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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 19. Februar 2008 - Straßburg Ausgabe im ABl.

9. Aussprache über die Zukunft Europas (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die Zukunft Europas unter Teilnahme des schwedischen Ministerpräsidenten, Mitglied des Europäischen Rates.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie alle herzlich begrüßen zu dieser besonderen Sitzung. Aber insbesondere möchte ich sehr herzlich begrüßen den Ministerpräsident Schwedens, Herrn Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt: Välkommen till Europaparlamentet! Herzlich willkommen!

(Beifall)

Es ist mir und uns allen eine große Freude, Sie, Herr Ministerpräsident Reinfeldt, heute zum ersten Mal im Europäischen Parlament begrüßen zu dürfen, um mit Ihnen über die Zukunft der Europäischen Union zu diskutieren.

Ich sehe jetzt gerade auf der Tribüne des Europäischen Parlaments den früheren Ministerpräsidenten Bulgariens, Simeon Sakskoburggotski. Herzlich willkommen hier im Europäischen Parlament!

Der am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnete Vertrag bringt die Europäische Union auf einen neuen Kurs. Nach vielen Jahren der Diskussion haben wir jetzt endlich einen Vertrag, der der erweiterten Europäischen Union gerecht wird und sie in die Lage versetzt, sich mit demokratischeren Verfahren erfolgreich den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu widmen. Der neue Vertrag sorgt nicht nur für mehr Transparenz in der Unionstätigkeit, was immer ein besonderes Anliegen Schwedens gewesen ist. Auch der Kampf gegen den Klimawandel wird zum neuen Ziel der Europäischen Union – ein Bereich, in dem Schweden bereits auf große Erfolge verweisen kann. Ihr Land, Herr Ministerpräsident, kann zu Recht stolz auf seine europäische Führungsrolle in der Anwendung erneuerbarer Energien sein! Den Kampf gegen den Klimawandel müssen wir als Europäische Union vereint vorantragen, um gemeinsam eine Führungsrolle auf globaler Ebene übernehmen zu können. Ich habe gerade in der vorigen Woche bei den Vereinten Nationen gesehen, wie groß die Erwartungen der Vereinten Nationen gerade in die Europäische Union, aber auch in das Europäische Parlament als Gesetzgeber sind.

Der Vertrag von Lissabon gibt uns die Instrumente, die für unsere Zukunft wichtigen Ziele anzugehen und die dafür notwendigen Reformen rasch umzusetzen. Gemeinsam mit Ihnen, Herr Ministerpräsident, teilt das Europäische Parlament die Überzeugung, dass der neue Vertrag bis zum 1. Januar 2009 in Kraft treten sollte. Das Europäische Parlament nimmt daher die Ankündigung des schwedischen Parlaments, des Riksdag, mit Freude zur Kenntnis, den neuen Vertrag bis November 2008 ratifizieren zu wollen.

Wenn der Ratifizierungsprozess in allen 27 Mitgliedstaaten erfolgreich und zeitgerecht abgeschlossen werden kann, wird sich die schwedische Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 den wichtigen Herausforderungen der Zukunft in einem neuen institutionellen Rahmen widmen. Schweden wird an der Spitze einer neuen Ära der europäischen Gemeinsamkeit stehen. Gemeinsam können wir auf Basis des neuen Vertrags eine verstärkte Zusammenarbeit beginnen, mit einem neu gewählten Europäischen Parlament, einer neuen Kommission und Schweden als Präsidentschaft.

Sei es die Energiesicherheit, der Klimawandel, die Weiterentwicklung der Nordischen Dimension der Union oder die Strategie für die Baltische See – von Schweden erwarten wir maßgebliche Impulse. Deshalb freuen wir uns jetzt besonders auf Ihre Ausführungen zur zukünftigen Gestalt der Europäischen Union. Herr Ministerpräsident, ich darf Sie bitten, zum Europäischen Parlament zu sprechen.

 
  
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  Fredrik Reinfeldt, Ministerpräsident Schwedens, Mitglied des Europäischen Rates. – (SV) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine große Ehre für mich, hier heute vor ihnen zu stehen. Es stimmt, was gesagt worden ist, dass ich in meiner jetzigen Eigenschaft noch nicht hier gewesen bin. Ich war auch noch nicht in diesem Saal, aber als junger Politiker war ich in Straßburg, im Europäischen Parlament, und träumte davon, mein Land eines Tages an diesem Ort vertreten zu sehen. Ich weiß, was es heißt, von diesem Ort zu träumen, eine Erfahrung, die ich sicherlich mit vielen von Ihnen hier teile.

Daher ist es eine große Ehre für mich, vor dieser Versammlung einige Gedanken zu europäischen Fragen darlegen zu können.

Es waren visionäre Politiker, die nach dem Zweiten Weltkrieg begriffen hatten, dass die einzige Möglichkeit zur Erhaltung des Friedens darin besteht, die Länder Europas in einer Form von europäischer Integration zusammenzuführen. Wie damals, so muss auch heute die europäische Zusammenarbeit von einer klaren Vision getragen sein. Wir müssen die grundlegenden Fragen stellen: wo wollen wir hin und wie gelangen wir dorthin?

Unsere Welt verändert sich rasant und wir mit ihr. Wir werden immer abhängiger voneinander und müssen daher wissen, wie das Grundprinzip aussehen soll.

Unser Modell der europäischen Integration muss so stark sein, dass weder fanatischer Nationalismus noch religiöser Fanatismus Frieden und Stabilität in Europa bedrohen können.

Wir dürfen keine Angst vor einem starken Europa haben, im Gegenteil, unsere Furcht sollte einem schwachen Europa gelten, denn ein starkes Europa kann größere Verantwortung für globale Probleme übernehmen, für ein Wirtschaftswachstum mit klimafreundlicher Politik, und es vertritt die Interessen seiner Bürger. Ein geeintes Europa – und das ist in einer Zeit wie der heutigen besonders wichtig – hat die Kraft, dem Kosovo eine deutliche europäische Perspektive zu geben.

Die schwedische Regierung glaubt an die Möglichkeiten Europas. Schweden muss, wie ich bereits gesagt habe, einen entscheidenden und dauerhaften Platz im Herzen der europäischen Integration einnehmen. Seit dem Amtsantritt der jetzigen Regierung im Herbst 2006 hat sich die Einstellung der schwedischen Öffentlichkeit zur Europäischen Union positiv entwickelt.

Es gibt Leute, die meinen, dass wir einfach nur Glück gehabt haben. Diesen möchte ich sagen: je mehr man übt, desto mehr Glück hat man. Und Übung hatten wir genug. Bereits 1962 ging meine Partei in einer Kommunalwahl mit dem Thema „Ja zu Europa“ in den Wahlkampf. Es dauerte dann aber noch 33 Jahre, bis wir Abgeordnete in das Europäische Parlament entsenden konnten.

Es scheint, als ob wir heute nach vielen Jahren harter Vertragsdiskussionen endlich einmal Atem holen können. Bundeskanzlerin Merkel hat eine hervorragende Arbeit zur Lösung dieser Frage geleistet. Mein großer Dank gilt auch Ministerpräsident Sócrates, der den Vertrag gekonnt zum Abschluss gebracht hat. Der Vertrag von Lissabon schafft bessere Voraussetzungen für eine offenere, effektivere und dynamischere europäische Integration. Er eröffnet aber vor allem neue Möglichkeiten für die Diskussionen wichtiger Zukunftsfragen: Klima und Energie, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum, Demografie, Migration und die Rolle der EU auf der internationalen Bühne. Ich möchte zu jedem dieser Themen einige Worte sagen.

Ich will mich für ein modernes Europa einsetzen, das sich von den Anliegen der Bürger leiten lässt.

Unser aller Ziel ist, dass der Vertrag am 1. Januar 2009 in Kraft tritt. Wie der Herr Präsident bereits gesagt hat, wird Schweden den Vertrag im Herbst 2008 ratifizieren. In 18 Monaten wird Schweden den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Das wird eine interessante Zeit der Präsidentschaft mit einem neu gewählten Europäischen Parlament, einer neuen Kommission und mit Führungspositionen, die durch den Vertrag von Lissabon neu geschaffen werden.

Ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament zu all diesen Fragen.

Zu den wichtigsten Themen während der schwedischen Ratspräsidentschaft werden Klima und Energie gehören, ebenso wie das Haager Programm, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum, der Ostseeraum sowie die EU als Global Player. Wir sind bereits intensiv mit den Vorbereitungen beschäftigt und auch für unerwartete Ereignisse gerüstet.

Mit anderen Worten, wir brauchen eine große Flexibilität und die Möglichkeit, uns an die jeweils aktuelle Situation anzupassen, die trotz allem den Prozess beeinflussen kann.

Klima- und Energiefragen sind eine der größten derzeitigen Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Wir tragen eine große Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen, eine Politik für eine langfristig nachhaltige Entwicklung zu formulieren. Gemeinsam müssen wir dafür kämpfen, auf dem UNO-Gipfel in Kopenhagen im Dezember 2009 eine internationale Vereinbarung unter Dach und Fach zu bringen.

Durch die historischen Beschlüsse, die wir auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates im vergangenen Jahr gefasst haben, hat die EU eine Führungsrolle übernommen. Sie kann diese Verantwortung aber nicht ganz allein tragen. Wir werden dazu eine enge Zusammenarbeit mit zahlreichen Ländern, unter anderem Indien, Japan, China, Russland und den USA benötigen.

Berechnungen zufolge wird der Gesamtenergiebedarf der Welt nicht zurückgehen, sondern bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um 50 % ansteigen. Der Schlüssel für die Lösung des Problems der Klimaveränderungen liegt natürlich darin, wie wir mit dieser voraussichtlichen Erhöhung des Energiebedarfs fertig werden.

Dazu müssen wir uns zunächst die Frage stellen, wie wir die Energieeinsparung und die Energieeffizienz verbessern können. Aber die Herausforderungen des Klimawandels erfordern auch einen neuen politischen Ansatz. Wir müssen den Mythos widerlegen, dass Wachstum der Feind der Umwelt ist.

Schweden ist ein klares Beispiel dafür, dass das Gegenteil möglich ist. Seit 1990, dem Beginn des Kyoto-Prozesses, ist unsere Wirtschaft um 44 % gewachsen, und gleichzeitig sind die Treibhausgasemissionen um 9 % gesunken. Wir haben in Forschung und neue Technik investiert sowie unser Steuersystem und gesetzliche Vorschriften geändert. Das hat das Tor zu einer Entwicklung geöffnet, in der der Umweltschutz zu einem Sprungbrett für neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze geworden ist.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Ziele des EU-Klima- und Energiepakets erreichen können. Dazu müssen wir jedoch die richtigen politischen Instrumente einführen, damit unsere Gesellschaften und unsere Unternehmen die richtigen Entscheidungen treffen.

Die Kosten für die Verschmutzung unserer Umwelt müssen hoch sein und die Gegenleistungen für den Einsatz CO2-freier Lösungen interessant.

Wie viele von Ihnen schon angemerkt haben, existiert die grüne Technik bereits. Die Regierungen, aber auch die Bürger, tragen eine große Verantwortung dafür, dass ein Übergang in diese Richtung erfolgt. Wir müssen das als eine Art Gesellschaftsvertrag zwischen den Bürgern und den Regierungen zur Förderung umweltfreundlicher Alternativen sehen. Auf diese Weise wird der Wettbewerb zugunsten einer immer umweltfreundlicheren Gesellschaft verstärkt, wovon wir alle profitieren.

Was die Lissabon-Strategie betrifft, so war die US-amerikanische Wirtschaft mehr als einhundert Jahre lang die mächtigste Wirtschaft der Welt. Mit der sprunghaften Entwicklung der Wirtschaften Indiens und Chinas wird die Weltwirtschaft nun aber von neuen Akteuren beeinflusst. Die Globalisierung hat zu einer positiven Entwicklung in vielen Teilen der Erde geführt. Sie ist eine treibende Kraft für die Demokratie und wirft ein Schlaglicht auf die Unterschiede zwischen offenen und geschlossenen Gesellschaften, aber sie verschärft auch den Wettbewerb.

Die Politik, die uns gestern Arbeit, soziale Sicherheit und Wohlstand gebracht hat, muss ständig verändert werden, damit wir auch morgen die gleichen Erfolge erzielen können.

Gegenwärtig ist ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung Europas vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Das ist eine unhaltbare Situation. Wir müssen das Arbeitskräfteangebot erhöhen und der Ausgrenzung entgegenwirken, und zwar durch Reformen der nationalen Arbeitsmärkte sowie Investitionen in Aus- und Weiterbildung. Im Zuge der immer stärkeren wirtschaftlichen Integration, sowohl innerhalb der Union als auch mit unserem Umfeld, sind die Erfolge und Unzulänglichkeiten – die es auch gibt – der nationalen Reformarbeit nicht länger nur eine interne Angelegenheit, sondern betreffen uns alle.

Der zukünftige Wohlstand in Europa ist in hohem Maße davon abhängig, wie wir Mitgliedstaaten gemeinsam bessere Voraussetzungen schaffen, um die mit der Globalisierung verbundenen Möglichkeiten zu nutzen und die Herausforderungen zu bewältigen. Dies hängt nicht zuletzt auch von unserem Handeln in Bezug auf die demografische Entwicklung und die grenzüberschreitenden Herausforderungen im Umweltbereich ab.

Eine progressive Energie- und Umweltpolitik der Union ist die Voraussetzung für ein langfristig nachhaltiges Wachstum, und damit auch für Wohlstand in Europa, aber sie ist auch ein wichtiger Faktor für unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.

Mit der Lissabon-Strategie für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung hat die EU die Instrumente zur Bewältigung dieser Herausforderungen geschaffen. Die Strategie ist da, leider sind wir bei ihrer Umsetzung etwas vom Weg abgekommen.

Lassen Sie uns mit Entschlossenheit die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU durch die Fortsetzung der Strukturreformen, durch Investitionen in die Forschung und des Ebnen des Weges für die neue Technik stärken. Wir müssen ernsthafte Anstrengungen zur Vollendung des Binnenmarktes und zur Schaffung eines innovativeren Unternehmensumfelds in Europa unternehmen. Darüber hinaus müssen wir dafür sorgen, dass es sich lohnt zu arbeiten. Natürlich bleibt noch viel zu tun, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Ich muss nur die Worte „Patent“ und „Arbeitszeitrichtlinie“ nennen, und Sie verstehen alle, was ich meine.

Wir müssen auch die Doha-Runde im Rahmen der WTO-Verhandlungen abschließen. Das wäre ein starker Impuls für die Erholung der Wirtschaft weltweit. Wenn wir im Geiste der Lissabon-Strategie die Wettbewerbsfähigkeit Europas erhöhen wollen, brauchen wir ein offenes Welthandelssystem und eine weitere Öffnung der Märkte.

Gleichzeitig wissen viele, dass der Wind des Protektionismus durch Europa weht. Dagegen müssen wir uns wehren, denn Protektionismus ist keine Lösung. Langfristig zerstört er diejenigen, die er eigentlich schützen sollte. Wir dürfen dabei keine Zeit verlieren, weil die Chancen innerhalb der WTO immer geringer werden.

