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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 22. April 2008 - Straßburg Ausgabe im ABl.

14. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
PV
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0019/2008).

Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.

Teil I

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 45 von Manolis Mavrommatis (H-0218/08).

Betrifft: Austausch von Informationen über Bankkonten

Der jüngste Steuerskandal in Liechtenstein hat Auswirkungen auf viele EU-Mitgliedstaaten. Den Untersuchungen der zuständigen Behörden zufolge sollen Bürger von Mitgliedstaaten in Steuerhinterziehungspraktiken verwickelt sein. Wie mir bekannt ist, haben die Finanzminister der 27 der zuständigen Generaldirektion der Kommission eine unverzügliche Untersuchung und einen Vorschlag zur Revision des Rechtsrahmens in dem Sinne empfohlen, dass der Austausch von Informationen über Bankkonten von Bürgern ermöglicht wird.

Wie sollen innerhalb dieses Rahmens die personenbezogenen Daten der Bürger geschützt werden, wenn man gleichzeitig Transparenz schaffen und das Inverkehrbringen und das Waschen von Schwarzgeld verhindern will? Welches Verfahren wird die Kommission vorschlagen, damit die „Öffnung“ der Bankkonten unter Wahrung der größtmöglichen Legalität erfolgt? Auf welche Art und Weise sollen die Steuersysteme der Mitgliedstaaten harmonisiert werden, um derartige Situationen, dass Schwarzgeld über Bankkonten in Verkehr gebracht wird, zu vermeiden?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Steuerflucht muss bekämpft werden. Falls wir das nicht tun, kann sie die Basis unserer demokratischen Gesellschaft untergraben.

Jeder Staat hat das Recht, mit Zustimmung der Volksvertreter Regelungen für eine wirksame Erhebung von Steuern zu erlassen. Individuelle Maßnahmen in diesem Bereich auf nationaler Ebene zeigen jedoch häufig nicht die gewünschte Wirkung. Daher bedarf es einer internationalen Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden, die auch den Austausch von Informationen über Bankkonten einschließt. Auf EU-Ebene arbeiten in diesem Bereich die Finanzminister der 27 Mitgliedstaaten gemeinsam daran. Auf europäischer Ebene wurden bereits einige Maßnahmen eingeleitet. Besonders zu nennen ist hier die Richtlinie des Rates von 2003 über die Besteuerung von Zinserträgen.

Darüber hinaus hat die Europäische Union Abkommen mit Drittländern geschlossen, darunter auch Liechtenstein, die den gleichen Zweck verfolgen wie diese Richtlinie. Mit diesen Abkommen wird sichergestellt, dass Zinserträge, die in diesen Drittländern an Bürger eines EU-Mitgliedstaats gezahlt werden, entweder der Einkommensteuer in diesem Mitgliedstaat oder einer Quellensteuer unterliegen. Die Quellensteuer kann im Wohnsitzmitgliedstaat des Steuerpflichtigen erstattet werden, wenn das entsprechende Einkommen für Steuerzwecke offengelegt wird.

Der Rat Wirtschaft und Finanzen hat am 4. März 2008 einen Meinungsaustausch zur Anwendung der Richtlinie über die Besteuerung von Zinserträgen geführt. In der Folge der Debatte forderten die Minister die Kommission auf, die Arbeiten an einem Bericht über die Umsetzung der Richtlinie seit ihrem Inkrafttreten am 1. Juli 2005 voranzutreiben. Der Bericht soll sich unter anderem mit der Definition der Begriffe „Zinszahlung“ und „wirtschaftlicher Eigentümer“ befassen.

Es wird hier mit Recht die Frage gestellt, inwieweit Systeme zum Informationsaustausch mit dem Schutz personenbezogener Daten vereinbar sind. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die gemeinschaftlichen Vorschriften zum Datenschutz, die auch im Europäischen Wirtschaftsraum gelten, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, legislative Maßnahmen zu ergreifen. Mit solchen Maßnahmen können die Betroffenen in einigen ihrer Rechte, wie etwa dem Auskunftsrecht oder dem Recht auf Information, eingeschränkt werden, wenn dies für die Wahrung wichtiger finanzieller oder wirtschaftlicher Interessen der Europäischen Union oder eines Mitgliedstaats erforderlich ist. Das gilt auch für die Bereiche Finanzen, Haushalt und Steuern.

Vergleichbare Einschränkungen gelten auch für die wirksame Durchsetzung der dritten Geldwäsche-Richtlinie. Die Mitgliedstaaten müssen jedenfalls in angemessener Weise sicherstellen, dass ihre zuständigen Stellen bei der Beschaffung und Verarbeitung personenbezogener Daten die einschlägigen EU-Vorschriften und nationalen Datenschutzvorschriften einhalten.

Hier muss ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen der rechtmäßigen Verfolgung steuerpolitischer Ziele und dem Schutz der Privatsphäre.

 
  
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  Μanolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, die Geschichte der Besteuerung ist gespickt mit gefälschten Bankkonten; und besonders schlimm ist es, wenn derartige Affären in europäischen Ländern ans Licht kommen. Geschieht ein solcher Vorfall, nehmen wir ihn bloß zur Kenntnis, doch wenn er sich wiederholt, werden die Erinnerungen wieder wach.

Halten Sie das System tatsächlich für fälschungssicher, Herr Kommissar?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Herr Abgeordneter, diese Frage ist mit einem schlichten Nein zu beantworten. Die Systeme, die wir zurzeit haben, sind nicht wasserdicht, das wissen wir. Darum bemühen wir uns auch um Verbesserung. Insbesondere Regelungen, die die Geldwäsche bekämpfen, sind sicherlich verbesserungsfähig, und wir bemühen uns gerade auch in der Zusammenarbeit mit europäischen Ländern, die zwar zum Europäischen Wirtschaftsraum gehören, aber nicht zur Europäischen Union, die entsprechenden Verbesserungen zu erreichen.

Die Kommission hat ein Verhandlungsmandat des Rates erbeten und auch bekommen, das sie ermächtigt, speziell mit Liechtenstein darüber zu verhandeln, wie bestehende Schwachstellen im System der Bekämpfung der Geldwäsche und des Steuerbetrugs beseitigt werden können. Ich habe die Hoffnung, dass die starke öffentliche Meinung, die wir in der letzten Zeit in Europa in dieser Frage erlebt haben, uns helfen wird, die notwendigen Vereinbarungen zu erzielen. Wir arbeiten intensiv daran, aber wie Sie wissen, sind Steuerfragen außerordentlich sensible Fragen. Selbst innerhalb der Mitgliedstaaten gibt es hier durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Vizepräsident! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Steuerflucht und -hinterziehung bekämpft werden müssen, das ist keine Frage. Sie haben darauf hingewiesen, dass wir dafür im Rahmen des Rechtsstaates Europäische Union legale Mittel brauchen.

Medienberichten zufolge sind nun einige dieser Daten in diesem Liechtenstein-Skandal dadurch an die Finanzbehörden gelangt, dass deutsche Behörden für kriminell erworbene Daten Geld gezahlt haben. Ist das der richtige Weg?

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Präsident! Ob das jetzt der richtige Weg war oder nicht, gut ist, dass es aufgeflogen ist. Herr Kommissar, da ist ein System entstanden, das die noch begünstigt, die schon dafür sorgen, dass Großkonzerne immer weniger Steuern zahlen, und die jetzt scheinbar noch darauf verzichten, Steuern zu zahlen. Ich denke, das ist eine Entwicklung, die nicht hinzunehmen ist. Mich würde interessieren, was Sie genau mit Liechtenstein verhandeln und was Sie genau tun wollen, damit diese – und ich sage ganz bewusst –Verbrechen in Zukunft aufhören.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Ich möchte zu der ersten Frage sagen, dass es sicherlich nicht Aufgabe der Europäischen Kommission ist, ein Urteil darüber abzugeben, mit welchen Methoden ein Mitgliedstaat die Steuerflucht seiner Bürger bekämpft.

Ich habe darauf hingewiesen, dass auch in Steuerfragen die allgemeinen Regeln zum Schutz personenbezogener Daten gelten, dass die Mitgliedstaaten aber das Recht haben, diese Regeln einzuschränken, wenn es dem Schutz ihrer finanziellen Interessen dient.

Ich denke, die Frage, die Sie gestellt haben, ist eine Frage, die an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu stellen ist. Meines Wissens hat sie die Frage nach der Legalität des Vorgehens in dem Fall, den Sie beschrieben haben, vor der Entscheidung sehr genau geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die deutschen Steuerbehörden berechtigt waren, die Daten, um die es hier geht, zu erwerben.

Was die zweite Frage angeht, die sehr allgemeiner Natur war: Ich stimme Ihnen zu, dass es ein Ärgernis ist, dass wir im bestehenden EU-Vertrag nicht die Möglichkeit haben zu garantieren, dass überall in Europa Steuervermeidung und Steuerflucht in gleicher Weise verfolgt wird, und noch nicht einmal sichergestellt werden kann, dass niemand Steuerflucht oder Steuervermeidung begünstigt.

Wir haben in den letzten Jahren eine Menge erreicht, insbesondere auch vor dem Hintergrund des notwendigen Kampfes gegen Geldwäsche und alle Formen von internationaler Kriminalität und Terrorismus. Aber ich habe bereits darauf hingewiesen: Die Kommission glaubt, dass hier Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, und was wir mit Liechtenstein – wie auch mit anderen Ländern – erreichen wollen, ist völlig klar. Wir möchten, dass wir auch in Bezug auf Liechtenstein dieselbe Zusammenarbeit und denselben Austausch von Informationen erhalten, wie sie zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits bestehen.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 46 von Saïd El Khadraoui (H-0234/08).

Betrifft: Feinstaubemissionen von Kleinkrafträdern

Aus einer Untersuchung der Universität von Utrecht geht hervor, dass Kleinkrafträder große Mengen an Feinstaub und Ultrafeinstaub ausstoßen. In zwölf mittelgroßen Städten haben die Wissenschaftler die Emissionen gemessen, denen Fahrradfahrer und Autofahrer ausgesetzt wurden. Daraus ging hervor, dass Fahrradfahrer eine Höchstmenge an Feinstaub verkraften mussten, wenn sie in die Nähe eines Kleinkraftrads kamen. Kleinkrafträder sollen sogar noch mehr Feinstaub pro Sekunde ausstoßen als Lastkraftwagen. In der Richtlinie 2002/51/EG werden Emissionsnormen für solche Fahrzeuge vorgeschrieben. Feinstaub wird in dieser Richtlinie jedoch nicht erwähnt.Ist sich die Kommission der Umweltbelastung durch Kleinkrafträder bewusst? Was will die Kommission unternehmen, um dieses Problem auf angemessene Weise anzugehen?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission setzt sich bereits seit Jahren energisch für die Verringerung von Feinstaub und Ultrafeinstaub ein. Zur Verbesserung der Luftqualität hat die Kommission seit 2005 eine ganze Reihe von legislativen Maßnahmen vorgeschlagen, die Sie kennen. Aber auch im Rahmen des Siebten Forschungsrahmenprogramms werden wichtige Aspekte einer umweltfreundlicheren Verkehrspolitik untersucht.

Bei der Ausarbeitung von Normen für die Partikelemissionen von Kraftfahrzeugen hat sich die Kommission zunächst auf Diesel-Pkw und auf Nutzfahrzeuge konzentriert, da der Bestand an diesen Fahrzeugen erheblich größer ist als der Bestand an motorisierten Zweirädern. Wir haben uns also zunächst einmal darauf konzentriert, das Problem da anzupacken, wo es massenhaft auftritt. Da haben wir wichtige Etappenziele erreicht.

Parlament und Rat haben im Jahr 2007 eine Verordnung über die Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen angenommen. Das sind die Euro-5- und die Euro-6-Normen. Das ist bereits verabschiedet und tritt in Kraft. Mit dieser Euro-5- und Euro-6-Norm werden die zusätzlichen Partikelemissionen von Dieselfahrzeugen von jetzt 25 Milligramm pro Kilometer auf 5 Milligramm pro Kilometer gesenkt.

Außerdem hat die Kommission am 21. Dezember 2007 einen Vorschlag für eine Verordnung über die Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge vorgelegt, das ist die Euro-VI-Norm. Mit ihr werden die Grenzwerte für die Stickoxidemission um 80 % und die Partikelemissionen um 66 % gegenüber der heute geltenden Euro-V-Norm gesenkt.

Das Problem der Partikelemissionen von Zweiradfahrzeugen stellt sich im Wesentlichen bei Zweitaktmotoren. Die Partikelemissionen von Viertaktmotoren sind im Vergleich zu diesen Motoren, selbst wenn sie der Euro-5-Norm entsprechen, sehr gering.

2004 hat die Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, die Aufschluss darüber geben sollte, ob eine Rechtsvorschrift zur Begrenzung der Partikelemissionen von Zweitakt-Ottomotoren sinnvoll ist. Das Ergebnis der Studie war, dass die von solchen Motoren ausgestoßenen Partikel überwiegend Kohlenwasserstoffe sind. Da die Grenzwerte für die Kohlenwasserstoffemissionen von Motorrädern und Mopeds – also Zweiradfahrzeugen – im Jahr 2004 und im Jahr 2007 bereits erheblich verschärft worden sind, hat sich die Situation bei neuen Fahrzeugen bereits erheblich verbessert. Zudem gehen die Hersteller dazu über, Zweitaktmotoren durch Viertaktmotoren zu ersetzen, damit sie die Kohlenwasserstoffgrenzwerte überhaupt einhalten können. Aus diesem Grund hat die Kommission bisher keine spezifischen Maßnahmen zur Begrenzung der Partikelemissionen von Zweiradfahrzeugen vorgeschlagen. Ich muss allerdings sagen, dass die Situation deutlich kritischer ist bei älteren Fahrzeugen mit Zweitaktmotor, die Kohlenwasserstoffe und Partikel in größeren Mengen emittieren. Diese Emissionen können aber deutlich gesenkt werden, wenn für die Schmierung des Motors synthetisches Öl verwendet wird statt Mineralöl. Deshalb unterstützt die Kommission eine entsprechende Kampagne des Verbands der europäischen Motorradhersteller und des Motorradfahrerverbands. Die Kommission prüft dennoch die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Rechtsvorschriften für zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge.

Am Anfang dieses Jahres ist eine Studie in Auftrag gegeben worden, mit der die Erkenntnisse der Studie aus dem Jahr 2004 unter Berücksichtigung der neuesten technischen Entwicklung überprüft werden sollen. Die Ergebnisse dieser Studie werden bis Ende dieses Jahres vorliegen. Wenn sich dann ergibt, dass ein legislativer Vorschlag durch die Kommission notwendig wird – und ich bin bereit, einen solchen zu machen, wenn er notwendig sein sollte –, dann würde das im Jahr 2009 geschehen.

Nach der Rahmenrichtlinie für die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität und den einschlägigen Einzelrichtlinien, mit denen Emissionsgrenzwerte für die so genannten PM 10-Partikel und für Benzol festgelegt werden, müssen die Mitgliedstaaten mit geeigneten Maßnahmen dafür sorgen, dass am Stichtag die Grenzwerte landesweit eingehalten werden. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem Sofortmaßnahmen für den Fall vorsehen, dass die Grenzwerte vorübergehend überschritten werden. In den Gebieten, in denen die Wahrscheinlichkeit der Grenzwertüberschreitung durch Zweitaktmotoren deutlich erhöht ist, werden die Mitgliedstaaten nach Einschätzung der Kommission dieser Situation mit ihren jeweiligen Luftqualitätsplänen sowie mit ihren Sofortmaßnahmen Rechnung tragen.

 
  
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  Saïd El Khadraoui (PSE).(NL) Herr Präsident! Herr Kommissar, vielen Dank für Ihre umfassende Antwort. Zu Recht erwähnen Sie die Anstrengungen, die die Kommission bereits hinsichtlich der Emissionen von Lkw und Nutzfahrzeugen unternommen hat. Ein Gesetzgebungsvorschlag für Mopeds wurde jedoch noch nicht erarbeitet. Sie verweisen auf die Bemühungen der Kraftfahrzeugbranche, Zweitaktmotoren durch Viertaktmotoren zu ersetzen, was eine positive Entwicklung zuwege bringen würde.

Zunächst frage ich mich, inwieweit dies nur eine unverbindliche Vereinbarung ist. Handelt es sich dabei um eine echte Vereinbarung? Zweitens, wir sollten uns bewusst sein, dass Verschmutzung sehr lokal auftritt und beispielsweise große Auswirkungen auf Radfahrer in unmittelbarer Nähe von Mopeds hat. Und das stellt für die Volksgesundheit ein Problem dar.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. − Herr Abgeordneter, ich verstehe Ihre Frage sehr gut. Wir haben es hier nicht mit einer von der Kommission herbeigeführten Absprache mit der Industrie zu tun, wie es zum Beispiel einmal eine über die Reduzierung von CO2-Emissionen bei Kraftfahrzeugen gegeben hat, sondern wir haben es hier mit einer sozusagen automatischen Entwicklung zu tun. Wie ich gesagt habe: Die Hersteller von Zweiradfahrzeugen können die bereits bestehenden scharfen Grenzwerte für Kohlenwasserstoffemissionen mit den herkömmlichen Zweitaktmotoren nicht einhalten. Sie können es gar nicht. Das ist der Grund, warum sie zu Viertaktmotoren übergehen, bei denen sich das Problem anders darstellt.

Die Studie, von der ich gesprochen habe, wird zeigen, welche Ergebnisse diese technische Entwicklung hat, und ich wiederhole noch einmal: Wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht zu dieser sozusagen automatischen Lösung des Problems kommt, von der ich gerade gesprochen habe, dann wird es in der Tat erforderlich sein, einen legislativen Vorschlag zu machen. Und ich wiederhole noch einmal: Ich bin bereit, das zu tun.

 
  
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  Der Präsident. −

Anfrage Nr. 47 von Johan Van Hecke (H-0243/08)

Betrifft: 2,2 Milliarden Kinder in Not

Weltweit leiden 2,2 Milliarden Kinder unter Armut, Analphabetismus, sexuellem Missbrauch und militärischen Konflikten. Jedes sechste Kind, das in Afrika südlich der Sahara geboren wird, läuft Gefahr, vor dem fünften Lebensjahr zu sterben. Laut Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF sterben täglich mehr als 27 000 Kinder, zumeist an Krankheiten, die vermieden werden könnten. Aus den letzten Zahlen von UNICEF geht hervor, dass weltweit 93 Millionen Kinder im Grundschulalter nicht zur Schule gehen, davon 41 Millionen Kinder in Afrika südlich der Sahara, 31,5 Millionen in Südasien und 6,9 Millionen im Nahen Osten und in Nordafrika.

Angesichts der Tatsache, dass sich die Verabschiedung der Konvention über die Rechte des Kindes nächstes Jahr zum 20. Mal jährt, nehmen sich diese Zahlen äußerst traurig aus. Fasst die Kommission konkrete Maßnahmen ins Auge, um gegen die Ausbeutung von Kindern, sei es in der Sexindustrie, sei es in Situationen, in denen sie als Soldaten eingesetzt werden, vorzugehen? Wird die Kommission mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, der die Rechte des Kindes mit einschließt, auf diesem Gebiet mehr Durchsetzungskraft erhalten?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kommission stimmt der von Herrn Van Hecke vorgenommenen Analyse zu, und ich kann ihm versichern, dass die Kommission große Anstrengungen unternimmt, den Missbrauch von Kindern zu bekämpfen. Die Rechte von Kindern gehören zu den wichtigsten Prioritäten unserer Strategischen Ziele 2005-2009. Ihre prioritäre Bedeutung kommt in der Mitteilung der Kommission aus dem Jahre 2006 „Für eine EU-Kinderrechtsstrategie“ sowie erst unlängst in der Mitteilung der Kommission „Außenmaßnahmen der EU: Ein besonderer Platz für Kinder“, die am 5. Februar 2008 angenommen wurde, zum Ausdruck. Ziel dieser kürzlich angenommenen Mitteilung ist es, einen Rahmen für ein gemeinsames Herangehen der EU an den Schutz und die Förderung der Rechte des Kindes in Drittländern zu schaffen, der in allen Bereichen unserer Außenbeziehungen einschließlich der Entwicklungshilfe, der humanitären Hilfe und der Handelspolitik seinen Widerhall findet.

Der Aktionsplan der Europäischen Union zu Kinderrechten in Außenbeziehungen, der Bestandteil dieser Mitteilung ist, legt die vorrangigen Bereiche fest, in denen auf regionaler und globaler Ebene unbedingt etwas unternommen werden muss: Kinderarbeit, Kinderhandel, Gewalt gegen Kinder einschließlich sexuelle Gewalt sowie von bewaffneten Konflikten betroffene Kinder. Zur Umsetzung dieser Politik wird die Kommission die 25 Millionen Euro aus dem thematischen Programm „Investitionen in die Menschen” nutzen, um Initiativen auf folgenden Gebieten zu unterstützen: Kinderhandel, von bewaffneten Konflikten betroffene Kinder, sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie Rechte Jugendlicher. Die Kommission wird auch weiterhin im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte Vorhaben unterstützen, die der Umsetzung der Grundprinzipien der EU zur Förderung und zum Schutz der Rechte der Kinder sowie der Grundsätze im Zusammenhang mit Kindern, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, dienen. Auch wenn der Vertrag von Lissabon noch nicht ratifiziert ist, sei darauf hingewiesen, dass darin festgestellt wird, dass die Union auch in ihren Beziehungen zur übrigen Welt einen Beitrag zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, leistet. Damit räumt die Union in ihrer Außenpolitik der Frage der Menschenrechte der wahrscheinlich schwächsten Gruppe der Gesellschaft Priorität ein.

 
  
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  Johan Van Hecke (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Ich danke dem Kommissar und auch der Kommission für ihre Anstrengungen, die sie unternehmen, um die Rechte des Kindes möglichst umfassend zu schützen. Lassen Sie mich meine Frage jedoch aktualisieren. Einem kürzlich von UNICEF veröffentlichten Bericht zufolge wurden in Ost-Kongo in der vergangenen Woche 2 000 bis 3 000 Kinder von Milizen entführt und in einem militärischen Konflikt schändlich missbraucht. Was kann die Kommission ihrer Ansicht nach noch unternehmen, um derartige Situationen vor Ort zu verhindern? Ich anerkenne alle Bemühungen und weiß zu schätzen, was in dem Aktionsplan steht. Wenn man jedoch mit den Akteuren vor Ort spricht, stellt sich heraus, dass die zum Schutz der Rechte des Kindes in bewaffneten Konflikten eingesetzten Menschen und Mittel unzureichend sind.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.(CS) Herr Präsident! Herr Van Hecke, selbstverständlich stellt sich angesichts eines solch tragischen und grausamen Vorgehens die Frage, ob wir mehr tun können. Meiner Ansicht nach ist die Strategie der Europäischen Kommission hinsichtlich der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und des Rechtsrahmens kohärent und in sich schlüssig. Was das Eingreifen bei örtlich auftretenden Situationen betrifft, ist es nach meinem Dafürhalten wichtig, auf der Grundlage der Strukturen der Kommission und der politischen und organisatorischen Optionen eine Entscheidung zum jeweiligen Zeitpunkt und Ort des Auftretens der Gefahr zu treffen. Deshalb haben Sie ganz Recht: Um den Schutz von Kindern vor ähnlicher Gewalt zu verstärken, ist es immer notwendig, die vorhandenen Strukturen und Aktivitäten dort zu nutzen, wo so etwas auftritt.

 
  
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  Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Dem Herrn Kommissar wird sicher bekannt sein, dass vor einigen Wochen die Familie McCann aus meinem Wahlkreis im Europäischen Parlament war. Zuvor hatte sie mit Kommissar Frattini einen Schriftwechsel über ein Warnsystem für entführte Kinder geführt. Ich wüsste gern, wieweit das Vorhaben jetzt, da das Parlament eifrig eine schriftliche Erklärung zur Unterstützung dieses Vorschlags unterzeichnet und Herr Frattini die Kommission verlassen hat, in der Kommission gediehen ist. Wir wüssten gern, ob die Kommission diesen Vorschlag aufgegriffen hat, ob er nachdrücklich verfolgt wird und welches Kommissionsmitglied derzeit dafür zuständig ist.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Wir hören aus den Medien immer wieder von Menschenhandel durch europäische oder auch US-amerikanische Organisationen. In Österreich, Frankreich und anderen Ländern stehen Adoptionsvereine unter dem Verdacht des Kinderhandels. Und schon lange gibt es Berichte über dubiose Umstände in Adoptionsverfahren, aber auch über Fälle von Baby-Organhandel und späterer Prostitution. Welche Maßnahmen will die Kommission setzen, um diese Zustände zu unterbinden?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.(CS) Die erste Anfrage war an Kommissar Frattini gerichtet, der sich entschlossen hat, in die Politik seines Landes zurückzukehren. Im Augenblick fällt dieses Portfolio in die Zuständigkeit meines Kollegen Kommissar Barrot, der diese Anfrage auch beantworten kann und Ihnen die letzten Neuigkeiten zur Vorbereitung des von Ihnen erwähnten Vorhabens mitteilen kann.

Bei der anderen sehr wichtigen Anfrage, der internationalen Adoption, handelt es sich um eine äußerst sensible Angelegenheit: Da viele Kinder dadurch eine geeignete Familie und ein angemessenes Zuhause erhalten, können wir unter keinen Umständen akzeptieren, dass internationale Adoptionen an sich für falsch gehalten werden. Selbstverständlich ist es auch richtig, dass im Zusammenhang mit internationalen Adoptionen gefährliche und verachtenswerte Methoden und Politiken zu beobachten sind. Was die Zuständigkeit der Europäischen Union anbelangt, so ist es auf jeden Fall Aufgabe der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die einen Missbrauch internationaler Adoptionen verhindern. Das gilt natürlich auch für die Republik Österreich. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Bestimmungen zu internationalen Adoptionen in der Europäischen Union nicht in jeder Hinsicht einheitlich sind und dass jedes Land im Rahmen internationaler Übereinkommen über den Schutz des Kindes eigene Vorschriften erlässt, die dann auf verschiedene Weise abgeändert und verbessert werden können. Meine Damen und Herren! Ich möchte wiederholen, dass internationale Adoptionen im Prinzip vielen Kindern die Chance bieten, eine Familie zu finden und ein normales Leben zu führen. Andererseits ist dies jedoch ein äußerst sensibles Gebiet und fällt in den Aufgabenbereich der Mitgliedstaaten.

 
  
  

Teil II

 
  
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  Der Präsident. − Anfrage Nr. 48 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0160/08)

Betrifft: Reform des Sozialversicherungssystems in Griechenland

In den Beschlüssen des Rates und in den Dokumenten der Kommission wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten modernisiert und saniert und das Rentenalter neu festgelegt werden müssen. Ferner werden die negativen Auswirkungen des Frühruhestands auf die Wirtschaft und die Gesellschaft hervorgehoben.

Kann die Kommission mitteilen, ob sie sich in beratender Funktion am Anpassungsprozess beteiligt und ob sie die neuen Legislativmaßnahmen der Mitgliedstaaten beurteilt?

Wird die Kommission die jüngsten Reformen des Sozialversicherungssystems in Griechenland, die ja in den nationalen Zuständigkeitsbereich fallen, bewerten?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.(CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kommission ist sich der demografischen Probleme bewusst, vor denen die Rentensysteme stehen. Da die Geburtenrate seit den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts immer weiter zurückgeht und die Menschen länger leben, muss eine immer geringere Zahl von Menschen im Erwerbsalter eine immer größere Zahl von Personen unterstützen, die nicht erwerbstätig sind. Wie Sie wissen, fällt der Sozialschutz gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Daher mischt sich die Kommission nicht in die Rentensysteme der Mitgliedstaaten ein, ja sie spielt nicht einmal eine beratende Rolle bei der nationalen Anpassung. Deshalb sind die Mitgliedstaaten und die Kommission übereingekommen, auf dem Gebiet des Sozialschutzes und der sozialen Eingliederung auf der Grundlage der offenen Methode der Koordinierung zusammenzuarbeiten. Das heißt, die Kommission und der Rat legen gemeinsame Ziele fest, die Mitgliedstaaten erstatten über die Erfüllung Bericht, und die Kommission fasst ihre Feststellungen in dem Bericht zusammen, der dann vom Rat angenommen wird.

Die Mitgliedstaaten haben ihre ersten nationalen strategischen Berichte 2002 und die zweiten 2005 vorgelegt. Diese zweiten Berichte wurden von der Kommission im Gemeinsamen Bericht über Sozialschutz und Soziale Eingliederung, der vom Europarat 2006 angenommen wurde, zusammengefasst. Aus der Auswertung geht hervor, dass die jüngsten Reformen den Menschen zwar deutlichere Anreize bieten, länger im Erwerbsleben zu bleiben, doch besteht nach wie vor Bedarf an weiteren Maßnahmen zur Erzielung höherer Beschäftigungsquoten, vor allem bei Frauen und älteren Arbeitnehmern. Die Erzielung höherer Beschäftigungsquoten ist der beste Weg zu gewährleisten, dass Rentensysteme angemessen und nachhaltig bleiben. In Griechenland ist die Gefahr der Altersarmut bedeutend höher als im EU-Durchschnitt und lag 2005 bei den über 65-Jährigen bei 26 % im Gegensatz zu 19 % bei Personen im Alter von 64 Jahren. Das griechische Rentensystem muss reformiert werden, damit es angemessener und nachhaltiger wird.

Reformen sind notwendig, um ältere Menschen und Frauen zu ermutigen, mehr und länger zu arbeiten. Angesichts der geringen Erwerbsbeteiligung von Frauen müssen wir Maßnahmen ergreifen, die auf höhere Beschäftigungsquoten bei Frauen abzielen, um sicherzustellen, dass die Rentensysteme langfristig angemessen und nachhaltig sind. Da die Rentensysteme bereits jetzt mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wird die Altersarmut auch in Zukunft so lange ein Problem darstellen, bis diejenigen, die nicht in die Grundversorgung einbezogen sind, das Recht erwerben, nach einer längeren Zeit eine Rente zu beanspruchen.

Voraussichtlich werden die nächsten nationalen Strategieberichte 2008 verfasst. Die Kommission wird dann eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungen in den Mitgliedstaaten erstellen. Diese wird die Grundlage für den Gemeinsamen Bericht über Sozialschutz und Soziale Eingliederung bilden, der 2009 vorgelegt wird.

 
  
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  Μarie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, danke für Ihre informative Antwort. Ich möchte nun die Frage des vorzeitigen Ruhestands von Müttern ansprechen, die minderjährige Kinder haben, wenn sie in Rente gehen. Die Grenze für den vorzeitigen Ruhestand lag in Griechenland immer bei 50 Jahren. Für künftige Generationen wurde sie auf 55 Jahre heraufgesetzt, jedoch nicht im Fall von Müttern mit Kindern. Wie bewerten Sie diese Altersgrenze aus Sicht der Kommission und im Vergleich zu dem, was Sie aus anderen Mitgliedstaaten wissen?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Wie ich eingangs sagte, tragen die einzelnen Mitgliedstaaten gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die Verantwortung für die Gesamtstruktur der Rentensysteme. Dafür sind sie zuständig. In den Mitgliedstaaten gibt es unterschiedliche Methoden für die Festlegung des Rentenalters. In der Regel liegt es bei 65 Jahren, doch es gibt auch Länder, in denen das Rentenalter höher ist, so wie es auch Länder gibt, in denen es niedriger ist. Das Gleiche gilt für die Renten von Frauen: In den einzelnen Mitgliedstaaten wird das Rentenalter ausgehend von Entscheidungen und politischen Debatten unterschiedlich festgelegt. Der von der Kommission vertretene Grundsatz, der auch im Vertrag verankert ist, besteht darin, dass diese Systeme keinerlei Diskriminierung darstellen dürfen. Sofern diese Bedingung erfüllt ist, liegt es in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, das Rentenalter festzulegen. Deshalb werde ich mich auch nicht ausführlich zu dem in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Rentenalter äußern.

 
  
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  Der Präsident. − Anfrage Nr. 49 von Eoin Ryan (H-0179/08)

Betrifft: Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit in Europa

Kann die Kommission eine umfassende Erklärung abgeben, in der sie die neuen Initiativen, die sie dieses Jahr zur Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit in Europa durchführt, und insbesondere die Maßnahmen erläutert, die gewährleisten sollen, dass Arbeitslose sich Kompetenzen im Bereich der neuen Informationstechnologien aneignen können?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kommission ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen in den Mitgliedstaaten beunruhigt. Ende 2007 lag sie bei 15,2 %, das heißt sie war fast doppelt so hoch wie die Gesamterwerbslosenquote. Die Kommission ist außerdem besorgt über die anhaltend hohe Langzeitarbeitslosigkeit, die etwa die Hälfte (45 %) aller erwerbslosen Personen betrifft, obwohl ich betonen muss, dass wir hier in letzter Zeit einen beachtlichen Rückgang beobachten konnten. Auch wenn dieser Rückgang in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausfällt – die Langzeitarbeitslosigkeit geht in der EU definitiv zurück.

Die Lage ist dennoch weiterhin besorgniserregend. Viele junge Menschen beenden ihre Ausbildung, ohne die Kompetenzen zu erwerben, die ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Der Grund besteht darin, dass jeder sechste Jugendliche in der Europäischen Union die Schule vorzeitig verlässt und jeder Vierte seine Sekundarschulbildung nicht abschließt.

Ungeachtet erheblicher Bemühungen der Mitgliedstaaten, die Erwerbsquote unter Jugendlichen zu verbessern, hat ungefähr die Hälfte der Länder noch nicht das für 2007 festgelegte Ziel erreicht, jungen Arbeitslosen innerhalb von sechs Monaten die Chance eines „Neubeginns“ zu geben, bzw. innerhalb von vier Monaten – der Zielstellung für 2010.

Die Mitgliedstaaten sind in erster Linie für die Umsetzung von Maßnahmen verantwortlich, um die Arbeitslosenquote und Langzeitarbeitslosigkeit unter Jugendlichen zu senken. Der Europäischen Union kommt eine komplementäre Aufgabe dahingehend zu, dass sie die nationalen Beschäftigungspolitiken der Mitgliedstaaten koordiniert und im Rahmen des Europäischen Sozialfonds finanzielle Unterstützung gewährt.

Bekanntermaßen verabschiedet die Kommission alljährlich ihren Fortschrittsbericht zur Beschäftigungsstrategie. Auf seiner Tagung im März 2008 nahm der Europäische Rat eine Reihe von Empfehlungen für die Mitgliedstaaten an: 17 davon waren Empfehlungen auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung und 15 betrafen den Bereich Beschäftigung.

Meines Erachtens gibt es drei Vorgehensweisen, die für die Verbesserung der Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt unabdingbar sind:

1. Verbesserung der allgemeinen und beruflichen Ausbildung: Es gilt, sich auf die Entwicklung von Kernkompetenzen im Kindesalter und die Schaffung eines Fördermechanismus zu konzentrieren, um zu verhindern, dass Jugendliche vorzeitig die Schule verlassen. Das seit 2007 laufende Programm für Lebenslanges Lernen trägt dazu bei, die Europäische Union zu einer fortschrittlichen Wissensgesellschaft zu entwickeln, indem es die Modernisierung und Angleichung der Bildungssysteme sowie der Berufsausbildung in den Mitgliedstaaten unterstützt.

2. Förderung der sozialen Integration: In diesem Zusammenhang ist der Verbesserung der Situation der am meisten gefährdeten Jugendlichen sowie der Ausmerzung der Kinderarmut besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

3. Verbesserung der geografischen Mobilität: Neben der Arbeitslosigkeit herrscht gegenwärtig ein Mangel an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Das hat die Kommission veranlasst, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu unterstützen und vor allem eine stärkere Mobilität junger Menschen in der Europäischen Union zu fördern.

Außerdem erhalten die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Arbeitsmarktpolitik finanzielle Unterstützung aus den Strukturfonds, vor allem dem Europäischen Sozialfonds.

Im Zeitraum 2007-2013 stehen den Mitgliedstaaten 75 Milliarden Euro zur Verfügung. Dem Europäischen Sozialfonds kommt außerordentliche Bedeutung zu. 2007 waren ungefähr 25 % der Arbeitslosen in der Europäischen Union auf die eine oder andere Weise in ESF-Projekte eingebunden. Das heißt, alljährlich erhalten ungefähr eine Million Menschen, die unter Ausgrenzung leiden, darunter junge Menschen, Unterstützung. Jedes Jahr treten ungefähr zwei Millionen Menschen in den Arbeitsmarkt ein, nachdem sie mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert wurden.

Obgleich der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung nicht unmittelbar für junge Menschen vorgesehen ist, werden daraus Projekte kofinanziert, die Jugendliche direkt betreffen, wie die Infrastruktur für allgemeine und berufliche Bildungsangebote, Hochschulforschung sowie Unterstützung von Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Betriebe. Im Rahmen der Initiative „Regionen für den wirtschaftlichen Wandel“ fördert die Kommission den Austausch beispielhafter Praktiken in Form des regionalen Netzwerks „Integration ausgegrenzter Jugendlicher“.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit sowie gegen Langzeitarbeitslosigkeit hat für Europa und für die Mitgliedstaaten Vorrang. Die Integration junger Menschen in das Arbeitsleben und in die Gesellschaft sowie die bessere Nutzung ihres Potenzials sind die wichtigsten Voraussetzungen für starkes und nachhaltiges Wachstum in Europa.

 
  
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  Eoin Ryan (UEN). – (EN) Ich danke Ihnen für die äußerst umfassende Antwort.

Fordern Sie die Mitgliedstaaten mehr oder weniger nachdrücklich auf, Bestlösungen oder Beispiele für Bestlösungen aus anderen Ländern zu übernehmen, um die Langzeitarbeitslosigkeit bei jungen Menschen einzugrenzen? Ich bin sicher, dass einige Länder – nun ja – diesbezüglich erfolgreicher sind als andere, und ich frage mich, ob es Möglichkeiten einer Art Vernetzung gibt, so dass die Länder anhand von Beispielen voneinander lernen können.

Ich habe in der Vergangenheit die Beantwortung von Fragen kritisiert, und ich möchte Ihnen zu Ihrer sehr ausführlichen Beantwortung gratulieren.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Ryan, der Austausch von Informationen sowie beispielhaften Praktiken gehört zu den besten Gütern der Europäischen Union. Er ist ständiger Bestandteil der offenen Methode der Koordination sowie permanenter Bestandteil unserer Arbeit, und ich möchte betonen, dass der slowenische Ratsvorsitz beispielsweise eine seiner Konferenzen dem Thema Jugendbeschäftigung gewidmet hat. Das ist eine normale und hervorragende Gelegenheit, die unterschiedlichen Konzepte der einzelnen Mitgliedstaaten miteinander zu vergleichen. Sie haben Recht: Einige Mitgliedstaaten finden schneller und effizienter Lösungen für einige Fragen als andere. Daher sind der ständige Austausch und Vergleich von Erfahrungen und praktischen Kenntnissen äußerst wirksame Methoden, Fortschritte zu erzielen.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Neue Qualifikation, Internet, Technologie und Ähnliches sind sicher wichtig auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben allerdings alle die Erfahrung gemacht, dass gerade bei der Jugendarbeitslosigkeit häufig auch das Fehlen von Schlüsselqualifikationen – Lesen, Schreiben, Rechnen – der eigentliche Grund dafür ist, dass die Jugendlichen nicht erstmals bzw. in frühen Jahren in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Gibt es in diesem Bereich spezielle Schwerpunkte?

 
  
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  Μarie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, Sie sprachen über Jugendarbeitslosigkeit und bei der vorhergehenden Frage über die Unterbeschäftigung von Frauen.

Hat die Kommission die Absicht, Vorschläge zur Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben vorzulegen, insbesondere in Hinblick auf Mutterschafts- und Elternurlaub?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Gestatten Sie mir, kurz auf das zurückzukommen, was ich eingangs sagte. Gegenwärtig konzentriert sich die Kommission – insbesondere die Arbeit meines Kollegen, Kommissar Figl’ – auf die Schulabbrecherquoten und den Erwerb von Grundkompetenzen. Sie haben Recht: Es ist unabdingbar, dass die Menschen die Grundkompetenzen und die Fähigkeit erwerben, in der Kindheit sowie im Jugendalter zu lernen, denn dadurch wird es für sie leichter, eine Laufbahn einzuschlagen und in ihrem Leben später Erfolg zu haben. Im Rahmen unserer Programme, wie den vom Europäischen Sozialfonds finanzierten, konzentrieren wir uns auf die so genannte zweite Chance. Anders gesagt, wir geben Kindern, die Probleme hatten (und es gibt eine ganze Menge davon), die Möglichkeit, zu den formellen Strukturen zurückzukehren und ihre Ausbildung abzuschließen. Das ist einer der Schwerpunkte der Kommission, weil es sich hierbei, wie ich schon sagte, um eine lebenswichtige Angelegenheit handelt.

 
  
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  Der Präsident. − Anfrage Nr. 50 von Robert Evans (H-0185/08)

Betrifft: Rechtsvorschriften der EU zur Bekämpfung von Diskriminierung

Nach den geltenden Rechtsvorschriften der EU sind EU-Bürger nur in den Bereichen Beschäftigung und Berufsausbildung vor Diskriminierung aus Gründen des Alters, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung geschützt; in den Bereichen Bildungswesen, sozialer Schutz sowie Zugang zu Waren und Dienstleistungen hingegen kann nur eine Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft rechtlich geltend gemacht werden.

Die Rechtsvorschriften werden laufend ausgeweitet und umfassen auf dem Sektor Waren und Dienstleistungen immer mehr Kategorien. Welche Überlegungen hat die Kommission im Hinblick darauf zu den unbeabsichtigten Auswirkungen, die sich daraus ergeben können, angestellt?

Welche Schutzmechanismen zieht die Kommission für sämtliche neue Rechtsvorschriften in Erwägung, um beispielsweise zu gewährleisten, dass Preisreduktionen für Senioren und Personengruppen, die Anrecht auf Ermäßigungen haben, nicht negativ beeinträchtigt werden?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bekanntermaßen hat die Europäische Union einen umfassenden Rahmen für den Kampf gegen Diskriminierung geschaffen und kann auf die erreichten Erfolge stolz sein. Allerdings genießen einige Gruppen mehr Schutz als andere. Das bedeutet insbesondere, dass Menschen vor Diskriminierung wegen des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Ausrichtung oder der Religion nur im Arbeitsmarkt auf diese umfassende Art und Weise geschützt werden. Weiter gefasst ist lediglich der Schutz vor Diskriminierung wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts.

Gemäß ihrem Legislativ- und Arbeitsprogramm 2008 plant die Kommission, einen Vorschlag auf der Grundlage von Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für eine Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes außerhalb des Arbeitsmarktes vorzulegen und damit den vorhandenen Rechtsrahmen der EU auszuweiten. Die Entscheidung zu den Einzelheiten wurde noch nicht getroffen. So warten wir beispielsweise noch auf die Ergebnisse einer gegenwärtig durchgeführten Folgenabschätzung, die in Kürze zur Verfügung stehen werden. Die Kommission ist sich jedoch der Notwendigkeit bewusst, eine Ausgewogenheit zwischen den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Vorzugsbehandlung zu erreichen. Unter bestimmten Bedingungen kann Letztere gerechtfertigt sein.

In den Mitgliedstaaten gibt es mehrere Arten von Vorzugsbehandlung, und sie gewähren bestimmten Gruppen aus konkreten Gründen eine Sonderbehandlung, ohne dass diese diskriminierend ist. Ein Beispiel einer solchen Vorzugsbehandlung ist die kostenlose Beförderung älterer Menschen mit Nahverkehrsmitteln. Das fördert ihre Mobilität. Die Kommission erachtet diese Praktiken nicht als illegal, sofern sie aus sozialen, bildungspolitischen, kulturellen oder sonstigen Gründen im einzelstaatlichen Recht eine legitime Grundlage haben.

 
  
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  Robert Evans (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Kommissar für seine Zusicherung am Ende seiner Ausführungen danken, der zufolge die Kommission nicht die Absicht hat, eine Beeinträchtigung der – wie er es nennt – „Vorzugsbehandlung“ zuzulassen. Das ist meines Erachtens zu begrüßen. Wenn die von ihm beschriebene Arbeit fortgesetzt wird und er eine ausgewogene Lösung finden kann, dann, so denke ich, wird man dies in allen Ländern der Europäischen Union begrüßen. Ich danke ihm für seine Zusicherung.

Da ich gerade das Wort habe, möchte ich eine Frage zu einem verwandten Bereich stellen. Hat der Kommissar bereits eine Vorstellung davon, wann mit der Veröffentlichung seines Vorschlags für einen Beschluss zum Beitritt zum UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu rechnen ist, der natürlich ebenfalls in diese Kategorie fällt?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde unter dem luxemburgischen Ratsvorsitz auch dank der koordinierten Bemühungen der Europäischen Union zum Abschluss gebracht. Ich bin mir sicher, dass dieses Übereinkommen ohne unser Zutun nicht zustande gekommen wäre. Selbstverständlich fällt die Ratifizierung des Übereinkommens in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und die Europäische Union beabsichtigt, diese Ratifizierung durch ihre Gespräche mit den Mitgliedstaaten zu unterstützen und zu beschleunigen.

Zu Ihrer Anfrage, wann ich hoffe, den Vorschlag veröffentlichen zu können, kann ich sagen, dass vorläufig Ende Juni dieses Jahres vorgesehen ist, doch das ist wirklich nur ein vorläufiger Termin.

 
  
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  Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte den Kommissar auf die religiöse Diskriminierung und die erstaunliche Tatsache aufmerksam machen, dass es trotz des von der EU vorgesehenen Schutzes vor religiöser Diskriminierung einen Ort in der EU gibt, wo religiöse Diskriminierung erlaubt ist. Dabei handelt es sich bedauerlicherweise um meinen nordirischen Wahlbezirk, wo aufgrund einer von der EU genehmigten Ausnahmeregelung offen erklärt wird, dass es rechtens ist, Protestanten bei der Einstellung in den nordirischen Polizeidienst zu diskriminieren. Kann der Kommissar uns mitteilen, wann diese absurde Situation beendet wird und meinen Wählern die Rechte zugestanden werden, die andere ohnehin genießen?

 
  
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  Philip Bushill-Matthews (PPE-DE).(EN) In aller Kürze. Wie Robert Evans, den Fragesteller, haben mich die Ausführungen des Kommissars zu potenziellen künftigen Regelungen beruhigt. Doch bei der Frage ging es speziell um die möglichen Gefahren unbeabsichtigter Folgen.

Könnte der Kommissar in Anbetracht dessen, dass es sich hier um einen recht sensiblen Bereich handelt, bitte bestätigen, dass Folgenabschätzungen besonders streng und vor Erarbeitung eines endgültigen Standpunkts zu künftigen Regelungen durchgeführt werden?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Die vorhandenen Richtlinien enthalten spezielle Bestimmungen zu Religionsgemeinschaften und religiösen Überzeugungen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommission, wenn sie Maßnahmen überwacht, auch auf die Umsetzung der Vorschriften achtet. Das ist eine komplizierte und außerordentlich sensible Angelegenheit, doch im Allgemeinen wird sie durch die europäischen Richtlinien geregelt, und die Kommission kann beurteilen, ob die einzelnen Mitgliedstaaten die Rechtsvorschriften richtig umsetzen oder den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verletzen.

Auf die andere Anfrage kann ich eine ganz einfache Antwort geben. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ist ein grundlegender europäischer Wert, der eingehalten werden muss, und dafür müssen wir alle der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen. Andererseits steht außer Zweifel, dass wir, wenn wir Entscheidungen treffen, die für so viele bedeutsam sind, auch die Folgen untersuchen müssen, und dafür benötigen wir Folgenabschätzungen. Die Europäische Kommission wendet diese Methode rigoros auf allen Gebieten an, darunter auch im Hinblick auf die Chancengleichheit, die Grundrechte und die Nichtdiskriminierung.

 
  
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  Mario Mantovani (PPE-DE). – (IT) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich werde keine Zusatzfragen stellen, doch Frau Panayotopoulos hatte eine konkrete Anfrage zu Mutterschaft und Elternurlaub gestellt. Könnten Sie dem Herrn Kommissar bitte gestatten, darauf zu antworten. Danke.

 
  
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  Der Präsident. – Herr Mantovani, wir haben die Zeit für die Beantwortung dieser Fragen bereits überschritten und können dies jetzt nicht erlauben. Der Kommissar hat die Frage gehört und kann, wenn er dies für richtig hält, schriftlich darauf antworten. Frau Panayotopoulos-Cassiotou hätte dies erwähnen können, als sie gerade sprach.

– Anfragen Nr. 51 und 61 werden schriftlich beantwortet. Anfragen Nr. 62 und 63 werden nicht behandelt, da sie sich auf einen Gegenstand beziehen, der bereits auf der Tagesordnung dieser Tagung steht.

 
  
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  Der Präsident. − Anfrage Nr. 64 von Manuel Medina Ortega (H-0155/08)

Betrifft: Fischereiabkommen mit Marokko

Hat die Kommission eine Bewertung der Ergebnisse der von Schiffen der Europäischen Union im Rahmen des letzten Fischereiabkommens mit Marokko durchgeführten Fangfahrten vorgenommen?

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Medina Ortega für seine Frage danken, die mir die Möglichkeit gibt, den Standpunkt der Kommission zu der wichtigen Problematik des Fischereiabkommens mit Marokko darzulegen.

Die Kommission überwacht das partnerschaftliche Fischereiabkommen EU-Marokko. Es liegen noch keine endgültigen Zahlen zum ersten Jahr der Umsetzung dieses Abkommens vor, da das erste Jahr erst am 28. Februar 2008 zu Ende ging und eine sechsmonatige Verzögerung zwischen der Fangtätigkeit und der Übertragung und Analyse der Daten existiert. Trotz dieser zeitlichen Verzögerung deuten die uns bereits vorliegenden Daten auf eine positive Bewertung der Fangmöglichkeiten hin, die eine Ausschöpfung der Fangmöglichkeiten von ca. 80 % ausweist.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE).(ES) Ich danke dem Kommissar für seine Antwort und gebe zu, dass es schwierig ist, so kurzfristig Angaben zur Verfügung zu haben, doch da ich zufällig in der Nähe dieses Fanggebiets lebe, berichteten mir die Fischer, dass es in diesen Fanggründen strukturelle Probleme gebe, die daraus resultierten, dass in dem Gebiet sehr viele Netze und andere Fanggeräte zurückgelassen wurden, die den Fischfang erheblich erschweren.

Ich weiß nicht, ob der Kommissar die strukturellen Schwierigkeiten kennt, die seit dem letzten Abkommen in den Fanggründen der Sahara aufgetreten sind. Seinerzeit war die europäische Fangflotte nicht vor Ort, doch anscheinend hat dies zu einer Verschlechterung der Bedingungen durch die Nichterhaltung des Fanggebiets geführt.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Lassen Sie mich dazu etwas konkreter werden. Im ersten Jahr der Umsetzung wurden in den Hauptkategorien die nichtindustrielle Fischerei und der Thunfischfang zu über 90 % sowie die industrielle pelagische Fischerei zu etwa 80 % ausgeschöpft.

Die Ausschöpfung bei der demersalen Fischerei ist jedoch weit geringer. Sie liegt bei nur 23 %. Das ist im Wesentlichen auf einige der von Ihnen angedeuteten Probleme zurückzuführen, und zwar insbesondere die Frage der obligatorischen Anlandungen, die auf Drängen Marokkos in das partnerschaftliche Fischereiabkommen aufgenommen wurden, sowie das Problem in Verbindung mit der Beschäftigung marokkanischer Seeleute auf Gemeinschaftsschiffen.

Ich war vor etwa zwei Wochen selbst in Marokko, und ich hatte Gelegenheit, mit dem marokkanischen Minister über diese – man könnte sagen – Kinderkrankheiten in Bezug auf die Umsetzung des partnerschaftlichen Fischereiabkommens mit Marokko zu sprechen. Ich glaube, es herrscht Einigkeit darüber, dass wir uns der Frage der obligatorischen Anlandungen erneut zuwenden müssen, zumal das partnerschaftliche Fischereiabkommen vorsieht, dass diese Anlandungen zum Zweck der Wiederausfuhr vorzunehmen sind. Gemeinschaftliche Fischereifahrzeuge sollten den in Marokko gefangenen Fisch anlanden, der nach seiner Weiterverarbeitung wieder exportiert werden sollte.

Tatsächlich aber werden diese Anlandungen zur Deckung des Eigenbedarfs genutzt. Das bedeutet, dass der Fisch, da er außerhalb der marokkanischen Territorialgewässer gefangen wird, als Einfuhr gilt und mit einem hohen Zoll belegt wird.

Ich habe diese Problematik angesprochen, und es herrscht ein gewisses Einvernehmen. Ich hoffe, dass wir in Kürze eine Lösung finden werden. Was die Einstellung marokkanischer Seeleute betrifft, so haben wir diese Frage ebenfalls bei den marokkanischen Behörden – gegenüber dem Minister selbst – angesprochen, und die Liste der Personen, unter denen die Schiffseigner aus der Gemeinschaft auswählen können, wurde erweitert.

Wir versuchen, diese Liste noch mehr zu erweitern, um die Schwierigkeiten in Verbindung mit einer sehr begrenzten Liste von Personen, unter denen die Schiffseigner Fischer für die Arbeit an Bord ihrer Schiffe auswählen können, zu verringern.

 
  
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  Rosa Miguélez Ramos (PSE).(ES) Herr Präsident! In dieser für die Fischerei gefährlichen Welt möchte ich mich nach dem Schicksal des Thunfisch-Fang- und -Gefrierschiffs „Playa de Bakio“ erkundigen, das am Sonntag an der somalischen Küste mit 26 Besatzungsmitgliedern an Bord entführt wurde, von denen acht Galicier, fünf Basken und 13 Afrikaner sind.

Ich möchte Sie fragen, Herr Kommissar, was die Kommission in dieser Angelegenheit unternimmt, ob die Kommission tätig geworden ist oder beabsichtigt, Schritte zu unternehmen, denn es beunruhigt uns sehr, was diesen Menschen, die sich noch an Bord dieses Thunfisch-Fang- und -Gefrierschiffs befinden, widerfahren könnte.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Was diesen speziellen Fall angeht, auf den sich Frau Miguélez Ramos bezieht, so möchte ich dazu feststellen, dass die Kommission heute eine Erklärung abgegeben hat, in der wir unsere Sorge über die Nachricht von der Entführung eines spanischen Fischereifahrzeugs in internationalen Gewässern vor der somalischen Küste zum Ausdruck gebracht haben.

Die Hauptsorge der Kommission gilt der Sicherheit der sich an Bord befindlichen spanischen Seeleute. Weiter stellt die Kommission fest, dass sie sämtliche Akte von Piraterie und bewaffneten Überfällen verurteilt. Die Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Gewässern vor der somalischen Küste könne von den somalischen Behörden nicht ordnungsgemäß gewährleistet werden. Folglich habe sich die Piraterie zu einem ernsten Problem entwickelt.

Die Kommission stellt abschließend fest, dass ihrer Ansicht nach ein koordinierter Ansatz in Bezug auf den Schutz von gemeinschaftlichen Handels- und Fischereischiffen, die in ungesicherten Meeresgebieten unterwegs sind, einen legitimen Bestandteil einer europäischen Meerespolitik bilden könne, wobei aber auch ein Bezug zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik besteht. Eine diesbezügliche Entscheidung liegt jedoch beim Rat.

 
  
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  Der Präsident. − Anfrage Nr. 65 von Sharon Bowles (H-0175/08)

Betrifft: Kutterfischerei

Weiß die Kommission, dass infolge der in diesem Jahr auferlegten Fischfangquoten die „Small Boat Fishermen's Association“ (Kutterfischereiverband) im Vereinigten Königreich gegründet wurde und dass es in bestimmten Gebieten des Vereinigten Königreichs Kutter gibt, die aufgrund dieser neuen Quoten nur noch einen einzigen Kabeljau pro Tag fangen dürfen? Obschon die Entscheidung über die Aufteilung der Fischfangquoten zwischen der industriellen Fischerei und der Kutterfischerei der Regierung des Vereinigten Königreichs vorbehalten ist, weiß die Kommission um die Bedeutung der Kutterfischerei, deren Vertreter wiederholt für ihre Nachhaltigkeit ausgezeichnet wurden, für die lokale traditionelle Lebensweise? Ist die Kommission der Auffassung, dass mehr zum Schutz der Kutterfischerei in Europa getan werden sollte? Wenn ja, wie sollte dies geschehen?

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich möchte Frau Bowles für ihre Frage danken, die mir die Möglichkeit gibt, den Standpunkt der Kommission zu der wichtigen Kutterproblematik darzulegen.

Ich bin über die Bildung eines Verbandes informiert, der die Eigner von Fischereifahrzeugen der britischen Flotte von unter 10 Metern Länge vereint. Ich weiß auch, dass die niedrige Quotenzuteilung für Kabeljau Anlass für die Gründung dieses Verbandes war, da lediglich 3 % der britischen Gesamtkabeljauquote auf diesen Teil der Flotte entfallen, obwohl dessen relatives Fangpotenzial vielleicht wesentlich größer ist.

Wie Sie in Ihrer Frage ganz richtig feststellen, sind die Mitgliedstaaten – in diesem Fall das Vereinigte Königreich – für die Aufteilung der Fangmöglichkeiten auf ihre Fischereifahrzeuge zuständig. Hinzufügen möchte ich ferner, dass die Mitgliedstaaten auch für die Anpassung der Größe ihrer Flotte, ganz gleich, ob diese aus kleinen oder großen Fischereifahrzeugen besteht, an die Fangmöglichkeiten zuständig sind.

Ich möchte unterstreichen, dass sich die Kommission der besonderen Bedingungen von Kutterflotten, genauer gesagt von Kuttern mit einer Länge von weniger als zwölf Metern, die keine Schleppnetze benutzen, bewusst ist. Für diesen Teil der Flotte sieht der Europäische Fischereifonds einen sehr günstigen finanziellen Rahmen vor, der es den Mitgliedstaaten gestattet, Maßnahmen zu seinem Schutz zu ergreifen.

Ich möchte allerdings auf der Grundlage der mir zu britischen Fischereifahrzeugen von weniger als zehn Metern Läge vorliegenden Informationen feststellen, dass es Hinweise darauf gibt, dass dieser Sektor der Flotte in jüngster Vergangenheit eine Fangkapazität entwickelt hat, die weit über die ihm traditionell zugeteilten Fangmöglichkeiten hinausgeht. Die Lösung für dieses Problem liegt in den Händen der britischen Behörden.

 
  
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  Sharon Bowles (ALDE). – (EN) Ich denke, vieles ist so, wie ich es mir schon gedacht hatte. Aber vielleicht können Sie noch ein kleines Problem für mich lösen. Hin und wieder höre ich, dass der Kabeljau im Ärmelkanal offiziell nicht als dort heimischer Bestand anerkannt wird.

Wenn dem so ist, dann werden die Fischer von der englischen Südostküste noch verärgerter sein, wenn man ihnen sagt, dass sie keinen Kabeljau fangen dürfen, der theoretisch nicht existiert, obwohl er dort eigentlich reichlich vorhanden ist.

Könnten Sie dieses Problem bitte klären und mir sagen, inwiefern der im Ärmelkanal lebende Kabeljau in der jüngsten EU-Statistik berücksichtigt wurde? Mir ist klar, dass Sie diese Informationen möglicherweise nicht vorbereitet haben, und ich akzeptiere notfalls eine schriftliche Antwort.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Mir liegen die Zahlen jetzt nicht vor, aber ich werde das prüfen und Sie schriftlich informieren.

In Bezug auf Kabeljau möchte ich betonen, dass wir jetzt dabei sind, den Bestandserholungsplan für Kabeljau zu überarbeiten, der sich auch auf einen recht großen Teil der an das Vereinigte Königreich grenzenden Gewässer erstreckt.

Ich habe letzten Montag im Rat einen Vorschlag für einen neuen Bestandserholungsplan für Kabeljau vorgelegt. Dabei haben wir einen ersten Gedankenaustausch über diesen Plan durchgeführt, der sich auch auf die Irische See erstrecken soll.

Wir weiten den Geltungsbereich des Bestanderholungsplans für Kabeljau also aus. Wir versuchen allerdings, ihn genauer auf die konkreten Bedingungen der einzelnen Gewässer abzustimmen, damit in Teilen der Gemeinschaftsgewässer mit größeren Kabeljaubeständen bestimmte Maßnahmen ergriffen werden können. In anderen Teilen, in denen sich die Kabeljaubestände in einem wesentlich schlechteren Zustand befinden, müssen natürlich strengere Maßnahmen ergriffen werden, um den Beständen die Chance zu geben, sich zu erholen.

Die Kabeljaubestände sind generell in einem sehr schlechten Zustand. Ich glaube, sie gehören zu den Beständen mit der höchsten Sterblichkeit. Deshalb sind sehr energische Maßnahmen erforderlich, damit sich diese besonders gefährdeten Bestände erholen können.

 
  
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  Der Präsident. − Anfrage Nr. 66 von Seán Ó Neachtain (H-0183/08)

Betrifft: Stilllegungsprogramm für ein Drittel der irischen Weißfischflotte

Kann sich die Kommission umfassend dazu äußern, wie das 60 Millionen Euro teure Stilllegungsprogramm für ein Drittel der Weißfischflotte in Irland vorankommt?

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Ó Neachtain für seine Frage danken, die mir Gelegenheit gibt, auf das Problem der Stilllegung von Fischereifahrzeugen einzugehen.

Mit Schreiben vom 6. August 2007 informierten die irischen Behörden die Kommission über das staatliche Beihilfeprogramm im Rahmen der Anpassung des Fischereiaufwands. Das Programm sieht die Stilllegung von Fischereifahrzeugen, die im Segment der Mehrzweckschiffe oder der Baumkurrenfänger der irischen Flotte registriert sind und vorrangig für den Weißfischfang genutzt werden, vor, obwohl auch Fahrzeuge vorgesehen sind, die für die pelagische Fischerei und den Weichtierfang eingesetzt werden. Der nationale Gesamthaushalt für dieses Programm beläuft sich auf 66 Millionen Euro. Die Kommission hat das Programm am 13. November 2007 gemäß den Vorschriften für staatliche Beihilfe gebilligt. Das irische Programm sieht vor, dass bis 1. Oktober 2009 entsprechende Beihilfen gewährt werden können. Doch nach Auskunft der irischen Behörden können lediglich bis zum 30. April 2008 Anträge auf Beihilfe gestellt werden. Erst danach wird sich deutlicher abzeichnen, in welchem Umfang das Programm in Anspruch genommen wird.

Die Kommission begrüßt die von Irland ergriffene Initiative zur Verkleinerung ihrer Fischfangflotte, um den Druck auf die existierenden Fischbestände zu reduzieren. Die Anpassung der Fangkapazität an die Fangmöglichkeiten ist eine zentrale Säule der Gemeinsamen Fischereipolitik. Hinzu kommt, dass das irische Programm die Stilllegung jener Fischereifahrzeuge in den Vordergrund stellt, die für den Fang der gefährdeten Weißfischbestände genutzt werden, während es Schiffseignern, die sich bereits reduzierten Quoten, steigenden Kraftstoffkosten usw. gegenübersehen, die Möglichkeit bietet, den Sektor zu verlassen. Den verbleibenden Betreibern dürften sich damit attraktivere Renditen bieten.

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN). – (GA) Herr Präsident! Ich möchte dem Kommissar für seine Antwort danken und stimme ihm zu, dass es aufgrund unzureichender Fischbestände notwendig war und ist, Fischereifahrzeuge stillzulegen.

Ich wüsste jedoch gern, ob es seitens der Kommission Pläne oder Vorschläge gibt, die jenen, die ihre Arbeit im Fischereisektor verloren haben, Möglichkeiten bieten, um in einem anderen Beruf Fuß zu fassen oder vielleicht sogar eine ähnliche Tätigkeit aufzunehmen. Für diese Menschen, die ihr Leben auf See verbracht haben, gibt es wenig Hoffnung auf eine andere Beschäftigung.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) In Bezug auf die Besatzungsmitglieder der stillzulegenden Fischereifahrzeuge möchte ich zunächst einmal feststellen, dass laut dem Europäischen Fischereifonds Hilfen für die dauerhafte Einstellung der Fangtätigkeit in Verbindung mit Stilllegungen gestattet sind. Es bleibt jedoch dem betreffenden Mitgliedstaat überlassen, ob er diesen Ausgabenposten in sein operationelles Programm für den europäischen Fischereifonds aufnimmt. Soweit mir bekannt ist, vertritt Irland den Standpunkt, dass die Entschädigung für Besatzungsmitglieder aus dem staatlichen Sozialleistungsprogramm gezahlt wird.

Neben Beihilfen im Falle der dauerhaften Einstellung der Fangtätigkeit in Verbindung mit Stilllegungen sieht der Europäische Fischereifonds (EFF) aber auch die Möglichkeit sozioökonomischer Ausgleichszahlungen, der Diversifizierung, der Umschulung und des Vorruhestands vor. Es ist folglich möglich, im Rahmen des EFF Unterstützung für die Umschuldung von Besatzungsmitgliedern für die Tätigkeit in anderen, wenngleich verwandten Sektoren vorzusehen und Möglichkeiten zur Diversifizierung und der Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Sektoren zu schaffen. Ich möchte auch an dieser Stelle betonen, dass das operationelle Programm vom jeweiligen Mitgliedstaat zu erarbeiten ist.

Die Kommission billigt das operationelle Programm, vorausgesetzt es entspricht den Anforderungen des Europäischen Fischereifonds. Doch die eigentlichen Schwerpunkte, die betroffenen Bereiche sind von den Mitgliedstaaten festzulegen. Die Kommission hat nicht das Recht, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, für welche Möglichkeit sie sich entscheiden sollen. Solange sich die Vorschläge der Mitgliedstaaten im Rahmen der Ziele des Europäischen Fischereifonds halten, sind wir zufrieden.

 
  
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  Der Präsident. – Da der Fragesteller nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 67 hinfällig.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 68 von Ioannis Gklavakis (H-0221/08)

Betrifft: Schwere Verstöße gegen die GFP 2005

Nach Verordnung (EG) Nr. 1447/1999(1) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Kommission jährlich über aufgedeckte Verstöße gegen die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) und die verhängten Bußgelder zu unterrichten. Unlängst wurde von der Europäischen Kommission die sechste Mitteilung über Fälle von Verhaltensweisen, die schwere Verstöße gegen die Gemeinsame Fischereipolitik darstellen (KOM(2007)0448), veröffentlicht.

Aus der Mitteilung geht hervor, dass die Anzahl der Verstöße jedes Jahr ansteigt, während die Bußgelder, die EU-weit verhängt werden, rückläufig sind. Im Jahr 2005 wurden 8,1 % mehr Verstöße festgestellt, doch ging der Umfang der Sanktionen im Vergleich zu 2004 um fast 45 % zurück. Auch die extremen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sowohl im Hinblick auf die Verhängung von Bußgeldern als auch auf deren Höhe bestehen weiterhin.

Kann die Kommission mitteilen, ob die verschiedenen nationalen Systeme zur Verhängung von Sanktionen einen fairen Wettbewerb zwischen den europäischen Fischern gewährleisten? Hält es die Kommission für zweckmäßig, ein harmonisiertes System zur Verhängung von Sanktionen für Fälle schwerer Verstöße gegen die GFP ins Leben zu rufen? Wie könnte das Vertrauen der Fischer in eine faire Anwendung der GFP-Vorschriften gestärkt werden, damit die Regeln zur Erhaltung der Fischbestände respektiert werden?

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich möchte Herrn Gklavakis für die wichtige Frage danken, die er gestellt hat und die mir die Möglichkeit gibt, meinen Standpunkt in dieser bedeutenden Angelegenheit darzulegen und dabei auch die in diesem Bereich anstehende Reform anzusprechen.

Ich bin mir der signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Sanktionen bewusst, die die Mitgliedstaaten für schwere Verstöße verhängen und die anhaltende Mängel im derzeitigen Kontrollsystem zur Folge haben.

Wie Sie in Ihrer Frage ganz richtig feststellen, sind die von den Mitgliedstaaten verhängten Bußgelder nicht ausreichend abschreckend und stellen keinen wirklichen Anreiz zur Einhaltung der Auflagen dar. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben: Im Durchschnitt betrugen die 2005 in der Europäischen Union erhobenen Bußgelder weniger als 2 000 Euro und reichten von 98 Euro in einigen Mitgliedstaaten bis zu 8 876 Euro in anderen.

Ich möchte betonen, dass es laut Gemeinschaftsrecht Aufgabe der einzelstaatlichen Behörden ist, dafür zu sorgen, dass jeder schwere Verstoß gegen die Gemeinsame Fischereipolitik angemessen geahndet und erforderlichenfalls mit einer abschreckenden Strafe belegt wird. Die Hauptverantwortung dafür liegt bei den Mitgliedstaaten, die auch nach eigenem Ermessen über die Höhe und die Verhängung von Sanktionen wegen schwerer Verstöße gegen die Gemeinsame Fischereipolitik entscheiden. Die Kommission kann diesen Prozess lediglich beaufsichtigen und evaluieren.

Ich möchte Sie allerdings darüber informieren, dass die Kommission ausgehend von der Analyse der Jahresberichte der Mitgliedstaaten über schwere Verstöße der letzten Jahre und vor allem dem Bericht Nr. 7/2007 des Rechnungshofs beschlossen hat, eine Reform des Kontrollsystems der Gemeinsamen Fischereipolitik einzuleiten, mit der eine Vereinheitlichung der Sanktionen auf Gemeinschaftsebene zusammen mit einer eindeutigeren Definition schwerer Verstöße anvisiert wird, um so für Einheitlichkeit und Transparenz zu sorgen.

Ich bin überzeugt davon, dass diese neue, einfachere und effektivere Kontrollregelung gleiche Rahmenbedingungen zwischen den Fischern der Gemeinschaft schaffen wird, indem sie für eine bessere Einhaltung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik und eine Kultur der Rechtstreue sorgen wird.

 
  
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  Ιoannis Gklavakis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich bin mit Ihrer Antwort äußerst zufrieden. Ich freue mich, dass wir in allen EU-Mitgliedstaaten einen einheitlichen Ansatz verfolgen werden. Ich hoffe nur, dass dies für alle Sektoren gelten wird. Ich hoffe, dass Sie auch weiterhin an diesem Grundsatz festhalten. Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen: Je stärker die Meeresfischbestände abnehmen, desto konsequenter müssen wir sein, sonst gehen wir einer düsteren Zukunft entgegen.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich möchte Herrn Gklavakis für seine Ausführungen danken.

Ich möchte an die Abgeordneten appellieren, die Kommission in ihren Bemühungen zu unterstützen, damit wir ein gewisses Maß an Harmonisierung bei der Sanktionsregelung erzielen können.

Erst letzte Woche hatte ich einen ersten Meinungsaustausch im Rat zu einem verwandten Bereich, und zwar ging es dabei um die Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei. Im IUU-Vorschlag versuchen wir, die Bestimmungen – die Sanktionsregelung sozusagen – zu harmonisieren. Obwohl alle Mitgliedstaaten einstimmig der Ansicht sind, dass wir den illegalen Fischfang wirksam bekämpfen müssen, hatte ich bei der Diskussion über Details der Reichweite des Vorschlags, die Harmonisierung der Sanktionen und Maßnahmen zur Kontrolle der Einfuhr von illegal verarbeiteten Fischprodukten den Eindruck, dass man sich mehr oder weniger darin einig war, dass unsere Vorschläge zu problematisch sind.

Das werde ich natürlich in den kommenden Monaten gegenüber den Mitgliedstaaten ansprechen. Ich gehe davon aus, dass sich die Situation etwas schwieriger gestalten wird, wenn wir zur gesamten Kontrollregelung kommen werden – die auch die IUU beinhaltet. Ich hoffe, dass das Parlament dem neuen Kontrollvorschlag, zu dem es beabsichtigt, einen Bericht zu erarbeiten, den ich dem Kollegium dann hoffentlich noch in diesem Jahr zur Annahme vorlegen werde, seine volle Zustimmung geben wird.

 
  
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  Der Präsident. – Anfrage Nr. 69 wird schriftlich beantwortet.

Anfrage Nr. 70 von Giovanna Corda (H-0157/08)

Betrifft: Zunehmende Ausbreitung der Blauzungenkrankheit in Nordeuropa

Aus einer jüngsten Studie von zwei belgischen Universitäten geht hervor, dass ein hohes Risiko besteht, dass die Blauzungenkrankheit in Nordeuropa endemisch wird. Die Ausbreitung der Seuche hängt mit der Verschleppung des Überträgers und der Verstärkung der Virus-Stämme zusammen: Sollten daher nicht schon jetzt Sofortmaßnahmen im Hinblick auf die weitere Ausbreitung dieser Seuche getroffen werden?

Außerdem ist die Gesamtzahl der von der Seuche befallenen Rinder und Schafe allein in Belgien zwischen 2006 und 2007 von 695 auf 6 857 Tiere gestiegen: Kann die Kommission mitteilen, welche Maßnahmen sie in den Bereichen Anti-Virus-Forschung, Impfkampagnen und deren Finanzierung einzuleiten gedenkt?

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich danke der Frau Abgeordneten für die Frage. Die Kommission ist über die beispiellose Situation, die durch die Verbreitung der Blauzungenkrankheit in mehreren Mitgliedstaaten in den letzten Jahren entstanden ist, informiert und unternimmt gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit.

Auf einer Konferenz zum Thema Impfung gegen die Blauzungenkrankheit, die die Kommission im Januar einberufen hatte, wurde deutlich, dass die Impfung die wichtigste und wirksamste veterinärmedizinische Maßnahme zur Bekämpfung dieser Krankheit darstellt. Um einen harmonisierten EU-Ansatz herzustellen, hat die Kommission rasch Leitlinien und Kriterien für Impfpläne herausgegeben, die den Mitgliedstaaten die erforderliche Flexibilität bieten, um die Impfstrategie ihrer jeweiligen Situation anzupassen.

Danach nahm die Kommission eine Bewertung der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Pläne vor, billigte sie und bewilligte einen ersten finanziellen Beitrag in Höhe von bis zu 64 Millionen Euro von den für dieses Unterfangen insgesamt vorgesehenen 130 Millionen Euro. All diese Maßnahmen widerspiegeln die Bedeutung, die die Kommission der Impfung beimisst.

Ferner fördert die Gemeinschaft mehrere Forschungsprogramme im Zusammenhang mit der Blauzungenkrankheit. Im fünften und im sechsten Rahmenprogramm sind zwei spezifische Projekte zur Entwicklung einer sicheren und wirksamen Impfstrategie gegen das Blauzungenvirus vorgesehen. Der Beitrag der EU beläuft sich dabei auf 1,7 Millionen Euro bzw. 804 000 Euro. Diese Aktionen werden im siebten Rahmenprogramm fortgesetzt. Derzeit sind die Wissenschaftler jedoch nicht der Ansicht, dass die Anti-Virus-Forschung die durch diese Krankheit verursachten Verluste wirksam reduzieren würde.

 
  
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  Giovanna Corda (PSE). – (FR) Frau Kommissarin! Zunächst einmal weiß ich, dass ich die erste Person bin, die Ihnen heute eine mündliche Anfrage stellt. Möge Ihnen die Anwesenheit in diesem Hause ebensoviel Vergnügen bereiten wie mir. Soweit eine kleine Zwischenbemerkung.

Nun, Sie haben uns zwar ausführlich informiert, doch den jüngsten Datenerhebungen in den Benelux-Ländern und in Deutschland zufolge ist die Zahl der von dem Fieber infizierten Tiere innerhalb eines Jahres um das Fünfundzwanzigfache gestiegen, was enorm ist.

Ich möchte einen Fall in Belgien nennen, da ich dort ja auch arbeite. Fast 7000 Tiere sind befallen. Der finanzielle Schaden für die Landwirte ist infolgedessen erheblich.

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Wir glauben, dass sich die Krankheit 2008 in ganz Europa ausbreiten wird. Deshalb ergreift die Kommission sehr strenge Maßnahmen, um diese Ausbreitung einzudämmen, und wie ich bereits sagte, bietet die Impfung dafür beste Voraussetzungen. Wir haben hohe Beträge ausgegeben und werden hohe Beträge ausgeben, um die Mitgliedstaaten mit Impfstoffen und bei der Impfung zu unterstützen.

 
  
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  James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte an die Adresse der Frau Kommissarin Folgendes sagen: Die Blauzungenkrankheit hat sich rasch in der Europäischen Union ausgebreitet, und Sie sagten, die Impfung sei das beste Gegenmittel. Aber könnte die Kommission selbst zum jetzigen Zeitpunkt nicht prüfen, ob man Gebieten, die bisher noch nicht betroffen sind, gestatten könnte, Einfuhren von Tieren in ihre Region oder ihr Gebiet in Fällen zu verbieten, in denen die entsprechenden Herden nachweislich von der Krankheit befallen waren und dies auch bestätigt wurde? Das wäre doch nur vernünftig, damit nicht – auch nicht versehentlich – aus betroffenen Gebieten in bisher noch nicht betroffene Gebiete importiert wird, denn die Krankheit breitet sich rasch aus. Sie sagten, dass sei unvermeidlich, aber ich denke, wir sollten das tun.

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Bekanntlich haben wir etwas unternommen. Italien und Frankreich – und Portugal – hatten beispielsweise einseitige Maßnahmen ergriffen, um die Einfuhr betroffener Tiere zu verhindern. Im Ergebnis der zusätzlichen Maßnahmen ziehen beide Länder jetzt die einseitigen Maßnahmen, die sie in der Vergangenheit eingeleitet hatten, zurück. Wir beobachten die Situation sehr genau und werden weitere Schritte unternehmen, wenn wir dies für erforderlich halten.

 
  
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  Der Präsident. – Da sie dasselbe Thema betreffen, werden die folgenden Anfragen gemeinsam behandelt:

Anfrage Nr. 71 von Marian Harkin (H-0164/08)

Betrifft: Rindfleisch aus Brasilien

Welche Bedingungen müssen gegenwärtig erfüllt werden, um eine Genehmigung zur Einfuhr brasilianischen Rindfleischs in die EU zu erhalten?

Anfrage Nr. 72 von Brian Crowley (H-0177/08)

Betrifft: Brasilianisches Rindfleisch

Kann die Kommission eine umfassende Erklärung zum neuesten Stand hinsichtlich der erheblichen Beschränkungen der Einfuhren von brasilianischem Rindfleisch in die Europäische Union abgeben?

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Wie Sie wissen, verfolgt die EU seit einigen Jahren eine sehr effektive Einfuhrpolitik für brasilianisches Rindfleisch.

Für die EU bestimmtes brasilianisches Rindfleisch darf nur aus Gebieten eingeführt werden, die als frei von Maul- und Klauenseuche gelten. Derzeit befinden sich diese Gebiete in den folgenden sechs brasilianischen Bundesstaaten: Espírito Santo, Goiás, Mato Grosso, Minas Gerais, Rio Grande do Sul und Santa Catarina.

Rinder, deren Fleisch für den EU-Markt bestimmt ist, müssen für einen Zeitraum von mindestens 90 Tagen in einem zugelassenen Gebiet gehalten worden sein. Außerdem ist eine Haltung von mindestens 40 Tagen vor der Schlachtung in einem Betrieb vorgesehen.

Im Schlachthof dürfen die Rinder nicht mit anderen Tieren in Kontakt kommen, die die vorstehenden Bedingungen nicht erfüllen, und sie müssen vor der Schlachtung einer Gesundheitsinspektion unterzogen werden, wobei 24 Stunden vor der Schlachtung keine klinischen Krankheitssymptome feststellbar sein dürfen.

Es darf lediglich Frischfleisch in die EU eingeführt werden, wobei das Rindfleisch entbeint und gereift sein muss, um eine Deaktivierung des trotz aller erwähnter Maßnahmen gegebenenfalls noch vorhandenen MKS-Virus zu gewährleisten.

Bei Inspektionsbesuchen der Kommission im November 2007 wurden jedoch schwer wiegende Verstöße in Bezug auf die Registrierung von Haltungsbetrieben, die Kennzeichnung von Tieren und die Überwachung von Transporten festgestellt; außerdem wurden frühere Zusagen durch Brasilien, geeignete Abhilfemaßnahmen zu treffen, nicht eingehalten.

Folglich beschloss die Kommission im Januar dieses Jahres Maßnahmen, mit denen die Einfuhr von brasilianischem Rindfleisch auf Betriebe beschränkt wird, die eine Reihe zusätzlicher Auflagen erfüllen. Dazu zählen die umfassende Identifizierung und Registrierung aller Tiere im brasilianischen System für Rinder. Außerdem sind die Haltungsbetriebe der effektiven Kontrolle der brasilianischen Veterinärdienste zu unterstellen und durch die brasilianischen Behörden regelmäßig zu inspizieren.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE). – (EN) Ich möchte die Kommissarin ebenfalls begrüßen.

Vielleicht ist meine Frage ein wenig unfair, aber sie hat einen historischen Hintergrund. Von Ihrem Vorgänger, Kommissar Kyprianou, habe ich vor etwa sechs Monaten eine Antwort in Bezug auf den Bericht des Lebensmittel- und Veterinäramtes erhalten. Er stellte fest, dass die vorläufigen Schlussfolgerungen des Berichts eine sofortige Änderung der EU-Politik gegenüber Brasilien nicht rechtfertigten. Praktisch zwei oder drei Monate vor Verhängung des Verbots bestanden die Vertreter des Lebensmittel- und Veterinäramtes (FVO) im Ausschuss für Landwirtschaft und andernorts darauf, dass die Probleme nicht so schwer wiegend seien. Doch innerhalb von zwei oder drei Monaten wurde das Verbot verhängt, und jetzt importieren wir lediglich von einem Prozent der ursprünglichen Anzahl von Betrieben.

Ich habe folgende Frage: Sah sich das FVO erst durch den Bericht der Irish Farmers Association veranlasst, die Lage etwas eingehender zu prüfen, und war das Grund dafür, dass die Kommission gehandelt hat?

 
  
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  Brian Crowley (UEN). – (EN) Ich möchte der Kommissarin für ihre Antwort danken und sie zu ihrer ersten Fragestunde im Europäischen Parlament begrüßen. Sie sind offensichtlich sehr engagiert und erfreut über die Resonanz.

Meine Zusatzfrage betrifft die Tatsache, dass Sie in Ihrer Anhörung vor dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit hier im Parlament feststellten, dass die Lebensmittelsicherheit eines unserer Hauptanliegen ist, aber dass wir auch unseren Handelspartnern gegenüber fair sein müssen.

Ich glaube jedoch, dass wir nicht nur im Hinblick auf die Regelungen fair sein sollten, die für europäische Landwirte und Lebensmittelproduzenten gelten, sondern auch gegenüber denjenigen, die Lebensmittel in die Europäische Union einführen. Diesbezüglich sollten dieselben Regelungen gelten. Wie sollen wir garantieren, dass die Versorgung gesichert und die Lebensmittel sicher sind und denselben Standards entsprechen, die europäische Erzeuger erfüllen müssen, und zwar insbesondere im Hinblick auf brasilianisches Rindfleisch?

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Bei Besuchen von Vertretern der Kommission in Brasilien wurden Mängel in Bezug auf die Erfüllung der EU-Gesundheitsauflagen festgestellt. Von den brasilianischen Behörden selbst wurden Maßnahmen zur Behebung einiger dieser Mängel ergriffen.

Doch im Rahmen der Inspektion im November 2007 wurden Verstöße festgestellt, und zwar insbesondere in Bezug auf die Registrierung von Haltungsbetrieben, die Kennzeichnung von Tieren und die Überwachung von Transporten; außerdem wurden frühere Zusagen durch Brasilien, geeignete Abhilfemaßnahmen zu treffen, nicht eingehalten.

Folglich wurden, wie ich bereits sagte, zusätzliche Auflagen beschlossen, und im Moment sorgen wir dafür, dass die brasilianischen Zusagen wirklich eingehalten werden. Derzeit bieten Experten aus der Kommission den Inspektoren selbst Schulungsmaßnahmen an und sorgen gleichzeitig dafür, dass die entsprechend geschulten Inspektoren ihre Mitarbeiter in den Haltungsbetrieben schulen, damit gegenüber jedem Mitgliedstaat, der Rindfleisch aus Brasilien einführt, garantiert werden kann, dass die Einhaltung unserer Auflagen und Regelungen von gut qualifizierten Personen überwacht wird.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Frau Kommissarin! Herzlich willkommen. Ihre letzte Bemerkung beunruhigt mich ein wenig, denn irische bzw. europäische Landwirte machen bei Inspektionsbesuchen seitens der Kommission im Allgemeinen nicht die Erfahrung, dass ihnen unter die Arme gegriffen wird, sondern da geht es ums Inspizieren und Kontrollieren. Ich habe den Eindruck, dass die Brasilianer von unseren Beamten in der Kommission an die Hand genommen und unterstützt werden, damit sie die Standards erfüllen. Ich wünschte, das Gleiche träfe auf unsere eigenen Erzeuger zu.

Zweitens wüsste ich gern, was Brasilien tut, um sein Niveau anzuheben, und können Sie eine Rückkehr zum Umfang der früheren Rindfleischexporte nach Europa absehen, die Brasilien sicher anstrebt, und wenn ja, wann? Ich weiß, Sie sind neu in dieser Funktion, aber glauben Sie, die Standards der Brasilianer – sollten sie sie je erreichen – entsprechen unseren Standards, zumal nur eine Frist von jeweils 90 Tagen bzw. 40 Tagen vorgesehen ist? Wir markieren die Rinder von der Geburt bis zur Schlachtung.

 
  
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  Elspeth Attwooll (ALDE). – (EN) Auch von mir ein herzliches Willkommen, Frau Kommissarin. Ausgehend davon, was Sie über den jüngsten Bericht des Lebensmittel- und Veterinäramtes und die Probleme im Hinblick auf nicht gemeldete Krankheitsfälle, schwer wiegende Mängel in der Rückverfolgbarkeit und der Kennzeichnung – nachgerade systemische Mängel – und die Tatsache sagten, dass die brasilianischen Behörden nicht in der Lage waren, trotz der neuen, von Ihnen durchgeführten Maßnahmen Garantien zu bieten, erscheint es doch sicher recht unwahrscheinlich, dass die Regionalisierungspolitik für die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche in Brasilien überhaupt greift, und es ist fraglich, ob sie je erfolgreich umgesetzt werden kann. Ist das nicht unwahrscheinlich, Frau Kommissarin?

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Zunächst einmal möchte ich Ihnen versichern, dass die von uns festgelegten Auflagen dem zu exportierenden Produkt angemessen sind, und Mitarbeiter der Kommission führen jetzt auf Ersuchen der brasilianischen Partner Schulungen durch, damit diese die richtigen Kontrollen und Regelungen vorsehen können. Aber ich bin sicher, dass sie unseren eigenen Leuten eine entsprechende Unterstützung nicht verweigern würden. Wir versuchen, fair zu sein, und ich meine, dass es in allererster Linie um die Sicherheit unserer Produkte geht. Die Regionalisierung wird in Brasilien auf die gleiche Weise durchgeführt wie in der EU.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 73 von Avril Doyle (H-0166/08)

Betrifft: Vorschlag für Gesundheitsdienstleistungen

Kann die Kommission die Verzögerung bei der Veröffentlichung des Entwurfs eines Vorschlags für grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen erklären, und zwar angesichts der politischen Verpflichtung, Rechtsvorschriften gemäß den Urteilen des EuGH in diesem Bereich zu erlassen, und des Versprechens, das gegeben wurde, als die Gesundheitsdienstleistungen aus der Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG)1(2) ausgeklammert wurden?

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Verehrte Abgeordnete! Die Kommission ist fest entschlossen, auf den vom Parlament und vom Rat 2006 gefassten Beschluss, Gesundheitsdienstleistungen aus der Dienstleistungsrichtlinie auszuklammern und gesondert zu behandeln, zu reagieren.

Die Kommission beabsichtigt, einen Vorschlag vorzulegen, der die Urteile des Europäischen Gerichtshofs in diesem Bereich kodifizieren und damit die Rechte der Patienten in Bezug auf die Inanspruchnahme grenzüberschreitender Gesundheitsleistungen klären wird. Sie gedenkt ferner, flankierende Maßnahmen vorzuschlagen, um eine qualitativ hochwertige grenzüberschreitende gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten.

Bestimmte Bedenken, die in den letzten Monaten zu verschiedenen Aspekten dieser Angelegenheit geäußert wurden, hatten weitere Überlegungen und Konsultationen zur Folge. Derzeit prüft das Kollegium jedoch einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, die bis Ende 2008 angenommen werden soll.

Unser Ziel besteht darin, einen Vorschlag vorzulegen, der den Bürgern letztlich hilft, ihre ihnen vom Europäischen Gerichtshof zugesprochenen Rechte auszuüben, und nicht noch mehr Probleme zu schaffen. Im Mittelpunkt dieses Vorschlags werden die Rechte der Patienten und der verbesserte Zugang zur gesundheitlichen Versorgung stehen. Er wird Teil eines Sozialpakets sein, das in Zusammenarbeit mit Kommissar Špidla auf den Weg gebracht werden und den Zugang, die Chancen und die Solidarität für alle EU-Bürger verbessern soll.

Die Patienten werden der Dreh- und Angelpunkt dieser Initiative sein, die sich damit im Einklang mit dem bürgerorientierten Gesamtansatz der Kommission befindet.

Der Vorschlag wird keine neuen finanziellen Ansprüche für Patienten vorsehen. Die vom Gerichtshof festgelegten Patientenrechte beziehen sich auf finanzielle Ansprüche, die von den Mitgliedstaaten bereits definiert wurden. Der Vorschlag schafft lediglich einen Rahmen, damit die Patienten diese Rechte wirksam und mit größerer Rechtssicherheit, mehr Transparenz und besserer Kalkulierbarkeit ausüben können.

Und schließlich wird der Vorschlag auch die rechtliche und administrative Basis für eine bessere und erneuerte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in einigen zukunftsorientierten verwandten Bereichen schaffen, in denen europäischer Mehrwert und Synergien von entscheidender Bedeutung sein dürften.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Auch ich möchte Kommissarin Vassiliou hier zu ihrer ersten Fragestunde begrüßen. Es ist schön, sie hier zu haben. Vielen Dank für Ihre Antwort.

Die gesundheitliche Versorgung wurde aus sehr gutem Grund ursprünglich aus der Dienstleistungsrichtlinie ausgeklammert, weil wir nämlich eine Richtlinie für Gesundheitsdienstleistungen wollten. Wir haben schon viel zu lange gewartet. Ich weiß nicht, wie wir dieses ganz Hin und Her in der Kommission verstehen sollen. Gibt es Bedenken wegen zuviel Privatisierung? Wird befürchtet, dass wir die Gesundheitsdienste in den Mitgliedstaaten ruinieren? Es gibt bereits ein großes Kompetenzgefälle in diesem Bereich sowie unterschiedliche Standards, und die Patienten haben im Rahmen des Binnenmarktes, wie der EuGH entschied, das Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat behandeln zu lassen, wenn sie keinen vertretbaren Zugang zu einer entsprechenden Behandlung im eigenen Mitgliedstaat haben. Worauf ist die bisherige Verzögerung zurückzuführen, Frau Kommissarin?

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Vielleicht können Sie dazu nicht sofort etwas sagen, aber für eine Antwort zu einem späteren Zeitpunkt wäre ich Ihnen dankbar.

Im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag gab es Informationen, denen zufolge das Lager der Vertragsgegner in Irland behauptete, der Vertrag würde mit Nachdruck die Privatisierung der Gesundheitsversorgung und den Handel mit entsprechenden Leistungen fördern. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Punkt prüfen und mir Ihre Einschätzung dann mitteilen könnten.

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich kann Ihnen im Moment nur Eines sagen, dass wir nämlich fest entschlossen sind, Nägel mit Köpfen zu machen. Lassen Sie uns nicht über die Vergangenheit sprechen. Es gibt einen Beschluss, und ich kann Ihnen versichern, dass das Kollegium den Vorschlag im Juni auf dem Tisch haben wird. Bitte glauben Sie mir, dass es im Juni vorwärts gehen wird.

Was die Privatisierung betrifft, so gibt es diesbezüglich große Bedenken, aber meine Antwort lautet, dass diese Bedenken unbegründet sind. Im Mittelpunkt des Vorschlags stehen die Bedürfnisse der Patienten. Er gewährleistet, dass Patienten, die zur Behandlung in ein anderes Land reisen, sicher und gut versorgt werden. Er stellt auch klar, unter welchen Bedingungen Patienten Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine grenzüberschreitende Behandlung durch ihr nationales Gesundheitssystem oder den entsprechenden Leistungserbringer haben. Diese Bedingungen für die Erstattung sind nicht neu, sondern stellen eine Kodifizierung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs dar.

Dieser Vorschlag sieht keine Möglichkeiten für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen im Ausland vor, die der Gerichtshof nicht bereits durch seine Urteile vorgesehen hätte. Mit diesem Vorschlag soll ein klarer Rahmen für die Bereitstellung sicherer, hochwertiger und effizienter grenzüberschreitender Gesundheitsdienstleistungen in der Europäischen Union geschaffen werden. Das Ziel ist die Schaffung eines klaren Rahmens.

 
  
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  Der Präsident. – Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).

 
  
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  Der Präsident. – Die Fragestunde ist geschlossen.

(Die Sitzung wird um 20.00 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  

(1)1 ABl. L 167 vom 2.7.1999, S. 5.
(2)1 ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.

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