11. Lissabon-Strategie – Integrierte Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (Teil: Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft): Eintritt in den neuen Programmzyklus (2008-2010) (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
- die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lissabon-Strategie und
- den Bericht von Margarita Starkevičiūtė im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über die integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (Teil: Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft): Eintritt in den neuen Programmzyklus (2008-2010) 2007/2275(INI) (A6-0029/2008).
Žiga Turk, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich freue mich sehr, an dieser Sitzung teilnehmen zu können, in der das Europäische Parlament den Beginn der nächsten Phase der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung erörtert.
Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon geht eine Ära zu Ende, in der wir mit der Gestaltung unserer eigenen internen und teilweise auch politischen Strukturen vollauf beschäftigt waren. Europa ist nun weitaus besser dafür gerüstet, sich der Welt zu öffnen, und die Lissabon-Strategie bietet Europa die Instrumente, um bei der Gestaltung weltweiter Trends ebenfalls zu helfen. Derzeit sind mindestens vier dieser Trends maßgeblich.
Als Europa im Jahr 2000 die Lissabon-Strategie ins Leben rief, galt die Globalisierung in erster Linie als Wettbewerb zwischen Europa, den USA und Japan. Seitdem haben neue und wichtige Akteure die internationale Arena betreten und geben uns Anlass, erneut darüber nachzudenken, welchen Beitrag Europa zu dieser globalen Welt leisten kann und wo seine eigentlichen Wettbewerbsvorteile liegen.
Die Kommunikationsrevolution mit Internet und World Wide Web vollzieht sich direkt vor unseren Augen. Kreativität und Innovation beschränken sich nicht mehr auf starre institutionelle Systeme. Nur einmal in der Vergangenheit waren wir Zeuge einer Revolution bei der Massenkommunikation. Das war vor 500 Jahren, als billiges Papier aufkam und der Buchdruck erfunden wurde, so dass die Grundlage für die Überlegenheit Europas entstand.
Wir befinden uns an der Schwelle zu einer dritten industriellen Revolution, deren Folgen eine deutliche verminderte Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft sein werden. Im Mai 2007 verabschiedete das Parlament eine Erklärung zur dritten industriellen Revolution und der Wasserstoffwirtschaft und zeigte damit seine Unterstützung Europas für die führenden Akteure in diesem Bereich.
Nach dem Industriezeitalter betreten wir nun ein Zeitalter der Konzepte, in dem Werte, Bedeutung und Empathie in den Vordergrund treten. Der rote Faden bei diesen Trends ist die zunehmende Bedeutung des kreativen Potenzials der Menschen und ihrer Werte. Diese beiden Fragen sind ihrem Charakter nach sehr europäisch. Daher ist Europa bestrebt, an der Gestaltung dieser vier Trends mitzuwirken und dabei eine führende Rolle zu übernehmen.
Den Rahmen für europäische Ideen zur Entwicklung bietet die Lissabon-Strategie für Wachstum und Entwicklung. Nach einer grundlegenden Überarbeitung im Jahr 2005 wurde die Wirksamkeit der Lissabon-Strategie bestätigt. Strukturreformen haben die Grundlagen der europäischen Wirtschaft verbessert. Daher ist es leichter, Krisen auf den Finanzmärkten und steigenden Rohstoffpreisen, vor allem für Erdöl und Nahrungsmittel, zu bewältigen. Die Weltwirtschaft steuert in eine immer größere Unsicherheit. Daher muss Europa seinen Kurs halten, weiterhin Reformen durchführen und seine Wirtschaft und Gesellschaft modernisieren.
Die Kommission hat bei der Vorbereitung des im Dezember veröffentlichten Lissabon-Pakets gute Arbeit geleistet. Slowenien hat als Vorsitzender des Europäischen Rates die Lissabon-Strategie zu einer von fünf Prioritäten seiner Präsidentschaft erklärt. Wir freuen uns sehr, dass das Europäische Parlament an der breit angelegten Debatte in der nächsten Phase teilnimmt. Wir hatten bereits einen Meinungsaustausch bei den Beratungen mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung, im Rahmen der Troika und in interparlamentarischen Sitzungen. Wir alle tun unser Bestes, damit bei der Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März diese ehrgeizige neue Phase der Lissabon-Strategie eingeleitet werden kann.
Der Europäische Rat wird die Grundzüge der Wirtschaftspolitik billigen und die Schlussfolgerungen zur Beschäftigungspolitik annehmen. Die Notwendigkeit einer Änderung der Grundzüge wurde ausführlich diskutiert. Letztendlich stimmten die Kollegen aus den meisten Mitgliedstaaten zu, dass wir einige Formulierungen verbessern könnten, die derzeitigen Grundzüge zur Diskussion zu stellen jedoch eine lange Zeit der Harmonisierung und einen langsameren Übergang zur neuen Phase bedeuten würde, wobei das Endergebnis allerdings dem uns nun vorliegenden Ergebnis sehr ähnlich wäre.
Der Ecofin-Rat nahm den Beschluss, die Grundzüge der Wirtschaftspolitik nicht zu ändern, einstimmig an. Geändert werden lediglich die Begründungen, das heißt der Kontext, in dem die Grundzüge festgelegt werden.
Der Europäische Rat wird die spezifischen Empfehlungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Fortschritte bei der Umsetzung der nationalen Reformprogramme annehmen. Er wird die Teilnehmer, vor allem den Rat, die Kommission und das Parlament, auffordern, das Lissabon-Programm der Gemeinschaft umzusetzen.
Er wird einige Schlüsseltätigkeiten und -ziele in vier vorrangigen Bereichen fördern. In diesen vier Bereichen widerspiegeln sich erstens die Bemühungen Europas um die Umwelt, zweitens Europas Bemühungen um die Menschen und ihren Platz in der Gesellschaft, drittens Bemühungen um die Entwicklung eines Europa mit größerem Unternehmergeist, und viertens Bemühungen um ein innovativeres und kreativeres Europa, das die Grundlage für alles andere ist. Lassen Sie mich kurz auf diese vier Bereiche eingehen.
Ich stelle Kreativität neben Bildung und Innovation. Europa muss seine reiche kulturelle Tradition und seine ethischen Werte in einen Wettbewerbsvorteil für seine Erzeugnisse umsetzen. Wir müssen uns auch weiterhin für das Erreichen des Ziels von 3 % Investitionen in Forschung und Entwicklung einsetzen. Wissen muss die fünfte Freiheit werden. Wir brauchen einen einheitlichen Wissensraum, der einen offenen Zugang zu Wissen ermöglicht, in dem offene Innovation gefördert wird, und in dem Wissen natürlich durch das europäische Patent und Urheberrecht angemessen geschützt ist. Es sollte möglich sein, die Abstimmung zwischen der europäischen und der nationalen Forschungs- und Entwicklungspolitik zu verbessern.
Wir Europäer müssen mehr Unternehmergeist zeigen. Es fehlt uns an hoch innovativen und kreativen Kleinunternehmen. Daher müssen wir der Gründung und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen und ihrem Zugang zu Wissen und Forschungsinfrastrukturen sowie Kapital- und Finanzierungsquellen mehr Aufmerksamkeit schenken.
Wir müssen den Binnenmarkt stärken, vor allem in den Sektoren Dienstleistungen und Vernetzung, und verborgene Hemmnisse beseitigen. Ein starker und effizienter Binnenmarkt stellt auch eine weitaus bessere Abwehr gegen die Auswirkungen der Globalisierung dar als die Versuchung des Protektionismus. Es gilt, die Transparenz der Finanzmärkte zu erhöhen, die Rechtsvorschriften zu verbessern und den Verwaltungsaufwand zu verringern.
Wir in Europa müssen die Tradition wahren, unserer Bevölkerung Fürsorge und Solidarität zu bieten. Flexible Sicherheit ermöglicht eine dynamische Ausgewogenheit zwischen der Wirtschaft, die einen effizienten Arbeitsmarkt braucht, und der Sicherheit, die bedeutet, dass jeder rasch einen neuen Arbeitsplatz findet.
Deshalb müssen wir für lebenslanges Lernen und andere Fördermaßnahmen Sorge tragen. Insbesondere gilt es sicherzustellen, dass junge Menschen einen bestimmten Bildungsgrad erreichen und so bald wie möglich einen Arbeitsplatz finden. Die ältere Generation muss dazu ermutigt werden, so lange wie möglich aktiv zu bleiben.
In Europa kümmern wir uns außerdem um die Natur und die Umwelt. Europa muss die Führung in dem Prozess übernehmen, den einige als die dritte industrielle Revolution bezeichnen und der sich durch einen Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft auszeichnet. Ich bin davon überzeugt, dass sich dies günstig für Europas Wirtschaft auswirken wird, weil Europa der Weltmarktführer bei Zukunftstechnologien sein wird. Bis zum Ende dieses Jahres brauchen wir eine politische Einigung über das Energie- und Klimapaket.
Meine Damen und Herren, es bedarf eines entscheidenden Anstoßes für die neue Phase der Lissabon-Strategie, um Europa zu einer dynamischeren und kreativeren wissensbasierten Gesellschaft mit Unternehmergeist zu machen, die sich um die Menschen und die Umwelt kümmert. Wir müssen dringend Überlegungen zum strategischen Rahmen für die europäische Entwicklung nach 2010 und zur möglichen Konvergenz der Lissabon-Strategie und der Strategie für eine nachhaltige Entwicklung anstellen.
Wie Mark Leonhard schrieb, wird dieses Jahrhundert das Jahrhundert Europas werden, nicht, weil Europa die ganze Welt nach Kolonialherrenart beherrscht, und auch nicht, weil es über die leistungsfähigste Industrie verfügen wird. Dieses Jahrhundert kann das Jahrhundert Europas werden, weil die Welt von europäischen Werten und europäischer Kreativität beherrscht sein wird, also von den beiden Faktoren, die die globalen Trends wesentlich prägen. Die europäische Kreativität wird von Europas glanzvoller kultureller Tradition getragen. Europäische Werte (als Nachbarn arbeiten wir bei der Beilegung von Streitigkeiten und der Sorge für Mensch und Natur zusammen) sind ein Beispiel für die ganze Welt. Daher dürfen wir diese zutiefst menschlichen Ansatzpunkte nicht aus dem Auge verlieren, wenn es um die wirtschaftliche und soziale Zukunft der Union, also um unsere Strategie für Wachstum und Beschäftigung geht.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Frau Präsidentin, Herr Ratsvorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Für die Kommission ist das heute eine Grundsatzdebatte über die künftige Position Europas in der Welt. Es geht um unsere Antwort auf die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Die europäische Integration, die heute 27 Staaten und fast 500 Millionen Bürger verbindet, ist unsere große strategische Stärke. Wir schwächen uns nicht mehr selbst durch Uneinigkeit, und so ist Europa in jeder Hinsicht eine der attraktivsten Regionen der Welt geworden.
Der Binnenmarkt ist das Fundament unseres Wohlstandes und die gemeinsame Währung ist politisch und wirtschaftlich ein kostbares Gut. Wir sind den Unwägbarkeiten der Zeit, den Stürmen der Globalisierung nicht ausgeliefert. Die Integration gibt uns die Möglichkeit, das globale Zeitalter nach unseren Vorstellungen mitzugestalten.
Dieses globale Zeitalter wird jedoch nicht nur von einem Staat oder Kontinent geprägt werden. Japan, die USA und die Europäische Union sind herausgefordert von aufstrebenden Staaten wie China, Indien, Russland oder Brasilien, die — wie wir auch — wirtschaftlich und technologisch um den Spitzenplatz kämpfen.
Wir glauben, dass dieses neue Zeitalter uns große Chancen eröffnet und neue Möglichkeiten. Aber nur, wenn wir die Zeichen der Zeit nicht verschlafen und auch die Risiken mit voller Klarheit sehen. In Zeiten weltweiter Mobilität ist die Frage, wie sicher die Arbeitsplätze in der Europäischen Union sind und wie wir mehr und gut bezahlte Arbeitsplätze in der Zukunft garantieren können, die eigentliche soziale Frage unserer Zeit. Ich wiederhole das: Die soziale Frage unserer Zeit ist die Frage, ob wir dauerhaft Arbeitsplätze in ausreichender Zahl und in guter Qualität zur Verfügung haben werden.
Die Lösung dieser zentralen Frage steht im Mittelpunkt der erneuerten Lissabon-Strategie, unserer Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung. Diese Strategie ist die europäische Antwort auf die Globalisierung.
Wir haben nach drei Jahren Bilanz gezogen und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Es waren gute Jahre für Wachstum und für Beschäftigung. Viele Millionen Arbeitsplätze wurden geschaffen, höheres Wachstum als in den Jahren zuvor. Die Produktivität ist zum ersten Mal schneller gewachsen als in Amerika. Notwendige Strukturreformen haben begonnen, sich für die Menschen auszuzahlen. Aber es besteht kein Anlass, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Das Ziel ist noch nicht erreicht. Wir haben noch einen weiten Weg und weitere Reformen vor uns. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass nicht der Stillstand, sondern die permanente Veränderung unsere Zeit prägt. Das macht vielen Menschen immer noch Angst, vor allem denen, die fürchten, bei diesen Änderungen nicht mithalten zu können und zu Verlierern der Globalisierung zu werden.
Auch aus diesem Grund ist es wichtig, unsere Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung noch stärker in die Gesellschaften hineinzutragen. Wir glauben, dass wir eine Strategie gefunden haben, die — anders als die Lissabon-Strategie aus dem Jahr 2000 — realistisch ist und die erhofften Ergebnisse bringen wird. Darum geht es der Kommission auch bei ihrem Vorschlag für die kommenden drei Jahre. Wir glauben, dass die Grundausrichtung stimmt. Aber wir glauben auch, dass wir bei einigen Fragen, die den Schlüssel für die Zukunft bedeuten, noch etwas justieren müssen.
Zum Beispiel muss in den kommenden drei Jahren vor allem die soziale Dimension unserer Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung weiter gestärkt werden. Das wird, denke ich, die zentrale Frage sein. Bildung, Ausbildung und Qualifizierung müssen besser werden. Wir können dem Wandel nur dadurch begegnen, dass wir jedem Menschen von frühester Kindheit an helfen, alle seine Talente zu entfalten, Neues zu lernen und flexibel zu bleiben, und das lebenslang. Darauf hat jeder ein Anrecht. Nur so wird es uns gelingen, zu verhindern, dass der Verlust eines Arbeitsplatzes für die Betroffenen und deren Familien ins gesellschaftliche Aus führt: in die Arbeitslosigkeit oder in die Armut.
Wir brauchen eine Politik, die die Beschäftigung stärkt und Neuanfänge ermöglicht, und das in jedem Lebensalter. Und das ist nicht nur eine Aufgabe für die Politik, das ist auch eine Aufgabe für die europäischen Unternehmer und Unternehmen. Ich sage das in aller Deutlichkeit, gerade auch vor dem Hintergrund einiger jüngster Ereignisse. Unternehmer und Unternehmen, die dies noch nicht gemerkt haben, werden umdenken müssen — gute und motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind das wertvollste Gut, das im Wettbewerb den kleinen, aber alles entscheidenden Unterschied ausmachen kann.
Wir brauchen mehr Anstrengungen zur Verwirklichung der Wissensgesellschaft. Wir sind von unserem Ziel, 2010 3 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts für Forschung ausgeben zu wollen, leider weit entfernt, und ich sehe mit großer Sorge, dass der Abstand größer wird statt kleiner. Mit noch größerer Sorge sehe ich eine neue Tendenz: Europäische Unternehmen geben nicht weniger aus für Forschung und Entwicklung als in der Vergangenheit, sogar mehr, aber sie geben es nicht in Europa aus, sie geben es außerhalb Europas aus.
Der europäische Forschungsraum muss eine Realität werden! Wenn es uns nicht gelingt, Forschung und Entwicklung in Europa zu halten, wird es uns auch nicht gelingen, Arbeitsplätze in Europa zu halten.
Wir wissen, dass wir den Binnenmarkt weiter stärken müssen. Wir brauchen die volle Freisetzung des unternehmerischen Potenzials der übergroßen Mehrheit unserer Unternehmen. Gemeint sind die 23 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen, die zwei Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. Wir haben schon einiges auf den Weg gebracht, aber wir wollen mit dem Small Business Act im Juni noch einmal nachlegen.
Es ist ebenfalls ein Gebot der Stunde, die Integration der Energie- und Klimaschutzziele in unsere Wachstums- und Beschäftigungspolitik energisch voranzutreiben. Wir sind willens, den Nachweis zu führen, dass sich umweltpolitische Herausforderungen in wirtschaftliche Chancen und sozialen Fortschritt ummünzen lassen. Wir brauchen eine starke europäische Industrie, die den Ball aufnimmt, denn wir sind fest davon überzeugt, dass eine europäische Führungsrolle bei Energieeffizienz, neuen Technologien und dem sparsamen Umgang mit Ressourcen nicht nur der Umwelt gut tut, sondern auch den Arbeitsplätzen.
Umweltschonende Produkte und Verfahren haben Hochkonjunktur – heute mehr als gestern. Verantwortliche Klimaschutzpolitik setzt nicht auf die Entindustrialisierung Europas, sondern auf die Leistungsfähigkeit des Industriestandorts Europa, auf Industrien, die in Europa umweltschonend produzieren und Umweltschutz exportieren.
Wir sind der Auffassung, dass wir bei diesem Thema noch sehr viel besser werden können. Dafür braucht es eine gemeinsame große Anstrengung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten. Dafür haben wir jetzt einen verlässlichen Rahmen. Wir haben eine Partnerschaft, die auf den Dialog und die kritische Würdigung des Erreichten setzt und die sich bewährt hat. Mit den integrierten Leitlinien haben wir vor drei Jahren einen verlässlichen Orientierungsrahmen geschaffen, an dem sich die Reformen auf der europäischen und der nationalen Ebene orientieren können.
Ich weiß wohl, dass es Fragen zu unserem Vorschlag gibt, die Leitlinien im engeren Sinne des Wortes nicht anzutasten. Das hat die Kommission nicht aus Dogmatismus oder aus Rechthaberei vorgeschlagen. Wir wollten keine Mogelpackung. Wir wollten die Kontinuität des Reformziels und der Richtung der Reformen in der Europäischen Union unterstreichen. Gleichzeitig haben wir aber eine durchaus kritische Bilanz gezogen und deutlich gesagt, wo die Schwächen der vergangenen drei Jahre lagen, um daraus die Lehren zu ziehen. Deshalb schlagen wir die von mir beschriebenen neuen Akzentsetzungen — etwa im Bereich der sozialen Dimension und im Bereich der ökologischen Dimension — vor, die auch ihren Eingang in die Leitlinien gefunden haben.
Wir haben auch ein neues Gemeinschaftsprogramm vorgeschlagen, das — anders als sein Vorgänger — kein bunter Strauß vieler Vorhaben, sondern ein fokussiertes Programm ist. Es folgt der allgemeinen Prioritätensetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung.
Meine Damen und Herren! Die Wachstums- und Beschäftigungspolitik bleibt das zentrale Anliegen dieser Kommission. Für uns steht diese Politik ganz oben auf der Liste unserer Prioritäten, denn es geht dabei um mehr Beschäftigung, um mehr Wohlstand und um mehr Umweltschutz.
(Beifall)
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Starkevičiūtė und allen in diesem Haus, insbesondere den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, die an der Erarbeitung des Berichts mitgewirkt haben, meinen Glückwunsch aussprechen. Für mich ist der Bericht außerordentlich reich an Analysen und zukunftsträchtigen Hinweisen zu diesem neuen Zyklus der Strategie von Lissabon für die nächsten drei Jahre.
Wenn wir auf die vergangenen drei Jahre zurückblicken, können wir der Bewertung zustimmen, die in diesem Bericht zu den Ergebnissen der Strategie von Lissabon in dieser neuen Phase nach der Revision von 2005 gegeben wird.
Wie heute Nachmittag bereits zur Sprache kam, werden Arbeitsplätze geschaffen. Ein wichtiger Teil dieser Beschäftigung hat mit den Reformen zu tun, die auf die Strategie von Lissabon zurückgehen, der Art, in der die Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaftstätigkeit gesehen werden, die in der Strategie von Lissabon und den vor drei Jahren verabschiedeten nationalen Reformprogrammen dargelegt sind.
Das Wachstumspotenzial zieht an, obwohl wir uns wünschen würden, dass es noch weiter steigt. Allerdings ist es ganz wichtig, dass die Wachstumsfähigkeit in Europa unter normalen Wirtschaftsbedingungen zunimmt. Wir brauchen ein größeres Wachstum, um einen wichtigen Platz in einer globalisierten Welt einzunehmen, in der sich neue und außerordentlich dynamische Akteure herausbilden.
Zusätzlich verbessert sich die Funktionsweise der Märkte, die Hindernisse, die den Arbeitgebern, den Unternehmern und den produktionsorientierten Investitionen im Wege stehen, werden abgebaut.
In vielen europäischen Ländern wurden Reformen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der sozialen Schutzsysteme und der öffentlichen Haushalte in Angriff genommen, und natürlich stieg das Bewusstsein für die Notwendigkeit, in unserem Wachstumsmodell für die Umwelt zu sorgen.
Lissabon trägt also Früchte. Die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie, die seit 2005 existiert, zeitigt Ergebnisse. Es wäre ein Fehler, jetzt die Richtung zu wechseln. Deshalb stimmen wir dem heute Nachmittag diskutierten Bericht in seinen wesentlichen Zügen zu: Wir müssen den Weg in die aufgezeigte Richtung fortsetzen.
Doch klar ist, dass den Veränderungen der Situation Rechnung getragen werden muss, seien es erhebliche Veränderungen im Energiesektor und der Umwelt oder die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Klimawandel zu unserer wichtigsten Priorität zu machen, seien es die neuen Herausforderungen, die Erfahrung und natürlich das Wirtschaftsklima und die Wirtschaftslage, die wir in den letzten Monaten beobachtet haben.
Die heutige Situation führt uns zu einer größeren Ungewissheit sowie zu Spannungen auf den Finanzmärkten und bedeutet, dass wir unter diesen volatileren, ungewisseren, schwierigeren Bedingungen die Geschwindigkeit der Reformen, den Grad der Umsetzung und das Tempo bei der Anwendung der Strategie von Lissabon erhöhen müssen.
Wir sind uns einig, dass die Realisierung in einem makroökonomischen Stabilitätsrahmen erfolgen muss, wie die integrierten Leitlinien feststellen, in einem Rahmen, der die Nachhaltigkeit unserer öffentlichen Haushalte, unserer Wohlfahrts- und sozialen Schutzsysteme sowie die Nachhaltigkeit der Umwelt stärkt, und in einem Rahmen des Vertrauens und des Engagements der Wirtschaftsakteure.
Es gilt, den in den letzten Jahren durch die richtigen Reformen und Maßnahmen gewonnenen Spielraum bestmöglich zu nutzen; die Marge auszuschöpfen, die uns diese Zeit der Unsicherheit jetzt bietet, nachdem wir die Finanzlage unserer Wirtschaften in den meisten unserer Länder verbessert haben.
