommission über ein relativ gut entwickeltes System zur Offenlegung von Interessenkonflikten verfügt, und sie regt an, das Mandat unserer Ad-hoc-Ethikkommission zu erweitern, sodass deren beratende Funktion ausgebaut werden kann. Ich lege Ihnen diese Studie ans Herz, damit Sie Ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen können, die Ihnen für das Europäische Parlament wichtig erscheinen.
Der vierte Aspekt, den Herr Pomés Ruiz anspricht, ist die Zusammensetzung von Sachverständigengruppen, die die Kommission beraten. Ich bedanke mich bei Herrn Pomés Ruiz für die Anerkennung unserer bisherigen Arbeit. Wir werden Ihre Empfehlungen für weitere Verbesserungen prüfen.
Die fünfte und letzte wichtige Frage betrifft das Thema Governance innerhalb der Organe. Am vergangenen Freitag, dem 15. Februar 2008, war Einsendeschluss für die zusammenfassenden Jahresberichte der Mitgliedstaaten. Bis heute Mittag sind von den Mitgliedstaaten 22 Rückantworten eingegangen. Wir bewerten die Ordnungsmäßigkeit dieser Berichte bezüglich der Verpflichtungen im Rahmen der Haushaltsordnung, und wir werden Ihnen Bericht erstatten, sobald wir uns ein klares Bild davon gemacht haben, auch bezüglich der Qualität der Berichte.
Schließlich möchte ich Ihnen versichern, dass wir das Thema Transparenz sehr ernst nehmen und dass die Europäische Transparenzinitiative hinsichtlich vieler Punkte, die der Bericht anspricht, zielführend ist.
(Beifall)
Ingeborg Gräßle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Transparenzinitiative ist der wohl größte Erfolg der Barroso-Kommission.
Herr Kommissar, ich danke Ihnen für die Worte von gerade eben, und ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie eine Vereinheitlichung der Veröffentlichung der Subventionsempfänger in Aussicht gestellt haben. Das war letztes Jahr ein ganz großer Diskussionspunkt zwischen Parlament und Kommission. Sie sollten wissen, dass Sie dieses Haus und auch die EVP-Fraktion beim Thema Transparenz immer an Ihrer Seite haben. Denn wir wollen wissen, ob wir über die Subventionsempfänger – die Geldempfänger – unsere Politikziele erreichen. Uns geht es um das Erreichen der Politikziele, und um nichts anderes. Doch dazu müssen wir eben mehr wissen als bisher.
Herr Kommissar, Sie arbeiten an neuen Ethikregeln. Wir glauben, dass die Organe diese Regeln brauchen, und die Kommissare selbst brauchen ja auch einen neuen Verhaltenskodex. Aber um Missverständnissen vorzubeugen, darf ich nochmals daran erinnern, dass es der Kommission nicht zusteht, für das Parlament Regeln aufzustellen. Wir machen unsere Regeln selbst. Wir sind keine Amtsträger, im Gegensatz zu den Mitgliedern anderer EU-Organe, auch wenn eine sprachliche Ungenauigkeit diesen Eindruck erwecken könnte.
Es gibt von unserer Seite einen Antrag auf Änderung der Ziffer 22, für den ich sehr herzlich um Unterstützung bitte. Wir wollen die Aufzählung ersetzen durch den Hinweis auf die bisherigen Regeln. Aufzählungen haben es ja immer in sich: Wir wollen absichtlich offen lassen, ob wir so viele, ob wir eventuell mehr oder auch weniger Kriterien brauchen.
Nicht zufrieden – und das ist ein Teil des Berichts – können wir mit der Großbaustelle der Wiedereinziehung zu Unrecht ausgezahlter Mittel sein. Herr Kommissar, das wird wohl unsere Großbaustelle für dieses Jahr werden, auch das Hauptfeld der Auseinandersetzung zwischen Parlament und Kommission. Denn auf dieser Großbaustelle geht es alles andere als transparent zu. Ich möchte Sie herzlich bitten, dieses Problem jetzt wirklich anzugehen. Die Wiedereinziehung darf nicht weiter von so vielen Zufällen abhängen wie bisher.
Wir begrüßen den Aktionsplan Strukturfonds in dieser Woche. Aber er muss noch mit Glaubwürdigkeit unterfüttert werden – für das Parlament und auch für die Entlastung der Kommission.
Unser Berichterstatter, Javier Pomés Ruiz, hat einen guten und interessanten Bericht vorgelegt. Ich bin sicher, dass wir mit diesem Bericht als Meinung des Parlaments auch der Kommission auf dem weiteren Weg helfen können.
Dan Jørgensen, im Namen der PSE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Zweifelsohne konzentriert sich die öffentliche Aussprache in Europa größtenteils auf die Tatsache, dass in der EU ein Demokratiedefizit besteht und dass dieses Defizit nicht zuletzt auf die fehlende Transparenz zurückzuführen ist. Insbesondere dürfte das der zu geringen Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Mittel, die die EU verwaltet – das heißt die Mittel, die die EU den einzelnen Ländern für gute, wohlgemeinte Projekte zur Verfügung stellt – geschuldet sein. Und das ist ein Problem! Glücklicherweise handelt es sich um ein Problem, das jetzt gelöst wird. Glücklicherweise handelt es sich um ein Problem, das der Kommission seit langem bekannt ist und für dessen Lösung sie tatsächlich etwas tut, und dafür gebührt der Kommission großes Lob. Herr Kallas, Sie verdienen persönlich großes Lob für den enormen Beitrag, den sie in diesem Zusammenhang geleistet haben. Natürlich gibt es einige Dinge, die angegangen werden müssen. Das ist auch der Grund, weshalb Herr Pomés Ruiz einen Bericht verfasst hat. Ich unterstütze diesen Bericht, der viele kritische Punkte anspricht, die natürlich geklärt werden müssen. Fest steht, dass die vorhandenen Daten vergleichbar sein müssen usw., aber das ist zweitrangig, da wir jetzt die wesentliche Entscheidung getroffen haben, nämlich dass wir Transparenz brauchen.
Eine weitere äußerst wichtige Entscheidung, für die der Kommission Lob gebührt, ist der Beschluss, für größere Transparenz im Zusammenhang mit den „Sachverständigengruppen“ zu sorgen. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass ein „demokratisches“ System Menschen beschäftigt, deren Namen nicht bekannt sind. Es gibt alle möglichen demokratischen Argumente, weshalb man so nicht arbeiten kann, und es ist selbstverständlich auch aus finanzieller Sicht nicht hinnehmbar. Ich zweifle nicht daran, Herr Kommissar, dass Sie eine Aussage bestätigen können, die Sie bei der kürzlich abgeschlossenen Anhörung im Haushaltskontrollausschuss im Zusammenhang mit der Entlastung getroffen haben. Dabei haben Sie uns versichert, dass das natürlich auch auf die Gruppen zutrifft, die unter das Komitologieverfahren fallen. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Sachverständigengruppen. Einige der wichtigsten Gruppen fallen dabei unter das Komitologieverfahren. Darüber hinaus haben Sie uns bei mehreren Gelegenheiten im Haushaltskontrollausschuss diese Zusicherung gegeben. Herr Kommissar, könnten Sie das hier vor der Versammlung nicht wiederholen?
Janusz Wojciechowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Im Namen der Fraktion Union für das Europa der Nationen möchte ich Herrn Pomés Ruiz für seinen ausgezeichneten Bericht danken, den ich ohne Einschränkung unterstütze. Transparenz muss zu den Grundprinzipien gehören, auf denen die Europäische Union basiert. Für besonders wichtig halte ich die Punkte des Berichts, die sich auf die Verbesserung der Informationen über die Empfänger von EU-Mitteln und mehr Transparenz der Informationen auf der Webseite der Kommission beziehen. Das sind ganz entscheidende Fragen. Ebenso wichtig ist meines Erachtens, dass in dem Bericht die Bedeutung der Erklärung der finanziellen Interessen von Trägern öffentlicher Ämter in den EU-Organen hervorgehoben wird.
Die Bürger der Europäischen Union müssen die Gewissheit haben, dass diejenigen, die über die Gemeinschaftsmittel verfügen bzw. ihre Zuweisung überwachen, objektiv handeln und nicht ihre privaten Interessen verfolgen. Dass diese Frage in dem Bericht so ausführlich behandelt wurde, das ist meiner Ansicht nach richtig und angemessen.
Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Im Grunde bildet diese Aussprache den Auftakt zu dem derzeitig im Ausschuss für Haushaltskontrolle stattfindenden Entlastungsverfahren sowie zu der außerordentlichen Anhörung in der nächsten Woche mit den Kommissionsmitgliedern Spidla und Hübner. Im Mittelpunkt der Diskussion steht Ziffer 41 des Berichts von Herrn Pomés Ruiz, in der der Kommission nahegelegt wird, die Abgabe nationaler Zuverlässigkeitserklärungen zu unterstützen. Herr Kommissar, wenn Sie dazu Ihre Zusage geben, wird der Kampf, den wir im Entlastungsverfahren führen, kein Kampf des Parlaments gegen die Kommission, sondern ein gemeinsamer Kampf sein: Kommission und Parlament gegen die Mitgliedstaaten. Dies ist auch für die innere Geschlossenheit der Kommission die beste Strategie. Transparenz sorgt wirklich für Glaubwürdigkeit und Verantwortlichkeit, darin stimmen wir alle überein. Einer der Aspekte davon ist tatsächlich die Veröffentlichung von Informationen über die Endbegünstigten von EU-Mitteln.
Die Bereitstellung solcher Informationen ist gemäß der Haushaltsordnung obligatorisch, aber diese Informationen müssen dann zugänglich und verlässlich sein und sich für weitere Untersuchungen eignen. Bei allem Respekt, Herr Kommissar, auf Ihrer Webseite sind Sie zwar darum bemüht, aber es gibt noch eine Menge zu tun. Einige private Initiativen bringen wirklich mehr zustande.
Dieser Bericht von Herrn Pomés Ruiz beschreibt auch ganz klar und deutlich, was besser werden muss: die Präsentation, der Inhalt und die Anordnung der Daten. Der Haushaltskontrollausschuss fordert, dies vor 2009 abzuschließen. Über einen Änderungsantrag möchte ich dies um ein Jahr vorverlegen. Wenn uns das gelingt, dann können die neue Kommission und das neue Parlament 2009 ganz von vorne anfangen. Ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung für diesen Änderungsantrag.
Herr Kommissar, gestatten Sie mir noch eine Frage: Wie ist der Stand der Dinge hinsichtlich Ihrer in Ziffer 34 gegebenen Zusagen, die Namen aller Mitglieder formeller und informeller Gruppen ab 2008 zu veröffentlichen? Ich schließe mich damit auch Dan Jørgensens Frage an.
Abschließend möchte ich an Sie, Herr Präsident, eine Frage richten: Wann wird das Präsidium dieses Parlaments volle Transparenz üben und die Namen aller Mitglieder des freiwilligen Pensionsfonds dieses Parlaments veröffentlichen? Diese Leute sind nämlich ebenfalls Begünstigte beträchtlicher EU-Mittel. Ich darf Sie bitten, diese Botschaft dem Präsidium zu übermitteln.
Der Präsident. − Was diese Frage von Herrn Staes betrifft, so wurde sie selbstverständlich im Präsidium diskutiert, und es wird eine Lösung dafür gefunden werden.
Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Bericht von Herrn Pomés Ruiz ist sehr ausführlich. Die Problembereiche sind gut aufgezeigt und harren der erforderlichen Maßnahmen. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Kallas, sagen, dass es während seiner Amtszeit ganz allgemein wesentliche Verbesserungen im Hinblick auf die Offenheit und Transparenz der Union gegeben hat und dass er in diesem Bereich ausgesprochen aktiv gewesen ist. Ein Beweis dafür sind die vielen neuen Datenbanken im Internet; aber das Problem, das auch in dem Bericht angesprochen wird – und was in Ordnung gebracht werden muss –, besteht darin, dass die Suchverfahren nach wie vor unbefriedigend sind. Deshalb sollte das Material der Suchmaschinen standardisiert werden. Mit anderen Worten, ohne geeignete Suchverfahren besteht die Gefahr, dass zwar eine Vielzahl von Informationen gewonnen wird, dass aber die Übermenge an Informationen deren Qualität schadet.
Auch über die Frage der „schwarzen Liste“ nachgewiesener betrügerischer Handlungen muss nachgedacht werden. Im Prinzip befürwortet und unterstützt unsere Fraktion diese Liste, aber wir müssen vor allem dafür Sorge tragen, dass der Schutz der personengebundenen Daten gewährleistet wird und dass niemand grundlos oder aufgrund fehlerhafter Verfahren auf eine schwarze Liste gerät.
Darüber hinaus ist noch die Frage des Beratenden Ausschusses für Verhaltensregeln im öffentlichen Dienst zu klären. Für die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die direkt vom Volk gewählt werden, ist es natürlich gut, wenn es ein Verfahren gibt, das sich von dem für Beamte unterscheidet, wie es Frau Gräßle hier bereits gesagt hat. Das Verfahren für die gewählten Abgeordneten muss allerdings auch mindestens genauso streng sein, da es keinen Grund dafür geben kann, die ethischen Anforderungen an die Mitglieder des Parlaments zu lockern. In vielen Ländern ist die Finanzierung des Wahlkampfes der Mitglieder des Parlaments öffentlich bekannt, und es könnte angebracht sein, dass sich das Parlament in diese Richtung bewegt, damit nationale Erklärungen über die Finanzierung von Wahlen, d. h. über die Wahlkampfwerbung der Kandidaten und deren Finanzierung, in die Datenbanken des Parlaments aufgenommen werden, um sie auch auf Ebene der Europäischen Union einsehbar zu machen.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass die Parteien und politischen Stiftungen auf europäischer Ebene nicht von der allgemeinen Verpflichtung befreit werden können, ihre finanziellen Interessen und Finanzierungsquellen zu erklären.
(Beifall)
Nils Lundgren, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Es ist sehr ungewöhnlich, dass ich mich positiv zu einem hier vorgelegten Bericht äußern kann. Dies ist jedoch eine Ausnahme.
Der Berichterstatter hat sich hier für größere Transparenz ausgesprochen, was ich von ganzem Herzen unterstütze. Ich möchte jedoch das Plenum daran erinnern, dass, solange wir die Agrarpolitik und die Strukturfonds haben, unsere Kontrollaufgabe einfach übermenschlich ist. Wir sind gezwungen, immer neue Vorschriften und mehr Überwachung einzuführen, was einen völlig unangemessenen bürokratischen Aufwand zur Folge hat.
Wie wir alle wissen, liegt die Lösung darin, dass man die reicheren Länder der EU den ärmeren Mitgliedstaaten Gelder geben lässt, ohne ihnen deren Verwendungszweck genau vorzuschreiben. Damit wäre ein Großteil des Kontrollprozesses überflüssig, was unser langfristiges Ziel sein muss. Wir sollten nicht Kühe, Stilllegungsflächen und Ähnliches zählen müssen, sondern uns darauf konzentrieren, wofür die EU da ist – auf den Binnenmarkt.
Esther De Lange (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Auch mein Dank gilt dem Berichterstatter für seinen exzellenten Bericht. Lassen Sie mich zunächst auf einige Punkte eingehen, bevor ich einen Appell an den Rat und die Kommission richte.
Der erste Punkt dreht sich um die von uns geforderte Veröffentlichung der Empfänger von Finanzhilfen der Europäischen Union. Dies betrifft vor allem den Agrarsektor. Wir sollten mit derartigen Informationen sorgsam und fair umgehen. Es geht nicht an, dass einige Mitgliedstaaten dieser Offenlegungsvorschrift entsprechen und andere nicht. Die Webseite der Kommission enthält Links zu 14 nationalen Webseiten über die Empfänger von Agrarbeihilfen, 13 fehlen also noch. Vielleicht kann die Kommission erläutern, weshalb dem so ist. Stehen die Informationen nicht in elektronischer Form zur Verfügung, oder haben die Mitgliedstaaten die Daten noch nicht geliefert?
Außerdem sollte die Kommission über den Schutz der Empfänger nachdenken, deren Daten veröffentlicht werden: beispielsweise Schutz vor radikalen Tierschützern, ein Problem, mit dem sich einige Mitgliedstaaten, auch der meinige, zurzeit auseinandersetzen müssen.
Tatsache ist schließlich, dass es, da sich die Daten nur schwer miteinander vergleichen lassen, einer besseren Regie vonseiten der Kommission bedarf. Wie ich den Worten des Kommissars entnehme, wird er dazu morgen die Initiative auf dem Gebiet der Strukturfonds ergreifen, und das stimmt mich froh.
Mein zweiter Punkt betrifft die jährlichen Tätigkeitsberichte der Institutionen, wo sich zwar einiges verbessert hat, was aber ein sensibles Thema ist.
Nunmehr komme ich zu meinem Aufruf, der sich darauf bezieht, dass 80 % der Mittel in Europa nicht zentral, sondern über die Mitgliedstaaten oder gemeinsam mit den Mitgliedstaaten verwaltet werden. Wir können auf europäischer Ebene die Transparenz und Kontrolle bis in alle Ewigkeit verbessern und verschärfen. Aber solange nicht auch die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung mittels der nationalen Zuverlässigkeitserklärungen gerecht werden, ist eine ausgewogene Kontrolle kaum möglich. Zum Tango gehören immer zwei.
Wir können auf europäischer Ebene noch so brillant und schwungvoll über das Parkett der Haushaltskontrolle wirbeln, aber solange die Mitgliedstaaten nicht mittanzen, wird es nie eine preisgekrönte Darbietung sein. Daher appelliere ich an die Mitgliedstaaten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und die Kommission fordere ich auf, diesen Prozess in Verbindung mit den nationalen Erklärungen zu unterstützen, und zwar wie ein, sagen wir, guter Dirigent oder ein Tanzlehrer – das sollten Sie selbst wissen, Herr Kommissar. Wir auf dieser Seite des Hauses zählen auf Ihre Unterstützung.
Paulo Casaca (PSE). – (PT) Herr Präsident! Ich möchte unseren Berichterstatter sowie Herrn Kallas zu dieser Initiative beglückwünschen. Gleichzeitig muss ich aber Herrn Kallas sagen, dass ich mich noch mehr freuen würde, wenn er die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hätte, damit die Europäische Kommission die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Haushaltsordnung, vor allem im Hinblick auf die Nennung der Endbegünstigten der verschiedenen Gemeinschaftsfonds, erfüllt.
Es ist in der Tat äußerst bedenklich, dass die Europäische Kommission die Frage nach der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Nennung der IMG als internationale Organisation völlig unzureichend beantwortet hat. Herr Kommissar, ich möchte gern wissen, ob die Europäische Kommission auch beschlossen hat, sich neben dieser neuen internationalen Organisation auch noch mit anderen zu treffen, damit wir erfahren, wer Zugang zu Gemeinschaftsmitteln hat, ohne an der Ausschreibung teilnehmen zu müssen.
Wiesław Stefan Kuc (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Zuweisung der Mittel aus den einzelnen Haushaltslinien weckt stets sehr starke Emotionen und führt immer wieder zu Diskussionen. So ist die Freude derjenigen, denen Mittel zugewiesen werden, und die Kritik jener, die ungeachtet ihrer Leistungen leer ausgehen, nur verständlich. Wenn aber jemand – wie in dem jüngsten, in Polen bekannt gewordenen Fall – von einer Regierung Mittel zugewiesen bekommt, die ihm dann von einer anderen Regierung wieder weggenommen werden, so ist das doch sehr bedenklich.
Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Zuteilung der Mittel und wie wird hier verfahren? Basieren die Entscheidungen darüber auf Fakten oder geht es dabei nur um profane Politik? Deshalb müssen wir – wie dies im Bericht von Herrn Pomés Ruiz aufgezeigt wird – nicht nur dafür Sorge tragen, dass die Verfahren der Mittelzuweisung eindeutig und transparent sind, sondern der Öffentlichkeit auch die Möglichkeit geben, diese Verfahren zu beurteilen. Die Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von EU-Mitteln ist eine Grundvoraussetzung für die Transparenz der Absichten der Europäischen Kommission und der Regierung. Weshalb sperren sich dann einige Länder so gegen die Veröffentlichung? Haben sie etwas zu verbergen? Das gilt auch für Informationen über die Träger öffentlicher Ämter in den EU-Organen und die Experten dieser Organe. Unsere Union würde von der Schaffung eines gemeinsamen Ethikraums erheblich profitieren.
Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst den Berichterstatter, Herrn Pomés Ruiz, beglückwünschen. Das tue ich nicht nur, weil er hier neben mir steht und mir gegen den Knöchel tritt, sondern weil ich seinen Bericht wirklich sehr gut finde.
Wenn Sie gestatten, möchte ich drei Punkte hervorheben. Zunächst einmal denke ich, dass die Zielsetzung dieses Berichts hauptsächlich darin besteht, die Transparenz zu verbessern und die Kontrollen zu verbessern. Im Allgemeinen geschieht dies auf drei Arten. Erstens muss Transparenz in Bezug auf Dokumente herrschen, wofür durch Artikel 255 des EG-Vertrags recht gut vorgesorgt ist; zweitens, Transparenz in Finanzangelegenheiten, was das Hauptthema des vorliegenden Berichts ist, und drittens natürlich Transparenz von Sitzungen.
Was ich an dieser Debatte traurig finde, und zwar weniger in diesem Saal als vielmehr außerhalb, ist die Tatsache, dass zahlreiche Europagegner den Begriff der Transparenz sehr populistisch gebrauchen, indem sie einerseits Transparenz einfordern und anschließend, wenn diese gewährt wurde, die Leute dafür angreifen. In diesem Sinne finde ich die Diskussion ein bisschen unglücklich, und ich bin der Ansicht, dass wir, wenn wir transparent sein wollen, ehrlich und direkt damit umgehen sollten.
Der zweite Punkt sind unsere Erklärungen auf nationaler Ebene. Ich möchte den Aussagen von Frau De Lange zu dieser Frage beipflichten. Wir sollten dies immer betonen. Herr Kallas macht eine sehr gute Arbeit, wie ich finde. Auch die Kommission leistet gute Arbeit. Aber 80 % aller Fondsmittel werden momentan von den Mitgliedstaaten ausgegeben. Hier brauchen wir etwas mehr Informationen in den Ausgabenmeldungen. Ich bin sicher, Herr Mulder würde mir zustimmen, wenn er hier wäre.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die berühmte oder vielleicht auch berüchtigte Ziffer 22 dieses Berichts. Ich weiß, woher diese Ziffer kommt, aber ich meine, wir sollten das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Daher möchte ich empfehlen, Ziffer 22 zu streichen, damit wir alle leichten Herzens für diesen Bericht stimmen können, denn letzten Endes wäre die Ablehnung von Transparenz ein bisschen so, wie wenn man gegen Frieden und Mutterschaft stimmen würde.
Inés Ayala Sender (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich schließe mich den Glückwünschen an den Berichterstatter an, der einen äußerst interessanten Bericht erarbeitet hat. Und natürlich spreche ich auch der Kommission, vertreten durch Vizepräsident Kallas, für all ihre Arbeit, den positiven Dialog und die Zusammenarbeit mit dem Parlament meinen Dank aus.
Ich möchte an dieser Stelle einfach auf einige der bereits abgegebenen Kommentare, denen ich größtenteils zustimme, etwas näher eingehen und sagen, dass diese Informationen und die Transparenz notwendig sind, dass sie darüber hinaus aber leicht zugänglich und glaubwürdig sein und Vergleiche zulassen müssen. Diese Informationen sollten geordnet und klassifiziert erscheinen und einen wirklich praktischen Nutzen nicht nur für die Spezialisten, sondern auch für die breite Öffentlichkeit haben.
Was die Mittel unter geteilter Verwaltung angeht, so müssen wir neben dem bereits Gesagten auf die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht Druck ausüben und insbesondere versuchen, Instrumente zu finden, die die Situation im Zusammenhang mit den internationalen Organisationen verbessern, denn diese stellt sich uns oft als undurchsichtig dar.
Ich begrüße natürlich die Idee zur Schaffung eines gemeinsamen Ethikraums. Das ist ein Luxus, den sich die Kommission zweifellos leisten kann, und er könnte als ein Beispiel bewährter Praxis auch für einige weltweite Verhandlungen angewandt oder vorgeschlagen werden. Deshalb freue ich mich besonders über die laufende Studie der Kommission über die berufsethischen Regeln und Standards, die danach auf alle Institutionen Anwendung finden könnten.
Abschließend gratuliere ich dem Berichterstatter und danke ihm, dass er meiner Bitte in Bezug auf einen berufsethischen Kodex für OLAF nachgekommen ist, der unbedingt notwendig ist. Denn auf der einen Seite haben wir die Verantwortlichen und Schuldigen, auf der anderen aber die Unschuldigen, die wir mit allen Mitteln schützen müssen.
Ville Itälä (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich mich denen anschließen, die dem Berichterstatter, Herrn Pomés Ruiz, zu einem ganz hervorragenden Bericht gratuliert und ihm dafür gedankt haben. Gleichzeitig möchte ich bei dieser Gelegenheit auch Herrn Kommissar Kallas danken, der im Laufe der Jahre sehr viel geleistet hat, um diese Dinge voranzubringen.
Die Idee, die hinter diesem Bericht steht, ist derart, dass sich kaum jemand in diesem Hause seinen Zielen verweigern kann. Jede Form der Offenheit und Transparenz in Bezug auf den Missbrauch von EU-Mitteln kann nur gut sein. Die Verwendung von Mitteln aus Steuereinnahmen muss grundsätzlich öffentlich sein. Der Steuerzahler muss immer genau und korrekt darüber informiert sein, wofür sein Geld ausgegeben wird. Die Öffentlichkeit muss jederzeit in der Lage sein, sagen zu können, wer das Geld ausgibt und wofür und wie viel Geld ausgegeben wird.
Wir müssen insbesondere dann den Grundsatz des Rechts auf Zugang zu Informationen und auf Transparenz befolgen, wenn diese Mittel missbräuchlich verwendet werden. Meiner Meinung nach würde die Veröffentlichung einer „schwarzen Liste“ betrügerischer Verwendungen von EU-Geldern auch möglichen Fällen von Missbrauch vorbeugen und damit die Offenheit und Transparenz bei der Verwendung von EU-Mitteln fördern. Diese Art der Überwachung wird ganz offensichtlich dadurch zu einer Herausforderung, dass die Systeme in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sind, und aus diesem Grund ist es schwierig.
Ich bin davon überzeugt, dass der Bericht ein wichtiger Schritt nach vorn ist, und wir müssen einen gemeinsamen Kompromiss finden, damit der Bericht in diesem Hause angenommen werden kann und nicht wegen ein paar kleiner Details zu Fall gebracht wird.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich finde diese Debatte ganz besonders gut. Allerdings möchte ich vor dem Missbrauch von Transparenz warnen. Manche Populisten – auch wenn sie heute nicht hier im Saal sind – missbrauchen diese Debatte in der Öffentlichkeit, gehen dabei aber nicht ein auf die Unterscheidung zwischen der Privatsphäre und dem, was in der Öffentlichkeit sinnvoll und gut ist.
Diese Debatte um privacy dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Wir wissen, dass auch der Datenschutz seine Berechtigung hat. Hier ein ausgewogenes Verhältnis zu finden, ist die richtige Antwort des Europäischen Parlaments für die Zukunft.
Jens-Peter Bonde (IND/DEM). – (DA) Herr Präsident! Es ist ein Vergnügen, an der heutigen Aussprache teilzunehmen. Ich erinnere mich, dass es vor einigen Jahren einige Idioten gab, die Transparenz forderten, aber jetzt besteht das Parlament nur noch aus Idioten, die auf Transparenz bei der Offenlegung der Finanzen bestehen. Darüber hinaus haben wir einen Kommissar, den wir nicht kritisieren dürfen, sondern ihn für seinen persönlichen Beitrag zur Aufnahme der schwerfälligeren Teile der Kommission in die Transparenzreformen loben müssen.
Allerdings wurde ich nicht gewählt, um Lob zu verteilen. Ich wurde gewählt, um die heikleren Aspekte der Aussprache zu beleuchten. Deshalb möchte ich auch Herrn Kallas fragen, ob es im nächsten Jahr Ausnahmeregelungen im Bereich Landwirtschaft geben wird, wo keine vollständige Offenlegung der Finanzen im Internet erfolgt, so dass wir auch nicht sehen können, wer was erhält und wie die entsprechenden Beträge in anderen Bereichen aussehen. Wird es Ausnahmeregelungen geben bzw. werden alle Ausgaben im Internet belegt? Und wie sieht es mit den Arbeitsgruppen aus: Werden die Namen aller Sachverständigen genannt?
Abschließend möchte ich noch Folgendes feststellen: Jetzt, da wir so große Fortschritte in Sachen Transparenz gemacht haben, wäre es da nicht gut, sich bei den Helden Dorte Schmidt-Brown, Hans-Martin Tillack, Marta Andreasen und all denjenigen zu entschuldigen, die zwar jahrelang beschimpft wurden, jedoch die Ursache dafür waren, dass Sie, Herr Kallas, mit Ihren Reformen einen solchen Erfolg erzielen konnten?
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Klarheit und Transparenz sind Grundprinzipien des gesellschaftlichen Lebens. Hier kommt uns, den Abgeordneten, eine besondere Verantwortung zu. Wir sind es, die mit den Wählern zusammentreffen und die ihnen die gegenwärtige Situation in der Union und deren Verwaltung erklären müssen. Wir können nicht sagen: „Damit haben wir nichts zu tun, das ist Sache der Kommission.“ Die europäischen Bürger erwarten von ihren Parlamentsabgeordneten Antworten. Nur zu oft machen wir die Verfahren unter dem Vorwand, Transparenz schaffen zu wollen, komplizierter und stellen wir zu hohe Anforderungen an die Empfänger, indem wir beispielsweise auf Dokumenten bestehen, die oft gar nicht notwendig sind. Wenn wir Transparenz schaffen wollen, müssen wir die Zuständigkeiten und Aufgaben eindeutig bestimmen und aufteilen. Ich wiederhole: Wir müssen die Zuständigkeiten und Aufgaben zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union aufteilen.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Gestatten Sie, dass ich zwei Punkte anspreche. Erstens: Wenn wir die Lissabon-Strategie befolgen wollen, müssen wir im Bereich Wissenschaft wissen, wer Geld bekommt und wofür. Sind es wirklich die Besten, oder gibt es hier nicht doch Unterscheidungen zwischen den stärker privilegierten westlichen Ländern und den anderen, den neuen? Ich als Akademiker würde sagen, wir brauchen mehr Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit auf diesem Gebiet.
Mein zweites Anliegen ist folgendes: Wenn wir so großzügig Gelder an Drittländer verteilen, die unterentwickelt und unterprivilegiert sind, hätte ich gern ein bisschen Feedback darüber, wie dieses Geld verwendet wird, insbesondere im Rahmen solcher Soft-Programme wie Demokratisierung oder Ähnliches, die nicht zu greifbaren Ergebnissen führen, sondern Bewusstsein schaffen sollen oder Unternehmertum. Wir wissen kaum etwas darüber, wie dieses Geld in Afrika und in allen AKP-Staaten verwendet wird. Ich möchte wirklich dringend darauf aufmerksam machen, dass wir hier mehr Kenntnisse benötigen.
Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe Anmerkungen zu den Beiträgen dreier Vorredner zu machen. Zunächst zu Herrn Seppänen, dem ich zu seiner Rede gratulieren möchte, weil diese extrem gemäßigt war und weil er sich langsam – fast – in Richtung des Lagers der EU-Befürworter bewegt.
Zweitens zu Herrn Bonde: Bei der Art und Weise, wie er über Transparenz spricht, könnte man annehmen, er sei Föderalist. In diesem Sinne scheint er sich ebenfalls genau in die richtige Richtung zu bewegen, auch wenn die Forderung, die Namen aller Leute zu veröffentlichen, die in Komitologieausschüssen sitzen, ein wenig übertrieben ist!
Meine letzte Anmerkung betrifft den Beitrag von Herrn Rübig. Ich bin 100%ig mit ihm einer Meinung: Die Art von Populismus, die wir in den österreichischen Medien von antieuropäischer Seite präsentiert bekommen, ist schlichtweg abscheulich, und ich will wirklich nichts mehr davon sehen.
Eine weitere Frage geht an den Berichterstatter, Herrn Pomés Ruiz: Wenn es eine Sache gäbe, die er gern aus seinem Bericht entfernen würde, welche wäre das?
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich danke den werten Abgeordneten sehr für ihre Unterstützung bei dieser Transparenzinitiative, die eine gemeinsame Aktion ist: In allen Fragen ist die große Unterstützung des Parlaments für die Kommission stets spürbar gewesen.
Es gibt zwei Dinge, die ich noch anmerken möchte. Der erste Aspekt betrifft die Verfügbarkeit von Informationen über Endempfänger von EU-Mitteln. In meinen Augen ist hier eine erstaunliche Wandlung festzustellen. Als ich zusammen mit einigen Parlamentsmitgliedern Anfang 2004 diese Initiative startete, bestand keine große Hoffnung auf deren Umsetzung. Nun aber ist die politische Entscheidung gefallen, und spätestens bis zum Jahr 2009 müssen die Informationen über Endempfänger von 2008 offengelegt werden.
Auf politischer Ebene steht die Entscheidung also fest. Das ist ein großer Schritt vorwärts. Nun geht es darum, die technischen Details zu klären. Das ist keineswegs eine leichte Aufgabe, denn inzwischen liegen uns Richtlinien vor, wie diese Informationen über Endempfänger auszusehen haben. Viele von Ihnen haben jedoch auch die Frage nach geeigneten Suchmaschinen gestellt, was sicherlich nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Auf jeden Fall wird es ein Portal geben, über das auf die Informationen in den Mitgliedstaaten und auf Informationen über Endempfänger zugegriffen werden kann.
Ich sehe da zwar eine Reihe technischer Probleme voraus, an denen diese bedeutende Entwicklung jedoch keinesfalls scheitern sollte – schließlich ist nichts perfekt, und alles braucht seine Zeit.
In Bezug auf die berühmten nationalen Erklärungen muss ich wiederholen, dass sich die Lage in den letzten drei Jahren vollkommen verändert hat. Damals, als ich diese Themen zum ersten Mal im Rat erörtern wollte, hatte sich noch niemand darüber irgendwelche Gedanken gemacht. Heute haben wir die jährlichen Berichte, bis jetzt sind schon 22 eingegangen, vielleicht in diesem Moment sogar noch mehr. Die Qualität der Berichte werden wir gemeinsam bewerten, und es wird ganz bestimmt eine Nachbesserung geben.
Es sieht also so aus, als ob wir Probleme mit der geteilten Verwaltung haben, und wir müssen auch Informationen über die Arbeit teilen, wie wir z. B. die Strukturfonds verwalten. Dieses Verständnis setzt sich auch in den Mitgliedstaaten immer mehr durch. Außerdem werden wir uns darum bemühen, die Idee umfassenderer nationaler Erklärungen mit spezifischen Inhalten zu realisieren. Sie wissen so gut wie ich, dass gewisse Mitgliedstaaten bei dem Gedanken an eine stärkere Einbindung immer noch sehr unwillig sind, aber ein gewisses Maß an Einbindung haben wir bereits erreicht.
Was die internationalen Gelder angeht, so ist das ein etwas anderes Thema. Die Frage, wie diese Informationen zugänglich gemacht werden sollen, wird wohl ebenfalls im Rahmen des Haushaltskontrollausschusses diskutiert werden. Jedenfalls sind wir Partner in internationalen Abkommen und verwalten diese nicht direkt. Auskünfte über die Angelegenheiten, die wir direkt verwalten, müssen zugänglich gemacht werden, aber wir sind Partner in sehr großen internationalen Gruppierungen. Da sieht die Lage dann ein wenig anders aus.
