Der Präsident. − Ich erkläre die Sitzungsperiode 2008-2009 des Europäischen Parlaments für eröffnet.
2. Eröffnung der Sitzung
(Die Sitzung wird um 9.00 Uhr eröffnet.)
3. Erklärung des Präsidenten
Der Präsident. − Heute begehen wir zum vierten Mal den Europäischen Tag der Opfer des Terrorismus. Es ist ein Tag, den wir im Gedächtnis behalten müssen, um all der Menschen zu gedenken, die unschuldige Opfer von Terrorismus wurden.
Die Terroranschläge von Madrid am 11. März 2004 – also heute vor vier Jahren – und von London am 7. Juli 2005 forderten viele Opfer. Mit ihnen wurden viele Familien durch barbarischen Terrorismus zerrissen.
Am Freitag der vergangenen Woche hat die terroristische Organisation ETA erneut getötet. Isaías Carrasco, ein sozialistischer Kommunalpolitiker, wurde erschossen, als er sein Haus in Mondragón verließ. Ich möchte seiner Familie und allen seinen Verwandten unser tief empfundenes Beileid aussprechen. Als Präsident des Europäischen Parlaments und ganz persönlich möchte ich versichern, dass uns das Andenken an die Opfer des Terrorismus – wo immer in der Welt – im Gedächtnis bleiben wird. Heute widmen wir Isaías Carrasco und allen Opfern unser Gedenken, um den Opfern des Wahnsinns von Terroranschlägen unsere Achtung und unsere Anteilnahme zu versichern. Sie sind und bleiben stets präsent in unseren Herzen und bei unserer Arbeit. Unsere Anteilnahme und unsere Solidarität mit allen Familien der Opfer ist für uns alle eine Pflicht.
Das Europäische Parlament beteiligt sich aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus und an der Unterstützung der Opfer von Terroranschlägen. Ich kann nicht oft genug wiederholen, dass es keinerlei Rechtfertigung für Terrorismus gibt. Deshalb müssen wir in diesem Kampf auf der Grundlage des Rechts und mit der ganzen Kraft des Gesetzes gemeinsam vorgehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, sich zu einem stillen Gedenken der Opfer des Terrorismus von Ihren Plätzen zu erheben.
(Das Parlament erhebt sich zu einer Schweigeminute.)
4. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
5. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
6. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
7. Jährliche Strategieplanung 2009 (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Jährlichen Strategieplanung 2009.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich freue mich sehr, die Jährliche Strategieplanung der Kommission für 2009 vorlegen zu können, in der die wichtigsten politischen Prioritäten genannt werden, die sich die Kommission für das kommende Jahr vorgenommen hat.
Bekanntlich soll mit der Jährlichen Strategieplanung ein Dialog mit den anderen Organen angestoßen werden, besonders mit dem Europäischen Parlament, das im nächsten Jahr im Mittelpunkt stehen sollte. Dieser Dialog ist unabdingbar, denn nur so ist eine gute Vorbereitung des Arbeitsprogramms der Kommission für 2009 zu gewährleisten.
2009 wird ein besonderes Jahr werden, ein bedeutendes Jahr des Übergangs, das – da bin ich zuversichtlich – durch das voraussichtliche Inkrafttreten des neuen EU-Vertrags, des Vertrags von Lissabon, gekennzeichnet sein wird. 2009 wird auch ein Jahr mit großer Symbolkraft, werden wir doch den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer feierlich begehen; das ist eine sehr gute Gelegenheit, um der Freiheit und Wiedervereinigung Europas zu gedenken.
2009 wird zudem das Jahr sein, in dem wir ein neues Europaparlament und eine neue Kommission wählen; somit wird die Arbeit, die wir im ersten Halbjahr 2009 leisten, die Weichen für die Europawahl stellen. Die reibungslose Umsetzung des Vertrags von Lissabon wird sicherstellen, dass die Europäische Union ihren künftigen Aufgaben gewachsen ist. Ich hoffe und erwarte, dass wir das weltweit ehrgeizigste System zum Umgang mit dem Klimawandel und zur Förderung der Energiesicherheit noch optimieren werden. Wir müssen jetzt alles daran setzen, dies spätestens im ersten Halbjahr 2009 zu tun, sodass die Europäische Union dann Ende des Jahres anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen einen entscheidenden Beitrag zu den internationalen Verhandlungen leisten kann.
Zunächst jedoch zum Jahr 2008. In Anbetracht der bevorstehenden institutionellen Änderungen und insbesondere der zu Ende gehenden Wahlperiode hat die Kommission alles unternommen, um die im Arbeitsprogramm 2008 enthaltenen neuen Legislativvorschläge noch vor Ablauf des Jahres 2008 für die Verabschiedung durch das Kollegium terminieren zu können. 35 Rechtsetzungsinitiativen sind im Arbeitsprogramm vorgesehen. Wir werden uns nach Kräften bemühen, die Zahl der Vorschläge, die voraussichtlich erst in den letzten Monaten des Jahres vorliegen werden, so gering wie möglich zu halten; das betrifft zum Beispiel die Rahmenrichtlinie über die vertraglichen Rechte der Verbraucher, die Überprüfung der Energiebesteuerungsrichtlinie und die Richtlinien über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Saisonarbeitern und Praktikanten. Wir werden darüber hinaus alles tun, um sicherzustellen, dass die Vorschläge termingerecht vorgelegt werden.
Ich hoffe sehr, dass das Parlament in der Lage sein wird, noch vor dem Ende der Wahlperiode in erster Lesung zu allen Vorschlägen im Arbeitsprogramm der Kommission Stellung zu nehmen.
Ich möchte hervorheben, dass wir, was die Kommission betrifft, es voraussichtlich schaffen werden, alle angekündigten strategischen Initiativen vorzulegen und somit erneut unsere Spitzenumsetzungsquote, die 2007 bei 96 % lag, zu erreichen. Das ist die höchste jemals von einer Kommission erreichte Umsetzungsquote.
Auch 2009 wird die Kommission weiterhin das ehrgeizige Ziel verfolgen, ein Europa der Ergebnisse zu sein, das seinen Bürgern konkrete Vorteile bringt. Wir werden uns darauf konzentrieren, das abzuschließen, was zu Beginn unseres Mandats begonnen wurde, und keine Mühen scheuen, um die 2005 festgelegten strategischen Zielsetzungen zu erreichen und die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Dies setzt natürlich eine enge Zusammenarbeit zwischen Parlament und Kommission voraus.
Nach dem Inkrafttreten des Reformvertrags wird auch die Kommission eine Reihe von Legislativvorschlägen unterbreiten müssen, um den Bestimmungen des Vertrags Geltung zu verschaffen, und ich möchte hier die Vorschläge herausstellen, die für die Europäer mehr Demokratie und mehr Mitbeteiligung bedeuten werden, etwa die Bürgerinitiative. Wir freuen uns darauf, in den kommenden Wochen und Monaten mit dem Parlament darüber zu diskutieren, wie wir bei diesen Vorschlägen in den ersten Monaten des nächsten Jahres am besten vorankommen können.
Die wichtigsten politischen Prioritäten der Kommission für das nächste Jahr gruppieren sich um fünf Säulen: Erstens bleibt die Förderung von nachhaltigem Wachstum und Beschäftigung das Herzstück unserer Agenda und der überarbeiteten Lissabon-Strategie. Darüber hinaus werden wir auch die Umsetzung der Innovationsstrategie, die Vertiefung des Europäischen Forschungsraums und die Folgemaßnahmen zum Binnenmarktbericht weiterverfolgen. In diesem Zusammenhang freue ich mich auf die heute noch anstehende zweite Lesung zur Errichtung des Europäischen Technologieinstituts – eines unserer wichtigsten Vorhaben –, und ich möchte dem Parlament zu der großartigen Arbeit gratulieren, die es geleistet hat, um dies zu verwirklichen.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Förderung des Übergangs zu einem ressourceneffizienten Wirtschaftsraum mit geringen Kohlenstoffemissionen. Der Gipfel in Kopenhagen wird ein wichtiges Treffen sein, bei dem es um ein globales Abkommen über den Klimawandel für die Zeit nach 2012 geht. Europa muss gut vorbereitet sein und seine Vorreiterrolle in Sachen Klimaveränderung weiter ausfüllen. Weitere Maßnahmen, die bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels helfen sollen, müssen konzipiert werden.
Im Zeitalter der Globalisierung sollten wir uns darum bemühen, die gemeinsame Einwanderungspolitik zu verwirklichen. Die Arbeit in diesem Bereich wird sich auf die im Juni 2008 vorzulegende Mitteilung über die Einwanderungspolitik stützen. Wir werden uns außerdem auf politische Maßnahmen konzentrieren, die von unmittelbarem Interesse für die Bürger sind, und zwar sowohl durch einen gemeinsamen Raum des Rechts, eine europäische Antwort auf chemische, biologische und nukleare Bedrohungen konzipieren, die Gesundheitsstrategie der Europäischen Union, als auch durch eine rigorosere Durchsetzung der Vorschriften zur Nahrungsmittel- und Produktsicherheit.
Die überarbeitete und modernisierte Sozialagenda, die Themenbereiche wie Mobilität, Integration, Bildung und Nichtdiskriminierung abdeckt, wird innerhalb eines umfassenden Konzepts ebenfalls maßgebend bei unserer Arbeit sein, damit Europäer die Möglichkeit erhalten, ihr Potenzial zu erkennen und von der Globalisierung zu profitieren. Die Schlüsselbegriffe dieser neuen Sozialagenda sind Zugang, Chancen und Solidarität.
Schließlich werden wir weiterhin unser Ziel verfolgen, die Rolle der EU als globaler Partner zu festigen. Die Erweiterungsverhandlungen werden fortgesetzt und der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess der westlichen Balkanstaaten wird weiterentwickelt. Wir werden die Nachbarschaftspolitik umsetzen und innerhalb der Gemeinsamen Strategie Afrika-EU operationelle Partnerschaften mit afrikanischen Ländern gründen.
Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon dürfte die Außenwirkung der Europäischen Union erheblich verstärken. Um diesen neuen Rahmen wirksam in die Praxis umzusetzen, wird eine der Hauptaufgaben der Kommission darin bestehen, an der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes mitzuwirken – all dies 2009, vorausgesetzt, alle Zeitpläne werden eingehalten, was wir hoffen.
Das Jahr 2009 wird zudem ein wichtiges Jahr im Hinblick auf die Schaffung der Voraussetzungen für die zukünftige Finanzierung der EU-Politik. Die Ergebnisse der aktuell laufenden Anhörung zur Haushaltsüberprüfung werden uns dabei helfen, die Voraussetzungen für den von der nächsten Kommission vorzuschlagenden neuen mehrjährigen Finanzrahmen zu schaffen.
Wie schon in den vergangenen Jahren werden in der Jährlichen Strategieplanung die Prioritäten der Kommunikationspolitik für 2009 vorgeschlagen. Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament wird sich die Kommission bemühen, ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den anderen Organen zu optimieren und eine lebhafte Debatte über die europäische Politik in Gang zu setzen. Die Jährliche Strategieplanung ist nur der Beginn des Prozesses, der in die Annahme des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission im Oktober münden soll.
Die Kommission freut sich auf einen regelmäßigen Dialog mit dem Parlament über die Prioritäten des Jahres 2009. Ich habe erfahren, dass das Parlament die Absicht hat, im September eine Plenarentschließung zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission zu verabschieden, also einige Wochen vor der Annahme des Arbeitsprogramms 2009. Diese Plenarentschließung wird die Fortsetzung des Berichts über die Ergebnisse unseres regelmäßigen Dialogs sein. Sie sollte uns in wohl begründeter und politisch fundierter Weise aufzeigen, worauf die Kommission nach Ansicht des Parlaments ihr Engagement und ihre Politik 2009 konzentrieren sollte, rechtzeitig vor der Abfassung des Arbeitsprogramms, mit besonderem Augenmerk auf dem europäischen Mehrwert und unter umfassender Beachtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
Deshalb lautet meine heutige Botschaft an Sie, dass ich mich sehr auf diese Gelegenheit freue, mit Ihnen bei diesem sehr wichtigen Programm für 2009 zusammenzuarbeiten. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, damit wir unser Arbeitstempo auch 2009 beibehalten können und die EU auch weiterhin konkrete Ergebnisse zum Nutzen ihrer Bürger erzielt.
(Beifall)
Hartmut Nassauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Die Kommission entwickelt ihr Gesetzgebungsprogramm 2009 aus ihren strategischen Prioritäten — Wohlstand, Solidarität, Freiheit, Sicherheit und ein stärkeres Europa in der Welt — völlig zutreffend mit unserer Unterstützung, und daraus Prioritäten für 2009 — nachhaltiges Wachstum, Arbeitsplätze im Zeitalter der Globalisierung und ein ressourceneffizienter Wirtschaftsraum mit geringen CO2-Emissionen. Das sind die Generalnenner für die legislative Arbeit im Jahre 2009 und, Herr Kommissionspräsident, ich will Ihnen dazu die ausdrückliche Unterstützung der EVP-ED-Fraktion zusichern.
Wenn nun einige zusätzliche Anmerkungen meinerseits bei Ihnen als Kritik ankommen sollten, dann wäre das ein übersetzungsbedingtes Missverständnis. Ich will Sie vor allem ermutigen. Wozu? Erstens: Das nächste Jahr ist das Jahr des neuen Vertrages. Und zweitens: Es ist das Jahr der Wahlen, in dem die Bürger zu uns sprechen werden. In Ihrer Einleitung sagen Sie, was den neuen Vertrag anbelangt: Sollten die nationalen Ratifizierungsprozesse abgeschlossen werden, könnte 2009 auch der Vertrag von Lissabon in Kraft treten.
Herr Präsident, wieso so distanziert? Warum steht nicht: Die Kommission wird sich mit aller Kraft und allem Nachdruck für diesen neuen Vertrag einsetzen, dessen Hüterin sie schon jetzt so gut ist, wie sie Hüterin der bestehenden Verträge ist? Zeigen Sie Flagge, Herr Präsident! Gehen Sie voran!
Zweiter Punkt: Die Bürger sind im nächsten Jahr aufgerufen, und die Bürger interessiert nicht jede Einzelheit der Gesetzgebung, sondern der große Wurf, die Haltung. Und hier ist Bürokratieabbau in der Tat etwas, mit dem Sie die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger erwerben könnten. Lassen Sie also eine neue Kultur der Subsidiarität erkennen! Forsten Sie nicht erst bis Ende 2009 den acquis durch, sondern setzen Sie ein Signal vor der Wahl des nächsten Jahres! Auch dabei haben Sie unsere Unterstützung.
(Beifall)
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Kollege Nassauer, so schwach gebaut ist unser Kommissionspräsident nicht, er wird schon manche Kritik aushalten. Aber ich glaube, Herr Kommissionspräsident, unser gemeinsames Ziel — wenn ich Ihre Reden höre und Ihre Interviews lese — ist, dass wir auch im Jahr 2009 das soziale und ökologische Europa in einer globalisierten Welt weiter ausbauen.
Sie wissen, dass uns das Soziale besonders am Herzen liegt, und Sie wissen auch, dass wir zum Beispiel besonders betroffen waren von der Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes in Zusammenhang mit dem Fall Laval. Wir hoffen, dass wir gemeinsam — das Parlament und Sie von der Kommission — daran arbeiten können, dass die Bürger nicht das Gefühl haben, dass die schwer errungenen sozialen Erfolge durch einen falschen Quantitätswettbewerb wieder zunichte gemacht werden. Wir stehen zum Qualitätswettbewerb innerhalb Europas, den Europa natürlich unter Berücksichtigung der Umweltanliegen entsprechend zu führen hat. Aber das soziale Element ist zentral für uns als Sozialdemokraten.
Zur Umwelt: Ich danke der Kommission für ihre Vorschläge, die sehr fortschrittlich sind. Wir bekennen uns ebenso wie sie zur nachhaltigen Entwicklung dieses Kontinents, doch zur Nachhaltigkeit gehört für uns auch der Industriestandort Europa, ein Industriestandort, der sich anpassen muss, der ökologische Ziele übernehmen muss, wo es Auflagen und Incentives geben muss. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass auch in Zukunft die Industrie und die Wirtschaft im Sinne der Produktion auf diesem Kontinent einen großen Auftrag haben — im Interesse der Arbeitsplätze —, denn die ökologischen Ziele sind durchaus vereinbar mit dem Industriestandort Europa. Das ist auch eine Aufgabe, die wir gemeinsam erfüllen müssen.
Erfüllen können wir diese Aufgabe nur, wenn wir auch die anderen Partner — die USA, China und Indien — dazu bewegen, ebensolche ökologischen Ziele zu übernehmen. Und erfüllen können wir sie nur, wenn wir auch unsere Nachbarschaft erreichen, wenn wir gemeinsame Politik mit unseren Nachbarn machen. Sie wissen, dass wir nicht ganz zufrieden sind mit manchen Strategien, die entwickelt wurden.
Was zum Beispiel den Balkan betrifft, so haben wir kürzlich vorgeschlagen, dass es parallel zum Lissabon-Prozess auch einen so genannten Ljubljana-Prozess mit der Präsidentschaft Sloweniens geben soll, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Region gefördert wird, denn Hass und die Konflikte, die dort bestehen, können nur überwunden werden, wenn es auch am Balkan eine gesunde, wirtschaftliche und soziale Entwicklung gibt.
Was die Mittelmeer-Union betrifft — die jetzt in aller Munde ist, gerade auch bei den Außenministern —, da wollen wir eine klare Position der Kommission. Sie haben es schon angedeutet, Herr Kommissionspräsident, aber Sie müssen das immer wieder klar machen: Es kommt für uns keine Union in Frage, die nicht die gesamte Europäische Union umfasst. Es muss eine Gemeinschaft sein, die nicht quer durch die Europäische Union geht, sondern die Europäische Union mit den Ländern des Mittelmeers umfasst.
Ähnliches ist sicherlich auch zu überlegen — und da warten wir auch auf Initiativen der Kommission —, was die Schwarzmeerregion betrifft. Denn es geht ja nicht nur um unsere südlichen Nachbarn, es geht auch um unsere östlichen Nachbarn. Hier können wir auch nicht kurzfristig neue Mitgliedschaften anbieten, das ist nicht möglich. Aber wir können anbieten, dass wir gemeinsam mit diesen Ländern eine verstärkte Zusammenarbeit entwickeln, und da erwarten wir von der Kommission mehr Initiativen, als bisher in den vorliegenden Papieren enthalten sind.
Herr Kommissionspräsident! Sie haben es angeschnitten: Es ist auch ein Wahljahr. Es ist ein Wahljahr und hoffentlich das Jahr des Inkrafttretens des Reformvertrages. Wir erwarten nicht von der Kommission, dass sie sich in die politischen Auseinandersetzungen dieses Wahljahres einmischt, aber wir erwarten von der Kommission eine klare Vision, wie dieses Europa in Zukunft funktionieren soll, als ökologisches und soziales Europa. Wir erwarten von der Kommission, dass sie klar macht, dass sie eine starke Stimme — auch gegenüber unseren Partnern — hat. Denn nur, wenn wir gegenüber den USA und China usw. mit einer starken Stimme sprechen, können wir die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger durchsetzen.
Das wollen wir auch im Wahljahr haben: Eine starke Kommission mit Visionen für das Europa von morgen!
Diana Wallis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich sollte wohl zunächst einmal die Anerkennung meiner Fraktion für die Strategieplanung zum Ausdruck bringen, die Herr Barroso für ein, wie er selbst sagt, wichtiges Jahr voller Herausforderungen vorgelegt hat. Die Kommission hat eine gute Strategie ausgearbeitet; gut sowohl hinsichtlich ihrer politischen und finanziellen Inhalte als auch in Bezug auf Koordinierungsfragen. Dabei hat er das vermieden, was in meinem Heimatland gelegentlich als Torschlusspanik bezeichnet wird.
Wir müssen zwar in gewissem Maße auch auf die Schwächen eingehen, aber nachdem ich Herrn Nassauers Beitrag gehört habe, würde ich diese vielleicht eher als Unterschiede in der Gewichtung und nicht als Schwächen bezeichnen, wenn ich mal so sagen darf. Sicher wird es gewisse Schwierigkeiten bei der Überbrückung der Mandatslücke geben. Wenn ich mir den Binnenmarktbereich ansehe, dann werden Themen wie das europäische Patent, die Patientenmobilität und das geplante Gesetz über europäische Privatgesellschaften weiter im Raum stehen. Präsident Barroso hat vielleicht eines oder zwei dieser Themen genannt, aber wir müssen sicherstellen, dass sie auch in die nächste Mandatsperiode übernommen werden, da es sich ausnahmslos um wesentliche Bestandteile des Binnenmarktes handelt. In dieser Hinsicht hätte ich eventuell etwas Konkreteres erwartet zur Frage der Notwendigkeit, wie ich es nennen würde, finanzieller Sicherheit für unsere Bürger in einer Welt, in der es momentan bekanntlich finanzielle Turbulenzen gibt und in der die Menschen Zukunftsangst haben – etwas mehr in dieser Richtung vielleicht.
Natürlich ist das kommende Jahr auch das Jahr der Umsetzung des neuen Vertrags, und obgleich wir es begrüßen können, und da schließe ich mich selbst mit ein, dass in dem Dokument das Thema Umsetzung so stark im Vordergrund steht – denn ich halte den Gedanken, künftig mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um eine wesentlich besser koordinierte Umsetzung des Rechts in allen Bereichen sicherzustellen, für hervorragend –, hätte ich lieber etwas über das Rechtsinstrument erfahren, das für unsere Bürger von so fundamentaler Bedeutung sein wird, nämlich die Bürgerinitiative, aber Präsident Barroso hat mir den Wind aus den Segeln genommen, indem er heute Morgen davon sprach, und somit ist das in Ordnung. Dennoch ist dieses Thema von zentraler Bedeutung, und wir müssen dafür sorgen, dass die Kommission die Rechtsetzungsarbeit in dieser Richtung voranbringt. Darüber hinaus sollten wir möglicherweise ein wenig über die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten nachdenken.
Dann, um kurz auf die Außenbeziehungen einzugehen, ist ein kurzer Überblick über Außenbeziehungen, Energiesicherheit und Klimawandel und all diese Themen möglich? Wir wissen, dass die Kommission darüber diskutiert. Diese Fragen haben einen hohen Stellenwert, nicht nur irgendwo in der Arktis, sondern auch in anderen Teilen dieser Welt.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (GA) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission! Das politische Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das kommende Jahr findet meine volle Unterstützung. Mit dem Programm wird versucht, die wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten Europas voranzubringen. Dieses Programm fördert Europa und setzt die Interessen der Menschen Europas an die erste Stelle. Ich unterstütze nachdrücklich die erste Strategie des Programms: die Förderung von Beschäftigung und Entwicklung in der Europäischen Union.
(EN) Da wir an der Schwelle zum Jahr der Ratifizierung des Vertrags stehen, werden wir in Irland, die wir die Ratifizierung per Referendum unterstützen, nicht müde zu betonen, dass Europa effizienter werden muss und dass es unabdingbar ist einzusehen, dass die Verträge, die für sechs, zehn oder fünfzehn Länder gedacht waren, für eine Europäische Union mit 27 Ländern nicht mehr taugen. Insbesondere möchten wir hervorheben, dass mehr Innovation, Forschung und Technologie gebraucht werden, wenn wir die dynamische neue Wirtschaft für das Europa des 21. Jahrhunderts gestalten wollen.
Besonders freut es mich, dass der Kommissionspräsident und die anderen Kommissionsmitglieder nicht alles in die Jährliche Strategieplanung für 2009 hineingepackt haben. Es wäre sehr leicht zu sagen, dass wir alles Mögliche tun wollen, aber stattdessen hat man sich auf wesentliche Schlüsselbereiche konzentriert, beispielsweise den Klimawandel, wie bereits erwähnt wurde, und das Thema Europa als globaler Partner und globaler Akteur, vor allem wenn wir die Risiken und Gefahren betrachten, die heute überall auf der Welt existieren, und zwar nicht nur im Nahen Osten, nicht nur auf dem westlichen Balkan, nicht nur in Afrika, sondern auch in Südamerika, wo letzte Woche zu beobachten war, wie schnell sich Spannungen aufbauen können. Was wir wirklich brauchen, ist eine stabilisierende Kraft, und die Europäische Union kann auf der Weltbühne diese Rolle ausfüllen.
Schließlich muss die Europäische Union in vollem Umfang die Maßnahmen fortsetzen, die zur Bekämpfung der illegalen Drogenimporte, des Menschenhandels und vor allem der immer weiter sinkenden Achtung vor dem Leben des einzelnen Menschen geboten sind. Seien Sie versichert, dass wir und meine Partei Fianna Fáil in Irland uns für die Ratifizierung des Vertrags stark machen werden, damit die Zukunft Europas gesichert ist.
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, werte Kommission, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei einer annual strategy hat man die Wahl zwischen zwei Wegen. Der erste wäre die maximale Klarheit und eine große Übereinstimmung zwischen Erklärungen und finanziellem Handeln. Dies wäre in einem Wahljahr besonders angemessen, denn man verspricht ja – Zitat: „den Bürger an die erste Stelle zu rücken“. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf Klarheit.
Die Kommission hat allerdings leider eher den zweiten möglichen Weg gewählt, nämlich so allgemein wie möglich zu bleiben, um Widerstände zuzudecken. Zunächst ist ja der Kontext interessant. Wir haben die Implementierung des Vertrags von Lissabon zu gewärtigen. Wir haben ein Wahljahr und wir haben ein Jahr, in dem Europa sich auch international sehr weitreichend festgelegt hat, was den Klimaschutz betrifft. Leider sind den Worten bis jetzt noch viel zu wenige Taten gefolgt, und auch in der Strategie wird das nicht hinreichend klar.
Wenn man bei konkreten Maßnahmen so zögerlich bleibt, wie etwa bei den Abgaswerten für Pkw, dann steht die Glaubwürdigkeit Europas auf dem Spiel, und das können wir uns auf Dauer international bei den Debatten mit unseren Partnern zum Thema Klimaschutz nicht leisten. Dies ist ein Negativbeispiel, wo man sich großen Lobbys gebeugt hat, genauso wie bei der Umsetzung des emissions trading system im Flugverkehr, bei der man auch zu zögerlich und nicht energisch genug vorgegangen ist, so dass es nicht gelingen wird, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um die Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs hinreichend effizient zu reduzieren.
Es gibt auch einen Widerspruch zwischen den ambitionierten Zielen und der tatsächlichen Finanzierung der Forschung. Wenn man einerseits über die neuen Energiequellen spricht, andererseits aber den Löwenanteil der Forschungsgelder noch immer der Atomenergie, der Nuklearwirtschaft, zuweist, dann ist dieser Widerspruch nicht aufzulösen, und dann haben wir auch keine zukunftsfähige Lösung zu gewärtigen, weil es hier keinerlei Möglichkeiten gibt, wirklich gezielt zu investieren.
Was mir bei dieser Strategie sehr fehlt, ist ein klares Bekenntnis zur Implementierung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten. Hier gibt es viel zu wenige Mechanismen, viel zu wenig Aufmerksamkeit dafür. Im Gegenteil, man entwickelt neue Pläne, bevor die alten implementiert sind. Ich verweise hier nur auf den energy action plan.
Wenn uns die Bürgerinnen und Bürger so wichtig sind, wie Sie es zu Recht betonen, dann müssen u. a. die Beschwerden von BürgerInnen und auch die neue Referendumsmöglichkeit im Zentrum unserer Aufmerksamkeit in diesem Haus stehen.
Helmuth Markov, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Noch liegt uns kein konkretes Arbeitsprogramm für 2009 vor, zu dem man sich äußern könnte. Aber an der Strategieplanung der Kommission ist erkennbar, dass im kommenden Jahr keine großen strategischen Änderungen zu erwarten sind.
Zu lesen ist: Die Kommission will ihre Kommunikationsarbeit verbessern, Europa vermitteln, die Bürgerinnen und Bürger für den Vertrag von Lissabon sensibilisieren. Wäre nicht eine Volksabstimmung über den Reformvertrag der richtige Weg, um die Bürger in diesen Prozess einzubeziehen? Glauben Sie wirklich, die Wahlbeteiligung wird steigen, wenn Sie immer nur erklären, wie wunderbar die bisherige Politik funktioniert, und dass man also die vorhandenen Konzepte einfach weiterverfolgen muss?
Was viele Menschen real erleben, sind weniger soziale Sicherheit, stagnierende Löhne, gravierende Einschränkung von Arbeitnehmerrechten, steigende Preise für elementare Dienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr, bei der Gesundheits-, Energie- und Wasserversorgung, in der Bildung und in der Kinderbetreuung. Das alles bei steigenden Profiten der großen Unternehmen, die zudem noch mit Betriebsverlagerungen drohen. Die Kommission redet davon, wie wichtig lebenslanges Lernen für die Beschäftigungsfähigkeit, wie wichtig Flexicurity ist – wobei ich mich bei den Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission häufig frage, wo sich die Security versteckt.
Die Kommission schreibt von der Notwendigkeit, Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, und meint hier wieder vor allem die sowieso schon Starken, die von Belastungen – sprich gesellschaftlicher Verantwortung – befreit werden sollen. Sie nennen es Verwaltungslasten. Wenn man aber soziale, ökologische und Verbraucherschutzstandards haben will, müssen diese auch beschlossen und umgesetzt werden! Nirgendwo finde ich in Ihrer Strategie den Gedanken, dass vielleicht das Gesamtkonzept der Lissabon-Strategie, das Konzept von Liberalisierung und Privatisierung, an vielen Stellen einfach nicht im Interesse der Mehrheit der Menschen funktioniert, ganz besonders nicht im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen.
Im Bereich Außenpolitik und Außenhandel wird die wichtige Rolle Europas in der Welt für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität betont, und es wird von der Priorität des Multilateralismus und der Partnerschaft gesprochen. In Ihrem Papier steht: Doha gehört weiterhin zu den wichtigsten Prioritäten. Aber es steht nichts drin, woraus erkennbar wäre, wie die EU zum Gelingen der Entwicklungsrunde beitragen will. Vielmehr wird auf die bekannten regionalen und bilateralen Freihandelsabkommen gesetzt, die deswegen kaum vorankommen, weil sie eben nicht den Bedürfnissen der Entwicklungs- und Schwellenländer entsprechen!
Dazu kommt, dass die Außenhandelsstrategie Global Europe eine reine Außenwirtschaftsförderungsstrategie für europäische Konzerne ist, die sich wenig um regionale und nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklungen in Partnerländern schert. Von kleinen und mittelständischen Unternehmen ist nichts zu lesen! Und da wundern Sie sich, dass Staaten wie China mit Dumpingmaßnahmen dagegen halten? Sie wollten ja sogar die weitgehend unzureichenden Antidumpinginstrumente weiter aushebeln!
Die Kommission spricht über die Verbesserung der Einsatz- und Krisenbewältigungsfähigkeit in Drittländern. Passend zum gerade Gesagten frage ich Sie: Macht es nicht wesentlich mehr Sinn, die sozialen, aber durchaus auch ökonomischen Ursachen von Krisen und Konflikten zu bekämpfen?
Ändern Sie Ihre Strategie, damit wir die Bürger für eine Europäische Union gewinnen!
Godfrey Bloom, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich komme sehr gern hierher in diese Regulierungsfabrik. Es ist hier so unterhaltsam. Gerade habe ich die Überschriften der Jährlichen Strategieplanung der Kommission überflogen, und die erste lautet „Wachstum und Beschäftigung“. Mal ehrlich, man wäre an diesem Ort viel besser beraten, über Wachstum und Beschäftigung zu reden, wenn wenigstens etwas mehr als 1 % der in diesem Plenarsaal Anwesenden auch nur die geringste Ahnung von Wirtschaft hätten.
Ich bin Geschäftsmann und verstehe etwas von Wachstum und Beschäftigung. Leider ist es so: Je mehr Sie regulieren, je mehr Gesetze Sie erlassen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Wachstum und Beschäftigung hervorbringen. Deswegen ist das BIP-Wachstum in Europa so absolut katastrophal, während es in der übrigen Welt sprunghaft ansteigt – in China, in Indien, auf dem Subkontinent. Sogar von Nordamerika werden wir überholt. Daher würde ich vorschlagen, wenn wir Wachstum und Beschäftigung wollen, sollten wir uns zurückziehen und die Menschen ruhig alleine zurechtkommen lassen, ohne Einmischung von unserer Seite.
Nachhaltiges Europa? Faszinierend, oder etwa nicht? Wir reden über den „global footprint“, über all diesen Unsinn, obwohl feststeht, dass sich die Erdkugel seit zehn Jahren nicht weiter erwärmt hat. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden bewusst ausgeblendet. Wer bereit ist, sich einmal ernsthaft mit globaler Wissenschaft, globaler Erwärmung und Klimawandel zu beschäftigen, wird nämlich erkennen, dass die am besten informierten und politisch unvoreingenommenen Wissenschaftler es als Tatsache betrachten, dass unser Planet bis zum Jahr 2050 sogar kälter sein wird und nicht etwa wärmer. Aber das passt uns nicht ins Konzept, oder? Weil wir gerne Schuld zuweisen und weil wir gerne regulieren.
Ein weiteres Thema: Migrationssteuerung. Du liebe Güte! Ich als Engländer kann da nur sagen: Migrationssteuerung? Zu uns auf unsere nette kleine überfüllte Insel sind im letzten Jahr eine Million Menschen gekommen. Bitte, bitte, bitte: Kann dieses Parlament nicht einmal realistisch sein?
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Für meinen Geschmack läuft gleich zu Beginn der Präsentation der Jährlichen Strategieplanung der Kommission für 2009 alles völlig verkehrt. Ich rede von einer der Hauptideen, die darin vorgebracht wird, und ich zitiere: „Die Bürger an die erste Stelle rücken“. Das macht das Ganze nur noch schlimmer. Schließlich rückt die Europäische Kommission die Bürgerinnen und Bürger Europas nirgends an die erste Stelle, nirgends bringt sie ihnen Respekt entgegen.
Was ist die Europäische Kommission? Schließlich und endlich ist sie nicht viel mehr als ein Gremium politisch ernannter Beamter mit äußerst begrenzter demokratischer Legitimierung, die dem kleinen Kreis europäischer Mandarine angehören, die meinen, sie wüssten alles besser als die Bürger und es wäre am besten, wenn sie im so genannten öffentlichen Interesse alles über die Köpfe der angeblich geachteten Bürger hinweg entscheiden.
Daran offenbart sich das demokratische Defizit, über das jeder spricht, gegen das jedoch niemand etwas unternimmt. Sollten die Bürger tatsächlich an erster Stelle stehen, dann würde die Kommission auf die Anhörung dieser Bürger drängen, insbesondere bei den wichtigsten Themen, die derzeit anstehen. Wann dürfen die Bürger einmal ihre Meinung zu dieser neuen, getarnten Europäischen Verfassung kundtun? Die Bürger der Niederlande und Frankreichs haben sich vor nicht allzu langer Zeit dazu geäußert, aber diese Bürger rückt die Europäische Kommission offensichtlich nicht an die erste Stelle.
Wann dürfen sich die Bürger Europas einmal zu der unseligen Einwanderungspolitik äußern, die ihnen von den europäischen Mandarinen aufgedrückt wird? Wann dürfen diese Bürger einmal selbst entscheiden und Respekt erfahren für ihre Meinung zu äußerst wichtigen Angelegenheiten wie dem potenziellen Beitritt der Türkei, eines islamischen und in vielerlei Hinsicht, fürwahr in jeder Hinsicht, nichteuropäischen Landes, zu unserer Europäischen Union? Die Europäische Union rückt die Bürger nur dann an die erste Stelle, wenn es darum geht, ihre Steuern für die europäischen Mandarine und die Politik zu zahlen, die ihnen diese Privilegierten über ihre Köpfe hinweg aufzwingen. Haben Sie dann zumindest den Mut zu sagen, dass Europa nie ein demokratisches Gebilde sein wird!
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Die Außenaktion 2009 sollte von zwei grundlegenden Tatsachen gekennzeichnet sein: erstens, dem Inkrafttreten des neuen Vertrags, der einerseits einen neuen institutionellen Rahmen schafft, in dem das Parlament seine rechtmäßige Rolle spielen will, Herr Kommissionspräsident, und andererseits den Europäischen Auswärtigen Dienst definiert, der unserer Ansicht nach bei der Kommission angesiedelt und nicht vom Rat vereinnahmt werden sollte.
Darüber hinaus sind die von der Kommission vorgetragenen Prioritäten korrekt: Erweiterung, Beziehungen zu Russland auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte und Energieversorgungssicherheit; die Stabilisierungs- und Assoziationspolitik auf dem Balkan und der Kosovo; die Nachbarschaftspolitik mit dem Prozess von Barcelona und die Mittelmeerunion, die der französische EU-Vorsitz vorschlagen wird.
Wir sind weiterhin mit der Lage in Mittelasien, mit den Konflikten in Iran, Irak, Afghanistan und Pakistan konfrontiert. Herr Präsident, wir werden die Entwicklung der Beziehungen zu China, Indien und den asiatischen Ländern verfolgen, die im Vorschlag der Kommission richtig dargelegt sind; wir haben die Situation im Nahen Osten, bei der das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag auf der Pariser Konferenz vorbehaltlos unterstützt hat.
Ferner besteht eine strategische Partnerschaft mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums, und nicht zuletzt sind da die Beziehungen zu Lateinamerika, bei denen wir hoffen, dass auf dem Gipfel von Lima rechtzeitig Schlussfolgerungen für Assoziationsabkommen mit dem Mercosur, der Andengemeinschaft und Mittelamerika gezogen werden.
Herr Kommissionspräsident! Wir brauchen eine ernsthafte, effektive und praktikable Außenaktion der Europäischen Union, bei der es gilt, in internationalen Organisationen mit einer Stimme zu sprechen. Wir können uns nicht erlauben, ein Internationales Rotes Kreuz zu sein, dazu bestimmt, die Kosten der großen Krisen der Gegenwart zu tragen. Die Europäische Union muss auf der internationalen Bühne als Global Player eine wichtige Rolle spielen, die ihrem wirtschaftlichen, kommerziellen, finanziellen und industriellen Gewicht entspricht. Herr Präsident der Kommission, Sie haben unsere Unterstützung für dieses Programm.
Catherine Guy-Quint (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir stehen jetzt am Beginn des Verfahrens zur Festlegung der politischen Prioritäten für 2009. Dies ist eine bedeutende Etappe, da es zahlreiche Neuheiten geben wird wie eine neue Wahlperiode, das Inkrafttreten des Vertrags ebenso wie eine neue Antwort des Parlaments an die Kommission zur ihrer Jährlichen Strategieplanung, denn wir haben entschieden, dass die Fraktionen und nicht der Haushaltsausschuss sprechen sollen.
Die politischen Prioritäten der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament stehen fest und sind bereits dargelegt worden: Sie bestehen in einem sozialen Europa. Sie bestehen in einem Europa, für das der Kampf gegen den Klimawandel eine Priorität darstellt, und in einem Europa, das eine gemeinsame Außenpolitik betreibt. Wenn ich feststelle, dass die Kommission den Beitrag der EU zur Sicherheit und Stabilität auf der internationalen Ebene erhöhen will, dann frage ich mich, woher das Geld kommen soll. Wie soll dieser fromme Wunsch in die Tat umgesetzt werden? Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden wir wie jedes Jahr vom Rat in eine unhaltbare Lage gebracht, nämlich wählen zu müssen, welche Zone der Welt geopfert werden soll.
Eine vierte Priorität für uns sind die Bürger; die Kommission sagt uns, es sei erforderlich, die Bürger im Jahr 2009 in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu ist es höchste Zeit, denn unser politisches Projekt kann nicht länger fern vom Volk umgesetzt werden. Daher müssen wir all unsere Austausch-, Informations- und Kommunikationsaktivitäten verstärken, doch mit welchem Geld? Es ist unübersehbar: Die Haushaltsmittel fehlen! Die verfügbaren Spannen sind bereits verplant, und wir im Haushaltsausschuss wissen nicht, wie diese Prioritäten finanziert werden sollen. Wir wollen die alten Prioritäten nicht opfern, um neue Prioritäten zu verwirklichen. Wie wollen Sie vorgehen? Es ist dringend erforderlich, Europa aus seinem haushaltstechnischen und finanzplanerischen Durcheinander herauszubringen. Die politischen Gegebenheiten verändern sich sehr rasch, und wir in Europa bringen Ideen hervor, aber wir haben nie vermocht, die zu deren praktischen Umsetzung erforderlichen Ressourcen an die politischen Erwartungen natürlich des Parlaments, aber auch der Bürger anzupassen.
Adina-Ioana Vălean (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ende dieses Jahres werden wir von der Kommission zwei Berichte zum Thema Freizügigkeit vorliegen haben: einen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wobei ich davon ausgehe, dass die Kommission den Mitgliedstaaten wahrscheinlich empfehlen wird, die Übergangsregelungen für Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedstaaten aufzuheben, und einen zweiten zur Umsetzung der Richtlinie über die Freizügigkeit der Bürger, und in dieser Angelegenheit werden sicherlich mehrere Mitgliedstaaten vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
All die Ängste, die der Auslöser für die im Zusammenhang mit der Erweiterung von 2004 erlassenen Übergangsregelungen waren, lösen sich allmählich in Luft auf. Es besteht kein Anlass mehr, die Arbeitsbeschränkungen aus Gründen der wirtschaftlichen Sicherheit oder wegen demografischer Bedenken für weitere fünf Jahre zu verlängern. Im Gegenteil: Ein freier europäischer Arbeitsmarkt ist notwendig, wenn sich Europa als Modell, als Partner und als weltweit führend profilieren will. Wir regulieren den Zugang zu unserem Arbeitsmarkt für Bürger aus Drittländern. Das ist gerecht und hat sich bewährt. Dennoch sollten wir zuerst einmal vor unserer eigenen Tür kehren. Wir müssen eine schlüssige und gemeinsame Politik in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union zuwege bringen.
Wenn wir an den in den Verträgen verbrieften Grundfreiheiten festhalten wollen, und wenn es uns ernst damit ist, die Lissabon-Strategie in die Tat umzusetzen, dann ist es an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen.
Zum Schluss möchte ich hinzufügen, dass diese Kommission von Anfang an grünes Licht dafür bekommen hatte, das Thema Grundrechte der Bürger anzugehen, und ich hatte gehofft, in der Strategie für das nächste Jahr etwas ganz Konkretes zu den entsprechenden Fragen zu finden.
Jan Tadeusz Masiel (UEN). – (PL) Herr Präsident! Das Jahr 2009 bietet größere Perspektiven für Europa, Perspektiven, die sich aus dem Lissabon-Vertrag ergeben. Es ist in Anbetracht der neuen Wahlen zum Europäischen Parlament auch ein Jahr der Hoffnung auf eine Vertiefung der Einheit.
Wie Herr Barroso sagte, werden wir den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer begehen. Darf ich die Gelegenheit nutzen, um Sie daran zu erinnern, dass sie eigentlich in Warschau gefallen ist. Außerdem werden wir den fünften Jahrestag des Beitritts ehemaliger kommunistischer Staaten zur Europäischen Union begehen. Dieser Beitritt war nicht immer von Gleichheit geprägt. So konkurrieren die polnischen Landwirte noch immer unter ungleichen Bedingungen mit den Landwirten in der alten Union.
Trotzdem glaube ich, dass wir 2009 die Unterschiede zwischen unseren Ländern – zumindest auf psychologischer Ebene – überwinden und das Gefühl der Einheit sowie der Einflussnahme der Europäischen Union stärken können.
Jens-Peter Bonde (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Ich werde meine Redezeit nutzen, um eine Reform des Verfahrens im Zusammenhang mit den Jahresprogrammen vorzuschlagen. Bisher hatten die gewählten Mitglieder nationaler Parlamente und des Europäischen Parlaments nichts zu sagen. Die Jährliche Strategieplanung wird von den nicht Gewählten in der Kommission erarbeitet und angenommen. Mitgliedstaaten koordinieren ihre Prioritäten über die Arbeitsprogramme der wechselnden Präsidentschaften. Wir diskutieren über beides, aber wir ändern nichts. Bei dieser sehr wichtigen Aufgabe der Festlegung der Agenda repräsentieren wir unsere Wähler nicht.
Wir sollten daher auf einem gemeinsamen Arbeitsprogramm für alle Organe im nächsten Jahr bestehen. Die Kommission könnte einen detaillierten Vorschlag im Entwurf erarbeiten, in dessen Anhang alle geplanten Gesetzesvorschläge einschließlich ihrer Rechtsgrundlage enthalten sind. Die nationalen Parlamente sollten diese dann für eine erste Lesung in ihren sektorspezifischen Ausschüssen erörtern, anschließend in ihren EU-Ausschüssen und zuletzt in ihrem jeweiligen Plenum.
Die nationalen Parlamente sollten das Arbeitsprogramm in der COSAC besprechen und formell verabschieden. Im Parlament sollten eigene Lesungen erfolgen, dann würde die Europäische Union von unten statt von oben regiert werden. Gewählte Vertreter unserer Völker würden dann die Geschicke der EU lenken, und nicht Beamte und Lobbyisten hinter geschlossenen Türen.
Nach der Annahme des Programms könnten dann die nationalen Parlamente mit der Lesung der konkreten Vorschläge zu „Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit“ beginnen und über die Rechtsgrundlage entscheiden. Danach würden die EU-Organe übernehmen, und alle Gesetze könnten verabschiedet werden, sowohl im Rat mit Unterstützung durch 75 % der Mitgliedstaaten als auch im Europäischen Parlament mit einfacher Mehrheit. Dann wäre Europa eine Demokratie und nicht nur eine Mischung aus den Ideen Machiavellis und Mussolinis, auf die wir derzeit noch setzen.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtigsten für 2009 geplanten Maßnahmen können, was die Wachstums- und Beschäftigungsziele der Lissabon-Strategie anbelangt, größtenteils unterstützt werden. Sicherlich beinhalten die Kapitel Binnenmarkt und Wettbewerb einige Vorschläge, die ich befürworte. Und auch zum Thema „Nachhaltiges Europa“ gibt es zweifellos Begrüßenswertes.
Leider muss jedoch die gemeinsame Visumpolitik komplett abgelehnt werden, weil sie meiner Meinung nach nicht nur antinational ist, sondern auch absolut über das Mandat dieses Parlaments und das, wonach wir streben sollten, hinausgeht. Ebenso lehne ich die Erweiterung um Kroatien und die Türkei vollkommen ab, und auch den Teil, in dem es um den Kosovo geht, in Bezug auf den ich bereits bei anderer Gelegenheit angeprangert hatte, dass mit der Anerkennung seiner Unabhängigkeit von einem souveränen Staat gegen das Völkerrecht verstoßen wurde. Aus diesen Gründen werde ich gegen die Strategieplanung stimmen.
László Surján (PPE-DE). – (HU) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Wir begrüßen die Jährliche Strategieplanung der Kommission in der Hoffnung, dass sie auch umgesetzt wird. Hier gibt es ein mögliches Hindernis: finanzpolitische Zwänge, die es schwer machen, neue Dinge in Angriff zu nehmen. Die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zu Zahlungen an die EU ist auf weniger als 1 % zurückgegangen, was zur Folge hat, dass Mittel für neue Ideen fast ausschließlich aus der Umverteilung vorhandener Mittel kommen können. Das sollten wir aber nicht tun, ohne uns die zurzeit laufenden Programme genau anzuschauen. Dabei sollten wir untersuchen, wo das Preis-Leistungs-Verhältnis gut ist und wo nicht. Wir dürfen nicht zulassen, dass Lobbyisten-Gruppen für uns die Entscheidungen treffen.
Als Teil der Reform des Parlaments bildet sich eine neue Zusammenarbeit zwischen den Fachausschüssen und dem Haushaltsausschuss heraus. Dadurch können die logische Begründung und der Nutzen von Ausgaben für einzelne Programme detaillierter offen gelegt werden als bisher. Auch wenn es eine schmerzliche Entscheidung sein mag, ist es doch klüger, einige Programme zu beenden oder gar nicht erst zu beginnen, als eine Unterfinanzierung zu riskieren. Dürftige Investitionen sind sinnlose Geldverschwendung. Die Kommission, der Rat und das Parlament müssen gemeinsam agieren, um sicherzustellen, dass nur Programme zugelassen werden, die auch angemessen finanziert werden können und echte Resultate bringen. Das Parlament ist in Bezug auf die diesjährige Strategieplanung zu gemeinsamen Aktionen dieser Art bereit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Véronique De Keyser (PSE). – (FR) Herr Präsident! Zu den auswärtigen Angelegenheiten ist in der Mitteilung der Kommission viel gesagt worden, doch bleibt eine Vielzahl meiner Fragen unbeantwortet. Gewiss, die Rubrik 4 ist etwas unterfinanziert. Ja, wir müssen leider mehr für Palästina und für das Kosovo zahlen. Doch das ist eine Feststellung, keine Strategie.
Ich hätte z. B. gern gewusst, welche politischen Voraussetzungen erforderlich sind, damit eine Hilfe wirksam ist; nicht nur sichtbar, sondern wirksam. Wie sollen die finanziellen Instrumente genutzt werden, um Europa zu einer unentbehrlichen Soft-Power, die Träger eines demokratischen Modells ist, zu machen und nicht nur zu einem Kassenschrank? Wie wollen wir des Weiteren die Konditionalität nutzen?
Alle diese so wesentlichen Fragen sind nicht angesprochen worden. Ein Beispiel von vielen: Noch nie haben wir so viel Geld für Palästina gezahlt, doch das Volk von Gaza war seit 1967 noch nie so arm, und die Spirale der Gewalt dreht sich weiter im Nahen Osten, wo wir immer nur das wieder aufbauen, was zerstört wurde.
Welche Lehren können wir daraus ziehen? Solange es zwischen der europäischen Außenpolitik und ihren Finanzinstrumenten keine völlige Übereinstimmung gibt, wobei die letzteren im Dienste der Ersteren stehen müssen und nicht umgekehrt, wird Europa nie der Global Player sein, der es sein will. Und diesbezüglich fehlt es meiner Meinung nach der Mitteilung der Kommission beträchtlich an Ehrgeiz.
Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe davon aus, dass wir heute zum letzten Mal eine Aussprache in dieser Form über die Politikstrategie abhalten, weil wir mit dem Vertrag von Lissabon ein neues Modell bekommen sollen. So ist es zumindest hier im Haus angedacht, und ich freue mich schon auf dieses neue Modell, weil es uns erlaubt, die Herrschaften vom Rat in diese sehr wichtige Debatte einzubeziehen.
Deswegen erlauben Sie mir bitte, dass ich letztmals auch einige Anmerkungen aus der Sicht der Haushaltskontrolle mache oder ein paar zusätzliche Anregungen gebe, um im Ton vom Kollegen Nassauer zu bleiben. Wir haben ja zurzeit erhebliche Diskussionen mit der Kommission über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, und die Kommission hat hier erhebliche Anstrengungen angekündigt. Wir hätten es gerne gesehen, wenn diese erheblichen Anstrengungen – für die wir dankbar sind und die wir auch brauchen – auch Eingang in das Jahresprogramm finden würden. Das hätte die Arbeit, die Sie versprochen haben anzugehen, auch verdient.
Wir brauchen neue Modi, was die Wiedereinziehung unrechtmäßig ausgezahlter Gelder betrifft, und wir brauchen auch eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. All dies ist ein eindrucksvolles Programm der Kommission Barroso. Von daher hätten wir angeraten, dies doch auch in das Jahresprogramm der Kommission aufzunehmen. Es hätte dies verdient, und es würde uns auch die Zusicherung geben, dass es Ihnen so wichtig ist, wie Sie jetzt sagen.
Alain Hutchinson (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Frau Kommissarin! Was das Wirken der Europäischen Union in der Welt betrifft, so teilen die europäischen Sozialdemokraten das Bestreben der Kommission, die 2006 begonnenen Anstrengungen um mehr Effizienz in der Art ihrer Zusammenarbeit weiterzuführen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass es diesbezüglich noch viel zu tun gibt, sei es die bloße Definition von Entwicklung, die Kohärenz zwischen den einzelnen Politiken der Europäischen Union, die Koordinierung zwischen den Gebern oder die Komplementarität der Maßnahmen.
Zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen möchte ich anmerken, dass es für uns als europäische Sozialdemokraten eine Grundbedingung ist, sie vor allem unter dem Blickwinkel der Entwicklung zu betrachten, anders gesagt, unter dem Blickwinkel ihrer Fähigkeit, das Leben der Bevölkerung der AKP-Länder wesentlich zu verbessern. Die Strategie der Kommission für 2009 muss in dieser Hinsicht vollkommen eindeutig sein, was im Moment noch nicht ganz der Fall zu sein scheint.
Wir wissen übrigens alle, dass zusätzliche Mittel zur Finanzierung der Begleitmaßnahmen zum Ausgleich der bekannten negativen Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auf die – wie wohl kaum erwähnt werden muss – ärmsten Länder der Welt erforderlich sind. Wir möchten gern, dass die Kommission präzisiert, woher diese Mittel kommen sollen.
Weiterhin bedauern wir, dass das Kommissionsdokument keinen speziellen Vorschlag für die Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 enthält. Ist dies auf einen Mangel an Ambition in diesem Bereich zurückzuführen oder darauf, dass sich 2009 ein radikaler Paradigmenwechsel in der europäischen Entwicklungspolitik vollziehen wird?
Im Anhang wird in dem Kommissionsdokument auch auf die Umsetzung des ersten Aktionsplans im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Strategie EU-Afrika hingewiesen. Das begrüßen wir und fordern insbesondere, dass die Kommission wirklich alles tut, damit die im Rahmen dieser neuen Strategie ergriffenen Maßnahmen wirklich den legitimen Erwartungen von Millionen Afrikanerinnen und Afrikanern entsprechen, die direkt vom Erfolg dieser Strategie betroffen sind.
Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Als Koordinator der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten für Regionalpolitik knüpfe ich hohe Erwartungen an 2009. Weshalb? Weil die Umsetzung dieser neuen Programme in allen Regionen, in allen Mitgliedstaaten nunmehr seit 2007 läuft. Was ist festzustellen? Erstens, wir können von einer neuen Kohäsion sprechen, und die Mittel werden mehr denn je für die Regionen und Städte, für die Lissabon-Strategie, für Wachstum und Beschäftigung verwendet. Ansonsten zeigt sich, dass wir auf dem Gebiet der Innovation mehr leisten und sich gleichzeitig die Investitionen in Forschung und Innovation mehr als verdoppelt haben.
In der vergangenen Woche haben zwei Kommissionsmitglieder, Frau Hübner und Herr Potočnik, in Ljubljana dazu sehr gute Zahlen verkündet. Wir können also von einer stillen Revolution bei dieser Mittelverwendung sprechen, und das müssen wir publik machen. Darin liegt eine Chance für eine deutlich bessere Kommunikation. Eine bessere Kommunikation in Richtung der Bürger im Jahr 2009, das auch ein Wahljahr ist. Möglich ist dies mittels der Tausenden Projekte, die auf den verschiedenen Gebieten der Wirtschaft und Ökologie durchgeführt werden. Es wäre eine vertane Chance, wenn die Union gerade diese Regionalpolitik, diese neue Kohäsionspolitik, in der Kommunikation mit den Bürgern nicht als Speerspitze begreift.
Göran Färm (PSE). – (SV) Herr Präsident! Als schwedischer Abgeordneter mit einem Hintergrund in der Gewerkschaftsbewegung möchte ich zunächst das unterstreichen, was mein Kollege Swoboda gesagt hat: Wenn wir vermeiden wollen, dass die Kritik am Urteil im Fall Laval gegen den Vertrag gewendet wird, muss die Kommission deutlich machen, dass ein freier Dienstleistungsmarkt keine Bedrohung für das Recht der Gewerkschaften auf den Kampf gegen das Sozialdumping darstellt. Ich wollte das nur noch einmal betonen, da es in diesem Zusammenhang sehr relevant ist.
Was die Jährliche Strategieplanung für 2009 betrifft, so müssen wir natürlich in diesem Zusammenhang mit einer ernsthaften Diskussion über die Halbzeitüberprüfung der Finanziellen Vorausschau beginnen. Auf einigen Gebieten können wir jedoch meines Erachtens nicht mehr warten und müssen schon jetzt – im Haushalt 2009 – anfangen, andere Prioritäten zu setzen.
Ich denke dabei vor allem an zwei Bereiche. Da ist erstens die Klimafrage. Als Haushaltsberichterstatter des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie meine ich, dass es nicht ausreicht, nur anzuerkennen, dass die Klimafrage eine politische Priorität ist. Dies muss auch Auswirkungen auf die Haushaltsprioritäten haben. Wir müssen zeigen, dass wir wirklich bereit sind, konkrete europäische Initiativen zu ergreifen, auch wenn das Geld kostet. Das kann bedeuten, sich konkret auf moderne Energie- und Umwelttechnologien einzustellen oder die Nutzung der Strukturfonds bzw. des Siebten Rahmenprogramms zu verändern, aber es gibt noch wesentlich mehr zu tun.
Der zweite Bereich, den ich hier nennen möchte, ist der westliche Balkan, insbesondere das Kosovo. Angesichts der neuen Situation müssen wir ganz einfach eine langfristige Strategie für unsere Arbeit in dieser Region entwickeln. In diesem Zusammenhang ist es unangemessen, dass wir ein so starres Haushaltsmodell haben, bei dem es die geringsten Haushaltsspielräume in den Bereichen gibt, in denen der Bedarf am größten ist.
Lutz Goepel (PPE-DE). – Herr Präsident! Im Agrarbereich sieht die Kommission für 2009 die erfolgreiche Einführung des Health Check vor. Als Berichterstatter zum Initiativbericht gehe ich davon aus, dass mit der morgigen Abstimmung die Kommission eine viel bessere Idee von der Position des Parlaments zu diesem Thema haben wird, und ich erwarte, dass diese Position in dem legislativen Vorschlag, den wir im Mai erwarten, Berücksichtigung findet.
Ich begrüße es, dass die Kommission eine besondere Anstrengung macht, um das Konzept der Qualität in der Agrarproduktion zu fördern, vor allem durch ihre Bestätigung, dem so genannten Grünbuch für 2009. Wir sind der Auffassung, dass der erzielte Mehrwert durch hohe Qualitätsstandards ein immer wichtigerer Ansatzpunkt für unsere Landwirte werden wird, auch im Hinblick auf den größer werdenden Wettbewerb durch Importe.
Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass die Kommission neue Vorschläge zu den Themen Lebensmittelsicherheit, Tierschutz und Gesundheit, zusammen mit besserer Überwachung und besseren Regeln vorschlagen wird. Ich appelliere an die Kommission, vernünftig zu sein. Es kann nicht sein, dass unsere Bauern mit mehr Verordnungen konfrontiert werden, aber gleichzeitig Importe aus Drittländern nicht diesen Verordnungen unterworfen werden.
Herr Präsident, die Kommission beabsichtigt, 2009 eine Vielzahl von Vorschlägen zum Abbau der Verwaltungslast vorzulegen, die nichts an den politischen Vorgaben oder dem Anspruchsniveau der bestehenden Vorschriften ändern werden. Ich hoffe sehr, dass dies auf unsere Landwirte zutreffen wird, insbesondere in Hinsicht auf die Cross-Compliance-Regeln.
Meiner Meinung nach fehlt in der jährlichen Politikstrategie ein wichtiges Thema, und zwar die Frage der Lebensmittelversorgung. Die Kommission hat das Wort oft gebraucht, aber unsere Bürger müssen eine sichere Zusage haben, wie sie ihre weitere Versorgung gestalten können.
Carmen Fraga Estévez (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Als Koordinatorin der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten im Fischereiausschuss möchte ich die folgenden Bemerkungen zur Gemeinsamen Fischereipolitik machen.
Erstens können wir bei den für 2009 vorgesehenen Leitaktionen und jenen, die unter Ziffer 2 des Anhangs über nachhaltige Entwicklung aufgeführt sind, feststellen, dass die Fischereipolitik in die integrierte Meerespolitik eingegliedert wurde, womit unsere Fraktion nicht einverstanden ist. Zwar sind einige Aspekte der GFP Teil der Meerespolitik, aber das trifft beispielsweise auch auf einige Aspekte der Verkehrspolitik zu, gleichwohl wird sie nicht unter dieser Rubrik eingeordnet.
Zweitens: Was die Veränderungen bei der Zuweisung finanzieller Mittel und insbesondere Rubrik 2 „Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen“ angeht, sind wir nicht einverstanden, dass die geforderten sechs Millionen Euro zur Finanzierung der vorbereitenden Maßnahmen der Meerespolitik aus dem bereits schmalen Budget für die GFP kommen sollen, vor allem angesichts der Tatsache, dass man zu diesem Zeitpunkt des Haushaltsjahres nicht wissen kann, welche Summe nicht ausgeschöpfter Mittel für andere Zwecke bereitgestellt werden könnten.
John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zur Abwechslung möchte ich der Kommission gerne zwei Versprechen seitens des Parlaments anbieten. Erstens werden wir mit ihr zusammen am Klimapaket arbeiten, um so schnell wie möglich ein effizientes und praktikables Maßnahmenpaket vorlegen können. Zweitens werden wir uns um die schnellstmögliche Einsetzung des neuen Kommissars für Gesundheit kümmern. Gestatten Sie mir, bei dieser Gelegenheit die Frau Vizepräsidentin zu bitten, Herrn Kyprianou unsere besten Wünsche zu übermitteln und ihm für das zu danken, was er im Laufe seiner Amtszeit erreicht hat.
Drittens muss ich bemerken, dass auf das Thema Gesundheit in dieser Strategie erstaunlich wenig eingegangen wird. Es ist zwar von medizinischen Geräten und anderen Maßnahmen die Rede. Dennoch vermisse ich die anderen Maßnahmen, einschließlich der Zusicherung einer grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, denn wenn wir das nicht schnell hinbekommen, werden die Gerichte an unserer Stelle weiter die Politik in diesem Bereich machen, aber eigentlich ist das unsere Aufgabe als Politiker. Deswegen möchte ich Sie bitten sicherzustellen, dass das genauso schnell durchkommt wie der sehr begrüßenswerte Vorschlag zur psychischen Gesundheit, der meines Wissens demnächst vorgelegt werden soll.
Maria Martens (PPE-DE). – (NL) Ich spreche hier als Koordinatorin der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten für den Entwicklungsausschuss. Ich möchte die Kommission dazu beglückwünschen, dass die allgemeinen strategischen Ziele wie Wohlstand, Solidarität und Sicherheit nach wie vor die Grundausrichtung ihrer Arbeit bilden sollen. Gleichwohl bedauere ich, dass Entwicklungszusammenarbeit und Armutsbekämpfung kaum Beachtung finden. Immerhin sind diese Aspekte für ein starkes und wohlhabendes Europa nicht eben unwesentlich.
2007 haben wir erstmals in der Geschichte eine Gemeinsame Strategie EU-Afrika entwickelt – ein Meilenstein. Die Umsetzung der acht thematischen Partnerschaften lässt allerdings noch auf sich warten. Konkreten Fortschritten diesbezüglich sehen wir mit Interesse entgegen.
Zum Schluss möchte ich noch eines loswerden. Immer öfter mischen sich europäische Kommissare in nationale politische Kampagnen ein. Den Anfang machte bereits der Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe. Sorge bereitet mir das Führungsvakuum, das dadurch auf entscheidenden europäischen Politikfeldern entsteht. Von der Kommission möchte ich wissen, ob sie bereit ist, Regeln aufzustellen, damit nach den Wahlen das Amt des europäischen Kommissars ohne Unterbrechung für nationale Wahlkämpfe ausgeübt wird.
Jacek Saryusz-Wolski (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Jährliche Strategieplanung über eine der wichtigsten Fragen für die Zukunft Europas beängstigend wenig aussagt, nämlich über die externe Politik zur Sicherung der Energieversorgung. Eine überwältigende Mehrheit unseres Parlaments hat für den Bericht gestimmt, in dem eingeräumt wird, dass eine Politik zur Sicherung der Energieversorgung dringend geboten ist. Seither hat sich die Situation verschlechtert, und wir sehen uns heute mit einer gestiegenen Abhängigkeit, gepaart mit mangelnden Fortschritten bei der Verringerung dieser Abhängigkeit, konfrontiert. Das Nabucco-Projekt beispielsweise, das Diversifizierungsflaggschiff der EU, das 2007 vom Europäischen Rat als eines der maßgeblichsten Projekte von europäischem Interesse bezeichnet wurde, wird von einigen als ernsthaft gefährdet, wenn nicht gar als gescheitert angesehen.
Europa braucht sofort eine gemeinsame Politik zur Sicherung seiner Energieversorgung. Dies sollte sich in der Strategieplanung der Kommission für 2009 widerspiegeln. Zu meinem tiefsten Bedauern ist dies nicht der Fall. Die gesamte Strategie darf nicht kurzsichtig sein.
Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Prioritäten 2009: Prioritäten sind dann glaubwürdig, wenn wir auch darauf verweisen können, wie wir mit den Prioritäten der Vergangenheit ernsthaft, effizient und für den Bürger verständlich umgegangen sind. Ich möchte Sie daher gerade im Wahljahr 2009 bitten, auch eine Bilanz zu ziehen, was von den Prioritäten der letzten Jahre konkret, wie umgesetzt wurde, und eine Kommunikationsstrategie mit den Bürgern darüber zu entwickeln.
Und zweitens ist Bürokratieabbau eine permanente Priorität, die auch Vertrauen bei den Bürgern — auch bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen — schafft. Mir fehlt der Small Business Act. Bitte schaffen Sie Vertrauen, damit wir auch die Wahlbeteiligung für die EP-Wahlen 2009 erhöhen können. Auch das muss eine politische Priorität sein!
(Beifall)
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße diese Erklärung. Aber ich möchte insbesondere – und da hätte ich gern einige Antworten – auf Seite 18 und auf eine der Leitaktionen in der Rubrik „Übrige Welt“ aufmerksam machen, nämlich „Gegebenenfalls Umsetzung des Doha-Entwicklungsübereinkommens“.
Meine Sorge ist, dass man hier übereilt irgendetwas aushandelt, was die Landwirtschaft schmerzhaft treffen wird, und dass Europa daraus keinen Nutzen im Hinblick auf Marktzugang zum Nichtagrarbereich oder diesbezügliche Dienstleistungen zieht. Ich hätte hierzu gern ein paar Informationen, denn ich glaube, dass wir darüber im Dunkeln gelassen werden. Bürger aus meinem Wahlkreis kamen das ganze Wochenende über zu mir nach Hause, um ihre Besorgnis angesichts 70%iger Zollsenkungen für Rindfleisch und Milchprodukte zu äußern, die die Landwirtschaft stark schwächen und die Gemeinsame Agrarpolitik in ein schlechtes Licht rücken werden, die uns in diesem Hohen Haus so lieb und teuer ist.
Diese Frage ist Bestandteil der Debatte über den Vertrag von Lissabon in Irland. Ich wünschte, das wäre nicht so, dennoch hätte ich von der Vizepräsidentin der Kommission gern ein paar verbindliche Aussagen zu diesem Thema, um meinen Wählern versichern zu können, dass sie nicht im Stich gelassen werden.
Luís Queiró (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident! Alles deutet darauf hin, dass 2009 ein Jahr der Möglichkeiten wird. Einer der besten Wege, um aus der institutionellen Sackgasse herauszukommen, besteht darin, dass wir unsere Energien auf andere Themen richten und uns damit mehr auf die Strategien konzentrieren können.
Seit mehreren Jahren sprechen wir nun schon über Globalisierung und Klimawandel, unzureichende Sicherheit an unseren Grenzen und Instabilität in Nachbarländern. Jahrzehntelang haben wir über die mit den aufstrebenden Volkswirtschaften zusammenhängenden Herausforderungen und über die neue Rolle Afrikas in der Welt nachgedacht. Theoretische Debatten über die großen Herausforderungen und geeignete Antworten sind zwar wichtig, doch darf sich Europa nicht auf die Rolle eines – wenn auch interaktiven – Beobachters des Wandels beschränken. Vielmehr muss es sich aktiv beteiligen, ein Faktor für Reformen, ein Katalysator für die Entwicklung sein.
Zu den verschiedenen von der Europäischen Kommission genannten politischen Prioritäten, Frau Vizepräsidentin, zählt die Kommunikation. Es gibt keine bessere Kommunikationspolitik als die Bestätigung der erzielten Ergebnisse. Die Bedeutung und das Gewicht Europas für seine Bürger müssen sichtbar, fühlbar und erkennbar sein. So gewinnen wir ihr Vertrauen, das Vertrauen der Bürger, und geben wir den Bürgern das, was sie von uns fordern.
Katalin Lévai (PSE). – (HU) Herr Präsident! Ich möchte gern zwei Themen anschneiden. Das erste bezieht sich auf die Stärkung der neuen Formen der Zusammenarbeit. Einerseits müssen wir die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union stärken und andererseits die Zusammenarbeit zwischen Parlament, Rat und Kommission. Hier damit brauchen wir positive Beispiele für echte Ergebnisse.
Die zweite wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist für die Europäischen Sozialdemokraten schon immer ein wichtiges Thema gewesen: das soziale Europa oder – mit anderen Worten – Wohlstand, Solidarität und Sicherheit, die wir einfach unter dem Begriff „soziales Europa“ zusammenfassen, sowie die schnellstmögliche Verwirklichung der Lissabon-Ziele. Diesbezüglich möchte ich darauf verweisen, dass in diesem Programm der Lage der Frauen sehr wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird, obwohl in den meisten Mitgliedstaaten die soziale Sicherheit der Frauen unzureichend ist und unsichere Beschäftigungsformen sich immer weiter ausbreiten. Ich möchte daher darum bitten, diesen beiden Themenbereichen 2009 besondere Beachtung zu schenken. Vielen Dank.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich möchte zu der Diskussion beitragen und dabei darauf hinweisen, dass es im Kontext aller Strategien einen deutlicher definierten Raum für kleine und mittlere Unternehmen, die das Rückgrat der Beschäftigungsstabilität Europas darstellen, geben sollte. Es muss noch viel getan werden, insbesondere in den Parlamenten der neuen Mitgliedstaaten, wo das Konzept der Flexicurity – eines flexiblen Arbeitsmarktes – erst noch in die Praxis umgesetzt werden muss, damit die Unternehmen besser auf neue Herausforderungen reagieren und eine größere Zahl neuer Arbeitsplätze anbieten können.
Darüber hinaus sollte unsere Devise sein, den Kleinen Priorität zu verleihen, aber wenn es um einzelne Richtlinien und Verordnungen geht, fehlt die Analyse der Kommission hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Kleinunternehmen. Andererseits haben wir üblicherweise von supranationalen Unternehmen vorbereitete Folgenabschätzungen. Ich begrüße die vorgeschlagene Regelung für kleine Unternehmen („Small Business Act“), und ich vertraue darauf, dass wir das Stadium der Ideen hinter uns lassen werden, damit wir bei den Europawahlen in der Lage sein werden, den europäischen Bürgern zu sagen, dass wir unser Ziel erfüllt haben, einen effektiveren und sichereren Wirtschaftsraum zu erreichen.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) 2009 wird sich die Zusammensetzung des Parlaments und auch der Kommission ändern; dennoch wird die Kontinuität der Arbeit gewahrt. Ich möchte die Bedeutung der gemeinsamen Energiepolitik betonen. Seit 2006 haben wir das Thema einer gemeinsamen EU-Energiepolitik diskutiert, und das Parlament hat die Dimension der externen Energiepolitik skizziert.
Diese Politik ist derzeit im Hinblick auf unsere Bemühungen, Gas aus verschiedenen Quellen zu beschaffen, von großer Bedeutung, und da sie das Schlüsselthema zahlreicher Diskussionen ist, wie der über neue Energiequellen, die Arktis, usw., wird sie auch in Zukunft weiterhin relevant sein. Die Europäische Union sollte nicht als Letzte neue Energiequellen entdecken und nutzen, wie es üblicherweise der Fall ist.
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte allen Mitgliedern für ihre Beiträge zur heutigen Aussprache danken. Ich denke, dass diese Beiträge, zusammen mit dem zu verabschiedenden Entschließungsantrag und dem Dialog mit den Ausschüssen und den jeweiligen Kommissaren, eine sehr gute politische Zuarbeit für das Arbeitsprogramm des nächsten Jahres ergeben werden. Dafür bin ich immer eingetreten: für ein stärker politisch geprägtes Konzept der Jährlichen Strategieplanung.
Ich würde gern Stellung nehmen zu einigen der hier angesprochenen Fragen, die ich für äußerst wichtig halte.
Erstens zum Vertrag von Lissabon: Wie Ihnen bekannt ist, steht die Kommission voll hinter diesem neuen Vertrag von Lissabon. Wir setzen uns mit ganzer Kraft für seine Umsetzung ein, und wir bereiten uns vor – wohlgemerkt: wir bereiten uns vor, ohne vorgreifen zu wollen –, um bereits zu Beginn des nächsten Jahres für die Umsetzung gerüstet zu sein. Wir beschäftigen uns z. B. mit der Bürgerinitiative, die mehrere Redner angesprochen haben, mit der Umsetzung der neuen Bestimmungen über die Arbeit mit nationalen Parlamenten, mit dem Beitritt zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und auch mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst, um nur einige der Dinge zu nennen, die eine gute Vorbereitung erfordern, ohne etwas vorwegnehmen zu wollen. Diesen Mittelweg gilt es zu finden. Unser Engagement für den Vertrag von Lissabon wird hoffentlich nicht in Zweifel gezogen.
Wir engagieren uns auch, und das ist enorm wichtig, für die Kommunikation und Information im Zusammenhang mit diesem neuen Vertrag, da wir ungeachtet der Ratifizierungsmethode eine demokratische Verpflichtung haben, uns mit den Bürgern zu befassen, indem wir sie informieren, indem wir ihnen zuhören und auch indem wir erläutern, was wir tun und worin die Inhalte dieses neuen Vertrags bestehen.
Bezüglich der politischen Agenda und der Ausgewogenheit zwischen der sozialpolitischen und der wirtschaftlichen Agenda, die ebenfalls von mehreren Rednern erwähnt wurden, ist dies meines Erachtens eine sehr wichtige Aussprache, und genau um diese Fragen wird es in unserem Dialog mit den Ausschüssen gehen. Natürlich setzen die verschiedenen Fraktionen im Parlament unterschiedliche Akzente und Prioritäten. Ich bin der Auffassung, dass man sich damit im Entschließungsantrag auseinandersetzen muss, dem wir erwartungsvoll entgegensehen. Die Ergebnisse werden sich dann im Herbst im Legislativ- und Arbeitsprogramm widerspiegeln. Ich finde, wir müssen dieser politischen Debatte sehr viel Aufmerksamkeit widmen.
Ich würde auch gern zu einer Frage von Herrn Bonde Stellung nehmen. Ich fürchte, dass ich ihm nicht folgen kann, denn seit einiger Zeit senden wir den nationalen Parlamenten unsere Dokumente und Vorschläge zu. Das ist ein sehr hilfreiches Unterfangen und wird von den nationalen Parlamenten sehr geschätzt. Wir haben viel daraus gelernt, und es hat auf nationaler Ebene das Verständnis dafür verbessert, was auf europäischer Ebene in den EU-Organen vor sich geht. Es ist auch eine gute Übung dafür, was der neue Vertrag bringen wird; aber nicht nur das, wir haben auch einen Dialog mit nationalen Parlamenten über die Jährliche Strategieplanung und über unser Arbeitsprogramm geführt, und man hat uns gebeten, dorthin zu gehen und Dinge zu erklären und Fragen zu beantworten, die die Abgeordneten nationaler Parlamente bezüglich unserer Pläne und unseres Arbeitsprogramms hatten. Ich glaube, das hat uns sehr geholfen. Wir haben daraus gelernt, und die nationalen Parlamente hatten Gelegenheit, die Geschehnisse auf europäischer Ebene besser einzuordnen und zu erklären. Deswegen hoffe ich wirklich, dass dies eine gute Erfahrung für uns wird. Die Einbeziehung der nationalen Parlamente ist in diesem Zusammenhang keine Lobbyarbeit, sondern vielmehr die Gestaltung der europäischen Agenda. Das bedeutet mehr Demokratie, würde ich sagen.
Abschließend etwas zur Finanzierung: Diese Diskussion wird separat geführt werden, denn das ist ein Teil des Problems – wir haben bereits einen Finanzrahmen bis 2013, und wir alle müssen die Grenzen solcher Finanzrahmen zur Kenntnis nehmen. Nach 2009 werden wir keine zusätzlichen Humanressourcen haben, daher werden wir Ihnen vorsichtig klarmachen, dass Sie uns nicht darum bitten sollen, alle möglichen neuen Dinge zu tun, da wir dann nicht mehr über das dafür notwendige Personal verfügen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Debatte über den Finanzrahmen separat läuft.
Ich möchte auch Frau Gräßle antworten, dass die Kommission im Bereich der Strukturfonds vor kurzem einen sehr ambitionierten Aktionsplan verabschiedet hat, der die ordnungsgemäße Verwendung der für diesen Bereich bestimmten Gelder sicherstellen soll. Die Kommission beabsichtigt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, die das Geld bekanntlich vor Ort ausgeben, alle erforderlichen Kontrollen auszuüben, um dafür zu sorgen, dass jeder ausgegebene Euro gut angelegt ist. Wir werden dem Haushaltskontrollausschuss darüber regelmäßig Bericht erstatten, das ist unsere klare Zielsetzung in Bezug auf die Kontrolle der Verwendung des Geldes, das wir ausgeben.
Lassen Sie mich zum Schluss noch anfügen, dass wir uns gemeinsam den Prioritäten der Kommunikationspolitik widmen sollten, da 2009 auch im Hinblick auf die Sicherung einer lebhaften Debatte vor den Wahlen ein sehr wichtiges Jahr sein wird. Wie Sie wissen, liegen die Schwerpunkte der Kommunikationspolitik für 2009 auf dem Vertrag von Lissabon. In Teil I der Jährlichen Strategieplanung wird die Regelung für kleine Unternehmen erwähnt. Dies ist Teil der Lissabon-Strategie und unserer Überprüfung der Lissabon-Strategie, dass es nämlich auch genau um die Dinge gehen soll, die von Ihnen genannt wurden. Ich halte diese auch wirklich für sehr wichtig.
Wir werden Ergebnisse vorlegen, die auf dem Vertrag von Lissabon beruhen. Wir werden den Haushalt reformieren, wir werden uns auf Wachstum und Beschäftigung konzentrieren, und wir werden uns mit den Themen Energie und Klimawandel beschäftigen. Das wird richtungweisend für viele der Prioritäten unserer Kommunikationspolitik sein, und wir hoffen auf eine lebhafte Debatte zu dieser EU-Politik.
Zum Schluss möchte ich Sie noch einmal auf den Vorschlag aufmerksam machen, eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Kommunikation abzuschließen. Wir hoffen, dass dadurch ein wesentlich besserer Rahmen für unsere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet geschaffen wird. Nochmals vielen Dank für diese Aussprache. All diese Angelegenheiten, auch die von Ihnen genannten Detailfragen, die meines Erachtens eher zwischen Ausschüssen und Kommissaren besprochen werden sollten, werden erneut auf der Tagsordnung stehen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während einer späteren Tagung statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Ich habe mir die jährliche Strategieplanung der Kommission für 2009 sehr sorgfältig durchgelesen. Angesichts der Tatsache, dass Probleme im Zusammenhang mit Klein- und Mittelbetrieben und der ökonomische Kontext der Integration für mich von besonderem Interesse sind, erlaube ich mir, auf einige wichtige Punkte der Strategieplanung einzugehen.
Wir müssen uns den europäischen KMU-Sektor unter einem anderen Blickwinkel anschauen. Wir müssen ihm seine vorrangige Bedeutung zurückgeben und das ihm zustehende Entwicklungspotenzial erschließen. Ich habe mich gefreut, im fraglichen Dokument zu lesen, dass die Kommission der Beseitigung überflüssiger Hemmnisse, die die Entwicklung der KMU behindern, auch künftig Vorrang geben wird. Sie hält es ferner für erforderlich, die Arbeit an der Europäischen Charta für Kleinunternehmen fortzusetzen, die uns, so hoffe ich, lehren wird, zuallererst an das Wohl dieser kleinsten Wirtschaftseinheiten zu denken, bevor wir versuchen, sie in den globalen Kontext einzufügen.
Besonders wichtig sind die Förderung und Unterstützung einer Innovationsstrategie sowie die Erkenntnis, dass wissenschaftliche Zentren und Unternehmen zusammenarbeiten müssen. Gleichermaßen wichtig ist der Abschnitt, in dem es um die vorrangige Rolle der Unionsbürger in ihrer Eigenschaft als Verbraucher geht. Die Art und Weise, in der wir die Öffentlichkeit informieren und mit ihr kommunizieren, muss eindeutig verbessert werden. Bei meinen Gesprächen mit Wählern stelle ich fest, dass sie im Allgemeinen sehr wenig über die Funktionsweise der Union und die Vorzüge, die sich daraus für die Bürger ergeben, wissen. Wichtig ist, dass wir eine klare Botschaft an die Bürger zu Fragen, die ihnen am Herzen liegen, aussenden; die Europäische Union muss sich zu einer Einrichtung entwickeln, die bürgernah, freundlich und verständlich ist, und zwar sowohl für die Verbraucher als auch für die Vertreter der Wirtschaft.
8. Europäisches Innovations- und Technologieinstitut (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung von Reino Paasilinna im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie zum Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (15647/1/2007 – C6-0035/2008 – 2006/0197(COD) (A6-0041/2008).
Reino Paasilinna, Berichterstatter. – (FI) Herr Präsident, Damen und Herren Kommissare, meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen allen für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Bei unserer Arbeit ist das stets unverzichtbar, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Seit nunmehr fast drei Jahren reden wir über die Errichtung eines Europäischen Innovations- und Technologieinstituts, und es ist Zeit verstrichen, da der ursprüngliche Vorschlag der Kommission eine ganze Reihe von Nachbesserungen erforderlich gemacht hat. Die Ausschüsse des Parlaments, insbesondere der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, haben dem Vorschlag eine neue Gestalt gegeben. Parlament und Rat wurden größere Befugnisse eingeräumt, ohne allerdings die Autonomie des ETI zu gefährden. Die Wahl seines Verwaltungsrates erinnert sehr stark an das Wahlverfahren, wie es für den Europäischen Forschungsrat angewendet wird und über das sich die wissenschaftliche Welt lobend geäußert hat. Wie jemand gerade gesagt hat, wurde außerdem bestätigt, dass sich auch kleine und mittlere Unternehmen an der Arbeit des ETI beteiligen und seine Vorteile nutzen können. Dort werden die Auswirkungen auf die Beschäftigung am größten sein, und genau dort finden wir auch jene Flexibilität und Effizienz, die für die rasche Umsetzung von Innovationen notwendig sind.
Vor allem sind die Prioritäten des Instituts geändert worden. Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut soll sich, wie der Name schon vermuten lässt, auf Innovationen konzentrieren. Die beiden anderen Elemente in dem Wissensdreieck, also Bildung und Forschung, sind wichtig, aber Innovation bildet eindeutig die Spitze des Dreiecks, sie ist sein zentraler Punkt und sein Hauptziel. Wir müssen auch künftig in die Qualität der Lehre und der Grundlagenforschung investieren, aber wir alle wissen, dass die Innovation die Achillesferse Europas ist.
Die Amerikaner reichen über ein Drittel mehr an Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt ein als die Europäer. Wir brauchen mehr wissensintensive Produkte und Dienstleistungen.
Innerhalb von zehn Jahren hat China den Anteil seiner Ausgaben für Forschung und Entwicklung am BIP von fast null auf ein Niveau von derzeit anderthalb Prozent erhöht. In immerhin 17 EU-Mitgliedstaaten ist dieser Anteil niedriger als in China. Der auf Investitionen in Forschung und Entwicklung entfallende Anteil am BIP ist in der EU nach wie vor deutlich niedriger als bei den übrigen Weltwirtschaftsmächten.
Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass der Anteil der Investitionen bei uns in den letzten Jahren eher noch zurückgeht und nicht etwa steigt. Mehr oder weniger gleichermaßen gravierend ist die Lage beim Risikokapital. Die Lissabon-Strategie verlangt ein dynamisches Herangehen. Warum haben wir kein Vertrauen in unsere eigenen Systeme? Unsere hoch entwickelten Bildungs- und Forschungssysteme produzieren viel zu wenige kommerzielle und praktische Anwendungen, oder zumindest werden sie weniger häufig umgesetzt als in den Ländern unserer Wettbewerber. Auch unser Patentsystem ist kompliziert. Sollte die Abwanderung von Wissenschaftlern nicht eine ernste Angelegenheit für eine Union sein, die es sich zum Ziel gesetzt hat, zur führenden wissensbasierten Wirtschaft in der Welt zu werden?
Das ETI wird diese Probleme nicht beseitigen, aber es könnte sie durch das Beispiel, das es selbst gibt, verringern. Es wird die Wirtschaft mit einer neuen Art von Verbindungen bei der Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Forschung ausstatten. Es schafft Möglichkeiten für die kommerzielle Nutzung von Forschungsergebnissen und baut dann engere bilaterale Beziehungen auf. Das ETI wird nicht zu einer Super-Universität, die die besten Forscher für sich selbst behält; dafür sorgen die Änderungen des Parlaments. Nach anfänglichen Problemen, die bei der Finanzierung auftraten, ist die Situation nun klar. Eine der Wissens- und Innovationsgemeinschaften, die ich vorgeschlagen habe, wird sich auf Informations- und Kommunikationstechnologien konzentrieren. Dafür erhalten wir bereits erhebliche Mengen an Geld aus der Wirtschaft. Die Finanzierung ist daher kein Problem. Forschung und Experimente allein sind nicht genug: Wir brauchen Zusammenarbeit, und zu diesem Zweck ist das ETI geschaffen worden.
Der ausgezeichnete Kompromiss, der mit dem Rat erzielt wurde, ist so vorteilhaft, dass wir unsere Zustimmung dazu erklären können, und ich bitte daher alle, bei der in Kürze beginnenden Abstimmung ihre Unterstützung dafür zu bekunden. Ich danke Ihnen allen.
(Beifall)
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich bin wirklich froh, und das ist keine diplomatische Floskel, heute hier zu sein und bei dieser Gelegenheit für eine Stärkung der europäischen Innovationskraft einzutreten. Ich denke, dass die Abstimmung des Parlaments von großer Bedeutung sein wird.
Wie Herr Paasilinna erwähnt hat, ist seit den Anfängen viel Zeit vergangen, doch ich würde das Parlament gerne daran erinnern, dass es viel Skepsis, Widerwillen und Zögerlichkeit gab bezüglich des Vorschlags, die Innovation durch eine solche Einrichtung anzukurbeln. Ich freue mich, dass wir es nunmehr geschafft haben, diese ursprünglichen Positionen in einen Konsens und in eine unterstützende Haltung der Mitgliedstaaten, des Parlaments, der EU-Organe und der Partner umzulenken. Ich erinnere an die Anstrengungen der finnischen und anschließend der deutschen, der portugiesischen und aktuell der slowenischen Präsidentschaft. Mein ganz besonderer Dank gilt hier dem Berichterstatter des Parlaments, Herrn Paasilinna, für sein Engagement und seine Hilfsbereitschaft sowie der Vorsitzenden des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, Frau Niebler, und auch Herrn Böge, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, sowie der Berichterstatterin des Ausschusses für Kultur und Bildung, Frau Hennicot-Schoepges. Ohne Ihre Bemühungen und Ihren Einsatz wären wir nie so weit gekommen.
Ich glaube, dass dies eine Gelegenheit ist zu beweisen, dass Europa die Fähigkeit und auch den starken Willen besitzt, seine Innovationsfähigkeit in der globalisierten Welt zu steigern. Technologische Innovation ist der Schlüssel zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit, was wiederum die Grundlagen für das soziale Wohl unserer Bürger sind. Wir schlagen vor, diese drei Eckpunkte des Wissensdreiecks – nämlich Bildung, Forschung und Innovation – durch die Kooperation zwischen Partnern aus Wirtschaft, Forschung und Lehre vollständig zu integrieren. Sie arbeiten dann in so genannten Wissens- und Innovationsgemeinschaften zusammen.
Ich denke, jetzt ist es nach all diesen Vorbereitungen an der Zeit, das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) auf den Weg zu bringen. Wir haben, wie ihnen bekannt ist, bereits etliche Schritte unternommen, und ich habe den Ausschuss darüber informiert, dass wir mit einem Verfahren zur Ernennung des Verwaltungsrats begonnen haben. Ein spezieller Findungsausschuss aus hochrangigen unabhängigen Experten arbeitet zurzeit die Kriterien aus. Dann werden wir versuchen, einen aus 18 Mitgliedern bestehenden ersten Verwaltungsrat zu bilden. Der Findungsausschuss arbeitet völlig unabhängig und eigenständig. Das ist meiner Ansicht nach unabdingbar für den Erfolg des EIT und die Legitimierung des Verwaltungsrates.