Wir können zulassen, dass die automatischen Stabilisatoren nun in den meisten unserer Wirtschaften aufhören zu funktionieren, da das Wachstum aufgrund der Volatilität des Drucks auf den Finanzmärkten oder des tief greifenden Abschwungs in den Vereinigten Staaten niedriger ausfällt.
Wir sind durch die Maßnahmen, die auf den integrierten Leitlinien unserer Strategie basieren, in einer besseren Position als 2001, um eine erhebliche Abkühlung der Wirtschaftstätigkeit aufzufangen.
Wenn wir angesichts dieser Spannungen auf den Finanzmärkten die Lage der europäischen Wirtschaften mit der Situation der US-Wirtschaft vergleichen, so haben viele von uns in den letzten Wochen und Monaten den Vorzug der europäischen Wirtschaften festgestellt, da wir über solide Wirtschaftsfundamente verfügen. Diese soliden Wirtschaftsfundamente wurden durch die in diesen Leitlinien dargelegte Politik verstärkt, sowohl in Bezug auf das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion als auch die vielen Strukturreformen, die zur Strategie von Lissabon gehören.
Es gibt da insbesondere einige Prioritäten für die nächste Zukunft, die ebenfalls erkennbar sind und die in den Analysen des Berichts von Frau Starkevičiūtė verdeutlicht werden; für uns besteht jetzt eine Priorität darin, die bei der Finanzmarktintegration erreichten Fortschritte zu konsolidieren.
Mit der Integration der Finanzmärkte haben wir ein Instrument in Händen, das uns in die Lage versetzt, Situationen zu meistern, wie wir sie jetzt erleben. Es gibt einige Initiativen, wie einen kürzlich vom ECOFIN-Rat verabschiedeten Fahrplan. Wir alle müssen dazu beitragen, dass diese Initiativen europaweit so bald wie möglich in die Praxis umgesetzt werden, und wir müssen dafür sorgen, dass Europa mit einer Stimme zu diesen Initiativen spricht, die es auch in einem umfassenderen Rahmen, beispielsweise im Internationalen Währungsfonds oder im Forum für Finanzstabilität, zu diskutieren und zu beschließen gilt.
Aus allen diesen Gründen bin ich sicher, dass wir zusammenarbeiten werden, dass wir auf eine produktive Kooperation mit dem Parlament zählen können; sie sollte den Konsens über die grundlegenden Aspekte unserer Strategie und die Appelle an die Wirtschafts- und Sozialakteure bestärken, aktiv auch an diesem Reformprozess mitzuwirken, damit die Reformen nicht etwas sind, das von oben aufgezwungen wird, sondern das aus der Basis entsteht und durch den sozialen Dialog präzisiert wird. Der Rat, das Parlament und die Kommission müssen produktiv zusammenarbeiten, sodass nicht nur sie, sondern auch unsere Mitgliedstaaten die Ziele, über die heute Nachmittag zwischen uns Einstimmigkeit herrscht, entwickeln und als Teil ihrer nationalen Reformprogramme verwirklichen können.
VORSITZ: LUISA MORGANTINI Vizepräsidentin
Margarita Starkevičiūtė , Berichterstatterin. − (LT) Ich möchte Herrn Verheugen und Herrn Almunia für ihre Definition der Lissabon-Strategie der EU danken. Mir ist es jedoch immer schwer gefallen, ihre wichtigsten Prioritäten zu verstehen.
Dieses Kommissionsdokument umfasst 300 Seiten, die in mehrere Kapitel unterteilt sind, von denen jedes eigene Schwerpunktziele definiert. Insgesamt gibt es 24 Rahmen, an die sich die Europäische Union halten muss, wenn sie ihre Wirtschaftspolitik und -strategie erfolgreich umsetzen will.
Wir möchten natürlich nicht hinter der Europäischen Kommission zurückstehen, und so hat das Parlament drei verschiedene Entschließungen zu diesen 24 Rahmen auf der Grundlage drei verschiedener Verfahren angenommen. Offenbar ist das unser Beitrag zum Bürokratieabbau.
Ich möchte der Kommission auch dafür danken, dass sie den Schwerpunkt auf die Kontinuität der Reform legt. Dem kann ich nur zustimmen. Doch das Leben konfrontiert uns täglich mit Veränderungen und neuen Entwicklungen, und zwar insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung. Wenn wir also beschließen, nur kosmetische Änderungen vorzunehmen, werden wir damit kaum Innovation und Kreativität fördern, wie die verehrten Vertreter aus Slowenien feststellten.
Ich kann die Ansicht des Europäischen Rates, dass jede neue Strategie einen Mehrwert erzeugen sollte, durchaus nachvollziehen. Meiner Ansicht nach sollten wir aber auf die Fortsetzung der Reformen orientieren, allerdings unter der Bedingung, dass sie konsolidiert und den neuen Umständen angepasst werden. Die einzige Priorität der Lissabon-Strategie sollte das Wohlergehen der Bürger sein.
Zur Erreichung dieser Ziele können wir eine Reihe wirtschaftspolitischer Instrumente einsetzen, die ineinandergreifen sollten. Hinsichtlich der Währungspolitik muss die Betonung auf der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank liegen. In Anbetracht der unterschiedlichen Interessen und globalen Herausforderungen muss es ein zentrales Gremium geben, das darauf reagiert. Ferner müssen wir bedenken, dass noch nicht alle Mitgliedstaaten dem einheitlichen Währungsgebiet beigetreten sind.
Die Möglichkeiten, die die Zentralbank zur Einhaltung der Inflationsziele hat, sind ebenso begrenzt wie ihre Fähigkeit, dem Inflationsdruck und den globalen Herausforderungen von außerhalb der Europäischen Union zu begegnen. Demzufolge sollten alternative Mittel gefunden werden, um die Unabhängigkeit der Zentralbank zu ermöglichen. Natürlich muss das fiskalische Gleichgewicht dabei an erster Stelle stehen.
Ich wage es jedoch, Versuche, das fiskalische Gleichgewicht einfach durch Senkung der Ausgaben herzustellen, energisch abzulehnen. Ein solches Vorgehen ginge zu Lasten der am stärksten benachteiligten und sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen und weniger der Beamten, die im Allgemeinen keine Kürzungen am eigenen Gehalt vornehmen. Unser Hauptziel sollte darin bestehen, Verwaltungseinrichtungen zu konsolidieren und Verwaltungsausgaben zu senken. Diese Mittel könnten dann auf Sektoren umverteilt werden, die den Bürgern zugute kommen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich hervorheben möchte, ist die Rolle des Finanzsektors. Es bringt wenig, eine restriktivere Haushaltspolitik zu fordern und gleichzeitig Milliarden von Euro auszugeben, um Banken zu retten. Die Rolle des Finanzsektors sollte in der Lissabon-Strategie klar umrissen und definiert werden. Es liegt auf der Hand, dass ein stabiler Finanzsektor Voraussetzung für langfristige Wirtschaftsstabilität ist.
Ich kann trotz der deutlichen Probleme, die der Finanzsektor heute aufweist, offen gestanden keine sonderlich ernst gemeinten Anstrengungen zu deren Überwindung ausmachen. Damit ist im Grunde genommen die nächste Krise vorprogrammiert.
Wie können wir unseren Menschen, den Bürgern in den Mitgliedstaaten, helfen? Zunächst einmal sind wir in der Lage, ihre Arbeitskosten, ihre Lebenshaltungskosten und die Kosten, die bei der Niederlassung und Anpassung an die Herausforderungen einer neuen Lebensweise entstehen, zu senken.
Die Wissenschaft hat verschiedene Vorschläge zur Lösung dieser Probleme unterbreitet. Ich stimme den Vorstellungen zu, die ihrer Ansicht nach zu nützlichen Ergebnissen führen dürften, also eine bessere Vertretung und einen verbesserten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für den Mittelstand.
Marianne Thyssen, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, sehr geehrte Herren Kommissare, meine Damen und Herren! Erstmals halten wir unsere jährliche Aussprache in Vorbereitung der Frühjahrstagung am Nachmittag ab. Üblicherweise werden in diesem Haus Debatten von oberster Priorität für den Vormittag angesetzt. Gleichwohl sollte man daraus nicht den Schluss ziehen, wir hielten den Frühjahrsgipfel und die Lissabon-Strategie für weniger wichtig. Keinesfalls, wir haben unseren Vormittag lediglich bereitwillig Herrn Corbett und Herrn Méndez de Vigo zur Erörterung ihres ausgezeichneten Berichts über den Reformvertrag zur Verfügung gestellt, der zusammen mit der Lissabon-Strategie für die Gestaltung der Zukunft Europas maßgeblich ist.
In der vergangenen Woche trafen wir in Brüssel mit Abgeordneten der nationalen Parlamente zusammen, um die Fortschritte bei der Strategie zu überprüfen. Und über eines waren wir uns sehr schnell einig: der neue Ansatz, der Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt rückt, ohne die Dimension der Nachhaltigkeit zu vergessen, trägt Früchte. Die Strategie fördert das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft und sorgt für ein Klima, das die Schaffung neuer Arbeitsplätze begünstigt: bislang 6,5 Millionen, 5 Millionen erwarten wir noch. Nunmehr gilt es, wie von der Kommission vorgeschlagen, mutig den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, denn die Arbeit ist noch nicht zu Ende gebracht. In allen Mitgliedstaaten und auf allen Ebenen gibt es noch eine Menge, was verbessert werden kann und muss. Wir müssen noch viel voneinander lernen und zudem die regionalen Möglichkeiten besser ausschöpfen. Daher werden wir den gemeinsamen Entschließungsantrag über die Lissabon-Strategie uneingeschränkt befürworten.
Für unsere Fraktion sind die Prioritäten klar. Mehr Investitionen in Forschung und Innovation und ein angemessener Schutz des geistigen Eigentums – diese Dinge sind ausschlaggebend für die künftige Entwicklung der Wirtschaft und die Schaffung von Qualitätsarbeitsplätzen. Gleichermaßen wichtig ist ein besseres unternehmerisches Klima. Die Vollendung des Binnenmarktes, bessere Rechtsetzung und weniger Bürokratie sind für alle Unternehmen von Bedeutung, speziell jedoch für unsere 23 Millionen KMU. Wir brauchen deshalb diese Regelung für Kleinunternehmen, die mehr als nur symbolisch sein muss. Von daher stimmt es uns auch sehr froh, dass wir in dieser Woche das Gesetzgebungspaket über den Binnenmarkt für Waren abschließen konnten, weniger erfreut sind wir jedoch darüber, dass neue Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittel vorgeschlagen wurden, die die ganze Bürokratie nur noch weiter aufblähen.
Drittens bedarf der Arbeitsmarkt einer Reformierung. Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit müssen Hand in Hand gehen, und wir müssen stärker in die Qualifizierung der Menschen investieren.
Nicht zuletzt unterstützen wir die 20-20-20-Ziele, aber so, dass hier Arbeitsplätze geschaffen werden, anstatt sie in andere Kontinente zu exportieren.
Zum Schluss noch Folgendes. Der Frühjahrsgipfel wird sich zu Recht mit der schleichenden Krise auf den Finanz- und Versicherungsmärkten befassen. Wir müssen unbedingt sicherstellen, dass diese Krise unsere Anstrengungen für Wachstum und Beschäftigung nicht entgleisen lässt. Wenn wir wachsam sind, unseren Kurs beibehalten, können wir das Vertrauen der Menschen wieder herstellen. Vertrauen bedeutet Stabilität, und damit können wir Europa eine gute Zukunft garantieren. Und das ist unsere Aufgabe.
Robert Goebbels, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Die Umsetzung der Lissabonner Strategie, so unvollkommen sie auch sein mag, hat der Europäischen Union ermöglicht, in zahlreichen Bereichen Fortschritte zu erzielen. Es sind Arbeitsplätze geschaffen worden, es hat mehr Investitionen für Bildung, Forschung und neue Technologien gegeben.
Doch die Herausforderungen bestehen weiter. Die Welt verändert sich. Neue Probleme tauchen auf. Minister Turk und die Kommissare Verheugen und Almunia haben das vorhin aufgezeigt. Auch wenn die Subprime-Krise ihren Ursprung in den USA hat, sind auch in Europa Banker, Versicherer und Fondsmanager der gleichen Gier verfallen, die der Hauptantrieb in der Finanzwelt ist. Während einige hohe Spitzenmanager von ihren goldenen Fallschirmen aufgefangen werden, müssen die Arbeitnehmer und die Öffentlichkeit für den Schaden aufkommen.
Fast überall haben sich die Kredite verknappt. Die reale Wirtschaft tritt auf der Stelle, in den USA zeichnet sich deutlich eine Rezession ab, in Europa verlangsamt sich das Wachstum, die Inflation beschleunigt sich wieder, die Erdölprodukte verteuern sich, die Nahrungsmittel folgen dem Trend, die Preise für Dünger schießen in die Höhe – ein Anzeichen für neue Preissteigerungen bei den künftigen Ernten.
Die Europäische Zentralbank beschränkt sich allein auf die Bekämpfung der Inflation. Die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften werden zur Lohnmäßigung aufgefordert, während fast überall die Kaufkraft schrumpft.
Ja, Herr Verheugen, in allen unseren Ländern sind Armut und soziale Ausgrenzung auf der Tagesordnung. 68 Millionen Europäer leben unter der offiziellen Armutsgrenze ihrer jeweiligen Länder. 13 % der Arbeitnehmer arbeiten in instabilen Arbeitsverhältnissen und ohne dauerhaften Sozialschutz. Es gibt 23 Millionen Scheinselbständige. Gleichzeitig besitzt 1 % der Bevölkerung über 15 % des in Europa verfügbaren Reichtums.
Der Kampf gegen den Klimawandel wird diese Tendenz zur Verarmung von vielen Europäern noch verstärken. Das Verursacherprinzip klingt gut, doch sind es letztlich stets die Verbraucher, die die Rechnung zu bezahlen haben. In Großbritannien kämpfen die Behörden gegen die Energiearmut. Trotzdem erklärt uns die Kommission, die Union hätte ihren Energiemarkt noch nicht genug liberalisiert, als ob in einer Welt, in der 90 % der Energieressourcen auf souveräne Staaten entfallen, die Verbraucher ihre Lieferanten frei wählen könnten.
Angesichts der wachsenden Probleme haben die Kommission und insbesondere Präsident Barroso nur eine Antwort: An der Lissabonner Strategie darf nichts verändert werden. Die integrierten Leitlinien sind offenbar in portugiesischen Marmor eingraviert und in den Augen von Kommissionspräsident Barroso nicht veränderbar.
Im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion möchte ich eine ernste Warnung an Präsident Barroso richten. Wir werden dieses „Njet“ der Kommission zu den Leitlinien, das an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert, nicht akzeptieren. Die Rahmenbedingungen für die Lissabonner Strategie haben sich geändert. Der Text, der uns in unserem Handeln leiten soll, muss daher an die neuen europäischen und internationalen Gegebenheiten angepasst werden.
(Beifall)
Bilyana Ilieva Raeva, im Namen der ALDE-Fraktion. – (BG) Sehr geehrte Vertreter des Europäischen Rates, sehr geehrte Vertreter der Kommission, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor drei Jahren legte die erneuerte Lissabon-Strategie den Schwerpunkt eindeutig auf das Erfordernis eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und auf mehr und bessere Arbeitsplätze. Heute kommen die nationalen Reformen gut voran, die europäische Wirtschaft verzeichnet stetige Zuwachsraten, während die Arbeitslosigkeit ihren niedrigsten Stand seit 1998 erreicht hat. Trotz der guten Ergebnisse sind vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs weit größere Anstrengungen erforderlich, um eine dynamische und wettbewerbsfähige wissens- und innovationsbasierte Wirtschaft aufzubauen.
Nach Ansicht der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa ist diese Strategie die Triebkraft für tief greifende Wirtschafts- und Sozialreformen. Sie ist die Reaktion auf die Herausforderungen der Globalisierung und versetzt die Europäische Union in die Lage, in Bezug auf Wirtschaftswachstum, sozialen und ökologischen Wohlstand, technologische Entwicklung und Modernisierung eine federführende Rolle zu spielen. Um diese Ziele zu erreichen, ist es erforderlich, die Anstrengungen in den kommenden Jahren zu intensivieren. Die Liberalen und Demokraten für Europa anerkennen die Entwicklung neuer Strukturen für die Durchführung der Strategie in den letzten drei Jahren, wobei die Zuständigkeiten zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten besser verteilt wurden.
Bulgarien und Rumänien wurden seit ihrem Beitritt umfassend in die Durchführung der Lissabon-Strategie einbezogen und konnten 2007 erstmals die Umsetzung ihrer Reformpläne melden. Unabhängig von den zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschieden hat die Umsetzung der Lissabon-Strategie das Wachstumspotenzial der Europäischen Union insgesamt verbessert.
Das wirtschaftliche Umfeld, das aus Sicht der Liberalen und Demokraten von besonderer Bedeutung ist, hat von diesen Reformen immens profitiert. Die EU-Strategie für bessere Rechtsetzung nimmt allmählich Gestalt an. In den meisten der Mitgliedstaaten ist es heute einfacher, ein Unternehmen anzumelden und sich selbständig zu machen. Dennoch kann von einer einheitlichen Unternehmenskultur auf europäischer Ebene noch keine Rede sein. Wir brauchen in Bezug auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der Klein- und Mittelbetriebe auf EU-Ebene einen umfassenden Ansatz. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich verpflichtet, bis 2010 3 % ihres BIP in die Bereiche Innovation, Forschung und Entwicklung zu investieren.
Doch die verfügbaren Daten deuten auf wesentliche Diskrepanzen zwischen den Mitgliedstaaten hin. Deshalb sind diesbezüglich ernsthafte Anstrengungen erforderlich, die auch den privaten Sektor umfassen müssen, damit dieses Ziel erreicht werden kann.
Die Europäische Union hat große Anstrengungen zur Umgestaltung in eine umweltbewusste Gesellschaft unternommen. So wurden neue ehrgeizige Verpflichtungen zur Senkung der Kohlendioxidemissionen und Nutzung erneuerbarer Energiequellen bis 2020 eingegangen. Nach Ansicht der Liberalen und Demokraten ist eine kohlenstoffarme Gesellschaft nur dann möglich, wenn Forschung und Innovation die für diesen Zweck erforderlichen „grünen“ Technologien anbieten.
Die hohen Standards, die wir als Europäer uns wünschen, sind nur durch solidarisches Handeln zu erreichen. Deshalb stehen der Erfahrungsaustausch, die Unterstützung und Möglichkeiten, um voneinander zu lernen, im Vordergrund. Die wissensbasierte Wirtschaft setzt auch Lernbereitschaft voraus. Wirtschaftswachstum, niedrige Arbeitslosigkeit, hohe Sozialstandards und ein dynamisches Wirtschaftsumfeld schließen einander nicht aus. In diesem Zusammenhang sei nur auf Dänemark und Finnland verwiesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lissabon-Strategie spiegelt zahlreiche Prioritäten der Liberalen und Demokraten wider. Dazu zählen die Schaffung der Voraussetzungen für einen flexibleren und besser funktionierenden Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der sozialen Integration; die Verringerung des Verwaltungsaufwandes und eine bessere Rechtsetzung; die Stärkung der Position europäischer Unternehmen auf internationaler Ebene; mehr Einfuhren, Ausfuhren und Investitionen; größere Transparenz und Stabilität der Finanzmärkte; besserer Verbraucherschutz; mehr Umweltengagement; effizientere Nutzung der Strukturfonds der Gemeinschaft zur Erreichung greifbarerer Ergebnisse bei der Umsetzung der Strategie und der Ausbau des Verkehrsnetzes im Rahmen der transeuropäischen Vorhaben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Indikatoren liegen vor, die Ziele sind klar definiert. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an.
Guntars Krasts, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Kommissar, verehrte Vertreter des Rates! Ich möchte mich heute auf die potenziellen Auswirkungen der aktuellen Thematik auf die Aufgaben und Ziele der Lissabon-Strategie konzentrieren. Die Probleme auf dem globalen Finanzmarkt und die Auswirkungen der Schwierigkeiten der amerikanischen Wirtschaft auf das globale Wirtschaftswachstum stellen eine erste Bewährungsprobe für die neue Lissabon-Strategie und ihre Fähigkeit, mögliche Hindernisse für das Wachstum der europäischen Wirtschaft aus dem Weg zu räumen, dar. Unabhängig von den aktuellen Komplikationen bleibt ein rascheres langfristiges Wachstum Europas Hauptschwerpunkt. Dafür braucht der Markt zahlreiche neue, aktive Unternehmen. Für mich steht außer Zweifel, dass die Störung des Finanzsystems Maßnahmen zur Wiederherstellung der Stabilität erfordert. Dabei muss jedoch betont werden, dass es an der Zeit ist, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. Die Stabilisierung des Finanzsystems darf das Finanzsystem nicht an der Erfüllung seiner Ausgaben hindern, nämlich der Förderung des Wachstums der europäischen Privatwirtschaft. Das möchte ich besonders betonen, denn es ist unbedingt erforderlich, mehr Finanzierungsmöglichkeiten für Existenzgründungen zu schaffen. Der Wettbewerb in diesem Bereich muss dringend angekurbelt werden. Die in allen Dokumenten zur Lissabon-Strategie vorrangig erwähnte Aufgabe der Förderung des Wachstumspotenzials kleiner und mittlerer Unternehmen ist zu begrüßen. Auch die von der Kommission für den Mittelstand unter dem Titel „Small Business Act“ vorgeschlagene Regelung ist zu begrüßen. Derzeit ist es jedoch so, dass sich großen, auf dem Markt etablierten Unternehmen ungleich bessere Finanzierungsmöglichkeiten bieten als Existenzgründern. Was der Lissabon-Strategie fehlt, das ist die Auflage, für eine breite Palette wettbewerbsfähiger Finanzinstrumente zu sorgen. Dabei ist das die Voraussetzung für die Förderung des europäischen Wachstumspotenzials. Wir dürfen nicht zulassen, dass die als Reaktion auf die Instabilität im Finanzsektor ergriffenen Maßnahmen die Innovation im Finanzsektor behindern. Vielen Dank.
Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Jahr 2007, das jetzt schon eine Weile zurückliegt, wurde in der Klimapolitik zum Jahr der Erkenntnis über den Klimawandel getauft. Wenn man sich klarmacht, dass die Diskussion über Erderwärmung und Nachhaltigkeitsstrategien schon ungefähr zwei Jahrzehnte andauert, dann ist einem auch klar, wie langsam so ein politischer Weg beeinflussbar ist und wie schwer es ist, Strategien tatsächlich umzusteuern. Ich habe – auch wenn allenthalben in der EU beteuert wird, dass man den Nachhaltigkeitspfad jetzt auch endgültig in der Lissabon-Strategie fest integriert hat – nach wie vor Zweifel daran, ob es uns wirklich ernst ist mit dem Paradigmenwechsel und ob wir wirklich bereit sind, uns umzuorientieren und wegzugehen von einem Wachstumsziel, das sich immer nur an Quantitäten orientiert, und hinzugehen zu einem Wachstumsziel, das auf Qualität ausgerichtet ist.