Zu den Sachverständigengruppen wiederhole ich hier noch einmal, was ich bereits im Haushaltskontrollausschuss gesagt habe: Wir verpflichten uns, das Verzeichnis der ständigen Sachverständigen zu veröffentlichen. Es ist wirklich eine Frage der Definition, welche Sachverständigen in diesem Verzeichnis enthalten sein sollen. Das muss diskutiert werden, und einige Sachverständige, die bestimmte vertrauliche Aufgaben im Bereich der Bewertung von Projekten und Personen erfüllen, sollten wahrscheinlich nicht so transparent sein. Es gibt da also feine Unterschiede. Dennoch gibt es diese Verpflichtung, und wie ich erfahren habe, ist ein langes Verzeichnis der ständigen Sachverständigen bereits zur Veröffentlichung bereit. Ferner gibt es noch die Frage all der von Mitgliedstaaten entsandten nationalen Sachverständigen, die in bestimmten Organen mitarbeiten, und deren Namen nachgereicht und nicht im Voraus übermittelt werden sollen, aber in jedem Fall gibt es die Verpflichtung, dass es kein großes Geheimnis darum geben sollte, wer unsere Berater sind.
Abschließend möchte ich noch auf eine andere Frage eingehen, die aufgeworfen wurde: Die Kommission beabsichtigt nicht, Vorschläge abzugeben, wie das Parlament mit seinen eigenen Regeln umgehen sollte und woraus die Erklärungen der finanziellen Interessen bestehen sollten. Ich kann dazu nur zwei Dinge sagen: Bei dem genannten „Ethikraum“ handelt es sich um einen gemeinsamen Raum; wenn in einem der Organe etwas passiert, wirkt sich dies in jedem Fall unmittelbar auf andere Organe aus. Wir müssen in der Tat alle diese Fragen auf der Basis des gesunden Menschenverstands angehen, ohne absurde Ausuferungen zuzulassen und in unnötige Details zu gehen, sondern indem wir uns lediglich auf die wichtigen Angelegenheiten konzentrieren, um einen wirklichen Interessenkonflikt zu vermeiden.
José Javier Pomés Ruiz, Berichterstatter. − (ES) Herr Präsident! Herr Kallas kann zufrieden sein, denn wie er feststellt, erfährt die Transparenzinitiative vom gesamten Parlament eine hohe Wertschätzung und liegt allen im Haus am Herzen. Außerdem hat er nun erlebt, welche Unterstützung er hier finden kann.
Herr Kallas, wir wollen in Sachen Transparenz noch weitergehen, und im Bericht weisen wir auf einige Bereiche hin, die vorangebracht werden sollten: Einziehung, Expertengruppen oder Unschuldsvermutung. Dennoch mein dringender Hinweis: Dies muss im Rahmen des gesunden Menschenverstands geschehen, ohne auf den Populismus einiger Elemente der Regenbogenpresse zu hören, die anscheinend mit ihren populistischen Übertreibungen ernster Themen in der Europäischen Union Geld verdienen wollen. Ich danke Inés Ayala für ihre Anregung, auch OLAF mit diesen Fragen zu betrauen. Ebenso gilt mein Dank Herrn Jørgensen, Paulo Casaca, Herrn Bösch, der hier anwesend ist, sowie meinen Kollegen Ingeborg Gräßle, Alex Stubb und anderen.
Alex Stubb fragte mich auch, was ich streichen würde, und ich muss sagen, dass ich beispielsweise die Angabe der Tätigkeit des Ehepartners ausschließen würde. Ich erinnere mich, dass das größte Problem der Europäischen Union nicht durch einen Ehepartner hervorgerufen wurde, sondern etwas Ähnliches: Ich meine den Fall von Edith Cresson. Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass wir uns nicht solche Beschränkungen auferlegen sollten, wir sollten logisch und nicht unlogisch vorgehen. Auch Abgeordnete haben ein Recht auf Familien- und Privatleben.
Hinzufügen möchte ich, dass wir weiterhin vielen Mitgliedstaaten ein Beispiel geben werden, wie die EU die Mittel besser und effizienter ausgibt, mit geringen Verwaltungskosten und viel größerer Effektivität als manche Mitgliedstaaten. Unsere Vorreiterrolle, über die wir uns alle einig sind, wird von einigen Mitgliedstaaten – jenen, die sich weigern, uns zu erklären, wie sie die 80 % der Gemeinschaftsmittel ausgeben, und sich dann anscheinend freuen, wenn wir die Entlastung der Europäischen Union ablehnen – als Rechtfertigung dafür genutzt, weniger in den gemeinsamen Fonds einzuzahlen und so die Aktivität der Europäischen Union einzuschränken. Sie missbrauchen dabei unsere Vorwürfe, dass die Ausgaben der Mitgliedstaaten nicht korrekt sind, und verwenden dieses Argument für ihre Weigerung, mehr als 1 % an dieses Haus zu zahlen.
Vielen Dank, Herr Präsident, und ich wünsche auch Herrn Kallas viel Erfolg bei der Erreichung eines vom Parlament so nachdrücklich unterstützten Ziels.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Véronique Mathieu (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Der Bericht Pomés Ruiz schätzt vielmehr zu Recht ein, dass große Anstrengungen unternommen werden müssen, damit Transparenz in den Finanzangelegenheiten erreicht wird. Die Analyse des Jahrestätigkeitsberichts 2006 der Generaldirektion Haushalt hat uns deutlich gemacht, welchen Weg es noch zurückzulegen gilt, bevor die Transparenz der Rechnungslegung der EU erreicht ist. Die Kontrolle der für die Gemeinsame Agrarpolitik bereitgestellten Mittel zeigt beispielsweise, dass die der Kommission zur Verfügung stehenden Instrumente es ihr nicht immer ermöglichen, die Exaktheit der von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten zu gewährleisten.
Um die Fehlleistungen der Vergangenheit zu vermeiden, muss die Kommission die Information der Öffentlichkeit über der Begünstigten von Gemeinschaftsmitteln verbessern, indem sie umgehend konkrete Maßnahmen ergreift: Rationalisierung der veröffentlichten Informationen über die Begünstigten von Gemeinschaftsmitteln, Erstellung einer allgemeinen Suchmaschine, Veröffentlichung einer „schwarzen Liste“ der Betrugsfälle usw. Um eine strikte, effiziente und transparente Kontrolle der den Mitgliedstaaten gewährten Gemeinschaftsmittel sicherzustellen, sollte die Kommission künftig die politische Verantwortung für die von ihr veröffentlichten Informationen übernehmen.
22. Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft – Betrugsbekämpfung – Jahresberichte 2005 und 2006 (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Francesco Musotto im Namen des Haushaltskontrollausschusses über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften – Betrugsbekämpfung – Jahresberichte 2005 und 2006 (2006/2268(INI)) (A6-0009/2008).
Francesco Musotto, Berichterstatter. − (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Herrn Kallas für seine wertvolle Mitwirkung bei der Arbeit des Parlaments bedanken. Des Weiteren danke ich OLAF, in der Person seines Direktors, Franz-Hermann Brüner, für seine rückhaltlose Unterstützung und die entscheidende Arbeit, die es geleistet hat und die keineswegs einfach war. Und zu guter Letzt möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen für ihre hilfreichen Beiträge sowie allen nationalen Einrichtungen und Institutionen, die bei dieser schwierigen Aufgabe mit uns kooperierten, meinen Dank aussprechen, insbesondere – mit Verlaub –der italienischen Guardia di finanza, die bei diesem Einsatz ihre hohe Professionalität unter Beweis gestellt hat.
Der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft ist ein Thema von herausragender Bedeutung, das uns als Staaten und als Bürger unmittelbar betrifft und deshalb mit der notwendigen Entschlossenheit und Entschiedenheit angegangen werden muss.
Mit dem heute eingereichten Entschließungsantrag soll eine konkrete Antwort auf das alarmierende Phänomen der Betrügereien zu Lasten der Gemeinschaft gegeben werden. Die erhobenen Daten …
(Der Präsident unterbricht den Redner, um einige Abgeordnete, die die Debatte stören, zur Ordnung zu rufen.)
Ich danke Ihnen, Herr Präsident, wir sprechen gerade über Transparenz und hier ist auch zivilisiertes Benehmen vonnöten.
Mit dem heute eingereichten Entschließungsantrag soll eine konkrete Antwort auf das alarmierende Phänomen der Betrügereien zu Lasten der Gemeinschaft gegeben werden. Die erhobenen Daten sind Besorgnis erregend: der Gesamtbetrag der Unregelmäßigkeiten in den Bereichen Eigenmittel, Agrarausgaben und strukturpolitische Maßnahmen belief sich im Jahr 2006 auf rund 1,143 Milliarden Euro, gegenüber 1,024 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Statistiken lassen eine ständig wachsende Zahl von Unregelmäßigkeiten erkennen.
Gleichwohl möchte ich hervorheben, dass eine hohe Zahl von Unregelmäßigkeiten nicht notwendigerweise ein hohes Betrugsvolumen bedeutet. Sie kann auch ein Indiz für die Wirksamkeit der vorhandenen Kontrollsysteme und eine enge Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaat und Kommission sein. Letztere hatte in ihrem Jahresbericht für 2006 zu Recht die Bedeutung dieser Zusammenarbeit sowohl zu Zwecken der Vorbeugung als auch der Wiedereinziehung betont. Gegenwärtig liegen den Statistiken heterogene nationale Strukturen mit unterschiedlichen Verwaltungs-, Rechts- und Prüfungssystemen zugrunde.
Insbesondere ist es inakzeptabel, dass Deutschland und Spanien der Kommission keine Informationen in elektronischer Form über die Unregelmäßigkeiten übermitteln, wie dies für alle Mitgliedstaaten vorgeschrieben ist. Die Gemeinschaftsvorschriften und die mit der Betrugsbekämpfung verbundenen Pflichten müssen von den verschiedenen Ländern gleichermaßen übernommen werden. Zu diesem Zweck ist eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Staaten und der Kommission unerlässlich für den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, die als gemeinsame Interessen verstanden werden müssen und somit über den Interessen der einzelnen Staaten stehen.
Die Kontrollbehörden und die lokalen Behörden müssen im Hinblick auf die Koordinierung und den Informationsaustausch stärker zusammenwirken. Die Beibehaltung der zentralen Mittelverwaltung und -vergabe bringt komplexe Durchführungsverfahren mit sich und erhöht die Distanz zwischen den Finanzbehörden und den Endbegünstigten.
Ein anderer wichtiger Punkt, der in dem Bericht zur Sprache gebracht wird, ist die Vereinfachung der Rechtsvorschriften. Der Programmplanungszeitraum 2000-2006 hat bewiesen, dass zu komplizierte Vorschriften Unregelmäßigkeiten begünstigen.
Was schließlich die Einziehungstätigkeit anbelangt, so ist zwar eine leichte Verbesserung zu vermelden, doch bleibt die Wiedereinziehung nach wie vor ein Problem, durch das für den Haushalt der Gemeinschaft erheblicher Schaden entsteht. Insbesondere kann nicht hingenommen werden, dass von dem Zeitpunkt der Begehung einer Unregelmäßigkeit bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie der Kommission gemeldet wird, 39 Monate vergehen, da eine solche Verzögerung die Einziehung erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Der Bericht von Herrn Musotto umfasst zwei Jahre, in denen man sich um einen verbesserten Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union bemüht hat. Ein gesundes Haushaltsführungssystem muss die Ausgaben und die Kontrolle und Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten im Blick haben, insbesondere solche mit Betrugscharakter.
Der Bericht enthält in weiten Teilen dieselben Anliegen wie der Entlastungsbericht, wobei der Schutz der finanziellen Interessen zwar als Kernelement einer gesunden Haushaltsführung angesehen wird, der Fokus aber ein anderer ist.
Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Musotto, herzlich für diesen sehr straffen Bericht danken, der sich auf die wesentlichen Aspekte konzentriert und die Kommission an mehreren Stellen dazu auffordert, ihre Bemühungen zu verstärken.
Gestatten Sie, dass ich auf vier dieser Punkte näher eingehe. Erstens wäre dies die Rolle der Mitgliedstaaten: Der Bericht bedient sich der großen Menge von Zahlen und Statistiken über Unregelmäßigkeiten in den Mitgliedstaaten und deren finanzielle Auswirkungen. Es wird auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bestimmte Mitgliedstaaten besser dastehen als andere. Ich möchte nochmals betonen, dass eine große Anzahl von Unregelmäßigkeiten nicht unbedingt mit einem hohen Grad an Betrugsdelikten gleichzusetzen ist, sie kann aber gut als Indikator für effektive und durchgreifende Kontrollen dienen.
Als ich im Juli den Kommissionsbericht vorgelegt habe, habe ich hervorgehoben, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten Informationen über Unregelmäßigkeiten korrekt, vollständig und rechtzeitig mitteilen. Ein guter Informationsfluss zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission ist von grundlegender Bedeutung für eine wirksame Wiedereinziehung und für gemeinsame Maßnahmen gegen Betrüger. In vielen Mitgliedsländern ist dies bereits Realität, aber einige andere haben hier noch Verbesserungsbedarf. Die Kommission, unterstützt durch das Europäische Parlament, wird sich nicht scheuen, diese Länder an ihre Verantwortung zu erinnern.
Ich stimme der in dem Bericht enthaltenen Aufforderung voll und ganz zu, dass der Rat die Jahresberichte auf seine Tagesordnung setzen und auf Ministerebene prüfen soll. Das Haushaltsführungssystem der EU ist komplex, weil die Verantwortung mit den Mitgliedstaaten geteilt wird. Die stärkere Gewichtung der nationalen Erklärungen und die Stärkung der Mitverantwortung der Mitgliedstaaten für die Ausgaben sollten Hand in Hand mit der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrug gehen.
Ich begrüße es sehr, dass der Bericht sich auf systemimmanente und allgemeine Aspekte konzentriert und nicht so sehr auf Einzelfälle, zu deren unabhängiger Untersuchung OLAF, das Amt für Betrugsbekämpfung, bekanntlich befugt ist.
Die Kommission stimmt mit dem Europäischen Parlament vollkommen darin überein, dass die in Mitgliedstaaten bestehenden Strukturen intensiver analysiert werden müssen, damit Unregelmäßigkeiten bekämpft werden können, dass die Mitgliedstaaten unterstützt und die Kooperation und der Informationsaustausch vereinfacht werden müssen. Dies wird ein Thema des Berichts für 2008 sein. Der diesjährige Bericht der Kommission hebt die Themen Risikoanalyse und Risikomanagement, Datenbanken zur Überprüfung von Ausschlussgründen und Warnmeldungen/Warnmechanismen, die durch interne Informanten ausgelöst werden, hervor. Darüber hinaus untersucht der Bericht die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Einziehung der nicht erhobenen oder zu Unrecht gezahlten Beträge sowie die Mechanismen der Einziehung durch Aufrechnung nach einzelstaatlichem Recht. Der Bericht enthält auch Informationen zu eingezogenen Beträgen und den vorgenommenen finanziellen Berichtigungen, insbesondere bei Zahlungen, die nicht im Einklang mit den Regeln der Gemeinschaft getätigt wurden.
Die Rolle der organisierten Kriminalität, z. B. der Mafia, bei der Unterminierung der finanziellen Interessen der EU ist ein Thema, das dem Berichterstatter sehr am Herzen liegt. OLAF hat an der von Europol erstellten OCTA, der Bewertung der Bedrohungslage der EU im Bereich der organisierten Kriminalität, mitgewirkt. Es freut mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass ich beide Behörden gebeten habe, in dieser Angelegenheit weiter zu kooperieren.
Bei der Mehrwertsteuer und beim Zoll sind die schwersten Betrugsdelikte zu verzeichnen. Traurigerweise ist dies ein Bereich, in dem die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten oft schwierig ist. Ich will mich sehr kurz fassen und mich auf das beziehen, was ich zum Bericht Newton Dunn sagen werde, und möchte dem Europäischen Parlament für dessen unablässige Unterstützung bei der Hervorhebung der nützlichen Rolle einer Zusammenarbeit auf EU-Ebene in diesem Bereich danken.
Mein vierter und letzter Kommentar bezieht sich auf die Überarbeitung der OLAF-Verordnung. Die Kommission hat im Mai 2006 einen diesbezüglichen Vorschlag vorgelegt. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass darin die wesentlichsten Aspekte einer effizienten Arbeitsweise des Amts für Betrugsbekämpfung angesprochen werden, nämlich Informationsfluss, Verfahrensrechte und der Beschwerdemechanismus, die Rolle des Überwachungsausschusses und, etwas allgemeiner, Verwaltung und Rechenschaftspflicht. Ich hoffe sehr, dass wir bereits in Kürze interinstitutionelle Diskussionen über Lösungsmöglichkeiten führen können und in diesen wichtigen Fragen vorankommen.
Der Bericht Musotto verleiht dem Wunsch Nachdruck, die Gesetzgebung zur Betrugsbekämpfung zusammenzufassen. Aus politischer Sicht bejahe ich dies voll und ganz, technisch gesehen wird diese Aufgabe jedoch nicht einfach. Die Kommission wird die gewünschte Auswertung bis zum Mai dieses Jahres an das Europäische Parlament weiterleiten.
Jan Březina, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. − (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns liegt ein Bericht über den Schutz der finanziellen Interessen der EU mit der etwas doppeldeutigen Unterüberschrift „Betrugsbekämpfung“ vor.
Eigentlich steht nicht der Betrug im Mittelpunkt des Berichts, sondern es sind eher die Unregelmäßigkeiten. Während Betrug böse Absicht voraussetzt, kann eine Unregelmäßigkeit die Folge von Nachlässigkeit oder falschen buchhalterischen Verfahren sein. Für heikle Gebiete wie die Finanzbeziehungen innerhalb der EU sollte eine solche Terminologie vorsichtig verwendet werden.
Als Berichterstatter des Ausschusses für regionale Entwicklung bedaure ich die Zunahme der Fälle von Unregelmäßigkeiten, die bei Projekten festgestellt wurden, die mit Strukturfondsmitteln finanziert werden. Das wirft ein schlechtes Licht auf einige Mitgliedstaaten und deren interne Kontrollmechanismen. Allerdings sollten Schwierigkeiten aufseiten dieser Länder nicht als Grund dafür dienen, das bestehende System der dezentralisierten Kontrolle bei der Verwendung der Strukturfonds erneut zu überprüfen. Es besteht kein Zweifel an der Verantwortlichkeit; sie ist individuell und muss als solche auch durchsetzbar sein.
Der erste notwendige Schritt besteht darin, einen angemessenen Finanzkontrollmechanismus in den einzelnen Mitgliedstaaten zu schaffen. Der nächste Schritt wäre, die Einziehung der zu Unrecht gezahlten Beträge zu gewährleisten. Ein möglicher Ansatz könnte die Aussetzung der regelmäßigen Zahlungen an die Mitgliedstaaten sein, die zögern, die unter vorschriftswidrigen Umständen gezahlten Beträge zurückzuzahlen.
Das Vorhandensein ungenügender Kontrollmechanismen ist geeignet, das Vertrauen in das Strukturfondssystem zu untergraben, und könnte ein schlechtes Licht auf die EU insgesamt werfen.
Ferner müssen die Kontrollen mit größerer Offenheit und Transparenz durchgeführt werden. Deshalb möchte ich meine Unterstützung für die europäische Transparenzinitiative zum Ausdruck bringen, die für eine Veröffentlichung der Informationen über die Begünstigten der Fondsunterstützung sorgt. Wenn wir über die Verwaltung öffentlicher Fonds sprechen, müssen auch bestimmte Forderungen an die Begünstigten einer solchen Unterstützung gestellt werden.
Eine Voraussetzung für eine bessere Bewertung der Kontrollsysteme ist die engere Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof, die bisher fehlt. Es ist zwar richtig, dass es langweilig für die EU-Organe ist, die Berichte des Rechnungshofs zu lesen, aber das sollte sie umso mehr veranlassen, ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, was ohnehin besser wäre, als den Kopf in den Sand zu stecken und sich der Verantwortung zu entziehen.
Kyösti Virrankoski, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. – (FI) Herr Präsident! Herr Musotto hat einen ausgezeichneten Bericht über die Jahresberichte 2005-2006 des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung vorgelegt, und ich möchte ihm an dieser Stelle meinen herzlichen Dank dafür ausdrücken. Der Umfang der Unregelmäßigkeiten, die von den Mitgliedstaaten angezeigt wurden, ist 2006 auf einen Wert von 1,143 Milliarden Euro angestiegen. Davon entfallen allein auf den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft 87 Millionen Euro. Das sind zwar nur 0,17 % der gesamten Agrarausgaben von 49,7 Milliarden Euro, dennoch muss das sehr ernst genommen werden. Etwa ein Drittel der festgestellten Unregelmäßigkeiten betraf Fälle von direktem Betrug.
Mit der neuen Verordnung werden die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, zu Unrecht gezahlte Beihilfen leichter als bisher zurückzufordern. Deshalb halten es der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung wie auch der Haushaltskontrollausschuss für bedauerlich, dass der Umfang der Wiedereinziehung dieser Beihilfen nach wie vor gering ist. Die Kommission sollte das Wiedereinziehungsverfahren beschleunigen und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen ergreifen. Beide Ausschüsse versichern auch die Kommission ihrer vollen Unterstützung bei der strikten Anwendung der Möglichkeit der Aussetzung von Zahlungen, wenn die Kommission nicht eine absolute Garantie dafür hat, dass Mitgliedstaaten, die Empfänger von Mitteln sind, über ein zuverlässiges Verwaltungs- und Kontrollsystem verfügen.
(Beifall)
Ingeborg Gräßle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EVP-ED-Fraktion ist erstmals für den Betrugsbericht verantwortlich, und wir danken dem Kollegen Musotto, dass er die Arbeit von OLAF und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in den Mittelpunkt seines Berichts gestellt hat. Er musste fleißig sein: 630 Seiten Statistiken – Material zum Thema Betrugsbekämpfung aus den Jahren 2005 und 2006. Seine Bilanz ist sehr gemischt, und ich glaube, dass wir hier wirklich eingreifen müssen. Die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten ist den Mitgliedstaaten nicht wichtig genug. Das sieht man auch heute daran, dass der Rat einmal mehr einer ganz wichtigen Debatte fernbleibt, wo es doch auch für ihn als zweiten Arm der Haushaltsbehörde um das Geld geht, das er für die Steuerzahler mitverwaltet und mit ausgibt.
Der Berichterstatter schlägt vor, wegen Verstoßes gegen das EU-Recht gegen Deutschland und Spanien formelle Schritte einzuleiten. Spanien übermittelt Daten zu Unregelmäßigkeiten nur in Papierform. Außerdem sind diese Daten vor allem über Unregelmäßigkeiten sehr lückenhaft, wie auch dem 18. Strukturfondsbericht zu entnehmen ist.
Deutschland ist ein ganz besonderer Fall. Es braucht länger als die anderen Mitgliedstaaten zur Meldung, und es ist das einzige EU-Land, das Unregelmäßigkeiten ohne Namen meldet. Wie kann OLAF seine Arbeit tun, ohne die Namen zu kennen? Hinter dem Datenschutz dürfen sich hier Betrüger verstecken, denn immerhin, Herr Kollege Březina, 15 bis 20 % der Unregelmäßigkeiten haben einen betrügerischen Hintergrund. Deutschland behindert auch die Ermittlungsarbeiten von OLAF vor Ort, etwa wenn es um Zollvergehen und Exporterstattungen geht. Wir fordern die Kommission auf, uns über jeden Mitgliedstaat und dessen Willen oder Unwillen zur Zusammenarbeit zu berichten, spätestens beim nächsten turnusmäßigen OLAF-Bericht.
Aus der Sicht unserer Fraktion muss die anstehende Reform der Rechtsgrundlage von OLAF vor allem dazu genutzt werden, die Arbeitsbedingungen von OLAF mit den Mitgliedstaaten zu verbessern. Ich möchte mich ganz herzlich bei OLAF selbst und bei den Mitarbeitern bedanken, die auf einem ganz schwierigen Feld tätig sind. Ich glaube, dass die Resultate des Amtes sich wirklich sehen lassen können. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass diese Resultate durch eine bessere Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten besser sein könnten als sie es sind.
Szabolcs Fazakas, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident, Herr Vizepräsident, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament betrachtet den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union als eine ihrer wichtigsten Aufgaben, da es, wie alle Parlamente, das Recht und die Pflicht hat, die Ausgaben zu überwachen. Darüber hinaus verstärkt sich in Europa die Ansicht, dass die EU-Mittel unzureichend kontrolliert werden, so dass wir der Öffentlichkeit, unseren Wählern und den Steuerzahlern gegenüber in dieser Hinsicht auch eine politische Verantwortung haben.
Dieser legislativen und politischen Verantwortung kommen wir in erster Linie durch das Entlastungsverfahren nach, und darüber hinaus verfassen wir regelmäßig Berichte über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und die Betrugsbekämpfung. Unser Ziel besteht dabei nicht darin, etwas Sensationelles zu veröffentlichen oder einen Skandal zu provozieren, sondern die Lage objektiv darzustellen und Probleme zu lösen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und meinem Kollegen, Herrn Musotto, zu diesem ausgezeichneten Bericht gratulieren und dem Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Kallas, sowie dem Generaldirektor von OLAF, Herrn Brüner, für die konstruktive Zusammenarbeit danken, die sie auch auf diesem Gebiet bewiesen haben.
Ungeachtet der Tatsache, dass diesen hochrangigen Berichten Jahr für Jahr große Anerkennung gezollt wird, kommen wir uns in den Organen der EU manchmal so vor, als würden wir gegen Windmühlen kämpfen, da die in den Berichten getroffenen Feststellungen auf den Widerstand des Rates treffen mit dem Ergebnis, dass die Kommission seit Jahren nicht in der Lage ist, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.
Unserer Meinung nach ist die Haltung der Mitgliedstaaten das schwächste Glied, da einige Mitgliedstaaten – unsere Kollegin, Frau Gräßle, erwähnte in diesem Zusammenhang soeben Deutschland – nicht erkennen, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass EU-Mittel entsprechend den Vorschriften ausgegeben, dass Ausgaben sorgfältig kontrolliert und dass zu Unrecht ausgezahlte Beträge wieder eingezogen werden.
Wir halten es für besonders bedauerlich, dass sich MWSt-Betrug in der Form von so genannten Karussellgeschäften in ganz Europa ausbreitet, so dass es keine Gesamtzahlen für die betreffenden Beträge gibt, obwohl aus Schätzungen hervorgeht, dass es sich um etwa 35-40 % des EU-Haushalts handeln könnte. Es ist höchste Zeit, auch in dieser Hinsicht entschlossen zu handeln – sowohl im Interesse der Verwaltung der europäischen Angelegenheiten als auch im Interesse der öffentlichen Meinung. Vielen Dank.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich ergreife im Namen der Fraktion Union für das Europa der Nationen zum Thema Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften das Wort und möchte auf folgende Punkte aufmerksam machen. Erstens: Das Schadensvolumen aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Bereich Eigenmittel hat sich von 212 Millionen Euro im Jahr 2004 auf 328 Millionen Euro im Jahr 2005 und 353 Millionen Euro im Jahr 2006 erhöht. Bei den strukturpolitischen Maßnahmen ist der Betrag der Unregelmäßigkeiten von 601 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 703 Millionen Euro im Jahr 2006 angestiegen.
Zweitens: Im Bereich Landwirtschaft hat sich das Schadensvolumen aufgrund von Unregelmäßigkeiten deutlich verringert – von 102 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 82 Millionen Euro im Jahr 2006. Dieser Rückgang ist insofern bemerkenswert, als die Agrarausgaben sehr oft eine große Zahl von Empfängern, also Landwirten, betreffen, die bei dem komplizierten Abrechnungsverfahren für die bereitgestellten Mittel häufig auf sich allein gestellt sind.
Drittens: Ich möchte die Aussage des Berichts unterstreichen, wonach vor allem die komplizierten Planungsgrundsätze und unwirksamen Kontroll- und Überwachungsmethoden zu den Unregelmäßigkeiten bei den Haushaltsmitteln beitragen.
Viertens: Hervorzuheben ist auch die Forderung nach mehr Transparenz bei der Zuweisung der Mittel.
Ganz entscheidend dafür ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Informationen über die Projekte und Begünstigten von Mitteln im Rahmen aller gemeinschaftlichen Fonds zu veröffentlichen.
Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Der Kommissar äußerte sich ähnlich: Der Bericht steht tatsächlich im Zusammenhang mit dem Entlastungsverfahren. Auch in diesem Sinne stimmt diese Aussprache auf die Anhörung mit den Kommissaren Špidla und Hübner in der nächsten Woche ein. Wir kennen die Zahlen zu den gemeldeten Unregelmäßigkeiten. Diese sagen selbstverständlich nicht alles, aber durchaus viel über die Probleme aus, die in den Politikfeldern der Eigenmittel, der Landwirtschaft und der Strukturfonds gemeldet wurden. Der Bericht erwähnt gemeldete Unregelmäßigkeiten in Höhe von insgesamt 1,1 Milliarden Euro und der Trend zeigt nach oben. Nach besseren Zahlen in den Jahren 2003, 2004 und 2005 befinden wir uns wieder auf dem Niveau von 2002. Die Landwirtschaft schneidet relativ gut ab.
Zu den Problemsektoren zählen ganz eindeutig die Eigenmittel und die Strukturfonds: Bei den Eigenmitteln belaufen sich die gemeldeten Unregelmäßigkeiten auf 325 Millionen Euro, bei den Strukturfonds auf 700 Millionen Euro. Innerhalb der Strukturfonds entfallen auf fünf Mitgliedstaaten 84 % der gemeldeten Unregelmäßigkeiten. Wen es interessiert, kann in Herrn Musottos Bericht nachlesen, um welche Länder es sich handelt. Es ist wirklich recht bemerkenswert. Dabei ist zu bedenken, dass in dem Zeitraum vor 2006 noch 1 Milliarde Euro an nicht wiedereingezogenen Mitteln ausstanden und dass dem Rechnungshof zufolge 12 % der Strukturmittel 2006 nicht hätten ausgezahlt werden dürfen. In diesem Rahmen findet das derzeitige Entlastungsverfahren statt, und das erfüllt uns mit großer Sorge. Wir werden darauf noch zu sprechen kommen.
Was die Eigenmittel betrifft, so wird das Problem des Zigarettenschmuggels richtig angegangen. Wir hatten die Vereinbarung mit Philip Morris. Eine neue Vereinbarung mit Japan Tobacco wurde getroffen, die eine Menge Geld bringen und auch den Schmuggel reduzieren wird. Der Problembereich per se auf dem Gebiet der Eigenmittel sind die Mehrwertsteuerkarusselle. Die Zahlen werden genannt: es sind gigantische Beträge, die in die Milliarden Euro gehen. Die Studie des britischen Oberhauses zeigt dies noch deutlicher auf. Ich bin froh, dass unser Parlament dieses Problem in Angriff nimmt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat bereits eine Anhörung organisiert, der Haushaltskontrollausschuss veranstaltet selbige am 4. oder 5. Mai. Ich hoffe, als Berichterstatter einen ebenso guten Bericht über die Mehrwertsteuerkarusselle vorlegen zu können, wie ich es über den Zigarettenschmuggel vermocht habe.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Dieser Bericht ist ein langer Katalog von Versäumnissen. Er illustriert anschaulich, wie die Zahl der Betrugsdelikte, die als „Unregelmäßigkeiten“ bezeichnet werden, unablässig steigt und dass Versuche, etwas dagegen zu unternehmen, immer wieder scheitern. Es wird offen zugegeben, dass sich der Gesamtbetrag der Betrugsdelikte in den Bereichen Eigenmittel, Agrarausgaben und strukturpolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Jahr 2006 auf rund 1,143 Milliarden Euro belief. Diese Zahl lag 2003 bei 922 Millionen Euro; das bedeutet einen Anstieg von über 200 Millionen Euro in nur vier Jahren.
Ich möchte jeden in dieser Institution daran erinnern, dass es sich hierbei nicht um irgendwelches Geld handelt, sondern um das Geld der Steuerzahler. Die EU setzt sich zusammen aus ihren Bürgern, unter anderem auch aus den stark geschröpften Steuerzahlern in Großbritannien. Die haben für ihr Geld etwas Besseres verdient. Die Regierungen aller Mitgliedstaaten hätten hier schon längst einen Schlussstrich ziehen müssen, und diese erschreckenden Zahlen geben umso mehr Anlass dazu, dass die Regierung meines Landes sich an ihre Manifestverpflichtung halten und dem britischen Volk ein Referendum über den Vertrag von Lissabon gewähren sollte.
Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Bekanntlich ringt die Union seit Jahren darum, ihre Finanzen unter Kontrolle zu bekommen. Wir fördern Großunternehmen, die dann von einem Mitgliedstaat in den anderen ziehen, während Klein- und Mittelbetriebe leer ausgehen. Die Union scheint oft nicht einmal zu wissen, wen sie so alles fördert und wer sie beeinflusst. Da wäre meines Erachtens ein Lobbyistenregister längst überfällig.
Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt auch die Vielzahl von Unregelmäßigkeiten, vor allem wenn sie in direktem Zusammenhang mit EU-Institutionen stehen. In diesem Zusammenhang ist das Einfrieren der EU-Gelder für Bulgarien bis zur Aufklärung der Korruptionsaffären ein wichtiges Signal. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten offenbar wenig Interesse daran haben, zu Unrecht ausbezahlte Gelder wiedereinzuziehen. Wenn jetzt erst Verfahren aus den 90er-Jahren abgeschlossen werden, mahlen die Mühlen der Europäischen Union schlicht und einfach zu langsam!
Ville Itälä (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident! Ich möchte mich bei dem Berichterstatter, Herrn Musotto, bedanken. Er hat eine sehr gründliche und ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dieser Bericht ist ausgesprochen wichtig, und der Kampf gegen Betrug ist eine Sache, über die das Vertrauen der Öffentlichkeit entweder gewonnen oder verloren wird. Ich denke, es gibt drei sehr wichtige Probleme in diesem Bericht, die gelöst werden müssen.
Zunächst einmal ist es nicht hinnehmbar, dass einige Länder noch nicht einmal Auskunft über die Agrarausgaben geben. Deutschland und Spanien sind herausragende Beispiele dafür. Deutschland übermittelt noch nicht einmal Details zu Personen und Unternehmen, die das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung aber definitiv brauchen würde, um sich dieser Probleme annehmen zu können. Das können wir natürlich überhaupt nicht dulden: Die Regeln müssen von allen Mitgliedstaaten befolgt werden. Wenn einige große Länder mit schlechtem Beispiel vorangehen, dann macht das keinen besonders guten Eindruck.
Das zweite Problem ist, dass die Anzeige von Unregelmäßigkeiten bis zu 39 Monate dauern kann – über drei Jahre. Das ist viel zu lange und fördert nicht gerade das Vertrauen in die Vorstellung, dass die Mitgliedstaaten hinreichend wachsam handeln.
Sehr interessant und wichtig ist drittens die Tatsache, dass es auch in diesem Bereich ein spezialisiertes und organisiertes Verbrechen gibt. Das ist inzwischen so gravierend, dass alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen, um dieser Art von Kriminalität Einhalt zu gebieten.
Es handelt sich hier um einen sehr wichtigen Bericht, und es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um die Lage zu verbessern, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit gewonnen werden kann.
(Beifall)
Herbert Bösch (PSE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herzliche Gratulation dem Berichterstatter. Es ist nicht einfach, in ein so umfassendes Dossier neu hineinzugehen, und ich glaube, wir können stolz darauf sein, dass der Kollege Musotto diese Aufgabe so großartig gemeistert hat. Das können wir heute schon sagen, da es ja auch morgen keine Änderungsanträge zu diesem Bericht gibt. Auch das ist eine Auszeichnung für den Berichterstatter.
Zweitens: Es interessiert offenbar einen Teil der Haushaltsbehörde überhaupt nicht, was mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler passiert. Der Rat entzieht sich zum wiederholten Male seiner Verantwortung. Er fehlt einfach dann, wenn über die Verwendung europäischer Steuergelder diskutiert wird und Auswege aus problematischen Situationen gesucht werden. Aber wir haben gesehen — und da bin ich auch bei der Frage, wie es mit den Entlastungen in unserem Ausschuss weitergehen soll —, dass seit Jahren im Bereich der Agrarpolitik, wo man entschlossen gehandelt und Systeme entwickelt hat, um die direkten Ausgaben unter Kontrolle zu bekommen, die Misswirtschaft abgenommen hat.