Parlament und Rat werden über das Auswahlverfahren und das entsprechende Ergebnis stets auf dem Laufenden gehalten. Nach Abschluss der ersten Etappe des Auswahlverfahrens wird die Kommission einen Zwischenbericht und nach Abschluss des gesamten Verfahrens einen Schlussbericht erstellen. Parlament und Rat haben dann einen Monat Zeit, um sich über die vorgeschlagenen Mitglieder des EIT-Verwaltungsrates zu informieren. Ihre Fachkompetenz, ihr unangefochtener Ruf, ihre vollkommene Unabhängigkeit und die Fähigkeit, ihre Interessen aus den Bereichen, die sie repräsentieren – Universitäten, Forschung und Wirtschaft – zu vertreten, werden meiner Ansicht nach ein wichtiger Aspekt der Glaubwürdigkeit des Instituts sein, sowohl kurz- als auch langfristig.
Gestatten Sie, dass ich einen Aspekt von größter Wichtigkeit hervorhebe. Ich würde gern offiziell erklären, dass sich die Europäische Kommission voll und ganz in der Pflicht sieht, die in der Verordnung verankerten Grundsätze der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Verwaltungsrates zu respektieren, und dass sie in keiner Weise an den strategischen Entscheidungen des EIT mitwirken wird. Auf dieser Basis wird die Kommission den Verwaltungsrat administrativ und finanziell unterstützen, auf dessen Wunsch und in dem Maße, wie es in der Anfangsphase erforderlich ist. Zu Beginn ist eine gewisse Hilfe ja notwendig.
Diese Unterstützung soll den Verwaltungsrat in die Lage versetzen, innerhalb einer Frist von 18 Monaten die erste Wissens- und Innovationsgemeinschaft (KIC) zu wählen, wobei seiner strategischen Entscheidungsfindung in keiner Weise vorgegriffen wird. Es ist unser aller Interesse, dass das EIT innerhalb der laut Verordnung vorgesehenen Frist seine Arbeit aufnehmen kann. Ich freue mich wirklich auf die erfolgreiche Einrichtung des EIT und möchte nochmals meine tief empfundene Dankbarkeit für das Engagement und die Mitwirkung des Parlaments zum Ausdruck bringen.
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Romana Jordan Cizelj, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SL) Drei Jahre sind bereits vergangen, seit der Gedanke, ein Europäisches Innovations- und Technologieinstitut zu errichten, erstmals geäußert wurde. Doch wir wissen schon viel länger, dass der sorgsame und qualitätsbewusste Umgang mit den Humanressourcen der Schlüssel zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Innovation ist. Das EIT bietet eine Lösung für dieses Problem auf europäischer Ebene.
Das Fundament ist bereits vorhanden. Jetzt geht es darum, die vereinbarten Maßnahmen rasch und effektiv umzusetzen. Ich möchte den Abgeordneten, dem Berichterstatter und vor allem den Mitgliedern meiner Fraktion dafür danken, dass sie eine Einigung und in Zusammenarbeit mit der Kommission und dem Rat die Erarbeitung eines guten Vorschlags ermöglicht haben, in den die wichtigsten unserer Vorschläge Eingang gefunden haben.
Im Mittelpunkt des EIT steht die Innovation. Außerdem kann sich das Institut dank unserer Initiative zu einem Symbol der Exzellenz und einem Aushängeschild für europäische Qualität entwickeln. Ein großartiges Merkmal ist die im vorliegenden Vorschlag erwähnte Netzwerkstruktur der unabhängigen Wissens- und Innovationsgemeinschaften. Es ist uns zudem gelungen, eine Lösung für die komplexe und komplizierte Frage der operationellen Organisation des Instituts zu finden.
Der aktuelle Vorschlag bietet eine Lösung in Form eines strategischen Innovationsprogramms, das genau für das richtige Maß zwischen politischer Verantwortung und Unabhängigkeit der Experten sorgt und die Kompetenzen für die langfristige Strategieplanung klar definiert.
Mit den bereits erwähnten finanziellen Ressourcen können wir viel erreichen. Die Voraussetzungen sind gut, aber die wirksame Umsetzung hängt wie üblich von uns, unserem Willen und unserer Hartnäckigkeit ab.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte mich gleich am Anfang entschuldigen, dass ich nach meiner Rede gehe, weil ich zu einem Gespräch zu Präsident Pöttering muss. Ich möchte meinem Kollegen Paasilinna recht herzlich für sein Engagement in dieser Sache danken und auch dem Kommissar, der das immer sehr unterstützt hat.
In der Tat glaube ich, dass dieses EIT ein wichtiges europäisches Instrument ist. Kollege Paasilinna hat es bereits ausgeführt: Wir geben in Europa zu wenig für Forschung und Entwicklung aus, und wir geben zu wenig für Exzellenzforschung aus. In Europa insgesamt sowie in den meisten Ländern – zumindest in den meisten Mitgliedstaaten – könnte, sollte und müsste es mehr sein. Das EIT ist eben keine Konkurrenzinstitution, sondern es soll diese Forschung antreiben, soll neue Initiativen setzen. Ich denke zum Beispiel daran, wie wichtig es alleine im Energiebereich ist, dass wir mehr Forschungsanstrengungen zur Entwicklung von neuen Energietechnologien unternehmen.
Und weil es so wichtig ist, bitte ich den Herrn Kommissar, dass er wirklich darauf dringt, dass die notwendigen Entscheidungen rasch getroffen werden. Eine Entscheidung betrifft natürlich den Sitz der Verwaltungseinheit. Da würde ich als Wiener und Österreicher mir natürlich wünschen, dass der Sitz Wien ist. Aber wie immer es entschieden wird, es sollte rasch entschieden werden, damit das EIT bald mit der Arbeit beginnen kann.
Jorgo Chatzimarkakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Zunächst einmal meinen herzlichen Glückwunsch an Reino Paasilinna, unseren Berichterstatter, aber auch an Herrn Kommissar Figeľ. Das war wirklich eine Glanzleistung, wie wir das hier in so kurzer Zeit hingekriegt haben. Der Berichterstatter war stets fleißig und umsichtig und hat uns aller sehr stark einbezogen.
Ich möchte aber hier auch einen ganz besonderen Glückwunsch an Kommissionspräsident Barroso richten. Man muss nämlich ganz klar sehen, dieses Projekt war im Januar 2005 seine persönliche Initiative. Wir haben es in drei Jahren auf die Beine gestellt. Das ist großartig. Wir sind schnell in Europa, und das ist eine Glanzleistung von uns, das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. Es waren nur drei Jahre, obgleich es ja ein kritisches Thema war. Wir haben es mit Bildung zu tun. Bildung liegt in der Kulturhoheit der Länder in Deutschland, dem Land, das ich am besten kenne, und natürlich steht sie unter besonderer Beobachtung der Mitgliedstaaten.
Trotzdem haben wir es geschafft, einen Kompromiss hinzubekommen. Ich verweise auf die Finanzen. Wie lange haben wir mit der Frage gerungen, wo denn das Geld eigentlich herkommen soll. Und dann haben wir es geschafft, den EU-Haushalt in einem ersten Schritt vom Kopf auf die Füße zu stellen. In der Vergangenheit hieß es immer nur: Subvention, Subvention. Sie kennen die Debatte! Und jetzt heißt es zum ersten Mal: Innovation statt Subvention! Das ist großartig! Ich möchte mich bei den Kollegen aus dem Agrarausschuss ganz besonders bedanken, denn sie mussten hier Kompromisse eingehen, was sie dann auch getan haben.
Wir haben auch die Streitfragen sehr schnell regeln können, so z. B. die Frage, wie unabhängig das EIT sein soll, die Frage, wie lange die Pilotphasen dauern sollen, die Frage, wie das Verhältnis des EIT zum Siebten Forschungsrahmenprogramm sein wird, die Frage der Kannibalisierung oder auch die Frage des so genannten EIT-Labels, d. h. die Frage, was alles, wenn ein Projekt unter EIT-Flagge fährt, auf diesem Label angegeben werden soll. All das haben wir gelöst.
Jetzt geht es um die Umsetzung. Zurzeit – Herr Kommissar Figel’ hat es gesagt – wird der Verwaltungsrat vorbereitet, und das Europäische Parlament – wir danken dafür, dass Sie uns einbeziehen – wird ein Auge darauf werfen, wer in diesem Verwaltungsrat sitzt, denn wir halten das für sehr, sehr wichtig.
Aber es wird eben auch um die Themenwahl gehen. Herr Swoboda hat eben das Thema Energie angesprochen. In der Tat sollten wir den Fokus darauf legen, die große Antwort Europas auf den Klimawandel auch über das EIT zu steuern, so z. B. die Frage der Energieeffizienz usw. Allerdings müssen wir uns auch über den Standort unterhalten. Nach wie vor halte ich Straßburg für einen hervorragenden Standort für ein EIT. Das ist bisher noch nie so deutlich angesprochen worden, aber wir müssen es einmal ansprechen. Dieses Gebäude hier ist ein hervorragender Standort für ein EIT und für einen Europäischen Forschungsrat. Aus Straßburg könnte Scienceburg werden, und das sollten wir uns alle auf die Fahnen schreiben.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Es trifft sich gut, dass wir heute die Legislativarbeit zur Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts abschließen. Die Sitzung des Verwaltungsrates und die Wissens- und Innovationsgemeinschaften werden der nächste Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Markt für Wissen in der Europäischen Union sein.
Bei seinem jüngsten Besuch in Polen bestätigte Kommissar Verheugen erneut, dass die Einbeziehung der neuen Mitgliedstaaten in die Strukturen des gemeinsamen Marktes dessen Potenzial gestärkt hat und ein Erfolg für alle Beteiligten war. Wir sollten uns meines Erachtens auch in dieser Sache unbedingt von diesen positiven Erfahrungen leiten lassen.
Eine Ansiedlung des Verwaltungsrates in Wrocław käme zweifellos der Kohäsion in Europa zugute. Damit ließen sich die neuen Mitgliedstaaten einfacher für eine Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung im bevorstehenden EU-Haushalt gewinnen. Letztlich könnte so das Innovationspotenzial in ganz Europa freigesetzt werden.
Eine Unterstützung der Kandidatur von Wrocław ist nicht Ausdruck eines engstirnigen Egoismus; sie ist die natürliche Konsequenz einer Argumentation, die die Interessen der gesamten Europäischen Union im Auge hat.
Miloslav Ransdorf, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Seit Kondratieffs Langwellen-Theorie ist bekannt, dass die Schaffung von Innovation und die Implementierung von Innovation in der Gesellschaft ein objektiver Prozess mit seinen eigenen spezifischen und objektiven Mustern ist. Als Menschen, die auf der politischen Bühne aktiv sind, können wir Innovation fördern. Ich persönlich glaube, dass das EIT, was Institutionen betrifft, für Europas Zukunft wichtiger ist als zum Beispiel die Europäische Kommission. Meiner Meinung nach gibt es drei grundlegende Dinge, die dabei behilflich sein können, die Gesellschaft stärker für die Bedeutung der Wissenschaft zu sensibilisieren und die Popularität der Wissenschaft zu erhöhen.
Erstens sollten Wissenschaftler in der Gesellschaft als Vorbilder betrachtet werden. Es ist ganz wichtig, dass eher Wissenschaftler wie Antonín Holý, ein hervorragender tschechischer Chemiker mit Dutzenden von Patenten auf seinen Namen, als Wertemodell für junge Leute dargestellt werden als Sportler oder Sänger. Daher sollten wir bestrebt sein – um gewissermaßen einen Slogan zu verwenden –, ein neues „Wertemuster“ zu erreichen.
Zweitens sollten wir bemüht sein, eine neue „Werteführung“ zu erreichen. Europa hat mehr prominente Gelehrte hervorgebracht als alle anderen Kontinente der Welt zusammen. Der Wert wissenschaftlicher Anstrengungen war für Europäer immer von grundlegender Bedeutung. Wir sollten alles daran setzen, dass Europa seine Führungsrolle in dieser Hinsicht wiedererlangt.
Drittens benötigen wir auch etwas, was ich als „Pioniergeist“ bezeichnen möchte, womit Europa der Weg nach vorne gewiesen werden könnte.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zahlen der Weltorganisation für geistiges Eigentum zeigen deutlich, dass Europas Problem nicht ein Mangel an neuen Ideen ist, sondern deren fehlende Umsetzung in unternehmerische Chancen.
Es wird nicht das Europäische Institut für Innovation und Technologie sein, das Erfolge in einer globalen Wirtschaft gewährleisten wird. Innovative Wettbewerbsfähigkeit wird nur durch eine größere Verfügbarkeit von Mitteln, einschließlich des Risikokapitals, sowie durch eine kreative Umgebung und eine echte akademische und unternehmerische Freiheit gefördert, die mit einem geeigneten Vergütungssystem für herausragende wissenschaftliche Ergebnisse einhergehen.
Meine Damen und Herren, ich bin grundsätzlich gegen die Gründung des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie. Es wird der EU keinen Wettbewerbsvorteil sichern. Es wird nur eine überflüssige Struktur sein, womit bereits bestehende Strukturen zur Förderung von Wissenschaft, Entwicklung und Bildung gedoppelt werden. Es wird nur ein weiterer Ort sein, an dem Steuergelder ohne irgendeinen Mehrwert verschwendet werden.
Darüber hinaus droht es dem Scheitern des Galileo-Systems zu folgen. Der private Sektor, von dessen Geld die Kommission und der Rat abhängen, sieht nicht ein, warum er einen sinnlosen Traum von Politikern und Beamten finanzieren sollte.
Angelika Niebler (PPE-DE). – Herr Präsident, verehrter Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bitte ich um Verzeihung, dass ich zu Beginn der Debatte nicht da sein konnte. Die Vorrednerin hat gerade von Galileo gesprochen. Ich musste die Verhandlungen zum Trilog zu Galileo leiten, deshalb habe ich mich verspätet.
Mein Dank gilt natürlich zunächst unserem Berichterstatter, dem Kollegen Reino Paasilinna, der zusammen mit seinem Schattenberichterstatter hervorragende Arbeit geleistet hat. Mein Dank gilt aber auch Herrn Kommissar Figel’, der sich intensiv in die Beratungen eingebracht hat, sodass wir heute über einen Bericht abstimmen können, der auch bei uns im Parlament breite Zustimmung erfahren wird.
Wir haben unsere Debatte vor drei Jahren mit der Frage begonnen: Brauchen wir ein Europäisches Institut für Technologie und Innovation? Ich sage ganz klar: Ja, wir brauchen dieses Institut! Wir haben Nachholbedarf beim Technologietransfer. Wir haben in allen 27 Ländern hervorragende Wissenschaftler und Forscher. Aber das, was uns fehlt, ist die Umsetzung der exzellenten Ergebnisse aus der Forschung in marktfähige Produkte und Dienstleistungen. Das Technologieinstitut – das Innovationsinstitut – soll eben seinen Beitrag dazu leisten.
Der Vorschlag der Kommission ging zunächst dahin, ein neues Institut auf der grünen Wiese zu bauen. Wir im Parlament haben gesagt: Nein, das wollen wir nicht! Wir wollen eine Netzwerkstruktur bauen, in die Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen in Europa eingebunden sind. Das haben wir mit unserem Bericht geschafft. Ich hoffe auf breite Zustimmung. Da sind wir auf dem richtigen Weg.
Es war auch gut, dass wir bei unseren Debatten nicht den Standort diskutiert haben. Sonst, lieber Kollege Chatzimarkakis, wären wir nicht heute fertig und könnten dieses Dossier nicht abschließen, sondern wir würden wahrscheinlich in fünf Jahren noch debattieren, ob wir ein Technologieinstitut brauchen.
Gyula Hegyi (PSE). – (EN) Herr Präsident! Wissenschaft und Technologie sind unsere realen Chancen, im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Über viele Jahrhunderte hinweg war unser Kontinent das Zentrum wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen, und die europäische Wissenschaft war stets international. Es gab einen intensiven Austausch von Ideen und Besuche von Wissenschaftlern, sogar zu Zeiten des Eisernen Vorhangs, und die wissenschaftliche Gemeinschaft ist heutzutage nahezu grenzenlos.
Die Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts ist ein bedeutender Schritt zur Fortsetzung dieser alten Tradition unseres Kontinents. Ich begrüße es sehr und begrüße natürlich den hervorragenden Bericht des Kollegen Paasilinna.
Im Namen meiner Regierung, meines Volkes und der Wissenschaftler biete ich Budapest als Sitz des EIT an. Unsere Errungenschaften im Bereich der Biowissenschaften, im Kampf gegen den Klimawandel und in ökologischen Studien sind dafür die besten Argumente. Darüber hinaus hätte meine Heimatstadt Budapest aber auch eine reizvolle und interessante Atmosphäre zu bieten.
Lena Ek (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Wir wollen ein Europa, das wettbewerbsfähig, umweltfreundlich und sozial ist. Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt ist jedoch hart, und um in diesem Wettbewerb bestehen zu können, brauchen wir europäische Projekte, und wir müssen unsere Ressourcen bündeln, wie die USA dies getan haben, als sie beschlossen, einen Mann zum Mond zu schicken. Ich glaube, das Europäische Innovations- und Technologieinstitut kann unsere Plattform sein für solch ein „Mann-auf-dem-Mond“-Projekt, will heißen für eine Kombination aus hervorragenden Forschern und gebündelten Ressourcen.
Die bislang definierten Bereiche wie Klimawandel und Telekommunikation sind Bereiche, die für Europa und für die europäische Wettbewerbsfähigkeit von großer Bedeutung sind, aber auch für die Frage, zu welchen Bedingungen wir diese europäische Zukunft bekommen können, die die europäischen Bürger so dringend brauchen. Ich denke, die Garantie der akademischen Weiterbildung ist enorm wichtig.
Zum Schluss möchte ich mich dem Wunsch von Herrn Chatzimarkakis anschließen, die bereits vorhandenen Gebäude zu nutzen.
Ryszard Czarnecki (UEN). – (PL) Herr Präsident! In nur drei Monaten wird darüber entschieden werden, in welcher europäischen Stadt der Verwaltungsrat des Europäischen Technologieinstituts seinen Sitz haben soll.
Diese Entscheidung wird sowohl politischer Natur als auch sachbezogen sein. Um für einen gewissen Chancenausgleich zwischen der alten und der neuen Union zu sorgen, wird ein Konglomerat von Ländern, die erst unlängst der Europäischen Union beigetreten sind, in Erscheinung treten. Ich bin, ausgehend von den Fakten und ohne das von mir erwähnte politische Kriterium zu vergessen, der Ansicht, dass die polnische Stadt Wrocław, deren Geschichte im Verlaufe der Jahrhunderte neben den Polen auch von Tschechen, Österreichern, Juden und Deutschen geprägt wurde, der perfekte, der ideale Standort für das Zentrum wäre.
Für Wrocław sprechen das beträchtliche intellektuelle Potenzial der Stadt; die Tatsache, dass sie bereits über ein leistungsfähiges akademisches Zentrum verfügt; die hohe Konzentration von Kapital und wichtigen Unternehmen, einschließlich ausländischer Firmen, in der niederschlesischen Region, die Partner des EIT werden könnten; und schließlich die Nähe zu zwei weiteren EU-Mitgliedstaaten, und zwar zu Deutschland und der Tschechischen Republik. Ferner hat Wrocław eine Reihe von Nobelpreisträgern hervorgebracht. Außerdem pflegt die Stadt eine gut entwickelte wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen und wissenschaftlichen Zentren in ganz Europa und darüber hinaus.
Meines Erachtens wäre die Entscheidung, Wrocław als Sitz des Verwaltungsrates des Europäischen Technologieinstituts zu wählen, mit Blick auf eine harmonische wissenschaftliche und technische Entwicklung in der EU, bei der die Trennungen zwischen dem altem und dem neuem Europa überwunden werden müssen, optimal.
Zdzisław Kazimierz Chmielewski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Eine Begrenzung der Redezeit auf nur eine Minute hat natürlich gewisse Konsequenzen. So muss ich beispielsweise die Frage der Finanzierung unberücksichtigt lassen. Der Gedanke der Innovation, der durch die Wissensgemeinschaften Gestalt annehmen wird, bildete den Dreh- und Angelpunkt der Programmdiskussionen, und ein großer Teil der Anerkennung dafür gebührt dem Berichterstatter. Nach Ansicht meines Heimatlandes, das kein Hehl aus seinem direkten Interesse an der Errichtung des Instituts macht, besteht die Möglichkeit, dass die Gemeinschaften über eine klug durchdachte Verbindung mit dem Institut arbeiten können, wobei ihre weit reichende Unabhängigkeit nicht begrenzt werden sollte.
Verständlicherweise legen Regierungsorganisationen großen Wert auf die praktischen Tugenden der Gemeinschaften und behandeln sie als eine Art Triebkraft für das Wissensdreieck: Bildung, Forschung und Industrie. Gleichzeitig bestätigen sie die Bereitschaft der europäischen Forschungszentren, Gemeinschaften einzurichten, die sich zunächst auf drei Sektoren konzentrieren: erneuerbare Energie, Klimawandel und Informationstechnologie. Es ist meine Pflicht als Europaabgeordneter, der ich mit einer gewissen Genugtuung nachkomme, zu bestätigen, dass die als Zentrum der Wissenschaft in Polen bekannte Stadt Wrocław von sich behaupten kann, diesbezüglich etwas ganz Besonderes zu sein.
Teresa Riera Madurell (PSE). – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Paasilinna beglückwünschen, da ihm eine gute Einigung in einer von Anfang an keineswegs leichten Frage gelungen ist. Die Finanzierung bildete die große offene Frage bei der ersten Lesung, und wir begrüßen es, dass ein gemeinsamer Standpunkt gefunden wurde.
Man kann nicht leugnen, dass die ursprüngliche Idee des Instituts durch andere schon bestehende Exzellenzmodelle inspiriert wurde, doch es sollte auch klargestellt werden, dass große Anstrengungen unternommen wurden, um sie mit der notwendigen Anpassung an die Komplexität und Vielfalt Europas durchführbar zu machen. Das Ergebnis ist ein neues Instrument mit der Fähigkeit, die drei Wissensachsen – Bildung, Forschung und Innovation – zu integrieren, und es soll als Katalysator für die multidisziplinäre Innovationskultur dienen, die für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit so wichtig ist.
Daher sind wir von der Schaffung von Innovations- und Wissensgemeinschaften als strategische integrierte Netze von Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen überzeugt. In ihnen könnten sich Studenten, Forscher und Wissen frei bewegen und auf Gebieten von höchstem wissenschaftlichem und strategischem Interesse wie den erneuerbaren Energien oder den Informations- und Kommunikationstechnologien betätigen.
Wir hoffen, dass das EIT in nicht allzu ferner Zukunft die Früchte tragen wird, die wir alle erwarten.
Grażyna Staniszewska (ALDE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte nochmals meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass die Gemeinschaft dem Innovationserfordernis in Europa eine so große Bedeutung beimisst. Das ist gerade für die neuen Mitgliedstaaten sehr wichtig, bieten innovative Technologien ihnen doch die Chance, als Gesellschaft einen Riesenschritt nach vorn zu tun und ihre eigene Entwicklung zu beschleunigen. Deshalb unterstützen wir von ganzem Herzen das von der Stadt Wrocław vorgestellte Projekt, mit dem sie sich um den Sitz für den Verwaltungsrat des Instituts bewirbt.
Was würde uns, von Straßburg einmal abgesehen, teure monatliche Exkursionen ersparen? Nun, Wrocław – Wrocław liegt an der Grenze zwischen altem und neuem Europa, ist keine Hauptstadt, wohl aber eine florierende Stadt mit ausgezeichneten Universitäten und fast 150 000 Studenten. Die polnischen Behörden, die kommunalen Behörden von Wrocław und die akademischen Kreise Polens sind auf diese Aufgabe bestens vorbereitet. Die Wahl von Wrocław als Sitz für das Innovations- und Technologieinstitut wäre eine symbolische Geste und befände sich nicht im Widerspruch zum Kriterium der Exzellenz.
Das Netzwerk der Wissens- und Innovationsgemeinschaften, das Teil des EIT ist, muss sich gleichmäßig über die gesamte Europäische Union verteilen. Das Institut sollte ein Instrument zur Mobilisierung des gesamten Territoriums der Gemeinschaft sein und zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und technologischem Fortschritt beitragen und damit die Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Europäischen Union bilden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns mit Initiativen wie dem EIT gelingen wird, die Herausforderungen einer wissensbasierten globalen Wirtschaft zu meistern, indem wir die ehrgeizigen Ziele der Lissabon-Strategie umsetzen.
Pierre Pribetich (PSE). – (FR) Herr Präsident! Wir treten in die letzte Phase der Schaffung des ETI ein. Ich würdige die zwischen den einzelnen Institutionen durchgeführten Verhandlungen, um zu einer ausgewogenen Lösung zu kommen, damit dieses Institut in Übereinstimmung mit unseren großen Ambitionen zu einem Symbol der Innovation wird. Im Vordergrund steht also die Innovation, einer der wesentlichen Werte in Europa. Die ersten Wissens- und Innovationsgemeinschaften werden sich auf ausschlaggebende Bereiche konzentrieren wie den Klimawandel und die erneuerbaren Energien, nicht zu vergessen die Nanotechnologien, die deutliche Unterstützung brauchen.
Die Europäische Union wird sich entschieden der Innovation zuwenden. Das Europa der Innovation, die Innovation Europas – das ETI ist das fehlende Kettenglied zwischen diesen beiden Konzepten, das, wenn es morgen beschlossen wird, der EU ermöglichen wird, weiter voranzukommen. Wie Anatole France sagte, bringt man die Rosen zum Erblühen, indem man an sie glaubt. Das ETI ist wie eine Rose in unserem europäischen Garten. Um das ETI zum Erblühen zu bringen, müssen alle klimatischen Voraussetzungen gegeben sein.
Bei der ersten Lesung habe ich den geringen Umfang der für das ETI bereitgestellten Finanzmittel, den ungenügenden Umfang dieser Unterstützung bedauert. 308 Millionen sind keine Summe, die der Höhe unserer Ambitionen gerecht wird. Daher, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar, kommt es darauf an, das finanzielle Klima zu verbessern und die Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen unsere wirklichen Ambitionen verwirklicht werden können.
Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Ich freue mich, dass ich Gelegenheit habe, mich zu äußern. Im Grunde ist es wunderbar, mit diesem Juwel zu beginnen, das zunächst klein ist, aber ein großes Potenzial hat, speziell von der Basis her, wenn dies künftig als besonderes Prädikat für Qualität anerkannt wird.
Ich komme zu meinem zweiten Punkt. Gemeinsam mit Herrn Paasillina habe ich mich um diese Brücke zur Wirtschaft, um diese Bezeichnung rund um Innovation bemüht, und in dieser Hinsicht begrüße ich die Bezeichnung „Innovations- und Technologieinstitut“ außerordentlich. Beim Lesen der Dokumente fällt mir auf, dass wir noch Mühe damit haben. Mitunter findet sich diese Bezeichnung in den Kommissionspapieren, in denen des Parlaments jedoch nicht, deshalb gilt es, das Institut ab heute bei seinem richtigen, korrekten Namen zu nennen.
Mein dritter und letzter Punkt bezieht sich auf den Sitz. Ich möchte mich den nicht muttersprachlichen, nicht französischsprachigen, Rednern wie Frau Ek und Herrn Chatzimarkakis anschließen, die heute dazu aufriefen, Straßburg, „Scienceburg“, wie Herr Chatzimarkakis sagte, zu befürworten. Eine Stadt mit Verwaltungscharakter, und hier geht es um einen Verwaltungssitz, nicht um das große Institut. Damit wären auch viele politische Probleme gelöst.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Idee, ein Europäisches Technologieinstitut zu errichten, stieß, als sie vor drei Jahren erstmals vorgestellt wurde, auf beträchtliche Skepsis. Deshalb sollten wir den derzeitigen Kompromisstext für die Verordnung als großen Erfolg ansehen. Das Institut nimmt im Anschluss an die Entscheidung des Rates über dessen Sitz im Juni möglicherweise bereits in diesem Sommer seine Arbeit auf, und die vorgeschlagene Struktur für das Netzwerk der Wissens- und Innovationsgemeinschaften könnte sich durchaus zu einer Triebkraft für die Innovation in der gesamten EU entwickeln.
Als Berichterstatterin des Rechtsausschusses sah ich eine meiner Hauptaufgaben darin, eine angemessene Rechtsgrundlage zu finden und damit die kontinuierliche Finanzierung des Instituts zu gewährleisten. Ich freue mich, dass der Rat diese Vorschläge akzeptiert hat. Nach der Überarbeitung der Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007–2013 konnte das Institut bereits Mittel in Höhe von annähernd 309 Millionen Euro erhalten, und das ist ein guter Anfang. Ich hoffe, dass es im Rahmen der Halbzeitbilanz möglich sein wird, die 2 Milliarden Euro, die für die Finanzierung des Projekts insgesamt noch erforderlich sind, zu beschaffen.
Die Herausbildung einer Elite ist für den Bereich Wissenschaft in den neuen Mitgliedstaaten, die über ein beträchtliches und bisher unerschlossenes Potenzial verfügen, von besonderer Bedeutung. Deshalb bin ich der Meinung, dass der Vorschlag, eine der Strukturen des EIT in Wrocław – einer Stadt mit über 140 000 Studenten – anzusiedeln, eine ausgezeichnete europäische Investition in die Zukunft darstellt. Abschließend möchte ich Herrn Paasilinna herzlich beglückwünschen und ihm für die hervorragende Zusammenarbeit danken.
Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Mein ungarischer Kollege, ein Europaabgeordneter aus Budapest, sagte, dass selbst während der Zeit des Eisernen Vorhangs wissenschaftliche Einrichtungen in Europa zusammenarbeiteten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben muss jedoch festgestellt werden, dass der Eiserne Vorhang auch die Wissenschaft in Europa in zwei Lager teilte – das westliche Lager, das sich in der freien Welt entwickelte und finanzielle Unterstützung genoss, und das östliche Lager. Es wäre gut, wenn das Europäische Technologieinstitut, das wir heute oder morgen errichten werden, der Europäischen Union nicht nur die Möglichkeit bieten würde, am globalen Innovationswettbewerb, am weltweiten Kampf um Wissen teilzunehmen, sondern auch dazu dienen würde, diese beiden Lager, die die Geschichte getrennt hat, zu vereinen.
Ich schließe mich meinen polnischen Kollegen an, die die Stadt Wrocław als Sitz für das Institut selbst oder eine seiner Abteilungen empfohlen haben, und ich wünsche mir, dass die Behörden in dieser Stadt bereit sind, die Mittel zu investieren, die für den Erfolg dieses Vorhabens unentbehrlich sind.
Erna Hennicot-Schoepges (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte den Berichterstatter, Herrn Paasilinna, und den Kommissar beglückwünschen und das zur Sprache bringen, was in der Debatte nicht erwähnt wurde, nämlich dass wir ohne die akademische Welt und ihre Zustimmung heute noch nicht so weit wären. Hätten die Hochschulen die Schaffung dieses neuen Instituts blockiert, das zum ersten Mal eine Zusammenarbeit zwischen Industrie, Privatwirtschaft, Forschungsbereichen und Hochschuleinrichtungen ermöglicht, dann wäre dieses Institut nicht entstanden.
Da unser Präsident die Errichtung dieses Instituts etwas überstürzt in Angriff nahm, ohne einen angemessenen Haushalt zur Verfügung zu stellen, und da der Kommissar für Wissenschaft und Forschung dieses Institut gar nicht wollte, kommt Ihnen, Herr Figel, die ganze Ehre dieser Gründung zu, denn Sie haben als für die Bildung zuständiger Kommissar alles getan, um die Kreise zu beschwichtigen, die sich Sorgen um die Erteilung von Diplomen und um ihre eigenen Kompetenzen machten.
Ich hoffe, dass dieses Institut ein voller Erfolg wird und dass Sie nur noch diesen seltenen Vogel finden müssen, den Sie suchen, denn für den Verwaltungsrat brauchen Sie Leute, die Erfahrungen sowohl in akademischen als auch in industriellen Bereichen haben, ohne dass sie in diese gegenwärtig involviert sind, und die noch dazu jung sind. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei der Suche!
Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Herr Kommissar! Das Dokument, das vom Europäischen Parlament angenommen werden soll, ist in der Tat sehr wichtig. Ich danke Ihnen und ich danke dem Berichterstatter und allen Kolleginnen und Kollegen, die dazu beigetragen haben, die vorliegenden Vorschläge zu unterbreiten und anzunehmen.
Es ist sehr wichtig, dass eine Schlüsselpolitik in Arbeit ist. Die Entwicklung der europäischen Wirtschaft braucht eben diese technologische Innovation. Das ist es, was die Entwicklung der Welt vorantreibt. Es ist besonders wichtig, dass die wissensbasierten Gesellschaften, die auf der Basis des Projektprinzips arbeiten, in der Lage sein werden, die Prioritäten der gemeinsamen europäischen Entwicklungspolitik einerseits und die Fähigkeiten einzelner Mitgliedstaaten andererseits zu berücksichtigen.
Es ist notwendig, die besten Errungenschaften einzelner Forschungsstrukturen und Universitäten einzubeziehen und zu entwickeln, um die Verbindung zu den Prioritäten im Energiesektor, zum Klimawandel, zu den neuen fortschrittlichen Werkstoffen, die für die Entwicklung der Welt unentbehrlich sind, sicherzustellen.
Dieses Institut soll ein wirkliches Symbol der Einheit, aber auch das beste Mobilitätszentrum für die besten Forschungspraktiken, werden. Und vielleicht wäre es eine gute europäische Politik, es in einem neuen EU-Mitgliedstaat anzusiedeln.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Wir alle sind uns darin einig, dass wir alles in unseren Kräften Stehende tun sollten, um eine offene, wissensbasierte Gesellschaft zu fördern, damit wir den Anschluss an das Weltniveau herstellen und mit der Entwicklung der Weltwirtschaft mithalten können. Wir sollten möglichst hohe Beträge investieren und möglichst viele Diskussionen führen, damit Europa im Rennen bleibt.
Ferner möchte ich feststellen, dass die Standortwahl für das Institut nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Das Institut sollte in einer innovativen Region angesiedelt werden, einer Region des jungen und aufgeschlossenen Denkens, einer Region mit einem großen Potenzial, einer Region – und das ist sehr wichtig – mit Pioniergeist, einer Region, die eingebettet ist zwischen Ost- und Westeuropa. Die polnische Stadt Wrocław, die ich Ihnen ans Herz legen möchte, erfüllt all diese Anforderungen.
Abschließend möchte ich dem Berichterstatter und allen, die sich an dieser anregenden Aussprache beteiligt haben, gratulieren.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Das Hauptziel der Lissabon-Strategie ist es, die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu fördern und auf diese Weise mit anderen Volkswirtschaften der Welt wie den USA und den neuen Wirtschaftszentren Asiens (China, Indien) mitzuhalten.
Zu dieser Strategie gehört die Schaffung des Europäischen Technologieinstituts, das innerhalb der PPE-DE-Fraktion starke Unterstützung erhalten hat. Ich habe mit wachsendem Interesse die Anfänge dieses Instituts verfolgt, das bedeutende finanzielle Unterstützung benötigen wird, um seine Ziele zu erreichen. Diese Ziele sind unerlässlich, um die Grundlage der EU für Industrie, Wettbewerb und Innovation zu erhalten. Ich fordere daher eine Aufstockung des Haushalts, der bereits zugestimmt wurde.
Ich möchte unterstreichen, dass dies ein Vorhaben ist, das Erfolg haben muss. Daher ist es meines Erachtens besonders wichtig, Innovation zu fördern, denn sie führt zu Fortschritt und Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts dessen halte ich es für angemessen, den Begriff „Innovation“ in den Namen des Instituts aufzunehmen, der ursprünglich Europäisches Innovations- und Technologieinstitut lauten sollte. Diese Initiative muss ein wichtiges Mandat im Bereich der wissensbasierten Wirtschaft und bei der Förderung von Forschung und Innovation in der EU erhalten.
Ich möchte meiner Bewunderung für die Energie und Entschlossenheit Ausdruck verleihen, mit der Kommissar Figeľ dieses Vorhaben umsetzt.
Nina Škottová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst Kommissar Figel und den Berichterstatter Herrn Paasilinna zu ihrer Arbeit an diesem Projekt beglückwünschen.
Es wurden sowohl die negativen als auch die positiven Ansichten zum EIT angehört, und es wird zweifellos weitere Diskussionen geben, bevor das EIT ins Leben gerufen wird. In diesem Forum möchte ich einen Gedanken zugunsten des EIT hervorheben: Alle aus dem EU-Haushalt für Wissenschaft, Entwicklung und Bildung bereitgestellten Mittel sind gut angelegte, nicht verschwendete Mittel. Dies gilt insbesondere, wenn sich voraussichtlich die besten europäischen Forscher am EIT-Projekt beteiligen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Gestaltung eines einheitlichen Wirtschaftsraums, eines europäischen Binnenmarktes war der Grund für die Entstehung der Gemeinschaften und später der Europäischen Union. Die nächste Stufe besteht darin, der europäischen Wirtschaft eine moderne und wettbewerbsfähige Dimension zu verleihen.
Das wird nur dann möglich sein, wenn wir auf Bildung, Forschung, neue Technologien und Innovation im weitesten Sinn setzen. Wir werden uns diesen Herausforderungen nicht erfolgreich stellen können, wenn wissenschaftliche Entwicklungen und neue Technologien nicht von der Industrie unterstützt werden und wenn lokale Gebietskörperschaften nicht in die Bildung investieren.
Regierungen sollten einen Beitrag zur Bildung im Tertiärbereich leisten und die wissenschaftliche Grundlagenforschung unterstützen, während sich die Europäische Union auf die Förderung und Anleitung im Bereich der Innovation konzentrieren sollte. Unseres Erachtens sind sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU-Einrichtungen für die Erfüllung dieser Aufgaben zuständig.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Parlament für diese sehr interessante und hilfreiche Aussprache danken. Obwohl es einige Kritik gab an der Geldknappheit oder daran, dass wir schon wieder irgendetwas einrichten wollen.
Ich denke, die wichtigste Innovation beginnt mit Offenheit und Förderung von Kreativität. Das Ergebnis des Anhörungs- und Legislativverfahrens ist tatsächlich ein Beispiel für Offenheit, Mitbeteiligung und Engagement, ja sogar für ein kreatives und innovatives Konzept. Wir haben bei diesem Konsens Innovationsfähigkeit bewiesen, ebenso beim Kontext und beim Inhalt dieses Ergebnisses. Das ist das Wichtigste.
Der Auftrag des EIT wird vor allem die Innovation sein. Dies ist ein Aspekt bzw. eine Konsequenz des Lahti-Gipfels vom Oktober 2006, und wir haben den Textentwurf nur einen Tag vor dem Gipfel vorgelegt. Wir haben nie den völligen Neuaufbau „auf der grünen Wiese“ propagiert, um etwas Neues zu schaffen. Vielmehr wollten wir ein neues Konzept dafür entwickeln, wie man Ressourcen und Partner fördern, organisieren, motivieren und mobilisieren kann, um der Innovation in Europa zum Erfolg zu verhelfen.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es der Kommission niemals darum ging, neue Gebäude für das EIT zu errichten, sondern um die Entwicklung eines neuen Konzepts. Dafür haben wir eineinhalb Jahre gebraucht. Wir begannen im Februar 2005 im Zuge der Lissabon-Strategie, und seither haben wir viele Male beim Kaffee zusammengesessen und zahlreiche sehr anregende und interessante Gespräche geführt – auch hier in diesem Hause –, und es stellte sich heraus, dass es eine Menge Möglichkeiten oder Meinungen gab, wie man Innovation fördern könnte. Ich bin hocherfreut, dass wir nun dieses starke gemeinsame Engagement erreicht haben.
Viele von Ihnen haben sich zum Sitz geäußert. Dieser ist jedoch Angelegenheit des Rates. Ich denke, die slowenische Präsidentschaft wird sich bemühen, den Prozess der Entscheidungsfindung zu koordinieren. Bestimmte Namen sind bereits gefallen, manche davon auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Verschiedene Städte auf regionaler Ebene haben sich ebenfalls beworben. Es ist ein gutes Zeichen, dass es so viele ambitionierte Kandidaten für den Sitz des EIT gibt. Auch zahlreiche Universitäten und Unternehmen sowie Organisationen für Forschung und Technologie sind erpicht darauf, nicht nur am Beratungsprozess, sondern auch an der Auswahl des Verwaltungsrates und anschließend an der Arbeit des EIT mitzuwirken. Wie Frau Hennicot-Schoepges richtig bemerkte, führt dies zu keinem Identitätsverlust, sondern wir bieten eine Aufgabenteilung zwischen Universitäten oder vorhandenen Zentren und dem neu zu errichtenden EIT an.
Das ist mehr oder minder alles, was ich als Antwort auf Ihre Anmerkungen und Ihre Unterstützung hinzufügen wollte. Nochmals möchte ich auf die Wichtigkeit von konvergenter Arbeit auf horizontaler Ebene verweisen. Das, womit Sie als Parlament sich in Ihren Ausschüssen beschäftigt haben, wurde in der Kommission ebenfalls besprochen. Ich war da nicht allein. Und ich bin auch nicht allein. Wir haben das mit der Unterstützung des Präsidenten, des Industriekommissars, des Forschungskommissars, des Haushaltskommissars und vieler anderer Beteiligter geschafft. Das ist meines Erachtens eine sehr wichtige Botschaft für die Zukunft: Lassen Sie uns zusammenarbeiten, offen sein und Kreativität fördern.
In diesem Monat möchte ich vorschlagen, dass wir das Jahr 2009 zum Europäischen Jahr für Kreativität und Innovation erklären. Damit knüpfen wir eng an die Vorschläge, Ideen und Strategien an, die wir in Europa entwickeln und etablieren müssen.
Nochmals herzlichen Dank. Dies ist keine vollendete Tatsache, sondern eher der Beginn einer Aufbauphase. Danach kann dann die eigentliche Arbeit losgehen, und ich hoffe, dass der Start gelingt.
Reino Paasilinna, Berichterstatter. – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wir sollten uns daran erinnern, dass sich, als wir anfingen, eine große Mehrheit gegen dieses ganze Projekt ausgesprochen hat. Jetzt haben wir es in Zusammenarbeit mit der Kommission und dem Rat weiterentwickelt. Jetzt haben wir etwas so Dynamisches geschaffen, das so weit fortgeschritten ist, dass es die Phase der Abstimmung erreicht hat, und ich hoffe, dass eine große Mehrheit für das Projekt stimmen wird. So lässt es sich gut zusammenarbeiten.
Zum Standort möchte ich mich nur insoweit äußern, als ich sagen möchte, dass es hier um ein modernes vernetztes System geht, in dem Forscher und Forschergemeinschaften unabhängig arbeiten werden. Sie werden sich nicht in der Hauptstadt konzentrieren, die wir für die Zentrale des Instituts auswählen werden. Außerdem wird seine Verwaltung relativ klein sein, weniger als hundert Menschen, sodass keine großen Räumlichkeiten benötigt werden.
Eines ist jedoch wichtig. Wir brauchen gute Verkehrsanbindungen, vorzugsweise Direktflüge, schließlich wissen wir alle, sehr gut sogar, wie umständlich es ist, irgendwo zu arbeiten, wohin es keine direkten Flüge gibt und wo Sitzungen sogar auf Flughäfen stattfinden müssen.
Des Weiteren müssen wir die Finanzierung prüfen. Das ist wichtig, auch wenn für eines der vorgeschlagenen Themen, die Kommunikationstechnologie, die Finanzierung bereits gesichert ist. Mit anderen Worten, wenn wir es schaffen, ein Thema interessant erscheinen zu lassen, dann wird das Geld sicher gefunden werden. Am Kapital wird es gewiss nicht mangeln.
Viele in diesem Hause haben darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine neue Art der Zusammenarbeit handelt. Das Institut wird nämlich nicht im Wettbewerb mit anderen stehen, sondern wird auf Zusammenarbeit setzen, wie Frau Ek angemerkt hat. Herr Ransdorf und einige andere Redner haben erklärt, dass das europäische Modell, der Höhepunkt der europäischen Wissenschaft seit Jahrhunderten, zum Höhepunkt der weltweiten Wissenschaft werden soll. Dies ist ein Weg, um genau den Qualitätsstandards, die wir benötigen, Ausdruck zu verleihen. Ich danke Ihnen allen sehr herzlich für Ihre Zusammenarbeit. Dieses Projekt muss erfolgreich sein, weil Europa es braucht. Vielen Dank.
(Beifall)
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Edit Herczog (PSE), schriftlich. – (HU) Die Informationsrevolution und die fundamentalen technologischen Veränderungen sowie der sozioökonomische Wandel der postindustriellen Gesellschaft haben die Regierungen, die Wirtschaft und die Politiker in den meisten Ländern der Welt aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. In zunehmendem Maße wird versucht, die Gründe für den Erfolg bestimmter Gemeinschaften, größerer Regionen oder Länder zu verstehen.
Erfolg erwächst aus Kreativität, kreativer Energie und neuen Ideen, die die Grundlage für jede neue Entwicklung bilden. Kreativität wird zu Innovation, wenn sie in die Praxis umgesetzt wird. Hoffen wir, dass das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) ein solches innovatives geistiges Produkt des Europäischen Parlaments wird. Das Hauptziel des EIT wird der Ausbau der Innovationsfähigkeit der Europäischen Union sein, indem es ein Bindeglied zwischen Hochschulwesen, Forschung und Vertretern der Industrie darstellt. Das EIT kann eine enorme Rolle dabei spielen, europäischer Innovation wieder zu Weltruhm zu verhelfen und die europäische Industrie und Forschung zu einer Kraft zu entwickeln, mit der man rechnen muss. Ungarns Hauptstadt hat sich ebenfalls um den Sitz des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts beworben. Ich bin sicher, mein Land wäre ein guter Gastgeber für dieses Institut, zum einen wegen des Engagements unserer Regierung für Forschung, Innovation und Entwicklung, zum anderen wegen der vorhandenen Forschungsinfrastruktur unseres Landes und der historischen Rolle Ungarns beim wissenschaftlichen Fortschritt sowie nicht zuletzt wegen der ungarischen Gastfreundschaft. Mit den Worten des ungarischen Wissenschaftlers und Nobelpreisträgers Albert Szent-Györgyi bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für unsere Bewerbung um den Sitz des EIT: „Ungarn ist ein kleines Land, was die Einwohnerzahl betrifft, aber ein großes Land in Bezug auf sein geistiges Potenzial“.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Die zweite Lesung im Europäischen Parlament ist ein weiterer Schritt, der uns der Errichtung eines Europäischen Innovations- und Technologieinstituts näher bringt. Viel Zeit ist vergangen, seit José Barroso den Vorschlag zur Bildung einer solchen Einrichtung im Februar 2005 vorgelegt hat. Die Überlegung war, dass dies eine Einrichtung sein sollte, die die Umsetzung der Lissabon-Strategie unterstützt, für die zum damaligen Zeitpunkt bereits die Hälfte der Zeit abgelaufen war, ohne dass der beabsichtigte Nutzen eingetreten wäre.
Ich weiß, dass die polnische Stadt Wrocław zu den Städten gehört, die sich um den Sitz des EIT bewerben. Ich weiß auch, dass man in Polen und in den anderen Städten, die das Institut gern bei sich begrüßen würden (Wien, München, Sant Cugat-Barcelona, Paris, Oxford, Brüssel, Budapest, Nürnberg, Aachen), aufgrund der 2,4 Milliarden Euro, mit denen man zur Finanzierung dieses Instituts rechnet, überzogene Erwartungen hegt. Das sind die Gesamtkosten für das Institut und das Netzwerk der Wissens- und Innovationsgemeinschaften, die voraussichtlich den größten Teil der Mittel verschlingen werden. Ich bin zudem überzeugt davon, dass die Errichtung des Instituts nicht zu den Strukturreformen beitragen wird, die für die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung sind.
Dennoch bin ich im Wissen um die Ambitionen von Wrocław und die Qualität der Verwaltung der Stadt überzeugt davon, dass das der richtige Ort für das EIT ist, und ich bin zufrieden mit den Fortschritten, die hinsichtlich der Errichtung dieser Einrichtung erzielt wurden.
Alexander Stubb (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Bildung, Forschung und Innovation sind die Fenster zur Zukunft. Sie sind die Bausteine dessen, was wir als „Wissensdreieck“ bezeichnen. Wir müssen wettbewerbsorientiert sein. Das Wissensdreieck ist einer der Schlüssel dazu.
Ich unterstütze diesen Text, weil der Kommissionsvorschlag zur Errichtung eines Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) darauf abzielt, gegen eine der verhängnisvollsten Schwächen der Europäischen Union vorzugehen, nämlich den Mangel an Innovationskraft. Ich sehe im EIT eine Investition in die Zukunft.
Anfangs bestand eine gewisse Skepsis, was den möglichen Nutzen des EIT anbelangt. Die vorgeschlagene Netzwerkstruktur ist eine gute Lösung. Die Fachkompetenz liegt bei den beteiligten Universitäten und Hochschulbildungseinrichtungen.
Wenn ich an meine Hochschulzeit denke, halte ich auch die Idee autonomer Wissens- und Innovationsgemeinschaften (KIC) für richtig. Die Auswahl solcher Zentren wird sich nach dem Kriterium der Spitzenleistungen richten. Ich befürworte dies, da von derartigen KIC die besten Impulse für die europäische Innovation ausgehen können.
(Die Sitzung wird um 11.15 Uhr unterbrochen und um 11.30 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: Edward McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
9. Prüfung von Mandaten
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Prüfung der Mandate der neuen Mitglieder des Europäischen Parlaments. Herr Gargani wird im Namen des Rechtsausschusses mündlich Bericht zu diesem Thema erstatten.
Giuseppe Gargani, Vorsitzender des Rechtsausschusses. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der Geschäftsordnung hat das Europäische Parlament die Mandate zu prüfen und über die Gültigkeit der Mandate seiner neu gewählten Mitglieder zu entscheiden. Während seiner Sitzung am 25. Februar hat der Ausschuss die Mandate der 35 rumänischen Mitglieder, die von den zuständigen Behörden benannt wurden, geprüft. Zu diesen Namen sind weitere drei hinzuzufügen, die von den jeweiligen nationalen Behörden genannt wurden.
In Anbetracht der Vielzahl der vorzunehmenden Prüfungen sowie unserer knapp bemessenen Zeit wurde es als zweckmäßig erachtet, dass der Rechtsausschuss und demzufolge sein Vorsitzender das Parlament mündlich davon in Kenntnis setzen. Nachdem der Ausschuss festgestellt hat, dass alles in Ordnung ist, können nun vom Parlament alle Mandate für gültig erklärt werden.
Der Präsident. – Die Mandate werden hiermit für gültig erklärt.
10. Abstimmungsstunde
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)
10.1. Verwaltung des Vermögens der EGKS und des Forschungsfonds für Kohle und Stahl (A6-0062/2008, Reimer Böge) (Abstimmung)
10.2. Luftverkehrsdienste: Abkommen EG/Vereinigte Arabische Emirate (A6-0043/2008, Paolo Costa) (Abstimmung)
10.3. Gemeinsame Organisation der Agrarmärkte (Verordnung über die einheitliche GMO: Zucker, Saatgut, Milch, Obst und Gemüse, Fleisch) (A6-0044/2008, Neil Parish) (Abstimmung)
10.4. Gemeinsame Organisation der Agrarmärkte (Verordnung über die einheitliche GMO: Faserflachs und -hanf) (A6-0045/2008, Neil Parish) (Abstimmung)
10.5. Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (kodifizierte Fassung) (A6-0055/2008, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg) (Abstimmung)
10.6. Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen (kodifizierte Fassung) (A6-0057/2008, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg) (Abstimmung)
10.7. Inverkehrbringen von Gemüsepflanzgut (kodifizierte Fassung) (A6-0056/2008, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg) (Abstimmung)
10.8. Gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (A6-0049/2008, Paolo Costa) (Abstimmung)
10.9. Europäisches Innovations- und Technologieinstitut (A6-0041/2008, Reino Paasilinna) (Abstimmung)
10.10. Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union (A6-0065/2008, Reimer Böge) (Abstimmung)
10.11. Berichtigungshaushaltsplan Nr. 1/2008 (A6-0058/2008, Kyösti Virrankoski) (Abstimmung)
10.12. Partnerschaftliches Fischereiabkommens EG/Guinea-Bissau (A6-0053/2008, Luis Manuel Capoulas Santos) (Abstimmung)
10.13. Partnerschaftliches Fischereiabkommen EG/Côte d'Ivoire (A6-0054/2008, Daniel Varela Suanzes-Carpegna) (Abstimmung)
(Die Sitzung wird um 11.50 Uhr bis zum Beginn der feierlichen Sitzung unterbrochen.)
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
11. Feierliche Sitzung – Estland
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses ist ein schöner Tag für das Europäische Parlament, weil wir nämlich einen früheren Kollegen von uns hier begrüßen dürfen, einen Kollegen, der jetzt der Präsident der Republik Estland ist, unseren früheren Kollegen Hendrik Ilves! Herzlich Willkommen im Europäischen Parlament!
(Lebhafter und anhaltender Beifall)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir eine solche Stunde erleben, dann ist es gut, den Blick nicht nur auf die Gegenwart zu richten, sondern sich zu erinnern, welch weiter, langer Weg es war, dass wir einen Kollegen hatten mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus Estland — und aus Lettland und Litauen, wenn wir es einmal auf die baltischen Staaten zunächst beschränken —, die gewählte Abgeordnete waren und ihre Länder — freie Länder —, die über Jahrzehnte vom totalitären Kommunismus beherrscht wurden, hier vertreten haben, nachdem die Freiheit in Estland errungen worden war.
Dieser Kollege wurde durch eine demokratische Entscheidung seines Volkes zum Präsidenten seines Landes gewählt. Er ist eine Persönlichkeit aus Estland, die wie wenige mit der Zukunft und natürlich der Gegenwart Europas verbunden ist. Erst hat er als Außenminister seines Landes die Verhandlungen über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union geführt, dann war er ein Jahr Beobachter im Europäischen Parlament von 2003 bis zur Direktwahl im Jahre 2004, und schließlich Mitglied des Europäischen Parlaments bis zu seiner Wahl zum Präsidenten der Republik Estland im September 2006. Präsident Hendrik Ilves hat sein Amt als Präsident Estlands am 9. Oktober 2006 angetreten.
Herr Präsident! Es ist eine sehr große Freude, Sie hier im Europäischen Parlament, das morgen seinen 50. Geburtstag feiert, begrüßen zu dürfen. Ihr Besuch ist sozusagen der Beginn der Feierlichkeiten, und ich darf Sie bitten, nun zum Europäischen Parlament zu sprechen. Noch einmal sehr herzlich Willkommen!
(Beifall)
Toomas Hendrik Ilves, Präsident der Republik Estland. − (ET) Liebe Freunde! Zuallererst möchte ich Ihnen zum Geburtstag gratulieren. Meine lieben Freunde und Kollegen, Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes, Freunde, die ich in den letzten eineinhalb Jahren vermisst habe. Wenn ich aufschaue und Sie alle hier sehe, dann scheint es, als seien es viel mehr Abgeordnete als von Platz 131, wo ich dereinst saß.
Sie können sich nicht vorstellen, wie beeindruckend Sie als das Parlament von Europa sind. Ich weiß, dass ich gehen musste, bevor mir das klar wurde. Aber gestatten Sie mir, jetzt in meiner jetzigen Rolle als Präsident meines Landes fortzufahren.
Heute, da Estland kurz vor dem Eintritt in das fünfte Jahr seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union steht, gehören wir nicht mehr zu den „neuen Mitgliedern“, die sich einarbeiten. Ich glaube sogar, dass es inzwischen an der Zeit ist, den Ausdruck „neuer Mitgliedstaat“ als einen bedeutungsleeren Anachronismus aufzugeben.
(Beifall)
Heute gibt es keine neuen oder alten Mitglieder. Es gibt nur Mitglieder. Der Begriff „neuer Mitgliedstaat“ bedeutet heute nicht einmal „armer Mitgliedstaat“, da einige von uns zu den „alten Mitgliedern“ aufgeschlossen haben.
Heute haben wir in der Union Koalitionen von Interessen, von Parteienstandpunkten, und diese können beliebige Dimensionen annehmen und aus kleinen oder großen Mitgliedern, Industrie- oder Handelsnationen usw. bestehen. Die Dauer der EU-Mitgliedschaft jedenfalls bildet dabei nicht die Grundlage.
Ich möchte hier und heute zehn Jahre vorausschauen in eine Zukunft, da wir alle alte oder ältere Mitglieder sein werden; in eine Zeit, da der erste furchtbare europäische Bürgerkrieg des 20. Jahrhunderts 100 Jahre zurückliegt. Wir sprechen von unserer Union als einer Reaktion auf den zweiten europäischen Bürgerkrieg, einer Möglichkeit, unseren Kontinent so zu gestalten, dass sich die Schrecken des Zweiten Weltkriegs nicht wiederholen.
Dabei dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass ein Drittel – und eigentlich ja noch mehr – der Mitglieder der heutigen Europäischen Union als unabhängige politische Gebilde aus den Trümmern des Ersten Weltkriegs hervorgegangen sind. Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen (nachdem es für 140 Jahre von der Landkarte verschwunden war), die ehemalige Tschechoslowakei zusammen mit Ungarn und Österreich in ihrer jetzigen Form sind alle im 20. Jahrhundert nach dem Zusammenbruch von Imperien, jenen internationalen Supermächten, als neue selbstbestimmte Staaten entstanden.
Ich spreche diesen Punkt an, weil mein Land wie so viele unserer heutigen Mitglieder entstanden ist, indem es das Joch der Zwangsmitgliedschaft in großen despotischen oder undemokratischen supranationalen Gebilden – auch als Imperien bekannt – abgeworfen hat.
Estland ist wie viele andere sogar zweimal entstanden. Doch heute sind wir alle zusammengekommen, um unser eigenes neues supranationales Gebilde – und eine neue Identität – aufzubauen, unsere Europäische Union.
Das tun wir nicht etwa, weil wir erobert oder besetzt wurden, sondern weil wir uns frei entscheiden können und weil wir glauben, dass das der richtige Schritt ist. Auch das ist Ausdruck unseres Rechts auf Selbstbestimmung.
Das sage ich deshalb, weil Estland in zehn Jahren erstmals die Ehre und Verantwortung haben wird, den Ratsvorsitz zu führen, und ich hoffe sehr, dass wir dann nicht mehr mit den Problemen zu kämpfen haben werden, die uns jetzt so großes Kopfzerbrechen bereiten. Aus eben diesem Grund möchte ich heute über Dinge sprechen, die in mindestens zehn Jahren von Belang sein werden.
Ich spreche diese Punkte auch deshalb an, weil unser Wahlzyklus und der Zyklus unserer Herausforderungen nicht im Takt sind: Wir kommen gut klar mit Problemen, die sich in unseren Vier- oder Fünfjahreszyklus einfügen.
Doch bei den Herausforderungen und Zwängen, denen sich die Europäische Union heute gegenübersieht und die von der Energie bis zur Umwelt, von der Wettbewerbsfähigkeit bis zur Erweiterung, von der gemeinsamen Außenpolitik bis zur Migration reichen, handelt es sich ausnahmslos um strategische Fragen, die Mut und kühnes Handeln über einen wesentlich längeren Zeitraum als zwei oder drei Wahlperioden erfordern.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir die Zukunft nicht vorhersagen können, lassen sich im Allgemeinen doch gewisse Tendenzen und Gefahren erkennen. Über zwei von ihnen, die Zwillingsgefahren der globalen Erwärmung und der schwindenden Vorräte an fossilen Brennstoffen, denen wir uns gegenübersehen, wird ausgiebig diskutiert. Doch dabei handelt es sich um globale Probleme, und ihre Lösung, die ohne die Europäische Union zweifellos nicht möglich ist, muss vom gesamten Globus in Angriff genommen werden.
Doch gleichzeitig muss sich die Union anderen Arten von schwer wiegenden Herausforderungen stellen. Wenn wir diese nicht erfolgreich bewältigen, dann könnten wir in zehn Jahren, auf jeden Fall aber in 25 Jahren, etwas von unserem relativen Reichtum und Erfolg der Gegenwart eingebüßt haben. Diese Herausforderungen und Zwänge hängen alle mit der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zusammen.
Wo befinden sich unsere Konkurrenten? In der Europäischen Union oder in anderen Teilen der Welt? Die Antwort lautet ganz klar: „Sowohl als auch“. Wir müssen uns sowohl auf dem Markt innerhalb der Europäischen Union als auch weltweit behaupten.
Doch wenn wir uns die langfristigen Tendenzen in der Globalisierung anschauen, dann sollten wir Jean Monnet und Jacques Delors dafür dankbar sein, dass sie den Binnenmarkt zu einer Zeit geschaffen haben, als von der Globalisierung noch nichts zu spüren war.
Gerade der Binnenmarkt ist es, der es den einzelnen europäischen Nationen gestattet, ihre Wettbewerbsfähigkeit im globalen Maßstab zu erhalten. Die Offenheit innerhalb von Europa, die Öffnung gegenüber den Zwängen des Wettbewerbs innerhalb von Europa war die Triebkraft unserer Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten.
Die derzeitigen Denkansätze in der Europäischen Union geben nicht immer Anlass zu Optimismus, und das hat zwei Gründe: Der erste ist in der glanzlosen Umsetzung der Lissabon-Agenda, unserem gut gemeinten Programm zur Entwicklung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, zu suchen.
(Beifall)
Der zweite ist der zunehmende Protektionismus der Europäischen Union, und zwar nicht nur gegenüber Drittstaaten, sondern auch innerhalb unserer eigenen Grenzen.
Gestatten Sie mir, nacheinander auf beide Aspekte einzugehen. Zu der Zeit, als mein Heimatland gerade 50 Jahre uns von der Sowjetunion aufgezwungene Rückständigkeit überwunden hatte, war ich angesichts der langen Zeit, die es dauern würde, bis wir die erforderliche Infrastruktur in Estland aufgebaut haben würden, recht verzweifelt.
Doch in einigen Bereichen wie der Informationstechnologie verfügte Estland von Anfang an über gleiche Ausgangsbedingungen. Dank der Investitionen durch den öffentlichen und den privaten Sektor im Bereich der Informationstechnologie konnte das Land rasch ein Niveau erreichen, das über dem EU-Durchschnitt lag, und Ende der neunziger Jahre hatten wir im Bereich der elektronischen Behördendienste und in einigen anderen Dienstleistungssektoren wie dem Bankgewerbe einen Stand erreicht, wie ihn nur wenige Länder in Europa vorweisen können.
Die vorrangige Entwicklung des IT-Bereichs in meinem Land hat sich ausgezahlt und uns eine Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht. Doch das allein reicht nicht. Allgemein gesehen überlässt Estland so wie das übrige Europa die Innovation in Wissenschaft und Entwicklung anderen.
Seien wir doch offen. In erster Linie kommen die Innovationen aus den USA, die zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf die klügsten Köpfe aus Europa wie auch aus Indien und China angewiesen sind. Wir müssen uns endlich ernsthaft diesem Problem widmen.
Der Zuwanderung stehen wir ablehnend gegenüber, immer weniger unserer Kinder entscheiden sich für ein Studium der Mathematik, der Natur- oder der Ingenieurwissenschaften, und wir schotten uns in der Europäischen Union in einem der am heftigsten umkämpften Bereiche der Weltwirtschaft – dem Dienstleistungsbereich – vom Wettbewerb ab.
Der Wettbewerb bzw. der nicht vorhandene Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union ist auch für die Sicherheit von Belang. Angesichts der Bedeutung von Energie ist es verständlich, dass viele Länder in der Europäischen Union ihre Unternehmen vom Wettbewerb abschirmen wollen und eine Liberalisierung des Energiemarktes ablehnen.
Das ist eine verständliche Reaktion. Doch heute ist ein Land Europas bedeutendste Energiequelle, das sich selbst zu einer „Energie-Supermacht“ erklärt hat und auf der Webseite seines Außenministeriums erklärt, dass Energie ein Instrument der Außenpolitik darstellt.
Wenn wir vermeiden wollen, dass die europäischen Länder zu Spielbällen einer „Teile-und-herrsche“-Politik werden, oder wenn wir ein Gerangel um bessere Gasgeschäfte verhindern wollen, wie es sich in der Europäischen Union bereits abzeichnet, dann kommen wir um eine gemeinsame Energiepolitik nicht herum.
(Beifall)
Mit einem Energiekommissar, der bei den Verhandlungen über ebenso viel Einfluss verfügt wie der Handelskommissar.
Doch für eine gemeinsame Energiepolitik analog zum gemeinsamen Handelssystem bedarf es auch der unerlässlichen Voraussetzung der externen Politik, nämlich eines liberalisierten Binnenmarktes.
Wie also ist unser gegenwärtiger Stand mit Blick auf die Zukunft? In Korea und Japan ist die Internetdurchdringung erheblich größer als in Europa bei durchaus niedrigeren Gebühren für Breitband-Streaming; Asien und die USA bringen wesentlich mehr Ingenieure und Wissenschaftler hervor (im Falle der USA sind das vielfach Fachkräfte aus anderen Ländern).
Das sind keine guten Voraussetzungen. Diese Entwicklung wird dafür sorgen, dass Europa und die europäische Wettbewerbsfähigkeit den Anschluss an die globalisierte Wirtschaft verpassen. Es sei denn, wir tun etwas.
Für Estland ist der Reformvertrag der erste Schritt, und ich möchte dem portugiesischen Ratsvorsitz für die hervorragende Arbeit danken, mit der dieses Problem gelöst werden konnte. Ohne Erweiterung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit wären wir gelähmt und würden scheitern; ohne einen Präsidenten und einen Außenminister können wir unser Potenzial nicht ausschöpfen.
Unsere Nachbarschaftspolitik ist ein Beispiel dafür, dass wir unser Potenzial nicht ausschöpfen. In einem Dokument kommt der European Council on Foreign Relations zu der Einschätzung, dass die russische Nachbarschaftspolitik im Gegensatz dazu, was viele in Europa denken, besser entwickelt und besser koordiniert ist sowie besser umgesetzt wird als die Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union. Russland stellt mehr politische, wirtschaftliche und sogar militärische Ressourcen für die Gestaltung seiner Nachbarschaftspolitik bereit als die Europäische Union.
Das spricht nicht eben für unsere viel gepriesene „sanfte Macht“. Doch unsere Nachbarschaftspolitik ist mit einer grundlegenden langfristigen Frage verknüpft: Wie wird die EU in zehn Jahren aussehen? Diese Frage hat zwei Aspekte: Wie groß werden wir in zehn Jahren sein, und wie wird unser Umfeld aussehen?
Wie groß wird die Europäische Union 2018 sein? Das wissen wir nicht, aber die Entscheidung darüber liegt bei uns. Die EU wird nicht so groß sein, wie einige von uns sich das wünschen, aber wir werden größer sein als heute. Östlich und südlich von uns gibt es Länder, die der EU gewiss nie beitreten werden.
Meines Erachtens sollte eines unserer wichtigsten Anliegen darin bestehen, dass die Unterschiede zwischen der Europäischen Union und ihren Nachbarn in Bezug auf wirtschaftlichen Wohlstand und politische Freiheiten nie so groß sein dürfen, dass wir Gefahr laufen, von einer Welle der illegalen Einwanderung oder politischer Flüchtlinge überrollt zu werden.
Daher hat es den Anschein, als hätten wir von unseren eigenen ausgezeichneten Erfahrungen, also von früheren Erweiterungen, nichts gelernt. Wir haben vor, die Hilfe für Dritte ohne Reformbedingungen aufzustocken. Über unsere Entwicklungsbanken unterstützen wir die Entwicklung von Ländern, die eine ausgesprochen antagonistische Handelspolitik gegenüber der Europäischen Union verfolgen.
Ferner müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass unser Modell heute nicht das einzige ist. Selbst Francis Fukuyama räumt inzwischen ein, dass der hegelsche Traum vom unaufhaltsamen Marsch der Geschichte hin zu einer liberalen Demokratie nicht stichhaltig ist. Welchen Sinn haben Antikorruptionsbedingungen in Weltbankkrediten für Entwicklungsländer, wenn Staatsfonds bessere Kredite bieten, an die keine Bedingungen geknüpft sind?
Wir haben uns geirrt, als wir glaubten, wir lebten in einer entideologisierten Welt. Stattdessen ist der aufstrebende autoritäre Kapitalismus als Alternative zur demokratischen Marktwirtschaft vielleicht der jüngste Gegner im ideologischen, intellektuellen und moralischen Kampf, den wir führen müssen.
(Beifall)
Wir müssen unsere Politiken eindeutig überdenken, aber das wird nicht ausreichen. Wir brauchen mehr Mut; wir brauchen eine Vision und eine klare Vorstellung davon, wo wir und die Welt in 20 oder 25 Jahren sein werden, zu einer Zeit, da die heutige Wirtschaftsmacht Deutschland weit hinter Indien und China zurückgeblieben sein wird.
Um uns auf die Zeit in einem Vierteljahrhundert vorzubereiten, müssen wir heute mit der Planung beginnen. Ich hoffe sehr, dass die Parteien bei den bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament nicht auf der Grundlage der Erhaltung des heutigen Status quo antreten werden, sondern auf der Grundlage ihrer Zukunftsvisionen.
Meine Damen und Herren, die Demokratie existiert für die Bürger, sie basiert auf dem Willen der Bürger und unterliegt deren Billigung. Zu diesem Zweck haben wir Institutionen geschaffen, Institutionen, die der neue Vertrag nach seinem Inkrafttreten weiterentwickeln sollte.
Wir sollten unsere Verantwortung aber nicht an Institutionen delegieren; die Einrichtung eines auswärtigen Dienstes oder die Ausdehnung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit werden wenig bewirken, wenn wir keine grundlegendere Vorstellung von den europäischen Interessen entwickeln.
Die Einrichtung gemeinsamer Konsulate dient dem Bürokratieabbau. Erschwert man den Mitgliedstaaten das Einlegen eines Vetos, so ist das ein willkommener Schritt für Europa, aber es bleibt ein kleiner Schritt, solange die Mitgliedstaaten den Eindruck haben, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden.
Wir müssen uns auf das Grundeinvernehmen besinnen, das für den Erfolg der Europäischen Union verantwortlich ist, dass nämlich den nationalen Interessen am besten gedient ist, wenn wir alle ein wenig zurückstecken, damit die Union als Ganzes erfolgreich sein kann. Ich meine damit nicht das Zustecken von Geldern oder Zugeständnisse an widerspenstige Mitglieder, die sich unserer Politik nur widerwillig anschließen. Ich meine damit unseren Platz in der Welt, und zwar einzeln als Nationalstaaten und gemeinsam als Europäische Union.
Wenn wir von einem starken Europa sprechen, dann müssen wir erkennen, dass auch hier gilt, was uns allen schon aus der Politik in unseren Heimatländern vertraut ist: Unser Land ist auf der Weltbühne oder auch in Europa stark, wenn wir zu Hause stark sind. Regierungen, die sich auf große Zustimmung im eigenen Land stützen können, können es sich leisten, im internationalen Rahmen Entschlossenheit zu demonstrieren.
Ich bin sicher, dass das in der gesamten Europäischen Union ein Problem ist. Um bei unseren Wählern das europäische Zugehörigkeitsgefühl zu stärken, müssen wir noch weiter gehen als selbst die Vorschläge der Kommission, die vorsehen, dass Studenten ein Jahr an einer Universität in einem anderen Mitgliedstaat verbringen. Das müssen wir aktiv in unseren Mitgliedstaaten propagieren, damit unsere Bürger und nicht nur unsere Beamten einander besser kennen lernen.
Das bedeutet natürlich, dass wir unsere Sprachkenntnisse verbessern. In zehn Jahren sollten wir auf eine Union blicken können, in der jeder Universitätsstudent die Sprache eines anderen Mitgliedstaates spricht, und damit meine ich nicht Englisch, denn Englisch verfügt über eine solche Vormacht in Wissenschaft und Handel, in der Unterhaltungsindustrie und im Internet, dass es nicht mehr als Fremdsprache zählt. Ich meine z. B. Polnisch sprechende Portugiesen, Spanisch sprechende Esten und Slowakisch sprechende Schweden.
Wir müssen auch lernen, regionaler zu denken. Diesbezüglich hat das Parlament bewiesen, dass es eine größere Rolle spielen kann, als man sich das je vorstellen konnte. Ich bin stolz darauf, dass eine Initiative, an der ich beteiligt war, nämlich die Ostsee-Strategie, zu den ersten Politiken der Europäischen Union gehört, die hier, im Europäischen Parlament, und nicht im Rat oder der Kommission ihren Anfang genommen haben, und heute entwickelt sich diese Initiative zu einen Programm der Europäischen Union.
(Beifall)
Das Parlament ist das Bindeglied zwischen den Institutionen der Europäischen Union und ihren Bürgern, das für das Funktionieren der Union sorgt. Denn nur hier können Sie, verehrte Kollegen, das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Interessen Ihrer Wähler und den Interessen der Union finden. Das kann keine andere Institution, und niemand kann das so gut wie Sie.
Nicht weniger wichtig für die Bürger von Europa, für ein Europa der europäischen Bürger, verehrte Europaabgeordnete, ist es zu wissen, wer wir sind, woher wir kommen und wie wir hierher gekommen sind.
In den Räumen eben dieses Parlaments wandte sich ein Kollege während der Rede eines anderen Europaabgeordneten über die Massendeportationen im Heimatland eben dieses Abgeordneten einmal an mich und fragte: „Wieso können Sie nicht die Vergangenheit vergessen und an die Zukunft denken?“
Wir alle denken, wir kennen die Geschichte Europas, und deshalb ist es vielleicht unbequem zu hören, dass das Europa, das wir kennen, nur ein Teil von Europa ist, wie uns Norman Davies, der großartige Europa-Historiker, auf so wirksame Art und Weise vor Augen geführt hat.
Doch die Europäische Union von heute vereint in sich die Geschichte von ganz Europa mit all ihrem Glanz und all ihren Schattenseiten. Wir sind heute sowohl die Erben der bismarckschen Sozialreformen als auch die des Salazar-Regimes, der ersten konstitutionellen Demokratie der Welt als auch der Unterdrückung durch brutale interne Sicherheitsdienste. Das ist unser Europa.
Doch die Tatsache, dass die erste konstitutionelle Demokratie in Polen zu finden war und dass die Unterdrückung durch den Sicherheitsdienst praktisch in unmittelbarer Nachbarschaft des Wirtschaftswunders stattfand, das sind Dinge, über die wir weniger wissen, als wir sollten.
Es ist unsere Aufgabe, Europa zu kennen, meine Damen und Herren. Salvador de Madariaga, einer der größten Europäer des 20. Jahrhunderts, den das Franco-Regime ins Exil getrieben hatte, drückte es so aus: „... dies Europa muss erst entstehen. Erst dann wird es da sein, wenn die Spanier von „unserem Chartres“, die Briten von „unserem Krakau“, die Italiener von „unserem Kopenhagen“ und die Deutschen von „unserem Brügge“ zu sprechen beginnen. Erst wenn dies erreicht ist, hat der Geist, der unser Tun lenkt, das schöpferische Wort gesprochen: FIAT EUROPA!“ So Salvador de Madariaga.
Doch damit Madariagas Zukunft Realität wird, müssen wir uns und unsere Vergangenheit kennen lernen, denn erst dann können wir gemeinsam eine Zukunft aufbauen. Auch das ist unsere Aufgabe in den nächsten zehn Jahren.
Meine Damen und Herren, ich habe heute versucht, einige der Herausforderungen aufzuzeigen, vor denen wir künftig stehen werden. Europa ist noch nicht abgeschlossen. Es bleibt noch viel für uns zu tun. Wenn wir in Estland, meinem Heimatland, eine große Aufgabe lösen, ein wichtiges Unterfangen in Angriff nehmen müssen, dann sagen wir: Mögen wir die Kraft dazu haben!
Mögen wir alle die Kraft haben!
Vielen Dank.
(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden lebhaften Beifall.)
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Indem Sie sich von den Plätzen erhoben haben, indem Sie so viel Beifall gespendet haben, haben Sie dem Präsidenten Estlands gedankt für seine ebenso sympathische, für uns als Parlament freundliche, aber vor allen Dingen zukunftsweisende Rede.
Herr Präsident, Sie haben von etwas gesprochen, was der Kern Europas ist, nämlich das Verständnis füreinander, dass wir wissen, wie wir denken. Und wenn wir wissen, wie wir denken, dann wissen wir, wie wir am Ende auch gemeinsam handeln können.
Als Sie von dem Austausch gerade junger Menschen sprachen, da habe ich mich erinnert – und ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf können wir stolz sein: Als die Finanzielle Vorausschau beschlossen werden sollte und man die Mittel für den Jugendaustausch, für das Programm Erasmus, lebenslanges Lernen, drastisch zusammenstreichen wollte, da haben wir unsere Stimme erhoben und gesagt: Es wird nur ein Ergebnis der Finanziellen Vorausschau geben, wenn wir die Mittel für die Begegnung gerade junger Menschen nicht reduzieren, sondern aufstocken, um so Verständnis und Gemeinschaftssinn in der Europäischen Union möglich zu machen.
(Beifall)
Lassen Sie mich abschließend sagen – und ich tue das auch mit ein wenig innerer Bewegung: Wenn der Präsident Estlands uns an die Geschichte erinnert, müssen wir sagen, die Geschichte Europas, unseres Kontinents, war in vielen Epochen eine gute Geschichte, aber in vielen Epochen auch geprägt von Tragödien. Das, was wir heute tun, auch hier im Europäischen Parlament, ist die Antwort auf die Erfahrung der Geschichte.
Dass Sie uns dies vermitteln, macht den heutigen Tag zu einem großen Tag für das Europäische Parlament. Wir können den Weg in die Zukunft nur gehen, wenn wir uns der Geschichte erinnern, die Konsequenzen aus der Geschichte ziehen und dann gemeinsam auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses und des Gemeinschaftsgeistes handeln, wie Sie es gesagt haben, Herr Präsident, für unser gemeinsames Europa.
Herzlichen Dank, Herr Staatspräsident Hendrik Ilves!
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich habe Sie zuerst nicht verstanden. Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil diese neue Verordnung eine gute Balance zwischen sinnvollen Antiterrormaßnahmen auf der einen Seite und den Passagierrechten auf der anderen Seite schafft.
Ich möchte aber den Fokus auf einen Punkt lenken, der noch nicht zufriedenstellend geregelt ist, und zwar die Regelung betreffend das Mitführen von Flüssigkeiten. Wir wissen, dass die Kontrollen der Terrorprävention dienen sollten, aber durch die unterschiedlichsten Auslegungen an den einzelnen Flughäfen verursachen diese Kontrollen eine Fülle von Ärger bei den Passagieren. Es ist nach wie vor offen, ob das ein wirksames Instrument ist oder nicht. Ich bezweifle das sehr, denn Terroristen haben längst andere Strategien entwickelt und Wege gefunden.
Ich wünsche mir, dass folgende Bewertung vorgenommen wird: Entweder gibt es eine Vereinheitlichung und Verbesserung der Kontrollverfahren oder aber diese Maßnahmen werden abgestellt, und zwar zu dem Zweck, dass man Passagiere nicht mit Maßnahmen belästigt, die ohnehin keine Wirksamkeit haben.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Ich habe für den Bericht Costa gestimmt. Seit Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 sind fast sechs Jahre vergangen und zweieinhalb Jahre seit ihrem Inkrafttreten. Die Sorge um die Sicherheit der Fluggäste auf Flughäfen und an Bord von Flugzeugen ist nach wie vor von großer Aktualität. Der Schutz der Zivilluftfahrt sorgt für einen dramatischen Anstieg der Flugpreise und hat Einschränkungen des Reisekomforts zur Folge. Ein weiteres Problem sind die Kosten des Schutzes: Sie müssen möglichst transparent sein, und die Verbraucher müssen wissen, wofür und wie das Geld, das sie für ein Flugticket bezahlen, ausgegeben wird. Gebühren, die für Zwecke des Schutzes erhoben werden, sollten ausschließlich zur Deckung der mit dem Schutz verbundenen Kosten verwendet werden. Für diese Zwecke erhobene Gebühren dürfen nicht für andere Zwecke eingesetzt werden.
Jan Březina (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Ich habe mich der Abstimmung über den Entwurf einer Verordnung über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt enthalten, da dieser meines Erachtens einige Schwachpunkte enthält. Der bedenklichste ist die Methode zur Bewertung der Haftung von Flugzeugbesatzungen, die nicht in der Verordnung selbst geregelt ist, sondern nachträglich gesondert geregelt wird. Aus dem genehmigten Wortlaut geht hervor, dass die Durchführungsbestimmungen nach ihrem Inkrafttreten eine EU-Verschlusssache sein werden und die darin enthaltenen Informationen nicht öffentlich zugänglich sind. Es könnte daher sein, dass auch die Personen, deren Pflichten von dem Dokument erfasst werden, keinen Zugang zu ihm haben werden. Dies würde gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen. Dasselbe gilt für die Tätigkeit der Beratergruppe, die von der Kommission neben dem Ausschuss eingesetzt wird. In der Beratergruppe werden europäische Organisationen vertreten sein, die unmittelbar mit dem Schutz der Luftfahrt zu tun haben. Es ist nicht angemessen, dass der Ausschuss die Betroffenen bloß informiert, ohne ihnen den Zugang zu der als Verschlusssache eingestuften Information zu ermöglichen. Ich fordere daher eine Lösung, die die Grundsätze der Offenheit und Transparenz wahrt.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Das neue Institut, das hier geschaffen werden soll, erscheint mir im Hinblick auf die Zielsetzung absolut gerechtfertigt und sinnvoll, und daher unterstütze ich den Bericht und diese Einrichtung.
Die Europäische Union — also wir —, wir müssen uns gewaltig anstrengen, um uns im technologischen Wettstreit mit den anderen Wirtschaftsräumen erfolgreich behaupten zu können, aber — und jetzt komme ich auf den entscheidenden Punkt — ich möchte die Kommission wieder einmal auffordern, die 32 Agenturen, und das ist wieder eine davon, auf ihre Sinnhaftigkeit und auf ihre Effizienz hin zu überprüfen, sozusagen einen Health Check für Agenturen durchzuführen, und nicht mehr sinnvolle und nicht effizient arbeitende Agenturen im Interesse der Steuerzahler auch zu schließen.
Ich hoffe — und das ist eine Bitte an die Kommission, die heute am Nachmittag tagt und dieses Thema auf der Tagesordnung hat —, dass sich die Kommission heute endlich dazu durchringt, diesen Health Check für Agenturen durchführen zu lassen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich begrüße es, dass wir nach drei Jahren das Europäische Institut für Innovation und Technologie ins Leben rufen. Ich bin erfreut, dass das Institut keine „Superuniversität“ sein wird, sondern innovative Netzwerke mit dem Ziel einer umfassenderen Anwendung von Forschung in Industrie und Gesundheitswesen schaffen soll. Durch derartige Verbindungen sollten auch die Investitionen des Wirtschaftssektors in die Wissenschaft erheblich erhöht werden. Sobald die Zahl der europäischen Patente zunimmt und wir anfangen, die USA und Japan einzuholen, werden wir wissen, dass wir erfolgreich waren. Das Institut sollte in einem neuen Mitgliedstaat angesiedelt sein. Die Tschechische Republik ist der am besten vorbereitete Kandidat: Sie verfügt bereits über ein gefragtes Konferenzzentrum für Wissenschaftler und Geschäftsleute. Die Karls-Universität ist darüber hinaus ein Symbol für die gemeinsamen Bildungswurzeln des alten und des neuen Europas.
Tomáš Zatloukal (PPE-DE). – (CS) Ich habe für die Gründung des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie gestimmt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es zur Verbesserung der Wettbewerbsbasis der Mitgliedstaaten beitragen wird, indem Partnerorganisationen in integrierte Aktivitäten im Bereich Innovation, Entwicklung und Forschung auf höchster internationaler Ebene einbezogen werden. Ich erwarte, dass das EIT ein Bezugspunkt für Innovationsmanagement wird, da es neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Partnerorganisationen, die im Wissensdreieck von Forschung, Universitäten und privatem Sektor involviert sind, fördern wird. Ich stelle mir vor, dass das EIT eine weltweiten Ruf erlangen und ein attraktives Umfeld für die begabtesten Menschen aus der ganzen Welt bieten wird.
Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Paasilinna, für seine hervorragende Arbeit danken.
Ich habe für diesen Vorschlag gestimmt. Genau wie damals, als dieser Vorschlag Gegenstand der Debatte wurde und ich einige Gelegenheiten hatte, ihn mit dem Präsidenten der Kommission zu erörtern, halte ich es nach wie vor für wichtig, dass der Schwerpunkt auf die Stärkung der Stellung bestehender Universitäten und ihrer Chancen für die Vernetzung gelegt werden sollte. Institute sollten nicht um ihrer selbst willen gegründet werden. Es ist äußerst wichtig dafür zu sorgen, dass das Institut eine koordinierende Stelle sein wird und dass die Mittel für die Forschung nicht von bestehenden Universitäten und Forschungsinstituten, die eine ausgezeichnete Arbeit leisten, abgezogen werden.
Das neue Institut könnte die europäische Innovation und Technologie koordinieren und damit zu neuer Wertschöpfung führen. Das Institut ist notwendig, aber wie ich schon sagte, muss es im Kern um seine Inhalte und nicht um seine Organisationsform gehen. Ich glaube, dass geeignete Räumlichkeiten in Polen und anderswo zur Verfügung stehen, aber der Inhalt darf dabei nicht vergessen werden.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin Abgeordneter für London, die großartigste Stadt der Welt und Hauptstadt des großartigsten Landes der Welt. In meiner Stadt gibt es eine ganze Reihe innovativer Universitäten, daher könnten Sie annehmen, dass ich diesen Bericht befürworte, doch ich habe dagegen gestimmt. Ich möchte auch erklären, warum.
Der Lyriker Thomas Dolby sang einst: „She blinded me with science“. Die Band „2 Unlimited“ drückte es so aus: „Digital revolution, technical solution; for some it brings only more and more confusion“. Nun, worin auch immer die Qualitäten solcher Texte bestehen mögen, ich denke, dass dies den Kerngedanken trifft, der hinter dem EIT steckt. Die Kommission hat Recht, wenn sie sagt, dass Europa zwar erfolgreich in der Forschung, aber zu wenig innovativ ist. Wie aber bekommen wir mehr Innovation?
Mit mehr Bauwerken, mehr Ziegeln und mehr Mörtel ist das sicher nicht hinzukriegen. Sie bekommen keine Innovation durch Verdoppelung bisheriger Anstrengungen. Was wir hier erleben, ist der Versuch des EIT, den Erfolg des Massachusetts Institute of Technology in den Vereinigten Staaten zu kopieren, ohne das erfolgreiche Geschäftsmodell zu studieren, das hinter dem MIT steht. Deswegen habe ich dagegen gestimmt.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich würde zunächst einmal das EIT gern in einen historischen Kontext stellen. Als ich zum ersten Mal vom EIT hörte, sprachen wir gerade darüber, was wir mit diesem Gebäude hier machen könnten, da das Parlament ja zwei Sitze hat, und wie das Gebäude in Straßburg genutzt werden würde, wenn wir diesen Sitz hier aufgeben. Da kam dann die Idee auf, in Straßburg eine Universität von Weltrang anzusiedeln.
Leider hat Straßburg bereits eine ziemlich gute Universität, und daher stieß diese Idee auf wenig Gegenliebe. Straßburg wollte auf diese Institution nicht verzichten. Wir haben viele Debatten über dieses Thema geführt, selbst wenn das Parlament realistisch betrachtet selbst über seinen Sitz entscheiden sollte.
Dennoch stand dieser Gedanke nun im Raum, und wir haben uns darauf eingelassen, dieses enorme Budget, nämlich Hunderte Millionen Euro, auszugeben und damit etwas, das bereits getan wird, zu wiederholen. Sie fragen sich nun bestimmt, worauf ich hinaus will. Stürzt sich Europa auf etwas, das es nicht braucht, weil es schon vorhanden ist? Ist es nötig, diese Fachkompetenz mit dem Markenzeichen Europa zu versehen? Verschwenden wir nicht einfach Geld für Baumaterial an einem Ort, an dem wir viel sinnvollere Dinge tun könnten, indem wir den fantastischen Beispielen von Oxford, Cambridge und den anderen guten Universitäten auf dem europäischen Kontinent folgen?