Als wir die Lissabon-Entschließung für das Parlament vorbereitet haben – Kollege Lehne und ich haben das ja als Ko-Berichterstatter gemacht –, haben wir uns – nicht persönlich, aber interfraktionell – wieder um die Frage der Energiepolitik und der Energiestrategien gestritten. Kein Wunder, das ist ja auch ein Thema, um das es sich zu streiten lohnt. In der Entschließung ist jetzt ein Begriff verankert, der nur schlecht kaschiert, wie weit die Vorstellungen über Nachhaltigkeit auseinandergehen können. Low carbon economy, das ist das, was jetzt als Formelkompromiss für dieses Parlament angeboten wird. Meiner Meinung nach verbirgt sich dahinter aber doch der Streit zwischen dem Motto „Weiter so wie bisher“, weiter in der Energiewirtschaft, die aufbaut auf dem alten Energiemix Kohle und Atom, und einer Strategie, wie wir das eigentlich gewollt hätten, die ganz hart umsteuert und sagt, wir müssen unseren Ressourcenverbrauch senken. Wir müssen eine Energiestrategie auf den beiden Säulen Energieeffizienz und Einsparung und erneuerbare Energien aufbauen. Dieser Begriff, den wir jetzt eingebaut haben, verschleiert nur schlecht, dass es da immer noch keine Entscheidung gibt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich nicht glaube, dass man mit der hochriskanten Atomenergie oder mit einer Rückkehr zur Kohlestrategie tatsächlich in Europa die Vorreiterrolle wird übernehmen können, die man überall auf der Welt verspricht. Aber wir werden an anderer Stelle weiter darüber streiten.
Ich glaube übrigens auch, Herr Kommissar Verheugen, dass die Anpassung der Leitlinien in diesem Bereich noch erfolgen muss, denn wenn man einfach additiv Energieversorgungssicherheit und erneuerbare Energien einbaut, dann ist das noch kein Strategiewechsel. Das muss sich in Maßnahmen und Instrumenten noch ganz anders niederschlagen. Ich glaube aber, dass die Richtlinien der Lissabon-Strategie nicht nur im Umweltbereich verändert werden müssen, sondern auch in der Sozialpolitik. Es wird immer wieder gesagt: In den letzten drei Jahren ist es in Europa mit Wachstum und Beschäftigung bergauf gegangen. Wir haben aber gleichzeitig eine soziale Marginalisierung und eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse gesehen. Unserer Meinung nach bedeutet das gemeinsame Ziel sozialer Integration und Kohäsion auf gut Deutsch gesagt aber nichts anderes, als dass ein Arbeitnehmer in Europa, der arbeitet, von dem, was er verdient, auch leben können muss. Ich wundere mich deshalb über den Streit zwischen den Fraktionen bei der Vorbereitung der Lissabon-Entschließung über die Frage, ob es richtig oder falsch ist, in Europa sektoral Mindestlöhne zu vereinbaren. Ich glaube, wir kommen darum nicht herum, und ich wünschte mir dazu mehr Einigkeit. Ich wünschte mir auch, dass der Begriff flexicurity nicht immer nur von den Kollegen gerade auf der rechten Seite des Hauses in die Richtung Flexibilität und Nachgeben der sozial Schwachen interpretiert wird, und die anderen machen eben ihre Geschäfte weiter wie sie wollen.
Was mir an der Entschließung, die morgen zur Verabschiedung vorgelegt werden wird, sehr wichtig ist – das sage ich auch an die Kollegin Figueiredo, weil sie dazu sehr beigetragen hat –, ist, dass wir es geschafft haben, gemeinsam Vorschläge für neue Indikatoren vorzulegen, mit denen man die Erfolge von Lissabon messen kann, gerade im Hinblick auf das Ziel, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Dass die Einkommensorientierung bzw. dieser alte, prominente Indikator „Zuwachsrate des Volkseinkommens“ die Ungleichheit bei den Einkommenszuwächsen völlig ignoriert, zeigt, dass dieser Indikator überhaupt nicht ausreichend ist. Er ist natürlich auch erst recht nicht ausreichend, wenn man tatsächlich so etwas wie die Verbesserung der Lebensqualität und der Umweltqualität mit bemessen will. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Kommission auf diese Hinweise zu Indikatoren aus dem Bereich Umwelt- und Sozialpolitik eingehen könnte.
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) In der Praxis zeigt sich, dass acht Jahre nach dem Beschluss über die Lissabon-Strategie soziale Ungleichheiten zugenommen haben und sich die Armut verschlimmert hat, von der ca. 78 Millionen Menschen, darunter 25 Millionen Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, betroffen sind.
Die neu geschaffenen Arbeitsplätze sind überwiegend unsicher. Teilzeitarbeit wird vor allem von Frauen geleistet, die beim Zugang zu Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung, Karrieremöglichkeiten sowie im Lohnbereich nach wie vor diskriminiert werden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie die Arbeitslosigkeit insgesamt und betrifft auch viele Hochschulabsolventen, die keine Anstellung finden und schon gar keine, die ihrer Ausbildung gerecht wird. Andererseits brechen jedes Jahr etwa 6 Millionen Jugendliche ihre Schulausbildung vorzeitig ab und setzen damit ihre Zukunft aufs Spiel. Diese Folgen waren bei einer Strategie vorhersehbar, deren neoliberale Ausrichtung mit der Revision von 2005 und den Schwerpunkten Liberalisierung und Privatisierung von Strukturbereichen und öffentlichen Diensten sowie Flexibilität der Arbeitskräfte verstärkt wurde.
Armut und soziale Ungerechtigkeit werden nun durch die von den Vereinigten Staaten ausgehende Finanzkrise und durch den hohen Preis für fossile Brennstoffe und einige für die Ernährung grundlegende Agrarerzeugnisse möglicherweise noch verschlimmert. Es bedarf daher dringend einer Änderung der politischen Konzepte, um den Folgen in der Europäischen Union, insbesondere in den schwächsten Volkswirtschaften, vorzubeugen und eine Zuspitzung der sozialen Lage zu verhindern.
In unserem Entschließungsantrag betonen wir deshalb, dass die so genannte Lissabon-Strategie durch eine Europäische Strategie für Solidarität und nachhaltige Entwicklung ersetzt werden muss, die neue Horizonte für ein Europa der Vollbeschäftigung und ohne Diskriminierung, für bessere Löhne, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, angemessenen Schutz und staatliche sowie universelle soziale Sicherheit oder, kurz gesagt, für die Gewährleistung einer größeren sozialen Gerechtigkeit eröffnet.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Die Kreditkrise in den USA hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass ein rein kapitalistisches System unhaltbar ist. Weitaus länger wissen wir, dass ein kommunistisches oder, wenn Sie wollen, sozialistisches System nicht funktioniert. 1989 wurde dies ganz offensichtlich. Da der Kapitalismus nunmehr eindeutig ebenso wenig funktioniert, ist es höchste Zeit, entsprechend dieser Erkenntnis zu handeln.
Mit der Lissabon-Strategie bemühen wir uns, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber der übrigen Welt sicherzustellen. Das ist nur dann möglich, wenn jeder, der sich einbringen kann, das auch tatsächlich tut und wir für ein gutes Lebensumfeld sorgen.
Die Förderung von Beschäftigung und nachhaltiger Entwicklung gilt daher zu Recht als wesentliches Ziel der erneuerten Strategie von Lissabon. Die von unseren Kollegen der GUE-Fraktion empfohlenen Lösungen sind meines Erachtens weder hinreichend fundiert noch realistisch. Wenn wir derartige Maßnahmen ergreifen, steigt die Inflation und das Vertrauen der Investoren in Europa verflüchtigt sich. Und Inflation bedeutet letztendlich Diebstahl.
In früheren Debatten über den Frühjahrsgipfel habe ich mich bereits für eine aktive Rolle der Regierungen in den Mitgliedstaaten ausgesprochen. Gleiches sage ich heute. Die Mitgliedstaaten selbst müssen Reformen auf den Weg bringen und durchführen. Und solange wir uns noch nicht in einer Rezession befinden, ist es höchste Zeit, den Wohlfahrtsstaat angemessen zu reformieren. Europa kann hier zweifellos koordinierend tätig sein, aber nicht diktieren.
Sergej Kozlík (NI). – (SK) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bericht, um den es hier geht, verweist zu Recht mit Nachdruck auf die Risiken eines deregulierten globalen Finanzsystems, das sich dem direkten Einfluss der EU-Politiken entzieht und ein Risiko der finanziellen Instabilität übertragen kann. Deshalb ist es notwendig, die Auswirkungen des Geschäftsmodells und die Rolle multinationaler Finanzgruppen auf den globalen Finanzmärkten einer Neubewertung zu unterziehen und zu versuchen, sie auf eine breite internationale Grundlage zu stellen.
Ich teile die Ansicht, dass ein gesundes und stabiles makroökonomisches Umfeld eine umfassende Haushaltkonsolidierung sowie eine intelligente private und öffentliche Investitionspolitik erfordert, die eine zukunftsorientierte Infrastruktur bereitstellt und die Märkte von morgen erschließt. Ich bin nicht der Ansicht, dass öffentliches Eigentum einer der Hauptfaktoren für das Entstehen von Verzerrungen auf europäischer Ebene ist. Bislang wurde von noch niemandem nachgewiesen, dass sich private Monopole korrekter verhalten als Monopole mit staatlicher Beteiligung.
Wichtig ist, dass die Vorschriften stimmen. Deshalb ist es erforderlich, die Wettbewerbsregeln für den Energiesektor wie auch für die Verkehrs- und Informationssysteme zu verbessern, um die jeweiligen Märkte allmählich zu öffnen und die europäische Infrastruktur zu verbreitern und zu harmonisieren.
Klaus-Heiner Lehne (PPE-DE). – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von der Lenkungsgruppe vorbereitete Entschließung hat drei Schwerpunkte: den Binnenmarkt – hier geht es insbesondere um notwendige Lückenschlüsse im Binnenmarkt, ich nenne nur das Stichwort fehlendes einheitliches Patentrecht oder kein Binnenmarkt im Versicherungsbereich; den Arbeitsmarkt – hier geht es vor allem um das Stichwort Sicherheit durch Flexibilität; und das Thema Monitoring oder Kontrolle – hier geht es insbesondere um die Umsetzung der Strategie in den Mitgliedstaaten.
Wir haben diesmal ganz bewusst als Schwerpunktthema nicht Energie und Klima ausgewählt, auch weil das in den beiden zurückliegenden Jahren das Schwerpunktthema war und wir strategisch eigentlich das erreicht haben, was wir mit den Entschließungen erreichen wollten, nämlich dass sich Kommission und Rat intensiv mit der Frage befassen. Das tun sie.
Ein Aspekt, der für uns weiterhin von Bedeutung ist und der im allgemeinen Teil der Entschließung angesprochen wird, ist der ganze Komplex der besseren Gesetzgebung. Insbesondere verweisen wir auf die Probleme, die es im Bereich der Folgenabschätzung und beim Bürokratieabbau immer noch gibt.
Es hat bei der Vorbereitung zwischen den Fraktionen natürlich auch Streitpunkte gegeben, die fast alle ausgeräumt werden konnten. Zum Schluss blieb ein entscheidender Streitpunkt übrig: Meine Fraktion steht zu den integrierten Leitlinien und ist, wie die Kommission, der Auffassung, dass es einer Änderung der integrierten Leitlinien zum jetzigen Zeitpunkt nicht bedarf.
Insgesamt kann das, was in den zurückliegenden Jahren erreicht worden ist, als Erfolg gewertet werden. Als wir im Jahr 2005 die Lissabon-Strategie sozusagen wieder zum Leben erweckt haben, ging jeder davon aus, dass Lissabon lediglich die Hauptstadt des Mitgliedstaates Portugal ist. Aber keiner hat den Namen mit einer konkreten Strategie verknüpft. Anders als z. B. bei Kyoto, wo Kyoto nicht nur für eine Stadt steht, sondern für eine globale Strategie. Wir sind in der Wahrnehmung des Begriffs Lissabon in den letzten Jahren erheblich weitergekommen.
Wir unterstützen die Position der Kommission, dass Wachstum und Beschäftigung das Kernelement sind, und dass es entscheidend darauf ankommt, dass wir in diesem Bereich weiterkommen. Denn Wachstum und Beschäftigung sind Voraussetzung dafür, dass wir eine gute Umwelt- und Sozialpolitik machen können.
Udo Bullmann (PSE). – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist so eine Sache! „Wir stehen zu den Leitlinien“, das hört sich ein wenig dogmatisch an. Für uns, die Sozialdemokratische Fraktion, geht es nicht so sehr darum, zu welchem Dokument wir stehen oder nicht stehen, sondern die zentrale Frage ist doch eigentlich, ob diese Leitlinien eine Antwort auf die reale ökonomische Situation darstellen, und die Kernfrage ist, ob das weiterhilft bei den Nöten der Menschen in der Europäischen Union. Das ist die zentrale Frage dieser Debatte, und deswegen noch einmal: Lassen wir die Daten sprechen.
Jean-Claude Juncker hat als Präsident der Eurogruppe dieser Tage verkündet, dass das Wachstum einbrechen wird, dass es 2008 nicht mehr 2,7 %, sondern 1,6 %, 1,7 % oder 1,8 % betragen wird. Das ist ein klares Warnsignal, insbesondere weil wir wissen, dass der Horizont in den USA sich schon Ende 2007 eingetrübt hat. Gleichzeitig haben wir eine Prognose der Inflation von 3,2 %. Das ist Verlust an Wohlstand, das ist Verlust an Reallohn, das ist Verlust an Kaufkraft. Wir müssen befürchten, dass Stagnation und Inflation hier Hand in Hand gehen können, und das ist ein Warnsignal.
Gleichzeitig wissen wir, dass in den letzten fünf Jahren die Armut in der Europäischen Union nicht abgenommen hat, sondern eher mehr Menschen ausgeschlossen sind vom gesellschaftlichen Wohlstand. Forschung und Entwicklung sind auf halbwegs stabilem Niveau, aber keineswegs bei den 3 %, die wir brauchen für die Lissabon-Strategie, sondern gerade einmal bei etwas über der Hälfte, bei durchschnittlich 1,6 %, 1,7 % oder 1,8 % — viel zu wenig, um international die Rolle spielen zu können, die wir spielen wollen.
Nun haben wir es mit einem Widerspruch zu tun: Ich kann doch nicht behaupten, dass ich mit den integrierten Leitlinien ein Führungsinstrument in den Händen halte, und gleichzeitig dieses Führungsinstrument so ausgestalten, dass es nicht reagiert auf die ökonomischen und sozialen Daten in der Europäischen Union. Ich kann mich nicht einerseits hinstellen — offenbar als Präsident der Kommission — und dafür sorgen, dass nichts, aber auch gar nichts am Kerntext dieser Leitlinien geändert wird, und mir gleichzeitig wünschen, dass die Menschen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Unternehmer, die Arbeitnehmer, diejenigen, die im ökonomischen Prozess eine Rolle spielen, das Gefühl haben, dass hier politische Führung stattfindet. Dieser Widerspruch ist so nicht auflösbar.
Die anwesenden Kommissare haben vielfältig belegt, welche Änderungen wir benötigen. Lassen sie uns diskutieren, an welcher Stelle sie dann auch Platz greifen. Wo sind die Produkte, wo sind die Änderungen, die dann auch den Menschen voranhelfen? Die Sozialdemokraten unterstützen eine offensive Strategie, wie sie in den Papieren des Parlaments vorgelegt wird, aber wir wollen reale Antworten, die den Menschen weiterhelfen.
Wolf Klinz (ALDE). – Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Gestaltung und Umsetzung der Wirtschaftspolitik sind und bleiben die Verantwortung der Mitgliedstaaten. Und so kann die Lissabon-Strategie nur durch gezielte Maßnahmen in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Es gibt keine europäische Wirtschaftspolitik, die zentral in Brüssel definiert wird. Gerade deshalb sind die Grundzüge der Wirtschaftspolitik so wichtig. Sie sind der Grundstein der Koordinierung der wirtschaftspolitischen Strategien der Mitgliedstaaten, und sie bilden eine Orientierungsmarke, die sicherstellen soll, dass die Mitgliedstaaten durch notwendige Reformen die richtige Richtung einschlagen und dann auf dem rechten Weg bleiben. Sie verankern die wirtschaftlichen Grundprinzipien der EU: offene Märkte, fairer Wettbewerb, innovatives privates Unternehmertum ohne staatlichen Dirigismus.
Leider werden die integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung von den Mitgliedstaaten nicht immer und zum Teil nur zaghaft umgesetzt. Gerade in der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Globalisierung muss die Europäische Union an ihren Grundprinzipien festhalten. Nur so kann die Konkurrenzfähigkeit Europas langfristig gewährleistet werden.
Leider gibt es in jüngster Zeit wieder Beispiele dafür, was ich kreative Abschottung nennen würde. So hält z. B. der bei der Deutschen Post eingeführte überhöhte Mindestlohn – Frau Harms, zu Ihrer Information – jeden Wettbewerber vom offiziell liberalisierten Markt fern. Die aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten zeigen ebenfalls, dass bei Schwierigkeiten nur zu schnell der Staat zu Hilfe gerufen wird. Die Rettung von privaten Finanzinstituten wie Northern Rock in Großbritannien oder IKB in Deutschland mithilfe von Steuergeldern ist ein nicht akzeptabler ordnungspolitischer Fehler. Die Gewinne der Banken bleiben bei den Aktionären und über hohe Boni bei wenigen Mitarbeitern, die Verluste werden sozialisiert. Dieses Vorgehen untergräbt das Vertrauen der Bürger in das System der sozialen Marktwirtschaft.
Es ist die Rolle des Staates, den Markt durch eine entsprechende Rahmengesetzgebung zu unterstützen, aber es ist die Rolle des Marktes, die Wirtschaft voranzutreiben und die Konkurrenzfähigkeit Europas zu sichern.
Eoin Ryan (UEN). – (EN) Frau Präsidentin! Durch die jüngsten finanziellen Turbulenzen, die das Vertrauen von Verbrauchern und Märkten erschüttert haben, wurde uns vor Augen geführt, wie wichtig nachhaltige Wachstumsstrategien sind. Derartige Strategien und auf Kooperation und Koordinierung ausgerichtete Politiken, die uns als einzelne Nationen und als großes Ganzes stärken, waren stets der richtige Ansatz für die EU. Heute wurden viele der Fragen angesprochen, die für die Lissabon-Strategie von Bedeutung sind wie die Förderung der Innovation, fairer Wettbewerb, die Bewältigung der Energieproblematik, der Klimawandel, lebenslanges Lernen oder Investitionen in das Wissen, um nur einige zu nennen.
Wenn die von uns angestrebte Entwicklung in Europa Realität werden soll, dann müssen meines Erachtens Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum unbedingt weiter angekurbelt und die 3 % erreicht werden. Ich denke, dass wir bereits ungeheuer viel erreicht haben. Manchmal sind wir uns selbst gegenüber zu kritisch. In den letzten Jahren wurden in Europa weit über 12 oder 13 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, und das ist mehr als in den USA.
Aber wenn wir eine fortschrittliche Sozialpolitik und die Mittel für eine fortschrittliche Sozialpolitik wollen, dann müssen wir unsere Wirtschaft liberalisieren. Und das ist eines der Probleme, die wir innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten nicht angehen. Darin besteht meines Erachtens die Herausforderung: Wir brauchen Wirtschaftswachstum, damit wir Geld für eine fortschrittliche Sozialpolitik ausgeben können.
Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE). – (ES) Frau Präsidentin! Ich stimme zu, dass die Prioritäten und Mittel im Zusammenhang mit der Strategie von Lissabon in den Haushaltsplänen der Mitgliedstaaten und der zuständigen Institutionen deutlicher herausgestellt werden müssen. Es sollte eine eingehende Prüfung der gesamten Kette der Erziehungs- und Bildungssysteme erfolgen, und der Inhalt müsste, was die allgemeine Kultur sowie die wissenschaftliche und technische Ausbildung betrifft, von höchstmöglichem Niveau sein. Das Ziel besteht darin, die Menschen in die Lage zu versetzen, sich den Veränderungen des Umfelds anzupassen und die Bürgerbeteiligung, Arbeitsplätze mit besserer Qualität, den Unternehmergeist und die Innovation zu fördern.
Gleichzeitig ist es notwendig, die demografischen Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die öffentlichen Mittel, den Arbeitsmarkt und das Gesundheitswesen zu prüfen. Ebenso sollte die innovative Reform des Arbeitsmarktes von „Flexicurity“-Normen begleitet sein, die die Wettbewerbsfähigkeit fördern und gleichzeitig eine angemessene soziale Sicherheit bieten, die aber nicht nur der rechten Seite dieses Hauses entgegen kommen, wie meine Kollegin Rebecca Harms in ihrer Rede sagte.
Schließlich ist es sehr wichtig, dass die Mitgliedstaaten und alle zuständigen Institutionen einen wirksamen Austausch bewährter Praktiken durchführen, was auch den Vorteil hat, dass so die Konvergenz der Ziele in ganz Europa unterstützt wird.
Helmuth Markov (GUE/NGL). – Frau Präsidentin! Herr Kommissar, Sie haben gesagt: Wir haben in letzter Zeit mehr Arbeitsplätze geschaffen. Stimmt, aber das sind größtenteils prekäre Arbeitsplätze. Sie haben gesagt: Der Produktivitätszuwachs ist gekommen. Stimmt, aber der Produktivitätszuwachs ist nicht dazu benutzt worden, die Löhne zu erhöhen – was man machen kann –, und ist auch nicht dazu genutzt worden, zu reinvestieren. Sie haben gesagt: Das steigende BIP ist auch ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass die Lissabon-Strategie richtig ist. Dazu sage ich Ihnen: Bisher sind die Ergebnisse trotz der von Ihnen positiv bezifferten drei Zahlen überhaupt nicht gekommen.
Wir haben steigende Gewinne, aber die Lohneinkommen steigen nicht, wir haben nach wie vor eine angebotsorientierte und keine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, wir haben keine ausreichende Binnennachfrage. Das heißt, die Probleme, die wir vor fünf Jahren hatten, die wir vor drei Jahren mit der Lissabon-Strategie hatten, haben wir auch heute noch! Daran hat sich überhaupt nichts geändert! Wie können Sie dann sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind? Was haben wir? Sie haben auch gesagt: Die KMU müssen gefördert werden. Da würde ich Sie gerne bitten, zu Ihrem Kollegen Mandelson zu gehen. Was hat der in die global Europe strategy geschrieben? Er hat hineingeschrieben: Es geht darum, die Märkte für die weltweit agierenden großen Konzerne zu öffnen. Da steht nichts von KMU! Nichts steht da drin!
Wir machen Steuerreformen in den Mitgliedstaaten, bei denen die Kapitalgesellschaften bevorzugt werden. Ihnen werden die Steuern erlassen. Die Gewinne, die dabei entstehen, werden aber nicht mehr der Volkswirtschaft zugeführt. Wir sagen: Die Arbeitnehmer müssen flexibel sein. Sie müssen einverstanden sein, weniger Geld zu verdienen. Das haben sie jahrelang gemacht. Wenn die Gewinne explodieren, könnte man sie auch partizipieren lassen. Das findet nicht statt. Dann wird wieder gesagt: So geht das nicht. Die Banken spekulieren gnadenlos, und die Gewinne der großen Unternehmen werden sehr stark als Finanzkapital investiert, weil dort die Gewinnspannen höher sind, und nicht wieder in die Produktion. Das ist der falsche Weg für Lissabon!