Wir sehen, dass im Bereich der Strukturpolitik, wo man nichts getan hat, wo man seit Jahren zugeschaut hat, die Zahlen nach oben gehen. Dass wir, Herr Kommissar Kallas, bei der Entlastung für das Jahr 2006 ein Problem in diesem Bereich haben und von Ihnen erwarten, dass Sie tätig werden und nicht weiter zuschauen, ist seit Jahren ablesbar, das wiederholt sich in den Betrugsberichten seit Jahren.
Deshalb hätte ich ganz gerne — und das sagt auch der Berichterstatter, mit voller Unterstützung aller bisherigen Redner —, dass Sie zu den Staaten, die einfach so tun, als ob für sie die Regeln, die wir gemeinsam entwickelt haben, nicht gültig wären, sagen: O.K., wir stellen euch 10 % der Mittel in den Eiskasten. Wir bilden eine Reserve, und ihr bekommt das Geld wieder heraus, wenn ihr entsprechend gehandelt habt. Das ist eine ganz konkrete Forderung des Parlaments. Das heißt Aktion, nicht Aktionspläne. Das erwarten wir von der Kommission, dann sind wir mit Ihnen sehr zufrieden.
Nochmals Gratulation an den Berichterstatter.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wie meine Vorredner auch möchte ich dem Berichterstatter zunächst für diesen sehr wichtigen Bericht danken.
Ich fühle mich zur Teilnahme an dieser Diskussion veranlasst, weil es hier vorrangig um die Landwirtschaft geht. Manche anderen Redner vertraten die Ansicht, es habe Verbesserungen bei den Kontrollen und Inspektionen gegeben, vor allem im Bereich der finanziellen Hilfen für Landwirte, und nun gibt es die Transparenzinitiative, die offenlegen soll, was die Landwirte genau erhalten.
Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft verdienen, haben das Problem, dass sie sich sehr oft so lange schuldig fühlen, bis ihre Unschuld bewiesen ist. Natürlich kann und will niemand von uns stillschweigend über Betrug hinwegsehen, und weil es im EU-Haushalt Betrug gibt, gibt es nur eine sehr geringe öffentliche Wahrnehmung für die Europäische Union und dafür, wie sie für die eingenommenen Gelder Rechenschaft ablegt. Wenn die Öffentlichkeit etwas mehr Einblick in den EU-Haushalt hätte, würden die Leute mit wesentlich mehr Nachdruck fordern, dass wir energischer gegen Betrug vorgehen.
Es ist ganz wichtig, den Unterschied zwischen Betrug und Unregelmäßigkeiten deutlich zu machen, von denen viele aufgedeckt werden, weil sie sehr verschieden sind. Wir können uns nicht selbst für Unregelmäßigkeiten bestrafen, aber wir sollten Betrug gegenüber dem Gemeinschaftshaushalt bestrafen. Von dieser Thematik sind auch die Mitgliedstaaten betroffen, wie mein Vorredner bereits erwähnte, da sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union in gutem Glauben verpflichtet und durch eine bestimmte Politik Ressourcen gebündelt haben, und nun ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass das zusammengetragene Geld wohl überlegt ausgegeben wird, und dass mit öffentlichen Mitteln kein Betrug geschieht.
Wenn Mitgliedstaaten leichtfertig mit Betrugsfällen umgehen, muss dies auf irgendeine Weise bestraft werden, aber sehr wichtig ist auch, dass Mitgliedstaaten, die sich in dieser Frage vorbildlich verhalten, nicht bestraft werden. Darum muss die Kommission unbedingt Maßnahmen auf Mitgliedstaatenebene einleiten.
Bevor ich schließe, möchte ich noch einmal auf den sehr wichtigen Aspekt hinweisen, dass es unter den Landwirten mittlerweile das stark ausgeprägte Gefühl gibt, manchmal schuldig zu sein, bis ihre Unschuld bewiesen ist. Dies kann keinesfalls hingenommen werden, und deshalb müssen wir aufpassen, dass uns hier nicht der richtige Blickwinkel verloren geht.
Bart Staes (Verts/ALE). – (NL) Herr Präsident! Ich danke Ihnen, dass Sie mir erneut das Wort erteilen. Wer meine Arbeit in meinem politischen Amt und meine Erklärungen verfolgt, weiß, dass ich zwar ein kritischer Politiker bin und auch der Europäischen Union recht kritisch gegenüberstehe, aber ein überaus engagierter Proeuropäer bin. Ich kann daher Herrn Clarks Worte – der mittlerweile den Saal verlassen hat – nicht unbeachtet lassen. Wie alle Euroskeptiker bedient sich Herr Clark Halbwahrheiten, kompletter Lügen und einer Menge allzu starker Vereinfachungen. Beispielsweise sprach er in seiner Rede über Betrug in Millionenhöhe, obgleich in dem Bericht klipp und klar steht, dass es sich um Unregelmäßigkeiten handelt. Er ersetzt stets und ständig „Unregelmäßigkeiten“ durch das Wort „Betrug“. Das ist unanständig, denn das findet sich so nicht in dem Bericht.
Zweitens, er tut so, als komme jedes Unheil, das uns widerfährt, von der Europäischen Union. Ich möchte Herrn Clark nur einmal auffordern, sich den Bericht des britischen Oberhauses über Mehrwertsteuerkarusselle zu Gemüte zu führen. Dann wird er erkennen, dass es seinen eigenen Behörden nicht gelingt, diesen Mehrwertsteuerbetrug zu stoppen. Dabei geht es um 3,5 bis 4,5 Milliarden Pfund Sterling pro Jahr. Das sind über 10 Millionen Pfund Sterling pro Tag! Das ist erheblich mehr...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Dumitru Oprea (PPE-DE). – (RO) Ich gratuliere Herrn Musotto zu seinem Bericht. Meiner Meinung nach wurden viele Unregelmäßigkeiten in den Jahren 2003-2006 durch die Veränderung der Regelung zur Vorlage des 6. Rahmenprogramms beispielsweise im Vergleich zum 5. Rahmenprogramm begünstigt. Im 5. Rahmenprogramm war die B-Partei anonym und jeder Verweis auf das Land und die hinter dem Projekt stehende Person wurde bestraft. Im 6. und 7. Rahmenprogramm war Schluss mit der Anonymität. Wäre es im 8. Rahmenprogramm möglich, dieses System der Vorabeinreichung von Projekten nicht länger anzuwenden?
Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident! Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, noch einmal zu sprechen. Ich möchte mich beim Kollegen Bösch bedanken, nicht nur für das Lob an unseren Berichterstatter, sondern auch für seine Fairness und seine Hilfe. Kollege Bösch hat ja den Betrugsbericht über viele Jahre bearbeitet. Jetzt haben wir diese Ehre, und ich glaube, dass es ein ganz starkes Zeichen des Haushaltskontrollausschusses war und ist, dass wir hier einig antreten.
Wir haben die ganze Angelegenheit auf die Mitgliedstaaten zugespitzt. Die Kommission sollte auch die Botschaft mitnehmen, dass wir ihr helfen wollen, ihre Unklarheiten mit den Mitgliedstaaten zu beseitigen. Wenn man die Zahlen zum Thema Wiedereinziehung betrachtet, dann hat man es mit einer bunten Meinungsvielfalt zu tun. Deswegen führen wir im laufenden Entlastungsverfahren ja auch diese Diskussion. Deswegen möchte ich die Kommission wirklich bitten, doch den Mut zu haben, es auch zu sagen, wenn sie bestimmte Dinge nicht weiß, damit wir ihr helfen. Denn ich glaube, dass wir, wenn wir gemeinsam an diesem Thema arbeiten, auch gemeinsam Erfolg haben. Nochmals ganz herzlichen Dank an den Kollegen Bösch!
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich bedanke mich bei den Damen und Herren Abgeordneten für ihre Stellungnahmen zu diesem Bericht. Wir beurteilen den Bericht als sehr konzentriert und konstruktiv. Ich habe lediglich zwei Bemerkungen zu einer Frage, die viele von Ihnen thematisiert haben, nämlich, was ist Unregelmäßigkeit, was ist Betrug, und wie sollte man Wiedereinziehungen bewerkstelligen?
Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir uns anlässlich eines vorbereitenden Treffens mit den entsprechenden Leuten beim Rechnungshof bemüht haben, diese Terminologie zu harmonisieren. Wahrscheinlich wird uns das auch bei all unseren künftigen Entlastungsdebatten helfen, und tatsächlich hängen alle drei Berichte – einschließlich des nächsten – sehr eng zusammen.
Zweitens habe ich diesen Punkt mit dem Ratsvorsitz besprochen und ihn gebeten, diesen parlamentarischen Bericht in seinen Beratungen zu behandeln, das heißt dieses Dokument im Rahmen des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister zu erörtern. Ich hoffe, dass meiner Bitte entsprochen wird. Nach der Abstimmung über diesen Bericht, wenn er also zu einem offiziellen Dokument wird, werden wir auf jeden Fall versuchen, diese Diskussion im Rat anzuregen, unter anderem auch auf der Ebene der entsprechenden Unterausschüsse.
Francesco Musotto, Berichterstatter. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für ihre freundlichen Worte bedanken, und ganz besonders bei Herrn Bösch, dessen Vorarbeiten den Grundstein für meinen eigenen Bericht legten.
Ich möchte einige Punkte herausstellen, deren wichtigster das Einvernehmen mit Kommissar Kallas ist, vor allem in Bezug auf den Charakter der für die Mittelvergabe geltenden Regelungsmechanismen. Die Kommission hat diesbezüglich eine Verpflichtung übernommen. Ein wichtiger Aspekt, den Herr Kallas hervorgehoben hat, ist, Folgender: je mehr Schwierigkeiten und Komplikationen es gibt, desto schwieriger wird die Auslegung dieser Vorschriften und desto leichter wird es für die organisierte Kriminalität sowie für sämtliche Formen ungesetzlicher Handlungen, in diese Grauzonen vorzudringen. Deshalb ist die Vereinfachung und, mehr noch, die Schließung der Kluft zwischen denjenigen, die die Mittel ausreichen, und denen, die davon begünstigt werden, ein weiterer Mechanismus, der zu Klarheit, Transparenz und leichtem Verständnis des ganzen Systems beiträgt.
Die Einziehungen sind ein reales Problem. Die Verfahren dauern zu lange, und die Fähigkeit, Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die Betrügereien zum Nachteil der Europäischen Gemeinschaft begehen, muss durch Bürgschaften und Garantien gewährleistet werden, wie sie durch Banken angewandt werden. Es müssen unbedingt Methoden gefunden werden, um die Auszahlung und vor allem die Möglichkeit der Einziehung dieser Beträge sicherzustellen und mithin die Fristen für die Einziehung zu verbessern und zu verkürzen.
Ich bin der Meinung, dass dank der Zusammenarbeit, des guten Willens und des politischen Engagements aller Kolleginnen und Kollegen eine entscheidende Arbeit geleistet wurde. Es steht außer Frage, dass diese Zusammenarbeit, diese Bereitschaft und diese Entschlossenheit, ein für unsere Europäische Gemeinschaft äußerst schädliches Phänomen auszurotten, ausschließlich politisch motiviert sind.
Selbstverständlich erleichtert das Fernbleiben des Rates das alles nicht gerade; Anwesenheit eines Vertreters hätte uns die Möglichkeit geboten zu erfahren, wie der Rat darüber denkt. Doch das Parlament ist sich in Bezug auf diese Grundsätze völlig einig, weshalb wir glauben, dass wir etwas Positives vollbracht haben, was uns für die Zukunft hoffen lässt.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am 19. Februar 2008 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Edit Herczog (PSE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meinen Glückwunsch zu diesem Bericht, der nicht nur auf die in der jüngsten Vergangenheit erzielten Erfolge verweist, sondern auch auf einige beklagenswerte Mängel und seit Langem bestehende Verpflichtungen.
Für mich ist dieser Bericht ganz aktuell, weil in Ungarn ein Beschluss gefasst wurde, ein nationales Gremium für den gewerblichen Rechtsschutz (anti-counterfighting) zu schaffen. Dieses Gremium wird in erster Linie eine koordinierende Funktion haben und das ungarische Patentamt, andere Regierungsstellen und Wirtschaftsakteure miteinander verknüpfen; darunter fallen auch Aufgaben, die mit Datendiensten im Zusammenhang mit der Europäischen Union stehen.
Wir müssen uns auf einen langen und vergeblichen Kampf vorbereiten. Wissen – sei es geschützt oder im öffentlichen Bereich – wird zunehmend immer weiteren Kreisen zugänglich. Ein in einem Raum ausgestelltes Kraftfahrzeug kann innerhalb von fünf Minuten im Raum nebenan kopiert werden. Das Ergebnis fällt nicht schlechter aus, ist nur billiger: Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir dennoch das teurere Erzeugnis kaufen wollen. Wir müssen entscheiden, ob wir gewillt sind, für die geistige Errungenschaft, die Innovation, zu zahlen, auch wenn wir die Chance haben, das sekundäre Produkt oder die sekundäre Dienstleistung zu wählen, die keinen Mehrwert besitzt.
Um das zu tun, ist ein beträchtliches Bewusstsein und Engagement erforderlich. Wir können von dem einzelnen Bürger nicht erwarten, dass er diese Zusammenhänge versteht und auf Werten basierende Entscheidungen trifft, wenn unsere Gesetzgeber bzw. Regierungen dazu nicht in der Lage sind.
Besonders wichtig ist es, die Zahl der Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung von Gemeinschaftsmitteln auf ein Niveau zu senken, das unterhalb der akzeptablen Fehlergrenze liegt: Betrug dieser Art lässt die Europäische Union insgesamt lächerlich erscheinen, wenn EU-Mittel in einer Art und Weise verwendet werden, die den erklärten Zielen der EU widerspricht.
23. Gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und Zusammenarbeit mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Bill Newton Dunn im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung (KOM(2006)0866 – C6-0033/2007 – 2006/0290(COD) (A6-0488/2007).
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Dieser dritte Bericht steht in engem Zusammenhang zu den beiden vorherigen. Die Verordnung des Rates (EG) Nr. 515/97 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung ist ein sehr wichtiger Teil der Rechtssetzung, die auf das Jahr 1997 zurückgeht, als die EU 15 Mitgliedstaaten zählte.
Angesichts der Entwicklungen im letzten Jahrzehnt, des technischen Fortschritts, der erfolgreichen Erfahrung mit gemeinsamen, in Brüssel koordinierten Zolloperationen, und der Erweiterung der Union auf 27 Mitglieder war es notwendig, eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 515/97 vorzuschlagen.
Ich möchte den Berichterstatter, Herrn Newton-Dunn, dazu beglückwünschen, wie er diesen Vorschlag durch das Parlament geleitet hat. Ich möchte auch Herrn Audy danken, der die Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses verfasst hat. Die beiden Ausschüsse, IMCO und COCOBU, haben eng zusammengearbeitet und dabei den Mechanismus der verstärkten Zusammenarbeit genutzt. Ihre ausgezeichnete Arbeit hat es ermöglicht, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen politischen Akteuren auszuhandeln. Dank des konstruktiven Ansatzes des Parlaments kann die Rechtsvorschrift nun in erster Lesung angenommen werden.
Die Zollbehörden führen Kontrollen der in die Gemeinschaft eingeführten bzw. aus ihr ausgeführten Waren auf der Grundlage eines gemeinsamen Rahmens für das Risikomanagement durch, dazu gehören auch Stichproben. In diesem Kontext beschränkt sich ihre Aufgabe im Allgemeinen nicht auf die Umsetzung der Zollvorschriften: Sie wenden auch die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft auf den Gebieten der Mehrwertsteuer und der Verbrauchssteuern sowie das Agrarrecht an.
Ich stelle ferner fest, dass die Frage der Bekämpfung von Mehrwertsteuerhinterziehung und die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission im Bericht Musotto deutlich hervorgehoben wird, den wir gerade erörtert haben.
Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, dass die Zollbehörden und die Kommission Informationen über die Mehrwertsteuer austauschen können. Bei bestimmten Arten von Daten ermöglicht der neue Artikel 2a einen solchen Informationsaustausch.
Die Kommission betrachtet dies als ersten Schritt in die Richtung einer engeren Zusammenarbeit beim Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft vor Mehrwertsteuerhinterziehung.
Bill Newton Dunn, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Ich danke dem Herrn Kommissar. Meines Erachtens dürfte dieser Vorschlag der Kommission keinerlei Kontroversen auslösen. Wie der Herr Kommissar schon sagte: Erweiterung, mehr Mitgliedstaaten, neue Technologie, neue Ausrüstung, Computer. Wir brauchen aktualisierte Rechtsvorschriften der Kommission, um eine gute Zusammenarbeit über die Binnengrenzen der Union hinweg gegen das Böse, das organisierte Verbrechen usw. zu ermöglichen.
Ich habe vergangene Woche mit dem Direktor eines großen britisch-niederländischen Unternehmens gesprochen, und er sagte, seines Erachtens nehme die organisierte Kriminalität zu, es nehme – ich verwende das Wort, das er benutzte – „exponentiell“ und unglaublich schnell zu, doch bislang unternähmen die Regierungen der Mitgliedstaaten nichts dagegen, weil die Öffentlichkeit die wahre Lage nicht kenne und keinen Druck auf die Regierungen ausübe. Letztere sagten daher, es bestehe kein Grund zur Sorge, alles sei in Ordnung. Wir stehen vor einem ernsten Problem, daher brauchen wir diesen Vorschlag der Kommission; jeder sollte ihm zustimmen, und er sollte angenommen werden.
Eigentlich sollte es für mich nun nichts mehr zu sagen geben. Aber es gibt noch viel zu sagen, Herr Präsident, und dies möchte ich jetzt tun. Zu meiner Überraschung hat mein eigener Mitgliedstaat, das Vereinigte Königreich, ein Veto im Ministerrat eingelegt und erklärt, es würde dem Vorschlag nicht zustimmen. Sie haben mir nichts gesagt, obwohl ich Brite bin und aus dem gleichen Mitgliedstaat komme. Kein einziges MdEP der Labour-Partei von der Labour-Regierung in London reichte zu irgendeinem Punkt einen Änderungsantrag ein. Sie wählten stattdessen meinen Freund, Christopher Heaton-Harris von den Konservativen, einen sehr ehrenhafter Mann, der jetzt das Wort ergreifen wird, um die Ablehnung der Labour-Regierung vorzutragen. Er reichte einen Änderungsantrag ein, der etwas eigenartig ist, doch ich wünsche Chris viel Glück; er ist berechtigt, das zu tun. Aber was hatte die Labour-Partei mit all dem zu schaffen? Ich dachte also, das ist sehr merkwürdig, es gibt derzeit eine ganze Reihe anderer Einwände, Vetos und Opt-out-Klausel Großbritanniens in vielen verschiedenen Politikbereichen. Deshalb beschloss ich nachzuforschen, worin die Politik des Vereinigten Königreichs allgemein bei all diesen Richtlinien besteht, an denen es sich nicht beteiligt. Ich wollte herausfinden, was vor sich geht.
Ich ging zum OLAF, das sich, wie wir wissen, mit Betrug in der EU beschäftigt. Dort sagte man mir, das Vereinigte Königreich weigere sich, mit ihm zusammenzuarbeiten, auch wenn das Land Milliarden an Mehrwertsteuer beim Karussell-Betrug verliere. London sagt: „Wenn wir OLAF den kleinen Finger reichen, nimmt es gleich die ganze Hand. Daher haben wir Angst und werden nicht zusammenarbeiten.“ Das ist sehr merkwürdig, deshalb habe ich in London weitere Nachforschungen angestellt. Wie geht das vor sich? Mir wurde gesagt, es geschehe Folgendes: Die Kommission unterbreitet einen Vorschlag. Danach muss ein jüngerer Beamter im zuständigen Ministerium in London einen Vermerk verfassen, in dem er empfiehlt, was die Regierung tun soll. Er ist sehr vorsichtig und etwas nervös. Er weiß nicht, was er tun soll, deshalb sagt er: „Wir dürfen hier nichts unternehmen. Ich rate zu größter Vorsicht. Meines Erachtens sollten wir nicht zustimmen. Vielleicht sollten wir uns sogar für ein Opt-out entscheiden.“ Und sein vorsichtig formuliertes Dokument – denn er möchte ja befördert und nicht gefeuert werden – geht in seinem Ministerium den Dienstweg, und Beamte, die mit anderen Dingen beschäftigt sind, sagen „in Ordnung“ und haken es ab. Andere Ministerien, die um ihre Stellungnahme gebeten werden, wissen es auch nicht besser und sagen deshalb: „Wir halten das für richtig“. Es geht schließlich in einen Regierungsausschuss, der von unserem Außenminister geleitet wird – und der an Tausend andere Dinge zu denken hat –, und so wird es ungelesen abgesegnet. Damit ist der Standpunkt der Regierung in London plötzlich negativ, vorsichtig, für ein Opt-out: „Wir verstehen nicht. Wir wissen nicht wirklich, was vor sich geht.“ Wirklich sehr merkwürdig!
Und was geschieht dann? Also zurück zum Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Parlament. Die Blockade im Rat bedeutete, dass ich an mehreren informellen dreiseitigen Vermittlungen mit dem Rat teilgenommen habe, erst unter Leitung der Portugiesen, nun unter Leitung der Slowenen, in beiden Fällen ganz ausgezeichnet. Und obwohl mich niemals ein britischer Beamter über irgendetwas unterrichtet hat, und ich daher der einzige Brite im Vermittlungsverfahren war, obwohl die britische Regierung offenbar ein Veto hierzu eingelegt hatte, ging der Vorschlag durch.
Die Kommission und der Rat haben schließlich eine Formulierung gefunden, mit der die britischen Einwände aus der Welt geschafft oder überwunden wurden, oder wie auch immer man es nennen will. Daher wurden alle dem Parlament vorgelegten Änderungsanträge, über die morgen abgestimmt wird, vom Ausschuss IMCO gebilligt, und ich hoffe sehr, das Parlament wird sie morgen annehmen. Doch was in London vor sich geht, Herr Präsident, verstehe ich einfach nicht.
Véronique Mathieu, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Haushaltskontrolle. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Da meinem Kollegen Jean-Pierre Audy, der eigentliche Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Haushaltskontrolle ist, in letzter Minute etwas dazwischen gekommen ist, spreche ich hier in seinem Namen.
Die korrekte Anwendung der Zoll- und Agrarregelung spielt eine entscheidende Rolle für die gute Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes. Das ist eine wesentliche Frage für den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, aber auch der finanziellen Interessen der europäischen Wirtschaftsbeteiligten und der Bürger.
Das Aktennachweissystem für Zollzwecke wird eine wirksamere Koordinierung zwischen den verschiedenen Dienststellen der Mitgliedstaaten und der Kommission ermöglichen. Ein Teil der Änderungsanträge ist darauf gerichtet, die Vorschläge des Rechnungshofs umzusetzen, um den Nutzen dieser Datenbank zu erhöhen.
Der Verfasser der Stellungnahme teilt die Besorgnis des Rechnungshofs hinsichtlich des integrierten Ansatzes bei der Verwaltung der verschiedenen Datenbanken zur Betrugsbekämpfung, ist jedoch der Auffassung, dass diese Diskussion über die vorliegende Verordnung hinausgeht und in einem anderen Zusammenhang geführt werden müsste.
Der Verfasser der Stellungnahme, Jean-Pierre Audy, begrüßt die Vorschläge der Kommission, die darauf abzielen, den Zusatznutzen der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu fördern, insbesondere das Europäische Zentralregister und die Service-Plattform. In Ermangelung eines homogeneren Rechtsrahmens muss mit Hilfe des Austauschs bewährter Praktiken mittelfristig ein immer kohärenterer Ansatz sichergestellt werden.
Was die Finanzierung betrifft, so möchte der Verfasser unterstreichen, dass die Ausgaben klar erfasst werden müssen, um Überlappungen zwischen diesem Vorschlag und anderen Instrumenten, wie beispielsweise dem Programm Hercule II zu vermeiden.
Des Weiteren möchte der Verfasser für den Beschluss über andere Kommunikations- und Informationsaustauschsysteme am bisher geltenden Legislativverfahren – einschließlich der verbindlichen Stellungnahme des Rechnungshofes – festhalten, statt das Komitologieverfahren anzuwenden.
Christopher Heaton-Harris, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Herrn Newton Dunn, ein ebenfalls ehrenwertes Mitglied dieser Institution, für die wortgewandte Darstellung dessen danken, wie Angelegenheiten der EU in London behandelt werden – bzw. wie er denkt, dass sie behandelt würden.
Vielleicht kann ich erklären, was in London geschehen ist, und warum man sich an ein konservatives Mitglied des Europäischen Parlaments statt an ein MdEP der Labour-Partei oder an ihn selbst gewandt hat. Meines Erachtens hätte man sich an ihn wenden sollen, und ich kann nicht glauben, dass man es nicht getan hat. Er glaubt mir vielleicht nicht, aber ich hatte mehr Kontakt zum derzeitigen Ratsvorsitz als zu irgendjemandem aus London oder britischen Beamten.
Aber vielleicht hatte dieser junge Beamte, den er beschrieb, vergessen, die Zeitungen zu lesen und glaubte, die allgemeinen Wahlen hätten im Oktober stattgefunden, meine Partei habe sie gewonnen, der Premierminister habe nicht gezaudert, und er habe es deshalb mit einem Mitglied der Regierungspartei zu tun.
Dies ist leider nicht der Fall. Aber ich verstehe, was er über London und dessen Befürchtung sagt, OLAF nehme die ganze Hand, wenn man ihm nur einen kleinen Finger geben wolle. Dies ist auf die Strukturen von OLAF selbst zurückzuführen, auf das Dokument der Weisen aus dem Jahr 1999, und die Tatsache, dass OLAF einfach nicht unabhängig von der Kommission ist – eine Frage, die in der Zukunft behandelt werden wird.
Es gab weitere Probleme mit diesem Vorgang: die Tatsache, möglicherweise, dass die Mehrwertsteuer zwischen den Pfeilern hin- und hergeschoben wurde, und wir ein Rechtsgutachten dabei brauchten, und die Tatsache, dass viele von diesen Informationen bereits auf elektronischem Wege ausgetauscht werden. Die britische Regierung glaubte – wenn ich zwischen den Zeilen lese, kann ich erkennen, wie es zu dieser Schlussfolgerung kam –, sie bräuchte eine ständige Koordinierungsstelle und müsste Personen dafür abstellen, und daher viele Personen an einem Ort haben, statt Informationen lediglich auf elektronischem Wege auszutauschen.
Es gibt jedoch keine Probleme mit den Änderungsanträgen. Es gibt keine Probleme mit der Aussprache. Dieser Vorschlag sollte sehr rasch angenommen werden, und wird es hoffentlich auch.
Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Heaton-Harris. Jetzt, wo in London alles klar ist, kann auch Europa beruhigt sein.
Catherine Neris, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Berichterstatter zu seiner ausgezeichneten Arbeit und zu seiner guten Zusammenarbeit bei diesem besonders sensiblen Dossier beglückwünschen.
In einer Zeit, da der Handelsaustausch nicht nur innerhalb der Union, sondern auch mit Drittländern unaufhörlich wächst, stellen die zunehmende Marktöffnung und die Verstärkung des Handels wesentliche Faktoren für die Entwicklung Europas in den nächsten Jahren dar. Der schrittweise Abbau der Barrieren, die den europäischen Wirtschaftsraum umgeben, öffnet allerdings auch den Weg für eine Fülle betrügerischer Handlungen, die die Nachhaltigkeit des Binnenmarktes gefährden und deren erste Opfer unter den gemeinschaftlichen Herstellern und damit auch unter den europäischen Verbrauchern bereits auszumachen sind. Besonders krass ist dieses Problem im Agrarsektor spürbar, dessen unerlässliches System der Finanzhilfe und der Solidarität gegenüber den Bauern die Gier der kleinen wie der großen internationalen Kriminalität weckt.
In diesem Kontext ist Europa angesichts des Versagens der derzeitigen Kontrollinstrumente dabei, sich neue Rechtsvorschriften zu geben, die vor allem ermöglichen sollen, dass den Mitgliedstaaten die Daten hinsichtlich des Warenverkehrs und der laufenden Untersuchungen in den verschiedenen EU-Ländern besser zugänglich gemacht werden. Ich bin froh über den mit dem Rat gefundenen Kompromiss, der uns heute einen ausgewogenen Text in die Hand gibt, dessen Wortlaut morgen den Mitgliedern des Europäischen Parlaments zur Abstimmung vorgelegt wird. Er soll zwar die verschiedenen Aspekte der Privatsphäre schützen, jedoch eine bessere Effizienz der Überwachungsverfahren und eine bessere Koordinierung der Maßnahmen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglichen.
Ich bin überzeugt, dass Europa im Bereich der Zollkontrollen wie auch in anderen Bereichen nur errichtet werden kann, wenn wir unsere Anstrengungen besser vereinen und unsere jeweiligen Ressourcen bündeln, um unseren Mitbürgern das Schutzniveau zu geben, das sie sich wünschen. In diesem Sinne wird es keine Verbesserung der Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung geben, wenn nicht gleichzeitig ein strenges Regelungsniveau beibehalten wird, das unerlässlich ist, um von vornherein eine ordnungsgemäße und effiziente Kontrolle des Handels in der Union sowie gegenüber Drittländern zu gewährleisten.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Mir haben die Anmerkungen meiner angesehenen Kollegen aus dem Vereinigten Königreich und ihre Geschichten darüber, wie Dinge in Großbritannien geschehen, recht gut gefallen. Ich finde, wir sollten das aufschreiben und in viele Sprachen übersetzen, denn ich glaube, es passiert in vielen Mitgliedstaaten, dass junge Beamte einen Vorgang bearbeiten und mehrere Berichte darüber schreiben. Wir sollten nicht mit dem Finger auf den jungen Beamten zeigen, sondern eher auf das Ministerium, das diese Dinge zulässt.
Ich möchte das Hohe Haus lediglich darauf hinweisen, dass es Bedenken gegenüber dem Vereinigten Königreich und Irland gibt – vielleicht kann mich die Kommission auf den neuesten Stand bringen, wenn es bei dieser Frage einen neuen Stand gibt. Denn obwohl es Unterstützung für das Prinzip einer Amtshilfe zwischen den Zollbehörden gibt, so haben meines Erachtens beide Mitgliedstaaten, Irland und das Vereinigte Königreich, Vorbehalte gegenüber dem Austausch von Informationen zwischen diesen Behörden bei der Verwendung der Mehrwertsteuernummern gemäß Artikel 2a) Buchstabe f) und behaupten, der Informationsaustausch unter Verwendung von Mehrwertsteuernummern sei de facto ein Austausch steuerlicher Informationen, der nicht unter die vorgeschlagene Rechtsgrundlage fällt. Vielleicht könnte dies also kommentiert werden.
Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich habe auch Vergnügen an der Schilderung, wie Dinge im Vereinigten Königreich erörtert werden. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass diese Dinge nicht nur im Vereinigten Königreich geschehen.
Ich bin mit mehreren Finanzchefs und mehreren Ministern zusammengetroffen und habe für den Gedanken der gegenseitigen Amtshilfe geworben. Und ich kann sagen, die Ablehnung beschränkt sich nicht auf das Vereinigte Königreich. Dieses Thema erregt Misstrauen, aber ich kann Ihnen versichern, dass es keinen Grund dafür gibt. Als Ermittlungsbehörde innerhalb der Kommission kann OLAF nur ein Forum für die Zusammenarbeit anbieten, und es ist völlig klar, dass die Mehrwertsteuerhinterziehung nur in Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission bekämpft werden kann, denn größere Fälle von Betrug können in der Regel nur über die Grenzen hinweg geschehen.
Deshalb sind eine stärkere Zusammenarbeit und ein Informationsaustausch ohne Frage notwendig. Ich kann keine Stellungnahme zu der letzten Frage, zum Inhalt der Informationen, abgeben. Wir sprechen lediglich über die Erleichterung der Bekämpfung von Mehrwertsteuerhinterziehung, die eine häufig vorkommende Form von Betrug ist. Dies könnte in der Tat zutreffen, und ich freue mich, dass deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass das Parlament diesen Legislativvorschlag in der vorgeschlagenen Form unterstützt.
Bill Newton Dunn, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte allen danken, die in der Aussprache das Wort ergriffen haben. Zu der sehr scharfsinnigen Anmerkung von Frau McGuinness, die Dublin vertritt, möchte ich sagen: Wenn sie erklärt, dies komme häufig vor und sollte aufgeschrieben werden, ist ihr vielleicht bewusst, dass es vor fünfzehn oder zwanzig Jahren eine ganz berühmte Fernsehsendung im Vereinigten Königreich gab, die „Yes, Minister“ hieß, und in der sich der Minister, der ein linkischer Dummkopf war, einbildete, er habe alles unter Kontrolle und werde möglicherweise zum Premierminister ernannt. Doch die Worte „Ja, Herr Minister“ waren in Wirklichkeit die Worte seiner Beamten, die ihm sagten, was er sagen und tun sollte – „Ja, Herr Minister. Nein, Herr Minister. Natürlich sind Sie allmächtig, Herr Minister.“ Die Kontrolle hatten jedoch die Beamten.
Dies geschah vor zwanzig Jahren und geschieht natürlich auch noch heute. Und es geschieht in ganz Europa, das ist sehr interessant. Also brauchen wir vielleicht eine aktuelle europäische Sendung mit dem Titel Ja, Herr Minister oder Sí, Señor Ministro. Doch vielleicht könnten uns Drehbuchautoren auch mit einer neuen Sendung zum selben Thema unterhalten, weil die alten Wahrheiten ihre Gültigkeit nicht verlieren.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am 19. Februar 2008 statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Bogdan Golik (PSE), schriftlich. – (PL) Mit den beiden jüngsten Erweiterungen hat sich die Länge der Land- und Seegrenzen der Europäischen Union beträchtlich erhöht. Dies erfordert eine engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission. Notwendig sind auch die Koordinierung und Abstimmung von Maßnahmen zur Bekämpfung der internationalen Wirtschafts- und Finanzkriminalität. Ich stimme dem Berichterstatter dahingehend zu, dass wir bei diesen Maßnahmen die Rolle der Drittländer nicht außer Acht lassen dürfen. Ich halte es für völlig richtig, dass die Kommission entsprechende Befugnisse erhält, um den Verbindungsbeamten von Drittländern sowie von europäischen oder internationalen Organisationen und Agenturen technische Unterstützung und Fortbildung bereitzustellen. Ich begrüße den Vorschlag, Verfahren für die Weitergabe der von einem anderen Mitgliedstaat erhaltenen Daten an ein Drittland zu rationalisieren. Ich bin überzeugt davon, dass die vorgeschlagenen Änderungen zur Einschränkung finanzieller Unregelmäßigkeiten beitragen werden.
Ich möchte Artikel 18a hervorheben, demzufolge von der Kommission ein Register mit dem Ziel eingerichtet und verwaltet werden soll, um Warensendungen aufzuspüren, die unter Umständen gegen die Bestimmungen der Zoll- und Agrarregelung verstoßen. Hier müsste meiner Meinung nach eine konkrete Festlegung in den Text aufgenommen werden, die jedem Mitgliedstaat, der eine entsprechende Anfrage an die Kommission richtet, den Zugriff auf diese Datenbank ermöglicht. Im Moment ist in dem Text von Amtshilfe für die zuständigen Behörden die Rede.
24. Zollkodex der Gemeinschaft (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (Modernisierter Zollkodex) (11272/6/2007 – C6-0354/2007 – 2005/0246(COD)) (Berichterstatterin: Janelly Fourtou) (A6-0011/2008).
Janelly Fourtou, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen nun am Ende von drei Jahren harter Arbeit, und ich freue mich über das, was im Hinblick auf die Hauptpunkte dieses Dossiers erreicht worden ist.
Die Zollunion ist ein Stützpfeiler der Europäischen Union und ein wesentliches Element für das Funktionieren des Binnenmarktes. Der derzeitige gemeinschaftliche Zollkodex, der in den 1980er Jahren erarbeitet wurde und in den 1990er Jahren in Kraft getreten ist, ist überholt. Heute stehen unsere Zolldienste vor neuen Herausforderungen. Im Jahr 2007 belief sich der Welthandel auf nahezu 16 Billionen Dollar, das sind 31 % des weltweiten BIP, und allein auf die Europäische Union entfallen 20 % des Gesamtvolumens der weltweiten Importe und Exporte.