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Vielen Dank, Herr Präsident! Obwohl ich nicht das Vereinigte Königreich vertrete, habe ich die Freigabe einer Hilfe von insgesamt 162 Millionen Euro nach den Überschwemmungen in Großbritannien, wo sich der Schaden auf 4,6 Milliarden Euro belief, unterstützt.
Ich habe jedoch zwei Vorbehalte. Erstens treffen wir diese Entscheidung nach nur neun Monaten. Zweitens gibt es andere europäische Länder, wie Griechenland, die gemäß den einschlägigen Regeln dringend um Hilfe ersuchen. Ich denke, es sollten zwei Fonds eingerichtet werden: einer für die Bedürfnisse der EU und ein zweiter für andere Länder, um zu verhindern, dass für Hilfen an arme Länder auf einmal keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. Zweitens sehen die Regeln für die Inanspruchnahme der Mittel eine bevorzugte Behandlung bei Katastrophen von großem Ausmaß vor. Wir sollten jedoch auch in der Lage sein, den kleineren Regionen zu helfen. Solidarität macht keine Unterschiede, wenn es um die Größe geht. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir eine Überarbeitung der Regeln.
Glyn Ford (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin erfreut, dass das Parlament 162 Millionen Euro aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union bereitstellen will, um die Schäden zu beseitigen, die in meiner und in anderen Regionen durch die Hochwasserkatastrophen des letzten Sommers entstanden sind.
Dieses Geld ist, wie wir wissen, ganz klar für Infrastrukturprojekte bestimmt, für die Reparatur von Straßen, Brücken, Bahnstrecken, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, aber zugleich ermöglicht es der britischen Regierung, Gelder bereitzustellen, die sie dafür auf andere Weise hätte ausgeben müssen. Immer noch leben Tausende Menschen in Notunterkünften, und viele Geschäfte und Fabriken sind geschlossen.
Deswegen freut es mich, dass Geld aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union bereitgestellt wurde, und ich hoffe, dass die Menschen in Gloucestershire und andernorts davon profitieren werden.
Der Präsident. – Ich möchte in der Art des soeben gehörten mündlichen Beitrags von Herrn Ford eine schriftliche Stimmerklärung für die Einwohner von Yorkshire and The Humber abgeben.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich habe die Schaffung des Haushaltspostens „Programm Galileo – Verwaltungsausgaben“, wie im geänderten Vorschlag der Kommission vorgesehen, unterstützt. Ich habe auch den Änderungsantrag befürwortet, der im Kontext des Galileo-Haushalts einen Betrag von 2 Millionen Euro von einer operativen Haushaltslinie auf eine Haushaltslinie administrativer Art umschichtet.
Das soll der Finanzierung von Maßnahmen wie z. B. die Festlegung und Weiterbehandlung des Risikomanagementsystems, die Festlegung der Politik im Bereich der geistigen Eigentumsrechte, aber auch der Märkte für die innovative Navigation dienen. Dies findet meine nachdrückliche Unterstützung. Sorge bereitet mir hierbei jedoch, dass der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie am 29. Januar mit einer großen Mehrheit acht Änderungsanträge angenommen hat, die die Streichung der Galileo-Aufsichtsbehörde aus der Rechtsgrundlage für den geänderten Vorschlag für die Programme Galileo und EGNOS vorsahen. Ich möchte, dass dieses Thema im Plenum ernsthaft erörtert wird.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Ich werde mich in Bezug auf diesen Bericht kurz fassen. Ich habe dafür gestimmt, weil jeder Staat unabhängig von seiner Größe im Angesicht von Ereignissen höherer Gewalt machtlos ist. Die Bereitstellung zusätzlicher Mittel in einer Ausnahmesituation hilft dem betroffenen Staat, die durch Witterungseinflüsse oder Naturkatastrophen verursachten Schäden zu beheben. Das liegt auf der Hand.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! In diesem Bericht wird Bezug genommen auf die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der EU, über die wir kurz vorher gesprochen haben. Und meine Region hat zum Teil von diesem Geld profitiert bzw. wird davon profitieren, vor allem in North Lincolnshire, wo das Hochwasser enorme Schäden angerichtet hat.
Trotzdem frage ich mich, ob die Menschen in Lincolnshire meinen würden, dass das Geld sinnvoll ausgegeben wird. Wir zahlen momentan so viel Geld an die Europäische Union, und wenn wir dann selbst dringend etwas brauchen, müssen wir darum betteln, etwas zurückzubekommen. Für jeweils 2 britische Pfund, die wir erhalten, haben wir zuvor 5 Pfund in den Topf getan. Ich frage mich, ob wir dieses Geld nicht sinnvoller ausgeben könnten.
Darüber hinaus habe ich große Bedenken – und das habe ich schon früher in den Stimmerklärungen zum Ausdruck gebracht –, was die Art der Erstellung dieser Entwürfe von Berichtigungshaushaltsplänen anbelangt. Riesige Geldbeträge werden zwischen verschiedenen Haushaltslinien hin- und hergeschoben, und nur sehr wenige Leute haben darüber noch einen Überblick.
Heute transferieren wir gerade einmal ein paar Millionen Euro hier für Galileo und ein paar Millionen Euro dort für etwas anderes, aber früher ging es um Hunderte Millionen Euro. Ich frage mich wirklich, ob das das geeignete parlamentarische Verfahren ist, um uns einen Überblick über das Geld des europäischen Steuerzahlers zu geben.
- Berichte Luis Manuel Capoulas Santos (A6-0053/2008) und Daniel Varela Suanzes-Carpegna (A6-0054/2008)
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich stimme stets und ständig gegen Fischereiabkommen dieses Parlaments und der Kommission, und zwar aus einem, wie ich glaube, guten Grund. Ich werde mal ein bisschen aus den Berichten zitieren.
In der Bewertung der Kommission für Guinea-Bissau heißt es, das Fischereiabkommen trage dazu bei, die Lebensfähigkeit der Gemeinschaftssektoren der Trawler und der Thunfischfänger im Atlantischen Ozean zu stärken und verschaffe den Gemeinschaftsschiffen und Gemeinschaftssektoren, die davon abhängen, einen stabilen Rechtsrahmen und eine mittelfristige Sichtbarkeit, aber dass es eben nur – wie es hier heißt – eine „beträchtliche Auswirkung“ auf die Haushaltsstabilität und die politische Stabilität von Guinea-Bissau habe. Ganz gleich, wie wir diese Fischereiabkommen auch immer gestalten, im Wesentlichen ist es doch so, dass wir den Fisch denjenigen stehlen, die ihn vor Ort fangen, vor Ort verkaufen, vor Ort zu Geld machen und somit aus eigener Kraft der Armut entkommen könnten. Wir schaffen eine Lösung, die bedeutet, dass wir den europäischen Fischern Geld dafür zahlen, diese Gewässer mechanisch abzufischen, tonnenweise Fisch zu fangen und damit die Fischerei dieser Küstenländer zu ruinieren.
Der Bericht über Côte d'Ivoire nennt die Beträge, die wir dafür ausgeben. Wir sprechen hier über fast 600 000 Euro, die wir EU-Schiffen dafür geben, dass sie mehr als 7 000 Tonnen Thunfisch fangen. Wenn Sie einen Durchschnittsspanier fragen, wie viele Menschen aus der Elfenbeinküste in sein Land kommen, und zwar deswegen, weil die Fischerboote, die ansonsten Fisch nach Spanien brachten, heutzutage Hunderte, wenn nicht Tausende von illegalen Einwanderern auf die Kanarischen Inseln und sonst wohin transportieren, dann wird Ihnen klar, dass wir gerade dabei sind, uns ein größeres Problem zu schaffen anstelle einer marktwirtschaftlichen Lösung, die wir allerdings bekommen könnten, wenn wir den Ländern mit Fischereirechten gestatteten, selbst zu fischen und ihre eigene Wirtschaft anzukurbeln.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Nichts könnte mir eine größere Freude bereiten, als über nachhaltige europäische Verkehrspolitik zu sprechen.
Der Grund für meine Stimmenthaltung ist, dass dieser Bericht zwar eine anständige Portion vernünftiger Europapolitik enthält, ich mich aber dennoch frage, ob es nicht am besten wäre, marktwirtschaftliche Lösungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu finden, mit denen wir z. B. Verkehrsprobleme in London beseitigen könnten. Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine europaweite Zusammenarbeit und Koordinierung die Parkplatzprobleme in Nottingham oder in Leicester lösen würde. Natürlich, der Austausch bewährter Praktiken könnte das bewirken, aber wir reden ja hier davon, Unmengen von Geld in einen Topf zu werfen und Ausschüsse zu bilden, die sich dann auf Kommissions- und Ratsebene treffen, um über Politik nachzudenken.
Ich finde, die Politik in diesen Bereichen sollte am besten vor Ort gemacht werden. Daher habe ich mich der Abstimmung über den gesamten Bericht enthalten.
Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich habe für den Bericht gestimmt, weil ich glaube, dass er erstens gut ist und zweitens in die richtige Richtung weist. Der Verkehrssektor muss seine Gesamtverantwortung wahrnehmen, insbesondere wenn es um Umweltziele geht, aber auch wenn es um die Erreichung des Lissabon-Zieles geht.
Ich freue mich besonders, dass Änderungsantrag 5 durchgegangen ist, der fordert, dass die Alpenkonvention endlich von der Europäischen Union ratifiziert und nicht nur unterschrieben wird. Ebenso ist erfreulich, dass Änderungsantrag 1 abgelehnt und der Originaltext beibehalten wurde, d. h., dass wir die Internalisierung der externen Kosten mit dem Straßenverkehr beginnen sollten. Schade ist allerdings, dass Änderungsantrag 7 abgelehnt wurde. Es wäre darum gegangen, das 7. Forschungsrahmenprogramm besser zu integrieren und auf Verkehr auszurichten.
Abschließend möchte ich meinen britischen Kollegen, die so gegen die Union schimpfen, noch raten, sie mögen doch die Texte ein wenig genauer lesen, denn sehr viel ist im Konjunktiv formuliert. Es handelt sich um Kann-Bestimmungen, und ob so ein großes Land wie Großbritannien dann diese Maßnahmen einführt oder nicht, liegt im nationalen Ermessen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Die Aussprache gestern Abend hat mich nicht dahingehend beruhigt, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten in absehbarer Zukunft bereit sind, Mittel zur Verbesserung der Qualität der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Mitgliedstaaten zu bewilligen.
Der Herr Kommissar hatte Recht, diese Notwendigkeit eines Wechsels der Verkehrsträger am Ende der gestrigen Aussprache anzusprechen. Ich ersuche die Kommission, realistische Pläne für die Entwicklung der Autobahn- und Eisenbahninfrastruktur in den neuen Mitgliedstaaten vorzulegen. Ohne diese können wir nicht wirklichkeitsnah über eine nachhaltige Verkehrspolitik diskutieren, zumindest nicht aus einer umweltfreundlichen Perspektive heraus. Ich habe auch den Änderungsantrag hinsichtlich der Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie unterstützt; ihre Überarbeitung darf der nachhaltigen Verkehrspolitik nicht abträglich sein.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Konsultativbericht meines deutschen Kollegen Reimer Böge gestimmt, in dem der Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidung 2003/77/EG zur Festlegung der mehrjährigen Finanzleitlinien für die Verwaltung des Vermögens der EGKS in Abwicklung und, nach Abschluss der Abwicklung, des Vermögens des Forschungsfonds für Kohle und Stahl unterstützt wird, denn es ist normal, die Möglichkeit zur Verwaltung dieser Vermögenswerte unter Berücksichtigung der Entwicklung der Märkte sowie der Finanzprodukte zu aktualisieren und dabei einen hohen Grad an langfristiger Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Es mag ja durchaus sinnvoll sein, auf gemeinschaftlicher Ebene bzw. finanziell unterstützt nach neuen Technologien zu suchen, mit denen die CO2-Emissionen bei der Stahlerzeugung verringert werden können. Aufgrund steigenden Bedarfs in Schwellenländern und einiger Naturkatastrophen, die den Abbau unmöglich gemacht haben, kommt es immer wieder zu Engpässen dieses Rohstoffs, was sich in Rekordpreisen für Kohle und Stahl niederschlägt. Hier ist es höchste Zeit, endlich nach Alternativen für die sich immer mehr erschöpfende Ressource Kohle zu suchen.
Zudem ist es höchst fraglich, wie einerseits ehemalige Zusammenschlüsse wie die EGKS oder Euratom, die ja längst in der EU aufgegangen sind, noch über eigenes Vermögen, Programme etc. verfügen können. Dies auch in dem Zusammenhang, dass etwa dem Atomstrom ablehnend gegenüberstehende Mitgliedstaaten dessen Forschung und Co. dennoch ständig finanzieren müssen. Darüber sollte man sich endlich auch einmal Gedanken machen.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. − (PL) Ich stimme dem Vorschlag, bestimmte Klauseln in bestehenden bilateralen Abkommen durch Gemeinschaftsabkommen zu ersetzen, zu.
In Bezug auf Flugpreise und Luftfrachtraten tut der Berichterstatter, Paolo Costa, recht daran, eine Klausel einzuführen, durch die es Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten untersagt wird, bei Luftverkehrsdiensten für Beförderungen ausschließlich innerhalb der Gemeinschaft preisführend zu sein.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines britischen Kollegen Neil Parish über die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse gestimmt, die auf der Basis der Rechtslage vom 31. Dezember 2006 angenommen worden war. Nachdem die 21 seinerzeit bestehenden sektorspezifischen Verordnungen über die gemeinsamen Marktorganisationen in einer einzelnen umfassenden Verordnung zusammengefasst worden waren, um den Rechtsrahmen für die Bereiche der Agrarmarktpolitik wie Intervention, private Lagerhaltung, Einfuhrzollkontingente, Ausfuhrerstattungen, Schutzmaßnahmen, staatliche Beihilfen und Wettbewerbsvorschriften sowie Mitteilungen und Berichterstattung zu rationalisieren und zu vereinfachen, war es notwendig geworden, diesen Text unter Berücksichtigung der seit 2006 in den Sektoren Zucker, Obst und Gemüse, Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse, Saatgut, Rindfleisch sowie Milch und Milcherzeugnisse erlassenen Entscheidungen zu aktualisieren.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Wir lehnen die Gemeinsame Agrarpolitik in ihrer gegenwärtigen Form ab und wenden uns gegen Veränderungen, die innerhalb des bestehenden Systems kaum ins Gewicht fallen würden. Wir fordern eine umfassende Überprüfung und Neubewertung der gesamten Gemeinsamen Agrarpolitik.
Diese beiden Berichte zielen auf eine Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Strukturen der Gemeinsamen Agrarpolitik ab, und deshalb können wir sie nicht unterstützen. Die gesamte Gemeinsame Agrarpolitik ist eine absurde Erfindung, die abgeschafft werden muss.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Bericht von Herrn Parish über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und zu Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die Vorschläge zur Schaffung eines Pakets harmonisierter Vorschriften für verschiedene Bereiche des Sektors, etwa private Lagerhaltung, Einfuhrzollkontingente und Schutzmaßnahmen, sind ein guter Schritt hin zur Verdeutlichung der europäischen Agrarpolitik. Mehr Transparenz und eine vereinfachte Regulierung in diesem Sektor sind dringend erforderlich und werden den schottischen Landwirten unmittelbaren Nutzen bringen. Daher habe ich für den Bericht gestimmt.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines britischen Kollegen Neil Parish zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse betreffend den Sektor Faserflachs und -hanf gestimmt. Die Europäische Kommission, die einen bereits in Erarbeitung befindlichen Bericht über die Verlängerung der Beihilfe für die Erzeugung kurzer Flachs- und Hanffasern vorzulegen hat, welche ab dem Wirtschaftsjahr 2008/09 eingestellt werden soll, schlägt vor, diese Beihilfe bis zu den 2008 im Rahmen des Gesundheitschecks der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgesehenen Politikanalysen zu verlängern. Ich unterstütze diesen äußerst vernünftigen Vorschlag.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Der Vorschlag, die Beihilfen für Flachs und Hanf zu verlängern, ist eine Verfahrensnotwendigkeit, um eine adäquate Widerspiegelung und eine potenzielle Reform im Rahmen des „GAP-Gesundheitschecks“ zu ermöglichen. Aus diesem Grunde unterstütze ich die Empfehlungen des Berichts und habe entsprechend gestimmt.
- Bericht Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (A6-0055/2008)
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. − (PL) Ich stimme für den Bericht von Frau Geringer de Oedenberg über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft.
Ich habe den Bericht meiner Kollegin mit großem Interesse gelesen. Ich befürworte die Annahme des Berichts, weil das Gemeinschaftsrecht meines Erachtens klarer und verständlicher und damit für jeden Bürger transparenter und zugänglicher sein sollte.
Das Ziel dieser Maßnahme war die Kodifizierung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 9. Oktober 1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft.
Als Anwalt möchte ich in meiner Stimmerklärung die Bedeutung der Kodifizierung unterstreichen, bei der es sich um einen sehr wichtigen Prozess handelt, bei dem ein großes Paket von Rechtsvorschriften zu einer einzigen systematisierten Sammlung zusammengefasst wird, aus der sich grundlegende Rechtsnormen ableiten lassen. Ich halte die Vereinfachung und Neuordnung des Gemeinschaftsrechts für außerordentlich wichtig.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines Kollegen Paolo Costa zu dem vom Vermittlungsausschuss gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 gestimmt, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA angenommen worden war und unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus ihrer Anwendung überprüft werden sollte. Es ist zu begrüßen, dass ein Kompromiss zur Finanzierung der Sicherheitsmaßnahmen gefunden wurde, die nunmehr gemeinsam von den Mitgliedstaaten und den Flughafenbetreibern, den Fluggesellschaften und den Nutzern getragen werden soll.
Ich begrüße, dass es dem Europäischen Parlament gelungen ist, den Rat und die Kommission zu überzeugen, das Regelungsverfahren mit Kontrolle für eine ganze Reihe von Maßnahmen anzuwenden, wenn die gemeinsamen Grundnormen für die Luftsicherheit wie beispielsweise für die Durchsuchung der Fluggäste und die möglicherweise zu verbietenden Gegenstände wie Flüssigkeiten festgelegt werden.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Die vorliegende Verordnung sieht „ein höheres Maß an Harmonisierung“ bei den gemeinsamen Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt auf EU-Ebene – beispielsweise betreffend die Durchsuchung von Fluggästen und Handgepäck, die Zugangskontrolle oder Luftfahrzeug–Sicherheitskontrollen – vor und hebt die Verordnung aus dem Jahr 2002 auf, die nach den Ereignissen vom 11. September 2001 in den USA angenommen worden war.
Zu den von uns kritisierten Punkten gehört das Fehlen jeder Garantie – viel eher ist vom Gegenteil auszugehen –, dass die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen, die eindeutig den öffentlichen Dienstleistungen zuzurechnen sind, nicht den Nutzern dieser Dienste aufgebürdet werden beziehungsweise dass die Nutzer keinen Zuschlag für diese Maßnahmen zahlen müssen. Darüber hinaus besteht keine Klarheit über den Wegfall einer ganzen Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, die bereits weithin in die Kritik geraten sind, wobei es insbesondere um ihre tatsächliche Wirksamkeit geht.
Auffallend ist ferner, dass die Beschränkung des Zugangs zur Luftseite genutzt wurde, um die Freiheit der Arbeitnehmer zu beschneiden, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Der Text in seiner jetzigen Fassung stellt weder die Unterbindung eines solchen Missbrauchs noch den Schutz dieser Rechte sicher. Schließlich öffnet die Verordnung Tür und Tor für die Anwesenheit von bewaffnetem Personal während der Flüge. Aus unserer Warte ist eine solche Maßnahme sogar dann falsch, wenn sie mit Sicherheitsbedenken begründet wird.
Stanisław Jałowiecki (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Ich habe trotz allem für diesen Bericht gestimmt. Ich möchte eine kurze Erläuterung geben. Man sagt, Provisorien halten am längsten. Von der Wahrheit dieser Redensart konnten wir uns jetzt ein Jahr lang überzeugen. Als das Verbot für das Mitführen von Getränken und anderen Flüssigkeiten im Flugzeug eingeführt wurde, versicherte man uns, dass dies nur eine vorübergehende Maßnahme sei. Man werde die Verfahren in Kürze überprüfen, und man würde Spezialeinrichtungen in Form von Detektoren installieren, mit denen sich gefährliche Substanzen feststellen lassen.
Nichts davon ist eingetroffen. Und was ist mit den Fluggästen? Die haben sich an diese Unannehmlichkeiten gewöhnt… Sie behandeln sie als notwendiges Übel, das es schon immer gab. Beachten Sie, dass das genau die Art und Weise ist, in der unsere Freiheiten und Rechte schrittweise und fast unmerklich eingeschränkt werden. Das gilt nicht nur für die Zivilluftfahrt, sondern auch für andere Bereiche.
Anerkennung gebührt jedoch dem Parlament und insbesondere den Vertretern des Parlaments im Vermittlungsausschuss, die diese Grundsätze beharrlich verteidigt haben. Zugegeben, ihr Erfolg hatte seinen Preis, aber das Erreichte ist durchaus der Rede wert.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für die neue Luftsicherheits-Verordnung, welche zu einer Erhöhung der Flugverkehrssicherheit führt.
Ich befürworte eine gemeinsame Abstimmung der Normen und Regelungen auf europäischer Ebene stark, da nur eine effiziente und rasche Anpassung der neuen Richtlinien die Sicherheit des Fluggastes sowie dessen Rechte schützt. Vor allem auf Grund der aktuellen Bedrohung durch den internationalen Terrorismus begrüße ich den möglichen Einsatz von begleitenden Sicherheitsbeamten, den „Sky Marshals“, auf potenziell gefährdeten Flugstrecken sehr. Weiters unterstütze ich die Sicherheitsbestimmungen, welche das Mitführen von Waffen ausschließlich im Frachtraum und nur in Ausnahmefällen mit einer jeweils staatlich erteilten Genehmigung erlauben.
Bezüglich der umstrittenen Finanzierungsfrage unterstütze ich den gefundenen Kompromiss, dass jeder Mitgliedstaat selbst darüber entscheidet, in welchem Umfang die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen von den Flughafeneinrichtungen, den Luftfahrtunternehmen und den Nutzern selbst zu tragen sind. Es ist aber klargestellt, dass sich die Kosten direkt auf die Erbringung der Sicherheitsleistung beziehen und nur die tatsächlichen Kosten gedeckt werden dürfen. Außerdem ist die Kommission angehalten, bis zum Ende des Jahres einen Bericht über die Finanzierung der Kosten und gegebenenfalls auch einen Gesetzesvorschlag dazu vorzulegen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Als Repräsentant eines Landes, das erst vor kurzem Opfer des Terrorismus wurde, begrüße ich den Bericht von Herrn Costa über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt. Die zivile Luftfahrt ist ein Thema, das alle Mitgliedstaaten betrifft, und daher bedarf es gemeinsamer EU-weiter Basisstandards. In Bezug auf die Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen wurde meines Erachtens ein geeigneter Kompromiss erzielt, der den Mitgliedstaaten und Nutzern ausreichend Spielraum für die Kostenteilung lässt. Flexible Finanzierungsregelungen werden nicht nur der Notwendigkeit gerecht, Basismaßnahmen in ganz Europa umzusetzen, sondern sie gestatten auch den am meisten durch Terrorakte gefährdeten Flughäfen, zusätzliche Schritte zu unternehmen, um der Bedrohung zu begegnen. Ich begrüße darüber hinaus den Vorschlag, die Zahl der erneuten Durchsuchung von Fluggästen, die aus Drittländern mit EU-äquivalenten Sicherheitsstandards einreisen, zu reduzieren. Ich habe für diesen Bericht gestimmt.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Ich habe gegen den in der abschließenden Vermittlung gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates gestimmt, da ich die Maßnahme der bewaffneten Flugbegleiter in Anbetracht der auf hohem Niveau durchzuführenden zusätzlichen Sicherheitsüberprüfungen, denen Fluggäste am Boden vor Betreten des Flugzeugs unterzogen werden, ablehne. Ich halte diese Maßnahme für exzessiv: Sie opfert die Rechte der Fluggäste im Namen der Flugsicherheit; sie dient nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wird letzten Endes die Bürger – mit anderen Worten, die Fluggäste – finanziell belasten. Wir fordern die Regierungen der Mitgliedstaaten, und insbesondere die griechische Regierung, auf, diese Maßnahme nicht fortzusetzen und den ihnen bereits zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum zu nutzen.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die Sicherheit in der Zivilluftfahrt war in den letzten Jahren mit konkreten, tödlichen und beispiellosen Herausforderungen konfrontiert. Es wurde alles unternommen, um auf die Gefahren für das Leben der Fluggäste und der Flugbesatzungen angemessen zu reagieren; gleichwohl müssen wir feststellen, dass die erlassenen Vorschriften mit dem Einfallsreichtum von Kriminellen nicht Schritt halten können. Deshalb dürfen wir keine Zeit mehr verlieren bzw. auf Diskussionen verschwenden, die uns ein falsches Sicherheitsempfinden vorgaukeln.
Der Rechtsakt, über den wir heute abstimmen, ist lediglich Teil der legislativen Anstrengungen, die von der Union unternommen wurden, um ihre Bürger besser und zuverlässiger zu schützen. Im Bereich der Luftsicherheit müssen wir uns unbedingt mit flexiblen Instrumenten ausstatten, mit denen wir das höchstmögliche Maß an Schutz für die Bürger erreichen und die einfach und angemessen bewertet werden können. Deshalb werde ich für die vom Parlament in der Vermittlung erzielte Einigung stimmen, die den Schutz der Bürger, die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und die ständige Überwachung derjenigen gewährleisten wird, die unsere Sicherheit, die demokratischen Institutionen und den Rechtsstaat bedrohen.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den Bericht von Herrn Costa über den Entwurf gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 gestimmt.
Ich halte es nämlich für sehr wichtig, einen einfacheren und flexibleren Rechtsrahmen zu schaffen, der mehr Freiheiten und mehr Entscheidungsbefugnisse in der Durchführungsphase einräumt, als dies bei der vorherigen, sehr detaillierten Rechtsvorschrift der Fall war.
Gleichwohl halte ich es für richtig, einige feine Unterschiede zu machen, insbesondere in Bezug auf die Verbindung der Flughafengebühren mit den Kosten der erbrachten Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Kommission ausdrücklich auffordern, so schnell wir möglich Maßnahmen zur Finanzierung der Sicherheitsmaßen auf Flughäfen und zur Transparenz der Sicherheitskosten zu ergreifen, um etwaigen Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich entgegenzutreten.
Brian Simpson (PSE), schriftlich. − (EN) Ich werde für die im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromissvereinbarung stimmen, obwohl ich gewisse Vorbehalte hege, und zwar nicht nur bezüglich der Finanzierung dieser Rechtsvorschriften, sondern auch wegen der Haltung des Ministerrates in diesem gesamten Verfahren.
Zunächst muss einmal darauf hingewiesen werden, dass Regierungen glauben, sie könnten verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in der zivilen Luftfahrt einführen, und erwarten, dass die Industrie und anschließend die Fluggäste dafür zahlen. Meiner Ansicht nach, und dies war im Übrigen auch der Standpunkt des Parlaments, müssten Mitgliedstaaten, die auf aufwändigeren Sicherheitsvorkehrungen bestehen, an den dadurch entstehenden Kosten zumindest beteiligt werden.
Zweitens verstehe ich den Begriff Vermittlung so, dass zwei Parteien mit unterschiedlichen Standpunkten einen Kompromiss eingehen, um eine Vereinbarung zu erzielen. Bezüglich dieses Dossiers hat der Rat es nicht nur versäumt, einen Kompromiss oder gar eine Vermittlung auch nur in Betracht zu ziehen, sondern vielmehr in arroganter Art und Weise das Parlament beschuldigt, die Sicherheit von Flugreisenden aufs Spiel zu setzen. Dies ist, offen gesagt, nicht hinnehmbar und hinterlässt bei uns allen einen bitteren Nachgeschmack, an den wir uns bei künftigen Vermittlungen erinnern sollten. Letztendlich fühle ich mich vom Rat erpresst, da ich für diese Vereinbarung gestimmt habe, bekommen wir doch dadurch zumindest verbesserte Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit. Aber mein Ja kommt zögerlich und verärgert.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße die Billigung in zweiter Lesung auf der Grundlage des Berichts meines finnischen Kollegen Reino Paasilinna des Gemeinsamen Standpunktes des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts. Die Idee zu diesem Institut war vom Präsidenten der Europäischen Kommission, José-Manuel Barroso, im Februar 2005 aufgebracht worden und auf eine Reihe von Vorbehalten in Bezug auf den Nutzen einer solchen Einrichtung gestoßen.
So sehr ich die Ansichten und die Sorgen hinsichtlich der Finanzierungsschwierigkeiten bei einem solchen Projekt teile, so sehr halte ich jedoch auch die Schaffung eines solchen Instruments für wichtig, um das Wissen in den Mittelpunkt des europäischen Ideals zu stellen, denn nur durch den Ausbau des Wissens und nicht durch die Kultur der Ignoranz wird unsere humanistische europäische Zivilisation sich weiterentwickeln. Im Übrigen möchte ich anmerken, dass unsere Haushaltsstruktur in der Europäischen Union immer sich als immer weniger geeignet erweist, insbesondere zur Finanzierung von Großvorhaben wie diesem (oder z. B. Galileo). Des Weiteren kann ich mir nicht erklären, warum die Grünenfraktion einen Änderungsantrag eingebracht hat, gegen den ich mit meiner Fraktion gestimmt habe, da er auf die Ablehnung und damit die Verzögerung der Umsetzung des Gemeinsamen Standpunktes hinauslief.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße und unterstütze den Bericht meines Kollegen Paasilinna, der zu Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit der EU beitragen will, indem durch die Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (ETI) neue Innovationsformen entwickelt werden.
Ziel des ETI ist die Förderung des Schlüsselelements der Wettbewerbsfähigkeit: „Wissen“. Dieses kann definitionsgemäß kein statisches Konzept sein, denn es kann nur durch einen dynamischen und strukturierten Forschungsprozess und neue Erkenntnisse existieren. Reale Fortschritte sind nur durch Innovation möglich.
Auf dem globalen Markt der alten und neuen „wissensbasierten Volkswirtschaften“ agieren heute Wettbewerber wie die USA, Indien und Japan, für die die Innovation schon immer ein Grundpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung war, wodurch sie gegenüber der EU einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung erzielten.
Das ETI wird dazu dienen, den Wissensaustausch zu verstärken, Ideen zusammenzuführen, auszutauschen und in Umlauf zu bringen, die Forschung ganz Europas in Clustern, die ausschlaggebend für die zukünftige Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der EU sein werden, zu bündeln.
Die potenziellen Nutzeffekte für das Wettbewerbssystem in unserem Markt sind nahezu grenzenlos. Unsere Aufgabe wird es sein, die zweckgerechte Verwendung der bereitgestellten 2,4 Milliarden Euro zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, dass die Europäische Union künftige Herausforderungen, die sich auf dem Weltmarkt stellen, wirksamer bewältigen kann.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wie bereits in erster Lesung festgestellt, stehen wir der Errichtung des Europäischen Technologieinstituts sehr kritisch gegenüber, insbesondere auch aufgrund der von verschiedenen Forschungsorganisationen vertretenen Ansicht.
Gestützt auf die Standpunkte von Wissenschaftsorganisationen, die Kritik am Vorschlag zum Europäischen Innovations- und Technologieinstitut äußerten, haben wir für den Vorschlag, den gemeinsamen Standpunkt des Rates abzulehnen, gestimmt, der leider nicht genügend Ja-Stimmen erhielt. In erster Linie fehlt es an einer angemessenen Finanzausstattung. Als eine mögliche Finanzierungsquelle bietet sich der Gemeinschaftshaushalt einschließlich der für die Forschung vorgesehenen Mittelzuweisungen an, was jedoch wieder einmal auf eine Unterstützung der stärker entwickelten Länder und eine weitere Verschärfung der Ungleichheiten hinauslaufen könnte.
Nachdem verschiedene Länder, die sich als Sitzland für das Institut angeboten hatten, Druck ausgeübt haben, nahm dieses virtuelle Gestalt an und wurde zu einer Art Türöffner für die Konsultation von wissenschaftlichen Gemeinschaften in verschiedenen Bereichen. Das Europäische Parlament hat zahlreiche Änderungen zum Vorschlag der Kommission angenommen, die unserer Auffassung nach aber nicht ausreichen, um zu richten, was von Anfang an falsch war.
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. − (PL) Ich befürworte den Bericht meines Kollegen Herrn Paasilinna ohne jede Einschränkung. Ich bin davon überzeugt, dass diese Einrichtung von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten dringend benötigt wird. Sie stößt nicht nur bei europäischen Forschern und Gruppen von Wissenschaftlern in einzelnen Staaten auf Interesse, sondern auch bei Vertretern der Praxis – vor allem bei Vertretern der Privatwirtschaft. Ich glaube, das Institut sollte eine mobilisierende Rolle für die gesamte EU spielen, und folglich sollten alle Mitgliedstaaten in seine Bestandteile einbezogen werden.
Von besonderer Bedeutung ist es für den Chancenausgleich und die Zusammenführung der Volkswirtschaft der EU-Länder in den neuen Mitgliedstaaten. Nur wenn wir das Forschungspotenzial und die Tätigkeit von Wissenschaftlern aus dem „alten“ und dem „neuen“ Europa gemeinsam erschließen, wird es uns gelingen, das bestehende Gefälle auszugleichen und voranzukommen, während wir gleichzeitig die Ziele der Lissabon-Strategie umsetzen. Ausgehend davon fordere ich Sie nachdrücklich auf, die Stadt Wrocław in meiner polnischen Heimat als Sitz des Instituts (des Verwaltungsrates) auszuwählen.
Diese Stadt, die in unmittelbarer Nähe zu den drei Mitgliedstaaten Deutschland, Österreich und Tschechische Republik liegt, ist ein Ort, an dem die Kultur des alten mit der des neuen Europa zusammentrifft; sie verfügt über eine ausgezeichnete Unterstützungsplattform für Wissenschaft und Forschung, zahlreiche Hochschuleinrichtungen und eine riesige Studentenpopulation von fast 200 000 Personen. Für mich steht außer Zweifel, dass Wrocław der beste Standort für das Europäische Innovations- und Technologieinstitut ist.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Herrn Paasilinnas Bericht zum Thema „Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts“ ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Zielsetzungen der Lissabon-Strategie. Die Bündelung von Fachkompetenz aus dem privaten Sektor, aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen ist ein gutes Konzept und ein interessantes Pilotprojekt. Wir müssen auch Transparenz bei der Auswahl des Verwaltungsrats des EIT sicherstellen, um die Integrität seiner Arbeit zu gewährleisten. Parlament und Rat sollten zur Wahrung der Transparenz beitragen und auch dafür sorgen, dass das EIT rechenschaftspflichtig ist und dass die Autonomie der beteiligten Wissens- und Innovationsgemeinschaften respektiert wird. Ich unterstütze diesen Bericht.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Angesichts der zwischen dem Rat und dem Parlament erzielten Einigung, gegen die die Europäische Kommission keine Einwände erhoben hat, halte ich die heutige Annahme der Empfehlung für die zweite Lesung im Hinblick auf den Erlass der Verordnung zur Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts für einen besonders wichtigen Augenblick, da er die eigentliche Geburtsstunde dieses wichtigen Vorhabens symbolisiert.
Vor einigen Jahren hat die Europäische Union Forschung und Wissen als zentrale Aspekte bei der Bewältigung der Herausforderungen definiert, die aus der Globalisierung und dem Auftauchen neuer großer Wirtschaftsakteure erwachsen. In Anbetracht dessen ist die konkrete Förderung von Forschung und Entwicklung als ökonomische Waffe eine Initiative, die größtmögliche Unterstützung verdient – und genau das ist das Herzstück des Projekts.
Was die Frage betrifft, ob ein echter Campus oder die beschlossene Lösung – Gemeinschaften – besser ist, so wird allein die Zeit zeigen, was besser gewesen wäre. In jedem Fall ist es wichtig – ja sogar von grundsätzlicher Bedeutung –, dass wir flexibel und auf Dauer in der Lage sind, das Modell an die besten Lösungen anzupassen. Anderenfalls würde der Mentor der Innovation nicht zur Innovation fähig sein, und das wäre ein unverzeihlicher Fehler, wenn man Effizienzmodelle schaffen will.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. − (NL) Zunächst wollte ich den Vorschlag für ein Europäisches Technologieinstitut unterstützen, weil es die bestehende Lücke zwischen Hochschulwesen, Forschung und Innovation füllt, was für die Wirtschaft und den Binnenmarkt von Bedeutung ist. Das EIT ist ein großartiges Projekt, wäre da nicht die Finanzierung unzulänglich geregelt.
Den heutigen Vorschlag und den Gemeinsamen Standpunkt des Rates begrüße ich vor allem deswegen nicht, weil das Budget unzureichend ist. Die Kommission hatte einen angemessenen Betrag vorgeschlagen, der den Bedarf der KIC (Wissens- und Innovationsgemeinschaften) für 6 Jahre decken konnte. Der Rat setzte derart den Rotstift an, dass dies nicht mehr möglich ist. Eine EIT-Folgenabschätzung zeigte jedoch, dass eine solide Grundfinanzierung ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist.
In der heutigen Form sind die KIC gezwungen, sich um externe Finanzierung aus anderen Gemeinschaftsprogrammen zu bemühen, die obendrein nicht dazu bestimmt sind. Die Mitgliedstaaten werden also selbst für die Finanzierung aufkommen müssen, als ob man einfach so auf privates Sponsoring bauen kann. Mit diesem Vorschlag ist das Projekt zum Scheitern verurteilt.
Und schließlich möchte ich den Bericht aufgrund der Tatsache nicht mehr unterstützen, dass in dem Vorschlag der Klimawandel als Schwerpunkt der ersten KIC ausdrücklich gestrichen wurde.
Derek Roland Clark, Nigel Farage und John Whittaker (IND/DEM), schriftlich. – (EN) Wir sind ganz klar dafür, dass Großbritannien von der Europäischen Union Finanzhilfen als Beitrag zu den Kosten erhält, die das Hochwasser im letzten Jahr verursacht hat. Daher unterstützen wir diesen Antrag.
Dennoch möchten wir die Gelegenheit nutzen, zu Protokoll zu geben, dass wir eine solche Regelung nicht gutheißen, die Großbritannien zwingt, bei der Europäischen Union Unterstützung zu beantragen.
Das Vereinigte Königreich gehört zu den großen Nettobeitragszahlern für den EU-Haushalt. Es wäre besser für uns, unsere Mittel zu behalten und selbst zu entscheiden, wie wir sie ausgeben, anstatt darum bitten zu müssen, dass uns ein kleiner Betrag zurückerstattet wird.
Richard Corbett (PSE), schriftlich. – (EN) Ich bin hocherfreut darüber, dass das Europäische Parlament 170 Millionen Euro Fluthilfe aus dem Solidaritätsfonds der EU als Unterstützung für die Aufräumungsarbeiten nach den Überschwemmungen des letzten Sommers in meinem Land und insbesondere in meiner Region genehmigt hat. Das Hochwasser hat Hunderte von Wohnungen und Geschäften verwüstet und Tausende von Menschen ins Unglück gestürzt. Die Tatsache, dass es sich hier um die zweitgrößte Summe handelt, die jemals aus dem europäischen Solidaritätsfonds ausgezahlt wurde, beweist, welch immense finanzielle und persönliche Schäden die Opfer erlitten haben. Dieses Geld wird hoffentlich in irgendeiner Form dazu beitragen, diese Kosten zu decken.
Als Mitglied des Europäischen Parlaments aus einer der am schlimmsten betroffenen Regionen kann ich nur betonen, dass jede Hilfe willkommen ist. Diese Geste der Solidarität des übrigen Europa wird von den Menschen in meinem Wahlkreis mit großer Dankbarkeit wahrgenommen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Im heute angenommenen Text wird die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds zugunsten des Vereinigten Königreichs nach der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2007 gebilligt.
Da der gemeldete Schaden im Falle des Vereinigten Königreichs mit ungefähr 4,612 Milliarden Euro über dem Schwellenwert lag, ab dem dieser Mechanismus ausgelöst werden kann, wurden die Überschwemmungen als „Katastrophe größeren Ausmaßes“ eingestuft, so dass die Kommission die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds in Höhe von 162 387 985 Euro vorschlug.
Der Ausschuss für regionale Entwicklung fordert in seiner Stellungnahme den Rat nachdrücklich auf, zu einer Einigung über die von der Kommission vorgeschlagene Revision der Verordnung zur Errichtung dieses Fonds zu gelangen, die aussteht, seit das EP am 18. Mai 2006 seinen Standpunkt in erster Lesung angenommen hat, den wir übrigens missbilligt hatten.
Unseres Erachtens stellt der Standpunkt des EP die Förderfähigkeit von regionalen Katastrophen nicht sicher, ganz zu schweigen von der Anerkennung der Besonderheiten von Naturkatastrophen im Mittelmeerraum oder der Anpassung dieses Fonds – in Bezug auf Zeiträume und förderfähige Maßnahmen – an die besonderen Merkmale von Naturkatastrophen wie Dürren und Brände. Genau das sollte aber gewährleistet sein.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Herr Präsident! Der Solidaritätsfonds ist die Quintessenz des Solidaritätsprinzips, das eine der Säulen der Europäischen Gemeinschaft bildet. Die Kriterien für seinen Einsatz wurden in jahrelanger Praxis ständig verbessert, so dass der willkürliche Charakter seiner Verwaltung überwunden werden konnte, was man in Bezug auf die ersten Versuche der Einrichtung und des Einsatzes des Anti-Globalisierungsfonds, der eine neue im Rahmen der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 beschlossene Institution des Haushalts darstellt, nicht sagen kann. Ein großer Nachteil, auf den im Fall des Solidaritätsfonds nachdrücklich verwiesen wurde, war die lange Wartezeit, die bis zur Inanspruchnahme des Instruments verging und auf die betroffene Länder aufmerksam gemacht haben. Paradoxerweise konnte die EU rascher auf Hilfeersuchen aus Drittstaaten als aus den eigenen Mitgliedstaaten reagieren.
Der Vorschlag zur Mobilisierung des Fonds zur Unterstützung von Großbritannien und Nordirland, die im Juni und Juli 2007 von Überschwemmungen betroffen waren, erfüllt alle formellen Anforderungen. Anerkennung verdient in diesem Zusammenhang die Reaktion des Ausschusses für regionale Entwicklung, dank der die Verfahren im Parlament beschleunigt werden konnten. Dagegen ist es schwierig, die Verzögerung seitens der Europäischen Kommission zu deuten. Ihre Schlussfolgerung vom 18. Januar 2008 erschien sechs Monate nach der Naturkatastrophe und dem prompten Antrag des Vereinigten Königreichs. Das ist ein weiteres Beispiel für die traditionell schleppende Verwaltung des Solidaritätsfonds und macht eine Aktualisierung der Durchführungsbestimmungen, die das Parlament seit dem 18. Mai 2006 fordert, notwendig.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Nach den verheerenden Fluten, die Großbritannien letztes Jahr erlebt hat, ziehe ich den Hut vor Herrn Böges Arbeit an dem Bericht über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union. Die darin genannte Summe wird allen Betroffenen zugute kommen, auch den Unternehmen. Daher habe ich die Empfehlungen des Berichts befürwortet.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Nach Naturkatastrophen und Co. geht es um die rasche vorübergehende Unterbringung, um provisorische Reparatur unverzichtbarer Infrastruktur wie z. B. Stromleitungen, Straßen und Brücken und darum, dass Krankenhäuser den Betrieb wieder aufnehmen können, wobei der Solidaritätsfonds eine große Hilfe sein kann. Unbezahlbar sind jedenfalls die tausenden Stunden unbezahlter Arbeit der Einsatzkräfte und das Leid der Betroffenen.
Beim Solidaritätsfonds muss ein sensibles Gleichgewicht gewahrt werden zwischen rascher und unbürokratischer Auszahlung der Mittel und gleichzeitiger Sicherstellung, dass diese nicht zweckentfremdet verwendet werden. Wichtig sind vor allem die Prophylaxe und eine bessere zwischenstaatliche Zusammenarbeit, um für kommende Naturkatastrophen gerüstet zu sein. Keinesfalls jedoch dürfen diese Vorfälle dazu genutzt werden, eine EU-Zivilschutzagentur oder eine EU-Katastropheneingreiftruppe zu errichten, da diese nicht in der Lage wären, wirksamen Schutz gegenüber Naturkatastrophen zu gewährleisten, sondern nur eine weitere Aufblähung von Bürokratie und Kosten bringen würden.
Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. – (SV) Ich werde gegen diesen Bericht stimmen, da er eine Erhöhung des Gemeinschaftshaushalts beinhaltet. Die Unterstützung für die Überschwemmungen im Vereinigten Königreich 2007 sollte im Rahmen des aktuellen Haushalts erfolgen, da es dort Raum für eine Änderung der Prioritäten gibt, indem beispielsweise der Finanzrahmen für Galileo nicht erhöht wird.
Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Frühere Erfahrungen haben gezeigt, dass die EU Probleme bei der Gewährung von Katastrophenhilfe hat. Nach Ansicht der Juniliste können Mittelzuweisungen aus dem Fonds oft die Motivation der Mitgliedstaaten mindern, die dem Bedarf an Beihilfen zugrundeliegenden Probleme zu lösen.
Was die Schaffung einer Haushaltslinie für Ausgaben unter außergewöhnlichen Umständen betrifft, verstärkt diese Papiererfindung nach Ansicht der Juniliste den Eindruck, dass die EU danach strebt, eine Supermacht mit Einfluss über die Geschehnisse auf der ganzen Welt zu werden. Das lehnen wir ab.
Frontex geht einen Schritt zu weit, was die Koordinierung der Grenzkontrollen und der Einwanderungspolitik der Mitgliedstaaten betrifft. Die Juniliste ist generell gegen die Ausweitung der Tätigkeit dieser Agentur.
Da ich den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans aus den oben genannten Gründen nicht unterstützen kann, habe ich gegen den Bericht in seiner Gesamtheit gestimmt.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Die erste Abänderung zum Gemeinschaftshaushalt 2008 umfasst die Inanspruchnahme des EU-Solidaritätsfonds zugunsten des Vereinigten Königreichs – aufgrund der Überschwemmungen im Jahr 2007 – in Höhe von etwa 1,624 Milliarden Euro sowie die Schaffung neuer Haushaltslinien und Umverteilungen zwischen den Haushaltslinien, die keine Auswirkungen auf die Gesamtsummen im Gesamthaushalt haben.
Der Stellenplan der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX) wird von 69 auf 94 Stellen aufgestockt, das heißt, es werden 25 neue Stellen bewilligt. Dabei findet die für diese Agentur bereits erfolgte Erhöhung der Haushaltsmittel um zirka 30 Millionen Euro Berücksichtigung, die im Zuge der Aussprache über den Gemeinschaftshaushalt 2008 gebilligt wurde. Die Arbeit dieser Agentur wird Schritt für Schritt gestärkt und es werden ihr Zuständigkeiten übertragen, die im Kern die Souveränität der Staaten betreffen. Es handelt sich um eine Agentur, die unter anderem ein Stützpfeiler der so genannten Festung Europa und der Einwanderungspolitik ist, wobei der Schwerpunkt auf von der EU geförderter Sicherheit liegt.
Hervorzuheben ist ferner die Schaffung des Haushaltsartikels „Außergewöhnliche Ausgaben in Krisensituationen“, wobei noch zu klären bleibt, was unter „Krise“ zu verstehen ist.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Herr Präsident! Der erste Berichtigungshaushalt für die Durchführung des Haushaltsplans 2008 erstreckt sich auf Positionen, die unter der gemeinsamen Überschrift für Anpassungen für „unvermeidliche, außergewöhnliche und unvorhersehbare Umstände“ zusammengefasst werden.
Ziffer 1, also die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds zugunsten des Vereinigten Königreichs, das im Sommer des vergangenen Jahres von schweren Sturm- und Überschwemmungsschäden betroffen war, fällt definitiv unter diese Kategorie. Dazu wäre lediglich zu sagen, dass sich Verzögerungen bei der Mobilisierung der Mittel aufgrund eines verspäteten Antrags seitens der Europäischen Kommission zu einer unehrenhaften Tradition entwickeln. Bei Ziffer 5, bei der es um die Schaffung des Haushaltsartikels 27 01 11 für außergewöhnliche Ausgaben in Krisensituationen, um die Finanzierung außerplanmäßiger Aufwendungen im erklärten Krisenfall zu ermöglichen, geht, verhält es sich ähnlich. Die drei übrigen Positionen, die ebenfalls in diesem Berichtigungshaushalt behandelt werden, betreffen ganz andere Dinge.
Ich teile die Zweifel des Berichterstatters hinsichtlich der Finanzierung der Exekutivagentur für die Forschung und der Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrates ERCEA sowie in Bezug auf die nicht vollkommen stimmige Schlussfolgerung zur Schaffung des Haushaltspostens 06 01 04 12 für das Programm Galileo. Die Änderung des Stellenplans für FRONTEX verdient es, angenommen zu werden.
Eine Analyse des gesamten Antrags und eine entsprechende Stellungnahme dazu erweisen sich wegen des heterogenen Charakters der Haushaltsposten in Änderungsantrag 1/2008 als schwierig.
Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Frühere Erfahrungen haben gezeigt, dass die EU Probleme bei der Gewährung von Katastrophenhilfe hat. Nach Ansicht der Juniliste können Mittelzuweisungen aus dem Fonds oft die Motivation der Mitgliedstaaten mindern, die dem Bedarf an Beihilfen zugrundeliegenden Probleme zu lösen.
Was die Schaffung einer Haushaltslinie für Ausgaben unter außergewöhnlichen Umständen betrifft, verstärkt diese Papiererfindung nach Ansicht der Juniliste den Eindruck, dass die EU danach strebt, eine Supermacht mit Einfluss über die Geschehnisse auf der ganzen Welt zu werden. Das lehnen wir ab.
Frontex geht einen Schritt zu weit, was die Koordinierung der Grenzkontrollen und der Einwanderungspolitik der Mitgliedstaaten betrifft. Die Juniliste ist generell gegen die Ausweitung der Tätigkeit dieser Agentur.
Der Bericht unterstreicht jedoch auch, dass bis auf weiteres keine Mittel von der operativen Haushaltslinie für Galileo für die administrative Haushaltslinie verwendet werden sollten. Hinzu kommt, dass der Bericht die Schaffung einer Haushaltsstruktur für die Exekutivagentur für die Forschung (REA) und die Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrates (ERCEA) unterstützt.
Ich bin der Ansicht, dass diese Fragen von erheblicher Bedeutung sind und habe daher trotz prinzipieller Einwände gegen die übrigen Änderungsanträge für den Bericht in seiner Gesamtheit gestimmt.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Kyösti Virrankoskis Bericht zum Berichtigungshaushaltsplan Nr. 1/2008 können wir entnehmen, dass die EU sich darauf einstellt, weitere Gelder in die Mobilisierung des Solidaritätsfonds für das Vereinigte Königreich fließen zu lassen. Ich hoffe, dass wir Gleiches auch für andere Mitgliedstaaten erwarten können, die Opfer von Naturkatastrophen sind, wie beispielsweise Griechenland. Ich habe für diesen Bericht gestimmt.
Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Als gewählter Abgeordneter Rumäniens begrüße ich die Verabschiedung des Entschließungsantrags des Europäischen Parlaments über den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 1/2008 der Europäischen Union. Diese Haushaltsänderung ist im Hinblick auf die Änderung des Stellenplans der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX) von Bedeutung. Rumänien, der östliche Außenposten der EU, ist für die Kontrolle einer der längsten Landaußengrenzen der Union zuständig.
In dieser Funktion muss Rumänien stets die Intensivierung der Zusammenarbeit für eine bessere Grenzkontrolle fördern und FRONTEX hinreichende Mittel zur Durchführung ihrer Aufgaben unter besten Bedingungen bereitstellen, sei es finanziell, personell oder ausrüstungstechnisch. Die Schaffung des Haushaltsartikels „Außergewöhnliche Ausgaben in Krisensituationen“ ist ebenfalls außerordentlich begrüßenswert, denn auf derartige unerwünschte Ereignisse können wir nie gut genug vorbereitet sein.
- Bericht Luis Manuel Capoulas Santos (A6-0053/2008)
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. – (SV) Wir haben für das Abkommen gestimmt, da das Land von dem Fischereiabkommen mit der EU gegenwärtig wirtschaftlich leider sehr abhängig ist. Würde das EU-Partnerschaftsabkommen mit sofortiger Wirkung aufgehoben, hätte das ernste Folgen für die Wirtschaft des Landes. Wie nehmen die wissenschaftlichen Berichte, die eine Überfischung der Meere belegen, sehr ernst und betrachten EU-Fischereiabkommen daher nicht als langfristig nachhaltige Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und zur Förderung der Entwicklung.
Unser Ziel ist es, die EU-Fischereipolitik dahin gehend zu verändern, dass sie zur Erholung der Fischbestände führt. Zudem wollen wir durch Veränderungen in der Handels- und Entwicklungshilfepolitik der EU sowie durch verschiedene Formen der Partnerschaft eine nachhaltige Entwicklung in den Ländern unterstützen, in denen die Fischereiabkommen mit der EU zurzeit eine Haupteinkommensquelle sind.
Die Reedereien sollten die Kosten aus den Abkommen tragen, aus denen sie selbst Nutzen ziehen, und wir würden gern weitere Korrekturen in dieser Richtung sehen. Darum haben wir für Änderungsantrag 8 gestimmt, auch wenn diese Veränderungen in einem größeren Zusammenhang erfolgen sollten.
Guinea-Bissau ist eines der ärmsten Länder Afrikas. Wir möchten betonen, wie wichtig es ist, dass die EU andere, langfristigere und nachhaltigere Wege zur Unterstützung von Guinea-Bissau findet, denn das Fischereiabkommen mit der EU macht gegenwärtig 30 % des BIP des Landes aus.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Bericht des Kollegen Capoulas Santos über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluss eines partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Guinea-Bissau gestimmt, weil dieses Abkommen meiner Ansicht nach ausgewogen ist und die Nachhaltigkeit der Fischerei ebenso gewährleistet wie den Schutz der Interessen beider Parteien, das heißt der Europäischen Union und Guinea-Bissaus.
Nach meinem Dafürhalten sind die vom Berichterstatter vorgelegten Abänderungen insofern ein bedeutender Beitrag zur Stärkung der EU-Fischereipolitik, als sie die Wichtigkeit der Festigung der Rolle des Parlaments und der ihm übermittelten Informationen belegen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) In dem für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juni 2011 zwischen der EG und der Republik Guinea-Bissau geschlossenen Abkommen ist vorgesehen, dass 37 Fanglizenzen vergeben werden, von denen Portugal vier erhält.
35 % der finanziellen Gegenleistung der EG sind für die Stützung und Durchführung fischereipolitischer Maßnahmen Guinea-Bissaus vorgesehen. Nachdruck wird auf die Verbesserung der Gesundheits- und Hygienebedingungen für Fischereierzeugnisse und auf Maßnahmen zur Begleitung, Kontrolle und Überwachung der Fangtätigkeiten gelegt. Das ist ein besonders wichtiges Tätigkeitsfeld, wenn man bedenkt, dass internationalen Organisationen zufolge die Fischereiressourcen dieses Landes unter anderem durch illegale und nicht geregelte Fischerei besonders in Mitleidenschaft gezogen werden.
Ferner sieht dieses Abkommen die Pflicht zur Anheuerung von einheimischen, das heißt guinea-bissauischen, Seeleuten vor, wobei deren Anzahl von der Größe des Schiffes abhängt. Wie in anderen Abkommen wird festgelegt, dass für diese Seeleute die Erklärung der internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gilt.
Artikel 10 des Abkommens sieht zudem die Gründung von befristeten Unternehmensvereinigungen zwischen Wirtschaftsbeteiligten der EU und Guinea-Bissaus zur gemeinsamen Nutzung von Ressourcen vor. Diese Möglichkeit ist für die Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft insofern vorteilhaft, als sie keine Lizenzgebühren zahlen müssen.
- Bericht Daniel Varela Suanzes-Carpegna (A6-0054/2008)
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. – (SV) Würde das EU-Partnerschaftsabkommen mit sofortiger Wirkung aufgehoben, hätte das ernste Folgen für verschiedene Entwicklungsländer und viele davon betroffene Menschen. Aus diesem Grunde können wir die Fischereiabkommen der EU mit anderen Ländern nicht einfach ablehnen. Wir nehmen die wissenschaftlichen Berichte, die eine Überfischung der Meere belegen, jedoch sehr ernst und wollen daher die EU-Fischereipolitik dahin gehend ändern, dass sie zur Erholung der Fischbestände führt. Das muss im Rahmen einer größeren Überprüfung erfolgen.
Unserer Ansicht nach sind EU-Fischereiabkommen keine langfristig nachhaltige Maßnahme zur Bekämpfung von Armut und zur Unterstützung der Entwicklung.
Wir wollen daher durch Veränderungen in der Handels- und Entwicklungshilfepolitik der EU sowie durch verschiedene Formen der Partnerschaft eine nachhaltige Entwicklung in den Ländern unterstützen, in denen die Fischereiabkommen mit der EU zurzeit eine Haupteinkommensquelle sind.
Die Reedereien sollten die Kosten aus den Abkommen tragen, aus denen sie selbst Nutzen ziehen, und wir möchten gerne weitere Korrekturen in dieser Richtung sehen. Darum haben wir für Änderungsantrag 8 gestimmt, auch wenn diese Veränderungen in einem größeren Zusammenhang erfolgen sollten.
Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Das Hauptziel des neuen Partnerschaftsabkommens zwischen der EG und Côte d'Ivoire besteht darin, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien zu verstärken, um einen partnerschaftlichen Rahmen zu schaffen, der eine nachhaltige Fischereipolitik und eine verantwortungsbewusste Bewirtschaftung der lebenden Meeresressourcen in Côte d'Ivoire ermöglicht, wobei der Unterstützung der Fischereipolitik dieses Staates besondere Beachtung geschenkt wird.
Zu diesem Zweck einigen sich die beiden Parteien auf Prioritäten, die für diese Unterstützung zu setzen sind, und legen die Ziele, den Jahresplan und den Mehrjahresplan sowie die Kriterien für die Bewertung der erzielten Ergebnisse fest, wobei es darum geht, eine nachhaltige und verantwortungsvolle Bewirtschaftung des Sektors zu gewährleisten. Das Abkommen respektiert die Grundsätze der Gemeinsamen Fischereipolitik und sichert Portugal eine Fanglizenz für fünf Oberflächen-Langleinenfischer.
Die Abgeordneten der portugiesischen PSD (Sozialdemokratische Partei) haben daher für diesen Bericht gestimmt.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Im vorliegenden Abkommen sind insgesamt 40 Fanglizenzen für Fischereifahrzeuge von EU-Mitgliedstaaten – darunter fünf für Portugal – für einen Zeitraum von sechs Jahren ab Juli 2007 vorgesehen. Gegenüber dem Vorläuferabkommen bedeutet das eine deutliche Reduzierung der Fangmöglichkeiten, allerdings sieht das neue Abkommen auch die Möglichkeit einer Erhöhung der Fangmenge vor. Die Parteien haben vereinbart, dass die finanzielle Gegenleistung der EG in voller Höhe zur Unterstützung und Durchführung von im Rahmen der ivorischen Fischereipolitik eingeleiteten Initiativen verwendet wird.
Die Reeder, die von diesem Abkommen profitieren, sind verpflichtet, Besatzungen anzuheuern, von denen mindestens 20 % Staatsangehörige von AKP-Staaten sein müssen. Das Abkommen sieht vor, dass die Erklärung der internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu den grundlegenden Prinzipien und Rechten bei der Arbeit uneingeschränkt für diese Seeleute gilt, wodurch die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Tarifverhandlungen sowie die Beseitigung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf verbindlich werden. Die Entlohnung wird in beiderseitigem Einvernehmen zwischen den Reedern und den Seeleuten bzw. ihren Vertretern ausgehandelt, darf aber nicht unter den in ihren Herkunftsländern geltenden Standards liegen, so dass möglicherweise gegen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verstoßen wird.
- Berichte Luis Manuel Capoulas Santos (A6-0053/2008) und Daniel Varela Suanzes-Carpegna (A6-0054/2008)
Lena Ek, Olle Schmidt und Anders Wijkman (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Wir stimmen gegen die beiden partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der EU und Guinea-Bissau bzw. Côte d'Ivoire, da die Erfahrungen aus dieser Art von Abkommen äußerst zweifelhaft sind. Ländern mit niedrigem Einkommen wird die Zahlung eines Pauschalbetrags angeboten, und im Gegenzug öffnen sie ihre Fischereigewässer für den kommerziellen Fischfang von EU-Mitgliedstaaten, in erster Linie aus Südeuropa. Die bereitgestellten Mittel sind im Verhältnis zu den Fängen jedoch lächerlich gering. Hinzu kommt das deutliche Risiko, dass die Fischerei nicht nachhaltig erfolgt. Ein weiteres Argument ist, dass die lokale Küstenfischerei in der Regel dadurch beeinträchtigt wird. Wir hoffen, dass diese Fischereiabkommen im Rahmen der Strategie der nachhaltigen Entwicklung (SDS) der EU schnellstmöglich bewertet und durch nachhaltige Systeme ersetzt werden können.
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. – (SV) Unserer Meinung nach kann sich das vorgeschlagene einheitliche Tempolimit auf den EU-Autobahnen positiv auf die Umwelt auswirken, denn damit ließe sich die Geschwindigkeit in den Mitgliedstaaten senken, in denen es keine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen gibt. Es ist jedoch wichtig, dass kein Mitgliedstaat unter Aufgabe der Subsidiarität gezwungen wird, die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf seinen Straßen heraufzusetzen. Die Mitgliedstaaten müssen jederzeit die Möglichkeit haben, Tempolimits unterhalb des europäischen Standards festzulegen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meines geschätzten italienischen Kollegen Gabriele Albertini gestimmt, in dem eine Reihe von Empfehlungen an die Wirtschaftsteilnehmer dieses Sektors gerichtet werden zwecks Verbesserung einer Situation, die sich durch die steigende Erdölnachfrage bei immer geringer werdenden Reserven, durch immer stärker überlastete städtische Bereiche sowie negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und den Klimawandel verschlechtert.
Ich unterstütze die drei vorgeschlagenen Ansätze zur Herstellung eines Policy-Mixes: Förderung des technologischen Fortschritts (Fahrzeuge mit einem Ausstoß von maximal 125 g CO2/km), Entwicklung von marktwirtschaftlichen Instrumenten (CO2-Emissionshandelssystem, steuerliche Anreize, Besteuerung/Preisberechnung auf der Grundlage der Umweltverträglichkeit usw.) sowie Anwendung von flankierende Maßnahmen zur Optimierung der Nutzung von Verkehrsmitteln und Infrastrukturen.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehr wirkt sich zweifellos auf das sozioökonomische System der Gesellschaft aus und hat zugleich unmittelbare Auswirkungen auf die Umwelt. Der Stadtverkehr verursacht de facto 40 % der CO2-Emissionen, er macht Europa abhängig und zur „Geisel“ des Marktes für fossile Brennstoffe wie Erdöl, das etwa 70 % der Gesamtnachfrage ausmacht.
Diese alarmierenden Daten genügen, um zu verdeutlichen, wie dringend und notwendig die Gestaltung einer neuen umfassenden Verkehrsstrategie in Europa ist, die auf der Grundlage dieses Berichts entwickelt werden könnte.
Die verkehrsbedingte Umweltverschmutzung muss schnellstens spürbar eingedämmt werden, indem Grenzwerte für die Schadstoffemissionen vorgeschrieben werden, die Zusammensetzung von Kraftstoffgemischen geändert wird und Anreize für den Kauf und die Nutzung umweltfreundlicher und schadstoffarmer Transportmittel geschaffen werden.
Der EU fällt daher die Verantwortung zu, einen Gesamtplan zur Verwirklichung dieses wichtigen Ziels umzusetzen und sich zu verpflichten, den Schienenverkehr, der, wenn entsprechende Verbesserungen vorgenommen werden, ein hohes Effizienzniveau bei gleichzeitig geringen Umweltauswirkungen gewährleisten kann, zu fördern. Die transeuropäischen Netze müssen schnellstmöglich vollendet werden und verlangen größere finanzielle Unterstützung durch die EU. Andererseits müssen die Mitgliedstaaten die Realisierung dieser Bauwerke sicherstellen und überwachen, es sei denn, die Gefährdung für die Umwelt oder die Gesundheit gilt als erwiesen.
Sylwester Chruszcz (NI), schriftlich. − (PL) Der zu Bericht A6-0014/2008 über eine nachhaltige europäische Verkehrspolitik von der PPE-DE-Fraktion eingereichte Änderungsantrag 1 gab Anlass zu berechtigter Sorge, und zwar nicht nur bei mir, sondern im gesamten Verkehrssektor. Ziel dieses Änderungsantrags war die Verzögerung der Überprüfung der Eurovignette-Richtlinie. Mit der Annahme dieses Änderungsantrags würde das Europäische Parlament ein negatives Signal aussenden und dem Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 28. Februar 2008 widersprechen. Deshalb habe ich gegen diesen Änderungsantrag und gegen den gesamten Inhalt des Berichts gestimmt.
Françoise Grossetête (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für diesen Bericht zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik gestimmt, der der europäischen Energie- und Umweltpolitik Rechnung trägt. Auf den Verkehrssektor entfallen in der EU 70 % der Nachfrage nach Erdöl.
Dieser faktisch völligen Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen muss durch einen sämtliche Verkehrsarten umfassenden Policy-Mix ein Ende bereitet werden. Dabei sind die für ein realistisches Vorgehen unerlässlichen Bedingungen zu berücksichtigen, wie die technologische Innovation zur Verringerung des CO2-Ausstoßes der Kfz sowie die Entwicklung der Biokraftstoffe, die Reformierung des Besteuerung zur Berücksichtigung der Umweltbelastung, flankierende Maßnahmen zur Optimierung der Infrastrukturnutzung sowie zur Anregung der Bürger, ihre Gewohnheiten zu ändern.
Jeder Bürger kann seinen Beitrag zu einem nachhaltigen Verkehr leisten, indem er die öffentlichen Verkehrsmittel anstatt den Pkw benutzt, wenn immer dies möglich ist.
Um die Mobilität von Personen und Waren durch Verkehrsträger mit geringem CO2-Ausstoß wie Schienenverkehr, Binnenwasserverkehr, Seeverkehr sowie öffentlicher Nahverkehr zu fördern, sind gleichzeitig das Angebot von neuen Diensten, eine wettbewerbsfreundlichere Organisation des Sektors sowie eine andere Nutzung bestimmter Infrastrukturen erforderlich.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Da es angesichts der Komplexität und des Umfangs dieses Initiativberichts des EP unmöglich ist, in der heutigen Stimmerklärung alle darin aufgeworfenen wichtigen Fragen anzusprechen, möchte ich lediglich unterstreichen, dass in dem Dokument gar nicht oder nicht richtig auf die Aspekte eingegangen wird, die von den Forschern als grundlegend beim Herangehen an die Problematik des Verkehrs, der Energie und ihre Auswirkungen auf die Umwelt betrachtet werden. Dazu gehören unter anderem:
- die Nichterwähnung der hohen Ölpreise und der daraus erwachsenden Konsequenzen;
- die Nichterwähnung des Einsatzes von Methan im Straßenverkehr (in Form von CNG, LNG oder Biomethan);
- der ungeklärte Einsatz von Wasserstoff als alternativer Kraftstoff für den Straßenverkehr;
- die unkritische Tendenz zur Nutzung von Biokraftstoffen mit ihren bereits umfassend nachgewiesenen schwerwiegenden Folgen;
- das Fehlen von Hinweisen auf Dokumente wie das Programm „Target 2020“, das darauf abzielt, bis 2020 20 % des Benzin- und Dieselkraftstoffverbrauchs im europäischen Verkehrssektors zu ersetzen.
Abschließend möchte ich unterstreichen, dass nicht nur die sattsam bekannten Probleme benannt werden müssen, sondern auch Strategien für ein wirksames Angehen dieser Probleme gebraucht werden wie etwa die Infragestellung der gegenwärtigen kapitalistischen Globalisierung und der Rolle des Verkehrs in diesem Zusammenhang, wobei es vor allem um die immer größer werdende geografische Entfernung zwischen den Produktionsstätten und den Orten, an denen der Verbrauch stattfindet, sowie den in der Folge steigenden Beförderungsbedarf geht. Zu all dem gibt es noch sehr viel mehr zu sagen...
Jim Higgins (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich und meine Kollegen von der Fine Gael in der PPE-DE-Fraktion möchten bestätigen, dass wir uns in Bezug auf die Änderungsanträge 3 und 11 und auch hinsichtlich des gesamten Berichts der Stimme enthalten haben, und zwar wegen Bedenken in der Frage von Besteuerung und Straßenbenutzungsgebühren. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass über diese beiden Punkte die einzelnen Mitgliedstaaten entscheiden müssen und dass sie von daher nicht in einen Parlamentsbericht gehören.
Timothy Kirkhope (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Britische konservative Parlamentsmitglieder haben für den Initiativbericht von Herrn Albertini zu der nachhaltigen europäischen Verkehrspolitik gestimmt, weil er einen klaren politischen Rahmen setzt, der mehr Effizienz ermöglicht und dabei hilft, das Problem der ausufernden Auswirkungen des Verkehrs auf den Klimawandel anzugehen. Dennoch sind konservative Politiker weiterhin beunruhigt, da die in dem Bericht von der Kommission geforderten weiteren Vorschläge zur Internalisierung der externen Kosten erst erfolgen sollen, wenn die Folgenabschätzung komplett abgeschlossen ist und das Parlament ordnungsgemäß über die Angelegenheit debattiert hat. Wir halten es außerdem für äußerst wichtig, dass diese Maßnahme, sollte sie umgesetzt werden, einheitlich für alle Verkehrsträger gelten sollte, damit keine Marktverzerrung entsteht.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für eine Harmonisierung der Verkehrs-, Umwelt- und Energiepolitik innerhalb der Europäischen Union, denn nur eine Gleichschaltung der Bestrebungen in diesen drei Sektoren kann zu einer nachhaltigen Verbesserung jedes einzelnen führen.
Vor allem die Entwicklung eines allgemein gültigen, transparenten und nachvollziehbaren Modells, um die Bewertung externer Kosten aller Verkehrsträger durchzuführen, möchte ich mit meiner Stimmabgabe unterstützen. Daher stimme ich gegen Änderungsantrag 1, welcher meiner Meinung nach auf eine Verzögerung der Internalisierung der internen Kosten für den Straßenverkehr abzielt. Eine Annahme des Antrags würde die Bemühungen der EU im Hinblick auf die Erreichung einer nachhaltigen Verkehrspolitik verhindern und weiterhin für ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sorgen.
Durch das ständig zunehmende Verkehrsaufkommen und die daraus resultierende ökologische Belastung ist gerade eine intensive europaweite Zusammenarbeit im Bereich neue Technologien und alternative Brennstoffe stark zu forcieren, um die Treibhausgasemissionen einzudämmen und die Lebensqualität auch in verkehrsbelasteten Gebieten zu erhöhen. Diesbezüglich fordere auch ich die Senkung der durchschnittlichen Emission bei Neufahrzeugen auf 125 g CO2/km durch die technologische Verbesserung im Verkehrssektor sowie den Einsatz von Biokraftstoffen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße die Empfehlungen in Gabriele Albertinis Bericht über nachhaltige europäische Verkehrspolitik. Auf sichere und erschwingliche Beförderungsmittel sollten alle EU-Bürger ein Anrecht haben. Die Nachhaltigkeit eines solchen Verkehrswesens ist in der Tat ebenfalls ein Anliegen von großer Dringlichkeit. Durch die Förderung technologischer Innovation und marktwirtschaftlicher Instrumente, z. B. des Emissionshandelssystems oder steuerlicher Anreize, besonders in Großstädten und ökologisch sensiblen Gebieten, kann eine effiziente Nutzung von Verkehrsmitteln und der Infrastruktur sichergestellt werden. Ich unterstütze die Forderung nach verstärkten Investitionen in Infrastruktur und intelligente Verkehrssysteme, um Problemen wie Staus zu begegnen. Daher habe ich für die Empfehlungen des Berichts gestimmt.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Um davon abzulenken, dass man trotz unzähliger Aktionspläne auf der Stelle tritt, sollen nun die Autofahrer mit City-Maut, PKW-Maut und Co. aufs Rad gejagt werden, gefälligst zu Fuß gehen oder verstärkt die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.
Dann muss man sich aber auch darüber im Klaren sein, dass dies resultiert aus schlecht abgestimmtem, tot gespartem öffentlichen Nahverkehr, dem Ansiedlungsboom von Einkaufszentren an den Stadträndern bei gleichzeitigem Niedergang der Nahversorgung, sinkender Wohnqualität im Stadtinnenbereich, steigender Kriminalitätsrate und Gettoisierung in Ausländervierteln und nicht zuletzt der Verlängerung der Arbeitswege durch Zersiedelung sowie der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitszeit und –verhältnisse und der damit einhergehenden Rolle des Autos als Voraussetzung für Erwerbstätigkeit.
In diesem Sinne und angesichts der Tatsache, dass Pkws an sich nur rund 10 Prozent der Feinstaubemissionen verursachen, will die EU hier wohl nur einmal mehr Kompetenzen an sich reißen und sinnlose Beobachtungsstellen einrichten. Vielmehr soll sie sich selbst an der Nase nehmen und Ursachen statt Symptome bekämpfen, etwa ihre Förderpolitik so überarbeiten, dass dem explodierenden Lkw-Verkehr, dessen Anteil an der Emissionsproduktion viel größer ist, nicht weiter Vorschub geleistet wird. Rollende Landstraßen sollen endlich ökonomisch interessant werden, und Privatisierungseuphorie darf den öffentlichen Verkehr nicht zum unattraktiven Flickerlteppich degradieren.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Verkehrssektor umfangreiche Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz getätigt, wodurch die Märkte mit intelligenten, der Umwelt und Sicherheit dienlichen Technologien versorgt wurden. Diese Anstrengungen reichen aber offensichtlich nicht aus, fallen sie doch wegen der zugleich ständig wachsenden Nachfrage in diesem Sektor kaum ins Gewicht.
Um diese Aufgabe bewältigen zu können, müssen wir diese schwierige Gleichung aus einem neuen Blickwinkel betrachten. Der Verkehrssektor ist ein dynamischer, technologisch fortgeschrittener Wirtschaftsbereich mit stetig steigender Wettbewerbsfähigkeit. Die Industrie hat in enger Absprache mit institutionellen und privaten Partnern umfassend in Forschung und Entwicklung investiert. Gleichwohl ist eine stärkere Koordinierung erforderlich, damit unsere Bemühungen auch in vollem Umfang Früchte tragen. Konkrete Maßnahmen zur Information und Sensibilisierung der Bürger, die auch ihr Verhalten einschließen, sind von grundlegender Bedeutung. Darüber hinaus gehören die Zusammenarbeit und Koordinierung von Fortschritten im Bereich der Kraftstoffeffizienz, bei der Steuerung von Investitionen, bei Anreizen für einen dynamischen Markt für sichere und umweltfreundlichere Kraftfahrzeuge sowie bei der Förderung technologischer Innovationen zu unseren wichtigsten Aufgaben.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den ausgezeichneten Bericht unseres Kollegen Albertini zur nachhaltigen europäischen Verkehrspolitik unter Berücksichtigung der europäischen Energie- und Umweltpolitik gestimmt. Ich halte es wirklich für äußerst wichtig, dass die EU ihre Politik koordiniert, um den öffentlichen Nahverkehr und alternative Verkehrssysteme zu fördern, indem sie zugleich die Umwelt schützt und Treibhausgasemissionen reduziert.
In Bezug auf die Infrastruktur stelle ich fest, dass die Schwerpunktlegung auf Straßenverkehrsvorhaben zu Lasten der Schienenverkehrsprojekte anhält. Die Vollendung der transeuropäischen Netze scheint noch in weiter Ferne zu liegen, und der EU-Beitrag ist minimal im Vergleich zu den Lasten, die von den einzelnen Mitgliedstaaten zu schultern sind. Zur Senkung der Gasemissionen und zur Effizienzsteigerung im Güter- und Personenverkehr möchte ich bekräftigen, dass die EU finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung der vorrangigen Vorhaben im Rahmen der transeuropäischen Netze leisten muss.
Karin Scheele (PSE), schriftlich. − Der Bericht Albertini hält fest, dass die bessere Internalisierung externer Kosten helfen kann, Marktstörungen und den Anstieg von Emissionen zu vermeiden.
Ich stimmte deshalb gegen den Änderungsantrag 1, weil er auf die Verzögerung der Internalisierung externer Kosten für den Straßenverkehr abzielt. Das ist ein falsches Zeichen, da der Straßenverkehr hauptverantwortlich für die Emissionen aus dem Verkehrsbereich ist. Ich hoffe, dass die von der Kommission angekündigte Revision der Wegekostenrichtlinie rasche Fortschritte in diesem Bereich bringen wird.
13. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 12.55 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
14. Tagesordnung: siehe Protokoll.
15. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
16. Gemeinsame Organisation der Agrarmärkte (Verordnung über die einheitliche GMO: einzelstaatliche Milchquoten) (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Elisabeth Jeggle im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (einzige GMO-Verordnung) in Bezug auf die einzelstaatlichen Milchquoten (KOM(2007)0802 – C6-0015/2008 – 2007/0281(CNS)) (A6-0046/2008).
Iztok Jarc, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte eingangs feststellen, dass der Ratsvorsitz den Bericht von Frau Jeggle über den Vorschlag zur Anhebung der Milchquoten begrüßt und der Meinung ist, dass er einen konstruktiven und ausgewogenen Beitrag zu der seit geraumer Zeit laufenden Debatte leistet.
Ausgehend von den günstigen Marktbedingungen hat die Europäische Kommission in ihrem Bericht bzw. ihrer Analyse eine Anhebung der nationalen Milchquoten um 2 % ab dem nächsten Quotenjahr, also ab 1. April 2008, vorgeschlagen.
Milchquoten sind nicht einfach eine Sache von prozentualen Anteilen; sie sind von größerer Tragweite und stehen in Verbindung mit der Überprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Deshalb hat sich der Rat nicht auf dieses Problem beschränkt, sondern eine umfassendere gleichzeitige Debatte über das Gesamtpaket des Gesundheitschecks der Gemeinsamen Agrarpolitik angeregt.
Ich muss sagen, dass es im Rat und im Parlament ganz ähnliche Gedanken oder Zweifel zu diesem Vorschlag gab. So gab es Forderungen nach einem vorausschauenderen Vorgehen und nach mehr Stabilität im Milchsektor. Es gab Bedenken in Bezug auf Regionen mit weniger günstigen landwirtschaftlichen Voraussetzungen, in denen es kaum Alternativen zur traditionellen Milcherzeugung gibt. Andererseits wurde energisch gefordert, dass man europäischen Landwirten die Chance geben muss, die Möglichkeiten in Verbindung mit der Herausbildung internationaler und europäischer Märkte zu nutzen.
Trotz der Komplexität dieses Problems sind wir überzeugt davon, dass wir im Rahmen des Gesundheitschecks der Gemeinsamen Agrarpolitik ausgewogene Antworten und Lösungen dafür finden können. Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass der Rat den Vorschlag des Parlaments unterstützt, die Kommission möge eine allgemeine langfristige Strategie, d. h. einen Vorschlag für eine Strategie für den europäischen Milchsektor erarbeiten. Unseres Erachtens sollte ein so genannter sanfter Übergang zur Abschaffung der Milchquoten den Kern dieser Strategie bilden, der einen ungehinderten Übergang zu einer stärker am Markt orientierteren Milchpolitik und mehr Berechenbarkeit gewährleisten würde.
Dazu beabsichtigt der Rat, die Kommission aufzufordern, alle Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziels zu prüfen. Wir meinen jedoch, das der Vorschlag der Kommission, die Quote zum nächsten Quotenjahr um 2 % anzuheben, als Teil eines Pakets gesehen werden sollte, dessen andere Bestandteile im Rahmen des GAP-Gesundheitschecks angemessen erörtert werden sollten.
Ich möchte dazu noch feststellen, dass der Vorschlag auf der Tagesordnung der für nächste Woche vorgesehenen Tagung des Rates „Landwirtschaft und Fischerei“ stehen wird. Ich hoffe, dass er angenommen wird. Sofern die Bedingungen erfüllt werden, kann mit der Umsetzung im aktuellen Quotenjahr, also 2008, begonnen werden.
Gestatten Sie mir, abschließend allen zu danken, die sich an der Aussprache zu diesem Bericht beteiligt haben, vor allem dem Berichterstatter. Unserer Ansicht nach ist das ein ausgewogener und solider Standpunkt. Vielen Dank für Ihre Mühe.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Meiner Meinung nach setzt die Präsidentschaft damit, dass der Landwirtschaftsminister heute hier anwesend ist und an dieser wichtigen Aussprache teilnimmt, ein sehr gutes Signal.
Ich möchte meinen Beitrag wie gewohnt damit beginnen, dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung meinen Dank auszusprechen. Ganz besonders danke ich der Berichterstatterin, die einen sehr konstruktiven Bericht zur vorgeschlagenen Erhöhung der Milchquote um 2 % für das nächste Quotenjahr vorgelegt hat, das, wie der Minister sagte, am 1. April 2008 beginnt.
Die Kommission ist von vielen Seiten gedrängt worden, die schwierige Situation im Milchsektor zu entschärfen. Im Rat appellierte die große Mehrheit der Mitgliedstaaten an die Kommission, einen Vorschlag zur Erhöhung der Milchquote vorzulegen. In einer vom Europäischen Parlament im Oktober 2007 angenommenen Entschließung zum Anstieg der Lebensmittelpreise wurde die Kommission ebenfalls nachdrücklich aufgefordert, eine zeitlich befristete Erhöhung der Milchquoten vorzuschlagen. Im Dezember 2007 legte die Kommission einen Bericht über Marktperspektiven vor, der bestätigt, dass sowohl zum jetzigen Zeitpunkt als auch künftig eine wachsende Nachfrage nach Milcherzeugnissen besteht bzw. bestehen wird.
Ihr Bericht bestätigt auch, dass wir die Möglichkeiten zur Erhöhung der Milchproduktion verbessern müssen. Ich denke, jeder hier stimmt mir zu, dass der Vorschlag der Kommission recht umsichtig und verständlich ist, mit einem berechenbaren und gerechten Ergebnis für alle Mitgliedstaaten. Ich möchte jedoch mit allem Respekt anmerken, dass der Anspruch der Landwirte auf Berechenbarkeit und Gleichbehandlung in den Änderungsanträgen nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
Sollte der Änderungsantrag, dem zufolge die Mitgliedstaaten die Quoten auf freiwilliger Basis um 2 % anheben dürfen, angenommen werden, dürfte dies gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen. Zunächst einmal sind wir uns meines Erachtens alle darüber einig, dass es um eine stärkere Marktorientierung und eine höhere Produktivität geht. Ich persönlich meine deshalb, dass es den Erzeugern überlassen bleiben sollte, zu entscheiden, ob sie ihre Milchproduktion steigern wollen oder nicht. Wir sind sicher auch darin einer Meinung, dass Milchbauern Berechenbarkeit brauchen – Gewissheit über ihre Produktionsmöglichkeiten innerhalb des Quotensystems –, und ich bin nicht überzeugt, dass ein freiwilliges System dazu beitragen würde.
Um dieses Problem zu lösen, können die Mitgliedstaaten beschließen, die Quote nicht aufzuteilen, sondern in der nationalen Reserve zu belassen. Das wäre eine Möglichkeit, obwohl ich die Mitgliedstaaten drängen würde und froh wäre, wenn sie sich für eine Aufteilung der Quote entschieden, da mir dies der am besten geeignete Weg zu sein scheint.
Der Änderungsantrag, in dem es um die Saldierung der Quote am Ende des Quotenjahres geht, ist keine neue Idee, sondern wurde von der Kommission bereits näher in Betracht gezogen, da es damit theoretisch für einige Mitgliedstaaten leichter wäre, nicht ausgeschöpfte Milchquoten anderer Mitgliedstaaten zu übernehmen. Wir dürften uns aber auch in Folgendem einig sein: Theorie ist das eine, Praxis etwas völlig anderes.
Erstens verunsichert dies meines Erachtens die Milcherzeuger. Sie müssten dann so gut es eben geht abzuschätzen versuchen, wie es am Ende des Produktionsjahres aussehen wird, und ihre Produktion entsprechend ausrichten. Erst im Folgejahr würden sie erfahren, ob auf ihre Erzeugung Abgaben zu leisten sind oder nicht. Bei allem Respekt, dies befördert in meinen Augen nicht unbedingt die Entscheidungsfreudigkeit der Milchbauern. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Milchproduktion einen hohen Investitionsaufwand erfordert, und wir schulden unseren Landwirten bis zum Auslaufen der Quotenregelung im Jahr 2015 ein vorhersagbares System.
Zweitens: Wer würde davon profitieren? Ich muss gar nicht darauf hinweisen, dass es weitgehend nur eine kleine Gruppe von Mitgliedstaaten sein würde. Schon das allein ist politisch bedenklich. Primär bringt es Vorteile für diejenigen Erzeuger, die ihre Quoten bereits überschritten haben – die zuviel produziert haben –, und nicht all denen, die bemüht sind, die Quoten einzuhalten. Damit ist also nicht unbedingt gewährleistet, dass eine größere Milchmenge auf den Markt kommt.
Drittens läuft dies meiner Meinung nach auch der angestrebten Vereinfachung der gemeinsamen Agrarpolitik zuwider. Ich fürchte, dass Durchführungsvorschriften in diesem Sektor sehr kompliziert wären, und ich bin nicht dafür, unser System jetzt noch weiter zu verkomplizieren, da das Quotensystem bereits in sieben Jahren ausläuft.
Alles in allem freue ich mich, dass wir alle erkannt haben, wie dringend geboten eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Erhöhung der europäischen Milchproduktion ist. Sowohl für mich als auch für die Mitgliedstaaten stellt die Tatsache, dass der Agrarausschuss einstimmig diese Linie verfolgt, nachdem die Meinungen zu Beginn der Debatte sehr weit auseinander gingen, ein ausgesprochen wichtiges politisches Signal dar. Ich beglückwünsche daher die Berichterstatterin noch einmal ganz herzlich zu dieser Leistung. Ich hoffe auf einen ähnlichen Erfolg im Rat.
Elisabeth Jeggle, Berichterstatterin. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratsminister, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wie schon gesagt, hat der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung den Vorschlag der Kommission, die Quoten für das kommende Milchwirtschaftsjahr um 2 % zu erhöhen – das wären 2,8 Millionen Tonnen –, einstimmig zurückgewiesen. Dieser Vorschlag ist uns zu starr, zu unflexibel und in der jetzigen Situation insbesondere für die Märkte das falsche Signal. Auf der Grundlage der Beschlüsse von 2003 steht für 11 Mitgliedstaaten zum 1. April dieses Jahres ohnehin eine Quotenerhöhung um 0,5 % an, was 700 000 Tonnen mehr Milch in der Europäischen Union entspricht.
Die intensiven Debatten mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Agrarausschuss haben gezeigt, dass es kein Patentrezept und auch keinen bequemen Weg für die weitere Debatte geben wird. Die Meinungen gingen weit auseinander: Von der generellen und grundsätzlichen Ablehnung jeglicher Quotenerhöhung bis hin zu einer 5 %igen Erhöhung waren alle Positionen vertreten. Trotzdem ist es uns gelungen, einen fraktionsübergreifenden Kompromiss zu finden, der einstimmig ohne Gegenstimme und ohne Enthaltungen angenommen wurde. Dafür gilt mein ganz herzlicher Dank allen Kolleginnen und Kollegen, auch für die konstruktive Mitarbeit.
Der angenommene Kompromiss hat zwei zentrale Punkte. Frau Kommissarin, Sie haben es gesagt. Ich habe eine andere Meinung dazu.
Erstens: Die Einrichtung eines europäischen Saldierungsmechanismus, durch den eine Unter- bzw. Überschreitung der bestehenden nationalen Quoten auf EU-Ebene ausgeglichen werden kann. Dieser wäre nicht sehr bürokratisch und hätte zur Folge, dass die Erzeuger ihre Quoten, die sie überschreiten, erst nach dieser Saldierung mit einer Strafe belegt bekommen.