Wenn wir von der Lissabon-Strategie sprechen, dürfen wir aber auch nicht nur jammern wie der Esel I-Ah bei Puh dem Bär. Lassen Sie uns auch für einen Moment innehalten und einen Blick auf den gerade abgelaufenen Zeitraum werfen. Dann sehen wir auch wesentliche Fortschritte und Erfolge, die dazu geführt haben, dass der Lissabon-Prozess jetzt seit 2005 ein funktionierender Prozess ist, der die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gestärkt, die Umsetzung beschleunigt und zu Ergebnissen geführt hat.

Es wurde viel erreicht dank der entschlossenen Arbeit der Kommission und des großen persönlichen Engagements des Kommissionspräsidenten Barroso. Aber ich möchte auch dem Europäischen Parlament für seine äußerst konstruktive Rolle danken.

Wie finden wir nun den besten Weg, um uns den Herausforderungen der Zukunft zu stellen? Wie sichern wir gemeinsam langfristigen Wohlstand in Europa durch nachhaltiges Wachstum und Vollbeschäftigung, damit Europa sich dem weltweiten Wettbewerb stellen kann? Ich betrachte den schwedischen Ratsvorsitz im Herbst 2009 als hervorragenden Zeitpunkt zur Eröffnung einer Diskussion über eine zukünftige europäische Strategie für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung für das kommende Jahrzehnt.

Nun einige Anmerkungen zum Haushalt der Europäischen Union. Dieser hat unserer Ansicht nach sein Verfallsdatum bereits seit langem überschritten. Der Haushalt sollte das wichtigste Instrument zum Erreichen der Ziele der Union sein und somit auch diese Ziele besser widerspiegeln. Gegenwärtig werden 40 % des EU-Haushalts für Agrarsubventionen aufgewendet, d. h. für einen Sektor, der für 2 % der Beschäftigung in Europa steht. Das ist unangemessen.

Stellen Sie sich vor, wir würden stattdessen mehr in Forschung und Entwicklung, in den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, in Umweltfragen und in die Außenbeziehungen investieren. Oder stellen Sie sich vor, wir würden uns trauen, eine offene Diskussion darüber zu führen, was auf Gemeinschaftsebene und was auf nationaler Ebene finanziert werden sollte.

Europa steht vor einer demografischen Entwicklung mit einer schnell alternden Bevölkerung, eine Entwicklung, durch die unsere Systeme der sozialen Sicherheit in den kommenden Jahren immer stärker unter Druck geraten werden. Lassen Sie mich an einigen Beispielen veranschaulichen, wie rasant die Veränderungen in Schweden vor sich gegangen sind. 1913, also vor fast 100 Jahren, wurde das Rentenalter in Schweden auf 67 Jahre festgelegt. Dabei sollte man bedenken, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Schweden zu der Zeit etwa bei 56 Jahren lag. Das Rentensystem war also nur für die wenigen gedacht, die die Arbeitsjahre überlebten und noch einige wenige Jahre danach zu leben hatten. Die meisten arbeiteten von frühester Jugend an und starben dann. Jetzt ist das Rentenalter in der Praxis gesunken, während die Lebenserwartung in Schweden auf 80 Jahre gestiegen ist. Während wir früher also praktisch unser gesamtes Leben lang gearbeitet haben, kann ein heute geborener Schwede davon ausgehen, dass er nur die Hälfte seines Lebens arbeiten wird. Eine fantastische Entwicklung in nur wenigen Generationen. Aber das bedeutet auch, dass immer weniger Menschen die Rente für immer mehr Menschen erarbeiten müssen.

Zusammen mit der erheblichen Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt verstärkt dies die Notwendigkeit einer Politik zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Es müssen mehr Menschen eine Beschäftigung haben, damit wir unter diesen Umständen den Wohlstand aufrechterhalten können. Betrachtet man unsere gegenwärtige Lebensweise, werden mehr Menschen eine längere Zeit ihres Lebens arbeiten müssen. Der wachsende Anteil älterer Menschen in Europa passt nicht zu der Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter.

Und genau damit kommen wir zur Frage der Migration, die bei richtiger Handhabung ein wichtiges und wirklich notwendiges Puzzleteil zur Aufrechterhaltung eines Wohlfahrtssystems ist, das diesen Namen auch verdient. Stellen Sie sich vor, alle Neuankömmlinge, die positiv, erwartungsvoll und fest entschlossen sind, ihren Beitrag zu leisten, würden so empfangen, dass wir ihre positive Energie nutzen würden.

Wir müssen für die Menschen, die nach Europa kommen, politische Voraussetzungen schaffen, die ihnen einen schnellen Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglichen.

Die Migration ist für die Mitgliedstaaten zu einem vordringlichen Problem geworden, aber Kontrollmaßnahmen und Rückführungsabkommen dürfen nie die einzige Antwort auf die Herausforderungen einer zunehmenden Einwanderung sein. Wer glaubt, eine Verstärkung der Grenzkontrollen könnte die zahlreichen und unterschiedlichen Aspekte des Problems der Zuwanderung lösen, vereinfacht die Dinge allzu stark. Wir brauchen einen breiteren Ansatz – sowohl für die EU als auch für die Herkunftsländer.

Schweden unterstützt das ehrgeizige Ziel, bis 2010 ein gemeinsames europäisches Asylsystems einzuführen. Damit dieses Ziel jedoch auch erreicht werden kann, sind verstärkte Anstrengungen in dieser Frage erforderlich.

Eine weitere Priorität für Schweden ist die Integration der Außenbeziehungen der EU sowie eine bessere Übereinstimmung von Zuwanderung auf der einen Seite und Entwicklungshilfepolitik auf der anderen. Dann dürfen wir natürlich auch nicht vergessen, dass wir nur durch die langfristige Bekämpfung der Ursachen der Migration, d. h. von Armut und Unterdrückung, echte Fortschritte erreichen können. Hier ist eine globale Herangehensweise erforderlich, nicht zuletzt durch den hochrangigen Dialog über Migration im Rahmen der UNO.

Die europäische Union spielt eine wichtige Rolle dabei, diese Gedanken mit konkreterem Inhalt zu füllen, vor allem auch in Form einer breiten partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den betreffenden afrikanischen Ländern.

Wir wollen für ein ehrgeiziges und zukunftsweisendes Programm für die Jahre 2010-2014 eintreten, dass das Haager Programm ersetzt. In diesem Prozess legen wir großen Wert auf die aktive Beteiligung des Europäischen Parlaments.

Der internationale Terrorismus ist eine der größten weltweiten Bedrohungen für unsere offenen Gesellschaften. Mit dem Anwachsen der Terrornetzwerke wird deutlich, wie immer mehr Menschen zunehmend selbstständig agieren und Terroranschläge weniger vorhersehbar werden.

Die organisierte Kriminalität stellt ein wachsendes Problem in Europa dar, bei dem es den einzelnen Ländern immer schwerer fällt, international organisierte schwere Verbrechen selbst zu bekämpfen. Viele dieser Straftaten haben oftmals ihren Ursprung außerhalb der EU. Der Vertrag von Lissabon gibt uns nun neue Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus und andere grenzüberschreitende Straftaten in die Hand. In diesem Zusammenhang wird dem Europäischen Parlament eine wichtige Rolle zukommen, denn die Angleichung der Rechtsvorschriften muss weiter fortgeführt und die Möglichkeiten zur gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsurteilen weiterentwickelt werden. Die europäischen Behörden Europol und Eurojust müssen gestärkt und der Informationsaustausch zwischen den nationalen Polizeibehörden verbessert werden.

Gleichzeitig sei daran erinnert, dass unsere Maßnahmen vor allem ausgewogen sein müssen. Wenn wir die Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung intensivieren, müssen wir gleichzeitig auch die Rechte des Einzelnen stärken. Dabei verlassen wir uns nicht zuletzt auf die Anstrengungen des Europäischen Parlaments. Es ist wichtig, dass wir uns auf Gemeinschaftsebene über die Stärkung der Rechtssicherheit im Strafrecht sowie hinsichtlich der Rechte von Verbrechensopfern verständigen.

Ich wünsche mir ein Europa, das als Stimme des Friedens und der Versöhnung auftritt, auch in den Teilen der Welt, die von Krieg und Konflikten betroffen sind, in Afrika, Asien und Lateinamerika und natürlich auch hier in Europa.

Schweden hat die Initiative zu einem breiten Dialog über die weitere Entwicklung der gemeinsamen europäischen Sicherheitsstrategie ergriffen. 2009 werden wir intensiv an der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes arbeiten. Ein Beitrag zur Lösung der Nahostkonflikte muss eine der wichtigsten Aufgaben der Europäischen Union in den kommenden Jahren sein. Die zukünftige Einigung zwischen Israelis und Palästinensern muss auf einer Zweistaatenlösung gründen, bei der beide Parteien innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen leben. Wir brauchen einen intensiveren Dialog mit der islamischen Welt, um Vertrauen, Respekt und Verständnis zwischen dem „Westen“ und der islamischen Welt aufzubauen.

Ferner streben wir mit Russland engere Verbindungen in allen gesellschaftlichen Bereichen an und hoffen, dass die noch bestehenden Hindernisse für eine Mitgliedschaft Russlands in der WTO überwunden werden können. Es liegt in unserem Interesse, dass Russland sich zu einem modernen, erfolgreichen und demokratischen Staat entwickelt. Leider deutet die Entwicklung der vergangenen Jahre in eine eher autoritäre Richtung, eher auf das Gegenteil hin. Eine mögliche Fortsetzung dieses Trends erfüllt uns mit Beunruhigung.

Die Lage auf dem westlichen Balkan ist nach wie vor eine der größten und kompliziertesten Herausforderungen für Europa. Wir werden uns noch lange Zeit umfassend im Prozess der Staatsbildung im Kosovo engagieren. Die Probleme, denen wir dabei gegenüberstehen, dürfen nicht unterschätzt werden, denn die wirtschaftliche und soziale Situation im Kosovo ist äußerst schwierig, und es muss noch ein langer Weg bis zu einem funktionierenden Rechtsstaat zurückgelegt werden. Der Staatsaufbau braucht Zeit, gleichwohl müssen wir bereit sein, uns zu engagieren und Unterstützung zu leisten. Das liegt in unserer Verantwortung. Unser Engagement gilt aber auch der gesamten Region, was in Zeiten wie diesen nicht genug unterstrichen werden kann.

Europäisches Krisenmanagement wird eine der wichtigsten Fragen der zukünftigen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sein. Unser Land ist bestrebt, soweit wie das in unseren Möglichkeiten liegt, eine aktive Rolle bei der weiteren Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu spielen. Schweden hat sich an den meisten auf Initiative der EU durchgeführten Operationen beteiligt und steht jetzt in Bereitschaft, um sich an der EU-Mission im Tschad zu beteiligen.

Von Stockholm aus ist es näher nach Minsk als in die meisten nördlichen Regionen Schwedens. Weißrussland ist Europas letzte Diktatur, und es ist unsere Pflicht, mehr für die Unterstützung der demokratischen Kräfte in diesem Land zu tun.

Die Entwicklung des Ostseeraums ist eine europäische Angelegenheit, denn acht von neun Ostseeanliegerstaaten sind jetzt Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Da die sensible Umwelt der Ostsee Auswirkungen auf fast ein Viertel der EU-Bevölkerung – annähernd 100 Millionen Bürger – hat, brauchen wir ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Die von der Kommission bis zum schwedischen Ratsvorsitz 2009 zu erarbeitende Ostseestrategie wird sich hoffentlich den Herausforderungen in dieser Region stellen.

Diese Strategie kann als Modell dafür dienen, wie wir in der erweiterten Union die Probleme einzelner Regionen angehen, um letztendlich die EU als Ganzes zu stärken.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zur Erweiterung sagen. Wie Sie alle wissen, ist dieses Thema eine Herzensangelegenheit der schwedischen Regierung und des schwedischen Volkes. Die Erweiterung war eine der größten Herausforderungen der EU, sie ist aber auch eine ihrer größten Chancen.

Wer durch die Länder fährt, die in den letzten Jahren der EU beigetreten sind, trifft dort auf Entwicklung und Zukunftsgewissheit. Leider sind immer mehr Stimmen gegen die Erweiterung zu hören. Lassen Sie mich Klartext reden: das Dümmste, was wir machen können, wäre, unseren Auftrag zu vergessen, zu vergessen, was den Gedanken der europäischen Integration hervorgebracht hat.

Ohne die Erweiterung wäre Europa nicht das, was es heute ist, und ohne zukünftige Erweiterungen gefährden wir die Stabilität auf unserem Kontinent, denn die Erweiterung ist das wichtigste strategische Instrument zur Verbreitung der Werte, auf denen die europäische Integration gründet. Wir haben eine Mauer in Europa eingerissen, nun dürfen wir keine neue gegenüber der Türkei oder anderen europäischen Ländern errichten. Wir wissen heute, dass wir durch eine Zusammenarbeit in Europa und auf der ganzen Welt noch wesentlich mehr noch besser hätten tun können.

Lassen Sie uns die europäische Integration niemals als etwas Selbstverständliches betrachten, denn wir brauchen ein starkes Europa, in dem wir mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein noch höhere Ziele angehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich freue mich, Sie im Sommer wiederzusehen, wenn wir an der Reihe sind, den turnusmäßig wechselnden EU-Ratsvorsitz zu übernehmen.

 
  
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  Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Ministerpräsident! Wir freuen uns auch, dass die Kommission mit Frau Vizepräsidentin Wallström vertreten ist. Wir kommen damit zur Debatte.

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das Vergnügen, im Namen der PPE-DE-Fraktion den schwedischen Ministerpräsidenten hier zu begrüßen. Lieber Fredrik Reinfeldt, Sie sind der erste Regierungschef, der nach der Unterzeichnung des Lissabonner Änderungsvertrags seine Vorstellung von der Zukunft Europas vor unserem Parlament darlegt.

Am Tage vor unserer Aussprache über den Vertrag und die mit ihm verbundenen demokratischen Fortschritte für die Union möchte ich – und ich spreche hier im Namen der EVP-Mitglieder meiner Fraktion – nochmals dazu aufrufen, dass der Ratifizierungsprozess rasch weitergeführt wird. Fünf der 27 Mitgliedsländer haben bisher den Vertrag ratifiziert. Sie haben die neuen Instrumente bejaht, die der Lissabonner Vertrag bereitstellt, um das Europa der Zukunft zu gestalten, um die Wünsche seiner Bürger zu verwirklichen. Je schneller diese Ratifikation stattfindet, desto schneller werden wir über neue Funktionsregeln verfügen, die unabdingbar für ein wirksames europäisches Handeln sind. Desto schneller können wir insbesondere unsere Anstrengungen auf den Inhalt unserer gemeinsamen Politiken konzentrieren. Europa muss in der Lage sein, in den Bereichen Energie, Klima, Nahrungsmittelsicherheit, Zuwanderung und Verteidigung rasch zu entscheiden.

Seit über fünfzig Jahren hat die politische Familie, der ich angehöre, die Einigung Europas gefördert und begleitet. Im Juni 2009 wird unser Engagement für ein Europa der gemeinsamen Werte, ein Europa des Wohlstandes, ein Europa der Sicherheit und der Solidarität sich erneut dem Votum der Wähler stellen. Wir hoffen, dass Europa für dieses wichtige Ereignis bereit ist.