Der Zoll muss also den Handelsfluss gewährleisten und dabei die notwendigen Kontrollen ausüben und auf den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Bürger der Gemeinschaft bedacht sein. Um dabei ein ausgewogenes Verhältnis zu erreichen, müssen die Kontrollmethoden modernisiert und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Dienststellen und den Wirtschaftsbeteiligten verstärkt werden.
Zugleich gilt es, diesen Kodex an die übrigen radikalen Veränderungen anzupassen, die im Umfeld des internationalen Handels stattgefunden haben, vor allem aufgrund des zunehmenden und unumkehrbaren Einsatzes der Informationstechnologien und des elektronischen Datenaustauschs. Dieser spezielle Bereich war übrigens Gegenstand eines Berichts meines Kollegen Christopher Heaton-Harris, den unser Plenum im Dezember vergangenen Jahres angenommen hat.
Die erste Lesung des modernisierten Zollkodexes wurde am 12. Dezember 2006 angenommen, und es ist der deutschen Ratspräsidentschaft gelungen, am 25. Juni 2007 eine politische Einigung zu erzielen. In der ersten Lesung hatte das Europäische Parlament 51 Änderungsvorschläge angenommen, davon wurden 34 – von denen der Großteil von wesentlicher Bedeutung ist – ganz oder teilweise in den Gemeinsamen Standpunkt des Rates übernommen.
Die strittigsten Punkte bezogen sich auf den Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten, das Recht auf Zollvertretung, die zentrale Zollabwicklung und die Komitologie. Der Begriff des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten, der unmittelbar mit den Ereignissen des 11. September in Zusammenhang steht, wurde durch die so genannte Verordnung zur Sicherheitsänderung eingeführt, um den Wirtschaftsbeteiligten als Ausgleich für die neuen Belastungen im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der sicherheitsrelevanten Aspekte größere Erleichterungen zu gewähren.
Ihre Berichterstatterin ist froh darüber, dass die vom Parlament bei der ersten Lesung entwickelte Idee, zwei Arten von Zulassungen zu ermöglichen – Zollvereinfachungen einerseits und Sicherheitserleichterungen andererseits –, aufgegriffen wurde. Diese pragmatische Lösung berücksichtigt die unterschiedlichen Bedürfnisse der Wirtschaftsbeteiligten.
Was das Recht auf Zollvertretung betrifft, so herrschte große Erregung in den Ländern, in denen dieser Beruf eine lange Geschichte hat. Zwar hat der Rat die Vorschläge des Parlaments nicht hundertprozentig übernommen, jedoch schloss er sich der Idee an, Zollvertreter und zugelassene Wirtschaftsbeteiligte einzubeziehen, wie wir es gewünscht hatten.
Aus der Sicht Ihrer Berichterstatterin hat der Rat einen guten Kompromiss erzielt. Darüber hinaus wird diese Lösung auch von den Verbänden der Zollvertreter akzeptiert, die immerhin in einigen Mitgliedstaaten ihr Monopol eingebüßt haben.
Was die andere große Neuerung, die zentrale Zollabwicklung, betrifft, so hat der Rat einen neuen Artikel 106 eingeführt, weil er der Auffassung war, dass es im Sinne der Logik und der Transparenz vorzuziehen sei, alle mit diesem Begriff zusammenhängenden Bestimmungen des Kodexes in einem einzigen Artikel zusammenzufassen.
Nunmehr können alle Wirtschaftsbeteiligten die zentrale Zollabwicklung auf dem Territorium ein und desselben Mitgliedstaates nutzen. Um sie in mehreren Mitgliedstaaten zu nutzen, müssen sie die Kriterien für den Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten erfüllen.
Unter den großen Fortschritten dieses Dossiers begrüßen wir ferner die Ausweitung des Komitologieverfahrens mit Kontrolle auf 44 Bestimmungen des modernisierten Zollkodex.
Deshalb ersuche ich das Parlament, den Gemeinsamen Standpunkt des Rates ohne jede Änderung zu unterstützen.
László Kovács, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Nach mehr als zwei Jahren aktiver interinstitutioneller Arbeit sind wir nun dem Abschluss des Mitentscheidungsverfahrens zu diesem Vorschlag ganz nah. Dies haben wir insbesondere dem Engagement von Frau Fourtou und der Unterstützung der Mitglieder des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zu verdanken.
Ich freue mich, dass der Rechtsrahmen für eine zukunftorientierte Reform des europäischen Zolls – hoffentlich – in diesem Jahr geschaffen wird, in dem der vierzigste Jahrestag der Gründung unserer Zollunion begangen wird. Dies wird ein ermutigender Antrieb bei der Arbeit sein, die noch vor uns liegt.
Die Zollunion wird üblicherweise als ein „alter“ Pfeiler der Gemeinschaft dargestellt. Sie ist jedoch mehr als ein bloßes Vermächtnis der Vergangenheit. Sie ist auch weiterhin in Kraft – und nicht nur, um die Einziehung der Eigenmittel sicherzustellen. Die Zollverwaltungen, das Zollrecht und die Zollverfahren werden den Binnenmarkt mehr und mehr absichern, zum Verbraucherschutz beitragen, die externen Aspekte der gemeinsamen Politik unterstützen und gleichzeitig zur Förderung unseres internationalen Handels beitragen. Zu diesem Zweck wird sich das Zollrecht weiterentwickeln, um auf die großen Veränderungen und Herausforderungen innerhalb und außerhalb der Union reagieren zu können, und auf die wirksamsten Bestimmungen und Techniken zurückgreifen.
Was bedeutet Modernisierung des Zollkodex der Gemeinschaft tatsächlich?
Zunächst einmal bessere Zollvorschriften, einschließlich einfacherer und gestraffter Bestimmungen und Verfahren, die die Rechte und Pflichten der Marktteilnehmer klarstellen und deren einheitlichere Behandlung gewährleisten und dabei ein gleiches Sicherheitsniveau garantieren.
Zweitens, eine schrittweise Computerisierung aller Zollformalitäten im Hinblick auf ein vollständig „papierloses“ Arbeitsumfeld für Zoll und Handel, dessen Entwicklung durch die „e-Zoll“-Entscheidung (Nr. 70/2008/EG) des Parlaments und des Rates, die am 15. Januar 2008 angenommen wurde, unterstützt und eingerahmt wird.
Zu diesen Änderungen gehört die Interoperabilität zwischen nationalen, elektronischen Zollsystemen. Dies ermöglicht insbesondere die Zollabfertigung von Waren am Niederlassungsort des Zollanmelders, unabhängig davon, wo diese Waren eingeführt, ausgeführt oder innerhalb der Gemeinschaft geliefert werden – die so genannte zentrale Zollabfertigung. Dies ermöglicht ferner einen Austausch von Daten in Echtzeit zwischen Zollbehörden, um eine Risikoanalyse vorzunehmen und die Kontrollen im Rahmen des gemeinsamen Risikomanagements zu verbessern.
Das Parlament hat durch seine Unterstützung des Kommissionsvorschlags in erster Lesung den wesentlichen Beitrag dieser Gesetzgebungsinitiative zur Strategie von Lissabon für Wachstum und Arbeitsplätze anerkannt. Die Kommission betrachtet den Gemeinsamen Standpunkt des Rates von Oktober 2007, in den die meisten, vom Parlament in erster Lesung gebilligten Änderungsanträge aufgenommen wurden, als einen gut ausgewogenen Kompromiss.
Daher begrüßt die Kommission den Bericht von Frau Fourtou, in dem die Annahme eines Gemeinsamen Standpunkts ohne Änderungen empfohlen wird.
Christopher Heaton-Harris, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich Frau Fourtou danken. Ich habe stets großen Respekt davor, wie sie die Einzelheiten bei diesem äußerst komplexen Thema erfasst.
Der modernisierte Zollkodex ist, wie der Herr Kommissar mich bereits sagen hörte, ein verblüffend langweiliger, doch dabei so wichtiger Teil der Rechtsvorschriften der Kommission. 1975, als das Vereinigte Königreich ein Referendum durchführte, das wir eigentlich jetzt haben sollten (ein Referendum zum Vertrag von Lissabon) – ein Referendum, um Mitglied dieses Clubs zu werden –, dachten wir, wir stimmten ab, um einer Freihandelszone beizutreten. Doch die Menschen bekamen eine Zollunion, und seitdem ich hier bin, habe ich hart an eben diesem Bericht gearbeitet. Denn diesen Zollkodex gut hinzubekommen und angemessen zu modernisieren, ist möglicherweise das Wichtigste, was wir tun können, bis die ganze Sache, wie der Herr Kommissar sagte, innerhalb des e-Zoll-Systems erneuert ist. Dadurch wird der Handel viel einfacher und die Einziehung der Zölle in der gesamten Union sehr viel unkomplizierter.
Doch wie bei allen europäischen Fragen kommen wir nicht so rasch voran, wie einige von uns das möchten – wenn wir überhaupt vorankommen. Dieser Text enthält immer noch Hemmnisse. Einige sind ein untrennbarer Teil, solange, bis alles ungeschehen gemacht ist, und wir von vorn anfangen. Was ist ein zugelassener Wirtschaftsbeteiligter? Welche Qualifikation sollten Zollvertreter – oder AEO, zugelassene Wirtschaftsbeteiligte, wie sie genannt werden – haben? Könnten diese in Zukunft als Hindernis eingesetzt werden, um Menschen davon abzuhalten, mit Neugründungen von Unternehmen am Wirtschaftsleben teilzunehmen, oder bestehende Unternehmen in Europa daran zu hindern, sich auf den übrigen Teil Europas auszudehnen?
Dieser modernisierte Zollkodex ist unterm Strich ein sehr gutes Dokument, aber er hätte auch sehr viel besser sein können. Leider müssen wir in diesem Hohen Haus etwas zu oft Kompromisse schließen, aber ich hoffe, dies wird alles in allem gut für den europäischen Kontinent sein.
Manuel Medina Ortega, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Meiner Ansicht nach hat der Zollkodex der Gemeinschaft in der Form, wie er von der Kommission präsentiert und vom Parlament und dem Rat diskutiert wurde, ein beispielhaftes Verfahren durchlaufen. Unsere Berichterstatterin, Frau Fourtou, hat eine ausgesprochen umfangreiche Arbeit geleistet, und am Ende haben sich, wie fast immer, das Parlament, der Rat und die Kommission auf den endgültigen Wortlaut geeinigt, den wir annehmen werden.
Ich meine, dass die Europäische Union, wie Herr Heaton-Harris bereits sagte, vor allem eine Zollunion ist und der Zollkodex somit ein wichtiges Element für ihre Funktionsfähigkeit darstellt. Allerdings gestaltet sich der Zolldienst nicht wie eine völlig freie Tätigkeit: Die öffentliche Verwaltung ist in erheblichem Maße involviert, da bestimmte Waren und Werte uns alle betreffen. Wir sprechen hier von Schmuggel und einigen seiner besonders gefährlichen Varianten wie dem Waffen- und Drogenschmuggel und auch der Kontrolle von Kapitalflucht.
Deshalb ist es logisch, dass der Zollkodex der Gemeinschaft die in jedem Mitgliedstaat geltenden normalen Beschränkungen aufgreift und sie zu harmonieren versucht. Meiner Meinung nach sind die strittigen Punkte schließlich mit dem doppelten Konzept der Zollvertretung und des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten zufriedenstellend gelöst worden: die Idee von zwei Konzepten, die sich theoretisch unterscheiden, die aber gemeinsame Grundlagen für eine Harmonisierung finden können. Ich halte die angenommene Lösung für recht gut und sachgemäß.
Kommissar Kovács hat Nachdruck auf das Konzept der zentralen Zollabwicklung gelegt, da die Zollunion eine Einheit bildet. Natürlich ist es nicht sinnvoll, wenn an den verschiedenen Zollstellen Unterschiede bestehen. Ich betrachte dies als eine gute und praktische Lösung, die uns in die Lage versetzen wird, zweckentsprechend zu arbeiten.
Der letzte Aspekt, der genannt werden sollte, ist das Komitologieverfahren. Die Kommission und auch der Rat haben nunmehr die Bedeutung der Beteiligung des Parlaments an diesem Verfahren anerkannt. Die getroffene Vereinbarung bedeutet, dass die 28 Bestimmungen, auf die dieses Verfahren unter Mitwirkung des Parlaments Anwendung fand, jetzt auf 44 erhöht wurden, das heißt, das Parlament wird immer wirksamer in die Entwicklung der Bestimmungen des Zollkodexes eingreifen können.
Abschließend, Herr Präsident, danke ich Frau Fourtou für ihre Arbeit sowie dem Kommissar für seine Bereitschaft, die Vorschläge des Parlaments zu berücksichtigen.
Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist zweifelsohne viel mehr als eine Zollunion. Wir werden auch durch die heutige Diskussion und den morgigen Beschluss nicht auf eine Zollunion reduziert. Trotzdem ist die Zollpolitik an den Außengrenzen ein wichtiger Bestandteil der Tätigkeit der Europäischen Union und eines funktionierenden Binnenmarktes.
Der ÖVP-Europaclub im Europäischen Parlament begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung des modernisierten Zollkodex der Gemeinschaft. Warum? Weil das Zollverfahren verschlankt wurde, weil die Grundlage für einfachere, schnellere, gemeinsame Zollabwicklungsverfahren an der Außengrenze geschaffen wurde, weil den radikalen Änderungen des Umfelds, in dem der internationale Handel stattfindet, z. B. der Informationstechnologie, der elektronischen Daten usw., Rechnung getragen wird, weil Zollvertreter klar definiert und klaren gemeinsamen Kriterien unterworfen werden, weil die berufliche Zuverlässigkeit gestärkt und die notwendige Sachkenntnis gefordert wird.
Diese Verordnung stärkt die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. Sie schafft mehr Gemeinsamkeit, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass alle Änderungsanträge des Parlaments vom Rat übernommen wurden. Für mich bleibt eine einfachere, eine schnellere, eine gemeinsame Abwicklung, und das ist gut für die Unternehmen und die gesamte Europäische Union.
Andreas Schwab (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von meiner Seite herzlichen Dank an die Berichterstatterin und natürlich an unseren Schattenberichterstatter, die bei einem sehr technischen Dossier wertvolle Arbeit geleistet haben.
Mit dem neuen Zollkodex werden ja der bestehende Kodex und die auf ihn Bezug nehmenden Verordnungen durch einen modernisierten Kodex ersetzt, die bestehenden Zollverfahren verschlankt und die Grundlagen für zugängliche interoperable Zollabwicklungsverfahren auf der gesamten europäischen Ebene geschaffen. Das begrüßen wir sehr, denn es heißt für Unternehmen konkret eine Anpassung an die heutige Entwicklung der Informationstechnologie und eine schnellere und sicherere Abwicklung der zunehmenden Mengen an Gütern, die die EU-Grenzen passieren.
Unternehmerverbände und Handelskammern haben am Anfang zu Recht vor überbordender Bürokratie im Rahmen von EU-Sicherheitsinitiativen gewarnt, die aus den Vereinigten Staaten von Amerika herübergeschwappt sind, und wir haben mit den Beratungen im Parlament und auch einem intensiven Kontakt zu den Stellen der Kommission, denen ich dafür ausdrücklich danke, am Ende eine relativ solide, unbürokratische Lösung gefunden.
Ein wichtiger Punkt für Unternehmen, der nun umgesetzt wird, ist die Etablierung der zentralen Zollabwicklung im Rahmen eines Single Point of Contacts. Wir konnten uns außerdem mit der Forderung durchsetzen — und darauf bin ich sehr stolz —, dass der Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten am Ende wirklich ein privilegierter Status ist, der nur den Wirtschaftsbeteiligten zu Gute kommt, die festgelegte Kriterien erfüllen.
Als Abgeordneter aus Südbaden möchte ich es aber nicht versäumen, auch darauf hinzuweisen, dass der Zollkodex an den Landesgrenzen, an den Grenzen der Europäischen Union, zu Staaten, die nicht Mitglied sind, erhebliche Probleme aufwerfen kann, wenn nicht rechtzeitig entsprechende Vorsorge getroffen wird. Ich weiß, dass die Kommission diese Vorsorge treffen möchte, ich hoffe — ich spreche von der Schweiz —, dass auch die Mitgliedstaaten des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz ihre Aufgaben hier erfüllen.
Die Schweiz ist einer der wichtigsten Abnehmer von EU-Gütern. 41 % der gesamten Exporte und 59 % der gesamten Importe der Schweiz entfallen auf die vier direkt benachbarten EU-Mitgliedstaaten, deswegen ist hier Handlungsbedarf geboten. Wir können nicht akzeptieren, dass sich im Rahmen des Zollkodex kilometerlange Schlangen an den Grenzen zur Schweiz aufbauen, nur weil das Schweizer Verfahren der Zollabwicklung sich an einigen kleinen Punkten unterscheidet.
Herr Kommissar Kovács, ich darf Sie noch einmal sehr herzlich darum bitten, sich dieses Problems anzunehmen und den Mitgliedstaaten, die hier zur Verantwortung gezogen werden müssen, eindringlich ins Gewissen zu reden. Es geht auch um einen Wirtschaftsstandort im Herzen Europas, der von den internationalen Warenströmen nicht abgeschnitten werden darf.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir morgen in der zweiten Lesung den gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Zollkodex billigen werden. Hierbei handelt es sich um eine erfolgreiche Modernisierung der europäischen Zollgesetzgebung. Wir stoßen damit das Tor zu einem elektronischen, zentralisierten, interoperablen und automatisierten Zollsystem auf. Alle EU-Organe können dann auf eine einzige Verwaltungsstelle – eine zentrale Anlaufstelle – bei ihren Arbeitsvorgängen zurückgreifen und damit die dringend benötigten Kontrollen effektiver gestalten. Aufgrund eines vereinheitlichten Zollinformationsportals – eines „single window“ – können Wirtschaftsbeteiligte lediglich mit einem EU-Zollamt auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates kommunizieren. Durch diese Regelung werden die Terminologie und die Definitionen vereinfacht und vereinheitlicht und sie werden nutzerfreundlicher. Hier haben wir ein gutes Beispiel für die Fähigkeit, auch in einer erweiterten EU Bürokratie abzubauen und das Rechtsumfeld für Unternehmer und Bürger zu verbessern. Darüber hinaus wird sich das Projekt, wie verlautet, bis 2010 bezahlt gemacht haben. Ich danke den Berichterstattern, Frau Fourtou und Herrn Newton Dunn, der Kommission und dem Rat für die hervorragende Arbeit, die sie in den letzten drei Jahren geleistet haben.
Bill Newton Dunn (ALDE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte nur eine Anmerkung zu der Äußerung von Herrn Heaton-Harris machen, er habe geglaubt, Großbritannien würde 1975 einer Freihandelszone beitreten. Ich mache mir Sorgen über sein Gedächtnis, oder vielleicht ist es ja auch seine Bildung. Großbritannien war dabei, eine europäische Freihandelszone zu verlassen – sie nannte sich EFTA. Wir entschieden uns, sie zu verlassen und der Europäischen Gemeinschaft beizutreten, und Frau Thatcher, die zum Zeitpunkt des Referendums die konservative Regierungschefin im VK war, sagte, es sei mehr als eine Freihandelszone gewesen. Sehr einfach, sehr deutlich, ganz offiziell.
Nun, da Herr Heaton-Harris heute ein Referendum zum Vertrag von Lissabon im Vereinigten Königreich will, vertraut er offensichtlich darauf, die britische Öffentlichkeit werde alle Dokumente lesen, um zu entscheiden, wie sie abstimmen soll. Das muss 1975 so gewesen sein. Die britische Öffentlichkeit wird 1975 in den Dokumenten gelesen haben, dass es hier um eine immer engere Union, und nicht um eine Freihandelszone geht. Bei der Europäischen Union geht es um eine immer engere Union. Herr Präsident, ich glaube, wir brauchen ein Mittel, um das Gedächtnis von Herrn Heaton-Harris aufzufrischen.
Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Newton Dunn. Wie trist wären doch unsere Abende im Europäischen Parlament ohne solche interessanten britischen Debatten.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich werde der Versuchung widerstehen, mich anzuschließen. Ich möchte der Berichterstatterin für die detaillierte Arbeit an diesem Bericht danken.
Wir wollen aufrichtig sein, dies ist kein Thema, über das die Menschen in Kneipen oder bei gesellschaftlichen Anlässen sprechen. Doch unser Zollrecht in Ordnung zu bringen, ist sehr wichtig für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze, und deshalb tun wir das. Der Gedanke einer zentralen Abfertigung ist daher sehr sinnvoll, sofern sie funktioniert – wir wollen hoffen, dass dies mit den neuen Bestimmungen der Fall sein wird.
Mit einem „einzigen Schalter“, einem „single window“, kann unnötige Bürokratie abgebaut werden. Aber ich möchte auf einen Punkt hinweisen: Es sollte ein Feedback der Wirtschaftsbeteiligten geben, wenn dies alles läuft. Und wir sollten bereit sein, Änderungen vorzunehmen, wenn die Probleme auftauchen, auf die andere Redner heute Abend hingewiesen haben.
László Kovács, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst einmal bin ich nicht nur zufrieden, sondern auch sehr stolz, dass wir diesen Punkt erreicht haben, denn ich stimme allen Rednern zu, die dies als eine große Errungenschaft für die gesamte Union betrachten.
Als Erstes möchte ich meinen Dank für Ihre Unterstützung des modernisierten Zollkodexes und Ihr Interesse an weiteren Entwicklungen zum Ausdruck bringen. Wie Sie sagten, werden die Annahme und das anschließende Inkrafttreten des Kodexes nicht das Ende der Geschichte sein, da seine Umsetzung von der Fertigstellung und Anwendung seiner Durchführungsbestimmungen abhängt.
Das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle wird für die Annahme dieser Bestimmungen verwendet werden. Es gibt dem Parlament die Möglichkeit zu prüfen, wie die Kommission die allgemeinen Bestimmungen, die sich aus dem Kodex ergeben, mit Unterstützung des Zollkodex-Ausschusses im Einzelnen umsetzen will.
Neben dieser Verfahrensvorschrift beabsichtigt die Kommission, das Parlament über seinen Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz angemessen über den Stand der Vorbereitung des Entwurfs für Durchführungsmaßnahmen und den vorgesehenen Zeitplan für die Anwendung des modernisierten Zollkodexes auf dem Laufenden zu halten.
Was das Problem der Schweiz und der Europäischen Union betrifft, das Herr Schwab ansprach, so wird am 1. Juli 2009 die Änderung des Zollkodexes der Gemeinschaft bezüglich der Sicherheitsaspekte vollständig umgesetzt sein. Dies bedeutet, dass alle Waren, die in die Gemeinschaft eingeführt oder aus der Gemeinschaft ausgeführt werden, Gegenstand einer Anmeldung vor Eintreffen beziehungsweise vor Abgang der Ware sind. Der zugelassene Wirtschaftsbeteiligte wird von den Erleichterungen profitieren, die im Kodex vorgesehen sind.
Wie mit anderen Drittstaaten verhandeln wir derzeit mit der Schweiz über die gegenseitige Anerkennung von Kontrollstellen, die Ergebnisse der Kontrollen und den Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten. Die Verhandlungen laufen, und wir erwarten, dass bis zum 1. Juli 2009 eine für beide Seiten zufrieden stellende Lösung gefunden ist.
Abschließend möchte ich Sie zu den Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der Zollunion am 1. Juli 2008 einladen. Die Zollunion war der erste Meilenstein bei der Schaffung des Binnenmarktes und ist auch weiterhin einer seiner wichtigsten Bestandteile. Ich freue mich darauf, unsere Aussprache über die künftige Rolle des Zolls im Rahmen der Feierlichkeiten fortsetzen zu können. Noch einmal vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Janelly Fourtou, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident! Ich möchte den Rednern und all denen danken, die zur Erarbeitung dieses Berichts beigetragen haben.
Da Herr Medina Ortega den Schmuggel erwähnt hat, sehe ich mich veranlasst, auch die Fälschungen anzusprechen. Zwischen 1998 und 2004 hat die Zahl der beschlagnahmten Fälschungen um 1 000 % zugenommen. Das macht deutlich, dass die spezifischen Kontrollen einer Modernisierung bedürfen und ein neuer Ansatz hinsichtlich der Funktion des Zolls angesagt ist.
Lassen Sie mich auch den Branchenangehörigen danken, die eine große Aufgeschlossenheit gezeigt haben, und ich möchte ihnen sagen, dass ich mich in ihrer Schuld fühle. Das deckt sich zweifellos mit den Besorgnissen von Frau McGuinness. Was die Umsetzungsmaßnahmen betrifft, so werde ich mich bemühen, den Dialog zwischen den Zollbehörden und den Gemeinschaftsinstitutionen zu befördern, darunter mit der Kommission, mit der die Zusammenarbeit stets eng und fruchtbar war.
Ich fordere Sie daher auf, für den Gemeinsamen Standpunkt zu stimmen, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am 19. Februar 2008 statt.
25. Faktoren, die eine Unterstützung des Terrorismus und die Rekrutierung von Terroristen begünstigen (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Gérard Deprez im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zu den Faktoren, die eine Unterstützung des Terrorismus und die Rekrutierung von Terroristen begünstigen (2006/2092(INI)) (A6-0015/2008).
Gérard Deprez, Berichterstatter. − (FR) Herr Präsident! Der Bericht, den ich Ihnen heute im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vorstellen werde, geht auf einen Vorschlag zurück, der Ende 2005 von unserem Kollegen Antoine Duquesne, dem ich meine Hochachtung ausdrücken möchte, vorgelegt wurde.
Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass der Hauptteil der Arbeit an diesem Bericht von unserem Kollegen Mayor Oreja geleistet wurde, der aus Gründen, die ich nicht zu kommentieren habe, beschlossen hat, seinen Namen nach der Abstimmung in unserem Ausschuss zurückzuziehen.
Was den Inhalt des Berichts betrifft, der unserem Hause vorgelegt wird, so glaube ich, dass er sich zusammenfassen lässt, indem man die zahlreichen darin enthaltenen Elemente in vier Schwerpunkten bündelt.
Der erste Schwerpunkt ist die Schwere und Dauerhaftigkeit der Bedrohung. Es ist unbestreitbar, dass der Terrorismus im Allgemeinen und der Dschihad-Terrorismus im Besonderen heute eine der schlimmsten Bedrohungen für die Sicherheit der Bürger der Europäischen Union darstellt. Die blutigen Anschläge in Madrid im Jahr 2004, in London im Jahr 2005, aber auch nicht zu vergessen die zahlreichen Versuche, die seitdem verhindert werden konnten, belegen eindeutig die Dauerhaftigkeit und die Schwere der Bedrohung. Daraus folgt – und das macht der Bericht entschieden deutlich –, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine der Prioritäten der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten bleiben muss.
Jedoch lässt sich dieser entschiedene Kampf, und das ist der zweite Schwerpunkt des Berichts, nicht auf beliebige Art und Weise führen. Dabei sind Grundprinzipien einzuhalten, wenn man nicht die Grundwerte in Frage stellen will, von denen unsere Gesellschaften sich leiten lassen. Die Bekämpfung des Terrorismus muss unter strikter Achtung der Freiheiten und Grundrechte, insbesondere der Religionsfreiheit und des Rechts auf einen fairen Prozess, erfolgen.
Parallel dazu müssen wir uns speziell im Zusammenhang mit dem Dschihad-Terrorismus davor hüten, Kulturen oder Religionen mit dem Terrorismus gleichzusetzen. Die überwiegende Mehrheit der Moslems, die im Übrigen, wie wir nicht vergessen sollten, die Hauptopfer des Terrorismus im Irak, in Afghanistan oder in Pakistan sind, haben nichts mit den extremistischen Gruppen gemein, die es zu bekämpfen gilt und die die Religion missbrauchen, auf die sie sich berufen.
Schließlich erinnert der Bericht ausgehend von dem Grundsatz, dass Hass und Frustration Faktoren sind, die die Radikalisierung vorantreiben, die Mitgliedstaaten daran, dass die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung und insbesondere die Maßnahmen für die Integration aller Minderheitengruppen vorrangig umgesetzt werden müssen, um Frieden, Toleranz und gedeihliches Zusammenleben in unseren Gesellschaften zu fördern.
Der dritte Schwerpunkt umfasst die spezifischen Maßnahmen zur Terrorismusprävention. Im Rahmen der langen Liste solcher Maßnahmen, die den Mitgliedstaaten empfohlen werden, unterstreicht der Bericht insbesondere die Notwendigkeit, die Überwachung der Propaganda-Websites, die vor allem über das Internet verbreitet werden, der Predigtorte und der audiovisuellen Medien im Allgemeinen zu verstärken.
Der vierte Schwerpunkt betrifft die repressiven Maßnahmen. Dazu gehört eine Maßnahme, die besonders hervorgehoben werden muss und die einige Debatten auslösen wird. Sie ist in Ziffer 10 des Berichts enthalten und sieht vor, den Geltungsbereich der Definition terroristischer Akte auf die Rechtfertigung des Terrorismus auszudehnen. Da ich nicht sicher bin, ob der Ausdruck „Rechtfertigung“ angemessen ist – persönlich meine ich, dass es auf Französisch besser gewesen wäre, den entsprechenden Ausdruck für „Verherrlichung“ oder „Apologie“ des Terrorismus zu wählen –, und ob es nicht wünschenswert wäre, ihn zu ändern, warte ich gespannt darauf, wie unser Haus morgen über diesen heiklen Punkt befinden wird, der den Kern der Frage berührt, wo die Trennlinie zwischen Sicherheit, Grundrechten und Meinungsfreiheit zu ziehen ist.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Die Auseinandersetzung mit der Radikalisierung der Gewalt steht im Mittelpunkt der Politik der Kommission zur Bekämpfung des Terrorismus, und daher begrüße ich den Bericht, der heute erörtert wird, sowie die entscheidenden Fragen, die er behandelt. Ich begrüße ferner die Fortschritte bei der interinstitutionellen Zusammenarbeit im Bereich der Anerkennung der gewaltigen Herausforderung, der wir bei der Entwicklung einer kohärenten EU-Politik gegenüberstehen, die Radikalisierungsprozesse verhindern, abbrechen oder umkehren soll.
Nach einer Reihe von Initiativen in den letzten Jahren, die auf meine erste Mitteilung zu dem Thema im September 2005 folgten, wird dem Rat und dem Parlament im Juli dieses Jahres eine Mitteilung unterbreitet, in der bewährte Praktiken in den Mitgliedstaaten aufgeführt und konkrete Empfehlungen für den Weg nach vorn vorgelegt werden. Ich stelle fest, dass der Bericht eine diesbezügliche Empfehlung an die Kommission enthält.
Wir haben in den letzten drei Jahren Zeit und Mittel aufgewendet, um dieses Phänomen, seine Trends, seine Erscheinungsformen und seine Dynamik besser zu verstehen. Wir haben vier separate, vergleichende Studien in Auftrag gegeben, die nun abgeschlossen wurden. Wir haben einen Fragebogen an alle Mitgliedstaaten versandt und befassen uns derzeit mit den eingegangenen Antworten. Wir haben eine Konferenz zur Rolle der Bildung bei der Vorbeugung der Radikalisierung veranstaltet, an der Pädagogen, Religionsführer und Politiker teilgenommen und über neue Ideen nachgedacht haben.
Wir arbeiten derzeit am Entwurf der Mitteilung. Die ersten drei Studien – zu Auslösern, Botschaften und Mobilisierungstaktiken – werden im nächsten Monat angenommen. Eine vierte Studie zur Einbindung der Zivilgesellschaft (bewährte Praktiken) wird voraussichtlich etwa zum Zeitpunkt der Annahme der Mitteilung im Juli veröffentlicht. Ihre wichtigsten Ergebnisse werden zu diesem Zeitpunkt bereits in die Mitteilung aufgenommen sein. Die Bearbeitung des Fragebogens, der den Mitgliedstaaten übermittelt wurde, läuft und wird ebenfalls in die Überlegungen zu der Mitteilung einfließen.
Wir können unsere Politik daher nun mit einem viel tieferen Einblick in das Problem konzipieren. In unserer Mitteilung werden wichtige Fragen wie die Botschaften behandelt, die gewalttätige Radikale benutzen, sowie die Radikalisierung in Gefängnissen und anderen Orten der Gefährdung. Wir werden auch über die Rolle der Bildung sprechen sowie über die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Bekämpfung der Radikalisierung.
Den Mitgliedern wird bekannt sein, dass wir in Bezug auf die Anstiftung einen Vorschlag zur Änderung des Rahmensbeschlusses über die Bekämpfung des Terrorismus vorgelegt haben, der ein Teil des im letzten November eingeführten „Terrorismus-Pakets“ ist. Mit diesem Instrument sollen in den Rahmenbeschluss Straftaten parallel zu denen aufgenommen werden, die unter das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus fallen: öffentliche Aufforderung zur Begehung einer Straftat, Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke – auch über das Internet – und insbesondere Anleitungen für den Bau von Bomben im Internet.
Die Kommission hat sich ausdrücklich verpflichtet, die Opfer des Terrorismus zu unterstützen. Wir haben seit 2004 unsere Unterstützung durch die Finanzierung zahlreicher Projekte bewiesen, mit denen Verbänden von Terrorismusopfern geholfen und die Solidarität unter den europäischen Bürgern gestärkt werden soll. Wir planen, 2008 ein Europäisches Netz der Vereinigungen von Terroropfern einzurichten, um die Interessen der Opfer auf europäischer Ebene zu vertreten und die Solidarität der europäischen Bürger mit den Opfern des Terrorismus zu stärken.
Um sich mit der terroristischen Bedrohung auf europäischer Ebene auseinanderzusetzen, ist eine umfassende Politik der Prävention im Hinblick auf die Faktoren unabdinglich, die zu Radikalisierung und Anwerbung führen, dies mit dem Ziel, ihre tief liegenden Wurzeln zu erforschen; dabei darf das Verhalten der Terroristen niemals gerechtfertigt werden. Der Dschihad-Terrorismus ist auch weiterhin die größte Bedrohung für demokratische Gesellschaften, auch für die Millionen ehrbarer Muslime in der EU und in vielen anderen Teilen der Welt.
Manfred Weber, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist es traurig, dass wir wieder einmal eine Debatte über den Terror führen müssen. Radikalisierung und Terror passen nicht nach Europa. Das Europa, an dem wir bauen, ist ein Europa der Toleranz, und deswegen ist man immer wieder traurig, über dieses Thema reden zu müssen.
Es gibt vieles, was uns eint. Der Terror wird als große Bedrohung festgestellt. Die Rekrutierung muss unterbunden werden. Dabei müssen wir die Grundrechte achten. Der Dialog ist der Schlüssel zur Toleranz. Wir müssen besonders auf das Internet achten. Es hat besondere Bedeutung bei der Kommunikation.
In der Außenpolitik sehen wir die Antiterrorarbeit als von besonderer Bedeutung. Wir brauchen in Europa eine bessere Vernetzung der Dienststellen im Kampf gegen Radikalisierung und im Kampf gegen den Terror. Ich möchte mich ausdrücklich bedanken, dass unser Vizepräsident der Kommission das angeregt und auch zusammengefasst hat.
Es ist deshalb für meine Fraktion sehr schade, dass die ausgestreckte Hand unseres eigentlichen Berichterstatters, Mayor Oreja, nicht ergriffen worden ist, dass eine Kompromisssuche am Schluss unmöglich war. Wir haben deswegen als EVP-ED-Fraktion für die morgige Abstimmung eine Reihe von key points definiert. Zum Beispiel, wenn es Streichungsanträge gibt, die definieren, dass die Verletzung der individuellen Freiheiten und des Rechtsstaates zu Terror führt; wenn es Streichungsanträge gibt, die Schulzentren und religiöse Zentren unter besondere Beobachtung stellen; wenn es Anträge gibt, die die Streichung des Dschihadistenterrors wollen.
