Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Feleknas Uca im Namen des Entwicklungsausschusses über das Thema „Gleichstellung und Teilhabe – die Rolle der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit“ (2007/2182(INI)) (A6-0035/2008).
Feleknas Uca, Berichterstatterin. − Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor fünf Tagen wurde zum hundertsten Mal der Internationale Frauentag gefeiert. Vieles ist erreicht worden, von Chancengleichheit in den ärmsten Ländern dieser Welt kann jedoch keine Rede sein. Menschenrechte von Frauen und Mädchen sind noch lange kein unveräußerlicher, integraler und untrennbarer Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte, wie es die Wiener Erklärung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1993 fordert.
In meinem Bericht habe ich mich intensiv mit der Situation von Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern beschäftigt, und ich habe mich auch damit befasst, wie die europäische Entwicklungszusammenarbeit die Lebenssituation dieser Frauen verbessern kann. Lassen Sie mich kurz ein paar Zahlen und Fakten nennen.
Zwei Drittel aller Analphabeten weltweit sind Frauen. Mehr als 40 % der Frauen in Afrika haben keine Grundschule besucht. In Afrika machen Frauen 52 % der Gesamtbevölkerung aus, leisten jedoch 75 % der Arbeit in der Landwirtschaft und erzeugen und vermarkten 60-80 % der Nahrungsmittel.
In der aktualisierten Strategie der Kommission zur Gleichstellung und Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit werden wichtige Bereiche angesprochen und konkrete Maßnahmen für die Förderung der Gleichstellung vorgeschlagen. Der doppelte Ansatz der Strategie, sowohl Gender Mainstreaming effizienter zu gestalten, als auch gesonderte Maßnahmen zur Vorantreibung der Gleichstellung vorzuschlagen, ist begrüßenswert. Auch möchte ich die 41 konkreten Maßnahmen aus den Bereichen Governance, Beschäftigung, Wirtschaft, Bildung, Gesundheit sowie Gewalt gegen Frauen lobend hervorheben. Dennoch habe ich in meinem Bericht Kritik an einigen Punkten geäußert. Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz auf die wichtigsten dieser Punkte eingehen.
In Bezug auf die Bekämpfung traditionell bedingter Gewalt bin ich der Ansicht, diese sollte im Mittelpunkt der Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen stehen. Zweitens bin ich doch sehr befremdet darüber, dass die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen in der Strategie unerwähnt bleiben. An keiner Stelle wird vom Zusammenhang zwischen der Stärkung der Rolle der Frau und den Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Ländern gesprochen. Was die spezifische Situation von Frauen in Konflikten angeht, so bedaure ich, dass die Strategie nicht auf die besondere Rolle von Frauen in so genannten schwachen Staaten und in den am wenigsten entwickelten Ländern eingeht. Besonderes Augenmerk sollte auch auf die reproduktive Gesundheit und die sexuellen Rechte von Frauen in Entwicklungsländern gelegt werden.
Ich bedaure sehr, dass sich die meisten Änderungsanträge wieder einmal nur damit beschäftigen, Passagen aus dem Bericht zu streichen, welche das Recht der Frauen fordern, über ihren Körper und ihr Leben frei und unabhängig zu bestimmen. Ich möchte nicht unbescheiden sein, aber mein Bericht sollte nicht auf dieses Thema reduziert werden. In diesem Zusammenhang begrüße ich die Vorschläge von Frau Buitenweg im Namen der Fraktion der Grünen. Vielen Dank für Ihre wichtigen Beiträge.
Zur reproduktiven Gesundheit möchte ich an dieser Stelle nur Folgendes sagen: Jede Frau hat das Recht darauf, unabhängig und in Freiheit über ihren Körper und ihr Leben zu entscheiden. Der uneingeschränkte Zugang der Frauen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit ist eine Voraussetzung für die Gleichstellung der Geschlechter. Solange Frauen dieser Zugang verwehrt bleibt, sind es andere, die über Leib und Leben der Frauen bestimmen. Das, verehrte Anwesende, kann niemand wollen, dem die humanistische Tradition Europas, unsere gemeinsamen Werte und die Achtung der Menschenrechte am Herzen liegen!
(Beifall)
Louis Michel, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, die Berichterstatterin zu diesem äußerst umfassenden Bericht zu einem übergreifenden Thema von großer Bedeutung zu beglückwünschen. In der Tat sind eine größere Beteiligung der Frauen in der Wirtschaft und eine gerechte Teilung der Macht zwischen Mann und Frau wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung. Wenn wir die Gleichstellung von Männern und Frauen nicht gewährleisten können, werden wir weder je die Millenniumsziele noch ein dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum erreichen.
Warum machen im subsaharischen Afrika Frauen nur 34 % der regulär beschäftigten Arbeitnehmer aus? Warum stellt das Einkommen dieser Frauen nur 10 % des Gesamteinkommens dar und warum besitzen sie nur 1 % des Eigentums? Das sind natürlich äußerst wichtige Fragen. Und warum sind, wie es Ihr Bericht sagt: 70 % der 1,3 Milliarden Menschen, die in absoluter Armut leben, Frauen? Was hier veranschaulicht wird, ist also eine sehr spezielle Tragödie, die damit zusammenhängt, Frau zu sein. Leider gibt es zu viele Fragen dieser Art, die wir beantworten müssen. Selbst in Europa, sogar in den nationalen Parlamenten unserer Mitgliedstaaten, wo der Anteil der Frauen recht hoch ist, gibt es keine Garantie, dass die Prioritäten der Frau immer auf der Tagesordnung stehen.
Was unsere Politik gegenüber unseren Partnerländern angeht, so erkennen wir die Notwendigkeit, einen äußerst intensiven politischen Dialog zu führen. Ich kann Ihnen sagen, dass der Dialog über die Gleichstellung der Geschlechter nicht immer einfach ist, es kann dabei beispielsweise darum gehen, die Erarbeitung von geschlechtsspezifischen Statistiken zu unterstützen oder im Rahmen der Haushaltspolitik eine größere Aufmerksamkeit für die sozialen Bereiche zu fordern, da vielfach Bildung oder Gesundheit nicht als echte Prioritäten angesehen werden, obwohl bekanntlich Bildung und Gesundheit von Frauen Schlüsselbereiche für die Entwicklung darstellen.
All dies steht im Mittelpunkt der Mitteilung zur Gleichstellung der Geschlechter in der Entwicklungszusammenarbeit, die die Europäische Kommission am 8. März 2007 verabschiedet hat. Diese Politik stellt eine Antwort auf die im Europäischen Konsens zur Entwicklung festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter in allen unseren Politiken und Praktiken zur Zusammenarbeit dar. Anliegen dieser Mitteilung ist es, eine europäische Vision zu entwickeln und eine dauerhafte Unterstützung für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in allen Regionen und allen Entwicklungsländern anzubieten.
Die Mitteilung dient auch als Leitlinie in Bezug auf die neuen Hilfsmodalitäten, namentlich die Budgethilfe. Im Gegensatz zu den in Ihrem Bericht formulierten Kritiken bin ich der Ansicht, dass die Budgethilfe neue Möglichkeiten bietet, um die Gleichstellung von Mann und Frau effektiv zu unterstützen. Warum? Ich hatte bereits häufig Gelegenheit, die Gründe zu schildern, aus denen ich im Rahmen des Möglichen die Budgethilfe befürwortet habe. Die Budgethilfe gibt uns einen unvergleichlich stärkeren Hebel im politischen Dialog mit den Behörden des Partnerlandes in die Hand. Sie bietet uns die Möglichkeit, beispielsweise über die politischen Optionen und unter anderem auch über die Notwendigkeit der besseren Entwicklung des Potenzials von Frauen in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung eines Landes zu diskutieren. Außerdem stützen wir in diesem Fall unsere Unterstützung auf die Überprüfung von greifbaren Ergebnissen, die anhand von Indikatoren vorgelegt oder aufgedeckt wurden, die stets geschlechtsspezifisch sind und somit eindeutig die geschlechtsbezogenen Lücken dort aufzeigen, wo es sie gibt. Die Ziele, an denen die Ergebnisse eines Landes gemessen werden, sind auf die Millenniumsziele ausgerichtet, und sie sind zu einem großen Teil sehr wichtig für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Frauen. Sie umfassen, um nur einige davon zu nennen, die Erhöhung der Einschulungsquote der Mädchen oder zum Beispiel der Zahl der pränatalen Beratungen. Die Fortschritte eines Landes, um solche Ziele zu erreichen, sind die Grundlage, auf der die Europäische Kommission ihre variablen Tranchen an Budgethilfe zahlt.
Im Verlaufe dieser Diskussion hat einer der Redner die Konditionalität angesprochen. Wenn Sie Budgethilfe leisten, haben Sie natürlich die Möglichkeit, auf gewisse Weise den Partner zu verpflichten, Kriterien einzuhalten und eine gewisse Konditionalität zu beachten. Der positive Einfluss ist deutlich stärker als ohne den Mechanismus der Budgethilfe. Ich bin auf alle Fälle bereit, diese Aussprache in anderen Formen fortzusetzen. Aber auf der Grundlage meiner heutigen Erfahrung bin ich zutiefst davon überzeugt, dass Budgethilfe – wo sie möglich ist – offensichtlich ein viel effektiverer Weg ist.
Langezeit haben wir einen doppelten Ansatz verfolgt. Zum einen binden wir die Gleichstellung der Geschlechter in alle unsere Politiken und Aktionen ein, auch als Teil der Budgethilfe und im politischen Dialog mit unseren Partnern. Das macht es unter anderem erforderlich, unsere Kollegen in den Delegationen in Fragen der Geschlechterproblematik zu schulen. So haben seit 2004 mehr als eintausend Kollegen eine spezielle „Geschlechter“-Schulung erhalten, und wir haben jetzt einen „Gender-Helpdesk“ eingerichtet, um diese Schulung in der Zukunft weiterzuführen. Zum anderen finanzieren wir spezielle Aktionen zugunsten der Gleichstellung von Mann und Frau.
Solche Aktionen gehören zu bestimmten nationalen Richtprogrammen, aber was noch wichtiger ist, es gibt auch thematische Programme, die die Zusammenarbeit auf geografischer Grundlage ergänzen. So umfassen die Programme „Investition in Humanressourcen“ und „Menschenrechte und Demokratie“ spezielle Elemente für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Das Programm „Investition in Humanressourcen“ verfügt für geschlechtsbezogene Aktionen im Zeitraum 2007-2013 über 57 Millionen Euro: das ist ein durchschnittlicher Jahresbetrag, der rund das Dreifache dessen beträgt, was wir bis 2006 ausgegeben haben. Natürlich ist die Gleichstellung der Geschlechter auch in andere thematische Programme eingebunden, seien es Bildungs-, Gesundheits-, Agrarprogramme oder das Umwelt- oder Kulturprogramm.
Wenngleich noch ein sehr weiter Weg vor uns liegt, bin ich doch davon überzeugt, dass wir mit einem gemeinsamen Engagement zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in Zusammenarbeit vor allem mit den Frauen der Entwicklungsländer in der Lage sein werden, die Armut zu bekämpfen und gerechtere Gesellschaften aufzubauen.
Gabriela Creţu, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. − (RO) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe, der Bericht hat bereits Reaktionen hervorgerufen. Wir hoffen, das beweist seine politische Relevanz.
Die Mitteilung der Kommission war eine sehr gute Prämisse, und das Parlament hat nützliche Einzelheiten hinzugefügt. Ich möchte nur das zugrunde liegende Prinzip erläutern. Das Ziel war klar, wir unterstützen die Rolle der Frau in der Entwicklungszusammenarbeit. Neben den Argumenten zur Gleichstellung gibt es ausreichend Beweise dafür, dass Frauen eine gute Investition darstellen, da sie ausgezeichnete Multiplikatorinnen von Ergebnissen sind.
Doch wie gelangen wir zu einer maximalen Effizienz bei der Erreichung des Ziels? Wir hätten von den begünstigten Staaten strenge Kriterien zur Stärkung der Position der Frau fordern können. Tatsächlich existieren solche Kriterien bereits. Wir können allerdings auch schwache Reaktionen, Mangel an Expertise und administrativer Fähigkeit, formelle Verpflichtungen in den strategischen Entwicklungsplänen und mangelnde Umsetzung solcher Verpflichtungen erwarten. Die Nichteinhaltung von Verpflichtungen kann zur Kürzung oder Einstellung der Hilfe führen. Das hätte eine negative Auswirkung auf die Endbegünstigten, und die Frauen würden am Ende für die Inkompetenz von Regierungen bezahlen. Das wollen wir nicht.
Unter diesen Bedingungen haben wir uns entschieden, auf der Erfüllung der Anforderungen zu bestehen, die wir kontrollieren und wofür wir die Aktionsmittel haben. Aus diesem Grund ersuchen wir die Kommission und die Mitgliedstaaten, die Konsistenz zwischen anderen Gemeinschaftspolitiken und der Entwicklungspolitik zu sichern. Sonst könnten gewisse Aspekte der einheimischen Handelspolitik oder der Gemeinsamen Agrarpolitik unsere Ziele auf negative Weise beeinträchtigen.
Angesichts der erheblichen Differenzen in der Geschlechterfrage in der Politik der Mitgliedstaaten sind wir davon überzeugt, dass die Ausarbeitung der Roadmap der Europäischen Kommission zur Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Union eine Voraussetzung für einen echten und effizienten Einsatz von Frauen bei der Gestaltung der Entwicklungszusammenarbeit bildet, die eine Politik ist, die vorrangig von den Mitgliedstaaten geleitet wird. Die neuen Mittel zur Gewährung von Unterstützung haben die Aufmerksamkeit gegenüber Frauen anscheinend abnehmen lassen.
Wir fordern eine Bewertung ihrer Folgen für die Gleichstellung und entsprechende Korrekturmaßnahmen entsprechend der Verantwortung gegenüber den europäischen Bürgerinnen und Bürgern für die Transparenz der Fondsverwendung.
Anna Záborská, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SK) Die Ausarbeitung des Berichts über die Gleichstellung der Geschlechter und die Teilhabe von Frauen konnte nicht leicht sein, wie sein Umfang zeigt.
Ich stimme zwar nicht mit allem im Bericht unserer Kollegin Uca überein, doch möchte ich sie zu ihrer Konsequenz und zur Genauigkeit ihres Herangehens an dieses Thema beglückwünschen. Bei der Diskussion über diese Frage sollten wir unsere Unterstützung für die Würde der Frau und ihre Rolle für das Gemeinwohl in der Gesellschaft hervorheben.
In Entwicklungsländern (aber nicht nur dort) leiden viele Frauen unter Diskriminierung und Gewalt, oft arbeiten sie unter schlechten Bedingungen und für niedrige Löhne, es mangelt ihnen an gesundheitlicher Betreuung, ihr Arbeitstag ist zu lang, und sie sind Demütigungen und körperlicher Misshandlung ausgesetzt. Das ist der Grund für eine ungenügende Entwicklung. Alle diese Faktoren haben auch einen Einfluss auf die Qualität ihres Familienlebens. Ein Aufschwung in der Entwicklung und die Verbesserung der Gleichberechtigung, um im 21. Jahrhundert den Frieden zu fördern: Das sind die konkreten Schritte, die, wenn wir sie gehen, zur Verbesserung der Situation beitragen können. Wir müssen die gegen Frauen und Mädchen häufig verübte sexuelle Gewalt bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer wieder und kompromisslos verurteilen. Wir müssen die Entwicklungsländer zur Verabschiedung von Gesetzen ermutigen, die den Frauen einen wirksamen Schutz bieten.
Im Namen der Achtung gegenüber jedem Individuum müssen wir auch eine ganz weit verbreitete Quasi-Kultur verurteilen, die zu systematischer sexueller Ausbeutung und zur Vernichtung der Würde selbst ganz junger Mädchen führt, indem diese gezwungen werden, ihren Körper feilzubieten, und so zu den in der Sexindustrie eingestrichenen Milliardengewinnen beitragen. Leider kommen ihre Kunden zumeist aus den zivilisierten Teilen der Welt, auch aus der Europäischen Union. Frauen in Gebieten mit militärischen Konflikten sind Opfer systematischer Vergewaltigung zu politischen Zwecken.
Ich bin dankbar, dass es Frauenbewegungen gibt, die an der Förderung der Würde der Frauen arbeiten. Wenn wir das Problem der Hilfe für Frauen in Entwicklungsländern betrachten, dürfen wir nicht vergessen, dass es neben der Finanzhilfe aus Entwicklungsfonds ein wirksames Netz religiöser und karitativer Organisationen gibt. Diese Initiative hat viele Jahre lang über Parallelprogramme und informelle Mikrokredite für die Armen die Unterstützung lokaler Kirchen genossen. Es ist sehr ermutigend zu sehen, dass die geduldige, ehrliche und harte Arbeit armer Frauen auf diese Weise gewürdigt wird. Auch das verdient Unterstützung, indem die Strukturen erneuert werden, die dazu beitragen, den Erfolg neuer Initiativen auszuweiten.
Den Frauen müssen Chancengleichheit, ein fairer Lohn, Gleichheit beim beruflichen Aufstieg, gleichberechtigter Zugang zu Bildung auf allen Ebenen, Zugang zur gesundheitlichen Betreuung und Gleichberechtigung in Familienangelegenheiten gewährt werden. Die Beschäftigung der Frauen mit der Politik verlangt Mut, doch wenn Frauen in Entwicklungsländern Fortschritte machen, bedeutet das Fortschritt für uns alle.
Anne Van Lancker, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Im Namen meiner Fraktion möchte ich unsere nachdrückliche Unterstützung des Berichts von Frau Uca zum Ausdruck bringen und dem Kommissar zu dieser Strategie zur Förderung der Geschlechtergleichstellung gratulieren. Praktisch alle Länder haben die Millenniums-Entwicklungsziele vor acht Jahren unterschrieben. Die Hälfte der Zeit ist bereits verstrichen, und allem Anschein nach werden die Ziele in Afrika größtenteils nicht erreicht werden.
Frauen spielen bei der Armutsbekämpfung eine unverzichtbare Rolle, jedoch der gleichberechtigte Zugang zu Bildung, Gesundheitsfürsorge, Beschäftigung bzw. Grund und Boden bleibt ihnen verwehrt. Sie haben einen niedrigen sozialen Status, und Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Gleichzeitig werden in den meisten strategischen Programmen unserer Partnerländer Frauen gänzlich ignoriert. Deshalb muss die geschlechtsspezifische Dimension im Mittelpunkt des politischen Dialogs mit den Partnerländern stehen und müssen Frauenorganisationen in die Politikgestaltung einbezogen werden.
Ich halte es für unerhört, dass Kollegen der PPE- und der UEN-Fraktion die klare Sprache über sexuelle und reproduktive Gesundheit in dem Bericht streichen möchten. Wenn Frauen nämlich über ihren Körper selbst bestimmen und selbst entscheiden können, ob sie Kinder haben wollen, werden damit nicht nur Millionen Frauenleben gerettet, sondern werden auch Kindern größere Chancen geboten und die Gemeinschaften stärker. Wer dies in Abrede stellt, unterläuft damit den 1994 von der internationalen Gemeinschaft unterschriebenen Konsens zu Bevölkerung und Entwicklung, und das werden wir nicht zulassen.
Noch ein letztes Wort: Ich befürworte uneingeschränkt die Forderung der Fraktion der Grünen nach einem Europäischen Beauftragten für Frauenrechte. Ein Frauenbeauftragter wird den Frauen der Welt Gesicht und Stimme in Europa verleihen und gegebenenfalls die europäischen Regierungen sowie gelegentlich die Mitglieder der Kommission an die von ihnen abgegebenen Zusicherungen erinnern.
Renate Weber, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Gleichstellung und die Teilhabe der Frau stellen Werte und Prinzipien dar, die wir in der Europäischen Union alle preisen. Als solche müssen sie im Rahmen der bestehenden Zusammenarbeit entschieden mit den Entwicklungsländern geteilt werden. Wir alle tragen eine ungeheure Verantwortung in unserer Hinwendung zu ihnen, denn ein Zur-Schau-Stellen von doppelten Standards würde uns moralisch ins Abseits stellen, und wir verlören gewiss an Glaubwürdigkeit. Ich gehe jetzt konkret auf die für die heutige Abstimmung eingereichten Änderungsanträge ein; es sind dieselben Anträge, die der Entwicklungsausschuss abgelehnt hat.
Ich fürchte, wir laufen Gefahr, unterschiedliche Maßstäbe anzuwenden, wenn wir diese Werte einerseits gegenüber unseren Entwicklungspartnern äußern und sie andererseits innerhalb der Europäischen Union anwenden. Wir können es uns nicht leisten, Hinweise auf die Rechte zur Reproduktion von diesem Bericht auszunehmen, denn das ist ein Kernthema, wenn wir die Förderung der Rechte der Frau und ihrer Teilhabe zum Schwerpunkt machen.
Wie der Bericht richtig hervorhebt, ist der umfassende Genuss der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte der Frau eine Voraussetzung zur Erreichung der Gleichstellung. Der Schutz der reproduktiven Rechte wie Familienplanung hinsichtlich des Zeitpunkts der Geburt und der Geburtenabstände sowie die Entscheidung über eine Reproduktion, die frei von Diskriminierung, Zwang und Gewalt ist, geben den Frauen die Freiheit zu umfassender und gleichberechtigter Teilhabe in der Gesellschaft.
Wir können in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern nicht auf halbem Wege stehen bleiben und gleichzeitig behaupten, unser Ziel sei es, gesündere und stärkere Frauen zu haben, die in der Lage sind, aktiv und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben. Bitte verzeihen Sie meine harten Worte, aber für mich ist das bloße Heuchelei. Wir werden diese Ziele nicht erreichen, wenn wir von Anfang an Kernfragen ausschließen oder einen anderen Eindruck von unseren Prinzipien vermitteln, einen anderen, als wir ihn zu Hause geben.
In der heutigen Welt ist die Förderung der Gleichstellung und der Teilhabe der Frau in den Entwicklungsländern keine leichte Aufgabe. Die Erreichung dieser Ziele verlangt echtes Engagement und Handeln, und vor allem verlangt sie Vertrauen in unsere Beziehungen zu den Entwicklungsländern.
Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, 750 Millionen Frauen leben in Armut, und diese Frauen kämpfen sowohl um ihr eigenes Überleben als auch um das Überleben ihrer Familien. Die Rolle der Frauen ist unschätzbar, doch werden ihre Fähigkeiten und ihr Potenzial nicht gewürdigt. Ihr Zugang zu Bildung, Arbeit und Vermögen ist stark eingeschränkt. Es sollte zu den vordringlichsten Aufgaben der EU gehören zu sichern, dass Frauen im Zentrum der Entwicklungsarbeit stehen, sofern die EU daran beteiligt ist. Wie die Dinge stehen, laufen unsere Maßnahmen oft darauf hinaus, dass der ohnehin geringe Status der Frau noch weiter abnimmt, und aus diesem Grund freue ich mich sehr über den Bericht von Frau Uca.
Man darf diesen Bericht nicht verwässern, wie es viele Abgeordnete der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und der Fraktion Union für das Europa der Nationen mit ihren Änderungsanträgen zu tun versuchen, mit denen sie alles, was über sexuelle und reproduktive Rechte der Frauen geschrieben steht, herausnehmen wollen. Wie bereits mehrfach gesagt wurde, haben diese Rechte entscheidende Bedeutung, um die Frauen in die Lage zu versetzen, Verantwortung für ihr eigenes Leben und somit für das Leben ihrer Familie zu übernehmen. Das ist für sie oft eine Sache von Leben und Tod. Frauen müssen das Recht und die Möglichkeit haben, Nein zu sagen, um Gewalt zu vermeiden und eine Bildung sowie die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt zu leben. Das ist entscheidend, wenn sich aus unserer Entwicklungshilfe Entwicklung ergeben soll, und es ist unmoralisch und gleichermaßen töricht, würde man die Frauen nicht ins Zentrum dieser Arbeit rücken.
Leider mangelt es natürlich an politischem Willen – wie auch schon gesagt wurde –, und so unterstützen viele unter uns einen Vorschlag zur Ernennung eines Hohen Vertreters der EU für Frauen. Er oder sie sollte sicherstellen, dass Frauen in aller Welt in die politische und soziale Arbeit einbezogen werden und ihren Einfluss geltend machen, den sie haben sollten, da sie die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. Frauen dürfen nicht zu Opfern oder zu armen Teufeln werden. Wir alle müssen dafür sorgen, dass sie auf die gleiche Stufe gestellt werden, die wir alle einnehmen.
Luisa Morgantini, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was soll ich sagen? Hut ab vor der Kommission für eine schlüssige Mitteilung, mit der zum ersten Mal eine europäische Strategie für die Geschlechtergleichstellung in der Entwicklungszusammenarbeit aufgestellt wird, die im Übrigen mit den Forderungen großer Bewegungen von Frauen, die nicht länger Opfer sein wollen, im Einklang steht. Vielmehr lehnen wir es ab, länger Opfer zu sein, wir bestimmen selbst über unser Leben und unsere Sexualität und entscheiden selbst, in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen: in einer Gesellschaft, die imstande ist, Diskriminierung, Ungerechtigkeit, Gewalt und Militarisierung in den Staaten und in den Köpfen die Stirn zu bieten und ihnen ein Ende zu setzen.
Ebensolche Anerkennung gilt auch dem Bericht von Frau Uca, in dem die Aspekte, die die Kommission nicht berücksichtigt hat, die sie aber, wie ich denke, akzeptieren wird, eingehender untersucht und erfasst worden sind. Es erübrigt sich, an dieser Stelle die Zahlen über Frauen, die in extremer Armut leben, die Analphabetinnen sind und an AIDS oder Malaria leiden, sowie über die vielen Frauen, die vor allem zu Hause, auch in Europa, Opfer physischer und sexueller Gewalt sind, zu wiederholen.
Konkrete Maßnahmen sind die einzigen, die zählen: verantwortliches politisches Handeln, Bildung, Gesundheit, Gewalt gegen Frauen, Zugang zu Besitz und Beschäftigung und, wie Frau Uca sagt, wirtschafts- und handelspolitische Maßnahmen der EU, die nicht im Widerspruch zur Entwicklungspolitik stehen.
Erforderlich ist ein stärkeres Gender Mainstreaming verbunden mit der großzügigeren Bereitstellung finanzieller und personeller Mittel für die Delegationen der Kommission und für Vorhaben mit großer Wirkung, wie z. B. Kleinstkredite. Das sind praktische Maßnahmen, die zu einer ständigen Verbindung mit den Frauenbewegungen auf lokaler und nationaler Ebene, mit den länderübergreifenden Frauennetzen führen werden, die während der Kampagne gegen Wüstenbildung, für eine dringende Lösung der Konflikte, für das Recht auf Gesundheit, Wohnung und Wasser, entstanden sind.
Ich möchte noch etwas zu den Änderungsanträgen sagen, denen gemäß die Hinweise auf die verschiedenen internationalen Strategien – von Kairo bis Maputo – für die reproduktive Gesundheit der Frauen und ihre freie Entscheidung in Bezug auf die Fortpflanzung gestrichen werden sollen. Der Schutz des Lebens steht über allem. Das Recht auf Leben bedeutet jedoch, dass es kein Zögern bei der Umsetzung entwicklungspolitischer Maßnahmen geben darf, die fähig sind …
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Urszula Krupa, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Bericht über Gleichstellung und Teilhabe – die Rolle der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt sich mit Problemen, die beispielsweise Frauen in Afrika und Asien betreffen. Darin wird eine Strategie dargelegt, die Maßnahmen in verschiedenen Bereichen umfasst: Gleichstellung, politisches Handeln, Beschäftigung, Bildung, Gesundheit und Gewalt gegen Frauen.
Bekanntermaßen bilden gleiche Rechte für Frauen und Männer einen herausragenden Aspekt der sozialen Entwicklung, die in unserer europäischen Zivilisation in grundlegenden Bestimmungen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte und der Achtung aller Menschen enthalten sind. Gleichstellung und Nichtdiskriminierung von Frauen sind aber nicht die einzigen Voraussetzungen für die soziale Entwicklung. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Faktoren, die für den sozialen Fortschritt maßgeblich sind, angefangen bei der Befolgung ethischer und moralischer Grundsätze, die eine beträchtliche Verringerung von Ausbeutung, Gewalt, Betrug und anderen Formen der Manipulation, einschließlich der Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen, gewährleisten.
Die dramatischen Lebensbedingungen von Frauen in afrikanischen Ländern sind das Ergebnis einer Politik der Plünderung natürlicher Ressourcen und der Spekulation durch internationale Unternehmen, die sich auf Kosten des Lebens und der Gesundheit der lokalen Bevölkerung bereichern. Budgethilfen und andere EU-Programme wiegen die Verluste durch Raubwirtschaft nicht auf. Auch ethischer Relativismus fördert die sexuelle Ausbeutung und die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten. Die propagierte sexuelle Freiheit beraubt Frauen ihrer Würde, indem sie zu Sexobjekten degradiert werden, und fördert Gewalt. Die Lage der Frauen lässt sich nicht durch die Bereitstellung weiterer Gelder für Verhütungsmittel und Abtreibungen ändern, sondern durch finanzielle Unterstützung vor allem für kinderreiche Familien, indem ihnen Bildung und Entwicklung ermöglicht sowie Gesundheitsfürsorge und sozialer Schutz, insbesondere für schwangere Frauen, verbessert werden. Gebildete Frauen mit Führungspotenzial oder Interesse an politischem Engagement sollten sich natürlich zur Wahl stellen können und ihre psychische und physische Unterschiedlichkeit nutzen, um das Spektrum an Meinungen zu Themen zu erweitern, die nicht nur für Frauen und Kinder von Bedeutung sind.
Gender-Mainstreaming als zentrale Idee, die uns unter anderem den Erziehungsurlaub für Väter beschert hat, hat bereits die zu erwartenden Früchte getragen, da nicht nur schwedische Väter lieber Elche jagen oder die Zeitung lesen, als sich um ihre Kinder zu kümmern. Die Tyrannei der sexuellen Aggression, die von den Massenmedien verbreitet wird, beeinflusst ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Filip Kaczmarek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Frau Ucas Bericht befasst sich mit dem wichtigen Thema der Gleichstellung in der Entwicklungszusammenarbeit. Bedauerlicherweise werden die zweifellos positiven Absichten der Berichterstatterin durch die weitschweifige und widersprüchliche Darstellung der Frage der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte untergraben. Diese Thematik sollte nicht kontrovers behandelt werden, doch bedient sich der Bericht einer widersprüchlichen Sprache, wie sie in der Europäischen Union so häufig benutzt wird. Genau dieser merkwürdige Sprachgebrauch bewirkt, dass die EU sich von ihren Bürgern entfernt und zu einer unverständlichen, bürokratischen und bürgerfernen Maschinerie wird. Auf diese Weise schaffen wir uns die Gegner der EU selbst und spielen wir ihnen in die Hand.
Daher hoffe ich auf die Annahme der von der PPE-DE-Fraktion eingebrachten Änderungsvorschläge. Warum? Weil die Verfasserin und die Befürworter des Berichts mit den Termini „reproduktive Gesundheit und Rechte“ das Gegenteil von dem meinen, was diese Worte aussagen. Bei den „reproduktiven Rechten“ geht es nicht um Reproduktion, sondern um deren Beschränkung. Also suchen wir nach einer positiv klingenden Bezeichnung für etwas, was negative Konsequenzen hat, nämlich die Einschränkung der Fortpflanzung. Das ist reine Augenwischerei.
Wer Restriktionen gegenüber der Bevölkerung in armen Ländern sowie die Förderung von Verhütung oder Abtreibung befürwortet, sollte sich nicht hinter Begriffen wie Gesundheit und reproduktive Rechte verstecken. Wir sollten das Kind beim Namen nennen. Meines Erachtens lehnen sie dies ab, weil sie der Meinung sind, dass die Europäische Union sich nicht mit solchen Fragen befassen sollte. Mutet es nicht etwas seltsam an, wenn Europäer jenseits der europäischen Grenzen Empfängnisverhütung und Abtreibung fördern und finanzieren? Sowohl in Afrika and Asien als auch in der EU sollten die einzelnen Staaten selbst entscheiden, welche Politik sie in diesem Bereich verfolgen. Laut Bericht sollen Frauen selbst entscheiden, aber wir sind es, die den afrikanischen Frauen sagen, wo es lang geht. Nach meinem Dafürhalten herrscht hier einige Unklarheit.
Ein weiterer Punkt: Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Kinderreichtum und Gleichberechtigung. Beides hat nichts miteinander zu tun, und ich begreife nicht, weshalb in dem Bericht hier ein Zusammenhang hergestellt wird.
Alain Hutchinson (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Dieses Mal werde ich nicht zum Bericht selbst sprechen – zu dem ich die Berichterstatterin beglückwünsche –, sondern zu den Änderungsanträgen, die uns bald zur Abstimmung vorgelegt werden, um zu sagen, dass ich die von unseren Kollegen der UEN zum Bericht vorgeschlagenen Änderungen wirklich skandalös finde.
(Beifall)
Indem die UEN sich gegen jede Erwähnung und Bezugnahmen auf die Problematik der Schwangerschaftsverhütung in diesem Bericht ausspricht, lehnt sie ganz einfach ab, den Frauen in den südlichen Ländern das Recht auf ein würdiges Leben zuzugestehen. Das ist nicht nur skandalös, sondern auch unverantwortlich und scheinheilig, wenn wir bedenken, dass das Fehlen einer ernsthaften Politik der Familienplanung Millionen von Menschen in der ganzen Welt zu unnötigem Leid, zu Krankheit und zum Tod verurteilt – vor allem Frauen und die Kinder, die sie nur allzu zu häufig gegen ihren Willen zur Welt bringen.
Die von der PPE-DE-Fraktion vorgeschlagenen Änderungen sind nicht weniger bedauerlich. Sie formulieren die Dinge einfach anders, insbesondere indem sie es ablehnen, die Anerkennung des Rechts der Frauen auf Steuerung ihrer Fruchtbarkeit zu bedenken. In der großen Mehrzahl der Entwicklungsländer leiden Frauen und Mädchen – sogar kleine Mädchen – weiter unter schweren Formen von Diskriminierung und nicht tolerierbarer Gewalt. Wer sich dagegen ausspricht zu berücksichtigen, dass in diesen Ländern jede Frau die Möglichkeit haben muss, ihr eigenes Schicksal vollständig selbst zu steuern, lehnt es eindeutig ab, sie als gleichberechtigt gegenüber den Männern anzusehen. Die reproduktive Gesundheit dürfte dennoch kein solch alarmierendes Thema sein; sie schließt lediglich ein, den Menschen die Möglichkeit zu geben, ein verantwortungsvolles, befriedigendes und sicheres Sexualleben zu führen, und Frauen die Freiheit zu geben zu entscheiden, ob und wann sie Kinder haben möchten. Diese Auffassung von Gesundheit setzt voraus, dass Frauen und Männer auf gleichberechtigter Grundlage sichere, wirksame, erschwingliche und akzeptable Methoden zur Steuerung der Fruchtbarkeit wählen können.
Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Herr Präsident! Es ist wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind, was wir wollen. Allzu lange ist die Diskussion, bei der es um Menschenrechte gehen sollte, durch verschiedene politische Erwägungen vergiftet worden. Eine Frau hat selbstverständlich ein Recht auf ihren eigenen Körper. Darum weiche ich bei der Debatte über Genitalverstümmelung auch nicht der Frage aus, ob die Anwendung des Schariarechts dem Grundsatz der Gleichheit der Menschen widerspricht. Niemand käme auf den Gedanken, einem Mann das Recht zu verweigern, über seine eigene Reproduktion zu bestimmen; niemand würde sagen, es sei eine Frage kultureller Werte, einem Mann die Möglichkeit zu verweigern, sein eigenes Geld zu verdienen und seine Selbstständigkeit zu wahren.
Wenn die EU, der weltweit größte Geber von Entwicklungshilfe, in der Dritten Welt agiert, müssen unsere Werte immer deutlich werden. Die Menschenrechte – zu denen ich die Gleichstellung nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis, zähle – müssen dabei unser Leitmotiv sein. Wir müssen deutlich zu verstehen geben, dass Marktwirtschaft etwas Positives für arme Frauen und Männer ist, nichts Negatives. Das zeigt sich nicht zuletzt in der erfolgreichen Kampagne für Mikrokredite, die Millionen schutzbedürftiger Frauen Wohlstand und Selbstbestimmung gebracht hat.
Natürlich dürfen wir aus der reichen Welt anderen Menschen nicht eine bestimmte Lebensweise aufzwingen, aber wir haben – und ich halte es für wichtig, das zu unterstreichen – eine Verantwortung, Wahlmöglichkeiten zu bieten, wo es heute noch keine gibt. Daher bin ich, wie viele meiner Kollegen hier, echt enttäuscht über einige Änderungsanträge zu einem ansonsten guten und wichtigen Bericht, denn sie weisen einfach in die falsche Richtung.
Meinem hinter mir sitzenden Kollegen möchte ich sagen, dass ich als Abgeordneter des Schwedischen Reichstags Elternurlaub genommen habe und mit meinem Sohn ein halbes Jahr lang zuhause war. Ich glaube wirklich, dass ich ein besserer Vater geworden bin, als ich es davor war. Natürlich habe ich in dieser Zeit auch Zeitung gelesen, aber meine Hauptverantwortung lag darin, mich zusammen mit meiner Frau um unsere Kinder zu kümmern. Ich kann nur sagen, dass dies eine gute Sache ist, die noch mehr Väter ausprobieren sollten, auch um zu erkennen, wie wichtig es ist, eine Familie – Mann, Frau und Kinder – zusammenzuhalten.
(Beifall)
Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich diesen Bericht begeistert begrüßen, da er aus mehreren Gründen wichtig ist.
Erstens, wegen der Gerechtigkeit: Obwohl Frauen und Kinder etwa zwei Drittel der weltweiten Arbeitslast tragen, erhalten sie nur 5 % des Einkommens, und darüber hinaus hat die Armut ein deutlich weibliches Gesicht.
Zweitens, wegen der Würde: Ich halte es für zwingend erforderlich, das häufig von Frauen gezeichnete Bild als verletzliche Opfer durch ein Frauenbild als hoch differenzierte Gruppe sozialer Akteure zu ersetzen, die wertvolle Ressourcen und Fähigkeiten und ihre eigenen Vorstellungen besitzen; das bedeutet unter anderem die Anerkennung und umfassende Berücksichtigung des Rechts der Frau, über ihre Sexualität und ihren Körper selbst zu bestimmen.
Drittens, wegen des echten Engagements und der Konsistenz: Es ist bedauerlich, dass die Gleichstellung der Geschlechter oft als Vorwand für das Fehlen konkreter Vorschläge und Ziele, beispielsweise in den Länderstrategiepapieren, dient.
Aus allen diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass dieser Bericht begrüßt und mit absoluter Mehrheit unterstützt werden sollte.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Dies ist ein Bericht über Gleichstellung und Teilhabe der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit. Warum also sind die Sozialdemokraten, die Liberalen und einige andere heute Vormittag darauf eingestellt, gegen einen Änderungsantrag zu stimmen, in dem es um Information über Diskriminierung von Frauen geht, die bereits im Mutterleib beginnt?
Ein Änderungsantrag in meinem Namen sowie im Namen von Herrn Deva und Frau Belohorská fordert die Kommission auf, alle Partner der Union in der ganzen Welt, Regierungen wie Nichtregierungsorganisationen, zu ersuchen, ständige Analysen aller Abtreibungen anzustellen und dem Parlament regelmäßig über die Ergebnisse Bericht zu erstatten. Vielleicht kann uns Herr Hutchinson erzählen, was an solchen Informationen so Furchtbares ist. Das Parlament sieht das heute Vormittag offensichtlich anders, indem es diesem Änderungsantrag seine Zustimmung verweigert, doch in einigen Ländern hat die starke Bevorzugung von Söhnen zur Eliminierung von Millionen von Mädchen aufgrund der elterlichen Geschlechterselektion geführt. Auch sterben Mädchen im Kleinkindalter infolge von absichtlicher Vernachlässigung und durch Verhungern. Dem UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) zufolge gelten allein in Asien mindestens 60 Millionen Mädchen als „vermisst“. Aus einigen Ländern wird berichtet, dass die Selektion nach Geschlecht häufiger in Städten vorkommt, wo Technologien wie Amniocentese und Ultraschall ohne Weiteres zugänglich sind und mit ihnen Missbrauch getrieben werden kann. In anderen Ländern tritt das häufiger in ländlichen Gegenden auf, wo dem UNFPA zufolge der Wunsch nach Söhnen stark ausgeprägt ist. Töchter werden in einigen Ländern als wirtschaftliche Belastung gesehen, und UNFPA zufolge prägt sich dadurch das leicht erhöhte Geschlechterverhältnis bei Geburt stärker aus. Der Mangel an Frauen und Mädchen in einigen Ländern Asiens hat potenziell alarmierende soziale Auswirkungen, unter anderem besteht eine gesteigerte Nachfrage nach Frauenhandel, ob nun für Heiratszwecke oder für Sexzwecke, und ihr Status verschlechtert sich insgesamt. Das sind die Worte des UNFPA, nicht meine.
Welche Haltung nimmt das Parlament ein? Es sieht das anders. In der gesamten Geschichte haben Mehrheiten geirrt, beispielsweise in den dreißiger Jahren in Österreich und in Deutschland. Wie kann ein angeblich denkendes Gremium wie das Europäische Parlament so ein Unrecht tun und diesen Änderungsantrag ablehnen. Wir wollen einfach nur Informationen…
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Ana Maria Gomes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich gratuliere meiner Kollegin Uca zu diesem ausgezeichneten Bericht, und ich begrüße das von der Kommission in ihrer Mitteilung befürwortete zweigleisige Vorgehen, das den Schwerpunkt sowohl auf die Gleichstellung als auch auf konkrete Aktionen zur Teilhabe der Frauen setzt. Ich bedauere allerdings, dass viele Länderstrategiepapiere auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeitsinstrumente (DCI) die Gleichstellung nur als Querschnittsthema berühren und keine konkreten Aktivitäten, Ziele oder Finanzzuwendungen angeben. Das bedeutet, dass Gleichstellungsbemühungen in der Entwicklungszusammenarbeit ungeachtet des strategischen Rahmens in den kommenden Jahren zu einer bloßen Rhetorik werden könnten.
Performanceindikatoren, die die Gleichstellung berücksichtigen, sollten in Halbzeit- und Endüberprüfungen bewertet werden. Das Parlament wird die Umsetzung der CPS überwachen, und wir hoffen, die Kommission wird auf Fortschritte auf dem Gebiet konkreter Ergebnisse in Gleichstellungsfragen verweisen können.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich entsetzt bin über mehrere mittelalterliche Konzepte in Änderungsanträgen einiger Kolleginnen und Kollegen zu diesem Bericht in Bezug auf Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Ich werde natürlich gegen sie stimmen.
Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident! Auch ich will der Berichterstatterin danken für diesen prima Bericht und auch der Kommission Glückwünsche aussprechen für ihre Mitteilung. Die Aufforderung ist allerdings auch, jetzt konsequent zu sein. Ich war vor zehn Tagen mit einigen Kollegen aus nationalen Parlamenten auf Einladung des European Parliamentary Forum in New York bei der Kommission über den Status der Frau. Es ist interessant, dass Länder, die unsere AKP-Partner sind, im Kontakt mit Brüssel und den jeweiligen Hauptstädten so reden, und dann in New York, wenn es darum geht, die Sache auf globaler Ebene zu verhandeln, völlig anders reden.
Deswegen meine Aufforderung an Sie, Herr Kommissar: Seien Sie konsequent, weisen Sie Ihre Delegationen an, dass in den jeweiligen Hauptstädten auch über das Verhalten in New York gesprochen wird, denn unsere frauen- und entwicklungspolitischen Ziele werden in New York oft konterkariert!
In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr, dass UNIFEM jetzt ein Büro in Brüssel aufmacht, das wird die Qualität der Debatte zwischen den Vereinten Nationen und der Europäischen Union auf diesem Gebiet sicher heben.
Ich freue mich ausdrücklich, dass Mikrokredite genannt werden als eines der Mittel zum Empowerment, zur Befreiung der Frau. Es gibt zum Teil relativ obskure Einrichtungen ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Satu Hassi (Verts/ALE). – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein herzlicher Dank gilt Frau Uca für ihren ausgezeichneten Bericht. Zugleich teile ich die Missbilligung, die hier von vielen im Hinblick auf die Änderungsanträge der Rechten zum Ausdruck gebracht worden ist.
Um Frauenrechte auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in vollem Umfang verwirklichen zu können, braucht die Europäische Union eine Sonderbeauftragte für Frauenrechte, deren Aufgabe darin bestehen soll, sicherzustellen, dass die Rechte der Frauen gewahrt werden. Auf diese Weise könnten Mittel für Entwicklungszusammenarbeit auch wirksamer eingesetzt werden.
Wir wissen, dass die billigste Art der Förderung der Entwicklung darin besteht, die Rechte der Frauen, einschließlich ihrer sexuellen Rechte, ihrer Bildung, ihrer Chancen auf Beschäftigung und so weiter, zu verbessern. Obwohl die Menschen das aus eigener Erfahrung und aus zahlreichen Berichten wissen, vergessen sie das immer wieder, selbst dann, wenn sie darüber entscheiden, wie Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit der EU ausgegeben werden sollen. Deshalb brauchen wir eine Sonderbeauftragte für Frauenrechte, und deshalb hoffe ich, dass jeder in diesem Haus den Änderungsantrag 20 zu dieser Frage unterstützt.
Nirj Deva (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Da ist zwar viel Gutes in diesem Bericht, aber in einem bin ich völlig gegensätzlicher Meinung, ebenso wie meine Kollegen Kaczmarek und Mitchell.
Ich möchte Ihnen, Herr Präsident, eingangs die Frage stellen, von wem dieser Satz stammt: „Aufgrund der Praxis vorgeburtlicher Selektion wird ungezählten Frauen überhaupt das Existenzrecht verwehrt.“ Die Berichterstatterin mag es überraschen zu erfahren, dass das Ban Ki Moon in New York in seiner Eröffnungsansprache vor der Kommission der Vereinten Nationen zur Lage der Frau sagte.
Ferner besteht, wie der UN-Bevölkerungsfonds in seinem Bericht über die Weltbevölkerung vom vergangenen Jahr ausführte, weltweit ein Defizit von 60 Millionen Frauen – das ist die gesamte Bevölkerung des Vereinigten Königreichs! Diese fehlenden Frauen wurden vor der Geburt selektiert, abgetrieben und durch Kindermord ihrer Existenz beraubt, und das geschieht auf dem Kontinent, auf dem ich geboren wurde; ich weiß, wovon ich rede. Wie kann es nur sein, dass sich ein Bericht des Europäischen Parlaments über die Gleichstellung der Geschlechter zur bewussten Eliminierung der Grundlage der Geschlechter ausschweigt? Wo bleibt da die Gleichstellung?
Ich habe einen Änderungsantrag zu diesem Bericht eingereicht, in dem ich eine Gender-Analyse aller in der Welt vorgenommenen Abtreibungen fordere. Und wissen Sie, was nun passierte? Die Sozialisten haben dagegen gestimmt! Warum? Haben wir kein Recht zu erfahren, wie Frauen abgetrieben werden, noch ehe sie geboren sind? Wir werden heute noch erleben, wie sie über Änderungsantrag 11 abstimmen.
Ich weiß nicht, warum die Berichterstatterin diese wertvolle Gelegenheit ausschlug, mit der wichtigsten Ursache des heute in der Welt begangenen Unrechts gegen Frauen – gegen ihr Grundrecht auf Leben – Schluss zu machen und stattdessen weiter auf der Verteidigung des so genannten Recht auf sexuelle …
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Statistik beweist, dass die Gleichstellungspolitik die Erreichung der UN-Millenniums-Entwicklungsziele, nämlich die Bekämpfung von Armut und die Verbesserung der demografischen, sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren, beschleunigt. Geschlechterspezifische Aspekte gelten jedoch noch immer als zweitrangig.
In vielen Ländern haben Frauen nach wie vor keinen Zugang zu gesundheitlicher Grundversorgung, Bildung und der Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Zwei Drittel aller Analphabeten in der Welt sind Frauen. Die Chance, eine weiterführende Schule zu besuchen, ist für Mädchen in den Entwicklungsländern um 11 % geringer als für Jungen. Statistiken zeigen auch eine traurige Bilanz im Gesundheitsbereich. So sind beispielsweise im subsaharischen Afrika 60 % der mit dem HIV-Virus infizierten Menschen Frauen. Unter den Jugendlichen kommen auf Mädchen 75 % der Neuerkrankungen an AIDS.
Die Mitteilung der Kommission markiert einen bedeutenden Schritt zur Einbeziehung des Gleichstellungsaspekts in die Zusammenarbeit der EU mit den Partnerländern als wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Armut und zur Förderung der Menschenrechte, wozu auch die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zählt. Ich gratuliere der Berichterstatterin zu diesem ausgezeichneten Bericht. Abschließend ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – (RO) Heute diskutieren wir über einen weiteren Bericht, der die Lage der Frauen analysiert, den zweiten in dieser Woche, doch diesmal aus der Sicht der Chancengleichheit bei der Entwicklung der Gemeinschaft.
Es ist ein Bericht, der zu Diskussionen und Kontroversen, zu unterschiedlichen Herangehensweisen und kontextualisierten Analysen provozierte. Es ist jedoch wichtig, dass wir solche Dinge diskutieren; noch wichtiger ist das Vorhandensein kontextualisierter Vorschläge und greifbarer Ergebnisse.
Wir reden viel über Bildung und ihre herausragende Rolle bei der Änderung von Haltungen, der Gestaltung von Verhaltensweisen, der Integration von Gruppen mit einem hohen Risiko der Ausgrenzung und bei der Herausbildung von Gemeinschaften. Ich meine jedoch, dass es höchste Zeit für eine konsistente Bildungspolitik auf europäischer Ebene ist, mit klaren zu überwachenden Schritten. Natürlich müssen Geschlechterfragen Teil der Bildungsprogramme sein.
Wichtig ist, dass die Europäische Union dieses Thema in die Dialoge mit Drittländern auf dem Gebiet des Schutzes der Menschenrechte aufnimmt. 2008, das Jahr des Interkulturellen Dialogs, muss genutzt werden, um den interuniversitären Austausch und den Erfahrungsaustausch zwischen europäischen Frauen und Frauen in den Entwicklungsländern im Hinblick auf die Feststellung der Rolle der Frau in der ganzen Welt zu fördern. Aus dieser Perspektive muss die Förderung der jungen Generationen, darunter auch der jungen Mädchen, in der Entwicklungszusammenarbeit eine Priorität bilden.
Ich danke Ihnen und hoffe, dass die Endfassung dieses hochwichtigen Berichts alle im Europäischen Parlament bestehenden Auffassungen widerspiegelt und wir in dieser Frage ausgewogen vorgehen werden.
Thijs Berman (PSE). – (NL) Die freie Selbstentscheidung der Frauen ist schlichtweg ein Menschenrecht. Sie trägt auch zum Wirtschaftswachstum und zur Verbesserung des Sozialschutzes bei. Die Frauensterblichkeit ist in den Entwicklungsländern noch immer in dramatischer und unzulässiger Weise hoch. Die Folge sind zerstörte Familien. Es besteht ein direkter Zusammenhang mit der Kinderarbeit. Investitionen in Chancengleichheit und Freiheit bedeuten Investitionen in die Zukunft, sowohl in Europa wie in den Entwicklungsländern.
Zusammen mit meiner Fraktion finde ich es schockierend, dass in diesem Haus zu dem hervorragenden und umfassenden Bericht von Frau Uca eine Unmenge ultrakonservativer Änderungsanträge eingereicht wurde, mit denen die Frauenrechte beschnitten werden sollen. Es geht dabei nicht wirklich um Entscheidungen während der Schwangerschaft, das ist pure Heuchelei. Es geht vielmehr darum, dass alle Verweise selbst auf die noch so gemäßigten UNO-Texte über Frauenrechte gestrichen werden sollen. Sexuelle Freiheiten und reproduktive Rechte gewährleisten indes für alle Frauen die freie Selbstentscheidung. Sogar der Vatikan wird diese Freiheit eines Tages anerkennen. So lange können die Frauen aber nicht warten; die Welt kann nicht so lange warten.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich bin fest davon überzeugt, dass der Zugang zu Informationen und Dienstleistungen auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit die Frauen vor AIDS schützt, wenn überhaupt ein Schutz möglich ist. Ich bin daher völlig gegen unsere Weigerung, das zu erlauben, weil man meint, dahinter verberge sich das Thema Abtreibung. Ich bin auch dagegen, dass wir aus dem gleichen Grund das Kyoto-Protokoll aus dem wohlbekannten Text des Maputo-Protokolls über die Rechte der Frauen in Afrika herauslösen.
Natürlich ist das Problem der Abtreibungen eine prinzipielle Frage, und jeder von uns wird je nach seiner Überzeugung Stellung beziehen. Ich achte die Überzeugungen anderer, aber ich bitte sie auch, die meinen zu respektieren. Wir sollten also sowohl die Rechte der Frauen respektieren als auch das Recht jeder einzelnen Frau zu wählen, ob sie eine Abtreibung macht oder nicht, sei es aus wirtschaftlichen, sozialen, familiären oder auch gesundheitlichen Gründen. Ich persönlich werde daher für den Bericht stimmen.
Rovana Plumb (PSE). – (RO) Es finden sich viele gute Aspekte in diesem Bericht, und ich werde ihn unterstützen, aber ich werde gegen die vom rechten Flügel eingereichten absurden Änderungsanträge zu den reproduktiven Rechten stimmen.
Meiner Ansicht nach ist ganz klar, dass eine nachhaltige Entwicklung nicht zu erreichen ist, ohne die Rolle der Frau in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Umweltschutz und Familie neu zu überdenken. Gestern haben wir diskutiert und festgestellt, dass die Bildung ein Schlüsselbereich für die Entwicklung ist. Angesichts der Tatsache, dass die Gleichstellung der Geschlechter zuallererst eine Frage von Stereotypen und Bildung ist, schlage ich vor, dass die Kommission die Mitgliedstaaten darin unterstützt, Fragen der Geschlechtergleichstellung in die Unterrichtspläne an den Schulen aufzunehmen.
Wir brauchen jetzt konkrete und entschlossene Aktionen, beispielsweise eine Aufstockung der Haushaltsmittel zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Familie, und ich bin sicher, wir haben den politischen Willen, diese Ziele zu erreichen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Da 70 % der 1,3 Milliarden Menschen, die in absoluter Armut leben, Frauen sind, muss sich die Entwicklungshilfe vorrangig auf Frauen richten.
Ich stimme Frau Ucas Bericht, in dem festgestellt wird, dass Bildung der Schlüssel zur Teilhabe der Frauen ist, in allen Punkten zu. Auch ich bin der Meinung, dass finanzielle und technische Hilfe jenen Frauenorganisationen zuteil werden sollte, die aktiv im Bildungsbereich tätig sind und die die Frauen lehren, wie man zum Erfolg kommt. Ich bin für Mikrokredite als Mittel zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele.
Nicht jedoch kann ich der Haltung der Berichterstatterin in den im Bericht aufgeworfenen Fragen der reproduktiven Gesundheit beipflichten. Wenn wir den Frauen das Recht zugestehen, Entscheidungen über ihren Körper zu treffen, warum räumen wir nicht ihren ungeborenen Kindern die gleiche Möglichkeit ein, zwischen Leben und Tod zu entscheiden? Ich unterstütze die von meinen Kollegen der PPE-DE- und der UEN-Fraktion hierzu eingereichten Änderungsanträge und danke meinen Kollegen für ihren Mut, sie aufzunehmen. Ich werde nicht für den Bericht stimmen, wenn diese Änderungsanträge nicht angenommen werden.
Karin Scheele (PSE). – Herr Präsident! Glückwünsche an die Kommission, Glückwünsche an die Berichterstatterin! Es tut mir Leid, dass diese Debatte sehr stark auf sexuelle und reproduktive Rechte konzentriert ist, weil es viele Themen gibt, die in diesem Zusammenhang wichtig sind.
Ich habe den Eindruck, dass von der UN, von manchen Konservativen so getan wird, als ob die sexuellen und reproduktiven Rechte sich nur auf Abtreibung beziehen würden. Da möchte ich Ihnen empfehlen: Lesen Sie nach, schauen Sie es sich an: Wenn man gegen Empfängnisverhütung ist, wenn man gegen Aufklärung ist, wenn man gegen den Zugang von Frauen zu diesen Dienstleistungen ist, dann steigert man die Zahl der Abtreibungen noch mehr. Ich finde es mehr als zynisch, dass die gleichen Leute aufstehen und so tun, als ob sie die Ethik und die Moral gepachtet hätten.
Es ist unethisch und es ist unmoralisch angesichts der Zahlen, die wir von den Vereinten Nationen und vom Weltbevölkerungsbericht jedes Jahr erfahren, hier gegen sexuelle und reproduktive Rechte aufzutreten.
(Beifall)
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wir diskutieren hier über die Gleichstellung der Geschlechter und die Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit. Es betrübt mich zunehmend, dass die Debatte, immer wenn wir über diese Fragen diskutieren, in eine sehr intolerante Debatte über sexuelle Gesundheit und die reproduktiven Rechte für Frauen ausartet. Das ist eine Tragödie. Es ist eine der ständigen Tragödien in diesem Parlament, dass wir nicht das umfassendere Bild der Bedeutung von Bildung und Mikrokrediten sehen können.
Ich werde die meisten der von einigen meiner Kollegen eingereichten Änderungsanträge nicht unterstützen. Nicht dass ich besorgt wäre über den Umfang der Geschlechterselektion, mit der weibliche Föten in China und andernorts entsorgt werden. Natürlich machen wir uns alle Sorgen darüber, was dort geschieht. Es ist, weil ich wirklich nicht davon überzeugt bin, dass die Motive hinter der Einreichung dieser Änderungsanträge aus den eigentlichen Änderungsanträgen hervorgehen.
Wären unsere Kolleginnen und Kollegen gegen Abtreibung, würde ich es respektieren, wenn sie einen Antrag gegen das Abtreiben stellten, denn ich denke, die Selektion männlicher Föten stellt für sie eine genauso große Sorge dar wie die weiblicher Föten…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Ich möchte der Berichterstatterin für den umfassenden Bericht über die Gleichstellung der Geschlechter und der Kommission für ihre Mitteilung ein Lob aussprechen. Allerdings ist ein Dokument so stark wie seine Umsetzung. Daher sollten wir uns um diese Umsetzung bemühen.
Die Millenniums-Entwicklungsziele lassen sich durch die Ausgewogenheit aller Maßnahmen – Familie, Schule, Universität, Gesundheitsfürsorge, Wirtschaft – erreichen, wobei die Frauen den Dreh- und Angelpunkt bilden sollten. In unseren Programmen der Zusammenarbeit müssen wir das Recht der Frauen auf Gesundheit, einschließlich der reproduktiven Gesundheit, hervorheben.
Auch sollten wir an die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen als eine Voraussetzung für die Entwicklung von Unternehmergeist und an die zielgerichtete Nutzung ihres gesamten Potenzials denken. Vor allem ist es wichtig, auf allen Ebenen, auf nationaler und auf internationaler, von gemeinsamer Verantwortung zu sprechen, von gemeinsamen Verantwortlichkeiten zwischen Männern und Frauen. Das gilt für alle Bereiche des Lebens und für alle Sektoren der Wirtschaft.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident! Diesem Bericht ging eine sehr hitzige Debatte im Ausschuss Anfang dieses Jahres voraus, und es scheint so, als ginge diese Debatte heute hier im Plenum weiter.
Ich halte die Gesundheitsfürsorge für Frauen im Allgemeinen für einen sehr wichtigen Teil der Menschenrechte, und diese erstrecken sich ganz gewiss auch auf Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit.
Das ist nicht nur ein Problem der Entwicklungsländer: Aussagen zufolge, die ich gestern zu den Vereinigten Staaten von Amerika gehört habe, leiden dort 40 % der jungen Mädchen im Teenageralter an Krankheiten, die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden. Selbst in der westlichen Welt reichen also Aufklärung und Verantwortungsbewusstsein allein längst nicht mehr aus.
In den Entwicklungsländern ist die Situation noch viel schlimmer. HIV bei Frauen nimmt zu, ebenso wie sexuelle Gewalt gegen Frauen. Bei den Angeboten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in den Entwicklungsländern geht es auch nicht um Abtreibung, sondern vielmehr darum, dass Frauen wissen, welche Möglichkeiten sie haben und dass sie das Recht haben, eigene Entscheidungen zu treffen.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Danke, dass Sie mir das Wort hierzu erteilen, denn in der Hitze der Debatte möchte ich die Dinge auf eine eher praktische Ebene herunterbringen. Die Realität wird im erläuternden Statement geschildert, beispielsweise in Afrika, wo die Frauen 52 % der Bevölkerung ausmachen, aber 75 % der Arbeit in der Landwirtschaft verrichten und 80 % der Lebensmittel erzeugen und vermarkten. Ich meine, die Rolle der Frauen hinsichtlich der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern wird oft nicht zur Kenntnis genommen.
Eine Ausnahme bildet für mich der – historische und nicht aktuelle – Absatz im erläuternden Statement, in dem von der Gemeinsamen Agrarpolitik die Rede ist und dem ich absolut widerspreche. Europa ist der größte Importeur von Agrarprodukten aus den Entwicklungsländern. Wir haben die Vereinbarung „Alles außer Waffen“ und werden vielleicht bald ein Welthandelsabkommen haben. Aber ich denke, wir müssen, wie die Weltbank sagt, wieder in die landwirtschaftliche und Lebensmittelproduktion investieren, und wir müssen das über die Frauen tun.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Ich werde mich wirklich sehr kurz fassen, da ich mir gut vorstellen kann, dass wir keine Zeit haben, um lange zu reden.
Ich möchte einfach auf die Frage von Frau Gomes zurückkommen. Warum gibt es so wenige spezielle Aktionen zum Thema der Geschlechterproblematik in den Strategiepapieren der Länder? Die Antwort ist einfach: die Länderstrategien werden von den Partnerländern selbst ausgearbeitet und beschlossen, da sie zwei Kernbereiche auswählen müssen, und nicht wir schreiben ihnen die Bereiche vor, die sie wählen sollen. Ich möchte jedoch unterstreichen, dass wir darauf bestehen, dass die Genderproblematik im gesamten Verlauf dieser Projekte berücksichtigt wird.
Herr Lambsdorff, ich verstehe, dass Sie die fehlende Einheitlichkeit der Position der Europäischen Union in New York nur schwer akzeptieren können, aber ich glaube, dass Sie sich nicht an die Kommission wenden müssen – da hier nicht die Kommission Abhilfe schaffen kann –, sondern an den Rat. Im Übrigen teile ich natürlich Ihren Wunsch nach einer kohärenteren Position.
Ganz kurz – einige werden meine Worte vielleicht etwas provokatorisch finden – aber ich möchte Ihnen meine persönliche Überzeugung mitteilen. Ich stimme vollkommen mit denjenigen überein, die der Ansicht sind, dass die reproduktive Gesundheit eine Vorbedingung für die Gleichberechtigung der Frau ist. Ich halte es für undenkbar, dieses Thema und diese Frage zu behandeln, ohne dass wir in Bezug auf diese Vorbedingung, genau wie in Bezug auf den Zugang zu Schulbildung, zu Arbeit, zu Mikrokrediten einig sind. Das sind natürlich alles wichtige Elemente, aber im Grunde ist die Schaffung der Bedingungen für die freie Wahl der Frau ein grundlegendes Prinzip der Gleichstellung von Mann und Frau. Man kann es nicht negieren!
(Beifall)
Im Übrigen fordere ich diejenigen auf, die Zweifel an der menschlichen Tragödie hegen könnten, die die Lebensumstände der Frau in bestimmten Entwicklungsländern darstellen, sich dort vor Ort umzusehen und die Geschichten einiger Frauen über ihre eigenen qualvollen Erfahrungen anzuhören. Das ist alles, was ich sagen wollte; ich glaube, es gibt wenig hinzuzufügen. Ich danke Ihnen nochmals für die hohe Qualität der Aussprache.
Feleknas Uca, Berichterstatterin. − Herr Präsident, verehrte Anwesende! Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Rednerinnen und Rednern für ihre interessanten Beiträge. Mein besonderer Dank gilt Frau Creţu als Verfasserin der Stellungnahme im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. Ihre klare Analyse und ihre Vorschläge für mehr Kohärenz haben den Bericht um viele wichtige Punkte bereichert. Aus zeitlichen Gründen kann ich leider nicht auf alle Ihre Beiträge eingehen. Bitte sehen Sie dies nicht als Zeichen von Missachtung.
Vielen Dank Frau van Lancker, Herr Berman, Herr Lambsdorff, Herr Hutchinson, Frau Scheele, Frau Doyle, Frau Weber, Herr Varvitsiotis, Frau Hassi und Frau Gomes: Sie haben vollkommen Recht, dass reproduktive Gesundheit in den Entwicklungsländern absolute Priorität hat und es wichtig ist, mutig und konsequent dafür zu kämpfen. Frau Krupa, ich widerspreche hier vehement Ihrer Ansicht, sexuelle Freiheit von Frauen provoziere Gewalt. Diese Logik ist empörend und diskriminierend!
(Beifall)
Herr Deva, von Ihnen habe ich nichts anderes erwartet! Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich diese Bemerkung Ihnen gegenüber mache. Liebe Luisa Morgantini, lieber Herr Romeva i Rueda, Sie haben wie immer starke Worte gefunden, um klarzumachen, dass Frauen keine Almosen wollen, sondern einfach das, was ihnen als Hälfte der Menschheit zusteht.
Vielen Dank an alle, die meinen Bericht unterstützen! Ich freue mich auch über die durchweg positive Bewertung für meinen Bericht durch die Nichtregierungsorganisationen im Bereich Entwicklung und Frauenrechte. Für die gute Zusammenarbeit und Ihre Unterstützung möchte ich mich ganz herzlich bedanken!
(Beifall)
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Chancengleichheit und der gleichberechtigte Zugang von Frauen und Männern zu Ressourcen sowie die Teilhabe am öffentlichen Leben sind nicht nur außerhalb der EU im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung von entscheidender Bedeutung – sie sind auch für viele Frauen in der Europäischen Union von größter Wichtigkeit. Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: In Polen, in meiner Heimat Schlesien, sind Frauen, die sich täglich für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen, besorgt darüber, dass das Gender-Mainstreaming, das heißt die Gleichstellungspolitik, im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben der Region nicht genügend Berücksichtigung findet.
Bei einer Zusammenkunft von Frauen am 8. März 2007 in Katowice erklärten die Teilnehmerinnen, die Gleichstellungspolitik werde weder von den örtlichen Gebietskörperschaften noch den öffentlichen oder privaten Medien gefördert, obgleich Polen vor fast vier Jahren der EU beigetreten ist. Zudem seien die schlesischen Behörden von dem Motto „Eine Demokratie ohne Frauen ist nur eine halbe Demokratie“ offenbar nicht überzeugt.
Nach den letzten Wahlen gibt es ein Drittel weniger Frauen in der schlesischen Politik. Wie kann man da von der Gleichberechtigung der Frau sprechen? Aus diesem Grund fordern die schlesischen Frauen von den örtlichen Behörden die gleichberechtigte Partizipation an der Lokalregierung und am Entscheidungsprozess, die Förderung von beruflichem Fortkommen und unternehmerischer Tätigkeit, Chancengleichheit im Hinblick auf Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und Bezahlung sowie Gewaltfreiheit.