Wir wollen ein Europa, das wettbewerbsfähig ist und Arbeitsplätze schafft. Wir wollen, dass es Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung fördert. Der Wohlstand Europas muss auf dauerhaften Grundlagen stehen. Daher treten wir für eine vernünftige nachhaltige Entwicklung ein, die den Umweltschutz und den Kampf gegen den Klimawandel einschließt.

Die PPE–DE-Fraktion befürwortet den freien Handel, einen freien Handel, der die Erhöhung der Kaufkraft der Ärmsten in der Gesellschaft ermöglicht und den Abbau der Ungleichheiten sowohl innerhalb der nationalen Grenzen wie auch zwischen den Ländern fördert. Unserer Meinung nach kann die Globalisierung eine Chance für Europa sein, doch werden wir deshalb niemals einen ungebremsten Freihandelsradikalismus hinnehmen. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, die Interessen der Hilfsbedürftigsten zu wahren und unser europäisches Sozialmodell zu verteidigen. Wirtschaftswachstum und hohes Sozialschutzniveau sind nicht unvereinbar: Unsere Wachstumsrate, die 2007 über der der USA lag, beweist dies.

Des Weiteren setzt das Europa des Wohlstands die Vollendung eines effizienten und offenen Binnenmarktes voraus sowie die Realisierung der Ziele der Lissabon-Strategie. Wir wollen ein Europa, das mit öffentlichen Geldern verantwortungsvoll und nach höchsten Standards umgeht. Doch die sparsame Verwendung der Haushaltsmittel darf den Grundsatz der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Europa und seinen Partnern in der Welt nicht beeinträchtigen. Die Solidarität hat ihren Preis, den wir aufbringen müssen.

Wir wollen ebenfalls ein starkes Europa, das fähig ist, den internationalen Terrorismus und das grenzübergreifende organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Dabei gilt es, unsere Werte, unsere Freiheiten, unsere Demokratie, unsere Rechtsstaatlichkeit und unsere Solidarität zu verteidigen. Wenn es um die Sicherheit des europäischen Territoriums und seiner Bewohner geht, steht nichts zur Disposition. Die Verteidigung der Freiheit, die wir so teuer erworben haben, erfordert unerschütterliche Entschlossenheit sowie energische, koordinierte Maßnahmen. Wenn angesichts realer Risiken unsere Wachsamkeit erhöht werden muss, müssen wir gleichzeitig auf die Einhaltung der individuellen Freiheiten unserer Bürger achten. Wir sind für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheit und individueller Freiheit.

Auch auf internationaler Ebene muss sich Europa engagieren und immer stärkere Verbindungen zu Partnern, die unsere Weltsicht teilen, herstellen. Wir befürworten ein solides und tiefes transatlantisches Bündnis, doch wir wollen auch die Entwicklung der Nachbarschaftspolitik und die Fortsetzung der Erweiterungspolitik.

Im Hinblick auf Zypern unterstützt unsere Fraktion die jüngsten Bemühungen um eine gerechte Lösung, die ein friedliches Zusammenleben aller Zyprer ermöglicht.

Im Nahen Osten muss Europa die schwierigen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern politisch und finanziell unterstützen, um zum Frieden zu gelangen. Ohne Zugeständnisse auf beiden Seiten wird es nicht möglich sein, den Extremisten Einhalt zu gebieten. Das Bestehen der Europäischen Union zeigt, dass es möglich ist, den Hass zwischen den Völkern zu überwinden und eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.

Unsere Erfahrung muss denen dienen, die sich bekriegen. Der Südostbalkan stellt heute den instabilsten Teil unseres Kontinents dar, und die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo eröffnet eine Periode der Ungewissheit. Wir fordern alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Jede Provokation muss vermieden werden. Die Sicherheit der Bevölkerung muss auf jeden Fall gewahrt werden, und Europa hat dabei eine Schlüsselrolle zu spielen.

Es ist an der Zeit, unsere Fähigkeit zur Stabilisierung des Balkans unter Beweis zu stellen. Wir befürworten die Entsendung einer Polizei- und Justizmission der Union zur Unterstützung der kosovarischen Behörden. Wir rufen das Kosovo zu einer stabilen, demokratischen und multiethnischen Zukunft sowie zu einer europäischen Zukunft auf. Diese Gemeinschaftsperspektive trifft auf alle Balkanländer zu, also auch auf Serbien. Wir sind nicht für eine Isolierung der Serben, sondern für die Einheit Europas.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, in unserer Aussprache geht es um die Zukunft Europas, wir müssen uns den Herausforderungen stellen und sie bewältigen. Dazu brauchen wir eine klare politische Vision, Entschlossenheit und Mut. Auf der Grundlage dieser Werte und Prioritäten wird die PPE-DE-Fraktion ihren Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten.

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Herr Ministerpräsident Reinfeldt, ich freue mich, dass ich Sie in Straßburg begrüßen darf. Ich weiß nicht, ob Frau Malmström auch so begeistert davon ist, dass sie mit Ihnen nach Straßburg kommen musste, aber das können wir vielleicht später einmal bei einer anderen Gelegenheit erörtern.

Sie haben eine gute Rede gehalten, Herr Ministerpräsident. Ich finde auch, dass Sie eine kluge Rede gehalten haben. Sie haben nämlich in Ihrer Rede darauf aufmerksam gemacht, dass das, was die Zukunft Europas bedeutet, nur denkbar ist, wenn wir Europa in eine Relation setzen zu den Herausforderungen, die dieser Kontinent weltweit mit zu bewältigen hat. Das Weltklima ist keine europäische Klimadebatte, sondern eine Weltklimadebatte. Richtig. Die Frage des Welthandels und der Rolle der Europäischen Union darf sich nicht auf die Binnenmarktdebatte beschränken, sondern muss beschreiben, was dieser enorme Binnenmarkt mit seiner enormen Wirtschaftskraft weltweit zu Wohlfahrt, nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Kontinenten dieser Erde, beitragen kann. Denn Wohlfahrt in anderen Kontinenten dieser Erde – und damit ist ein dritter Punkt erreicht, den Sie angesprochen haben – dient dem Weltfrieden. Europa muss als eine Friedensmacht, die den Frieden nach innen stabilisiert hat, zum Frieden weltweit beitragen können. Dabei ist Europa nicht der Lehrmeister, aber Europa kann ein Angebot sein.

Die supranationale Integration, die Integration über die trennenden Gräben von Religion, von ethnischer Auseinandersetzung hinweg, über die Gräben einer blutigen Vergangenheit hinweg, indem man den Nationalismus aufgibt und den supranationalen Ansatz wählt, führt immer zu mehr Wohlfahrt, führt immer zu mehr Frieden. Deshalb ist die Zukunft Europas abhängig von der Fähigkeit von Regierungschefs wie Ihnen, zu sagen: Im entscheidenden Moment bin ich bereit, ein Stück nationaler Souveränität aufzugeben, um mich einzubringen in einen transnationalen Rahmen, der der Rahmen ist, der zu mehr Wohlfahrt in der Welt und damit zu mehr Frieden für uns in unserem Land führen kann. Diese Logik ist die Logik, die Sie heute hier vorgetragen haben. Das finde ich gut. Es ist eine andere Logik als die der Ultranationalisten, die wir morgen wieder hier erleben werden, die uns permanent erzählen, dass mehr Nationalismus erforderlich wäre. Mehr Nationalismus heißt immer mehr Krieg. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Deshalb war die Botschaft, die Sie hier vorgetragen haben, eine gute Botschaft.

(Zwischenrufe)

Diejenigen, die reagieren, sind die, die ich angesprochen habe! Also ist meine message angekommen!

Herr Ministerpräsident, was ich vermisst habe, ist das soziale Europa. Mir hat einer gesagt, mit dem Reinfeldt musst du vorsichtig sein. Das ist fast ein Sozi. Zumindest haben Sie sich im Wahlkampf in Schweden so aufgeführt. Nun gut, das schwedische Volk ist relativ schnell über die wirklichen Ansätze Ihrer Regierung aufgeklärt worden. Aber sie haben mit keinem Wort über das soziale Europa gesprochen. Nun weiß ich, dass Sie der Meinung sind, dass soziale Politik subsidiär sei. Da haben Sie Recht. Aber dann muss ich Ihnen sagen: Wenn der Binnenmarkt der Europäischen Union, den Sie entwickeln wollen, den Menschen auch in Schweden den Eindruck vermittelt, dass er ihre sozialen Standards, die sie zu Hause haben, bedroht, dann werden sie diesen Binnenmarkt ablehnen.

Dann ist aber auch Ihr internationales Welthandelskonzept nichts wert. Sie müssen sehen, dass der europäische Binnenmarkt entwickelt werden muss, aber er muss parallel entwickelt werden zu einem europäischen Sozialmodell. Denn sonst, wenn diese Parallelität nicht hergestellt wird, dann ist der europäische Binnenmarkt, wenn er fehlentwickelt wird, wenn er nur freihändlerisch konzipiert wird, eine tatsächliche Gefahr für das, was wir im nationalen Rahmen an sozialer Stabilität erkämpft haben. Deshalb gebe ich Ihnen einen guten Rat, Herr Ministerpräsident Reinfeldt: Ja beim Weltklima. Ja beim Welthandel. Ja bei der internationalen Friedenssicherung. Aber auch ja beim sozialen Europa. Da ich aber weiß, dass Sie ein lernfähiger Mann sind, bin ich ziemlich sicher, dass Sie da noch ein bisschen nachbessern werden.

Herr Ministerpräsident Reinfeldt, ich habe mich sehr gefreut über eine Bemerkung, die Sie zur Türkei gemacht haben. Sie sind ein gerechter Mann, so wie unser Präsident. Er hatte meinem Kollegen Doyle anderthalb Minuten mehr genehmigt. Das wird er bei mir auch tun, deshalb kann ich noch eins hinzufügen: Sie haben zur Türkei gesprochen. Sagen Sie das Ihrem Kollegen Sarkozy. Denn was nicht geht, ist, dass in der Europäischen Union ständig Leute mit unterschiedlichen Botschaften auftreten. Wenn ich der türkische Ministerpräsident wäre, käme auch ich aus dem Staunen nicht heraus. Herr Reinfeldt fährt ins Europaparlament und sagt: Macht die Schotten nicht dicht. Haltet die Perspektive für die Türkei offen. Der nächste Ratspräsident, der nach Herrn Janša hier auftreten wird, wird das Gegenteil behaupten. Da bin ich ziemlich sicher. Herr Sarkozy hat uns nämlich hier im Parlament gesagt: Mit mir gibt es keinen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Diese Frage kann so nicht wabern. Das muss geklärt werden. Es gibt eine klare Strategie der Europäischen Union für den Beitritt der Türkei. Dann muss man zu diesen Aussagen auch stehen. Oder nicht? Sie haben heute Klartext geredet, und ich hoffe, Herr Sarkozy wird das auch tun.

Eine letzte Bemerkung: Was mich am meisten gefreut hat, war Ihre Ankündigung, dass Sie im Sommer des kommenden Jahres als amtierender Ratspräsident zurückkommen wollen. Das finde ich gut. Es gibt hier einige, die glauben, der nächste, der hier nur noch auftritt, sei der permanente Ratspräsident, der dann auch alle Programme aller rotierenden Präsidentschaften vorträgt, also Herr Blair oder Herr Juncker oder was weiß ich, wer da immer gehandelt wird, wäre dann derjenige, der das Programm Ihrer Regierung, das Sie in Stockholm festlegen, dann hier vorträgt. Also, das Europäische Parlament erwartet Sie im kommenden Jahr bei der rotierenden Ratspräsidentschaft mit Ihrem Programm, das dann auch das soziale Europa beinhalten wird.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Als das Parlament diese Aussprachenreihe über die Zukunft Europas ins Leben rief, konnten sich nur wenige vorstellen, dass bis 2009 ein neuer Vertrag in Kraft sein würde. Europa war im Niedergang begriffen, und in Abwandlung eines Zitats von August Strindberg, Herrn Reinfeldts Landsmann, könnte man sagen, dass das etwas Unnatürliches hatte, denn die Natur fordert Fortschritt, Evolution, und jeder Schritt zurück ist verschwendete Energie.

Inzwischen hat die Europäische Union die kollektive Energie gefunden und Europa wieder auf den Weg in Richtung Fortschritt gebracht. Bis das Heimatland des Ministerpräsidenten 2009 die Zügel übernimmt, wird sich in der EU eine demokratische Revolution vollzogen haben: die EU wird offener und bürgernäher sein und einer größeren Kontrolle unterliegen. Diejenigen, die der EU Demokratiefeindlichkeit vorwerfen, müssen schon verrückt sein, wenn sie einen Vertrag ablehnen, der den Bürgern und ihren Vertretern die Zügel in die Hand gibt. Außerdem sind wir der falsche Ansprechpartner für ihre diesbezüglichen Beschwerden, denn das Parlament ist nicht für Entscheidungen der nationalen Regierungen über die Durchführung von Volksentscheiden verantwortlich.

Ausgehend davon, wie erfolgreich der Ministerpräsident in seinem Heimatland für Konsens gesorgt hat, ist er der ideale Kandidat, um eine Europäische Union mit einem neuen Rat, einem neuen Parlament und einer neuen Kommission aus der Taufe zu heben. Doch wird er tatsächlich die Zügel – so wie die Ratspräsidentschaften vor ihm – in der Hand halten, oder wird er lediglich der Kabinettschef des permanenten Ratspräsidenten sein?

Tatsache ist, dass der Vertrag einen Rahmen für eine Zukunft vorsieht, die wir noch skizzieren müssen, eine Zukunft, in der die größte Herausforderung für unsere Union, wie der schwedische Europaminister sagt, darin besteht, praktische Ergebnisse vorzuweisen, die die Bürger zu Recht einfordern, anstatt endlose Nabelschau zu betreiben, die ein Rat der Weisen nur verlängern würde.

Aus zahllosen Erhebungen geht hervor, dass die Euroskeptiker Unrecht haben. Die Bürger wollen nicht weniger Europa. Sie wollen mehr: mehr gemeinsame Aktionen gegen Terrorismus, mehr gemeinsame Aktionen im Hinblick auf Energie und Umwelt, Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten, Migration, Forschung und Entwicklung. Sie wollen, dass Europa in großen Zusammenhängen denkt. Dabei steckt die Zusammenarbeit in den meisten dieser Bereiche noch in den Kinderschuhen, weil die Regierungen der Mitgliedstaaten in den Hauptstädten der Länder hartnäckig den Willen der Öffentlichkeit leugnen.

Uns bleiben bis zum Inkrafttreten des Vertrags zehn Monate. Jetzt gilt es, unser Haus in Ordnung zu bringen. Dieses Parlament muss sich jetzt auf seinen größten Machtzuwachs in seiner Geschichte vorbereiten, und Rat und Kommission müssen die beiden in Vorbereitung befindlichen Legislativvorschläge auf den Lissabonner Vertrag abstimmen, wie sich auch derzeitige Praktiken ändern müssen.