Wenn man eine Gefahr bekämpfen will, dann muss man wissen, woher die Gefahr kommt. Deswegen müssen wir den dschihadistischen Terror als die zentrale Herausforderung auch in diesem Bericht benennen. Wenn das gestrichen wird, dann werden wir dem Bericht nicht zustimmen können. Wir werden eine weitere Verwässerung nicht unterstützen. Deswegen hoffe ich, dass wir morgen zu guten Ergebnissen kommen.
Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke den Kolleginnen und Kollegen und möchte gleich sagen, dass wir, offen gestanden, gezwungen waren, einen Bericht zu bearbeiten, der einen schlechten Start hatte, konfuse Botschaften vermittelte und dubiose Vorschläge enthielt. Ich denke, der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat vortreffliche Arbeit geleistet, indem er diesem Bericht wieder ein aussagekräftiges, konkretes politisches Profil gab.
Selbstverständlich gehen wir von einer gemeinsamen Prämisse aus. In den letzten Jahren waren die zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft von Einzelpersonen und Gruppen eine der größten Schwächen unseres Rechtssystems und von ihnen gingen die größten Angriffe auf unsere demokratischen Institutionen aus. Dieses Phänomen muss bekämpft werden. In diesem Sinne bringt das Tätigwerden der Europäischen Union insofern einen Zusatznutzen, als es einen Beitrag zur Harmonisierung leistet, denn wenn wir unsere Instrumente zusammentun, erhalten wir lediglich ein Sammelsurium von Instrumenten, von denen jedes einzelne seine spezifischen Schwächen in sich trägt.
Doch wir stehen vor einer neuen Herausforderung, die wohlausgewogene Bemühungen erfordert, ohne dabei der – in Anbetracht der in all den Jahren seit dem 11. September erlebten Anschläge – unausweichlichen menschlichen Versuchung nachzugeben, zu verallgemeinern oder eine Festung Europa zu errichten, oder eine Priorität in den Hintergrund zu stellen, die im Zentrum des Integrationsprozesses der EU steht: den Schutz der Grundrechte.
Deshalb muss unseres Erachtens in den drei Richtungen vorgegangen werden, die in diesem Bericht abgesteckt werden. Als Erstes gilt es, die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen, insbesondere, wie Herr Frattini ausführte, die Religionsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung. Ohne die Gewährleistung dieser Rechte wird sich der Europagedanke selbst, wird sich ein vor allem auf den Grundrechten der Unionsbürger beruhender Integrationsprozess als Fehlschlag erweisen.
Wir müssen die justizielle Zusammenarbeit verstärken, um die radikalen, gewaltbereiten, organisierten Splittergruppen zu treffen. Wir brauchen eine vollständige Harmonisierung der terroristischen Straftaten auf Ebene der Europäischen Union, wobei in den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten auch die Rechtfertigung des Terrorismus als Straftat aufgenommen werden muss. Und wir brauchen selbstverständlich eine beharrliche Präventionsarbeit: Wir müssen den Ursachen und den Faktoren zu Leibe rücken – die sehr zahlreich sind, es hat keinen Zweck, das zu verhehlen –, die zur Radikalisierung verschiedener Bevölkerungsschichten innerhalb unserer Gesellschaft führen. Dies setzt eine Ausdehnung der Staatsbürgerschaftsrechte, eine aktive Staatsbürgerschaft, voraus, anders gesagt, eine Staatsbürgerschaft, die Verantwortungsbewusstsein und Teilhabe am politischen Leben ebenso wie den Dialog mit religiösen Bewegungen umfasst.
Wie der Herr Vizepräsident sagte, müssen wir auch für die vielen Millionen von europäischen Bürgern kämpfen und sie schützen, die sich zu einem anderen Glauben als wir bekennen, sowie für die Muslime, die keine EU-Bürger sind und unseren demokratischen Regeln, unseren Gesetzen stets Achtung entgegenbrachten, wofür sie unseren größten Respekt verdienen.
Und schließlich müssen wir einen Dialog entwickeln, der wirklich eine Allianz der Zivilisationen verkörpert und nicht einen Kampf der Kulturen. „Allianz der Zivilisationen“, Herr Präsident, und damit komme ich zum Schluss, ist kein Begriff, den wir einer politischen Auseinandersetzung entlehnt haben, sondern ein Begriff, der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geprägt wurde. Er ist Ausdruck einer großen Verantwortung und einer starken Verpflichtung für dieses Hohe Haus und unsere Gemeinschaften. Mir erscheint es äußerst wichtig, diesen Begriff in der morgigen Entschließung beizubehalten.
Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Wie ich meine, Herr Präsident, ist dieser Bericht über sein eigentliches Format hinaus ausgewogen und äußerst wichtig und behandelt Themen, mit denen wir uns jetzt täglich auseinandersetzen müssen.
Der Terrorismus ist fraglos ein polizeiliches Phänomen, und wir alle wissen, dass er eine polizeiliche Dimension besitzt. Doch die Ursachen für den Terrorismus bzw. die Gründe, die bestimmte Personen bewegen, zu Terroristen zu werden, gehen weit darüber hinaus. Jaime Mayor Oreja hat dies in seinem ersten Bericht dargelegt, zunächst in einer sehr umstrittenen Form, doch nach vielen Beratungen und Änderungsanträgen hat er ein, auch für seine eigene Fraktion, vollkommen akzeptables Ergebnis hervorgebracht.
Ich möchte vor diesem Haus wie vor einem Gericht bezeugen, dass es nicht stimmt, dass die von Jaime Mayor Oreja ausgestreckte Hand zurückgewiesen wurde. Und ich würde dies auch unter Eid aussagen, wenn es eine solche parlamentarische Praxis gäbe. Es entspricht nicht der Wahrheit. Die Europäische Volkspartei und die Fraktion kennen die Gründe bestens, aus denen diesem Bericht jetzt Hindernisse in den Weg gelegt werden. Ich kann Treffen im Büro von Herrn Jaime Mayor Oreja bezeugen, bei denen wir 99 % dessen akzeptiert haben, was morgen zur Abstimmung gestellt wird. Man sage uns nicht, dass einige Punkte abgelehnt wurden oder dass das Angebot zurückgewiesen wurde, denn das ist einfach eine Fehlinterpretation der Wahrheit.
Die Position, die die Volkspartei morgen einnehmen wird, bleibt daher ein Mysterium, und dies wird zweifellos zur Schwächung der gemeinsamen politischen Botschaft beitragen, die wir alle übermitteln wollen. Deshalb möchte ich mein Bedauern über diese Haltung zum Ausdruck bringen. Zu sagen, das Problem bestehe darin, dass der Begriff „Dschihad“ in einem Abschnitt gestrichen werden muss, obwohl er danach in drei Abschnitten erscheint, ebenso wie in der Erwägung H, wo es heißt, dass der Dschihadismus fraglos den Hauptherd für die Art von Terrorismus bildet, mit der wir es zu tun haben, ist meiner Meinung nach eine Suche nach Ausflüchten, die nicht haltbar sind.
Auf jeden Fall spricht dieser Bericht von Freiheit, Religionsfreiheit, Gedankenfreiheit und auch der Freiheit, ein soziales Modell abzulehnen, doch er stellt klar, dass Europa keine Anstiftung zu Gewalt, zu Hass oder Zerstörung der Grundpfeiler der Gesellschaft unter dem Deckmantel der Religion hinnehmen kann.
Der Staat hat das Recht auf Instrumente zur Selbstverteidigung, auf Mittel zur Verteidigung seiner Bürger. Und er kann dieses Recht auf polizeilichem und gerichtlichem Gebiet auch wirklich voll ausüben und gleichzeitig den Dialog, die Mitwirkung und die Bemühungen zur vollständigen Integration der Menschen fortsetzen, die eines Tages so fanatisch werden können, dass sie Anschläge gegen ihre eigene Gesellschaft verüben, eine Gesellschaft, in die sie sich integriert haben, oder einfach ihre eigene Gesellschaft, weil sie in vielen Fällen sogar unter uns geboren wurden.
Man kann darüber diskutieren, und meine Fraktion hat es getan, inwieweit die bestehenden Gesetze ausreichend sind oder nicht; Konzepte wie die Entschuldigung und Rechtfertigung terroristischer Handlungen sind für einige notwendig, während sie von anderen als möglicher übermäßiger Einschnitt in das Recht auf freie Meinungsäußerung abgelehnt werden. Dies ist letztendlich die Position meiner Fraktion: nicht zu weit in der Gesetzesänderung zu gehen und das Konzept der Apologie abzulehnen.
Auf jeden Fall, und damit komme ich zum Schluss, Herr Präsident, heiße ich diesen Bericht willkommen. Ich hoffe, dass die Europäische Volkspartei nochmals über die Unterstützung nachdenkt, die sie seinem Inhalt geben könnte. Als Leitlinie für eine globale Politik begrüße ich das Konzept der Kommission, wonach die Polizeikräfte europaweit in enger Zusammenarbeit vorgehen und Maßnahmen ergriffen werden, die letztendlich zu einem Ergebnis führen, das die Rechte jedes Einzelnen und aller respektiert.
Ryszard Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! In Abwandlung eines Buchtitels von Ernest Hemingway möchte ich sagen: „Frage nie, wem die Terroristenglocke schlägt, sie schlägt dir.“ Nach den Anschlägen in Spanien vor vier Jahren und in England vor drei Jahren ist das eine ganz aktuelle Botschaft. Wenn Frau Oriana Fallaci, eine Landsmännin von Kommissar Frattini, das Dokument lesen könnte, über das wir gerade sprechen, wäre sie vermutlich schockiert. Frau Fallaci, eine herausragende italienische Intellektuelle, die als kompromisslos und unangepasst galt, vertrat den Standpunkt, dass islamische Terroristen das Wesen – die Quintessenz – des Islam ausmachen.
Natürlich steht es dem Europäischen Parlament frei, in dieser Frage einen anderen Standpunkt zu vertreten. Es erhebt sich jedoch die Frage, weshalb die muslimischen Terroristen bei jungen Leuten arabischer Herkunft, die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geboren sind, eine solch große Unterstützung erfahren.
Ich unterstütze voll und ganz die Aussage, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine Priorität der EU bleibt. Es ist ganz wichtig, dass wir uns auf die terroristische Propaganda konzentrieren, die über das Internet verbreitet wird. Auch Satellitenübertragungen in arabischer Sprache können, wie ich hinzufügen möchte, zur Förderung des radikalen Islam genutzt werden.
Georgios Georgiou, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Zeit ist hier entscheidend. Ich muss allerdings sagen, dass ich den Bericht begrüße, da er meiner Ansicht nach im Wesentlichen einerseits auf die Erkennung und andererseits auf die Verhinderung begrenzt ist.
Besonders möchte ich betonen, dass uns in erster Linie die Rekrutierung von Terroristen Sorge machen sollte. Gleich nebenan, im Nahen Osten, befindet sich eine „Akademie“, die Terroristen hervorbringt. Weshalb? 60 Jahre lang haben wir in Europa weder versucht, ihre Probleme zu lösen, noch hatten wir einen Grund, dies zu tun.
Heute entwickelt sich eine ähnliche Situation, und ich freue mich, dass ich jetzt das Wort ergreifen konnte, einen Tag nach der Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo.
Sie wissen, dass dort wieder etwas Unerwünschtes geschehen kann. Was ist, wenn morgen die Serben in Mitrovica Widerstand leisten oder – wenn Ihnen das lieber ist – Unzufriedenheit zeigen? Bezeichnen wir sie dann als Terroristen?
Wir müssen die Ursachen für das Auftauchen von Terroristen ergründen, die bereit sind, unser europäisches System anzugreifen, das sie nicht unterstützt.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Ich vertrete Nordirland in diesem Hohen Haus, eine Region, die, wie jeder weiß, Jahrzehnte lang unter einem verwerflichen Terrorismus gelitten hat. Aufgrund dieser Erfahrungen möchte ich in dieser Aussprache auf zwei Punkte eingehen.
Erstens sollte der Terrorismus niemals beschwichtigt werden; er muss besiegt werden. Fängt man an, mit dem Terrorismus zu verhandeln, seinen Gefangenen einen Sonderstatus einzuräumen und sie schließlich früher zu entlassen, wird man enden, wie Nordirland endete: mit sturen Terroristen inmitten unserer Regierung. Beschwichtigung regt nur den Appetit an – den unersättlichen Appetit der Terroristen.
Mein zweiter Punkt ist Folgender: Staatlicher Machtmissbrauch ist falsch, während der in diesem Bericht vertretene naive Glaube, man könne Terroristen neutralisieren, wenn man die so genannten Menschenrechte großzügig auf sie anwende, in der Realität nur deren Sache unterstützt, da sie es verstehen, alle diese Rechte meisterhaft zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen und zu missbrauchen, und dabei ihren Opfern das grundlegendste aller dieser Rechte verweigern: das Recht auf Leben.
Aufgrund der Exzesse ihrer mörderischen Strategie erfordert die Verteidigung der Gesellschaft zuweilen die Entscheidung zwischen den ungehemmten Rechten der Terroristen und den Rechten des Unschuldigen. Unter diesen Umständen fällt es mir nicht schwer, mich für das Recht der Gesellschaft zu entscheiden, sich gegen die vermeintlichen Rechte des Terroristen zu verteidigen. Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein Kampf des Guten gegen das Böse. Und wenn es sein muss, ist das Recht des Terroristen dem Recht der Gesellschaft untergeordnet.
Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Einleitend möchte ich bekräftigen, dass der beständige Kampf gegen den Terrorismus im Rahmen des Gesetzes, unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit und ohne Verletzung der Grundrechte geführt werden muss. Ich bin mir nicht sicher, ob, wie es im Bericht heißt, der Terrorismus die größte Bedrohung für die Sicherheit der Unionsbürger darstellt. Aber ich stimme Herrn Deprez zu, dass er auf jeden Fall eine der größten Bedrohungen ist. Meiner Meinung nach trägt eine Unterschätzung dieser Bedrohung weder dazu bei, ihn wirksam zu bekämpfen, noch die Sicherheit unserer Bürger zu erhöhen. Deshalb werde ich gegen die vorgeschlagenen Änderungen stimmen.
Der Terrorismus betrifft nicht nur die Bürger der Länder, die Opfer von Anschlägen geworden sind, sondern er gefährdet die Sicherheit aller. Er sät Angst und bedroht durch Terrorakte. Der Terrorismus ist die irrationale Manifestation eines Fanatismus, der den Wert des Lebens und die Würde des Menschen missachtet. Die Union und Herr Kommissar Frattini haben zu Recht den Kampf gegen den Terrorismus an die Spitze ihrer Prioritäten gestellt. Wir brauchen eine globale Strategie, die eine Zerschlagung der Terrornetze ermöglicht. Diese Strategie muss dem Wert der Prävention Rechnung tragen, einschließlich des Kampfes gegen die Rekrutierung von Terroristen und gegen alle Faktoren, die die gewaltorientierte Radikalisierung begünstigen.
Wir müssen die Ursachen, Hintergründe und Prozesse, die zur Radikalisierung und zum Terrorismus führen – vor allem bei Jugendlichen, die in unseren Mitgliedstaaten leben –, analysieren und begreifen. Bei den Integrationsprozessen wurden definitiv Fehler gemacht. Ich stimme zu, dass die terroristische Propaganda, die zu terroristischen Handlungen anhalten soll, im Rahmen des Gesetzes und unter Achtung der freien Meinungsäußerung bekämpft werden muss.
Abschließend möchte ich der Auffassung von Herrn Mayor beipflichten, dass eine europäische Initiative, insbesondere in diesem Bereich, weder als Plattform zur Förderung nationaler Wahlstrategien genutzt werden kann, noch als solche genutzt werden darf.
Inger Segelström (PSE). – (SV) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Herrn Deprez für seinen Bericht und die dringend notwendige Diskussion über den Terrorismus danken. Meiner Ansicht nach kommt dieser Bericht im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs genau zur richtigen Zeit.
Allerdings meine ich, dass der Bericht nicht ausreichend deutlich die Ursachen dafür beleuchtet, warum Menschen, insbesondere junge Männer, zu Terroristen werden oder dazu gebracht werden und sich damit außerhalb der demokratischen Gesellschaft stellen. Wenn wir uns in der Welt umsehen, können wir nicht die Augen vor der Armut und bestehenden Ungerechtigkeiten verschließen. Es gibt viele Jugendliche, denen wir weder Bildung, Arbeit, Wohnung noch Zukunftsaussichten bieten können. Das ist die Brutstätte für Fanatismus und dafür, dass junge Menschen sich dazu verleiten lassen, größere Rechte für ihre Gruppe oder ihr Volk erkämpfen zu wollen. Eine solche Analyse fehlt im Bericht.
Ich möchte insbesondere an Sie appellieren, für Änderungsantrag 12 zu stimmen, denn Terrorismuspropaganda wird heutzutage vorwiegend über das Internet verbreitet, das zu wenige von uns hier sehen oder kontrollieren können. Das ist eine Generationenfrage, und wir müssen unser Wissen über die Rekrutierung von Terroristen verbessern, um sie besser verhindern zu können. Im Übrigen unterstütze ich die Änderungsanträge der PSE-Fraktion.
Alexander Alvaro (ALDE). – Herr Präsident! Herzlichen Dank an die Kollegen Deprez und Guardans Cambó, für das, was sie gesagt haben. Ich denke, das trifft weitestgehend das, was unsere Fraktion auch für richtig hält.
Der Bericht heißt ja: Faktoren, die eine Unterstützung des Terrorismus und die Rekrutierung von Terroristen begünstigen. Es ist richtig, dass gelobt wird, dass wir uns damit beschäftigen. Allerdings tun wir dies nicht zum ersten Mal. Das Europäische Parlament und die Union insgesamt haben sich bis jetzt zu Hasspredigern geäußert, und sie haben präventive Maßnahmen zur Eindämmung von Finanzströmen von Terrororganisationen getroffen. Das sind wohl sinnvolle Maßnahmen.
Insofern glaube ich auch, dass der Bericht weitestgehend den richtigen Ton trifft. Ich glaube, es ist ein bisschen überbewertet, wenn man das Internet als Hort allen Übels betrachtet oder als Zufluchtsraum. Es ist sicherlich ein Raum, in dem sich gesellschaftliche Ereignisse genau so widerspiegeln wie im realen Leben, und ich glaube nicht, dass man seine Kraft darauf konzentrieren sollte, das endgültig einzudämmen. Das wird man nicht schaffen.
Die Frage ist: Was können wir stattdessen tun? Es sind audiovisuelle Dienste angesprochen worden. Hier stellt sich doch die Frage, warum die Europäische Union nicht tätig wird, wenn auf ihrem Hoheitsgebiet bestimmte Sender Hassprogramme ausstrahlen, die direkt an Kinder adressiert sind?
In einem Programm der Hisbollah etwa greift eine als Mickymaus — wie auch immer — geartete Figur jüdische Siedler an. Damit soll dann kleinen palästinensischen Kindern vermittelt werden, wie ihre Geschichte ist. Es ist nun nicht so, dass ein Mitgliedstaat eingegriffen hätte, um dieses Problem zu beseitigen. Vielmehr hat die Firma Walt Disney ihre Rechte an Mickymaus geltend gemacht, und das Ende der Serie wurde dann so abgewickelt, dass Mickymaus durch einen jüdischen Siedler getötet worden ist.
Und das ist auf europäischem Gebiet ausgestrahlt worden! Warum ist die Hisbollah immer noch nicht auf der Terrorliste der Europäischen Union? Wir hatten gerade ein interessantes Gespräch mit Dick Marty dazu. Ich glaube grundsätzlich, dass es mehr Bausteine bedarf, um den Terrorismus in Gänze einzudämmen. Dazu gehört sicherlich auch, seine Wurzeln vor Ort in den betreffenden Ländern zu bekämpfen, unter anderem durch die Schaffung von Gesundheitssystemen, Infrastrukturen und Bildungssystemen. Solche Ressourcen dürfen wir nicht Terrororganisationen wie der Hamas im Gaza-Streifen oder der Hisbollah überlassen, denn diese sozialen Zufluchtsorte sind die Orte, wo diese Organisationen auch Unterstützer rekrutieren.
VORSITZ: ADAM BIELAN Vizepräsident
Bárbara Dührkop Dührkop (PSE). – (ES) Herr Präsident! Unser Vorschlag für eine Empfehlung an den Rat und die Kommission heute soll einen Beitrag zu den Bemühungen der Institutionen und der Zivilgesellschaft um die Beseitigung jener Faktoren leisten, die die Unterstützung des Terrorismus und die Anwerbung von Terroristen begünstigen.
Herr Frattini, der Prozess der Vorlage dieser Empfehlung in diesem Haus war langwierig und aufwändig, doch lohnt es sich zweifellos, morgen für das Endergebnis zu stimmen. Der Vorschlag konzentriert sich auf den Kampf gegen den islamistischen Extremismus, ein neues Phänomen in der EU, das ein gewisses Maß an Reflexion und Mittel zu seiner Bekämpfung erfordert.
Er lässt sich jedoch leicht auf jede andere terroristische Sache übertragen, zu der inmitten von Patriotismus und Flaggen angerufen wird. Deshalb möchten wir den Rat auffordern, die Verherrlichung des Terrorismus im Rahmenbeschluss gegen den Terrorismus als Straftat zu betrachten. Es wäre wünschenswert, die Harmonisierung dieses Straftatbestands auf die 27 Mitgliedstaaten auszudehnen, aber – ich wiederhole – stets unter strengster Achtung der Meinungsfreiheit.
Bekämpfung und Prävention einer Radikalisierung müssen Hand in Hand gehen. Wenn wir eine Radikalisierung verhindern wollen, müssen wir für die Erziehung und Integration von 13 Millionen in der EU lebenden Moslems sorgen und eine Stigmatisierung dieser 3,5 % der Bevölkerung verhindern. Was die Außenbeziehungen der EU angeht, so setzen wir uns für einen Dialog und nicht für einen Kampf der Kulturen ein. Deshalb nehmen wir Bezug auf die von den Vereinten Nationen beschlossene „Allianz der Zivilisationen“, und uns ist die rigorose Ablehnung durch einige Abgeordnete unverständlich.
Wir befinden uns im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs. Wir wollen nicht zur Pervertierung der Religion beitragen, sonder es gilt, die soziale Teilhabe und den Dialog zu fördern. Dies sind einige der positiven Ergebnisse der Empfehlung. Sind ihre Vorschläge so destruktiv, dass sich der Redner ihnen einfach nicht stellen konnte?
Herr Weber, ich muss sagen, dass es Herrn Mayor Oreja an parlamentarischer Höflichkeit gefehlt hat, als er dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres keine Erklärung gegeben hat, warum er dagegen gestimmt und anschließend den Bericht abgelehnt hat. Seine Besessenheit, die systematische Opposition auf nationaler Ebene auf das Parlament zu übertragen, sagt viel über die demokratische Einstellung des Vorredners aus. Mit einer solchen Einstellung werden wir nicht weit kommen, wenn wir Fortschritte in Sachen Demokratie erzielen wollen, und die Tätigkeit dieses Hauses basiert auf dem Konsens und nicht auf engstirnigen Verhaltensweisen.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich halte diesen Bericht für einen guten Bericht, und ich unterschreibe nahezu vollständig die Äußerungen meines Vorsitzenden und Parteifreundes, Herrn Deprez. Aber ich stimme ihm und anderen nicht zu, was den angemessenen Geltungsbereich der Anti-Terrorgesetze betrifft.
Ich halte es nicht für hilfreich, die Verherrlichung oder Rechtfertigung des Terrorismus unter Strafe zu stellen. Meines Erachtens ist auch der Begriff „Rechtfertigung“ problematisch. Da viele von uns zu einem früheren Zeitpunkt mit Dick Marty die Frage der Schwarzen Listen von Terroristen und des Einfrierens von Vermögen erörtert haben, muss das Gesetz gerecht und wirksam sein, wenn es glaubwürdig und nachhaltig bleiben und von der Öffentlichkeit unterstützt werden soll. Es ist äußerst riskant, das Strafrecht, wie vorgeschlagen, über Handlungen und Absichten hinaus auf den Bereich der Meinung, der Stellungnahme und gar der Imagination auszuweiten und damit Gefahr zu laufen, Gedankenverbrechen zu schaffen.
Dies hätte eine potenziell abschreckende Wirkung auf die freie Meinungsäußerung. Wenn ich sage, ich verstehe, dass die Kurden in der Türkei wegen der Unterdrückung ihrer Kultur, Sprache und Identität und der Ablehnung ihrer politischen Bestrebungen Wut und Unzufriedenheit verspüren, rechtfertige ich dann die Bomben der PKK?
Es gibt kaum jemandem in diesem Parlament – bedauerlicherweise vielleicht aber doch einige –, die Nelson Mandela eine Ehrung versagen würden. Aber der ANC hat im Kampf gegen den äußerst repressiven Apartheidstaat terroristische Handlungen begangen. Einige Personen, die heute Staatsmänner sind, und in diesem Hohen Haus als Gäste geehrt wurden, haben eine Vergangenheit als Freiheitskämpfer.
Bin ich also nur eine wirre Liberale, der es lediglich um die Redefreiheit geht? Nein, denn das Gesetz muss effizient sein. Wir bestrafen die Anstiftung zum Terrorismus bereits angemessen. Und dies schafft einen breiten Spielraum für die Auseinandersetzung mit Verhaltensweisen und Äußerungen, deren Zweck die Anstiftung zu einer terroristischen Straftat ist.
In der vergangenen Woche hob das zweithöchste Gericht des Vereinigten Königreichs, der Court of Appeal, das Berufungsgericht, die Verurteilung von fünf Männern wegen des Besitzes von dschihadistischem Material auf, eben weil kein Beweis für die Absicht vorlag, den Terrorismus zu unterstützen. Die ursprünglichen Urteile in diesem Fall schafften Verbitterung unter denjenigen – vor allem jungen Muslimen –, die die Außenpolitik Europas und der Vereinigten Staaten in Frage stellen und kritisieren wollten. Dies trägt nicht zur Bekämpfung des Radikalismus bei. Aber diese Fälle haben durch ihren Misserfolg auch Verwirrung im rechtlichen Bereich gestiftet, und das ist gut für Terroristen.
Wir sollten dabei bleiben, Urteile wegen Anstiftung zu verhängen, und Verherrlichung und Rechtfertigung außen vor lassen.
Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Herr Präsident! Auch ich möchte meine Anerkennung für den Bericht, der uns jetzt vorliegt, sowie für die Worte des Kommissars und für das, was er zu tun gedenkt, zum Ausdruck bringen. In meinem Land, den Niederlanden, ziehen die Radikalisierung und ihre tragischen Folgen ebenfalls eine Menge Aufmerksamkeit auf sich. Wir in den Niederlanden sahen uns selbst einem entsetzlichen Mord an einem niederländischen TV-Produzenten gegenüber, den junge Leute begangen haben, die aus diesen radikalisierten Kreisen stammten. Zwar handelt es sich nur um eine kleine Gruppe, aber ihr Tun kann schlimme Folgen haben. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir zusammenarbeiten und unser Möglichstes zur Identifizierung und Isolierung von Gruppen und einzelnen jungen Menschen tun, die sich möglicherweise terroristischen Angriffen zuwenden.
Wie bereits andere Redner erwähnt haben, kommt der Verhinderung der Radikalisierung ebenfalls grundlegende Bedeutung zu. Es geht dabei darum, die Gruppe, die möglicherweise zu Gewalt greift, möglichst klein zu halten. Radikalisierung mündet auch nicht immer in Gewalt. Ohnehin ist es schlimm, wenn sich junge Leute völlig isoliert von der Gesellschaft fühlen und mit ihr nichts mehr zu tun haben wollen. Unserer Erfahrung nach kommt es auch darauf an, dass die Politik zur Bekämpfung der Radikalisierung auf die örtlichen Behörden ausgerichtet wird. Selbstverständlich führt kein Weg daran vorbei sich anzuschauen, was in den Gefängnissen unternommen werden kann und, etwas allgemeiner, auf dem Gebiet der Bildung zu prüfen, wie sich der Missbrauch des Internets verhindern lässt. Gleichwohl sind im Wesentlichen die Behörden vor Ort in der Lage, in den Gemeinschaften selbst aktiv zu sein, die Ursachen der Radikalisierung zu bekämpfen und die jungen Leute zu identifizieren, die dafür anfällig sind. Meines Erachtens kann die Europäische Union, vor allem aber der Kommissar, eine entscheidende Rolle spielen und die Erfahrungen, die wir in mehreren Städten gewonnen haben, zusammentragen. In der vergangenen Woche stattete unsere Fraktion Rotterdam einen Arbeitsbesuch ab, einer Stadt, die sich sehr dafür engagiert, die Radikalisierung zu bekämpfen und zu verhindern sowie die dafür anfälligen Gruppen zu erreichen.
Ebenso erscheint es dringend geboten, in einen breiteren Dialog mit den muslimischen Gemeinschaften in unseren Ländern einzutreten. Einige dieser Jugendlichen stammen aus diesen Gemeinschaften, und wenn wir diese große Gruppe isolieren, werden wir jene kleine Gruppe nie erreichen. Mithin ist es unbedingt erforderlich, dass wir in der Annahme, dass die überwiegende Mehrheit der in unserer Gesellschaft lebenden muslimischen Gemeinschaften nichts mit einer perversen Auslegung ihres Glaubens zu tun haben will, den Dialog aufnehmen und in diesen breiten Dialog, wie ihn meine Fraktion anstrebt, eine Menge investieren, auch in diesem Jahr, dem Jahr des interkulturellen Dialogs.
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Vielen Dank. Herr Präsident, Herr Kommissar! Die EU muss deutlich zeigen, dass der Kampf gegen den Terrorismus sowohl symbolisch als auch praktisch ein Solidaritätsbeweis ist. Wir brauchen mehr Ressourcen, damit Europol mit unseren nationalen Sicherheitsdiensten erfolgreich zusammenarbeiten kann. Das zeigen nicht zuletzt die jüngsten Unruhen nach dem Wiederaufflammen des Konflikts um die Mohammed-Karikaturen.
Wie bereits hier gesagt wurde, muss der Kampf gegen den Terrorismus immer mit legalen und der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Mitteln geführt werden. Die Flüge der CIA in Europa, die Anwendung von Folter, Scheinhinrichtungen und das so genannte Waterboarding, dessen Einsatz die CIA jetzt zugegeben hat, sowie die Einrichtung spezieller Geheimgefängnisse müssen mit allem Nachdruck verurteilt werden. In diesen Fällen, Herr Frattini, hätte die EU wesentlich resoluter reagieren müssen, als sie es getan hat.
Es ist gut, dass der Bericht einen breit gefassten Ansatz hat und auch die Faktoren anspricht, die zu einer zunehmenden Unterstützung und einer erneuten Rekrutierung für solche Gruppen führen, die unsere Gesellschaftsmodelle zugunsten von Gewalt und Sektierertum ablehnen.
Die Tatsache, dass die Täter der furchtbaren Gewaltakte der letzten Jahre in Europa geboren wurden oder hier aufgewachsen sind, hat uns mit brutaler Deutlichkeit klargemacht, dass wir auch unsere eigene Gesellschaft mit kritischeren Augen betrachten müssen. Wir brauchen einen Dialog und eine ehrliche Diskussion über unsere Integrations- und Visapolitik. Hier können und dürfen wir komplizierte Fragen nicht ausblenden. Aber eines liegt für mich auf der Hand: unsere Auffassung darüber, was die Grundlage unserer gemeinsamen Gesetzgebung sein sollte. Die aktuelle Debatte über das Scharia-Recht in Großbritannien zeigt, dass gute Absichten oft mehr behindern als helfen.
Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass das die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften wichtige verfassungsrechtliche Prinzipien nicht gefährden oder beiseite schieben, wie z. B. die freie Meinungsäußerung. Im Bericht wird davon gesprochen, einen neuen Begriff in den Rahmenbeschluss aufzunehmen – die Rechtfertigung des Terrorismus. Das halte ich für unglücklich. Nicht, dass es keine gute Idee wäre sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten über gute Gesetze gegen Anstiftung zum Terrorismus verfügen, sondern weil es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, eine Definition zu finden, die sich einheitlich anwenden lässt und nicht zu komplizierten Auslegungsproblemen führt. Auf der einen Seite steht die wichtige Aufgabe, Wege für den Kampf gegen den Terrorismus zu finden und Menschenleben zu retten. Auf der anderen Seite stehen der Grundsatz der freien Meinungsäußerung und das Streben nach einem hohen Maß an Rechtssicherheit in Europa. Es geht darum, das richtige Gleichgewicht zwischen beiden zu finden.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn Fanatiker unschuldiges Leben einmal ausgelöscht und die demokratische Gesellschaft mit Bomben attackiert haben, dann ist es zu spät. Daher ist es notwendig, alle Maßnahmen zu treffen, insbesondere – wie hier auch von Kommissar Frattini unterstützt – im Bereich der Prävention. Der Dialog als Schlüssel zur Toleranz muss in den Vordergrund gestellt werden. Aber wir brauchen auch eine verstärkte polizeiliche Kooperation, Datenaustausch: alles, was auch über die Europäische Union hinausgeht, muss gestärkt werden.
Besonders begrüße ich, dass der Herr Kommissar auf den Schwerpunkt hingewiesen hat, dass auch Hilfe für Opfer geleistet werden muss. Es geht nicht nur um Toleranz, sondern auch um konkrete Hilfe. Ich möchte hier unterstreichen, dass es eine Beobachtung von Hasspredigern geben muss, das ist eine Notwendigkeit. Es muss aber auch entsprechende Konsequenzen geben. Eine Verherrlichung von Terrorismus darf niemals akzeptiert werden. Daher brauchen wir eine Strategie der Nulltoleranz gegenüber Verbrechen gegen unsere Gesellschaft.
Ich bedaure sehr, dass bei einem Thema, das wir immer sehr ernsthaft diskutiert haben, einmal mehr nationale politische Auseinandersetzungen in diesen Bericht so stark hereingespielt haben.
Manfred Weber (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich wurde von Kollegen der ALDE-Fraktion darauf angesprochen, wie sich die EVP-ED-Fraktion denn verhalten werde. Ich möchte hier noch einmal zum Ausdruck bringen, dass 95 % von dem, was in dem Bericht zusammengefasst wird, von der EVP-ED-Fraktion mitgetragen wird. Ich möchte auch unterstreichen, dass ich es schade finde, dass sowohl der ALDE-Vertreter als auch die PSE-Vertreterin, spanische Kollegen, hier die EVP angegriffen haben. Es ist schade, dass innenpolitische Fragen dazu führen, dass wir in diesem Parlament keine Gemeinsamkeit finden.
Wer morgen will, dass wir einen großen Beschluss des gesamten Hauses hinbekommen, der soll bitte für die EVP-Anträge stimmen. Wir verändern die Substanz des Antrags nicht, aber wir nehmen das innenpolitische Thema heraus. Jeder, der die ausgestreckte Hand der EVP will, kann das morgen zeigen.
Alexander Alvaro (ALDE). – Herr Präsident! Ich finde es charmant, dass man noch einmal reden darf, in einer anderen Debatte ist das anders gehandhabt worden. Nichtsdestotrotz, selbst wenn der Kollege Pirker und ich nicht in allen Punkten übereinstimmen — wir streiten uns oft, gerne und leidenschaftlich — so hat er völlig Recht, wenn er sagt, dass solche Debatten nicht für nationale Zwecke missbraucht werden dürfen. Das stört nicht nur, es bringt oft auch falsche Kompromisse zu Stande.
Ich bin mir sicher, dass die spanischen Kollegen hier im Haus das anders beantworten werden. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung, dass man so etwas sehr oft in die nationale Debatte hineinzieht. Ich bin es auch langsam Leid, dass wir — es ist nicht das erste Mal — ein Pingpongball zwischen der PPE-DE und der PSE sind, wenn es um solche Sachen geht. Ich bin froh, dass die Liberalen immer noch als Vermittler auftreten konnten, und das auch noch funktionstüchtig.
Der Kollege aus Nordirland ist leider nicht mehr da. Das ärgert mich insofern, als er etwas meiner Ansicht nach Unglaubliches gesagt hat, und zwar, dass Terroristen nicht über die gleichen grundsätzlichen Menschenrechte verfügen wie alle anderen. Genau das ist es aber, was uns von Terroristen unterscheidet, dass wir nämlich Menschenrechte allumfassend zugestehen. Dieser Eindruck darf hier niemals entstehen, dass dieses Haus es je anders sehen könnte.
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Angesichts der Wichtigkeit dieser Aussprache habe ich eine Frage an die PPE-DE-Fraktion. Es ging darum, dass die PPE-DE-Fraktion, um den Bericht unterstützen zu können, jeden Bezug auf die spanische Innenpolitik streichen möchte, und auch die anderen Fraktionen auffordert, dies zu tun. Ich möchte den Vertreter der PPE-DE-Fraktion fragen, welcher Änderungsantrag dieser Fraktion mit der Politik Spaniens in Verbindung steht. Es wäre sehr interessant, das zu wissen. Danach könnte bekannt gegeben werden, welche der Änderungsanträge der PPE-DE-Fraktion sich auf die Innenpolitik beziehen. Wollen Sie den Verweis auf die Vereinten Nationen in Änderungsantrag 1 streichen? Wollen Sie den Verweis auf die Vereinten Nationen streichen? Ist das spanische Innenpolitik? Man muss logisch sein. Die einzige Person, die versucht, innenpolitische Fragen einzubringen, ist Herr Mayor Oreja, der nicht einmal die Höflichkeit besaß, an dieser Tagung teilzunehmen.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich wäre äußerst dankbar, wenn einer derjenigen, der die Änderungsanträge zur Strafbarkeit der Verherrlichung unterstützt, so freundlich sein könnte, auf die Punkte einzugehen, die ich angesprochen habe, also erstens, dass ich eine Einschränkung der Redefreiheit befürchte und zweitens, dass ich nicht weiß, wie sie umgesetzt werden können.
Worin besteht die Verbindung zwischen der Verherrlichung einer terroristischen Handlung und dem Begehen einer anderen terroristischen Handlung? Ich habe den Eindruck, es gibt rechtliche Probleme, wie dies vergangene Woche beim Berufungsgericht im Vereinigten Königreich festgestellt wurde, denn es gibt keine direkte Verbindung zwischen Verherrlichung und einer neuen terroristischen Handlung, die offensichtlich dann besteht, wenn Anstiftung oder zumindest Unterstützung vorliegt. Wenn man eine terroristische Handlung lediglich „verherrlicht“, worin besteht dann die direkte Verbindung zwischen dieser und einer anderen Handlung, die begangen wird?
Wenn Sie diese Verbindung nicht herstellen können, laufen Sie Gefahr, von den Gerichten widerlegt zu werden, und dann in eine sehr viel schlechtere Lage zu gelangen, als die, in der Sie sich anfangs befanden. Ich wäre sehr dankbar, wenn jemand, der die Strafbarkeit der Verherrlichung oder Rechtfertigung unterstützt, mich vielleicht aufklären könnte, denn ich verstehe diesen Punkt nicht richtig.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich messe dieser Aussprache von heute Abend erhebliche politische Bedeutung bei. Und ich bin ebenfalls der Auffassung, dass wir gemeinsam eine politische Lösung finden müssen, die breite Unterstützung findet und in einen Bericht einfließen muss, der von allen, oder zumindest von der großen Mehrheit der Fraktionen, angenommen werden kann.
Ich hege keinerlei Zweifel, dass die Terroristen heute versuchen, eine neue Form der globalen Diktatur zu errichten. Wir haben im vergangenen Jahrhundert mächtige Diktaturen erlebt, doch dies ist eine Diktatur, die sich auf den Angriff auf das oberste Grundrecht, nämlich das Recht auf Leben, gründet. Außerdem ist offenkundig, dass diese Strategie zusammen mit Gewalt und Hass zu einer globalen Strategie geworden ist.
Deshalb muss unsere Reaktion nicht nur in der Zusammenarbeit der Polizeikräfte und der und Informationsdienste bestehen, sondern in einer politischen Antwort in Gestalt der Prävention und der Beseitigung der Ursachen, die zum Terrorismus führen. Prävention heißt meiner Meinung nach – und viele von Ihnen haben das hervorgehoben – den Hass auszumerzen und die Ursachen des Hasses zu beseitigen, ohne jemals die Gewalt zu rechtfertigen, denn die schlimmste Gefahr, in die wir nicht geraten dürfen, ist, anzufangen, die Gewalt zu rechtfertigen. Wir müssen den Hass ausrotten, ohne die Gewalt zu entschuldigen.
Jemand sprach von einem Kampf der Kulturen. Nach meinem Dafürhalten lässt diese Theorie sehr zu wünschen übrig. Ich persönlich bin nicht sicher, dass ein Kampf der Kulturen stattfindet. Ich bin davon überzeugt, dass es einen inneren Konflikt in der islamischen Welt gibt, einen Konflikt zwischen einer Minderheit, die die religiöse Botschaft missbraucht, und einer großen Mehrheit von, ich würde sagen, absolut friedliebenden Muslimen, die in einer Atmosphäre des Friedens und der Toleranz leben wollen. Wenn wir eine politische Lösung finden wollen, meine Damen und Herren, so ist dies meiner Meinung nach nur möglich, wenn wir den reformwilligen, friedliebenden Islam gegen diese Minderheit, die weder reformwillig noch friedliebend ist, stärken.
All dies sind politische Schritte, keine Polizei- oder Sicherheitsmaßnahmen. Ich habe von den Rechten der Opfer gesprochen und denke, dass in diesem Bereich mehr getan werden muss. Die Rechte der Opfer sollten stärker als bisher berücksichtigt werden, um ihnen konkrete Hilfe angedeihen zu lassen, die – glauben Sie mir, ich bin davon überzeugt – nicht nur eine wirtschaftliche Unterstützung umfassen darf, sondern sehr oft darin bestehen muss, den Opfern oder ihren Hinterbliebenen, den Verwandten der Opfer von Mordanschlägen, dabei zu helfen, sich nach dem schrecklichen Trauma, das sie erlebt haben, wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Denn auch das ist ein Recht des Opfers: Nicht allein gelassen zu werden, wenn es einen Anschlag überlebt oder einen Verwandten oder einen ihm nahe stehenden Menschen verliert.
Jemand hat gesagt, wir müssten die Ursachen des Terrorismus verstehen. Ich stimme dem zu, ich hatte ja bereits selbst darauf hingewiesen, doch meines Erachtens dürfen terroristische Gruppen, Organisationen oder Methoden nicht legitimiert werden, indem man versucht, sie zu verstehen. Sie zu verstehen ist eine Sache, sie zu legitimieren eine andere: hier besteht ein grundlegender Unterschied.
Nun zu einem letzten Thema, auf das ich noch einmal hinweisen möchte. Die Europäische Union könnte weltweit eine bedeutende politische Rolle spielen, wenn ihr etwas gelänge, was bisher nicht möglich war. Wenn sie die Vereinten Nationen endlich zur Annahme des Internationalen Übereinkommens zur Definition des Terrorismus bewegen könnte. Bisher verfügen wir noch nicht über diese Begriffsbestimmung, was uns außerhalb Europas erhebliche Probleme bereitet. Europa besitzt seine eigene Terrorismusdefinition, doch wie Sie wissen, gibt es Mitgliedsländer in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die einem VN-Übereinkommen über den Terrorismus weder vom Grundsatz noch vom Verfahren her zustimmen.
In dieser Frage könnte Europa, wenn es sich wirklich einig ist, ähnlich vorgehen, wie wir das beim Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe getan haben: die Vereinten Nationen auf eine gewichtige, gefestigte europäischen Position einschwören und auf diese Weise der Antwort auf den Terrorismus weltweite Legitimation verleihen. Wenn der Terrorismus global agiert, muss unsere Antwort absolut entschlossen, aber ebenso global sein.
Gérard Deprez, Berichterstatter. − (FR) Herr Präsident! Lassen Sie mich zum Abschluss der Aussprache noch drei Überlegungen äußern.
Erstens wäre zu sagen, wenn man dem Kommissar und den meisten Rednern zuhört, so ist man wirklich überrascht, wie groß bei der Analyse des Phänomens, der Schwere der Bedrohung, der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen vorbeugenden Maßnahmen und repressiven Maßnahmen herzustellen die Übereinstimmung zwischen uns allen ist, sobald es um die operative Seite der Dinge geht, d. h. was zu analysieren ist, wann Vorbeugung und wann repressive Maßnahmen angezeigt sind.
Zweitens habe ich leider das Gefühl, dass wir in einigen eher symbolischen Fragen morgen wahrscheinlich nicht den notwendigen Konsens erzielen können werden, was ich bedauern würde, denn nach der Analyse der Liste der Änderungsvorschläge scheinen mir die meisten Meinungsverschiedenheiten eher symbolischer als inhaltlicher Art zu sein. Das Problem besteht darin, dass sich diese symbolischen Konflikte durchaus abmildern ließen, wenn jeder bereit wäre, eine Geste zu machen, was jedoch nicht immer zu den Hauptmerkmalen der Fraktionen in diesem Hause gehört.
Drittens würde ich gern noch einige Überlegungen gegenüber einigen Mitgliedern dieses Hauses äußern, insbesondere – wie das auch Alexander Alvaro getan hat – gegenüber unserem irischen Kollegen, der glaubt, dass die Achtung der Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus nicht notwendig sei. Ich finde, diese Haltung birgt eine äußerst ernste Gefahr für die Werte, auf denen unserer Gesellschaft gründet, in sich. Es gibt einen Staatschef, ich habe ihn einmal im Fernsehen gehört, einen europäischen Staatschef, der gesagt hat, dass er die Terroristen mit einem Messer in der Hand bis auf den Letzten verfolgen würde. Doch jetzt ist dies ein Regime, in dem man Oppositionelle vergiftet und Journalisten umbringen lässt und von dem man nicht weiß, ob die Wahlen frei oder gefälscht sind. Wenn man bei der Bekämpfung des Terrorismus mit den Menschenrechten spielt, geht man das Risiko ein, dass unsere demokratischen Gesellschaften auf nicht akzeptable Abwege geraten.
Des Weiteren hat uns Frau Ludford direkt auf das Problem der Apologie des Terrorismus angesprochen. Zur Sache kann ich ihr keine Antwort geben, sondern möchte lediglich sagen, dass ich der Berichterstatter des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres bin, und zwar unter den ihr bekannten Bedingungen, und dass ich mich bei meinen Äußerungen vorhin auf Ziffer 10 des Berichts gestützt habe, die durch den Ausschuss verabschiedet wurde und die ausdrücklich besagt, Frau Ludford, dass der Ausschuss und damit das Parlament eine offene Debatte über die Änderung des Rahmenbeschlusses so und so mit dem Ziel fordert, die Rechtfertigung des Terrorismus in seinen Geltungsbereich aufzunehmen, usw.
Ich habe also kein Plädoyer gehalten, ich habe nur zum Ausdruck gebracht, was im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres festgestellt wurde; ich möchte ihr aber trotzdem noch eine persönliche Antwort geben. Wenn ich von Apologie des Terrorismus spreche, so meine ich Anstiftung, und ich denke, dass Anstiftung ein strafrechtlicher Tatbestand ist.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 19. Februar 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Lena Ek (ALDE), schriftlich. – (SV) Der Kampf gegen den Terrorismus darf nur in einer Art und Weise geführt werden, die einer offenen, demokratischen und gerechten Gesellschaft angemessen ist. Es kommt in entscheidendem Maße darauf an, dass die Bedrohung einer offenen Gesellschaft mit den Mitteln einer offenen Gesellschaft bekämpft wird.
Bei unseren Aktionen und Maßnahmen müssen wir das Gleichgewicht wahren und die Menschenrechte sowie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit achten und dürfen nicht auf Maßnahmen zurückgreifen, die die Persönlichkeitsrechte gefährden.
Aus diesem Grunde habe ich beschlossen, gegen Herrn Deprezs Entwurf einer Empfehlung an den Rat zu den Faktoren, die eine Unterstützung des Terrorismus und die Rekrutierung von Terroristen begünstigen, zu stimmen.
Daciana Octavia Sârbu (PSE) , schriftlich. – (RO) Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Organen im Kampf gegen den Terrorismus muss verbessert werden, weil sich dieses Phänomen verstärkt hat.
Meiner Meinung nach ist der Terrorismus zum Hauptfeind der europäischen Werte, der globalen Stabilität und des Friedens geworden. Wenn wir an die Ereignisse des 11. September 2001 oder die in Madrid vor einigen Jahren zurückdenken, dann haben wir die perfekte Darstellung eines Bildes, das Entsetzen, Angst und Leid zum Ausdruck bringt.
Die EU-Organe hätten gleich danach eine Strategie entwickeln müssen, um sich mit diesem Phänomen vertraut zu machen, es zu verringern und auszumerzen. Wir müssen mit einer Untersuchung beginnen, die so gründlich wie möglich ist: um seine Ursachen aufzudecken, weshalb die Terroristen so entschlossen und fähig sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um zu Märtyrern zu werden, wessen Märtyrer sie sind, wie die Rekrutierung vonstatten geht, wer diese finanziert und wie wir eingreifen können, um sie von ihren Taten abzuhalten.
Um all diese Dinge herauszufinden und sie im Interesse der EU unter Kontrolle zu halten, sollten sich daher die Organe der EU mit der Entwicklung einer solchen Strategie befassen.
Auf diese Weise wird die EU der gesamten Welt ein Zeichen der Einheit und der Stärke geben.
26. Strategie der EU zur Öffnung der Märkte für europäische Unternehmen (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Guardans Cambó im Namen des Ausschusses für internationalen Handel zu der Strategie der EU zur Öffnung der Märkte für europäische Unternehmen (2007/2065(INI)) (A6-0002/2008).
Ignasi Guardans Cambó, Berichterstatter. − (ES) Herr Präsident! Während der Diskussionen über die Lissabon-Strategie und all das, was sie für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Europa bedeutet, erhielt der Außenhandel leider nicht die Aufmerksamkeit, die ihm als wesentlichem Teil einer Strategie für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union zukommt. Wir sind jetzt vorangekommen und die Europäische Kommission hat diesen Zustand korrigiert, die Dinge an die rechte Stelle gerückt und den Außenhandel, den Zugang zu Drittmärkten, als einen weiteren Pfeiler der Struktur, die zu Wachstum und Wohlergehen in der Europäischen Union führen soll, klar positioniert.
Der Export von Waren und Dienstleistungen stellt eine grundlegende Komponente der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften dar und ist damit ein Faktor für Beschäftigung und Wohlstand in der Europäischen Union. Die Hauptschwierigkeiten beim Exportzugang ergeben sich eher aufgrund nichttariflicher Hemmnisse und nicht aufgrund allgemein anerkannter Zölle. Die Kommission hat bereits eine breit angelegte Konsultation durchgeführt und machte damit ihre Absichten im Rahmen ihrer umfassenderen Strategie für ein globales Europa deutlich. Diese Absichten unterstützen wir. Der Bericht berücksichtigt eine Vielzahl der Antworten, die im Laufe der Konsultation eingegangen sind, zumindest aber auch einige, die die Kommission seinerzeit nicht mit aufnehmen wollte.
Die Globalisierung ist keine Bedrohung von außen, vor der es sich zu schützen gilt. Meiner Ansicht nach ist sie eine Riesenchance, um zu erreichen, was früher nicht zu erreichen war. Ein größerer Markt stellt zudem eine Möglichkeit zur Schaffung von Wohlstand dar, also zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Verbesserung des Wohlergehens der Bürger. Natürlich, und hier wende ich mich an einen bestimmten Teil dieses Hauses, fordert der Bericht Zugang zum Markt, einen Marktzugang, der verbessert werden muss, eine Strategie, die die Gegebenheiten der einzelnen Länder respektieren kann und muss. Im Rahmen der führenden Rolle Europas in diesem Bereich werden die legitimen Belange der Schwellenländer berücksichtigt, und dies muss auch künftig so sein.
Doch einer der offensten Wirtschaftsräume der Welt wie das europäische Modell darf sich nicht von bestimmten Dogmen leiten lassen. Dem Export von Waren und Dienstleistungen sowie öffentlichen Aufträgen dürfen keine ungerechtfertigten Hemmnisse in den Weg gelegt werden, und in diesen beiden Fragen kann und muss die Kommission mehr tun. Sie kann und muss ihre Instrumente in Brüssel im Rahmen der EU verbessern, und zwar durch eine bessere Koordinierung mit den Einrichtungen zur Förderung des Handels in den Mitgliedstaaten und Regionen und auch mit den betroffenen Unternehmen selbst. Hier, Herr Kommissar, gilt es, das Wort Subsidiarität im weitesten Sinne zu verstehen. Die Kommission hat dabei eine Rolle inne, die ihr keine andere Institution abnehmen kann, eine Rolle, die niemanden aus dem Weg drängt und uns alle bereichert, indem die Kommission die Arbeiten koordiniert, die andere bereits leisten, vielleicht weniger effektiv als die Kommission es könnte.
Somit legt der Bericht eine Reihe sehr konkreter Punkte dar, die die Kommission im Rahmen ihrer Marktöffnungsstrategie vervollkommnen kann. Ich will sie hier nicht verlesen, aber sie sind äußerst klar und genau definiert und lassen sich mit der gleichen Genauigkeit bewerten. Wir fordern die Kommission zudem ganz konkret auf, Ad-hoc-Maßnahmen festzulegen, um für die Präsenz von Erzeugnissen der KMU auf Drittlandsmärkten einzutreten und sie zu verbessern, denn gerade für diese Produkte kann es zu größeren Schwierigkeiten kommen, wenn sie ohne Schutz sind.
Die Kommission kann und muss zudem die Mittel vor Ort besser koordinieren, ohne Empfindlichkeiten zu verletzen oder jemanden auszugrenzen. Jeden Staat, jede Stelle zur Förderung des Exports, jede Handelsdelegation eines Mitgliedstaats: Ohne jemanden zu verletzen, können die EU-Handelsdelegationen ihre Rolle in den Drittstaaten stärken. Die mangelnde Kommunikation zwischen einigen Außenhandelsakteuren, die jeder kennt, der vor Ort war, ist durch nichts zu rechtfertigen. Auch dürfen wir einen wirklich multilateralen Ansatz für eine bessere Standardisierung sowie die Notwendigkeit möglichst nicht ausschließen, die Mechanismen im Rahmen der WTO zu stärken; das alles wird von sehr großem Nutzen sein.
Daher bin ich der Ansicht, dass wir alle die Annahme dieses Berichts, die voraussichtlich mit breiter Mehrheit erfolgt, begrüßen können. Mein besonderer Dank gilt dem Sekretariat des Ausschusses für internationalen Handel für die Hilfe bei der Erarbeitung des Berichts sowie den Schattenberichterstattern der verschiedenen Fraktionen, die Änderungsanträge eingereicht und den Text bereichert haben.
Dieser Bericht signalisiert neue politische Impulse. Es handelt sich nicht um ein Stück Papier, das verabschiedet, gerahmt und an die Wand gehangen wird. Dies ist, wie der Name schon sagt, der Beginn einer Strategie. Eine Strategie erfordert ein Bündel von Maßnahmen, die es umzusetzen gilt, und wir müssen die Kommission später auffordern können, erneut vor dieses Parlament zu treten und uns zu erläutern, wie diese Maßnahmen realisiert wurden.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Guardans Cambó, und dem Ausschuss für internationalen Handel sehr für diesen wirklich konstruktiven Bericht danken. Er zeigt, dass wir eine gemeinsame Vorstellung sowohl von der Bedeutung eines proaktiven Marktzugangs für die europäischen Unternehmen und Arbeitnehmer als auch von den Grundprinzipien haben, die dieser Strategie zugrunde liegen sollten.
Die hier aufgestellten Prioritäten – KMU, Hindernisse bei Dienstleistungen und Investitionen, öffentliches Auftragswesen und Rechte des geistigen Eigentums – sind auch meine Prioritäten. Dies war die Botschaft des Europäischen Rates im Juni des vergangenen Jahres und auch die Antwort auf unseren Fortschrittsbericht im vergangenen Monat. Wir haben einen starken neuen Konsens über die Wichtigkeit dieser Arbeit erreicht.
Im Zentrum der globalen europäischen Strategie, die wir 2006 eingeleitet haben, stand die Verpflichtung, unsere eigenen Märkte in Europa offen zu halten und unsere Mittel auf die Schaffung neuer Möglichkeiten für europäische Arbeitnehmer und Unternehmen auf den Märkten unserer wichtigsten Handelspartner umzuorientieren. Wir können dies vor allem durch ein erfolgreiches WTO-Handelsabkommen tun, aber auch durch eine neue Generation von Freihandelsabkommen. Dies bedeutet auch, einen realistischeren Ansatz bei modernen Handelshemmnissen zu verfolgen, insbesondere bei nichttariflichen Hemmnissen, die nicht an den Grenzen, sondern hinter der Grenze bestehen. Die europäischen Arbeitnehmer und Unternehmen können nahezu überall konkurrieren, wenn sie faire Möglichkeiten und gleiche Voraussetzungen für den Wettbewerb bekommen. Unsere Aufgabe besteht darin, sie zu unterstützen und ihnen ein Forum dafür zu bieten. Dies bedeutet, sich auf Hemmnisse, Bedingungen und diskriminierende ordnungspolitische Verfahrensweisen zu konzentrieren, die gegen sie wirken und ihnen angemessene Möglichkeiten versagen, zu konkurrieren und zu handeln.
Die Herausforderung im Jahr 2007 bestand darin, diese Politik in die Praxis umzusetzen. Wir haben uns insbesondere auf die Stärkung unserer Ressourcen vor Ort auf unseren wichtigsten Märkten konzentriert und Teams für den Marktzugang eingesetzt, in denen ein Unternehmen, ein Mitgliedstaat sowie Personal und Fachleute der Kommission zusammengeführt werden. Diese Personen kennen die Märkte wirklich und haben ein Gespür für die lokale Politik und ein deutliches Gefühl für das, was notwendig, und das, was möglich ist. Dies hat zu guten Ergebnissen geführt. In den vergangenen sechs Monaten haben wir wichtige Erfolge in Südamerika, Zentralasien, Südasien, Japan und Russland erzielt. Wir haben auch unsere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten bei Fragen des Marktzugangs intensiviert, dies hatte für einige dieser Erfolge entscheidende Bedeutung.
Wir haben ferner ein Online-Beschwerderegister für EU-Unternehmen eingerichtet und eine monatliche Berichterstattung zum Marktzugang in Echtzeit begonnen. Ich stimme daher der Aussage im Bericht nicht wirklich zu, die Kommission habe nicht genug getan, um das Potenzial dieser Partnerschaft während der Startphase voll zu nutzen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ich die Zusammenarbeit für vollkommen halte, oder dass ich vollauf zufrieden bin mit dem, was wir anders oder auch besser tun könnten als im Augenblick.
Ich stimme zu, dass diese neue Strategie ein dynamischer Prozess ist, der eine ständige Wachsamkeit und ständigen Einsatz erfordert. Ehrlich gesagt, braucht sie auch mehr profilierte Verfechter dessen, was wir tun, und wie wir an die Verfolgung unserer Ziele herangehen, sowohl in diesem Haus als auch in den Mitgliedstaaten – Menschen, die an die Öffnung der Wirtschaft glauben, aber auch keine Angst haben, für eine beidseitige Marktöffnung einzutreten, vor allem unter den aufstrebenden Volkswirtschaften, deren eigenes Wachstum durch ihren Zugang zu unseren Märkten befördert wird. Das ist richtig, das ist gerecht, und das ist der Grundsatz des internationalen Handels, an den wir glauben – d. h., während wir uns weiterhin für andere öffnen, sollten diese auch nach und nach ihre Märkte für uns öffnen, wenn der Grundsatz des internationalen Handels richtig und angemessen erfüllt werden soll.
Ich stimme dem Berichterstatter zu, wenn er alle Beteiligten dazu aufruft, aktiv an dieser Partnerschaft teilzunehmen. Wir verbessern ständig unsere Koordinierung vor Ort mit den Mitgliedstaaten und der Wirtschaft, aber die Fachleute müssen auch intensiver arbeiten, wenn wir unser Potenzial ausschöpfen wollen.
Zur Frage der Ressourcen bin ich dankbar für das zusätzliche Personal, das die Haushaltsbehörden der GD Handel zugewiesen haben. Wir werden weiterhin auf mehr Ressourcen für die wichtigsten Märkte in Asien und beispielsweise in Brasilien drängen. In der Zwischenzeit haben wir unser Personal für den Marktzugang in Brüssel aufgestockt.
Abschließend nehme ich auch Ihre Forderung zur Kenntnis, einen Jahresbericht von der Kommission vorgelegt zu bekommen. Neben der regelmäßigen Berichterstattung bin ich auch gern bereit, den jährlichen Tätigkeitsbericht mit dem Parlament zu erörtern.
Noch einmal Danke an den Berichterstatter und das Parlament für seinen Einsatz bei dieser sehr wichtigen Arbeit. Es ist entscheidend, dass wir unsere Energie und unser Engagement 2008 und danach beibehalten. Diese Priorität bedeutet mir und meinen Dienststellen sehr viel; sie bedeutet viel für unsere Unternehmen in Europa und für die Arbeitsplätze, die sie für unsere Arbeitnehmer schaffen können – als Folge des erweiterten Marktzugangs und eines gestärkten Welthandels, die im Mittelpunkt unserer handelspolitischen Strategie für ein globales Europa stehen.
(Beifall)
Silvia-Adriana Ţicău, Berichterstatterin des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. − (RO) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Marktzugangsstrategie der Europäischen Union wurde 1996 auf den Weg gebracht. Die Kommission entwickelte einen kostenlosen Dienst, der den europäischen Exporteuren ein elektronisches, öffentliches, aktualisiertes Register der Marktzugangsbedingungen in ungefähr 100 Ländern zur Verfügung stellt.
2007 wurde durch den Handel in der Eurozone ein Überschuss von 28,3 Milliarden Euro im Vergleich zu einem Defizit in Höhe von 9,3 Milliarden Euro im Vorjahr erwirtschaftet. 2007 wies die EU-27 ein Defizit von 185,7 Milliarden Euro auf, 2006 waren es noch 192,1 Milliarden Euro. Deshalb sollte auf Gemeinschaftsebene etwas unternommen werden, damit die nicht zur Eurozone gehörenden Mitgliedstaaten wettbewerbsfähiger werden.
Wir sind der Meinung, dass der Marktzugang durch die Propagierung der Werte und Grundsätze der Europäischen Union in Drittländern erleichtert wird, indem offene Märkte unterstützt werden, die sozialen Standards und Umweltnormen angenähert werden und der Schutz der geistigen Eigentumsrechte gewährleistet wird.
Bestandteil der Partnerschaft zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sowie den europäischen Unternehmen sollten Investitionen in die Forschung, Werbekampagnen, um die vorhandenen Dienstleistungen und Informationen bekannt zu machen, die Verbesserung des gemeinschaftlichen Computersystems bezüglich des Marktzugangs, die Vernetzung der maßgeblichen Datenbanken sowie die Ausbildung von Spezialisten zur Unterstützung der europäischen Unternehmen sein.
Corien Wortmann-Kool, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Die neue Marktzugangsstrategie der Kommission soll einen konkreten Beitrag zur Beseitigung von Hemmnissen in Drittstaaten leisten. Sie gilt daher zu Recht, wie der Kommissar ausführte, als wichtige Ergänzung zur WTO und zu den Freihandelsabkommen. Ich bin höchst zufrieden mit dem positiven Bericht des Parlaments und möchte unserem Berichterstatter, Ignasi Guardans Cambó, danken, der es auch vermocht hat, klare Prioritäten vorzugeben: intensivere Zusammenarbeit mit der europäischen Wirtschaft und mehr Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen; der Helpdesk bei der Kommission, aber auch vor Ort in den Drittstaaten. Ich halte das europäische Institut für europäische KMU in China für eine ausgezeichnete Initiative der Kommission.
Es ist eine Sache der Gegenseitigkeit. Wir öffnen unseren Markt für Drittstaaten, und dann müssen auch die Märkte in diesen Drittstaaten für unsere europäischen Betriebe offen sein, insbesondere in den aufstrebenden Volkswirtschaften China, Indien, Brasilien und Russland. In der Marktzugangsstrategie sollten wir dem daher mit Kompetenzteams für die Marktöffnung, die europäischen Unternehmen in diesen Ländern Hilfestellung leisten, Priorität einräumen. Das bedeutet, wir müssen dafür ausreichendes Personal einsetzen, auch in diesen europäischen Botschaften, wie Sie bereits angedeutet haben. Die europäische Wirtschaft ist der größte Exporteur weltweit, und wir müssen stets und ständig gegen protektionistische Maßnahmen, sogar in diesen Drittstaaten, kämpfen. Legen Sie Ihre Prioritäten für die wesentlichen Bereiche fest: Dienstleistungen, öffentliche Aufträge, Investitionen, geistiges Eigentum und Zollverfahren.
Zu meiner Freude haben Sie angekündigt, uns jährlich Bericht zu erstatten, und es wäre zielführend, auch einmal im Jahr über die Prioritäten zu diskutieren. Sie haben hier Engagement an den Tag gelegt, und das ist für uns von hohem Wert. Ich hoffe wirklich, dass Sie auch mit Ehrgeiz die Anpassung der handelspolitischen Schutzinstrumente angehen, mit demselben Ehrgeiz, den Sie bei dieser Strategie unter Beweis gestellt haben.
Carlos Carnero González, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Ich möchte meinen Redebeitrag mit einem Glückwunsch an den Berichterstatter zu seiner sehr wichtigen Arbeit mit Vorschlägen und Analysen beginnen.
Dieses Parlament stimmt nicht über Begründungen ab, wenn wir es jedoch bei diesem Bericht täten, würde ich mit Ja stimmen, weil er zweifellos die Hauptvorschläge für Bestimmungen begründet. Daher sehe ich mich in der Lage, die Unterstützung der Sozialdemokratischen Fraktion anzukündigen, verbunden mit der Bitte an den Berichterstatter, einige der wichtigsten, von uns gemäß den Idealen einer linken Fraktion eingereichten Änderungsanträge zu berücksichtigen.
Europa ist ohne Zweifel größte Exporteur von Waren und der bedeutendste Erbringer von Dienstleistungen weltweit. Überdies haben wir in einem globalisierten Kontext ein legitimes Recht, so viele unserer Produkte und Dienstleistungen wie möglich auf den Märkten der Schwellenländer zu vertreiben. Warum nicht? Das ist logisch und normal, und unsere Bürgerinnen und Bürger wollen es so. Daher sind die Vorschläge im Bericht und in der Mitteilung der Kommission richtig, beginnend mit der Beseitigung nichttariflicher Hemmnisse, einer „Hydra“, wie der Berichterstatter sie zu Recht nennt: einer Hydra hinter den Kulissen, die nicht nur den Zugang der europäischen Produkte und Dienstleistungen zu den Märkten sondern auch die ausgewogene Entwicklung dieser Länder und Märkte behindert.
Daher bin ich der Ansicht, dass dieser Bericht in die richtige Richtung weist, denn es muss uns darum gehen, unsere Lissabon-Agenda zu sichern und unser Sozialmodell zu stärken. Wir müssen uns auch dafür einsetzen, dass dieses Modell in den Schwellenländern, mit denen wir Handel treiben wollen, Fuß fassen kann. Für mich steht außer Zweifel, dass dies den Arbeitnehmern in Europa und den Arbeitnehmern in den anderen Ländern zugute kommt.
Wir legen großen Nachdruck auf die Arbeitsbedingungen, die Sicherheit, den Umweltschutz und vor allem die Menschenrechte. Darauf basieren unsere wesentlichen Änderungsanträge.
Ich muss den Berichterstatter nochmals auffordern, sie zu berücksichtigen. Wie aber erreichen wir diese Ziele? Wir erreichen sie durch intensivere Zusammenarbeit – ich weiß nicht, ob sie „verstärkte“ Zusammenarbeit genannt werden kann, denn das führt zu Verwechslungen mit den institutionellen Bestimmungen des neuen Vertrags – zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen, angefangen mit der Unterstützung für KMU. Also herzlichen Glückwunsch, und gute Nacht!
Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns bewusst, wie heikel dieses Thema ist und mit welch großer Aufmerksamkeit es in unseren jeweiligen Ländern verfolgt wird.
Die UEN-Fraktion ist sehr zufrieden mit dem Vorschlag, der von Herrn Guardans Cambó vorgelegt wurde, sowie mit der ergänzenden Arbeit des Ausschusses für internationalen Handel. Ich möchte den Berichterstatter beglückwünschen und meine Anerkennung für seine Analyse und seinen europäischen Blickwinkel bekunden, denn er hat den Schwerpunkt auf die oft durch ungerechtfertigte Hindernisse verursachten Schwierigkeiten gelegt, mit denen die europäische Wirtschaft auf den internationalen Märkten zu kämpfen hat.
Die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern heißt, einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der Lissabon-Strategie zu leisten. Wenn wir imstande sind, die internationalen Märkte stärker für die europäische Industrie zu öffnen, werden wir die Unternehmen in die Lage versetzen, zu wachsen, auch in Know-how und Technologie zu investieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist es, was viele Wirtschaftsbereiche in unseren Ländern von uns fordern.
Die europäische Industrie stößt beim Zugang zu ausländischen Märkten auf Hindernisse verschiedener Art. Die Hemmnisse bestehen aus einer Gesamtheit unterschiedlicher Maßnahmen, die von undurchsichtigen Regelungen und Investitions- und Markteintrittsschranken über unlautere Handelspraktiken bis hin zur Geringachtung der Rechte an geistigem Eigentum und breit angelegter Nachahmung europäischer Erzeugnisse und, ganz allgemein, ernsten und systematischen Verstößen gegen die WTO-Regeln und andere internationale Handelsnormen reichen.
Die Mitteilung der Kommission geht in die richtige Richtung, und das Parlament ist gewillt, die aufgezeigten Maßnahmen, die den Zugang zu ausländischen Märkten verbessern sollen, zu unterstützen. Darunter die Stärkung einer strategischen Partnerschaft zwischen der Kommission, die weiterhin für die Koordinierung sorgen würde, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen der Europäischen Union, um die Wirtschaftsakteure und vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die Kontakte in Drittländern suchen oder in diese exportieren wollen, zu unterstützen.
Es gilt, die Präsenz in den Delegationen der Kommission in einigen Schlüsselländern zu verstärken. Dies sollte Teil einer umfassenderen Strategie sein, die gemeinsam mit unseren Haupthandelspartnern, als da sind USA, Japan und Kanada, vorangebracht werden muss; sie haben international gesehen dieselben Sorgen wie wir und können sich gemeinsam mit der EU für ein einschlägiges multilaterales Übereinkommen einsetzen, indem sie WTO-Mechanismen fördern, die eine zügigere Erörterung von Schritten gegen neue nichttarifäre Hemmnisse möglich machen.
Die Tätigkeit auf multilateraler Ebene, die angesichts der Anzahl der beteiligten Länder am effektivsten, aber auch am schwierigsten ist, muss demzufolge durch Abkommen flankiert werden, mit denen die Widersprüche im Zusammenhang mit dem Bestehen ungerechtfertigter Hemmnisse in Drittländern beim Namen genannt und gelöst werden.
Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Wenn man die Mitteilung der Kommission und insbesondere den Bericht des Parlaments liest, kann man auf den Gedanken kommen, dass die arme kleine EU von bösen ausländischen Mächten diskriminiert wird. Das wird besonders in Ziffer 4 des Berichts deutlich, in der wir die Kommission auffordern, dafür zu sorgen, dass die berechtigten handelspolitischen Interessen der Europäischen Union gegen missbräuchliche oder unfaire Handelspraktiken von Drittstaaten geschützt werden. Weiter heißt es, „dass die Europäische Union zügig und entschlossen reagieren sollte, wenn Drittstaaten ungerechtfertigterweise den Zugang von EU-Unternehmen zu ihren Märkten beschränken“.
Wir sollten mit dieser Art von Formulierungen gegenüber ehemaligen Kolonien vorsichtig sein, denn diese erinnern sich noch daran, wie es war, als Europa das letzte Mal entschlossen reagierte, um seine Interessen zu verteidigen. Eine solche Sprache kann uns mehr schaden als alle Handelshindernisse.