Wenn ich Geld haben will, dann muss ich auch als Europäische Union bzw. als Mitgliedstaat auf mehr Steuereinnahmen bestehen. Diese kann ich mir nur dort holen, wo auch genügend Steuern zu akquirieren sind. Das wäre die richtige Herangehensweise einer Lissabon-Strategie. Ein radikales Umdenken in der Wirtschaftspolitik. Wenn wir so weitermachen, wie Sie das vorgeschlagen haben, werden wir das Problem in der Europäischen Union nicht lösen.
John Whittaker (IND/DEM). – (EN) Frau Präsidentin! Diese ständigen Diskussionen über die Lissabon-Agenda bringen wirklich nichts, denn seit acht Jahren wird jedes Jahr von allen Seiten bestätigt, dass sie nicht sonderlich gut funktioniert.
Dieser Bericht mit seiner riesigen Liste von Aufgaben, die die Europäische Union lösen soll, geht völlig am Ziel vorbei. Anstatt Wachstum und Produktivität anzukurbeln, behindert die EU mit ihrer endlosen Einmischung in die unternehmerische Tätigkeit die Wirtschaft in der EU.
Übersehen wird dabei ferner, dass die verschiedenen Volkswirtschaften in der EU sehr unterschiedliche Strukturen und Leistungspotenziale aufweisen. Von einer einzigen EU-Wirtschaft zu sprechen ergibt keinen Sinn. Vergleichen Sie Deutschland mit seinem bescheidenen Wirtschaftswachstum mit den Ländern im Süden der EU, von denen einige ein riesiges Handelsdefizit aufweisen, in anderen der Immobilienmarkt kollabiert oder die Staatsverschuldung enorme Ausmaße annimmt. Was diese Länder dringendst brauchen, das sind eine Senkung der Zinssätze und eine Abwertung, aber das ist nicht möglich, weil sie alle Teil des Euro-Währungsraums sind. Falls die Europäische Zentralbank die Zinssätze senkt, um diese Länder zu unterstützen, dann muss sie ihr Inflationsziel ignorieren, und das dürfte die Deutschen kaum freuen.
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, sich diesen vordringlichen Fragen zuzuwenden, anstatt endlos weitere sterile Diskussionen über die Lissabon-Strategie zu führen? Aber ich nehme an, das würde die grundlegende Schwäche der Wirtschafts- und Währungsunion unterstreichen, dass nämlich eine Einheitswährung keine nachhaltig langfristige Lösung für eine Gruppe ganz unterschiedlicher Volkswirtschaften mit unabhängigen Regierungen darstellt.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Wie wir alle wissen, muss sich Europa noch weiter zu einer wissensbasierten Wirtschaft entwickeln, die sich auf den Weltmärkten behaupten kann. Wir brauchen hier keine offenen Türen einzurennen, darin stimmen wir alle überein. Uneins sind wir uns beispielsweise über die Tatsache, dass die Kommission neue massive Wirtschaftsmigration für eines der wichtigsten Instrumente zum Erreichen der Lissabon-Ziele hält. Das ist absurd. Wir haben in Europa genug Talente. Vor allem gibt es in Europa zig Millionen von Arbeitslosen, und das ist mehr als genug. Dort liegt die enorme Herausforderung für den Staat und die Wirtschaft. Und außerdem hält der Durchschnittseuropäer wirklich nichts von einer neuen Einwanderungswelle. Er will hingegen, dass die bereits in riesiger Zahl anwesenden Ausländer integriert, assimiliert und in den Arbeitsprozess eingebunden werden.
Ja, die Kommission liegt wieder einmal weit daneben. Ich erinnere mich noch, dass die Europäische Kommission vor einigen Monaten erklärte, die politische Krise in Belgien bremse das Tempo der zum Erreichen der Lissabon-Ziele erforderlichen Reformen. In Wahrheit trifft das genaue Gegenteil zu. In Wahrheit offenbarte die politische Krise in Belgien das Versagen des belgischen Staates, und gerade die Existenz Belgiens hält Flandern davon ab, sein Arbeitsrecht und seinen Arbeitsmarkt zu modernisieren, seine Soziallasten abzubauen, seine Steuern zu vereinfachen und zu senken, eben um die Ziele von Lissabon zu erreichen. Aber selbstverständlich ist es für die Europäische Kommission völlig inakzeptabel einzugestehen, dass Belgien sowohl für Flandern als auch für Wallonien einen Hemmschuh darstellt.
Cristobal Montoro Romero (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Ratsvorsitzender! Wir durchleben erneut einen komplizierten Moment in der Europäischen Union, da wir vor einer schwierigen Wirtschaftssituation stehen, und wir beginnen mit der Erarbeitung der Leitlinien der Wirtschaftspolitik unter Bedingungen, im Wesentlichen gekennzeichnet durch eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums, die ihrerseits eine Reaktion auf mangelndes Vertrauen seitens der Wirtschaftsakteure ist: der Verbraucher, der Unternehmer und vor allem der kleinen und mittleren Betriebe.
Meine Fraktion, die Fraktion der Europäischen Volkspartei, möchte daher zunächst die Berichterstatterin beglückwünschen und ihre Genugtuung über die positive Haltung der anderen Fraktionen zum Ausdruck bringen, insbesondere der Sozialdemokratischen Fraktion, mit der wir eine breite Übereinstimmung erzielt haben, die uns die Erarbeitung der wirtschaftspolitischen Leitlinien ermöglichen wird, aber darüber hinaus möchte sie hervorheben, dass die Europäische Union und die europäische Wirtschaft gestärkt werden sollten, indem wir uns für Wirtschaftsreformen einsetzen. Daher unterstützen wir die Kommission in ihren Bemühungen, die Integrierten Leitlinien zu nutzen, um grundlegende Reformen zu fördern und einen neuen Vertrauensrahmen zu schaffen, durch den wir die Schwierigkeiten überwinden können, vor denen wir jetzt stehen.
Es geht um einen neuen Rahmen für Arbeitsmarktreformen, abgestimmt mit den Sozialpartnern, Steuerreformen, die das Wachstum kleiner und mittlerer Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen ankurbeln. Mit einem Wort, um einen Rahmen für Reformen, der zur Vollendung des Binnenmarkts als bestem Weg zur Belebung des Wirtschaftswachstums beiträgt, das die Quelle für Beschäftigung in der Europäischen Union bildet.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch betonen, dass Protektionismus abzulehnen ist, ein Punkt, den wir in unserer politischen Stellungnahme vertreten, und ich plädiere dafür, in der Europäischen Union endlich die Grundlagen für ein Wirtschaftswachstum zu legen, das Arbeitsplätze schafft, denn das ist der wirkliche Pfeiler der europäischen Integration.
Edit Herczog (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Nach langen Diskussionen liegt uns endlich ein Text vor, den wir als sozialistische Fraktion befürworten können, und ich begrüße diesen Kompromiss zur Lissabon-Entschließung.
Lassen Sie mich eingangs jedoch eine ganz persönliche Anmerkung machen. Eine Idee ist meines Erachtens nämlich noch nicht die ganze Lösung. Alles hängt von der Umsetzung ab. Idee und Lösung müssen zusammengeführt werden. Im Jahr 2000 war Lissabon eine gute und sehr aktuelle Idee. Es war uns auch nicht möglich, bessere Ziele als die im Rahmen der Überprüfung von 2005 formulierten zu ermitteln. Wenn man sich aber die Umsetzung selbst ansieht – vor allem die Umsetzung im Zeitverlauf und entlang der gesamten Entscheidungskette –, dann ist das eine andere Geschichte. Im Vergleich zu den ersten fünf Jahren sind Verbesserungen zu verzeichnen, und wir haben an Dynamik gewonnen, aber verglichen mit dem Bedarf und den globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, und im Vergleich zu unserem Potenzial sind die Ergebnisse beschränkt.
Wir können auf einige großartige Initiativen und Erfolgsgeschichten verweisen wie das Programm für Wachstum und Beschäftigung oder das Projekt „Zuerst an die KMU-Dimension denken“, und auch im legislativen Bereich waren Erfolge zu verbuchen, so die Dienstleistungsrichtlinie, die Verordnung zur Überwachung der Finanzmärkte, die Politik zum Klimawandel und das neue Energiepaket, um nur einige zu nennen. Aber es fehlt ein Gespür für das große Ganze, es fehlt am Engagement selbst. Das können wir bei den europäischen Institutionen selbst daran feststellen, dass immer seltener davon gesprochen wird, dass eine Verbindung zur Agenda hergestellt werden muss. Das wurde auch letzte Woche auf der gemeinsamen parlamentarischen Sitzung mit den nationalen Parlamenten deutlich, auf der das Interesse an dieser Problematik sehr gering war, und eigentlich braucht man nur die Eurobarometer-Ergebnisse zu lesen, um das festzustellen.
Ich möchte zwei Zahlen von Eurobarometer zitieren. Der so genannte Optimismus-Index ist in den letzten neun Monaten um neun Punkte von 26 auf 17 gesunken. Auch ein Blick auf andere wichtige Leistungsindikatoren zeigt, dass der arbeitsmarktliche Optimismus-Index im Verlaufe der letzten neun Monate um drei Punkte von +4 auf +1 zurückgegangen ist. Generell sind die Schlüsselelemente der Lissabon-Strategie in etwa die letzten Fragen, die die Menschen für besonders wichtig halten. Das bedeutet, dass die europäischen Bürger acht Jahre nach Lissabon nicht glauben, dass die EU eine angemessene Antwort auf diese Fragen geben kann.
Lissabon ist zwar noch in unseren Dokumenten anzutreffen, nicht aber in unseren Herzen und Hirnen. Im 21. Jahrhundert wird der Wettlauf zwischen den Kontinenten nicht mit natürlichen und energetischen Ressourcen oder mit finanziellen Ressourcen entschieden. Die Macht des Humankapitals und Humanressourcen werden über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die Größe der Gesamtbevölkerung und die Qualität ihres Wissens werden zusammen entscheidend für die Stärke der Gemeinschaft sein. Was die Wissensschöpfung, das Wissensmanagement und die Motivation der Menschen als Gemeinschaft angeht, so bleibt noch viel zu tun. Wir müssen diese Gemeinschaft als Ganzes sehen und dürfen nicht zulassen, dass Teile davon diskriminiert werden. Wir dürfen niemanden ausschließen, gleich ob jung oder alt, schwarz oder weiß, reich oder arm. Wir brauchen jeden – alle Menschen. Im 21. Jahrhundert werden die Menschen im Mittelpunkt stehen, trotzdem ist der Kommissionspräsident heute nicht hier, um darüber zu sprechen…
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Lena Ek (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Nach sieben Jahren Arbeit hat die Lissabon-Strategie teilweise versagt. Das ist in erster Linie auf Umsetzungsschwierigkeiten zurückzuführen. Ich möchte Ihnen einige Beispiele für den Bereich Binnenmarkt nennen.
Im Falle des Energiepakets mussten wir vollkommen neue Rechtsvorschriften erarbeiten. Als wir beschlossen, die Haushaltslinie für Forschung aufzustocken, haben wir nur 50 % dessen erhalten, was wir unserem Bedarf entsprechend beschlossen hatten. Im Bereich Innovation haben wir es mit einem europäischen Paradox zu tun: Wir stecken Geld hinein, erreichen aber nicht die Industrialisierung und Beschäftigung, die wir uns wünschen.
Wir loben hier immer die KMU, doch noch immer bleibt es ihnen nicht erspart, sich mit denselben Regelungen auseinanderzusetzen wie die großen globalen Unternehmen.
Wir wissen, dass sich die Gleichberechtigung der Geschlechter positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, aber es bleibt in diesem Bereich noch immer viel zu tun. Wir wissen, dass der Verkehrssektor in Europa sehr schlecht ist, und in Bezug auf Eisenbahnen und Transportzeiten in Europa besteht noch beträchtlicher Handlungsbedarf. Es ist an der Zeit, etwas zu verändern. Als Erstes, Herr Turk und Herr Almunia – und vielleicht könnten Sie diese Botschaft an Herrn Verheugen weiterleiten – muss überlegt werden, was in die auf dem Frühjahrsgipfel anzunehmende Entschließung zum Klimawandel aufgenommen werden sollte.
Wir alle sind uns darin einig, dass es beim Klimawandel keine Verlierer geben muss, weil wir die Umweltprobleme lösen und Arbeitsplätze schaffen können. Wir haben dazu im Parlament bereits entsprechende Beschlüsse gefasst, und jetzt sind wir gespannt darauf, womit die Kommission und der Rat auf dem Frühjahrsgipfel aufwarten werden.
Es gibt noch immer 18 Millionen arbeitslose Europäer, über 18 Millionen Arbeitslose, und wir wissen, dass KMU, saubere Technologien, Innovation und Dienstleistungen diese Arbeitsplätze bereitstellen können. Werden Sie ihnen eine Chance geben?
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! In dieser Aussprache über die Lissabon-Strategie möchte ich erstens feststellen, dass meines Erachtens die Auswirkungen der amerikanischen Finanzkrise auf das Niveau des Wirtschaftswachstums und der Arbeitslosigkeit in Europa nicht ausreichend in Betracht gezogen wurden. Obwohl die einzelnen Mitgliedstaaten für 2008 und 2009 ein niedrigeres BSP als 2007 vorhersagen, dürften die tatsächlichen Wachstumsraten noch schlechter ausfallen.
Zweitens möchte ich festhalten, dass die amerikanische Regierung und das Federal Reserve System äußerst konsequent und blitzschnell reagiert haben. Die Regierung bot 150 Milliarden Dollar zur Unterstützung von Firmen und Verbrauchern an, und durch mehrfaches Senken des Zinssatzes sorgte die Zentralbank dafür, dass der reale Basiszinssatz negativ war.
Im Gegensatz dazu erweckten die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die Europäische Zentralbank und die anderen Zentralbanken den Eindruck, als käme ihnen die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und die Stärkung des Euro gelegen. Man kann der Schlussfolgerung des Berichts über die Notwendigkeit der Verlagerung der Steuerlast von der Arbeit auf die Umwelt nur zustimmen, energisch abzulehnen ist jedoch der Vorschlag für eine Koordinierung der Körperschaftssteuer in den Mitgliedstaaten.
Sahra Wagenknecht (GUE/NGL). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, die europäische Wirtschaft steht vor großen Problemen. Krise auf den Weltfinanzmärkten, steigende Preise für Energie und Lebensmittel, eine infolge von Lohndumping und Sozialraub schleppende Binnennachfrage, die Ausweitung prekärer Beschäftigung — all das sind drängende Probleme, die angepackt werden müssen. Doch davon kann im vorliegenden Bericht keine Rede sein.
Zwar wird daran erinnert, dass die Anhebung der Einkommen mit dem mittelfristigen Produktivitätswachstum Schritt halten sollte. Gleichzeitig fordert der Bericht aber eine Fortsetzung der neoliberalen Strukturreformen, also genau dieser angeblichen Reformen, die die Probleme erst produziert haben, mit denen wir heute konfrontiert sind. Statt durch öffentliche Investitionen Arbeitsplätze zu schaffen, soll der Druck auf Beschäftigte und Arbeitslose weiter erhöht, sollen Arbeitszeiten verlängert und der Kündigungsschutz weiter ausgehöhlt werden.
Statt in die Finanzmärkte und den Kapitalverkehr regulierend einzugreifen, wird hilflos zugesehen, wie die aktuelle Finanzkrise sich immer weiter ausweitet. Und statt die Liberalisierungspolitik zu beenden, die sehr wesentlich zur Preistreiberei auf den Energiemärkten beigetragen hat, wird weiter stur auf Privatisierung und Deregulierung gesetzt.
Unsere Fraktion wird diesem Bericht nicht zustimmen. Denn sie wird nicht einem Bericht zustimmen, der einer neoliberalen Agenda das Wort redet, die soziale Rechte mit Füßen tritt und immer neue Krisen produziert. Was wir wirklich brauchen, ist eine radikal andere Wirtschaftspolitik, in der die Interessen der Beschäftigten und der Arbeitslosen Vorrang haben vor den Profitinteressen der Konzerne.
Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Wunsch nach einer wissensbasierten Wirtschaft ist eine gute Sache, die allerdings nicht ausreicht. Das Wachstum der direkten und indirekten Arbeitsplätze setzt eine Verstetigung der traditionellen Industrietätigkeiten voraus. Doch diese Wirtschaftsbereiche stecken in der Klemme. Sie werden in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch die steigenden bürokratischen Kosten unserer Gesellschaften bedroht und durch das aberwitzige Management des Euro erstickt, das den Ländern ohne kostspielige Sozial- und Umweltpolitik einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Dieses Modell steht auf dem Kopf. Wir sind sozialdemokratisch in der Union und liberal nach außen, während wir mehr Schutz gegenüber der übrigen Welt und mehr Freiheit im Innern brauchen. Das belegen die Tatsachen. Die Lissabonner Strategie ist aufgrund der Asymmetrie der europäischen Wirtschaften, des verschärften Wettbewerbsdrucks und der Hypermobilität der Kapitalmärkte unwirksam.
Daher sollten wir den lähmenden Mythos einer europäischen Sozialstrategie, die angeblich Wohlstand für alle gewährleistet, aufgeben. Eine Pflanze bringt man nicht zum Wachsen, wenn man an ihren Blättern zieht! Die Lösungen werden nicht aus Brüssel kommen, sondern aus der freien Zusammenarbeit und der Klugheit der Mitgliedstaaten erwachsen. Nur in der Verwurzelung mit den Realitäten unserer Nationen werden wir das Wissen, die Reaktionsfähigkeit, d. h. den Sinn und die Kraft zur Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen finden. Briefe an den Weihnachtsmann sind in diesem Fall nutzlos.
Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich nehme seit der ursprünglichen Lissabon-Strategie an Aussprachen in diesem Haus teil und gehöre auch der Lissabon-Koordinierungsgruppe dieses Parlaments an. In diesem Zusammenhang habe ich die Kommission immer wieder aufgefordert, sich stärker auf die Lissabon-Strategie zu konzentrieren und eine klar definierte Liste von Schwerpunktaufgaben zu erarbeiten. Ich glaube nicht, dass einer meiner Vorredner das bereits erwähnt oder die Kommission gar dafür gelobt hat, dass sie derartige Maßnahmen ergriffen hat. Wir haben jetzt ein Lissabon-Programm der Gemeinschaft mit zehn Schwerpunktbereichen.
Als Mitglied der Koordinierungsgruppe muss ich mit einem gewissen Bedauern feststellen, dass sich der Entschließungsantrag des Parlaments meines Erachtens in die entgegengesetzte Richtung entwickelt hat. Der uns heute vorliegende Entschließungsentwurf ist meiner Ansicht nach weitschweifiger und unklarer als seine Vorgänger. Ich vermute, die Kommission wird enttäuscht sein, denn der Lissabon-Strategie der Gemeinschaft mit ihren zehn Schwerpunkten, die Sie alle sicher gelesen haben, entnehme ich, dass eine der wichtigsten Forderungen der Kommission wie folgt lautet: „Erstens ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission eine Einigung über die Zielsetzungen und Maßnahmen der strategischen Reform erzielen.“ Dem kann ich nur beipflichten. Ich hoffe, die Kommission kann das diesem Entschließungsentwurf entnehmen, denn ich glaube, das meiste davon ist darin enthalten.
Dennoch denke ich, dass eine Lehre für unsere Arbeit mit der Kommission darin besteht, dass wir uns bei unserer künftigen Arbeit an dieser Strategie auf diese Schwerpunktbereiche konzentrieren müssen, denn ich freue mich festzustellen, dass die Kommission daran arbeitet, sie weiterentwickelt und für ihre Stabilität sorgen wird. Unser Problem besteht u. a. darin, dass wir jede Menge Papier erhalten – verschiedene Mitteilungen zu verschiedenen Aspekten von Strategien und überarbeiteten Prioritäten. Dieses Paket von Überarbeitungen, dieses Paket von zehn Prioritäten unterscheidet sich von denen des letzten Jahres. Offen gesagt, ist das nicht der richtige Weg.
Letzte Woche nahm ich als Berichterstatter an der Sitzung mit den nationalen Parlamenten teil. Ich möchte nur wiederholen, was etliche Kollegen gesagt haben: Die Maßnahmen zur Lissabon-Strategie verlagern sich von hier in die nationalen Parlamente, denn genau dort muss die Arbeit zur Umsetzung dieser zehn Schwerpunktziele geleistet werden, und auch darüber müssen wir nachdenken. Ich begrüße ganz besonders die Anwesenheit des Ministers, die verdeutlicht, welche Bedeutung der Rat dieser Problematik beimisst.
Anne Van Lancker (PSE). – (NL) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Ich bin, offen gestanden, enttäuscht über die mangelnden sozialen Ziele auf der Liste für den Frühjahrsgipfel, die sie uns heute erläutert haben. Meine Fraktion vertritt nach wie vor die Auffassung, dass es gute Gründe gibt, die Lissabon-Strategie und die Integrierten Leitlinien in einigen wesentlichen Punkten zu stärken. Drei betreffen die soziale Dimension. Es trifft zu, dass Lissabon für Wachstum und Beschäftigung gesorgt hat, aber nicht jeder konnte in den Genuss der Vorteile kommen. Sechs Millionen Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss. Migranten, behinderte Menschen finden nur schwerlich einen Arbeitsplatz, 16 % der Europäer leben in Armut. Ein Beweis dafür, dass eine Strategie für Wachstum und Beschäftigung nicht automatisch zu sozialer Eingliederung und lohnender Arbeit für alle führt. Daher geht es uns um die Stärkung der sozialen Dimension der Lissabon-Strategie durch eine neue Leitlinie, die eine aktive soziale Eingliederung aller gewährleistet.
Zweitens, nicht alle Arbeitsplätze sind Qualitätsarbeitsplätze. Der Anteil unsicherer Arbeitsverhältnisse (Zeitbeschäftigung, unfreiwillige Teilzeitarbeit, Leiharbeit) hat erheblich zugenommen. Insbesondere Frauen und junge Leute bleiben oft in Beschäftigungsverhältnissen mit niedriger Qualität hängen. Außerdem sind die Ausgaben der Mitgliedstaaten für aktive Arbeitsmarktpolitik, Betreuung und Ausbildung eher gesunken als gestiegen. Die Mitgliedstaaten haben also noch nicht begriffen, dass ein ausgewogener Flexicurity-Ansatz Verträge mit sich bringen muss, die Flexibilität und Sicherheit gleichermaßen umfassen und dass aktive Investitionen in Humanressourcen eine unerlässliche Voraussetzung sind, um die Segmentierung des Marktes zu verhindern. Wir wollen daher, dass sämtliche Grundsätze des Flexicurity-Modells in die Leitlinien einfließen, einschließlich Qualität der Arbeit und Investitionen in Humanressourcen.