Wie der Ministerpräsident schon andeutete, stehen große und dringende Aufgaben an, die nur gelöst werden können, wenn die Regierungsstellen loyal zusammenarbeiten. Deshalb bitte ich den Herrn Ministerpräsidenten eindringlich, für eine Ausweitung des Dialogs zwischen den Parlament und dem Rat zu sorgen, damit wir dann, wenn wir in fast 80 Politikbereichen ein Mitentscheidungsrecht haben und das Arbeitspensum dieses Hauses und des Rates enorm angewachsen sein wird, die Union ordnungsgemäß leiten und verwalten können, und zwar beispielsweise im Hinblick auf die derzeit größte außenpolitische Herausforderung der Union – die Kosovo-Frage; im Hinblick auf die Frage der Türkei, in der ich mit dem Ministerpräsidenten stark übereinstimme; und in Bezug auf andere große Herausforderungen, die er angesprochen hat, wie das Wachstum der Weltbevölkerung, Armut und Migration.

Der Ministerpräsident ging in seinen Ausführungen auch auf die Problematik der Globalisierung ein, und zwar sowohl in unserer unmittelbaren Nachbarschaft als auch darüber hinaus, eine Problematik, die nur durch die Zusammenarbeit innerhalb der EU bewältigt werden kann. Frühere Premierminister haben in diesem Saal dasselbe getan, ohne jedoch eine solche Zusammenarbeit zu bewirken. Deshalb lege ich Ihnen folgende schwedische Redensart ans Herz: Gott lära av andras fel, eftersom man inte hinner begå alla själv – Man sollte aus den Fehlern anderer lernen, denn man hat keine Zeit, sie selbst zu machen.

(Beifall)

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, endlich hat die heikle Phase der Ratifikationen, von denen wir hoffen, dass sie so schnell wie möglich erfolgen mögen, begonnen. Die stärkere Einbeziehung des Europäischen Parlaments in den Entscheidungsprozess zeugt davon, dass den europäischen Bürgern mehr Beachtung geschenkt wird.

Europa hat jetzt eine ehrgeizige Mission zu erfüllen: Es muss eine tragendere Rolle in der Weltpolitik übernehmen. Das bedeutet nicht nur Menschenrechte zu festigen, sondern konkrete Maßnahmen zu deren Verteidigung zu ergreifen. Die Union muss die dringenden internationalen Probleme anpacken, die gegenwärtig den einzelnen Mitgliedstaaten, den USA und, mit allen Einschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit, den Vereinten Nationen überlassen sind. Wir müssen die Zunkunftsszenarien vorwegnehmen, damit wir nicht, wie im Falle Kosovos, unvorbereitet und uneins in eine derart heikle Lage geraten.

Energie ist ein brennendes Problem, mit dem sich die Union gegenwärtig auseinandersetzt und bei dem der falsche ökologische Ansatz aufgegeben werden muss, indem gemeinsame Lösungen für die Bewältigung der großen Probleme im Zusammenhang mit der Energiekrise und der Entwicklung untersucht werden. Die Mitgliedstaaten und die Unternehmen, über die sie tätig sind, müssen unserer Meinung nach Eigentümer der Verteilungsnetze bleiben, denn es kann alles privatisiert werden außer der Sicherheit der Bürger und der Staaten. Jede andere Entscheidung schmälert die Unabhängigkeit und Selbstversorgung der Union. Wir brauchen objektive Studien, mit denen das Dilemma zwischen Kernenergie und alternativen Energiequellen überwunden werden kann. Es ist Zeit, Entscheidungen zu treffen anstatt nur Erklärungen abzugeben.

Das Internet und die Unfähigkeit, von Anfang an eine Regelung dafür zu finden, haben es dem Netz ermöglicht, den Grad der Freiheiten in unserer Gesellschaft im positiven Sinne zu erhöhen, doch sie haben auch alle der unkontrollierten Gefahr des Terrorismus ausgesetzt, der nicht zuletzt durch die Kryptographie eine zunehmende Bedrohung für die Demokratie und die Freiheit aller wird.

Das Europa der Dienstleistungen, der Wirtschaft und des freien Marktes – eines Marktes, der durch klare und gemeinsame Regeln gelenkt werden muss – darf nicht vergessen, einen Grundwert wie den der Unversehrtheit der Kinder zu schützen. Die Zunahme der Online-Pädophilie und die aktuellsten Daten, denen zufolge 52 % der Websites pädophilen Inhalts aus Europa stammen, zwingen uns, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu harmonisieren, um unionsweit zügige Verfahren, eine angemessene Prävention und gesetzliche Bestimmungen zu gewährleisten, die die Verantwortlichkeit der Provider und die Schließung illegaler Websites in allen EU-Staaten vorsehen. Wir brauchen eine einzige europäische Stelle, die den Familien, Lehrern, Polizeikräften und Gerichten beim Austausch von Informationen, die notwendig sind, um dieses furchtbare Verbrechen auszurotten und die Verantwortlichen zu bestrafen, Unterstützung gibt.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, sich dieses ernsten Problems nicht sofort anzunehmen würde bedeuten, Europa seiner Zukunft zu berauben, denn ohne die Unversehrtheit der Kinder hat unser Europa keine Zukunft.

 
  
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  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist uns eine große Freude, den Herrn Ministerpräsidenten kennen zu lernen, insbesondere weil er von mehreren Frauen umgeben ist: einige von ihnen, wie Cecilia, kennen wir seit Jahren, und andere, wie Margot, hatten wir auch lange Zeit hier. Die Rolle der Frauen in seiner Regierung und in seinem Land ist daher etwas, was ich wirklich hervorheben möchte, zumal das nicht nur eine Geschlechter-, sondern ebenso eine Qualitätsfrage ist, und auch um dies anzuerkennen, freuen wir uns, ihn heute hier begrüßen zu können.

Herr Ministerpräsident, die zukünftige Aufgabe der Europäischen Union ist die Beherrschung des Klimawandels in all seinen Dimensionen: der umweltpolitischen, der wirtschaftlichen und der sozialen. Es muss uns unbedingt gelingen, den Trend der globalen Erwärmung umzukehren und diese Herausforderung zu nutzen, um die Wirtschaft, die Beschäftigung und die Wettbewerbsfähigkeit, die wir in jedem Falle sicherstellen müssen, auf Nachhaltigkeit auszurichten.

So wie es vor Jahren Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft war, Krieg zu vermeiden und später die Vereinigung Europas nach dem Mauerfall zu gewährleisten, müssen wir fähig sein, in Bezug auf die großen ökologischen Herausforderungen künftig eine echte Führungsrolle zu übernehmen. Das denken wir nicht etwa, weil wir nur ein Thema kennen oder weil wir Grüne sind, sondern weil wir der Realität ins Auge sehen, ohne uns Illusionen hinzugeben oder durch die ideologische Brille zu schauen.

Wir sind davon überzeugt, dass das Wirtschaftssystem, die demokratische Stabilität, die Fähigkeit, die Millenniumsziele zu verwirklichen und die Migrationsprobleme zu bewältigen, alle mit der Verwaltung der knappen Ressourcen und mit dem Klimawandel zusammenhängen. Europa hat hier offenkundig eine Führungsrolle zu übernehmen.

Deshalb, Herr Ministerpräsident, erscheint uns Ihre Bemerkung zu der Notwendigkeit, noch einmal darüber zu reden, was auf europäischer und was auf nationaler Ebene getan und bezahlt werden müsse, wirklich sehr banal, und wir hoffen, das bleibt uns erspart.

Heutzutage ist der Haushalt der Europäischen Union auf 1 % des BNE begrenzt, das heißt kein einziger, oder zumindest nicht die Hälfte Ihrer Vorschläge, wird umgesetzt werden können, wenn die Europäische Union nicht über einen angemessenen Haushalt verfügen kann. Deshalb hoffe ich, dass bei der Halbzeitüberprüfung, bei der Ihre Präsidentschaft, wie ich glaube, eine bedeutende Rolle spielen wird, denn zwischen diesem und dem nächsten Jahr werden wir auch über die Finanzielle Vorausschau entscheiden müssen, deshalb hoffe ich also, dass Ihr Land eine weniger blockierende Haltung einnimmt als früher.

Und was schließlich das wichtige Energiepaket anbelangt, Herr Präsident, so erwarten wir, dass das leistungsstarke Schweden eine positive Rolle spielen wird und nicht versucht, von seinen Verpflichtungen abzurücken und somit ein schlechtes Beispiel auch für die anderen Mitgliedstaaten abzugeben.

Abschließend noch ein Wort zur Frage des Freihandels. Wir sind keine Protektionisten, doch wäre es wirklich blauäugig und naiv zu glauben, der Freihandel löse alle Probleme, wo wir doch wissen, dass das ohne Umweltschutz- und Sozialschutznormen absolut unmöglich ist.

In der Frage der Türkei stimmen wir völlig mit Ihnen überein. Die Abwahl von Papadopoulos in Zypern ist wirklich eine wunderbare Nachricht. Und zum Schluss, Herr Präsident, warum setzen Sie nicht die Frage des Sitzes des Europäischen Parlaments wieder auf die Tagesordnung?

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Frau Minister! Wenn es einen Punkt gibt, zu dem uns die schwedische Erfahrung hinsichtlich der europäischen Politik interessiert, dann ist es wohl der, den Sie in Ihrer Rede leider mit Stillschweigen übergangen haben, nämlich der soziale Bereich und insbesondere die aus der Rechtssache Laval-Vaxholm zu ziehenden Lehren.

Lassen Sie mich daher kurz darauf eingehen. Die schwedischen Gewerkschaften hatten mit einer kollektiven Maßnahme versucht, ein lettisches Unternehmen zu zwingen, in Schweden das schwedische Arbeitsrecht anzuwenden. Nichts ist natürlicher als das, könnte man sagen. Allerdings nicht für die Anhänger des so genannten Herkunftslandsprinzips, anders gesagt: des Sozialdumpings. Das lettische Unternehmen hatte sich jedoch auf das Europarecht bezogen, um seine Ablehnung der gewerkschaftlichen Forderung zu begründen. Daher kam der Fall vor Gericht. Die höchste Instanz im Europarecht, der Europäische Gerichtshof, wurde angerufen, denn er ist für die Auslegung der Verträge und die Entwicklung der Rechtsprechung zuständig.

Am 18. Dezember vorigen Jahres gab der Gerichtshof dem Unternehmen Recht und den Gewerkschaften Unrecht. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Gerichtshofs: „Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass das Recht der gewerkschaftlichen Organisationen [...] zur Durchführung kollektiver Maßnahmen [...] geeignet ist, für diese Unternehmen die Durchführung von Bauarbeiten im schwedischen Hoheitsgebiet weniger attraktiv zu machen, ja sogar zu erschweren, und daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt“. Künftig müssten also die Gewerkschaften in Schweden und anderswo ihre Forderungen auf den – ich zitiere – „Mindestschutz“ begrenzen, der im Gemeinschaftsrecht zugelassen ist, um insbesondere nicht gegen Artikel 49 EGV zu verstoßen, der den freien Dienstleistungsverkehr gewährleistet.

Dies ist natürlich nicht hinnehmbar. Daher fordert meine Fraktion mit Nachdruck eine Aussprache im Europäischen Parlament zu diesem äußerst bedeutsamen Thema: Wie ist politisch auf dieses Urteil zu reagieren? Doch vorerst würde uns, Herr Ministerpräsident, Ihre Einschätzung zu dieser Angelegenheit interessieren.

 
  
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  Hélène Goudin, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Der Umgang mit den 2005 in Frankreich und den Niederlanden durchgeführten Referenden über die europäische Verfassung ist ein Beispiel für undemokratische Tendenzen in der europäischen Politik. Die politische Elite ist nur dann daran interessiert, auf das Volk zu hören und den Volkswillen zu respektieren, wenn die Untertanen pflichtgemäß und ergeben den Ausbau des EU-Föderalismus befürworten.

Im Zusammenhang mit den Diskussionen zum Vertrag von Lissabon hätte Ministerpräsident Reinfeldt als Vorkämpfer der Demokratie auftreten und erklären sollen, dass das Ergebnis der Referenden wirklich das Ende des Vertrags bedeutet.

Außerdem hätte Herr Reinfeldt einen Vertrag mit einer stärkeren Betonung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, die flexible Integration, eine Euro-Freistellung sowie ein Ende des Pendelns nach Straßburg fordern können. Aber er hat nichts dergleichen getan.

Wie wird es dann erst während der schwedischen Ratspräsidentschaft 2009 aussehen? Das übergreifende Ziel sollte eine Reformierung, Modernisierung und effektivere Gestaltung der europäischen Zusammenarbeit sein. So hätte Herr Reinfeldt ankündigen müssen, dass Schweden der Reform der Agrarpolitik Priorität einräumt und ein Ende des Wanderzirkus des Europäischen Parlaments fordert.

Anstatt sich für eine schlankere, aber effektivere EU einzusetzen, scheint die schwedische Regierung eher auf eine breitere und sich stärker einmischende Europäische Union zu setzen. In Schweden wird die Vertiefung des EU-Föderalismus von der Öffentlichkeit heftig kritisiert, bei der politischen Elite hingegen ist von dieser Kritik kaum etwas zu spüren. Man muss sich wohl ernsthaft fragen, in welchem Umfang unsere gewählten Volksvertreter wirklich das Volk vertreten.

Abschließend möchte ich Herrn Reinfeldt eine Flasche guten Elsässer Weines anbieten, wenn er nur ein einziges Beispiel für ein Gesetz anführen kann, das auf der Grundlage der verworfenen Europäischen Verfassung durchgebracht worden wäre, aber nicht auf der Grundlage der überarbeiteten Version. Nehmen Sie diese Herausforderung an, Herr Reinfeldt?

 
  
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  Jean-Marie Le Pen (NI).(FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Verrat an Frankreich ist perfekt. Der Kongress der Schande hat am 4. Februar in Versailles getagt, um die für die Annahme des so genannten Verfassungsvertrags erforderliche Verfassungsänderung zu beschließen.

Versailles ist zur Hochburg für die Aufgabe der französischen Souveränität geworden, nachdem dort bereits das deutsche Reich proklamiert wurde.

Stellvertretend für die 26 Mitgliedstaaten, die nicht per Referendum befragt werden, kommt Irland de facto die Rolle des Sprechers für die Millionen Europäer zu, die 2005 mit Nein gestimmt haben und die keinen europäischen Superstaat wollen.

Wenn man den Völkern das legitime Recht nimmt, sich zu ihrer Zukunft zu äußern, dann rächen sie sich. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, sie werden Revanche nehmen, und was für eine Revanche, nämlich zu den Europawahlen im kommenden Jahr!

In Wirklichkeit wusste eine bestimmte Anzahl von führenden europäischen Politikern, dass ihre Völker diese verschleierte Verfassung ablehnen. Herr Sarkozy hat dies vor der Konferenz der Präsidenten dieses Parlaments unverblümt zugegeben, wobei er insbesondere die britische Regierung zitierte. Er ist der selbsternannte Vermittler in diesem skandalösen Bubenstück. Doch er ist der Letzte, der das Recht hätte, die Verfassung Nr. 2 auf parlamentarischem Wege annehmen zu lassen, doch was tut man nicht alles, um zu brillieren und den Anschein zu erwecken, als hätte man alle Fäden in der Hand.

Jahrtausendealte, angesehene Nationen werden so zugunsten einer konstruktivistischen Utopie geopfert, die sie wehrlos den unheilvollen Folgen der Globalisierung und des zügellosen Liberalismus aussetzt: der Masseneinwanderung, der Unsicherheit, dem wirtschaftlichen Ruin, der sozialen Katastrophe, dem moralischen und kulturellen Verfall.