Sicherlich hat die Kommission nicht ganz Unrecht darin, dass es technische Handelshemmnisse und unfaire Regeln gibt. Natürlich müssen wir diese in aller Ruhe mit unseren Partnern diskutieren und eventuelle Probleme lösen. Dazu sollten jedoch nicht nur Unternehmen eingeladen werden, sondern auch gemeinnützige Organisationen, einschließlich solcher aus Drittstaaten, denn dann können wir vielleicht die Gründe für die Entstehung dieser Regeln verstehen und erkennen, ob sie angemessen sind oder nicht.
Mir bereitet die 10-Punkte-Liste Sorgen. Restriktive Ausfuhrpraktiken für Rohstoffe, Obergrenzen für ausländische Beteiligungen im Dienstleistungssektor, Beschränkungen für ausländische Direktinvestitionen, das öffentliche Auftragswesen und die Anwendung staatlicher Beihilfen müssen als berechtigte Handelshindernisse betrachtet werden, die legitimen Rechtsvorschriften entspringen und Verwaltungsmaßnahmen staatlicher Behörden darstellen. Sie können nicht ohne öffentliche Konsultation und Beratung aufgehoben werden, ohne dabei die Stabilität in diesen Ländern zu gefährden.
Länder müssen das Recht haben, Gesundheit und Umwelt zu schützen und Verfahren im öffentlichen Auftragswesen anzuwenden, die dafür sorgen, dass ihre eigenen Unternehmen nicht vollständig vom internationalen Wettbewerb überrannt werden, was zu Massenarbeitslosigkeit führen würde. Wir können auch keine unangemessenen Forderungen zum Schutz unserer geistigen Eigentumsrechte an Länder stellen, die kaum über die Ressourcen zum Schutz der Menschenrechte verfügen. In diesem Zusammenhang sollten wir lieber die Freiheit fördern, als Fallen aufstellen.
Bekämpfen sollten wir solche Regeln, die darauf abzielen, einheimische Unternehmen mit ausländischen Niederlassungen zu begünstigen und die gegen andere ausländische Akteure gerichtet sind. Hier können wir Regeln bekämpfen. Was andere betrifft, die dazu dienen, direkt oder indirekt die Bevölkerung oder einheimische Unternehmen zu schützen, müssen wir manchmal ein Auge zudrücken können. Wir selbst haben unsere Industrie geschützt, bis sie stark genug für den internationalen Wettbewerb war. Anderen muss die gleiche Möglichkeit zugestanden werden.
Christofer Fjellner (PPE-DE). – (SV) Öffnung der Märkte bedeutet Abschaffung von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen auf der ganzen Welt. Dabei handelt es sich um eine Priorität von immenser Bedeutung für die Handelspolitik der Union. Auf diese Weise entstehen nicht nur Geschäftsmöglichkeiten für europäische Unternehmen, sondern sie erhalten auch Zugang zu besseren und billigeren Produkten in anderen Teilen der Welt. Es entsteht Wohlstand weltweit.
Ich erlebe hier auch eine ungewohnte Einigkeit im Europäischen Parlament. Das ist erfreulich in einer Zeit, in der der Protektionismus überall auf der Welt auf dem Vormarsch ist. Daher meine ich, dass die Mitteilung der Kommission und der Bericht von Herrn Guardans Cambó besonders jetzt notwendig sind und wirklich eine hohe Qualität aufweisen.
In dieser Diskussion möchte ich noch eine andere Frage anschneiden, die wir nicht außer Acht lassen dürfen, nämlich die damit zusammenhängende Offenheit auch auf der anderen Seite. Europäische Unternehmen brauchen auch Offenheit in Europa, um international wettbewerbsfähig zu sein und den Marktzugang, den wir in anderen Ländern schaffen können, zu nutzen. In unserer globalisierten Welt mit immer mehr Unternehmen, die über globale Versorgungsketten verfügen, können unsere eigenen Zölle ebenso schädlich für unsere erfolgreichen Unternehmen sein wie die Zölle, die wir in anderen Ländern bekämpfen.
Ich habe einen konkreten Vorschlag für den Kommissar, der vielleicht ein wenig zur Lösung dieser Frage beitragen kann. Wenn Unternehmen Probleme beim Handel innerhalb der EU haben, melden Sie diese Solvit, einem hervorragenden Instrument zur Verbesserung der Mobilität auf dem Binnenmarkt. Hat nun eine Firma Probleme bei der Ausfuhr in ein Drittland, erfolgt eine Meldung an die Marktzugangsdatenbank. Das ist ebenfalls ausgesprochen wichtig. Beide Systeme bilden eine Basis für Verhandlungen über Handelserleichterungen. Vielleicht können wir entweder die Marktzugangsdatenbank oder Solvit dahin gehend weiterentwickeln, dass sie auch eventuelle Probleme von Importfirmen in der EU aufgreifen.
Auf diese Weise können wir selbst wie auch die übrige Welt weiter in einer Richtung voranschreiten, die dem freien Handel förderlicher ist. Dann können wir zeigen, dass Europa bei der Öffnung der Märkte sowohl im Ausland als auch hier bei uns an der Spitze steht.
Leopold Józef Rutowicz (UEN). – (PL) Herr Präsident! In dem Bericht von Herrn Guardans Cambó geht es um die Bereiche, die der Schaffung einer stärkeren Partnerschaft dienen, um den Zugang zu Drittlandsmärkten für europäische Exporteure zu verbessern.
Der Zugang zu diesen Märkten wird häufig durch protektionistische Maßnahmen, unlauteren Wettbewerb und die Errichtung bürokratischer Hindernisse erschwert. Mit Exportproblemen sehen sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen konfrontiert, die in Europa die meisten Arbeitsplätze schaffen. Ihre Chancen, auf diesen Märkten Fuß zu fassen und ihre Produkte und Dienstleistungen den Bedürfnissen der Verbraucher anzupassen, sind angesichts der fehlenden Mittel für die Forschung und die Einführung neuer Technologien begrenzt.
In dem Bericht wird ganz richtig hervorgehoben, dass den KMU auf europäischer, staatlicher und diplomatischer Ebene weitgehende Unterstützung zuteil werden muss. Die Europäische Union muss ihre logistischen Anstrengungen verstärken und angemessene Hilfe leisten, um diesen Unternehmern den Zugang zu Drittlandsmärkten zu erleichtern.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Genau wie Sie, Herr Kommissar, sind auch wir besorgt über das Fehlen des wechselseitigen Zugangs zum Markt und der Ungleichbehandlung europäischer Erzeugnisse, die viele Partner erleben.
Die EU wendet beispielsweise in der Textilindustrie und im Bekleidungssektor einen durchschnittlichen Tarif von 9 % an, der zu den niedrigsten der Welt gehört. Im Gegensatz dazu erheben viele Wettbewerber neben einer Vielzahl nichttariflicher Hindernisse Zolltarife von bis zu 30 % und mehr.
Daher müssen die Schwellenländer auch bis zu einem bestimmten Grad das Prinzip der Gegenseitigkeit bei Konzessionen entsprechend ihrem Entwicklungsstand und ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einem bestimmten Sektor akzeptieren. Der Schutz der geistigen Eigentumsrechte und der geografischen Angaben im Weltmaßstab ist nach wie vor recht unzureichend; dadurch wird der Wettbewerbsvorteil des großen Wertzuwachses europäischer Industrie- und Agrarprodukte neutralisiert.
Die Harmonisierung der internationalen Rechtsmodelle und Regelungen erleichtert den Zugang zu ausländischen Märkten, so dass der europäische Rechtsrahmen im Bereich Umwelt, Soziales, öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz nicht unbedingt flexibler werden muss.
Ganz im Gegenteil: Das Ziel besteht in der Konvergenz, die allerdings nach oben gerichtet sein muss. Ganz wichtig sind die Klassifizierung von Importen entsprechend den maßgeblichen Spezifikationen und Erfordernissen sowie die Suche nach erfolgreichen Methoden für die Bewältigung des Umwelt- und Sozialdumpings.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen im Mittelpunkt der neuen Marktzugangsstrategie stehen müssen.
Mein Glückwunsch gilt dem Berichterstatter, der Schattenberichterstatterin sowie dem Herrn Kommissar. Ich begrüße die Initiative der Kommission zur neuen Marktzugangsstrategie.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Kommissar! Auch ich bin überzeugt, dass die Delegationen der Kommission und die in Drittländern tätigen neuen Marktöffnungs-Teams ein deutlich stärkeres Mandat benötigen. Meiner Meinung nach sollte die Kommission ihre Prioritäten bei der Zuteilung der Humanressourcen für die EU-Delegationen neu überdenken und die Zahl der Delegationsmitglieder erhöhen, vor allem der in China, Indien, Russland und Brasilien agierenden Delegationen. Die Mitgliedstaaten müssen einen deutlicheren Beitrag zur personellen und finanziellen Ausstattung dieser Delegationen im Verhältnis zu ihren Handelsinteressen leisten. Ferner sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit mit den europäischen Handelskammern, Industrieverbänden und Agenturen der Mitgliedstaaten in Drittländern verbessern. Das ist unabdingbar für den Informationsaustausch zwischen den Delegationen, diplomatischen Missionen und europäischen Wirtschaftsverbänden. Davon würden vor allem KMU profitieren. Hauptziel unserer Strategie muss jedoch die Gegenseitigkeit der Handelsbeziehungen beispielsweise mit China sowie eine strengere Durchsetzung der internationalen Handelsvorschriften sein, doch diese Durchsetzung darf nicht als Protektionismus bezeichnet werden.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich fand es interessant, dass der Herr Kommissar als einziger die WTO-Verhandlungen erwähnte. Vielleicht ist dies eine Gelegenheit, einige Informationen über die neuen Chancen auf den Märkten unserer wichtigsten Handelspartner zu erhalten, die uns ein erfolgreiches WTO-Abkommen bieten würde. Aber Sie sagten auch, Herr Kommissar, eine neue Generation von Freihandelsabkommen könne vielleicht ausreichen. Geben Sie eine Niederlage bei der WTO zu? Vielleicht könnten Sie uns einige aktuelle Informationen darüber liefern, denn ich halte dies für einen entscheidenden Teil dieser Aussprache.
Dürfte ich Sie auch bitten, auf einige Bedenken gegenüber der derzeitigen Lage beim landwirtschaftlichen Teil der WTO einzugehen? Dabei handelt es sich um Bedenken gegenüber den künftigen Zugeständnissen der EU bei Einfuhrtarifen für empfindliche Erzeugnisse und der beträchtlichen Erhöhung von Zollkontingenten als Teil der Agenda, denn es geht auch um die Frage, welcher Fortschritt in der WTO beim Zugang zu nicht-landwirtschaftlichen Waren und Dienstleistungen erreicht wird. Meines Erachtens brauchen wir aktuelle Informationen, wenn Ihnen dies als Teil dieser Aussprache möglich ist.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Wir möchten in dieser Aussprache auf drei Dinge aufmerksam machen. Erstens: Die Europäische Union muss überall dort, wo die Exportinteressen eines Mitgliedstaates durch unlautere Praktiken von Drittländern gefährdet sind, eindeutig und entschieden Position beziehen. Deshalb sollten wir der Haltung der Europäischen Union in der Frage des russischen Einfuhrverbots für Fleisch und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Polen Anerkennung zollen. Zu dieser Positionierung gegenüber Russland hat sie sich aber leider erst bereit gefunden, nachdem die russischen Beschränkungen für polnische Exporte schon über ein Jahr bestanden und Polen mit seinem Veto die Vorbereitungen für das Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland blockiert hat.
Zweitens: Die Öffnung der EU-Märkte für Waren und Dienstleistungen aus Drittländern sollte auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit basieren. Die Union muss deshalb prüfen, ob in den Fertigungskosten der Exporteure aus Drittländern die Aufwendungen für die Einhaltung der Umweltnormen und den Sozialschutz für die Arbeitnehmer in diesen Ländern enthalten sind. Wenn diese Aufwendungen dort nicht einfließen, werden europäische Produkte im Wettbewerb auf den Weltmärkten niemals bestehen können.
Drittens: Bei der Öffnung der EU-Märkte für landwirtschaftliche Produkte aus Drittländern ist größte Vorsicht geboten. Eine vollständige Öffnung bedeutet für viele Agrarsektoren in Europa ganz einfach das Aus, und damit wäre die Ernährungssicherheit in Europa gefährdet.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Offene Volkswirtschaften und offene Märkte sind ein Merkmal der modernen Marktwirtschaft, der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Das ist eine neue Qualität der globalen Wirtschaft. Nicht alle Unternehmen können jedoch im Wettbewerb bestehen, vor allem dann nicht, wenn er nicht immer fair ist und von den Großen und Starken dominiert wird.
Importieren können sowohl große als auch kleine Unternehmen, aber die großen haben mehr Möglichkeiten, ihren Export auszubauen. Die Erschließung neuer Märkte erfordert nämlich beträchtliche Investitionen in Werbemaßnahmen und in das gesamte logistische System. Deshalb scheint es für die KMU der richtige Weg, den Export gemeinsam auszubauen und vor allem zu fördern.
Es muss ein gewisses Maß an Hilfe und staatlicher Unterstützung für Unternehmen im Bereich der Exportförderung und vor allem des Know-how möglich sein. Auch sollte es auf WTO-Ebene Abkommen über die Entwicklung des Handels zwischen den KMU geben. Besonders wichtig ist, dass Unternehmen, die auf dem globalen Markt agieren, Zugang zu Informationen erhalten. Die Qualität des Handels muss verbessert und es muss vor allem Chancengleichheit in Bezug auf den Marktzugang geschaffen werden.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihnen und den Mitgliedern des Parlaments für die sehr konstruktive und nützliche Aussprache über diesen ausgezeichneten Bericht danken. Ich bin besonders dem Abgeordneten dankbar, der eine Neugewichtung des Einsatzes personeller Mittel für die Delegationen der Kommission in Schlüsselbereichen der Wirtschaft gefordert hat. Ich halte das für einen ausgezeichneten Vorschlag, den ich ohne zu zögern an meine Kollegen weitergeben werde. Ich könnte Ihnen im Einzelnen darlegen, wie wenig Personal beispielsweise die für den Handel mit China zuständigen Delegationen haben, wenn man dies mit der sehr viel höheren Anzahl von Personen vergleicht, die sich mit dem sehr geringen Betrag für Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit in diesem Land beschäftigen, auch angesichts der Milliarden, um die es für Europa beim Handel geht. Aber das werde ich nicht tun. Ich werde mir den Vorschlag merken und weitergeben.
Es ist sicherlich nicht so, dass ich für Freihandelsabkommen auf Kosten der WTO-Verhandlungen eintrete. Jeder, der mit der globalen Handelsstrategie für Europa vertraut ist, die wir im November 2006 vorgelegt haben, wird merken, dass mein Eintreten für tief greifende, umfassende Freihandelsabkommen, die wirklich zur Erhöhung der Gesamtsumme des Welthandels beitragen und ihn nicht einfach umlenken, kennzeichnend für unseren Ansatz war – neben unserem Einsatz für die WTO-Verhandlungen, die Doha-Runde. Ich kann dem Abgeordneten versichern, dass ich weiter an ihrem Erfolg und nicht an ihrem Scheitern arbeiten werde. Gerüchte über weitere inakzeptable oder unangemessene Zugeständnisse bei der Landwirtschaft sind unbegründet. Die einzigen Gerüchte, die ich über solche ungerechtfertigten Zugeständnisse aufgeschnappt habe, kamen heute vom irischen Außenminister im Rat „Allgemeine Angelegenheiten“. Diese Gerüchte scheinen innerhalb einer relativ kleinen Interessengemeinschaft zu kursieren.
Tatsache ist, dass wir uns bei der Landwirtschaft – und anderen Bereichen der Doha-Verhandlungen – so weit bewegen werden, wie dies für den Erfolg der WTO-Verhandlungen sinnvoll ist. Aber letztlich muss dies innerhalb der Grenzen des Mandats geschehen, das uns auf der Grundlage der GAP-Reform 2003 erteilt wurde.
Es ist richtig, dass wir zwei neue Verhandlungstexte haben, die von den Vorsitzenden der Verhandlungsgruppen in den letzten Wochen vorgelegt wurden. Bei dem Text zur Landwirtschaft ist nicht alles nach unserem Geschmack, aber es gibt darin nichts, mit dem wir Probleme haben oder das über unser Mandat hinausgeht.
Im Falle des Marktzugangs von nicht landwirtschaftlichen Erzeugnissen – gewerblichen Waren – ist die Lage meines Erachtens weniger zufrieden stellend. Dort hat der neue Text, den der Vorsitzende vorgelegt hat, eher einen besseren Fluss der Verhandlungen bewirkt als konkretere Grundlagen geschaffen. Ich bedaure das, aber auch dies ist etwas, mit dem wir arbeiten und durch das wir uns bei den Verhandlungen hindurchkämpfen müssen.
Diese Aussprachen wären ohne die Beiträge von Herrn Schlyter weniger angenehm. Wann immer er das Wort ergreift, fühle ich mich stets in meinem persönlichen Engagement und meinen Überzeugungen im Hinblick auf den Freihandel bestärkt. Seine Ausführungen geben mir immer die Gewissheit, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Es geht hier nicht darum, dass die arme kleine Europäische Union gegen die mächtigen Titanen unter den aufstrebenden Volkswirtschaften kämpft. Es geht auch nicht darum, dass die Kommission im Bereich Handel plötzlich von einer Art aggressiver Lust am Schikanieren überfallen wurde und versucht, ihre Interessen gegen andere ohne Konsultation oder Rücksichtnahme durchzusetzen.
Tatsache ist, dass diejenigen unter uns, die an den internationalen Handel glauben, nach einem Gleichgewicht suchen, wir streben Gegenseitigkeit an, aber auch den gemeinsamen Nutzen. Wenn wir eine Öffnung der Wirtschaft anderer anstreben, tun wir das nicht allein, um uns zufrieden zu stellen oder unseren eigenen Interessen zu dienen oder unseren Bedarf zu decken. Wir tragen auch zu Wohlstand und Wachstum der Volkswirtschaft bei, deren stärkere Öffnung wir erreichen wollen.
Natürlich ist die Liberalisierung der Wirtschaft etwas, das schrittweise erreicht werden muss. Dies ist eher ein gradueller Prozess und geschieht nicht auf einen Schlag, ganz plötzlich. Tatsache ist, dass aufstrebende Volkswirtschaften Gewinn aus einer stärkeren Öffnung ziehen. Dies bedeutet nützlichen Wettbewerb, um die Innovation zu stimulieren und die Produktivität in diesen Volkswirtschaften anzukurbeln, es bedeutet eine Senkung der Kosten des Inputs für die örtliche Industrie, es bedeutet preiswertere Waren für Verbraucher in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften und es bedeutet, Kapital, Technologien, Kreativität und moderne Managementfähigkeiten in diese industriellen Schwellenländer zu bringen.
Der Prozess der Öffnung und Integration in die Weltwirtschaft sichert das Wachstum und die Stärkung dieser aufstrebenden Volkswirtschaften, damit ihre Unternehmen wachsen, die dringend benötigten Arbeitsplätze für ihre Arbeitnehmer in diesen Wirtschaften schaffen und Erzeugnisse und Dienstleistungen für den Export generieren können, so dass sie einen zunehmenden Anteil am internationalen Handel erreichen und gewährleisten können. Mit anderen Worten, Öffnung erzeugt Öffnung, Handel erzeugt Handel. Unser Wohlstand und unsere Möglichkeiten erzeugen Möglichkeiten für diejenigen, die in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften leben und arbeiten. Wir sprechen also, anders gesagt, von einer positiven Wechselwirkung, und darum geht es bei der Strategie für den Marktzugang, zu der unser Berichterstatter einen so ausgezeichneten Bericht vorgelegt hat.
Was die lokale Beschaffung betrifft, so möchte ich abschließend sagen, dass es wichtig ist, die Fähigkeit der aufstrebenden Volkswirtschaften und Entwicklungsländer zu unterstützen und zu fördern, ihre eigenen Beschaffungsmärkte zu versorgen. Bedeutet dies jedoch höhere Kosten für die öffentliche Beschaffung in diesen Volkswirtschaften, bedeutet dies Unzulänglichkeiten, Mangel an Transparenz und in einigen Fällen gar Korruption bei der Durchführung der öffentlichen Beschaffung, wer trägt dann die Kosten? Die Antwort lautet: die Menschen vor Ort, die Arbeitnehmer, die Steuerzahler in den aufstrebenden Volkswirtschaften und Entwicklungsländern, die es sich kaum leisten können, diese Kosten zu tragen.
Daher ist es wichtig, für Offenheit und Transparenz bei der Politik der öffentlichen Beschaffung und dem Verhalten in den sich rasch entwickelnden Volkswirtschaften zu sorgen. Es geht nicht einfach darum, der „armen kleinen“ Europäischen Union zu gefallen und sie zufrieden zu stellen.
Ignasi Guardans Cambó, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Es bleibt nicht mehr viel zu sagen. Zunächst einmal möchte ich noch einmal all denen danken, die diese Aussprache, nicht nur heute, sondern seit Beginn der Debatte durch ihre Beiträge, Änderungsanträge und auch die informellen Gespräche, die wir führten, bereichert haben. Dies hat zu einem abschließenden Text geführt, der nicht die Arbeit eines Berichterstatters, sondern aller Beteiligten ist.
Wir teilen die Diagnose größtenteils, und ich war überrascht über den Ton einiger Anmerkungen vonseiten der Grünen in diesem Hohen Haus. Es wäre interessant, wenn sich der betreffende Kollege die Ergebnisse und Auswirkungen des Freihandels in situ anschauen würde, wenn er einem mittelgroßen Unternehmen, sagen wir in der Nähe von Barcelona, wo ich lebe, sagen könnte, dies sei ein „kolonialer Ansatz“. Ich könnte viele Unternehmen anführen, die um den Export kämpfen, und deren Tätigkeiten zu einem großen Teil von den Ausfuhren abhängen. Vielleicht möchte er den Angestellten dieser Betriebe sagen, dass sie sich als europäische Kolonialherren aufführen, wenn sie versuchen, den Anteil des von ihnen hergestellten Erzeugnisses am Exportmarkt zu erhöhen, ihnen sagen, dass, falls China Hemmnisse vorsieht, die den Export der von ihnen hergestellten Erzeugnisse verhindern, ihre Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
Es geht hier nicht nur um große Worte darüber, dass große europäische Unternehmen sich als Kolonialherren aufführen, es geht um etwas sehr viel Realeres. Auch wenn jeder das Recht hat, Dinge so darzustellen, wie er es will, muss ich sagen, dass die Vorstellung, dies sei ein „kolonialistischer“ Bericht, mich wirklich überrascht, viele Exporteure in meinem Land werden dies vielleicht sogar als komisch empfinden.
Natürlich stimmen wir der Diagnose im Allgemeinen zu, und wie die Kommission sagte, wurde dies vom Rat in Angriff genommen, von der Kommission weiter verfolgt und wird heute vom Parlament unterstützt. Dadurch liegt sehr viel Verantwortung auf Ihren Schultern, Herr Kommissar, denn wir haben einen gemeinsamen Ansatz. Lassen Sie mich noch einmal betonen, dass dies ein dynamischer Prozess und eine neue Strategie ist, einige Aspekte sind in der Tat neu und müssen weiter bearbeitet werden. Ich möchte einen Punkt im Bericht zitieren, der von unserem Kollegen hervorgehoben wurde, und den Sie so mochten: „Das Europäische Parlament fordert die Kommission auf, eine Neugewichtung und letztlich eine Verstärkung des Einsatzes personeller Mittel für EU-Delegationen vorzunehmen, damit mehr Personal für die Einsetzung und die wirkungsvolle Arbeit von Teams für Marktzugang“ zur Verfügung steht. Dies gilt unter anderem auch für das, was im Bericht zu den KMU gesagt wird. Es gibt viele neue Dinge in diesem Bericht, und wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei ihrer Umsetzung.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 19. Februar 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Tokia Saïfi (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie muss das Kernstück der gemeinschaftlichen Agenda bilden, denn nur so können qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen, das wirtschaftliche Wachstum Europas gewährleistet, das Überleben des europäischen Sozialsystems garantiert und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die EU im 21. Jahrhundert eine große Handelsmacht bleibt.
Um diese Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, müssen wir daher faire, gleichberechtigte und auf Gegenseitigkeit beruhende Zugangsmöglichkeiten zu den Märkten herstellen. Der europäische Markt gehört zu den offensten und wettbewerbsfreundlichsten in der Welt, vor allem dank des Rechts auf freien Wettbewerb, das innerhalb der EU einen offenen und fairen Handel gewährleistet.
Jedoch sieht sich die EU im externen Bereich zahlreichen Handelshemmnissen gegenüber, denn die Märkte der wichtigsten Handelspartner Europas weisen nicht den gleichen Grad an Öffnung und Transparenz auf wie der Gemeinschaftsmarkt. Deshalb ist es dringend erforderlich, auf Gegenseitigkeit beruhende Bedingungen für den Marktzugang auf der Ebene der Drittländer und vor allem der Schwellenländer herzustellen und gegen unlautere Handelspraktiken zu kämpfen. Wir müssen rasch und entschlossen handeln, damit vor allem unsere KMU ungehinderten Zugang zu den Märkten und insbesondere zu öffentlichen Aufträgen erhalten.
27. Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich freue mich sehr, dass ich in der glücklichen Lage bin, heute Abend im Parlament auf zwei Themen eingehen zu können. Ich bin sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe, dafür so schnell den Weg von Kiew hierher zu finden.
Zu Beginn möchte ich dem Parlament für die Einladung und die Gelegenheit danken, mich zum Handelsschutz zu äußern. Ich bin dem Parlament für sein großes Interesse an diesem Dossier dankbar, das es in unseren Aussprachen sowohl in der Plenarsitzung als auch im Ausschuss für internationalen Handel unter Beweis gestellt hat.
2006 kamen die Kommission und der Rat überein, dass die europäischen handelspolitischen Schutzinstrumente einer Überarbeitung bedürfen. Ziel dieser Überarbeitung war es sicherzustellen, dass diese lebenswichtigen Instrumente Europas dessen Arbeitnehmer und Unternehmen vor unfairem Handel schützen und weiterhin so effektiv wie möglich arbeiten. Dabei war insbesondere den drastischen Veränderungen in der Weltwirtschaft Rechnung zu tragen, in der die europäischen Handelsunternehmen weltweite Lieferketten betreiben und in der es unvermeidbar ist, dass die Vermischung der Interessen der europäischen Handelsunternehmen untereinander immer komplexer wird und immer schwerer zu beurteilen und zu benennen ist.
Im Anschluss an unsere Überarbeitung sowie die öffentliche Konsultation und mit der Unterstützung durch das Kollegium habe ich mit meinen Beamten eine Reihe von Änderungsvorschlägen zu den Regeln des Handelsschutzes der EU erarbeitet, die tatsächliche Verbesserungen für die Unternehmen im Hinblick auf den Zugang, die Transparenz und das Tempo sowie die Klarheit bieten würden. Sie würden zum Beispiel einen viel besseren Zugang zu Dokumenten, bedeutend bessere Unterstützung für kleine Unternehmen, die das System der handelpolitischen Schutzinstrumente anwenden, und raschere Übergangsmaßnahmen beinhalten.
Mit dem Entwurf der Richtlinien schlagen wir weiterhin vor, die Anwendung der EU-Regeln in zwei bedeutenden Bereichen klarzustellen. Erstens, sind die Kriterien für die Festlegung zu nennen, ab welchem Umfang an außereuropäischer Produktionstätigkeit ein Unternehmen nicht mehr als ein europäisches Unternehmen für die Zwecke unserer Untersuchungen und Bewertung in Bezug auf den Handelsschutz gelten kann.
Zweitens sind die Kriterien zu nennen, die bei der Prüfung der Gemeinschaftsinteressen angewandt werden sollten, die uns erlauben zu entscheiden, dass die Handelsschutzmaßnahme wirklich im allgemeinen Interesse der Europäischen Union liegt– etwas, das, wie ich sagen würde, zunehmend komplex und schwierig zu analysieren sein wird, wo die jeweilige Situation weder so eindeutig ist, noch sich so schwarz oder weiß darstellt, wie dies vielleicht an der Oberfläche erscheinen mag oder wie es in der Vergangenheit bei der klassischen Anwendung der Handelsschutzinstrumente tatsächlich der Fall war.
In den beiden Bereichen besteht das Ziel im Wesentlichen darin, die eingeführte Praxis weitgehend festzuschreiben, was Klarheit und Berechenbarkeit für die Unternehmen wie auch für die Entscheidungsfindung in strittigen Fällen schaffen würde, die wir in den letzten Jahren kennen gelernt haben und deren Zahl, so behaupte ich, in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen wird.
Welche Meinung Sie auch immer zu den Vor- und Nachteilen der Bekämpfung des Dumping haben mögen, ich meine, das sind nützliche Dinge, die verbessert und präzisiert werden müssen und zu denen Leitlinien erarbeitet werden müssen, um denjenigen mehr Gewissheit und Vorhersagbarkeit zu geben, die dazu aufrufen, diese Instrumente anzuwenden.
Ein Paket von Vorschlägen nach dieser Maßgabe wäre ausgewogen. Ich denke dabei an einen Mittelweg in der Debatte zwischen allen interessierten Parteien und den Mitgliedstaaten. Es bringt weder Vorteil noch Nutzen, den Schwerpunkt beim Entwurf und bei der Anwendung unserer handelspolitischen Schutzinstrumente angesichts der Vielzahl der Meinungen in der Europäischen Union, die dem Thema des Handelsschutzes immanent sind, auf die eine oder andere Seite zu verschieben. Es ist unabdingbar, einen Kurs zu entwickeln und zu bestimmen, mit dem, grob gesagt, allen gedient ist.
Wenngleich unsere Bemühungen von einigen oft schon als Versuch hingestellt wurden, sich auf die eine oder auf die andere Seite zu stellen, so kann dieser Eindruck nur bei denen entstanden sein, die unsere vorläufigen Schlussfolgerungen und Vorschläge nicht verstanden haben, weil in diesem Paket nichts enthalten ist, was unser Vermögen mindert, gegen unfairen Handel vorzugehen und auch nichts, was die Basis für die Anwendung unserer Handelsschutzinstrumente grundlegend verändert.
Die Konsultation hat jedoch deutlich gemacht, dass diese Thematik politisch sensibel ist und weiterhin Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen und, ich komme nicht umhin zu sagen, zu einer gewissen Uneinigkeit geben wird.
Ein Regelwerk, das die unterschiedlichen Interessen in der Aussprache angleicht, wird meines Erachtens gegenwärtig nicht die notwendige Unterstützung finden, und es ist besser, auf einen Konsens zu bauen, als zu versuchen, die derzeit nicht miteinander zu vereinbarenden Ansichten darüber, welche Klarstellung und welche Reform stattfinden sollte, in Einklang zu bringen.
Das politische Umfeld, in dem diese Thematik erörtert wurde, ist nicht einfach. Einige wenden ein, dass wir zu einem Zeitpunkt, zu dem wir Partner wie China drängen, fairen Handel zu betreiben, nicht einmal das Risiko eingehen dürfen, den Eindruck entstehen zu lassen, die EU würde ihre handelspolitischen Schutzinstrumente lockern. Gegenwärtig bestehen weder Motivation noch Absicht hierfür, dennoch haben einige vorgebracht, es sei in der augenblicklichen Lage unklug zu riskieren, dass auch nur der Eindruck entsteht.
Des Weiteren haben die Verhandlungen zu den Regeln in der Doha-Runde, insbesondere der Beitrag des Vorsitzes, das internationale Umfeld des TDI beträchtlich in Bewegung gebracht, weil der Inhalt des Beitrags verwunderlich und, offen gesagt, nicht annehmbar war. Ich glaube nicht, dass es in der Geschichte der Beiträge des Vorsitzes in der Doha-Runde jemals einen Beitrag des Vorsitzes gegeben hat, der weniger Unterstützung aus den Reihen der WTO-Mitglieder gefunden hat, als der aktuelle Beitrag des Vorsitzes zu den Regeln.
Doch vor allem war es unser Ziel, die Einigkeit im Hinblick auf die Anwendung der Handelsschutzinstrumente zu stärken, um sie so funktionsfähiger zu machen, und in meiner Eigenschaft als Kommissar steht es mir nicht zu, diese Einigkeit zu untergraben.
Die Realität sieht heute so aus, dass diese Einigkeit, die ich gern sehen würde, unter unseren Mitgliedstaaten noch nicht in ausreichendem Maße in Erscheinung tritt. Das bedeutet nicht, dass unsere Diskussion auf der einen Seite richtig und auf der anderen Seite falsch ist, sondern nur, dass beide Seiten weiterhin auf einen größeren Konsens und, offen gesagt, einen ausgeprägteren Gemeinschaftssinn bei der Anwendung dieser Instrumente hinarbeiten müssen.
Dazu möchte ich Sie ermutigen. Wir werden uns auch künftig zu Konzepten beraten, die wir entwickelt haben, und Einigkeit erzielen, indem wir auf unsere Erfahrungen zurückgreifen.
Mit der folgenden Betrachtung möchte ich zum Ende kommen. Der Druck, den der globale Wirtschaftswandel auf unsere Handelsschutzinstrumente ausübt, wird bleiben. Er wird nicht weichen, er wird sich sogar noch verstärken. Der Druck wird sich erhöhen. Unser Geschick, mit dem gewohnten Konsens und Gemeinschaftssinn zu arbeiten, wird stärker, nicht weniger gefordert sein, weshalb es jetzt umso mehr darauf ankommt, dass die Rolle der Kommission als Lotse auf unserem Weg durch die unterschiedlichen und konkurrierenden Interessen und Standpunkte, die die Unternehmen und Mitgliedstaaten zu dieser Thematik vertreten, wächst.
Ich bin der Meinung, dass künftige Fälle zeigen werden, dass Klarheit und diese Art von Richtlinien, die wir ursprünglich entworfen haben, notwendig sind. Die Fragen, mit denen wir diese Überarbeitung begonnen haben, wird es noch in einem halben Jahr, in einem Jahr und in zwei Jahren geben, und ich bin fest davon überzeugt, dass sie zu gegebener Zeit in Angriff genommen werden müssen.
Unsere Aufgabenstellung besteht darin, gemeinsam nach wirtschaftlich und politisch glaubwürdigen Antworten zu suchen, und die Kommission wird ihre Arbeit in diesem Sinne fortsetzen.
Christofer Fjellner, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SV) Vielen Dank, Herr Mandelson. Als Sie das letzte Mal hier standen, haben Sie über die Notwendigkeit einer Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente gesprochen. Sie sprachen damals mit Überzeugung davon, wie Globalisierung und globale Versorgungsketten die Voraussetzungen für die handelspolitischen Instrumente verändert haben und dass diese daher aktualisiert werden müssten, damit sie auch weiterhin wirksam sind und den Gemeinschaftsinteressen Rechnung tragen. Alles, was Sie damals sagten, trifft auch heute noch zu. Wir brauchen eine Reform dieser Instrumente.
Seitdem hat es sich jedoch als äußerst schwierig erwiesen, eine solche Reform herbeizuführen. Es bestehen erhebliche Konflikte zwischen europäischen Unternehmen und zwischen den Mitgliedstaaten, was jedoch die Notwendigkeit einer Reform nicht verringert, im Gegenteil. Die Tatsache, dass alles derart aufgeheizt ist und man immer wieder die gleichen Schlachtordnungen mit den gleichen vorhersehbaren Frontlinien sieht, zeigt meines Erachtens nur, dass wir einen Wandel brauchen. Wir brauchen einen neuen Fokus auf die Instrumente und einen Konsens, der uns eint.
Die Reform ist nun aufgeschoben und scheint in weite Ferne gerückt zu sein, was sicherlich nicht nur von mir bedauert wird. Aber jetzt darüber zu streiten, wer die Schuld daran trägt, die Mitgliedstaaten oder die Kommission, oder welche Mitgliedstaaten der Reform Steine in den Weg gelegt haben, führt zu nichts. Gegenseitige Beschuldigungen dienen niemandem.
Denn obwohl der Vorschlag gegenwärtig auf Eis liegt, dürfen die Ideen nicht begraben werden. Wir dürfen diese Frage nicht vergessen, sondern müssen die Diskussion fortzusetzen und uns auf die Themen konzentrieren, bei denen wir uns einig sind. Ich glaube, das sind gar nicht wenige. Es geht um Transparenz und Offenheit und wahrscheinlich auch um klarere Regeln für den Schutz der Interessen der Gemeinschaft. Vielleicht geht es sogar auch darum, dass wir die Definition der Gemeinschaftsindustrie modernisieren.
Das setzt jedoch voraus, dass wir die Diskussion am Leben erhalten, weiter debattieren und Kompromisse eingehen. Ich hoffe, dass wir dies hier im Europäischen Parlament tun werden. Ebenso hoffe ich, dass auch die Mitgliedstaaten und die Kommission die Aussprache weiterführen.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Kommissar für seinen Bericht und auch für seine Aufrichtigkeit danken, mit der er die Dilemmas erläutert hat, vor denen er steht, wenn er mit seinen Kollegen und den Mitgliedstaaten über die Reform der handelspolitischen Schutzmechanismen der Europäischen Union spricht. Das ist das eine. Und ich bin froh, dass Sie ehrlich sagen, weshalb Sie im Augenblick keine Vorschläge präsentieren können, da es einfach ungemein schwierig ist, in der Europäischen Union Übereinstimmung über die bestmögliche Vorgehensweise zu erzielen.
Der Kommissar stellt zudem heraus, wie wichtig es ist, eine Brücke zwischen den Ländern zu schlagen, die vornehmlich mit Handel ihr Geld verdienen, und jenen Ländern, die vor allem von der Produktion abhängig sind. Ich selbst stamme zwar aus einem Handelsland, den Niederlanden, kann aber die Sorgen von Ländern wie Frankreich und Deutschland mit einer großen Produktionsbasis um die Entwicklung des Welthandels und des Schutzes recht gut nachvollziehen. Sie müssen auch ihre eigene Industrie schützen. Deshalb gilt es, diese Brücke zu finden, und nicht minder wichtig ist es, dass der Kommissar besonderes Augenmerk darauf richten will.
Ich denke, wir müssen diese Diskussion führen. Wir sollten uns nicht davor scheuen, über die notwendige Reform dieser handelspolitischen Schutzinstrumente zu sprechen, weil wir uns einem rasanten Wandel der internationalen Wirtschaft gegenübersehen. Worüber sollten wir dann diskutieren? Ich sage ausdrücklich „diskutieren“, denn alle Antworten habe ich auch noch nicht parat. Diskutieren müssen wir über Transparenz in dem System, über die größere Flexibilität, die vonnöten ist, über eine präzisere Definition für den Begriff europäisches Unternehmen sowie über soziale und Umweltaspekte in Verbindung mit der Festlegung der Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Das sind einige Punkte, die wir als Parlament erörtern und zu denen wir Schlussfolgerungen ziehen sollten, über die wir uns dann im Anschluss wieder mit dem Kommissar austauschen können.
Ich halte es für verfrüht, selbst von meiner eigenen Fraktion aus, schon jetzt ganz konkrete Vorschläge zu präsentieren, wie dies gehen soll. Ich bin bereit, eine Diskussion über die Notwendigkeit von Reformen in Gang zu setzen und dann darüber nachzudenken, wie wir einige Bereiche abstecken können, an denen wir weiter arbeiten wollen. Ebenso wie im Rat und in der Kommission erfordert das auch in meiner Fraktion noch umfangreichere Diskussionen. Lassen Sie es uns versuchen. Ich bin mit dem Kommissar einer Meinung. Ob es nun sechs Monate, ein Jahr oder zwei Jahre dauert, lassen Sie uns wenigstens die Debatte anstoßen. Wir können nicht einfach ignorieren, dass in der Welt, auch in der Weltwirtschaft, Veränderungen im Gange sind, an die unser handelspolitisches Schutzsystem angepasst werden muss. Das scheint mir ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Diskussion zu sein, und ich freue mich, dass der Kommissar so offen über die Probleme berichtet hat, mit denen er sich selbst konfrontiert sieht.
Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Vielen Dank, Herr Kommissar. Aussprachen mit Ihnen sind immer unterhaltsam. Außerdem werde ich in meiner Ansicht bestärkt, dass fairer Handel besser ist als freier Handel, und natürlich auch darin, dass solidarischer Handel mit einem schwächeren Partner wichtiger ist als formal gerechter Handel auf Gegenseitigkeit.
Nun aber zum TDI, dem Handels- und Entwicklungsindex.
Übrigens, vielleicht sollten wir einmal gegenseitig unsere Bücherregale inspizieren und versuchen, bei einer Tasse Roibuschtee den Hintergrund zu verstehen. Oder Sie können auch mit mir zu der Müllhalde kommen, wo ich politisch aktiv geworden bin, und meine Straßenkinder in Brasilien treffen.
Aber wieder zurück zum TDI. Was ist ein europäisches Unternehmen? Es ist schwer, dass heutzutage zu definieren, und daher kam es auch schwierige sein, diesen Begriff zu verwenden. Was sind echte Gemeinschaftsinteressen? Die der Verbraucher? Die der gemeinnützigen Organisationen? Die der kleinen Firmen? Die der Großunternehmen? Es ist ganz und gar nicht leicht, das zu definieren, was es auch schwer macht, dieses Instrument heutzutage anzuwenden, ausgenommen in bestimmten eindeutigen Fällen.
Eine bestimmte Dimension in all dem fehlt völlig, und es wäre ausgesprochen interessant, wenn Sie bei der Vorstellung der neuen Vorschläge darauf zurückkommen könnten. Sollte Umwelt- und Sozialdumping nicht mit direktem Dumping gleichgestellt werden? Worin besteht der Unterschied, ob ein Unternehmen Umweltvorschriften und soziale Bestimmungen im Wert von einer Milliarde Euro unterläuft oder ob es eine Milliarde Euro an staatlichen Beihilfen kassiert? Es wäre interessant, wenn Sie eine solche Diskussion mit der WTO führen würden und wir sehen könnten, ob wir in dieser Frage weiterkommen.
Helmuth Markov, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Ganz deutlich gesagt: Ich freue mich, dass die von Ihnen vorgeschlagene Reform der Handelsschutzinstrumente gescheitert ist. Sie, Herr Kommissar, haben versucht, die TDI-Reform voranzutreiben, indem Sie dieses Vorhaben in die Global Europe Strategy aufgenommen haben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine solche benötigt wird, ist doch klar, dass es darum gehen sollte, diese Instrumente dort, wo sie Sinn machen, zu stärken, anstatt sie praktisch abzuschaffen. Aber Letzteres war Intention Ihrer Mitteilung vom November 2007. Sie haben damit auch die große Mehrheit der Interessenvertreter, die das bestehende System befürworten, übergangen, der nur eine kleine Minderheit gegenübersteht, die es schleichend aushöhlen will. Die Beendigung des Neuordnungsvorhabens schon auf der Ebene der Kommission zeigt, dass die große Mehrheit der Mitgliedstaaten und auch viele Ihrer eigenen Kollegen die Vorschläge für nicht akzeptabel hielten und dass diese zu sehr an den Interessen einer kleinen, aber sehr lautstarken Lobby ausgerichtet waren.
Wem hätte diese Reform genützt? Weder den europäischen Arbeitnehmern, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, weil Großunternehmen die von Ihnen hochgelobten komparativen Vorteile in Schwellenländern ausnutzen, noch den Arbeitnehmern dort, die unakzeptablen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind, und ganz zu schweigen – das sage ich Ihnen als Unternehmer – von den Unternehmen, die in der Europäischen Union nach entsprechenden Regeln produzieren und ihre Profite nicht durch mangelhafte Anwendung von Umwelt- und Sozialstandards in einigen Drittländern in die Höhe treiben wollen.
Mit Fairness und Gerechtigkeit in den globalen Handelsbeziehungen und zwischen den Unternehmen hatten die Vorschläge nichts zu tun. Vorteile hätten allein die großen Importgesellschaften daraus geschlagen, die es natürlich ärgert, wenn versucht wird, ihre missbräuchlichen Praktiken einzudämmen. Es sind zum einen die Großhandels- und Vertriebsketten, die sich hinter den Verbraucherinteressen verstecken und gerne vergessen machen, dass Verbraucher auch Arbeitnehmer, Bürger und Steuerzahler sind, und es sind auch diejenigen in der EU, die vor allem an ihre Erlöse aus Kapitalanlagen denken, ohne Rücksicht darauf, dass die Union vor allem mittels gegenseitiger Solidarität und Unterstützung weiterentwickelt werden muss.
Das System der handelspolitischen Schutzinstrumente ist nicht perfekt, aber es ist bislang das weltweit am besten funktionierende. Das habe im Übrigen nicht ich mir ausgedacht, sondern Sie – die Kommission – haben im Jahre 2006 eine Studie in Auftrag gegeben, in der das steht. Wir sollten zunächst abwarten, welche Änderungen sich im Rahmen der Welthandelsorganisation ergeben, bevor wir in diesem Bereich herumreformieren. Eine solche Reform muss berücksichtigen, wie unsere Handelspartner vorgehen, statt unilateral auf jegliche rechtliche Möglichkeit zum Schutz vor Dumping zu verzichten. Rechtliche Möglichkeiten übrigens, die auf einem international vereinbarten Regelwerk beruhen.
Hinzufügen muss ich leider, dass ich mit dem Vorgehen der Kommission bei der Anwendung der Handelsschutzinstrumente während des Jahres 2007 nicht einverstanden bin. Viele Mitgliedstaaten und andere Akteure haben dagegen protestiert, dass die Kommission die von ihr vorgeschlagenen Änderungen einfach schon mal eben angewandt hat, bevor Rat und Parlament überhaupt die Chance hatten, sich dazu zu äußern. Die GD Handel hat in den vergangenen Monaten schlicht und ergreifend einige bisher geltende Grundsätze der institutionellen Zusammenarbeit für sich außer Kraft gesetzt. Das Ergebnis ist, dass überhaupt keine neuen Fälle eröffnet worden sind. Ich kann nur hoffen und bitte Sie auch, dass diese Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Parlament künftig nicht so fortgeführt wird. Ebenso bitte ich Sie, Ihre entscheidenden Vorhaben im Rahmen des Rahmenwerks zu den Handelsschutzinstrumenten in unserem Ausschuss für internationalen Handel vorzustellen und auch ernsthaft mit den Abgeordneten zu diskutieren.
Daniel Caspary (PPE-DE). – Herr Präsident, geschätzter Herr Kommissar! Das heutige Thema hat in den vergangenen Tagen und Wochen so manchen überfordert. Im Ratsausschuss hat so mancher fast einen Herzinfarkt bekommen, als er den ersten Reformentwurf gelesen hat.
Die Kommission hat die Initiative gestoppt, weil Sie, Herr Kommissar, anscheinend damit überfordert waren, einen mehrheitsfähigen Reformvorschlag vorzulegen. Unsere Parlamentsverwaltung war überfordert und hat die heutige Debatte mit dem unsinnigen Titel Commission statement – Reform of trade protection instruments in die Tagesordnung aufgenommen, und auf der Rednerliste steht Reform of consumer protection instruments — auch nicht viel besser. Die Öffentlichkeit hat sich, wenn ich die Tribüne anschaue, überfordert in ein Restaurant oder nach Hause zurückgezogen. Vielleicht schaut uns ja wenigstens jemand übers Internet zu, und hoffentlich behalten wir hier im Saal den Überblick.
Ich bedauere es sehr, dass es der Kommission nicht gelungen ist, einen Vorschlag für eine Reform vorzulegen, der die Mehrheit im Rat und Parlament hätte finden können. Sicherlich ist im Moment nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Reform, aber dass die Reform so kläglich scheitert, hätte niemand von uns erwartet.
Was ist nun wichtig? Erstens: Wird die Kommission das Parlament frühzeitig über eine Wiederaufnahme der Reform informieren und uns eng einbinden? Ich verweise ausdrücklich auf die Mitentscheidungsrechte nach dem Vertrag von Lissabon.
Zweitens: Wird es nun eine Reform durch die Hintertür ohne Beschluss des Rates und des Parlaments geben? Oder werden Sie, Herr Kommissar, wirklich, wie gerade eben gesagt, versuchen, wieder Vertrauen aufzubauen? Die Handelsschutzinstrumente sind entsprechend den derzeit gültigen Regeln und der bisherigen Praxis anzuwenden.
Drittens: Warum nehmen Sie in der entsprechenden Abteilung genau jetzt personelle Veränderungen vor? Wir werden das Verhalten der Kommission und der GD Handel in den nächsten Wochen sehr aufmerksam verfolgen.
Erika Mann (PSE). – Herr Präsident! Herr Kommissar, Sie haben mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Sie haben eines der schwierigsten Ressorts überhaupt zu verwalten. Der Bereich Handel/Außenwirtschaft sieht sich vollständig neuen Herausforderungen gegenübergestellt. Seit vielen Jahren reden wir über Globalisierung, aber ich glaube, wir fangen überhaupt erst an zu begreifen, worum es geht.
Sie haben, als Sie in Ihrer berühmten Churchill-Rede, die Sie in Berlin gehalten haben, davon gesprochen, dass Europa neuen Herausforderungen unterworfen ist und dass sich die Herausforderungen seit dem Ende des Krieges geändert haben, weil unsere Koordinaten nicht mehr Berlin oder Paris wären, sondern unsere Koordinaten sind Bombay, Schanghai und die anderen großen Weltstädte dieser aufstrebenden Entwicklungsländer. Da teilen wir Ihre Meinung. Sie haben völlig Recht. Wir bewerten das ähnlich wie Sie. Wir sehen die Herausforderungen, denen sich die Europäische Union stellen muss, in einem neuen internationalen und globalen Kontext. China ist real. China ist nicht nur ein Mythos oder ein Bild, sondern China ist für uns alle eine Realität geworden und steht als Symbol für die Veränderung. Die Frage ist: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus? Sie ziehen die Schlussfolgerung, dass wir die Instrumente ändern müssen. Sie ziehen die Schlussfolgerung, dass wir uns den Herausforderungen stellen müssen, indem wir die Handelsschutzinstrumente oder andere Bereiche anpassen.
In meiner Fraktion haben wir die endgültige Antwort nicht gefunden, aber wir haben auf jeden Fall sehr viel mehr Zweifel. Wie Sie hören, wird dieser Zweifel in diesem Haus auch geteilt. Wir haben Zweifel, weil die Schutzinstrumente bewährt sind. Die Schutzinstrumente haben eine gewisse Flexibilität. Die Schutzinstrumente können unterschiedlich interpretiert werden. Die Schutzinstrumente können die Interessen der unterschiedlichen Industrien berücksichtigen. Die Schutzinstrumente können das Gemeinschaftsinteresse unterschiedlich interpretieren. Der Test kann unterschiedlich angewandt werden. Ja, es ist nicht immer perfekt.
Es hat im Übrigen wenig Fehler in Ihrem Haus gegeben. Ich habe selbst zwei verfolgen können, wo die Bewertung falsch war. Aber ich denke, das wird auch mit neuen Instrumenten der Fall sein. Das heißt: Wo soll der Kurs hingehen? Sie sagen, Sie möchten den Kurs weiterführen, Sie möchten die Beratungen weiterführen. Sie haben die Truhe noch nicht zugemacht. Also, wo soll der Kurs hingehen? Wie sollen die Beratungen weitergeführt werden? Wie möchten Sie die Beratungen mit diesem Haus und mit dem zuständigen Ausschuss führen? Drei Fragen, die sich anschließen an das, was meine Kollegen gefragt haben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie darauf eingehen, weil ich jeden Tag E-Mails erhalte. Ist die Umstellung in Ihrem Haus ein Indikator, dass Sie die Umstellung in Richtung Ihrer angedeuteten Mitteilung weiterführen? Ist die technische Umgestaltung, die Sie offensichtlich in Ihrem Haus durchführen, ein Indikator dafür? Kann auch die Nichtanwendung der Handelsschutzinstrumente im Jahr 2007 als Indikator interpretiert werden? Oder ist das ein Zufall und verweist auf andere Vorgänge?
Tokia Saïfi (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Die Kommission hat beschlossen, das Projekt der Reform der Handelsschutzinstrumente zu vertagen, und ich begrüße diesen weisen Entschluss, Herr Kommissar, der dazu beitragen wird, dass wir den unlauteren Wettbewerb weiterhin effizient bekämpfen können. Diese Instrumente sind ein unabdingbarer Teil des internationalen Handelssystems, denn sie sichern den Unternehmen, vor allem den KMU, die die ersten Opfer des Dumpings sind, gerechte und stabile Wettbewerbsbedingungen, die wiederum die Voraussetzungen für eine gesunde Wirtschaft sind.
Deshalb möchte ich Herrn Verheugen zitieren, der vergangene Woche in Mailand anlässlich einer Konferenz über die Textilindustrie Folgendes erklärt hat: „Die Handelsschutzinstrumente sind nützlich für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien und sind keinesfalls Instrumente des Protektionismus.“ Ich glaube, damit ist alles gesagt. Diese Instrumente stellen keinen verschleierten Schutz der Gemeinschaftsindustrie vor dem ungehinderten Wirken der internationalen Konkurrenz dar, sondern ermöglichen es im Gegenteil, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, indem sie, wenn notwendig, die Bedingungen einer normalen Konkurrenz wiederherstellen.
Deshalb ist eine Schwächung der Umsetzung dieser Instrumente gewiss nicht der Weg, um die Handelspolitik der Europäischen Union besser an den sich verändernden globalen wirtschaftlichen Kontext anzupassen. Im Gegenteil, die Interessen der Industrie würden damit aufs Spiel gesetzt, und die Maßnahmen würden indirekt die Verlagerungen und die Abwanderung unserer Forschungs- und Innovationszentren fördern.
Europa muss im Rahmen der Globalisierung eine schützende Rolle spielen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, dürfen wir nicht vor unseren Partnern in die Knie gehen, sondern müssen die Regeln des fairen und gleichberechtigten internationalen Handels durchsetzen.
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Sie haben mit Ihren Ausführungen soeben den Beweis geliefert, dass Ihr Vorschlag zumindest kontrovers ist. Anfangs gab es jedoch keine Debatte. Die Kommission hatte eine unabhängige Studie und eine öffentliche Konsultation durchgeführt, die beide einen breiten Konsens hinsichtlich der Effizienz und der Stabilität des gegenwärtigen Systems offenbarten. Die einzigen Verbesserungen, die alle Akteure sich wünschten, waren mehr Transparenz, höheres Tempo und besserer Zugang für die KMU.
Unter Verschleierung dieser Realität hat die Kommission nun aber eine Reform eingeleitet, die wegen des gegen sie ausgelösten allgemeinen Widerstandes in die Geschichte eingehen wird. Sowohl die Gewerkschaften als auch die Unternehmen sowie die meisten Mitglieder des Rates haben sich gegen ein Projekt gestellt, das die Fähigkeit der Union, sich gegen unlautere Handelspraktiken zur Wehr zu setzen, bedroht.
Die Kommission hat nun ihren Vorschlag zurückgezogen, worüber ich sehr froh bin. Der darin zugrunde gelegte Ansatz war gefährlich und führte zu Zwietracht. Es muss wohl kaum unterstrichen werden, dass die Rolle der Kommission darin besteht, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten und die verschiedenen bestehenden Interessen zu respektieren, aber nicht Zwietracht zu sähen, indem Verbraucher gegen Arbeitnehmer oder Importeure gegen Produzenten ausgespielt werden. Darf ich Sie daran erinnern, Herr Kommissar, dass jedes Reformprojekt zwei Dinge voraussetzt: die Berücksichtigung der Empfehlungen und der Ergebnisse der eigenen Erhebungen und die Vorabinformation der Parlamentarier über die genaue Zielsetzung des Projekts, vor allem hinsichtlich seiner umstrittensten Aspekte.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! In einer Minute kann ich leider nur Herrn Mandelson zu der Entscheidung, die Überprüfung der handelspolitischen Schutzinstrumente nicht fortzusetzen, beglückwünschen.
Stellen Sie sich einmal ein Wehrsystem in einem Verbund tosender Flüsse vor. Die Schleusen werden durch gemeinsame Vorschriften betätigt. Ist es da hinnehmbar, wenn beschlossen wird, eines der Wehre zu ändern, ohne dass andere das auch tun, nur weil einige glauben, dass das Wasser diesen Winter nicht bis an ihr Haus gelangen wird? Eine einseitige Änderung der handelspolitischen Schutzinstrumente würde das Wehr schwächen, um die Betätigung der Schleusen zu verhindern. Das braucht Europa nicht, und die Kommission hat die klaren Botschaften, die ihr in diesem Parlament auch seitens der Gewerkschaften, der europäischen Industrie und der meisten Mitgliedstaaten übermittelt wurden, verstanden.
Der freie Handel wird nicht überleben, wenn die Regeln, von denen er sich leiten lässt, gebrochen werden. Es gilt aber, diese Regeln zu modernisieren und universelle Werte darin einzubinden, wie den Schutz zumutbarer Arbeitsplätze, der Umwelt und des Klimas oder der öffentlichen Gesundheit. In diesem Sinne und in keinem anderen muss Europa sein politisches Gewicht und seine handelspolitische Stärke bei den bilateralen Abkommen mit den wichtigsten Produzenten der Welt in die Waagschale werfen. Nur mit Gegenseitigkeit und modernen und universellen Regeln kann der Handel dazu beitragen, die Lebensbedingungen der Bürger außerhalb Europas, in der Welt im Allgemeinen, aber auch die Lebens- und Überlebensbedingungen der europäischen Arbeitnehmer und der Unternehmer, die auch künftig in Europa produzieren und leben und von Europa aus exportieren wollen, zu verbessern.
Das ist es, was von dem Kommissar, der Europa auf der Weltbühne vertritt, erwartet wird. Herzlichen Glückwunsch, Herr Mandelson!
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Kommissar Mandelson hat seine Freude über seine Teilnahme an zwei Aussprachen hier zum Ausdruck gebracht, und ich bin darüber ebenfalls ganz erfreut, weil ich ihn um eine Präzisierung seiner sehr hilfreichen Antwort in Bezug auf den Nicht-Agrar-Bereich der WTO bitten wollte, und ich danke ihm für die darin enthaltenen Einzelheiten.
Er behauptet, die Gerüchte darüber, dass auf dem Agrarsektor zu weit gegangen wird, gingen von einer verschwindend kleinen Interessengemeinschaft aus. Ich würde sagen, sie (ich nehme an, wir sprechen über irische Landwirte und Agrarbetriebe) sind im Allgemeinen gut unterrichtet, und was ich noch vor Mitternacht geklärt haben möchte, ist, dass sie sich irren – ich hoffe, dass sie sich irren – und dass das, was Sie uns heute Abend berichten, den Tatsachen entspricht. Ich begrüße Ihre Anmerkung zum Nicht-Agrar-Bereich der WTO. Auch Sie haben Ihr Bedauern über den dort vorliegenden Beitrag geäußert.
Meine ursprüngliche Frage angesichts Ihrer Bemerkungen über die WTO und über die Freihandelsabkommen lautet: Sind Sie jetzt weniger zuversichtlich als zu jedem anderen Zeitpunkt, dass Sie in der WTO zu einem Ergebnis gelangen werden? Die Frage ist ein wenig direkt gestellt, dennoch wäre eine Antwort hilfreich.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wir befinden uns in der Zwickmühle zwischen dem freien Handel, wovon wir überzeugt sind, und dem fairen Handel, gegen den verstoßen wird. Wenn der Fairness nicht Rechnung getragen wird, müssen wir, zumindest zeitweilig, diejenigen schützen, die in der richten Weise handeln.
Ich möchte die Position der polnischen Regierung vorstellen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Reform ist und erklärt, dass es im Bericht von Daniel Caspary heißt, dass das, worüber wir verfügen, ausreichend sei. Warum ist das so? Es besteht die Vermutung, dass einige Länder zum Beispiel in China Unternehmen gegründet haben. Und der Schutz würde bedeuten, dass diese stärker begünstigt würden als andere Unternehmen in den Ländern Europas, genau das ist nicht fair. Ich denke, dass uns 2005 durch den freien Handel mit Textilien eine Lektion erteilt wurde, und nach meiner Auffassung sollten wir nun auf sehr kluge Weise an die neue Reform herangehen. Ich hoffe, dass der Herr Kommissar alle Anstrengungen unternehmen wird, sie erfolgreich zu betreiben.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Das Handelsvolumen ist ein Indikator für die Wirtschaftsentwicklung. Hohe Exportraten sind ein Merkmal entwickelter Volkswirtschaften, doch der Handel darf keine Einbahnstraße sein, das heißt, es muss auch Importe geben. Wenn alles überwiegend nur in eine Richtung fließt, so führt das zu einer Störung des Gleichgewichts, zu einem Mangel an Partnerschaft und einer immer tieferen Kluft im Entwicklungsniveau. Deshalb brauchen wir bestimmte Grundsätze für die Festlegung entsprechender Qualitätsstandards und Regelungen, um für Stabilität und Partnerschaft im Handelssektor zu sorgen.
Allzu oft haben wir, wenn wir von gegenseitiger Solidarität und Chancengleichheit sprechen, den Schutz unserer nationalen Interessen im Auge, und zwar auf Kosten unserer gemeinsamen Interessen. Allzu oft fördern wir auch die Entwicklung des Exports und Investitionsmöglichkeiten in bestimmten Ländern, ohne zu prüfen, ob diese die demokratischen Grundsätze befolgen und die Menschenrechte achten, von der Einhaltung der Umweltnormen, dem Lohnniveau und dem Sozialschutz ganz zu schweigen. Handelspolitische Schutzinstrumente müssen Gerechtigkeit und Chancengleichheit gewährleisten.
Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Kommissar Mandelson, vielen Dank für Ihre freimütige Auskunft über die Gründe des Scheiterns. Wenn ich einige meiner Kollegen höre, dann sind sie froh, dass es Ihnen nicht gelungen ist, die handelspolitischen Schutzinstrumente zu reformieren, und das liegt meiner Auffassung nach daran, dass sie befürchten, Sie wollten sie abschaffen. Das habe ich Ihren Ausführungen allerdings nicht entnommen. Aber wäre es nicht weitaus aufrichtiger zu sagen, dass Sie vielleicht zu ambitioniert waren, dass Sie mit den Reformen zu weit gehen wollten? Ich meine insbesondere die Neuordnung des Gleichgewichts zwischen den Industrieländern und den Handelsinteressen.
Angesichts dieses Scheiterns wird es uns nun nicht gelingen, auf dem Gebiet des Zugangs für kleine und mittlere Unternehmen einige notwendige Änderungen vorzunehmen, die sich einer breiten Unterstützung erfreuen. Außerdem wird es nunmehr in den nächsten zwei Jahren leider nicht zu den Änderungen im Hinblick auf die Transparenz, das Tempo, den Zugang zu Dokumenten kommen, die nötig sind und breite Zustimmung finden. Können wir einen Weg finden, um sicherzustellen, dass diese Änderungen doch kommen und dass wir die weiter reichenden Vorschläge noch einmal intensiv erörtern?
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn Sie ein neues Reformprojekt ins Auge fassen, das dem derzeitigen ähnelt, dann nehmen Sie doch nicht an, in der WTO eine Politik vertreten zu können, die Dumping sanktioniert, wenn es von ausländischen Unternehmen praktiziert wird, es jedoch akzeptiert, wenn europäische Unternehmen davon profitieren? Das Problem besteht doch nicht darin, zu wissen, wer die Waren, die nach Europa gelangen, herstellt, sondern ob sie zu fairen Bedingungen exportiert werden. Es wäre nicht hinnehmbar, dass ein so genanntes europäisches Unternehmen, das Dumping praktiziert, unangreifbar wird, nur weil es nach Ihrer neuen Definition europäisch ist.
Warum sollte man angesichts der Tatsache, dass diese Debatte auf multilateraler Ebene geführt werden muss, nicht weiter gehen und das Sozial- und Umweltdumping in den Bereich der Handelsschutzinstrumente einbeziehen? Sich an die Spitze dieses Kampfes zu stellen, würde Europa gut anstehen und ihm zur Ehre gereichen.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) Herr Kommissar! Als Ergänzung zu meiner Frage und meiner Bemerkung von vorhin möchte ich Ihnen sagen, dass im Falle Europas die im Zusammenhang mit der Textil- und der Schuhindustrie eingeleiteten Verfahren vor allem in meinem Heimatland Veränderungen möglich machten, die Arbeitslosigkeit verhindert haben. Dabei handelte es sich jedoch keinesfalls um eine Art protektionistischer Bewegung, und die betreffenden Unternehmen haben ihre Betriebstätten in außereuropäische Länder verlagert und schaffen nun außerhalb und innerhalb Europas Arbeitsplätze. Insofern war es eine interessante Bewegung.
Dessen ungeachtet wurden von der Kommission im Jahr 2007 offenbar keine neuen Verfahren eingeleitet.
Daher meine Frage: Hat die Kommission deshalb keine Verfahren (Verfahren, die nicht mit Portugal, sondern mit anderen Ländern im Zusammenhang stehen), keine Untersuchungen (Antidumping- oder Antisubventionsverfahren) eingeleitet, weil sie die Entscheidung über den laufenden Überprüfungsprozess abwarten wollte, oder sollten die Fälle, bei denen sie bereits mit der Untersuchung begonnen hatte, aufgeschoben werden? Diese Frage wollte ich Ihnen gerne stellen.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich fürchte, ich habe die Übersetzung der gesamten letzten Frage, die an mich gerichtet wurde, nicht verstanden. Ich habe lediglich den letzten Teil erfasst, worin offenbar angedeutet wurde, dass wir die Anwendung der Handelsschutzinstrumente ausgesetzt hätten und dass wir keine Untersuchung mehr einleiten oder Fälle verfolgen würden.
Ich verstehe den Hintergrund dieser Frage nicht ganz, denn jede Überprüfung der Website der Generaldirektion Handel wird die Informationen liefern können, die die Frau Abgeordnete zu den Fällen wünscht, zu denen gegenwärtig ein Verfahren eingeleitet wurde, zu denen Ermittlungen durchgeführt werden und zu denen in der üblichen Art und Weise Vorschläge vorgelegt werden.
Ich beklage mich nicht darüber, dass ich bezichtigt werde, übermäßig ehrgeizig zu sein – das ist der Maßstab meines Handelns und dafür, wie ich an meine Aufgabe herangehe. Wenn es einem Kommissar oder einer Kommissarin an Ehrgeiz mangelt, wird, so meine ich, die Messlatte bei ihm oder ihr recht niedrig angelegt. Ich bin jedoch nicht ehrgeizig genug, um den Vorschlag meines Kollegen, Herrn Schlyter, direkt aufzunehmen und mich von meinem Unvermögen wegzubewegen, einvernehmliche Reformen der Handelsschutzinstrumente gegen die niedrigen Kosten des Produktionsdumpings vorzuschlagen, um mich auf ein neues Konzept des Bio-Dumpings oder ökologischen Dumpings zuzubewegen. Ich denke, wir wollen uns lieber weiterhin auf das Erstere konzentrieren, ehe wir das Letztere in den Fokus rücken, allerdings hoffe ich, dass er es nicht als Zeichen fehlenden Ehrgeizes meinerseits, sondern ausschließlich als hohes Maß an Realitätssinn interpretiert.
Herr Caspary deutete seine Enttäuschung darüber an, dass keine Vorschläge auf den Weg gebracht wurden. Ich kann seine Enttäuschung durchaus nachvollziehen, andererseits bin ich mir wirklich nicht sicher, ob es selbst diesem Parlament besser gelungen wäre, einen einfachen Konsens darüber zu erreichen, welche Reform stattfinden soll, als den Konsens, den die Mitgliedstaaten erreichen konnten.
Herr Arif hat behauptet, die Beweggründe meines Handelns würden darin bestehen würden, die Verbraucher gegen die Arbeitnehmer auszuspielen und die Importeure gegen die Erzeuger. Ich spiele niemanden gegen einen anderen aus, es ist einfach so im wirklichen Leben, dass Menschen unterschiedliche Interessen verfolgen und dass sie unterschiedliche Standpunkte vertreten sowie verschiedene Bedürfnisse haben. Es tut mir leid, aber wir leben noch nicht in einer idealen sozialistischen Gesellschaft, wo niemand einen anderen Standpunkt einnimmt, niemand andere Bedürfnisse hat und niemand andere Interessen verfolgt. Wir müssen leider in der realen Welt arbeiten, und wir müssen uns unseren Weg durch diese Interessen und Bedürfnisse bahnen und in unserem Bestreben, diese Politik vorwärts zu steuern, zu einem fairen und gerechten sowie annehmbaren Ergebnis kommen.
Meiner Meinung nach beschreibt Frau Mann sehr realistisch die Zwangslage, in der wir uns in diesem Politikbereich befinden. Es ist nicht zutreffend, dass ich eine höhere Flexibilität per se angestrebt habe. Mein Ziel, das ich mit dieser Revision verfolgt habe, bestand darin, eine Reihe von Handelsschutzinstrumenten zu schaffen, die sich nicht grundsätzlich unterscheiden bzw. abweichen von den uns gegenwärtig zur Verfügung stehenden, die jedoch in einem klar verständlichen Rahmen wirken sollten, die exakt berechenbar und eindeutig angemessen sowie ausgewogen sein sollten, was ihre Auswirkung auf die unterschiedlichen Unternehmen betrifft, die unter den immer vielfältigeren Bedingungen der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts Handel treiben. Und dafür bitte ich nicht um Entschuldigung.
Abschließend möchte ich direkt auf Herrn Markovs Beitrag antworten: Ja, es ist vermutlich ein treffendes Fazit, dass das System der handelspolitischen Schutzinstrumente, über das wir verfügen, nicht das beste ist, aber es ist das einzige, das wir haben. Ich glaube, dies ist eine zutreffende Beschreibung unseres Regelwerks.
Die Fragen, die ich stellen musste und die noch zu beantworten sind, lauteten nicht, ob unser Regelwerk das beste ist – das ist es wahrscheinlich nicht, trotzdem ist es das einzige, über das wir verfügen, und es ist in angemessener Weise funktionsfähig. Ich musste danach fragen, ob es, so wie es jetzt funktioniert, auch in Zukunft funktionsfähig bleiben wird? Wird es unter den europäischen Unternehmen zunehmend umstritten und angefochten werden? Eignet es sich für die im Wandel befindlichen Produktionsmodelle und Lieferketten einer wachsenden Zahl europäischer Unternehmen, die immer stärker globalen Charakter annehmen, was sich mehr denn je fortsetzen wird? Das sind die Fragen, die ich aufgeworfen habe. Sie sind noch nicht zufrieden stellend beantwortet worden, aber ich denke, es gibt noch Antworten, und wir müssen weiterhin nach ihnen suchen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Zehn Jahre sind seit der Überarbeitung der handelspolitischen Schutzinstrumente vergangen. Sie bedürfen der Modernisierung, um zu gewährleisten, dass sie im Hinblick auf das globale Umfeld, in dem der EU-Handel stattfindet, weiterhin maßgebend bleiben.
Offene Märkte nützen allen, und sie sollten unser Ziel sein, dennoch ist es eine Tatsache, dass die Handelsschutzmaßnahmen unverzichtbar bleiben werden, um uns vor unfairem Handel zu schützen. Um jedoch zu bestimmen, was unfairer Handel bedeutet, müssen wir auch ein weiter gefasstes Gemeinschaftsinteresse in Betracht ziehen als es die aktuelle Regelung zulässt, und wir müssen verhindern, dass europäische Länder Schaden erleiden, die weltweite Lieferketten einrichten. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass die Interessen von Millionen von Verbrauchern sorgfältig gegen die zum Teil eigennützigen Interessen einer Handvoll von Erzeugern abgewogen werden.
Ich hoffe, dass die Kommission in naher Zukunft das politische Umfeld für angemessen erachten wird, um die Vorschläge zur Reformierung unserer handelspolitischen Schutzinstrumente wieder aufzunehmen.
28. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll