Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über fünf Entschließungsanträge zu Armenien(1).
Marie Anne Isler Béguin, Verfasserin. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Sollte die Tragödie, die in Armenien nach den Präsidentschaftswahlen vom 19. Februar 2008 stattgefunden hat, das Eingeständnis der Ohnmacht Europas sein, instabile kleine Demokratien im Südkaukasus auf ihrem Weg zur Demokratie zu unterstützen?
Nach der Krise in Georgien befindet sich nun Armenien in einer tiefen politischen Krise. Trotz der im Verlauf des Wahlkampfes auf das Land gerichteten großen Aufmerksamkeit ist es der internationalen Gemeinschaft nicht gelungen, den Dialog zu fördern, der notwendig war, um die Zusammenstöße vom 1. März zu verhindern. Nach elf Tagen der Anfechtung der Wahlergebnisse von Seiten einer vom ehemaligen Staatschef Levon Ter-Petrosian geführten Oppositionsbewegung hat die Polizei versucht, die Demonstranten auseinanderzutreiben. Die Situation ist ausgeufert und hat zu acht Toten, zahlreichen Verletzten und der Ausrufung des Ausnahmezustands sowie zu Beeinträchtigungen der Informationsfreiheit und der Versammlungsfreiheit und zu Einschränkungen für politische Parteien geführt. Seitdem sind 400 Personen verhaftet worden. Unter der Bevölkerung, die die Anwendung einer Repressionspolitik befürchtet, herrscht große Besorgnis. Es ist heute unsere Aufgabe, diese Angst in unseren Kontakten mit am politischen Konflikt in Armenien beteiligten Parteien widerzuspiegeln.
Welche Methode sollten wir aber vorschlagen, um alle Seiten vor dem Hintergrund so übersteigerter Spannungen zur Vernunft und an den Verhandlungstisch zu bringen? Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Zunächst müssen wir den Armenierinnen und Armeniern das Vertrauen in ihre junge Demokratie zurückgeben. Wesentliche Voraussetzungen für die Wiederherstellung von Vertrauen sind eine Untersuchung des Ablaufs der jüngsten Ereignisse und die Freilassung der Gefangenen. Der nächste Schritt muss darin bestehen, dass wir zusammen mit der internationalen Gemeinschaft, unserem Sondervertreter für den Südkaukasus und unseren Partnern im Europarat und der OSZE einen Zeitplan für unsere armenischen Freunde festlegen, damit sie an den Verhandlungstisch zurückkehren, und wir müssen alle Konfliktparteien, die Behörden genauso wie die Opposition, dorthin bringen. Die Regeln der Demokratie funktionieren über den Dialog und die Gewaltlosigkeit, wir müssen eine solche Herangehensweise erleichtern.
Wenn Sie mir gestatten, Herr Präsident, würde ich gern einen mündlichen Änderungsantrag stellen. Ich weiß nicht, wie ich vorgehen soll, da wir im Rahmen des Beschlusses einen Fehler gemacht haben. In der Erwägung H haben wir vom Gebiet Berg-Karabach gesprochen, wo es Status von Berg-Karabach heißen müsste. Meine Kollegen scheinen mit dem mündlichen Änderungsantrag einverstanden zu sein.
Alexandra Dobolyi, Verfasserin. − (EN) Herr Präsident! Ich gehörte zu den vier Mitgliedern der Wahlbeobachtermission des Europäischen Parlaments in Armenien, und ich stimme ihren Feststellungen zu den Präsidentschaftswahlen uneingeschränkt zu und befürworte sie, nämlich dass die Wahlen im Wesentlichen entsprechend den Verpflichtungen und Normen der OSZE und des Europarats verliefen. Die staatlichen Behörden haben echte Anstrengungen unternommen, um die bei den vorangegangenen Wahlen aufgetretenen Mängel zu beseitigen. Gestatten Sie mir, bei dieser Gelegenheit der Delegation der Kommission in Eriwan für alle uns zuteil gewordene Unterstützung zu danken.
Die Wahlen entsprachen im Wesentlichen unseren Normen, wie ich sagte, doch es bedarf weiterer Verbesserungen und politischen Willens, um die verbleibenden Aufgaben zu bewältigen. Ich bringe mein tiefes Bedauern und meine Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen in Armenien zum Ausdruck, wo gewaltsame Zusammenstöße zwischen der Polizei und oppositionellen Demonstranten zum Tod von acht Bürgern und mehr als hundert Verletzten geführt haben. Es versteht sich von selbst, dass wir eine transparente und unabhängige Untersuchung der Ereignisse und die teilweise Aufhebung des nach den Geschehnissen verhängten Ausnahmezustands erwarten.
Wenngleich das ein Schritt in die richtige Richtung ist, reicht das nicht aus. Ich rufe die armenischen Behörden auf, die volle Aufhebung des Ausnahmezustands zu verfügen. Im Namen meiner Fraktion rufe ich alle beteiligten Seiten auf, sich offen und ruhig zu zeigen, sich in ihren Äußerungen zu mäßigen und unverzüglich in einen konstruktiven Dialog einzutreten.
Last but not least bedauern wir die beunruhigende und beispiellose jüngste Verletzung des Waffenstillstands an der Kontaktlinie mit Berg-Karabach und fordern die Parteien nachdrücklich auf, sich aller Aktionen zu enthalten, die den Verhandlungsprozess unterminieren könnten. Wir fordern sie dringlich auf, der Macht lauter und katastrophaler Waffen zu entsagen und sich der Macht des stillen, friedlichen Dialogs zu ergeben.
Urszula Gacek, Verfasserin. − (EN) Herr Präsident! Die jüngsten Ereignisse in Armenien haben gezeigt, wie schwer es für junge Demokratien in der ehemaligen Sowjetunion ist, auf den Wahlprozess zu setzen. Die an der Macht Befindlichen sind versucht, die Karten zu ihren Gunsten zu mischen, besonders im Vorfeld der Wahlen, während die Verlierer Schwierigkeiten mit der Anerkennung der Ergebnisse haben.
Die nach den Wahlen in Armenien aufgetretenen Probleme haben sich zu gewaltsamen Zusammenstößen mit acht Toten und zur Verhängung einer außergewöhnlichen Maßnahme in Form eines Ausnahmezustands zugespitzt. Verbote aller politischen Aktivitäten und eine strenge Zensur der Medien wurden am 1. März 2008 für einen Zeitraum von zwanzig Tagen verfügt. Das Verbot der politischen Aktivitäten wurde danach aufgehoben. Die Freiheit der Medien, darunter der uneingeschränkte Zugang zum Internet, soll folgen. Faktisch sollen in der nächsten Woche wieder alle normalen verfassungsmäßigen Freiheiten gewährleistet sein.
Leider ist nicht auszuschließen, dass der Ausnahmezustand verlängert wird. Zunächst wurde auf den Dampfkessel ein Deckel gesetzt. Ich frage mich besorgt, was unternommen wird, um den Druck abzulassen.
Die Errichtung der Demokratie ist ein komplizierter Prozess. Sie muss von Institutionen gesichert werden, denen alle Parteien vertrauen können. Es ist daher bedauerlich, dass der scheidende Präsident den nationalen Bürgerbeauftragten für Menschenrechte, der die Maßnahmen der Regierung kritisierte, angegriffen hat. Nur durch die Stärkung der Rolle des Bürgerbeauftragten und auch durch die Gewährleistung der Unparteilichkeit des Verfassungsgerichts, das Vorwürfen des Wahlbetrugs nachgeht, kann die Demokratie geschützt werden.
Solange kein Vertrauen in Armeniens eigene Hüter der Demokratie besteht, fordere ich alle Seiten im Disput nachdrücklich auf, vom Vermittlungsangebot der EU- und der OSZE-Gesandten Gebrauch zu machen, und zwar unverzüglich.
Erik Meijer, Verfasser. – (NL) Herr Präsident! Bei Präsidentschaftswahlen stellen wir in zunehmendem Maße eine anhaltende Ungewissheit fest, ob der von der amtierenden Regierung favorisierte Kandidat tatsächlich die Stimmenmehrheit gewonnen hat und auch viele Stimmen auf sich vereinigen konnte. Selbst wenn dieser Kandidat über eine echte Mehrheit verfügt, bleiben gleichwohl Zweifel hinsichtlich der Größenordnung dieser Mehrheit bestehen, zumal im Falle sichtbarer Versuche, diese künstlich aufzublähen.
Wenn dann noch die Aufstellung bestimmter Kandidaten verhindert wird, nur die Favoriten der Regierung Zugang zu Presse, Rundfunk und Fernsehen erhalten, die Opposition oder ausländische Beobachter keine Möglichkeit haben, die Stimmenauszählung richtig zu überwachen, wenn friedliche Protestdemonstrationen gegen das amtliche Ergebnis von Armee und Polizeikräften zersprengt und Oppositionsführer festgenommen werden, besteht aller Anlass, ernsthaft zu daran zu zweifeln, dass der Wählerwille respektiert worden ist.
Solche umstrittenen Präsidentschaftswahlen haben wir außerhalb Europas in Mexiko und Kenia, und innerhalb Europas in Belarus, Russland, Georgien und Armenien erlebt. Armenien befand sich auch schon ohne diese Wahlen in einer äußerst schwierigen Lage. Es besitzt traditionell starke Bande zu Russland, wovon es jedoch durch das benachbarte Georgien, das ernste Konflikte mit Russland hat, und das Nachbarland Aserbaidschan, das seit vielen Jahren einen Grenzstreit mit Armenien führt, getrennt wird.
Die von Armeniern bewohnte Enklave Berg-Karabach wurde nach der ethnischen Aufteilung der russischen Provinz Transkaukasien in den 20er-Jahren durch einen Kompromiss unter Gewährleistung einer armenischen regionalen Selbstverwaltung Aserbaidschan zugewiesen. Diese Lösung ist nicht mehr praktikabel, seitdem sich nach dem Zerfall der Sowjetunion die beiden Staaten Aserbaidschan und Armenien feindlich gegenüberstehen. Faktisch ist das Gebiet heute Armenien einverleibt, das dadurch in einen seit langem ungelösten Konflikt mit seinem östlichen Nachbarn verwickelt ist, auch wenn ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Eine solche Situation permanent drohender Kriegsgefahr mit Blockaden stellt einen fruchtbaren Nährboden für autoritäres Regieren sowie eine unablässige Erschwernis für das Funktionieren der Demokratie im Lande dar.
Die Ereignisse seit den Wahlen vom 19. Februar sind nicht überraschend. Dennoch müssen wir alle Anstrengungen für die Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse und der Rechte der Opposition unternehmen. Das Streben der Europäischen Union bzw. ihrer Mitgliedstaaten nach guten Beziehungen zu den De-facto-Regenten von Ländern wie Russland, Belarus, Georgien oder Armenien muss hinter diesem obersten Gebot zurückstehen.
Marios Matsakis, Verfasser. − (EN) Herr Präsident! Armenien ist im Wesentlichen ein relativ junges, wiedergeborenes Land, das darum kämpft, seine demokratischen Institutionen zu festigen und das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Dabei ist es zwischen zwei weniger demokratischen, aber recht feindseligen Nachbarn eingezwängt, nämlich Russland und der Türkei, und es ist auf beunruhigende und unfaire Weise in einen territorialen Konflikt mit dem totalitären Regime Aserbaidschans verwickelt.
In diesem Umfeld waren die kürzlich abgehaltenen Präsidentschaftswahlen nicht perfekt, aber mit den Worten der internationalen Beobachtermission verliefen sie „im Wesentlichen entsprechend den […] Normen der OSZE und des Europarats“.
Leider ergab es sich, dass die Polizei bei den Protesten nach den Wahlen mehr Gewalt als nötig anwendete, was den Tod von acht Menschen, darunter eines Polizisten, zur Folge hatte.
Eine gründliche und faire Untersuchung der Ereignisse, die zu diesen Todesfällen führten, ist erforderlich. Auch eine Untersuchung der Vorwürfe, Kräfte von außen hätte die Gewalt in Armenien angefacht, um das Land zu destabilisieren, ist zugesichert.
Ich rufe dazu auf, die Entschließung uneingeschränkt zu unterstützen.
Marcin Libicki, Verfasser. − (PL) Herr Präsident! Selbstverständlich wollen wir, dass in Armenien Frieden herrscht, die Grenzen sicher sind und das Land seine auswärtigen Angelegenheiten erfolgreich regelt. Ich darf Sie daran erinnern, dass die Wahlen in Armenien keine schweren Proteste ausgelöst haben. Was heute dort geschieht, muss im besonderen Kontext des Kaukasus, einer höchst sensiblen Region, betrachtet werden.
Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich gern diese Gelegenheit nutzen, um meiner Empörung über die Nachricht vom Mord an Faraj Rahho, dem Erzbischof von Mosul, die ich soeben erhalten habe, zum Ausdruck bringen. Er wurde am 29. Februar entführt, und drei seiner Leibwächter wurden erschossen.
Dabei handelt es sich um einen weiteren Angriff, ein weiteres Verbrechen von Männern, denen der Mut fehlt, der Welt ihr Gesicht zu zeigen, die unschuldige Opfer entführen, einfache Menschen – meist Christen und insbesondere Katholiken –, die ihren religiösen Aktivitäten nachgehen. Heute sind wir erneut Zeugen eines solchen Verbrechens geworden. Nach meinem Dafürhalten sollte dieses Thema als Sonderpunkt auf der Tagesordnung unserer nächsten Tagung in Brüssel stehen. Möge Gott dem heroischen Martyrer, der heute in Mosul den Tod fand, ewigen Frieden geben.
Marian-Jean Marinescu, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (RO) Was in Armenien geschah, ist vehement zu verurteilen, aber leider kam es nicht überraschend. In einem anderen Land der Gegend gibt es ganz ähnliche Geschehnisse, mit denen die dortige Entwicklung nach 1990 fortgeführt wird.
Hier haben wir es mit den Folgen mehrerer Faktoren zu tun, die bis heute überdauert haben: unzureichende wirtschaftliche Entwicklung, latente Konflikte und Einfluss der Russischen Föderation. Obendrein haben wir die Situation im Kosovo, die trotz erheblicher, aber nutzloser Anstrengungen der Urheber für alle Beteiligten einen Präzedenzfall bilden wird. Für die Bevölkerung in der Region kann das nur zu Unsicherheit, mangelndem Vertrauen in die Behörden und Anfälligkeit gegenüber Manipulation führen.
Es gibt nur eine Lösung, um die Normalität wiederherzustellen: eine wirtschaftliche Entwicklung, die einen höheren Lebensstandard bewirkt. Es gibt Energieressourcen. Die Entwicklung solcher Ressourcen und ihr Transport zum Abnehmer wird das Problem der wirtschaftlichen Entwicklung lösen und ebenso das der Unabhängigkeit von der Russischen Föderation, und sie wird auch Europas Problem im Allgemeinen lösen.
Die Europäische Union hat nicht wirklich einen Standpunkt bezogen, und wenn wir Lösungen für die Probleme im südlichen Kaukasus finden wollen, dann muss die Union aktive Schritte zur Entwicklung der Energierouten in der Schwarzmeerregion unternehmen.
Justas Vincas Paleckis, im Namen der PSE-Fraktion. – (LT) Wenn ein Land, das sich an der Europäischen Nachbarschaftspolitik beteiligt und der EU positiv gegenübersteht, erfolgreiche demokratische Wahlen abhält, ist das auch für uns ein Sieg. Wenn es schief läuft, dann ist das eine gemeinsame Niederlage.
Die Präsidentschaftswahlen in Armenien wurden der internationalen Beobachtermission zufolge gemäß internationalen Normen abgehalten. Doch die nachfolgenden Entwicklungen haben diesen zaghaften Schritt nach vorn zunichte gemacht. Blutvergießen und die Verhängung des Ausnahmezustands haben Armenien vom Weg zur Demokratie abgedrängt und behindern die Beziehungen des Landes zur Europäischen Union. In Armenien werden die Menschenrechte unterdrückt, und es herrscht keine Meinungsfreiheit.
Eriwan sollte den Ausnahmezustand vollständig aufheben, und der OSZE-Vertreter sollte behilflich sein, eine Lösung für die Krise zu finden. Es ist zu hoffen, dass sich beide Verhandlungsparteien mäßigen und ihre Arbeit auf der Grundlage europäischer Werte verrichten.
Janusz Onyszkiewicz, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die gegenwärtige politische Krise in Armenien ist nicht die erste ihrer Art.
Während der Präsidentschaft von Levon Ter-Petrosian wich das Land deutlich vom freiheitlich-demokratischen Kurs ab. Die größten Oppositionsparteien wurden verboten, die Pressefreiheit eingeschränkt, und bei den Parlamentswahlen wurden nach allgemeiner Einschätzung nicht alle demokratischen Kriterien eingehalten. Herr Ter-Petrosian trat unter dem Druck von Demonstrationen als Präsident zurück, was dem Land etwas Stabilität brachte, die jedoch mit dem dramatischen Mord an neun führenden armenischen Politikern, darunter dem Premierminister, durch unbekannte Mörder im Parlament ein jähes Ende fand.
Jetzt erleben wir eine Wiederholung der Ereignisse von vor etwa 10 Jahren. Die gegenwärtige Krise ist möglicherweise der Verdrossenheit der armenischen Gesellschaft mit der Herrschaft des so genannten Karabach-Clan geschuldet, zu dem sowohl der ehemalige als auch der neue Präsident gehören. Der Regierung wird allgemein vorgeworfen, unter dem Deckmantel der Demokratie die autoritäre Herrschaft wiederherzustellen, unternehmerische Aktivitäten mit mafiaähnlichen Methoden zu kontrollieren und für die Verschlechterung der Wirtschaftslage verantwortlich zu sein.
Zudem herrscht wachsende Angst vor einer fortschreitenden Isolierung Armeniens und der allmählichen Schwächung seiner Stellung in dem ungelösten Konflikt um Berg-Karabach. Als Herr Ter-Petrosian entschied, in die Politik zurückzukehren und sich zur Wahl zu stellen, gewann er mit seinem Versprechen größerer Flexibilität in der Außenpolitik beachtliche Unterstützung.
Die gegenwärtige Krise ist jedoch äußerst ernst. Hoffen wir, dass sie mit politischen Mittel gelöst wird, obgleich das nicht sicher ist. Andernfalls könnte der Streit um Berg-Karabach in dem Bemühen verschärft werden, die Gesellschaft um die Regierung zu vereinen. Ein Zwischenfall in Karabach, bei dem vor kurzem elf Menschen starben, bestätigt diese Befürchtung. Ein weiteres Ergebnis könnte darin bestehen, dass die wachsende Abhängigkeit Armeniens von Russland noch zunimmt. Die kürzliche Einweihung der armenisch-iranischen Pipeline wird diese Abhängigkeit nicht mindern, da das Gas und die Pipeline selbst natürlich von Gazprom kontrolliert werden.
Unsere Haltung angesichts der ernsten Lage in Armenien sollte von Sympathie geprägt sein, doch sollten wir uns nicht scheuen, erforderlichenfalls Kritik zu üben und unsere Bedenken zu äußern. Meines Erachtens erfüllt der in der Entschließung vorgeschlagene Standpunkt diese Kriterien.
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom 19. Februar 2008 hat zur politischen Destabilisierung Armeniens beigetragen, obgleich betont werden sollte, dass die Durchführung der Wahlen von der OSZE als den demokratischen Standards entsprechend eingeschätzt wurde.
Die Proteste, nachdem Levon Ter-Petrosian unter Hausarrest gestellt wurde, und ihre brutale Niederschlagung am 1. März endeten mit einer Bilanz von acht Toten, vielen Verletzten und der Erklärung des Ausnahmezustands. Die Beschränkung der Medien und die Inhaftierung einer wachsenden Zahl von Mitgliedern der Opposition geben Anlass zu Besorgnis.
Wir fordern den armenischen Staat auf, die Bürgerrechte unverzüglich wiederherzustellen, den Ausnahmezustand aufzuheben, die Menschenrechte zu achten und herauszufinden, wer die Verantwortung für die tragischen Geschehnisse vom 1. März 2008 trägt. Ermittlungen in dieser Frage dürfen nicht zum Vorwand für die weitere Verfolgung der Opposition werden. Die Lage in Armenien ist äußerst kompliziert, und unsere Vertreter müssen ihre Entwicklung aufmerksam verfolgen.
Evgeni Kirilov (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte hinzufügen, dass die Demokratienormen in Armenien nicht so sind, wie wir sie gern hätten. Verschlimmert wird die Lage durch die sozioökonomische Situation, und das treibt natürlich zusätzlich Leute auf die Straße.
Ich möchte sowohl die armenischen Behörden als natürlich auch Aserbaidschan aufrufen, Anstrengungen zu unternehmen, um diesen seit langem währenden Konflikt beizulegen. Es gibt Gebiete, die von Armenien besetzt gehalten werden und die frei gegeben werden sollten, weil dort keine Armenier leben. Wahrhaft beunruhigend ist, dass sich beide Länder in einem Prozess der Wiederaufrüstung befinden, was natürlich die Situation in Bezug auf die echten sozialen Probleme widerspiegelt, mit denen die Länder, insbesondere Armenien, zu tun haben.
Daher unterstütze ich diesen gemeinsamen Entschließungsantrag, aber ich denke, wir sollten die Situation sehr aufmerksam weiterverfolgen, denn sie ist Besorgnis erregend.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Armenien gehört zu einer Gruppe von Ländern, die von der EU Hilfen für die Durchführung politischer und wirtschaftlicher Reformen, den Aufbau von rechtsstaatlichen Institutionen und die Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen erhalten. Daher ist es unser Recht, den politischen Prozess und die Einhaltung der demokratischen Prinzipien in diesem Land zu beobachten. Das ist insbesondere im Hinblick auf die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vollziehenden Veränderungen wichtig.
Regierungen versuchen sehr oft, die Medien zu beeinflussen, aber wenn sie auf Gewalt und die Anwendung von Zwang zurückgreifen, muss man ihnen mit größter Entschlossenheit entgegentreten. Gibt es dabei Todesopfer, wird die Lage außerordentlich schwierig. Wir fordern mit Nachdruck die Wiederherstellung der Freiheit, die Achtung der Meinungsfreiheit und die Wahrung von Demokratie und Bürgerrechten. Wir verurteilen die Anwendung von Gewalt sowie die gewaltsame Auflösung von demokratischen Zusammenkünften, Protestveranstaltungen und Demonstrationen.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kommission richtet besondere Aufmerksamkeit auf die Lage der Demokratie und der Menschenrechte in Armenien, einem Land, das, wie Sie wissen, zu unseren Partnern im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik gehört.
Wir verfolgen den Verlauf der dortigen Ereignisse über unsere Delegation in Eriwan mit den Mitgliedstaaten und in enger Zusammenarbeit mit dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union, Peter Semneby, sehr genau. Dazu unterhalten wir regelmäßige Kontakte mit den lokalen und internationalen NRO, die auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Demokratie tätig sind.
Hinsichtlich der tragischen Ereignisse, die in Eriwan am 1. März nach den Wahlen stattgefunden haben, teilt die Kommission die allgemeine Besorgnis über die gewalttätigen Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten der Opposition, bei denen es zu mehreren Toten kam. Daher hat die Kommission nachdrücklich gefordert, dass zu diesen Ereignissen eine sofortige gründliche Untersuchung durchgeführt und die Personen vor Gericht gestellt werden, die für Gesetzesverletzungen verantwortlich sind. Wir haben auch die armenische Regierung aufgefordert, den Ausnahmezustand sofort aufzuheben. Aus Sicht der Kommission kommt es darauf an, dass alle Seiten auf die Anwendung von Gewalt verzichten. Wir erwarten von allen Parteien in Armenien, dass sie sich an einem politischen Dialog zur Überwindung ihrer Meinungsverschiedenheiten beteiligen.
Gleichzeitig bedauert die Kommission sehr, dass die aktuellen Ereignisse einen Schatten auf die im Übrigen zunehmend positive Bilanz Armeniens bei der Umsetzung des ENP-Aktionsplans des Landes geworfen haben, insbesondere im Bereich der Menschenrechte und der Demokratie. Der Aufruf zur Fortsetzung politischer Reformen und zur Achtung der Menschenrechte ist wesentlicher Bestandteil der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Armenien, und die Kommission wird daher alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die armenischen Behörden zu ermutigen, in diesen Bereichen weiter voranzuschreiten.
Durch die Annahme des gemeinsamen ENP-Aktionsplans zwischen der Europäischen Union und Armenien im Jahr 2006 haben wir uns ein politisches Werkzeug geschaffen, das in diesen Bereichen die Einhaltung der Prinzipien fördern kann, die auf den Werten beruhen, die wir teilen. Wir sind fest davon überzeugt, dass ein ständiger Dialog mit Armenien, der entsprechend den politischen Festlegungen des Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit und des ENP-Aktionsplans geführt wird, wirklich das effektivste Mittel ist, um die Botschaften der Europäischen Union bezüglich der Achtung der Menschenrechte und der Einhaltung des Völkerrechts zu übermitteln. Die jährlichen Zusammenkünfte des Ausschusses für Zusammenarbeit und des Rates für Zusammenarbeit sowie des Parlamentarischen Ausschusses für Zusammenarbeit sind in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung.
Außerdem ist die Kommission weiterhin entschlossen, durch Gewährung von finanzieller und technischer Hilfe für Armenien zum Reformprozess beizutragen. Die Unterstützung der politischen Reformen in den Bereichen der Menschenrechte und der Demokratie bleibt eine der Prioritäten des nationalen Richtprogramms 2007-2010. Etwa ein Drittel unserer bilateralen Hilfe, die sich für den Zeitraum 2007-2010 auf 98,4 Millionen Euro beläuft, wird zur Unterstützung von Projekten auf diesem Gebiet genutzt werden. Speziell konzentriert das Programm der bilateralen Unterstützung mit Armenien für 2007 seine finanzielle Hilfe mit einer Unterstützung in Höhe von 18 Millionen Euro auf die Reform des Rechtswesens. Ich bin sicher, dass das Europäische Parlament uns bei dieser Bemühung unterstützen und unser zuverlässigster Verbündeter sein wird.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache statt.