Die Zukunft Europas besteht nicht in diesem totalitären Superstaat, wie gegenwärtig im Kosovo zu sehen ist, das als Beispiel dienen sollte, sondern in einer freiwillig eingegangenen Zusammenarbeit der europäischen Nationen und Völker, zu denen auch die slawischen Nationen gehören.

Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass zwei per Referendum befragte Völker, die beide zu den Gründern der Union gehörten, die vorgeschlagene Verfassung klar abgelehnt haben. Da dieser Text somit illegitim ist, sind auch alle seine Folgen illegitim und niemand ist verpflichtet, seine Bestimmungen einzuhalten.

Der nationale Widerstand wird damit legitim; er ist für die Bürger ein Recht, für die Patrioten eine Pflicht. Caveant consules!

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Ich begrüße den Herrn Ministerpräsidenten in diesem Hohen Haus. An diesem dynamischen Ort arbeite ich. Hier wird Politik gemacht, die direkte Auswirkungen auf die schwedische Gesellschaft hat, ebenso wie auf andere europäische Gesellschaften. Das geschieht hier, nicht um die Öffentlichkeit vom politischen Prozess auszuschließen, sondern weil es hier um Fragen geht, die wir nur gemeinsam lösen können. Bei vielen der großen Herausforderungen unserer Zeit reicht der Nationalstaat allein nicht mehr aus.

Wir, die wir aus Schweden kommen, einem trotz allem noch relativ neuen Mitgliedstaat, sollten uns daran erinnern, dass viele der Probleme und Herausforderungen, denen wir begegnen, nicht wegen der EU entstehen, sondern in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen, weil die europäische Union sich als erfolgreich bei der Lösung der großen Probleme unserer Zeit erwiesen hat.

Dazu gehört das Kosovo ebenso wie die Klimafrage, bei der Schweden gezeigt hat, wie Entwicklung statt Regulierung genutzt werden kann, um die Gesellschaft voranzubringen. Ferner gehören dazu auch Fragen der Wettbewerbsfähigkeit sowie des Kampfes gegen Kriminalität und Terrorismus. Alle diese Fragen und Probleme können wir nur durch gemeinsame Arbeit lösen. Aufgrund unserer entsprechenden Erfolge gehören sie in den Rahmen der EU.

Daher halte ich es auch für sehr gut, dass der Herr Ministerpräsident hier einen Aspekt, der meines Erachtens die große Idee der Europäischen Union in den kommenden Jahren sein sollte – die Offenheit –, besonders hervorgehoben hat. Offenheit gegenüber der Umwelt. Durch die Offenheit gegenüber der uns umgebenden Welt werden wir zur Entwicklung einer internationalen Ordnung mit Werten wie Demokratie und Freiheit, sowohl im Hinblick auf die Erweiterung unserer eigenen Gemeinschaft als auch auf die Teilnahme an internationalen Freihandelsrunden und vielen anderen Entwicklungen, beitragen.

Was die Offenheit zwischen den Mitgliedstaaten betrifft, so halte ich es für wichtig, zu betonen, dass diejenigen, die gegen Offenheit sind, auch gegen die Freizügigkeit und die freien Möglichkeiten der Bürger sind. So entsteht Diskriminierung. Die gute europäische Idee ist Offenheit, und wenn wir in der Lage sind, dies zu verwirklichen, werden unsere Bürger erkennen, dass dies wirklich das Europa der Bürger ist. Das ist eine Herausforderung für die schwedische Ratspräsidentschaft ebenso wie für dieses Parlament und alle seine Fraktionen.

 
  
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  Inger Segelström (PSE).(SV) Herr Präsident! Wie alle meine Vorredner möchte auch ich Ministerpräsident Reinfeldt für seinen Besuch hier danken.

Meine erste Frage bezieht sich auf die Umweltprüfung für die Gasleitung in der Ostsee, einem der am stärksten verschmutzten Meere der Welt, zu der das Parlament kürzlich eine Untersuchung durchgeführt hat, an der mehrere Ausschüsse beteiligt waren. Schweden war das erste Land, das Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt hat. Diese Angelegenheit ist eine der wichtigsten Umweltfragen für Schweden und die EU. Wird Schweden noch eine weitere Alternative für die Verlegung der Pipeline an Land fordern, die dann einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wird?

Die Betreiber erklären uns hier im Parlament, dass das zu teuer wird, aber sowohl der Ministerpräsident als auch ich kommen aus Stockholm, wo Infrastrukturen und Investitionen praktisch doppelt so teuer geworden sind. Daher glaube ich nicht, dass eine Verteuerung um 10 bis 15 % ein starkes Gegenargument ist. Die Umwelt ist wichtiger.

Meine zweite Frage bezieht sich auf Streubomben und ähnliche Waffen, über die zurzeit im Rahmen des Oslo-Prozesses im neuseeländischen Wellington diskutiert wird und die in der vergangenen Woche Thema im schwedischen Reichstag waren. Auch dies ist eine wichtige Frage für die EU. Ich habe Schreiben erhalten, die von zahlreichen schwedischen Organisationen wie beispielsweise Amnesty International, Diakonia für die Kirchen, das Rote Kreuz, UNICEF sowie Svenska Freds (die schwedische Friedens- und Schlichtungsgesellschaft) und dem schwedische UNO-Verband unterzeichnet waren und in denen gefordert wird, die vom schwedischen Jagdbomber JAS transportierte Bombkapsel 90 (BK 90) als Streubombe zu behandeln und damit in die internationale Forderung nach einem umfassen Verbot aufzunehmen. Welchen Standpunkt vertritt die Regierung in Bezug auf die JAS-Bombe? Betrachtet der Ministerpräsident BK 90 als Streubombe oder nicht? Gedenkt er im Rahmen des Oslo-Prozesses aktiv zu werden?

Abschließend möchte ich gern noch wissen, wann der Ministerpräsident einzugreifen gedenkt, damit unsere ständigen Umzüge nach Straßburg aufhören, nachdem EU-Minister Malmström eine Million Unterschriften dafür gesammelt hat? Sollte nicht das Parlament selbst über seinen Sitz bestimmen und nicht der Rat? Ich möchte Ihnen auch noch meinen herzlichen Dank für Ihre Bemerkungen zur Türkei aussprechen. Zum Abschluss möchte ich dem Ministerpräsidenten und den übrigen Regierungsmitgliedern noch sagen, dass sie im nächsten Jahr während der schwedischen Ratspräsidentschaft wieder recht herzlich hier willkommen sind, und zwar möglichst oft!

 
  
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  Olle Schmidt (ALDE).(SV) Herr Ministerpräsident! Dass Schweden im Herbst 2006 eine neue Regierung erhalten hat, das ist auch am Engagement unseres Landes für die EU deutlich geworden. Ich möchte daher dem Ministerpräsidenten und dem EU-Minister für ihren deutlichen Willen danken, Schweden zu einem aktiveren Partner in der Union zu machen, der, wie der Herr Ministerpräsident gesagt hat, seinen Platz im Herzen der europäischen Integration hat.

Schweden steht jedoch noch immer außerhalb der Euro-Zusammenarbeit, was für uns Schweden teuer wird, und zwar sowohl in wirtschaftlicher als auch nicht zuletzt in politischer Hinsicht. Im Grunde genommen, Herr Ministerpräsident, ist dies doch eine Frage der Solidarität. Daher lautet meine Frage: Wann wird Schweden zu einem vollwertigen Mitglied der EU werden? Wie sieht der Zeitplan dafür aus, Herr Ministerpräsident? Das ist ein heikles Thema bei uns in Schweden.

Wir sind hier in Straßburg, einer wunderschönen und angenehmen Stadt, deren Geschichte uns an das Grauen des Krieges erinnert. Dies vorausgeschickt, wissen wir, dass Millionen unserer Mitbürger der Meinung sind, dass dieses ständige Reisen zwischen Brüssel und Straßburg nicht die beste Art und Weise ist, mit unserer Umwelt und unserem Geld umzugehen. Eine kleine Bitte: könnte die schwedische Regierung während ihrer Ratspräsidentschaft nicht versuchen, diesem Reisezirkus ein Ende zu bereiten?

 
  
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  Ģirts Valdis Kristovskis (UEN). – (LV) Herr Ministerpräsident! Sowohl Sie als auch wir setzen große Erwartungen in die Zukunft Europas. Robert Schuman hoffte zu seiner Zeit, Europa nach Jahrhunderten der durch verschiedene Konflikte verursachten Teilung zu einigen. Er verstand, dass wir wissen müssen, woher wir kommen, wenn wir wissen wollen, wohin wir gehen. Herr Ministerpräsident, ist Ihnen klar, dass sich die Europäische Union noch nicht mit ihrer undemokratischen und totalitären Vergangenheit auseinander gesetzt hat? Ein klares Beispiel dafür ist der im letzten Jahr verabschiedete EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. So wird den europäischen Ländern empfohlen, die Leugnung von Naziverbrechen mit Haftstrafen zu belegen. Doch ähnliche, unter kommunistischer Herrschaft verübte Verbrechen, ihre ungerechtfertigte Leugnung oder – was noch schlimmer ist – Verherrlichung werden absichtlich vergessen. Europa sollte das nicht zulassen. Welchen Eindruck hinterlässt dies bei den Millionen von Osteuropäern, einschließlich der Bewohner der heute zur Europäischen Union gehörenden Länder, die in Stalins Konzentrationslagern gequält wurden? Ich rufe Sie auf, im Namen der europäischen Zukunft und Gerechtigkeit ernsthaft über eine Lösung für dieses Problem nachzudenken und sich für eine solche Lösung einzusetzen. Vielen Dank!

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE).(SV) Herr Präsident! Nun geht der schwedische Tag mit dem nächsten Redner weiter, der ebenfalls nicht mehr nach Straßburg reisen will. Ferner befürworte ich ein Referendum zu unserem Vertrag.

Heute Morgen habe ich festgestellt, dass ich einen grünen und einen blauen Strumpf angezogen hatte, und ich frage mich, ob das ein Symbol für eine neue zukünftige Allianz zwischen anderen Gruppierungen als den traditionellen war. Damit Sie einen grünen Strumpf von mir bekommen können, Herr Reinfeldt, müssen Sie wohl größere Ambitionen in Fragen der Energieeinsparung und der erneuerbaren Energiequellen zeigen. Ich habe hier ein Beispiel mitgebracht. Dies ist eine LED-Lampe, die man in 12 Sekunden einschrauben kann. Es dauert 12 Jahre, ein neues Kernkraftwerk zu bauen. Welches ist wohl die einfachste und schnellste Lösung für die Klimaprobleme?

Auch im Bereich des Wachstums haben wir Probleme, über die wir uns einigen müssen. Wir importieren gegenwärtig riesige Mengen von Produkten, die Emissionen in anderen Ländern verursachen. Das dürfen wir in unserer Klimaarbeit nicht vergessen. Kommen wir nun wieder auf den Handel zurück. Protektionismus zum Schutz von Unternehmen ist der falsche Weg, aber Protektionismus zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte ist die Pflicht und Verantwortung eines Politikers auf einem freien Markt. Andernfalls werden die Menschen zu Werkzeugen des Marktes, anstatt dass der Markt ein Werkzeug für die Menschen ist.

Die beste Art und Weise, wie Sie eine Beteiligung der Bürger an der Zukunft der EU demonstrieren können, wäre, den Menschen in einem Referendum zu ermöglichen, ihre Meinung zu sagen.

 
  
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  Eva-Britt Svensson (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Ich möchte den schwedischen Ministerpräsidenten hier im Parlament und zu dieser Aussprache über die Zukunft Europas willkommen heißen. Dies ist eine wichtige Diskussion, die 493 Millionen Bürger betrifft. Darum müssen wir sie führen und Beschlüsse dazu fassen, und zwar nicht nur im Parlament, sondern auch unter den Bürgern. Damit die Bürger sich jedoch an dieser Diskussion beteiligen, müssen sie auch die Möglichkeit haben, die Zukunft zu beeinflussen. Ohne Einbeziehung und Einflussmöglichkeit gibt es kein Engagement. Wie können wir also die Bürger einbeziehen? Die Antwort liegt auf der Hand: Indem wir sie zur Zukunft befragen und auf ihre Antworten hören. Wenn es uns mit dem Europa der Bürger ernst ist, dann ist ein Referendum zum Vertrag von Lissabon unverzichtbar. Zu viel Gemeinschaftsrecht wird heutzutage von anonymen Beamten geschaffen, die von Experten- und Lobbygruppen beeinflusst werden, in denen die Bürger nicht gehört werden. Jetzt ist es an der Zeit, den Stimmen der Bürger Gehör zu verschaffen.

Der Ministerpräsident hat das Vaxholm-Urteil, das nicht nur in Schweden, sondern auch in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten große Beachtung gefunden hat, mit keinem Wort erwähnt. Das ist natürlich, denn dieses Urteil ist nicht nur ein Todesstoß für das schwedische Modell, sondern auch ein Angriff auf die Arbeitnehmer und die Stellung der Gewerkschaften in der gesamten EU. Dieses Urteil ist eine Aufforderung zum Drücken der Löhne der Arbeitnehmer auf das niedrigstmögliche Niveau. Kein Land braucht günstigere Bedingungen schaffen als den Mindestschutz. Das Ergebnis ist ein zweigeteilter Arbeitsmarkt, auf dem einige Sozialleistungen nur einheimischen Arbeitnehmern zugute kommen, während für ausländische Arbeitnehmer andere Regeln gelten. Das führt zu einem Dumping von Löhnen und Arbeitsbedingungen sowie zu Diskriminierung.

Schweden kann dies ändern. Es kann die Rechte der Arbeitnehmer und ein soziales Europa verteidigen, indem es verlangt, dass Tarifverträge vom Vertrag von Lissabon ausgenommen werden. Schweden kann vorangehen und andere auf diesem Weg mitnehmen.

Abschließend möchte ich den schwedischen Ministerpräsidenten noch an eine der beiden wichtigsten Fragen für Schweden vor seinem EU-Beitritt erinnern. Eine der Fragen allerhöchster Priorität war die Gleichstellung. Was ist auf diesem Gebiet geschehen, und will Schweden in Gleichstellungsfragen auch in Zukunft mit gutem Beispiel vorangehen? Dieses Thema gehört zu einem Dialog über die Zukunft, denn ohne Frauen hat Europa keine Zukunft.

 
  
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  Paul Marie Coûteaux (IND/DEM).(FR) Herr Präsident! Europa hat eindeutig nur eine Zukunft durch seine Völker, denn seine Völker sind seine einzige Substanz, seine einzige Kraft. Sollten seine Völker aufgesogen werden, ihrer Eigenverantwortung beraubt und in kleine Fürstentümer ohne politische Dimension unterteilt oder aufgespalten werden –, natürlich gemäß der amerikanischen imperialen Politik, von der wir im Kosovo ein schreckliches und unheilvolles Beispiel erlebt haben –, kurz gesagt, wenn Europa sich einer Technostruktur ohne Bodenhaftung ausliefern müsste, die es allen Stürmen der Globalisierung und des Empires aussetzt, dann würde ich das Schlimmste für unsere Zukunft befürchten.