Zweitens: Ab dem 1. April können sich die Mitgliedstaaten für eine freiwillige nationale Quotenanhebung für das Quotenjahr 2008/2009 entscheiden. Wir wollen Flexibilität und keine Starrheit! Mit diesem Kompromiss können wir erreichen, dass die bereits bestehenden Quoten effizienter genutzt werden. Für Mitgliedstaaten, die mehr Potenzial haben, besteht die Möglichkeit, diesen europäischen Quotenrahmen im Sinne eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktsystems auch zu nutzen.
Frau Kommissarin, Sie betonen immer, dass die bestehende Milchquote in diesem System 2015 auslaufen wird. Eine lineare Erhöhung der Quoten alleine wird aber nicht zu dem von Ihnen zugesagten soft landing führen. Man denke bitte auch an die früheren Milchseen! Deswegen hat sich der Agrarausschuss, wie schon beim Minimilchpaket, eindeutig dafür ausgesprochen, einen Milchfonds einzurichten, um die Mitteleinsparungen, die sich aus den Reformen ergeben, explizit für den Milchsektor zu erhalten. Aus unserer Sicht kann nur so eine zukunftsorientierte Förderung und Erhaltung des gesamten Sektors ermöglicht werden. Insbesondere sollte dieses Instrument für Milchlandwirte in benachteiligten Gebieten und in absoluten Grünlandgebieten genutzt werden. Ich bitte Sie daher, Frau Kommissarin, diese Forderung des Europäischen Parlaments konkret in Ihren legislativen Vorschlag zum health check aufzunehmen.
Die Anwendung von Artikel 69 ist aus unserer Sicht nicht ausreichend, weil er nicht eindeutig im Sinne konkreter Maßnahmen, insbesondere für den vorher angesprochenen Sektor, definiert ist. Und es ist purer Zynismus, wenn ein hochrangiger Kommissionsbeamter vor einer Bauernversammlung kundtut, die Landwirte sollten sich wegen der aktuell schon wieder sinkenden Erzeugerpreise nicht beschweren, da sie doch schließlich auch schon bisher mit 27 Cent pro Liter Milch ausgekommen seien. Das ist Missachtung der berechtigten Interessen eines ganzen Berufsstandes, die ich als Abgeordnete eines Parlaments, das sich Demokratie ganz oben auf die Fahne geschrieben hat, nicht akzeptiere!
Czesław Adam Siekierski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich bin sicher, dass eine Anhebung der Milchquoten im Quotenjahr 2008/2009 die Stabilität des EU-Milchmarktes nicht gefährden wird, und es wird auch zu keinem Preisverfall bei Milch kommen. Wir hätten eine stärkere Anhebung erwartet, aber nachdem wir uns die von Frau Jeggle und anderen Abgeordneten vorgebrachten Argumente angehört hatten, haben wir das Paket der Kompromissänderungsanträge, das eine freiwillige Anhebung um lediglich 2 % vorsieht, unterstützt.
Den Informationen in der Presse ist zu entnehmen, dass die Kommissarin Vorschläge für eine jährliche Anhebung der Quoten um lediglich 1 % ab 2010 im Rahmen der so genannten sanften Landung unterstützt. Das ist ein sehr konservativer Ansatz, obwohl man der Kommissarin nachsagt, liberal zu sein. Doch kommen wir zur Sache. Einerseits beschränken niedrige Quoten die Entwicklung der EU-Milchindustrie, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit und das Exportpotenzial drücken. Andererseits garantieren sie unseren Landwirten ein stabiles Einkommen.
Wir müssen die Diskussion darüber, was die beste Lösung ist, fortsetzen.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Rosa Miguélez Ramos, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Die Wahrheit ist, dass die extrem niedrigen Preise, die den Milchproduzenten in Europa jahrelang gezahlt wurden, dem Sektor großen Schaden zugefügt haben. Sie führten zu einem breiten Rückzug aus dem Sektor, besonders in einigen Regionen wie meiner, Galicien. Eine weitere Folge war der gewaltige Rückgang der strategischen Reserven bei Milch, einem Grundnahrungsmittel.
Ich möchte sagen, dass sich der Markt seit 2007 positiv entwickelt hat, und in der Tat verschafft dies den Produzenten eine gewisse Atempause und gibt ihnen sogar die Möglichkeit, in ihre Betriebe zu investieren, was bisher undenkbar war. In diesem Zusammenhang haben wir dem Bericht der Kommission zufolge zwei gute Nachrichten: Positive Aussichten für die Zukunft bedeuten, dass der Markt nach zusätzlichen Milchmengen verlangt, deshalb wird für dieses Jahr eine Erhöhung von 2 % vorgeschlagen. Mit diesem Vorschlag war ich von Anfang an einverstanden, Frau Kommissarin.
Ich war mit diesem Vorschlag einverstanden und habe versucht, mit der Berichterstatterin, Frau Jeggle, gemeinsam zu arbeiten, gerade weil klar ist, dass es eine gewisse Zurückhaltung gab und dass einige Mitglieder des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung nicht der Ansicht waren, dieser Vorschlag der Kommission solle unterstützt werden.
Doch aus meiner Sicht und nach meinem Verständnis sollte das Parlament nicht, wie Sie sagten, jenen Produzenten Hindernisse in den Weg legen, die sich entschlossen haben, auf die Marktnachfrage positiv zu reagieren. Deshalb habe ich in Übereinstimmung mit Frau Jeggle vorgeschlagen, diese Maßnahme freiwillig zu machen.
Wie Frau Jeggle bereits bemerkte, wurde der Bericht im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung einstimmig angenommen. Auch wenn, wie die Berichterstatterin erklärte, die Quote in der EU nicht ausgeschöpft wurde, so trifft dies keineswegs auf alle Mitgliedstaaten gleichermaßen zu, was auch für das Produktionsdefizit gegenüber dem theoretischen Konsum gilt.
Bedenken Sie nur einmal, dass in meinem Heimatland, Spanien, die uns zugeteilte Produktion 6,1 Millionen Tonnen beträgt und unser theoretischer Konsum bei 9 Millionen Tonnen liegt. Spanien hat somit, das muss gesagt werden, nahezu das größte Defizit pro Einwohner und Jahr in der gesamten Europäischen Union.
Deshalb fordern wir im Bericht von Herrn Goepel diese künftige Anpassung der Quote, nicht durch eine lineare Erhöhung, wie in dem von Ihnen jetzt vorgelegten Vorschlag, sondern auf der Grundlage der Diskrepanz zwischen der derzeitigen Struktur und der Struktur, die der Sektor haben sollte, wie Sie sagen, um wettbewerbsfähig zu sein und sich dem Markt im Alleingang zu stellen. In diesem Zusammenhang, Frau Kommissarin, möchte ich Sie fragen, ob Sie im Hinblick auf die Mechanismen zur Anpassung oder der „weichen Landung“ die Möglichkeit der Gestaltung individueller Modelle für jeden Mitgliedstaat in Erwägung ziehen.
Ich möchte ganz deutlich hervorheben, dass die Milchproduktion meines Erachtens in ganz Europa voll aufrechterhalten werden sollte. Was die Quoten betrifft, so müssen wir, ehe wir sagen, dass wir jetzt auf sie verzichten und dass sie verschwinden werden, über ihre soziale und wirtschaftliche Rolle zum Schutz vieler schwacher Wirtschaften nachdenken. In vielen Regionen ist die Milchproduktion bekanntlich die einzige Option in der Landwirtschaft, deshalb hat dieses System geholfen…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Niels Busk, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Die Berichterstatterin, Frau Jeggle, hat erneut eine ausgezeichnete Arbeit geliefert, für die ich ihr danken möchte. Die europäischen Milchproduzenten stehen derzeit aufgrund der rapide steigenden Nachfrage nach Milchprodukten insbesondere aus dem Fernen Osten vor großen Herausforderungen. Dies ist ein sehr positives Problem. Zugleich wird die Produktionswirtschaft von in die Höhe schnellenden Futterpreisen untergraben, da die EU die Einfuhr von Futtermitteln verhindert, die unsere Wettbewerberländer benötigen. Um zu überleben, müssen wir jetzt die Erlaubnis für eine Quotenerhöhung erteilen. Andernfalls wird von uns, wenn wir bis 2015 warten, wenn die Quoten hoffentlich abgeschafft werden, eine einzigartige Chance für die europäische Milchindustrie verpasst werden.
Meine Fraktion wünscht die Liberalisierung der Milchproduktion in Europa durch Markwirtschaft und freien Wettbewerb, und das Quotensystem steht damit in Konflikt. Eine Steigerung der Erzeugung um mindestens 2 % und eine Neubewertung in einem späteren Stadium, ob weitere Quotensteigerungen erforderlich sind, wird eine starke, zukunftsorientierte Milchproduktion in Europa unterstützen und aufrechterhalten und einen reibungslosen Übergang zur Abschaffung des Quotensystems schaffen, das 1983 – übrigens als Übergangsregelung – aufgrund der Entwicklung ganzer Milchpulver- und Butterberge eingeführt wurde. Glücklicherweise existieren diese nicht mehr – jetzt verlangt der Markt nach mehr Milchprodukten. Lassen Sie uns den europäischen Milchproduzenten die Gelegenheit geben, diese anzubieten.
Alyn Smith, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch ich möchte es nicht versäumen, der Berichterstatterin meine Glückwünsche zu ihrem fundierten Bericht auszusprechen, der aus meiner Warte am ehesten als Teil eines umfassenderen Bildes davon zu betrachten ist, wie wir auf lange Sicht Stabilität für europäische Landwirte und Erzeuger gewährleisten.
Ich möchte zwei Punkte aufgreifen. Wir akzeptieren und begrüßen die Vorschläge der Kommission zur Abschaffung der Quotenregelung bis zum Jahr 2015. Allerdings wäre uns ein System mit Produktionsbeschränkungen lieber, und wir lehnen den Bericht in dem Punkt ab, dass es einen freiwilligen Opt-in-Mechanismus für die Mitgliedstaaten geben sollte. Gerade wir im Vereinigten Königreich haben da so unsere Erfahrungen mit freiwilliger Modulation, die naturgemäß für die Landwirte, die dann damit leben müssen, überhaupt nicht freiwillig ist. Diesem Prinzip können wir nicht zustimmen. Wir halten eine asymmetrische Deregulierung nicht für sinnvoll.
Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen in der Kommission nachdrücklich darauf hinweisen, dass auch auf längere Sicht angesichts dessen, dass wir es mit einem deutlich liberaleren und freieren Markt für Milcherzeugnisse zu tun haben, eine der wichtigsten Fragen lauten wird, wie sich das Wettbewerbsrecht vor allem auf die Landwirte und darauf auswirkt, wie sie mit Privatverträgen mit langer Laufzeit und der missbräuchlichen Ausnutzung durch bestimmte Erzeuger und Käufer umzugehen haben, besonders auf dem Milchmarkt. Im Großen und Ganzen ist der Bericht jedoch solide, und wird freuen uns, ihn in vielen Punkten befürworten zu können.
Dimitar Stoyanov (NI). – (BG) Die Bedingungen für die Milchproduktion in Bulgarien sind ein Beispiel dafür, dass im Wirtschaftssystem der Europäischen Union etwas falsch läuft.
Die Anhebung der Quoten ist von geringer Relevanz, da 30 % der Kühe in Bulgarien allein im ersten Jahr der EU-Mitgliedschaft verhungert sind. Dies ist auf die durch die EU herbeigeführten hohen Inflationsraten sowie auf die neuen Verordnungen, die Quoten und die höheren Futtermittel- und Kraftstoffpreise zurückzuführen.
Wie viel Zeit soll noch verstreichen? Vielleicht wird es nur noch zwei Jahre dauern, bis in dem Land, das das Heimatland des Joghurts, das Heimatland des Lactobacillus bulgaricum ist, dank der EU keine einzige Kuh mehr leben wird.
James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zunächst einmal begrüße ich die heute hier von der Berichterstatterin ausgesprochene Empfehlung, die 2%ige Erhöhung für die kommenden zwölf Monaten auf freiwilliger Basis einzuführen. Ich halte dies für eine gut durchdachte Position.
Ich bin dagegen, die Schleusen für die Produktion zu öffnen, denn das würde nach meiner Überzeugung das Problem nicht lösen. Warten wir erst einmal ab, wie sich der Markt in den nächsten zwölf Monaten entwickeln wird. Im kommenden Jahr können wir uns erneut mit der Situation befassen und deutlich mehr Aspekte berücksichtigen. Die „sanfte Landung“ für Quoten ist in aller Munde, aber niemand kann mir erklären, was darunter eigentlich zu verstehen ist. Wir benutzen dieses Wort – der amtierende Ratspräsident und die Kommissarin haben es getan –, aber worum geht es wirklich, wenn wir uns dem Jahr 2013 nähern? Mir ist klar, dass bis dahin noch viel Zeit ist, aber viele Milchbauern machen sich schon jetzt Gedanken darüber, wie die Lage dann wohl aussehen mag.
Der Milchsektor verbuchte zwar 2007 beträchtliche Gewinne, doch können wir nicht garantieren, dass dies ewig so bleiben wird. Seien wir einmal ehrlich: Das war weder das Verdienst der Kommission noch unseres als Politiker oder das Verdienst der nationalen Regierungen, ja nicht einmal des Milchsektors selbst. Verantwortlich für das Ansteigen der Milchpreise waren allein globale Marktkräfte, und genau darum geht es. Die Getreidepreise haben die Preise in die Höhe getrieben. Wir müssen uns jedoch auch darüber im Klaren sein, dass in den kommenden zwölf Monaten ein Großteil des zusätzlichen Geldes, das in den Milchsektor geflossen ist, zur Deckung der gestiegenen Kosten für Getreide, Düngemittel und Futtermittel sowie hohe Energiekosten gebraucht wird.
Lassen wir uns also nicht zu der Annahme verleiten, dass im Milchsektor alles so rosig und wunderbar ist, wie es den Anschein hat, denn das stimmt nicht. Die zusätzlichen 2 % stellen eine beträchtliche Milchmenge dar. Aber ich bin mit der Kommissarin einer Meinung, dass wir die Situation nicht verkomplizieren, sondern für den Erzeuger vereinfachen sollten. Der Milch- und Milchviehhaltersektor bildet überall in Europa das Rückgrat kleiner bäuerlicher Familienstrukturen, und das müssen wir unterstützen.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die im Bericht vorgeschlagene Anhebung der Milchquoten um 2 % betrifft eine Reihe von Mitgliedstaaten. Ungarn ist davon nicht betroffen, da es seine Milchquote nur zu 70 % ausschöpft, aber wir sind natürlich solidarisch mit Mitgliedstaaten wie Polen und anderen, die ihre Milchquote erhöhen müssen. Neben dieser Anhebung der Quoten müssen wir uns auf die von der Kommissarin vorgeschlagene Abschaffung der Milchquotenregelung nach 2015 vorbereiten und brauchen dazu verschiedene Stützungsmechanismen, die eine hochwertige Milcherzeugung fördern. Ein spezielles Problem ist in einigen Ländern der Rückstand in der technischen und technologischen Entwicklung. Daher wäre es positiv, wenn Gemeinschaftsmittel zur Förderung der technologischen Entwicklung in Ländern wie Ungarn und anderen neuen Mitgliedstaaten eingesetzt würden, die bisher nicht in der Lage waren, ihre gesamte Milchquote auszuschöpfen. Bei der Anhebung der Quote ist es auch wichtig, die Innovation im Agrarsektor zu fördern. Der Preisanstieg bei Futterkulturen ist ein Problem, aber wir haben noch ein weiteres Problem, gegen das weder Kommissarin Fischer Boel noch irgendwer sonst etwas tun kann: In Ungarn sind die Milcherzeuger leider nicht die Eigentümer der Molkereiindustrie, was für sie einen erheblichen Wettbewerbsnachteil darstellt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Margrete Auken (Verts/ALE). – (DA) Herr Präsident! Wie der Frau Kommissarin bekannt ist, wird in der allgemeinen Diskussion in Dänemark starke Kritik an Agrarsubventionen geäußert. Wir sind uns nur allzu bewusst, dass sich die Attraktivität der Milchproduktion in Europa zum großen Teil auf künstlich hohe Preise und die Unterbindung von Wettbewerb aus Drittländern zurückführen lässt. Die Bedingungen führten zu Überproduktion, die wir über Quoten zu begrenzen versuchten. Ich werde nicht auf all das Unglück eingehen, das dadurch entstanden ist, sondern nur darauf hinweisen, dass, wenn die Kommission die Quoten erhöhen will, um die steigende Nachfrage zu berücksichtigen, dies natürlich unzureichend ist. Die Quoten müssen vollends abgeschafft werden, und die Verzerrungen auf dem Markt müssen beseitigt werden. Daher muss die Gemeinsame Agrarpolitik von Grund auf reformiert werden, wobei die flächenbezogenen Zahlungen schneller auslaufen müssen, als es derzeit der Fall ist. Der Markt muss regelrecht liberalisiert werden, und dies muss das Hauptziel der Reform sein. Darüber hinaus können wir die Möglichkeiten einer weiteren Unterstützung für ausgewählte kleine Flächen prüfen, wo es gute Argumente für Milchproduktion trotz der wirtschaftlichen Bedingungen gibt. Liberalisierung muss Teil der Agrarpolitik der EU sein, einer Politik, die die Nachhaltigkeit der Umwelt in die allgemeinen Marktbedingungen eingliedert und Entwicklungsländern freien Zugang zu den EU-Märkten zu fairen Bedingungen garantiert. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor wir stolz auf die Agrarpolitik der EU sein können.
Albert Deß (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister! Ich möchte mich auch bei Elisabeth Jeggle bedanken, dass sie so tüchtig an dem Bericht gearbeitet hat. Das jetzige Quotensystem ist bis 2015 beschlossen. Es besteht also noch exakt für 7 Jahre und einige Tage. Ich halte es für falsch, Frau Kommissarin, die Milchquote jetzt um 2 % anzuheben.
Ich hätte durchaus Verständnis, wenn für die neuen Mitgliedstaaten die Quote um 2 % angehoben würde, weil ja dort der Verbrauch von Milchprodukten noch weit unter dem EU-Durchschnitt liegt. Frau Kommissarin, bei aller Wertschätzung, die ich Ihnen entgegenbringe, halte ich die Vorschläge der Kommission für falsch. Erstmals seit vielen Jahren erzielen unsere Milchbauern seit einigen Monaten einen anständigen Milchpreis. Unsere Milchbauern, die 365 Tage im Jahr, heuer 366 Tage, früh und abends ihre Kühe melken, haben es verdient, ein besseres Einkommen zu erwirtschaften, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war.
Jetzt die Quote auszuweiten, bedeutet doch, dass die Milchpreise massiv unter Druck geraten, und sie sind doch bereits ohne Ausweitung unter Druck. Man spricht hier von einer sanften Landung, das bedeutet für mich, Sand in die Augen der Milcherzeuger zu streuen. Es wird keine sanfte Landung werden, es wird eine brutale Landung werden, wenn das umgesetzt wird, was die Kommission im Quotenbereich vorhat. Ich glaube, in der Kommission gibt es halt Hoelgaards und Rasmussens, die einen brutalen Verfall der Milchpreise gerne sehen würden. Das dürfen Sie ihnen nicht durchgehen lassen.
Bereits ohne Ausweitung haben wir Probleme, und wir müssen versuchen, dem hier gegenzusteuern. Die bayerischen CSU-Abgeordneten werden morgen gegen den Bericht stimmen, weil sie gegen die Ausweitung sind. Das ist nicht gegen Elisabeth Jeggle gerichtet, sondern gegen die Quotenausweitung.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte eingangs meiner Kollegin Frau Jeggle für die enorme Arbeit danken, die sie bei der Erstellung dieses Berichts geleistet hat. Worüber wir heute diskutieren, das habe ich vor drei Jahren, als ich meine Arbeit im Europäischen Parlament aufnahm, vorgelegt. Seit drei Jahren sprechen wir darüber, dass es notwendig ist, die Milchquoten in den neuen Mitgliedstaaten und in der Europäischen Union anzuheben, die unfairen und unangemessenen Unterschiede zwischen den Quoten der einzelnen Länder auszugleichen, die Produktion zu steigern und insbesondere den Export und vor allem damit aufzuhören, jene Landwirte zu bestrafen, die die Produktion steigern und die gute europäische Milch produzieren wollen.
Die wesentlichen Argumente, die den von mir vor drei Jahren vertretenen Standpunkt bestätigen, sind auch im Bericht der Kommission an den Rat „Marktperspektiven für den Milchsektor“ zu finden, der ankündigt, dass sich die positiven Tendenzen am globalen Milchmarkt fortsetzen werden. Die den einzelnen Ländern zugeteilten Milchquoten werden nicht ausgeschöpft. Andererseits bedeutet eine Anhebung der Quoten um 2 % nicht notwendigerweise, dass die Milchproduktion in allen Regionen im gleichen Maße ansteigt. Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe wenden sich von der Milchproduktion ab, weil sie sie für zu arbeitsintensiv halten. Folglich sollten wir in allen Ländern, die weiterhin Milch produzieren wollen, die Quote um 5 % anstatt um 2 % anheben, zumal die Zahl der Verbraucher weltweit und die Nachfrage nach ausgezeichneten europäischen Molkereiprodukten – vor allem in Asien – ansteigen werden.
Astrid Lulling (PPE-DE). – Herr Präsident! Über die Milchquoten scheiden sich die Geister. Das hat sich auch in unserem Agrarausschuss gezeigt, der sich allerdings zu einem einstimmig angenommenen Kompromiss durchgerungen hat. Wenn das Europäische Parlament damit ein Signal in Richtung Kommission und Ministerrat senden will, so muss es aber auch wissen, dass die Bauern und ihre Vertreter nach wie vor gespalten sind.
Die einen können sich durchaus mit einer Erhöhung der Quoten um 2 oder mehr Prozent und somit mit einer sanften Landung vor der totalen Abschaffung der Quoten anfreunden. Diese wollen die Wachstumschancen durch eine bessere Ausschöpfung ihres Produktionspotenzials nutzen, weil die Absatzmöglichkeiten in der EU und auf dem Weltmarkt infolge der ständig wachsenden Nachfrage sehr attraktiv sind. Die anderen befürchten einen Einbruch der erst seit kurzem angemesseneren Produktionspreise, wenn größere Mengen Milch produziert würden.
Auch über die vom Agrarausschuss vorgeschlagene europäische Saldierung scheiden sich die Geister. Bedeutet das nicht schon jetzt bei einer Unterlieferung von 3 Millionen Tonnen EU-weit den Ausstieg aus dem nationalen Milchquotensystem? Wäre das Ziel nicht auch durch eine Verringerung der Superabgabe und eine Erhöhung der Fettquoten zu erreichen? Welcher Milchbauer hat den Mut zum Poker in den Ländern, wo – wie in Luxemburg – die Superabgabe für 2006-2007 schon wieder durch Überschreiten der Quoten fällig wird? Weil für das Milchjahr 2008-2009 eine freiwillige Erhöhung der Milchquoten um 2 % Teil des Kompromisses ist, kann ich ihn mittragen.
Mir gefällt an unserem Bericht besonders die Aufforderung, ein Milchfondsrestrukturierungsprogramm einzurichten. Ich finde es äußerst wichtig, dass kurzfristig eine Analyse der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Anhebung der Milchquoten sowie ein Bericht über das Verbraucherverhalten gefordert wird, wobei ausdrücklich verlangt wird, die besonderen Gegebenheiten der Milchproduktion in benachteiligten Regionen, wie Luxemburg, mit schwierigen Produktionsbedingungen zu berücksichtigen.
Das für den Milchsektor vorgesehene Geld muss diesem erhalten bleiben. Es muss auch klargestellt werden, dass an den höheren Preisen für Lebensmittel die endlich angemesseneren Produzentenpreise nur geringfügig schuld sind. Da segnen sich wieder die Zwischenhändler und die dominierenden Lebensmittelketten.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Frau Jeggle und allen Koordinatoren, die sich wirklich bemüht haben, in dem außerordentlich sensiblen Bereich der Milchquoten – einer Politik, von der europäische Viehzüchter und Landwirte erwarten, dass sie weit reichende, radikale Veränderungen bringt – zu einer Ausgewogenheit zu gelangen, danken und sie beglückwünschen.
Frau Kommissarin, es ist außerordentlich ermutigend, dass die Kommission, als sie mit einer Veränderung bei Angebot und Nachfrage von Milchprodukten konfrontiert war, mit einer Änderung einer der Schlüsselverordnungen reagierte und die nationalen Quoten für den Zeitraum 2007-2008 um 2 % erhöhte. Ich möchte betonen, es ist akzeptabel, dass die Kommission eine derartige Flexibilität in Angelegenheiten der Entwicklung des Marktes für Agrarprodukte, insbesondere für Lebensmittel, zeigt, vor allem in einer Zeit, da der Viehzuchtsektor aufgrund der Krise auf dem internationalen Markt um sein Überleben kämpft.
Es ist jedoch auch eine Grundsatzfrage, dass sich eine solche Krise nicht mit denselben Maßnahmen und Strategien für alle Arten und Größen von Viehzuchtbetrieben lösen lässt. Aus diesem Grund betone ich, dass die Kommission und der Rat im Rahmen ihrer Diskussionen die Frage des Fettgehalts neu prüfen müssen, um Wettbewerbsverzerrungen auf Kosten von Ländern, für die ein niedriger Fettgehalt vorgeschrieben wurde, zu verhindern.
Maria Petre (PPE-DE). – (RO) Zunächst möchte ich die Berichterstatterin zu ihrer Arbeit und zu ihrem Bemühen um einen Kompromiss in dieser überaus delikaten Angelegenheit beglückwünschen.
Als europäische Abgeordnete eines neuen Mitgliedstaates begrüße ich die Anhebung um 2 %, obgleich wir einen erheblich höheren Prozentsatz wollten, speziell für die Mitgliedstaaten mit niedrigen Milchquoten und ungenutztem Produktionspotenzial. Die Aufstockung der einzelstaatlichen Milchquoten stellt für die Stabilität des Milchmarktes keine Bedrohung dar.
Herausstellen möchte ich, dass eine Anhebung der Quoten um 2 % eigentlich auf eine tatsächliche Erhöhung der Milchproduktion auf Gemeinschaftsebene um nur 0,8 % hinausläuft. Zudem sollten wir meiner Meinung nach die derzeitige Quotenregelung beibehalten, um die Konsolidierung bestehender landwirtschaftlicher Betriebe zu fördern und Anreize für neue zu schaffen. Aus dem Blickwinkel der GAP-Reform wird in Verbindung mit den Quoten der Begriff „sanfte Landung“ verwendet, was eine allmähliche Abschaffung der Quoten bedeutet.
Die neuen Mitgliedstaaten, vor allem Rumänien und Bulgarien, die der Union am 1. Januar 2007 beitraten und die, wenn ich dieselbe Sprache verwenden soll, abrupt „starteten“, werden auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie die „Startverfahren“ an die einer sanften „Landung“ anpassen. Würde dieser Vorschlag nicht angenommen, liefe die Rumänien zugewiesene Quote wie 2007 zur Jahresmitte aus, und das spornt unsere Landwirte wahrlich nicht an, sondern hält sie vielmehr von den Entwicklungsvorhaben ab. Ich erhoffe mir im Plenum ein ebenso einstimmiges Votum für diesen Bericht wie im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
Gábor Harangozó (PSE). – (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um der Kollegin Jeggle zu ihrem ausgezeichneten Bericht und der harten Arbeit, die sie hier investiert hat, zu gratulieren. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Europäische Union durch eine erhebliche Anhebung der Milchquoten angemessen auf die steigende weltweite Nachfrage reagieren muss. Die vorgeschlagene Anhebung um 2 %, die Anfang April 2008 in allen Mitgliedstaaten in Kraft treten soll, wird diesem Sektor der Europäischen Union wahrscheinlich helfen, die sich aus der weltweiten Nachfrage ergebenden Möglichkeiten zu nutzen. Dennoch müssen wir die Frage der Milchquoten lösen, ohne dabei weitere Probleme zu schaffen.
Lassen Sie mich hervorheben, dass wir einerseits echte Marktnachfrage befriedigen und das angebotene Produktsortiment erweitern müssen, andererseits aber auch dazu beitragen müssen, die ohnehin schwierige Situation der Produzenten zu verbessern. Aus diesem Grunde müssen wir sicherstellen, dass den sozialen und Umweltauswirkungen der Quotenanhebung sowie ihren Folgen für die Produktion, vor allem im Hinblick auf die Unterstützung von Produzenten in benachteiligten Regionen, genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird. Für Produzenten und Verbraucher gleichermaßen angemessene Preise sind für das Funktionieren der Binnenmarktmechanismen unabdingbar. In Anbetracht der Abschaffung der Milchquotenregelung nach 2015 sollten wir bereits jetzt darüber nachdenken, wie wir den Erzeugern helfen können, ihre Betriebe effizient und rentabel zu gestalten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Béla Glattfelder (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank. Die Anhebung der Milchquoten ist beim gegenwärtigen Marktklima aus zwei Gründen übereilt und risikoreich. Zum einen sind die Marktaussichten keineswegs so günstig, wie es die Europäische Kommission behauptet. Die neuesten Entwicklungen zeigen deutlich die mit einer Anhebung der Milchquote verbundenen Gefahren. Verbraucher innerhalb und außerhalb Europas haben sensibel auf Preiserhöhungen für Milchprodukte reagiert. In einigen Ländern ist der Verbrauch um 10 bis 30 % gesunken, ebenso wie die Einfuhr von Milchpulver aus China. Im Ergebnis dessen sind die Einkaufspreise für Milch in Ungarn beispielsweise in den letzten Wochen um 10 bis 20 % gesunken. Der Hauptgrund hierfür kann darin liegen, dass zwar die Preise für alle anderen Lebensmittel gestiegen sind, die Fleischpreise aber diesem Trend bisher noch nicht gefolgt sind. Die Folge davon ist, dass die Verbraucher ihren Proteinbedarf eher durch Fleisch decken als durch immer teurer werdende Milchprodukte.
Zugleich schöpfen viele Mitgliedstaaten einen erheblichen Teil ihrer Milchquote nicht aus. Eine Anhebung der Quote würde die Produzenten in diesen Mitgliedstaaten daran hindern, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen. Für diese Länder würde eine Quotenanhebung einen Rückgang der Produktion bedeuten, da die Produzenten der Mitgliedstaaten, die ihre Milchquote ausschöpfen, den zur Erhöhung der Milchproduktion benötigten Viehbestand in diesen Ländern kaufen werden.
Gegenwärtig besteht daher keine Notwendigkeit, die Milchquoten anzuheben. Lassen Sie uns abwarten. Wenn die Preise steigen und die Nachfrage weiterhin hoch bleibt, sollten wir dieses Thema später noch einmal aufgreifen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Die Zahlen für das Quotenjahr 2006/07 lassen eine Unterschreitung der Quoten in Höhe von 1,9 Millionen Tonnen Milch in der gesamten EU erkennen, wobei 18 von 27 Mitgliedstaaten ihre nationalen Quoten unterschreiten.
Die Europäische Kommission rechnet für das Quotenjahr 2007/08 mit einer Unterschreitung der Quoten um drei Millionen Tonnen Milch. Die Frage einer Quotenerhöhung um 2 % ist jedoch umstritten. Ich teile die Ansicht, dass alle Optionen in Betracht gezogen werden sollten, wobei vor allem ihre Anwendbarkeit und insbesondere deren wirtschaftliche, soziale, regionale und haushaltspolitische Auswirkungen zu prüfen sind.
Meines Erachtens sollten die neuen Mitgliedstaaten höhere Subventionen bekommen, nämlich die vorgeschlagenen 2 %, damit sie nicht aufgrund ihrer Vergangenheit diskriminiert werden, da wir alle wissen, dass Nachfrage und Preise gestiegen sind.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Meine Kollegin Frau Jeggle hat einen guten Vorschlag zur Anhebung der Milchquoten vorgelegt. Für diese Anhebung und die Schaffung eines Systems zur EU-weiten Saldierung, die von den Milchbauern unterstützt werden, spricht auch die Lage auf dem Milchmarkt.
Angesichts dieser Situation drängen sich einige Fragen auf. Wieso hat die Europäische Kommission so langsam auf die Notwendigkeit der Anhebung der Milchquoten reagiert? Plant sie die Interessen und die Existenz von EU-Produzenten zu sichern, indem sie einen Mindestpreis für Milch festlegt, der allen EU-Produzenten einen Gewinn garantiert und dem Aufkauf unterhalb des Erzeugerpreises einen Riegel vorschiebt? Beabsichtigt die Kommission das zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten in der Milchproduktion bestehende Ungleichgewicht zu beseitigen?
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Vor zwei Wochen waren viereinhalb Tausend Milchbauern aus allen Teilen Europas in Brüssel. Sie haben sich zusammengeschlossen zum European Milk Board, und sie fordern zunächst einmal ausreichende Preise.
Das hat in Deutschland schon erheblich Wirkung gezeigt. Wir haben Erzeugerpreise, die um die 40 % lagen, sie kommen jetzt wieder etwas unter Druck. Die Milchbauern fordern aus diesem Grund eine mengenorientierte Marktpolitik. Wenn diese Entwicklung an Umfang gewinnt, wenn sie Einfluss auf die Agrarpolitik nimmt, können Sie sich dann vorstellen, dass eine Kommission im Jahre 2015 den Forderungen dieser Bewegung, die Mengenregelung in einer flexiblen Weise zu verlängern oder wieder neu aufzulegen, politisch widerstehen könnte?
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Ich teile die Bedenken vieler hier in diesem Haus über eine definitive Erhöhung der Milchquote. Meines Erachtens sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir einige grundsätzliche Fragen stellen sollten. Das bedeutet auch, folgenden Sachverhalt zu hinterfragen: Wie lässt sich eine Erhöhung der Quoten eigentlich rechtfertigen, wenn die Lage in Europa durch Unterproduktion und die Nichtausschöpfung von Quoten geprägt ist? Dieses Jahr ist eine Unterschreitung von drei Millionen Tonnen zu erwarten. Warum also diese Eile?
Außerdem müssen wir im Hinblick auf die viel diskutierte sanfte Landung ganz besonders die Regionen im Auge behalten, die ihre Struktur und ihre Strategie auf die Belieferung anderer Regionen ausgerichtet haben, deren Milcherzeugung derzeit Beschränkungen unterliegt – zu denen beispielsweise auch mein eigener Wahlkreis gehört, der grenzüberschreitend in die Republik Irland liefert. Was die sanfte Landung anbelangt, müssen wir uns Gedanken über eine langfristige Strategie und Alternativen für solche Regionen machen.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Mich würde einmal interessieren, was Erzeuger, die vielleicht diese Debatte verfolgen, davon halten – sie ist so kompliziert. Ich beglückwünsche Frau Jeggle zu ihrer wunderbaren Leistung, hat sie es doch geschafft, einen Konsens herbeizuführen. Diejenigen unter Ihnen, die diese Woche bei starkem Sturm im Flugzeug saßen, wissen, dass eine sanfte Landung immer von der Windrichtung abhängt, und keiner von uns weiß, aus welcher Richtung der Wind in einigen Jahren wehen wird.
Ich denke, eine 2%ige Quotenerhöhung – wobei die Freiwilligkeit meines Erachtens nicht bei den Mitgliedstaaten, sondern bei den Erzeugern liegen sollte – gibt uns Gelegenheit, die Marktsituation auszuloten, und das ist nötig. 2 % sind für die einzelnen Erzeuger keine übermäßig ins Gewicht fallende Steigerung.
Bedenklich – und möglicherweise hat die Kommissarin zu gründlich über den Saldierungsmechanismus nachgedacht – ist, dass Sie Erzeuger, die produzieren können, massiv mit Abgaben belegen, während andere Mitgliedstaaten gar nicht an der Produktion interessiert sind. Dazu haben sich auch schon andere Kollegen geäußert, wir müssen uns also darum kümmern.
Schließlich könnten die WTO-Verhandlungen...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Neil Parish (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Frau Jeggle herzlich dafür danken, dass sie einen so schwierigen Bericht zuwege gebracht hat. Ich möchte hier nur kurz das Sprichwort „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ zitieren, und ich denke, wir müssen viel mehr wagen. Milchquoten funktionieren wie ein Schnellkochtopf: Man kann nicht den Druck bis zum Schluss aufrechterhalten und dann einfach den Deckel öffnen, denn sonst explodiert er. Mir ist durchaus klar, was eine sanfte Landung bedeutet, nämlich eine deutliche Anhebung der Quoten vor 2015; deshalb begrüße ich die Erhöhung um 2 %.
Ich möchte der Kommission und dem Rat nahe legen, noch vor 2010 mehr Mut zu zeigen. Reden wir nicht über 1 %, sondern fassen stattdessen 2 % ins Auge, denn nur so können wir eine wirklich sanfte Landung für Milchquoten erreichen. Für junge Landwirte und Neueinsteiger haben in den vergangenen Jahren Beschränkungen gegolten. Jetzt haben wir die Möglichkeit, ihnen diese Produktion zuzugestehen. Endlich wächst der Milchhandel weltweit...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Herr Präsident! Milch ist ein sehr sensibles Produkt, und ich möchte Frau Jeggle sehr herzlich für den guten Kompromiss danken. Besonders begrüße ich die freiwillige Erhöhung der Milchquoten in den Mitgliedstaaten. Ich möchte aber auf Folgendes hinweisen: Wer den Preis der Lebensmittel immer als Begründung für eine Quotenaufstockung oder Mehrproduktion anführt, übersieht völlig, dass der Milchbauer nicht einmal 30 % vom Verkaufspreis im Laden bekommt. Ich glaube, hier sollte man die Diskussion ansetzen.
Wesentlich ist auch, dass die Milchproduktion in den Berggebieten und benachteiligten Gebieten weiter stattfinden kann, weil es oft die einzige Produktion ist, die dort stattfindet. Hier brauchen wir ein Sonderprogramm.
Esther De Lange (PPE-DE). – (NL) Ich überspringe die Dankesworte und fahre fort, indem ich sage, dass ich den Vorschlag für eine Anhebung der Quoten um 2 % begrüße. Ich persönlich hätte 3 % bevorzugt, da die Europäische Kommission selbst zugibt, dass 2 % in der Praxis auf nur 1 % hinauslaufen, weil nicht alle Länder ihre Quoten voll ausschöpfen, aber auf jeden Fall werde ich Frau Jeggles Kompromiss von 2 % unterstützen.
Es ist keine Minute zu früh, liebe Europäische Kommission, denn schon 2006 hat uns Neuseeland auf dem Weltmarkt überholt. Die Nachfrage stieg, es gab also Spielraum, die Gelegenheit zu ergreifen, aber wir mussten sie verstreichen lassen, weil wir durch die Quotenregelung gefesselt waren. Diese Regelung hatte in Zeiten der Überproduktion ihre Funktion. Angesichts der jetzigen Nachfragesteigerung müssen wir ein anderes System aufbauen, damit wir die Marktchancen nutzen können. In diesem Kontext finde ich es auch schade, dass im Rahmen des Gesundheitschecks jetzt offensichtlich über eine Erhöhung in vier Schritten von je 1 % nachgedacht wird. Meiner Meinung nach bedarf es zu einer echten sanften Landung einer stärkeren Aufstockung als um 1 %. Haben wir doch den Mut dazu.
Iztok Jarc, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte mich eingangs bei allen Anwesenden bedanken. Wie immer im Parlament war die Aussprache sehr komplex und umfangreich und warf ein Schlaglicht auf alle Probleme und Unterschiede, die zwischen den Mitgliedstaaten existieren.
Ich möchte betonen, dass der Ratsvorsitz und natürlich das Europäische Parlament zweifellos genügend Zeit für eine allseitige Betrachtung des Vorschlags eingeräumt haben. Wenn die Bedingungen für die Annahme dieses Vorschlags unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments erfüllt sind, dann wird diese Anhebung um 2 % zum nächsten Quotenjahr, also am 1. April 2008, in Kraft treten.
Ich möchte jedoch betonen, dass die Debatte um die Zukunft des Milchsektors in der Europäischen Union damit nicht beendet sein wird. Sie wird zweifellos im Rahmen des so genannten Gesundheitschecks der Gemeinsamen Agrarpolitik mit großer Eindringlichkeit fortgesetzt werden.
Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus garantieren, dass der Ratsvorsitz fest entschlossen ist, diese Debatte zu führen und unser gemeinsames Ziel, also eine ausgewogene langfristige Strategie für den europäischen Milchsektor, zu erreichen. Das darf ich Ihnen versichern.
Nochmals herzlichen Dank für Ihre Beteiligung an der Aussprache und ein besonders herzliches Dankeschön an den Berichterstatter.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich denke, dass wir uns nach der heutigen Diskussion darauf einigen können, dass die Milchproduktion nach wie vor ein sehr wichtiger Teil unserer Gemeinsamen Agrarpolitik ist. Ich habe den Eindruck, dass man sich heute aus der breiten Palette der geäußerten Meinungen eine aussuchen kann, reichen sie doch von einer Anhebung um 0 % bis zu mehr, als wir in unserem Vorschlag angeregt haben. Das ist meines Erachtens auch Ausdruck der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, und das ist möglicherweise der Grund dafür, um auf Herrn Parishs Bemerkungen einzugehen, weshalb wir nicht kühn genug waren. Aber letztlich müssen wir auf der Grundlage der verschiedenen Ansichten einen Kompromiss finden.
Ich möchte kurz auf einige der angesprochenen Punkte eingehen. Was die Anhebung der Quoten angeht, so steht es den Mitgliedstaaten frei, ob sie diese an die Erzeuger weiterreichen oder in die nationale Reserve einstellen. Mir wäre es eindeutig lieber, wenn sie weitergereicht würde. Die Mitgliedstaaten können jungen Landwirten und jenen, die aufgrund der Preise, die sie für die Quoten zahlen müssen, Probleme haben, Vorrang einräumen.
Meiner Ansicht nach sollten wir, wenn wir die Erhöhung am 1. April einführen wollen, für alle Mitgliedstaaten den gleichen Prozentsatz festlegen. Wenn wir jetzt anfangen, über spezielle Zahlen oder höhere Prozentsätze für verschiedene Mitgliedstaaten zu diskutieren, dann wird das in einen Kampf ausarten, der Monate andauern wird. Wir sollten uns folglich darauf einigen, dass wir jetzt von einer Anhebung um durchgängig 2 % sprechen. Meines Erachtens gehen unsere Meinungen bezüglich des anvisierten Ziels gar nicht so weit auseinander. Ich glaube, wir können unser Ziel definieren, aber es mag einige Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommission und Parlament darüber geben, wie wir an unser Ziel gelangen.
Ich denke, wir können uns alle darauf einigen, dass wir den Sektor nicht gefährden sollten. Aus eben diesem Grund habe ich diese sanfte Landung vorgeschlagen. Eine „sanfte Landung“ bedeutet, dass wir die Quoten über die Jahre erhöhen und dafür sorgen, dass wir bei Ablauf des Quotensystems im Jahre 2015 nicht von heute auf morgen mit einem drastischen Preisverfall konfrontiert werden, zu dem es käme, wenn wir nichts unternehmen würden. Deshalb meine ich, dass wir einen guten und vertretbaren Ansatz gewählt haben. Ich unterschätze nicht, dass es in Europa Regionen geben mag – Bergregionen, benachteiligte Regionen –, in denen die völlige Abschaffung des Quotensystems die Fortsetzung der Milchproduktion gefährden könnte. Deshalb sind wir bereit, im Rahmen des Gesundheitschecks Lösungen zur Unterstützung solcher Regionen zu prüfen. Ich halte Artikel 69 für das geeignetste Instrument, weil er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, die Direktzahlungen an die Landwirte zu kürzen und diese Mittel zweckgebunden einzusetzen.
Meines Erachtens ist die Einrichtung eines Milchfonds für Restrukturierungszwecke nicht die Lösung. Woher nehmen wir das Geld? Wie viel Geld wäre das? Wie verteilen wir das Geld zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten? Ich denke, bezüglich dieses Fonds gibt es so viele offene Fragen, und uns stehen nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Wir müssten es aus unserem eigenen Haushalt abzweigen, und dann müssten andere Erzeuger innerhalb des Agrarsektors für diesen Restrukturierungsfonds bezahlen. Ich glaube also nicht, dass das funktionieren würde.
Der Hauptgrund für die Erhöhung der Milchproduktion sind meines Erachtens die aufstrebenden Märkte in Asien. Warum sollten wir uns nicht einen Anteil an diesen wachsenden Märkten sichern? Wir wissen, wie schwierig es ist, wenn andere schon den Fuß in der Tür haben und wir erst dann versuchen, uns unseren Anteil zu sichern. Wir sollten von Anfang an mit unseren hochwertigen Produkten zur Stelle sein. Erfolgreich sind vor allem jene Molkereibetriebe bzw. Zweige, die mit hochwertigen Produkten aufwarten können; hier ist es vor allem Käse. In Europa wird Markenkäse von höchster Qualität hergestellt, warum also sollten wir uns damit nicht unseren Marktanteil sichern? Wie der Minister schon sagte, werden wir uns dieser Sache im Rahmen des Gesundheitschecks erneut annehmen. Ich bin sicher, dass die Aussprache dann ebenso lebhaft sein wird, denn die Milchproduktion ist nie eine langweilige Angelegenheit.
Elisabeth Jeggle, Berichterstatterin. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein breites Spektrum an Meinungen gehört. Wir konnten auch erkennen, dass jedem, der heute hier ist, dieses Thema ein ernstes Anliegen ist, mit dem man nicht leichtfertig umgeht, dass jeder sich viele Gedanken gemacht hat, und dass wir alle auch daheim natürlich in der Verantwortung stehen – vor den Verbrauchern auf der einen Seite und vor den Milcherzeugern auf der anderen Seite.
Um nochmals auf die Märkte zurückzukommen: Ob ich an den Chinamarkt glauben soll, weiß ich nicht. Man sieht vieles in dieser Europäischen Union und in diesem Markt heute. Aber wir hier haben einen Binnenmarkt. Und dieser Binnenmarkt hilft, stark zu sein, auch in der Globalisierung und in der allgemeinen Liberalisierung. Machen wir also aus dieser Milchquote auch einen europäischen Binnenmarkt! Diese Möglichkeit hätten wir. Nur aus einem starken, stabilen und organisierten Binnenmarkt heraus können die Agrarmärkte gegenüber den Herausforderungen und insbesondere den üblichen Schwankungen des Weltmarktes bestehen.
Nachhaltig wirtschaften heißt: Ökonomie, Ökologie und soziale Aspekte müssen im Gleichklang stehen. Alle drei Komponenten müssen gleichwertig im Mittelpunkt unseres Handelns stehen. Das europäische Agrarmodell steht für Nachhaltigkeit und Verbrauchersicherheit – und das gilt noch! Beides leisten die Landwirte bestens. Sie pflegen die Landschaft, sind so Grundlage des Tourismus, tragen zur Energiesicherheit bei, produzieren hochwertige Nahrungsmittel und erhalten die wirtschaftliche Basis für den ländlichen Raum mit ihren Arbeitsplätzen.
Die gesellschaftlichen Leistungen werden den Landwirten durch so genannte Ausgleichszahlungen immer weniger ausgeglichen. Umso mehr müssen Nahrungsmittel ihren gerechten Preis haben! Unsere politische Gesamtverantwortung ist mehr, als nur mit offenen Märkten den Weg der Liberalisierung zu gehen!
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Constantin Dumitriu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Dem von Frau Jeggle verfassten Bericht kommt außerordentliche Bedeutung zu, und zwar nicht nur, was die Vorschläge für eine Aufstockung der Milchquoten betrifft, sondern auch hinsichtlich der Festlegung bestimmter Grundsätze, die es in der Diskussion über die Agrarpolitik insgesamt zu beachten gilt.
Nach den Gesprächen im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung kamen wir überein, dass es den Mitgliedstaaten gestattet werden muss, die Milchquoten bereits ab 1. April 2008 anzuheben. Im EP vertrete ich Rumänien, einen neuen Mitgliedstaat, der sich schon vom ersten Jahr seines Beitritts an mit einer Krise der Milchquoten konfrontiert sah. Die Quote reichte nicht aus, um die Marktnachfrage zu befriedigen, und sie trug den aktuellen Gegebenheiten nicht Rechnung. Aufgrund von Investitionen in moderne Technologie, der Erweiterung der Produktionskapazitäten und der Einstellung neuen Personals verzeichnete der Milchsektor Rumäniens zwischen 2004, dem Jahr, in dem die Milchquote ausgehandelt wurde, und dem Beitritt gewaltige Fortschritte. Die Beibehaltung einer Milchquote auf dem jetzigen Niveau würde Konkurse von Investoren, wachsende Arbeitslosigkeit in auf die Milchproduktion und -verarbeitung spezialisierten ländlichen Gebieten, eine Steigerung der Importe und einen Anstieg der Verbraucherpreise nach sich ziehen.
Der Bericht markiert eine Wende, da die Europäische Union Flexibilität bei der Lösung eines Problems an den Tag legt, von dem mehrere Mitgliedstaaten betroffen sind. Letztendlich sind die Bürger Europas die Nutznießer dieses Berichts.
Richard Seeber (PPE-DE), schriftlich. – Der Gesundheitscheck ist ein wichtiger Prozess bei der Reformierung der Agrarpolitik, besonders der Agrarpolitik in den Bergregionen. In diesen ist die Verlängerung der Anwendung der Milchquote unverzichtbar. Hier müssen Sonderregelungen beschlossen werden, die auf die besonderen Umstände des Landwirtschaftens in den Bergen eingehen. Die Arbeit der Bergbauern wird durch schwer zugängliche Lagen und steile Transportwege erschwert, was in die Überlegungen mit einbezogen werden muss.
Für die österreichischen Bauern ist die Milchquotenregelung essentiell. EU-weite Saldierungen oder ein Handel mit den Quoten sollten in Betracht gezogen werden. Sollte es im Jahr 2015 tatsächlich zu einer Abschaffung der Mengenregelung kommen, so wären zur Aufrechterhaltung der Milcherzeugung und -verarbeitung in den Berg- und Grünlandregionen entsprechende finanzielle Ausgleichsmaßnahmen mit zusätzlichen Budgetmitteln erforderlich.
Bei der Überprüfung der Effizienz der Marktstützungsinstrumente und ihrer Umgestaltung und Anpassung an die aktuelle Lage darf die besondere Situation der Landwirtschaft in den Bergregionen auf gar keinen Fall außer Acht gelassen werden. Die Milcherzeugung und -verarbeitung ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Landwirtschaft in diesen Regionen und nimmt einen sehr hohen Stellenwert ein. Den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Konsequenzen einer Quotenanhebung bzw. -abschaffung insbesondere in den Berggebieten, muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die komplette Abschaffung der EU-Mengenregelungen ist der falsche Weg in der Gemeinsamen Agrarpolitik Europas.
17. “Gesundheitscheck“ der GAP (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Lutz Goepel im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den „Gesundheitscheck“ der GAP (2007/2195(INI)) (A6-0047/2008).
Lutz Goepel, Berichterstatter. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident, meine sehr verehrten Kollegen! Die erste Runde der parlamentarischen Beratungen zum so genannten Health Check der Gemeinsamen Agrarpolitik wird morgen abgeschlossen. Dieser Health Check ist keine grundlegende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Er soll die bestehende Politik auf der Basis der seit 2003 gewonnenen Erfahrung dort, wo es sinnvoll ist, weiter modernisieren und an geänderte Umstände anpassen.
Die Kommission sollte unsere Stellungnahme mit hoher Ernsthaftigkeit zur Kenntnis nehmen. Sie ist eine gute Basis für die anstehenden Verhandlungen über das Gesetzgebungspaket, aber auch für die Haushaltsbewertung nach 2013.
Wir haben im Ausschuss die Fortsetzung der Reform in Richtung mehr Eigenverantwortlichkeit und Marktorientierung unterstützt, gleichzeitig aber die Aspekte der Nahrungsmittelsicherheit und der sozialen und umweltpolitischen Verantwortung — gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Marktentwicklung und die neuen Herausforderungen der Klimapolitik — stärker betont, als wir dies in der Vergangenheit getan haben. Außerdem wollen wir mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten beim Systemwechsel, d. h. mehr Möglichkeiten zur Einführung weiterer Entkopplung und das Sich-Lösen von historischen Referenzwerten.
Die Debatten in unserem Ausschuss haben allerdings auch gezeigt, dass dies nicht in allen Bereichen frühestens vor 2013 sinnvoll ist. Bei den Tierprämien bzw. bei Staaten mit voller Entkopplung, die aber einen starken Viehsektor haben, würde angesichts der aktuellen Marktlage ein plötzlicher Systemwechsel unabänderliche negative Strukturbrüche nach sich ziehen. Ähnlich sieht es bei einigen kleineren Marktordnungen im Pflanzenbereich aus, wie beispielsweise den Marktordnungen für Kartoffelstärke, Trockengrüngut oder Reis, von denen eine regional bedeutsame Verarbeitungsindustrie abhängt, die in den letzten Jahren viel investiert hat und dies mit einem hohen Kapitaldienst bedienen muss.
Wir haben im Ausschuss für die Einführung eines neuen flexiblen Instruments zur Förderung einer bestimmten umwelt- und regionaltypischen Produktion oder bestimmter Sektoren gestimmt, bekannt auch als Artikel 69, aber auch gleichzeitig gefordert, dass zügig neue Maßnahmen zur Grundabsicherung gegen Umweltkrisen und solche Krisen, die angesichts des Klimawandels und zunehmender Vernetzung der Agrarmärkte vermehrt zu erwarten sind, formuliert werden. Durch dieses Instrument soll auch eine neue Form des privat-öffentlichen Risikomanagements erprobt werden, das angesichts der Rückführung anderer Instrumente und der neuen Unwägbarkeiten dringend erforderlich ist.
Noch kurz einige Worte zur Degression und Modulation: Unsere Landwirte erwarten Planungssicherheit, und es passt einfach nicht, nur vier Jahre nach der Umsetzung der letzten Reform mit einer obligatorischen 5 %igen Modulation erneut zwischen 8 und 53 % der direkten Einkommensbeihilfen zu kürzen und umzuschichten.
Bei allem Verständnis für die Finanzierung der Entwicklung des ländlichen Raumes, hier wird Vertrauen zerstört und werden auch Strukturbrüche provoziert. Und diese Vorschläge treffen insbesondere die Vollerwerbsbetriebe und diejenigen, die durch Zusammenschlüsse zu juristischen Personenbetrieben ihre Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren verbessert haben. Aber wir haben Vorschläge gemacht, wie die allgemeinpolitischen Ziele und die ökonomischen Erfordernisse miteinander in Einklang gebracht werden können.
Wir müssen im Interesse der Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit neue Wege beschreiten. Wir sind vor allen Dingen all denen dankbar, die bei diesem Initiativbericht mitgewirkt haben, und ich danke insbesondere meinen Mitarbeitern und fraktionsübergreifend allen Kollegen aus dem Agrarausschuss.
Iztok Jarc, amtierender Ratspräsident. − (SL) Der Ratsvorsitz begrüßt den Bericht von Herrn Goepel als einen sehr wohl überlegten und eindrucksvollen Beitrag zur Debatte. Auch der Rat hat viel Mühe aufgewendet, um eine Erwiderung auf den Bericht der Kommission zu erarbeiten. Wie Sie wissen, haben die Minister dazu auf drei Ratstagungen, und zwar im November, im Januar und in Februar, entsprechende Diskussionen geführt.
Nächste Woche werden wir als Minister versuchen, zu Schlussfolgerungen hinsichtlich des Berichts über den Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik zu gelangen. Den Ausgangspunkt werden einige allgemeine Grundsätze bilden. Als beispielsweise 2003 die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik beschlossen wurde, hat der Rat eindeutig seine Absicht bekundet, die Wirksamkeit der beschlossenen Reformen zu evaluieren und insbesondere ihre Wirkung auf die Zielsetzungen zu beurteilen. Außerdem wollte er ihre Wirkung auf die Agrarmärkte analysieren.
Wichtig zu wissen ist auch, dass wir bei unseren Beschlüssen zum GAP-Gesundheitscheck die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 und die an die Kommission gerichtete Aufforderung des Europäischen Rates, eine umfassende Überprüfung des EU-Haushalts und der Ausgaben für 2008-2009 durchzuführen, in Betracht ziehen werden. Der Ratsvorsitz teilt die Ansicht der Kommission, dass der Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik ein wichtiger Teil der geplanten Maßnahmen im Rahmen der Haushaltsüberprüfung für 2008-2009 ist und die Schlussfolgerungen nicht vorwegnimmt.
Wir haben festgestellt, dass die Reformen von 2003-2004 die Ziele in Bezug auf die Reaktion auf Marktbedingungen und mehr Bürgernähe der Gemeinsamen Agrarpolitik im Wesentlichen erreicht haben. Die Minister sind zudem überzeugt davon, dass die Kommission in ihrem Bericht die wichtigsten Entwicklungen im Anschluss an die 2003-2004 beschlossenen Reformen richtig eingeschätzt hat.
Der Rat wird drei Schlüsselfragen besondere Aufmerksamkeit widmen: der Regelung der einheitlichen Betriebsprämie, der Rolle der Vermarktungsinstrumente und natürlich Maßnahmen zur Bewältigung der jetzigen und künftigen Herausforderungen in Bezug auf das Risikomanagement im Bereich Klimawandel. Wir werden uns bemühen, das richtige Maß zu finden zwischen der Anpassung der Politik an die neuen Herausforderungen und veränderten Bedingungen und der Erhaltung eines klaren und stabilen Rahmens.
In punkto Vereinfachung möchte ich feststellen, dass die Europäische Union dieser Frage vorrangige Bedeutung beimisst, und wir erwarten außerdem von der Kommission, dass sie konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels formuliert.
Wie ich bereits sagte, wird sich der Rat nächste Woche bemühen, zu diesen und vielen anderen Fragen wie Risikomanagement, Milchquoten, Übergang zur Abschaffung der Milchquoten und der Frage der zweiten Säule Schlussfolgerungen anzunehmen. Ihr Bericht stellt zweifellos einen wertvollen Beitrag zu einer künftigen Debatte in dieser Angelegenheit dar.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und insbesondere Herrn Goepel nochmals für die intensive Arbeit danken, die einen ausgezeichneten Bericht zum Ergebnis hat.
Wir befinden uns in der ersten Runde und haben inzwischen zahlreiche beteiligte Akteure sowie verschiedene Organisationen und Einzelpersonen konsultiert, um deren Meinung einzuholen und Ideen zu sammeln. Die Ansichten des Europäischen Parlaments sind ebenso wie die für nächste Woche erwarteten Schlussfolgerungen des Rates von entscheidender Bedeutung für die Fertigstellung der von der Kommission am 20. Mai anzunehmenden Legislativvorschläge. Unmittelbar danach werde ich dem Europäischen Parlament noch am gleichen Tag hier in Straßburg die Rechtstexte vorlegen. Aber grundsätzlich freue ich mich, dass alle drei Institutionen – das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission – an einem Strang ziehen, auch wenn wir unsere Schwerpunkte möglicherweise unterschiedlich setzen.
Ich werde nicht im Einzelnen auf die verschiedenen Punkte eingehen, sondern Ihnen meine Ansichten zu den drei wichtigsten darlegen. Der Erste betrifft die Direktzahlungen; sie stehen in enger Beziehung zu der langfristigen Sicherheit, die wir für unsere Landwirte gewährleisten wollen. Deshalb teile ich die in Ihrem Bericht getroffene Feststellung, dass Direktzahlungen auch künftig als Einkommensgrundsicherung erforderlich sind. Die Regelung der einheitlichen Betriebsprämie kurbelt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirte wirksam an, aber wir müssen das System effektiver, effizienter und einfacher gestalten. Deshalb befürworte ich eine weitere Entkoppelung. Unsere Erfahrungen mit der Reform von 2003 zeigen, dass die Entkoppelung recht gut funktioniert, und deshalb sollten wir meines Erachtens die Vorzüge der Entkoppelung weiter ausbauen, außer in Fällen, in denen es sehr gute Gründe für gekoppelte Zahlungen gibt.
Ich habe auch festgestellt, dass Sie den Gedanken eines flexibleren Artikels 69 als wertvolles Instrument unterstützen. Wir sollten in Artikel 69 aber nicht eine Art Allheilmittel sehen, und ich werde alle Versuche, die gekoppelte Unterstützung mittels Artikel 69 durch die Hintertür wieder einzuführen, bekämpfen.
Ich werde nicht noch einmal im Detail auf den Milchsektor eingehen, denn diese Diskussion hatten wir bereits. Ich werde allerdings einige der Marktinstrumente erwähnen, und zwar die Intervention und die private Lagerhaltung. So wie Ihnen ist auch mir klar, dass einige unserer Marktinstrumente nach wie vor ihre Daseinsberechtigung haben, aber sie dürfen nicht den Bezug zur Europäischen Union in ihrer jetzigen Form verlieren. Ich freue mich, dass wir uns darin einig sind, dass sie künftig die Funktion echter Sicherheitsnetze haben sollten.
Risiken aufgrund schlechter Witterungsbedingungen und dem Ausbruch von Tierseuchen spielen, wie Sie unterstreichen, natürlich eine wichtige Rolle in unserer Diskussion. Wir fangen allerdings nicht bei Null an: Der Rat hat sich 2005 mit dieser Frage beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass neue Maßnahmen auf EU-Ebene die auf der Ebene der Mitgliedstaaten bereits existierenden Regelungen nicht behindern dürfen. Wir müssen dafür sorgen, dass neue Maßnahmen die Landwirte nicht daran hindern, auf Marktsignale zu reagieren. Außerdem müssen sie mit dem WTO-System kompatibel sein, wobei die Einbußen über 30 % betragen müssen.
Hinsichtlich der Modulation habe ich bei etlichen Gelegenheiten deutlich gemacht, dass wir für die Zukunft eine sehr ehrgeizige ländliche Entwicklungspolitik brauchen. Ich war sehr enttäuscht darüber, dass die Staats- und Regierungschefs im Verlaufe der Diskussionen über die finanzielle Vorausschau Ende 2005 übereinkamen, die Mittel für die ländliche Entwicklung drastisch zu kürzen.
Ich stelle in Ihrem Bericht eine kühle Zurückhaltung bezüglich meiner Vorstellungen in diesem Bereich fest. Ich denke aber, dass wir die Tatsache, dass unsere ländliche Entwicklungspolitik in finanzieller Hinsicht überlastet ist, begründen können. Wenn wir hohe Erwartungen an unsere ländliche Entwicklungspolitik stellen, indem wir sie beispielsweise, wie der amtierende Ratspräsident sagte, nutzen müssen, um neuen Herausforderungen – z. B. im Bereich der Wasserwirtschaft und der biologischen Vielfalt – zu begegnen, dann können wir ihr nicht ständig neue Aufgaben übertragen, ohne mehr Geld bereitzustellen. Meines Erachtens stellt die Modulation die beste Möglichkeit dar, um mehr Mittel bereitzustellen.
Ich habe Ihre Vorschläge mit Interesse gelesen, und ich bin sicher, dass wir zu dieser Problematik zurückkehren werden.
Ist Ihr Bericht in Bezug auf die Modulation noch kühl, so würde ich ihn im Hinblick auf die Reduzierung der Zahlungen an große landwirtschaftliche Betriebe, die Sie als Degression bezeichnen, als ausgesprochen frostig beschreiben. Das ist kein Problem, das einfach ignoriert werden kann. Wir wissen, dass sich im Zuge unserer Transparenzinitiative alle Augen auf die großen Summen richten werden, die einzelne Landwirte und einzelne Großgrundbesitzer erhalten. Andererseits nehme ich jedermanns Bedenken in dieser Frage sehr ernst. Ich habe mich zudem mit Interesse mit dem Gedanken der „progressiven Modulation“ in Ihrem Bericht beschäftigt. Meines Erachtens sind darin einige gute Ideen enthalten, die wir bei den Legislativvorschlägen in Betracht ziehen würden.
Wenn ich etwas zu lange gesprochen habe, dann nur, um mein Engagement in der Sache deutlich zu machen und zu zeigen, wie sehr ich die Möglichkeit schätze, hier im Parlament über die Zukunft der europäischen Agrarpolitik zu diskutieren.
Bart Staes, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. − (NL) Ich spreche im Namen von Frau Buitenweg, der Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, die wegen Krankheit entschuldigt ist. Von den 17 Empfehlungen, die der Umweltausschuss formulierte, möchte ich vier herausstellen.
1. Der Ausschuss für Umweltfragen begrüßt es, dass die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung beabsichtigt, auf die Herausforderung des Klimawandels zu reagieren und weniger intensive landwirtschaftliche Produktionsverfahren zu fördern.
2. Der Ausschuss für Umweltfragen betont die Notwendigkeit einer Entwicklung hin zu einer nachhaltigen und multifunktionellen Landwirtschaft, in deren Rahmen eine Lanze für auf Erhaltung gerichtete Landwirtschaft und ökologische Landwirtschaft gebrochen wird.
3. Die Europäische Kommission wird aufgefordert, die bestehenden Cross-Compliance-Bestimmungen – also die Bestimmungen über die Umwelt und den Tierschutz und ihre Vereinbarkeit – nicht durch die so genannte Vereinfachung abzuschwächen. Ganz im Gegenteil, unserer Ansicht nach sollte Cross-Compliance sogar auf bestimmten Gebieten wie Wasserverbrauch, Wasserbewirtschaftung und Wasserqualität verstärkt werden.
4. Der Ausschuss mahnt die Kommission, bei dem Konzept der so genannten Biokraftstoffe ein wenig zurückhaltender zu sein. Ihr Nutzen ist fragwürdig und zweifellos nicht eindeutig positiv, weder unter ökologischen noch unter sozialen Gesichtspunkten.
Neil Parish, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich danke Herrn Goepel für seinen Bericht. Meines Erachtens ist es ihm gelungen, die Standpunkte des gesamten Ausschusses und des Parlaments in einem ausgezeichneten Bericht zu bündeln. Ich würde vorschlagen, die Agrarreform als Evolution und nicht als Revolution zu bezeichnen, und mit den Fischler-Reformen haben wir schon so manches erreicht. Ich begrüße vieles von dem, was die Kommission vorgeschlagen hat und im Bericht von Herrn Goepel enthalten ist.
Einer der Schlüssel zur Reform war aus meiner Sicht der Bürokratieabbau für Landwirte, und da gibt es noch einiges zu tun. Richtig, Frau Kommissarin, wir ziehen alle an einem Strang, aber mir scheint, dass manche von uns glauben, wir sollten unser Geld für andere Dinge ausgeben, und genau das ist vermutlich der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Diskussion.
Die Ernährungssicherheit steht wieder ganz oben auf der Tagesordnung, besonders seit der Ferne Osten immer mehr Nahrungsmittel kauft. Die Getreidepreise sind inzwischen auf das Zwei- bis Zweieinhalbfache gestiegen; wir müssen meiner Meinung nach also im Zuge der Reform immer wieder neu darüber nachdenken, wie wir unser Geld ausgeben.
Wir sollten uns noch einmal mit dem Thema Modulation befassen. Nach meiner Auffassung sollten wir die Flächenstilllegung ein für allemal abschaffen, denn diese gemeinsame Agrarpolitik darf keine produktionsbezogene Politik sein. Und Sie dürfen keinesfalls die Flächenstilllegung beibehalten, die genau das bedeutet.
Wir müssen uns die Milchquoten ansehen und sie bis zum Jahr 2015 abschaffen.
Entkoppelte Zahlungen sind der springende Punkt der Reform, und Sie drücken in dieser Frage zu Recht auf Tempo. Ich möchte nochmals betonen, dass jetzt nach meinem Dafürhalten der geeignete Zeitpunkt ist, um in der Landwirtschaft marktorientierte Preise ins Auge zu fassen. Sicher, wir brauchen die gemeinsame Agrarpolitik, aber da ist auch noch der Markt, und den sollten wir uns weit stärker zunutze machen.
VORSITZ: MAREK SIWIEC Vizepräsident
Luis Manuel Capoulas Santos, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident! Auch ich möchte den Präsidenten des Rates und die Frau Kommissarin herzlich willkommen heißen. Die Gemeinsame Agrarpolitik gibt stets Anlass zu hitzigen Debatten, und es ist immer schwierig, einen Konsens zu erzielen. Ich kann jedoch feststellen, dass wir uns alle einig sind, dass die Gemeinsame Agrarpolitik beibehalten werden muss, deren Ziele gerade erst im Vertrag von Lissabon bestätigt worden sind.
Die PSE-Fraktion hat in dieser Debatte großes Engagement gezeigt, sowohl in der Fraktion selbst als auch im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie in den Verbänden der Landwirte, und wir haben mehr als die Hälfte der über 600 Änderungsanträge zu dem Bericht von Herrn Goepel eingebracht und 15 der 17 Kompromisse zu Dutzenden von Änderungsanträgen unterzeichnet. Wir haben hart gearbeitet und bedeutende Zugeständnisse gemacht, um einen möglichst breiten Konsens im Parlament zu erzielen, und ich möchte daher Herrn Goepel zu seiner Dialogbereitschaft und seinem ausgesprochenen Kompromissgeist beglückwünschen; ferner möchte ich Herrn Parish dafür danken, wie er unsere Arbeit im Ausschuss gelenkt hat.
Dies ist somit zwar der beste Kompromiss, aber dennoch kein Bericht der Sozialdemokraten. Ein von uns erarbeiteter Text hätte anders ausgesehen. Den vorliegenden Bericht halten wir angesichts dessen, was die Gesellschaft und die Landwirte eigentlich erwarten, für ziemlich rückschrittlich und konservativ. Grundsätzlich lässt er aber den Willen erkennen, sich einer weiterführenden Debatte über den Legislativvorschlag nicht zu versperren. Ich hoffe, dass wir uns unseren Kompromissgeist bewahren können, bei der Festlegung einer neuen Marschrichtung für die europäische Landwirtschaft aber dennoch mehr Ehrgeiz an den Tag legen.
Ich beziehe mich dabei auf die heikelsten Fragen wie die Richtung und das Tempo der Entkopplung der Zahlungen, einen Mechanismus zur gerechteren Verteilung der Beihilfen, den verantwortungsbewussten Umgang mit der Zukunft des Milchsektors, die neuen Herausforderungen, insbesondere die Rolle der Landwirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel, die Produktion von Biokraftstoffen usw. Wir werden morgen darüber abstimmen, und unser Blick ist dabei in die Zukunft gerichtet. Ich ersuche Sie, mit großer Mehrheit für diesen Bericht zu stimmen, und auch für die Verbesserungen, die die Sozialdemokraten einbringen werden, damit er noch verständlicher wird.
Niels Busk, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Der Berichterstatter, Herr Goepel, hat in der für ihn typischen kompetenten Art und Weise einen Bericht vorbereitet, der die zur Klärung und Vereinfachung der Agrarpolitik erforderlichen Instrumente enthält. Die Argumente für die Beibehaltung einer Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 sind ebenfalls überzeugend – und dafür danke ich dem Berichterstatter. Wir unterstützen seine Positionen zu einer weiteren Entkopplung, sodass die Reform von 2003 in allen Mitgliedstaaten implementiert wird. Ferner befürworten wir die Standpunkte des Berichterstatters zu Marktinstrumenten und Risikomanagement im Hinblick auf Krisen, Epidemien, Tierschutz und Umwelt, Modulation und Degressivität. Wir unterstützen zudem die weitere Entwicklung der ländlichen Politik und die stärkere Konzentration auf Biokraftstoffe. Hinsichtlich der Auflagenbindung („Cross-Compliance“) und Vereinfachung sollten erhebliche Anstrengungen unternommen werden, da die aktuelle Situation die Bauern von ihren Feldern und aus ihren Ställen in ihre Büros holt, um Diagramme zu erstellen und Kontrollauflagen Genüge zu tun. Die Milchquoten sollen 2015 abgeschafft werden, somit gibt es allen Grund, die Milchquoten jetzt um mindestens 2 % zu erhöhen und den Übergang 2009 abzufedern. Die wachsende Nachfrage nach Milchprodukten wird die Basis für die europäische Milchproduktion schaffen, sodass wir liefern werden, was der Markt verlangt.
Der Bericht enthält zahlreiche Ausführungen zu Liberalisierung und Marktwirtschaft, die die Kommission als Grundlage für ihre Vorschläge im Mai nutzen sollte, wenn dann der GAP-Gesundheitscheck auf dem Tisch liegt.
Sergio Berlato, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir gehören zu denjenigen, die an die Fortführung der GAP auch über das Jahr 2012 hinaus glauben und sie verteidigen.
Unseres Erachtens geht dieser Bericht in die richtige Richtung, doch können wir nicht hinnehmen, dass die vollständige Entkopplung der Beihilfen nicht die Möglichkeit vorsieht, für einige spezifische Bereiche eine teilweise entkoppelte Beihilfe beizubehalten, um die Totalaufgabe der Produktion zu verhindern. Es gibt nämlich ganze Branchen, wie etwa den Tabakanbau, die im Zuge der Anwendung der vollständigen Entkopplung verschwinden würden, wodurch Arbeitslosigkeit sowie verschiedene wirtschaftliche und Umweltprobleme in besonders benachteiligten Gebieten entstehen würden.
Wir betrachten die progressive Modulation der Beihilfen als eine Maßnahme, die über das Ziel hinausschießt und vermutlich kontraproduktiv ist, wenn es unser Ziel bleibt, die europäische Agrarproduktion zu schützen. Wir erkennen die Bedeutung der ländlichen Entwicklung an, sind jedoch der Auffassung, dass sie nicht auf Kosten der ersten Säule der GAP erfolgen darf.
Darüber hinaus müssen die Unterstützungsmaßnahmen für einzelne GMO erforderlichenfalls fortgeführt werden. Herr Präsident, Frau Kommissarin, die Europäische Union braucht eine Gemeinsame Agrarpolitik, der es gelingt, …
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Sie haben in einem Strategiepapier versucht, einen Gesundheitscheck für die Agrarpolitik vorzunehmen, nicht so sehr für die Landwirtschaft – der geht es ja im Moment relativ gut, wenn auch nicht in allen Bereichen. Die Fragestellung lautete: Ist die Agrarpolitik auf der Höhe der Zeit? Da muss ich sagen: Fiebermessen alleine reicht nicht, sondern man muss auch eine Therapie entwickeln, wenn Mängel festgestellt werden. Und Sie haben Mängel festgestellt, Sie haben es in Ihrer Rede selbst gesagt. Ich will jetzt nicht im Einzelnen darauf eingehen, das kostet zu viel Zeit.
Also kommt es nun darauf an, Maßnahmen zu ergreifen, die auch gesellschaftlich akzeptiert werden. Das Wesentliche ist, dass die Landwirtschaft natürlich zu der Klimastabilisierung beizutragen hat. Das tut sie auch, aber es gibt Teile der landwirtschaftlichen Produktion, wo es schwierig wird, Vorschläge zu machen, ohne restriktiv einzugreifen.
Ganz besonders wichtig ist aber, dass wir die Verteilung der öffentlichen Mittel so gewährleisten, dass die Maßnahmen, die wir für notwendig halten, finanziert werden können. Es ist ein Manko, dass die so genannte zweite Säule, die ländliche Entwicklung, in der mittelfristigen Finanzplanung eine Kürzung erfahren hat und nach dem Vorschlag der Kommission und auch des Parlaments Abstriche von über 20 Milliarden Euro hat hinnehmen müssen.
Folglich ist es dringend erforderlich, dass wir zu einer Umwidmung von Geldern kommen. Das ist auch deswegen notwendig, weil wir auch 2013 die gesellschaftliche Akzeptanz brauchen.
Nun haben Sie einige Vorschläge gemacht, und hier muss man dem Agrarausschuss, vor allen Dingen dem Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Herrn Goepel, zugute halten, dass er den Vorschlägen, die Sie gemacht haben, einen Praxisbezug verliehen hat, der dann auch in der Konkurrenz der Betriebe untereinander zu Gleichbehandlung führt.
Sie haben den Vorschlag gemacht, eine Degression bis 45 % einzuführen. Auf Vorschlag des Berichterstatters hat der Agrarausschuss das übernommen, aber mit dem Zusatz, dass die Betriebe, die viele Arbeitskräfte beschäftigen, nun auch eine Möglichkeit haben, ihre Lohnkosten in Ansatz zu bringen. Wir waren zusammen in Mecklenburg-Vorpommern, wir haben diese Betriebe gesehen, und Sie wissen, dass nur dadurch eine Wettbewerbsverzerrung vermieden oder Gerechtigkeit hergestellt werden kann, dass wir diese Maßnahme einführen.
Ich hoffe, dass Sie nun auch in Ihrem Legislativvorschlag bei dieser Regel bleiben. Wenn das nicht der Fall wäre, hätten wir als Parlament ja immer noch die Möglichkeit, uns 2009 zu retten. Dann, Frau Kommissarin, sind wir nämlich in der Mitentscheidung, und dann haben wir eine ganz andere und für uns sehr komfortable Position!
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Herr Präsident! Dies ist ein wichtiger Moment für die Bewertung der Konsequenzen von mehreren Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Folge sowohl für die landwirtschaftliche Produktion als auch für die Versorgung der Verbraucher anhand solcher Kriterien wie Nahrungsmittelsouveränität der Mitgliedstaaten, Sicherstellung der Versorgung mit gesunden und unbedenklichen Lebensmitteln in ausreichender Menge und zu niedrigen Preisen, Schutz der Umwelt und der Artenvielfalt, Erhaltung des ländlichen Raums und Halten der Bewohner, die angemessene Einkommen und Zugang zu öffentlichen Diensten brauchen, die ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen garantieren.
Bedauerlicherweise hat die Europäische Kommission diesen Weg nicht eingeschlagen. Sie weigert sich zuzugeben, dass die Gemeinsame Agrarpolitik eine paradoxe Situation herbeigeführt hat. Einerseits steigen die Lebensmittelpreise stetig weiter, andererseits werden nach wie vor landwirtschaftliche Familienbetriebe zerstört und stellen immer mehr kleine und mittlere Landwirte die Produktion ein, weil ihnen keine existenzsichernden Einkommen garantiert werden, während Spekulationen die Preise für die zunehmend knapper werdenden Nahrungsmittel nach oben treiben.
Es ist daher falsch, an der Entkopplung der Beihilfen von der Produktion und der Beschäftigung festzuhalten, und nicht hinnehmbar, dass die Politik der Unterstützung von Großgrundbesitzern und multinationalen Lebensmittelunternehmen fortgesetzt wird, während die Landwirte, die weiterhin Pflanzen- und Tierproduktion betreiben und dabei auf den Schutz der Artenvielfalt, Nahrungsmittelsicherheit und Qualität der Erzeugnisse achten, gering geschätzt werden.
Durch die Reform von 2003 hat sich die Lage noch zugespitzt. Die aufeinander folgenden Reformen der Gemeinsamen Marktorganisationen für Zucker, Obst und Gemüse, Tabak und Wein haben die Ungerechtigkeiten der GAP in allen Bereichen nicht beseitigt. Deshalb fordern wir grundsätzliche Änderungen, die den Besonderheiten der Landwirtschaft jedes Landes Rechnung tragen und auf die größtmögliche Kopplung der Beihilfen an die Produktion gerichtet sind, und eine gerechtere Verteilung von Direktzahlungen verbunden mit einer Obergrenze und Modulation. Es müssen Anreize für kleine und mittlere Betriebe als Instrumente des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und mit Blick auf die Eindämmung der Intensivwirtschaft und die Unterstützung der Verbände dieser Landwirte, einschließlich der Agrar- und Winzergenossenschaften, gesetzt werden.
Wir sind auch für die Einrichtung einer von der Gemeinschaft finanzierten öffentlichen Landwirtschaftsversicherung, die Landwirten im Falle von Naturkatastrophen wie Dürre, Stürme, Hagel, Brände, Tierseuchen usw. ein Mindesteinkommen garantiert. Zudem verweisen wir mit Nachdruck darauf, dass die Europäische Kommission bei den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation den Besonderheiten der Agrarproduktion als Sektor der Nahrungsmittelproduktion und strukturierendes Element für das territoriale Gleichgewicht, den Umweltschutz und die Sicherung angemessener quantitativer und qualitativer Niveaus der Lebensmittelsicherheit Rechnung tragen muss.
Schließlich fordern wir die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass Lebensmittelunternehmen Spekulation betreiben, eine marktbeherrschende Stellung auf dem Lebensmittelmarkt aufbauen oder Kartelle bilden, indem sie das bestehende Rechtsvakuum und die fehlenden Kontrollen, die mangelhafte Organisation bei Erzeugern und Verbrauchern und das Fehlen geeigneter Infrastrukturen ausnutzen, um ihre Gewinne zu steigern, die Preise für die Erzeuger zu drücken und für die Verbraucher in die Höhe zu treiben, wie es gegenwärtig vor allem in Portugal bei Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Kartoffeln und Milch geschieht.
Witold Tomczak, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Entgegen ihren Prinzipien fördert die Gemeinsame Agrarpolitik nun seit Jahren reiche Landwirte stärker, und das geht zu Lasten der armen Bauern. Das Einfrieren des Landwirtschaftsetats im Jahr 2002 und die anschließenden Reformen der GAP haben da keine Besserung gebracht. Im Gegenteil – die riesigen Unterschiede bei den Finanzmitteln, die für Landwirte bereitgestellt werden, sind sogar noch größer geworden. Beispielsweise variierten 2005 die Gesamtbeihilfen pro Hektar zwischen 68 Euro in Lettland und 756 Euro in Belgien, sie lagen also um mehr als das Zehnfache auseinander. Ungerechtfertigte Unterschiede in der Agrarfinanzierung zeigen sich auch im Anteil der Direktzahlungen, die inzwischen etwa 70 % aller Agrarsubventionen ausmachen.
In ihrer Mitteilung schlug die Europäische Kommission vor, die Zahlungen an Begünstigte, die jährlich über 100 000 Euro erhalten, teilweise abzusenken. Diese Gruppe macht gerade einmal 0,34 % aller Landwirtschaftsbetriebe in der EU aus, umfasst jedoch Megaunternehmen, Lebensmittelkonzerne sowie Golfplatzbesitzer. Paradoxerweise wurde dieser zaghafte Vorschlag, der in die Interessen einer so kleinen Gruppe eingreift, vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung abgelehnt.
Viele Anträge wurden angenommen, die Fehler in der Agrarpolitik konnten sie jedoch nicht beheben. Der einzige Änderungsantrag, der Chancen auf eine gerechtere Verteilung der Beihilfen bietet, ist der Änderungsantrag 19 der Fraktion Union für das Europa der Nationen, der dem Vorschlag der Europäischen Kommission folgt. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass er viele Anhänger finden wird. Die Änderungsanträge, die ich und mein Kollege Janusz Wojciechowski eingebracht hatten und die auf eine radikale Änderung der GAP abstellen, wurden vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ebenfalls abgelehnt.
Die Abstimmung über den Bericht von Herrn Goepel wird ein Ausdruck Ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Agrarpolitik in den kommenden Jahren sein. Wenn Sie für eine nachhaltige Entwicklung der EU-Landwirtschaft und den Schutz der Interessen von Familienbetrieben sind und nicht die Interessen einer sehr kleinen Gruppe von Unternehmern schützen wollen, dann sollten Sie diesen Bericht ablehnen. Andernfalls leisten Sie der weiteren Entvölkerung ländlicher Gebiete, einer hohen Arbeitslosigkeit, dem Verlust der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in der EU, der Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten sowie Prozessen Vorschub, die eine Bedrohung der Umwelt darstellen. Die Annahme des Berichts würde bedeuten, dass Sie gegen die wichtigsten Ziele der Europäischen Union verstoßen, die so oft vergessen werden, nämlich wirtschaftlicher Zusammenhalt, sozialer Zusammenhalt und Solidarität unter den Mitgliedstaaten.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Peter Baco (NI). – (SK) Ich schätze die Arbeit, die der Berichterstatter, Herr Goepel, geleistet hat, sehr. Die Ausarbeitung des Berichts gestaltete sich besonders schwierig, was teilweise daran lag, dass es den Hintergrunddokumenten zur Analyse möglicher Lösungen an einschlägigen Fallstudien und wesentlichen Daten fehlte.
Die Kommission schlägt vor, die Direktzahlungen für große landwirtschaftliche Betriebe zu verringern und führt als Begründung an, dass diese Unternehmen einer solchen Unterstützung nicht bedürfen. Es gibt jedoch Zahlen, die dieser Theorie widersprechen. In der Slowakischen Republik, meinem Heimatland, fallen die meisten landwirtschaftlichen Betriebe in die Kategorie Großunternehmen. Mehr als 75 % ihrer Maschinen sind über 20 Jahre alt, weshalb diese Unternehmen dringend finanzielle Unterstützung benötigen. Das Beispiel Ostdeutschland zeigt, dass Betriebe dieser Art dort, wo sie angemessene Investitionen erhielten, zu den am besten bewirtschafteten Betrieben der Welt aufschließen konnten. In den ehemals sozialistischen Ländern waren solche Unternehmen jedoch verwaltungstechnisch benachteiligt, was zur massiven Zerstörung nicht nur landwirtschaftlicher Sektoren, sondern auch ländlicher Gebiete und ganzer Regionen führte.
Die Kommission hat es unterdessen versäumt, angemessen auf eine in äußerst gefährlicher Weise zunehmende Schwankungsanfälligkeit des weltweiten Marktes für Lebensmittel aus landwirtschaftlicher Erzeugung zu reagieren. Wir müssen uns bewusst machen, dass eine Wiederholung des letzten Jahres sich wirklich nachteilig auf die Ernährungssicherheit in der EU auswirken könnte. Die Verringerung der natürlichen Instabilität des Agrarmarktes ist gewiss die wichtigste Aufgabe jeder Agrarpolitik und sollte sich folglich auch in diesem Bericht widerspiegeln.
Ich bin daher mit der gegenwärtigen Situation nicht zufrieden, die dadurch geprägt wird, dass in chaotischer Weise jedes Jahr neue Maßnahmen getroffen werden, zu denen beispielsweise die Änderung der Energiepflanzenprämie, die Abschaffung der Stilllegung und die Änderung der Produktionsquoten gehören.
Apropos Überprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik…
Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Auch mein Dank gilt dem Berichterstatter für die herausragende Arbeit. Es zeigt sich auch, dass die Zustimmung im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung 82 % betrug, auch zu den 17 großen Kompromissen, die er geschafft hat.
Die Reformen in den Jahren 2003/2004 waren wichtige Etappen im Prozess der Reformierung der GAP. Eine gründliche Überprüfung der GAP, die jedoch keine grundlegende Reform der bestehenden Politik impliziert, ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Sicherung einer modernen, multifunktionalen und wettbewerbsfähigen Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik.
Es ist wissenschaftlich dokumentiert, dass eine gute landwirtschaftliche Praxis die Basis ist, unabhängig davon, ob es sich um Groß- oder Kleinbetriebe handelt. Erste Priorität hat nach wie vor die Nahrungsmittelproduktion, zweite Priorität die Futtermittelproduktion und dritte Priorität die Bereitstellung von Energie. Zur Umweltrelevanz von Bioenergie ist zu sagen, dass z. B. die österreichische Landwirtschaft seit 1990 den CO2-Ausstoß um 14 % reduziert hat und damit eigentlich das Kyoto-Ziel erreicht.
Ich begrüße auch den Wegfall der Degression. Das Modell der progressiven Modulation ist der richtige Weg, und ich unterstütze auch hier die Zahlen.
Ich danke der Kommissarin für ihre Aussagen zur Milch. Hierzu möchte ich doch sagen, dass wir nicht nur ein soft landing und einen behutsamen Übergang bis 2015 brauchen, sondern auch nachhaltige Lösungen nach 2015. Für Berggebiete und benachteiligte Gebiete sowie periphere Gebiete muss sichergestellt werden, dass auch nach 2015 eine Landwirtschaft mit Raufutter verzehrenden Großvieheinheiten bestehen kann. Mit Spannung erwarte ich daher, Frau Kommissarin, den Legislativvorschlag der Kommission am 20. Mai, und ich hoffe, dass wir darin vieles wiederfinden, das der Bericht Goepel jetzt bringt, damit wir nicht wieder diese lange Diskussion ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Bernadette Bourzai (PSE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Ich danke Herrn Goepel für seine Arbeit, denn es ist äußerst wichtig, dass das Europäische Parlament seine Ansicht zu den sich aus dem GAP-Gesundheitscheck ergebenden wesentlichen Orientierungen äußert.
Ich meinerseits habe große Vorbehalte gegen die völlige Entkoppelung, die große Risiken der Produktionseinstellung bei der Viehzucht und auch bei einigen Kulturen mit sich bringt. Ich teile auch nicht den Optimismus bestimmter Leute, die meinen, dass die gegenwärtige Lage auf den Weltmärkten der europäischen Landwirtschaft eine ungetrübte nachhaltige Zukunft beschert und dass der Weg der völligen Liberalisierung fortgesetzt werden müsse. Zudem profitieren auch nicht alle Landwirtschaftssektoren in gleicher Weise von dem Preisanstieg, wie die gegenwärtige besonders ernste Krise der europäischen Viehzucht zeigt.