Drittens, die soziale Dimension des Lissabon-Programms ist recht dürftig. Man versichert uns jedoch, dass es eine neue soziale Agenda geben wird, und es ist zu begrüßen, dass sie Teil des Lissabon-Pakets wird. Wir erwarten von der Europäischen Kommission jedoch eine ambitionierte soziale Agenda, nicht nur Mitteilungen über Demografie, Ausbildung und Migration, wie angekündigt, sondern auch Gesetzesinitiativen, die die Qualität der Arbeit verbessern und den Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung stärken. Auf jeden Fall, Herr Ratspräsident, wünsche ich mir für den Frühjahrsgipfel eine zusätzliche Dosis sozialen Anspruchs.
VORSITZ: EDWARD MCMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Adina-Ioana Vălean (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Eine der wichtigsten Empfehlungen des Europäischen Parlaments betrifft die Bekämpfung des Protektionismus innerhalb wie außerhalb der EU.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Protektionismus die Rechte der Bürger unterminiert und nicht schützt, dass Europa aber zuerst vor der eigenen Haustür kehren sollte. Unsere vorrangige Aufgabe sollte jetzt die Beseitigung protektionistischer Schranken innerhalb der EU sein. Der europäische Binnenmarkt kann nur dann Realität werden, wenn wir die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes, vor allem den freien Personenverkehr, gezielter durchsetzen. Unser Bericht räumt ein, dass viele Arbeitsmärkte segmentiert sind und die Mobilität der Arbeitskräfte noch immer gering ist. Was für eine Überraschung! Haben wir vergessen, dass die meisten Bürger aus den neuen Mitgliedstaaten nach wie vor eine Arbeitserlaubnis in anderen EU-Ländern brauchen?
Vier Jahre nach der großen Erweiterung können wir keine größere Störung der Arbeitsmärkte in den alten Mitgliedstaaten feststellen und keinen Zustrom, der die Übergangsbeschränkungen rechtfertigen würde. Im Gegenteil. Die Verbreitung komplexer nationaler Quoten und qualitativer Beschränkungen in den Mitgliedstaaten unterminiert die Lissabon-Strategie, die sich flexible Märkte und mobile Arbeitnehmer zum Ziel gesetzt hat.
Uns bleiben nur noch zwei Jahre, um uns zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu entwickeln, den Wettbewerb und das Wachstum anzukurbeln und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. In Rumänien, meinem Heimatland, betrug das Wirtschaftswachstum der letzten fünf Jahre durchschnittlich 6 %, und die Arbeitslosenquote ist auf 4 % gesunken. Allmählich bereitet uns der Arbeitskräftemangel Kopfzerbrechen.
Die Öffnung der Grenzen für Arbeitnehmer aus Drittländern ist notwendig, aber an erster Stelle muss der Abbau EU-interner Schranken stehen. Arbeitnehmer aus den zwölf neuen Mitgliedstaaten müssen vorrangig die Möglichkeit haben, in den anderen EU-Mitgliedstaaten zu arbeiten, und die Übergangsbeschränkungen sollten aufgehoben werden. Man kann unmöglich Arbeitnehmer von außerhalb der EU in die Union holen, während für unsere Bürger nach wie vor Beschränkungen gelten.
Beschränkungen sind ungerechtfertigt und befinden sich nicht im Einklang mit der Lissabon-Strategie, und ihre Beseitigung ist die Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges und innovatives Europa.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Lissabon-Strategie umreißt die Ziele, die wir erreichen müssen, wenn sich Europa zu einem Ort entwickeln soll, der den Wünschen der Bürger gerecht wird. Europa macht jedoch nur einen kleinen Teil der Welt aus, und solange die größten Mächte der Welt nicht auf ähnliche Ziele hinarbeiten, bedeutet das Anvisieren noch so wünschenswerter Ziele – z. B. im Hinblick auf das Klima – lediglich, dass wir selbst das Potenzial unserer Industrie und Hersteller beschränken und gleichzeitig leichtfertig auf andere Ziele der Strategie verzichten.
Es ist Selbstmord, die rückläufige demografische Entwicklung durch Aufnahme von Zuwanderern von anderen Kontinenten zu bekämpfen und gleichzeitig die Institution der Familie und Familienwerte zu zerstören, da dies die Wahrscheinlichkeit kultureller Konflikte erhöht. Gleiches gilt in vielen anderen Bereichen. Die führenden Vertreter von Europas größten Ländern sprechen von der Notwendigkeit der Liberalisierung des Handels, während sie im eigenen Land Wirtschaftsnationalismus betreiben. Die Europäische Union muss sich den Realitäten stellen und auf der Grundlage der Achtung der traditionellen Gesetze und Bräuche auf den internationalen Wirtschaftsmärkten den Kampf antreten.
Κyriacos Τriantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte eine einfache Frage stellen. Wie viel Bedeutung misst der Bericht des Ausschusses über den neuen Programmzyklus der Strategie den sozialen Forderungen der Arbeitnehmer, kleiner und mittlerer Unternehmen, junger Menschen und Frauen bei?
Besteht die Lösung darin, die von den Bürgern geforderten sicheren Vollzeitarbeitsplätze in flexible und unsichere Arbeitsplätze umzuwandeln? Ist, so frage ich mich, die Verlängerung der Arbeitszeit und die Anhebung des Rentenalters die richtige Antwort zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit? Wir dagegen sind der Ansicht, dass bessere Gehälter und sichere Arbeitsbedingungen zur Steigerung der Produktivität beitragen und vor allem den Lebensstandard verbessern würden.
Was wünschen sich junge Menschen und Frauen? Wollen sie ständig zwischen Ausbildung und Beschäftigung wechseln, oder wollen sie in der Lage sein, ihre Qualifikationen in der Praxis zu nutzen? Wir glauben, dass sie sich die zuletzt genannte Option wünschen.
Was die Umwelt und den Klimawandel betrifft, so weist das Ziel der Reduzierung von Treibhausgasemissionen positive Elemente auf, und zwar in stärkerem Maße als in den USA und anderen Ländern. Doch wenn die Entwicklung nicht in jedem Land komplett an den Umweltschutz gebunden ist, werden die Resultate nicht systematisch ausfallen.
Ist es außerdem möglich, sowohl die Auflösung der öffentlichen Energie-, Strom- und Flüssiggasanbieter voranzutreiben und gleichzeitig zu erklären, dies diene dem Allgemeinwohl und trage zur Energieselbstversorgung bei – und das alles natürlich zu niedrigen Preisen? Ist in der Praxis nicht genau das Gegenteil der Fall?
Ich möchte abschließend hinzufügen, dass Forschung und Innovation nicht einfach ein vermarktbares Gut darstellen; sie sind ein öffentliches Gut und sollten in allererster Linie danach beurteilt werden, welchen Beitrag sie zum Fortschritt der Gesellschaft leisten. Folglich bedarf es einer echten Aufstockung öffentlicher Investitionen und in der Forschung. Wir sollten das Forschungspotenzial nicht privaten Profiten opfern.
Kathy Sinnott (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Der wirtschaftliche Wettbewerb ist ein Schlüsselfaktor der Lissabon-Strategie. Wettbewerb, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum bilden die Grundlage der Lissabon-Strategie, und obwohl der Wettbewerb für jede gesunde Wirtschaft wichtig ist, dürfen wir nicht vergessen, dass Wettbewerb stets bedeutet, dass jemand gewinnt und jemand verliert. Es herrscht der Grundsatz, dass der Stärkere überlebt.
Allgemein veranlasst das die Unternehmen in Europa, sich anzustrengen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und sich global stärker ins Zeug zu legen. Andererseits kann das im globalen Maßstab extreme Armut für die Verlierer bedeuten. Aber auch innerhalb von Europa müssen wir uns dieser Problematik stellen, denn es gibt Bürger in unserer Union, die zu den Verlierern zählen, weil sie nicht an den in der Strategie hervorgehobenen Vorzügen teilhaben. So sind die Beschäftigungsziele und die Ziele für den Abbau von Armut noch lange nicht erreicht. Die Statistiken weisen sogar einen enormen Anstieg nicht nur der Zahl der Arbeitslosen – vor allem arbeitsloser Jugendlicher – aus, sondern auch eine Zunahme sozialer Ungleichgewichte und der Armut.
José Albino Silva Peneda (PPE-DE). – (PT) Im Jahr 2006 verzeichnete die Europäische Union das höchste Wirtschaftswachstum seit 2000. Im Jahr 2007 war das Wachstum der Europäischen Union höher als das der Vereinigten Staaten von Amerika, und einige neue Mitgliedstaaten näherten sich zweistelligen Werten oder erreichten sie sogar. Für diejenigen, die behaupten, die Revision der Lissabon-Strategie sei neoliberal und stelle sozialen Fragen hintan, eine klare Antwort: 2006 betrug das Beschäftigungswachstum das Dreifache des Durchschnitts in den fünf Jahren davor, in den letzten zwei Jahren wurden mehr als 6,5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, und bis 2009 sollen weitere 5 Millionen entstehen. Man muss schon in die achtziger Jahre zurückgehen, um ähnliche Werte zu finden.
Und mehr noch: 2006 lag die Produktivitätssteigerung in Europa über dem in den letzten fünf Jahren verzeichneten jährlichen Durchschnitt, und zum ersten Mal seit vielen Jahren war der Produktivitätszuwachs höher als in den USA. Obgleich diese Ergebnisse nicht ausschließlich der Lissabon-Strategie geschuldet sind, lässt sich ebenso wenig bestreiten, dass sie dazu beigetragen hat. Daher gratuliere ich der Kommission zu der Art und Weise, wie sie die Lissabon-Strategie unter sehr schwierigen Bedingungen koordiniert hat.
Ein Wort zur Zukunft: Die europäische Wirtschaft kann trotz des derzeitigen Wirtschaftsklimas noch weiter wachsen, und es können noch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn in den kommenden Jahren die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten verbessert, der Binnenmarkt weiter ausgebaut und der soziale Dialog gefördert wird und wenn Lohnerhöhungen dem Rhythmus der Produktivitätssteigerung angepasst werden, wenn es ein wirksames System der Finanzaufsicht gibt, wenn die fünfte Freiheit – die des Wissens – gestärkt wird und wenn – was ich für sehr wichtig erachte – die Europäische Union klare Zeichen setzt, dass sie ihre Interessen verteidigen will, dass heißt, dass sie kein passives Subjekt des Phänomens Globalisierung sein will, sondern im Gegenteil demonstriert, dass sie bereit ist, eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Globalisierung zu übernehmen.
Jan Andersson (PSE). – (SV) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kommissar! Herr Ratspräsident! Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die Lissabon-Strategie über eine Reihe von Jahren hinweg Ergebnisse gebracht hat und erfolgreich war, aber für mich ist das kein Grund, nicht für Veränderungen einzutreten.
Einerseits ist es genau so, wie Herr Bullmann sagt: Das Wachstum geht zurzeit zurück und die Inflation nimmt zu. Die Lage ist nicht ganz einfach. Andererseits gab es auch Erfolge. Erstens führen wir diese ganze Diskussion über die Klimafrage, die die Politik für uns alle in der EU verändern wird. Ich sehe das optimistisch, denn das bedeutet auch neue Investitionen und neue Arbeitsplätze, die langfristig nachhaltiger und mit hohen Anforderungen an Wissen verbunden sind. Das hätte sich stärker in der Lissabon-Strategie und den Leitlinien widerspiegeln müssen.
Zweitens haben wir einige Jahre lang eine Debatte über „Flexicurity“ geführt, die im Rat ebenfalls zu guten Leitlinien geführt hat, sich aber in den Integrierten Leitlinien nicht widerspiegelt. Dies sind die gleichen üblichen Leitlinien, wie wir sie schon immer gehabt haben, ohne dass der gesamte Prozess der vergangenen Zeit berücksichtigt worden wäre.
Drittens möchte ich einen Aspekt nennen, den unter anderem Frau von Lanker erwähnt hat. Es stimmt, dass es in der EU eine ganze Weile eine positive Entwicklung gegeben hat, diese war aber nicht für jeden einzelnen Bürger gleichermaßen positiv. Die soziale Ausgrenzung ist weit verbreitet. Außerdem gibt es auch Arbeitsplätze, die nicht hochwertig sind und von denen man nicht leben kann. Einige Regionen in Europa haben keine positive Entwicklung zu verzeichnen. Was wir brauchen, das ist eine Verknüpfung der Integrierten Leitlinien mit einer sozialen Dimension. Es besteht kein Widerspruch zwischen dieser sozialen Dimension und der Entwicklung von Arbeitsplätzen und Wachstum, denn sie setzen einander voraus.
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Herr Präsident! Es ist wichtig, dass die EU wächst, dass das Wachstum stark ist und dass Arbeitsplätze geschaffen werden, denn das schafft auch Voraussetzungen für eine größere Legitimität unserer Union.
In den letzten Jahren ist es der EU besser gegangen als seit langem, besser als beispielsweise den USA. Wir wissen, dass der Binnenmarkt und die Euro-Zusammenarbeit völlig neue Bedingungen für Wachstum in Europa geschaffen haben, aber es bleibt auch noch viel zu tun, wie schon viele meiner Vorredner gesagt haben.
Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel anführen, das möglicherweise ein wenig chauvinistisch ist, aber sei es drum. In meinem Heimatland hat die schwedische Regierung eine Wachstumspolitik durchgeführt, die bis zu 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen hat, unter anderem durch zielgerichtete Maßnahmen zur Senkung von Steuern und Sozialabgaben. Ein Vorschlag bezog sich dabei auf die Senkung der Sozialabgaben für Dienstleistungsunternehmen in einer Reihe von Branchen, die nicht auf dem internationalen Markt im Wettbewerb stehen. Damit sollten 17 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist jetzt von der Kommission sehr effektiv verhindert worden, indem sie eine Begrenzung dieses Vorschlags fordert, was ihn so abschwächt dass die schwedische Regierung wahrscheinlich gezwungen sein wird, ihn völlig zurückzuziehen.
Ich habe aus zwei Gründen Probleme damit, die Handlungsweise der Kommission zu verstehen. Angesichts einer drohenden weltweiten Rezession reagieren natürlich viele Regierungen mit verschiedenen Maßnahmen für Anreize, um Beschäftigung und Kaufkraft zu sichern. Dieser Vorschlag war als notwendige Stimulierung des extrem unterentwickelten schwedischen Dienstleistungssektors gedacht, und man erhoffte sich von ihm gute stabilisierende Auswirkungen auf unsere gesamte Wirtschaft. Meiner Ansicht nach widerspricht das in höchstem Grade dem allgemeinen Geist der Lissabon-Strategie. Wenn wir bis 2010 diese wettbewerbsfähige Wirtschaft, die wettbewerbsfähigste Wirtschaft der Welt, werden wollen, sollten wir dann nicht auch neue Wege wagen? Ich möchte Sie, meine Herren Kommissare, ganz konkret fragen: Warum verhindern Sie, dass auf diese Weise neue Arbeitsplätze geschaffen werden?
Wojciech Roszkowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Zu kommunistischen Zeiten pflegten die Menschen in Polen zu sagen, dass es drei ontologische Kategorien gibt: Sein, Nichtsein und Planen. Wir sagen heute so wie die kommunistischen Planer, dass wir dieses oder jenes tun oder erreichen müssen, ohne unseren Zielen jemals näher zu kommen. Und so ist es unmöglich, den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Sorge der entwickelten Länder um den Erhalt ihrer Kompetenzzentren – sprich Arbeitsplätze – und der Kohäsionspolitik, die zu einer Art praktizierter Nächstenliebe verkommt, zu lösen.
Dabei zeigt die wirtschaftliche Entwicklung der asiatischen Tiger – wie China –, dass sich auf andere Weise Ergebnisse erzielen lassen, nämlich durch Investition in moderne Technologien in Ländern mit niedrigen Produktionskosten. Solange wir den Widerspruch im Ansatz der EU nicht lösen, werden wir auch weiterhin das Wort „Strategie“ im Munde führen und lauthals „Vorwärts“ rufen, ohne uns von der Stelle zu bewegen.
Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin! Ich begrüße es, dass wir heute einen aktiven Beitrag zum Frühjahrsgipfel leisten und dabei peinlich genau bis ins kleinste Detail sind. Zu Recht haben wir heute Morgen darüber gesprochen und den Mitgliedstaaten unsere Erwartungen kundgetan. Herausstellen möchte ich, dass unsere Strategie auf dezentraler Ebene, in den Betrieben, in den Gemeinden, in den Regionen, umgesetzt wird. Von sämtlichen öffentlichen Investitionen fließen mehr als 66 % in lokale und regionale Projekte, und als EVP-Koordinator für Regionalpolitik weiß ich, dass wir den Dingen mit den europäischen Instrumenten seit 2007 durch eine Neuausrichtung der Prioritäten in den Strukturfonds und der Regionalpolitik erheblichen Schwung verliehen haben. Von der materiellen Infrastruktur sind wir auf die wissensbasierte Infrastruktur, Ausbildung und Innovation umgeschwenkt. Wir sprechen hier über das größte Budget der Europäischen Union aller Zeiten, das sich auf mehr als 450 Milliarden bis 2013 beläuft. Erfreulicherweise kommt das sowohl in unserem Entschließungsantrag als auch im zur gleichen Zeit erschienenen Bericht des Ausschusses der Regionen zum Ausdruck.
Gestatten Sie mir, noch auf einen anderen Punkt hinzuweisen, den wir heute Morgen in Verbindung mit dem neuen Vertrag erörterten. Neben dem sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt wird darin die territoriale Dimension als drittes Ziel nochmals bestätigt. Das bedeutet, Clusterbildung, die Konzentration von Unternehmen in Schwerpunktregionen, hat oberste Priorität. Zugleich müssen wir allerdings dafür Sorge tragen, dass Know-how nicht nur in einem begrenzten Teil Europas genutzt, sondern auch an andere Regionen der Mitgliedstaaten, die nicht ins Hintertreffen geraten dürfen, weitergegeben wird. Deshalb halte ich die regionale Agenda und die Lissabon-Strategie für eine Investition in Wissen und Wettbewerbsfähigkeit, Unternehmertum und KMU, für eine bemerkenswerte Antwort. Es laufen zahlreiche Programme, mit denen wir unseren Wählern, unseren Bürgern und Unternehmen vermitteln können, dass es sich nicht nur um eine europäische Agenda handelt, sondern auch um eine Agenda dezentraler Partner.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) Herr Ratspräsident, sehr geehrte Mitglieder der Kommission, meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit der so genannten Subprime-Krise haben sich viele der von den liberalsten Politikern wiederholt vorgetragenen Argumente in Luft aufgelöst. Letztendlich regulieren sich die Märkte doch nicht selbst; von den Verlusten sind nicht nur diejenigen betroffen, die sich bewusst und entschlossen an den manipulierten, mit hohen Risiken behafteten Spielen beteiligen; und das richtige Verhalten Europas bietet keine Garantie dafür, dass es gegenüber äußere Turbulenzen immun ist. Hier handelt es sich lediglich um eines der zahlreichen Beispiele, die nahelegen – so wie von der Sozialdemokratischen Fraktion vertreten –, dass Europa Strategien und politische Instrumente festlegen sollte, die mit seinen Zielen und seiner Rolle, die es in dem schwierigen Kontext der globalisierten Wirtschaft übernehmen will, im Einklang stehen.
Im Jahr 2000 haben wir mit der inzwischen überarbeiteten Lissabon-Strategie ein zentrales Ziel definiert. Dieses Ziel hat nichts an seiner Gültigkeit eingebüßt, wurde jedoch nur unzureichend umgesetzt. Es sah vor, dass Europa in zwei Jahren – 2010 – die wettbewerbsfähigste Region der Welt sein sollte, die auf einer wissensbasierten Wirtschaft, auf sozialem Zusammenhalt sowie mehr und besseren Arbeitsplätzen beruht. Heute sind die Herausforderungen drängender, und einige Schlussfolgerungen liegen auf der Hand: erstens müssen die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die Lissabon-Strategie vollkommen in Einklang stehen; zweitens bedarf es der Ausgewogenheit zwischen der Stabilität politischer Leitlinien und der Fähigkeit, auf die raschen Veränderungen des Umfelds, vor allem in den Bereichen Klima, Energie, Entwicklung der Finanzmärkte, Außenhandelspolitik bzw. Rolle der Wechselkurse, zu reagieren; drittens stellen die Ziele sozialer und räumlicher Zusammenhalts bislang einen der größten Fehlschläge der Strategie dar.
Zusammenfassend und abschließend sei Folgendes gesagt: Um die externe Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und sie mit dem inneren Zusammenhalt in Einklang zu bringen, sind wirksamere Interventionsmechanismen notwendig. Dabei ist die effektive Koordinierung der Wirtschaftspolitik zugunsten von Wachstum und Beschäftigung nur einer dieser Mechanismen. In Anbetracht der neuen Realitäten müssen die Politiken in den Bereichen Soziales, Bildung, Investition, Forschung, Wissenschaft und Technologie überdacht werden. In diesem Geiste wurden die Beiträge der Sozialdemokratischen Fraktion angeführt, die, wie ich hoffe, von der Kommission und vom Rat begrüßt werden. Die Bürger erwarten zuallererst, dass die Versprechen des Fortschritts umgesetzt werden. Nur so ergeben ihre Hoffnungen und ihr Vertrauen in die Zukunft Europas einen Sinn und können erfüllt werden.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Acht Jahre, nachdem das Ziel aufgestellt wurde, können wir mit Gewissheit sagen, dass die Europäische Union es nicht erreichen wird. Die als Ziel angestrebte Wettbewerbsfähigkeit war mehr Propaganda als konkrete Umsetzung. Angesichts der alternden Bevölkerung Europas wird das Erreichen der Ziele der Lissabon-Strategie in der Praxis zu einer großen Herausforderung werden, zumal die Wettbewerberländer und -regionen gewaltig nach vorn drängen.
Wir hätten auch Grund zu fragen, ob die wettbewerbsfähigste Wirtschaft der Welt – auch in seiner ursprünglichen Form – ein realistisches Ziel war, oder eines, das wir in Europa um jeden Preis anstreben sollten, selbst wenn wir alle anderen Werte komplett vernachlässigen. An dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, dass es in Europa 18 Millionen Arbeitslose gibt und dass die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen in einigen Gebieten sogar 25 % beträgt. Leider ist mir nichts darüber bekannt, dass führende Politiker der EU diesbezüglich große Besorgnis äußern würden oder daran besonders interessiert wären. Dennoch ist es sehr wichtig, sich um diese jungen Menschen und um die Arbeitslosen zu kümmern.
Ryszard Czarnecki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ist die Lissabon-Strategie eine Art von Kaninchenjagd? Wollen wir das Kaninchen jagen oder tatsächlich fangen? Meines Erachtens besteht die Hauptaufgabe darin, Vertrauen in die europäischen Institutionen zu schaffen, die die Lissabon-Strategie vorschlagen. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass die Früchte des Wirtschaftswachstums gleichmäßiger verteilt werden.
Es wäre in der Tat sehr ungünstig, wenn man die Lissabon-Strategie künftig mit noch größeren sozialen und ökonomischen Gegensätzen assoziieren würde. Ich teile die Ansicht einiger meiner Vorredner, dass die Strategie in einem solchen Fall nicht von den Regierungen, sondern von den Bürgern der Europäischen Union abgelehnt würde.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Die heutige Aussprache zeigt, wie nahe diese Thematik dem Europäischen Parlament geht. Das Thema des Tages ist unsere Daseinsberechtigung. Es geht um das künftige Wohlergehen der Europäer.