Denn alles deutet darauf hin, dass diese schändlicherweise Europäische Union genannte Maschine nicht nur ohne die Völker, sondern jetzt auch gegen sie funktioniert. Ein weiterer Beweis dafür wurde nunmehr mit der unglaublichen Missachtung des Votums des französischen Volkes im Referendum von 2005 unter Beihilfe des farblosen Präsidenten Sarkozy erbracht. Das französische Volk fühlt sich getäuscht und hat alle Hoffnung in diesem allgemeinen Gerangel, das die Negation der Vergangenheit wie der Zukunft ist, aufgegeben.

Europa ist nur zu retten, wenn die Völker ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen, wenn die Staaten ihre Politik frei gestalten und sich, wenn nötig, zusammenschließen können, wenn die Lüge von einer Demokratie enthüllt wird, die nichts mit dem „dêmos“ und auch nichts mit dem „kratos“ zu tun hat, kurz gesagt, wenn die Mitgliedstaaten und Nationen ihre Freiheit wieder erringen. Anderenfalls wird das wunderbare Schiff Europa zugrunde gehen und wir werden immer weiter von den Ufern der Geschichte wegdriften.

 
  
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  László Tőkés (NI). – (HU) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! In der Präambel der dem neuen Vertrag über die Europäische Union beigefügten Charta der Grundrechte heißt es, dass die Völker Europas entschlossen sind, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine gemeinsame Zukunft zu teilen. In seiner Rede während der Plenartagung des Europäischen Parlaments im Dezember sagte Sacharow-Preisträger Salih Mahmoud Osman, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben wird.

Ungerechte Friedenssysteme führen früher oder später zu Krieg und Zusammenbruch. Der jüngste Balkankrieg und der Zerfall des ehemaligen Jugoslawien sind dafür deutliche Beispiele. Solange kein gerechtes neues System an die Stelle des alten tritt, ist eine Versöhnung kaum vorstellbar.

Europa muss sich auch mit seiner kommunistischen Vergangenheit auseinander setzen. Die Beseitigung des negativen Erbes des Kommunismus ist eine Voraussetzung für eine friedliche Zukunft in Europa. Der Kommunismus hat es verdient, dass man ihn in einem Atemzug mit dem Faschismus verurteilt. Es wird erst dann Frieden und Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Stabilität auf unserem Kontinent geben, wenn der Gerechtigkeit in jeder Hinsicht Genüge getan wird. Die gleiche Gerechtigkeit muss auch bei der Lösung der Probleme ethnischer Minderheiten zur Anwendung kommen.

 
  
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  Giles Chichester (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich freue mich sehr, den schwedischen Ministerpräsidenten heute hier zu begrüßen. Sein historischer Sieg bei den schwedischen Parlamentswahlen war ein persönlicher Triumph. Ich möchte ihn ferner dazu beglückwünschen, dass es ihm gelungen ist, die Mitte-Rechts-Kräfte zu vereinen und die sozialdemokratische Vorherrschaft zu zerschlagen. Ihm und seiner Regierung wünsche ich alles Gute.

Wir diskutieren heute über die Zukunft Europas; in einer Woche, in der dieses Haus über einen Bericht abstimmen wird, mit dem der Vertrag von Lissabon gebilligt wird. Ich möchte ganz klar feststellen, dass die britischen konservativen Europaabgeordneten gegen diesen Bericht stimmen werden, weil wir grundsätzlich nicht einverstanden sind mit dem Vertrag, mit der Art und Weise, in der er vereinbart wurde, und mit der Tatsache, dass es sich dabei schlichtweg um eine Kopie der Verfassung handelt, die im Rahmen von nationalen Referenden von zwei der Gründungsmitglieder der Union abgelehnt wurde.

Mit diesem Vertrag schlägt Europa die falsche Richtung ein. Er überträgt der EU umfangreiche neue Befugnisse, von denen einige äußerst sensitive Bereiche von nationalem Interesse betreffen. Meine Partei hat eine andere Vorstellung von der Zukunft Europas. Wir wollen ein Europa, das sowohl offener, dynamischer und transparenter ist als auch weniger zentralisiert, uniform und inflexibel.

Das britische Parlament berät derzeit über den Vertrag. Die Bürger des Vereinigten Königreichs hatten natürlich gehofft, in einem Referendum ihre Meinung äußern zu können. Doch die britische Regierung hat das in ihrem Manifest gegebene Versprechen in beschämender Weise gebrochen.

Meine Partei wird sich hier und im Vereinigten Königreich auch weiterhin energisch für ein Referendum und das Mitspracherecht der Bürger einsetzen. Ohne breite öffentliche Unterstützung wird der Europäischen Union die Legitimierung des Volkes für ihr Handeln fehlen. Sie muss sich von ihrer Obsession mit den Institutionen lösen. Die EU wird den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nur dann gewachsen sein, wenn sie sich auf Probleme wie Umwelt, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und globale Armut konzentriert und damit beweist, dass sie der Unterstützung durch die Öffentlichkeit würdig ist. Das sind die Fragen, um die es bei der Zukunft Europas gehen sollte.

 
  
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  Libor Rouček (PSE). – (CS) Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Europa hat gerade ein äußerst erfolgreiches Jahr vollendet. Rumänien und Bulgarien sind der EU beigetreten, der Schengen-Raum wurde um neun neue Staaten erweitert, das Euro-Währungsgebiet wurde um drei neue Staaten erweitert, und der Euro löst allmählich den Dollar weltweit als internationale Währung ab. Die EU mit ihren 500 Millionen Bürgern und Verbrauchern beginnt, in großem Umfang und globalem Maßstab kommerzielle, ökologische und technische Vorschriften und Normen zu diktieren. Trotz des Wunschdenkens zahlreicher Euroskeptiker hat sich Europa sogar auf den neuen Reformvertrag geeinigt.

Ich hebe diese Erfolge besonders hervor, weil sie unter aktiver Mitwirkung der neuen Mitgliedstaaten erzielt wurden und nicht trotz der neuen Mitgliedstaaten. Deshalb begrüße ich die Vorschläge des Ministerpräsidenten in Bezug auf künftige Schwerpunkte. Einer dieser Schwerpunkte sollte die Fortsetzung der Erweiterung der EU durch Aufnahme der Länder des westlichen Balkans sein. Dafür sind jedoch zwei Voraussetzungen erforderlich: Die fraglichen Länder müssen unter technischen Gesichtspunkten generell vorbereitet sein, und die jetzigen EU-Länder müssen den erforderlichen Mut aufbringen. Ihre Politiker müssen den Mut haben, ihren Bürgern zu erläutern, dass die Erweiterung ein Erfolg war und dass sie nicht weniger, sondern mehr Sicherheit, Freiheit, Demokratie und Wohlstand bedeutet. Meines Erachtens müssen wir auch den Mut haben, den Regionen des Westbalkans zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Teilnahme am visafreien Reiseverkehr zu ermöglichen. Was haben wir, eine aus 27 Ländern mit 500 Millionen Bürgern bestehende Gemeinschaft, von den verbleibenden 20 Millionen Menschen auf dem Westbalkan zu befürchten?

Ich möchte eine letzte Anmerkung machen. Nächstes Jahr wird Schweden den Ratsvorsitz übernehmen und dabei mit Frankreich und der Tschechischen Republik zusammenarbeiten. Ich möchte den Ministerpräsidenten auffordern, bei seinen tschechischen Kollegen darauf hinzuwirken, dass sie dem tschechischen Parlament den Lissabon-Vertrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt zur Ratifizierung vorlegen. Als tschechischer Bürger vermute ich, dass die euroskeptische tschechische Regierung darin keinen Schwerpunkt sieht.

 
  
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  Lena Ek (ALDE).(SV) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erfahrungen sind nicht wirklichkeitsfremd. Sie helfen einem, einen Fehler zu erkennen, wenn man ihn erneut zu machen droht. Dieses Mal dürfen wir auf dem Balkan nicht erneut Fehler begehen. Das ist mein erster Kommentar zur Eröffnungsrede des Ministerpräsidenten hier im Parlament. Europa muss in Bezug auf das Kosovo mit einer Stimme sprechen.

Meine zweite Bemerkung betrifft den Terrorismus. Die offene Gesellschaft muss den Terrorismus mit den Mitteln der offenen Gesellschaft und einem starken Selbstvertrauen bekämpfen und nicht der Versuchung nachgeben, Maßnahmen, die die Persönlichkeitsrechte missachten, anzuwenden.

Eine dritte Anmerkung bezieht sich auf die Klimafrage, bei der das europäische System sich mit dem vielleicht größten und schwerwiegendsten Problem in der kürzesten Zeit, die uns je für Entscheidungen über eine so wichtige Frage zur Verfügung gestanden hat, auseinandersetzen muss. Es besteht die Gefahr, dass es bei den Abschlussverhandlungen in Kopenhagen wie in einem Märchen von Hans Christian Anderson ausgehen wird, wo der Kaiser ohne Kleider dasteht oder nackt durch die Straßen der Stadt spaziert.

Für die erforderliche europäische Gesetzgebung brauchen wir Kraft und eine Zusammenarbeit zwischen Ministerrat, Kommission und vor allem dem Parlament, was es in der Geschichte der EU bisher so nicht gegeben hat.

Abschließend möchte ich sagen, dass es eine Freude ist, eine aktive schwedische Regierung im Mittelpunkt der europäischen Debatte zu sehen. Herzlich willkommen!

 
  
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  Konrad Szymański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Das Wichtigste für die Zukunft der Europäischen Union sind sichtbare Ergebnisse im Leben der Bürger, die sich in mehr Wohlstand, öffentlicher Sicherheit und internationaler Sicherheit niederschlagen. Die Zukunft der Union wird nicht bestimmt durch die immer komplizierteren Reformen, die dieses Haus morgen Vormittag diskutieren wird.

Eine der Prüfungen, die für Ihr und mein Land, die beide an die Ostsee grenzen, von besonderem Belang ist, das ist die Frage der nördlichen Gaspipeline. Das Vorhaben ist für die Umwelt außerordentlich gefährlich und befindet sich politisch im Widerspruch zu den Energieprogrammen der EU. Wenn uns etwas an einem ergebnisorientierten Europa liegt, dann können wir derartige Projekte nicht tolerieren. Daher meine Frage: Was ist Ihre Ansicht zur Finanzierung dieses Vorhabens aus europäischen Mitteln, die unlängst von Vertretern von Nord Stream angesprochen wurde?

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident! Ich habe seit über neun Jahren, die große Ehre, Schottland in diesem Parlament zu vertreten. In dieser Zeit haben wir zahlreiche Aussprachen über die künftige Gestalt Europas geführt, und wir haben zwölf neue Mitgliedstaaten in unsere Mitte aufgenommen. Diese enorme Ausweitung des Binnenmarktes und anderer Bereiche der Zusammenarbeit ist gut für Schottland und gut für Europa insgesamt. Doch wir mussten in den zurückliegenden neun Jahren auch so genannte Krisen bewältigen wie den Rücktritt der Kommission Santer und die Ablehnung des Verfassungsvertrags. Es ist sehr bedauerlich und frustrierend, dass viele positive Aspekte, die die EU-Mitgliedschaft mit sich bringt, von solchen selbst verursachten negativen Aspekten abgeschwächt wurden.

Auch wir in Schottland entwickeln uns weiter. Wir haben eine neue Regierung – eine SNP-Regierung, die Europa gegenüber positiv eingestellt ist und die Vision einer neuen Zukunft für Schottland in Europa verfolgt. Herr Ministerpräsident, ich möchte, dass schottische Minister neben Ihren Ministern im Rat sitzen, nicht in der zweiten Reihe. Schottland kann einen maßgeblichen Beitrag zur Europäischen Union und ihrer Entwicklung leisten, beispielsweise mit seiner konstruktiven Haltung und seinem Reichtum an Energiequellen, um nur zwei Aspekte zu nennen. Ich freue mich auf den Tag, an dem Schottland als unabhängiger Mitgliedstaat in diese Union aufgenommen wird. Eine solche Entwicklung wäre meines Erachtens nicht nur gut für Schottland, sondern auch für die Zukunft Europas.

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM).(SV) Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Wir diskutieren hier über die Zukunft Europas, aber die wichtigste Frage ist doch, wer über diese Zukunft entscheidet.

Leider ist es seit den Zeiten von Jean Monnet Tradition in der EU, Europa ohne Einbeziehung der europäischen Bürger aufzubauen. Der bisher größte Betrug ist, dass das politische Establishment der EU die gleichen Vorschläge über die Verwaltung und die Aufgaben der EU vorlegt, wie sie bereits im Entwurf der Verfassung enthalten waren, der in Referenden mit hoher Wahlbeteiligung und großen Mehrheiten abgelehnt worden sind.

Ich nehme zur Kenntnis, dass der Vorsitzende der Fraktion der Liberalen diejenigen, die diesen Vertrag ablehnen, als verrückt bezeichnet. Damit erklärt er also die Mehrheit der Niederländer und Franzosen für verrückt, ebenso wie natürlich auch mich hier in diesem Hause. Meiner Meinung nach sollte der Präsident einen solchen Sprachgebrauch in Zukunft verbieten.

Der schwedische Ministerpräsident erklärt zuhause und hier im Plenum, dass Agrarbeihilfen aus dem EU-Haushalt reduziert und gekürzt werden müssen und dass der Marsch in Richtung Supranationalismus gestoppt werden muss. Das ist auch die Auffassung des schwedischen Volkes. Im Rat unterstützt seine Regierung jedoch die Entwicklung der EU zu einem Staat, und ihre Europaabgeordneten stimmen konsequent dafür, die politische Macht vom schwedischen Volk nach Brüssel zu verlagern. Das ist keine Zukunft.

 
  
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  Philip Claeys (NI). – (NL) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Es mutet ein wenig befremdlich an, wenn wir hier über die Zukunft Europas debattieren, ohne die Frage nach den Grenzen der Europäischen Union zu stellen. Gleichwohl ist das eines der grundlegendsten Probleme, vor dem wir stehen. Immer wieder drücken wir uns vor der Frage, und die öffentliche Meinung ist zu Recht in Sorge. Ist die Europäische Union nach wie vor ein europäisches Projekt, fragen sich die Menschen. Das wird es nicht mehr sein, wenn die Türkei beitritt. Wenn sich die Europäische Union hartnäckig weigert, auf den Willen der Menschen zu hören, wird sie ihre demokratische Grundlage langsam aber sicher verlieren.

Herr Ministerpräsident, Sie haben vor einer Mauer gewarnt, die möglicherweise gegen die Türkei errichtet wird. Darum geht es aber gar nicht. Niemand in Europa lässt sich mit schönen Worten abspeisen. Die Kopenhagener Kriterien müssen erfüllt werden, auch von der Türkei, und das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Daher ist es an der Zeit, die Verhandlungen auszusetzen. Es geht schlicht und einfach um die Einhaltung getroffener Vereinbarungen.

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE).(PL)Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Sie sprachen von der Europäischen Union als einem Gobal Player, und zwar vor allem sobald der Vertrag ratifiziert ist. Diese Ansicht können wir nur unterstützen, und ich möchte Sie, Herr Ministerpräsident zu dem klaren und entschlossenen Standpunkt, den Sie in Bezug auf das belarussische Regime, Europas letzte noch verbliebene Diktatur, vertreten, beglückwünschen. Wenn wir unseren Einfluss zugunsten von Demokratie und Menschenrechten in Afrika und Asien geltend machen wollen, müssen wir uns dieser Probleme zuerst in unserer unmittelbaren Umgebung, vor der Haustür der Union, annehmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch zu dem klaren Standpunkt beglückwünschen, den Sie zur Erweiterung der EU bezogen haben. Ich denke dabei an den Nachbarn von Belarus, die Ukraine, wo intensive Auseinandersetzungen darüber stattfinden, ob die Ukraine eine Demokratie sein und sich normal, rasch und demokratisch entwickeln wird, und zwar sowohl zu unserem Vorteil als auch dem der ukrainischen Nation. Die Öffnung ist mit Blick auf deren Mitgliedschaft in der Europäischen Union von großer Bedeutung.