Daher halte ich die vollständige Abschaffung jeglicher Marktregulierungsmechanismen für gefährlich für unsere Ernährungssicherheit und die der Welt. Meiner Meinung nach ist es erforderlich, die Interventionsbestände aufrechtzuerhalten, so dass im Falle von Nahrungsmittelverknappungen und Spekulationen eingegriffen werden kann, die Gemeinsamen Marktordnungen beizubehalten…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Willem Schuth (ALDE). – Herr Präsident, liebe Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich dem Kollegen Goepel ganz herzlich zu seinem ausgewogenen Bericht gratulieren. Wir dürfen gewachsene, wettbewerbsfähige Strukturen in der Landwirtschaft nicht benachteiligen. Daher haben wir im Ausschuss den Kommissionsvorschlag zur Degression in dieser Form abgelehnt. Bei Direktzahlungen darf nicht nach Betriebsgröße diskriminiert werden, sonst würden Arbeitsplätze in großem Maßstab gefährdet.
Ferner vertrete ich die Auffassung, dass ein definitives Auslaufen des Milchquotensystems im Jahr 2015 nach wie vor richtig ist. Angesichts steigender Milchpreise auf boomenden Weltagrarmärkten und damit verbundener enormer Exportmöglichkeiten erscheint dieses System nicht mehr zeitgemäß.
In diesem Zusammenhang muss eine sinnvolle Überarbeitung der Reform von 2003 nicht nur den europäischen Landwirten Verlässlichkeit und Planungssicherheit bieten, sondern auch ein weiterer Schritt hin zu einer marktorientierten Fortentwicklung unseres Agrarsystems sein.
Janusz Wojciechowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Was bedeutet Landwirtschaft in der Europäischen Union? Für die einen stellt sie einen großen Wert dar, den es zu schützen gilt, für andere aber – und von ihnen gibt es leider viele – ist sie ein Klotz am Bein, den sie loswerden möchten. Im Bericht von Herrn Goepel ist zu lesen, dass die Landwirtschaft einen der größten Industriezweige in der EU darstellt. Das ist schön, genügt aber nicht.
Die Landwirtschaft ist keine Industrie und sie ist nicht einfach einer von vielen Wirtschaftssektoren, sondern eine Säule der Lebensmittelsicherheit. Wir geben Unsummen fürs Militär und für die Polizei aus, um die physische Sicherheit in unseren Staaten und in unseren Häusern zu gewährleisten. Riesige Beträge fließen in die Energiesicherheit – wir sind auf der Suche nach teureren, aber sicheren Versorgungsquellen. Genauso viel Geld müssen wir für den Schutz unserer Landwirtschaft aufwenden, die uns Lebensmittelsicherheit bietet, und es ist schade, dass nicht jeder in der EU das begreift.
Alyn Smith (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Auch ich beglückwünsche unseren Berichterstatter zu dem uns vorliegenden ausgezeichneten Kompromisspaket. Ich möchte hier vor allem drei Maßnahmen herausstellen, die besonders zu begrüßen sind, und zwar unsere Änderungsanträge, die positiv aufgenommen wurden.
In Ziffer 21 des Berichts vertreten wir die Auffassung, dass die Entkopplung der Direktzahlungen weitgehend erfolgreich war, und bringen die feste Überzeugung zum Ausdruck, dass die Politik der Entkopplung beschleunigt voranzutreiben ist. Gewiss, man muss dies richtig und mit Feingefühl angehen, aber dennoch vorantreiben.
In Ziffer 37 und 38 erklären wir ausdrücklich, dass die Flächenstilllegung ihren Sinn verloren hat und sofort abgeschafft werden sollte und dass etwaige umweltpolitische Vorteile der Flächenstilllegung besser durch Maßnahmen im Bereich der 2. Säule zu erreichen sind.
In Ziffer 86 bis 91 verweisen wir auf die Bedeutung von Nischenerzeugnissen für die europäische Landwirtschaft auf den internationalen Märkten. Ich könnte für unsere Kommissarin durchaus eine Liste schottischer Qualitätsprodukte zusammenstellen, und ich wäre ihr dankbar für ein paar kurze Worte dazu, wie sie die Einführung einer europäischen Marke als Kennzeichen für internationale Qualität voranzubringen gedenkt.
Kartika Tamara Liotard (GUE/NGL). – (NL) Mit diesem Gesundheitscheck hat die Kommission einen vernünftigen – wenn auch bescheidenen – Schritt in Richtung einer etwas weniger ungerechten Agrarpolitik gesetzt. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen aufrufen, Herrn Goepels Bericht nicht zu unterstützen, da er die Kommissionsvorschläge in einigen ganz wesentlichen Punkten verwässert. Der wichtigste Aspekt ist für mich, dass der Höhe der Beihilfen, die jemand empfangen kann, endlich vorsichtig Grenzen gesetzt werden.
Der europäischen Öffentlichkeit lässt sich schwerlich vermitteln, weshalb beispielsweise an den Fürsten von Monaco oder an multinationale Konzerne wie Heineken und Nestlé Hunderttausende Euro an Einkommensbeihilfen in Form von Agrarbeihilfen allein deshalb fließen, weil sie Land besitzen. Gleichzeitig fällt es echten Landwirten nicht selten schwer, über die Runden zu kommen. Einkommensbeihilfen in der Landwirtschaft sollen den Landwirten ein menschenwürdiges Dasein sichern und nicht multinationalen Konzernen und Großgrundbesitzern die Taschen füllen.
Vladimír Železný (IND/DEM). – (CS) Die Reform der GAP zielte darauf ab, sie weniger schwerfällig und marktorientierter werden zu lassen. In Anbetracht der durchschnittlichen Größe tschechischer landwirtschaftlicher Betriebe ist das in dem Bericht vorgeschlagene System inakzeptabel.
Es würde für die Tschechische Republik dazu führen, dass sie bis zum Jahr 2013 einer der Staaten mit dem größten Anteil …(ein Teil der Rede war nicht verständlich) würde, die im Rahmen der Modulation von der ersten zur zweiten Säule übertragen werden. Nahezu 40 % der Direktzahlungen in die Tschechische Republik würden dann der Degression unterliegen, verglichen mit 6,5 % für Frankreich und nur 2,5 % für Österreich.
Tschechische Agrarbetriebe wären laut dem vorliegenden Vorschlag unsinnigerweise gezwungen sich aufzuteilen und würden tatsächlich an Effizienz einbüßen. Weder dieser Vorschlag noch ein Kompromissvorschlag sind für die Tschechische Republik akzeptabel, da sie uns der Diskriminierung aussetzen und die Wettbewerbsfähigkeit der tschechischen Landwirte ungerechtfertigt verringern.
Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Goepel! In Berlin beschlossen Bundeskanzler Schmidt und der französische Staatspräsident Jacques Chirac vor fast zehn Jahren, den Landwirten einen Aufschub bis 2013 zu gewähren. Mit dem Ende der Milchquoten, dem Ende eines eigenen Agrarbudgets in der finanziellen Vorausschau 2014-2019 und dem nachfolgelosen Eintritt einer Mehrheit von Erzeugern in den Ruhestand war das Ende einer großen GAP schlicht und einfach für 2013 geplant.
Sie stellen heute diese Übereinkunft in Frage und beschleunigen unter der Bezeichnung „GAP-Gesundheitscheck“ die Entwicklung hin zu einer Beseitigung unserer Landwirtschaft unter dem ersten Pfeiler. Das ist nichts Neues! MacSharry, Steichen, Fischler hatten mittels Quoten, GMH, Schlachtprämien, Flächenstilllegungen, Entkoppelungen, Rodungen bereits seit 30 Jahren jene Strategie praktiziert, die darin besteht, das Monopol der Nahrungsmittelproduktion in der Welt der südlichen Hemisphäre und den Pazifikstaaten zu überlassen.
Heute verbirgt sich in den leidenschaftlichen technischen Debatten über die vollständige Entkoppelung hinter Konzepten wie – degressive oder progressive – Modulation, Ökokonditionalität, Entwicklung des ländlichen Raums, dem historischen oder nichthistorischen Bezug nur die eine und einzige wahre Frage: Will Europa zusammen mit Brasilien, während China und Indien die weltweite Lebensmittelnachfrage ankurbeln, während das Steigen der Preise und der Nachfrage den Landwirten eine rosige Zukunft beschert, noch einer der größten Lebensmittelerzeuger der Welt bleiben?
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich freue mich über die zahlreiche Anwesenheit, denn dies ist eine sehr wichtige Aussprache. Würden wir den Applausometer zu Rate ziehen, wenn es um umfangreiche Zahlungen an Königshäuser oder einzelne Landwirte geht, könnte man das Zähneklappern in durchweg allen europäischen Königshäusern hören. Die Debatte ist jedoch etwas komplexer, wie von unseren Kolleginnen und Kollegen aus Osteuropa zu vernehmen war.
Zum Gesundheitscheck lassen Sie mich kurz anmerken, dass wir, was Entkopplung und Modulation betrifft, in Irland bereits völlig entkoppelt haben, und ich denke, die Kommissarin wird das bestätigen. Wir wollen unser historisches System der Zahlungen behalten und können uns mit einer höheren Modulation nicht anfreunden. Hier wird ein Loch aufgerissen, um ein anderes zu stopfen. Anschließend wird das Ganze in einer Mogelverpackung verkauft. Wir wissen nicht wirklich, wohin die Gelder für ländliche Entwicklung letztlich fließen werden, und müssen uns das ganz genau ansehen.
Sorgen bereitet den irischen Landwirten momentan nicht Artikel 69, sondern die WTO. Auf dem Tisch vor mir liegt die Bewertung des jüngsten Berichts der WTO, und ich würde darüber gern mit meinen Kollegen sprechen. Das ist wirklich gut aufgemacht, aber der Inhalt ist nicht sehr erfreulich. Wenn es nach Herrn Mandelson geht, dann, fürchte ich, ist es um den Rindfleisch- und Milchsektor, den Lamm- und Schweinefleischsektor in Europa geschehen, und auch um die gemeinsame Agrarpolitik. Die Einfuhrzölle sollen um bis zu 70 % gesenkt werden.
Vielleicht ist man sich über die Auswirkungen nicht so ganz im Klaren, aber konkret bedeutet das, dass unsere Erzeuger mit Nahrungsmittelimporten und Produkten, die nach gänzlich anderen Standards hergestellt werden, nicht mithalten wollen und können.
Der Lammfleischsektor, den das Parlament eigentlich unterstützen will, wird durch die WTO vernichtet. Darf ich Sie bitten, Frau Kommissarin, sich einmal die Analyse der Irish Farmers’ Association anzusehen – ich halte sie noch einmal hoch, denn sie sieht wirklich gut aus –, und mir zu sagen, dass sie auf dem Holzweg sind, obgleich ich fürchte, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen haben.
Dieses Hohe Haus wird in keiner Weise über die Auswirkungen dieses jüngsten Berichts der WTO aufgeklärt, und ich bin der Meinung, dass wir diese Informationen brauchen und ein Anrecht darauf haben. Ich möchte noch anmerken, dass irische Landwirte für die Europäische Union sind; viele von ihnen kamen jedoch am Wochenende zu mir nach Hause und hinterfragten deren Entscheidungen im Hinblick auf die Abstimmung über einige Verträge. Und da haben wir ein echtes Problem, wie die Kommissarin wohl weiß.
María Isabel Salinas García (PSE). – (ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die europäischen Landwirte, insbesondere die spanischen, brauchen, und ich würde sagen, fordern, ein Minimum an Stabilität. Deshalb möchte ich die Kommission als Erstes ersuchen, diese Halbzeitüberprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht zu einer großen radikalen Revision zu machen.
Ein Aspekt, der mir Sorge bereitet, ist die teilweise Entkoppelung der Beihilfen; die Hast, mit der die Entkoppelung der Beihilfen auf den Weg gebracht werden soll, kann viele Kulturen gefährden. Eine volle oder teilweise Koppelung in einigen Sektoren ist lebenswichtig für die Aufrechterhaltung der Produktion, beispielsweise im Baumwollsektor.
Folglich bin ich nicht der Ansicht, dass die Entkoppelungshöhen beibehalten werden sollten, wie sie 2003 vereinbart wurden, und wenn das nicht möglich ist, sollte den Mitgliedstaaten meiner Meinung nach auf jeden Fall ein gewisser Spielraum gegeben werden, da ein freiwilliges Modell für jeden Sektor auf fallweiser Basis die besten Bedingungen für die landwirtschaftliche Produktion schaffen könnte. Ich glaube, dass wir an den Agrarsektor jetzt ein Signal der Ruhe und Stabilität aussenden sollten.
Jan Mulder (ALDE). – (NL) Meine Glückwünsche an Herrn Goepel zu seiner Arbeit. Meiner Ansicht nach kommt es in dieser Aussprache auf zwei Dinge an.
Erstens, der wichtigste Aspekt der Agrarpolitik ist aus meiner Warte der gemeinsame Markt für 500 Millionen Verbraucher. Hat die Kommission oder der Bericht Goepel diesen Markt verzerrt? Ich denke nicht – und das ist positiv.
Zweitens, meines Erachtens müssen öffentliche Stellen glaubwürdig sein. Wir müssen uns an unsere Zusagen im Haushaltsplan 2007 halten, und ich meine, die Kommission macht das auch.
Die Modulation sehe ich mit gemischten Gefühlen. Ich kenne die Ergebnisse der ländlichen Entwicklungspolitik noch nicht. Die Berichte des Rechnungshofs sind äußerst kritisch, aber ich finde es problematisch, den Landwirten eine zusätzliche finanzielle Belastung aufzubürden, von der sie 60 % nicht wiedersehen. In den Niederlanden werden damit Naturgebiete gekauft.
Gestatten Sie noch einige Worte zu nicht handelsbezogenen Anliegen. Wie kann ich den europäischen Landwirten erklären, dass sie bestimmte Erzeugnisse nicht herstellen dürfen, wohingegen es anderen Ländern gestattet ist und wir derartige Erzeugnisse unbegrenzt einführen dürfen? Das führt zu unlauterem Wettbewerb.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! In den letzten Jahren wurden in der Gemeinsamen Agrarpolitik viele Änderungen vorgenommen. Nicht immer standen dabei die Notwendigkeit, die Lage in ländlichen Gebieten zu verbessern, oder die Bedürfnisse der EU-Verbraucher im Mittelpunkt. Obwohl die Lebensmittelpreise gegenwärtig stetig steigen, kann von einer merklichen Verbesserung der Situation kleiner und mittlerer Betriebe keine Rede sein. Die Europäische Kommission fördert internationale Unternehmen, auch solche, die genmanipulierte Lebensmittel herstellen, mehr als die einheimischen Landwirte. Die Europäische Gemeinschaft steuert immer weiter auf den Punkt zu, an dem sie die Souveränität im Bereich der Lebensmittelproduktion verlieren wird. Nun wird mit den Reformvorschlägen zur Gemeinsamen Agrarpolitik eine weitere Gruppe von Landwirten in den Ruin getrieben: die Tabakanbauer. Dies bedeutet für nahezu 100 000 von ihnen das wirtschaftliche Aus sowie den Verlust von 400 000 Arbeitsplätzen. Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Kommission sich mehr um die Interessen der europäischen Landwirte kümmert als um die von Drittländern.
Marie-Hélène Aubert (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Das Umfeld der Landwirtschaft hat sich seit 2003 stark verändert, und die uns heute vorliegenden Analyseergebnisse sind bereits nicht mehr ganz aktuell und den wesentlichen Herausforderungen der Zukunft wirklich nicht angemessen. Die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt sprunghaft an, die Preise schießen in die Höhe und werden unerschwinglich für die Ärmsten, während die landwirtschaftlichen Flächen gleichzeitig zurückgehen. Die subventionierten Biokraftstoffe destabilisieren die Landwirtschaft in hohem Maße. Hervorzuheben sind weiterhin die Auswirkungen des Klimawandels und vor allem die steigende Ablehnung eines ultraliberalen, intensiven industriellen Landwirtschaftsmodells durch unsere Mitbürger, das bewirkt, dass Agrarerzeugnisse über Tausende von Kilometern durch die Welt transportiert werden, während gleichzeitig soziales und ökologisches Dumping betrieben wird.
Daher müssen wir nunmehr eine tiefgreifende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in Angriff nehmen und nicht nur eine technische Anpassung der gegenwärtigen Instrumente, die Sie uns heute vorschlagen. Wir brauchen jetzt auch wirklich einen klaren strategischen Kurs, der uns gegenwärtig am stärksten fehlt.
Bairbre de Brún (GUE/NGL). – (GA) Herr Präsident! Dieser Bericht kommt zu einem für Landwirte in der EU sehr wichtigen Zeitpunkt. Wie meine Kollegin Frau McGuinness bereits sagte, haben wir in den Gesprächen im Rahmen der Welthandelsorganisation gesehen, wie der Kommissar bereit ist, die Interessen unserer Landwirte und unserer ländlichen Gemeinschaft zu opfern, nicht zum Nutzen der Dritten Welt, sondern für ein internationales Verhandlungsspiel.
Was den Gesundheitscheck betrifft, so stimme ich zu, dass es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einer Vereinfachung und einer Steigerung der Effizienz der Maßnahmen sowie einer gewissen Stabilität für die Landwirte geben muss, da diese Lebensmittel für uns erzeugen und so den ländlichen Raum erhalten.
Wenn dies in fairer Weise umgesetzt wird, sollten wir eine Obergrenze für umfangreiche Zahlungen an große landwirtschaftliche Betriebe oder Zusammenschlüsse als einen Schritt nach vorne weg von der Gemeinsamen Agrarpolitik, die nur den Großgrundbesitzern Nutzen bringt, begrüßen. Es ist auch wichtig, dass nur die aktiv agrarisch wirtschaftenden Landwirte Prämienansprüche erheben können.
Die Gemeinsame Agrarpolitik sollte…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Derek Roland Clark (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Für jeden Gesundheitscheck werden Kriterien und eine Bewertung gebraucht. Im Falle der GAP würde ich als Kriterium die Finanzierung vorschlagen, und die Bewertung könnten die Rechnungsprüfer übernehmen.
Hält der Rechnungshof die GAP für gesund, obwohl 28,9 % der Betriebsprämien fälschlicherweise gezahlt werden? Soll es gesund für die GAP sein, wenn Landwirte Zahlungen erhalten, damit sie keine Nahrungsmittel anbauen? Meint der Rechnungshof, dass es gesund ist, Ackerland in Anbauflächen für Biokraftstoffe umzuwandeln, wenn weltweit gerade Getreide knapp wird? Hält er die GAP für gesund, obwohl echte Landwirte – zumindest im Vereinigten Königreich – kaum ihren Lebensunterhalt verdienen können? Ist dem Rechnungshof bekannt, dass es Landwirten in Neuseeland sehr gut geht, obwohl sie keinerlei Beihilfen erhalten, und dass dort nur 3 % die Abschaffung der Subventionen nicht überlebt haben?
Da mir all dies nach einer sehr kranken GAP aussieht, stellt sich die Frage, ob es nicht Zeit ist, die lebenserhaltenden Apparate abzuschalten, damit die europäischen Landwirte auf eigenen Füßen stehen können.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Vieles in diesem Bericht findet meine Zustimmung. Ich möchte mich kurz zu vier Punkten äußern.
Erstens ist Entkopplung theoretisch eine feine Sache, die praktische Umsetzung ließ jedoch in den Augen mancher zu wünschen übrig, da sie den Erzeugern nicht die versprochenen höheren Marktpreise brachte.
Zweitens müssen wir genügend Instrumente zur Verfügung halten, um gegen Markt- und Versorgungskrisen gewappnet zu sein. Unausgewogenheiten in der Versorgungskette gefährden das Ziel der GAP, eine sichere Nahrungsmittelversorgung zu gewährleisten. Ernährungssicherheit ist nur möglich, wenn den Produzenten wirtschaftliche Nachhaltigkeit garantiert wird.
Drittens können wir viel zur Vereinfachung der GAP beitragen, indem wir bürokratische Hürden beseitigen und darauf verzichten, Landwirte in die Verbrecherecke zu stellen, wenn sie aufgrund geringfügiger Verstöße unabsichtlich Fehler begehen.
Viertens sollten nicht genutzte Mittel des Agrarhaushaltes, die für Marktsteuerungsmaßnahmen vorgesehen waren, vorrangig als Beihilfe nach Artikel 69 für die Stärkung der EU-Landwirtschaft eingesetzt werden, besonders in Gebieten mit marginaler Produktion, und um Situationen zu meistern, in denen sich, wie in meinem Wahlkreis, vielen Landwirten über 55 Jahren keinerlei Beschäftigungsalternativen bieten.
Véronique Mathieu (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht Goepel stellt einen guten Kompromiss zwischen den kühnen Vorschlägen der Kommission und den von unseren Landwirten geäußerten Sorgen dar. Bravo für diesen Bericht, Herr Goepel; dies war nicht leicht, das wissen wir. Er enthält gute Vorschläge.
Dies trifft erstens auf das System der Direktbeihilfen zu, die verändert werden müssen, wobei die Mitgliedstaaten über mehr Flexibilität bei der Umsetzung dieser Änderung verfügen müssen.
Wenn die Entkoppelung fortgesetzt werden soll, dann muss sie die Schwierigkeiten berücksichtigen, die gegenwärtig in bestimmten Sektoren auftreten, insbesondere im Viehzuchtsektor sowie bei bestimmten für zahlreiche Regionen sehr wichtigen pflanzlichen Kulturen wie Flachs, Hanf, Trockenfutter, für die es eine angemessene Übergangsperiode geben muss.
Die Modulation halte ich in der vorgeschlagenen Form für zu stark, sie bringt den ersten Pfeiler aus dem Gleichgewicht. Die Bedingungen im Zusammenhang mit der Flächenstilllegung müssen reformiert werden, doch zuvor muss die Kommission eindeutig die Instrumente festlegen, die die Beibehaltung ihrer Vorteile insbesondere in Bezug auf die Artenvielfalt ermöglichen. Eine Revision und eine Verstärkung von Artikel 69 wären ebenfalls ein Mittel, um eine leistungsfähige Unterstützung für anfällige Zonen wie Bergregionen, für die Umstrukturierung von in Schwierigkeiten befindlichen Sektoren wie Viehhaltung oder Milch sowie für das Risikomanagement bereitzustellen.
Des Weiteren, Herr Kommissar, sollten wir wirklich die Biokraftstoffe hinterfragen, die in ökologischer Hinsicht stark umstritten sind. Gerade der Gesundheitscheck ist vielleicht eine Gelegenheit, dies zu tun.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Der vorliegende Bericht ist einer der wichtigsten Berichte der letzten vier Jahre für den Agrarsektor, denn er ist viel mehr als nur eine Bestandsaufnahme der aktuellen Sachlage oder ein „Gesundheitscheck“. Frau Fischer Boel ist eine Radikal-Liberale, Herr Goepel ein christdemokratischer Liberaler und ich bin ein sozialdemokratischer Liberaler, und wir alle haben die Aufgabe, die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2014 grundlegend zu reformieren. Dieser „Gesundheitscheck“ formuliert eine Reihe von Ideen, die nach 2014 umgesetzt werden sollen. Beispiele dafür sind der Einstieg in eine flächenbezogene Flatrate bei den Direktzahlungen, die Umverteilung der Finanzierung auf die zweite Säule sowie die Art der dafür ins Auge gefassten Modulation und die Entwicklung eines Risikomanagementsystems. Ich stimme Frau Fischer Boel und Herrn Goepel zu, dass die Obergrenzen ebenfalls von großer Bedeutung sind. Ich würde mich freuen, wenn die britische Königin weniger Beihilfen erhalten würde, und auch in Ungarn gibt es zurzeit sehr viele Großbetriebe. Wir müssen jedoch ein System entwickeln, das eine Umgehung der Obergrenzen verhindert; mit anderen Worten, dieses Problem muss in Zukunft gelöst werden. Vielen Dank.
Anne Laperrouze (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte vier Punkte für die weitere Entwicklung der GAP hervorheben.
Die Aufrechterhaltung der Direkthilfen, die ein unverzichtbares Element darstellt, denn es ist erwiesen, dass keine Wirtschaft in der Welt es ihren Landwirten ermöglicht, ohne finanzielle Unterstützung angemessen zu leben. Die Umwelt prägt die Landwirtschaft ebenso wie die Landwirtschaft die Umwelt. Daher müssen die Konditionalitätskriterien für den Erhalt der Beihilfen aufrechterhalten werden. In jedem Abkommen der WTO müssen die Frage der geschützten geografischen Angaben, des Tierschutzes, des Gesundheitsstatus der importierten Erzeugnisse behandelt werden, weil dies für einen fairen Wettbewerb erforderlich ist und weil Gesundheitsprobleme nicht an den Grenzen Halt machen. Zudem muss der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel und zur nachhaltigen Entwicklung bestimmt werden. Ich fordere die Europäische Kommission auf, sich eingehender mit der Frage zu befassen, welcher Anteil der landwirtschaftlichen Flächen der Europäischen Union für Ökokraftstoffe und für die Grüne Chemie verwendet werden kann.
Ich begrüße diese Entschließung, die treffend darlegt, welche Herausforderungen die Landwirtschaft künftig sowohl in Bezug auf ihre Ernährungsfunktion als auch im Hinblick auf ihren Beitrag zur Bewahrung unserer Umwelt zu bewältigen hat.
Liam Aylward (UEN). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße den Vorschlag zur Vereinfachung der Vorschriften für Landwirte im Zuge des Gesundheitschecks der GAP und appelliere an die Kommissarin, Landwirte frühzeitig über Kontrollen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen zu informieren, wenn sie prüft, wie Vorschriften vereinfacht und flexibler gestaltet werden können.
Ich bin absolut gegen eine Erhöhung der obligatorischen Modulation auf 13 % in den kommenden Jahren. Damit würden Direktzahlungen für Landwirte gekürzt, obwohl diese das Geld bereits eingeplant haben.
Es besteht die Gefahr, dass die Schafzucht ihre wichtige Rolle beim Erhalt ökologisch sensibler Gebiete durch Flächenstilllegungen einbüßt und dass Zuchtwissen verloren geht, und das muss beim Gesundheitscheck der GAP berücksichtigt werden.
Die letzte Aussprache hat klar gezeigt, dass die Milchquoten ab April 2015 wegfallen werden, und ich begrüße den Beitrag der Kommissarin zu dieser Debatte. Eine sanfte Landung ist wichtig, und ich bin für eine schrittweise jährliche Erhöhung der Milchquote bis zum Jahr 2015.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass die Vorschläge, die in Genf zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft im Rahmen der WTO auf dem Tisch liegen, absolut inakzeptabel sind, besonders aus irischer Sicht. Ich begrüße es, dass viele EU-Mitgliedstaaten ebenfalls gegen diese Vorschläge sind und dass die zuständige Kommissarin diesen Befürchtungen Rechnung tragen wird.
Carmen Fraga Estévez (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Goepel zu seiner Arbeit beglückwünschen und hinzufügen, dass ich in meiner Rede speziell auf die Zukunft des Milchsektors eingehen werde. Dazu habe ich die folgenden Bemerkungen.
Vor allem möchte ich sagen, dass eine große Ungewissheit im Hinblick auf die Auswirkungen besteht, die aus der Abschaffung der Quotenregelung in den verschiedenen Erzeugerregionen entstehen könnten. Viele Menschen befürchten, dass sich der Trend zur Produktionsaufgabe beschleunigen wird und dass dies für einige Regionen mit einer sehr niedrigen Wirtschaftlichkeit und wenigen Alternativen zur Landwirtschaft einen nicht wiedergutzumachenden Schlag bedeuten wird.
Klar ist indes, dass die gegenwärtige Quotenregelung nicht das gewünschte Ergebnis bringt, nämlich ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch zu erreichen. Hatten wir früher Milchseen, so stehen wir jetzt vor einem Defizit von mehr als 3 Millionen Tonnen, was ein deutlicher Beweis ist für das Auf und Ab dieser GMO, die ungleiche Verteilung der Produktionsquoten, die mangelhafte und dürftige Bewertung der letzten Reformen und einiger konkreter Maßnahmen, die realisiert wurden, wie die Entkoppelung der Beihilfen, deren Folgen für die Zukunft des Sektors wir noch nicht kennen.
Hinzu kommen das Missverhältnis bei der Anwendung der Quotenregelung zwischen den einzelnen Ländern; und, Frau Kommissarin, ich muss sagen, dass in manchen Ländern, wie meinem, Hindernisse für die Liberalisierung des Sektors bestehen und dass zum Beispiel die individuelle Quotenübertragung, ein wichtiges Element für die Umstrukturierung, seit 2005 abgeschafft ist.
Abschließend möchte ich nur noch sagen, Frau Kommissarin, dass es meiner Ansicht nach positiv wäre, die Idee der Quotenerhöhung von 2 % auf freiwilliger Basis für 2008-2009, wie in den Berichten Jeggle und Goepel vorgeschlagen, mit einer nicht linearen Erhöhung für die Folgejahre zu kombinieren, wie in Ziffer 84 des Berichts Goepel gefordert wird, um die Produktionsquoten gleichmäßiger zu verteilen und jenen Mitgliedstaaten den Vorzug zu geben, in denen die Quoten im Vergleich zu ihrem einheimischen Verbrauch seit jeher zu niedrig liegen.
Lily Jacobs (PSE). – (NL) Ich möchte auf einen Aspekt unserer Agrarpolitik aufmerksam machen, der nicht selten vernachlässigt wird: die Interessen der Entwicklungsländer. Wir müssen Schluss machen mit Protektionismus und marktverzerrenden Maßnahmen, die in dem heutigen System eingebaut sind. Die allerärmsten Länder haben Anspruch auf einen fairen Zugang zu unserem Markt und auf ein Ende des unlauteren Wettbewerbs auf ihren Märkten.
Ich habe Änderungsanträge eingebracht, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken und bitte meine Kolleginnen und Kollegen dafür um Unterstützung. Die Frau Kommissarin wird mir zustimmen, dass der Schwerpunkt unserer Politik außerdem vor allem auf den Verbrauchern liegen sollte. Deshalb ist es unverzichtbar, dass wir den Landwirten bei der Erzeugung hinreichend sicherer Lebensmittel allerhöchster Qualität Hilfe bieten. Mithin müssen wir eine nachhaltige Landwirtschaft sicherstellen, in der in höchstem Maße in den Schutz und die Verbesserung der ländlichen Gebiete und der Umwelt investiert wird, damit nicht nur wir als vielmehr auch unsere Kinder Freude daran haben.
Wir müssen dafür sorgen, dass es in ausreichendem Maße Lebensmittel für alle gibt. Und das ist unter anderem möglich, indem wir unser Wissen stetig erweitern und der übrigen Welt unsere Kenntnisse und modernen Techniken zur Verfügung stellen.
Kyösti Virrankoski (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Der Bericht des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über einen „Gesundheitscheck“ für die Landwirtschaft ist realistisch. Das größte Problem ist die Entkopplung. Die Kommission fordert eine stärkere Entkoppelung der Beihilfen von der Produktion.
Der Ausschuss ist sehr vorsichtig, und das nicht ohne Grund. Die Entkoppelung erinnert in vielerlei Hinsicht an Vorruhestandsbeihilfen für Landwirte. Sie begünstigt jene Betriebe, die ihre Produktion zurückfahren oder ganz aufgeben, aber sie motiviert nicht die jungen Landwirte, die ihre Produktion erweitern. Ebenso begünstigt sie die extensive Produktion zu Lasten der arbeitsintensiven Produktion.
Vor allem die in Bezug auf ihre natürlichen Bedingungen benachteiligten Regionen scheinen das Nachsehen zu haben. In den Vereinigten Staaten sind die Beihilfen beispielsweise nach wie vor hauptsächlich an die Produktion gebunden. Ausgesprochen ärgerlich ist die Tatsache, dass die soziale Rechtfertigung für Beihilfen ihre Grundlage verliert. Wenn ein Landwirt, der Lebensmittel im Nebenerwerb produziert, die gleiche Bezahlung erhält wie ein anderer, der sieben Tage die Woche arbeitet, dann hat der Steuerzahler durchaus Grund zu protestieren. Die Aufgabe der Landwirtschaft wird es auch weiterhin sein, Lebensmittel zu produzieren.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Obwohl die Gemeinsame Agrarpolitik mehrmals reformiert wurde, wird sie den Erwartungen noch immer nicht gerecht. Als krasse Beispiele können der Verlust der Lebensmittelsicherheit in der EU, die zahlreichen Krisensituationen und fehlende gemeinsame, beide Seiten zufrieden stellende Regelungen genannt werden. Die Krise wird aufgrund der fehlenden Kohäsion und der Diskriminierung von Landwirten in den neuen Mitgliedstaaten verschärft. Die Tatsache, dass es je nach geografischer Lage und EU-Beitrittsdatum besser und schlechter Gestellte gibt, belegt eindeutig, dass es keine Gemeinsame Agrarpolitik gibt und dass sie noch lange auf sich warten lassen wird.
Trotz des enormen Arbeitsaufwands, den der Berichterstatter, der Kollege Goepel, betrieben hat, wurde das Ziel verfehlt, und es ist sogar schwer zu sagen, ob wir uns sinnvollen Lösungen genähert oder weiter davon entfernt haben. Angesichts dieser Sachlage scheint die Ansicht jener Minderheit zuzutreffen, die meint, die Kommission fördere mit ihrer Politik weiterhin die internationale Lebensmittelindustrie und Großgrundbesitzer und die Gemeinsame Agrarpolitik befriedige weder die Bedürfnisse der Verbraucher noch die der kleinen und mittleren Familienbetriebe, die zur Aufgabe gezwungen werden. Deswegen brauchen wir eine neue gerechte Agrarpolitik, die von objektiven Experten und nicht von Interessengruppen erarbeitet wird.
Petya Stavreva (PPE-DE). – (BG) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich möchte den Berichterstatter Lutz Goepel zu seiner erfolgreichen Arbeit an diesem Bericht beglückwünschen.
In meiner Eigenschaft als Parlamentsabgeordnete aus Bulgarien halte ich es für außerordentlich wichtig, dass der Bericht den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lässt. Sie können, wenn sie dies wünschen, die vereinfachten einheitlichen Flächenprämien bis 2013 anwenden, und sie werden von der Europäischen Union bei der Anwendung der Cross-Compliance-Regeln unterstützt.
Die Wahrung des Rechts der Mitgliedstaaten selbst zu entscheiden, ob und wie sie ihre Direktzahlungssysteme ändern, wird unseren Ländern größere Flexibilität verleihen und ihnen bei der Anpassung an die spezifischen Erfordernisse jeder Region und jedes Sektors behilflich sein.
Ich glaube, dass der Bericht über den „Gesundheitscheck“ der Gemeinsamen Agrarpolitik heute, da das Europäische Parlament den Bürgern sein Engagement und seine verantwortungsbewusste politische Haltung für die Entwicklung des Landwirtschaftssektors in der Gemeinschaft zeigen muss, von besonderer Wichtigkeit ist.
Ich denke, dass der Bericht von Lutz Goepel die Interessen der europäischen Bauern schützt, und ich fordere Sie nachdrücklich auf, den Bericht zu unterstützen. Vielen Dank.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte zunächst dem Kollegen Goepel zu dem ausgezeichneten Bericht gratulieren und ihm für den damit verbundenen riesigen Arbeitsaufwand danken. Der Bericht spiegelt voll und ganz das besondere Interesse des Parlaments an der Agrarpolitik wider. Obwohl die Ausgaben von fast 80 % in den 1970er-Jahren auf 33 % in der derzeitigen Finanziellen Vorausschau zurückgegangen sind, ist und bleibt die Agrarpolitik eines der wichtigsten europäischen Politikfelder.
Da meine Zeit begrenzt ist, nenne ich nur einige der Probleme, die für die neuen Mitgliedstaaten von Belang sind. Die Modulation sollte in diesen Ländern erst greifen, wenn die Zahlungen vollständig bezogen wurden, und sie sollte – wie früher in anderen EU-15-Staaten – schrittweise eingeführt werden. Ich kann der Abschaffung der Beihilfen und Energiepflanzenprämien, die uns gerade erst zugesprochen wurden, nicht zustimmen. Im Gegenteil – die EU sollte besonders die neue Richtung der Biomasseproduktion fördern.
Was die Zukunft der Milchquoten anbelangt, bin ich weiterhin davon überzeugt, dass wir für die Entscheidung in diesem Bereich eine umfassendere Debatte und gründlichere Analyse brauchen.
Magor Imre Csibi (ALDE). – (RO) Gestatten Sie mir als stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit einige Bemerkungen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft.
Mit ihren intensiven landwirtschaftlichen Produktionsverfahren hatten die Landwirte in den vergangenen Jahren nicht unerheblichen Anteil an der globalen Erwärmung, und jetzt stehen sie vor ihren verheerenden Folgen. Statistiken zufolge entfallen auf die Landwirtschaft 17 % bis 32 % der durch menschliche Aktivitäten bedingten Treibhausgasemissionen. Durch den unverantwortlichen Einsatz von Düngemitteln, die unangemessene Lagerung von Dung und die verfehlte Bodennutzung, ich meine speziell Abholzung und Überweidung, belastet die Landwirtschaft die Umwelt nach wie vor.
Die globale Erwärmung ist unumkehrbar, und in Zukunft sollten uns häufig auftretende Dürren und Hochwasser nicht mehr erstaunen. Daher bin ich dem im Bericht vorgetragenen Gedanken von einem Sicherheitsnetz auf europäischer Ebene zur Unterstützung der Landwirte bei Umwelt-, Klima- und Seuchengefahren zugetan.
Mithin fordere ich die Europäische Kommission auf zu prüfen, inwieweit die sofortige Einführung von Mehrgefahrenversicherungen für die EU-Landwirte in Form eines Fonds oder Mechanismus möglich ist, die mit Mitteln der EU und der Mitgliedstaaten finanziert werden.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte in dieser Debatte nur auf zwei Punkte hinweisen. Erstens sinkt der prozentuale Anteil der Ausgaben aus dem Gesamthaushalt, die in die Landwirtschaft fließen, stetig. Im letzten Jahr der derzeitigen Finanziellen Vorausschau lag er bei nur noch 32 %. Diese Gelder machen durchschnittlich etwa 30 % der Einkommen von EU-Landwirten aus. Die Förderung muss auch in Zukunft auf diesem Niveau erfolgen, um das Interesse an landwirtschaftlichen Tätigkeiten aufrechtzuerhalten und vor allem die Lebensmittelsicherheit in Europa zu gewährleisten. Dabei ist zu bedenken, dass viele entwickelte Länder in der Welt die Einkommen der Landwirte mit verschiedensten Instrumenten stützen, wobei die Beihilfen mehr als 50 % des Einkommens ausmachen können. Dazu gehören Länder wie Japan, Südkorea, Norwegen und die Schweiz.
Zweitens muss die Förderung der Landwirte in den alten und neuen Mitgliedstaaten deutlich schneller angeglichen werden. Nach Expertenberechnungen wird das durchschnittliche Förderniveau pro Hektar Ackerland in den Jahren 2007-2013 in den neuen Mitgliedstaaten gerade einmal 62 bis 64 % dessen betragen, was Landwirte in den alten Mitgliedstaaten erhalten. Solange diese beiden grundlegenden Forderungen nicht erfüllt werden, ist Entwicklung in der europäischen Landwirtschaft nur schwer vorstellbar.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Überprüfung der Agrarpolitik der EU soll zu Verbesserungen führen. Dabei werden die Erfahrungen, die seit der letzten Reform im Jahr 2003 gewonnen wurden, und die Lage auf dem Weltmarkt berücksichtigt. Es gilt aber zu bedenken, dass die Änderungen erstens den gemeinschaftlichen Charakter dieser Politik – wir sind gegen ihre Nationalisierung – und zweitens das europäische Agrarmodell nicht beschädigen dürfen. Nichts spricht dafür, die Direktzahlungen auf der Grundlage historischer Referenzwerte der landwirtschaftlichen Erzeugung zu berechnen und sie dementsprechend zu staffeln.
Das nach 2013 anzuwendende Beihilfemodell sollte auf einfachen Prinzipien ähnlich denen des Systems einheitlichen Flächenzahlungen (SAPS) beruhen. Man sollte aber in Extremfällen auch Marktinterventionen oder sogar Produktionsbeihilfen zulassen, etwa für den Tabakanbau oder die Milcherzeugung in Berggebieten.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Herrn Goepel zu seinem Bericht beglückwünschen. Da meine Redezeit begrenzt ist, möchte ich bestimmte Grundsätze herausstellen, von denen man sich bei jeder Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik mithilfe einer Mitteilung oder eines legislativen Instruments leiten lassen muss.
Erstens darf die Neudefinierung des europäischen Agrarmodells nicht die kleinen und mittleren Familienbetriebe vernachlässigen. Zweitens darf das Thema Finanzierung, das später zu regeln ist, nicht auf dem Grundsatz der Kofinanzierung beruhen, wodurch die Gemeinsame Agrarpolitik im Grunde renationalisiert wird. Drittens muss die Frage der Regionalisierung, die die Probleme der Markt- und Lebensmittelprodukte nicht von allein lösen kann, neu geprüft und in ihren wahren Dimensionen betrachtet werden. Viertens muss aus bestimmten Reformen, z. B. der Tabakreform, entstehende Ungerechtigkeit beseitigt werden. Diese Produkte müssen wieder eingesetzt werden und eine Gleichbehandlung mit anderen Produkten erfahren.
Francesco Ferrari (ALDE). – (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Berichterstatter für diesen in Anbetracht der Komplexität und Tragweite des behandelten Themas sehr relevanten Bericht danken.
Ich möchte zwei Punkte herausstellen, die ich für besonders wichtig halte. Erstens betrachte ich die GAP als ein entscheidendes Instrument, das auch nach 2013 beibehalten werden muss, weil es die Unternehmen unterstützt. Aber gerade deshalb sollte sie an die Unternehmer gerichtet sein, damit sie Arbeitsplätze schaffen, die Umwelt erhalten und qualitativ hochwertige Erzeugnisse gewährleisten können.
Der zweite betrifft das heikle Problem der Milchquoten. Ich stimme mit dem Berichterstatter dahingehend überein, dass jene Regionen, in denen keine Alternativen zur Viehzucht und zur Milchwirtschaft bestehen, geschützt werden müssen, doch sollten wir auch all jene Tierhalter nicht vergessen, die umfangreiche Investitionen für den Erwerb von Milchquoten tätigen und die nach 2015 in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten.
Ich hoffe, dass wir mit Unterstützung der Frau Kommissarin eine Lösung finden können, die alle zufrieden stellt, nicht zuletzt, weil 1984, als die Quotenregelung eingeführt wurde, Italien dagegen war und heute immer noch etwa 40 % weniger Milch erzeugt, als es verbraucht.
Struan Stevenson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Der ausgezeichnete Bericht von Herrn Goepel wird das Fundament einer soliden Agrarpolitik für die Zukunft legen, allerdings zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Ernährungssicherheit demnächst ganz oben auf unserer politischen Agenda stehen wird, wie Herr Parish sagte.
Die Panik angesichts des Klimawandels ist derart groß, dass Politiker und Planer Gefahr laufen, ein noch größeres globales Problem als das zu schaffen, das sie ursprünglich lösen wollten. Der Boom bei den Biokraftstoffen entzieht der landwirtschaftlichen Produktion so viel Land, dass einige Experten bereits eine unmittelbar bevorstehende weltweite Hungerkatastrophe voraussagen. Außerdem werden riesige Regenwaldflächen im Amazonasgebiet und in Indonesien abgeholzt, um Biokraftstoffpflanzen wie Ölpalmen und Nahrungsmittelkulturen wie Soja anzubauen. Dadurch gelangen Millionen Tonnen von CO2 in die Erdatmosphäre und unserer globalen Klimaanlage droht die Vernichtung. Abholzungen zeichnen bereits für 18 % der gesamten weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und sind ein Paradebeispiel für die Unvernunft der aktuellen Politik.
Gier statt Sorge um unsere Umwelt dominieren heutzutage unsere Strategien für den Umgang mit dem Klimawandel, und der Wettlauf im Bereich Biokraftstoffe stellt eine potenzielle Bedrohung für Millionen von Menschen dar, da die Weltbevölkerung von derzeit 6 auf schätzungsweise 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 anwachsen wird. Jeden Monat werden 6 Millionen Menschen geboren. Bis zum Jahr 2030 wird die Weltbevölkerung derart gewachsen sein, dass die Nahrungsmittelproduktion um 50 % gesteigert werden muss, um den zu erwartenden Bedarf decken zu können. Bis 2080 muss die weltweite Produktion an Nahrungsmitteln sogar verdoppelt werden!
Die Wahrheit jedoch ist, dass jedes Jahr aufgrund von Dürre und als direkte Folge des Klimawandels für die Nahrungsmittelproduktion genutzte Flächen von der Größe der Ukraine stillgelegt werden. Die weltweite Nahrungsmittelproduktion geht zurück statt zu steigen. Und genau deshalb steht die Ernährungssicherheit ganz oben auf der Tagesordnung.
Constantin Dumitriu (PPE-DE). – (RO) Die Gemeinsame Agrarpolitik gilt als eine der Säulen der europäischen Entwicklung, und die Debatten über die Wege zur Verbesserung dieser Politik sollten nicht nur in den EU-Institutionen, sondern auch innerhalb der Mitgliedstaaten in den Gemeinden, die uns gewählt haben, eine feste Größe sein.
Zu meiner Freude haben wir in der Kommissionsmitteilung und in dem von Herrn Goepel vorgelegten Bericht einige Lösungen aufgezeigt, die die GAP verbessern und die Menschen im ländlichen Raum davon überzeugen sollen, dass diese Politik zu ihrem Besten und nicht nur eine Reihe bürokratischer Vorschriften ist, die von einigen Brüsseler Stellen erdacht worden sind. Allerdings müssen wir sicherstellen, dass die von der Kommission, vom Rat und von uns unterbreiteten Vorschläge für eine wirksame Umsetzung flexibel und realistisch genug sind.
In Rumänien, dem Land, das ich im Europäischen Parlament vertrete, sind 25 % der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft tätig und leben 40 % der Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Diese Zahlen veranschaulichen die Bedeutung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums für Rumänien und für unsere Wirtschaft. Bei der Suche nach Lösungen für die GAP-Reform dürfen wir Fälle wie Rumänien mit einem großen Agrarsektor, der sich mitten im Prozess der Modernisierung befindet, nicht außer Acht lassen.
James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Als Erstes möchte ich den Bericht von Herrn Goepel begrüßen und sowohl ihm als auch allen anderen Beteiligten für die geleistete harte Arbeit danken.
Wir stehen erst am Anfang des Prozesses, dem wir uns im Verlaufe dieses Jahres beim Thema gemeinsame Agrarpolitik stellen müssen. Es ist ein sehr wichtiger Schritt in diesem Prozess, und wir warten nun gespannt auf die Vorschläge der Kommission. Die Position der zweiten Säule der ländlichen Entwicklung und das Ausmaß der Modulation werden sicherlich ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg bzw. auch für die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik sein.
Ich muss jedoch sagen, dass es noch nie so wichtig war, Chancengleichheit für die Landwirte aller Mitgliedstaaten zu gewährleisten, und wir dürfen keine unterschiedlichen Prozentsätze in den einzelnen Mitgliedstaaten zulassen. Die Entkopplung ist größtenteils gelungen. Daran sollte meines Erachtens nicht gerüttelt werden. Cross-Compliance hat nur wenig gebracht, war bürokratisch und ist durchaus verbesserungsfähig. Und die Ernährungssicherheit muss ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Herr Präsident! Von der Gemeinsamen Agrarpolitik und der sie flankierenden Strukturpolitik werden Lösungen für immer gravierendere Probleme verlangt. Die Grundform der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Jahre 2007-2013, die von den Landwirtschaftsministern der EU-Länder am 26. Juni 2003 in Luxemburg beschlossen wurde, enthält einige für Polen vorteilhafte Lösungen. Andere hingegen schützen in höherem Maße die Interessen der alten Mitgliedstaaten.
Ich teile die Ansicht des Berichterstatters, dass die Kommission einen Bericht vorlegen sollte, der sich ausführlich mit solchen Problemen wie den Mehrkosten befasst, die den Landwirten durch die Einhaltung gemeinschaftlicher Standards in den Bereichen Umwelt, Tierschutz und Nahrungsmittelsicherheit entstehen.
Was den uns vorgelegten Bericht betrifft, bin ich ebenfalls der Meinung, dass der Reformprozess und die Weiterentwicklung ländlicher Gebiete fortgesetzt werden müssen. Die Gemeinsame Agrarpolitik muss sich ändern, um Antworten auf neue Herausforderungen wie etwa den Klimawandel, den steigenden Energiebedarf, die wachsende Weltbevölkerung und die verstärkte Öffnung zum Weltmarkt zu finden.
Markus Pieper (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich begrüße den Bericht Goepel, weil die Zeit endgültig reif ist, Instrumente wie Quotensteuerung, Tierprämien, Exporterstattung und Interventionspreise abzuschaffen bzw. grundlegend zu reformieren.
Mit Blick auf die global steigende Nahrungsmittelnachfrage bietet mehr Marktwirtschaft in der Agrarpolitik auch mehr Chancen in der europäischen Landwirtschaft. Besorgt bin ich über einige Kompromissformulierungen. Da ist die Rede von vorerst zu entkoppelnden Tierprämien, gefordert werden branchenbezogene Absicherungssysteme, und es sollen über die erste Säule eine ganze Reihe von Ausnahmeregelungen – etwa bei der Milch – finanziert werden.
Das alles birgt die Gefahr, dass wir durch die Hintertür an den alten Marktordnungen festhalten. Ausnahmen müssen wir wirklich auf strukturschwache Regionen beschränken und für sehr eng begrenzte Produktionsmengen definieren!
Sind wir hier zu großzügig, kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen, die wir politisch nicht kalkulieren können. Ich ermuntere die Kommission deshalb, bei den jetzt anstehenden Legislativvorschlägen dem Markt wirklich eine Chance zu geben.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! In diesem Bericht finden sich zahlreiche Verweise auf die WTO. Ich für meinen Teil hege echte Befürchtungen, dass, während wir uns heute Nachmittag im Parlament mit diesem Bericht über die GAP befassen, die Zukunft der europäischen Landwirtschaft durch die in unserem Namen von Kommissar Mandelson bei den WTO-Gesprächen geführten Verhandlungen gefährdet ist und schwer beschädigt wird.
Im Bericht wird gefordert, das Konzept des qualifizierten Marktzugangs in die WTO-Verhandlungen einzubringen. Ist Frau Fischer Boel als zuständige Kommissarin zufrieden damit, dass wir diese Linie verfolgen? Glaubt sie wirklich, dass die Strategie von Kommissar Mandelson den Rindfleisch- und Milchsektor sowie andere Sektoren nicht unterminieren wird und zumindest in gewisser Weise nicht bewirken wird, dass unsere heutige Debatte ins Leere läuft?
Der Bericht fordert europäische Non-trade-concerns als zentrales Thema in den WTO-Gesprächen. Ist die Kommissarin zufrieden mit dieser Strategie oder führen wir diese Debatte hier im Parlament an diesem Nachmittag nur höflichkeitshalber, während Herr Mandelson gerade an den Grundfesten der GAP sägt?
Iztok Jarc, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte Ihnen allen für eine sehr interessante Aussprache danken. Meines Erachtens war der Bericht von sehr hoher Qualität und enthielt eine Vielzahl guter Ideen.
Ich möchte feststellen, dass das Parlament und der Rat zu vielen Fragen in dieser Aussprache, die gar nicht alle aufgezählt werden können, weil es zu viele sind, sehr ähnliche Ansichten vertreten. Ich bin überzeugt, dass diese Ansichten durch diese Ähnlichkeiten, die eine gute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen bilden, zusätzliches Gewicht erhalten. Ich bin zudem sicher, dass sie auch in den Schlussfolgerungen zum Ausdruck kommen werden, die die Minister nächste Woche diskutieren und annehmen werden.
Ich bin mir sicher, dass beide Institutionen die von der Kommission auf der informellen Sitzung im Mai in Slowenien vorzulegenden Legislativvorschläge gründlich studieren werden und dass uns auf dieser Sitzung eine interessante Debatte ins Haus stehen wird.
Abschließend möchte ich feststellen, dass sich der slowenische Ratsvorsitz um einen raschen Beginn der Aussprache über diese Vorschläge bemühen wird, damit der Großteil der Arbeit während des slowenischen Ratsvorsitzes abgeschlossen werden kann.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich teile voll und ganz Herrn Nicholsons Ansicht, dass dies der erste Schritt in einer Diskussion ist, die für fast den Rest des Jahres andauern wird, und deshalb werde ich nicht im Einzelnen auf die verschiedenen Fragen eingehen, die heute gestellt wurden. Ich werde mich lediglich auf einige der wichtigsten konzentrieren.
Zunächst einmal sei festgestellt, dass die große Mehrheit eine stärkere Entkoppelung befürwortet, und das weiß ich sehr zu schätzen. Die Idee, einem Mitgliedstaat die Möglichkeit zur Einführung eines regionalen Modells zu geben, ermöglicht ihm den Übergang zu einer Flatrate, und ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten erläutert, weshalb ich das für wichtig halte.
Ich werde, um keine Erwartungen zu wecken, bezüglich der Entkoppelung beim Tabak kein Blatt vor den Mund nehmen. Angesichts der Tatsache, dass wir jetzt auf eine stärkere Entkoppelung orientieren, wäre die von einigen von Ihnen vorgeschlagene Ausweitung der gekoppelten Zahlungen für Tabak ein Schritt in die völlig falsche Richtung. Deshalb sollten Sie nicht erwarten, dass die Kommission etwas in diese Richtung unternehmen wird.
Frau McGuinness sagte, die Modulation sei ein Diebstahl an den Landwirten. Dem kann ich nicht zustimmen. Meines Erachtens sind für die ländliche Entwicklungspolitik mehr Mittel erforderlich, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, von denen der Klimawandel und die Senkung der CO2-Emissionen die wichtigsten sind.
Wir müssen berücksichtigen, dass erstens die entkoppelten Gelder in den Mitgliedstaaten verbleiben und dass zweitens die der Modulation unterliegenden Mittel von den Mitgliedstaaten kofinanziert werden, d. h. Sie steuern diese Gelder. Sie erhalten doppelt so viel, wie Sie von der Direktzahlung abziehen. Das ist eine wichtige Botschaft, und wir werden in den Legislativvorschlägen darauf zurückkommen.
Herr Graefe zu Baringdorf hat die progressive Modulation erwähnt und das aus seiner Sicht bestehende Erfordernis, die Arbeitsintensität in diese Diskussionen einzubeziehen. Ich verstehe seinen Standpunkt, ich kann dazu nur sagen, dass so etwas mit sehr viel Bürokratie verbunden und nur sehr schwer umzusetzen wäre. Deshalb würde ich mich nur sehr ungern an dieser Diskussion beteiligen.
Vielleicht irre ich mich, aber ich sehe in der Einführung der Mitentscheidung in der Landwirtschaft keine Bedrohung, wie dies verschiedentlich anklang. Das ist angesichts der Bedeutung der Landwirtschaft sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch aus der Sicht vieler Menschen, die davon betroffen sind, ein enormer und natürlicher Schritt. Deshalb begrüße ich diese Entwicklung. Andererseits kommt es jetzt darauf an, dass wir den Gesundheitscheck bis Jahresende abschließen, andernfalls wird daraus ein Gesundheitscheck für 2010, und das wäre bedenklich nahe an 2013. Das ist der Grund, aber Sie können mir glauben, dass ich über die erwähnten Veränderungen sehr glücklich bin.
Gegenüber Entwicklungsländern ist die Europäische Union der offenste Markt. Wir importieren mehr landwirtschaftliche Erzeugnisse als Kanada, die USA, Australien und Japan zusammengenommen. Das muss ebenfalls berücksichtigt werden, wenn wir über den Agrarsektor sprechen.
An Frau Harkins Adresse möchte ich sagen, dass ich über ihre mündliche Anfrage informiert bin. Sie wird schriftlich beantwortet, und deshalb bin ich sicher, dass sie alle Informationen erhalten wird, um die sie gebeten hat.
Lutz Goepel, Berichterstatter. − Herr Präsident! Mir fällt anhand dieser Diskussion der Eiskunstsport ein: Wenn beim Eiskunstlauf die Bewertung vorgenommen wird, dann streicht man die oberste und die unterste Note und nimmt dann die Bewertung vor. Wenn ich also in diesem Hause die extrem rechte Meinung und die extrem linke Meinung wegnehme, dann haben wir ein Ergebnis, mit dem wir alle sehr zufrieden sein und mit dem wir alle recht gut leben können.
Ich bedanke mich nochmals ganz herzlich für Ihre Unterstützung und Mitarbeit. Ich betone das noch einmal über die Fraktionsgrenzen hinaus. Ich freue mich auf eine spannende Zusammenarbeit für das legislative Gesetzespaket!
Der Präsident. − Ich möchte nur ergänzen, Herr Goepel, dass die Regel, die oberste und die unterste Note zu streichen, auch im Skispringen und im Boxen gilt. Wenn das unsere Debatte bereichert, dann ist es ja gut.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 12. März 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – (EN) Natürlich muss in diesem Bericht ganz klar herausgestellt werden, dass die Direktzahlungen unbedingt beibehalten werden müssen, und zwar nicht nur im Fall von Klimakatastrophen oder Marktversagen, sondern auch als Ausgleich für die hohen europäischen Standards beim Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz. Trotzdem sind wir verpflichtet, die Situation der schwächsten Länder mit landwirtschaftlicher Produktion zu berücksichtigen, wenn wir die Kriterien für die künftige Bewilligung von Direktzahlungen im Rahmen unserer gemeinsamen Agrarpolitik prüfen. Außerdem müssen wir uns die schwierige Lage vor Augen halten, in der sich der Agrarsektor in den meisten neuen Mitgliedstaaten befindet, die hauptsächlich bei der Umstrukturierung und Modernisierung des Sektors besonderer Aufmerksamkeit und weiterer Investitionen bedürfen. Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass im Rahmen des Gesundheitschecks der GAP – und angesichts der aktuellen Krise – besonderes Augenmerk auf die Gewährleistung der Nahrungsmittelsicherheit und der Versorgung unserer Bürger mit einer ausreichenden Menge Nahrungsmitteln gelegt werden muss.
18. Weiteres Vorgehen nach der Überprüfung des Lamfalussy-Prozesses (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über
- die mündliche Anfrage an den Rat über das weitere Vorgehen nach der Überprüfung des Lamfalussy-Prozesses von Pervenche Berès im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (O-0015/2008 – B6-0011/2008)
- die mündliche Anfrage an die Kommission über das weitere Vorgehen nach der Überprüfung des Lamfalussy-Prozesses von Pervenche Berès im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (O-0016/2008 – B6-0012/2008).
Pervenche Berès, Verfasserin. − (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Vielen Dank, Herr Kommissar, für Ihre Anwesenheit, aber wir erwarteten eigentlich – wie Sie sicherlich wissen oder vermuten – den Kommissar Charlie McCreevy. Sagen Sie ihm bitte, dass dieses Parlament nicht versteht, warum er heute hier bei dieser Aussprache nicht anwesend ist. Ich habe gehört, er sei der Meinung, dass es nicht angebracht sei, diese Fragen mit dem Europäischen Parlament zu debattieren, ehe sie im Europäischen Rat diskutiert worden sind bzw. ehe sich der Europäische Rat damit befasst hat. Allerdings stand dieses Thema bereits auf der Tagesordnung des Ecofin-Rates, und in ganz Brüssel und vielleicht auch in einigen europäischen Hauptstädten sind bereits die Entwürfe für Schlussfolgerungen im Umlauf.
Wir werden morgen hier im Plenum eine Debatte zur Vorbereitung dieser Tagung des Europäischen Rates führen; was steht dem also entgegen, dass – was die Finanzmärkte betrifft – diese Fragen nicht auch mit dem Europäischen Parlament vorbereitet werden können? Das verstehen wir nicht, es sei denn, der Kommissar macht in Irland gerade Werbung für den Vertrag von Lissabon, doch dann könnte er uns das doch sagen. Wenn es sich um die Vorbereitung seiner Zukunft handelt, dann interessiert uns das ebenfalls. Wenn Kommissar McCreevy mehr Transparenz auf den Finanzmärkten erreichen will, dann meine ich, sollte er erst einmal Transparenz hinsichtlich seines Terminkalenders schaffen!
Die Finanzinnovation ist eine wichtige Frage. Ich glaube auch, es ist höchste Zeit, dass wir uns in diesem Parlament der Notwendigkeit einer Regulierung stellen. Man hält uns oft entgegen: Wenn Sie die Finanzmärkte regulieren, dann verlässt das Kapital den europäischen Markt. Doch wie mein amerikanischer Kollege sagte, ist das Einzige, was wir heute feststellen, nicht die Kapitalflucht, sondern die Flucht der Auswirkungen der Subprimekrise.
Wenn wir diese Debatte führen, dann haben wir dabei drei Ziele im Auge: natürlich funktionierende Finanzmärkte, aber auch die wirkliche Fähigkeit zur Finanzierung der realen Wirtschaft sowie die Fähigkeit zur frühzeitigen Erkennung der Stabilitätsanforderungen der Finanzmärkte und zum Schutz vor systembedingten Risiken. In diesem Sinne befassen wir uns heute mit der Vorbereitung der Europäischen Ratstagung, wobei wir der Auffassung sind, dass die europäische Geldpolitik zu Beginn der Krise wahrscheinlich richtig reagiert hat, dass aber jetzt die europäische Aufsichtsbehörde gewissermaßen bloßgestellt ist, und das macht uns Sorgen.
Wenn wir uns die Themen ansehen, die auf der kommenden Tagung des Europäischen Rates diskutiert werden sollen, dann stellen wir uns die Frage: Wie groß ist auf europäischer Ebene die Fähigkeit zur frühzeitigen Erkennung einer Krise wirklich? Es ist die Rede von einem Frühwarnsystem. Doch was wir feststellen, ist, dass die einzigen, die wirklich in der Lage sind zu warnen, Goldman Sachs heißen. Werden wir daraus alle Lehren für die Funktionsweise Europas ziehen?
Wie ich höre, ist überall viel von Transparenz die Rede. Wir sind alle für Transparenz. Doch wie steht es um diese Forderung nach Transparenz, wenn seit acht Monaten alle großen Investmentbanken vergeblich aufgefordert werden, ihre Zahlen offen zu legen, eine Bewertung der eingegangenen Risiken zu geben. Sie können dies nämlich nicht tun, denn dies birgt Risiken für ihren Ruf und Bewertungsrisiken, die äußerst schwer einzugehen sind.
Wenn ich daher von einer Alternative höre, dem Frühwarnsystem, auf das ich schon eingegangen bin… Wie mir ein Gouverneursratsmitglied des IWF neulich sagte, ist es mit dem Frühwarnsystem ähnlich wie mit der Warnung „Rauchen tötet“ auf Zigarettenschachteln. Wie sehr verändert dies Ihr Verhalten? Nicht sehr viel.
Natürlich haben der IWF und das Forum für finanzielle Stabilität eine Rolle in dieser Angelegenheit zu spielen. Wer könnte dies abstreiten? Doch muss dies eine Alternative zu unserer Fähigkeit sein, zu prüfen wie unsere Systeme funktionieren. Und hier warten, wie ich sagen muss, immer größere Überraschungen auf dieses Parlament. Als wir am 13. Dezember den Bericht Ehler über Einlagensicherungssysteme annahmen, wurde uns gesagt, dass dies eine zu komplizierte Angelegenheit sei und dass es jedenfalls keinerlei Garantie für das Funktionieren der Systeme mit sich bringen werde.
Doch heute scheint es nach den Hauptschlussfolgerungen des Ecofin-Rates ein Weg aus der Krise oder zumindest ein Thema zu sein, das dringend wieder auf die Tagesordnung zu setzen ist. Wenn Sie es wieder auf die Tagesordnung setzen, Herr Kommissar, oder vielmehr wenn dies Ihr Kollege Charlie McCreevy tut, werden wir zur Stelle sein, um es zu beraten. Doch sollten Sie vielleicht hier und da etwas mehr darauf hören, was das Parlament zu Themen wie diesem sagt.
Was die Kreditbewertungsagenturen betrifft, so können wir Sie bzw. Kommissar McCreevy ebenfalls nur darauf verweisen, was wir bereits vorher gesagt haben. Wir wissen, dass die Kommission Vorschläge zur Änderung der Eigenkapitalrichtlinie vorlegen will. Diese Vorschläge werden wir aufmerksam prüfen, doch wir denken nicht, dass dies genügt, um die Europäische Union mit dem Aufsichtssystem auszurüsten, das sie braucht; es sei denn, es werden sämtliche, seit Monaten auf dem Tisch liegenden Vorschläge berücksichtigt.
Ähnlich verhält es sich mit den Aufsichtsausschüssen bzw. den drei Stufe-3-Ausschüssen, wie wir zu sagen pflegen. Wir brauchen für diese drei Stufe-3-Ausschüsse einen Legislativvorschlag, der ihnen eine solide Rechtsgrundlage zum Handeln und zur Verstärkung ihrer Fähigkeit bis hin zum Dialog mit den anderen Aufsichtsbehörden verleiht, denn die Vorstellung, die anderen Aufsichtsgremien einzubeziehen, ohne dass wir selbst ein solides Aufsichtsgremium besitzen, scheint uns nicht zufrieden stellend.
Wir wünschen, dass der Rat und die Kommission sämtliche vorliegenden Vorschläge zusammen beraten, nicht zu vergessen die Vorschläge, die der italienische Finanzminister Padoa-Schioppa auf der Sitzung des Ecofin-Rates im Dezember gemacht hat. In gleicher Weise wünschen wir ebenfalls, dass wir unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips proaktiver über eine Verbesserung unseres Regulierungssystems nachdenken.
Wir glauben auch nicht, dass die Hypothese eines Lead Supervisor sämtliche Mitgliedstaaten zufrieden stellen würde. Daher sollte das Parlament für eine Lösung eintreten, die alle Mitgliedstaaten einbezieht und jeden in die Lage versetzt, sich mit einem Aufsichtssystem anzufreunden.
Ich wären Ihnen dankbar, Herr amtierender Präsident, und Ihnen, Herr Kommissar, wenn Sie zu all diesen Fragen Stellung nehmen würden, wobei ich wohlgemerkt natürlich nur Fragen angesprochen habe, die sich im Ausschuss für Wirtschaft und Währung stellen, denn wir haben noch nicht über einen entsprechenden Bericht beraten.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte den Standpunkt des Rates unterstreichen, dass nämlich die wichtigste Reaktion auf die aktuelle Lage am Finanzmarkt darin besteht, die drei vom Rat während des portugiesischen Ratsvorsitzes bereits angenommenen Arbeitsprogramme konsequent durchzuführen.
Sie werden sich erinnern, dass der ECOFIN-Rat im vergangenen Oktober einen Bericht und ein Paket von Beschlüssen angenommen hat, die in der Frage von Frau Berès erwähnt werden. Den Beschlüssen wurde ein Strategieplan beigefügt.
Ich möchte kurz auf die Prinzipien eingehen, von denen wir uns bei unserer Arbeit leiten lassen. Das erste betrifft die Verfahren und Grundsätze zur Verbesserung der Zusammenarbeit und des Verhaltens in internationalen Finanzkrisen. Eines der Hauptziele in diesem Bereich sind die Fertigstellung und Unterzeichnung der neuen Absichtserklärung, die gemeinsame Grundsätze und Leitlinien zur Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich des Krisenmanagements definieren wird. Der Ratsvorsitz geht davon aus, dass die Absichtserklärung auf der informellen Tagung des ECOFIN-Rates, die nächsten Monat in Slowenien stattfinden wird, unter Dach und Fach gebracht werden kann.
Der zweite Grundsatz unserer Arbeit zur Stärkung der Finanzstabilität betrifft das Instrumentarium für Krisenprävention, -management und -bewältigung. Der Strategieplan von Oktober befasst sich mit den bekannten Defiziten, insbesondere den Regeln für die staatliche Beihilfe, dem Einlagensicherungssystem, den Vorschriften für Liquidationsverfahren und den Grenzen für die Mittelübertragung, und zwar jeweils im internationalen Rahmen.
Ich möchte kurz auf die Beschlüsse im Anschluss an die Überprüfung des Lamfalussy-Prozesses eingehen, die auf der Dezembertagung des ECOFIN-Rates angenommen wurden, sowie den beigefügten Strategieplan. Obwohl sich diese Angelegenheit in gewisser Weise auf Bemühungen zur Sicherung der Finanzstabilität bezieht, haben die langfristigen Probleme in Verbindung mit der Überwachung internationaler Bankengruppen nicht viel mit der aktuellen Marktlage zu tun. Sie betreffen vor allem die nationalen Aufsichtsbehörden, die für eine Anpassung an die Bedingungen sich ständig entwickelnder Finanzmärkte zu sorgen haben.
Nach Ansicht des Rates, und das möchte ich betonen, müssen wir die aufsichtliche Konvergenz erhöhen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Dabei geht es uns in erster Linie um die Konvergenz aufsichtlicher Praktiken und nicht notwendigerweise um die Konvergenz aufsichtlicher Einrichtungen. Was die Reaktion der wirtschaftspolitischen Akteure auf die aktuelle Lage an den Finanzmärkten betrifft, so vertritt der Rat die Ansicht, dass die Hauptverantwortung für Korrekturmaßnahmen beim jeweiligen Sektor liegt. Wir sollten nur dann als Gesetzgeber einschreiten, wenn der Sektor nicht in der Lage ist, effiziente Maßnahmen zu ergreifen.
Der ECOFIN-Rat hat sich auf seiner letzten Tagung am 4. März mit der Frage der Finanzstabilität befasst. Ende dieser Woche wird sich der Europäische Rat mit diesem Problem beschäftigen und den erzielten Fortschritten hoffentlich zustimmen. Der ECOFIN-Rat wird die Situation weiter aufmerksam verfolgen. Ich habe bereits die informelle Tagung des ECOFIN-Rates, die im April in Slowenien stattfinden wird, erwähnt. Wir würden uns natürlich über Vorschläge seitens des Europäischen Parlaments freuen.
Vorsitz: Diana WALLIS Vizepräsidentin
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin, die von Frau Berès im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vorgelegte mündliche Anfrage gibt mir die Gelegenheit, Sie im Namen von Herrn McCreevy und der gesamten Kommission über das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit der Überprüfung des Lamfalussy-Prozesses zu informieren.
Das ganze letzte Jahr über war das europäische Aufsichtsmodell im Bereich der Finanzdienstleistungen Gegenstand von Untersuchungen auf höchster politischer Ebene. Die Diskussionen haben gezeigt, dass ein starker politischer Wille zur Stärkung der gegenwärtigen Aufsichtsstruktur auf der Grundlage der Struktur des Lamfalussy-Ausschusses vorhanden ist. Im vergangenen Jahr haben das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission jeweils ihre Einschätzung zum Funktionieren des aktuellen Prozesses vorgelegt. Als nächstes müssen jetzt konkrete Vorschläge unterbreitet werden.
Diese gehen auf die Schlussfolgerungen des ECOFIN-Rates und den dazugehörigen Fahrplan zurück, die im Dezember letzten Jahres angenommen wurden. In diesem Fahrplan wird dargelegt, was zu tun ist, um den Lamfalussy-Prozess und insbesondere die Ausschüsse der nationalen Aufsichtsbehörden, die so genannten Stufe-3-Ausschüsse, zu stärken.
Die Arbeit der Kommission konzentriert sich entsprechend dem im Dezember letzten Jahres vereinbarten Fahrplan im Wesentlichen auf drei Bereiche. Erstens wurde die Kommission aufgefordert zu prüfen, wie die Rolle der Stufe-3-Ausschüsse eindeutiger festgelegt und gestärkt werden kann, und konkrete Optionen für den informellen ECOFIN-Rat im April kommenden Jahres in Ljubljana zu unterbreiten.
In diesem Zusammenhang geht es hauptsächlich darum darzulegen, welchen Beitrag die Stufe-3-Ausschüsse zur aufsichtlichen Zusammenarbeit und Konvergenz und möglicherweise zur Krisenprävention und -bewältigung leisten sollen. Ein Thema des informellen ECOFIN-Rates wird übrigens auch die Tätigkeit einer Task Force sein, die sich auf das Krisenmanagement bei länderübergreifend tätigen Institutionen konzentriert.
Zweitens ist eine Arbeitsgruppe der Kommission weiterhin mit der Überprüfung von Aufsichtsbefugnissen, der freiwilligen Übertragung von Aufgaben, der aufsichtlichen Zusammenarbeit und dem Austausch von Informationen befasst. Hierbei arbeiten wir mit den drei Stufe-3-Ausschüssen zusammen, um die geforderten Ergebnisse vor Jahresende zu liefern. In Anbetracht des mit diesen Überprüfungen verbundenen enormen Aufwands können heute aber noch keine Aussagen zum Ergebnis diese Arbeit getroffen werden.
Drittens prüft die Kommission die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung an den Aktivitäten der Stufe-3-Ausschüsse. Dabei handelt es sich um ein dringendes Problem, sind doch diese Ausschüsse im Allgemeinen und der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) im Besonderen an die Grenzen ihrer Etats gestoßen. Die Kommission wird nach einer bestandsfesten rechtlichen Lösung suchen, die Kontinuität bei der EU-Finanzierung gewährleisten würde. Unserer Ansicht nach könnte dies am besten erreicht werden, indem die Modalitäten der Finanzierung durch die EU in einer vom Europäischen Parlament und vom Rat anzunehmenden Entschließung vereinbart werden.
Mir fehlt die Zeit, dem Parlament Einzelheiten zum Fahrplan zu nennen, der vergangenes Jahr im Dezember vom ECOFIN-Rat angenommen wurde, gestatten Sie mir aber dennoch, eine halbe Minute darauf zu verwenden, einige der Verpflichtungen vorzulesen, die der Kommission zugeleitet wurden. Wir arbeiten an allen diesen Dingen. Bis April 2008 soll die Kommission eine Bewertung darüber erstellen, wie die Rolle der Ausschüsse eindeutiger festgelegt werden kann, und alle Optionen zur Stärkung der Funktionsweise dieser Ausschüsse prüfen.
Bis Mitte 2008 sollen die Stufe-3-Ausschüsse der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat erstmals einen Entwurf ihrer Arbeitsprogramme vorlegen und danach jährlich über Fortschritte Bericht erstatten. Die Ausschüsse sollen auch untersuchen, auf welche Weise erreicht werden kann, dass ihre Leitlinien, Empfehlungen und Normen auf nationaler Ebene besser angewendet werden; sie sollen in ihre Satzung die Möglichkeit aufnehmen, Abstimmungen mit qualifizierten Mehrheit durchzuführen, verbunden mit einem Einwilligungs- oder Begründungsverfahren; sie sollen der Möglichkeit nachgehen, gemeinsame operative Leitlinien für die Arbeit von Aufsichtskollegien einzuführen und die Kohärenz der Praktiken der verschiedenen Aufsichtskollegien zu überwachen. Ebenfalls bis Mitte 2008 sollen die Stufe-3-Ausschüsse und die Kommission einen Zeitplan für die Einführung EU-weiter Berichterstattungsformate für einheitliche Datenanforderungen und Berichterstattungsfristen vorschlagen.
Die Kommission hat sich auch verpflichtet, bis Ende 2008 eine sektorübergreifende Bestandsaufnahme in Bezug auf Kohärenz, Gleichwertigkeit und tatsächliche Ausübung von Sanktionsbefugnissen in den Mitgliedstaaten durchzuführen. Bis Ende 2008 soll die Kommission zudem prüfen, ob finanzielle Unterstützung aus dem EU Haushalt geleistet werden kann. Und sie soll, wie ich bereits bemerkte, prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, EU-Haushaltsmittel für die Entwicklung eines Instrumentariums bereitzustellen, das den Stufe-3-Ausschüssen beim Aufbau einer gemeinsamen Aufsichtskultur helfen soll. Die Kommission und die Ausschüsse sollen die Finanzdienstleistungsrichtlinien überprüfen, um Bestimmungen aufzunehmen, die eine freiwillige Übertragung von Aufgaben ermöglichen, die Optionen für eine freiwillige Übertragung von Aufsichtsbefugnissen prüfen und so weiter und so fort. Wir arbeiten also viel, und daran dürfte sich auch in den kommenden Wochen, Monaten und bis zum Ende dieses Jahres nichts ändern.
Gleichzeitig befassen wir uns aber auch mit dem Chaos an den Finanzmärkten unter Nutzung des vom ECOFIN-Rat im Oktober 2007 angenommenen Fahrplans. Ein Bericht, in dem dargelegt wird, wie wir diesen Fahrplan zur Bewältigung der Finanzmarktturbulenzen abarbeiten, wurde dem Europäischen Rat übermittelt, der darüber in wenigen Tagen in Brüssel beraten wird. Wir haben uns mit einer Mitteilung an der Erstellung dieses Berichts beteiligt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen legte ECOFIN neulich auch einen eigenen Bericht vor. Auf ECOFIN-Ebene haben wir über die beiden Berichte diskutiert, die am Donnerstag und Freitag kommender Woche durch die Staats- und Regierungschefs erörtert werden.
Die Berichte vermitteln eine einfache Botschaft: Wir müssen schnell und konsequent handeln, um auf die Bedenken und Sorgen der Bürger und Investoren zu reagieren. Wir müssen Vertrauen und Stabilität nach sorgfältiger Prüfung aller Optionen und in Übereinstimmung mit den besseren Regulierungsgrundsätzen so bald wie möglich wiederherstellen.
Ich glaube, jeder erkennt, dass dieser Fahrplan, der vor einigen Monaten vom ECOFIN-Rat angenommen wurde, die richtige Antwort auf die Probleme gibt. Die Arbeit an diesen Fahrplanverpflichtungen läuft nach Plan. In den kommenden Monaten wird es darauf ankommen, sich an den Zeitplan zu halten und zu zeigen, dass die EU wirksam auf die Krise reagiert.
Unser Regulierungs- und Aufsichtsrahmen muss stabil bleiben und mit Marktentwicklungen Schritt halten. Obwohl die Basel-II-Vorschriften erst seit dem 1. Januar 2008 vollständig angewendet werden, sind bereits weitere Verbesserungen an der Eigenkapitalrichtlinie ins Auge gefasst worden. Diese Arbeit hat angesichts der jüngsten Turbulenzen größere Bedeutung erlangt, und vielleicht müssen wir uns demnächst auch mit anderen Aspekten von Basel II befassen. Im Oktober wollen wir einen neuen Vorschlag zu dieser Richtlinie annehmen, so dass die Debatte im Parlament und im Rat vor dem Erlass einer neuen Richtlinie im April 2009 stattfinden kann.
Wir schätzen die Beteiligung des Parlaments an all diesen Diskussionen sehr. Wir brauchen den Beitrag des Parlaments, und wir schätzen dieses Engagement und diesen Beitrag. Am 1. April – wenige Tage vor dem nächsten informellen ECOFIN-Rat – wird Herr McCreevy in den Ausschuss für Wirtschaft und Währung gehen. Und bekanntlich bin ich als Kommissar für Wirtschaft und Währung im Interesse der makrofinanziellen Stabilität stets bereit, mich an den Aussprachen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und im Parlament zu beteiligen.
Schließlich gilt im Hinblick auf makrofinanzielle Belange, dass wir den Aufsichts- und Regulierungsrahmen verbessern müssen – das trifft auf europäischer und globaler Ebene den Kern der Sache –, aber wir werden diesen Blasen, diesem Übermaß an Liquidität, dieser Gefährdung der Finanzstabilität nicht beikommen, wenn wir nicht ernsthaft gegen globale Ungleichgewichte vorgehen. Das ist die wahre Ursache dieser Ungleichgewichte. Wir können Probleme der Gegenwart und der Vergangenheit bzw. eventuelle künftige Belastungen für das Funktionieren der Weltwirtschaft nicht lösen, ohne die globalen Ungleichgewichte anzupacken, die nach wie vor bestehen.
Alexander Radwan, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsident, Herr Kommissar! Wir haben 1999 das Projekt eines europäischen Finanzbinnenmarktes angestoßen und seither vorangetrieben, und wir sind auf einem erfolgreichen Weg.
Jetzt müssen wir schauen, dass die Marktentwicklungen die politischen Entwicklungen nicht weiter überholen. Der Lamfalussy-Prozess war ein Schritt in diese Richtung, Level 3 könnte ein Weg sein, die Aufseher in Europa ein Stück näher zusammenzuführen. Aber ich halte mich an das, was Kommissar Almunia gesagt hat, nämlich: Rasch und wirksam handeln.
Wir erleben eine Subprime-Krise oder Subprime-Turbulenzen. Die Amerikaner – ob es die SEC, ob es das Weiße Haus, die Politik oder die Staatsanwaltschaften in New York oder in Washington sind –, sind schon längst dabei, die entsprechenden Resumés zu ziehen und zu überlegen, welche Maßnahmen gefordert sind, während in Europa die Finanzminister noch darüber sinnieren, in welche Richtung man gehen könnte.
Die Finanzminister weigern sich, eine europäische Aufsichtsstruktur voranzutreiben, wobei ich hier nicht einem europäischen Aufseher das Wort rede. Aber was die Finanzminister – und hier wende ich mich besonders an den Rat – schon zu verantworten haben, ist, dass Europa in der internationalen Diskussion, wie man mit diesem Problem umgeht, nicht präsent ist. Wir werden am Schluss wieder nur die Regeln anderer Nationen, wie z. B. der Amerikaner, übernehmen dürfen.
Ich erinnere nur an den Bericht Katiforis. Wir haben im Jahr 2003-2006 nach Parmalat und Enron die Kommission und den Rat aufgefordert, sich entsprechend zu rating agencies zu äußern. Die Kommission analysiert ja alles in Europa, bloß wenn es Krisen gibt, da findet keine Analyse statt. Beim Thema Hedgefonds etwa findet in der Europäischen Union keine Analyse statt. Darum mein dringender Appell: Legen Sie ihre Lethargie ab, gehen Sie aus dem Bereich der nationalen Egoismen heraus und arbeiten Sie weiter daran, dass der europäische Finanzmarkt nicht nur in Europa eine Erfolgsgeschichte wird, sondern dass das, was sich hier bewährt hat, auch weltweit zur Regel wird.
Ieke van den Burg, im Namen der PSE Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zwei Bemerkungen voranstellen. Erstens hätte ich gern mit Herrn Almunia über diese globalen Ungleichgewichte, Währungsinterventionen usw. diskutiert, wir werden das jedoch in anderer Zusammensetzung mit Herrn Trichet tun.
Ich möchte an dieser Stelle allerdings betonen, dass wir ohne diese EZB-Struktur, ohne dieses System europäischer Banken, das in das aktuelle Chaos eingegriffen hat, wesentlich schlechter dagestanden hätten. Aus meiner Warte besteht dieses Gleichgewicht in der Währungspolitik – wir hatten diese Art der Aufgabenerledigung auf europäischer Ebene, allerdings nicht bei den aufsichtlichen Aspekten. Genau das wird für die Ex-ante-Prävention statt bloßer Interventionsmaßnahmen gebraucht.
Meine zweite Vorbemerkung bezieht sich auf die Abwesenheit von Charlie McCreevy. Ich halte es für inakzeptabel, dass er nicht mit uns reden will. Vielleicht kümmert er sich ja um seine persönliche Zukunft; es würde sich nach meinem Dafürhalten für die Kommission, die 2009 antritt, aber durchaus lohnen, über den Posten eines Kommissars nachdenken, der ausschließlich für die Finanzmärkte zuständig sein würde, denn das ist meiner Meinung nach ein wirklich wichtiges Thema für Europa und die Europäische Kommission.
Was nun die Aufsicht anbelangt – den Fahrplan, den Sie erläutert haben –, so glaube ich nicht, dass wir uns über die Maßnahmen uneins sind; ich hätte allerdings erwartet – und ich habe das bei der gemeinsamen Jahrestagung im November im Stufe-3-Ausschuss sehr deutlich erklärt –, dass diese Maßnahmen auch in einen unmissverständlichen Vorschlag für legislative Maßnahmen seitens der Kommission einfließen. Die Kommission hat das Initiativrecht, sie kann Vorschläge unterbreiten, und wir wären in der Lage gewesen, schnell und konsequent zu handeln, wenn uns ein konkreter Vorschlag vorgelegen hätte. Denn zurzeit sind viele dieser Maßnahmen nur freiwillig: es handelt sich um an Ausschüsse gerichtete Ersuchen, die nun wirklich nicht die Befugnis, das Mandat, die Kompetenzen und die Werkzeuge haben, das zu tun, was wir von ihnen erwarten, weil sie auf nationaler Ebene angesiedelt sind und dieses europäische Mandat nicht haben. Dies hätte Gegenstand eines entsprechenden Vorschlags der Europäischen Kommission gewesen sein können.
Warum handelt die Kommission so langsam? Meines Erachtens ist ein Grund darin zu sehen, dass sie die Stufe-3-Ausschüsse nur in beratender Funktion sehen wollen und nicht als zentrales Instrument einer europäischen Aufsicht. Wir müssen meines Erachtens auch zugeben, dass sie diese wichtige Rolle spielen und dass wir, ebenso wie die Europäische Zentralbank, eine echte unabhängige Aufsichtsstruktur brauchen, die sich mit diesen Fragen befassen kann. Nicht nur die Kommission – vertreten durch die Generaldirektion Wettbewerb – sollte sich damit beschäftigen, denn sie ist in dieser Hinsicht zu schwach.
Was den Rat anbelangt, hoffe ich inständig, dass Sie die Dringlichkeit erkennen und weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Aufsichtsstruktur erörtern.
Josu Ortuondo Larrea, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Minister! Ein dynamischer und gesunder Finanzsektor ist für die Stabilität der europäischen Wirtschaft und die weltweite Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Er ist für Verbraucher und Unternehmen lebenswichtig.
Mit Blick darauf sind wir uns einig über die Notwendigkeit, die Finanzinstitutionen gut zu leiten und zu überwachen. Daher setzten wir 2001 den so genannten Lamfalussy-Prozess in Gang, um über einen effizienten Mechanismus für die Konvergenz zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten und Partnern im Hinblick auf die Aufsichtspraktiken und Finanzvorschriften zu verfügen. Jetzt fordert die Kommission von uns die Annahme einer Reihe neuer Initiativen zur Annahme von Rechtsvorschriften, zur Zusammenführung der Beaufsichtigung und zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden in den verschiedenen Mitgliedstaaten.
Wir sind mit all dem einverstanden, denn wir brauchen einen starken und gesunden Finanzsektor, der in der Lage ist, unsere Wirtschaft angesichts der Turbulenzen auf den internationalen Märkten zu stützen, doch wir wollen noch mehr. Wir wollen eine Prüfung der Richtlinie über Spareinlagen, die seit 2005 in Kraft ist, um solchen Skandalen wie Liechtenstein, wo sich anscheinend Steuerhinterzieher verstecken können, ein Ende zu setzen.
Es darf keine Mitgliedstaaten oder mit dem Europäischen Wirtschaftsraum verbundene oder assoziierte Territorien oder Länder geben, die unter dem Schutz des Bankgeheimnisses keine Informationen über Zinsen austauschen, die an Gebietsansässige anderer Mitglieder dieses gemeinsamen Wirtschaftsraums gezahlt werden.
Der freie Wettbewerb verbietet staatliche Hilfen als Form der Unterstützung der Privatwirtschaft; und die Besteuerung von Spareinlagen darf keine Möglichkeit der Verzerrung des gleichberechtigten Wettbewerbs bieten. Die Spielregeln müssen für alle gleich sein, und deshalb gilt es, Steueroasen zu beseitigen, da sie wettbewerbsfeindlich und antisozial sind.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Zwei Minuten reichen nicht aus, um alle Punkte anzusprechen. Ich möchte mich sehr kurz fassen. Ich stimme vielem zu, was meine Kollegen gesagt haben, besonders den Ausführungen von Frau van den Burg zum Zögern der Kommission, den Stufe-3-Ausschüssen größere Verantwortung zu übertragen.
Ich halte es für normal, dass Stufe-3-Ausschüsse zwei unterschiedliche Funktionen erfüllen. Sie haben sich bei der Beratung zu neuen Richtlinien bewährt. Die Beratungsfunktion wird sehr gut wahrgenommen, aber wir haben noch keinen Weg zum Erreichen echter Konvergenz in Europa gefunden. Absolut unausgewogen ist das Verhältnis zwischen europäischer Konvergenz und nationaler Verantwortlichkeit. Obwohl wir die ECOFIN-Vorschläge, den Fahrplan und alles, was entwickelt wurde, uneingeschränkt unterstützen, bezweifeln wir, dass sie die in Europa bestehenden Probleme lösen werden. Kann mit dem derzeitigen Aufsichtssystem wirklich ein voll integriertes Management erreicht werden? Ich glaube nicht daran. Wir sind auch der Meinung, dass die Konsolidierung des CRD-Aufsichtsmodells deutlich umfassendere Verbesserungen erfordert als die im Fahrplan genannten Änderungen. Mit guten Delegierungsbefugnissen, guten Informationsanforderungen allein ist es nicht getan und lassen sich Probleme von Herkunfts- bzw. Aufnahmemitgliedstaaten nicht lösen. Wir müssen den Stufe-3-Ausschüssen mehr Entscheidungsbefugnisse zubilligen. Sie müssen unabhängiger von der Kommission werden und die Keimzelle des neuen vernetzten europäischen Aufsichtssystems sein.
Zum Schluss möchte ich auf das Thema US-Konvergenz und globale Folgen eingehen, mit dem sich auch der Kollege Radwan befasst hat. Ich glaube, wir verlieren Zeit in Europa. Wenn wir uns nicht am Riemen reißen, können uns unsere Kollegen auf internationaler Ebene wirklich nicht ernst nehmen. Obwohl sich der Dialog über Finanzdienstleistungen gut entwickelt hat, müssen wir unseren Weg zu Konvergenz weiter verbessern, um den Amerikanern zu zeigen, dass wir ein gleichwertiges System haben und auf solche Instrumente wie gegenseitige Anerkennung und sogar ersetzte Einhaltung zurückgreifen können. Daher kommt der Berücksichtigung dieses globalen Aspekts sehr große Bedeutung zu.
Elisa Ferreira (PSE). – (PT) Frau Präsidentin! Die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten haben gezeigt, dass die Entwicklung, die zu Effizienzzuwächsen geführt hat, auch größere Risiken mit Folgen für die Solidität des Finanzsystems und die Gesundheit der Realwirtschaft in sich bergen kann. So wurde die für 2007 geplante Revision immer dringender und erlangte größere politische Bedeutung. Deshalb muss Europa heute angemessene und wirksame Antworten auf die zunehmende Komplexität der Märkte finden.
Bekanntermaßen ist Fortschritt möglich, ohne das Kerngefüge des Lamfalussy-Verfahrens zu ändern, jedoch ist, wie viele meiner Kollegen sagten, in der stärkeren und wirksameren Koordinierung zwischen den nationalen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden durch Verbesserung der Effizienz auf Stufe 3, Ausweitung von Befugnissen und Kompetenzen, Stärkung der Mechanismen zur Bewältigung von Turbulenzen und Krisen sowie Sicherstellung schlüssiger Grundsätze und Praktiken eines der naheliegendsten und vordringlichsten Werkzeuge für Verbesserungen zu sehen.
Diese Koordinierung ist ein komplizierter Prozess und entsteht nicht im Selbstlauf: dazu bedarf es konkreter und kompetenter Initiativen seitens der Kommission als Antwort auf die heute hier zu Recht erwähnten, vom Parlament und vom ECOFIN-Rat verschiedentlich abgegebenen Empfehlungen, die in dem hier ausführlich zitierten Fahrplan festgelegt sind.
In Anbetracht dessen, dass der nächste Europäische Rat ansteht, überrascht bei den von der Kommission geplanten Initiativen der offenkundige Mangel an Transparenz. Eine noch größere Überraschung ist die Abwesenheit von Kommissar McCreevy, wurde er doch vom Parlament ausdrücklich um Auskunft über den Fortgang der Arbeiten gebeten.
Abschließend möchte ich Kommissar Almunia nochmals dafür danken, dass er sich zur Verfügung gestellt hat, auch wenn ich bei meiner Überzeugung bleibe, dass wir wegen der Fachspezifik des Themas und weil die Kommission verpflichtet ist, eine konkrete Initiative vorzuschlagen, unbedingt eine klärende Aussprache mit dem zuständigen Kommissar führen müssen.
Antolín Sánchez Presedo (PSE). – (ES) Frau Präsidentin! Der Lamfalussy-Prozess wurde ins Leben gerufen, damit das Gemeinschaftsrecht zu Finanzangelegenheiten schnell und flexibel auf Marktentwicklungen reagieren kann und um die Konvergenz der Aufsichtspraktiken zu fördern. Seine Aktivitäten auf allen vier Stufen haben es möglich gemacht, die Aktionen der Institutionen und der Aufsichtsbehörden in der Europäischen Union besser zu koordinieren.
Wir müssen darüber hinausgehen.
Um seine Legitimität, Qualität und Kohärenz zu erhöhen, müssen wir die Prinzipien besserer Regulierung und demokratischer Kontrolle weiter stärken, die Integration seiner Stufen verbessern und eine größere sektorübergreifende Konvergenz fördern, um Arbitragen zu vermeiden. Eine europäische Perspektive und neue Schritte sind entscheidend, um diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen und um vor allem die Aufsicht der grenzübergreifenden Gruppen zu bewerkstelligen und bei der Prävention und dem Management internationaler Krisen voranzukommen.
Harald Ettl (PSE). – Frau Präsidentin! Finanzstabilität durch Krisenbewältigung muss jetzt Vorgabe beim Ausbau der aufsichtsrechtlichen Konvergenz sein. Es geht darum, Lehren aus den Finanzkrisen und ausufernden Entwicklungen der Finanzindustrie zu ziehen, die sich mit einer adäquaten Makroökonomie nicht mehr vereinbaren lassen. Das heißt, noch 2008 ist ein dauerhaftes Fundament für das Lamfalussy-Verfahren zu schaffen. Die Bedürfnisse der Marktteilnehmer setzen ein flexibles Regelungsverfahren voraus. Voraussetzung dabei muss sein, dass das Aufsichtshandeln durch die parlamentarische Kontrolle gewährleistet ist und die Rechte des Parlaments gewährleistet sind. Es gibt keine transparente Kontrolle ohne Parlamentarismus.
Unser Weg führt geradewegs über den Lead Supervisor in ein System der europäischen Aufsichtsbehörden. Nur in einem europäischen System der Aufsichtsbehörden kann ein Ausgleich der europäischen Finanzplätze untereinander unter Berücksichtigung aller politischen und wirtschaftlichen Interessen gefunden werden. Und für die Zwischenschritte dorthin muss die Kommission Akteur sein, nicht nur Moderator.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kommissar! Das Lamfalussy-Verfahren begleitet uns seit Jahren in dankenswerter Weise zu diesem besonderen Schwerpunkt der Finanzmechanismen. Wir haben auf der anderen Seite im Rahmen der normalen Verfassungsdiskussion immer wieder auch den Versuch unternommen, demokratische Rechtsetzung auch dort in Gang zu halten, wo wir delegierte Rechtsetzung aus europäischen Institutionen heraus haben. Wir haben in beiden Fällen immer wieder dasselbe Problem: Nämlich zu gewährleisten, dass wir auf der einen Seite ein Mindestmaß an Transparenz sicherstellen können und dass auf der anderen Seite in diese Kontrolle auch das Parlament in adäquater Weise eingebunden ist.
Gibt es konkrete Bemühungen, die allgemeinen Diskussionen im Kontext der Komitologie und das Lamfalussy-Verfahren im Besonderen näher aneinander heranzuführen, damit wir nicht weiterhin diese Vielfalt an Verfahren haben und uns auf diese Art und Weise wieder ein Teil der Transparenz genommen wird?
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Frau Präsidentin! Ich werde versuchen, mich ganz kurz zu fassen, doch ich wollte gern ein paar kurze Bemerkungen zu einigen der hier gehörten Redebeiträge machen.
Erstens ist es klar, dass eine Asymmetrie zwischen der nationalen Aufsichtsstruktur, den Strukturen der Finanzaufsicht und der zunehmenden Bedeutung der supranationalen Institutionen und der globalen, nicht nur europäischen, Dimension der Finanzmärkte und Finanztätigkeit besteht. Diese Asymmetrie führt zu Spannungen und verlangt eine Antwort der europäischen Institutionen, der Kommission, des Rates und des Parlaments. Darüber werden wir nicht diskutieren, denn ich denke, da sind wir uns alle einig.
Zweitens bin ich nicht ganz einverstanden mit einigen Reden, in denen angedeutet wurde, dass die Strukturen der Aufsicht und der Reaktion auf Ereignisse im US-Finanzsystem unseren europäischen überlegen seien. Offen gestanden, meiner Ansicht nach deuten die Tatsachen nicht darauf hin, sondern sind eher ein Argument für die europäischen Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen und die Art und Weise, in der die Finanzmärkte in Europa in einer ganzen Reihe von Bereichen funktionieren, wenn man sie mit den Geschehnissen in den USA vergleicht.
Drittens sind die Stufe 3-Ausschüsse des Lamfalussy-Prozesses außerordentlich wichtig. Zwei der drei Stufe 3-Ausschüsse, der Bankenausschuss und der Ausschuss für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, wurden erst 2005 eingerichtet, obwohl der Lamfalussy-Prozess 1999 begann. Wir müssen die verlorene Zeit aufholen, doch es wurde viel Zeit vergeudet, bevor diese Kommission ihre Tätigkeit aufnahm.
Viertens, wie kommen wir voran? Einigen Reden entnehme ich, dass manche von Ihnen denken, es sei Aufgabe der Kommission, über das Tempo des weiteren Vorgehens zu entscheiden. Ich will nicht die Verantwortung der Kommission in Frage stellen, die sie ebenso trägt wie das Parlament und der Rat und natürlich die Mitgliedstaaten.
Meine Erfahrung aus der Teilnahme an vielen Diskussionen der jüngsten Zeit im ECOFIN-Rat sowie in der Eurogruppe zu den Entwicklungen der Aufsicht und Regulierung und dazu, wie mit den Turbulenzen auf den Finanzmärkten umzugehen ist und wie auf die Ungewissheit, den Vertrauensverlust und die Mängel, die wir im System erkennen, reagiert werden muss, meine Erfahrung, die ich mit Ihnen teilen kann und die Sie glauben können oder nicht, ist, dass die größten Hindernisse im Vorankommen in der Haltung einiger Mitgliedstaaten liegen, allerdings nicht bei Mitgliedstaaten, die unter den Folgen der Finanzturbulenzen nicht leiden.
Viel wird zurzeit getan. Ich verstehe, warum das Parlament möchte, dass die Arbeit zügiger vorangeht, doch ich glaube, das Parlament hat die gleiche Information wie die Kommission und der Rat und weiß daher, dass viel und in viele Richtungen gleichzeitig gearbeitet wird. Wir sind in einer Situation, in der Improvisation leicht zu Fehlern führen kann und in der ein Versuch, Dinge zu tun, bevor wir wissen, was zu tun ist, kontraproduktiv sein kann. Es gibt Erfahrungen in Europa und den Vereinigten Staaten mit früheren Aufsichts-, Regulierungs- und Finanzproblemen, die zeigen, dass es besser ist, einige Monate zu warten und die richtige Entscheidung zu treffen, anstatt übereilt nach einer schnellen Antwort zu suchen und die Probleme, die wir lösen wollen, noch zu verschärfen.
Eine letzte Überlegung: Die Kommission hat das Recht auf Gesetzesinitiative in der Europäischen Union. Die Kommission wird niemals auf dieses Initiativrecht verzichten, sie wird dieses Initiativrecht niemals an die Lamfalussy-Ausschüsse abgeben. Sie berücksichtigt sie, aber sie wird niemals in Erwägung ziehen, das Initiativrecht der Kommission auf die Lamfalussy-Ausschüsse zu übertragen, und ich glaube, das Parlament und der Rat wollen das auch nicht. Tatsache ist, wie ich schon sagte, dass wir alle, angefangen bei der Kommission, der Auffassung sind, dass die Koordination zwischen den Stufe 3-Lamfalussy-Ausschüssen, die Kompetenz zur Annahme von Kriterien und Beschlüssen mit einem Abstimmungssystem durch Mehrheit, die Kompetenz zur Reaktion mit nahezu rechtsverbindlichen Beschlüssen ein Thema ist, das immer deutlicher zu Tage tritt und immer notwendiger wird angesichts der außerordentlichen Bedeutung der Aufgabe, die diese Ausschüsse zu bewältigen haben. Doch das darf uns nicht veranlassen, sie mit jenen zu verwechseln, die zur Gesetzesinitiative in Europa berechtigt sind.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
19. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0013/2008).
Es tut mir für die Kollegen Leid, die extra auf die Fragestunde gewartet haben. Wir müssen ganz eindeutig klären, wieso die Fragestunde heute so spät beginnt.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Zur Geschäftsordnung. Der Webseite des Parlaments zufolge war unter dem Link „Mündliche Anfragen“ meine Anfrage als Nr. 3 aufgeführt. Die Anfrage, die die klare Überschrift „WTO-Verhandlungen“ trägt, richtete sich an Kommissar Mandelson, der diese Verhandlungen in unserem Namen führt. Wie ich jedoch feststelle, befindet sich meine Anfrage nunmehr in Teil 3. Das bedeutet, dass sie nicht mündlich von Kommissar Mandelson beantwortet werden wird. Ich möchte wissen, ob er sich weigert, dem Haus in Bezug auf die WTO-Verhandlungen Rede und Antwort zu stehen.
Wozu einem Kommissar, der am entsprechenden Tag anwesend ist, eine Frage vorlegen, wenn er sich dann weigert, diese Frage zu beantworten?
Die Präsidentin. − Darüber, wer welche Anfragen beantwortet, entscheidet die Kommission.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Das ist das Problem, denn die Anfrage zu den WTO-Verhandlungen war eindeutig für Kommissar Mandelson bestimmt. Er ist der Kommissar, der diese Verhandlungen führt, er ist heute anwesend, und er weigert sich, die Frage zu beantworten.
Die Präsidentin. − Frau Harkin, Ihr Hinweis wurde zur Kenntnis genommen, und wir werden tun, was wir können.
Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.
Teil I
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 32 von Stavros Arnaoutakis (H-0075/08)
Betrifft:
Die negativen Auswirkungen der internationalen Kreditkrise für den Handelssektor
Die derzeit anhaltende internationale Kreditkrise, die zu einem Abschwung der amerikanischen Wirtschaft geführt hat, verlangsamt auch auf internationaler Ebene die wirtschaftliche Entwicklung. Die Auswirkungen für Wirtschaft und Handel in Europa sind beträchtlich. Griechische und andere europäische Unternehmen spüren bereits einen beträchtlichen Druck durch die rasche Zunahme von Einfuhren aus Drittländern, deren Billigprodukte sich auf den Märkten immer weiter durchsetzen. Gleichzeitig wird im Laufe des Jahres mit einem Rückgang der europäischen Ausfuhren gerechnet.
Welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, um die europäischen Unternehmen dabei zu unterstützen, diese Krise zu überwinden und auf internationaler Ebene wettbewerbsfähiger zu werden? Welche Handelsbranchen und welche europäischen Produkte sind ihrer Meinung nach am anfälligsten und müssten also vorrangig geschützt werden – und vor allem auf welche Weise?
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Frau Präsidentin! Als Antwort auf die Frage von Herrn Arnaoutakis muss ich zunächst sagen, dass sich die Weltwirtschaft in einem Verlangsamungsprozess befindet, sie kühlt ab, um die Klimaterminologie zu verwenden.
Die Finanzturbulenzen setzen sich fort; die Wirtschaft der Vereinigten Staaten durchlebt einen merklichen Abschwächungsprozess – einige meinen, sie stehe am Rande einer Rezession. Die Preise für Rohstoffe, nicht nur für Öl, sondern auch für andere Rohstoffe, ziehen an, und das alles hat negative Auswirkungen auf das Wachstum, auch wenn das Weltwirtschaftswachstum noch immer beachtlich ist.
Die europäische Wirtschaft bewältigt diese Schwierigkeiten im Moment relativ gut. In unseren jüngsten Voraussagen, die am 21. Februar vorgelegt wurden, sprachen wir von einem 2 %igen Wachstum für die Europäische Union in diesem Jahr und von 1,8 % für den Euroraum. Es besteht also eine Auswirkung auf die europäische Wirtschaft, doch ihr Ausmaß sollte nicht überbewertet werden.
Was den Außenhandel angeht, so belegen die neuesten von Eurostat veröffentlichen Zahlen, dass Vorabschätzungen für 2007 von einem Handelsdefizit in der Europäschen Union der 27 von 185 Milliarden Euro ausgehen; dieses Handelsdefizit ist erheblich, aber auf jeden Fall niedriger als in vielen anderen Regionen der Industrieländer, und der Euroraum weist einen Handelsüberschuss von 28,3 Milliarden Euro auf.
In einer von großen Ungleichgewichten geprägten Weltwirtschaft ist unser Außensektor im Allgemeinen, und nicht nur er, sondern sind auch unsere öffentlichen Haushalte im Wesentlichen ausgewogen.
Dritter Punkt: Der beste Weg zur Bewältigung der Krise in der globalen Wirtschaft ist die Fortsetzung der Strukturreformen und der makroökonomischen Politik, die uns in die Lage versetzt haben, unsere öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung zu bringen, die Stabilität unserer Wirtschaften zu verbessern und unsere Fähigkeit auszubauen, Wachstum zu erzielen und angesichts der Finanzturbulenzen in einer besseren Position als zuvor zu sein.
Viertens gibt es konkrete Probleme, die im Ergebnis dieser Turbulenzen in Angriff genommen werden müssen. Wir haben sie in der vorangegangenen Debatte diskutiert, daher werde ich sie nicht wiederholen. Ich möchte die Mitglieder des Hauses jedoch an die Fahrpläne erinnern, die der ECOFIN-Rat im Oktober verabschiedet hat, in denen festgelegt ist, wie wir auf diese Turbulenzen reagieren müssen.
Fünftens möchte ich die Abgeordneten und das Parlament ebenfalls darauf verweisen, dass wir im Oktober 2006 eine Strategie für eine EU-Außenwirtschaftspolitik, das Programm Global Europe, angenommen haben, die eine neue europäische Handelspolitik zur Verbesserung unserer externen Wettbewerbsfähigkeit vorsieht, mit Strategien für den Marktzugang, den Schutz des geistigen Eigentums, eine öffentliche Auftragsvergabe im Ausland durch offene Verfahren, Handelsschutzinstrumente, eine Politik von nicht nur multilateralen Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation, sondern auch einer neuen Generation bilateraler Handelsabkommen, die diese Bemühungen um Fortschritte in den multilateralen Verhandlungen der Doha-Runde ergänzen.
Ich möchte diese Antwort mit der Bemerkung schließen, dass die Fakten insbesondere für die Volkswirtschaften Europas zeigen, dass Marktintegration, Globalisierung und Liberalisierung des Handels für unsere Volkswirtschaften von Nutzen sind und viel mehr Vor- als Nachteile oder Probleme bringen. Die Globalisierung und, im europäischen Rahmen, der Binnenmarkt sind wichtige Werkzeuge für die Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit, und wie die Europäer sehr gut und wahrscheinlich besser als alle anderen auf der Welt wissen, ist Protektionismus nicht die Lösung.
Stavros Arnaoutakis (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte Sie fragen, ob die Kommission in irgendeiner Form eine Bewertung dahingehend vorgenommen hat, wie sich diese internationale Kreditkrise auf Sektoren wie Fremdenverkehr und Seeverkehr auswirken wird, die im Falle meines Landes, Griechenland, 21 % des BIP ausmachen. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Kommission zu ergreifen?
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Nein, ich kann Ihnen solche konkreten und detaillierten Angaben, wie Sie sie erbitten, nicht geben. Es ist gut möglich, dass die griechischen Behörden diese Einschätzungen vorgenommen haben. Wir haben die Auswirkungen der Finanzturbulenzen und des wirtschaftlich schwierigeren internationalen Klimas auf unsere Volkswirtschaften in unseren aktualisierten Voraussagen im Februar bewertet und erklärt, dass es weniger Wachstum geben wird, fünf Zehntel weniger Wachstum in der Europäischen Union und vier Zehntel weniger Wachstum im Euroraum im Vergleich zu den im November 2007 vorgelegten Voraussagen. Auch einen halben Punkt mehr Inflation, vor allem infolge des Schocks beim Preisanstieg von Erdöl, Rohstoffen und insbesondere Nahrungsmittelgrundstoffen.
Bisher sind die Auswirkungen auf die Exporte sehr gering, um nicht zu sagen, nicht merklich, aber wie wir häufig sagten, insbesondere in jüngster Zeit, als die Devisenmärkte extrem sprunghaft waren, spüren wir, dass die Veränderungen und die Volatilität bei den Wechselkursen, wie sie uns als Europäer betreffen, Grenzen erreichen, die uns große Sorge bereiten, und wir müssen alle anderen Akteure in der Weltwirtschaft darauf hinweisen, dass eine zu hohe Volatilität auf den Devisenmärkten unerwünscht ist, da sie negative Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum und die Wirtschaftstätigkeit aller hat.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Die Wirtschaft wird nicht nur von internationalen Krisen beeinflusst, sondern auch, wie eben gesagt wurde, von Wechselkursen. Ein Land mit einer starken Währung muss um Wettbewerbsanteile auf internationalen Märkten kämpfen. Derzeit ist der Euro so stark, dass Unternehmen sich darüber zu beklagen beginnen und sagen, Ausfuhren seien nicht länger rentabel.
Könnten Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Problem zu lindern? Bisweilen versuchen ja Länder, ihre Währung abzuwerten, um von Verkäufen im Ausland zu profitieren.
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Wie die Frau Abgeordnete weiß, unterliegen die Devisenmärkte in den meisten Ländern und insbesondere in den stärker entwickelten Industriestaaten flexiblen Wechselkursen. Es ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage, das die Wechselkurse zu jedem gegebenen Zeitpunkt bestimmt.
Für alle Akteure, alle jene, die Teil der Weltwirtschaft sind, und besonders die Devisenmärkte, ist es wünschenswert, sich an die Leitlinien zu halten, die wir in der G7, im Internationalen Währungsfonds und in multilateralen Konsultationen vor nunmehr einem Jahr vereinbart haben, um zu versuchen, die weltweiten Unausgewogenheiten in der Wirtschaft zu bewältigen. Eine der Schlussfolgerungen dieser multilateralen Konsultationen hatte mit der Notwendigkeit zu tun, den Devisenmärkten die Freiheit zu geben, die Fundamente jeder Wirtschaft zu reflektieren, und das ist der beste Weg, um zu verhindern, dass die Wechselkurse insgesamt den Akteuren, den Teilnehmern an den internationalen Märkten schaden.
Bisher sind für den Euroraum – wenn wir die von Eurostat für 2007 veröffentlichten Zahlen betrachten, die ersten Eurostat-Angaben für 2007, veröffentlicht am 15. Februar – die Exporte der Länder des Euroraums, damals 13 Länder, im letzten Jahr um 8 % gestiegen, während sich die Importe um 6 % erhöht haben. Doch gleichzeitig ist es auch so, dass uns die Veränderungen der Zinssätze Sorge bereiten; besonders beunruhigt sind wir von den Veränderungen der letzten Wochen.
Das brachten der Präsident der Eurogruppe, der Präsident der Europäischen Zentralbank und auch ich als Kommissar für Wirtschaft und Währung im Ergebnis des letzten Treffens der Eurogruppe in der vergangenen Woche zum Ausdruck.
Wir nehmen den Willen der US-Behörden zur Kenntnis, die immer wieder öffentlich erklären, eine harte Währung beibehalten zu wollen. Wir nehmen die Ankündigungen und Absichtserklärungen der Behörden in solchen Ländern wie China und anderen asiatischen Schwellenwirtschaften zur Kenntnis, die sagen, sie seien sich der Notwendigkeit bewusst, schrittweise eine größere Flexibilität in das Management der Wechselkurse zu bringen.
Die Präsidentin. − Ich möchte den Wechsel zu Kommissar Figeľ für die nächste Anfrage nutzen, um auf Frau Harkins Bemerkung zur Anwendung der Geschäftsordnung von vorhin zurückzukommen. Ich habe einige Erkundigungen veranlasst, und als Erstes möchte ich feststellen, dass es sich um die Fragestunde mit Anfragen an die Kommission und nicht ein bestimmtes Kommissionsmitglied handelt.
Die Kommission hat den von Ihnen angesprochenen Punkt geprüft und die Generaldirektion Handel sowie die Generaldirektion AGRI konsultiert, und ich fürchte, nach deren Einschätzung fällt Ihre Anfrage in die Zuständigkeit von Kommissarin Fischer Boel. Ich kann mich auf keine Diskussion einlassen, aber ich leite diese Informationen an Sie weiter, damit Sie die Gründe kennen.
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 33 von Manolis Mavrommatis (H-0086/08)
Betrifft: Gesetzlich erlaubtes Herunterladen von Musiktiteln im Internet
Am 28. Januar 2008 trafen die drei größten Tonträgerfirmen (EMI, Universal Music und Warner Music) eine Vereinbarung, der zufolge 25 Millionen Musiktitel auf der Internetseite Qtrax zur Verfügung gestellt werden, welche die Nutzer gratis herunterladen können. Die Nutzer sind allerdings gezwungen, während der Dauer des Herunterladens die Werbungen auf der Seite zu betrachten. Die genannte Webseite ist für Nutzer in Europa und in den Vereinigten Staaten zugänglich, und es wird erwartet, dass sich die getätigten Investitionen in Kürze amortisieren werden.
In der EU besteht kein Rechtsrahmen für Online-Musikdienste, und die Kommission beabsichtigt ihrer vor kurzem veröffentlichten Empfehlung zufolge nicht, einen zwingenden Rechtsrahmen vorzuschlagen. Mit der genannten Vereinbarung sollen in erster Linie die Rechte und die Gewinne der Tonträgerfirmen, die durch das illegale Herunterladen von Musiktiteln erheblichen Schaden erleiden, geschützt werden. Wie kann in diesem Zusammenhang aber sichergestellt werden, dass die Urheberrechte gewahrt werden?
Vertritt die Kommission die Ansicht, dass durch diese Webseite, die sich auch an die europäischen Bürger richtet, der Wettbewerb im Bereich der Musikdienste beeinträchtigt wird? Tatsächlich betrifft diese Übereinkunft ja nur drei Tonträgerfirmen, die ihre Musiktitel gratis im Internet zur Verfügung stellen und von den Gewinnen aus der auf der betreffenden Webseite eingestellten Werbung profitieren.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Mavrommatis wird sicher wissen, dass Qtrax unlängst eine neue Vereinbarung mit mehreren großen Labels für einen kostenlosen und legal werbegestützten Peer-to-Peer-Dienst mit bekannten Tonträgerfirmen auf seiner Webseite angekündigt hat. Diese Vereinbarung kam im Januar auf der MIDEM-Konferenz in Cannes zustande.
Es scheint jedoch, als gebe es noch keine Regelung, die ein kostenloses Herunterladen ihrer Musikkataloge gestattet. Als Reaktion auf die Ankündigung von Qtrax haben die vier Unternehmen öffentlich erklärt, dass bisher noch keine endgültige Einigung vorliegt. Die Verhandlungen laufen allerdings noch. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, wie viele Vereinbarungen Qtrax letztendlich mit den großen Musik-Labels unterzeichnen wird und wie diese Vereinbarungen in Bezug auf Inhalt und Anwendungsbereich aussehen werden.
Deshalb ist es für eine vorläufige Abschätzung der Auswirkungen auf den Wettbewerb der Online-Musikindustrie noch zu früh. Klar ist jedoch, dass ein solcher Dienst nicht nur durch die Plattenfirmen genehmigt werden müsste, sondern dass natürlich auch die Autoren, die die Musiktitel verfasst und komponiert haben, in die Vereinbarung einbezogen werden müssten.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Wie ich in meiner Anfrage sagte, profitieren drei Unternehmen. Ich frage erneut, Herr Kommissar: Werden andere ungeschützte Unternehmen schließen müssen und die Rechte Tausender Künstler ungeschützt lassen, zu einem Zeitpunkt, da Online-Musikdienste stetig an Stärke gewinnen? Oder soll ich Herrn McCreevy Glauben schenken, der uns erklärte, eine solche Richtlinie werde dem Europäischen Parlament 2010 vorgelegt?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Erstens möchte ich Ihnen nochmals versichern, dass die Wettbewerbspolitik der Union und der Kommission ein fortlaufender Prozess ist. Wir prüfen und testen und falls erforderlich agieren oder reagieren wir.
Zweitens ist die Anpassung wichtiger Vorschriften oder Rahmen für Online-Inhalte oder von grenzübergreifenden Vorschriften für die Erbringung von Leistungen, einschließlich jetzt auch für Urheberrechte oder sogar die Schutzdauer, Teil der schrittweisen Angleichung. Einige werden vielleicht bereits in diesem Jahr angeglichen. Seit Herbst letzten Jahres liegen einige Vorschläge vor. Ich denke also, das ist ein wichtiger Prozess, bei dem wir zusammenarbeiten, bei dem der kulturelle Kontext bzw. entsprechende Auswirkungen ordnungsgemäß berücksichtigt werden und die kulturelle Vielfalt geschützt und gefördert wird.
Wir raten einzelnen Firmen nicht, was sie in Bezug auf das Verhalten anderer tun sollten, es kommt aber darauf an, dass Transparenz und günstige Bedingungen für die Verbreitung von Kultur erhalten und gefördert werden. Das ist meines Erachtens unsere gemeinsame Sache und unser gemeinsames Anliegen. Ich bin sicher, dass das auch im Ausschuss für Kultur und Bildung der Fall ist, dessen stellvertretender Vorsitzender Sie sind, Herr Mavrommatis.
Josu Ortuondo Larrea (ALDE). – (ES) Herr Kommissar! Vermutlich wissen Sie, dass es in einigen Staaten eine Methode für die Bezahlung von Urheberrechten gibt, die darin besteht, eine Abgabe festzulegen, die von allen bezahlt werden muss, die Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräte, CDs bzw. DVDs kaufen. Ich möchte fragen, ob Sie diese Methode für akzeptabel halten, da viele Personen solche Artikel wie DVDs kaufen, ohne sie zum Herunterladen von Musik oder zur Wiedergabe von Dingen zu benutzen, die Urheberrechte betreffen. Meiner Ansicht nach bestraft diese Methode die ehrlichen Bürger. Ich würde dazu gern Ihren Standpunkt erfahren.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Es stimmt, dass die Urheberrechtsabgaben in einigen Ländern wirklich sehr hoch sind bzw. auffällige Unterschiede bestehen.
Das ist eines der Themen, mit denen wir uns befassen. Das haben wir letztes Jahr getan, und ich bin sicher, die Kommission wird auf diese Problematik zurückkommen. Für dieses Ressort ist mein Kollege, Kommissar Charlie McCreevy, zuständig, und ich sehe das in Verbindung mit anderen Bereichen, die entweder mit Urheberrechten, der Schutzdauer oder Autorenrechten zu tun haben oder diese berühren.
Ich bin also über diese Problematik informiert, danke Ihnen aber für Ihre Hinweise, die wir in dieser Form auch von einigen Ländern und Branchen hören. Ich bin sicher, dass das Bestandteil künftiger Revisionen sein wird.
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 34 von Avril Doyle (H-0090/08)
Betrifft: Erhebung von CO2-Zöllen auf Importe?
Am 23. Januar 2008 hat die Kommission ein umfangreiches Vorschlagspaket KOM(2008)0016 unterbreitet, das der Erfüllung der ehrgeizigen Verpflichtungen der Europäischen Union dienen wird, die sie im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Förderung erneuerbarer Energiequellen bis 2020 und darüber hinaus eingegangen ist.
Zentraler Punkt der Strategie sind die Stärkung und der Ausbau des EU-Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten (ETS), des wichtigsten Werkzeugs der EU für eine kosteneffiziente Reduzierung von Emissionen. Die Emissionen in den von dem System abgedeckten Sektoren werden bis 2020 um 21 % im Vergleich zum Stand des Jahres 2005 gesenkt. Es wird eine einzige, EU-weit gültige Obergrenze der ETS-Emissionen festgelegt, und die freie Zuteilung der Emissionszertifikate wird bis 2020 stufenweise durch die Versteigerung von Zertifikaten ersetzt.
Wenn es ein internationales Abkommen gäbe, das sicherstellte, dass Wettbewerber in anderen Teilen der Welt vergleichbare Kosten tragen, könnte das Risiko von illegalen CO2-Emissionen praktisch vernachlässigt werden. Ein solches Abkommen existiert jedoch noch nicht.
Warum ist die Erhebung von CO2-Zöllen auf Einfuhren in die EU nicht zum Bestandteil des genannten Handelssystems gemacht worden?
Wie stark ist im Kollegium der Kommissionsmitglieder die Unterstützung für eine Erhebung von CO2-Zöllen auf Produkte aus Ländern, in denen es keine Rechtsvorschriften zur Reduzierung von CO2-Emissionen gibt?
Hat sich die WTO in dieser Angelegenheit positioniert?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Frau Präsidentin! Der Abschluss eines weit reichenden internationalen Abkommens zum Klimawandel, das die Zeit nach 2012 erfasst, genießt für die Kommission oberste Priorität. Die Bali-Konferenz war ein bedeutender Schritt in den Bemühungen, sich dem Klimawandel auf globaler Ebene zu stellen. Alle Parteien der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel, unter ihnen die Vereinigten Staaten, China und Indien, stimmten der Aufnahme offizieller Verhandlungen zu.
Was wir nun benötigen – da dies eine Schlüsselpriorität für die EU und die Kommission darstellt –, ist ein Übereinkommen bis Ende 2009 über einen künftigen internationalen Rechtsrahmen zum Klima. Dieser Rahmen muss allgemein anwendbar sein; er muss gewährleisten, dass alle Parteien verpflichtete Teilnehmer sind, und er muss wirksam sein. Um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, das wie gesagt ein internationales Übereinkommen ist, muss die EU wirklich weiterhin eine führende Rolle spielen, wie sie es gewiss bis zur Bali-Konferenz und natürlich auch während der Konferenz tat.
Genau hier liegt die Bedeutung des Pakets von Vorschlägen zum Klima und zu erneuerbaren Energiequellen, das die Kommission am 23. Januar vorgelegt hat. Die EU muss ihre Führungsrolle bewahren und deutlich zeigen, dass sie entschlossen ist, voranzuschreiten.
Das EU-System für den Handel mit Emissionszertifikaten ist unser Hauptmittel, um die Investitionen auf sauberere Technologien zu konzentrieren. Dieses System gewährleistet, dass die von der EU gesetzten Emissionsziele möglichst kostengünstig erreicht werden können.
Der EU-Vorschlag für eine überarbeitete Richtlinie über das Handelssystem sieht die Versteigerung als Hauptmethode für die Zuteilung von Emissionszertifikaten vor. Eine Versteigerung verschafft nicht nur Anreize für Investitionen in CO2-arme Technologien; sie verhindert auch die unerwünschten Folgen unfairer Zuteilung und unberechtigter Gewinne. Aus diesem Grund schlägt die Kommission vor, dass Zertifikate von Beginn der dritten Handelsperiode an Stromerzeugungsunternehmen nicht länger kostenlos zugeteilt werden und dass die freie Zuteilung im Industriesektor schrittweise eingeschränkt wird – mit dem Ziel der vollständigen Abschaffung im Jahr 2020.
Einige energieintensive Sektoren oder Zweige operieren auf einem internationalen Markt mit hartem Wettbewerb. Infolgedessen können sie die Kosten nicht an den Verbraucher weitergeben ohne Gefahr zu laufen, einen großen Teil des Marktes zu verlieren. Wenn es keine internationale Vereinbarung gibt, könnten sie möglicherweise ihr Unternehmen ins außereuropäische Ausland verlagern, mit dem Ergebnis, dass die weltweiten CO2-Emissionen durch Verlagerung ihrer Quellen steigen. Die Sektoren, in denen diese Gefahr der Verlagerung von CO2-Emissionsquellen, des so genannten Carbon Leakage, eine Rolle spielt, müssen objektiv bestimmt werden. Die Kommission schlägt daher vor, diese Frage gründlich zu prüfen und bis 2010 eine Liste der betroffenen Sektoren oder Zweige zu erstellen.
Bis Juni 2011 wird die Kommission die Lage in diesen energieintensiven Zweigen bewerten. Sie wird ihre Bewertung auf das Ergebnis der Verhandlungen für das internationale Übereinkommen zum Klimawandel oder auf einzelne sektorspezifische Abkommen stützen, die vielleicht abgeschlossen worden sind. Auf der Grundlage dieser Bewertung wird die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat 2011 einen Bericht vorlegen und, wenn es für notwendig erachtet wird, zusätzliche Maßnahmen vorschlagen. Diese Maßnahmen werden die freie Zuteilung von Treibhausgas-Emissionszertifikaten an energieintensive Sektoren einschließen, bis zu 100 %. Als weitere Maßnahmen enthält der Kommissionsvorschlag die Einrichtung eines wirksamen CO2-Ausgleichs- oder Kompensationsmechanismus. Ziel ist, dass die Industrieanlagen der Gemeinschaft, die ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionsquellen in sich bergen, auf eine vergleichbare, gleichberechtigte Ebene mit Anlagen in Drittländern gesetzt werden. Im Rahmen eines solchen Ausgleichssystems ließe sich auch vorsehen, Importeuren Bedingungen aufzuerlegen, die mit den Bedingungen vergleichbar sind, die für Anlagen innerhalb der EU gelten, beispielsweise die Verpflichtung, CO2-Emissionszertifikate zurückzugeben.
Ganz gleich, welche Methode vereinbart oder welche Maßnahmen ergriffen werden, sie müssen in voller Übereinstimmung mit den Grundsätzen der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel stehen. Dies gilt ganz besonders für den Grundsatz der gemeinsamen und doch differenzierten Verantwortung und Fähigkeiten im Sonderfall weniger entwickelter Länder. Ferner muss sie auch in Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft, einschließlich der Regeln der Welthandelsorganisation, stehen.
Abschließend sei gesagt, dass der Vorschlag zu Klima und Energie von der Europäischen Kommission als Ganzes gemeinsam angenommen wurde und somit auch von allen Kommissionsmitgliedern unterstützt wird.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Vielen Dank für die sehr umfassende Beantwortung meiner Frage, Herr Kommissar, die ich übrigens eingereicht hatte, lange bevor ich wusste, dass ich als Berichterstatterin für die Überprüfung der Lage in Bezug auf das EU-Emissionshandelssystem zuständig sein würde.
Bei meiner Frage ging es konkret um den Standpunkt, den wir, falls es nicht zu einem internationalen Übereinkommen kommt, in Bezug auf eine mögliche Einführung von CO2-Anpassungszöllen oder CO2-Berechtigungen vertreten, wobei „wir“ in diesem Falle das Kollegium der Kommissionsmitglieder sind. Ich teile auf jeden Fall Ihre Ansicht, dass wir in diesem Bereich gleiche Ausgangsbedingungen für die EU-Industrie und die Produzenten in Drittstaaten brauchen.
Ich möchte lediglich herausfinden, ob diese Option – und ich vertrete keinen protektionistischen Standpunkt, sondern ich befürworte wirklich die globalisierte Welt, in der wir heute leben – eines potenziellen CO2-Anpassungszolls noch immer in Betracht gezogen wird. Meines Erachtens sollte sie es. Deshalb frage ich Sie, ob das der Standpunkt des Kollegiums der Kommissionsmitglieder in dieser Frage ist, der verdeutlichen würde, wie ernst es uns mit der Notwendigkeit der Senkung von CO2-Emissionen und der gesamten Debatte über den Klimawandel ist. Wir brauchen in dieser Sache nicht aggressiv zu sein, aber wir müssen Entschlossenheit zeigen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich stimme Ihnen da vollkommen zu, und das ist eine sehr verantwortungsvolle Position. Ich freue mich sehr, dass Sie Berichterstatterin für diesen sehr bedeutenden Rechtsakt sein werden.
Natürlich haben wir alles erörtert. Ich kann mich erinnern, dass wir in Nairobi eine konkrete Diskussion zu dieser Frage geführt haben. Wir haben in meiner Dienststelle darüber gesprochen, wir haben uns mit anderen Dienststellen und mit anderen Kommissionsmitgliedern darüber unterhalten, und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es klug und ausgewogen wäre, wenn wir in den Vorschlag eine Bestimmung im Hinblick auf die Probleme aufnehmen würden, denen sich energieintensive Sektoren gegenübersehen, falls kein internationales Abkommen zustande kommt oder ein solches Abkommen für andere Länder keine ähnlich strengen Emissionsauflagen wie in der Europäischen Union vorsieht. Wir haben beschlossen, dass wir bis 2010 diese Sektoren mittels objektiver Kriterien ermitteln und bis Juni 2011 einschätzen werden, ob es ein internationales Abkommen oder sogar internationale sektorale Abkommen gibt. Folglich hoffe ich – und ich glaube aufrichtig –, dass uns bis Ende 2009 ein Abkommen vorliegen wird, mit dem die Probleme des Klimawandels wirksam in Angriff genommen werden können.
Sollte uns aber kein Abkommen vorliegen oder sollte es nicht ehrgeizig genug sein, so wäre es uns mit unserem Vorschlag möglich, die Situation einzuschätzen und entweder Emissionsberechtigungen für bis zu 100 % der Zuteilungen dieser energieintensiven Zweige bereitzustellen oder die Aufnahme der Importeure in unser Emissionshandelssystem zu gestatten und natürlich den obligatorischen Erwerb einer ähnlichen Anzahl von Berechtigungen wie im Falle einheimischer Erzeuger vorzusehen und so einen Ausgleich zu schaffen. Denkbar wäre auch eine Kombination derartiger Maßnahmen.
Damit geben wir unseren Industrien die notwendige Zusicherung, dass wir diese Probleme prüfen werden. Gleichzeitig machen wir anderen Ländern gegenüber deutlich, dass sie besser ein internationales Abkommen abschließen. Deshalb sollte es uns mit diesem sehr ausgewogenen Standpunkt möglich sein, sämtliche Ziele zu erreichen, und ich hoffe, dass das Parlament und der Rat baldmöglichst – bis Ende des Jahres oder Anfang des kommenden Jahres – über diese Regelung abstimmen und sie annehmen werden.
Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Ich bin hocherfreut über den Standpunkt der Kommission, des Kommissars und den sehr ausgewogenen Ansatz. Dennoch bereitet mir noch ein weiterer Punkt große Sorge, dass wir nämlich die alte Technologie, die nicht effizient ist und auch Emissionen verursacht, nach wie vor in die Entwicklungsländer exportieren. Ich möchte den Kommissar fragen, ob wir hier vielleicht eine ergänzende Strategie verfolgen können, die in dieselbe Richtung geht. Dürfen wir kurzfristig solche Initiativen erwarten?
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Wir haben im Rahmen einer Aussprache über die GAP am heutigen Nachmittag über Einfuhren in die EU gesprochen, und wir haben die Kommission aufgefordert, dringend einen Plan zu erarbeiten, mit dem nicht handelsbezogene europäische Anliegen in den WTO-Verhandlungen durchgesetzt werden können.
Die Frage des Klimawandels hat für uns doch zweifellos vorrangige Bedeutung, und CO2-Zölle auf Einfuhren in die EU spielen dabei doch sicher eine wichtige Rolle.
Deshalb möchte ich dem Herrn Kommissar die gleiche Frage stellen, die Frau Doyle in ihrer ursprünglichen Anfrage formuliert hat: Hat sich die WTO in dieser Angelegenheit positioniert?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich bin natürlich ebenfalls der Ansicht, dass wir keine Technologien exportieren sollten, die die Umwelt im Ausland verschmutzen. Eigentlich geht es uns darum, dass wir keine Abwanderung von Sektoren oder Industriezweigen aus der Europäischen Union zulassen sollten, und zwar nicht nur deshalb, weil wir dadurch Arbeitsplätze verlieren und Probleme aufgrund von Arbeitslosigkeit verursachen, sondern auch weil wir nicht weiterhin die Umwelt in Ländern verschmutzen wollen, die keine so strengen Emissionsauflagen haben wie wir.
Wir sollten also sehr vorsichtig sein und strengstens darauf achten, dass wir eine solche Entwicklung nicht zulassen. Wenn wir predigen, dass Entwicklungsländer den Klimawandel vor allem dadurch bekämpfen können, dass sie ihre Energieeffizienz verbessern, dann müssen wir sehr genau aufpassen, was wir in diese Länder exportieren.
Hinsichtlich des Standpunkts der Welthandelsorganisation zu CO2-Zöllen wäre festzustellen, dass wir den nicht kennen, weil sich diese Frage noch nicht gestellt hat. Doch nach Prüfung innerhalb der Europäischen Union glauben wir nicht, dass ein Problem besteht, weil wir versucht haben, mittels Aufnahme in das Emissionshandelssystem, das sich schon etwas von einer Steuer auf Importgüter unterscheidet, einen Ausgleich zu schaffen. Wir bevorzugen unsere Industrien nicht; wir geben ihnen die gleichen Möglichkeiten, die ähnliche Zweige und Sektoren haben, die in Ländern ohne derartige Auflagen produzieren.
Übrigens findet in den USA dieselbe Diskussion statt, denn die Liebermann-Warner-Gesetzesvorlage für die Einführung eines Emissionshandelssystems in den USA enthält eine ähnliche Bestimmung. Diese Diskussion wurde auch in den USA geführt, und dort ist man ebenfalls der Meinung, dass eine solche Regelung mit den Vorschriften der Welthandelsorganisation vereinbar ist.
Teil II
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 35 von Colm Burke (H-0092/08)
Betrifft: Interkultureller Dialog in der EU
In diesem Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs hat die Kommission zahlreiche Veranstaltungen geplant. Vor allem sollten junge Menschen in die Veranstaltungen dieses Jahres eingebunden werden, damit ihnen die große kulturelle Vielfalt in der EU zugute kommt.
Welche besonderen Maßnahmen plant die Kommission zur Einbeziehung junger Menschen in das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. – (SK) Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank auch an Herrn Burke für seine Anfrage.
Das Ziel dieses Jahres, des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs, besteht darin, den Dialog zwischen den Kulturen als einen Prozess zu fördern, durch den jeder Bürger in der Europäischen Union seine Fähigkeit verbessern kann, im Alltag umfassender und offener mit seinem vielschichtigen kulturellen Umfeld umzugehen. Dabei kommt es vor allem darauf an, insbesondere junge Menschen zu sensibilisieren und sie in einer aktiven europäischen Bürgerschaft zu üben, die weltoffen ist, kulturelle Vielfalt respektiert und auf gemeinsamen Werten beruht. Vor diesem Hintergrund stellen Jugend und Bildung neben Themen wie Migration, Minderheiten, Mehrsprachigkeit, Beschäftigung sowie Medien, Religion, Kunst und Kultur Schlüsselbereiche für den Dialog dar.
Die EU kofinanziert sieben richtungsweisende EU-Projekte, die vorwiegend auf junge Menschen ausgerichtet sind und darauf abzielen, den interkulturellen Dialog zwischen ihnen zu fördern. Dazu gehören gemeinsam gestaltete Kunstprojekte, Geschichtenerzählen, Medienprojekte, Medienkampagnen, urbane Kultur, Austausch zwischen benachteiligten Gebieten oder Gemeinschaften und Dialoge über Kunst, Einwanderer, Einwanderung und ähnliche Themen.
In diesem Jahr kofinanziert die EU auch ein Projekt für jeden bzw. in jedem Mitgliedstaat. Der Schwerpunkt liegt auch hier wieder auf Jugend und Bildung. Außerdem stehen wir in ständigem Kontakt zu dem Lenkungsausschuss der Plattform der Zivilgesellschaft für den interkulturellen Dialog, dem zum Beispiel Vertreter des Europäischen Jugendforums und von EFIL, des Europäischen Verbandes für interkulturelles Lernen, angehören.
Schließlich umfasst die Kampagne zur Sensibilisierung für die Bedeutung dieses Jahres und des kulturellen Dialogs selbst eine breite Palette von Aktionen, die auf junge Menschen abzielen und denen Vorschläge von Bürgervereinigungen und EU-Initiativen zugrunde liegen. Sämtliche relevanten Informationen sind natürlich auch im Internet zu finden, unter der Adresse http://www.interculturaldialogue2008.eu
. Der gesamte Prozess basiert weitgehend auf Partnerschaften zur Förderung der Kommunikation sowie darauf, das Augenmerk auf hochwertige Projekte und Erfahrungen zu richten. Ich bin sicher, dass dies den Prozess stärken wird: Kultureller Dialog sollte als Prozess und nicht als einmaliges Ereignis verstanden werden.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort, Herr Kommissar, und ich begrüße die Entwicklungen, die Sie angesprochen haben. Ich weiß, dass Sie als Kommissionsmitglied und die Kommission sehr intensiv an diesem Programm arbeiten.
Haben Sie die 27 Regierungen aufgefordert, sich zur Unterstützung der von der Kommission geplanten Aktionen an einem bestimmten Programm zu beteiligen? Anders gesagt ist es zwar prima, dass wir sieben Flaggschiff-Projekte durchführen, aber wird jede einzelne Regierung außerdem ein Flaggschiff-Projekt im eigenen Land vorschlagen?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich sagte, dass das ein gemeinsames Anliegen ist, ein gemeinsames Ziel, und es gibt zahlreiche gute Ideen und aktuelle Initiativen auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene. Hinzu kommen viele Vorhaben auf regionaler und kommunaler Ebene. Ich freue mich sehr über dieses starke Interesse – auch im internationalen Rahmen – an der Nutzung sich bietender Möglichkeiten und der gezielten Förderung des interkulturellen Ansatzes anstelle von „Multikulti“-Kommentaren und –Klagen. Ich denke, das brauchen wir.
Ich will die einzelnen Projekte selbst jetzt nicht auflisten; sie sind recht inspirierend – vor allem auf EU-Ebene –, denn sie wurden aus einer Vielzahl von potenziellen Projekten auf EU-Ebene ausgewählt, und sie unterscheiden sich grundsätzlich von Vorhaben auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Wir haben sogar 28, denn in Belgien gibt es zwei große Bevölkerungsgruppen und die entsprechende Unterstützung.
Unseres Erachtens sind die Mitgliedstaaten, die die junge Generation einbeziehen, die der Zukunft wirklich aufgeschlossen gegenübersteht, vielleicht die besten Beispiele dafür, wie man die Herausforderungen des Lebens in Vielfalt meistert und dabei die Einheit fördert. Dazu zählen Vorhaben wie „Diversidad“, für das das European Music Office zuständig ist. Es umfasst eine Kombination sehr populärer Aktivitäten wie Musik, Musikinterpretation, Musikhören, Lernen mit Musik und Dialog mit der urbanen Kultur. Weitere Vorhaben sind „Ton monde est le mien“ der Internationalen Yehudi-Menuhin-Stiftung, bei dem es darum geht, das wir andere brauchen, um uns selbst zu verstehen; „A Unique Brussels“, dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Kulturinstituten in der EU; „Alter Ego“, ein Beitrag zum interkulturellen Dialog, zur kulturübergreifenden Verständigung, bei dem junge Menschen durch kollaborativ angelegte Kunstprojekte, in deren Zusammenhang sie über ihre gewohnte soziale Umgebung hinausgreifen, darin bestärkt werden sollen, ihr europäisches Bürgerrecht aktiv wahrzunehmen,
Das Projekt „Stranger“ ist eine Initiative der Europäischen Kulturstiftung. Es bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken, und richtet eine Plattform ein, auf der sie ihre Erfahrungen in einen europaweiten Zusammenhang stellen können.
Nicht zuletzt ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass sich das Parlament individuell oder kollektiv möglichst umfassend beteiligt. Es finden sehr viele Veranstaltungen – beispielsweise in Brüssel – zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit dem interkulturellen Dialog statt. Wir als Kommission werden den Ausschuss für Kultur als ein Gremium (das heißt auch die Mitglieder) zu allen Veranstaltungen einladen, an denen wir teilnehmen oder an deren Organisation wir beteiligt sein werden. So wird z. B. im November eine europäische Woche der Jugend stattfinden, an der sie teilnehmen sollten. Einige der Veranstaltungen sollten in den Räumen des Parlaments in Brüssel mit Beteiligung der Abgeordneten und natürlich junger Menschen aus allen Ländern, einschließlich solcher, die nicht zur EU gehören, durchgeführt werden.
Es gibt viele Gelegenheiten, bei denen Sie sich äußern und vor allem mit gutem Beispiel vorangehen und Ihr Engagement demonstrieren können. Meines Erachtens sollten sich diese Aktivitäten nicht nur auf ein Jahr beschränken. Es geht um ein langfristiges Ziel und einen langfristigen Prozess, an dem wir teilnehmen und bei dem wir lernen und reifen, damit dieses Jahrhundert besser wird als das 20., das ein Jahrhundert der Teilungen, Konflikte und menschenfeindlichen Ideologien war. Es gibt also viele Impulse für Ihre Mitarbeit.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Ich frage mich, ob sich die Kommission hinsichtlich dieses Bereichs des interkulturellen Dialogs und der Einbeziehung junger Menschen angeschaut hat, welch exzellente Arbeit diesbezüglich im Norden Irlands geleistet wird: im Norden, zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen, die sich seit vielen Jahren feindlich gegenüberstehen, und auf grenzübergreifender Basis. Meines Erachtens weist dieser Prozess dort einige spezielle Merkmale auf, die sich nutzen lassen, und ich würde die Kommission fragen, ob sie sich das angeschaut hat, und wenn nicht, könnte sie das tun?
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Ich werde mich sehr kurz fassen. Ich möchte den Kommissar lediglich fragen, ob Aktivitäten im Bereich der Freiwilligenarbeit vorgeschlagen wurden.
Das ist doch sicher eine Gelegenheit für Menschen unterschiedlicher Herkunft aus freien Stücken zusammenzuarbeiten, insbesondere beispielsweise im Bereich der Freiwilligenarbeit für Jugendliche, gerade mit Programmen, die auf die Einbeziehung von Menschen abzielen, die normalerweise keine Freiwilligenarbeit leisten würden – denn bisweilen ist diese Arbeit eine Domäne der weißen Mittelschicht – sowie im Bereich der generationenübergreifenden Freiwilligenarbeit. Sind in diesen Bereichen Maßnahmen zur Förderung des interkulturellen Dialogs vorgesehen?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Was Nordirland betrifft, so möchte ich zunächst meine Glückwünsche zu der neuen Atmosphäre und den, wie ich meine, sehr positiven Erwartungen in Bezug auf eine schrittweise und aufrichtige Versöhnung und die Verfechtung gemeinsamer Werte zum Ausdruck bringen. Ich habe sogar vor, Nordirland zu besuchen, was vielleicht die beste Antwort ist. Meines Erachtens würde auch die stärkere Einbeziehung nordirischer Studenten, Lehrer und Professoren in den EU-Austausch und die Zusammenarbeit im Rahmen des ERASMUS-Programms dazu beitragen, die europäische Gemeinschaft im Großen und die Bevölkerungen einander näher zu bringen. Ich habe also vor, diesen Teil der Europäischen Union zu besuchen.
Was die Freiwilligenarbeit betrifft, so ist das ein sehr wichtiges Thema, denn Freiwilligenarbeit ist ein Ausdruck der Solidarität, der Humanität und der Zusammengehörigkeit. Andererseits ist sie auch eine Form der außerschulischen Bildung bzw. ein Lernprozess. Wir brauchen sie für die Beschäftigung, neue Fertigkeiten, neues Wissen und die soziale Kompetenz sowie für die Förderung des Bürgersinns und die Werte, die uns einen. Wir tun heute mehr als in der Vergangenheit. So sind beispielsweise im neuen Programm „Jugend in Aktion“ wesentlich mehr Mittel für den Europäischen Freiwilligendienst vorgesehen, dem mehr Raum gegeben wird. Es bestehen jetzt mehr Möglichkeiten für internationales Engagement. Wir verzeichnen einen zahlenmäßigen Zuwachs, und ich glaube, das ist eine der Antworten.
Wir planen für dieses Jahr eine Initiative zur Freiwilligenarbeit, die zu mehr Anerkennung und besseren Bedingungen in diesem Bereich beitragen könnte. Natürlich sind wir auf die Mitarbeit der Mitgliedstaaten angewiesen, und ich freue mich, dass sich gerade Frankreich bereit erklärt hat, sich thematisch mit der Freiwilligenarbeit – Freiwilligenarbeit und junge Menschen – zu befassen. Heute Morgen bin ich mit dem für Gesundheits-, Jugend- und Sportpolitik zuständigen Minister zusammengetroffen, und wir haben uns auf einige Schwerpunkte geeinigt. Das ist eine der drei Prioritäten für den Bereich Jugend im Rahmen des französischen Ratsvorsitzes. Wir unternehmen also Schritte in diese Richtung.
Die Präsidentin. − Als nächste Anfrage war die von Herrn Higgins vorgesehen. Leider muss ich feststellen, dass ich die Frage nicht akzeptieren kann, weil er nicht anwesend ist. Ich weiß, dass Sie kooperieren wollen. Leider waren wir über diesen Tausch nicht informiert, und deshalb kann ich diese Frage laut Geschäftsordnung nicht zulassen. Es tut mir sehr Leid, dass ich sie nicht zulassen kann, aber ich muss den Abgeordneten, die anwesend sind, Vorrang einräumen.
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 37 von Bernd Posselt (H-0100/08)
Welche Projekte grenzüberschreitender trilateraler oder bilateraler Kulturzusammenarbeit zwischen der Tschechischen Republik, Deutschland und Österreich hat die Kommission im vergangenen Jahr gefördert und sieht sie Möglichkeiten, solche Projekte im Jahr 2008 in einem beachtenswerten Umfang zu unterstützen?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. – (SK) Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Posselt für seine Anfrage. Ich möchte hervorheben, dass Kultur und deren Finanzierung auf nationaler Ebene in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen. Das ist das Subsidiaritätsprinzip, das wir respektieren und dem wir einen hohen Stellenwert beimessen. Die Aufgabe der Europäischen Union besteht darin, die Aktivitäten in den Mitgliedstaaten zu unterstützen und zu ergänzen, nicht aber darin, die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Zweitens sei daran erinnert, dass mit dem Programm „Kultur“ (2007 bis 2013) der interkulturelle Dialog, die grenzüberschreitende Mobilität von Kulturschaffenden und Kulturgütern sowie künstlerische und kulturelle Erzeugnisse gefördert werden. In diese Projekte müssen mindestens drei Kulturakteure in drei verschiedenen Ländern einbezogen sein, womit die Frage von Herrn Posselt zum Teil beantwortet wäre. Die Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus der Tschechischen Republik, Österreich und Deutschland kann daher gefördert werden, wenn diese Partner aufgrund der Qualität ihrer auf die Aufforderung der Europäischen Kommission hin eingereichten Projekte ausgewählt wurden.
Was nun im Einzelnen die Projekte dieser drei Mitgliedstaaten angeht, die im letzten Jahr finanziert wurden, möchte ich darauf hinweisen, dass das Programm „Kultur“ (2007 bis 2013) erst seit etwas mehr als einem Jahr besteht und läuft. Wir müssen noch einige Zeit warten, um herauszufinden, welche Art von Projekten in diesem kurzen Zeitraum finanziert wurde. Kurz gesagt, die Ergebnisse im Hinblick auf die im vorigen Jahr durchgeführten Projekte sind noch nicht verfügbar. Wenn wir jedoch den Zeitraum 2000 bis 2006 betrachten, stellen wir fest, dass 116 Kooperationsprojekte und 39 kofinanzierte Projekte über einen Zeitraum von einigen Jahren hinweg unterstützt wurden, die entweder bilaterale oder trilaterale Zusammenarbeit zwischen Österreich, Deutschland und der Tschechischen Republik zum Inhalt hatten. Von diesen Projekten wurden 28 aus dem Haushalt für 2006 finanziert, was den Weg für die Aktivitäten im letzten Jahr (2007) geebnet hat.
Die vollständige Liste der angenommenen und finanzierten Projekte ist auf der Internetseite der Europäischen Kommission verfügbar. Ich denke, dass diese Frage damit umfassend beantwortet ist.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Vielen Dank, Herr Kommissar, für Ihre Antwort. Sie haben vorhin viel über Veranstaltungen in Brüssel gesprochen. Doch auch Veranstaltungen in den Regionen sind sehr wichtig, und deshalb zwei kurze Ergänzungsfragen.
Erstens haben Sie eben auch von bilateralen Programmen gesprochen: Ermöglicht dies auch rein deutsch-tschechische Programme, oder müssen da drei Länder einbezogen werden? Das könnten neben Österreich etwa auch die Slowakei oder Polen sein.
Zweite Zusatzfrage: Geht das auch über die Euroregionen?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. – (SK) Wie ich bereits sagte, müssen im Rahmen des Programms Kultur bei kurzen, einjährigen Programmen drei Partner aus drei Ländern beteiligt sein. Für mehrjährige Programme sind mehr Partner erforderlich. So werden der Anwendungsbereich oder die Anzahl dieser Aktivitäten in gewisser Weise an die erweiterte Europäische Union angepasst.
Wir können aus einem kleinen Haushalt nicht etwas ergänzen oder ersetzen, was wirklich viel größerer Unterstützung durch die nationalen Regierungen bzw. Regionalbehörden in großen Bundesstaaten bedarf. Meinen Aussagen zu bilateralen Beziehungen kann ich hinzufügen, dass von den drei in Herrn Posselts Anfrage genannten Ländern zwei in bestimmten Fällen mit einem anderen Land zusammengewirkt haben und dass die Frage der Beteiligung folglich teilweise beantwortet war.
Ich möchte nicht nur Herrn Posselt, sondern auch potenziellen Partnern versichern, dass die Zusammenarbeit beispielsweise zwischen Regionen oder Euroregionen, zwischen Städten sowie Kulturakteuren ganz allgemein heute möglich ist und nicht nur im Rahmen des Programms „Kultur“ (2007 bis 2013), sondern auch durch das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ gefördert wird. Dieses Programm unterstützt die Einbeziehung der Zivilgesellschaft, und seine Rechtsgrundlage bildet unter anderem Artikel 151 EG-Vertrag über die Förderung der Bürgerschaft unter kulturellen Gesichtspunkten oder mit einer kulturellen Dimension. Es gibt heute Tausende Beispiele gut funktionierender Partnerschaften zwischen lokalen Behörden, Nichtregierungsorganisationen oder verschiedenen Vereinen, die auf dem direkten Dialog zwischen den Menschen innerhalb der Zivilgesellschaft basieren.
Drittens möchte ich hinzufügen, dass im Rahmen der Strukturfonds ein noch größerer Beitrag zur allgemeinen Förderung der kulturellen Aspekte und des Kulturerbes sowie der Zusammenarbeit zwischen Ländern für den Schutz und die Vergrößerung ihres Kulturerbes geleistet wird. Ich möchte an die Minister oder Partner appellieren, bei der Debatte über Kultur daran zu denken, dass Europa stärker durch Kultur geprägt wird als durch Handel oder Geografie. Deshalb tragen Investitionen in die Kultur dazu bei, unser Potenzial zu erhöhen, die europäische Identität zu stärken und Europa attraktiver zu gestalten. Dies sollte auf lokaler Ebene geschehen, dort also, wo die Menschen leben. Es geht nicht nur um Brüssel und andere Hauptstädte – es geht um unsere Regionen, Städte und Dörfer.
Justas Vincas Paleckis (PSE). – (LT) Ich habe eine Frage, Herr Kommissar. Wie Sie gesagt haben, würden nur die Mitgliedstaaten selbst die Kulturpolitik umsetzen. Brüssel ist nicht in der Lage, hier irgendetwas zu ändern. Insbesondere in den neuen Beitrittsländern jedoch fühlten sich die Künstler und in kulturelle Aktivitäten involvierte Menschen seit den letzten 10 bis 15 Jahren vernachlässigt.
Was unternimmt die Kommission, oder was ist sie bereit zu unternehmen, um die guten Erfahrungen, wie Künstler in den neuen Beitrittsländern unterstützt werden, sowie neue Ideen und Projekte in diesem Zusammenhang zu teilen? Könnten Sie bitte Beispiele nennen?
Reinhard Rack (PPE-DE). – In den Beziehungen der drei Länder Tschechien, Deutschland und Österreich gibt es auch jede Menge historischer Belastungen. Gibt es spezifische Programme beziehungsweise plant die Kommission, hier entsprechende Schwerpunkte zu setzen, um beispielsweise die Vertriebenenverbände, die gerade bei diesem Thema für mehr gemeinsames Verständnis sehr wichtig wären, in solche europäischen Programmarbeiten einzubinden?
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. – (SK) Ich danke Ihnen für die Zusatzfragen. Sie zeigen, dass Kultur, Identität und Erinnerungen wichtig sind, ebenso wie der Blick in die Zukunft und die Entwicklung der Kultur. Wir unterstützen diese Aspekte. Ich muss wiederholen, dass Subsidiarität Verantwortung bedeutet und kein Alibi für uns ist, nicht zusammenzuarbeiten, weil die Angelegenheit in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt. Die Kommission unternimmt wirklich jede Anstrengung zur Schaffung des bestmöglichen Umfelds für kulturellen Dialog, Austausch und Zusammenarbeit, und ich bin der Meinung, dass die Früchte dieser Anstrengungen recht offensichtlich sind.
Ich erwähnte bereits das Programm „Kultur“ (2007 bis 2013). Lassen Sie uns die Zahlen vergleichen: sieben Jahre in der Vergangenheit, sieben Jahre jetzt. Ein sehr wichtiges Beispiel ist die Tatsache, dass die europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung im vorigen Jahr erstmals durchgebracht und angenommen wurde, und dies nicht nur zur Zufriedenheit der Kommission, sondern der EU allgemein. Die Vorschläge wurden im Mai vorgestellt und im November von den Mitgliedstaaten gebilligt. Zweitens konnten wir uns in puncto Kultur und Kulturagenda auf eine neue Methode der Zusammenarbeit, nämlich die offene Koordinierungsmethode, einigen. Zuvor hätte die Mehrheit dies für unwahrscheinlich gehalten, weil wir aufgrund der Meinungsverschiedenheiten unfähig gewesen wären, eine Einigung zu erzielen.
Der Inhalt ist jedoch das eigentlich Wichtige. Es muss gewährleistet sein, dass diese Zusammenarbeit auf konkrete kulturelle Bedürfnisse im weiteren Sinne abzielt, auf den Bedarf des Kultur- und des Kunstsektors, auf die allgemeine Verbreitung von Kultur. Auf dem Gipfel von Lissabon im Frühjahr letzten Jahres wurde etwas Wichtiges erreicht: Zum ersten Mal wurden die Kulturbereiche oder die so genannte Kulturindustrie in der Strategie von Lissabon erwähnt, der zugetraut wird, einen wichtigen Beitrag zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu leisten. Dies hilft dabei, das Klischee zu überwinden, dass Kultur Geld kostet, während Handel Geld einbringt. Kultur geht Hand in Hand mit Werten und mit den sich ausweitenden Dimensionen einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Ein Mangel an Kultur führt zu Handelsproblemen sowie zu politischen und anderen Problemen. Damit meine ich, dass Kultur als wichtiger Akteur gesehen und auf verschiedene Weise gefördert werden sollte, damit sie gedeiht. Ich freue mich daher, dass wir selbst innerhalb der Kommission mehr Erfolg haben mit diesem stärker horizontal ausgerichteten Ansatz und dies auch dank der im Vorjahr getroffenen Entscheidung.
Ich möchte nicht, dass meine Antwort zu lang ausfällt. Die neuen Mitgliedstaaten leisten Beiträge durch ihre Kultur, ihr umfangreiches Erbe, ihre frischen Erinnerungen an ein geteiltes Europa oder eine Vergangenheit, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts viel dramatischer war. Sie können jedoch in vielerlei Hinsicht von den älteren Mitgliedstaaten lernen, die beispielsweise über aktivere Methoden verfügen, um Kultur zu finanzieren, kulturelle Bildung zu vertiefen und mit zahlreichen Themen umzugehen, die auch in den neuen Mitgliedstaaten verstärkt behandelt werden müssen. Die Politik und die Regierungen können Kultur nicht als Nebensache abwerten, nach dem Motto: „Wenn Geld übrig ist, werden wir natürlich dem Kultursektor etwas geben, aber das ist weder eine Priorität noch eine Schlüsselfrage.“
Zweitens möchte ich auf das antworten, was Herr Rack über die historischen Belastungen sagte. Vorhin habe ich kurz das Thema Erinnerung berührt: Sie spielt eine wichtige Rolle bei Fragen der Identität; sie lehrt uns, die Tragödien der Vergangenheit nicht zu wiederholen. In meiner Antwort auf Herrn Posselts Ausführungen habe ich auf das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ 2007-2013 hingewiesen. Dieses Programm ermöglicht es der Europäischen Union, im Laufe dieser sieben Jahre Projekte zu kofinanzieren, die darauf abzielen, die Erinnerungen an die Zeiten der Diktatur sowie an die Opfer des Nationalsozialismus und des Stalinismus wach zu halten. Ich denke, dass dies eine sehr wichtige Herausforderung ist, weil es uns hilft, daran zu denken, dass alles, was wir haben – Freiheit, Demokratie, ein geeintes Europa – nicht zufällig oder automatisch entstanden ist und dass es immer eine gewisse Versuchung gibt – sie kann kleiner oder auch größer sein –, sich in Richtung Totalität und einer Form von Vereinfachung zu bewegen. Denken Sie daran, dass wir jeder Generation Werte vermitteln müssen: Technologie und Gebäude lassen sich leicht weitergeben, aber Werte müssen von Kindheit an im Kopf und im Herzen eines jeden Menschen verankert werden.
Ich möchte Sie daher ermutigen, diese Instrumente für die kulturelle oder zivile Zusammenarbeit zu nutzen, damit wir zugunsten unseres Herzens und unseres Verstands unsere Erinnerungen wach halten. Meines Erachtens ist genau das die Aufgabe der Überlebenden solcher Zeiten, die sich an die Ereignisse erinnern und die aus Ländern kommen, die sich in einer Art Grauzone oder hinter dem Eisernen Vorhang befanden. In jedem Fall sollte die heutige EU einen Raum für Erinnerung und für die Entwicklung der Gemeinschaft bieten.
Die Präsidentin. − Angesichts unseres Zeitverzugs kommen wir nun zu den Anfragen an Kommissar Mandelson. Die Anfragen 38 bis 40 werden schriftlich beantwortet.
Jim Higgins (PPE-DE). – (EN) Die Aussprache über das Lamfalussy-Verfahren wurde auf Kosten der Fragestunde um dreißig Minuten überzogen. Folglich konnte ich nicht hier sein. Soweit mir bekannt war, sollte die Fragestunde um 18.00 Uhr beginnen, und es waren dreißig Minuten für das erste Kommissionsmitglied vorgesehen, und dann wäre ich der zweite Fragesteller für das nächste Kommissionsmitglied gewesen.
Die Verfahren dieses Hauses sind völlig chaotisch. Dieses Haus soll eigentlich ein Vorbild sein. Diese Art von Organisation und diese Art von Verfahren würde man nicht einmal in der chaotischsten Dorf- oder Stadtversammlung der Europäischen Union tolerieren. Das ist vollkommen verrückt.
Die Fragestunde sollte uns heilig sein, und Überziehungen darf es nicht geben. Das ist eine Diskriminierung der Abgeordneten, die ihre Fragen weit im Voraus eingereicht haben. Dafür gibt es absolut keine Entschuldigung.
Die Präsidentin. − Ich habe zu Beginn der Fragestunde erklärt, dass wir spät dran sind und das äußerst bedauerlich ist. Ich werde versuchen herauszufinden, wieso so viele Aussprachen vor der Fragestunde anberaumt wurden, die zu der Verspätung geführt haben. Ich nehme das sehr ernst, da ich ja Verantwortung für die Fragestunde trage.
Was nun Ihre Frage betrifft, so hatte ich festgestellt, dass es in diesem Saal andere Abgeordnete gibt, die geduldig auf die Beantwortung ihrer Frage gewartet und den Saal nicht verlassen haben, um andere Termine wahrzunehmen. Ich weiß, dass wir alle volle Terminkalender und ein schwieriges Arbeitspensum haben, aber ich musste mich strikt an die Geschäftsordnung halten und den Abgeordneten Vorrang geben, die hier geblieben sind. Es tut mir Leid, aber die Geschäftsordnung ist in diesem Punkt recht eindeutig.
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 41 von Georgios Papastamkos (H-0076/08)
Betrifft:
Beilegung des WTO-Konflikts zwischen der EU und den USA in Bezug auf GVO
Am 11. Januar 2008 lief die letzte Frist ab, bis zu der die EU dem Urteil des Schiedsgerichts der Welthandelsorganisation betreffend Handels- und Zulassungsvorschriften für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) hätte nachkommen müssen. Erklärungen der amerikanischen Regierung zufolge haben die USA mit der EU vereinbart, dass sie zunächst das Verfahren für die Verhängung von Handelssanktionen aufschieben, um der EU die Möglichkeit zu geben, einen wesentlichen Fortschritt in der Frage der Zulassung gentechnisch veränderter Produkte zu erzielen. Darüber hinaus drückten die USA ihr Missfallen über die Absicht der französischen Regierung aus, die Schutzklausel umzusetzen, um den Anbau einer bestimmten Sorte von gv-Mais durchzusetzen, was bereits in anderen Mitgliedstaaten der EU geschehen ist.
Welchen Verhandlungsspielraum hat die Kommission, um eine friedliche Beilegung dieses Konflikts und die Vermeidung von Sanktionen zu Lasten der EU zu erreichen und um gleichzeitig sicherzustellen, dass die EU ein striktes Regelwerk in Bezug auf GVO beibehalten kann?
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Beilegung des von dem Herrn Abgeordneten angesprochenen Konflikts ließe sich dadurch erleichtern, dass die Europäische Union gegenüber dem Beschwerdeführer nachweist, dass ihre Regelungsverfahren zufrieden stellend funktionieren und in Fällen, in denen keine Gefährdung von Gesundheit oder Umwelt festgestellt wurde oder die Gefährdung beherrschbar ist, ohne Verzögerungen eine entsprechende Zulassung erteilt wird.
Ferner müsste eine Lösung im Hinblick auf den WTO-Verfahren unterliegende nationale Schutzmaßnahmen gefunden werden, die sich als nicht wissenschaftlich begründet und folglich als nicht mit den WTO-Vorschriften vereinbar erwiesen haben.
In beiden Fällen ist die Kommission auf die Kooperation der Mitgliedstaaten angewiesen. Unsere Verpflichtungen liegen folglich auf der Hand, und wir können uns nicht unserer Verantwortung entziehen.
Gleichzeitig haben sich die USA bereit erklärt, von Vergeltungsmaßnahmen vorerst abzusehen. Die entsprechenden Verfahren könnten jedoch wieder aufgenommen werden, wenn eine Kontrollbehörde feststellt, dass die Europäische Union die Auflagen des WTO-Panels nicht umgesetzt hat. Das effektive Funktionieren des ordnungsrechtlichen Systems der EU in Bezug auf genetisch veränderte Organismen ist nicht nur für WTO-Beschwerdeführer von Interesse, sondern auch für die Europäische Union selbst.
Bei den meisten unserer derzeitigen Bezugsquellen für Tierfutter handelt es sich um Länder, die Biotechnologieprodukte entwickeln. Deshalb ist eine unsererseits rechtzeitige Zulassung sicherer GVO-Produkte für den Futtermitteleinsatz notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Viehwirtschaft in der EU zu sichern. So wird es für die europäischen Schweinefleischproduzenten immer schwieriger, Futtermittel zu vernünftigen Preisen zu kaufen, während die Preise für Schweinefleisch sinken. Anders gesagt, je länger wir mit unseren Genehmigungen warten, umso größer sind die Risiken für die landwirtschaftliche Bedarfssicherung in Europa.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Falls es zu einem Handelskrieg zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über genetisch veränderte Organismen kommt, welches Ausmaß an potenziellen Sanktionen wird in Erwägung gezogen und wie werden diese angewendet?
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Den Umfang der Vergeltungsmaßnahme würde das zuständige WTO-Panel festlegen. Doch die potenzielle Vergeltung könnte beträchtlich ausfallen. Sie könnte sich auf ein Handelsvolumen in Höhe von Hunderten Millionen von Dollar belaufen. Sie könnte auf EU-Erzeugnisse aus verschiedenen Mitgliedstaaten angewendet werden, und zwar nicht nur aus jenen, die nationale Schutzmaßnahmen gegen GVO beschlossen haben.
Die verantwortlichen Mitgliedstaaten würden also nicht nur die eigenen Produzenten und Exporteure einer direkten Vergeltungsgefahr aussetzen. Sie würden mit ihrem Handeln auch die Exporteure in vielen anderen Mitgliedstaaten gefährden.
Ich hoffe, sie werden diese Auswirkungen und Konsequenzen in Betracht ziehen, wenn sie ihr Vorgehen überdenken.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Ich möchte dem Kommissar für seine klaren Worte danken, denn das ist ein riesiges Problem für die Tierfutterindustrie. Doch stellt er so wie ich fest, dass sich die Verbraucher zunehmend weigern, die Realität des EU-Futtermittelmarktes zur Kenntnis zu nehmen? Er erwähnt sehr deutlich die Frage der Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Geflügelfleisch- und Schweinefleischmarktes. Vielleicht können wir zu einem späteren Zeitpunkt über die allgemeinere Frage der WTO-Regeln im Hinblick auf nicht handelsbezogene Anliegen und die derzeit laufenden Verhandlungen zur Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft im Allgemeinen diskutieren.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich glaube, wir haben es hier mit sehr viel Desinformation, Falschdarstellung und Panikmache zu tun, die Teile der öffentlichen Meinung beeinflussen. Wenn es eine repräsentativere Bandbreite an Informationsquellen gäbe und unsere Öffentlichkeit objektiver informiert würde und die Auswirkungen und Konsequenzen einiger dieser Aktionen dabei berücksichtigt werden würden, dann, so denke ich, käme die Öffentlichkeit vielleicht zu einem anderen Schluss.
Natürlich sollten die Verbraucher wissen, was sie zu sich nehmen. Verbraucher sollten auch die Wahl haben zwischen GVO-Produkten und GVO-freien Produkten. Im Moment wird ihnen diese Wahl aufgrund von Vorurteilen gegen GVO verwehrt.
Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 42 von Bart Staes (H-0079/08)
Betrifft:
Gründliche Evaluierung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Regierungen von AKP-Ländern, die der Liberalisierung des Warenhandels zugestimmt haben, verfügen über unzureichende Verhandlungsbefugnisse über Themen, die sie wirklich betreffen. Während sie im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen große Zugeständnisse machen müssen, geht Europa keine verbindlichen Verpflichtungen in wichtigen Fragen wie der Verbesserung der Ursprungsregeln, der Aufteilung ihrer Beihilfen oder der Ausweitung der Entwicklungshilfe ein.
Teilt die Kommission die Einschätzung, dass diese Länder mehr Zeit benötigen, um gut ausgehandelte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu ermöglichen, dass sie bei der Verbesserung ihrer Verhandlungskapazität besser unterstützt werden sollten und dass daher eine gründliche Evaluierung und Überprüfung der bestehenden Abkommen – die übrigens weit von den „Entwicklungsinstrumenten“ entfernt sind, die sie sein sollten – erforderlich ist?
Anfrage Nr. 43 von Thijs Berman (H-0080/08)
Betrifft: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Der verstrichene Termin 1. Januar 2008 für die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen für die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifik bringt für diese Länder noch viele Unsicherheiten mit sich. Getroffene Vereinbarungen über Ausnahmeregelungen für Ausfuhren, Schutzmaßnahmen, verbesserte Ursprungsregeln, die Aufteilung ihrer Beihilfen oder die Ausweitung der Entwicklungshilfe sind häufig unzureichend und finden in den betreffenden Ländern nur wenig Unterstützung. Ist die Kommission bereit, eine gründliche Evaluierung und Überprüfung der bestehenden Abkommen vorzunehmen, welche konkreten Maßnahmen wird sie zu diesem Zweck ergreifen und innerhalb welches Zeitraums?
Anfrage Nr. 44 von Claude Moraes (H-0085/08)
Betrifft:
Bewertung der Auswirkungen von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Die Kommission hat kürzlich ein volles Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) mit den Karibikländern sowie eine Reihe von Interimsabkommen abgeschlossen, die schließlich zu vollen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit anderen Ländern oder Regionen führen sollen. Die bisher erreichten Fortschritte wurden dem Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments im Januar dieses Jahres sehr deutlich dargelegt, und wir erkennen die harte Arbeit, die von Seiten der Kommission geleistet wurde, an.
Die Kommission wies indessen auch auf die noch zu bewältigenden Aufgaben hin; unter anderem hieß es, es müssten unbedingt Möglichkeiten für die Überwachung der Anwendung neuer Abkommen und deren Auswirkungen gefunden werden.
Kann die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt eine grobe Einschätzung der positiven Auswirkungen der jüngsten Abkommen auf das Einkommen afrikanischer Landwirte sowie auf die Endpreise für die europäischen Verbraucher geben? Wie gedenkt die Kommission in Bezug auf die Entwicklung von Verfahren zur Überwachung und Bewertung der Anwendung und der Auswirkungen weiter vorzugehen?
Anfrage Nr. 45 von David Martin (H-0122/08)
Betrifft: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Kann die Kommission die neuesten Informationen zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) zur Verfügung stellen?
Anfrage Nr. 46 von Sarah Ludford (H-0124/08)
Betrifft: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Warum ist es der Kommission nicht gelungen, Kritiker davon zu überzeugen, dass Wirtschaftspartnerschaftsabkommen den Entwicklungsländern gegenüber fair ausgestaltet sind?
Anfrage Nr. 47 von Hélène Goudin (H-0153/08)
Betrifft: Partnerschaftsabkommen mit Entwicklungsländern
Die meisten AKP-Länder haben Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) mit der EU unterzeichnet. Vielen Freiwilligenorganisationen zufolge erfüllen diese Abkommen nicht ihr erklärtes Ziel der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Unterzeichnerstaaten. Der Präsident der Kommission hat erklärt, die WPA könnten in Zukunft Gegenstand von Diskussionen sein und neu ausgehandelt werden. Das für den Handel zuständige Kommissionsmitglied hat dagegen die Möglichkeit einer Neuaushandlung der geltenden Abkommen ausgeschlossen.
Kann die Kommission ihre Position in dieser Frage klarstellen? Werden die betroffenen Entwicklungsländer die Möglichkeit zur Neuaushandlung der mit der EU geschlossenen Partnerschaftsabkommen haben?
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Seit der letzten Information des Entwicklungsausschusses durch die Kommission im Januar haben sich weitere Entwicklungen ergeben. Die Rechtstexte für die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den Karibikländern wurden gemeinsam überprüft, und wir leiten jetzt die Vorkehrungen für die Unterzeichnung und Ratifizierung ein. Für andere Regionen haben wir die Interimsabkommen zur Unterzeichnung vorbereitet und darüber nachgedacht, wie wir diese schließlich durch volle WPA ablösen können.
Ich bin gerade von einer Reise in das südliche und östliche Afrika zurückgekehrt, in deren Rahmen ich Lesotho, Südafrika, Botsuana und Sambia besucht habe. Ich habe an Ministertreffen in der zur Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) gehörenden Region sowie der Region östliches und südliches Afrika (ESA) teilgenommen und ausführliche Gespräche mit Präsident Mbeki geführt, bei denen es übrigens sowohl um WPA als auch um die Entwicklungsagenda von Doha ging. Bei allen Treffen mit der SADC und der ESA ist mir aufgefallen, mit wie viel Engagement sich die Regionen für die Fortsetzung der Verhandlungen einsetzen, dass sie nicht zurückblicken und nicht versuchen, das Erreichte auseinander zu nehmen, zumal das mit katastrophalen Folgen für die Sicherheit des Handels verbunden wäre. Das kam in gemeinsamen Erklärungen zum Ausdruck, in denen wir unsere gemeinsame Entschlossenheit, bis Ende dieses Jahres volle WPA abzuschließen, klar zum Ausdruck gebracht haben.
In den letzten Tagen haben wir ferner Treffen mit führenden Vertretern Zentral- und Westafrikas durchgeführt. Zentralafrika will bis Juli ein volles WPA abschließen und Westafrika bis Mitte 2009. Die Pazifikregion schließlich führt interne Konsultationen durch, doch das vereinbarte Ziel ist nach wie vor, dass 2008 ein volles WPA unter Dach und Fach gebracht wird.
Ich habe ganz klar den Eindruck, dass die Mehrzahl der Regionen die Zeit seit den Entwicklungen im letzten Dezember genutzt hat, um Bilanz zu ziehen und die Lage zu überdenken, und jetzt ihr Engagement für den Abschluss voller Wirtschaftspartnerschaftsabkommen erneut klar zum Ausdruck bringt. Das ist ein wichtiges Anzeichen dafür, dass diese Länder an einer progressiven und vorwärtsweisenden Integration von Handels- und Entwicklungsstrategien interessiert sind. Das ist eine Einstellung, die ich begrüße.
An unseren Zielen für volle WPA für ganze Regionen, die sich auf die gesamte Bandbreite von Handels-, handelsbezogenen und Entwicklungsfragen erstrecken, hat sich nichts geändert. Gleichzeitig erfahren wir von Ländern, die nicht zu den am wenigsten entwickelten Ländern zählen, wie Kenia, Côte d’Ivoire und anderen, dass sie durch die Interimsabkommen Tausende von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft schützen konnten, und Länder wie Tansania und Lesotho, die zu den am wenigsten entwickelten Ländern zählen, sprechen sich lobend über Verbesserungen hinsichtlich der Ursprungsregeln aus. Sensible Agrarbereiche werden geschützt, und die AKP-Länder haben jetzt die Zeit und den Raum, um sich zu überlegen, wie volle regionale Abkommen erreicht werden können.
Die WPA müssen in Bezug auf die Aspekte Beihilfe und Handel streng überwacht werden. Deshalb sieht das WPA für die Karibikländer strikte Überwachungsvorkehrungen vor, einschließlich parlamentarischer und sonstiger beratender Unterausschüsse. Die Interimsabkommen werden von vollen WPA ersetzt werden, die ähnliche Bestimmungen enthalten werden, bevor für die AKP-Seite materiell-rechtliche Liberalisierungsverpflichtungen greifen.
Bart Staes (Verts/ALE). – (NL) Herr Kommissar, ich nehme Ihre Antwort zur Kenntnis. Wir werden sie genauer prüfen. Sie können jedoch nicht leugnen, dass die meisten AKP-Länder eine sehr unzureichende Verhandlungskapazität und manchmal keine andere Wahl haben und vor vollendeten Tatsachen stehen. Noch in der vergangenen Woche – und das hat mit den AKP-Ländern nichts zu tun – traf ich einen Gewerkschaftsführer aus Guatemala, Herrn Pinzon, der mir von seinem schweren Stand als Gewerkschaftsführer in den Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Mittelamerika berichtete. Diese Situation ist in Ländern, in denen bestimmte Bevölkerungsgruppen und Positionen äußerst schwach sind, gang und gäbe.
Meine Frage lautet: kann der Kommissar sicherstellen, dass gewisse Rechte wie Gewerkschaftsrechte und internationale Arbeitsrechte in derartigen Handelsabkommen, sowohl in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) als auch in denen mit anderen globalen Blöcken wie Mittelamerika, verbindlich werden, damit diese Rechte geachtet werden? Obwohl ich in dieser Angelegenheit kein Experte bin, drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Abkommen hier beträchtliche Lücken aufweisen.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Als ich das letzte Mal auf die Liste der AKP-Länder schaute, war Guatemala nicht dabei. In Zentralamerika haben wir keine.
Ich würde dem Herrn Abgeordneten demzufolge empfehlen, sich andere Quellen für seine Informationen zu suchen, und zwar unter denen, die tatsächlich in AKP-Ländern leben und arbeiten.
Glenis Willmott (PSE). – (EN) Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) waren ursprünglich als Handels- und Entwicklungsabkommen konzipiert, die über den bloßen Marktzugang hinausgehen.
Könnte sich der Kommissar zu der wachsenden Besorgnis äußern, dass die Interimsabkommen zwischen afrikanischen Ländern zunehmend Handelsfeindseligkeit heraufbeschwören, von der u. a. Kenia betroffen ist? Nach Ansicht von Kenias Nachbarn unterminiert Kenia mit seiner Befürwortung dieser Abkommen das Streben des Kontinents nach einem radikaleren Standpunkt zu den WPA.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Tut mit Leid, aber ich weiß nicht, welche Nachbarn Kenias diesen Standpunkt vertreten. Soweit mir bekannt ist, haben sie sich offenbar in der gleichen Weise wie Kenia den Interimsabkommen verschrieben, es sei denn, die Frau Abgeordnete kann mir sagen, von welchem Land sie spricht.
Dazu würde ich lediglich feststellen, dass die Interimsabkommen den Zugang zu Warenmärkten betreffen. Dabei handelt es sich um Übergangsvereinbarungen, die vor Ablauf der WTO-Frist Ende Dezember abgeschlossen wurden, damit sich Länder wie Kenia, die nicht zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehören und folglich nicht unter die „Alles-außer-Waffen“-Regelungen fallen, ihre Handelspräferenzen sowie den Zugang zum europäischen Markt sichern können, damit nach dem 1. Januar keine Störung des Handels eintritt. Aus eben diesem Grund haben unsere Partner in Kenia und Ländern in einer ähnlichen Lage ihre Zufriedenheit über unsere Mühe und Flexibilität geäußert, mit der wir versucht haben sicherzustellen, dass sie bis Jahresende die Ziellinie erreichen würden.
David Martin (PSE). – (EN) Würden Sie akzeptieren, dass neben der Herstellung der WTO-Kompatibilität der Beziehungen zwischen den AKP und der EU eines der Hauptziele der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen darin besteht, den Süd-Süd-Handel anzukurbeln?
Würden Sie in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Aufstockung und besseren Ausrichtung unserer handelsbezogenen Hilfe prüfen, um sicherzustellen, dass der Nutzen des Süd-Süd-Handels über diese WPA realisiert wird?
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Diesen Aspekt würde ich ausdrücklich befürworten, und ich möchte diese Gelegenheit nutzen und unsere Mitgliedstaaten auffordern, ihren Verpflichtungen im Rahmen dieser Abmachungen nachzukommen und ihre Zusagen für handelsbezogene Hilfe, die sie in Höhe der von der Kommission zugesagten Mittel versprochen hatten, einzulösen.
Das sind Mittel in beträchtlicher Höhe, die wir zugesagt haben, und die Mitgliedstaaten hatten versprochen, sich mit einem Betrag in gleicher Höhe zu beteiligen. Ich hoffe, dass sie dieses Versprechen nun auch einlösen und die Erwartungen unserer Kollegen in den AKP-Ländern erfüllen.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Im Gegensatz zu vielen der anderen Fragesteller bin ich ein Laie auf diesem Gebiet und frage mich einigermaßen verwundert, weshalb sich die Kritiker der WPA in der Presse durchsetzen konnten. Wieso war es nicht möglich, die Vorzüge der WPA besser zu vermitteln? Ist das einfach darauf zurückzuführen, dass die WPA-Kritiker – im Gegensatz zu mir – nicht akzeptieren, dass die Liberalisierung des Handels Vorteile bringt, und am Protektionismus festhalten?
Wieso konnten sich die Kommission und andere nicht mehr Gehör in der Presse verschaffen?
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Wir konnten uns dort Gehör verschaffen, wo es darauf ankam – bei Politikern, Ministern und Entscheidungsträgern. Für die Presse bin ich nicht verantwortlich; die Zeiten, in denen ich Einfluss auf das hatte, was in der Presse stand, sind längst vorbei.
Viele unserer Verhandlungspartner in den AKP-Ländern waren unserer Argumentation gegenüber sogar sehr aufgeschlossen. In der Mehrzahl sind sie nach der Vereinbarung von Interimsabkommen nicht nur daran interessiert, diese komplett zu unterzeichnen, sondern die Verhandlungen zu vollen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen aufzunehmen und sich nach den Waren nun auch den Dienstleistungen, Investitionen und anderen handelsbezogenen Regelungen zuzuwenden, weil sie wissen, dass das die Bereiche sind, die einen großen Teil des Wertes dieser Abkommen für die Entwicklung ausmachen.
Es hat in Bezug auf WPA einige Misstöne gegeben, für die in erster Linie, aber nicht ausschließlich, jene verantwortlich sind, die den Handel mit Misstrauen betrachten, die Globalisierung ablehnen (was immer das bedeutet) und die glauben, dass es für die AKP-Länder besser wäre, wenn sie sozusagen von der internationalen Wirtschaft abgeschirmt würden, wenn sie, wie ich es nennen würde, in der Vergangenheit gefangen wären. Das bringt meines Erachtens keinerlei Vorteile, eignet sich aber gut für simplistische Slogans, die eingängig sind und sich einfach niederschreiben lassen, während das eigentliche Wesen und der eigentliche Inhalt komplexer sind. Doch diejenigen, die sich die Mühe machen, zum Kern dieser Problematik vorzudringen, erkennen den Wert und die potenziellen Vorzüge dieser Regelungen. Deshalb versuchen viele Vertreter der AKP-Länder, zu verstehen, worum es eigentlich geht.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Kommissar, mich würde interessieren, ob bei den Partnerschaftsabkommen mit den Entwicklungsländern Strategien im Bereich der erneuerbaren Energien angedacht werden, weil es für uns natürlich wichtig ist, dass überall dort, wo Produktion auf vorbildlicher Ebene stattfindet, die Kosten so weit wie möglich gesenkt werden, während der Verbrauch von schädlichen Gütern auch entsprechend besteuert wird. Könnten Sie sich vorstellen, dass man das in derartige Abkommen mit aufnimmt?
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. − (EN) Alle von uns ausgehandelten Handelsabkommen haben eine Dimension der Nachhaltigkeit, und die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bilden keine Ausnahme.
Wir müssen uns jedoch von den Interessen der AKP-Länder und ihrer Verhandlungsführer sowie ihrer Wahrnehmung ihrer Interessen leiten lassen. Während wir also nicht davor zurückscheuen, diese Fragen anzusprechen, kann ich mich nicht dafür verbürgen, wie sie von denjenigen, mit denen wir diese Verhandlungen führen, aufgegriffen werden.
Die Präsidentin. − Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
Die Präsidentin. − Die Fragestunde ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19.55 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
20. Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten der EU (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Christa Klaß im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über die Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten der EU (2007/2117(INI)) (A6-0031/2008).
Christa Klaß, Berichterstatterin. − Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! „Frauen in den ländlichen Gebieten der Europäischen Union“ – unter diesem Titel haben wir gemeinsam im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter Fakten zusammengetragen und Lösungsvorschläge erarbeitet. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen für die Mitarbeit und dem Sekretariat für die Unterstützung.
Bei uns in Deutschland gibt es ein geflügeltes Wort: das Mädchen vom Lande. Früher noch stärker als heute hatte darunter jeder so seine Vorstellung. Die einen sagen, das sind kreative, verlässliche Frauen, sehr wertebezogen und streng gläubig. Andere sagen, das sind Frauen, die hinterm Berg leben, die wenig oder nichts wissen und deshalb auch dumm, ja vielleicht auch naiv sind.
Sowohl das eine als auch das andere trifft nicht den Kern der Sache. Gerade der ländliche Raum liefert die besten Bedingungen für ein erfülltes Leben, für die Familien, eingebunden in den dörflichen Gemeinschaften, eingebunden in Natur und Umwelt. Wir wissen heute sehr wohl, dass die Lebensmuster der Frauen sehr unterschiedlich sind. Sie müssen aber auch veränderbar sein, nicht festgezurrt und eingeschränkt wegen der Lebensbedingungen rundum. Frauen wollen heute beruflich aktiv sein, und sie wollen auch Familie. Sie wollen und sie können heute beides. Die Politik und die Gesellschaft müssen dafür die Rahmenbedingungen schaffen.
Das Leben auf dem Land bietet Chancen und natürlich auch Risiken. Es ist die eigene persönliche Entscheidung, die nach Abwägung der Gegebenheiten Frauen veranlasst, in die städtischen Räume zu ziehen oder im Dorf zu bleiben. Die statistischen Daten belegen, dass die gut ausgebildeten Frauen die ersten sind, die die Dörfer verlassen. Zurück bleiben leere Kindergärten, leere Schulen und am Ende überalterte und leere Dörfer. Die Entscheidung der Frauen hat also auch eine demografische Dimension.
Nach Schätzungen der Kommission erwirtschaften die ländlichen Regionen 45 % der Bruttowertschöpfung, hier leben 53 % der Beschäftigten. Der ländliche Raum hat also auch eine wirtschaftliche Dimension.
Dabei muss das gesamte Entwicklungspotenzial genutzt und ausgebaut werden. Es reicht nicht mehr aus, die Zukunft der Frauen auf dem Lande alleine im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu behandeln. Frauen sind immer noch als Bäuerinnen aktiv, sie sind aber auch Arbeitnehmerinnen und als Angestellte berufstätig, und sie sind sehr oft auch als mitarbeitende Ehefrauen in den kleineren und mittleren Unternehmen oder gar selbst als selbständige Unternehmerinnen aktiv. Gerade hier müssen noch große Lücken geschlossen werden. Die Stellung der Frauen und Ehefrauen in den kleinen und mittleren Unternehmen braucht eine Festigung im sozialen Bereich, für den Krankheitsfall und für das Alter.
Von der mangelnden Infrastruktur in den ländlichen Regionen sind Frauen besonders betroffen. Frauen verbinden Familie und Beruf, das heißt, die Kinder zwischen Schule und Freizeit chauffieren, die ältere Generation versorgen und daneben die eigenen Interessen nicht ganz aus den Augen verlieren. Dass der ländliche Raum ein Defizit an Infrastruktur – an Straßen, Post, medizinischen Diensten, Feuerwehren und Notärzten – hat, ist seit langem bekannt. Dass aber jetzt zusätzliche Probleme, z. B. bei der Breitbandversorgung, dazukommen, ist nicht hinnehmbar. Gerade Frauen brauchen den schnellen Zugang über DSL, um sich einschalten zu können in ihre vielen Aufgabengebiete.
Die Beteiligung der Frauen am öffentlichen Leben – in den Gemeinderäten, in den Initiativen und Verbänden – kann Veränderungen herbeiführen. Gerade in den ländlichen Räumen braucht es besondere Anstrengungen, um die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen zu erreichen. Deshalb zum Schluss noch eine Aufforderung: Nehmt die Frauen in die Entscheidungsgremien! Sie wissen am besten, was geändert werden muss, denn sie sind immer vor Ort, und sie sind mit Beruf und Familie konfrontiert, während Männer entweder das eine oder das andere tun.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Klaß, und den Mitgliedern des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter für ihren Initiativbericht danken. Wir alle wissen, dass es kontinuierlicher Anstrengungen bedarf, damit die Gleichstellungsproblematik auch künftig auf der Tagesordnung ganz oben steht. Ich war stets der Ansicht, dass das Europäische Parlament diesbezüglich eine Vorreiterrolle spielt, und ich möchte Ihnen meine Anerkennung für Ihren Beitrag zu den Feierlichkeiten anlässlich des Internationalen Frauentags 2008 einschließlich der Konferenz, die letzte Woche stattfand, aussprechen.
Ich teile voll und ganz die Ansicht, dass Frauen in ländlichen Gebieten echte Chancen haben und ermutigt werden sollten, all diese Chancen auch zu nutzen. Deshalb bin ich insgesamt ebenfalls der Meinung, dass Frauen in ländlichen Gebieten besondere politische Aufmerksamkeit erfordern, und ich freue mich, dass dieser Grundsatz über die im Rahmen der dritten Achse vorgesehenen strategischen Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung des ländlichen Raums, bei denen die Förderung des Eintritts von Frauen in den Arbeitsmarkt eine Kernaktion darstellt, umgesetzt wird.
Die ländliche Wirtschaft braucht Frauen, nicht nur, um mit dem Wirtschaftswachstum in der übrigen Gesellschaft mithalten zu können, sondern auch, um eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums zu gewährleisten, in dem Familien und Unternehmen für sich eine Zukunft sehen.
Bevor ich auf einige spezielle Punkt eingehen werde, die in diesem Bericht hervorgehoben werden, möchte ich betonen, dass der Grundsatz der Förderung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau für die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik von zentraler Bedeutung ist. In der Praxis wenden wir ihn auf zweierlei Weise an, und zwar indem wir erstens beispielsweise durch Förderung des Unternehmergeistes bei Frauen wirtschaftliche Chancen für Frauen schaffen.
Zu erwähnen wäre, dass einige Mitgliedstaaten im Rahmen der ländlichen Entwicklungsprogramme für den Zeitraum 2007-2013 konkrete Maßnahmen für Frauen geplant haben; andere Mitgliedstaaten werden im Rahmen bestimmter Maßnahmen Anträgen von Frauen Vorrang einräumen.
Der zweite Aspekt betrifft die Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum: Das Ziel sollte darin bestehen, diese Regionen frauenfreundlich zu gestalten und damit das Leben der Frauen in ländlichen Gebieten zu erleichtern und ihnen zu ermöglichen, ihr Potenzial besser auszuschöpfen. Ein Beispiel sind Fördermittel im Rahmen der ländlichen Entwicklung zur Finanzierung von Kindertagesstätten im ländlichen Raum, damit Frauen auch künftig dort leben, aber gleichzeitig erwerbstätig sein können. Das sind meines Erachtens Beispiele für Aktionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, die zur Verbesserung der Lage der Frau in ländlichen Gebieten beitragen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf das Programm LEADER verweisen, das die Einbeziehung von Frauen in die Entscheidungsprozesse in lokalen Aktionsgruppen unterstützt. Bei LEADER ist die Zahl der von Frauen geleiteten Projekte größer als die der von Männer geleiteten: Im Zeitraum 2003-2005 waren zwei von drei Begünstigten Frauen.
Was die im Bericht enthaltenen konkreten Aufforderungen angeht, so teile ich die Ansicht, dass die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive bei den Programmen für die ländliche Entwicklung genau beobachtet und evaluiert werden sollte. Indikatoren, die die Ergebnisse und Auswirkungen bestimmter Maßnahmen im Zeitraum – auch hier wieder – von 2007 bis 2013 anzeigen, werden nach Geschlecht aufgeschlüsselt und dürften uns die erforderlichen Informationen liefern.
Abschließend möchte ich einen Punkt erwähnen, der nicht wirklich etwas mit dem ländlichen Raum zu tun hat. Die Kommission hat im Rahmen der Überprüfung von Richtlinie 86/613/EWG, bei der es um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit – auch in der Landwirtschaft – ausüben, eine Folgenabschätzung eingeleitet.
Ein wichtiger Punkt ist der Schwangerschafts- und Mutterschutz selbständig erwerbstätiger Frauen. Das legislative Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 sieht eine Überprüfung dieser Richtlinie vor. Das wird eine weitere Möglichkeit zur Förderung und Verbesserung der Lage der Frauen in ländlichen Gebieten sein.
Ich bedanke mich nochmals bei den Berichterstattern und allen, die einen Beitrag zu dieser sehr wichtigen Thematik geleistet haben.
Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! In der vergangenen Woche ist aus Anlass des 8. März sehr viel über die Lage der Frauen gesagt worden. Neben den üblichen Allgemeinplätzen wurden auch Probleme angesprochen, die hinter den Durchschnittswerten liegen und mit einem strukturierten Ansatz sichtbar werden. Frauen leben nicht unter gleichen Bedingungen, sie haben unterschiedliche natürliche Begabungen, und so unterscheiden sich auch ihre Möglichkeiten und ihre Probleme. In ländlichen Gebieten lebende Frauen sind gleichermaßen heterogen. Es gibt einige Probleme, die für viele von ihnen gelten, aber auch andere, die nur in bestimmten sozialen Schichten oder Gruppen auftreten.
Der Bericht von Frau Klaß unterscheidet sich von anderen, allgemeiner gehaltenen Berichten dadurch, dass er die Probleme von Frauen in ländlichen Gebieten sowie die diesbezüglichen Mängel in der Politik deutlich und konkret anspricht. Es macht wenig Sinn, Ziele für die Beschäftigung von Frauen aufzustellen, wenn die dafür erforderlichen flexiblen Dienstleistungen, wie z. B. Verkehrseinrichtungen, nicht vorhanden sind. Die Lage der Frauen in ländlichen Gebieten ist generell schwieriger; sie tendieren viel öfter dazu, verdeckte, unbezahlte Arbeiten ohne Versicherungsschutz, beispielsweise im landwirtschaftlichen Familienbetrieb, zu verrichten. Dadurch befinden sich diese Frauen in der Praxis, was Leistungen bei Mutterschaft, Krankheit und Rente anbelangt, in einer unklaren rechtlichen Situation.
Diese Probleme harren nach wie vor einer Lösung, doch ist die Abwanderung von ländlichen in städtische Gebiete, die bessere Lebensbedingungen bieten, inzwischen fast unaufhaltsam. Ich bin mit der Berichterstatterin einer Meinung, dass bei der Verteilung und dem Einsatz von Gemeinschaftsmitteln den besonderen Bedürfnissen von Frauen im ländlichen Raum mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Sollte das nicht geschehen, hätte dies weit reichende Konsequenzen. Vielen Dank.
Iratxe García Pérez, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Dieser Bericht schildert die reale Situation der Frauen in den ländlichen Gebieten der EU, um auf die bedeutenden Herausforderungen infolge der zusätzlichen Schwierigkeiten zu reagieren, mit denen die in diesen Gegenden lebenden Frauen konfrontiert sind.
Wir sprechen von der Hälfte der Bevölkerung in diesen Regionen, deshalb ist das Gender Mainstreaming im ländlichen Sektor eine Priorität, um sowohl die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen zu fördern als auch ein wirtschaftliches und soziales Wachstum in den ländlichen Gebieten zu ermöglichen.
Stehen die Frauen schon vor wirklichen Schwierigkeiten, um sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren oder Arbeit und Familienleben in Einklang zu bringen, vergrößern sich diese Schwierigkeiten noch, wenn vom ländlichen Umfeld die Rede ist. Daher sind Initiativen und Maßnahmen zu unterstützen, die diesen Herausforderungen Rechnung tragen, um eine echte Chancengleichheit herzustellen.
Trotz unserer Differenzen können wir dem zustimmen, dass die Frauen in den ländlichen Gebieten einer besonderen und gemeinsamen politischen Aufmerksamkeit bedürfen, indem Initiativen der ländlichen Entwicklung gefördert werden, die ihnen helfen, am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilzunehmen, und die die Abwanderung von Frauen aus dem ländlichen Raum in die Städte einschränken, denn diese Entwicklung bereitet zunehmend Sorge.
Wir stehen in der Schuld der Frauen unserer Dörfer, die unermesslich und fast unsichtbar zur Entwicklung des ländlichen Raums beigetragen haben. Ihre Anerkennung sollte Hand in Hand mit Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der regionalen und lokalen Behörden gehen, um die Verbesserung der Lebensbedingungen zu unterstützen und derzeit bestehende Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Deshalb sind die Erweiterung der öffentlichen Dienstleistungen, die Verbesserung der Ausbildung, der Zugang zu neuen Technologien und die Unterstützung innovativer Unternehmensprojekte von grundlegender Bedeutung für die Erreichung dieser Ziele.
Wir rufen auch die Mitgliedstaaten auf, die Rechtsfigur des gemeinschaftlichen Eigentums zu entwickeln, um zu gewährleisten, dass die Rechte der Frauen im Landwirtschaftssektor volle Anerkennung finden. Dies ist der einzige Weg, mit dem sichergestellt werden kann, dass Chancengleichheit für die europäischen Frauen in ländlichen Gegenden zur Realität wird.
Jan Tadeusz Masiel, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin gratulieren, die ein so wichtiges Thema wie die Verbesserung der Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten der EU aufgegriffen hat. Unlängst haben wir über die demografische Zukunft Europas diskutiert. Wir haben viele Gründe für das düstere Bild in diesem Bereich aufgezählt. Dieses Problem kommt im ländlichen Raum noch weit stärker zum Tragen.
Wir müssen alles tun, um für Landbewohner, insbesondere Frauen, geeignete Lebensbedingungen sowie Voraussetzungen für ihre wirtschaftliche und persönliche Entwicklung zu schaffen. Soziale Ausgrenzung und Armut betreffen wahrscheinlich insbesondere Frauen aus ländlichen Gebieten. Wahrscheinlich deshalb, weil hier Bedarf an besseren statistischen Daten besteht.
Der Schlüssel zur Verbesserung der Lage in diesem Bereich könnte darin bestehen, dass Ehepartner von selbstständig Erwerbstätigen, einschließlich Frauen auf dem Lande, eigenständige Sozial- und Rentenversicherungsansprüche erwerben dürfen.
Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Das Gender Mainstreaming im ländlichen Sektor ist nicht nur für die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern notwendig, sondern soll auch dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum auf eine nachhaltige ländliche Entwicklung zu gründen. Unsere Fraktion unterstützt daher nachdrücklich den Klaß-Bericht, vor allem aufgrund von drei Elementen.
Drei der Aspekte, die er hervorhebt, sind aus unserer Sicht äußerst wichtig: 1) Er fordert, dass die Statistiken über den ländlichen Raum auch nach Geschlecht aufgeschlüsselt werden, damit die Frauen in den ländlichen Gegenden nicht mehr nur eine unsichtbare Gruppe sind und damit die von ihnen geleistete Arbeit explizit bewertet wird; 2) er fordert die zuständigen lokalen, regionalen und nationalen Behörden auf, die Beteiligung von Frauen an lokalen Aktionsgruppen und die Entwicklung lokaler Partnerschaften im Rahmen des Leader-Programms zu fördern; und 3) er fordert, sich besonders mit der Verbesserung der Verkehrsinfrastrukturen in ländlichen Gebieten zu befassen und positive Maßnahmen festzulegen, um den Zugang zur Beförderung zu verbessern und so die soziale Ausgrenzung, von der in erster Linie Frauen betroffen sind, einzuschränken.
Ich möchte jedoch auch den Änderungsantrag meiner Kollegin Iratxe García ansprechen und unterstützen, in dem gefordert wird, in den Text einen ausdrücklichen Verweis dahingehend aufzunehmen, dass die Mitgliedstaaten die Rechtsfigur des gemeinschaftlichen Eigentums entwickeln, um zu gewährleisten, dass die Rechte der Frauen im Landwirtschaftssektor voll anerkannt werden, mit dem entsprechenden Schutz auf dem Gebiet der Sozialversicherung und der Anerkennung ihrer Arbeit.
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Die Lage der Frauen im ländlichen Raum wird maßgeblich von der Situation der Landwirtschaft beeinflusst und durch ungerechte Maßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik beeinträchtigt, was zum Aus für immer mehr kleine und mittlere landwirtschaftliche Unternehmen und Familienbetriebe geführt hat. In vielen Fällen zwingt das die Männer und die jungen Leute auszuwandern; zurück bleiben die Frauen mit den Kindern und die Älteren, die zu einem Leben in Armut verdammt sind. Die Lage spitzt sich in den ländlichen Regionen einiger Länder wie zum Beispiel Portugal durch die Schließung von Schulen, Gesundheits- und Geburtszentren, Postämtern und den Wegfall anderer öffentlicher Dienste zu.
Darum wird ein Bruch mit dieser Politik gefordert. Aus diesem Grund haben wir auch einige Änderungsanträge eingereicht, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik unter Berücksichtigung dieser Probleme überprüft werden muss, wobei die Überprüfung dazu führen muss, dass die Beihilfen zur Weiterführung von Familienbetrieben und für die Entwicklung des ländlichen Raums aufgestockt werden und die Arbeit der Frauen, einschließlich der Migrantinnen, die auch in der Landwirtschaft arbeiten, aufgewertet wird.
Wir hoffen daher, dass unsere Vorschläge angenommen werden.
Urszula Krupa, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Da mir die Gelegenheit gegeben wurde, in der Aussprache über die Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten der EU das Wort zu ergreifen, möchte ich darauf hinweisen, dass gerade in den neuen Mitgliedstaaten die Lage der Frauen in den Dörfern und Vorstädten besonders schwierig und teilweise dramatisch ist. Dies liegt auch an der EU-Politik und der damit verbundenen Einführung von Grenzen und Beschränkungen verschiedener Art, die der Auslöser für Armut und soziale Ausgrenzung aufgrund von Arbeitsplatzverlust und unrentabler Produktion sind.
In typischen Agrarregionen, und beileibe nicht nur in Ostpolen, droht Tausenden Familien der Verlust ihrer Existenzgrundlage, weil ihr Betrieb unrentabel ist, die Zuckerfabrik bankrott ging oder geschlossen wurde, weil Fischfangquoten eingeführt wurden, nur bestimmte weiche Obstsorten subventioniert werden und weil es Strafen für die Überproduktion von Milch gibt. Gerade diese Gründe sind für die mangelnde Entwicklung von Infrastruktur und Kommunikationstechnologien, den Mangel an Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie für die Defizite bei der Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und anderen Dienstleistungen verantwortlich. All das kann nicht umgesetzt werden, solange die wirtschaftliche Entwicklung ausbleibt. Eine derart entwicklungshemmende Politik veranlasst junge Menschen einschließlich der Frauen dazu, in die Stadt zu ziehen oder auszuwandern.
Von den LEADER-Programmen profitieren nur Frauen in einigen wenigen Regionen (touristisch attraktive oder für regionaltypische Erzeugnisse bekannte Gebiete); sie gleichen aber nicht einmal annähernd die Verluste aus, die die Landbevölkerung zu verkraften hat, die nach wie vor darauf wartet, dass die hochtrabenden Begriffe in den Dokumenten wie nachhaltige Entwicklung, Chancengleichheit und vollständige Beseitigung der Diskriminierung in die Praxis umgesetzt werden.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte ebenfalls Frau Klaß zu ihrer Initiative bei der Vorbereitung dieses Berichts und zu all ihrer Arbeit an einem so wichtigen Thema beglückwünschen, das nicht nur den Schutz der Rechte der Frau betrifft, sondern auch den wirtschaftlichen, sozialen und regionalen Zusammenhalt in Europa. Dies ist das zweite Mal, dass der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter einen solchen Bericht vorbereitet hat, und ich hatte wirklich die Ehre, Berichterstatterin für den Vorgängerbericht über den Status von Frauen in ländlichen Regionen angesichts der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zu sein.
Die wichtige Frage der Anerkennung der Arbeit von mitarbeitenden Ehefrauen und selbstständig tätigen Frauen, auf die wir die Kommission seinerzeit aufmerksam gemacht haben, wurde leider jedoch bisher nicht wirklich behandelt, und wir waren gezwungen, in diesem Bericht wieder darauf zurückzukommen. Wir fordern daher erneut eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie 86/613/EWG: Die Europäische Kommission selbst räumt ein, dass sie nicht effektiv umgesetzt wird und minimale Fortschritte bei der Anerkennung der auf Bauernhöfen mitarbeitenden Ehefrauen erzielt wurden. Ich bin erfreut, dass die kompetente Frau Kommissarin hier heute Abend anwesend ist und in der Lage sein wird, eine Antwort zu diesem Thema zu geben. Auch andere Teile der Entschließung des Europäischen Parlaments beschäftigen sich eben mit den Fragen der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten für eine gesonderte Versicherung und Behandlung von mitarbeitenden Bäuerinnen. Diese Verpflichtungen wurden nicht adäquat behandelt.
Meines Erachtens gibt es zwei wichtige Aspekte, deren Einbeziehung in den Bericht uns nicht gelungen ist: Es gibt einen Unterschied zwischen Frauen, die in ländlichen Gebieten leben und unter einem Mangel an Infrastruktur leiden, und Frauen, die auf Bauernhöfen arbeiten. Ich habe daher argumentiert, diese verschiedenen Kategorien sollten mithilfe der Statistiken herausgestellt werden.
Meines Erachtens müssen wir auch, da die Verordnungen über die Strukturfonds uns dies ermöglichen, die potenzielle Mitwirkung von Frauen in ländlichen Regionen an der Beschlussfassung und Planung für die Entwicklung ihrer Regionen nutzen. Wir werden helfen, diese Frauen aktiv werden zu lassen und zu vereinen.
Insgesamt stellt der Bericht von Frau Klaß die Prioritäten und Probleme heraus und setzt Ziele für uns alle. Er ist ein nützliches und wichtiges Werkzeug, sowohl für das Europäische Parlament als auch für die Europäische Kommission.
Christa Prets (PSE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! All das, was wir heute hören und was wir an Forderungen auf den Tisch legen, ist nicht neu. Wir wiederholen das, ob nun im Bericht „Frauen und Industrie“, „Frauen und Gesundheit“ oder „Frauen im ländlichen Raum“ – es ist nichts Neues. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit haben wir noch nicht erreicht, mehr Frauen in Führungspositionen und flexiblere Kinderbetreuung auch noch nicht.
All diese Probleme multiplizieren sich im ländlichen Raum. Die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz, und dazu noch schlechte Verkehrsanbindungen sind ein großes Problem. Der Mangel an Aus- und Weiterbildung vor Ort ist auch problematisch. Wie bereits erwähnt wurde, ist auch der Breitbandzugang heute ein Muss, aber im ländlichen Raum ein Mangel.
Das heißt, wir brauchen Maßnahmen, und wir müssen vor allen Dingen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie es den Frauen im ländlichen Raum geht. Das heißt aber auch, dass wir bei allen EU-Förderprogrammen – ob für die Entwicklung des ländlichen Raums, den Sozialfonds oder dergleichen – den Gender-Aspekt verstärkt berücksichtigen und die Programme davon abhängig machen müssen, wie sie weiter genutzt werden.
Österreich hat übrigens eine Vorreiterrolle und wird ab 2009 ein Gesetz haben – Gender Budgeting – in dem alle Gender-Aspekte berücksichtigt werden. Ich denke, das wäre nachahmenswert.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Herr Präsident! In den letzten Jahren wurde viel über die Rolle der Frau, ihre Rechte, ihre Stellung in der Gesellschaft und ihre berufliche Situation gesprochen und diskutiert.
Heute debattieren wir über die Lage der Frauen auf dem Lande. Und dies zu Recht, denn es sind gerade die Frauen, vor allem in Regionen mit Entwicklungsrückständen, die am schwersten arbeiten und am wenigsten von den ihnen zustehenden Rechten haben.
Eine Frau in der Stadt hat eine Wohnung mit allem Komfort, problemlosen Zugang zu Technik, Bildung und Kultur, ein Recht auf Mutterschafts- und Erziehungsurlaub und die Möglichkeit, zu arbeiten und die Errungenschaften der Zivilisation zu genießen.
Eine Frau auf dem Lande lebt oft in einem Haus ohne Wasser- und Abwasseranschluss und hat zahlreiche Verpflichtungen in der Familie und auf dem Hof. Sie kann nicht mit einem Krippen- oder Kindergartenplatz für ihr Kind rechnen, und der Kontakt zur Kultur und zur Welt besteht oft in einem eingeschränkten Rundfunk- und Fernsehempfang. Einer Frau aus einem kleinen entlegenen Dorf, die auf dem familieneigenen Hof arbeitet, werden die Chancen auf beruflichen, sozialen, politischen oder kulturellen Aufstieg praktisch vorenthalten.
Beachten Sie bitte, dass Kulturfördermittel vorrangig in Einrichtungen in Großstädten fließen. Dort gibt es fast alles. Auf dem Lande sind die Aktivitäten nur auf Amateurniveau und finden häufig in Privathäusern und auf eigene Kosten statt. In der Europäischen Union ist viel vom lebenslangen Lernen die Rede, und das ist auch gut so. Kümmern wir uns aber endlich in diesen Programmen um die Frauen. Nach meiner Überzeugung ist es höchste Zeit für ein sinnvolles Programm für Frauen, das aus dem EU-Haushalt finanziert wird.
Eva-Britt Svensson (GUE/NGL). – (SV) Herr Präsident! Eine kräftige und nachhaltige Entwicklung erfordert, dass der Lage der Frauen Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Beteiligung der Frauen ist Voraussetzung für eine positive Entwicklung. Frauen, die in den ländlichen Gebieten wohnen und arbeiten, leben, wie Frauen in anderen Bereichen, in einer nicht gleichgestellten Gesellschaft. Darum ist die Gleichstellungsarbeit für Frauen in allen Lebensbereichen und Lebenslagen von großer Bedeutung.
In Bezug auf diesen Bericht möchte ich die Aufmerksamkeit der Kollegen darauf richten, wie wichtig die Unterstützung für die von Ilda Figueiredo eingebrachten Änderungsanträge der GUE/NGL-Fraktion ist, insbesondere für Änderungsantrag 9, der zeigt, dass die Gleichstellungsproblematik auch bei der dringend notwendigen Überprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik in vollem Umfang Berücksichtigung finden muss. Ohne die aktive Beteiligung von Frauen wird es uns nicht gelingen, die Ziele für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen. Das gilt, wie gesagt, für alle Lebensbereiche. Wir brauchen Gleichstellung für das Überleben des ländlichen Raums, für die Frauen und für die Zukunft.
Roumyana Jeleva (PPE-DE). – (BG) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Frau Klaß zu ihrem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Als Mitglied des Ausschusses für regionale Entwicklung aus Bulgarien möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ländliche Regionen ein unterschiedliches Entwicklungspotenzial haben. Es gibt jedoch etwas, das gewiss zu einer besseren Lebensqualität in ländlichen Regionen und vor allem zur Verbesserung der Lage der dort lebenden Frauen beitragen wird. Dies ist die Bereitstellung von Verkehrs- und sozialer Infrastruktur, zugänglichen Sozialleistungen in den Dörfern, wie Kinderbetreuung, Pflege für alte und kranke Menschen, Kommunikationsdienste und die Einrichtung von Kultur- und Sportzentren. In dieser Hinsicht ist die angemessene Unterstützung für die ländlichen Regionen durch Finanzierung aus den EU-Fonds von überragender Bedeutung. Ich möchte daher eine bessere Angleichung der städtischen und ländlichen Problematiken empfehlen. Die Entwicklung der ländlichen Regionen sollte mit den Aktivitäten im Rahmen der Regionalpolitik koordiniert werden. Ich glaube, dass ein integriertes Herangehen an die Konvergenz und Entwicklung ländlicher Regionen und die Berücksichtigung der Rolle der dortigen kleinen und mittleren Städte die Effizienz der EU-Hilfe eher steigern und zur Verbesserung der Lebensbedingungen, speziell von Frauen, beitragen würden, als ein gesonderter Ansatz, wie wir ihn bisher hatten.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Frauen in ländlichen Gebieten befinden sich in einer weit ungünstigeren Lage als Frauen in Städten. Das betrifft keineswegs nur den Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen.
Ich möchte auf die Ziffern 4 und 10 im Bericht hinzuweisen; darin wird die Notwendigkeit betont, die sozialen und wirtschaftlichen Rechte von selbstständigen Unternehmerinnen und von in Familienbetrieben mitarbeitenden Frauen im Auge zu behalten. Das betrifft insbesondere den Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf eine einkommensbezogene Rente. In einigen Ländern ist es sogar gesetzlich verboten, mitarbeitende Partner auf dem eigenen Hof oder im Familienunternehmen formal einzustellen oder sie bei der Sozialversicherung anzumelden. Die Folgen dieser Vorschriften, die schnellstmöglich geändert werden sollten, bekommen vor allem die Frauen zu spüren. Ich gratuliere der Berichterstatterin.
Esther Herranz García (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Frau Klaß zu ihrem Bericht beglückwünschen; er ist nicht nur nützlich, sondern Frau Klaß hat auch sehr hart gearbeitet, dafür danke ich ihr vielmals.
Ich möchte betonen, dass nicht alle Frauen in den ländlichen Gegenden unter gleichen Bedingungen leben. Der ländliche Raum ist nicht homogen. Im Gegenteil, häufig sind die Welten sehr verschieden. Doch vor allem müssen wir die Frauen für die ländliche Welt gewinnen und den Exodus verhindern, der sich zurzeit vollzieht, denn die Position der Frauen in unserer Gesellschaft entwickelt sich langsam, doch zumindest in den Städten schreitet sie voran. Dennoch besorgen die Frauen in den ländlichen Gegenden nicht nur die Arbeiten innerhalb und außerhalb des Hauses, sondern gleichzeitig sorgen sie auch für Familienangehörige, und obendrein tun sie es unter schlechteren Bedingungen als in den Städten.
Die Frauen für die ländlichen Gegenden zu gewinnen darf deshalb nicht nur durch die Verbesserung ihres persönlichen Wohlergehens geschehen, sondern auch die Wirtschaft des ländlichen Raums bedarf der Verbesserung, eine Wirtschaft, die vor allem landwirtschaftlichen Charakter trägt, wie Sie gut wissen, Frau Kommissarin. Um eine starke Wirtschaft zu haben, muss aber die Gemeinsame Agrarpolitik unterstützt und gestärkt werden, und gleichzeitig ist natürlich zu berücksichtigen, dass die technische und soziale Situation verändert werden muss, und zwar bald.
Corina Creţu (PSE). – (RO) Ich freue mich, das Wort zu einem häufig vernachlässigten Sachverhalt ergreifen zu dürfen, nämlich zur Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten.
Obgleich das System der Rechtsnormen auf der Ebene der Union sowie auf der jedes einzelnen Mitgliedstaates jede Art der Diskriminierung ausschließt, treten zwischen dem Leben von Frauen in der Stadt und Frauen auf dem Land auffällige Unterschiede zutage.
In Rumänien wie in jedem anderen neuen Mitgliedstaat der Europäischen Union stellt sich die Lage erheblich schlimmer dar, als allgemein in dem Bericht beschrieben. Die Deindustrialisierung in den 1990er Jahren sorgte für ein Phänomen, das die westeuropäischen Länder nicht erlebten: die Abwanderung von der Stadt auf das Land, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. In unserer Region traf und trifft die Armut im ländlichen Raum vor allem Frauen, und sie sind besonders gefährdet, Opfer von Menschenhandel zu werden.
Bedauerlicherweise wurde die industrielle Landwirtschaft, die Teile der weiblichen Arbeitskräfte in die Dörfer hätte locken können, selbst zerstört. In Bereichen wie öffentliche Gesundheit, Bildung, Verkehr, Wasser und Abwasser trat eine beschleunigte Verschlechterung in Erscheinung, derartige Dienstleistungen sind in vielen Dörfern in den weniger entwickelten Ländern der Europäischen Union praktisch nicht existent.
Frauen in den ländlichen Gebieten, insbesondere die jüngeren und mittleren Alters, könnten eine selbstständige Erwerbstätigkeit anstreben, wenn sie Zugang zu Bankdarlehen hätten, und meines Erachtens sollten wir die Möglichkeit der Errichtung einer Bank erörtern, die Mikrokredite im ländlichen Raum vergibt.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! In ländlichen Gebieten sind Frauen eine soziale Gruppe, die besonders von Diskriminierung betroffen ist. Wegen der traditionellen Rollenverteilung und der schwachen Infrastruktur in vielen Bereichen, wie etwa der Kinderbetreuung, treten viele Frauen nie auf dem offiziellen Arbeitsmarkt in Erscheinung, sind aber zugleich auch nicht als arbeitslos gemeldet. Frauen verrichten Tätigkeiten, die mit einer Berufstätigkeit vergleichbar sind, aber nicht als solche anerkannt, geschützt oder entlohnt werden.
Die Mitgliedstaaten sollten gemeinsam mit der Europäischen Kommission so schnell wie möglich eine Lösung für die Probleme der großen Gruppe mitarbeitender Frauen in landwirtschaftlichen Familienbetrieben sowie in kleinen und mittleren Unternehmen zu finden, die in vielen Mitgliedstaaten eine unzureichende Rechtsstellung haben, was finanzielle und rechtliche Probleme in Bezug auf das Recht auf Mutterschafts- und Krankheitsurlaub, den Erwerb von Rentenansprüchen und den Zugang zur sozialen Sicherheit mit sich bringt.
Im Interesse einer harmonischen Entwicklung sollten die Mitgliedstaaten die Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten gewährleisten, unter anderem durch Förderung des Unternehmergeistes von Frauen, Verbesserung ihrer Qualifikationen und Bereitstellung eines problemlosen Zugangs zur Infrastruktur und zu den Dienstleistungen, die dem Standard des 21. Jahrhundert entsprechen, in allen ländlichen Gebieten.
Abschließend möchte ich Frau Klaß zu ihrem hervorragend verfassten Bericht gratulieren.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin danken. Es wäre besser, wenn wir über die Lage der Menschen anstatt der Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten sprechen würden, denn viele der Probleme treffen auch auf Männer zu, wenngleich Frauen ganz besondere Probleme haben, da gebe ich der Berichterstatterin natürlich Recht.
Trotzdem kann die Lebensqualität auf dem Lande, sofern die Menschen über ausreichende Ressourcen verfügen, in vielen Fällen besser sein als in der Stadt. Meines Erachtens bestand das Problem schon immer darin, dass die Arbeit von Frauen nicht quantitativ erfasst, bezahlt und folglich nicht anerkannt wurde. In einigen Ländern konnte diesbezüglich ein gewisses Maß an Fortschritt erzielt werden, aber ich glaube, dass die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich mit Frauen umgehen.
Ich möchte eine besondere Rolle der Frauen erwähnen, die möglicherweise noch nicht in Betracht gezogen wurde. Meines Erachtens sind es vor allem die Frauen, die Kinder motivieren und erziehen, und sie sind es im Allgemeinen, die entscheiden, ob ein Kind sich der Landwirtschaft zuwendet oder nicht, und die damit oftmals über die Zukunft ländlicher Gebiete entscheiden. Wir müssen diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit widmen, damit sie eine positive und keine negative Einstellung zur Landwirtschaft entwickeln.
Abschließend sei festgestellt, dass nur wenige Frauen Land besitzen und dass nur wenige landwirtschaftlichen Organisationen angehören. Hier muss etwas getan werden.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Im Jahr 2008 betrug das Verhältnis des Gesamteinkommens von den 20 % der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen zum Gesamteinkommen von den 20 % der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen 4,8. In Portugal, Litauen und Lettland lag dieses Verhältnis leider bei mehr als 6.
Die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten hat ganz eindeutig ein niedrigeres Einkommen als die in den Städten, und bei Frauen ist diese Situation noch augenfälliger. Zur Verbesserung der Lage von Frauen auf dem Land müssen wir den Strukturfonds effizient einsetzen. Der Aufbau der Verkehrsinfrastruktur, des Bildungssektors, der Gesundheitsdienste, der Kommunikationsinfrastruktur, der Informationstechnologie sowie des Dienstleistungssektors in den ländlichen Gebieten fördert die dortige wirtschaftliche Entwicklung und verbessert den Status von Frauen in ländlichen Gebieten.
Zum Schluss sei erwähnt, dass ländliche Regionen das vorhandene Land durch Investitionstätigkeit in Industrieparks verwandeln und so Arbeitsplätze schaffen können. Mit einer effizienten Verkehrsinfrastruktur ließen sich Entfernungen in Zeit anstatt in Kilometern messen. Menschen, die in Stadtgebieten arbeiten, könnten so auf dem Land leben und zu seiner wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Die heutige Diskussion ist außerordentlich wichtig, da sie das Thema der Situation von Frauen in ländlichen Regionen, die weiterhin eher bedrohlich ist, abdeckt.
Eine der Schlüsselfragen ist nach wie vor die der niedrigen Beschäftigungszahlen bei Frauen in ländlichen Regionen, insbesondere in den neuen Beitrittsländern, was dazu führt, dass Frauen in ländlichen Regionen sich häufiger in sozialer Isolation befinden als Frauen in Städten.
In erster Linie sollten sie, um die Beschäftigungszahlen bei Frauen in ländlichen Regionen zu erhöhen, ermutigt werden, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Um dies zu erreichen, müssen die Regierungen einschlägige Informationen zu Firmengründungen bereitstellen sowie die Fähigkeit der Frauen verbessern, moderne Informationstechnologien zu nutzen und damit ihr Selbstvertrauen zu stärken.
Darüber hinaus zeigen Statistiken, dass Frauen in ländlichen Regionen verglichen mit Frauen in Städten einen geringeren Bildungsstand haben und über weniger berufliche Fertigkeiten verfügen. Dies bedeutet oft, dass sie größere Schwierigkeiten haben, sich an die Herausforderungen des Marktes anzupassen, neue Methoden und Formen der landwirtschaftlichen Arbeit und alternative landwirtschaftliche Tätigkeiten zu finden. Ich möchte die Mitgliedstaaten nachdrücklich auffordern, einen Maßnahmenrahmen vorzulegen, um Frauen in ländlichen Regionen zu ermutigen, nach Wissen und Bildung zu streben.
Das Projekt LEADER sollte effizientere Hilfe bieten, um das Problem zu überwinden.
Vielen Dank.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Bei aller Anerkennung der großen Mühe, die Frau Klaß, unsere Berichterstatterin, bei der Erarbeitung dieses Berichts mit dem Titel „Die Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten der EU“ aufgewendet hat, würde ich fragen: im Vergleich zu Männern in ländlichen Gebieten oder Frauen in städtischen Gebieten? Um welchen Kontext geht es hier? Eine homogene Gruppe der „Frauen in ländlichen Gebieten in der EU“ gibt es nicht. Ich bin eine Frau aus einem ländlichen Gebiet der EU, aber die Frau nur ein paar Häuser weiter mit ihren sechs oder sieben Kindern und einem arbeitslosen Ehemann, die ihre Miete oder Hypothek nicht bezahlen kann, ist ein ganz anderer Typ Frau in einem ländlichen Gebiet. Das ist keine homogene Gruppe, und wir müssen hier wirklich aufpassen.
Viele Frauen in ländlichen Gebieten haben einen städtischen Lebensstil; andere leben in Not und Armut. Wenn Sie mit allem modernen Komfort einschließlich IKT auf dem Lande leben, wenn vor Ihrer Tür zwei Autos stehen und Sie sich einen Urlaub im Ausland leisten können, dann haben Sie einen städtischen Lebensstil. Also lassen Sie uns diese Problematik in den richtigen Kontext einordnen.
Eigentlich geht es hier doch darum, dass alle Frauen wieder die Wahl haben müssen: die Wahl zu heiraten oder auch nicht; die Wahl Kinder zu haben oder nicht; einen Beruf zu haben, sich weiterzubilden oder nicht; zu Hause zu bleiben, arbeiten zu gehen, eine Existenz zu gründen oder Zugang zu Eigentum zu haben.
Als ich vor einigen Jahren in Brüssel eine Wohnung kaufen wollte, war der Leiter der Bankfiliale nur unter der Bedingung bereit, einen Hypothekarvertrag auszustellen, wenn mein Mann ihn unterschreibt. Das war vor wenigen Jahren in Brüssel. Ich habe meine Hypothek erhalten, und mein Mann hat den Vertrag nicht unterschrieben. Ich habe mich hartnäckig gewehrt, wie man sich vorstellen kann. Also Zugang zu Geld, Eigentum und Existenzgründung – es gibt viele verschiedene Arten von Frauen in ländlichen Gebieten.
Der Präsident. − Frau Doyle, ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihnen diese Hypothek niemals verweigert hätte.
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – (RO) Der Erfolg der Lissabon-Strategie setzt ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowohl in den städtischen als auch in den ländlichen Gebieten der Europäischen Union voraus, und Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieser Gebiete.
Ich begrüße die Erarbeitung dieses Berichts, der neben einer Analyse der Lage von Frauen in ländlichen Gebieten auch konkrete Empfehlungen zur Verbesserung ihrer Bedingungen im Zuge der Globalisierung und der Verwirklichung der Ziele von Lissabon umfasst. Von der Vielzahl der Hilfen und Bedingungen, die es zu diesem Zweck zu beachten gilt, möchte ich die Bedeutung eines gewichtigen Faktors, und zwar der Bildung, herausstellen.
Den uns vorliegenden statistischen Daten zufolge haben nur wenige Frauen in ländlichen Gebieten Zugang zur Hochschulbildung, was auf finanzielle Probleme, aber auch auf die unzureichende Qualität des Unterrichts in solchen Regionen zurückzuführen ist.
Die Frauen in ländlichen Regionen sollten von einem verbesserten Zugang zur Bildung und zu lebenslangem Lernen sowie von besseren Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren, profitieren. Dieses Schlüsselelement muss zusammen mit der aktiven Rolle von Frauen in der Politik und der soziökonomischen Entwicklung auf dem Lande gestärkt werden.
Anna Záborská (PPE-DE). – (SK) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte Frau Klaß zu ihrem hervorragenden Bericht gratulieren.
Ich komme aus einem Mitgliedstaat mit einer relativ großen ländlichen Bevölkerung. In den letzten 45 Jahren ist diese stabil geblieben, mit einem nur geringen Rückgang von 14 %. Aufgrund wirtschaftspolitischer Maßnahmen vollzieht sich in den ländlichen Gebieten heute ein stärkerer Wandel. Es findet ein wohl bekannter Prozess statt, bei dem Firmen ihre Betriebsstätte aus ländlichen in städtische Gebiete verlagern. Öffentliche Maßnahmen sollten jedoch derart gestaltet sein, dass diese so genannte Modernisierung nicht auf Kosten der Frauen in den ländlichen Gebieten stattfindet.
Ich fordere den Ausschuss der Regionen auf, diesen Bereich zu untersuchen und mit einer breit angelegten Konsultation in den ländlichen Regionen zu beginnen, um mehr über das Leben dort mit all seinen Vor- und Nachteilen zu erfahren. Die Kommission und den Rat fordere ich auf, ihre Programme – vor allem die Mikrokredit-Programme – auch auf die Frauen in den ländlichen Gebieten auszurichten.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – (RO) Meine Damen und Herren! Wir erörtern ein Problem, das nicht nur mit Chancengleichheit, sondern auch mit der Entwicklung ländlicher Gebiete im Allgemeinen im Zusammenhang steht. Und daher möchte ich auf die Maßnahmen eingehen, die in diesem Bereich auf Gemeinschaftsebene gelten.
Die Programme und Fonds der zweiten Säule, der ländlichen Entwicklung, sind, bezogen auf den prozentualen Anteil, finanziell erheblich besser ausgestattet als die Sonderprogramme der Europäischen Union für Chancengleichheit. Wenn es uns gelingt, den Zugang von Frauen zu Programmen wie LEADER zu erleichtern, das für die ländliche Entwicklung bestimmt ist, haben wir viel mehr zu gewinnen als durch die alleinige Verwendung der Gelder in den Programmen EQUAL, PROGRESS oder DAPHNE.
Im Haushalsplan der Europäischen Union machen die Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums nicht weniger als 11 % aus, für den gesamten Bereich Unionsbürgerschaft indes, zu dem die Programme für Chancengleichheit zählen, sind nicht einmal 1 % vorgesehen.
Die große Herausforderung liegt hier für die Europäische Union in der erfolgreichen Kommunizierung, Mobilisierung und Ermöglichung der Verknüpfung von EU-Mitteln mit den verschiedenen Projekten, die in den ländlichen Gebieten von Frauen initiiert werden könnten.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich danke dem Hohen Haus für eine sehr ermutigende Aussprache mit einigen recht engagierten Beiträgen – das macht mir große Freude. Die heutige Diskussion hat erneut gezeigt, dass die Lage der Frauen in ländlichen Gebieten wirklich ganz konkrete Aufmerksamkeit erfordert.
Obwohl ich den Eindruck habe, dass einige von Ihnen bezüglich der erzielten Fortschritte etwas pessimistisch sind, möchte ich mich der Problematik von einer etwas positiveren Seite nähern. Meines Erachtens wurde vor allem durch die Instrumente zur ländlichen Entwicklung eine ganze Menge erreicht, und ich bin zuversichtlich, dass wir hinsichtlich der Verbesserung der Lage der Frauen in ländlichen Gebieten die richtige Richtung eingeschlagen haben.
Viele von Ihnen stellten fest, dass die Integration geschlechterspezifischer Aspekte in alle relevanten Politikbereiche und ihre Ausweitung auf die ländliche Wirtschaft insgesamt ihre Wirkung verstärken wird. Diesem Ansatz schließe ich mich voll und ganz an. Wir sollten uns nicht allein auf den Sektor Landwirtschaft beschränken. Die Einbettung unserer Politiken in die Erfordernisse und Möglichkeiten der ländlichen Gesellschaft insgesamt wird vielschichtige Effekte erzeugen, die auch dem Agrarsektor als Ganzes zugute kommen werden. Die Kommission wird diesen Aspekt bei der Umsetzung der ländlichen Entwicklungsprogramme genau überwachen.
Mehrere von Ihnen erwähnten die Bedeutung von Breitbandnetzwerken in ländlichen Gebieten. Hierzu muss ich feststellen, dass im Rahmen der dritten Achse der ländlichen Entwicklungspolitik – der Diversifizierungsachse – Möglichkeiten bestehen, in Regionen zu gehen, die für Investoren aus wirtschaftlicher Sicht ungeeignet sind. Dabei handelt es sich um entlegene Gebiete, bei denen die Mitgliedstaaten die ländliche Entwicklungspolitik nutzen können, um diesen Gebieten den Zugang zum Breitbandnetz zu ermöglichen. Ich kann den Mitgliedstaaten nur empfehlen, dies in Betracht zu ziehen, wenn sie ihre Investitionen oder die Nutzung ihrer Möglichkeiten im Rahmen der ländlichen Entwicklungspolitik planen.
Einige von Ihnen erwähnten die Arbeit, die Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben „im Verbogenen“ leisten. Ich gebe zu, dass unsere Statistiken diese Tatsache nicht immer widerspiegeln. Wir sollten unter Nutzung der verschiedenen Instrumente versuchen, die Frauen zu ermutigen, die Chancen auf wirtschaftliche Unabhängigkeit zu ergreifen, indem wir ihnen die damit verbundenen sozialen Rechte gewähren. Aus meiner Sicht sind bessere Möglichkeiten für die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung durch Frauen in der Landwirtschaft ein riesiger Schritt, um ländliche Einkommen zu stärken und zur nachhaltigen Gestaltung des Lebens in ländlichen Kommunen beizutragen.
Ich bin sehr häufig in ländlichen Gebieten unterwegs und finde es immer sehr ermutigend, wenn ich Frauen treffe, die die Trennlinie überschreiten und in den verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen mitarbeiten. Ich weiß, für die erste Frau ist der Beitritt zu einer solchen Organisation ein großer Schritt, aber für die nächste ist es schon einfacher, obwohl sich die Einstellung der Männer ändern muss und sie akzeptieren müssen, dass Frauen in diesem Bereich gleichberechtigt mitwirken können.
Ich glaube, dass es noch wesentlich mehr zu sagen gibt zu dieser Thematik, die nicht in den Hintergrund gedrängt werden sollte. Ich darf Ihnen versichern, dass ich sämtliche Initiativen zur Verbesserung der Lage der Frauen in den ländlichen Gebieten von ganzem Herzen unterstützen werde, weil ich wirklich glaube, dass wir diesen speziellen frauenorientierten Ansatz zur Diversifizierung des ländlichen Raums brauchen.
Christa Klaß, Berichterstatterin. − Herr Präsident, liebe Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Diskussionsbeiträge. Wir hatten wirklich eine gute Diskussion hier in dieser Runde. Frau Kommissarin, ich bedanke mich auch für Ihre Aussage, dass die Überprüfung der Richtlinie 86/613 zur Gleichbehandlung noch in diesem Jahr, im Jahr 2008 kommt. Wir haben das angemahnt, und wir denken, es ist an der Zeit, sie zu überprüfen.
Wir können ja heute Abend keine europäische Verordnung zur Verbesserung der Situation der Frauen in den ländlichen Regionen erlassen. Avril Doyle, ich weiß, die Situation der Frauen ist nicht überall gleich. Das wäre auch langweilig, das wollen wir gar nicht. Aber die Frauen in den ländlichen Regionen haben natürlich gleiche Bedingungen, und sie haben mit den gleichen Nachteilen zu kämpfen wie die Frauen, die im Zentrum, in der Stadt wohnen. Das haben wir hier herausgestellt.
Wir regen den Diskussionsprozess an, und wir fordern die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, letztendlich auch Veränderungen herbeizuführen. Der Bericht soll das Bewusstsein dafür schärfen.
Es gibt gute Beispiele in Europa, und nach dem Prinzip der best practice wollen wir diese Beispiele auch zur Nachahmung herausstellen. Da können wir auch viel Gutes einbringen. Wir wollen den Blick weiten. Die Frauen im ländlichen Raum sind nicht nur Bäuerinnen, die Frauen im ländlichen Raum sind auch berufstätig unterwegs, und sie müssen Familie und Beruf miteinander vereinbaren.
Letztendlich macht die eigene Betroffenheit den besten Redner. Wir brauchen die Mitwirkung der Frauen in den Gremien. Die Kollegin McGuinness sprach eben von zufriedenen Müttern, die auch ihren Kindern Zufriedenheit geben können. Wir werden auch zufriedene Frauen haben, wenn wir etwas für ihre Gleichstellung, für ihre angemessene Beteiligung tun. Und dann bleibt auch die Jugend wieder in den Dörfern, das ist unser Anliegen.
Es wäre spannend, Frau Kommissarin, eine Aufstellung zu haben über all die vielen Möglichkeiten, die sich den Frauen in der Europäischen Union letztendlich bieten. Wir stellen immer wieder fest, dass dies vielfach auch unter dem Deckmantel anderer Programme versteckt ist. Vielleicht gelingt es uns einmal, dass wir sagen, in diesen und jenen Programmen sind Frauen auf diese oder jene Weise beteiligt. Das schafft immer wieder Probleme, gerade wenn man das vor Ort auseinanderdividieren soll. Vielleicht setzen wir einmal da an, um letztendlich auch unseren Verantwortlichen in den Regionen sagen zu können: Hier können wir Verbesserungen für die Frauen erreichen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch, dem 12. März 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Zita Gurmai (PSE), schriftlich. – (HU) Im Bereich der Beschäftigung zeigt ein Vergleich zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, dass sich die Kluft zwischen ihnen vergrößert, wobei Frauen in ländlichen Gebieten besonders benachteiligt sind. Sie haben geringere Chancen auf soziale Integration, Beschäftigung und den Zugang zu Kinderbetreuungs-, Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Einrichtungen. Damit stellen sie eine der schwächsten Gruppen der Gesellschaft dar; für sie ist die Gefahr von Armut und Ausgrenzung besonders hoch. Wenn sie eine Beschäftigung haben, liegen ihre Löhne erheblich unter denen der Frauen in städtischen Gebieten.
Eine starke soziale Benachteiligung erzeugt soziale Spannungen, da das System der sozialen Sicherheit in den am stärksten benachteiligten Gemeinden besonders unzureichend ist und hier auch die größten Mängel in der Infrastruktur zu finden sind. Da es an anderen Möglichkeiten fehlt, trägt die Landwirtschaft mit ihren kurzfristigen Vorteilen und einem niedrigeren Lebensstandard zur Konservierung der spannungsgeladenen Beschäftigungssituation im ländlichen Raum bei.
Die Lösung liegt im gemeinsamen Vorgehen, wobei lokale Gebietskörperschaften, Regierungen und Europäische Gemeinschaft in diesem Zusammenhang jeweils ihre Aufgabe und ihre Verantwortung haben.
Vielfältige Anpassungsprogramme müssen auf den Weg gebracht werden. Durch die Schaffung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, die Entwicklung der Infrastruktur, die Bereitstellung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen zur Erleichterung der Anpassung an die Marktbedingungen, die Unterstützung von Existenzgründungen und die Schaffung von Projekten in Grenzregionen und über Ländergrenzen hinweg müssen der Bevölkerung im ländlichen Raum Anpassungsmöglichkeiten geboten werden.
Die Anpassungsprogramme sind unbedingt auf die besonderen Bedingungen des betreffenden ländlichen Gebiets auszurichten, denn auf diese Weise lassen sich regionale Unterschiede schrittweise abbauen.
Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Ich möchte meine Kollegin Christa Klaß zu Ihrem Bericht beglückwünschen, der die Schwierigkeiten von Frauen in ländlichen Gebieten auf dem Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen des Lebens aufzeigt. Bei allen Diskussionen über die am stärksten benachteiligten Gruppen, die unter den schlimmsten Bedingungen leben, müssen auf jeden Fall die Roma-Frauen erwähnt werden, von denen ein erheblicher Teil in Dörfern und kleinen Siedlungen lebt. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Roma-Frauen die schwächste Gruppe in der Europäischen Union darstellen, deren Lebenserwartung im Vergleich zur Mehrheit der Gesellschaft erschreckend niedrig ist und deren Arbeitslosenrate um ein Vielfaches über dem Durchschnitt liegt. Gemäß den Empfehlungen des Berichts müssen daher die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen von Frauen in benachteiligten Regionen entwickeln und durchführen und benachteiligte und sozial ausgegrenzte Frauen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Förderung von Existenzgründungen unterstützen. Insbesondere Roma-Frauen könnten von einer Unterstützung der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission für Unternehmensmodelle mit sozialer Ausrichtung profitieren, die sich an arme und benachteiligte Gruppen der Gesellschaft richten. Ich begrüße die Tatsache, dass der Bericht großen Wert auf die Erhebung zuverlässiger statistischer Daten legt, da die Erfassung und Verarbeitung solcher nach Geschlecht und ethnischer Herkunft aufgeschlüsselter Daten von maßgeblicher Bedeutung sind, um zum einen die indirekte und mehrfache Diskriminierung zu beseitigen und um zum anderen die erzielten Fortschritte in Bezug auf Bildung, Wohnung, Gesundheit und Beschäftigung messen zu können. Vielen Dank.
Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Der innovative Bericht der Berichterstatterin Frau Klaß sucht nach einem neuen Ansatz zur Beseitigung der offenkundigen Ungleichheiten zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Frauen spielen bei der soziopolitischen, wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklung ländlicher Gebiete eine entscheidende Rolle. Das Leben der Frauen in ländlichen Gebieten hält eine Vielzahl von Chancen, aber auch erhebliche Probleme bereit.
Die Steigerung der Attraktivität ländlicher Gebiete soll dazu beitragen, die Abwanderung vorwiegend junger und gut ausgebildeter Personen zu bremsen. Ich rufe daher dazu auf, das nachhaltige und integrierte Wachstum zu fördern und neue Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere für Frauen und junge Menschen, zu schaffen sowie in der gesamten EU hochwertige Sozial- und Gesundheitsdienste und andere allgemeine Dienstleistungen bereitzustellen.
Nur Frauen mit einer Ausbildung werden sich voll an der Wiederbelebung der lokalen Gemeinschaften beteiligen können. Sie können neue Unternehmen gründen, was im Gegenzug zur Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft und zur Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Gebieten beiträgt. Wir müssen die Schwierigkeiten beim Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien beseitigen und dafür sorgen, dass Frauen in ländlichen Gebieten Breitband-Internet-Zugang haben. Fortbildung und das Erlernen von Fremdsprachen sowie Umschulungsmöglichkeiten müssen allen interessierten Frauen offen stehen.
Außerdem sollte das erfolgreiche LEADER-Programm fortgesetzt werden, weil es vielen Frauen dabei geholfen hat, in ländlichen Gebieten im Bereich des Fremdenverkehrs, des Handwerks und der regionalen Erzeugnisse Unternehmen zu gründen. Ich bin der Meinung, dass durch das Aufzeigen vorbildlicher Verfahrensweisen und die Nutzung der neuen Instrumente für den Erfahrungsaustausch ein bedeutender Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Gebieten geleistet werden kann.
Rovana Plumb (PSE), schriftlich. – (RO) Die EU ist einem gewaltigen sozialen Wandel unterworfen, der durch Probleme im Zusammenhang mit Einwanderung, sozialer Sicherheit und Armut ausgelöst wurde.
Die auf EU-Ebene entwickelten Programme haben nicht unerheblich zur Verbesserung der Lage der Frauen in ländlichen Gebieten beigetragen. Gleichwohl sind Frauen nicht an der Entscheidungsfindung in den Gemeinden beteiligt, denen sie angehören.
Als konkretes Beispiel, das Anlass zur Sorge gibt, sei erwähnt, dass das Einkommen der meisten Frauen in den ländlichen Regionen Rumäniens nicht einmal 5 Euro pro Tag beträgt und ein Drittel keinerlei Medien nutzt.
Im Hinblick auf die Verwirklichung von Chancengleichheit und die Verbesserung der Lage der Frauen in ländlichen Gebieten haben meines Erachtens drei Aktionsbereiche Vorrang:
- Verbesserung des sozialen Status von Frauen durch Eröffnung neuer Einkommensperspektiven und Möglichkeiten zum Warenerwerb;
- volle Einbeziehung von Frauen in die Entscheidungsprozesse und mehr Kompetenzen zur Änderung/Beeinflussung der Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen;
- Zugang von Frauen in ländlichen Gebieten zu grundlegenden Dienstleistungen (Gesundheit, Bildung) sowie zur Infrastruktur.
Die Mitgliedstaaten sollten staatliche Maßnahmen konzipieren, um die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt und an der Entscheidungsfindung zu fördern, sowie jede Form von Diskriminierung bekämpfen.
21. Nachhaltige Landwirtschaft und Biogas: notwendige Überprüfung der EU-Vorschriften (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Csaba Sándor Tabajdi im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über nachhaltige Landwirtschaft und Biogas: notwendige Überprüfung der EU-Vorschriften (2007/2107(INI)) (A6-0034/2008).
Csaba Sándor Tabajdi, Berichterstatter. – (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! In einer Welt des Klimawandels, des steigenden Energiebedarfs und steigender Preise sind die Verringerung der Energieabhängigkeit, die Reduzierung des Energieverbrauchs und die Diversifizierung der Energiequellen für die Europäische Union von höchster Priorität und von größtem Interesse. Die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien ist dabei ein wesentlicher Bestandteil. Wir brauchen eine Diversifizierung, was auch die erneuerbaren Energiequellen einschließt.
Im Bereich der erneuerbaren Energiequellen haben die einzelnen Länder unterschiedliche natürliche Voraussetzungen, die wir maximal nutzen müssen. Biogas hat als erneuerbare Energiequelle ein enormes Potenzial und aus einer ganzen Reihe von Gründen, die in dem heute zur Aussprache vorgelegten Bericht dargelegt sind, eine große Zukunft.
Der erste und wichtigste Grund, meine Damen und Herren, ist der, dass die Hauptausgangsstoffe für die Biogaserzeugung Dung und Gülle sind und dass wir Energieerzeugung und Gülleentsorgung im Sinne des Umweltschutzes miteinander verbinden können. Das ist einer der wichtigsten Vorteile der Biogasproduktion, obwohl Biogas natürlich auch aus anderen Stoffen wie Klärschlamm, Schlachtabfällen oder Energiepflanzen erzeugt werden kann.
Biogas ist eine multifunktionelle Energiequelle, die zur Stromerzeugung, zur Heizung, Kühlung oder Trocknung genutzt werden kann. Komprimiertes Biogas eignet sich als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge und öffentliche Verkehrsmittel, und nach seiner Reinigung kann Biogas in ein Erdgasnetz eingespeist werden. Damit stellt die Biogasproduktion eine seriöse Möglichkeit für die europäische Energieerzeugung dar. Angesichts der Tatsache, dass Biogas aus Dung hergestellt werden kann, ist allein dabei noch eine 14-fache Steigerung möglich. Dies stellt ein erhebliches Potenzial dar, da wir wissen, dass Dung vor der Verwendung als Bodendünger aufbereitet werden muss, da er sonst der Umwelt erheblichen Schaden zufügen kann.
Wir hatten im Ausschuss einige Diskussionen darüber, ob die Erzeugung von Biogas bei Verwendung pflanzlicher Rohstoffe mit der Produktion von Nahrungsmitteln konkurriert. Die Europäische Kommission hat aufgezeigt, dass eine solche Situation in Europa noch nicht entstanden ist, und wir hoffen, dass das auch in Zukunft nicht der Fall sein wird, denn wir haben gegenwärtig die Energiepflanzen der zweiten Generation. Möglicherweise gibt es dieses Problem auf globaler Ebene, in Brasilien und den Vereinigten Staaten, aber in Europa ist das gegenwärtig kein Problem, und wir hoffen, dass es auch künftig keines sein wird.
Ein weiteres, in diesem Zusammenhang diskutiertes Thema ist die Frage der Regulierung des Biogassektors. Die gegenwärtigen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Vorschriften sind außerordentlich kompliziert und bürokratisch, weshalb ich in meinem Bericht die Annahme einer EU-Richtlinie über die Erzeugung von Biogas vorgeschlagen habe. Gleichzeitig haben mich Vertreter der Europäischen Kommission im Verlaufe der Konsultationen mit der Europäischen Volkspartei davon überzeugt, dass keine Notwendigkeit einer separaten Biogas-Richtlinie besteht, da gerade eine Richtlinie zu erneuerbaren Energiequellen erarbeitet wird, in die auch das Biogas aufgenommen werden könnte. In diesem Zusammenhang fordere ich die Kommission auf, in der Richtlinie über erneuerbare Energiequellen dem Biogas besondere Aufmerksamkeit zu widmen und die in meinem Bericht enthaltenen Vorschläge anzunehmen.
Meine Damen und Herren, in meinem nächsten Redebeitrag möchte ich dem dänischen Institut wie auch allen anderen, die einen Beitrag zu diesem Bericht geleistet haben, für die Unterstützung danken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Bevor ich mich der eigentlichen Problematik zuwende, möchte ich dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie dem Berichterstatter, Herrn Tabajdi, für diesen sehr interessanten und wichtigen Bericht danken.
Der Bericht des Parlaments unterstreicht ganz klar die Vorteile, die die Biogasproduktion für die Landwirtschaft, aber auch für die Gesellschaft hat. Ich schließe mich der Betonung, die auf die Entwicklung der Biogasproduktion gelegt wird, voll und ganz an. Sie ist ökologisch vorteilhaft, weil sie die Emission von Gasen wie Methan und Stickoxiden, die das Klima nachhaltig verändern, reduziert. Aus diesem Grund leistet die Erzeugung von Biogas einen weiteren Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit der Landwirtschaft – seit 1990 konnten die Treibhausgasemissionen bereits um 20 % gesenkt werden – und ist mit offensichtlichen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden. So ist Biogas zu einer Zeit, da der Ölpreis die Marke von 100 US-Dollar pro Barrel überschritten hat, eine sinnvolle Alternative zu Erdgas.
Die Produktion von Biogas aus landwirtschaftlichen Rohstoffen hat sich im Zeitraum 2004 bis 2006 mehr als verdoppelt. Insgesamt verzeichnet die Biogasproduktion einen Anstieg, aber meines Erachtens können wir eindeutig mehr tun. Die Europäische Union verfügt über ein enormes Potenzial in diesem Bereich, das noch nicht erschlossen ist. Die Kommission ist sich dessen vollkommen bewusst und hat eine Reihe wichtiger Instrumente zur Förderung der Biogaserzeugung beschlossen. So ist unsere aktuelle Richtlinie für grünen Strom mit der Durchführungsgesetzgebung in einigen Mitgliedstaaten beispielsweise eine wichtige Triebkraft.
Auch die ländliche Entwicklungspolitik gibt der Entwicklung der Biogaserzeugung den Vorzug. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, Investitionen, technische Hilfe und Kooperativen sowie weitere Aktivitäten, die die Biogaserzeugung und -nutzung unterstützen, zu fördern.
Die Umsetzung der Programme für die ländliche Entwicklung für den Zeitraum 2007 bis 2013 hat gerade erst begonnen, aber ich finde die erste Programmplanung der Mitgliedstaaten sehr viel versprechend, und ich bin überzeugt davon, dass Maßnahmen im Bereich Biogas zu den am häufigsten in Anspruch genommenen Maßnahmen im Bereich der Bioenergie zählen werden.
Die im jüngsten Energie- und Klimapaket der Kommission enthaltenen Maßnahmen werden der Biogasproduktion in den kommenden Jahren weitere Impulse verleihen. Von besonderer Bedeutung ist die Zielvorgabe von 20 % für den Anteil an erneuerbaren Energien. Es wird davon ausgegangen, dass Biogas maßgeblich zur Erreichung dieser Zielsetzung beitragen wird. Biogas wird zudem eine wichtige Rolle bei der Erreichung des Ziels einer 20-prozentigen Senkung der Treibhausgasemissionen im Falle von Sektoren spielen, die sich nicht am Emissionshandelssystem beteiligen. Wir sind folglich in der sehr günstigen Lage, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ich bin überzeugt davon, dass sich die Biogaserzeugung zu einem Schlüsselelement der Strategie der Europäischen Union zur Bekämpfung des Klimawandels entwickeln und uns die Erreichung der Kyoto-Ziele ermöglichen wird.
Ich teile die Ansicht, dass wir eine gut abgestimmte Biogaspolitik brauchen. Meines Erachtens sind die EU-Initiativen gut abgestimmt und zielen in dieselbe Richtung. Dennoch bin ich der Ansicht, dass diese Politik am wirksamsten auf regionaler oder nationaler Ebene unter Berücksichtigung lokaler Ressourcen, Bedürfnisse und wirtschaftlicher Gegebenheiten ausgestaltet und umgesetzt werden könnte.
In diesem Zusammenhang begrüße ich die Empfehlungen im Hinblick auf die Vereinfachung des gegenwärtigen legislativen Rahmens. Sie befinden sich im Einklang mit unseren noch andauernden Diskussionen zur Vereinfachung und Verbesserung der EU-Rechtsvorschriften, die zu den wichtigsten Strategien der Kommission zählen.
Abschließend möchte ich feststellen, dass ich bezüglich spezifischer Ziele für Biogas meine Zweifel habe. Ich habe dazu eine Bemerkung des Berichterstatters gehört. Ich denke, dass die Zielvorgabe von 20 % für erneuerbare Energien Biogas bereits beinhaltet. Biogas kann auch zur Erreichung des Ziels von 10 % für den Anteil an Biokraftstoffen beitragen. Wenn wir ein spezielles Ziel für Biogas festsetzen, laufen wir Gefahr, uns zu verzetteln. Die Festsetzung eines spezifischen Ziels für Biogas wäre mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand für private Betreiber und öffentliche Behörden verbunden. Meiner Ansicht nach hätte das auch einen übermäßigen politischen Druck zugunsten einer Form der erneuerbaren Energie zur Folge, was sich in Fällen, in denen sich die wirtschaftlichen Umstände zum Nachteil der Biogaserzeugung entwickeln, als ungünstig erweisen könnte.
Der Bericht über Biogas, den Sie von der Kommission fordern, ist sicher sinnvoll. Allerdings erscheint mir 2008 als Termin angesichts all der anderen Initiativen, die noch laufen, etwas verfrüht. Die Kommission wird jedoch bis Ende 2008 über die Umsetzung des EU-Aktionsplans für Biomasse Bericht erstatten. Ich bin also ziemlich sicher, dass wir in dieser Sache eine gemeinsame Basis finden werden. Das ist ein sehr wichtiger und interessanter Bericht, der ganz sicher eine sehr gute Grundlage für weitere Diskussionen bieten wird.
Jens Holm, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. – (SV) Frau Präsidentin! Biogas kann eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen, nicht nur zur Erzeugung von Wärme und Strom, sondern auch zum Antreiben von Fahrzeugen. Biogas kann beispielsweise aus Gülle und Haushaltsabfällen erzeugt werden. Gegenwärtig gibt es ein großes Potenzial für eine erhebliche Steigerung der Biogasproduktion. Der Umweltausschuss betrachtet diese Möglichkeiten positiv und möchte künftig wesentlich mehr Biogas sehen. Eine Steigerung der Biogasproduktion darf jedoch nicht Selbstzweck sein. Was Abfälle betrifft, so muss die Reduzierung der gesamten Abfallmenge weiterhin Vorrang haben. Wenn wir aber die Müllmenge verringern wollen, müssen wir – und das zu sagen gilt fast schon als Blasphemie – unseren Konsum senken.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und der heute Abend hier anwesenden Kommissarin Fischer Boel einige Fragen stellen: Hat die Kommission eine Strategie zum Abbau der ständig wachsenden Müllberge in der EU? Verfügt die Kommission vielleicht auch über eine Strategie für eine Verringerung des Verbrauchs von vielen Waren, die wir nicht wirklich benötigen?
Außerdem setzt sich der Umweltausschuss für eine Zertifizierung von nachhaltigem Biogas ein. Ein solches Zertifizierungssystem muss die ganze Kette umfassen, also vom Acker bis zum Auto, und auf sozialen und ökologischen Faktoren beruhen. Wir begrüßen den Kommissionsvorschlag für eine neue Richtlinie über erneuerbare Energien, aber zur Verstärkung der Rolle von Biogas muss noch mehr getan werden. Eine weitere Frage an Frau Fischer Boel: Was halten Sie von einer solchen Zertifizierung?
Diese und andere Fragen zur Umwelt unterstreichen die Bedeutung der öffentlichen Verantwortung. Die meisten von uns sind sich hier einig, dass wir dem Biogas einen höheren Stellenwert einräumen sollten. Mehr Pkw und Lkw sollten mit Biogas in den Tanks fahren können. Die Treibhausgasemissionen von Fahrzeugen werden durch Biogas um sage und schreibe 90 % reduziert. Zudem werden die Partikelemissionen verringert, und die Fahrzeuge fahren mit Gas im Tank leiser. Doch wenn wir unsere Umweltverpflichtungen wirklich ernst meinen, können wir die Verantwortung nicht dem Markt überlassen.
Damit beispielsweise mehr Autos mit Biogas fahren können, werden Tankstellen benötigt, an denen Gas getankt werden kann. Der Staat muss durch Gesetze und zeitweilige Beihilfen sicherstellen, dass die Tankstellen ihrer Verantwortung gerecht werden. In meinem Heimatland, Schweden, liegt die nördlichste Gastankstelle bei Uppsala, in der geografischen Mitte des Landes. Das bedeutet, dass Autofahrer, die mit gefülltem Tank fahren wollen, auf ihrem Weg nach Norden mehr als 1 000 km keine Möglichkeit zum Tanken von Biogas haben. Das ist natürlich unannehmbar. Wir tragen daher alle eine Verantwortung für die Förderung von Biogas: die EU durch Erarbeitung von Richtlinien, die Mitgliedstaaten durch Stimulierung der nationalen Produktion und nicht zuletzt die lokalen Gebietskörperschaften, die mehr Biogasanlagen bauen müssen.
Werner Langen, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. − Frau Präsidentin! Ich trage die Stellungnahme des für Energiepolitik zuständigen Industrieausschusses vor. Ich habe keine persönliche Meinung dazu zu äußern, aber der Ausschuss hat meinen Entwurf einer Stellungnahme mit 45 Ja-Stimmen bei 0 Enthaltungen und 0 Nein-Stimmen angenommen. Der Industrieausschuss kennt den positiven Beitrag von Biogas nicht nur aus Dung — wie der Kollege Berichterstatter meint —, sondern aus allen organischen Abfällen.
Wir haben hervorgehoben, dass die Konkurrenz zu Nahrungsmitteln zunehmend ein Problem ist, dass darüber diskutiert werden muss, dass die Einspeisung in die Gasnetze diskriminierungsfrei erfolgen muss, dass neue Verfahren für technisches Biogas der zweiten Generation angeregt werden sollen. Wir haben die Rolle der grünen Gentechnologie im Zusammenhang mit Biogas erörtert, und wir sind der Meinung, dass der junge und innovative Biogassektor zwar eine Anschubfinanzierung braucht, aber keine dauerhafte Subventionierung.
Darüber hinaus wollen wir einheitliche Förderinstrumente auf europäischer Ebene, und in unseren dreizehn Punkten ist das ausdrücklich genannt: Wir wollen ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für Biogasanlagen. Der Energieausschuss hat nicht gefordert, dass vier neue Richtlinien vorgelegt werden sollen, so wie es der Kollege in seinem Berichtsentwurf getan hat. Ich teile die Auffassung der Kommissarin, dass wir keine neuen Richtlinien brauchen, sondern dass wir in den bestehenden Richtlinien für die erneuerbaren Energien dem Biogas eine angemessene Rolle geben sollten.
Insofern hat der Industrieausschuss die Situation etwas anders beurteilt als der federführende Agrarausschuss!
Albert Deß, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion kann ich diesem Bericht weitgehend zustimmen. Der Berichterstatter hat gute Arbeit geleistet.
Ich kann unterstreichen, was bereits gesagt wurde: Biogas kann einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass wir die Ziele bei regenerativen Energien erreichen und dass wir weniger fossile Energie verbrauchen und damit auch CO2 einsparen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Potenziale von Biogas genutzt werden. In Deutschland gibt es viele Biogasanlagen, in denen nur Strom erzeugt wird. Hier werden nur circa 38 % der vorhandenen Energie genutzt, über 60 % der Energie werden als Abwärme ungenutzt in die Umwelt geblasen. Das kann nicht der Sinn von Biogaserzeugung sein! Deshalb finde ich es richtig, dass im vorliegenden Bericht gefordert wird, dass Biogas auch in das Gasnetz eingespeist werden kann. Wir müssen diese beiden Richtungen beschreiten: entweder bei Stromerzeugung die Abwärme nutzen oder Biogas direkt ins Netz einspeisen. Hier können wir dann bei beiden Verfahren einen hohen Wirkungsgrad erreichen.
Ich bin auch der Meinung, dass mit moderner Pflanzenzüchtung noch bessere Pflanzen gezüchtet werden können. Ich bin aber nicht unbedingt der Meinung, dass man dazu die Gentechnik benötigt. Mir sagen Pflanzenzüchter, dass man es mit der herkömmlichen Pflanzenzüchtung schaffen kann, in guten Ackerlagen die Erträge für Biogaspflanzen zu verdoppeln. Wir können über Biogas circa 5 000 l Heizöläquivalent pro Hektar ernten. Mit guten Pflanzen, die in Zukunft mit der Pflanzenzüchtung geschaffen werden, können wir bis 10 000 l pro Hektar ernten. Das ist ein guter Weg, dass Biogas seinen Beitrag leisten kann, um den Klimawandel einzudämmen.
Bogdan Golik, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Ich habe die von meinem Kollegen Herrn Tabajdi erarbeiteten Vorschläge mit großem Interesse gelesen. Ich möchte ihn zu einem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen.
In der derzeitigen weltweiten Situation, in der der Preis für Öl und andere Energiequellen – wie Gas – drastisch ansteigt, aber auch unwägbaren Schwankungen unterliegt, die eine vernünftige Planung und die Abschätzung von Investitionskosten erschweren, in der der Energiebedarf der europäischen Länder zudem steigt, erscheint ein Bericht zum Thema Biogas ungewöhnlich aktuell. Dieser Bericht führt uns zudem vor Augen, wie viel in diesem Bereich der Energieerzeugung noch getan werden kann. Die Erzeugung von Energie aus diesen Quellen kann vervielfacht werden, ohne dass die natürliche Umwelt dabei in Mitleidenschaft gezogen wird.
Als positiver Nebeneffekt dieser Entwicklung könnten Begünstigte mit Mitteln für die regionale Entwicklung und die Entwicklung ländlicher Gebiete unterstützt werden. Die Kommission und die Regierungen der einzelnen Länder sollten den Erzeugern dieser Art von Energie besondere Fürsorge angedeihen lassen und diese Entwicklung mittels spezieller finanzieller Anreize unterstützen. Deshalb teile ich ohne jede Einschränkung die Ansicht des Berichterstatters, dass die Europäische Kommission ihre Bemühungen um die Entwicklung dieser Art von Energieerzeugung und deren Einbeziehung in eine europäische Energiestrategie intensivieren sollte.
Für uns als Europäer ist es ganz besonders wichtig, dass sich die Europäische Union in kürzestmöglicher Zeit im Bereich Energie durch verstärkte Diversifizierung von Exporten unabhängig macht.
Willem Schuth, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin, liebe Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Kollegen Tabajdi zu seinem ausgewogenen Bericht gratulieren. Ich denke, dass es ihm gelungen ist, die Bedeutung von Biogas für einen nachhaltigen Energiemix der Zukunft aufzuzeigen.
Gerade als Europaabgeordneter für den norddeutschen Raum bin ich mir des Potenzials von Biogas als wichtige und vielseitige Form der Bioenergie aus der Landwirtschaft bewusst. Denn Deutschland – und dort insbesondere meine Heimat Niedersachsen – nimmt in Europa eine Spitzenposition in puncto Biogasanlagen ein. Wir sollten aber nicht versäumen, im Rahmen der Einführung eines EU-Zertifizierungssystems für Biokraftstoffe strenge und klare Kriterien für die Biogastechnologie zu entwickeln. Dies sollte insbesondere auch für Importe gelten.
Für hiesige Erzeuger dürfen allerdings keine zusätzlichen administrativen Belastungen entstehen. Nur auf diesem Wege lassen sich Bedenken bezüglich der Verwendung von Getreide und Nahrungsmittel für die Biogasproduktion effektiv ausräumen, denn die Nahrungsmittelproduktion muss weiterhin vorrangige Aufgabe der Landwirtschaft bleiben. Nur so kann und wird die Biogastechnologie einen sinnvollen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit, zur Verringerung unserer Abhängigkeit von ausländischen Importen, zum Klimaschutz und zur ländlichen Entwicklung leisten. Europäische Forschung und Entwicklungsprogramme können dabei zusätzlich für Effizienzgewinne sorgen.
Wiesław Stefan Kuc, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Die Realisierung der im Bericht meines Kollegen Herrn Tabajdi aufgeführten Ideen würde uns gewiss in die Lage versetzen, bei der Steigerung der Biogaserzeugung mit Riesenschritten voranzukommen. Gleichzeitig wäre dies durch die drastische Senkung der Mengen an pflanzlichen und tierischen Abfällen, an Gülle und Klärschlamm sowie die Gewinnung von erneuerbarer Energie ein Schritt in Richtung nachhaltige Landwirtschaft.
Die Erzeugung von Biogas hat aber auch Nachteile. Bei den derzeitigen Produktions- und Verkaufspreisen ist sie nicht kostendeckend, und letztlich gäbe es noch immer Abfälle, nur in konzentrierterer Form. Wir müssen uns ganz nüchtern mit den Vor- und Nachteilen befassen. Das hat meine Fraktion getan, und wir glauben, dass wir Herrn Tabajdis Bericht selbst unter Berücksichtigung der derzeit zur Verfügung stehenden Technologien befürworten sollten. Vielleicht kann der Produktionsprozess mit anderen Technologien modernisiert werden, während steigende Energiepreise seine wirtschaftliche Effektivität erhöhen werden. Es besteht jedoch kein Zweifel an seinem Beitrag zum Umweltschutz, und das ist das Wichtigste.
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Der Berichterstatter hat einen guten Bericht vorgelegt, und er hat ihn vorgelegt für den Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, und das ist gut so. Wir haben eben von dem Kollegen Langen gehört, dass hier offensichtlich von der Industrie eine Konkurrenz gesehen wird. Das ist immer so: Wenn etwas erfolgreich wird, versucht die Industrie sich das unter den Nagel zu reißen. Das muss aber nicht unbedingt gut sein.
Wenn ich daran denke, dass die Pioniere der Biogasanlagen Bauern waren, die vor 10, 15, 20 Jahren belächelt wurden, als sie die Energie aus der Gülle herausholen wollten. Denn das ist der Gedanke, um es einmal drastisch zu sagen: aus Scheiße Gold zu machen. Aus Gülle Energie zu machen, darum geht es eigentlich — und nicht in Konkurrenz zu treten mit der menschlichen Ernährung. Und was von der Gülle übrig bleibt, gibt dann auch noch einen besseren Dünger, der vielseitiger verwendbar ist als aggressive Düngemittel.
Das heißt, Biogas reiht sich ein in die erneuerbaren Energien Wind, Wasser, Sonne, Holz, und ist tatsächlich eine erneuerbare Energie, wenn man sich denn darauf begrenzt, sie aus organischen Abfällen zu erzeugen. Wenn wir eine Situation haben, wie wir sie im letzten und vorletzten Jahr noch im Milchbereich hatten, wo 23,5 für die Milch bezahlt wurde, war die relative Vorzüglichkeit, wenn man den Mais direkt in die Biogasanlage tat, viel höher, als wenn man den Mais erst durch die Kuh schickte, und Milch erzeugte.
Das heißt, es gibt auch immer eine Entsprechung zwischen den Nahrungspreisen und den Energiepreisen, und das hat damit zu tun, dass wir ja ein Energieeinspeisegesetz haben — jedenfalls in Deutschland, aber auch in einigen anderen Ländern —, wodurch sich im Energiebereich eine bessere Verwertung pflanzlicher Produkte erzielen lässt als im Nahrungsmittelbereich. Und hier müssen wir aufpassen, dass wir nicht in eine Konkurrenzsituation kommen. Die Konkurrenz zwischen Tank und Teller ist gegeben, wenn wir es falsch machen. Aber wenn wir in der Frage des Biokraftstoffs eine Bilanz ziehen, dann fällt diese Bilanz negativ aus, während wir bei Biogas — auch bei Biogas für Auto — eine positive Bilanz hatten.
Es kommt also darauf an, dass man in der Förderpolitik und in der Politik der Vergütung kleinere Anlagen deutlich bevorzugt, damit es nicht zu einer Abwanderung in die industrielle Produktion kommt.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Stellen wir doch einmal klar: Auslöser für diese Biomassengeschichte ist die Erderwärmung, die angeblich der Mensch mit seinen Kohlendioxidemissionen verursacht.
Vergessen Sie den CO2-Fußabdruck. Kohlendioxid ist ein natürlicher Bestandteil der Atmosphäre. Es ist kein Teufelsgebräu, als das es in Beschreibungen der Lage als einer „unbequemen Wahrheit“ gern dargestellt wird. Dieser hyperaktive Film beweist gar nichts; er entspricht noch nicht einmal der Wahrheit. Er ist eine Theorie und von einem Beweis sehr weit entfernt. Sehen Sie, als Chemielehrer – und ich wette, davon gibt es einige hier im Saal – weiß ich, was notwendig ist, damit aus einer Hypothese eine Theorie und schließlich ein chemisches Gesetz wird. Ich lasse mich nicht vom theatralischen oder didaktischen Gezeter eines karrieresüchtigen US-Politikers leiten.
Glücklicherweise haben wir ja jetzt die von 500 Wissenschaftlern letzte Woche verabschiedete Manhattan-Erklärung, der zufolge es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass das von der modernen Industrie ausgestoßene Kohlendioxid den Klimawandel verursacht. Sie erinnert uns daran, dass sich das globale Klima immer gewandelt hat und auch künftig wandeln wird. Versteht denn keiner der Anwesenden, dass sich die Erde, die wir kennen, nicht in einem Endzustand befindet, sondern sich kontinuierlich und dynamisch entwickelt?
Uns zu besteuern, um ein unerreichbares und unnötiges Ziel zu erreichen, ist politische Gier. Die Nutzung landwirtschaftlicher Anbauflächen zur Erzeugung von Biokraftstoffen, obwohl die Bevölkerung ständig wächst und das Getreide weltweit knapp wird, ist Wahnsinn. Die Abholzung großer Regenwaldgebiete, die Verbrennung des Holzes an Ort und Stelle, um den Boden für ein paar Jahre mit Nitraten anzureichern und dann weiterzuziehen, die organisierte Vergewaltigung der Wälder, das ist kriminell.
Was verursacht denn nun die derzeitige geringfügige globale Erwärmung? In Abwandlung von Präsident Clinton lautet die Antwort: „It’s the sun, stupid!“ (Es ist die Sonne, Dummkopf!).
Jim Allister, im Namen der NI-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich freue mich, dass das enorme Potenzial im Hinblick auf die Erzeugung von Biogas anerkannt wird. Die Biogasproduktion erschließt Viehwirtschaftsbetrieben eine alternative Einkommensquelle und leistet gleichzeitig einen begrüßenswerten Beitrag zum Umweltschutz, indem es zur Lösung von Problemen in Verbindung mit der Entsorgung landwirtschaftlicher Abfälle beiträgt.
Ein weiterer klarer Vorzug von Biogas gegenüber Biokraftstoffen besteht darin, dass es die Ernährungssicherheit nicht beeinträchtigt, sondern unterstützt. Darin liegt einer der wichtigsten Vorzüge von Biogas: Durch die Nutzung von Abfällen anstelle von Feldfrüchten wirkt es nicht der Produktion von Futter oder der Lebensmittelproduktion selbst entgegen.
Der junge Biogassektor ist anstelle der derzeitigen sporadischen Unterstützung auf eine sinnvolle Starthilfe mit einheitlichen EU-weiten Förderinstrumenten angewiesen. Zusätzliche Fördermaßnahmen im Bereich der Forschung, um Biogas der zweiten Generation als Biokraftstoff zu erschließen, sind ein vorausschauendes Erfordernis. Es gibt also vieles, das getan werden kann und sollte, um Biogas zu fördern und die Landwirtschaft gleichzeitig nachhaltiger zu gestalten.
Meines Erachtens haben wir uns mit unserer übertriebenen Begeisterung für Biokraftstoffe schwer verrechnet. Diesen Fehler sollten wir nicht durch eine Unterbewertung von Biogas noch verschlimmern.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Frau Präsident! Ich begrüße diesen Bericht ebenfalls. Er vermittelt uns einen Eindruck vom Potenzial, das das Biogas bietet, und ich weiß, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Erfahrungen gesammelt wurden. Man fragt sich, weshalb zwischen den Mitgliedstaaten so große Unterschiede in Bezug auf die Erzeugung und Nutzung von Biogas bestehen. Wie die Kommissarin schon sagte, gibt es hier riesige unerschlossene Reserven, und wir müssen etwas unternehmen. Allerdings wäre eine weitere Richtlinie nicht die Lösung, denn davon haben wir bereits eine Menge, und sie würde nur noch mehr Verwirrung stiften, anstatt die Weiterentwicklung dieses Bereichs zu unterstützen.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf Ziffer 37 des Berichts lenken, in der ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren gefordert wird. Das ist vielleicht das einzige Mal, dass einer der wichtigsten Aspekte in all den Diskussionen über Abfall und Recycling erwähnt wird. In meinem Land und nach meiner Erfahrung gibt es bei Baugenehmigungsverfahren für grüne Recyclinganlagen oder den Einsatz von Fleisch- und Knochenmehl für die Energieerzeugung immer Einwände, weil die Menschen diesen Entwicklungen misstrauisch gegenüberstehen und um ihre Gesundheit fürchten. Wir müssen alle einschlägigen Forschungsergebnisse zusammentragen und einen klaren Standpunkt zur tatsächlichen Situation vertreten, denn die Öffentlichkeit hat Bedenken. Deshalb müssen wir die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit des Recycling landwirtschaftlicher Abfälle und von Gülle überzeugen, aber wir müssen uns auch über die Nachteile dieser Technologie und darüber im Klaren sein, dass die Energieerzeugung mit Rückständen verbunden ist, die sehr sorgfältig entsorgt werden müssen.
Ich würde einige Kommentare zu diesem Aspekt der Debatte begrüßen, denn wir neigen in diesem Haus dazu, erneuerbare Energien als etwas Wunderbares zu preisen, obwohl wir wissen, dass die Bürger keine Windturbinen hinter ihrem Haus haben wollen. Deshalb müssen wir die Öffentlichkeit überzeugen, aber gleichzeitig einräumen, dass es gesundheitliche Bedenken gibt, die geklärt werden müssen.
Abschließend möchte ich feststellen, dass ich den äußerst vernünftigen und sehr wichtigen Änderungsantrag 1 von Herrn Mulder voll und ganz unterstütze, und ich schlage vor, dass ich ihn vorlese, denn darin wird erneut die Überarbeitung der Definition des Begriffs Viehdung gefordert, damit er in den landwirtschaftlichen Betrieben ordnungsgemäß eingesetzt wird. Außerdem sollten wir uns in diesem Zusammenhang noch einmal mit der Nitratrichtlinie befassen.
Gábor Harangozó (PSE). – (HU) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die globalisierte Welt von heute stellt uns vor zahlreiche Herausforderungen wie etwa Klimawandel, wachsende Armut, Probleme der Energieeffizienz und der Energiesicherheit sowie die Notwendigkeit der Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Im Interesse einer nachhaltigen Landwirtschaft dürften wir daher nicht nur auf die Herausforderungen reagieren, vor denen die Europäische Union steht, sondern wir müssen auch koordinierte Maßnahmen auf der Grundlage einer gemeinsamen Strategie ergreifen, um die Probleme der 27 Mitgliedstaaten anzugehen.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich insbesondere die Initiative meines Kollegen Tabajdi in Bezug auf Biogas und eine nachhaltige Landwirtschaft und möchte die Gelegenheit nutzen, ihm zu seinem ausgezeichneten Bericht zu gratulieren. Ich halte es für wichtig, eine Richtlinie der Europäischen Union über erneuerbare Energiequellen anzunehmen, um EU-Vorschriften und nationale Politiken, also die Rechtsvorschriften auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten, zu koordinieren.
In integrierten landwirtschaftlichen Anlagen erzeugtes Biogas ist eine der wichtigsten Bioenergiequellen. Allerdings ist der Bau solcher Anlagen sehr teuer. Um das Biogaspotenzial voll auszuschöpfen, wäre es sinnvoll, die Kohäsionspolitik und die Möglichkeiten der Rahmenprogramme für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu koordinieren und Investitionen in den Bau und den Erhalt von Biogasanlagen zu fördern. Die Zuweisung von Mitteln muss in erster Linie auf Effizienz basieren. Wenn Effizienz das Hauptkriterium ist, dann ist die Stromerzeugung praktisch der einzige förderfähige Bereich.
Es gibt jedoch noch viele andere mögliche Verwendungszwecke für Biogas. Daher sollten wir unsere Anstrengungen auf Forschung und Entwicklung sowie auf Innovation konzentrieren, um die Palette effizienter Anwendungsmöglichkeiten dieser Energiequelle zu erweitern. Neben Gemeinschaftsmitteln müssen wir auch in den Mitgliedstaaten günstige Bedingungen für den Bau und den Betrieb von Biogasanlagen schaffen. In diesem Zusammenhang wäre es für die Mitgliedstaaten sinnvoll, Preissubventionen oder andere Maßnahmen zur Förderung dieser neuen Energiequelle einzusetzen.
Ein weiterer Vorteil von Biogas als Energiequelle besteht darin, dass es beachtliche Möglichkeiten bietet, sowohl in den Agrarbetriebe als auch den ländlichen Regionen Mehrwert zu schaffen und die wirtschaftliche Lebensfähigkeit dieser Regionen zu erhöhen. Deshalb ist es auch wichtig, dass benachteiligte Regionen ebenfalls die Möglichkeit erhalten, diese Vorteile zu nutzen. Vielen Dank.
Anne Laperrouze (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich begrüße diesen Bericht von Herrn Tabajdi. Es gibt unterschiedliche Energiequellen, doch diese haben nicht alle das gleiche Potenzial und auch nicht die gleichen Auswirkungen auf die Umwelt. Angesichts des Kampfes gegen den Klimawandel und der Verschwendung von natürlichen Ressourcen darf keine dieser Energiequellen vernachlässigt werden. Biogas ist daher eine Energieform, die gefördert werden muss.
Es kommt darauf an, keine Konkurrenz zwischen der Erzeugung von Biogas und der Herstellung von Nahrungsmitteln zuzulassen. Daher muss vorrangig die Erzeugung von Biogas aus Mist, Gülle, Siedlungsmüll sowie tierischen und organischen Abfällen gefördert werden. Bezüglich der Erzeugung von Biogas aus Müll möchte ich unterstreichen, dass es sich dabei um die Verwertung von Abfällen, d. h. von umweltbelastenden Stoffen, handelt. Allerdings darf es hier keine Missverständnisse geben: In erster Linie ist es notwendig, die entstehenden Abfallmengen zu verringern.
Des Weiteren halte ich es für notwendig, Biogas nicht nur zur Erzeugung von Elektrizität zu nutzen, sondern unter der Voraussetzung, dass der Gesundheitsschutz gewährleistet ist, vorrangig vor Ort zu verwerten und in die Erdgasnetze einzuspeisen. Dazu muss eine Lösung für bestehende technische Hindernisse gefunden werden, um den Netzzugang zu ermöglichen. Ebenfalls verstärkt werden müssen die Forschung und Entwicklung hinsichtlich aller Aspekte des Sektors wie Quellen, Anlagen, Verteilung und Nutzung. Es ist daher auch eine Überarbeitung der gesetzlichen Vorschriften erforderlich, um die Realität und die Vorteile von Biogas zu berücksichtigen.
Leopold Józef Rutowicz (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! In Herrn Tabajdis Bericht geht es um eine Problematik, die für Landwirte, die Wirtschaft und die Umwelt von großer Bedeutung ist. Biogas senkt die Kosten für Erdgaseinfuhren, verringert die Menge an freigesetzten Methangasen und ist ein Brennstoff, der direkt in der landwirtschaftlichen Produktion und für die öffentliche Energieversorgung genutzt werden kann. Die Verwertung von Gülle, Abfällen und Klärschlamm, um daraus Biogas zu erzeugen, ist gut für den Umweltschutz. Die einzelnen Mitgliedstaaten der EU weisen jedoch große Unterschiede bezüglich der Mengen an erzeugtem Biogas auf.
In diesem Bereich sollten die EU-Institutionen Maßnahmen ergreifen wie die Aktualisierung der Funktionsweise rechtlicher und wirtschaftlicher Regelungen zur Förderung der Entwicklung der Biogaserzeugung; die Beschleunigung von Forschungsprogrammen zur Modernisierung der Technologien zur Biogaserzeugung, einschließlich von Brennstoffen aus Biomasse, organischen Abfällen, Klärschlamm und Gülle; sowie die Auflegung von Programmen, um die Öffentlichkeit zu informieren und über die guten Erfahrungen deutscher, belgischer und dänischer Landwirte zu berichten.
Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Frau Präsidentin! Nach Aussage des Weltklimarates (IPCC) der UNO sind die durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen von einem solchen Ausmaß, dass sich das Weltklima verändert. Die EU hat daher erkannt, dass die Menschheit diese Emissionen in den nächsten Jahrzehnten drastisch senken muss und erklärt, die EU solle bei diesen weltweiten Anstrengungen vorangehen. Wie sollen wir dabei vorgehen? Mit Schrecken sehe ich jetzt, wie politische Einmischung und das Bestreben, die politische Macht an EU-Organe zu übertragen, außer Kontrolle zu geraten drohen.
Wir Abgeordneten des Europäischen Parlaments sollten keine Subventionen für Biogasinitiativen verlangen, denn wir wissen nicht, inwieweit Biogas durch Steuervergünstigungen gegenüber anderen Alternativen gefördert werden sollte. Wir müssen es jedem EU-Mitgliedstaat ermöglichen, die Emissionsziele festzulegen, was wir getan haben, und es dann den Ländern überlassen, selbst erfolgreiche Methoden zum Erreichen dieser Ziele zu suchen. Die klassische europäische Lösung ist institutioneller Wettbewerb – nicht zentrale Kontrolle.
Neil Parish (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Tabajdi sehr herzlich für seinen Bericht. So wie viele meiner Vorredner begrüße ich diesen Bericht über Biogas, weil ihm eine sehr wichtige Rolle zukommt. Gerade die Landwirtschaft erzeugt große Mengen an Abfall, die sehr effektiv in Biogas umgewandelt werden könnten. Auch Lebensmittel- und Gemüseabfälle könnten beigemischt und zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Folglich dürfte ein solches Verfahren sehr effizient sein. Es ist sogar so, dass Biogas als eine der effizientesten Formen der ökologischen Stromerzeugung gilt.
An die Adresse von Herrn Tabajdi möchte sagen, dass wir keine Richtlinie speziell für Bioenergie brauchen. Diese Problematik könnte in die Richtlinie für erneuerbare Energien einfließen. Ich würde ihn auffordern, nicht an einer Richtlinie festzuhalten.
Außerdem möchte ich in Bezug auf die Landwirte feststellen, dass diese im Moment u. a. intensiv mit der Nitratrichtlinie beschäftigt sind. Sie brauchen in ihren Betrieben sehr viel Lagerfläche für Abfälle. Gülle könnte im Betrieb gelagert und in Biogas verwandelt werden, und die dabei entstehenden Abfälle könnten auf den landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden. Wie die Kommissarin sagte, ließen sich so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Frau McGuinness sagte, dass eines der Dinge, die wir klären müssen – vielleicht nicht auf europäischer Ebene, sondern auf der Ebene der Mitgliedstaaten –, darin besteht, dass Biogasanlagen zwar ganz wunderbar sind, aber eben nur solange sie sich irgendwo anders und nicht vor der eigenen Haustür befinden. Das ist eines der großen Probleme in Europa: Es passiert immer alles irgendwo anders.
Abschließend möchte ich auf Herrn Clarks Bemerkung eingehen – obwohl ich glaube, dass er bereits gegangen ist –, der fragte, ob sich die Erde tatsächlich erwärmt. Ich habe mich mit einem angesehenen israelischen Wissenschaftler unterhalten, der sagte, dass sich die Erde vielleicht erwärmt, aber vielleicht auch nicht, aber können wir es uns leisten, 20 Jahre zu warten, um festzustellen, ob wir Recht haben?
Cristian Silviu Buşoi (ALDE). – (RO) Angesichts des derzeitigen Ölpreises sollte vornehmlich im Zusammenhang mit der Abhängigkeit der Europäischen Union von steigenden Kohlenwasserstoffeinfuhren Biogas als Energieträger in Betracht gezogen werden.
Wir alle sind uns der Zielvorgabe von 20 % für den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch der Europäischen Union bis 2020 bewusst. Unter diesen Umständen liegt es jedoch nahe, die Verwendung von Biogas als Energieträger ebenfalls zu fördern, vor allem mit finanziellen Mitteln.
Biogas und andere Biokraftstoffe können zusammen mit Sonnen- und Windenergie zu einer spürbaren Verringerung der Abhängigkeit von herkömmlichen Energiequellen führen. Außerdem hat Biogas im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien den Vorteil, dass es für die Elektrizitäts- und die Wärmeerzeugung sowie im Verkehrssektor genutzt werden kann. Möglicherweise ist eine neue Richtlinie rein über Biogas zu viel verlangt, ich begrüße jedoch die Aufforderung in Richtung Kommission, dem Europäischen Parlament einen Sonderbericht zu Biogas vorzulegen, der auch Empfehlungen zu den europäischen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet umfassen sollte.
Samuli Pohjamo (ALDE). – (FI) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Auch ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Tabajdi, für seinen ausgezeichneten Bericht danken. Er hat eine sehr gründliche Arbeit geleistet. Biogas ist eine wichtige erneuerbare Energiequelle, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft leistet und den Zustand der Umwelt verbessert. Biogas kann auch einen Beitrag dazu leisten, dass Betriebe und Regionen ihren Energiebedarf stärker selbst decken können, aber nur ein kleiner Teil dieser Ressourcen wird bislang tatsächlich genutzt.
Es muss allerdings noch viel im Bereich Produktentwicklung getan werden. Wir benötigen Innovationen, den Austausch guter Erfahrungen und zusätzliche Finanzmittel. Die wichtigen Rohstoffe für Biogas, Gülle und die Nebenprodukte von Nahrungsmitteln sollten nicht als Abfall eingestuft werden, sondern als Rohstoffe, die eingesetzt werden können, um Biogas und Düngemittel herzustellen. Gleichzeitig müssen wir ein gemeinsames Regelwerk schaffen, um die Nutzung von Biogas in der gesamten Europäischen Union zu fördern und um die entsprechenden nationalen Barrieren und Beschränkungen abzubauen.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Die EU ist bei ihrer Energieversorgung von Drittländern abhängig. Hinzu kommt, dass Europa nicht weit entfernt von einer Energiekrise ist.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir Maßnahmen ergreifen und die Nutzung erneuerbarer Energien fördern. In meinen Augen stellt Biogas sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht eine praktische Alternative dar. Es trägt zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Entwicklung, zur Entwicklung ländlicher Gebiete und zum Schutz der Umwelt bei. Wenn es aus Dung, Gülle, organischen kommunalen und tierischen Abfällen gewonnen wird, bietet es neue Einkommensquellen für die Landwirte.
Hierbei muss jedoch genau auf Sicherheitsmaßnahmen geachtet werden. Einige in landwirtschaftlichen und kommunalen Abfällen enthaltene Wirkstoffe und Bakterien könnten im Falle einer Ausbreitung sowohl die Gesundheit der Bevölkerung als auch die natürliche Umwelt gefährden. Ich spreche mich auch deutlich dagegen aus, Mais, Getreide und andere für die Lebensmittelproduktion bestimmte landwirtschaftliche Primärerzeugnisse zur Energiegewinnung zu nutzen, da deren Verbrennung zu überhöhten Futtermittel- und Lebensmittelpreisen führt.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Die Erzeugung erneuerbarer Energie aus Biogas ist aus der Sicht der Energieversorgung eine positive Entwicklung. Doch der Beitrag von aus Dung gewonnenem Biogas zur Senkung der Treibhausgase erfordert weitere Untersuchungen.
Der Entwurf des Berichts befasst sich nicht mit der Frage unbeabsichtigter Emissionen oder dem Entweichen von Gasen während des Produktionsprozesses. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass Methanverluste während der Produktion und Stickstoffoxidemissionen beim Ausbringen der Rückstände eine mögliche Senkung von Treibhausgasemissionen zunichte machen können. Weitere Untersuchungen sind dringend erforderlich.
Überprüfungen von Rechtsvorschriften zur Förderung der Biogaserzeugung sollten auf der Grundlage einer strengen Lebenszyklusanalyse erfolgen, um den Prozess im Rahmen der Erzeugung erneuerbarer Energien und als Strategie zur Senkung von Treibhausgasen genau bewerten zu können.
James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich eingangs den Glückwünschen an den Berichterstatter zu seinem hochaktuellen Bericht anschließen.
Energiesicherheit, steigende Energiekosten und Klimawandel sind die vielleicht größten Herausforderungen, denen sich Europa im 21. Jahrhundert gegenübersieht. Eins ist klar: Europa muss in Bezug auf die Deckung seines Energiebedarfs unabhängiger werden und seine Energieversorgungssicherheit gewährleisten. Dazu sind eine stärkere Diversifizierung in alternative Energiequellen und die verstärkte Nutzung neuer Technologien und erneuerbarer Energien erforderlich. In meinem Wahlkreis werden schätzungsweise stattliche 96 % der Energie importiert.
Viele von Ihnen werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass der neue Markt für Biomasse und Biokraftstoffe den Landwirten zahlreiche neue Möglichkeiten bietet. Der Wettbewerb nimmt ständig zu, und viele Landwirte in meinem Wahlkreis in Nordirland könnten von einer alternativen Nutzung ihrer Flächen profitieren, indem sie sich mit der Erzeugung von Biokraftstoffen neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen.
Mir ist durchaus klar, dass Biokraftstoffe und Energie aus Biomasse nicht die einzige Lösung für die zunehmenden Energieprobleme Europas sind, aber ich bin sicher, dass sie einen wichtigen Beitrag zu ihrer Linderung leisten können.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Gas spielt eine wichtige Rolle, und zwar erstens zur Diversifizierung der Gasversorgung, zweitens im Kampf gegen den Klimawandel und drittens zur Verbesserung des Zustands der Umwelt, mit anderen Worten zu ihrem Schutz. Dabei sollten wir auch bedenken, dass Biogas aus Hausmüll, organischen Abfällen, Gülle und Dung gewonnen wird.
Biogas ist eine sehr wichtige Quelle für erneuerbare Energie. Es kann zur Erzeugung von Energie genutzt werden, es ist eine gute Wärmequelle, und es kann zum Antrieb von Fahrzeugen eingesetzt werden. Es könnten viel mehr Fahrzeuge mit Biogas fahren, aber es muss verfügbar und kostengünstig sein. Wir müssen jedoch neue Verfahren der zweiten Generation zur Erzeugung von Biogas einsetzen. Folglich brauchen wir stabile Bedingungen für die Entwicklung im Bereich Biogas und geeignete finanzielle Förderinstrumente.
Claude Turmes (Verts/ALE). – (EN) Frau Präsidentin! Als Berichterstatter zur Richtlinie für erneuerbare Energien, über den wir demnächst in diesem Parlament abstimmen werden, kann ich Herrn Tabajdis Bericht nur begrüßen. Ich teile im Wesentlichen zudem die Ansicht, dass die Biogaserzeugung eine der besten Methoden zur Verarbeitung von Biomasse in Europa ist. In meinem Bericht werde ich versuchen, das Potenzial von Biogas hervorzuheben. Da es sich dabei um eine lagerfähige Energieform handelt, stellt Biogas eine Ergänzung zu diskontinuierlich anfallender erneuerbarer Energie dar. Ich werde mich zudem für den Bürokratieabbau einsetzen. Meines Erachtens haben wir in Europa in Bezug auf Genehmigungen ein echtes Problem, vor allem im Bereich der ungefährlichen Energieerzeugung, und Biogas ist ungefährlich.
Ich möchte noch kurz eine andere Frage erwähnen. Wir diskutieren im Moment auch die Richtlinie für den Gasbinnenmarkt. Wir müssen in diesem Zusammenhang den Zugang von Biogas zum Gasnetz erleichtern. Diejenigen unter Ihnen, die es interessiert, sollten einen Blick auf die Änderungsanträge werfen, die ich zur Gasrichtlinie eingebracht habe.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich bedanke mich bei allen, die einen Beitrag zu dieser Diskussion geleistet haben. Es ist wie immer sehr schwierig, sich nur auf Biogas zu konzentrieren – es läuft am Ende auf eine Diskussion über alle erneuerbaren Energien hinaus.
Diese ganze Diskussion beruht auf dem von der Kommission im letzten Januar veröffentlichten Energie-Bericht, denn wir hatten plötzlich festgestellt, dass wir in hohem Maße von Energieeinfuhren vor allem aus unseren östlichen Nachbarländern abhängen. Und zweitens ging es darum, wie wir zur Senkung von CO2- bzw. Treibhausgasemissionen beitragen können. Plötzlich kamen all diese unterschiedlichen Ideen auf den Tisch.
Was den Verkehrssektor betrifft, so soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 10 % betragen, und dabei war der Agrarsektor der erste Anbieter und ist bisher auch der einzige Anbieter. Wir alle wissen um den Wettbewerb zwischen Lebensmitteln, Futter und Kraftstoffen – und das ist auch heute erneut angeklungen. Solange wir es noch mit der ersten Generation dieser verschiedenen Biokraftstoffe zu tun haben, werden diese Diskussionen andauern. Deshalb stimme ich jenen voll und ganz zu, die umfassende Investitionen in Forschung und Entwicklung fordern, damit wir von der ersten Generation bald zur zweiten Generation übergehen können.
Von entscheidender Bedeutung ist die künftige Wirtschaftlichkeit dieses Bereichs, und davon kann bei den verschiedenen Arten der erneuerbaren Energien derzeit noch nicht die Rede sein. Wir müssen eine „goldene Lösung“ finden, die die wirtschaftliche Nachhaltigkeit dieses Bereichs sichert.
Nachhaltigkeit im Sinne einer umweltgerechten Nachhaltigkeit ist ein weiteres Problem. Hier verfolgen wir einen ganz klaren Ansatz. Wir werden keine erneuerbaren Energien akzeptieren, die nicht dauerhaft umweltgerecht erzeugt werden, und zwar gilt das sowohl für erneuerbare Energien, die sowohl in der Europäischen Union erzeugt als auch aus dem Ausland eingeführt werden. Wir werden auf Importe angewiesen sein. Versuchen Sie nicht, irgendjemandem einzureden, dass wir mit der europäischen Produktion auskommen. Das ist ganz unmöglich; wir werden Einfuhren brauchen.
Ich halte die Fortsetzung der Arbeiten im Bereich Biogas für eine ausgezeichnete Idee. Dabei verwerten wir Abfälle – Gülle – und all die Abprodukte aus Schlachthäusern, die ein sehr gutes Ausgangsprodukt für diesen Produktionsprozess darstellen. Aus landwirtschaftlich-ökologischer Sicht kann das zur Lösung einiger der Probleme beitragen, die einige Mitgliedstaaten, einige Regionen in Bezug auf die Nitratrichtlinie haben, was ja heute Abend auch angesprochen wurde. Das kann auch zur Lösung dieser Probleme beitragen.
Ich denke, dass der Sektor für erneuerbare Energien vielfältige Möglichkeiten bietet, aber wir müssen verstärkt investieren, um die zukünftige Wirtschaftlichkeit dieses Sektors zu sichern. Nochmals meinen herzlichen Dank an den Berichterstatter. Das ist ein sehr guter Bericht.
Csaba Sándor Tabajdi, Berichterstatter. – (HU) Frau Kommissarin, Frau Präsidentin! Ich möchte Ihnen für diese Aussprache danken. Es ist klar, und das hat auch die heutige Aussprache gezeigt, dass weder Biogas noch Bioenergie oder andere erneuerbare Energiequellen Allheilmittel sind, jedoch im Hinblick auf die Energiediversifikation eine große Bedeutung haben.
Zweitens: Biogas ist noch immer teuer, wie mein Kollege Kuc und auch andere Redner betont haben. Darum brauchen wir technologische Entwicklung. Zu Beginn wird, was auch Kommissarin Fischer Boel erwähnt hat, staatliche Unterstützung aus Mitteln für den ländlichen Raum nötig sein.
Der dritte Punkt ist von besonderem Gewicht. Offensichtlich habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt – ich spreche dabei insbesondere Herrn Parish an: Morgen werde ich einen mündlichen Änderungsantrag einreichen, mit dem ich meinen Vorschlag für eine Richtlinie für Biogas und biologische Abfälle zurückziehe und deren Aufnahme in eine gemeinsame Richtlinie für erneuerbare Energien vorschlage. Das habe ich mit Frau Fischer Boel und ihren Kollegen sowie der Europäischen Volkspartei vereinbart.
Die vierte Frage betrifft die Fristsetzung: Natürlich werden wir in dieser Hinsicht flexibel sein. Frau McGuinness möchte ich sagen, dass das Verfahren gegenwärtig sehr bürokratisch ist. In Dänemark, dem Land, das diesbezüglich bisher die größten Ambitionen gezeigt hat – und das nicht etwa, weil das zuständige Kommissionsmitglied aus Dänemark kommt – dauert es fünf Jahre von der Idee bis zur Inbetriebnahme der Anlage, und es gibt Länder, in denen es 10 Jahre dauert.
Schließlich möchte ich auf einen Punkt eingehen, den Frau Doyle angesprochen hat. In meiner Hand halte ich eine ausgezeichnete dänische Studie – was wiederum nichts mit dem dänischen Kommissionsmitglied zu tun hat –, die vom Nationalen Zentrum für Agrarberatung in Dänemark veröffentlicht wurde. Das Schreiben dieses Berichts war einfach. Ich kann Frau Doyle den Abschnitt zukommen lassen, der sehr präzise Berechnungen zu „potenziellen Umweltproblemen“, d. h. zu Themen wie flüchtige Gase usw., enthält. Obwohl ich kein Umweltexperte bin, fand ich dies sehr beruhigend.
Abschließend möchte ich folgenden Personen meinen Dank aussprechen – ich entschuldige mich im Voraus bei der Kommissarin für meine schlechte dänische Aussprache: Thorkild Birkmose, Henning Lyngsø Foged und Jørgen Hinge vom Dänischen Agrarberatungsdienst, die diese vorzügliche Studie verfasst haben. Außerdem möchte ich Herrn Nicolas Nevez danken, der eng mit dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zusammengearbeitet hat, sowie meinen Kollegen Dávid Korányi und Tamás Bíró. Mein Dank gilt ebenfalls den Verfassern der Stellungnahmen der beiden mitberatenden Ausschüsse, Werner Langen und Jens Holm, für ihre konstruktive Kritik. Lassen Sie uns jetzt mit dem Biogas vorankommen, auch wenn es kein Allheilmittel ist. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
22. Energiestatistik (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Claude Turmes im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Energiestatistik (KOM(2006)0850 – C6-0035/2007 – 2007/0002(COD)) (A6-0487/2007).
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Frau Präsidentin! Das vergangene Jahr war ein Jahr wichtiger Entscheidungen über Klimaschutz und Energiepolitik. Die Europäische Union ist entschlossen und verpflichtet, den Klimawandel und die schwierige Aufgabe der Gewährleistung einer sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Energie in Angriff zu nehmen.
Vor einem Jahr, im März 2007, legte der Europäische Rat genaue und verbindliche Ziele fest, begleitet von einem ehrgeizigen Plan zur Senkung der Treibhausgasemissionen und zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien in unserem Energieverbrauch.
Die Kommission hat bekanntlich auf diesen Gebieten konkrete Vorschläge auf den Weg gebracht. Alle diese Bestrebungen erfordern eine hochqualitative, ständige und detaillierte Überwachung der Entwicklung unserer Energiesituation, da der Energieverbrauch für mehr als 80 % unseres Treibhausgasausstoßes verantwortlich ist. Auch die Mitgliedstaaten müssen ihre Energieabhängigkeit genau verfolgen, insbesondere bei Erdöl und Erdgas. Der Vorschlag für eine Verordnung über Energiestatistiken ist Teil des Energiepakets, das von der Kommission im letzten Jahr verabschiedet wurde.
Bislang basiert die Erfassung statistischer Angaben auf freiwilligen Vereinbarungen mit den Mitgliedstaaten, so wurde über Jahre verfahren. Doch die Kommission und das Parlament legten fest, dass diese statistische Datenerfassung jetzt und künftig zu wichtig ist, um nur von freiwilligen Vereinbarungen abhängig zu sein. Ferner hat die Liberalisierung der Gas- und Strommärkte zu einer vermehrten Zahl beteiligter Seiten geführt, mit der logischen Folge, dass die Datenerfassung auf diesem Gebiet jetzt viel komplexer ist. Das bedeutet, dass sich für diese wichtige Arbeit eine Rechtsgrundlage unumgänglich macht.
Dieser Vorschlag für eine Verordnung geht auf eine Forderung des Europäischen Parlaments an die Kommission zurück, eine rechtsverbindliche Verpflichtung zu übernehmen, den europäischen Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig und zu entsprechenden Zeitpunkten Energiedaten auf europäischer Ebene zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sind die Energiestatistiken ein sehr dynamisches Feld, und der Vorschlag für eine Verordnung greift den Wunsch des Europäischen Parlaments nach einer Weiterentwicklung der Statistiken über Energieeffizienz und erneuerbare Energien auf.
Dies alles spiegelt die konstruktive Atmosphäre, von der die Debatten zwischen unseren Institutionen getragen wurden, um sich auf die endgültige Fassung des Vorschlags für eine Verordnung zu einigen, mit deren Diskussion wir heute im Parlament beginnen.
Deshalb gestatten Sie mir, diese Vorlage mit einem Dank an die Hauptbeteiligten dieses Prozesses abzuschließen, speziell an den Berichterstatter des Europäischen Parlaments, für ihre Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Rechtsgrundlage, die uns in die Lage versetzen wird, künftig über transparente Angaben zur Energie in der Europäischen Union zu verfügen.
Claude Turmes, Berichterstatter. − (FR) Frau Präsidentin! Die Energie steht wieder auf der politischen Agenda. Herr Kommissar, als Sie Ihr Amt in Brüssel antraten, betrug der Preis für ein Barrel Rohöl 25 Dollar. Heute steht er bei 105 Dollar. Um also die energetische Herausforderung zu bewältigen, sei es in Bezug auf den Klimawandel, die Ölknappheit, unsere dieser Situation zugrunde liegende geopolitische Abhängigkeit, aber auch in Bezug auf unsere wirtschaftliche Anfälligkeit gegenüber der Volatilität der Ölpreise, ist es meiner Meinung nach dringender denn je, eine europäische Energiepolitik einzuführen.
Doch zur Erarbeitung einer sinnwollen europäischen Energiepolitik ist eine gute Datenbasis erforderlich. Ich denke, was heute Abend im Grunde zur Abstimmung steht, ist die Schaffung einer guten Datenbasis, denn die Erstellung von Statistiken wird künftig obligatorisch sein – was von großer Bedeutung ist –, aber auch, weil das Parlament meiner Meinung nach einen wirklichen Erfolg errungen hat, denn die Energiestatistiken, die bisher in der Hauptsache auf die detaillierte Erfassung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Gas ausgerichtet sind, werden an das 21. Jahrhundert angepasst, und im 21. Jahrhundert geht der Trend im Energiesektor in Richtung auf die erneuerbaren Energien.
Von 2020 an werden die erneuerbaren Energien mit einem Anteil von 20 % die wichtigsten Energieträger in Europa sein. Daher müssen diese Statistiken umgestaltet werden, und wir werden sie entsprechend der Energienachfrage umgestalten. Es ist schon verwunderlich, wie dürftig die nationalen und damit auch die europäischen Statistiken vor allem im Hinblick auf Energieverbrauch von Gebäuden oder Haushalts- und Bürogeräten sind, aber auch in Bezug auf das Verkehrswesen.
Und dann haben wir, wie ich glaube, etwas Wichtiges erreicht, nämlich Transparenz hinsichtlich des Kernsektors. Durch die neue Verordnung wird Europa nämlich gezwungen, viel genauer zu erfassen, was sich in dem dem eigentlichen Kernsektor vorgelagerten Bereich abspielt, um eine wirklich abstruse Situation zu beenden. Wir waren gezwungen zu importieren. Europa importiert 98 % des benötigten Urans, doch in den europäischen Statistiken, im europäischen Statistischen Jahrbuch erscheint die Kernenergie als einheimische Energie, weil eben die Statistiken nicht an die Realität angepasst wurden. In diesem Punkt sind wir also ein Stück vorangekommen.
Ein weiterer Erfolg besteht darin, dass die Statistiken künftig fünf Monate früher veröffentlicht werden. Hier hatten wir einen erbitterten Kampf insbesondere mit dem Rat auszufechten. Zudem ist ein Nebeneffekt zu verzeichnen, nämlich dass die Mitgliedstaaten – und insbesondere Deutschland, das faktisch am schwersten zu überzeugen war – gezwungen sein werden, mehr in die Statistiken zu investieren. Daher möchte ich von hier aus allen Statistikern in Europa danken, die in den vergangenen zehn Jahren mit sehr begrenzten Ressourcen Statistiken erstellen mussten und dies weiter tun. Heute verbessern wir ihre Situation, denn die Finanzminister sind nunmehr gehalten, die Energiestatistiken deutlich ernster zu nehmen.
Dieser Sieg des Parlaments ist ein gemeinsamer Sieg. Ich danke Catherine Trautmann, Fiona Hall und Frau Korhola für die geleistete Arbeit. Danken möchte ich ebenfalls den Mitarbeitern des Parlaments, Frau Cordero von der portugiesischen Präsidentschaft, die uns wirklich sehr geholfen hat, Einigkeit zu erreichen, sowie den Bediensteten von Eurostat, die mich zuweilen ganze Nachmittage lang mit meinen Fragen ertragen und auf diese antworten mussten; daher auch ihnen mein Dank.
Eija-Riitta Korhola, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FI) Frau Präsidentin! Energie-Statistiken auf Gemeinschaftsebene haben bislang stets auf einem Gentlemen's Agreement basiert. Es war vorher klar, auf welcher Grundlage die Statistiken zusammengestellt wurden, wie genau sie sein mussten, und wann sie fertig sein mussten, um eingereicht zu werden.
So ist es aber in letzter Zeit schon eine ganze Weile nicht mehr gewesen. Die EU-Erweiterung, bestimmte in diesem Zusammenhang angewandte statistische Verfahren sowie andere Reformen wie die Liberalisierung der Energiemärkte und alternative Formen der Energiegewinnung haben zusammengenommen zu der Notwendigkeit geführt, möglichst schnell einen EU-weiten rechtlichen Rahmen für die Erstellung von Statistiken zu schaffen.
Das uns jetzt vorliegende Kompromisspaket ist das Ergebnis intensiver Verhandlungen, in denen die feine Art ein Stück weit gesucht werden musste, letztlich jedoch gefunden wurde, und das zum Wohle für alle und jeden. Die Aufstellung von Energiestatistiken war eigentlich nur als Fußnote zu den Arbeitsmarktstatistiken des Europäischen Parlaments gedacht, aber dem Berichterstatter, Herrn Turmes, ist es gelungen, aus den trockenen und technischen Statistiken ein offizielles politisches Spiel zu machen und dabei tiefe Leidenschaften zu wecken. Forderungen nach genauen Statistiken zum nuklearen Brennstoffkreislauf, zum Endverbrauch von Energie und erweiterte Statistiken zu erneuerbaren Energien wie auch die ehrgeizigen Forderungen nach Jahresberichten von Eurostat waren durchweg politisch motiviert.
Um praktikabel zu sein, müssen Statistiken jedoch ein neutrales Instrument sein, nicht mehr. Als Schattenberichterstatterin für meine Fraktion fiel mir die Rolle einer Vermittlerin zu. Insoweit waren die Ansichten, die von Eurostat und vom Rat vertreten wurden, ein gutes Stück von den Zielen unseres Berichterstatters entfernt.
Ich möchte jetzt allen Beteiligten für ihr umsichtiges Streben nach einem Kompromiss danken, was bedeutet, dass die Verordnung, auf die wir so lange gewartet haben, nun zügig in Kraft treten kann. Den von Herrn Turmes vorangetriebenen Reformen wird in der Verordnung ebenfalls Rechnung getragen, wenngleich auf realistische Art und Weise. Wir haben auch Konsens darüber erzielt, wofür die Verordnung gelten soll und was wiederum anderen Bereichen der Rechtsetzung überlassen bleiben sollte. Ein schönes Beispiel hierfür ist Torf: Wir legen uns jetzt in diesem Zusammenhang nicht auf eine Position dahingehend fest, ob wir Torf als fossilen oder als erneuerbaren Brennstoff einstufen, der sich schließlich Jahr für Jahr erneuert. Lassen Sie uns diese kleine Schlacht auf die bevorstehende Aussprache über die Richtlinie zu künftigen erneuerbaren Energieformen verschieben, in der sich unsere Wege gewiss erneut kreuzen werden.
Catherine Trautmann, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Während Europa sich schrittweise mit den Instrumenten zur Begrenzung der Klimaveränderungen im Zusammenhang mit den Treibhausgas-Emissionen ausstattet, während die Energiepreiserhöhungen die europäischen Bürger unvermindert treffen, ist es natürlich wichtig, eine Rechtsgrundlage für die Aufstellung und Verbreitung von Energiestatistiken zu schaffen. Doch wir halten es für ebenso wichtig, die Statistiken in Übereinstimmung mit den vor uns stehenden Herausforderungen zu bringen: der Notwendigkeit zu Energieeinsparungen und der Umgestaltung unseres Energiemixes mit weniger fossilen Energieträgern und deutlich mehr erneuerbaren Energien. Daher bestehen die neuen Elemente dieser Verordnung mehr in einer stringenten Neufestlegung des Erfassungsbereichs der Statistiken als in einer Reihe von einzelnen Hinzufügungen.
Mein Ansatz als Schattenberichterstatterin der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament bestand darin, darauf hinzuarbeiten, dass diese Statistiken einen wachsenden Nutzen für die europäischen Bürger, aber auch für ihre Regierenden aufweisen. Ihre Verlässlichkeit für Analysen wächst, und ihr Nutzeffekt für die Entscheidungsfindung steigt an.
Im Sinne der Bürger haben wir uns für transparentere Statistiken eingesetzt, die Angaben über die sie am stärksten betreffenden Aspekte wie Wohngebäude, Verkehr, aber auch den Kernsektor beinhalten, und haben dieses Ziel auch erreicht. Für die Regierungen werden die aktuellsten Statistiken für die jedes Frühjahr stattfindenden gewöhnlichen Sitzungen des Rates Energie verfügbar sein. Damit werden wir überprüfen können, ob die Ziele in diesem Bereich erreicht worden sind. Hinzugefügt sei, dass die Auswirkungen dieser Veränderungen meiner Meinung ziemlich neutral sind, d. h. dass sie die Arbeitsbelastung der Mitgliedstaaten bzw. der einzelnen Beteiligten nicht ungebührlich erhöhen.
Nach dieser Feststellung möchte ich unserem Berichterstatter Claude Turmes für seinen Sinn für Kompromisse sowie seinem ganzen Team herzlich danken.
Lassen Sie mich abschließend nochmals die sehr nützliche und wirksame Unterstützung von Eurostat für die Erzielung eines Ergebnisses würdigen, das jetzt als solide anzusehen ist.
Fiona Hall, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Turmes für seine ausgezeichnete Arbeit als Berichterstatter und seine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen danken.
Die Energiestatistik ist wie ein Stahlgerüst, das ein Gebäude stützt: Man kann es von außen nicht sehen, aber ohne es würde das Gebäude einstürzen.
Zurzeit schlagen wir im Bereich Energie ganz neue Wege ein. Die EU hat neue Ziele in Bezug auf die Energieeffizienz, erneuerbare Energien und CO2-Emissionen vereinbart. Doch wie wir von EU-Maßnahmen der Vergangenheit in diesen Bereichen wissen, ist es einfacher, Ziele zu setzen, als sie zu erfüllen, und die einzige Möglichkeit festzustellen, ob wir das, was wir uns vorgenommen haben, auch tatsächlich tun, besteht darin, unsere Aktivitäten statistisch zu erfassen.
Wir brauchen jetzt Statistiken, die die Energienachfrage ebenso erfassen wie das Energieangebot. Wir brauchen detaillierte statistische Angaben zu erneuerbaren Energien wie auch zu fossilen Brennstoffen. Wir brauchen verbesserte statistische Angaben zur Kernenergie, die auf europäischer Ebene erfasst und zusammengestellt werden, wobei diese Angaben schneller verarbeitet werden müssen, um einen raschen Datenrücklauf zu ermöglichen. Besonders wichtig ist, dass die Statistiken rechtzeitig vor dem jährlichen Energiegipfel im März vorliegen.
Abschließend begrüße ich die Tatsache, dass Torf auch künftig ganz klar zur Kategorie der fossilen Brennstoffe gehören wird. Im Vereinigten Königreich gilt Torfland als wertvoller Lebensraum, der unter Schutz steht. Torf regeneriert sich so langsam, dass seine Einstufung als erneuerbare Energiequelle vollkommen unangemessen wäre.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Klimawandel, Versorgungssicherheit, Preissteigerungen, Ereignisse wie Stromausfälle in Teilen Europas sowie die beunruhigende Situation zwischen der Ukraine und Gazprom haben die europäischen Bürger und Entscheidungsträger wachgerüttelt und ihnen die Komplexität unserer Energiesituation vor Augen geführt, für die dringend genaue, aktuelle und komplette statistische Angaben erforderlich sind. Ausgehend davon begrüße ich den Vorschlag der Kommission und die von unserem Berichterstatter, Herrn Turmes, geleistete Arbeit. Ich möchte die Gelegenheit zudem nutzen und ihn herzlich zu seiner Ernennung zum Berichterstatter für die Richtlinie für erneuerbare Energien beglückwünschen.
Der Bereich Energie ist für 80 % aller Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich. Ohne aktuelle und zuverlässige Basisdaten über die Energiesituation in der EU werden wir nicht nur nicht in der Lage sein, unsere Ziele im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu erfüllen, sondern auch die Ziele nach 2012 sind in Gefahr. Wie können wir ohne derartige Basisdaten transparenten Zielen zur Senkung der aus fossilen Brennstoffen erzeugten Energie im internationalen Rahmen und dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien zustimmen? Das können wir nicht. Derzeit kommt die Zusammenstellung von Energiestatistiken nur schleppend voran, sie ist ineffizient, und oftmals unvollständig und sogar fehlerhaft. Wie der Berichterstatter ganz richtig feststellt, erfolgt die Veröffentlichung der Energiedaten von Eurostat mit erheblicher Verzögerung. Kann der Kommissar bestätigen, dass diese Verordnung eine zeitnahere Verfügbarkeit wichtiger statistischer Angaben dieses Bereichs bewirken wird und dass das von uns hier in der EU verwendete statistische Modell vergleichbar ist mit dem, das beispielsweise von den USA und anderen globalen Akteuren eingesetzt wird, damit wir Gleiches mit Gleichem vergleichen?
Abschließend möchte ich feststellen, dass ich die Ansicht des Berichterstatters, derzufolge die neue Verordnung Schutz vor Datenmanipulation bieten sollte, teile. Genaue, nachprüfbare und objektive Eurostat-Statistiken sind für die gesamte Bandbreite derzeitiger und künftiger Klima- und Energiepolitiken wie das Emissionshandelssystem der EU, die Verteilung der Belastungen und Vorschläge für erneuerbare Energien unerlässlich.
Teresa Riera Madurell (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wenn wir als Europäische Union eine kohärente Energiepolitik schaffen und auf der internationalen Energiebühne mit einer Stimme sprechen wollen, müssen wir vollständige und verlässliche Statistiken haben, die uns einen Vergleich leicht machen. Weiterhin ist eine gute Koordination mit und zwischen den Mitgliedstaaten unverzichtbar. Deshalb halten wir es für wichtig, dass der Text der Kommission ihr Mitwirken für obligatorisch erklärt.
Es muss sichergestellt sein, wie Frau Trautmann sagte, dass der neue Vorschlag nicht die Unternehmen oder andere beteiligte Seiten durch Mehrarbeit belastet. Daher begrüßen wir die Tatsache, dass der Vorschlag nicht versucht, die durchzuführende statistische Tätigkeit zu verändern, sondern dass er einen gemeinsamen Rechtsrahmen errichtet, der die methodische Einheitlichkeit gewährleistet und so den Datenvergleich vereinfacht.
Die Komplexität unserer Energiesituation zu verstehen und eine sorgfältige quantitative Überwachung der Fortschritte auf dem Weg zu unseren Zielen durchzuführen, macht darüber hinaus auch zeitgerechte und lückenlose Statistiken erforderlich.
Deshalb pflichten wir dem Berichterstatter bei, dass es in Bereichen wie der Energieeffizienz notwendig ist, die uns zur Verfügung stehenden Statistiken zu verbessern. Die Effizienz stellt heutzutage eine Priorität für unsere Energie- und Klimapolitik dar. Die derzeitigen Statistiken liefern nicht die notwendigen Angaben zur Berechnung der Koeffizienten, die in diesem Bereich unbedingt erforderlich sind.
Durch die Entwicklung des Nuklearsektors und der erneuerbaren Energien entstehen ebenfalls erhebliche Schwierigkeiten, die gelöst werden müssen. Dies sind nur einige Beispiele für die Grenzen unseres gegenwärtigen Systems, die zusammen mit interessanten Lösungsvorschlägen im Bericht von Herrn Turmes, dem ich zu seiner hervorragenden Arbeit gratulieren möchte, sehr gut beschrieben sind.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Ich möchte den Berichterstatter zu einem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Ich möchte ferner der Kommissarin zu der von der Kommission ergriffenen Initiative gratulieren.
Ich unterstütze diesen Bericht, und zwar vor allem, weil darin von einer gemeinsamen Energiepolitik und insbesondere von einer gemeinsamen Energieaußenpolitik gesprochen wird. Es gibt jedoch einen weiteren Grund, und für mich ist er noch wichtiger: Wir geben den Mitgliedstaaten die Chance, in Bezug auf die Primärenergie (Energiemix) selbst zu entscheiden, während wir gleichzeitig CO2-Emissionen begrenzen und einen gemeinsamen Energiemarkt schaffen.
Wenn wir Kosten vergleichen und feststellen wollen, welche emissionsfreien Lösungen die besten sind und welche Lösungen die wirtschaftlichsten sind, dann brauchen wir eine Vergleichsgrundlage. Ein gemeinsamer Markt und der Wettbewerb auf diesem Markt und vor allem effektive Investitionen erfordern gute, vergleichbare statistische Angaben. Investoren, vor allem private Investoren, sind auf derartige Angaben angewiesen, denn nur so können wir am Energiemarkt eine effiziente Politik betreiben. Wir werden auch in der Lage sein, Angaben einzelner Mitgliedstaaten in Bezug auf spezielle Preise und Kosten zu vergleichen, was uns mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden statistischen Angaben nicht möglich ist, weil es vor allem an Daten zu erneuerbaren Energiequellen fehlt.
Es stellt sich eine letzte Frage: Wer wird von diesen Angaben in welcher Form profitieren? Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, und das wird die Praxis zeigen. Wir müssen sehr genau darauf achten, bis zu welchem Grade derartige Angaben künftig zugänglich sind und wie wir den Teil der Daten, die nicht veröffentlicht werden sollen, schützen.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Ich möchte den Berichterstatter zu seiner Arbeit beglückwünschen.
Energie und Klimawandel gelten als Prioritäten der Europäischen Union. Energiestatistiken, anhand der die Union diesen Sektor bewerten und notwendige Maßnahmen einleiten kann, kommt daher außerordentliche Bedeutung zu.
Am 26. Februar 2008 veröffentlichte Eurostat eine Reihe von statistischen Indikatoren für Energie, Verkehr und Umwelt. Im Bereich Energie finden sich Indikatoren für Energieabhängigkeit, Energieintensität, Energiequellen, Energieendverbrauch, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energiepreise. In Bezug auf den Klimawandel gibt es Informationen über Treibhausgasemissionen.
Die Mitgliedstaaten sind zur Erhebung der erforderlichen Daten verpflichtet, damit die Indikatoren ermittelt werden können, wie in der vorgeschlagenen Verordnung verlangt. Umfangreiche Mittel sind für die Datenerhebung und -verarbeitung vonnöten.
Änderungsantrag 14 nimmt Bezug auf Zeiteinsparungen durch den Einsatz der Informationstechnologie bei der Datenerhebung und -verarbeitung. Änderungsantrag 5 befasst sich mit der notwendigen Sicherheit der Versorgung mit den wichtigsten Treibstoffen und der rechtzeitigen Vorlage genauer Daten auf EU-Ebene, um mögliche Versorgungsengpässe frühzeitig zu erkennen und EU-weite Lösungen abzustimmen. Dies steht in Einklang mit der Solidaritätsklausel im Vertrag von Lissabon, die im Fall möglicher Energieengpässe gilt. Die Bürger Europas brauchen derart genaue und exakte Statistiken.
Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Bericht ist für uns alle sehr wichtig, weil natürlich die Daten die Grundlage für die politischen Entscheidungen bilden. Deshalb ist es auch wichtig, in Zukunft zwischen Finanz- und Warentransaktionen zu unterscheiden. Wir alle wissen, wie die Energiepreise von den verschiedenen Bereichen beeinflusst werden. Aber auch die Unterscheidung zwischen Produktion, Handel und Verbrauch spielt eine wesentliche Rolle. Hier sollten wir besonders beim Intelligent Metering ansetzen, also beim intelligenten Messen, nicht nur beim Verbraucher, sondern bei den verschiedenen vorhandenen Messpunkten.
Darüber hinaus ist es für uns wichtig, welche Methoden eingesetzt werden, um die verschiedenen Kosten für die Statistik in den Griff zu bekommen. Wir wollen ja Bürokratie vermeiden und auch in der Statistik zu mehr Effizienz kommen. Deshalb wird es für die künftige Anwendung wichtig sein, welche Methoden hier angewandt werden – Stichproben, vollautomatische Auswertung, just-in-time, nicht entschlüsselnd, EU-weit vergleichbar, aber auch global vergleichbar. Auch die Proportionalität für die verschiedenen Träger ist wichtig. Wir sollten darauf achten, dass die Versorgungssicherheit als Kriterium für alle transparent verfügbar ist, zwischen Kosten und Preisen unterschieden wird und natürlich die Nachhaltigkeit des gesamten Systems sichergestellt wird.
Claude Turmes, Berichterstatter. − (EN) Frau Präsidentin! Ich habe nur einige Anmerkungen zu machen. Was Torf betrifft – leider ist Frau Korhola bereits gegangen –, so geht aus unserer Definition eindeutig hervor, dass Torf als fossiler Energieträger eingestuft wird. Wir haben uns der IPCC-Definition für Torf angeschlossen, aus der ganz klar hervorgeht, dass Torf keine erneuerbare Energiequelle ist. Diesbezüglich sollten also einige finnische Politiker und finnische Lobbyisten aufhören, sich irgendwelchen Träumen hinzugeben, sondern die Richtlinie lesen und sich an den tatsächlichen Text halten.
Leider ist es mir nicht gelungen, mich mit dem Vorschlag durchzusetzen, in Europa wöchentlich die Ölbestände zu erfassen. Unser Ölpreis in Europa wird durch das wöchentliche Bulletin des amerikanischen Energieministeriums bestimmt. Da Europa über keine eigenständige Ölstatistik verfügt, werden unsere Preise faktisch durch die Verknappung am amerikanischen Markt bestimmt, und wir sind nicht in der Lage, deutlich zu machen, dass der europäische Markt häufig weit weniger angespannt ist als der US-Markt. Da wir uns damit hier nicht durchsetzen konnten, Herr Kommissar, könnte die Kommission vielleicht im Rahmen der laufenden Diskussionen dazu bei der IEA die Initiative ergreifen und prüfen, welche Vorteile wöchentliche Ölstatistiken in Europa unter Umständen für Europa hätten. Von einigen Sachverständigen erfuhr ich, dass wir auch den Ölpreis allein mit dieser Maßnahme senken könnten.
Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen, denn es kommt darauf an, dass die Kommission koordiniert vorgeht. Die Kommission hat in der Generaldirektion Energie und Verkehr eine Stelle zur Beobachtung des Energiemarktes eingerichtet, und folglich sollte sichergestellt werden, dass Eurostat und diese neue Beobachtungsstelle eng zusammenarbeiten. Abschließend möchte ich den Beamten von Eurostat und den Beamten in den Mitgliedstaaten viel Energie und Mut wünschen, da sie jetzt häufig im Rahmen der Komitologie zusammenkommen müssen, um diese Regelungen in reale Statistiken zu verwandeln.
Ihnen allen nochmals herzlichen Dank für Ihre freundlichen Worte. Ich bin möglicherweise in der Lage, Ihnen zum Schluss dieses langen Abends ein Glas Champagner anzubieten!
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
23. Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Bart Staes im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln (KOM(2006)0778 – C6-0457/2006 – 2006/0258(COD)) (A6-0004/2008).
Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. − (ES) Frau Präsidentin! Ich möchte natürlich Herrn Staes für seine ausgezeichnete Arbeit als Berichterstatter sowie dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für ihre Beiträge zur Debatte über diesen Vorschlag für eine Verordnung danken.
Der Vorschlag ist Teil der Thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden. Mit dieser Thematischen Strategie sollen die Folgen der Pestizide für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gemindert werden. Der Vorschlag für eine Verordnung, über die wir heute beraten, trägt durch die Sicherstellung der Erfassung verlässlicher und vergleichbarer Angaben in allen Mitgliedstaaten zu diesem Ziel bei und gibt so die Möglichkeit, harmonisierte Risikoindikatoren zu berechnen. Der Vorschlag der Kommission ist die Frucht einer jahrelangen Arbeit mit der OECD und mit Forschungseinrichtungen zur Entwicklung dieser Risikoindikatoren.
Unsere ursprüngliche Absicht in der Kommission war, alle Arten von Pestiziden, einschließlich der Biozide, zu erfassen. Doch in der Vorbereitungsphase der Rechtsvorschrift wurde deutlich, dass der Biozidsektor nicht sonderlich harmonisiert ist und weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten ausreichende Erfahrungen oder Kenntnisse besitzen, um konkrete Maßnahmen zu Bioziden vorzuschlagen. Deshalb wurde beschlossen, diese Produktkategorie nicht in den ursprünglichen Vorschlag aufzunehmen, der Ihnen zur Erörterung vorgelegt wurde.
Ich weiß, dass Herr Staes in seinem Bericht für die Einbeziehung der Biozide eintritt, doch wir hatten Gründe, uns letztendlich dagegen zu entscheiden. Ich möchte jedoch dem Berichterstatter und Ihnen allen versichern, dass die Kommission die Gelegenheit nutzen wird, die sich mit der für Ende dieses Jahres vorgesehenen Überprüfung der Richtlinie über Biozide bietet, um einen Vorschlag auf den Weg zu bringen, der diesen Sektor umfassend berücksichtigt, einschließlich der Datenerfassung.
Der Bericht von Herrn Staes setzt sich auch für die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Verordnung auf die nicht-landwirtschaftliche Verwendung von Pflanzenschutzprodukten und ihre Einbeziehung in die Statistiken über die Produktion und Vermarktung ein. In unserem Vorschlag beschlossen wir, diese Daten nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung aufzunehmen, um Überlappungen mit anderen statistischen Verordnungen über die Produktion und Vermarktung zu vermeiden, was die Verwaltungskosten für die Erstellung dieser Statistiken erhöhen würde. Wir sind jedoch bereit zu prüfen, wie die bestehenden Statistiken über die Produktion und Vermarktung für die Ziele der Thematischen Strategie am besten genutzt werden können.
Abschließend, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, möchte ich Sie auf die hohen finanziellen Kosten der Einführung dieser Verordnung hinweisen, die nach ersten Schätzungen für die Union der 25 zwischen 10 und 25 Millionen Euro jährlich liegen. Daher empfehlen wir, den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Verordnung genügend Flexibilität einzuräumen.
Ich vertraue darauf, dass wir durch eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission schnellstmöglich zu einer Einigung kommen können, denn, wie Sie wissen, ist der Prozess der Datenerfassung langwierig und komplex und nimmt etwa fünf Jahre in Anspruch. Es wäre gut, wenn die Verordnung so bald wie möglich in Kraft treten könnte, natürlich nach der Verabschiedung der Rahmenrichtlinie über die Thematische Strategie.
Zum Schluss möchte ich Herrn Staes nochmals für seine hervorragende Arbeit an einem Vorschlag danken, der sehr komplex aber gleichzeitig äußerst wichtig für die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist.
Bart Staes, Berichterstatter. − (NL) Nach meinem Dafürhalten hat der Kommissar in einigen Punkten recht gut zusammengefasst, worum es ihm geht. Der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln steht tatsächlich in direktem Zusammenhang mit der Thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden.
Wie der Kommissar auch ganz klar herausstellte, ist das Ziel die europaweite Harmonisierung der nationalen Statistiken zu Verkauf und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Dies soll auf einem Niveau geschehen, auf dem es am zweckmäßigsten ist. Das Ziel besteht daher darin – und das ist nicht unwichtig –, dank dieser Daten mittelfristig die Risiken und die Belastung für Umwelt und menschliche Gesundheit, die vom Einsatz von Pestiziden ausgehen, zu verringern.
Bei der Erarbeitung meines Berichts schwebten mir vier Ziele vor:
1. die hinreichende Vergleichbarkeit der Daten;
2. die Vermeidung einer doppelten Datenerhebung;
3. die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf nicht-landwirtschaftliche Verwendungen;
4. die umfassende Nutzung der so erhobenen Daten durch eine geeignete Berichtspflicht.
Meiner Meinung nach habe ich diese vier Ziele nach der Abstimmung im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit erreicht, weiß aber, dass es nach wie vor Schwierigkeiten gibt. Insbesondere Schattenberichterstatter Nassauer argumentierte im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, die Datenerhebung müsse vernünftig, korrekt und angemessen geregelt werden, und zwar nicht nur der vertrauliche Umgang mit diesen Daten, sondern auch die Öffentlichkeit und die Transparenz. Ich meine, dass Herr Nassauer und ich sehr konstruktive Gespräche geführt haben und seine Anliegen deutlich geworden sind, auch in der Abstimmung im Ausschuss für Umweltfragen, der fast einstimmig dafür war.
Uns ist es auch gelungen, eine treffende Formulierung für die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf den nicht-landwirtschaftlichen Sektor zu finden. Wir haben uns jetzt für die Datenerhebung bei der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen, aber auch bei der gewerblichen nicht-landwirtschaftlichen Verwendung, wie der Unterhaltung von Straßen, Eisenbahnen und kommunalen Grünflächen entschieden.
Dank der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament hat sich letztendlich das gesamte Konzept der Biozide, zu denen sich auch der Kommissar äußerte, in den Bericht eingeschlichen. Das stieß auf Widerstand, speziell aus der PPE-DE-Fraktion, und von daher war ich im Namen meiner Fraktion gemeinsam mit der PSE-Fraktion bemüht, dieses Problem zu überwinden, indem ich zwei Änderungsanträge formulierte, die sich auf einen früheren Text stützen, den wir in erster Lesung anlässlich eines Berichts von Frau Klaß verabschiedet hatten. Ich weiß, die PPE-DE-Fraktion und Herr Nassauer haben damit nach wie vor Probleme, aber ich hoffe, dies wird in der Schlussabstimmung kein unüberwindliches Hindernis darstellen, da wir schließlich doch versuchen, uns dem Standpunkt der Mehrheit dieses Europäischen Parlaments zu beugen.
Ein weiterer strittiger Punkt mit der PPE-DE-Fraktion, meine Damen und Herren, ist die Entscheidung des Ausschusses für Umweltfragen zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung über den Verkauf und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf die Bereiche Produktion, Import, Export und Vertrieb von Pestiziden. Die PPE-DE-Fraktion befürchtet, dass dies zu einer zusätzlichen Belastung für die Unternehmen führen wird. Offen gestanden, Herr Nassauer, ich wage dies zu bezweifeln, da die Daten ohnehin vorliegen und eigentlich keine zusätzlichen Berechnungen notwendig sind.
Im Gegensatz zu Herrn Nassauers Behauptungen bin ich davon überzeugt, dass die Erhebung dieser Daten einen besseren Überblick über unerwünschte und sogar illegale Ströme verschafft. Meines Erachtens werden diese Kenntnisse bei der Verwirklichung eines der Ziele der Verordnung von Nutzen sein, das auch der Kommissar klar herausstellte, nämlich bei der Verringerung der Risiken und der Belastung für Umwelt und menschliche Gesundheit, die von Pestiziden ausgehen. Gerade diese beiden Argumente werden, so meine ich, dafür sorgen, dass wir auf WTO-Verfahren von Drittländern reagieren können.
Mein Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen für die überaus konstruktive Zusammenarbeit. Uns wird es hoffentlich gelingen, eine große Mehrheit für meinen Bericht zu finden, damit ich in zweiter Lesung erfolgreiche Verhandlungen mit dem Rat führen kann. Ich danke auch der Kommission für ihre exzellente Mitwirkung sowie den Bediensteten von Eurostat, die stets zur Verfügung standen und die bei dem Zustandekommen dieses Berichts wirklich sehr hilfreich waren. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Hartmut Nassauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es besteht Übereinstimmung darüber, dass wir die von dem Einsatz von Pestiziden ausgehenden gefährlichen Wirkungen für Mensch und Umwelt verringern wollen. Um diese Wirkungen ermitteln zu können, müssen Indikatoren entwickelt werden. Um die entwickeln zu können, braucht man Daten. Um die Erhebung dieser Daten geht es in dieser Richtlinie. Ich betone das, um deutlich zu machen, dass es hier nicht um die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geht und auch nicht um ihre Verwendung, sondern nur um die Erhebung von Daten, die geeignet sind, entsprechende Indikatoren zu entwickeln. Darüber besteht Übereinstimmung.
Wir haben uns auch, wie Herr Kollege Staes zutreffend dargestellt hat, sehr eingehend bemüht, auf gemeinsame Positionen zu kommen, und das ist auch in erstaunlichem Umfang gelungen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass der Anwendungsbereich auf den nichtlandwirtschaftlichen Bereich ausgeweitet werden muss. Und wir haben auch beim Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine übereinstimmende Position gefunden.
Zwei Punkte sind zwischen uns offen geblieben: Der erste Punkt ist die Einbeziehung von Bioziden. Ich teile völlig die Position, die der Kommissar vorgetragen hat. Es gibt dagegen keine grundsätzlichen Einwände, aber wir verfügen im Augenblick nicht über das nötige Wissen, um diesen Schritt sinnvollerweise zu tun. Ich habe dagegen, wie gesagt, keine grundsätzlichen Vorbehalte. Dies kann zu geeigneter Zeit geschehen.
Der zweite Punkt ist gewichtiger. Wir haben entschieden Bedenken dagegen, dass nicht nur die Verwendung, sondern auch die Produktion von Pflanzenschutzmitteln in den Anwendungsbereich einbezogen wird, weil die Produktion als solche über die Verwendung eben keinen Aufschluss gibt. Produkte werden in Drittstaaten exportiert, Produkte werden gelagert, bevor sie verwendet werden. Deswegen gibt, wie gesagt, die Produktion als solche für den Zweck, zu dem wir diese Richtlinie erlassen, nichts her, und deswegen möchten wir das gerne vermeiden.
Gleichwohl sage ich, Herr Staes, wenn es gelingt, an den Kompromissen festzuhalten, die wir erarbeitet haben, wird Ihr Bericht an unserer Schlussabstimmung nicht scheitern.
Gyula Hegyi, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich habe überlegt, ob ich mich auf Ungarisch oder Englisch zu dieser Thematik äußern soll, und dann festgestellt, dass ich während des Arbeitsprozesses diesbezüglich vor allem englische Begriffe verwendet habe.
Die PSE-Fraktion hat eine intensive Debatte über den Bericht geführt und sich auf einen Kompromissstandpunkt geeinigt. Einige von uns, so auch ich, hatten radikalere Änderungen vorgeschlagen, aber wir können mit dem gemeinsamen Standpunkt der Fraktion leben. Ich begrüße den Bericht und beglückwünsche den Berichterstatter.
Einerseits sind Pestizide eine wichtige und unverzichtbare Stütze der modernen europäischen Landwirtschaft, doch andererseits sind der unzureichende Einsatz von Pestiziden und die Verwendung schädlicher Substanzen verantwortlich für gesundheitliche Probleme, tödliche Unfälle und Umweltverschmutzung. Entscheidungsträger, Behörden, kommunale Verwaltungen, Landwirte, NRO und die Bürger brauchen ordnungsgemäße Informationen über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, um die damit verbundenen negativen Auswirkungen zu verringern und zu verhindern. Deshalb stellt dieser Vorschlag für europäische Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln einen positiven Schritt in Richtung umweltfreundliche Landwirtschaft dar. Auf der Grundlage europäischer Statistiken können wir die positiven Veränderungen überwachen und evaluieren, die die neue Pflanzenschutzgesetzgebung, also die Richtlinie über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Thematische Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden und die Verordnung über die Zulassung von Pestiziden, vorsieht.
Ich habe von Anfang an mit Billigung der PSE-Fraktion die Aufnahme von Biozidprodukten in diese Richtlinie vorgeschlagen und befürwortet. In den meisten Fällen werden die Wirkstoffe von Bioziden auch in Pflanzenschutzmitteln verwendet. Daher haben Biozide fast dieselben Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt wie Pflanzenschutzmittel. Nach ihrer Freisetzung in die Umwelt ist es vollkommen gleichgültig, ob die entsprechende Substanz ursprünglich als Biozid oder Pflanzenschutzmittel produziert wurde. Es ist sinnvoll, dass wir zunächst nur statistische Angaben zu Biozidprodukten erfassen.
Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist immer eine heikle Angelegenheit, und ich freue mich deshalb, dass wir uns darin einig sind, dass diese Richtlinie die Verpflichtungen gemäß dem Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Umweltinformation berücksichtigt. Deshalb habe ich den Änderungsantrag, der Hersteller dazu verpflichtet, der Öffentlichkeit ordnungsgemäße Informationen bereitzustellen, unterstützt. Ich hoffe, dass es nach dem Kompromiss zwischen den politischen Parteien in diesem Saal zu einer guten Einigung in erster Lesung mit dem Rat kommen wird und ich vielleicht in einigen Jahren in der Lage sein werde, in diesem Saal nützliche Angaben der neuesten europäischen Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln zu zitieren.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Herzlichen Glückwunsch an den Berichterstatter, Herrn Staes, zu einem ausgezeichneten Bericht und den enormen Anstrengungen, die er unternommen hat, um die verschiedenen Fraktionen zu einem Kompromiss und Konsens zu bewegen. Eine europaweite Harmonisierung der nationalen Statistiken zu Verkauf und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und die ordnungsgemäße Nutzung dieser Statistiken würde zweifellos die Abschätzung der Folgen des Einsatzes derartiger Produkte auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit wesentlich erleichtern und Korrekturmaßnahmen ermöglichen.
Um diese Harmonisierung effektiv und damit möglichst nutzbringend zu gestalten, hat der Berichterstatter zu Recht eine Reihe von Änderungsanträgen vorgelegt, die eine Kompromisseinigung der meisten Fraktionen ermöglichen. Erstens geht es darum, miteinander vereinbare und vergleichbare Daten aus allen Mitgliedstaaten zu erhalten. Zweitens soll die doppelte Datenerhebung vermieden werden, um Kosten und Belastungen für gewerbliche Verwender zu reduzieren. Drittens sollen nicht-landwirtschaftliche Verwendungen in den Anwendungsbereich der Verordnung aufgenommen werden, und viertens geht es darum, die erhobenen Daten möglichst umfassend zu nutzen.
Wir halten die große Mehrzahl dieser Änderungsanträge, die vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit fast einstimmig gebilligt wurden, für nützlich und notwendig und werden sie befürworten. Wir werden lediglich gegen drei Änderungsanträge stimmen, und zwar die Änderungsanträge 24, 27 und 29. Außerdem werden wir die fünf zusätzlichen Änderungsanträge, die von den Grünen und anderen eingereicht wurden, ohne Einschränkung unterstützen.
Abschließend möchte ich nochmals generell feststellen, dass die erfolgreiche Erreichung der Ziele dieses Rechtsakts in hohem Maße von seiner ordnungsgemäßen Umsetzung abhängen wird, und dazu bedarf es vor allem der konstruktiven Einbeziehung und des vollen Engagements der Behörden der Mitgliedstaaten. Bleibt zu hoffen, dass das in allen 27 Mitgliedstaaten der Fall sein wird.
Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Herzlichen Glückwunsch an den Berichterstatter. Hier im EU-Pestizidpaket beraten wir ja zurzeit auch, wie wir – und das ist unser Ziel – Mensch, Tier und Umwelt vor Schaden durch gefährliche Pestizide schützen können. Ausreichende Daten sind die Grundvoraussetzung für dieses Ziel.
Ich hoffe, dass diese Abstimmung ein starkes Signal für den Umwelt- und Gesundheitsschutz setzt. Es geht beim Sammeln und Offenlegen von Daten ja nicht um Betriebsgeheimnisse, sondern darum, das Recht der Verbraucher auf Information und Transparenz sicherzustellen. Ich unterstütze, dass möglichst viele Daten im Internet zugänglich gemacht werden. Das wäre auch voll in Kohärenz zu meinem Bericht zur Pestizidzulassung. Denn gerade die Erfahrungen aus der Zulassung zeigen, dass wir verlässliche Zahlen zur Pestizidnutzung in Europa und harmonisierte Datenerhebungsmethoden brauchen. Nur wenn gute Daten vorliegen, können wir hoffen, weniger Missverständnisse und Fehlinformation zu erhalten.
Zum Schluss noch etwas, das nicht im Statistikbericht enthalten ist, aber mir dennoch am Herzen liegt. Wir haben in der ersten Lesung zur Pestizidzulassung auch einen Pestizidpass für den Groß- und Einzelhandel beschlossen. Auch hier geht es um Daten zur Pestizidanwendung. Der Groß- und Einzelhandel will diese Daten, und ich hoffe, dem stellen sich die Mitgliedstaaten nicht in den Weg. Dies ist auch eine gute Ergänzung für die Statistik zu Pestiziddaten.
Ich hoffe, uns eint das Ziel, durch verlässlichere Zahlen und Daten einen besseren Schutz von Mensch, Tier und Umwelt zu erreichen.
Jens Holm, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich dem Kollegen Staes für seinen guten Bericht danken, den wir von der GUE/NGL-Fraktion selbstverständlich unterstützen. Eines der Ziele dieses Berichts ist die Reduzierung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durch eine Verbesserung der Statistik, was eine dringende Aufgabe ist. Die Verwendung von Giften und Chemikalien nimmt in der Landwirtschaft in Europa zu. Diese Gifte gehen in die Lebensmittel über, die wir und unsere Kinder essen, und beeinträchtigen uns alle. Das sollte alle beunruhigen, die sich um ihre Gesundheit und unsere Umwelt sorgen.
In meinem Heimatland ist die langfristige Vision der Umweltbewegung eine chemikalienfreie Landwirtschaft. Leider liegt dieses Ziel gegenwärtig noch in weiter Ferne, denn nicht nur in der EU insgesamt, sondern auch in Schweden ist der Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft gestiegen. Ich habe eine konkrete Frage an Kommissar Almunia: Sollte ein einzelnes Land, das eine Chemikalie in der Landwirtschaft verbieten will, nicht die Möglichkeit erhalten, dies zu tun? Leider gibt es mehrere Beispiele von Mitgliedstaaten, die die Verwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel verbieten wollten, von Ihrer Kommission aber daran gehindert wurden. Warum? Sollten Umwelt und Volksgesundheit nicht schwerer wiegen als die Forderung nach vollkommener Harmonisierung?
Irena Belohorská (NI). – (SK) Der Bericht über Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln steht in engem Zusammenhang zum Bericht über eine Thematische Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden.
Wenn der Bericht mit der Strategie in Einklang stehen soll, müssen die Elemente der Strategie, auf die wir uns bereits geeinigt haben, in diesem Vorschlag für eine Verordnung ihren Niederschlag finden. Dies gilt in erster Linie für den Titel der Verordnung und das Ersetzen des Begriffs „Pflanzenschutzmittel“ durch „Pestizide“. Außerdem ist die Aufnahme der Biozide in den Geltungsbereich der Verordnung mit der Einbeziehung in die Thematische Strategie und die Pestizidrichtlinie bereits erfolgt. Der Geltungsbereich muss auf Biozide erweitert werden, noch bevor der erste Bericht der Kommission vorliegt. Sämtliche relevanten Merkmale der Biozide sind uns gut bekannt. Es gibt daher keinen Grund, diese nicht aufzunehmen oder auf weitere Daten zu warten. Damit würde die Interpretation des Begriffs Pestizid, der sowohl Pflanzenschutzmittel als auch Biozide umfasst, unnötig hinausgezögert.
Ich spreche mich deshalb mit aller Deutlichkeit gegen Änderungsantrag 33 aus, während ich Änderungsantrag 2 unterstütze, da das Parlament dazu bereits eine Einigung erzielt hat und da allein dieser Änderungsantrag im Einklang mit der Thematischen Strategie und der Pestizidrichtlinie steht, wie sie im Oktober 2007 vom Parlament angenommen wurden.
Christa Klaß (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Die Pflanzenschutzmittel stehen auf dem Prüfstand, und die Statistik ist Teil eines Paketes, das auch die Zulassungsverordnung und die Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beinhaltet. Das gesamte Paket dient dem Ziel, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln sowohl auf die menschliche Gesundheit als auch auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Der Wettbewerbsdruck im gemeinsamen Binnenmarkt und die grenzübergreifenden Aspekte der Umwelt machen hier eine gemeinsame Vorgehensweise notwendig.
Der Zugang von Lebensmitteln aus der ganzen Welt zu unseren Märkten macht aber auch deutlich, dass Auflagen angemessen sein müssen, um wirksam zu sein. Keinem ist gedient, wenn unser Obst und Gemüse, unser Fleisch nur aus Drittstaaten kommt, weil hier die Produktion mit Auflagen zu sehr erschwert wird. Auf Lebensmittel aus Drittstaaten haben wir in Europa keinen Einfluss. Die einzige Möglichkeit ist die Feststellung der Rückstandshöchstmengen, und genau hier sind wir immer noch nicht richtig aufgestellt, geschweige denn, dass wir einen Pestizidpass haben können.
Es ist richtig, Aufzeichnungen und Statistiken über den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln zu führen, um die Strömungen und Entwicklungen des Pflanzenschutzes zu beobachten. Erklärtes Ziel dabei ist die Risikoreduktion. Die Erhebung der Daten muss die Vergleichbarkeit gewährleisten, und dabei müssen Berichtspflichten so gering wie möglich gehalten werden. Eine Registrierung von Stoffströmen schießt hier klar über das Ziel hinaus, da letztendlich noch nicht feststeht, ob aus dem Stoff ein Pflanzenschutzmittel, ein Biozid oder vielleicht sogar ein Medikament produziert wird. Biozide müssen gesondert gesehen werden, und wir erwarten hier den Kommissionsvorschlag über die Zulassung und den Einsatz von Bioziden. Erst danach kann über die dann noch notwendigen Statistiken nachgedacht werden.
Die illegale Verwendung von Pflanzenschutzmitteln muss stärker ins Visier genommen werden. Dazu brauchen wir verstärkt Kontrollen des bestehenden Rechts. Die Statistik kann hier meiner Meinung nach nicht helfen. Wer gegen das Recht verstößt, Herr Kollege Staes, der schreibt es auch nicht in eine Statistik.
Péter Olajos (PPE-DE). – (HU) Frau Präsidentin! Substanzen zur Bekämpfung von Pflanzenparasiten und -schädlingen haben zweifellos die europäische Landwirtschaft radikal verändert. Doch diese Chemikalien haben negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Besonders schädliche Pflanzenschutzmittel müssen aus dem Verkehr gezogen und die Verwendung von Chemikalien für diese Zwecke muss drastisch reduziert werden. Dafür brauchen wir aber zuverlässige statistische Daten und harmonisierte und vergleichbare Gemeinschaftsstatistiken. Dabei wollen wir den Anwendern dieser Produkte, den landwirtschaftlichen Betrieben, keine zusätzlichen Lasten aufbürden. Das ist nicht unser Ziel.
Andererseits wollen wir, dass alle nicht-landwirtschaftlichen Verwendungen von Pflanzenschutzmitteln sowohl in die Statistik als auch in künftige Vorschriften mit aufgenommen werden. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: In Europa werden die Böschungen entlang der Bahngleise mit einem Pflanzenschutzmittel, Isopropylamin-Salz, besprüht oder eher abgespült. Die Gesamtlänge der Eisenbahntrassen in der Europäischen Union beträgt etwa 213 000 km, und die Chemikalienmenge, mit der wir sie begießen ca. 900 000 Liter. Diese Substanzen gelangen zusammen mit dem Regen in das Oberflächen- und Grundwasser, und letztendlich auch in unseren Körper. Bis jetzt haben wir dieser Situation noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt, aber hier muss sich unbedingt etwas ändern.
Der vorliegende Bericht steht in einem engen Zusammenhang mit dem von uns im vorigen Jahr diskutierten Paket von Rechtsvorschriften und sollte daher auch so behandelt werden. Dabei geht es um den von meiner Kollegin von der Europäischen Volkspartei, Frau Klaß, genannten Aktionsrahmen für den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die im vergangenen Jahr von Frau Belohorská verfasste Thematische Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden und die Vorschriften für das Inverkehrbringen neuer Pflanzenschutzmittel, in der Frau Breyer, die Verantwortliche für dieses Thema im Europäischen Parlament, die künftige Entwicklung der nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln aufzeigt. Ich gratuliere dem Berichterstatter und unterstütze diesen Bericht. Vielen Dank.
Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist heute der zweite Bericht über Statistik, und ich möchte die Kommission daran erinnern, dass wir uns eigentlich zum Ziel gesetzt haben, die Verwaltungsaufwendungen um 25 % zu kürzen, da es gerade bei den Statistiken immer wieder einen Aufschrei der Betroffenen gibt, hier nicht allzu viel Aufwand und Kosten auflaufen zu lassen. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass die nachhaltige Nutzung von Pflanzenschutzmitteln sehr wichtig ist für die zukünftige Entwicklung der Gene und der Biotechnologie, und ich glaube auch, dass die Risikoindikatoren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt von besonderer Bedeutung sind.
Wir sollten aber uns generelles Ziel der Lissabon-Agenda, nämlich Beschäftigung und letztlich auch Wachstum in diesen Bereichen, nicht vergessen und die Anforderungen nicht durch bürokratische Auflagen wie die Erhebung von Statistiken verschärfen, die in vielen Bereichen ja auch sehr einfach gewonnen werden können.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Die wichtigsten Informationen, die die Mitgliedstaaten erfassen sollten, sind Angaben zur Menge der verwendeten Produkte. Das gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, individuelle Analysen – also Analysen entsprechend den Vorgaben der nationalen Pläne durchzuführen. Hersteller sollten besonders wichtige Informationen über den Einsatz von Pestiziden bereitstellen. Die nationalen Daten sind in jedem Mitgliedstaat zu aggregieren und der Kommission in zusammengefasster Form zu übermitteln. Derart aggregierte Informationen sind für weitere Analysen auf EU-Ebene ausreichend. Wir sollten bei der Regelung der Pflichten der Mitgliedstaaten Vorsicht hinsichtlich der Unterstützung von lokalen Institutionen bei der Erfassung detaillierter Informationen walten lassen, da diese allenthalben für Unklarheiten sorgen und die Motivation der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Umsetzung des Geistes der Richtlinie untergraben.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Darf ich einige kurze Fragen über Sie an den Kommissar richten? Könnte man die Menge von Pflanzenschutzmitteln, die für nicht-landwirtschaftliche Verwendungen wie Golfplätze, Parkanlagen, Flugplätze, Eisenbahnanlagen, Straßenränder, Privathaushalte und –gärten genutzt werden, von der Gesamtmenge ableiten, also Gesamtmenge minus Menge der Produkte für den Einsatz in der Landwirtschaft?
Die zweite Frage betrifft Biozide. Für diese gibt es eine Vielzahl von Anwendungsgebieten, einschließlich von Privathaushalten, und obwohl Daten über die in Verkehr gebrachten Mengen an Bioziden erfasst werden könnten, ist nur schwer vorstellbar, wie umfassende Daten über den Einsatz von Bioziden gesammelt werden könnten. Oder soll nur die landwirtschaftliche Verwendung erfasst werden? Und falls es bei Bioziden nur um die landwirtschaftliche Verwendung geht, wieso befassen wir uns dann bei Pflanzenschutzprodukten mit der nicht-landwirtschaftlichen Verwendung?
Drittens wüsste ich gern, ob die explizite Auflage der Erfassung der Produktion, Einfuhr, Ausfuhr und des Vertriebs von Pflanzenschutzprodukten zu Verwirrung und einer potenziellen doppelten Erfassung bestimmter Mengen von Pflanzenschutzprodukten führen könnte.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich wollte lediglich die Bedeutung eines Punktes unterstreichen, der auf diesen wie auch auf den vorangegangenen Bericht zutrifft, und zwar geht es darum, dass statistische Angaben an sich keine Bedeutung haben. Wichtig sind natürlich deren Interpretation und das Ziehen der richtigen Schlussfolgerungen sowie die Durchführung der auf der Grundlage der statistischen Daten beschlossenen Maßnahmen.
In diesem Zusammenhang hat der Berichterstatter einen sehr wichtigen Vorschlag in Bezug auf Expertengruppen gemacht, die zur Evaluierung der erhobenen Daten herangezogen werden sollen. Ich möchte den Kommissar fragen, was er von solchen Expertengruppen zur Evaluierung der Daten hält.
Der Präsident. – Der Herr Kommissar wird sich am Ende dieser Aussprache nicht äußern. Er hat uns informiert, dass er Frau Doyles Fragen schriftlich beantworten wird.
Bart Staes, Berichterstatter. − (NL) Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für all Ihre aufmunternden Worte. Ich glaube, ich kann in diesem Hohen Haus auf eine breite Unterstützung zählen. Wie der Kommissar in seiner Einführung erklärte, wachsen die Positionen von Kommission, Rat und Parlament zusammen, was in der ersten Lesung nicht möglich war. Eigentlich war es ganz und gar unmöglich, obgleich ich bei zwei Gelegenheiten zu Konsultationen sowohl mit dem slowenischen als auch mit dem portugiesischen Vorsitz zusammengekommen bin.
Dass diese Standpunkte zusammenwachsen, belegen die Ausführungen des Kommissars zu Bioziden. Er erklärte, die Kommission erwäge eine Überarbeitung dieser Richtlinie. Ich möchte mich nicht festlegen und vertraue darauf, dass die Formulierung in dem Vorschlag für eine Verordnung auf der Grundlage eines bereits im Bericht Klaß verabschiedeten Textes unverbindlich ist. Zweitens nehme ich freilich das Angebot der Kommission, die bereits vorhandenen Statistiken über die Produktion von Pestiziden bestmöglich zu nutzen, zur Kenntnis. Das ist ein wesentlicher Beitrag in dieser Debatte, und zwar auch mit Blick auf die zweite Lesung. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen nochmals. Ich werde Sie nicht länger aufhalten. Es ist schon spät, und ich denke, wir alle haben ein wenig Erholung verdient.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Daciana Octavia Sârbu (PSE), schriftlich. – (RO) Der Vorschlag für eine Verordnung zielt darauf ab, die Belastung für Umwelt und menschliche Gesundheit, die vom Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ausgeht, durch die Entwicklung eines Mechanismus zur Berechnung von Risikoindikatoren und durch Überwachung der in der Thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden festgelegten Ziele zu verringern. Als Schattenberichterstatterin erachtete ich einheitliche Definitionen im Pestizidpaket für notwendig und entschied ich mich für die Einbeziehung von Bioziden in den Vorschlag für eine Verordnung, um den Verbrauchern mehr Schutz zu bieten. Mit dieser Vorlage wollen wir das Datenerhebungssystem verbessern und die Harmonisierung bestehender Statistiken zwischen den Mitgliedstaaten vorantreiben, um die auf diesem Gebiet erzielten Fortschritte zu ermitteln und die notwendigen Maßnahmen zum Erreichen des Ziels, einer Verringerung der von Pflanzenschutzmitteln ausgehenden Risiken, zu ergreifen. Außerdem werden in ganz Europa verfügbare offizielle Statistiken dem Markt zu mehr Transparenz verhelfen und die Wettbewerbsfähigkeit der Pestizidindustrie steigern. Ein Rückgang bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln kommt zugleich über eine Verbesserung der Lebensmittelqualität, der Verringerung der Trinkwasserverschmutzung, den Umweltschutz und die nachhaltige Erhaltung der natürlichen Ressourcen der Gesellschaft zugute. Die Europäische Union muss sicherstellen, dass von diesen gefährlichen Stoffen keine Gefahr für die Gesundheit der Bürger ausgeht, und sie muss neue ökoeffiziente landwirtschaftliche Praktiken fördern.
24. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll