Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu dem Gipfel EU-Lateinamerika/Karibik.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Der Rat begrüßt das Interesse des Europäischen Parlaments an der Stärkung der strategischen Partnerschaft von Europäischer Union und Lateinamerika und der Karibik. Ebenso erfreut sind wir über die aktive Rolle, die das Parlament eingenommen hat, indem es konkrete Verpflichtungen gegenüber dieser Region angeregt hat, die den Bürgern auf beiden Seiten beachtliche Vorteile bringen würden.
Zunächst möchte ich Sie zur Schaffung der gemeinsamen Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika (EUROLAT) beglückwünschen, die eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es darum geht, die Bürger beider Seiten zusammenzubringen. Die Entschließungen, die EUROLAT bei seiner Tagung im Dezember angenommen hat, waren ein wertvoller und anregender Beitrag zu den Zielen, die die Staats- und Regierungschefs beider Seiten für das Gipfeltreffen festgelegt haben, das im kommenden Monat stattfinden soll. Ebenso freut es uns, Herr Präsident, dass Sie Ihr Interesse bekundet haben, am Gipfeltreffen EU-LAK im Mai teilzunehmen. So wird, durch Ihre Teilnahme, die begrüßenswerte Praxis fortgeführt, die beim Gipfeltreffen 2006 in Wien eingeführt wurde.
Die Europäische Union und die lateinamerikanischen und karibischen Staaten haben sich darauf verständigt, dass ihr Gipfeltreffen in Lima mit dem Titel „Addressing our People’s Priorities Together“ sich auf zwei entscheidende Kapitel konzentrieren wird. Erstens auf Armut, Ungleichheit und Ausgrenzung, drei der Themen, die die größten Herausforderungen für den sozialen Zusammenhalt darstellen. Und zweitens auf Umwelt, Klimawandel und Energie – zusammengefasst unter der Überschrift „Nachhaltige Entwicklung“. Bezüglich des ersten der beiden Kapitel – Armut, Ungleichheit und Ausgrenzung – möchte ich betonen, dass der soziale Zusammenhalt für die Europäische Union von herausragender Bedeutung ist und zudem ein Ziel darstellt, das mit alten europäischen Traditionen im Einklang steht. Der soziale Zusammenhalt beinhaltet alle drei, er beinhaltet den Kampf gegen Armut, gegen Ungleichheit und gegen Ausgrenzung. Alle drei Bestandteile sind unentwirrbar miteinander verknüpft. Wir sind mit den lateinamerikanischen und karibischen Ländern einer Meinung, dass unsere Zusammenarbeit in allen drei genannten Bereichen verstärkt werden muss. Daher möchten wir unsere Aufmerksamkeit auf die folgenden Themen richten: soziale Sicherheit, Steuerpolitik und ihre Wirksamkeit, produktive Investitionen für mehr Beschäftigung und bessere Arbeitsplätze, eine politische Maßnahme zur Bekämpfung jeglicher Form der Diskriminierung, sei sie sexueller, ethnischer, religiöser oder sonstiger Natur, die Verbesserung der sozialen Grundversorgung und der sozialen Sicherheitsnetze sowie der Bildungsqualität.
Ein wichtiger Aspekt des sozialen Fortschritts ist die Schaffung angemessener Arbeitsplätze. Bekanntlich enthalten alle Abkommen zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen Staaten und Regionen Artikel über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sozialpolitik sowie die Verpflichtung, die so genannten primären Arbeitsnormen der International Labour Organization zu beachten. Während der Vorbereitungen für das Gipfeltreffen von Lima haben sich beide Seiten darum bemüht, Wege zu finden, um Arbeitsplätze zu fördern, die dieser Beschreibung entsprechen, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen. Gleichzeitig hat der slowenische Ratsvorsitz von Beginn an betont, dass verstärkte Investitionen in die Bildung unerlässlich sind, insbesondere im Grund- und Berufsschulbereich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Länder sowohl in der Europäischen Union als auch in Lateinamerika und der Karibik zu verbessern.
Das zweite wichtige Kapitel des bevorstehenden Gipfeltreffens: nachhaltige Entwicklung und Umwelt, Klimawandel und Energie. Wir möchten betonen, dass die Armut mit diesen Themen eng verbunden ist. Der Klimawandel wird gravierende Folgen für unsere Volkswirtschaften, unser Wachstum und unsere Politik zur Bekämpfung der Armut haben. Wir wissen bereits, dass die besonders schutzbedürftigen Gruppen wahrscheinlich am stärksten leiden werden. In der Europäischen Union wie in den lateinamerikanischen und karibischen Staaten sind wir uns der Sicherheitsrisiken bewusst, die der Klimawandel mit sich bringen wird. Wir wissen, dass mangelndes Handeln zur Folge haben wird, dass die Auswirkungen weit schwerwiegender sein werden als die Kosten für vorbeugende Maßnahmen. Aus den aktuellen Gesprächen über die Erklärung, die beim Gipfeltreffen verabschiedet werden soll, ist klar ersichtlich, dass wir gemeinsam zahlreiche Aspekte der globalen Herausforderung ansprechen werden.
Wir werden gegenseitig Beispiele für nicht nachhaltige Produktion und nicht nachhaltigen Verbrauch austauschen müssen. Wir müssen Bestimmungen einführen für konkrete und dringliche Maßnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder und Ressourcennutzung, um so den Treibhausgasausstoß einzudämmen, Investitionen in CO2-arme Produktionsverfahren anzuregen, die biologische Vielfalt zu erhalten, für die Bewirtschaftung der Wasservorräte zu sorgen usw.
Selbstverständlich werden die Europäische Union und die lateinamerikanischen und karibischen Staaten der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auch im Rahmen der Vereinten Nationen einen hohen Stellenwert beimessen. Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angelangt und möchte Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit danken.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch ich möchte ebenso wie der Herr Minister dem Parlament dafür danken, dass es diesen Gipfel EU-Lateinamerika/Karibik auf die Tagesordnung seiner Plenartagung gesetzt hat. Es wird sich um das fünfte Treffen auf höchster Ebene zwischen unseren beiden Regionen seit Beginn unserer strategischen Partnerschaft auf dem Gipfel in Rio im Jahr 1999 handeln.
Der Gipfel von Lima wird ein besonderes Schwergewicht auf zwei spezifische Themen legen: erstens Bekämpfung der Armut, der Ungleichheit und der Ausgrenzung sowie zweitens Umwelt, Klimawandel und Energie. Der Gipfel findet unter sehr ermutigenden Rahmenbedingungen statt.
Die Region Lateinamerika/Karibik erlebt einen raschen Wandlungsprozess. Erstmals hat die Region in den letzten fünf Jahren einen durchschnittlichen Anstieg ihres Bruttoinlandsprodukts in der Größenordnung von 5 % zu verzeichnen. So sind die öffentlichen Haushaltsmittel gestiegen, und dies ermöglicht es der Region, die Risiken der noch ausgeprägten sozialen Ungleichheiten in Angriff zu nehmen. Es darf nicht vergessen werden, dass dort noch mehr als 200 Millionen Menschen in Armut leben. Zugleich gewinnt die Region auf internationaler Ebene an Bedeutung als Erzeuger von Agrarprodukten und von Biokraftstoffen.
Diese Entwicklungen vollziehen sich in einem politischen Umfeld zwischen Demokratie, die nach wie vor das am meisten verbreitete System in der Region ist, und einem zunehmendem Trend zum Populismus, ja in einigen Fällen zur Stärkung der Exekutive auf Kosten des Parlamentarismus und des Primats des Rechts.
Wie Sie wissen, ist Europa auf zahlreichen Ebenen aktiv. Es hat sich zusammen mit der Region dafür engagiert, diese strukturellen Probleme zu lösen. Europa ist nach wie vor der erste Geber auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe und der erste ausländische Arbeitgeber. Als zweitwichtigster Handelspartner der Region steht Europa an erster Stelle bei den Investitionen, die weit über denen Chinas liegen. Unsere globalen Assoziierungsabkommen mit Chile und Mexiko hatten eine beträchtliche Wirkung auf das Wachstum unseres Handelsaustauschs seit Beginn ihrer Umsetzung. Wir befinden uns derzeit in der dritten Verhandlungsrunde für den Abschluss von Assoziierungsabkommen mit der Andengemeinschaft und Mittelamerika, mit dem in Bälde zu rechnen sein wird. Wir setzen uns dafür ein, die regionale Integration zu fördern und zu unterstützen, indem wir die einschlägige positive Erfahrung Europas vermitteln.
Im gleichen Sinne verhandeln wir gegenwärtig mit dem Mercosur, um zu prüfen, wie ein Weg nach vorn aus der gegenwärtigen Situation gefunden werden kann. Wir haben unlängst eine strategische Partnerschaft mit Brasilien geschlossen, die in den Start eines ersten gemeinsamen Aktionsplans bis Ende dieses Jahres münden soll. Die Region der Karibik ist die erste und bislang einzige Region, die mit Erfolg ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Union im Rahmen des Abkommens von Cotonou abgeschlossen hat.
Wir werden natürlich auch weiterhin die Demokratie und die Menschenrechte in der gesamten Region unterstützen, sowohl mit Hilfe von Kooperationsprogrammen als auch gegebenenfalls und nur auf ausdrückliches Ersuchen durch die Entsendung von Wahlbeobachtungsmissionen.
Lassen Sie mich abschließend die Prioritäten für den Gipfel und für die nahe Zukunft nennen. Aufgrund ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche und politische Stabilität müssen der soziale Zusammenhalt und die regionale Integration sowie – aufgrund der starken Übereinstimmung der Werte zwischen beiden Regionen – der Multilateralismus die politischen Prioritäten der Partnerschaft EU-Lateinamerika/Karibik bleiben. Das Hauptziel der Europäischen Union für den Gipfel von Lima besteht darin, die bestehende strategische Partnerschaft zu festigen und auf zwei Ebenen voranzubringen: dem sozialen Zusammenhalt und der nachhaltigen Entwicklung, die von herausragender Bedeutung für unsere Beziehung zu der Region in naher Zukunft sind.
Was den sozialen Zusammenhalt betrifft, so hat die Europäische Kommission umfangreiche Hilfs- und Kooperationsprogramme für die Bekämpfung der Armut in der Region ins Leben gerufen. 40 % der Mittelausstattung in Höhe von 2,6 Milliarden Euro für Kooperation und Entwicklung in den nächsten sechs Jahren werden für die Lösung von Problemen im Zusammenhang mit dem sozialen Zusammenhalt aufgewandt.
Auf dem Gebiet der Umwelt und des Klimawandels wollen wir unsere Zusammenarbeit mit der Region verstärken, um uns dieser globalen Herausforderung zu stellen. Auf Initiative der Kommission wurde im März 2008 als Auftakt für den Gipfel von Lima der erste Dialog EU-Lateinamerika/Karibik zu Umweltfragen auf Ministerebene veranstaltet. Es gilt, die sich uns bietende Chance zu ergreifen, um zusammen mit unseren Partnern in der Region den bestehenden Zusammenhang zwischen nachhaltiger Entwicklung und Klimawandel zu bekräftigen, wenngleich die Aufmerksamkeit für die Probleme des Klimawandels trotz der negativen und vielfach dramatischen Konsequenzen der Klimaveränderungen für die Region in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern noch relativ wenig ausgeprägt ist.
Schließlich muss die Europäische Union die wichtige Rolle herausstellen, die sie nach wie vor bei der Förderung dieser regionalen Integration und ihrer positiven Wirkung auf die wirtschaftliche und politische Stabilität der Subregionen spielt.
Soweit die Informationen, die ich dem Parlament geben wollte, wobei ich selbstverständlich den nachfolgenden Redebeiträgen mit großem Interesse entgegensehe.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Über das rein Rhetorische hinaus erwartet das EP von der ambitiösen Entschließung, die morgen angenommen werden soll, dass wir von Worten zu Taten schreiten und die Agenda von Lima unterstützen, in der es um Armut, soziale Ausgrenzung, den Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen geht.
Herr Präsident, wir wollen auch die Vorbereitungen für die Assoziierungsabkommen – auf die wir vertrauen und an die wir glauben müssen – mit dem Mercorsur, der Andengemeinschaft und Mittelamerika intensivieren, um sie so bald wie möglich zum Abschluss zu bringen, konkret in dieser Legislaturperiode, damit das Haus seine obligatorische Zustimmung geben kann.
Wir möchten weiterhin unsere Solidarität mit all jenen zum Ausdruck bringen, die in Kolumbien entführt wurden, natürlich auch mit Ingrid Betancourt, und wir fordern erneut ihrer bedingungslose und sofortige Freilassung.
Herr Präsident, Lateinamerika hat eine Bevölkerung von 600 Millionen Menschen und erwirtschaftet 10 % des Bruttoinlandsprodukts der Welt, es ist die Heimat von 40 % der Pflanzenarten des Planeten und verfügt über eine Fülle außerordentlicher menschlicher Ressourcen.
Doch für die EU ist Lateinamerika nicht nur ein Markt, es ist ein Kontinent mit einer gemeinsamen Geschichte und gemeinsamen Werten, die sich, nicht ohne gewisse Schwierigkeiten, offenbar festigen, wenn auch nicht überall: Es sind Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.
Dies ist die Botschaft, die nach unserem Willen vom Europäischen Parlament ausgehen soll und die wir auf der Versammlung Europa-Lateinamerika nächste Woche in Lima wiederholen wollen: Wir streben nach der Errichtung einer wertebasierten, regionalen strategischen Partnerschaft, einer lebendigen und beseelten biregionalen strategischen Partnerschaft.
Herr Präsident, ich halte dies für eine wunderbare Möglichkeit, den Ratsvorsitzenden und den Kommissionspräsidenten zu ersuchen, alles in ihren Kräften Stehende zu tun. Das EP wird gewiss dafür sorgen, dass der Gipfel von Lima ein durchschlagender Erfolg wird, und Sie, Herr Präsident, werden Gelegenheit für eine klare und deutlich formulierte Botschaft im Namen des Hauses zum neuen Engagement der EU gegenüber Lateinamerika haben.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, verehrtes leeres Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich am 16. und 17. Mai die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der lateinamerikanischen Staaten in Lima treffen, dann haben sie die Chance für einen historischen Durchbruch, um im biregionalen Dialog zwischen Europa und Lateinamerika eine neue Dimension der Beziehungen zwischen diesen beiden Kontinenten zu entwickeln.
Ein Drittel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind die europäischen Staaten und die lateinamerikanischen Staaten. Alleine diese Zahl muss für die Europäer bedeuten, dass transatlantische Beziehungen mehr sind als die Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Transatlantische Beziehungen heißt vor allem Europa und Lateinamerika! In fast allen wichtigen Fragen, die wir in diesem Parlament diskutieren, teilen die lateinamerikanischen Staaten die Auffassungen der Europäischen Union!
In unserer Entschließung sprechen wir von unseren Vorstellungen von sozialer Kohäsion, integral geteilt von allen lateinamerikanischen Regierungen, seien sie rechts oder links geführt. Wir sprechen von den notwendigen Umwelt- und Klimamaßnahmen und stoßen auf große Resonanz auf der lateinamerikanischen Seite. Nebenbei bemerkt: Kein einziges klimapolitisches Ziel ist erreichbar, wenn wir beim Erreichen dieser Ziele nicht die Staaten Lateinamerikas auf unsere Seite ziehen.
Wenn wir über die Reform der internationalen Institutionen reden, über die Reform der Vereinten Nationen, über die Reform des Weltsicherheitsrates, wenn wir Europäer darüber diskutieren, dass multilaterale Politik die Lösung der Konflikte im 21. Jahrhundert bedeutet, stoßen wir bei allen lateinamerikanischen Partnern auf uneingeschränkte Zustimmung. Wenn wir darüber reden, dass die Finanzsysteme reformiert werden müssen, dass die internationalen Finanzmärkte kontrolliert werden müssen, finden wir nirgendwo mehr Verständnis als in Lateinamerika. Sprechen Sie einmal mit einem argentinischen Politiker, sei er rechts oder links, über das, was internationale Finanzpolitik in einem Land anrichten kann!
Wenn wir – wie gestern – über die Lebensmittelkrise reden und darüber, dass die Verknappung von Lebensmitteln und die Verknappung von Flächen, die für die Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung stehen, wegen der Nutzung für die Biomasse eine Folge der Umweltpolitik ist – sprechen Sie mit Brasilianern, sprechen Sie mit lateinamerikanischen Politikern; Sie werden dort die Probleme fokussiert finden. Die Verknappung der Lebensmittel, die zum Anstieg der Lebensmittelpreise führt, trifft uns und unsere Bürgerinnen und Bürger, aber erst recht die Menschen in lateinamerikanischen Staaten in ihrem Alltag. Nirgendwo findet Europa einen größeren Rückhalt, eine größere Resonanz bei der Lösung der aktuellen Probleme als in Lateinamerika.
In Wien, beim letzten Gipfel, hat Bundeskanzler Schüssel als damaliger Ratspräsident gesagt: „Es war schön, wir konnten jeder mit jedem reden!“ Toll! Das können wir uns in Lima nicht mehr leisten. Wir müssen mit dem Mercosur, mit der Andengemeinschaft, mit den zentralamerikanischen Staaten jetzt zu konkreten Vereinbarungen und zum Abschluss der Verhandlungen kommen!
Dabei will ich nicht verkennen, dass es viele Probleme gibt, die es zu lösen gilt, aber wir müssen sie ansprechen. Wie gehen wir mit Kuba um? Wollen wir diese Sanktionen noch länger fortführen? Die überwiegende Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union will diese zu nichts dienlichen Sanktionen aufheben. Es gibt einige, die wollen es nicht. Interessant ist: Unter denen, die es nicht wollen, sind einige Staaten, die dennoch ihre Wirtschaftsbeziehungen zu Kuba bilateral massiv ausbauen. Das wird man auf Dauer niemandem erklären können. Also machen wir Schluss mit dieser Politik und besinnen wir uns, dass Wandel durch Annäherung immer noch das bessere Konzept als die Isolation im Sinne von George W. Bush ist!
Natürlich hat José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra Recht, wenn er sagt, die FARC muss die Geiseln freilassen. Kolumbien ist ein Land, das von der Geißel des Terrorismus am stärksten betroffen ist, und Ingrid Betancourt muss freigelassen werden, so wie übrigens auch alle anderen Geiseln freigelassen werden müssen!
Die europäisch-lateinamerikanischen Beziehungen könnten ein Schlüssel in der Kooperation zweier großer Weltregionen sein. Die Welt friedlicher zu machen, ihre Institutionen ans 21. Jahrhundert anzupassen, die Umweltprobleme, die Nahrungsmittelprobleme, die Finanzkontrollen besser zu entwickeln – all das steht in Lima auf der Tagesordnung. Meine Fraktion legt größten Wert darauf, dass wir als Europäisches Parlament in der Zukunft dieser Politik einen höheren Stellenwert geben als wir das bisher getan haben.
Josu Ortuondo Larrea, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Eine Gemeinschaft wie Lateinamerika und die Karibik, deren Gesamtbevölkerung auf dem amerikanischen Kontinent der unserer Union gleichkommt und mit der wir in unseren Muttersprachen – Portugiesisch, Französisch, Spanisch usw. – sprechen können, verdient besondere Aufmerksamkeit und Behandlung durch die europäischen Institutionen.
Neben den historischen Banden einen uns christliche Wurzeln, Prinzipien, Werte und viele Interessen, und deshalb müssen wir uns weiterhin für die biregionale strategische Partnerschaft einsetzen, die schon auf den vier Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vor dem heute hier diskutierten Gipfel von Lima angekündigt wurde.
Das heißt, wir werden weiterhin die soziale, kulturelle und politische Annäherung zwischen unseren Gesellschaften betreiben, auch in Bezug auf Handel, Wirtschaft, Sicherheit, den Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltige Entwicklung.
Ich glaube auch, dass wir dieser Partnerschaft eine umfassende strategische Perspektive geben müssen, die im Gefolge der schon bestehenden Abkommen mit Mexiko und Chile so bald wie möglich zu Verhandlungen mit dem Mercosur, der Andengemeinschaft und Mittelamerika führen sollte und die uns auf der Grundlage einer multikulturellen Vision gestattet, eine globale interregionale Zone Europa-Lateinamerika als WTO-kompatibles Modell zu schaffen, das auf den freien Personenverkehr und die Möglichkeiten für einen freien Handel und regionalen Austausch gerichtet ist.
Hier muss Europa seinen Beitrag zur Diversifizierung und Modernisierung der Produktionsprozesse in Lateinamerika leisten, zu dem Pläne für den Technologietransfer und für den Aufbau von Kapazitäten gehören, und so das bestmögliche Umfeld für Investitionen in einem vergleichbaren Rahmen der Rechtssicherheit für die lateinamerikanische Integration und, als höchstes Ziel all dieser Aufgaben, für die Ausmerzung von Armut, Ungleichheit und Ausgrenzung schaffen.
Wir müssen die Finanzierungsinstrumente der Gemeinschaft für die Entwicklungszusammenarbeit, die Förderung der Demokratie und der Menschenrechte und andere Programme im Zusammenhang mit der Aus- und Weiterbildung sowie der technischen Zusammenarbeit, mit Gesundheit, Auswanderung usw. klug einsetzen.
Wir sollten einen biregionalen Solidaritätsfonds, ein Konfliktverhütungszentrum, eine Stiftung zur Förderung des Dialogs, eine Beobachtungsstelle zur Emigration einrichten und den Mercosur umgehend in die Parlamentarische Versammlung Europa-Lateinamerika aufnehmen.
Die Zukunft wartet nicht, Herr Präsident, und die Vereinigung beider Seiten des Atlantiks bildet die große Aufgabe des Westens im Kontext der Globalisierung und des 21. Jahrhunderts.
Inese Vaidere, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl man die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika als dynamisch bezeichnen könnte, ist unser Potenzial für eine Zusammenarbeit bei weitem nicht ausgeschöpft. Nun zu einigen praktischen Dingen: Lateinamerika ist im Allgemeinen reich an Energieressourcen, die Nachfrage wird jedoch steigen und die nötigen umfangreichen Investitionen erfordern. Gleiche Chancen für unsere Investitionen in den verschiedenen lateinamerikanischen Staaten – einschließlich der Länder, in denen Restriktionen festgelegt wurden –, gereichen beiden Seiten zum Vorteil. Die Europäische Union ihrerseits sollte im Bereich der Technologien für erneuerbare Energie ihre Unterstützung anbieten, da der Klimawandel uns alle angeht. Die Realität in den Ländern Lateinamerikas und der Karibikregion sieht so aus, dass die Vorteile der Demokratie bisweilen nicht die gesamte Gesellschaft erreichen. Es ist daher sehr wichtig, unsere Erfahrungen bei der Stärkung demokratischer Institutionen weiterzugeben. Eine stabile und sichere Region mit nachhaltiger sozioökonomischer Entwicklung liegt in unserem Interesse. Ein Übergang von Geberpolitik zu Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten Partnern ist sowohl das Ziel als auch das erhoffte Resultat unserer gemeinsamen Arbeit. Vielen Dank.
Raül Romeva i Rueda, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich das Haus daran erinnern, dass wir hier über einen Gipfel mit fragwürdigem Verlauf diskutieren, dessen Ergebnisse sicher nicht vorhersagbar sind. Niemand zweifelt meiner Meinung nach an der Bedeutung einer Verbesserung der Beziehungen zwischen zwei der am stärksten bevölkerten Regionen in der Welt, die große Fortschritte aufweisen, wie Europa und Lateinamerika.
Allerdings ist es auch eine Tatsache, zumindest im Moment und in Anbetracht der Ergebnisse vorangegangener Gipfeltreffen, dass dieser Prozess viele unbekannte Faktoren in sich birgt. Beispielsweise ist es bei aller Rethorik wahr, dass die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika, zumindest derzeit, bei der regionalen Integration oder der Bekämpfung der Armut in Lateinamerika wenig Erfolg brachten.
Wir alle wissen, dass es nicht leicht ist, konkrete Abkommen in einem so vielgestaltigen Forum mit solch einem breiten Spektrum politischer Ansichten wie auf dem Gipfel von Lima zu erreichen. Doch deshalb halte ich es für wichtig, die sozialen und politischen Bewegungen in der Region aufmerksam zu verfolgen, die nach Veränderungen der bislang bestehenden Mehrheiten auf dem amerikanischen Kontinent streben. Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um Präsident Lugo zu den in Paraguay erzielten Resultaten zu beglückwünschen, die ein Beispiel für die Tendenzen zum Wechsel sind, die wir gebührend beachten sollten.
Ich gebe zu, dass ich äußerst skeptisch bin hinsichtlich des Ergebnisses des Treffens der Staatschefs im Mai, soweit es über die Bekräftigung der drei bereits in der Vergangenheit eingegangenen Verpflichtungen, den Kampf gegen die Armut und für soziale Kohäsion und nachhaltige Entwicklung, hinausgeht.
Wie dem auch sei, ich glaube auch weiterhin, dass es wichtig ist, diese neue Chance nicht zu verpassen, wie es in der Vergangenheit geschehen ist. Insbesondere gibt es meines Erachtens zwei wesentliche Aspekte, die in die Diskussionen und ihre Schlussfolgerungen einbezogen werden sollten. Erstens müssen wir berücksichtigen, dass die Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika nicht nur umfassend, anspruchsvoll und ausgewogen sein sollten, sondern es ist von größter Bedeutung, dass sie einen Beitrag zu den Menschenrechten, den sozialen und wirtschaftlichen Rechten und zur beiderseitigen nachhaltigen Entwicklung sowie zum Abbau der Ungleichheiten der Völker leisten. Das heißt zweitens, dass die derzeitigen Asymmetrien zwischen beiden Regionen zu berücksichtigen sind, wobei es um ein ganz konkretes Ziel geht: Wir dürfen uns nicht weiter in die Richtung bewegen, die einige Seiten offenbar anstreben, nämlich hin zu einer amerikanischen Freihandelszone nach europäischem Muster.
Ich möchte den Gipfel ferner aufrufen, einen kürzlichen Appell dieses Hauses zum Kampf gegen den Mord an Frauen, gegen Feminizid, zur Kenntnis zu nehmen, denn ich halte diesen Kampf für eine der größten Herausforderungen in der heutigen Welt, auch in der betreffenden Region.
Weiterhin rufe ich die Organisatoren des Gipfeltreffens auf, in diesem Fall die peruanischen Behörden und insbesondere die in Lima, die Teilnahme der Zivilgesellschaft zu gewährleisten. Unter anderem bedeutet das, den Zivilorganisationen „Enlazando Alternativas“ den Raum und die Möglichkeiten zu geben, die sie für ihre Arbeit und die Debatten im Rahmen des Gipfels benötigen, und den so oft geforderten Dialog auch tatsächlich zu eröffnen.
Was schließlich Kolumbien betrifft, so müssen ganz dringend gewichtigere und, ich würde sagen, in einigen Fällen sogar drastische Maßnahmen durchgesetzt werden. Doch ich gehöre zu jenen, die der Ansicht sind – und es gibt viele, die so denken –, dass jede Aktion in diesem Zusammenhang der Beendigung des bewaffneten Konflikts auf dem Verhandlungsweg dienen muss. Ansonsten befürchte ich, dass es keine Lösung und keine positiven Resultate geben wird, besonders für jene nicht, deren unverzügliche Freilassung wir heute fordern, aber auch nicht für jene Gruppen, die jetzt infolge zahlreicher Faktoren, nicht nur durch Guerillagruppen, sondern auch durch andere Elemente, direkt bedroht und gefährdet sind.
Willy Meyer Pleite, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar, Herr Minister! Das 5. Gipfeltreffen hat fraglos eine konkrete Agenda und soll über soziale Ausgrenzung und Armut diskutieren.
Die Realität ist, meine Damen und Herren, dass die Bevölkerung nunmehr auf all die politischen Maßnahmen, durch die eine der reichsten Regionen auf dem Planeten verarmt ist, reagiert.
Die neue Haltung des Volkes von Paraguay bei seiner Wahl von Präsident Fernando Lugo ist der deutlichste Hinweis darauf vor Ort; die Menschen wenden sich gegen die neoliberale Politik, die diesen Kontinent verarmen ließ.
Die EU muss daher dieser Realität Rechnung tragen. Deshalb muss die Europäische Union, um dieser neuen Realität zu begegnen, einen neuen Standpunkt zur Republik Kuba einnehmen.
Herr Minister, im Juni werden wir Gelegenheit haben, die alte Politik des Ausnahmestatus der EU gegen die Republik Kuba aufzugeben, gegen das einzige Land in der ganzen Welt, mit dem die EU diesen Ausnahmestatus unterhält.
Tatsache ist, dass jetzt, in Anbetracht des Standes der bilateralen Beziehungen der Mitgliedstaaten zu Kuba, diese Position nicht mehr existiert, und so haben wir eine hervorragende Gelegenheit, uns der neuen, von Lateinamerika und der Karibik geschaffenen Realität anzuschließen.
Daher beabsichtigen wir, die gemeinsame Entschließung zu unterstützen, und ich bin der Ansicht, dass alle Fraktionen des EP einen großen Kompromiss geschlossen haben, um diese Einigung zu ermöglichen. Wir werden fraglos auf zwei Änderungsanträgen bestehen. Einer davon betrifft Kolumbien, da wir ebenso wie die Vereinten Nationen glauben, dass der Konflikt in Kolumbien durch vereinbarte politische Verhandlungen gelöst werden muss. Es gibt keine andere Lösung für den Konflikt. Hier sollten wir auch unseren Standpunkt zum Ausdruck bringen und fordern, dass die Zivilgesellschaft als Alternative zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Lima aktiv mitwirken muss.
Ebenso wollen wir die peruanische Regierung aufrufen, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, damit auch die Treffen der „Enlazando Alternativas“ der Zivilgesellschaft stattfinden können und dabei Kritiken und Alternativen zur Sprache kommen.
Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Kommissar Barroso befand sich kürzlich zu Werbezwecken in Irland. Er bedauerte, dass Präsident Bush während seiner achtjährigen Amtszeit 16 verschiedene Ratspräsidenten getroffen habe und lobte den Vertrag von Lissabon für die Schaffung eines gemeinsamen Präsidenten.
Wir verfolgen zurzeit im Fernsehen die Schlachten zwischen den Kandidaten der rivalisierenden Parteien, in einem Staat nach dem anderen, bis der amerikanische Präsident gewählt wird. Wie werden wir unseren Präsidenten bestimmen? Er wird nicht gewählt werden! Es wird keine Wahlkampagnen geben, die wir im Fernsehen verfolgen können, und keine Kandidaten, die wir in einer Vorwahl nominieren. Es gibt keine Personen, die zur Wahl stehen. In Europa überlassen wir es 27 Ministerpräsidenten, sich hinter verschlossenen Türen zu treffen und einen Politiker aus vergangenen Tagen zu bestimmen: Einen Politiker wie Tony Blair, der sich in seinem eigenen Land nicht mehr zur Wahl stellen kann, oder den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler, der in Österreich abgewählt wurde und ein Kompromisskandidat für Bundeskanzlerin Merkel, Premierminister Brown und Präsident Sarkozy sein könnte – die drei europäischen Staats- und Regierungsoberhäupter, die unser aller Präsident wählen werden.
Sie werden ein vertrauliches Treffen hinter geschlossenen Türen abhalten und den Präsidenten ernennen, den wir dann in die USA und nach Lateinamerika schicken werden. Unser nichtgewählter Präsident wird nach China und Russland reisen und das Scheitern ihrer Demokratie kritisieren. Er – eine Sie ist nicht vorgesehen – kann von einem Kommissionspräsidenten begleitet werden, der ebenfalls nicht gewählt wird, sowie von einem Außenminister, der seinerseits von einer überqualifizierten Mehrheit von 20 der 27 Staats- und Regierungschefs der „Union des Vertrags von Lissabon“ sorgfältig ausgewählt wird.
Die Demokratie wurde in Europa geboren, und zwar vor 2 500 Jahren in Griechenland. Wie kann ein Kommissionspräsident einen Vertrag rühmen, bei dem alle Führungspositionen hinter geschlossenen Türen vergeben werden und nicht durch die Entscheidung der Wähler? Zu viele Länder haben schon viel zu häufig Leute nach Brüssel geschickt, die sie zu Hause loswerden wollten.
Statt für einen Demokratiemangel im Vertrag von Lissabon sollten wir uns für ein Europa der Demokratien und ein demokratisches Europa entscheiden, in dem die Wähler diejenigen Personen wählen, die die europäischen Bürger bei Verhandlungen mit anderen Ländern vertreten werden.
Kommissar Barroso behauptete in Cork, der Vertrag von Lissabon werde die EU ihren Bürgern näher bringen. Nein, wird er nicht! Er wird die parlamentarische Demokratie in 49 neuen Gebieten auslöschen. Er wird uns Gesetze auferlegen und uns durch Menschen vertreten lassen, die wir größtenteils nicht selber wählen oder bestimmen können. Wir, die Gewählten, können uns zwar zur Außenpolitik äußern, aber niemand muss uns zuhören. Wir, die Gewählten, können den Nichtgewählten in der Kommission Vorschläge in Form von Änderungsanträgen schicken. Wir, die Gewählten, können für oder gegen Kommissar Barroso stimmen, wenn 20 von 27 Staats- und Regierungschefs ihn im Amt bestätigen. Das ist nicht das Demokratierezept, das wir in einer undemokratischen Welt vertreten sollten.
Herr Präsident, ich danke Ihnen, dass Sie mir in dieser Versammlung, die keineswegs die schlechteste Einrichtung in der EU ist, 29 Jahre lang die Äußerung sowohl kritischer, als auch konstruktiver Ansichten gestattet haben. Dies ist vielleicht meine letzte Aussprache mit der Kommission und dem Rat. Nach 29 Jahren überlasse ich diesen Sitz meiner Nachfolgerin Hanne Dahl, und während der bevorstehenden Spargelsaison im Mai werde ich schon kein Abgeordneter mehr sein. Auf Wiedersehen dem Spargel, dem Elsässer Wein, dem Münsterkäse und dem ungeheuerlichen Wanderzirkus zwischen Straßburg und Brüssel.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Das in Kürze stattfindende Gipfeltreffen Europäische Union-Lateinamerika/Karibik ist das 5. Treffen hochrangiger Repräsentanten aus beiden Regionen. Die Gipfelteilnehmer werden sich Themen zuwenden, die größte Aufmerksamkeit verdienen: Bekämpfung der Armut, Ungleichbehandlung und Diskriminierung, nachhaltige Entwicklung, Klimawandel, Umwelt und Energie.
In meiner Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende der Delegation in der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika möchte ich hier den Umweltbereich ansprechen, insbesondere das Thema Wasser. Ich habe ein Arbeitspapier für den Gipfel in Lima vorbereitet, das eine Analyse der aktuellen Situation dieser wichtigen natürlichen Ressource in der Europäischen Union enthält. In dem Arbeitspapier bewerte ich auch die Unterstützung, die die Europäische Union in Lateinamerika für wasserbezogene Probleme bereitstellt, und zwar in Form einer Studie, die auf zahlreiche Projekte im Rahmen dieser Hilfe eingeht, darunter in Bereichen wie Wasserversorgung und Abwasseraufbereitung, integriertes Management, Forschung, Überwachung und Verhütung von Naturkatastrophen.
Abschließend möchte ich die Notwendigkeit eines globalen Ansatzes für dieses Thema betonen, der institutionelle und legislative Änderungen und Innovationen im Wassersektor beinhalten sollte. Der Zugang zu sauberem Wasser und saubere Lösungen für die Abwasserentsorgung und -aufbereitung sind wichtige Voraussetzungen für die öffentliche Gesundheit.
Peter Liese (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich wünsche Herrn Bonde natürlich persönlich alles Gute. Aber ich finde es schon ein wenig schade, dass das, was er ja schon oft genug zu den Institutionen gesagt hat, ausgerechnet in dieser wichtigen Debatte zu Lateinamerika noch einmal gesagt werden sollte. Denn das Thema Lateinamerika ist an sich wichtig. Das zeigen auch die Zahlen, die Herr Schulz genannt hat: Ein Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen kommen in Lima zusammen. Sie repräsentieren eine Milliarde Menschen, und wenn wir uns einig sind, dann können wir gemeinsam die Welt positiv gestalten. Und angesichts der Globalisierung und der Herausforderungen, die wir z. B. in der Auseinandersetzung mit China oder auch anderen Ländern haben, ist es notwendig, dass Lateinamerika und Europa zusammenarbeiten.
Der Klimawandel wird ein wichtiges Thema sein, und es ist in den Entschließungen zu Recht gesagt worden, dass gerade die armen Menschen vom Klimawandel besonders betroffen sind. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, denn ich bin engagiert in einer kleinen NGO in Mittelamerika. Was die Menschen dort nach den Hurrikans Mitch und Stan erlitten haben, ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was wir erleben werden, wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen. Es ist gut, dass wir uns da an vielen Stellen einig sind.
An einigen Stellen sind wir uns noch nicht einig. Wir haben hier im Haus mit großer Mehrheit die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel angenommen. Herr Vizepräsident Barrot weiß das und hat sich auch sehr kritisch geäußert. Der Rest der Welt hat bei der ICAO versucht, dies zu blockieren, leider auch Lateinamerika. Ich finde, dass dies in Lima ein Thema sein muss. Wenn wir gemeinsam den Klimawandel bekämpfen wollen, dann müssen auch die lateinamerikanischen Staaten konstruktiv an diesem Thema mitarbeiten.
Zum Schluss noch ein Wort zu Kuba. Herr Schulz hat gesagt, wir sollten nicht die Bush-Politik verfolgen. Das haben wir aber auch nie getan. Es gab nie die Form von Sanktionen wirtschaftlicher Art, die die Menschen treffen, wie sie die Amerikaner durchgeführt haben. Aber wir haben in der Vergangenheit Wert darauf gelegt, dass unsere Partner, die demokratische Opposition, in dem Dialog vorkommen.
Oswaldo Payá und die Damas de Blanco haben den Sacharow-Preis bekommen, und wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn die Damas de Blanco ihn immer noch nicht entgegennehmen konnten und wenn – wie jetzt gerade am Wochenende – wieder einige von ihnen inhaftiert worden sind. Wir sollten unsere Partner im Dialog mit Kuba nicht vergessen.
Luis Yañez-Barnuevo García (PSE). – (ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich meine Unterstützung für den Vorsitzenden und Sprecher unserer Fraktion zu diesem Thema, Martin Schulz, zum Ausdruck bringen. Meiner Ansicht nach sind gerade die Beziehungen der EU zu Lateinamerika besonders wichtig und haben das größte Zukunftspotenzial angesichts ihrer hier schon erwähnten Dimensionen, unserer gemeinsamen Werte im multilateralen System der UNO und der Entwicklung Lateinamerikas, die ein Wirtschaftswachstum und einen Rückgang der Armut aufweist.
Sie alle sind demokratische Länder, mit Ausnahme von Kuba. Das Gipfeltreffen von Lima ist eine gute Gelegenheit für die anderen 49 Länder, die kubanische Regierung aufzufordern, einen friedlichen Prozess des Übergangs zur Demokratie auf der Grundlage des Dialogs in Gang zu setzen, und es ist eine großartige Chance, um eine wirkliche strategische und dauerhafte Allianz zu errichten.
Um schließlich nicht einigen eher typisch europäischen, romantischen Versuchungen in Bezug auf den Terrorismus oder auf Organisationen zu erliegen, die wie die FARC jetzt Droganhandelsguerillas und nicht die romantischen paramilitärischen Gruppen der Siebziger sind, könnten diese ebenfalls aufgefordert werden, ein für allemal einseitig und bedingungslos auf Gewalt zu verzichten.
Renate Weber (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin der Meinung, dass auch die Menschenrechte und die Frauenrechte einen großen Schwerpunkt im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika bilden sollten. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Situation in Nicaragua lenken. Das Verbot therapeutischer Abtreibungen, das 2006 per Gesetz verhängt wurde, hat schon jetzt tragische Folgen für die Gesundheit der Frauen mit sich gebracht, da alle Vergewaltigungsopfer, zum Beispiel ein neunjähriges Mädchen oder ein querschnittsgelähmtes zwölfjähriges Mädchen, gezwungen sind, ihre Kinder auszutragen, obwohl sie damit ihr eigenes Leben gefährden.
Anwälte und Menschenrechtsvertreter sehen sich zudem strafrechtlichen Ermittlungen wegen Anstiftung zu Straftaten ausgesetzt, nur weil sie dieses unmenschliche Gesetz in Frage gestellt oder Ärzte in Schutz genommen haben. Das ist nicht hinnehmbar, und die Europäische Union kann es sich nicht leisten, dazu zu schweigen.
Letzte Woche stimmte die Parlamentarische Versammlung des Europarats einer Entschließung über den Zugang zu sicheren und legalen Abtreibungen in Europa zu. Das heißt, dass wir uns in Europa über die Frauen Gedanken machen. Aber wenn wir unsere Bürger überzeugen wollen, dass die Menschenrechte Werte sind, die wir aufrichtig schätzen, müssen wir beweisen, dass wir im Hinblick auf Partner, mit denen wir in laufenden Verhandlungen über gemeinsame Vereinbarungen stehen, nicht mit zweierlei Maß messen.
Liam Aylward (UEN). – (EN) Herr Präsident! Die strategische Bedeutung der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union, Lateinamerika und der Karibik ist herausragend. Seit den 1960er Jahren haben die Europäische Union, Lateinamerika und die Karibik ihre politischen und wirtschaftlichen Verbindungen ausgebaut.
Die EU ist für diese Länder inzwischen der größte Geber, und sie ist der zweitgrößte Handelspartner Lateinamerikas und der Karibik. Ein großer Teil dieser EU-Gelder fließt in Projekte, die den sozialen Zusammenhalt fördern und die Armut bekämpfen. Gemeinsam arbeiten wir, als politische, demokratische Gremien, an einer Reihe von Themen, die für beide Seiten wichtig sind; dazu gehören: die wachsende Bedeutung von Energie- und Umweltfragen einschließlich des Klimawandels über die EU-Rio-Gruppe, Zusammenarbeit bei vielen Projekten zur Förderung der Konfliktlösung, der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie, der verantwortungsvollen Staatsführung und der Menschenrechte sowie die Herstellung stärkerer Verbindungen zwischen unseren beiden Gruppierungen im Bereich der tertiären Bildung.
Unsere politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verbindungen müssen weiter wachsen. Trotzdem gibt es zwischen uns immer noch große Unterschiede. Ich glaube, in Bezug auf brasilianische Rindfleischimporte hat die EU richtig entschieden. Alle Lebensmittelimporte in die Europäische Union sollten zukünftig zu jeder Zeit den gleichen, exakten Normen entsprechen, die auch für den europäischen Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor gelten. Es müssen zu jeder Zeit gleiche Bedingungen vorherrschen im Hinblick auf die Bestimmungen, die für EU-Lebensmittelimporte – unabhängig davon, woher sie stammen – und in der EU hergestellte Waren gelten.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte bereits bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen, von welch strategischer Bedeutung der Abschluss einer privilegierten Partnerschaft mit Lateinamerika für Europa angesichts der eindeutigen Übereinstimmung unserer Grundsätze, Werte, Kultur und Interessen ist.
In dem Bemühen, über die vielen redundanten Elemente, die in dem Entschließungsantrag enthalten sind, hinauszugehen, sollte meiner Ansicht nach auf dem bevorstehenden Treffen hervorgehoben werden, dass die beiden Kontinente ein Interesse daran haben, den Handelsaustausch von Ressourcen, Halbfertigerzeugnissen und Hochtechnologieerzeugnissen nach den Kriterien der Gegenseitigkeit zu verstärken, sodass kein unsymmetrisches Verhältnis entsteht, das letztlich anderen möglichen Handelspartnern Vorteile verschafft.
Dies würde meiner Meinung nach beiden Kontinenten nützen, nicht zuletzt, weil die europäische Strategie dem Thema nachhaltige Entwicklung unbestreitbar aufgeschlossener gegenüber steht als beispielsweise die der USA und Chinas. Zudem kann die große Erfahrung Europas im Bereich der sozialen Organisation und Entwicklung einen erheblichen zusätzlichen Nutzen für den bilateralen Handel bringen, woraus sich meines Erachtens zum Beispiel auch die Notwendigkeit ergibt, die Bemühungen um die Schaffung von EU-LAC zu intensivieren.
Alojz Peterle (PPE-DE). – (SL) Die Ereignisse, die im April und Mai auf Parlaments- und Regierungsebene in Lima stattfinden werden, müssen die südliche Dimension der transatlantischen Zusammenarbeit stärken. Für die Entwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union ist es unerlässlich, dass sie sich unter stabilen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen vollzieht. Daher ist es aus meiner Sicht von herausragender Bedeutung, dass wir angesichts der zahlreichen Ziele, die unsere Bemühungen begleiten, diese Bemühungen vorrangig auf zwei entscheidende Ziele richten. Erstens auf die Förderung eines nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums – es freut mich, dass Lateinamerika nun schon seit einigen Jahren wirtschaftliches Wachstum erfährt –, und zweitens auf die Vertiefung der regionalen und interregionalen Zusammenarbeit.
Ich denke, dass Lateinamerika zurzeit vor den gleichen Herausforderungen steht wie die Europäische Union während der ersten Jahre, in denen sie gemeinschaftlich zu handeln begann. Daher bin ich überzeugt, dass die Erfahrungen der Europäischen Union auch bei den Bemühungen des lateinamerikanischen Kontinents durchaus anwendbar wären, die regionale und interregionale Zusammenarbeit mit einer neuen Qualität zu versehen, einschließlich einer neuen Dynamik. Ich halte das Wort Dynamik für überaus angemessen – wir wissen, mit welchen Schwierigkeiten Mercosur anfangs zu kämpfen hatte und wohl immer noch zu kämpfen hat.
Meine Damen und Herren, ich hatte Gelegenheit, die schmelzenden Gletscher von Patagonien zu besichtigen. Das ist ein Vorgang, der auch im europäischen Norden wohlbekannt ist, und ich glaube, dass die Beschleunigung dieser Prozesse einige unvorhersehbare Entwicklungen und/oder Folgen mit sich bringen könnte, die eine weit intensivere Zusammenarbeit und beachtliche Solidarität erfordern. Deshalb hege ich die Hoffnung, dass sich das Gipfeltreffen in Lima auch mit solchen denkbaren Ereignissen befassen wird.
Manuel António dos Santos (PSE). – (PT) Herr Präsident! Die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika ist eine Erfolgsgeschichte. Mit der Gründung der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika, die ihr einen neuen Antrieb und einen neuen Impuls verleiht, besitzt diese Zusammenarbeit nun ihren eigenen speziellen Rahmen. Ich würde sagen, dass dies die erste Etappe der Integration der Abgeordneten Lateinamerikas und der Mitglieder dieses Hauses ist. Ich hoffe, dass das Europäische Parlament sich seiner Verantwortung stellen wird und die vorliegende Gemeinsame Erklärung billigt, damit sie als Leitfaden für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs dienen kann.
Ich habe nicht viel Zeit zur Verfügung, um meine Gedanken darzulegen. Deshalb beschränke ich mich darauf, die Ausführungen des Vorsitzenden meiner Fraktion, Martin Schulz, zu unterstreichen. Ich stimme ihm voll und ganz zu, möchte jedoch zwei kleine Anmerkungen dazu machen. Erstens: Europa hat eine besondere Verantwortung bei der Lösung des Problems in Kolumbien. Europa muss sich in der Frage Kolumbien voll engagieren und zur Stabilität dieses Landes beitragen; und es muss rasch eine Lösung zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kuba finden. Die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Situation macht keinen Sinn, wir müssen uns im Geiste des Fortschritts und der Zusammenarbeit vorwärtsbewegen.
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Lateinamerika und die Europäische Union haben durch ihre engen historischen, menschlichen und kulturellen Bande viele gemeinsame Prinzipien und Werte. Man kann sogar sagen, dass wir natürliche Partner sind.
Das Gipfeltreffen von Lima sollte unsere biregionale Partnerschaft mit Lateinamerika und der Karibik in allen Bereichen verbessern und die Einigkeit bei der Lösung globaler Aufgaben, vom Klimawandel bis zum Drogenhandel oder Terrorismus, fördern.
Eines der vorherrschenden Probleme in Lateinamerika ist die soziale Ungleichheit. Wir müssen den Ländern in dieser Frage helfen, und ich hoffe, dass die Agenda von Lima zur Ausmerzung der Armut anspruchsvoll ist, auch wenn sie den politischen Willen der betreffenden Regierungen natürlich nicht ersetzen kann.
Ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Armut ist das Wirtschaftswachstum, das durch Privatinvestitionen gefördert wird. Die Investitionen bedürfen jedoch eines stabilen Rechtsrahmens, und ich möchte, dass auf dem Gipfel von Lima eine Verpflichtung zur Rechtssicherheit abgegeben wird. Die ausländischen Investoren dürfen nicht aus Lateinamerika vertrieben werden, denn in diesem Zeitalter der Globalisierung werden sie keine Schwierigkeiten haben, andere Regionen für ihre Investitionen zu finden.
Um die biregionalen Beziehungen, einschließlich der wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen, zu stärken, gilt es, die Verhandlungen über die Partnerschaftsabkommen mit Mittelamerika und der Andengemeinschaft zu beschleunigen. Es ist zu hoffen, dass der Gipfel von Lima auch dazu beiträgt, die Verhandlungen mit dem Mercosur aus der Sackgasse herauszuführen. Die Abkommen mit Chile und Mexiko sollten als Impuls dienen. Da wir gerade beim Thema sind, muss ich sagen, dass man darüber nachdenken sollte, die Assoziation Mexikos mit der EU zum Status einer strategischen Partnerschaft aufzuwerten.
Um die Bindungen im menschlichen und Bildungsbereich zu vertiefen, meine Damen und Herren, hoffe ich auch, dass Lima zum so genannten gemeinsamen Raum der Hochschulbildung beitragen wird und dass wir weitere Fortschritte in der Zusammenarbeit zwischen Universitäten und bei der Anerkennung der Studien und der Abschlüsse erzielen.
Auf diesem Gipfel sollte auch die Stiftung Europa-Lateinamerika, eine Art Ideenschmiede für die Entwicklung der biregionalen Beziehungen, beschlossen und unserer Partnerschaft die so notwendige Visibilität verliehen werden, da man in Europa leider nicht viel von ihr weiß.
Schließlich hoffe ich, dass der Gipfel das Engagement für die pluralistische Demokratie und die Achtung der Menschenrechte in Übereinstimmung mit dem tief greifenden Gedanken der Menschenwürde erneuern wird, den wir auf beiden Seiten des Atlantiks unterstützen. Der Begriff des politischen Gefangenen, Herr Präsident, muss in Lateinamerika und in Kuba völlig verschwinden, und die Gewalt gegen Dissidenten muss eingestellt werden.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Gipfeltreffen der EU mit Lateinamerika und der Karibik spielen eine bedeutsame Rolle, wenn es darum geht, die Richtung der strategischen Partnerschaft zwischen beiden Regionen zu definieren und zu untermauern. Der bevorstehende Gipfel in Lima stellt erneut eine Gelegenheit dar, den Dialog beider Seiten über entscheidende Fragen zu vertiefen. Ich bin daher hocherfreut, dass der Gipfel sich vordringlich mit Themen beschäftigen wird, die unerlässlich für das weitere Wohlergehen unserer Gesellschaften und ein stabiles Wirtschaftswachstum sind.
Zum einen wird sich der Gipfel mit Fragen des sozialen Zusammenhalts befassen, insbesondere mit Themen wie Armut, Ungleichbehandlung, Diskriminierung und soziale Ausgrenzung. Ich weise darauf hin, dass im Jahr 2007 nach Schätzungen des UN-Wirtschaftsausschusses für Lateinamerika und die Karibik 36,5 % der dortigen Bevölkerung in Armut und 13,5 % in extremer Armut lebten. Diese Zahlen sind in den letzten Jahren etwas gesunken, dennoch bedarf die Problematik nach wie vor des Engagements vieler Partner. Zu diesen Partnern gehören auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Zum anderen sind Themen wie nachhaltige Entwicklung, Umweltschutz, Klimawandel und Energie Herausforderungen, die sich mehr und mehr auf die Funktionsweise beider Kontinente auswirken. Zweifellos brauchen wir deswegen gemeinsame Prioritäten und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, um effektiv auf die bevorstehenden Änderungen reagieren zu können. Im Vordergrund steht die Notwendigkeit, das Wirtschaftswachstum mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen. Das ist natürlich eine sehr schwierige Aufgabe, besonders im Falle von Entwicklungsländern und Volkswirtschaften im Übergang.
Auch darf man nicht vergessen, dass die Kooperation der EU mit Lateinamerika und der Karibik über die beiden Hauptthemenbereiche hinausgeht, die auf dem Gipfel in Lima zur Sprache kommen sollen.
Ich möchte außerdem darauf aufmerksam machen, dass die zweite ordentliche Sitzung der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika am Vorabend des Gipfels in Lima stattfinden soll. Die Einbeziehung des Europäischen Parlaments wird mit Sicherheit die strategische Partnerschaft zwischen unseren Regionen stärken. Daher erwarte ich die Ergebnisse und die Schlusserklärung des 5. EU-Lateinamerika/Karibik-Gipfels mit großer Spannung.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Es ist gut, dass auf dem EU-Lateinamerika/Karibik-Gipfel die Regierungen miteinander in das Gespräch über wichtige Fragen einsteigen. Malgorzata Handzlik hat es gerade angesprochen. Es ist wichtig, dass auch die Parlamente zunehmend in diesen interkontinentalen Dialog eingebunden werden und sich hier einbringen.
Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, dass vor allem die Menschen aus Süd- bzw. Lateinamerika und der Karibik und die Europäer stärker als bisher miteinander ins Gespräch kommen. Nicht nur als Geschäftsleute und nicht nur als Touristen, sondern vor allem die Jugend ist gefordert. Wir brauchen sie, damit wir hier tatsächlich bessere Beziehungen erreichen.
Wir haben auf der Ebene der Europäischen Union mit Studienaustauschprogrammen unter den Mitgliedstaaten exzellente Erfahrungen gemacht. Wir müssen dieses System auch im Verhältnis zu Lateinamerika und zur Karibik intensivieren.
Wir brauchen die jungen Leute, damit wir auch in Zukunft zukunftsträchtige und zukunftsfähige Lösungen für wichtige Fragen finden.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident! Lateinamerika ist ein Kontinent im Wandel, der sich unablässig vollzieht, und gerade in den letzten Monaten oder Wochen oder Tagen sind zwei wichtige Veränderungen eingetreten.
Zum einen ist da die Politik Kubas im Umgang mit seinen Bürgern in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht; zum anderen sind da die Wahlen in Paraguay, die offenbar eine völlig andere Regierung verheißen.
Wie haben der Rat und die Kommission auf diese Situation und diese Veränderungen reagiert? Wie haben sie diese Veränderungen und die Möglichkeit der Einflussnahme auf die beiden Länder in ihre Überlegungen einbezogen?
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Länder Lateinamerikas haben unter signifikanter Mitwirkung der Weltbank weitreichende Rentenreformen durchgeführt. In Anbetracht von Europas demografischer Krise sollten wir uns darüber klar werden, ob wir uns mit gesetzlichen Bestimmungen zufriedengeben, die einen relativ guten Kompromiss versprechen, trotz der Ungewissheit einer finanziellen Absicherung, die gewährleisten würde, dass diese Versprechen auch eingelöst werden können. Angesichts der diesbezüglichen unterschiedlichen Erfahrungen beider Kontinente wäre eine Zusammenarbeit bei der Suche nach Lösungen für dieses Problem vielleicht sinnvoll. Wir müssen einen Weg finden, älteren Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen, auch wenn sie oft nicht gesund sind und daher nicht weiterarbeiten können, und zwar trotz der Auswirkungen der demografischen Krise auf die Wirtschaft.
Emanuel Jardim Fernandes (PSE). – (PT) Die Parlamente Lateinamerikas und Europas sind wesentlich für den Erfolg dieses Gipfels. Sie sind auch wesentlich für die zwei großen Ziele, nämlich die Integration Lateinamerikas und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika auf der Grundlage der in diesem Haus vertretenen Werte und insbesondere jener Werte, die der Vorsitzende meiner Fraktion hervorgehoben hat.
Gleichwohl, Herr Präsident, möchte ich darüber hinaus noch einen weiteren Aspekt unterstreichen, und zwar dass diese Zusammenarbeit und ihre Wirksamkeit nicht nur für die beiden Kontinente Lateinamerika und Europa, sondern auch – wegen der Werte, für die diese beiden Gruppen in der Welt eintreten – für den globalen Kontext wichtig sind. Durch diese Zusammenarbeit können jene im Rahmen der Millenniumsziele, des Multilateralismus und der Verfolgung der Werte, von denen sich das europäische Aufbauwerk und das europäische Projekt leiten lassen, noch nicht erreichten Ergebnisse weltweit erzielt werden. Es ist dieser globale Aspekt, der nach meinem Dafürhalten ein größeres Engagement von uns allen, insbesondere seitens der Parlamente rechtfertigt.
Gabriela Creţu (PSE). – (RO) Die historischen, sozialen und politischen Bedingungen in Lateinamerika haben Frauen in eine in doppelter Hinsicht schwierige Situation gebracht: Einerseits tragen sie die Hauptverantwortung für die wirtschaftliche Produktion, besonders in ländlichen Gegenden.
Andererseits sind sie die bevorzugten Opfer von Zwangsumsiedlungen und Enteignungen, Menschenhandel, Gewalt, sexueller Ausbeutung und öffentlicher Kontrolle ihrer Fortpflanzungsfähigkeit.
Unter diesen Bedingungen ist es nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, einen geschlechtsspezifischen Zugang zu den aktuellen Problemen zu suchen. Aus diesem Grund bitten wir Sie, einen mündlichen Änderungsantrag zu unterstützen, der die Stärkung der Position der Frauen und die Achtung der Frauenrechte zum Gegenstand hat.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich habe der Aussprache über die Vorbereitungen des EU-LAK-Gipfels sehr aufmerksam gelauscht und bin überzeugt davon, dass sie bei der Vorbereitung und Durchführung des Gipfeltreffens eine große Hilfe sein wird. Herr Salafranca sagte, die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten müsse sich von Worten hin zu Taten bewegen. Ich kann dem nur beipflichten; allerdings würde ich behaupten, dass eben dies gerade geschieht. Die EU-LAK-Gipfeltreffen sind keine Veranstaltungen, bei denen nur hehre Worte zu hören sind und große Pläne verkündet werden, die niemals Wirklichkeit werden. Diese Treffen sind Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer Verpflichtungen eingehen, die tatsächlich eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige Punkte hinweisen. Der Bericht über die biregionale Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten, den der gemeinsame Vorsitz beim vorhergehenden, vierten Gipfeltreffen in Wien vorstellte, ist ein Beleg für die beachtlichen Fortschritte, die bei der tatsächlichen Umsetzung der getroffenen Verpflichtungen bereits erzielt wurden. Ich möchte auch die fast 400 biregionalen Maßnahmen für die Umsetzung der in Guadalajara getroffenen Verpflichtungen erwähnen, sowie die neue Liste, die bezüglich der Umsetzung der beim Gipfeltreffen 2006 in Wien getroffenen Verpflichtungen erstellt worden ist. Wir hoffen, durch den Lima-Gipfel einen weiteren Schritt hin zur Annahme und Umsetzung der getroffenen Verpflichtungen vollziehen zu können.
Einige Abgeordnete des Europäischen Parlaments, darunter Herr Schulz, Herr Meyer-Pleite, Herr Liese, Herr dos Santos und viele andere, die ich leider nicht alle erwähnen kann, haben die Kubafrage angesprochen. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Lima-Gipfel kein Gipfeltreffen EU-Kuba sein wird, noch wird er ein Gipfeltreffen über Kuba ein. Da hierzu jedoch so zahlreiche Meinungen geäußert wurden, möchte ich noch einige wichtige Anmerkungen machen.
Bis auf weiteres wird die Kubapolitik der Europäischen Union sowie des Rates der Europäischen Union und des EU-Ratsvorsitzes durch die folgenden Dokumente geregelt: die gemeinsame Plattform der Europäischen Union für 2006 und die Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ vom vergangenen Jahr. Diese beiden Dokumente stellen die grundlegenden Leitsätze für alle Mitgliedstaaten und ihre Haltung gegenüber Kuba dar, sowie für ihre Gespräche über Kuba mit Drittländern. Ich möchte hinzufügen, dass die Menschenrechte den Kern der Kubapolitik der Europäischen Union bilden.
Die Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ im Juni wird eine weitere Gelegenheit für Gespräche über Kuba bieten. Ich möchte anmerken, dass die slowenische Präsidentschaft sich darum bemüht, bei dieser Tagung eine neue gemeinsame Plattform zu verabschieden. Wir hoffen, dass unsere Bemühungen erfolgreich verlaufen. Dies wird jedoch, wie ich bereits erwähnt habe, kein Thema der Gespräche beim Lima-Gipfel in Mai sein. Dabei handelt es sich um ein Treffen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten insgesamt.
Abschließend möchte ich anmerken, dass es die slowenische Präsidentschaft gern sehen würde, wenn vom Gipfeltreffen weitere Impulse ausgehen oder, um mit den Worten von Herrn dos Santos zu sprechen, den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten eine neue Dynamik verliehen wird. Ich bin überzeugt, dass das Europäische Parlament mit Aussprachen wie dieser zur Erreichung dieses Ziels beitragen kann.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident, Herr Salafranca! Die Kommission hat, wie ich zu Recht sagen kann, alle Anstrengungen unternommen, damit dieser Gipfel wirklich zu einem Erfolg wird. Wie Herr Schulz anmerkte und auch der Herr Minister feststellte, muss Lima wirklich die Möglichkeit eröffnen, unseren lateinamerikanisch-europäischen Beziehungen einen starken Impuls zu verleihen.
Es gibt ja – wie viele von Ihnen, so auch Herr Schulz, unterstrichen haben – zahlreiche gemeinsame Werte; es gibt ein gemeinsames Bekenntnis zum Multilateralismus, und es besteht unbestreitbar die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen der Europäischen Union und den Ländern Lateinamerikas, wenn wir uns für eine bessere Weltordnung stark machen wollen. Wenn wir Reformen in den wichtigsten internationalen Institutionen anstreben, so wird uns dies nur durch eine weit reichende Übereinkunft zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union gelingen. Mit keiner anderen Region der Welt arbeiten wir auf multilateraler Ebene so eng zusammen wie mit Lateinamerika.
Lassen Sie mich nun kurz auf einige Fragen antworten, Herr Präsident. Zunächst zu den Geiseln: Natürlich hat die Kommission stets alle Bemühungen um ein humanitäres Abkommen für die Befreiung aller Geiseln unterstützt. Und die Kommission widmet selbstverständlich allen Redebeiträgen, die dieses Problem aufgegriffen haben, große Aufmerksamkeit.
Nun noch ein Wort zu Kuba. Gewiss wird, wie der Herr Minister gesagt hat, Kuba nicht die zentrale Frage dieses Treffens in Lima sein, jedoch möchte ich sagen, dass die Politik der Europäischen Union eine Politik des konstruktiven Engagements ist. Wir unterstützen keine Politik, die auf Isolation oder Sanktionen gerichtet ist. Unser Kommissar Louis Michel war unlängst in Kuba. Wir sind bereit, mit Kuba in Bereichen von gemeinsamem Interesse zusammenzuarbeiten, aber natürlich ist die Frage der Achtung der Menschenrechte Teil unseres Dialogs mit Kuba.
Bei den Assoziierungsabkommen wollen wir ebenfalls vorankommen. Wir bemühen uns um Fortschritte mit dem Mercosur. Auch mit der Andengemeinschaft streben wir einen Abschluss im Jahr 2009 an.
Ich möchte nun auf einige Fragen eingehen, die in dieser äußerst interessanten Debatte angeschnitten wurden. Der von Frau Belohorská angesprochene Zugang zu Wasser ist eine sehr wichtige Frage, und dieses Problem ist in dem Entwurf für die Erklärung des Gipfels von Lima enthalten. Die Kommission unterstützt in mehreren Ländern Projekte und Programme zur Erleichterung des Zugangs zu Wasser.
Angesprochen wurde auch das Problem der Einbindung der Zivilgesellschaft. Ich möchte dazu sagen, dass zwei Veranstaltungen im Vorfeld des Gipfels von Lima geplant sind, die von der Zivilgesellschaft organisiert werden: die Konferenz der organisierten Zivilgesellschaft (ESOSOC) und die Konferenz der NRO/nicht organisierte Gesellschaften. Die Kommission hat finanzielle Unterstützung für die Durchführung dieser Konferenzen gewährt, die Gegenstand eines Berichts an den Gipfel von Lima sein werden.
Es wurde auch das Problem der Nahrungsmittelpreise angeschnitten, denn der Anstieg der Nahrungsmittelpreise wird zweifellos auch Auswirkungen in Lateinamerika haben, wo mehr als ein Drittel der Bevölkerung bereits in Armut lebt. In einigen Ländern wie El Salvador ist die Bevölkerung stark von Nahrungsmitteln abhängig. Natürlich wird dieser Anstieg der Lebensmittelpreise die bereits sehr hilfsbedürftige Bevölkerung stark treffen. Und um dieses Problem rankt sich selbstverständlich auch die Frage der Strategie auf dem Gebiet der Biokraftstoffe. Das ist eine heikle Frage, die sicher Diskussionsgegenstand sein wird.
Auch auf die Stellung der Frauen in Lateinamerika wurde eingegangen. Die Kommission ist sehr besorgt über die Situation in Lateinamerika, speziell in Mexiko und in Guatemala. Wir sind uns der Lage wohl bewusst und sind bemüht, dieses Problem zu bekämpfen. Wir danken dem Europäischen Parlament für seine Arbeit zu diesem Thema.
Meine Antworten sind nicht erschöpfend, Herr Präsident, meine Damen und Herren, aber die Debatte war sehr fruchtbar und wird sicher zum besseren Verständnis des Gipfels von Lima beitragen. Abschließend sei gesagt, dass dieser Gipfel es uns ermöglichen soll, den Dialog mit der Region zu verstärken und unser Wirken besonders mit Blick auf die großen internationalen Ereignisse in Umweltfragen besser zu koordinieren. Er ist für uns auch Gelegenheit, zu prüfen, wie wir die demokratischen Antworten auf die strukturellen Probleme im Zusammenhang mit dem sozialen Zusammenhalt unterstützen können. Unbestreitbar müssen die europäischen Institutionen ihre Anstrengungen koordinieren, um ihren Ansatz zu differenzieren und an die Probleme der jeweiligen Staaten der Region anzupassen.
Abschließend möchte ich die Aktion von Eurolat würdigen. Eurolat, die Parlamentarische Versammlung Europa-Lateinamerika, wurde nach dem Gipfel von Wien im Jahr 2006 ins Leben gerufen; sie hat bereits einen wertvollen Beitrag zur Kooperation mit der Region geleistet und zugleich auf beiden Seiten diesen demokratischen Willen gestärkt. In diesem Zusammenhang sind wir überzeugt, dass das Europäische Parlament dank der besonderen Bindungen zu der Region über Eurolat entscheidend dazu beitragen wird, dass die Assoziierung zwischen der Europäischen Union und den Ländern der Region eine immer wichtigere strategische Rolle spielen kann.
Ich möchte nochmals allen Abgeordneten danken, die das Wort ergriffen und Erhellendes zur Vorbereitung dieses Gipfels von Lima gesagt haben.
Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 24. April 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Gyula Hegyi (PSE), schriftlich. – (HU) Nicht ohne Grund bezeichnet man die lateinamerikanischen Regenwälder als die Lungen der Welt. Unser Klima und mit ihm unsere Zukunft hängen davon ab, wie gut es uns gelingt, das ursprüngliche Ausmaß dieser Leben spendenden Regenwälder in Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Venezuela und anderen südamerikanischen Ländern mit ihrer biologischen Vielfalt und ihrem Reichtum an Fauna und Flora zu erhalten. Daher ist es wichtig, dass der Umweltschutz und eine angemessene Klimapolitik in der Zusammenarbeit von Europäischer Union und den lateinamerikanischen Ländern erhöhte Aufmerksamkeit erhalten. Unersättliche Profitgier, das Abholzen der Regenwälder und der Anbau von Kulturen für die Herstellung von Biokraftstoffen widersprechen den fundamentalen Interessen der Menschheit. Daher müssen wir unsere lateinamerikanischen Freunde dazu bewegen, dieses zerstörerische Handeln zu beenden. Der beste Weg, diese ursprünglichen Schätze der Natur zu schützen, ohne das Leben der Ureinwohner aus dem Gleichgewicht zu bringen, besteht darin, ihnen ihr Land zu belassen, damit sie weiter an ihrer traditionellen Lebensweise festhalten können. Ein wesentlicher Punkt unserer Entwicklungs- und Förderpolitik muss sein, die Umweltschutzanforderungen gemeinsam aufrechtzuerhalten.
3. Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten im Bereich der Visumfreiheit (Aussprache)
Der Präsident.− Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten im Bereich der Visumfreiheit.
Dragutin Mate, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte Ihnen in aller Kürze von den Fortschritten bei den Verhandlungen über die Visafreiheit und den Gesprächen zum ESTA berichten. Zunächst möchte ich betonen, dass die Visapolitik für die Europäische Union ein überaus wichtiges Thema ist, und dass sich die Kommission und sämtliche Präsidentschaften seit dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union intensiv darum bemüht haben, allen Ländern und Bürgern die Einreise in die Vereinigten Staaten von Amerika zu den gleichen Bedingungen zu ermöglichen, d. h. dass sie alle am Programm zur Aufhebung der Visumspflicht beteiligt würden. Die Aufhebung der Visumspflicht würde natürlich bedeuten, dass alle Bürger der Europäischen Union gleichberechtigt sind.
In diesem Jahr haben die USA mit bestimmten Verfahren begonnen und ihre Tore für das Programm zur Aufhebung der Visumspflicht geöffnet. Sie haben mit ausschließlich bilateralen Gesprächen begonnen, und das ist der Punkt, an dem es zu Missverständnissen gekommen ist. Es wurden einige intensive Gespräche geführt, die wir, der Ratsvorsitz, gemeinsam mit der Kommission zu Beginn des Jahres klären konnten, und im Anschluss an einige Treffen verständigten wir uns auf ein zweigleisiges System der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Dieser Ansatz wurde auch beim Treffen EU-USA des Trios bestätigt, das am 12. März in Slowenien stattfand.
Zweigleisiges System heißt, dass die Kommission ein Mandat erhalten soll, mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen im Zusammenhang mit Angelegenheiten, die die Europäische Union betreffen, auszuhandeln. Gleichzeitig können jedoch alle Länder Gespräche auf bilateraler Ebene über Angelegenheiten führen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Am 18. April, bei seiner letzten Tagung, sprach sich auch der Rat der Justiz- und Innenminister dafür aus, der Kommission ein Mandat zu erteilen, so dass auch die Kommission nun solche Gespräche beginnen kann. Wir hoffen, dass diese zweigleisige Zusammenarbeit transparent sein wird. Einige Mitgliedstaaten haben schon mit bilateralen Vorgesprächen darüber begonnen, wie diese Abkommen auszusehen haben, wenngleich bislang nichts Schriftliches dazu vorliegt. Wir erwarten, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission transparent agieren werden, so dass wir dann auf dieser Ebene handlungsfähig sind.
Indem ich auf das System zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen zu sprechen komme, muss ich erwähnen, dass es dazu zahlreiche Gespräche gegeben hat. Gemeinsam mit der Kommission und der amerikanischen Seite haben wir so genannte Sondierungsgespräche geführt. Aus den bislang verfügbaren Informationen geht klar hervor, dass die Vereinigten Staaten von Amerika gegenwärtig keine zusätzlichen Daten verlangen werden außer denen, die Fluggäste schon heute freiwillig zur Verfügung stellen, wenn sie das Formular I-94 ausfüllen, das für Länder, die über ein Visasystem verfügen, grün ist. Das ist überaus wichtig.
Bei den aktuellen Gesprächen haben wir auch dafür gesorgt und uns darauf verständigt, dass diese Kontrollen gebührenfrei sein werden und dass die Bewilligung, wenn sie einmal erteilt wurde, für zwei Jahre gelten soll. Tatsächlich würden die Bürger, wenn dieses System einmal in Kraft ist, ihre Angaben über das Internet an die US-amerikanischen Behörden übermitteln, die diese künftig auf die gleiche Weise verarbeiten würden wie heute.
Ein weiteres Thema verdient besondere Erwähnung, und zwar die Gespräche mit den USA über eine hochrangige Expertengruppe für den Schutz persönlicher Daten. Bislang haben wir uns auf zwölf Grundsätze verständigen können, und wir haben festgestellt, dass diese übereinstimmend sind. Ein Grundsatz ist noch offen. Ich hoffe, dass wir bis Ende Juni einen Punkt erreichen werden, an dem wir zu dem Schluss kommen werden, dass eine Fortführung der Gespräche möglich ist, und wir der Gruppe ein neues Mandat erteilen können, um die Vorbereitungen für Gespräche über die Möglichkeit einleiten zu können, mit den Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet ein Rahmenabkommen zu erzielen.
Warum benötigen wir dieses Rahmenabkommen? Erstens möchten wir uns an die Entschließungen halten, die das Europäische Parlament im Dezember des vergangenen Jahres angenommen hat, in denen zum Ausdruck kam, dass ein solches Abkommen wünschenswert sei. Natürlich glauben wir, dass die Möglichkeit, Verhandlungen zu führen und in einem solchen Rahmenabkommen eine Einigung zu erzielen nur dann gegeben ist, wenn wir dabei die Grundsätze einhalten und der Vertrag von Lissabon verabschiedet wurde, das heißt gemeinsam mit dem Parlament, dem Rat und der Kommission. Nur ein Konsens aller drei Organe wird es uns ermöglichen, gemeinsame Grundsätze und die gemeinsamen Handlungsgrundsätze festzulegen. Gleichzeitig werden wir natürlich, wenn ein solches Rahmenabkommen einmal existiert, über den Austausch weiterer Informationen jeweils von Fall zu Fall entscheiden. Dieses Abkommen wird nicht alles abdecken können, was sich zukünftig ergibt. Gegenwärtig verhält es sich so, dass bei jedem Abkommen diese Grundsätze erneut thematisiert und verhandelt werden. Würden wir über solche gemeinsamen Grundsätze verfügen, die uns eine Grundlage verschaffen, stünden die jeweiligen Abkommen und Verträge natürlich auf einem wesentlich besseren Fundament. Herr Präsident, das ist alles, was ich in aller Kürze mitzuteilen hatte.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Minister, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Ministertroika EU-USA „Recht, Freiheit und Sicherheit“, an der Herr Mate und Vizepräsident Frattini im März teilgenommen haben, war eine sehr gute Gelegenheit, um einige wichtige Fragen mit unseren amerikanischen Partnern zu erörtern.
Wir haben einen Schritt in die richtige Richtung unternommen, indem wir die Ministererklärung über den Ansatz für die Einführung neuer US-Rechtsvorschriften zur Visumfreiheit verabschiedet haben. Diese Rechtsvorschriften fordern den Abschluss von Vereinbarungen im Bereich der Sicherheit mit den Ländern, die dem Visa Waiver Programme angehören oder angehören werden. Die Vereinigten Staaten haben zur Kenntnis genommen, dass im Falle der Europäischen Union, wo die Kompetenzen in diesem Bereich zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufgeteilt sind, ein doppelter Ansatz vonnöten ist. Die Fragen, die in die nationale Zuständigkeit fallen, werden mit den einzelstaatlichen Behörden erörtert, und die Fragen, für die die Union zuständig ist, werden mit den europäischen Behörden erörtert. Die amerikanischen Verhandlungsführer haben sich darüber hinaus dem gemeinsamen Ziel angeschlossen, baldmöglichst einen sicheren visafreien Reiseverkehr zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten zu gewährleisten.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Kommission dem Rat vorgeschlagen, ihr ein Mandat zu erteilen, das ihr gestatten würde, die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten aufzunehmen. Ich möchte Herrn Mate danken, der bei der Ratstagung „Justiz und Inneres“ am 18. April den Vorsitz geführt hat, denn der Rat hat auf der Grundlage eines umfassenden Konsenses der Kommission dieses Mandat übertragen, was ein Beweis für unseren gemeinsamen Willen ist, einheitlich zu handeln und vorzugehen, da dies die effizienteste Methode ist.
Die Kommission wird nun umgehend Verhandlungen aufnehmen. Wir sind bereits mit den US-amerikanischen Behörden in Kontakt getreten. Wir müssen mit den USA rasch bei den Bedingungen für das Programm der Visumfreiheit vorankommen, das in die gemeinschaftliche Zuständigkeit fällt. Gleichzeitig müssen die Rechte und Freiheiten unserer Bürger gewahrt werden, um zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten baldmöglichst Zugang dazu erhalten. Wir wollen uns besonders dafür einsetzen, dass jede Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten sich auf das Prinzip der Gegenseitigkeit, auf die Achtung der Grundrechte und der individuellen Freiheiten, einschließlich des Datenschutzes und des Rechtes auf die Privatsphäre, gründet.
Im Rahmen dieser Verhandlungen werden wir, wie Minister Mate soeben ausführte, auch über das System der elektronischen Reisegenehmigung diskutieren. Die Passagiere, die sich mit per Flugzeug oder Schiff in die USA begeben, müssen nach dem Visabefreiungsprogramm vor ihrer Abreise online einige Fragen beantworten. Daraufhin wird ihnen eine elektronische Reisegenehmigung ausgestellt. Ich möchte präzisieren, dass dieses System zwischen der Europäischen Union und Australien bereits funktioniert. Die Vereinigten Staaten haben uns mehrfach Informationen über die Modalitäten der Umsetzung des elektronischen Reiseerlaubnissystems ESTA übermittelt, insbesondere anlässlich der Videokonferenz mit dem Minister für Innere Sicherheit, Michael Chertoff.
Natürlich brauchen wir noch weitere Erläuterungen, und Minister Mate und ich selbst werden diese Fragen erneut mit Herrn Chertoff besprechen, wenn er Mitte Mai nach Brüssel kommt. Bei alledem müssen wir die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten wahren. Der doppelte oder zweigleisige Ansatz wird nur effizient funktionieren, wenn die Staaten in aller Transparenz mit den Vereinigten Staaten verhandeln. Die Vereinigten Staaten sollten baldmöglichst die Modalitäten für die Umsetzung der Vereinbarungsprotokolle mit den Mitgliedstaaten, die bereits Abkommen unterzeichnet haben, vorlegen. Diese Umsetzungsprotokolle sind natürlich von wesentlicher Bedeutung, und wir müssen sie bewerten.
Des Weiteren wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit der Präsidentschaft ihren bereits seit längerem laufenden Dialog mit den US-amerikanischen Behörden fortsetzen. Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten in dieser Frage erfordern eine vertrauensvolle und umfassende Partnerschaft. Die Sicherheit der Bürger kann nur durch gemeinsames Handeln unter Wahrung der Grundrechte gewährleistet werden. Die Erteilung des Verhandlungsmandats ist nach meinem Dafürhalten der bestmögliche Kompromiss. Er lässt den Mitgliedstaaten den nötigen Spielraum, um mit den Vereinigten Staaten über die Themen zu verhandeln, die in ihre Zuständigkeit fallen, beispielsweise die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den Nachrichtendiensten, aber es ist natürlich unsere Angelegenheit, dafür zu sorgen, dass Reisen in die Vereinigten Staaten für alle Bürger der Union visafrei möglich sind. Die Ausweitung des Visabefreiungsprogramms ist im US-Kongress auf Kritik gestoßen, aber ich glaube, mit Unterstützung des Europäischen Parlaments und mit Ihnen, Herr Minister, werden wir die Position der Europäischen Union halten können, die in der Frage der Gleichbehandlung aller Bürger entschlossen auftreten wird.
Das war es, was ich dem Parlament heute sagen kann, und ich stelle mich nun darauf ein, Ihren Redebeiträgen aufmerksam zuzuhören, die zur Klarstellung unserer künftigen Verhandlungen beitragen werden.
Urszula Gacek, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich begrüße die Initiative des Rates und der Kommission zur Festlegung eindeutiger und transparenter Rahmenprinzipien bezüglich bilateraler Abkommen zum visumfreien Reiseverkehr zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den USA.
Zu Beginn dieses Jahres haben einige ungeduldige Mitgliedstaaten begonnen, auf eigene Faust und ohne die Zustimmung der Europäischen Union mit den USA zu verhandeln. Andere Länder haben beschlossen, die Regelung bestimmter Prinzipien innerhalb eines EU-Rahmens abzuwarten, weil sie verstanden haben, dass sie in einer stärkeren Position sein würden, wenn sie auf den Rückhalt der gesamten Europäischen Union zählen können. Heute erging eine deutliche Botschaft an die USA, in der klargestellt wurde, dass es keinen Druck auf einzelne EU-Mitgliedstaaten geben darf, gegen die Grundsätze der Gemeinschaft zu verstoßen. Dies gilt auch für heikle Fragen außerhalb des Bereichs von EU-Regelungen, z. B. für die Veröffentlichung von Daten über Passagierbewegungen. Bemerkenswert ist, dass es nun für einzelne Mitgliedstaaten möglich ist, separate Verhandlungen mit den USA zu führen. Und das sind genau die Länder, die die größte Motivation haben, einen visumfreien Reiseverkehr für ihre Bürger sicherzustellen. Auch diese Länder müssen jedoch die gemeinsam ausgearbeitete und auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit beruhende Position beachten und die Kommission über den Verhandlungsfortschritt auf dem Laufenden halten.
Im Grunde genommen sind nun die USA am Zug. Ich appelliere an die Vereinigten Staaten, die Kriterien für die Erteilung von Visa für Bürger aus den östlichen Mitgliedstaaten der EU mit großer Umsicht zu prüfen. Sollte es sich bei einem großen Teil von ihnen tatsächlich um potenzielle illegale Einwanderer handeln, die die USA nach Ablauf ihrer Visa nicht mehr verlassen würden? Genau aus diesem Grund wird nämlich die überwiegende Mehrheit der Visumanträge abgelehnt und nicht etwa wegen des potenziellen Sicherheitsrisikos. Osteuropa ist ja wohl kaum ein Sammelbecken für fundamentalistische islamistische Terroristengruppen. In der Vergangenheit war die Versuchung für Osteuropäer groß, aus finanziellen Motiven illegal in den USA zu bleiben. Die Situation hat sich inzwischen jedoch dramatisch verändert. Osteuropäer können seit dem EU-Beitritt ihrer Länder ganz legal im alten Europa arbeiten. Sie können dort arbeiten, ohne gegen Gesetze zu verstoßen und ohne sich vor den Einwanderungsbehörden fürchten zu müssen.
Angesichts dieser Veränderungen ist die negative Haltung der USA für diese Bürger immer schwerer nachzuvollziehen. Die Einstellung der USA ist übrigens auch ihrem Image abträglich. Schon von daher müsste es auch im Interesse der Vereinigten Staaten sein, die Verhandlungen rasch zum Abschluss zu bringen und sicherzustellen, dass die Visumpflicht für EU-Bürger bald der Vergangenheit angehört.
Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße den Herrn Ratspräsidenten und den Herrn Kommissar herzlich willkommen. Unsere Fraktion begrüßt es, dass der Rat ein Verhandlungsmandat angenommen hat, dank dessen die Kommission endlich die Einbeziehung aller – ich wiederhole, „aller“ Mitgliedstaaten – in das neue Programm für visumfreies Reisen in der im letzten Jahr durch den amerikanischen Kongress geänderten Fassung aushandeln kann.
Zugleich möchten wir unser Bedauern über die Entscheidung der Regierung in Washington bekunden, bilaterale Verhandlungen mit den vor kurzem der Europäischen Union beigetretenen Ländern aufzunehmen, eine Entscheidung, der weder in Bezug auf den Inhalt noch auf die Methode zugestimmt werden kann.
Unsere Fraktion betrachtet die USA als einen entscheidenden Partner im Kampf gegen den Terrorismus, doch sind wir zugleich der Auffassung, dass die US-Regierung die politische Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union und ihre Zuständigkeiten, wie sie in unseren Verträgen festgeschrieben sind, achten sollte. Mit Verlaub gesagt, Herr Kommissar, sollte dieselbe Forderung auch an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerichtet werden, denn sie sind Sprachrohr und Hüter dieser europäischen Rechtspersönlichkeit.
Es ist der Mühe wert, daran zu erinnern, wie Sie es getan haben, dass die Visumpolitik ebenso wie unsere Asylpolitik und die Bekämpfung der illegalen Einwanderung der Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft unterliegen, und es ist wichtig, dass der Rat die „roten Linien“ dieses Verhandlungsmandats festgelegt hat, wonach kein bilaterales Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und den USA über in die Zuständigkeit der EU fallende Fragen ausgehandelt werden kann, insbesondere nicht, wenn diese Abkommen den Zugang amerikanischer Behörden zu Datenbanken der Europäischen Union betreffen.
Wir fordern die Kommission auf, nun auf ein Abkommen, auf eine globale Lösung hinzuarbeiten, die für die Bürgerinnen und Bürger aller EU-Länder Visumfreiheit auf der Grundlage der gleichen Würde und vor allem der Gegenseitigkeit vorsieht.
Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Dieses Mandat ist sehr zu begrüßen, und wir werden die Ergebnisse abwarten. Ich frage mich übrigens, weshalb dies in den vergangenen Jahren nicht erreicht wurde und jetzt erreichbar ist. Hoffen wir, dass es erreichbar ist.
Ferner begrüße ich die Erklärung von Herrn Mate, dass die Befreiung von der Visumpflicht für alle Bürger der Europäischen Union gelten muss und nicht für alle Mitgliedstaaten – das ist ein ziemlicher Unterschied. In diesem Zusammenhang möchte ich auch kurz auf das Einreiseverbot in die USA für Menschen mit HIV aufmerksam machen. Ich hoffe, Sie werden sich für die Aufhebung dieses Einreiseverbots einsetzen. Des Weiteren möchte ich erfahren, was Sie von den Äußerungen von Herrn Chertoff in der Washington Post von dieser Woche halten, nämlich dass das Abnehmen von Fingerabdrücken durch Fluggesellschaften eine Voraussetzung für die Erteilung der Visumfreiheit sein werde. Dies ist ein ganz neues Element, und ich möchte gerne Ihre Meinung dazu hören.
Dann kommen wir zum PNR. Wenn die Forderungen der Amerikaner hinsichtlich des PNR über die jetzigen Regelungen im EU/USA-Abkommen – das übrigens noch nicht ratifiziert ist – hinausgehen, bedeutet das dann, dass das Abkommen damit sofort hinfällig ist? Hierzu müssen wir wissen, was in den Ausführungsprotokollen steht, und ich frage mich eigentlich, warum uns darüber noch keine Informationen vorliegen. Ich finde das sehr merkwürdig.
Nun zum elektronischen System für Reisegenehmigungen und zum Schutz personenbezogener Daten. Ich bin wirklich noch nicht ganz beruhigt, dass dies zufriedenstellend geregelt ist. Die zwölf Grundsätze, die wir inzwischen gesehen haben, sind natürlich gut. Ebenso wie bei der Regelung im dritten Pfeiler – dem Rahmenbeschluss für die Europäische Union selbst – steckt das Problem jedoch nicht in den Grundsätzen, sondern in der langen Reihe von Ausnahmen. Was das betrifft, möchte ich Garantien, nicht nur Grundsätze. Ich möchte auch wissen, wie dies in der Praxis funktionieren wird, bevor wir unsere Zustimmung erteilen, jedermanns Daten einfach an andere Länder weiterzugeben.
Nun zum Aspekt der demokratischen Legitimität. Wie werden Sie die demokratische Kontrolle gewährleisten? Ich halte den Vorschlag für einen Sachverständigenausschuss weder für demokratisch noch für transparent. Meines Erachtens ist dies ein typischer Fall für eine parlamentarische Kontrolle.
Abschließend hoffe ich, dass Kommission und Rat ihre Lektion gelernt haben, nämlich, dass wir als Europäische Union viel stärker sind, wenn wir vereint und nicht geteilt auftreten, und wenn wir derlei Dinge außerdem in der Öffentlichkeit mit der parlamentarischen Unterstützung des Europäischen Parlaments regeln.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich bin der Kommission sehr dankbar dafür, dass sie sich so für die Gleichbehandlung aller EU-Bürger an den Grenzen der USA einsetzt. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Verhandlungen über die Aufhebung der Visumpflicht für die USA klar aufzeigen, wo die Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union liegen.
Trotz der vollen Unterstützung für die Europäische Kommission vor allem seitens der Länder, die der EU erst 2004 und 2007 beigetreten sind, sind die Gespräche gescheitert. Die USA unterzeichnen der Reihe nach bilaterale Visumvereinbarungen mit einzelnen Mitgliedstaaten, sobald das jeweilige Land nur und ausschließlich die Kriterien der US-Gesetzgebung in dieser Hinsicht erfüllt. Es ist offensichtlich, dass es für die Kommission sehr einfach ist, die Kompetenzen der Mitgliedstaaten einzuschränken. Das wird manchmal durch Verträge erreicht, manchmal durch Präzedenzfälle. Viel schwieriger aber ist es, in den Beziehungen zu Drittländern Erfolge zu erzielen. Trotz der großen Unterstützung des Rechts der Kommission auf Alleinvertretung haben sich manche Mitgliedstaaten für individuelle Verhandlungen entschieden. Mein Land, Polen, gehört zwar nicht dazu, aber ich muss zugeben, dass mich diese Vorgehensweise keineswegs erstaunt.
Dimitrios Papadimoulis, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter der Kommission und des Rats! Ihre Ausführungen waren lückenhaft, und Sie haben das Europäische Parlament nicht überzeugt. Die Entscheidung der USA, gesonderte Vereinbarungen über eine dem Gemeinschaftsrecht unterliegende Frage abzuschließen, ist ein Affront gegenüber der EU und sollte auch so bezeichnet werden. Die Entscheidung der Tschechischen Republik, eine solche Vereinbarung zu unterzeichnen, verstößt gegen Gemeinschaftsrecht. Niemand hat das Recht, ohne Prüfung durch die EU und das Europäische Parlament persönliche Daten europäischer Bürger an die USA oder an irgendeine sonstige Stelle weiterzugeben. Dies geht über den Inhalt des PNR hinaus.
Sehr geehrte Mitglieder des Rats, ich bitte Sie daher zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht nur die neuen Mitgliedstaaten betroffen sind. Obwohl Griechenland einer der ersten 15 Mitgliedstaaten der EU war, benötigen griechische Staatsbürger noch immer ein Visum für Reisen in die USA. Wir müssen dem ein Ende bereiten, aber durch ein einheitliches Vorgehen, das nicht gegen den Schutz personenbezogener Daten von Bürgern verstößt. Bitte nehmen Sie dies in Ihre endgültige Stellungnahme auf.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Im Parlament vertrete ich Bürger der Tschechischen Republik, die soeben erwähnt wurden. Die Tschechische Republik gab den Anstoß zu bilateralen Verhandlungen einiger Mitgliedstaaten über US-amerikanische Visa. Ich nehme die ungerechtfertigte Kritik der Europäischen Kommission an der Außenpolitik meines Landes sehr übel. Die Kommission hat in anmaßender Weise die Grenzen ihrer sachlichen Zuständigkeit überschritten und sich über den Grundsatz der Subsidiarität und Gleichheit der Mitglieder der Union hinweggesetzt. Ich möchte Sie also daran erinnern, dass die bilateralen Visaverhandlungen schlichtweg die Reaktion der Tschechischen Republik darauf waren, dass die Kommission keinerlei Ergebnisse in der Frage der Visafreiheit für die neuen Mitgliedstaaten vorweisen konnte. Meine Damen und Herren, die Kommission sollte einsehen, dass es, auch wenn sie ein hochrangiges Exekutivorgan ist, zahlreiche Bereiche gibt, in denen sie den politischen Willen des Parlaments und der einzelnen Mitgliedstaaten zu respektieren hat.
Eine letzte Bemerkung dazu: Wenn die Europäische Kommission im Zusammenhang mit den US-amerikanischen Visa die oberste Autorität in Sachen Flugsicherheit der Union beanspruchen will, sollte sie nicht diejenigen Länder rügen, die Anstrengungen unternehmen, um die Pläne der Terroristen durch Informationsaustausch zu durchkreuzen. Im Gegenteil, sie sollte diejenigen Länder kritisieren, die ohne Skrupel mit Vertretern. Libyens, der Hamas usw. verhandeln.
Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Minister Mate, Herr Vizepräsident Barrot, meine Damen und Herren! Am 10. März habe ich in diesem Haus meine Bedenken zu dieser Frage geäußert. Ich war und bin noch immer der Meinung, dass die Vereinigten Staaten mit ihrem Vorschlag, bilaterale Abkommen im Rahmen ihres Programms für visumfreies Reisen zu schließen, eine Strategie des „teile und herrsche“ wählten. Bedauerlicherweise konnten verschiedene Mitgliedstaaten der Versuchung, schneller vorwärtszukommen, nicht widerstehen. Dabei haben sie außer Acht gelassen, dass die Gemeinsame Visapolitik unmissverständlich unter die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt und dass sie gleichermaßen verpflichtet sind, den im Vertrag verankerten Grundsatz der Solidarität zu respektieren.
Als diese Mitgliedstaaten der Europäischen Union beitraten, haben sie sich verpflichtet, den gesamten gemeinschaftlichen Besitzstand zu respektieren, und damit akzeptierten sie, ihre Souveränität in gemeinsamen Fragen, bei denen ein europäischer Ansatz vorherrschen muss, zu teilen. Die Unterzeichnung dieser bilateralen Abkommen hat damit einen Präzedenzfall geschaffen, der völlig dem Geist, auf dem das europäische Aufbauwerk gründet, entgegensteht.
Ich beglückwünsche den Rat zu dem Verhandlungsmandat, das er der Kommission am 18. April erteilt hat. Wir müssen verhindern, dass dieser Prozess zu einer Schwächung der europäischen Verhandlungsposition führt. Im März habe ich mich dafür ausgesprochen, dass es besser wäre, die die bilateralen Abkommen bis zum Abschluss der Verhandlungen zwischen der Kommission und den Vereinigten Staaten einzufrieren. Ich appelliere an die Kommission und an Sie, Herr Kommissar Barrot, in dieser Frage von gemeinsamem Interesse nicht nachzugeben. Ich appelliere an Sie, ein wachsames Auge auf die Initiativen jedes Mitgliedstaates zu haben und nicht zu zögern, im Falle einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anzurufen und vor allem dieses Parlament über die Entwicklung dieser Situationen und den Grad an Solidarität bzw. fehlender Solidarität seitens verschiedener Mitgliedstaaten auf dem Laufenden zu halten.
Martine Roure (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Wir freuen uns, dass der Rat der Europäischen Kommission endlich das Mandat erteilt hat, mit den Vereinigten Staaten darüber zu verhandeln, die bislang ausgeschlossenen zwölf Länder in das Visabefreiungsprogramm aufzunehmen.
Positiv ist ebenfalls zu bewerten, dass parallel dazu über das elektronische Reisegenehmigungssystem und den Datenaustausch verhandelt werden soll. Wird dieses Mandat es jedoch wirklich ermöglichen, die bilateralen Verhandlungen zu stoppen, um einen echten europäischen Ansatz zu fördern? Wir würden uns dies wünschen.
Lassen Sie mich in Erinnerung rufen, dass zur Frage der Visabefreiung und zu jeglichem Austausch von Daten wie PNR-Daten mit den Vereinigten Staaten keinerlei bilaterale Verhandlungen akzeptabel sind und dass ausschließlich Vereinbarungen auf der Ebene der Europäischen Union denkbar sind.
Sieht dieses Verhandlungsmandat auch eine generelle Vereinbarung über den Schutz personenbezogener Daten vor? Diese Frage stelle ich mir, da die US-amerikanischen Rechtsvorschriften auch weiterhin die Europäer ausschließen und sie nicht schützen. Schließlich möchte ich daran erinnern, dass das SIS und das VIS mit einer ganz präzisen Zielsetzung eingeführt wurden und dass die Öffnung des Zugangs zu den Daten dieser Systeme für Drittländer die Grundsätze der Zweckbestimmung und der Verhältnismäßigkeit verletzen würden. Wir zählen also auf Sie.
Gérard Deprez (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie einige Bemerkungen im Telegrammstil.
Zunächst möchte ich die Anstrengungen des Kommissionspräsidenten und der Mitgliedstaaten würdigen, die es ermöglicht haben, am 18. April die Zustimmung zu einem wirklichen Verhandlungsmandat zu erlangen. Im Zusammenhang mit einem Gegenstand, der recht ungeordnet erörtert und mit dem in letzter Zeit geradezu chaotisch umgegangen wurde, ist das eine gute Nachricht für alle europäischen Bürger.
Ich möchte jedoch auf zwei Probleme zurückkommen, die der Kommissar bereits angesprochen hat. Es ist nicht normal, Herr Präsident, Herr Kommissar, dass die zwischen einigen Mitgliedstaaten und den USA ausgehandelten Umsetzungsprotokolle gegenwärtig jegliche Transparenz vermissen lassen. Das mag seitens der Vereinigten Staaten nicht verwunderlich sein, seitens der Mitgliedstaaten ist es inakzeptabel. Ich wende mich dabei insbesondere an die Tschechische Republik, die bald die Präsidentschaft der Union übernehmen wird und ein Beispiel geben sollte. Auch wenn das Verhandlungsmandat sehr klare Bestimmungen zum Datenschutz enthält, so bin ich nach wie vor überzeugt, dass bei diesem sensiblen Thema nur ein echtes transatlantisches Abkommen, und nicht nur die Definition von zwölf Prinzipien, ein echtes transatlantisches Abkommen also, das nach meinem Dafürhalten idealerweise von einer gemeinsamen Datenschutzbehörde überwacht werden müsste, geeignet wäre, den Anforderungen beider Seiten, und vor allem den unseren, gerecht zu werden.