Abschließend möchte ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, zu Ihrer konsequenten Erklärung zum Umweltschutz in der Ostsee, einem kleinen Meer mit acht EU-Mitgliedstaaten als Anrainern, gratulieren. Die Ostsee ist praktisch ein Binnenmeer der EU, und kein Meer der Welt ist einer derart massiven Umweltgefährdung ausgesetzt.

Sie sprachen auch davon, dass Energiefragen und Maßnahmen gegen den Klimawandel den schwedischen Ratsvorsitz bestimmen werden. Wir unterstützen dieses Engagement, das Aufgabe und Verantwortung unserer Zivilisation ist, ohne jede Einschränkung. Ich habe allerdings den Eindruck, dass wir diesbezüglich viel reden und wenig tun.

Die Halbzeitbilanz zum Haushalt steht während des schwedischen Ratsvorsitzes an. Solange wir den Haushalt nicht so verändern, dass wir es uns mit einem gewissen Maß an Verantwortung leisten können, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen und uns generell auf kohlenstoffarme Technologien umzustellen, solange wird es bei schönen Worten bleiben, und wir werden unseren Hauptschwerpunkt nicht erreichen.

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Herr Präsident! Herzlich willkommen, Herr Reinfeldt. Sie haben sehr viel Kluges über den Vertrag, die Erweiterung und das Klima gesagt. Ich möchte über etwas sprechen, das Sie nicht erwähnt haben.

Jacques Delors hat einmal gesagt, dass der Binnenmarkt niemals ohne eine starke soziale Dimension funktionieren wird. Darin hatte er absolut Recht. Deshalb war ich etwas verwundert, als Sie sich über die soziale EU geäußert haben und in diesem Bereich Widersprüche zwischen den nationalen Systemen und dem Gemeinschaftsrecht sehen.

In meinen Augen ist es genau umgekehrt. Wir haben einen gemeinsamen Arbeitsmarkt und müssen deshalb das nationale Arbeitsrecht und die nationalen Systeme um gemeinsame ergänzen, denn ansonsten wird es nicht funktionieren. Für den Fall, dass Sie ihre Meinung aufrechterhalten, möchte ich einige Beispiele anführen. Stellt die Entsenderichtlinie ein Problem dar? Sind die Übernahmerichtlinie oder eine der Vereinbarungen, die die Sozialpartner auf europäischer Ebene abgeschlossen haben, ein Problem? Oder vielleicht die Richtlinien über Teilzeitarbeit oder Elternurlaub?

Um ein konkretes Beispiel anzuführen: Das Ungleichgewicht zwischen Markt und Politik zeigt sich deutlich in der Rechtssache Laval. Das Problem liegt in diesem Fall darin, dass der Markt Vorrang vor den Rechten der Arbeitnehmer hat. Das haben Sie in Schweden gut gelöst. Bisher funktioniert das in Ihrem Land gut, aber wie viele Redner hier heute schon gesagt haben, betrifft dies auch andere Länder in der EU. Wenn eine europäische Initiative notwendig wird, werden Sie dann auch dabei sein?

Im vergangenen Monat haben wir eine Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz angenommen. Eines ihrer Ziele bestand darin, ein Verhältnis von einem Arbeitsaufsichtsbeamten auf je 10 000 Arbeitnehmer zu gewährleisten. Schweden geht aber genau in die entgegengesetzte Richtung und wird dieses Ziel bei weitem verfehlen. Stattdessen sinkt nämlich der Anteil in Schweden um 27 %. Dänemark, dessen Arbeitsmarkt dem schwedischen in vielem ähnlich ist, hat mehr als zwei Arbeitsaufsichtsbeamte pro 10 000 Einwohner. Wie kann es sein, dass Schweden die entgegengesetzte Richtung einschlägt? Warum gehören Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz nicht zu Ihren Prioritäten?

 
  
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  Henrik Lax (ALDE).(SV) Herr Präsident! Es ist eine große Aufgabe, eine Einigung über eine gemeinsame Energiepolitik innerhalb der Union zu erreichen, die die Energieversorgung der Mitgliedstaaten sichern kann, so wie Sie es ja auch gesagt haben, Herr Reinfeldt.

Sie haben auch die EU-Strategie für die Ostseeregion angesprochen, die gegenwärtig von der Kommission erarbeitet wird. Eine richtig geplante Strategie für die Ostseeregion kann sich zu einem wichtigen Baustein für die zukünftige Energiepolitik entwickeln, nicht zuletzt für die Energiezusammenarbeit mit Russland. Veranschaulicht wird das Problem durch den Beschluss der schwedischen Regierung von letzter Woche, den Antrag der Firma Nord Stream auf Verlegung einer Gasleitung durch schwedische Hoheitsgewässer in der Ostsee abzulehnen. Der Antrag konnte aufgrund seiner Unvollständigkeit nicht bearbeitet werden.

In der Region ist das Misstrauen gegenüber dem Gaspipeline-Projekt groß. Eine nachhaltige Lösung wird kaum gefunden werden können, solange die EU und ihre Mitgliedstaaten in der Ostseeregion nicht gemeinsam einen Aktionsplan formulieren und einen vollständigen Einblick in das Projekt erhalten.

Ich möchte Schweden dafür loben, dass es eine Möglichkeit eröffnet, die neuen Bestimmungen zur Energiepolitik in Artikel 176 Buchstabe a des Vertrags von Lissabon zu testen.

 
  
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  Christian Rovsing (PPE-DE). – (DA) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Ich möchte mich zu einem kleinen Aspekt der Umweltpolitik äußern. Die von Malmö im Bereich der Energieersparnis und des umweltfreundlichen Verkehrs eingeleiteten Initiativen sind viel versprechend. Ich habe mehrere umweltfreundliche Autos getestet. Erst unlängst in Berlin habe ich einen großen Mercedes der S-Klasse gefahren: ein Auto, das etwa zwei Tonnen wiegt. Das Auto fährt sowohl mit traditionellem Kraftstoff als auch mit Wasserstoff. Zur Umschaltung auf den jeweils anderen Antrieb genügt ein Knopfdruck, und zwar unabhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs. Offenbar beschleunigt das Fahrzeug mit beiden Antriebsarten gleich schnell.

Der Einsatz von Wasserstoff als Fahrzeugantrieb hat enorme Fortschritte gemacht. Das Abprodukt eines wasserstoffbetriebenen Autos ist reines Wasser und sonst nichts. Mit Wasserstoff als Normalantrieb für PKW wäre es möglich, die Stadtzentren nur für wasserstoffbetriebene Autos freizugeben. Das würde die Verschmutzung dramatisch senken und hätte einen Rückgang von Atemwegserkrankungen und der Korrosion unserer alten Bausubstanz zur Folge. Ich hoffe, dass Schweden eine solche umweltfreundliche Entwicklung fördern wird.

 
  
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  Toomas Savi (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Am 14. Dezember 2007 ersuchte der Europäische Rat die Kommission um Vorlage einer EU-Strategie für den Ostseeraum bis spätestens Juli 2009. Das Europäische Parlament hat diese Initiative begrüßt.

Die Bedeutung dieser Entscheidung kann von den nordischen Ländern und den an die Ostsee angrenzenden Mitgliedstaaten, die der EU 2004 beigetreten sind, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese Strategie könnte maßgeblich dazu beitragen, dass diese Region ihr volles Potenzial in Bereichen von der Umwelt über die Wirtschaft und Kultur bis hin zur Bildung und Sicherheit erschließen kann.

Durch Anvisieren der in der Lissabon-Agenda formulierten Ziele könnte sich die EU-Strategie für den Ostseeraum zu einem Brückenkopf Richtung Russland entwickeln. Schweden wird im zweiten Halbjahr 2009 den Ratsvorsitz führen, und wir hoffen, dass dies einen guten Start für die Strategie sichert. Von wesentlicher Bedeutung ist jedoch, dass alle Anrainerstaaten bis dahin ihre operationellen Programme erstellt haben, und das gilt auch für Estland, mein Heimatland.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Es gibt im Grunde genommen zwei Modelle für die Zukunft des gemeinsamen Europas: das Modell eines kohärenten, sich weiter vertiefenden gemeinsamen Europas, wie es auch der Vertrag von Lissabon vorsieht, und das Modell des „Jeder sucht sich das aus, was für ihn gut scheint“.

Nun ist Schweden gemeinsam mit Österreich und Finnland seit geraumer Zeit in der Europäischen Union, doch Schweden ist nicht Mitglied der Eurozone. Ich frage den Herrn Ministerpräsidenten: Gibt es dafür besondere Gründe? Wir würden uns freuen, die Schweden in der Eurozone zu haben.

 
  
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  Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident! Herr Chichester ist kurz erschienen, um eine kurze Rede zu halten, und wieder verschwunden, ohne sich die Erwiderung anzuhören. Es war kein anderes Mitglied der britischen konservativen Partei anwesend, um einen konservativen Ministerpräsidenten über die Zukunft Europas sprechen zu hören.

Woran liegt das? Wollen sie nicht von einem anderen konservativen Politiker hören, wie gut der Lissabon-Vertrag ist? Dass ein Referendum nicht erforderlich ist, weil keine weiteren Teile der Souveränität auf die EU übertragen werden? Dass wir diesen Vertrag brauchen, damit unsere Union besser funktioniert? Sind sie nicht einmal imstande, an einer Aussprache darüber teilzunehmen? Wollten sie lieber draußen bleiben, vermutlich in der Bar mit ihren Kollegen von der UK Independence Party?

Meines Erachtens ist es beschämend, dass sie nicht hier sind, um an solch einer ausgezeichneten Aussprache teilzunehmen.

(Beifall)

 
  
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  Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Sie haben die gemeinsame Agrarpolitik angesprochen als die einzig wirklich vergemeinschaftete Politik der EU. Es ist Ihnen aber bekannt, dass die Landwirtschaft in den letzten fünfzehn Jahren die größten Reformen aller Politikbereiche erfahren hat, und die Landwirtschaft kann unmöglich mit der Industriepolitik verglichen oder ihr gleichgestellt werden, weil wir andere Voraussetzungen haben. Es muss auch weiter Planbarkeit und Sicherheit für die Landwirtschaft geben.

Ich möchte daran erinnern, dass 2013 das Budget der Europäischen Union für die Landwirtschaft nur mehr 35 % betragen wird. Die Landwirtschaft nimmt ihre Verantwortung für die Bürger sehr ernst, die auch in den Verträgen von Rom festgeschrieben ist: Forschung, Entwicklung, Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Beschäftigung in allen Regionen Europas müssen unser gemeinsames Ziel sein. Ich freue mich wirklich auf eine spannende schwedische Präsidentschaft.

 
  
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  Esko Seppänen (GUE/NGL).(FI) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Als Sie über Europas Zukunft sprachen, haben Sie nicht von der Militarisierung der Europäischen Union gesprochen. Mit dem Vertrag von Lissabon haben sich die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern. Laut dem Vertrag von Lissabon sind die Mitgliedstaaten bereit, im Ausland zur Bewältigung von Krisen tätig zu werden, auch zur Durchsetzung des Friedens, und das auch ohne Mandat der Vereinten Nationen, das heißt, aus Sicht des Völkerrechts illegal. Zudem sind im Vertrag von Lissabon auch militärische Garantien enthalten, zumindest im Zusammenhang mit der Solidaritätsklausel, und in dieser Hinsicht ist Schwedens Neutralität – die militärische Bündnisfreiheit des Landes – sehr fraglich. Herr Ministerpräsident, glauben Sie, dass die militärischen Garantien des Vertrags von Lissabon mit Ihrer militärischen Bündnisfreiheit kompatibel sind?

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE).(PL) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Der europäische Aufbauprozess dient doch sicher nicht dem Wohle der europäischen Technokraten in Brüssel, sondern dem der Bürger der Europäischen Union, damit diese besser und sicherer leben können. Nur wenn wir ihnen zuhören, können wir unsere Aufgabe erfüllen.

Die Politiker haben unterschiedliche Erwartungen: einige wollen mehr andere weniger Europa. Doch Tatsache ist, dass die Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten den Lissabon-Vertrag unterzeichnet haben. Der Vertrag weist den Weg in ein transparenteres und demokratischeres Europa und sollte deshalb in diesem Jahr ratifiziert werden. An die Adresse der Abgeordneten, die jetzt Volksabstimmungen über die Ratifizierung fordern, obwohl sie selbst die europäische Verfassung abgelehnt haben, möchte ich Folgendes sagen: experimentieren Sie nicht mit Institutionen wie dem Referendum herum und spielen Sie sich nicht als Verfechter der Demokratie auf, denn die Bürger der Union werden Ihnen das ohnehin nicht abnehmen. Sie wissen, dass der Vertrag von Lissabon es ist, der die Demokratie in Europa verteidigen wird.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über eine Vision für ein modernes und dynamisches Europa. Diese Aussprache ist äußerst nützlich und hochaktuell. Die Globalisierung zwingt uns, Fragen zu stellen und Herausforderungen anzugehen, wie sie von Herrn Reinfeldt, dem schwedischen Ministerpräsidenten, erwähnt wurden. Die Umsetzung von Strukturreformen, die ich für den politisch schwierigsten Aspekt der Lissabon-Strategie halte, muss unser wichtigstes politisches Ziel sein. Ohne ein gesundes Wirtschaftswachstum kann von einer wissensbasierten Wirtschaft keine Rede sein. Ich bin überzeugt, dass eine wissensbasierte Wirtschaft und die Investition in Humanressourcen die richtigen Strategien für die Zukunft Europas darstellen.

Etliche meiner Vorredner brachten ihren Wunsch nach einem „sozialen Europa“ zum Ausdruck. Ich kenne keinen einzigen Politiker, nicht einmal in unserer konservativen Familie, der gegen ein soziales Sicherheitsnetz für die Bürger wäre, der den Bürgern ein gutes Einkommen und einen besseren Lebensstandard verwehren würde, der wollte, dass die Bürger, so wie in der Slowakei, eine Rente von gerade einmal 150 Euro erhalten. Im letzten Quartal 2007 verzeichnete mein Heimatland, die Slowakei, einen jahresübergreifenden Rekordzuwachs von 14 %. Wäre es der derzeitigen sozialdemokratischen Regierung unter Führung von Ministerpräsident Robert Fico überhaupt möglich, sozialpolitische Maßnahmen durchzuführen, wenn die vorhergehende Regierung unter Leitung von Ministerpräsident Mikuláš Dzurinda nicht den politischen Mut gehabt und kühne Reformen des Steuer-, Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystems durchgeführt hätte?

 
  
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  Ιoannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Ministerpräsident! Was Sie sagten, ist vollkommen richtig: Wir sollten nicht ein starkes, sondern ein schwaches Europa fürchten. Dem stimme ich uneingeschränkt zu, und ich glaube, dass alle europäischen Bürger diese Meinung teilen. Wenn sie aber sehen, wie wir uns mit Traktorscheinwerfern und anderen Nebensächlichkeiten beschäftigen, dann sind sie sicher enttäuscht.

Herr Ministerpräsident, Sie haben mit großer Begeisterung über die Erweiterung gesprochen. Ich frage mich allerdings, ob es nicht klüger gewesen wäre, wenn die EU vor der Erweiterung erst einmal ihre internen Probleme gelöst hätte. Wäre es nicht besser, wenn jetzt bereits eine Art von Reformvertrag in Kraft wäre, bevor weitere Staaten der EU beitreten?

Bevor ich zum Schluss komme, Herr Ministerpräsident, möchte ich feststellen, dass es jetzt vordringlich um die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags geht. Die Ansichten, die mein Kollege aus dem Vereinigten Königreich geäußert hat, haben mich überrascht. Wird der Lissabon-Vertrag nicht ratifiziert, dann hat Europa keine Zukunft.

 
  
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  Fredrik Reinfeldt. (SV) Vielen Dank für Ihre vielen Fragen und Kommentare, denen ich leider nicht allen gerecht werden kann. Außerdem möchte ich Ihnen danken, dass sie so viel Geduld hatten und sich aufgrund aller hier gestellten Fragen diese große Menge Schwedisch angehört haben.

Die Antworten, die ich habe, stehen in enger Verbindung mit meiner Überzeugung, dass eingegangene Vereinbarung eingehalten werden müssen, worauf ich noch zurückkommen werde. Ich habe erklärt, dass ich fest an Europa glaube. In Schweden habe ich auch zu vielen Gelegenheiten mein Vertrauen in das schwedische Arbeitsmarktmodell zum Ausdruck gebracht, das auf der Grundlage unserer schwedischen Tarifverträge aufgebaut ist. Wir haben teilweise einen anderen Weg gewählt als viele andere europäische Länder, die stärkeres Gewicht auf die Gesetzgebung legen, während wir in höherem Maße die Verantwortung der Sozialpartner betonen.

Unserer Ansicht nach schwächt das Laval-Urteil das schwedische Modell nicht, wirft aber einige Fragen bezüglich bestimmter Teile des schwedischen Rechts auf. Zusammen mit den Sozialpartnern untersuchen wir behutsam, wie Änderungen am schwedischen Arbeitsmarktmodell vorgenommen werden können, ohne jedoch davon abzurücken oder seine Wirkungsweise grundlegend zu ändern.

Wir gedenken, seine Gestaltung auch weiterhin zu respektieren und hoffen, dass dies bei den Diskussionen in Europa nicht missverstanden wird.

Es wurde gesagt, dass der Binnenmarkt Mängel aufweist. Nun, ein Kritikpunkt ist ja, dass er nicht voll funktionsfähig ist. Ich höre oft von Unternehmern und anderen, dass wir zwar von einem Binnenmarkt reden, die Freizügigkeit aber nicht ganz so frei ist.

Meine Regierung arbeitet definitiv darauf hin, die soziale Ausgrenzung zu verringern, die Grundlage für Selbstbestimmung durch Arbeit zu schaffen und zu gewährleisten, dass mehr Bürger Arbeit haben. Außerdem sollten Wohlstandsziele auch für andere erreichbar sein. Mehr Erwerbstätige bedeuten größere Ressourcen für die Entwicklung von Wohlstandslösungen für Menschen, die nicht in der Lage sind zu arbeiten. Damit stehen bei der in Schweden verfolgten Politik Arbeit und Wohlstand in einem engen Zusammenhang.

Demokratie ist ein weiteres Thema, das in verschiedenen Beiträgen hier angeschnitten wurde. Meiner Ansicht nach wird die Demokratie auf hervorragende Weise von ihren gewählten Repräsentanten vertreten. Das ist keine schlechte Form von Demokratie. Ich meine, viele von Ihnen, die sie heute hier sitzen, vertreten ihre Wähler gut, und auch ich bin bereit, dies auf unterschiedliche Art und Weise zu tun. Demokratie ist die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, und soll es auch sein.

Unsere Erfahrungen mit Volksbefragungen in Schweden sind, so möchte ich betonen, sehr unterschiedlich. Hin und wieder waren die Fragen und die Antworten darauf sehr eindeutig, während wir in anderen Fällen eine Frage gestellt und eine völlig andere Antwort erhalten haben, so dass wir viele Jahre damit verbracht haben zu diskutieren, was das schwedische Volk eigentlich geantwortet hat. Ich weiß, dass andere Länder ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Die Art von Vertrag, um die es jetzt geht, der auf verschiedenen Änderungen basiert, haben wir im Laufe der europäischen Geschichte schon ohne Referenden beschlossen, und wir sind bereit, die Entscheidung darüber im Rahmen der repräsentativen Demokratie zu treffen. Dies ist in meinen Augen eine ausgezeichnete Gelegenheit zu demonstrieren, wie lebendige Demokratie funktioniert.

Noch einige kurze Antworten zur Gaspipeline, die von mehreren Rednern hier genannt wurde. Auch hier wollen wir Vereinbarungen und geltende Vorschriften respektieren, d. h. wir prüfen in Übereinstimmung mit internationalen Vereinbarungen und schwedischem Recht die Möglichkeiten, diese Gaspipeline in Betracht zu ziehen. Wir mussten feststellen, dass der uns vorgelegte Antrag unzureichend war und haben ihn daher zurückgeschickt. Diese Frage wird aber erneut auf den Tisch kommen. Ich kann gegenwärtig nicht einschätzen, inwieweit wir dieses Verfahren durch das schwedische Umweltrecht beeinflussen können, aber dies wird bei der gründlichen Behandlung dieser Frage unser Ausgangspunkt sein.

Wir haben viele Ansichten zum Pendeln der Abgeordneten des Europäischen Parlaments zwischen den beiden Parlamentssitzen gehört, aber auch in diesem Punkt sind wir uns der Verträge bewusst. Wie alle Fragesteller wissen, haben die Mitgliedstaaten prinzipiell eine Einflussmöglichkeit, eine Art Vetorecht, in dieser Frage. Das respektieren wir, auch wenn wir uns, ebenso wie viele unserer Wähler, die Frage stellen, wie sinnvoll ständige Umzüge wie diese hier sind.

Wir erleben gegenwärtig in Schweden, wie der Anteil umweltfreundlicher Fahrzeuge in einem Maße zunimmt, das kein anderes Land aufweisen kann. Dazu haben wir spezielle Prämien für Umweltautos eingeführt, die einen starken Anreiz darstellen und dazu geführt haben, dass jetzt mehr als 30 % aller in Schweden verkauften Neuwagen umweltfreundlich sind. Dies ist ein Trend, der sich sicherlich noch weiter verstärken wird.

Es gab auch mehrere Fragen zum Euro. Auch hier respektieren wir Vereinbarungen, und ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Ergebnis einer Volksbefragung aus dem Jahr 2003. Wir haben zugesagt, uns der Meinung des schwedischen Volkes zu beugen. Sollten die Schweden ihre Meinung ändern, kann diese Frage erneut aktuell werden.

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass Schweden, das eine gemeinsame Grenze mit dem Euro-Land Finnland hat, natürlich auch genau beobachtet, was in Dänemark geschieht, wenn dieses Land im Herbst erneut prüfen wird, ob seine so genannte Opt-out-Klausel in Bezug auf den Euro zurückgezogen wird. Dann wird der Euro als Währung im Umfeld von Schweden eine wesentlich größere Präsenz haben, was möglicherweise das schwedische Volk beeinflussen wird.

Einige von Ihnen haben erklärt, dass nicht klar ist, in welcher Rolle ich wieder hierher kommen werde. Das erste Mal ist es wahrscheinlich nicht ganz so unklar, denn bis zum Sommer werde ich an der Präsentation des 18-Monate-Programms der französischen, tschechischen und schwedischen Ratspräsidentschaft teilnehmen.

Dann ist es zweifellos eine offene Frage, in welcher Rolle der turnusmäßig wechselnde Ratsvorsitz wiederkehren wird. Dazu haben wir viele Ideen. Ich glaube nämlich fest an eine EU, die in verschiedenen Teilen Europas verankert ist. Daher glaube ich, dass der turnusmäßig wechselnde Ratsvorsitz auch in Zukunft eine eindeutige Rolle haben wird, und zwar Seite an Seite mit dem gewählten Präsidenten, dessen Funktion mit dem neuen Vertrag eingeführt wird. Vielen Dank für Ihre wertvollen Kommentare und Fragen.

 
  
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  Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Reinfeldt. Das war die letzte Debatte im Rahmen dieses Konzepts über die Zukunft Europas. Die Aussprache ist damit geschlossen.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE). (SV) Herr Präsident! Wenn ein Ministerpräsident zu Besuch kommt, wollen viele Abgeordnete aus seinem Land zu Wort kommen, was sehr erfreulich ist. Der Herr Präsident sollte aber vielleicht versuchen, beim „Catch the eye“-Verfahren zu einer besseren geografischen Verteilung beizutragen. Es hat heute fast noch kein Redner aus Südeuropa gesprochen, und manchmal ist es genau umgekehrt, wenn ein südeuropäischer Politiker hierher kommt. Es wäre schön, wenn Sie zu einer größeren Ausgewogenheit beitragen könnten.

 
  
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  Der Präsident. − Da müssen die Südeuropäer sich aber auch melden und beteiligt sein. Wenn sie nicht da sind, kann ich sie nicht aufrufen.

(Zwischenruf)

Herrn Varvitsiotis habe ich im Übrigen aufgerufen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Roberta Alma Anastase (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße die Tatsache, dass die Zukunft Europas nach wie vor ein Thema ist, das einen festen Platz in den Aussprachen des Parlaments hat. Gemeinsame Überlegungen sind unerlässlich, wenn wir Wohlstand und eine stabile Zukunft für die nächsten Generationen europäischer Bürger gewährleisten wollen.

Meines Erachtens sollten sich diese Analyse und das Konzept der europäischen Zukunft in erster Linie auf zwei Aspekte gründen: die Zukunft der europäischen Bürger und die Rolle der EU in der Welt. So sollte intern das Wohlergehen der Bürger im Mittelpunkt aller europäischen Maßnahmen stehen, während die Menschenrechte und ihr umfassender Schutz dabei Richtschnur sein sollten. Von ebenso großer Bedeutung sind dabei die Bildung als Prämisse für eine erfolgreiche Zukunft sowie Maßnahmen zur Förderung des Kinder- und Jugendschutzes, der interkulturelle Dialog und die gegenseitige Toleranz. Sowohl die Lissabon-Strategie als auch der neue Reformvertrag sind Schlüsseldokumente, die konsequent umgesetzt werden sollten.

Dennoch ist in der globalisierten und von wechselseitiger Abhängigkeit gekennzeichneten Welt des 21. Jahrhunderts eine wahrhaft gedeihliche Zukunft für Europa nur dann möglich, wenn diese auch für die gesamte Welt gewährleistet wird. Folglich hat die EU die Pflicht, einen Beitrag zum Erhalt des Weltfriedens, der Stabilität und des Wohlstands zu leisten.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich habe mir mit Bedauern die Aussprache über die Zukunft Europas und die Ausführungen des schwedischen Ministerpräsidenten, mit denen er den Agrarhaushalt in der EU in Frage stellt, angehört.

Wenn das eine Aussprache über die Zukunft ist, warum scheint sie in der Vergangenheit stecken zu bleiben? Es sei daran erinnert, dass die GAP eine der Grundlagen der EU bildet. Sie hat dafür gesorgt, dass ein hungerndes Europa zu essen hatte, und sich im Verlaufe der letzten 50 Jahre – dem politischen und öffentlichen Druck nach Veränderung folgend – entwickelt und verändert.

Heute ist die GAP nicht der größte Ausgabenposten des EU-Haushalts. Dennoch glaube ich, dass Ausgaben für Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion in einer Welt, in der die Ernährungssicherheit auf der politischen Agenda sehr weit oben steht, gut angelegt sind.

Was die Zukunft und die Ratifizierung des Reformvertrags betrifft, so müssen die Bürger erfahren, worum es bei dem Vertrag geht und worum es nicht geht!

Wir werden in Irland ein Referendum zu dem Vertrag durchführen, der, falls er angenommen wird, den nationalen Parlamenten ein größeres Mitspracherecht an der Gestaltung der europäischen Politik geben wird.

Das ist eine wichtige Vorkehrung, doch gewählte Parlamentsabgeordnete müssen diese neue Befugnis nutzen.

 
  
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  Mihaela Popa (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Herr Präsident, liebe Kollegen!

Im Rahmen der Aussprache über die Zukunft Europas müssen wir der sozialen Kategorie angemessene Aufmerksamkeit widmen, die den Zukunftsgedanken am besten repräsentiert – der Jugend – also den Bürgern der Europäischen Union von morgen.

Die jungen Menschen sollten so ausgebildet werden, dass sie die Zukunft für ihre Generation gestalten können, und dazu gehört, dass man die gemeinsame Geschichte kennt und die Etappen der Bildung und Entwicklung der Europäischen Union. Um die Zukunft aufzubauen muss man seine Vergangenheit kennen.

Wir müssen dafür sorgen, dass die Geschichte der Europäischen Union an den Schulen gelehrt wird; wir brauchen eine möglichst kohärente Jugendpolitik, die auf die spezifischen Probleme junger Menschen eingeht. Europa braucht jetzt eine klare Vorstellung in Bezug auf Bildung, die Informationsgesellschaft, den interkulturellen Dialog und den Austausch zwischen jungen Menschen, die Beschäftigung und Mobilität Jugendlicher sowie die aktuellen Probleme ausgegrenzter Jugendlicher.

Ein erfolgreiches Europa kann nur gemeinsam errichtet werden – Tag für Tag.

 
  
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  Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (EN) Wir vertreten in diesem Haus 27 Nationen. Unsere Unterschiede trennen uns heute als Folge unserer unterschiedlichen Ansätze in Bezug auf Europa und unsere Politiken, die diese Ansätze prägen. Unser großes Problem ist nicht ein neuer Vertrag, der uns gewaltsam binden soll, sondern unser Ansatz in Bezug auf die Zukunft Europas – eines Europas, in dem unsere Kinder und deren Kinder sich erfolgreich im Wettbewerb mit den im Entstehen begriffenen Kräften des 21. Jahrhunderts behaupten können.

Ich freue mich auf ein Europa, in dem künftige Generationen nicht nur frei reisen können, sondern in dem sie auch nicht aufgrund ihrer geografischen Herkunft, ihrer Muttersprache oder der Schreibweise ihres Familiennamens diskriminiert werden.

Schlagwörter wie „Solidarität“, Kohäsion und Integration sind in unseren Institutionen auf Schritt und Tritt anzutreffen, aber in einem Europa, das in alte und neue Mitgliedstaaten geteilt ist, in Mitgliedstaaten, die sich mittels bilateraler Verträge mit Drittstaaten Vorteile verschaffen wollen, und in Mitgliedstaaten, die durch die gleichen Drittstaaten behindert werden, sind das nur leere Worthülsen. Vor lauter bilateralen Verträgen, Konformität und einer Vielfalt, die unsere Stärke und kein Hindernis sein sollte, ist die Europäische Union vom eigentlichen Weg abgekommen.

 
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