Wir haben unterschiedliche Ansichten darüber, mit welchen Mitteln wir die Lissabon-Ziele erreichen wollen, aber ich denke, dass jeder in diesem Haus diese Ziele erreichen will. Allerdings stimme ich Frau Jäätteenmäki zu: Wir können leider keine großen Fortschritte vorweisen.
Meines Erachtens geht es um Maßnahmen auf zwei verschiedenen Ebenen. Erstens gibt es auf europäischer Ebene nur ein Schlüsselelement, um das wir uns zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit kümmern müssen, und das ist der Binnenmarkt. Der europäische Binnenmarkt ist die wichtigste Triebkraft der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext. Wir haben auch viel Bürokratie, und wir müssen mit unseren KMU zusammenarbeiten, denn sie sind eine der Grundvoraussetzungen für den europäischen Erfolg.
Und dann müssen wir uns natürlich auf die nationale Ebene, die Ebene der Mitgliedstaaten konzentrieren, und auf dieser Ebene muss viel mehr als bisher passieren, und zwar vor allem im Hinblick auf die Strukturreformen des Arbeitsmarktes. Der schwedische Ministerpräsident hat heute in seiner Rede auch über die Bedeutung der Strukturreformen des Arbeitsmarktes gesprochen, die u. a. für die Bewältigung des demografischen Wandels von Bedeutung sind. Es ist meines Erachtens offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten diesbezüglich ihre Hausaufgaben vernachlässigt haben.
Außerdem müssen wir, was die Fiskalpolitik und die Gesamtwirtschaft betrifft, meiner Ansicht nach die Ära der Haushaltsdefizite beenden. Wir müssen wirklich an unseren gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen arbeiten. Das kann die Union nicht leisten, auch wenn wir eine einheitliche Währung haben. Das ist Aufgabe der Politiker in den Mitgliedstaaten.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich feststellen, dass ich Frau Starkevičiūtės Ansichten teile und der Meinung bin, dass sie einen hervorragenden Bericht vorgelegt hat. Die Finanzdienstleistungen zählen zu den Eckpfeilern des Binnenmarktes. Dieser Bereich verdient größere Aufmerksamkeit, und zwar auch auf europäischer Ebene.
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich glaube, dieses Jahr hat unsere Aussprache eine besondere Bedeutung, weil wir den Lissabon-Zyklus revidieren.
Ich verstehe letztlich die Strategie der Kommission, die darin besteht, zu sagen, alles steht zum Besten, wir brauchen nichts zu ändern, da die Grunddaten der europäischen Wirtschaft gut sind. Sie tun dies, weil unsere Grunddaten im Vergleich zur Lage der US-amerikanischen Wirtschaft deutlich besser sind. Ich füge allerdings hinzu, dass die Aushandlung einer Neufassung der Leitlinien mit 27 Partnern relativ kompliziert werden dürfte.
Doch es reicht nicht aus, sich mit dieser Feststellung zufriedenzugeben. Die Lage der US-Wirtschaft wird Auswirkungen auf sämtliche Länder der Europäischen Union und wahrscheinlich insbesondere des Euro-Währungsgebietes haben. Ebenso müssen wir die neuen legitimen strategischen Ziele im Umwelt- und Klimabereich berücksichtigen, die die Staats- und Regierungschefs im März letzten Jahres festgelegt haben. Zudem kann wohl jeder die Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die reale Wirtschaft ermessen, die sich aus den – gelinde gesagt – Turbulenzen auf diesen Märkten ergeben.
Daher fordern wir, dass diese drei Faktoren in einer Neufassung der Leitlinien berücksichtigt werden. Herr Turk, als wir im vergangenen November in Ljubljana zusammentrafen, haben Sie uns aufgefordert: „Sagen Sie uns nur, was das Europäische Parlament will.“ Also gut, wir sagen es Ihnen: Wir wollen, dass die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, der Klimawandel und die Überwachung der Finanzmärkte in diesen Leitlinien stärker berücksichtigt werden. Wenn noch mehr Anstrengungen in diesem Sinne gemacht werden können, dann werden wir diese als Fortschritt für eine bessere Fähigkeit zur Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und damit der Nutzung der Leitlinien begrüßen.
Doch das ist noch nicht alles, Herr Kommissar! Wir fordern auch, dass Kohärenz zwischen diesen Leitlinien und den anderen der Kommission zur Verfügung stehenden Instrumenten hergestellt wird, damit diese Strategie, die wir gemeinsam festlegen, mit den Instrumenten umgesetzt werden kann, über die die Europäische Union in diesem Bereich verfügt.
Charlotte Cederschiöld (PPE-DE). – (SV) Herr Präsident! Kommissar Verheugen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lissabon-Strategie lässt allmählich ihr träges Anfangsstadium hinter sich und beginnt, Optimismus und Tatkraft zu schaffen, genau das, was wir brauchen. Die Verfasser haben sich sehr gut auf die wichtigen Dinge konzentriert und sich nicht von der Krankheit des Parlaments anstecken lassen, alles mit einbeziehen zu wollen.
Es gibt verschiedene Wege, den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen. Einige stecken wie der Vogel Strauß ihren Kopf in den Sand und glauben, alles wird schon gut gehen. Andere sind klüger und erkennen, so wie die Verfasser des Berichts, sich bietende Chancen und verbessern ihre eigenen Fähigkeiten.
Die dringendste und wichtigste Aufgabe besteht jetzt darin, dafür zu sorgen, dass alle Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen erfüllen. Das bedeutet eine Überwachung des Binnenmarktes sowie der Umsetzung und Erfüllung gefasster Beschlüsse durch die Mitgliedstaaten. Ferner müssen wir darauf achten, dass die Vorschriften gut begründet, nicht zu kompliziert und nicht zu teuer für kleine und mittlere Unternehmen sind. Wir sollten uns auch an wichtige Themen wie Vereinfachung, Benchmarking, Vergleich und Wettbewerb halten.
Dies wird auch eine engere Zusammenarbeit zwischen den Behörden auf lokaler und regionaler Ebene erfordern. Das ist gut für die Bürger und die Unternehmen, und es trägt zur Integration bei. Wichtig ist auch eine systematische Überwachung der Freizügigkeit, damit wir den Dienstleistungsmarkt zum Florieren bringen.
Das Messen von Ergebnissen ist ein Schritt nach vorn. Die EU bezieht ihre Legitimität aus Erfolgen, die sich nicht zuletzt in der Lebensqualität ihrer Bürger widerspiegeln. Dazu brauchen wir ein Umfeld, das Unternehmen fördert, zu dem die Lissabon-Strategie beitragen kann, wenn sie bewusst eingesetzt wird. Die Kommission muss entsprechenden Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben.
Ich bin, um das abschließend festzustellen, überzeugt davon, dass die Kommission eine angemessene Lösung für das schwedische Problem der Sozialabgaben finden wird.
Antolín Sánchez Presedo (PSE). – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reform des Wachstums- und Stabilitätspakts und die Wiederbelebung der Strategie von Lissabon durch die Bestimmung von Wachstum und nachhaltiger Beschäftigung als Prioritäten Europas tragen seit der Frühjahrstagung des Rates 2005 Früchte.
Europa hat eine gemeinsame Agenda in Gang gesetzt, und, wie Herr Almunia sagte, ist ihr erster Dreijahreszyklus durch Wachstum der Wirtschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen, Verbesserungen in den öffentlichen Haushalten und steigendes Potenzial für ein europäisches Wirtschaftswachstum gekennzeichnet.
Auch wenn die Ergebnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten variieren, ist die allgemeine Stimmung positiv. Ich war wirklich erstaunt zu hören, dass ein Abgeordneter sagte, die Quadratur des Kreises sei unmöglich, es sei ausgeschlossen zu wachsen, Arbeitsplätze zu schaffen, den Sozialschutz zu erhöhen und zu sparen. Es gibt Beispiele, dass dies in der Europäischen Union geschehen ist, und eines davon, das ich am besten kenne, ist natürlich Spanien.
Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass Spanien gute Fortschritte in der Umsetzung seines nationalen Reformprogramms gemacht und drei Jahre früher, als geplant, eine Beschäftigungsrate von 66 % über dem europäischen Durchschnitt erreicht hat. Spanien hat die Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) erhöht und in allen Haushaltsjahren Überschüsse erwirtschaftet. Dies ist ein gutes Beispiel für den Erfolg der Strategie von Lissabon, die die spanische Wirtschaft gestärkt hat und die der Motor einer nie da gewesenen Konvergenz ist, womit das Land mit 105 % über dem Durchschnitt der Gemeinschaft liegt.
Daher müssen wir jetzt die gleichen strategischen Aufgaben auf der Grundlage der beschleunigten Globalisierung und der alternden Bevölkerung beibehalten. Dazu wird besonderer Nachdruck auf die soziale Dimension zu legen sein.
Ein Europa als Wissensgesellschaft muss eine Freiheit des Wissens schaffen, die digitale Integration in die Praxis umsetzen und die soziale Dimension durch die Verbesserung der Grundqualifikation der Menschen fördern, den KMU Chancen einräumen und ein „Flexicurity“-Modell mit Sozialstandards errichten.
Es wird notwendig sein, Probleme anzupacken, die erst vor kurzem aufgekommen sind, wie die Subprime-Krise und die Preise für Öl und Lebensmittel, doch dabei müssen wir berücksichtigen, dass unsere Bedingungen gesünder sind, dass wir im nächsten Jahr den 10. Jahrestag des Euro begehen und dass es gilt, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zu verstärken.
Françoise Grossetête (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Wir wissen – und dies muss man zugeben und akzeptieren –, dass die Lissabonner Strategie es nicht ermöglicht hat, die erhofften Fortschritte zu erzielen. Aus diesem Grund sind wir gezwungen, heute wiederum über die Erneuerung der Lissabonner Strategie zu sprechen.
Das Wachstum in der Eurozone hat sich im letzten Quartal 2007 stark abgeschwächt, und dieses mangelnde Wachstum ist die Ursache für die Probleme Europas. Wenn der neue Zyklus der Strategie erfolgreich sein soll, müssen wir daher über eine einfache Diagnose der Probleme Europas hinausgehen und eine Therapie mit einem eindeutigen Governance-Prozess beginnen. Der nächste Zyklus der Strategie darf keine weitere bürokratische Übung sein.
Es ist wichtig, wie dies in der vergangenen Woche geschah, bei dieser Strategie die nationalen Parlamente noch enger an das Europäische Parlament heranzuführen. Wenn die Mitgliedstaaten gemeinsam vereinbart haben, was jeder von ihnen tun muss, um seine Wirtschaft zu reformieren, dann müssen sie sich auch verpflichten, Rechenschaft über die Durchführung ihrer Reformen zu geben.
Bis jetzt wissen die meisten unserer Mitbürger gar nicht, worum es sich handelt, wenn von der Lissabonner Strategie die Rede ist. Die Union muss daher vermeiden, sich zu einem Zeitpunkt selbst ins Bein zu schießen, da sie mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist, d. h. mit einem Bevölkerungsrückgang ab 2020, mit wirtschaftlichem Druck, mit dem Steigen der Energiepreise, dem Klimawandel, mit sozialen Ungleichgewichten.
Erforderlich sind daher wegweisende Maßnahmen, die eine wirkliche Dynamik auslösen, die die Entwicklung und das Wachstum von Millionen KMU fördern, damit neue Arbeitsplätze entstehen.
Im Umweltbereich müssen für die Maßnahmen zur raschen Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude beträchtliche finanzielle Ressourcen mobilisiert und so die Innovation und damit neue Arbeitsplätze gefördert werden.
Wir sollten uns stets den Ausspruch von Churchill vor Augen halten, der das Motto für den kommenden Strategiezyklus sein sollte: „However beautiful the strategy, you should occasionally look at the results“. Nur indem sie ihre Wirksamkeit unter Beweis stellt, kann sich die Europäische Union ihren Bürgern annähern. Darin besteht der ganze Sinn eines Europas, das seine Völker und seine Interessen schützt.
Donata Gottardi (PSE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Schlüsselelemente des Standpunkts des Europäischen Parlaments, und insbesondere der Sozialdemokratischen Fraktion, zu den Integrierten Leitlinien für den Abschluss des Lissabonner Programmzyklus für Wachstum und Beschäftigung hervorheben.
Eine dieser Leitlinien betrifft die Notwendigkeit, den Prozess der Haushaltskonsolidierung, der charakteristisch für die Konvergenzprogramme im Rahmen des Stabilitätspakts ist, mit der Qualität der öffentlichen Ausgaben zu verbinden. Die öffentlichen Ausgaben der Mitgliedstaaten müssen qualitativ verbessert und auf die strategischen Prioritäten abgestimmt werden, um makroökonomische Stabilität, nachhaltiges Wachstum und die Erreichung der Vollbeschäftigung zu gewährleisten.
Eine zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmte Qualitätsverbesserung der öffentlichen Ausgaben und deren Ausrichtung auf gemeinsame Investitionsziele, auch durch öffentlich-private Partnerschaftsinitiativen, müssen mit Forschung und Entwicklung, allgemeiner und beruflicher Bildung, Infrastruktur-, Verkehrs- und Energiepolitik verknüpft werden, was eine Strategie für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit vorantreiben kann, die die europäische Wirtschaft stärker und zudem widerstandsfähig gegenüber Turbulenzen auf den Finanzmärkten und Fehlentwicklungen bei der Finanzierung der Wirtschaft macht.
Wenn die öffentlichen Ausgaben auf diese Prioritäten ausgerichtet werden, wird es möglich sein, die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität zu steigern. Besonderes Augenmerk gilt dem Zusammenhang zwischen haushaltspolitischen Maßnahmen, Produktivitätswachstum und Lohnpolitik. Hier muss nach Ansicht der PSE-Fraktion eine enge Verbindung zwischen Produktivitätswachstum und gerechter Umverteilung der daraus resultierenden Gewinne mit dem Ziel des sozialen Zusammenhalts hergestellt werden
Ein Kernelement des sozialen Zusammenhalts ist die Einführung eines nationalen Mindestlohns. In diesem Sinne bin ich zuversichtlich, dass das Europäische Parlament mit seinem morgigen Votum ein starkes und entschiedenes Signal setzen und die Mitgliedstaaten dazu auffordern wird, sich für eine konkrete und zügige Umsetzung einzusetzen.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Die Finanzkrise und die restriktivere Geldmarktpolitik sind nicht ohne Auswirkungen auf die reale Wirtschaft geblieben. Sie haben sich zu einem ernsten Problem entwickelt, das überlegt angegangen werden muss. Nach Einschätzung des Forums für Finanzmarktstabilität steht uns wahrscheinlich eine lange Phase der Anpassung bevor, die mit einigen Problemen verbunden sein könnte.
Das Wachstum im Euroraum wird 2008 deutlich zurückgehen. Der Präsident der Euro-Gruppe, Herr Jean-Claude Juncker, hat für dieses Jahr ein Wachstum zwischen 1,6 % und 1,8 % vorhergesagt. Das entspricht einem Rückgang um einen ganzen Prozentpunkt im Vergleich zum Vorjahr. Der nun schon seit langem anhaltende Anstieg der Rohstoffpreise beschwört weitere Probleme für die europäische Wirtschaft herauf. So wird der Inflationsdruck durch die Rekordpreise für Öl, Stahl, Mineralstoffe und landwirtschaftliche Ausgangsprodukte verstärkt.
Der Euro steigt zu einer Zeit, da der Dollar an Wert verliert, was sich ebenfalls auf die globalen Ungleichgewichte und die europäische Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. All diese Entwicklungen erzeugen ein sehr schwieriges Umfeld für die Währungs- und Fiskalpolitik. Anstatt uns davon deprimieren zu lassen, sollten wir uns bewusst machen, was für einen langen Weg wir zurückgelegt haben. Sechzig Millionen Europäer sind in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts umgekommen. Die Berliner Mauer ist 1990 gefallen, und wir befinden uns noch ganz am Anfang der Integration.
Doch wenn wir uns die erfolgreiche Entwicklung des Euro anschauen und ganz allgemein den Erfolg der Europäischen Zentralbank und ihrer Inflationsziele und niedrigen Zinssätze, dann stellen wir fest, dass wir trotz all dieser Schwierigkeiten unsere Probleme bewältigen und unsere Ziele erreichen können. Deshalb möchte ich die Kommission auffordern, gezielt die Umsetzung ihres 10-Punkte-Plans zu verfolgen und die Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen. Seit Einführung des Euro sind fast zwölf Millionen Arbeitslätze entstanden. Bitte fördern Sie das Unternehmertum. Sorgen Sie dafür, dass die Schaffung eines Arbeitsplatzes das Gewinnträchtigste ist, was ein Bürger der Europäischen Union tun kann. So können Armut und Not überwunden werden.
Dariusz Rosati (PSE). – (PL) Herr Präsident! Unsere Aussprache findet vor dem Hintergrund einer sich weiter vertiefenden Krise an den Finanzmärkten, einer Verlangsamung des Wachstums und steigender Inflation statt. Daher ist es umso wichtiger, die in der Lissabon-Strategie vorgesehenen Strukturreformen voranzutreiben. Um uns den Herausforderungen der Globalisierung erfolgreich stellen zu können, müssen wir eine wissensbasierte Wirtschaft aufbauen und in die Bildung und die Entwicklung von Humankapital investieren. Wir müssen ferner den Arbeitsmarkt modernisieren, das „Flexicurity“-Modell verallgemeinern und die Erwerbstätigkeit in den europäischen Ländern erhöhen. Kurz gesagt, Herr Kommissar, über Europas Zukunft entscheiden Wissen und Arbeit. Das sind gleichzeitig die besten Waffen gegen Armut und Ausgrenzung.
Es ist gut, dass diese beiden Faktoren in den Dokumenten der Kommission eine Rolle spielen. Die Kommission kann bei ihren Bemühungen um die Förderung von Entwicklung, Wissen und Beschäftigung auf die Unterstützung des Parlaments zählen. Die Freisetzung des Potenzials europäischer Unternehmer wird von großer Bedeutung für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sein. Insbesondere gilt das für kleine und mittlere Unternehmen, die über zwei Drittel des BSP der Union erwirtschaften. Mit großer Ungeduld erwarte ich die Verabschiedung der Charta für Kleinunternehmen durch die Kommission sowie von Maßnahmen zur Senkung des Verwaltungsaufwands um 25 % bis 2012.
Herr Präsident, die Schwäche der vorgelegten Dokumente besteht darin, dass sie es versäumen, die Ursachen für die schleppende und ungleichmäßige Umsetzung der Lissabon-Strategie in verschiedenen Bereichen zu analysieren. Wir wissen nicht, wieso die Ausgaben für Forschung und Entwicklung so langsam ansteigen. Wir wissen nicht, weshalb die Arbeitsmärkte „Outsider“ noch immer diskriminieren. Wir wissen nicht, wieso sich die Fortbildung nicht wie geplant entwickelt. Ebenso wenig wissen wir, wieso die Öffnung des Dienstleistungsgewerbes und der Netze auf Widerstand stößt. Die Dokumente der Kommission geben auf diese und viele andere Fragen keine Antwort.
Herr Kommissar, wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken! Die besten Maßnahmen bleiben wirkungslos, wenn ihnen keine entsprechende Diagnose vorausgeht. Ich fordere die Kommission auf, uns eine stichhaltige Erklärung für die Verzögerungen bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie zu geben.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Der Entschließungsantrag umfasst 59 Ziffern und folglich zahlreiche Botschaften. Ich verweise insbesondere auf die Ziffern 20 und 21 über die Bedeutung des Mittelstands, die Ziffern 29 und 30 über die Wettbewerbsfähigkeit und die Bedeutung des Binnenmarktes und die Ziffern 42 und 43 über die Notwendigkeit, die Reform des Arbeitsmarktes voranzutreiben. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem die Bedeutung der Flexibilität hervorheben, und zwar nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmer. Das ist ein Konzept, das die Linke einfach nicht versteht, weshalb wir uns auch heute wieder einige ihrer typischen veralteten Ansichten anhören mussten.
Ich möchte die Kommission und den Rat aber bitten, die Einzelheiten dieses Dokuments einmal außer Acht zu lassen und das Dokument insgesamt zu betrachten. Vor allem bitte ich sie, es mit anderen Entschließungen zu vergleichen, die das Parlament in der Vergangenheit im Vorfeld von Frühjahrstagungen angenommen hat. Dann wird eines hoffentlich deutlich, dass dieser Entschließungsantrag nämlich in vielerlei Hinsicht, wenn auch leider nicht in jeder Beziehung, wesentlich energischer ist als seine Vorgänger. Er bestätigt, wie die Lissabon-Strategie nach Ansicht des Parlaments weiter verfolgt werden sollte; ja er bekräftigt diese Vorstellung ganz energisch. Als Entschließung ist diese im Wortsinne sehr entschlossen.
Deshalb fordere ich die Kommission und den Rat auf, ihrerseits Entschlossenheit zu beweisen und nicht länger zu zögern, damit wir das nächste Mal, wenn das Parlament einen Entschließungsantrag zu diesem Thema vorlegt, in der Lage sind, allen Beteiligten zu echten und messbaren Fortschritten zu gratulieren, anstatt noch entschiedener darauf zu verweisen, was noch alles zu tun ist. Das ist die Herausforderung, und das ist die zentrale Botschaft, die wir mit unserer morgigen Abstimmung aussenden werden.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Herr Präsident, verehrte Mitglieder der Kommission! Die Europäische Union ist nicht nur ein wettbewerbsbasierter gemeinsamer Markt, sondern wir müssen auch gemeinsam ein soziales Europa aufbauen.
Es geht darum, vor dem Hintergrund der Globalisierung, des demografischen Wandels und der ökologischen Aufgabenstellungen die Lebensqualität in Europa zu verbessern. Mit der Schaffung neuer hoch qualifizierter und gut bezahlter Arbeitsplätze und durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum empfiehlt sich die Lissabon-Strategie ebenfalls als ein Instrument für die Errichtung eines neuen sozialen Europa.
Das soziale Europa sollte einen allseitigen Zugang zu Gesundheitsfürsorge und Sozialversicherungsleistungen und den Zugang zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen garantieren sowie den sozialen Zusammenhalt durch den effizienten Einsatz der Struktur- und Kohäsionsfonds verbessern. Außerdem sollte die regionale Entwicklung eine der Schwerpunktaufgaben für den Zeitraum 2008-20010 bleiben.
Es ist erwiesen, dass die Informationstechnologie und die Kommunikationstechnik zur Steigerung der Arbeitsproduktivität beitragen. Heute nutzen wir Computersysteme und elektronische Kommunikationsnetze in den Bereichen Verkehr, Finanzdienstleistungen, öffentliche Dienstleistungen, Bildung und Gesundheitsfürsorge.
Aus den Gemeinschaftsstatistiken zur Innovationsfähigkeit aus dem Jahre 2004 geht hervor, dass in Bulgarien, Rumänien und der Slowakei Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten über 36 % ihres Einkommens durch den Verkauf von innovativen Produkten und Dienstleistungen erwirtschaft haben. Trotzdem müssen wir jetzt mehr in die wissensbasierte Wirtschaft investieren und die Investitionstätigkeit in den Bereichen Forschung und Innovation, vor allem in der angewandten Forschung, ankurbeln. Das sollte in allen Mitgliedstaaten im Vordergrund stehen. Die in Technologieparks und Universitäten zu verzeichnenden Investitionen in Forschung und Innovation sollten durch fiskalische Maßnahmen gefördert werden, um so den Anteil privater Investitionen in der Forschung zu erhöhen.
Wir müssen verstärkt in die Bildung investieren und die tertiäre Bildung und lebenslange Ausbildung fördern. Ziel der Lissabon-Strategie ist ein Europa auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit und menschenwürdiger Arbeit. Wirtschaftliche Sicherheit für alle Europäer, soziale Integration, der Aufbau von Einrichtungen der Kinderbetreuung, die Gleichstellung der Geschlechter und die Schaffung einer sozialen Marktwirtschaft werden dafür sorgen, dass sich die Union zu einen wirtschaftlichen und sozialen Vorbild im globalen Kontext entwickelt.
Karsten Friedrich Hoppenstedt (PPE-DE). – Herr Präsident! Geld gehört nun einmal zur Entwicklung Europas dazu. Deswegen lassen Sie mich auf die Finanzsituation zurückkommen, auf die Finanzmärkte und die bisher bekannten Turbulenzen.
Jeder kennt die Situation vieler Banken in Europa – von US-Banken ganz zu schweigen – und den großen Einsatz der Europäischen Zentralbank zur Aufrechterhaltung des Funktionierens der Finanzmärkte. Deshalb gehören zur Justierung der Grundausrichtung bis 2010 natürlich auch die notwendige forcierte Zusammenarbeit mit allen globalen Marktteilnehmern, um unsere europäische Finanzwirtschaft vor weiteren Attacken von außen besser zu schützen, sowie bessere Regeln beim Rating bei abgestimmter Aufsicht mit viel Transparenz und die Wiederherstellung des Vertrauens der Banken untereinander und des Vertrauens der Anleger.
Warum müssen wir intensiver den Dialog mit anderen globalen Marktteilnehmern, im Besonderen aber mit den USA, suchen? Die US-Wirtschaft ist in den letzten sieben Jahren um 4,2 Billionen an Wert gewachsen, die Gesamtkredite aber um 21,3 Billionen. Das ist ein um 350 Prozent überhöhter Verschuldungsgrad gegenüber dem Bruttoinlandsprodukt. Die Geldpolitik, die zu dieser gewaltigen Überschuldung geführt hat, soll leider fortgesetzt werden. Da werden aggressiv die US-Leitzinsen verringert und dadurch Geld in die Finanzinstitute gepumpt. Die Folgen sind fortschreitende Geldentwertung, damit Verringerung der Kaufkraft der Haushalte und eine schwer steuerbare Stagnation mit möglichen erheblichen Auswirkungen auf Europa. Diese geldpolitischen Methoden haben wesentlich die letzte Krise verursacht.
Europa und alle globalen Marktteilnehmer müssen die nächste Welle einer Krise frühzeitig gemeinsam bekämpfen, damit wir nicht von einem echten Tsunami überrollt werden, und damit nicht viele Bemühungen um das Erreichen der Lissabon-Ziele zerstört werden.
Μargaritis Schinas (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich denke, wir sollten anerkennen, dass die vom Lissabon-Zyklus eingeleiteten Reformen bisher drei positive Elemente aufweisen:
- Erstens haben selbst die argwöhnischsten Regierungen damit begonnen, die den Reformen zugrunde liegende Philosophie aufzugreifen, und können erste zögerliche Ergebnisse vorweisen;
- Zweitens – und dafür sollten wir der Kommission Anerkennung zollen – ist die neue Strategie zielorientierter. Das Weihnachtsbaumprinzip, bei dem alles in einen Reformrahmen gezwängt wurde, wurde aufgegeben.
- Das dritte positive Element besteht darin, dass europäische Flaggschiffprogramme wie Galileo und das EIT im Mittelpunkt der neuen Strategie stehen. An dieser Stelle möchte ich die Anwesenheit des slowenischen Ministers nutzen und ihn bitten, bei seinen Kollegen darauf hinzuwirken, dass das Dossier Galileo rasch abgeschlossen wird, damit wir die beträchtlichen für dieses Programm vorgesehenen Mittel einsetzen können.
Außerdem müssen wir uns auch ganz nüchtern mit zwei negativen Elementen auseinander setzen, und zwar handelt es sich dabei um folgende Mängel:
- Erstens sind sich die Bürger des Geistes von Lissabon leider nicht bewusst, und sie überwachen den Prozess nicht und treiben ihn nicht voran. Das Problem besteht darin, dass Lissabon nach Ansicht der Bürger etwas mit Organisationen und nicht dem Einzelnen zu tun hat. Wir müssen sie davon überzeugen, dass dieser Prozess sie selbst betrifft;
- Der zweite Mangel betrifft den Überwachungsmechanismus. Wie können wir kontrollieren, ob die Mitgliedstaaten ihre Zusagen im Rahmen des Reformzyklus auch einhalten? Ich fürchte, das Problem besteht darin, dass die Überwachung zu einem vom politischen Handeln abgekoppelten Austausch von Schreiben zwischen Beamten in Brüssel und in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten degeneriert ist.
Selbst wenn wir die Reformen genehmigen, müssen wir meines Erachtens die Politik wieder in den Mittelpunkt der Überwachung stellen. Die umfangreiche bürokratische Korrespondenz muss aufhören.
Zsolt László Becsey (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank Herr Präsident! Ich möchte eingangs zwei kurze Bemerkungen zum Lissabon-Prozess machen. Erstens müssen wir mehr arbeiten, und zwar fast so viel wie die Amerikaner. Und die andere Sache ist die, dass der Lissabon-Prozess nur dann Sinn hat, wenn Sanktionen an ihn geknüpft sind so wie bei einem unverhältnismäßigen Defizit.
Die zweite Bemerkung betrifft die Richtlinien. Aus der Sicht der neuen Mitgliedstaaten wünsche ich mir, dass wir unseren Überlegungen nicht nur neoliberale Indikatoren zugrunde legen, sondern etwas mehr Distanz wahren. Denn was nützt uns eine Rate von 0 % beispielsweise in Bezug auf das Defizit oder die Inflation, wenn sich die Qualitätsindikatoren verschlechtern? Bei Depressionserkrankungen ist eine Zunahme zu verzeichnen, während bei Neugründungen von Unternehmen und Familien die Tendenz rückläufig ist. Es gibt viele weitere Beispiele. Die Sache ist leider wesentlich ernster.
Was beispielsweise die Reform der großen Vertriebssysteme betrifft, so müssen hier erforderlichenfalls Kürzungen vorgenommen werden. Noch wichtiger ist die Frage, was mit der Gesundheitsförderung passieren wird oder ob die Bildung auf den Arbeitsmarkt abgestimmt ist, ob, anders ausgedrückt, Absolventen des Bildungssystems sofort in der Praxis einsetzbar sind und ob eine größere Betonung auf die berufliche Bildung gelegt wird und mehr Möglichkeiten für eine solche Bildung geschaffen werden. Mit anderen Worten, wir müssen auch in diesem Kontext Qualitätskriterien einsetzen und nicht einfach den Rotstift ansetzen.
Ein dritter Punkt betrifft die Statistik. Ich wünsche mir, dass wir zur Erfassung bestimmter Parameter nicht nur das BIP verwenden, sondern auch das BNE. Das Geld fließt in Form von Dividenden aus den neuen Mitgliedstaaten ab, und trotzdem, so heißt es, weist ihr BIP einen Zuwachs auf. Wir sollten uns wirklich anschauen, was im Land verbleibt.
Hinsichtlich des Stabilitäts- und Wachstumspaktes stellt sich die Frage, wofür wir Rabatte vorsehen? Schließlich geht es in einer aufstrebenden Volkswirtschaft nicht darum, dass 5 % oder 6 % oder über 3 % auf F&E entfallen, wenn man bedenkt, dass in ihrem Fall die Hauptaufgabe darin besteht, den Anschluss an Europa zu schaffen; wir sollten sie für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung des Zusammenhalts belohnen.
Ein weiterer Aspekt, der meines Erachtens in diesem Bericht zu kurz kommt, ist die Erfassung der Schwarzwirtschaft. In meinem Heimatland macht sie etwa 30 % aus. Auch diesem Aspekt müssen wir Aufmerksamkeit schenken. Und schließlich müssen wir die vier Freiheiten gleichmäßig umsetzen, und wir sollten vermeiden, dass sich jemand die Rosinen herauspickt und beispielsweise dem Kapital Zugang gewährt, aber ansonsten im Bereich Dienstleistungen gegenüber den neuen Mitgliedstaaten mauert. Vielen Dank.
Jacques Toubon (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Diese Entschließung zur Erneuerung der Strategie von Lissabon steht in voller Übereinstimmung mit dem Bericht, den unser Parlament letzten Oktober auf der Grundlage meines Vorschlags zur künftigen Strategie für den Binnenmarkt verabschiedet hat.
Zunächst möchte ich Marianne Thyssen und Klaus-Heiner Lehne sowie allen ihren Kollegen der Koordinierungsgruppe dafür danken, dass sie eine Entschließung erarbeitet haben, die durch hohe Ausgewogenheit und Berücksichtigung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten unserer Union geprägt ist.
Lassen Sie mich insbesondere die Vorschläge hervorheben, die sich auf die Bedeutung der sozialen Rechte, die Vereinbarkeit zwischen wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und dem Sozialmodell beziehen, und diesbezüglich feststellen, dass wir natürlich weiter gehen und die Bestimmungen zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse annehmen müssen.
Hervorheben möchte ich ebenfalls, was im Bericht zum geistigen Eigentum gesagt wird. Dies ist eine starke Waffe für die Europäische Union sowie für die KMU. Die in diese Entschließung eingebrachte internationale Dimension ist eine Neuheit, die natürlich notwendig ist, denn es ist der Binnenmarkt, der den 500 Millionen europäischen Bürgern eine Position der Stärke im Rahmen der Globalisierung verleiht.
Zum Schluss noch eine kurze Frage zur Methode. Ich bin mir nicht sicher, ob die gegenwärtig praktizierte Methode der offenen Koordinierung die wirksamste ist. Ich meinerseits denke, dass wir bei einer Reihe von Bereichen der Lissabonner Strategie zu wirklichen gemeinsamen Politiken, zu wirklichen Gemeinschaftspolitiken übergehen müssen, wenn wir künftig erfolgreich sein wollen.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Was wurde bisher getan, um die Steuerlast der Unternehmen zu senken? Anstatt Steuern zu senken, wird für alle denkbaren Schulungsprogramme mit zweifelhaften Ergebnissen Geld ausgegeben.
Heute zeichnen sich neue Probleme für die europäische Integration ab, neue Fragen, die gelöst werden müssen, wie Umweltschutz, Klimawandel und erneuerbare Energiequellen. Die Ausgewogenheit von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung muss in einen größeren und nicht nur in einen rein wirtschaftlichen Zusammenhang gestellt werden. Sie ist auch unter sozialen, kulturellen und ökologischen Gesichtspunkten zu betrachten. Da wir über ein Drittel unseres Lebens am Arbeitsplatz verbringen, müssen wir uns neben dem Lohnniveau auch Fragen wie dem Wohlbefinden, der Sicherheit, der Solidarität und der Würde des Einzelnen widmen.
Mein nächster Punkt betrifft die Auswirkungen der Liberalisierung des Energiemarktes. Die anhaltende Tendenz zu höheren Energiepreisen in Verbindung mit der wachsenden Bedrohung des Klimas macht deutlich, dass die Energieeffizienz im weitesten Sinne gefördert werden muss. Erneuerbare Energiequellen, saubere Verbrennungstechnologien, Kernkraft, eine ausgewogene Energieversorgung und die Entwicklung der europäischen Infrastruktur sind die Grundfragen, mit denen wir uns in den nächsten Jahren auseinander setzen müssen.
Nachdem wir einen gemeinsamen Markt für Waren errichtet haben, müssen wir uns jetzt auf die Verbesserung der Funktionsweise des Dienstleistungsmarktes konzentrieren. Wir müssen die Integration durch konsequente gemeinsame Verwirklichung und Umsetzung der beschlossenen Regelungen und den Abbau aller Hemmnisse für die Vermarktung von Dienstleistungen beschleunigen.
Abschließend hoffe ich, dass der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung neue Leitlinien für die nächsten drei Jahre beschließen wird, in die die in der heutigen Aussprache geäußerten Ansichten und Meinungen Eingang finden werden. Fortschritte bei der Abschaffung von Richtlinien, die der Entwicklung der EU-Mitgliedstaaten nicht dienen, sind ein Grundanliegen.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Schlagworte sind gut für die politische Diskussion, es darf allerdings dann nicht bei diesen Schlagworten bleiben. In der Mitteilung der Kommission über die integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung, im gemeinsamen Entschließungstext der fünf Fraktionen zum Europäischen Frühjahrsgipfel des Jahres 2008 und im Bericht Starkevičiūtė wird jeweils ein hohes Lied auf die fünfte Freiheit gesungen, die Freiheit des Wissens, die die vier bisher bekannten Freiheiten – des Warenverkehrs, der Dienstleistungen, der Menschen und des Kapitals – ergänzen und auf derselben Stufe stehen soll. Dazu fällt mir ein klassisches Zitat ein: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Seit Jahren hören wir nämlich dieses Schlagwort von der wissensbasierten Gesellschaft. Jetzt greifen wir es wieder auf. Aber wenn es konkret wird, hört man ganz andere Botschaften.
Wir haben uns in den letzten Jahren immer wieder um die Frage gekümmert, ob und wie weit die Europäische Union beim Thema Wissen und Wissenschaft mehr Zuständigkeiten haben sollte. Immer ist das Argument gekommen: Das ist etwas, was sich die Mitgliedstaaten nicht nehmen lassen dürfen, das ist ihr heiliges Reservatsgebiet. Gleiches haben wir immer wieder beim Thema Budget gehört. Wann immer wir über Budgetfragen – langfristige oder kurzfristige – beraten und beschlossen haben, hat es geheißen, wir müssen sparen, und am vernünftigsten beginnen wir mit dem Sparen beim Kapitel Bildung, Ausbildung und Wissenschaft.
Vizepräsident Verheugen hat vorhin die bedauerlichen Zahlen zum Thema Forschung und Entwicklung angesprochen. Ich habe in Erinnerung, dass man versucht hat, immer wieder zu kürzen, gerade auch bei den wissenschaftlich wichtigen Austauschprogrammen. Ich meine, dass dieser Zugang daher falsch ist.
Wir brauchen neue Instrumente, und wir brauchen neue finanzielle Mittel. Ein ganz konkreter Vorschlag: Zehn Prozent aller jungen Menschen zwischen 15 und 25 sollten ein halbes Jahr im europäischen Ausland studieren. Das würde mehr Wissen und mehr Flexibilität und lustvolles Lernen bringen!
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident, Herr Minister, Herr Kommissar! Ich bin davon überzeugt, dass der Klimawandel der Faktor ist, der derzeit die Umsetzung der Lissabon-Strategie am nachhaltigsten beeinflusst. Und ich teile Ihre Ansicht, Herr Kommissar, dass die derzeitige Strategie der Europäischen Union darin besteht, Verschmutzung und Emissionen zu exportieren und Arbeitslosigkeit zu importieren.
Wir müssen in dieser Sache, für die wir eine sehr große Verantwortung tragen, mit gutem Beispiel vorangehen. Wir müssen auch andere überzeugen, damit wir damit nicht allein bleiben. Wir müssen den Kampf gegen den Klimawandel in eine Quelle der Entwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit verwandeln. Das ist möglich, aber dazu müssen mehr Mittel vor allem für den Bereich Technologie bereitgestellt werden. Folglich sollte der Haushalt neu überdacht werden. Sie, Herr Kommissar, sind in dieser Sache der beste Ansprechpartner: Wir müssen den Haushalt ab 2009 überarbeiten.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte mehrere Aspekte ansprechen. Erstens sollte die effiziente allgemeine und berufliche Bildung junger Menschen eine Priorität der EU darstellen. Es wird nur mit mobilen, flexiblen und vor allem in technischen Disziplinen qualifizierten Menschen möglich sein, den kontinuierlichen wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt der Union zu sichern.
Zweitens muss die Finanzierung der wissenschaftlich-technischen Forschung und Entwicklung ergebnisorientiert erfolgen. Für diese Ergebnisse muss die Industrie bezahlen, wobei finanzielle Unterstützung aus den Staatshaushalten bereitgestellt werden sollte.
Drittens muss die Union das Modell einer Informationsgesellschaft entwickeln und bestmögliche Bedingungen für die Förderung der Gründung und Entwicklung innovativer Unternehmen und die Gestaltung einer neuen Technologien und technischen Prozessen gegenüber aufgeschlossenen Wirtschaft schaffen.
Viertens müssen die in Europa Beschäftigen ihre Effizienz und Produktivität steigern.
Parallel dazu müssen wir fünftens die soziale Ausgrenzung bekämpfen, indem wir den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung gewährleisten, die Diskriminierung am Arbeitsmarkt bekämpfen und sowohl vorbeugende als auch therapeutische Maßnahmen gegen die Drogensucht ergreifen.
Inés Ayala Sender (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte meiner Verwunderung über die Tatsache Ausdruck geben, dass die von der Kommission festgelegten zehn Ziele für die neue Phase nicht die Empfehlung des Europäischen Parlaments vom letzten Jahr berücksichtigen, in der es um eine bessere Integration des Verkehrssektors, der Logistik und der transeuropäischen Netze in die Strategie von Lissabon geht.
Da ich nicht glauben kann, dass sich die Kommission nicht der Bedeutung dieses Aspekts der Wettbewerbsfähigkeit bewusst ist – denn im Rahmen der Globalisierung stellt die Logistik wirklich einen größeren Kostenfaktor für die Industrie dar als die Arbeit, ganz zu schweigen von der zusätzlichen Herausforderung, vor die uns der Klimawandel stellt –, vertraue ich darauf, dass die Kommission dieses Mal die Ziffern 27 und 16 über Galileo und die Innovation zur Kenntnis nehmen wird, sodass wir die positive Synergie, die der Prozess von Lissabon zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten schafft, in vollem Umfang nutzen können, um die europäischen Pläne für ein nachhaltiges Verkehrswesen, für Logistik und die transeuropäischen Netze voranzubringen, insbesondere in den grenzüberschreitenden Abschnitten, die stets übersehen werden.
Was den Rat angeht, so bitte ich die Präsidentschaft ebenfalls, Ziffer 27 zu berücksichtigen, die die Mitgliedstaaten drängt, die grundlegenden Verkehrs- und Logistikaspekte in ihre nationalen Pläne aufzunehmen, wobei sie ein angemessenes, d. h. großes Gewicht auf die Entwicklung der transeuropäischen Netze legen müssen.
Emanuel Jardim Fernandes (PSE). – (PT) Herr Almunia hat in seiner Rede erklärt, dass in den letzten drei Jahren ein höheres Wachstum verzeichnet wurde und dass in Bezug das Funktionieren des Marktes, die sozialen Reformen, die öffentlichen Finanzen und die umweltpolitische Komponente Verbesserungen sichtbar sind. Dem kann ich beipflichten. Ich stimme zu, dass diese Verbesserungen vor allem auf einen besseren Dialog und eine bessere Einbeziehung der Mitgliedstaaten zurückzuführen sind, wie wir vergangene Woche auf der gemeinsamen Sitzung des Europäischen Parlaments und der Parlamente der Mitgliedstaaten eingeräumt haben.
Herr Kommissar, ich möchte Ihnen folgende Frage stellen: Könnten wir nicht das Wachstumstempo erhöhen, wenn wir die Regionen zu einer stärkeren Mitwirkung anhalten würden? Oftmals sind es doch die Regionen, die die Fonds nutzen, und auch die Effizienz der Lissabon-Strategie spielt hier eine Rolle. „Mister Lissabon“ war auf der Ebene der Staaten positiv und förderlich. Auch wenn die Verantwortlichkeit bei den Mitgliedstaaten liegt, wäre es nicht dennoch möglich, einen „Mister Lissabon“ auf regionaler Ebene anzuregen?
Žiga Turk, amtierender Ratspräsident. − (SL) Herr Präsident, meine Herren Kommissare Almunia und Verheugen, meine Damen und Herren! Vielen Dank für diese Aussprache. Die Lissabon-Strategie ist eine Strategie für Reform und Modernisierung. Sie erfordert Zusammenarbeit, Unterstützung und Ideen von allen, die an dem gemeinsamen Ziel mitwirken, und ich bin sehr dankbar für Ihre fundierten Äußerungen.
Erstens wurde ganz allgemein die Wirksamkeit der Lissabon-Strategie erörtert. Einige Abgeordnete, wie Herr Andersson, betrachteten sie als wirksam, andere – und es waren nicht wenige – dagegen nicht. Dies zeigt, dass es innerhalb der Europäischen Union ein breites Spektrum an politischen Ansichten gibt. Frau Starkevičiūtė fragte nach den Prioritäten der Lissabon-Strategie und inwiefern sie deutlich genug dargestellt worden seien. Die Antwort gab eigentlich Herr Harbour, der sagte, das Lissabon-Programm der Gemeinschaft stelle ein ausgezeichnetes Bündel von Prioritäten dar.
Viele Fragen bezogen sich auf die Integrierten Leitlinien und darauf, ob sie aktuelle Probleme gelöst haben. Wie ich bereits sagte, haben auch wir uns darüber Gedanken gemacht und sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass wir in dieser Richtung weiterarbeiten und die Kontinuität und vor allem das Tempo der Umsetzung der Lissabon-Strategie beibehalten müssen. Ich habe mich gefreut, dass einige Fraktionen und Abgeordnete des Parlaments dies ebenso sahen. Wie Herr Leinen, Herr Harbour und Frau Herczog betonten, kommt es auf die Umsetzung an und nicht auf Ideen, vor allem in einer Zeit, in der die optimistische Einstellung gegenüber der europäischen Strategie abnimmt.
Es wurden weitere gute Ideen zum Verfahren vorgebracht, zum Beispiel der Austausch bewährter Verfahrensweisen, die territoriale Dimension und die Ausweitung der Lissabon-Strategie über den Rahmen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten hinaus, möglicherweise auf niedrigere Ebenen. Die Lissabon-Strategie dehnt sich auch auf globaler Ebene aus.
Was Forschung und Entwicklung anbelangt, stimmten Sie zu, dass darin die Zukunft Europas liegt. Mir gefiel der Hinweis von Frau Herczog, Herz und Kopf würden ebenso gebraucht wie Zahlen. Ich verstehe Ihre Unterstützung für die fünfte Freiheit und das damit zusammenhängende europäische Patent. Wir nehmen die Warnung zu den Talenten in Europa ernst. Es müssen gute Bedingungen für begabte Menschen in Europa geschaffen werden. 700 000 der besten europäischen Forschungsingenieure sind heute im Ausland. Wir müssen uns bemühen, sie wieder zurückzulocken, denn sieben von zehn, die in die USA gehen, bleiben dort. Ein Studienaufenthalt im Ausland sollte unterstützt werden.
Was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angeht, sprachen sich einige von Ihnen für einen Binnenmarkt ohne Protektionismus aus. Das bedeutet, der Wettbewerbsvorteil Europas liegt in einem effizient arbeitenden Markt. Mir gefallen die Gedanken zur Unternehmenskultur, vor allem die Förderung des Unternehmergeistes, der Gedanke, dass die Gründung eines neuen Unternehmens oder die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes das Beste ist, was man tun kann. Wir müssen sicherlich viele Dinge in diesem Bereich verbessern, vor allem hinsichtlich der Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen und ihres Zugangs zu Finanzen und Forschungsinfrastruktur. Frau Kauppi und Frau Starkevičiūtė haben über dieses Thema berichtet.
Beschäftigung und die gesamte soziale Dimension waren Hauptthemen vieler Debatten. Ich halte die Lissabon-Strategie nicht für neoliberal. Im Gegenteil, Europas Sorge um den Menschen und die Umwelt bilden zwei der vier Hauptpfeiler der Lissabon-Strategie.
Ausgelöst von Herrn Goebbels und Frau Vălean, wurde auch über die „Flexicurity“ diskutiert. Doch wie jemand sagte, wenn wir sie nicht einführen, werden die Arbeitgeber auf andere Beschäftigungsformen zurückgreifen, die sehr flexibel, aber weitaus weniger hinnehmbar für die Arbeitnehmer sind. Das wirtschaftliche Umfeld ist zudem nicht darauf angelegt, Sicherheit zu fördern, das System der flexiblen Sicherheit bietet sie jedoch.
Die Vorschläge für neue Indikatoren sind interessant und beziehen sich auf die Indikatoren der OECD zur Lebensqualität. Künftig gilt es auch zu erörtern, wie die Lissabon-Strategie bewertet werden kann.
Viel wurde über die Umwelt gesagt. Wir sind uns meines Erachtens bewusst, dass hier, wie jemand sagte, eine „Win-Win-Situation“ für Europa erreicht werden muss. Das Problem besteht darin, den übrigen Teil der Welt davon zu überzeugen, sich unseren Bemühungen anzuschließen, einen Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft zu erreichen, auch wenn wir durch unser Vorbild sicher dazu beitragen können.
Wir haben einen ausgezeichneten Gesprächspartner auf dem Gebiet der Finanzmärkte und der Steuerpolitik. Ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie nicht gleich zu Beginn wahrgenommen und begrüßt habe. Kurz gesagt, wir haben wichtige Informationen gewonnen. Ich möchte Frau Starkevičiūtė für den Bericht und Herrn Lehne sowie Frau Harms für den Entschließungsentwurf danken. Wir haben ihn bereits geprüft. Auch die endgültige Fassung werden wir sorgfältig durchsehen.
Die in diesem Parlament geäußerten Standpunkte sind vielfältig, doch mir scheint, sie weisen in die gleiche Richtung wie die Lissabon-Dokumente, also das Gesamtpaket. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und mit Erfolg eine neue Phase einleiten werden, um die derzeitigen Herausforderungen zu bewältigen, und dass die Botschaft dieser neuen Phase nicht einfach die des kleinsten gemeinsamen Nenners sein wird, auf den wir uns einigen können.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Herr Präsident! Lassen Sie mich noch ein paar ganz kurze Hinweise geben. Unsere Strategie für Wachstum und Beschäftigung, auch Lissabon-Agenda genannt, ist doch in Wahrheit nichts anderes als der Versuch einer möglichst intelligenten Kompensation der Tatsache, dass wir keine gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union haben und – wir befinden uns gerade im Ratifizierungsprozess für einen neuen Vertrag – auch auf der neuen Vertragsgrundlage keine gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik haben werden. Die Aufforderung von Herrn Toubon war deshalb gut gemeint, aber im Augenblick wohl nicht realistisch. Wir haben gar keinen anderen Weg als den der Partnerschaft zu gehen, um die 27 dazu zu bringen, gemeinsam mit den Gemeinschaftsinstitutionen das zu tun, was notwendig ist, um auf mitgliedstaatlicher Ebene und auf der europäischen Ebene unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Ist es wirklich unser Ziel, im Jahre 2010 weltweit die – was auch immer – dynamischste, wettbewerbsstärkste, beste Region zu sein? Schon im Jahr 2004 haben der Rat, das Parlament und die Kommission gesagt: Dieses im Jahr 2000 festgelegte Lissabon-Ziel wird nicht erreicht. Das ist nichts Neues, dass wir das nicht erreichen. Das wissen wir seit 2004. Darum haben wir 2005 eine völlig überarbeitete Strategie vorgelegt, in der dieses Datum nicht mehr vorkommt. Man sollte deshalb die Wachstums- und Beschäftigungspolitik, die wir heute haben, nicht an Zielen messen, die im Jahr 2000 formuliert worden sind und von denen wir wissen, dass sie nicht erreichbar sind. Ich sage Ihnen meine persönliche Meinung dazu. Es kommt für mich nicht darauf an, dass wir irgendwann besser sind als irgendwer. Für mich kommt es darauf an, dass wir so schnell wie möglich gut genug sind, um die gesellschaftlichen Ziele zu erreichen, die wir in Europa gemeinsam erreichen wollen. Das heißt: hoher Lebensstandard für alle unsere Bürgerinnen und Bürger, hohes Maß an sozialer Sicherheit für alle unsere Bürgerinnen und Bürger, hoher Umweltstandard für ganz Europa und Wahrnehmung der Verantwortung, die wir global haben. Das sind unsere großen gesellschaftlichen Ziele. Um das tun zu können, brauchen wir eine starke und stabile ökonomische Basis, und genau die soll mit dieser Strategie erreicht werden.
Herr Rosati hatte, wie ich finde, mit Recht nach den Defiziten gefragt. Wenn er die Länderberichte und auch unsere Empfehlungen aufmerksam liest, dann sieht er schon, wo wir die Defizite sehen, und dass wir sie genau da sehen, wo er sie auch genannt hat. Ich will ihm die Antwort geben. Warum ist lebenslanges Lernen in Europa noch nicht so verwirklicht, wie es sein soll? Warum haben wir überall in Europa nicht so viel moderne Infrastruktur, wie wir haben sollten? Warum sind Forschung und Entwicklung, Bildung und Ausbildung nicht der Schwerpunkt, der sie eigentlich sein müssten? Nun, einfach deshalb, weil die finanziellen Prioritäten heute in vielen Mitgliedstaaten und auch auf der Ebene der Gemeinschaft – wie Sie alle wissen – noch anders gesetzt werden. Wenn wir uns gemeinsam vornehmen, an der Veränderung dieser Prioritäten zu arbeiten, wäre das gut. Das setzt aber voraus – ich sage das nicht nur, weil der Makroökonom der Kommission und große Stabilitätspolitiker neben mir sitzt, sondern weil ich fest davon überzeugt bin –, dass wir einen stabilen und soliden makroökonomischen Rahmen haben. Dazu gehört zum Beispiel an erster Stelle die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Ohne solide Staatsfinanzen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird es nicht möglich sein, neue Prioritäten bei den Investitionen zu setzen.
Zu den Leitlinien: Ich habe schon verstanden, was hier die Bedürfnisse sind, und die Kommission wird das Gespräch darüber mit dem Parlament auch gerne fortsetzen. Ich möchte nur einen Hinweis geben. Diese Leitlinien sind ja an sich kein politisches Programm. Sie sind kein Aktionsprogramm, sondern die Leitlinien sind – wenn Sie so wollen – die philosophische, die intellektuelle Grundlage für die nationalen Reformprogramme und für das gemeinschaftliche Lissabon-Programm. Das sage ich in voller Überzeugung. Die Leitlinien erlauben so, wie sie heute formuliert sind, in der praktischen Realisierung in den nationalen Reformprogrammen und im gemeinschaftlichen Lissabon-Programm alles das zu tun, was hier von verschiedenen Seiten im Parlament gewünscht worden ist.
Die sehr konkrete Aufforderung des Abgeordneten Olle Schmidt an den Kollegen Almunia und mich, einen bestimmten Vorgang in Schweden zu prüfen, erfüllen wir gerne. Ich will nur eins dazu sagen: Die Kommission unterstützt voll und ganz eine Politik, bei der auch steuerliche Anreize für Unternehmen und Unternehmer dazu verwendet werden, Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist unsere Politik. Wir werden auch in Kürze einen Vorschlag machen, der sich auf reduzierte Mehrwertsteuersätze für dienstleistungsintensive Unternehmen bezieht. Was in Schweden genau passiert ist, wissen Joaquín und ich nicht, aber wir werden uns darum kümmern. Mir scheint, dass hier eher ein technisches Problem zugrunde liegt als ein wirklich prinzipiell politisches, aber wir klären es auf und sorgen dafür, dass der notwendige Dialog geführt wird.
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Herr Präsident! Ich möchte mich kurzfassen. Wenn ich die heutige wirtschaftliche Situation mit der von vor drei Jahren vergleichen soll, als die erneuerte Strategie unter dem Lissabon-Zyklus begann, so gibt es meiner Meinung nach eine Fülle von Informationen, die belegen, dass wir heute in einer besseren Position als vor drei Jahren sind. Es gibt mehr Beschäftigung, eine höhere Produktivität, eine gesündere Steuerlage, wir haben mehr nachhaltige soziale Schutzsysteme, und viele Aktionen sind auf den Weg gebracht.
Wenn Sie jedoch meinen, als Kommissar könnte ich die Schlussfolgerung zu ziehen, dass nichts mehr zu tun bliebe, dann lautet meine unmissverständliche Antwort: Es bleibt sehr wohl noch viel zu tun, viele Dinge müssen weiter vorangebracht werden, und angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftslage mit ihrem Finanzdruck ist es notwendig, das Tempo zu erhöhen. Das habe ich schon zu Beginn gesagt, und ich wiederhole das hier.
Daher möchte ich nicht, dass jemand den Eindruck gewinnt, die Auffassung der Kommission und des Kommissars sei, dass wir völlig zufrieden sind und nichts weiter unternommen werden muss. Den eingeschlagenen Weg fortzusetzen bedeutet, im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon weiterzuarbeiten – wie jemand von Ihnen sagte, und dafür sind wir dankbar –, in den Mitgliedstaaten und Regionen und in anderen Institutionen unterhalb der Ebene der nationalen Regierungen, wie Herr Fernandes erklärte.
Und wenn Sie als Schlussfolgerung aus vielen interessanten Reden, die ich heute Abend hier gehört habe, an mich die Bitte richten, drei Punkte zu benennen, die eindeutig Priorität besitzen, würde ich als Erstes vielen von Ihnen zustimmen, die von der Integration der Finanzdienstleistungen sprachen, dass dies einen entscheidenden Punkt für Europa und die Wirtschafts- und Währungsunion bildet, nicht nur für die Länder in der Eurozone, sondern auch für jene, die ihr in nächster Zukunft beitreten wollen.
Der zweite entscheidende Punkt ist der Klimawandel. Ich will nicht wiederholen, was viele Redner bereits ausgeführt haben. Der dritte Punkt ist die soziale Integration, die zu den Integrierten Leitlinien gehört. Wir können den Bürgerinnen und Bürgern nicht sagen, dass wir uns den Herausforderungen der Globalisierung stellen und wettbewerbsfähiger sein müssen und dass die Funktionsweise unserer Märkte zu verbessern ist, wenn unsere Politik keine Antwort auf einen höheren Grad sozialer Integration gibt, die auch durch wettbewerbsfähigere und produktivere Wirtschaften gewährleistet wird. Wenn die Produktivität nicht steigt, wird es keine qualitativ guten Arbeitsplätze geben, und wenn es keine qualitativ guten Arbeitsplätze gibt, wenn keine beruflichen Entwicklungschancen und keine Systeme des lebenslangen Lernens bestehen, werden auch keine Voraussetzungen für wettbewerbsfähige Wirtschaften vorhanden sein.
Dies ist, sagen wir, die Verknüpfung von wirtschaftlichen und sozialen Aspekten, die von Anfang an Teil der Strategie von Lissabon war, und das tritt jetzt offener zutage als 2005 oder 2000.
Abschließend sei bemerkt, dass ich mit Ihnen übereinstimme – mit Frau Berès und anderen –, wenn es um die Notwendigkeit der Koordinierung der Wirtschaftspolitik geht. Wie Herr Verheugen erklärte, fehlt die Kapazität, um viele Reformen und viele Maßnahmen der Strategie von Lissabon auf europäischer Ebene zu realisieren. Was wir brauchen, ist eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten; Europa hat Instrumente dafür, sie sind in der Strategie von Lissabon enthalten, die eine Übung in wirtschaftspolitischer Koordinierung ist, und sie sind natürlich in der Wirtschafts- und Währungsunion zu finden.
Ich verspreche, diesen Aspekt mit Ihnen speziell ab Mai zu diskutieren, wenn die Kommission einen Bericht und die Leitlinien auf der Grundlage der Analyse vorlegt, die wir über die ersten zehn Jahre der Wirtschafts- und Währungsunion anfertigen.
Margarita Starkevičiūtė, Berichterstatterin. − (LT) Ich möchte etwas zur Koordinierung sagen. Es wurden etliche Vorschläge unterbreitet, wie diese zu erreichen sei. Wenn wir sie alle umsetzen wollten, dann würden wir meines Erachtens damit eine enorme Wirtschaftskrise in der Europäischen Union auslösen.
Das richtige Vorgehen besteht darin, dass wir prioritäre Maßnahmen und Ziele festlegen. Es wird uns nicht gelingen, bis 2010 so, wie in der Lissabon-Strategie vorgesehen, Armut und Benachteiligung zu beseitigen. Es wäre nicht richtig, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der gesamten EU anzukurbeln. Wenn wir die Nachfrage in den neuen Mitgliedstaaten ankurbeln, lösen wir damit eine Wirtschaftskrise und Überhitzung unserer Wirtschaft aus.
Oftmals nehmen wir nicht zur Kenntnis, was unsere Nachbarn tun. Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass das größte Problem in der EU darin besteht, dass nationale Unterschiede nicht berücksichtigt werden und man versucht, zu stark zu harmonisieren. Zur Anregung der individuellen Leistungsbereitschaft bedarf es eines günstigen Umfelds. Ich teile Herrn Verheugens Ansicht, dass die EU-Politik auf Zusammenarbeit und nicht auf Diktatur abstellen sollte.
Ich komme aus der ehemaligen Sowjetunion, wo es eine Vielzahl feststehender Kennziffern gab, von denen jede einzelne erreicht werden musste. Trotzdem waren die Läden leer. Kennziffern sind kein Selbstzweck. Ich lehne auch Pläne ab, denen zufolge der Leistungsempfang die Grundlage des EU-Sozialmodells bilden soll, denn sonst wird sich unsere nächste Diskussion ausschließlich um die Migration drehen. Wir würden uns vor Leistungsempfängern aus der ganzen Welt kaum retten können. Wir sprechen davon, dass es notwendig ist, ein soziales Umfeld in Europa zu schaffen, das es Europäern ermöglicht, Arbeit und ihren Platz im Leben zu finden und sich zu verwirklichen. Meines Erachtens ist das der eigentliche Zweck von Europa und verkörpert das Wesen seines Sozialmodells und des menschlichen Lebens.
Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung zwei Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 20. Februar 2008, statt.
(Die Sitzung wird um 20.00 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – (EN) Das Ziel, bis 2010 eine dynamische und innovative Gesellschaft zu errichten, die für Wachstum und Beschäftigung sorgt, kann nur dann erreicht werden, wenn wir der Armut wirklich den Kampf ansagen und die soziale Dimension berücksichtigen.
Bei aller Neuausrichtung der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie auf einen stärker leistungsorientierten Ansatz dürfen die soziale Integration und Umweltstandards keinesfalls zugunsten der Erreichung wirtschaftlicher Ziele an den Rand gedrängt werden. Die Aussicht auf Schaffung neuer Arbeitsplätze in einer innovationsbasierten Wirtschaft sollte Entwicklungen im Bereich Bildung und Ausbildung mit sich bringen, die für eine bessere und gleichberechtigte Integration der am stärksten gefährdeten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen in der gesamten EU sorgen werden. Investitionen in den Bereichen Innovation, Forschung, Verkehr und Energieeffizienz sollten auf einen echten Nutzen für die europäischen Verbraucher in einer freien und von fairem Handel geprägten Union ausgerichtet sein. Dabei ist zu bedenken, dass das Wirtschaftswachstum kein Selbstzweck ist und dass wirtschaftliche Kennziffern nicht mit dem Wohlergehen der europäischen Bürger verwechselt werden sollten.
Das eigentliche Ziel der Lissabon-Strategie sollte am Ende immer noch die Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürger und künftiger Generationen sein; deshalb brauchen wir eine starke soziale Dimension.
Gyula Hegyi (PSE), schriftlich. – (HU) Wir nähern uns allmählich dem Ende des Zehnjahreszeitraums, in dem sich die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt mit einem soliden sozialen Sicherheitsnetz und vorbildlichen Umweltindikatoren entwickeln sollte.
Es bedarf keiner besonders großen Weitsicht, um festzustellen, dass wir in den nächsten zwei Jahren wohl keine Wunder bewirken können werden. Die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, war zu ehrgeizig, und die Ergebnisse sind recht bescheiden. Wenn wir allerdings berücksichtigen, dass die Europäische Union eine Erweiterung von wahrhaft historischem Ausmaß vorgenommen, Europa geeint, eine gemeinsame Währung geschaffen und für 27 Länder gemeinsame Rechtsvorschriften für zahlreiche Bereiche erarbeitet hat, dann sollten wir über das Erreichte keinesfalls enttäuscht sein.
Hinsichtlich unseres Umweltengagements ist Europa, was grünes Denken und entsprechende Rechtsvorschriften betrifft, in vielerlei Hinsicht weltweit Vorbild. Wir wissen jedoch sehr wohl, dass auch dieser Bereich Widersprüche aufweist. Viele Gesetze existieren in einigen Mitgliedstaaten nur auf dem Papier, während die zulässigen Grenzwerte in einigen Fällen höher sind als in vielen Drittstaaten. Die Lissabonner Ziele sind folglich angemessen, aber ihre Umsetzung vor dem Hintergrund der Konsolidierung nach der großen EU-Erweiterung erfordert wesentlich größere Anstrengungen als in der Vergangenheit.
Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße die Bemühungen, die zur Erfüllung der Ziele der Lissabon-Strategie unternommen werden, aber ich bin nicht wirklich überzeugt davon, dass dies innerhalb der gesetzten Frist praktisch möglich sein wird.
Deshalb kommt es darauf an, dass wir den Schwerpunkt auf die wissensbestimmte Gesellschaft legen. Die EU gibt für Wissenschaft weniger aus als die USA, und wir müssen uns heute der Tatsache stellen, dass wir im Bereich Erfindungen oder Technologie auf dem Weltmarkt nicht mithalten können. Die EU und die Mitgliedstaaten müssen hinsichtlich der Entwicklung und Aktualisierung der europäischen Bildung und Wissenschaft größere Anstrengungen unternehmen und mehr Ressourcen bereitstellen.
Die Ostsee liegt inzwischen mitten in der Europäischen Union, und der Ostseeraum kann auf ein stabiles und hohes Wirtschaftswachstum verweisen. Der Ostseeraum verfügt über die erforderlichen Voraussetzungen, um sich zu einer der wettbewerbsfähigsten Regionen der Welt zu entwickeln.
Die Strategie für den Ostseeraum sieht eine nachhaltige Entwicklung mit einem nachhaltigen Wachstum vor und zeigt alle Bereiche auf, die weiterentwickelt werden können. Damit könnte sich der Ostseeraum zur ersten Region entwickeln, die die Auflagen der Lissabon-Strategie tatsächlich erfüllt. Deshalb fordere ich die EU und insbesondere die an die Ostsee angrenzenden Mitgliedstaaten auf, diese Strategie umfassend zu nutzen. Die Strategie für den Ostseeraum könnte sich zur Erfolgsgeschichte im Rahmen der Lissabon-Strategie entwickeln.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die grundlegenden Ziele der Lissabon-Strategie können ohne Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit unter Berücksichtigung sämtlicher globaler Herausforderungen der Gegenwart (Globalisierung, Klimawandel, Fluktuationen an den Finanzmärkten, Öffnung der internationalen Märkte) nicht erreicht werden.
Zur Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sollte sich die EU intensiver um den Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft und die Verbesserung ihrer Verwaltungskapazität bemühen. Die Entwicklung stabiler Kommunen und die Kohärenz sektoraler und sektorübergreifender Politiken sind ohne die sinnvolle Nutzung des lokalen und regionalen Potenzials nicht denkbar. Ferner gilt es, die Kompetenzen lokaler und regionaler Behörden zu erweitern und die Vielfalt und Konsolidierung interregionaler und grenzübergreifender Beziehungen und Austauschmaßnahmen zu beachten.
Rumänien plant, den Konvergenzprozess fortzusetzen und die zum Zeitpunkt des Beitritts klaffenden Lücken schrittweise zu schließen. Seine personellen und materiellen Ressourcen sind eine wichtige Quelle für die Wettbewerbsfähigkeit aller Mitgliedstaaten, und das ist einer der wichtigsten Vorteile, die der Beitritt unseres Landes der Union gebracht hat.
Das Wachstumspotenzial der rumänischen Wirtschaft, der Energieressourcen und der natürlichen Ressourcen insgesamt, ihre Attraktivität und territoriale Zugänglichkeit sind für die wechselseitige Abhängigkeit der europäischen Volkswirtschaften von Vorteil, und wir zählen auf die solidarische Unterstützung der älteren Mitgliedstaaten, damit die rumänischen Ressourcen über spekulative und zeitweilige Meinungsverschiedenheiten hinweg ihr wahres Potenzial zum Wohle der Union entfalten können.
Esko Seppänen (GUE/NGL), schriftlich. – (FI) Die EU hat viele gute Absichten; eine der älteren davon ist die Lissabon-Strategie, über die wir gerade diskutieren, eine der neueren das jüngste Energiepaket.
Die Mittel zur Erreichung dieser Ziele stehen nicht im Einklang mit den Zielen. Man könnte es so zusammenzufassen, dass man sagt, die Lissabon-Strategie wird nicht wie geplant umgesetzt und die Mitgliedstaaten setzen sich faktisch nicht genug für die Erreichung dieser Ziele ein. In gewisser Weise ist das gut so, schließlich ist die Lissabon-Strategie so angelegt, dass sie dem Aufbau eines sozialistischen Europas zuwiderläuft.
Die Nichtumsetzung könnte auch die Energieziele betreffen: Diese werden bis zum Jahr 2020 nicht erreicht werden. Die Märkte bewegen sich in eine andere Richtung, und die EU stellt sich nicht gegen die Markttendenzen.
Angesichts dieser Situation muss die Lissabon-Strategie überdacht werden: Wir sollten uns der Macht der Märkte widersetzen.