Guntars Krasts (UEN). – (LV) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte diese Gelegenheit aufgreifen, um der Europäischen Kommission meinen Dank für die Wahrnehmung der Interessen der neuen Mitgliedstaaten bei den Gesprächen mit den Vereinigten Staaten über die Einführung eines neuen Visa-Waiver-Programms auszudrücken. Die Kommission hat dieses Thema beständig auf ihrer Agenda belassen. Nach den Gesprächen zwischen der Europäischen Union und den USA im März können wir mit Zufriedenheit den Schluss ziehen, dass Erfolge bei der Entspannung möglicher Konfliktsituationen mit einzelnen Mitgliedstaaten, die bilaterale Gespräche mit den USA über die Einführung von Visa-Waiver-Programmen aufnehmen, erzielt wurden. Bekanntlich bestanden die USA auf ihrer Position, dass sie Visaregelungen nur in bilateralen Gesprächen mit jedem einzelnen Mitgliedstaat abschaffen würden. Wir sollten daher die Ergebnisse des EU-USA-Gipfels im März begrüßen, bei dem eine Einigung über den zweigleisigen Ansatz erzielt wurde. In der derzeitigen Situation sollte dies als eine optimale Lösung betrachtet werden, die möglicherweise Gegensätze in den Auffassungen entschärft. Die Mitgliedstaaten, die derzeit Gespräche mit den USA über die Einführung von Visa-Waiver-Programmen führen, haben ein großes Interesse an der beim März-Gipfel mit den USA erzielten Einigung über die bis Juni dieses Jahres erfolgende Einrichtung des elektronischen Reiseautorisierungssystems und die Koordinierung seiner Einführung mit dem geplanten EU-System. Für diese Mitgliedstaaten würde jede Verzögerung bedeuten, die Einführung von Visa-Waiver-Programmen mit den USA in die Länge zu ziehen. Vielen Dank.
Vladimír Remek (GUE/NGL). – (CS) Meine Damen und Herren! Meine Wähler in der Tschechischen Republik fragen sich, ob die Menge an persönlichen Daten und Informationen, die von den USA aufgrund des von ihnen proklamierten Kampfes gegen den Terrorismus für die Ausstellung eines Visums verlangt werden, akzeptabel ist. Zugleich möchte ich Sie daran erinnern, dass die Europäische Union bei der Vertretung der berechtigten Interessen ihrer neuen Mitgliedstaaten in Sachen Visafreiheit für USA-Reisen nicht ausreichend aktiv war. Die Befürchtung, dass sich die Visabeziehungen für die alten Mitgliedstaaten der Union schwieriger gestalten könnten, spielte der tschechischen Regierung, die ihre eigenen Interessen verfolgt, einfach in die Hände.
Außerdem ist es doch, auch wenn die Regierung in Prag dies verneint, ein verblüffender Zufall, dass die USA bereit sind, gerade dann auf Visa für unsere Bürger zu verzichten, wenn sie versuchen, die Zustimmung Tschechiens für die Stationierung des Raketenabwehrschilds im Land zu erlangen. Auch wenn dies offensichtlich nur ein reiner Zufall ist und das Wohlwollen der tschechischen Regierung mit Gegenleistungen von den USA belohnt wird, ist der Verdacht eines politischen Handels mit der Souveränität des Landes gar nicht so abwegig.
Philip Claeys (NI). – (NL) Herr Präsident! Diese ganze Diskussion über Visumfreiheit zwischen den USA und der Europäischen Union beginnt allmählich bizarre Züge anzunehmen. Einigen neuen Mitgliedstaaten ist es gelungen, bilaterale Abkommen mit den Vereinigten Staaten abzuschließen. Das war für sie schneller und offenbar auch einfacher, als zu warten, bis ein allgemeines Abkommen mit der gesamten Europäischen Union zustande kommt. Amerika knüpft im Rahmen der Terrorbekämpfung eine Reihe von Bedingungen an die Visumfreiheit. Wo ist das Problem?
Die Euroföderalisten sagen, der Abschluss von Visum-Abkommen sei eine europäische Zuständigkeit. In einer früheren Debatte über dieses Thema erklärte ein Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, die so genannte europäische Solidarität müsse Vorrang haben und man müsse dies dann nur der Bevölkerung der betroffenen Mitgliedstaaten, die das Opfer davon sind, erklären. Die Ideologie muss offenbar Vorrang vor der Sachlichkeit haben. Es ist die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und es muss die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bleiben, selbst zu bestimmen, wer ihr Hoheitsgebiet betritt und unter welchen Bedingungen, und die Visumpolitik ist davon ein wesentlicher Bestandteil.
Simon Busuttil (PPE-DE). – (MT) Ich danke Ihnen, Herr Präsident! Die Abschaffung der Visapflicht für die Einreise in die Vereinigten Staaten ist für unsere Bürger ein sehr wichtiges Thema, und es ist falsch, wenn wir denken, dass dem nicht so sei. Es ist ein wichtiges Thema, denn Visafreiheit macht das Reisen wesentlich einfacher und preiswerter – für alle Reisenden. Es ist auch wichtig, weil sich die ungerechte Situation der Visafreiheit für die eine Hälfte der EU-Mitgliedstaaten und der Visapflicht für die andere bei USA-Reisen nicht länger aufrechterhalten lässt. Man muss die Visapflicht bei USA-Reisen selbst erlebt haben, um einschätzen zu können, wie wichtig die Abschaffung ist. Demzufolge ist auch jede Bemühung, egal aus welcher Richtung, zur Abschaffung der Visapflicht gut und positiv; sie sollte daher unterstützt und nicht kritisiert werden. Entscheidend ist doch nicht, wem es gelingt, die Visapflicht für die zwölf Staaten abzuschaffen, in denen sie noch gilt. Entscheidend ist vielmehr, dass sie abgeschafft wird. Die kindischen Diskussionen zwischen Kommission und Mitgliedstaaten darüber, wer mit den Vereinigten Staaten verhandeln darf, sollten aufhören. Einfach und ohne Juristenfachjargon ausgedrückt sieht es folgendermaßen aus: Einerseits haben die Vereinigten Staaten starke, alte bilaterale Beziehungen zu den Mitgliedstaaten, und natürlich werden die Gespräche mit ihnen direkt geführt. Andererseits hat die Kommission natürlich eine Aufgabe – den Druck in die richtige Richtung zu erhöhen. Zugleich wissen wir aber alle, dass die Vereinigten Staaten bisher das Gespräch mit den Einzelstaaten vorziehen und die Kommission bisher noch kein Gespräch geführt hat. Wir müssen daher unbedingt aufhören, darüber zu streiten, wer das Recht hat zu verhandeln, denn das schwächt und entzweit uns, statt uns zu stärken. Deshalb begrüße ich den zweigleisigen Ansatz. Entscheidend ist doch, dass wir uns gegenseitig unterstützen, damit die Visapflicht unverzüglich und zudem für alle EU-Bürger abgeschafft wird.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie haben uns das berüchtigte Twin-Track Visa Waiver-Programm vorgestellt. Nach diesem Programm sollen die USA die Visafreiheit zu einem Privileg machen und die besonderen Bedingungen absegnen, die Griechenland und den neuen Mitgliedstaaten auferlegt werden, die – natürlich mit europäischer Zustimmung – noch mehr sensible Passagierdaten übermitteln müssen, als theoretisch im Rahmen des PNR allgemein erforderlich ist. Es wird sogar einen unmittelbaren Zugang zu Strafregistern der Bürger geben. Ihre Antwort lautet, dies falle nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und jeder Mitgliedstaat solle vorgehen, wie er möchte. Mit anderen Worten, Sie überlassen die Hälfte der Mitgliedstaaten brutalen Forderungen nach der Preisgabe personenbezogener Daten, die die USA von der anderen Hälfte der Mitgliedstaaten nicht fordern. Auf jeden Fall wurde dies von Herrn Rosenzweig, dem beteiligten Ministerialdirektor, glaubhafter, aber auch zynischer gesagt. Er sagte am 28. Februar im US-Senat:
(EN) „Für die acht Kandidaten [...] gibt es starke Anreize, sich zur Umsetzung des vollständigen Satzes an Sicherheitsstandards zu verpflichten.“
– (EL) Mit anderen Worten, diese Länder benötigen so dringend Visa, dass wir sie zwingen können, alles zu akzeptieren.
Herr Kommissar, nach dem Buchstaben und Geist der gemeinsamen Visapolitik der EU hat jedoch nicht nur jeder Anspruch auf den derzeitigen Status visumpflichtig oder nicht visumpflichtig, vielmehr haben alle Bürger ein Recht darauf zu denselben Bedingungen. Die USA waren politisch stark genug, die gemeinsame EU-Politik auszuhebeln. Leider hatten Sie im Rat und in der Kommission nicht den politischen Willen, sie daran zu hindern.
Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Was das Programm für Visumfreiheit betrifft, sind die Erklärungen, ehrlich gesagt, wenig beruhigend, und einiges Nachfragen hätte diese Vermutung bereits bestätigt. Frühere Versionen des Mandats für die Kommission wurden weiter verwässert. Kurzum, ein dürftiges Ergebnis. Auf jeden Fall sechs Mitgliedstaaten, und vielleicht inzwischen auch Malta, haben eine Vereinbarung mit den Amerikanern unterzeichnet. Die Anwendungsbedingungen sind vorerst nicht bekannt, und daher ist völlig unklar, welchen Weg die Einzelstaaten einschlagen.
Diesbezüglich habe ich, in Verbindung mit dem mageren Mandat für die Kommission, die folgende Frage: Weshalb sind die Mitgliedstaaten eigentlich Teil der Europäischen Union? Gibt es noch so etwas wie Gemeinschaftssinn? Den Amerikanern können wir nur gegenübertreten, wenn die 27 Mitgliedstaaten am gleichen Strang ziehen. Wir, als eine Union, müssen ein starkes Signal auf die andere Seite des Atlantischen Ozeans senden. Wir müssen den Mut haben, unsere starke Verhandlungsposition zu nutzen. Bei allem Respekt, aber das Verhalten bestimmter Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit halte ich für inakzeptabel. Das Argument, die Kommission habe in den vergangenen Jahren zu wenig Fortschritte für die betreffenden Mitgliedstaaten erzielt, klingt gut, ist aber unverhältnismäßig, wenn es um das gezeigte Verhalten geht. Es ist höchste Zeit, sich an die eigene Nase zu fassen und nicht nur mit dem Finger auf die USA zu zeigen. Die EU macht sich auf diese Weise, ehrlich gesagt, vollkommen lächerlich.
Marek Aleksander Czarnecki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte der Europäischen Kommission meinen Dank aussprechen, insbesondere Herrn Kommissar Frattini, der leider heute nicht hier sein kann. Herr Kommissar Frattini hat im Laufe der Verhandlungen mehr als deutlich gemacht, dass Visumangelegenheiten in den Zuständigkeitsbereich von Brüssel fallen und dass diejenigen Länder, die selbständig Verhandlungen mit den USA führen, das Solidaritätsprinzip der EU verletzen.
Bisher haben 14 der reichsten Mitgliedstaaten der EU sowie Slowenien von diesem Vorrecht Gebrauch gemacht, aber alle Mitgliedstaaten hoffen auf eine solche Möglichkeit, vor allem die Länder in dem Teil Europas, aus dem ich komme. Einstimmigkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung für die endgültige Regelung von Visumfragen zum Vorteil aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die beste Methode scheint mir eine gemeinsame Aktion durch einen einzigen Vertreter, nämlich Herrn Kommissar Frattini, zu sein. Letzterer hat seine Bereitschaft bewiesen, sich für die Gleichbehandlung aller EU-Bürger einzusetzen. Dieses Konzept zeigt auch, dass die EU imstande ist, mit einer Stimme zu sprechen. Gleichwohl ist es bedauerlich, dass manche Länder bereit waren, unabhängige Entscheidungen zu dieser Frage zu treffen und individuelle Visummemoranden mit den USA zu unterzeichnen.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen den USA und einem einzelnen Land über das Visa Waiver Program (VWP) wird sich als sehr risikoreich herausstellen. Es wird den USA die Möglichkeit verschaffen, Zugang zu den Datenbanken der EU mit personenbezogenen Daten von Reisenden, Steuerdaten und sogar Strafregistern zu erhalten. Die Mitgliedstaaten sollten hier ausgesprochen vorsichtig sein, denn es betrifft Angelegenheiten des Gemeinschaftsrechts, wie den Schengen-Vertrag und die gemeinsame europäische Visapolitik. Aus diesem Grund lehne ich die Initiative der Tschechischen Republik, eine bilaterale Absichtserklärung mit den USA zu unterzeichnen, vollkommen ab.
Andere Länder sind dem Beispiel der Tschechischen Republik gefolgt: Absichtserklärungen wurden bereits von Estland, Lettland, Ungarn, der Slowakei und Malta unterzeichnet. Ich halte die Erläuterungen und Aussagen des Kommissars für unbefriedigend: Er hat nicht die Frage beantwortet, was geschehen würde, wenn Punkte in den von den obengenannten Ländern bereits unterzeichneten Vereinbarungen im Widerspruch zu Standpunkten der EU stehen.
Mein Land, Griechenland, ist eines der 15 Gründungsmitglieder der EU. Obwohl auch Griechenland das Visaverfahren oktroyiert wurde, ist es nicht dem Beispiel dieser Länder gefolgt. Denn wenn wir, Herr Kommissar, wirklich glauben, dass in der EU jeder Mitgliedstaat tun kann, was seiner Meinung nach seinen Interessen dient, gibt es keine Union.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Herr Präsident! Im Namen Ungarns und der übrigen neuen Mitgliedstaaten muss ich Einspruch erheben gegen die Kritik und die Vorwürfe, die hier geäußert wurden. Die älteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union überlassen die neuen sich selbst. Die europäische Solidarität funktioniert nicht – weder gegenüber den neuen Mitgliedstaaten noch gegenüber Griechenland. Daher sind all diese kritischen Bemerkungen völlig unverständlich. Es gibt ein bestimmtes Gebiet, auf dem die Solidarität innerhalb der Europäischen Union von Beginn an nicht funktioniert hat und nach wie vor nicht funktioniert, und es ist von größter Wichtigkeit, diese Angelegenheit vielleicht endgültig regeln zu können. Wir müssen in der Lage sein zu klären, was in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten und was in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft fällt, wenn wir über die Aufhebung der Visumspflicht verhandeln. Wir hoffen, dass Ungarn und alle übrigen neuen Mitgliedstaaten dieses Jahr endlich dieselben Rechte wie die bestehenden Mitgliedstaaten genießen werden, zum Beispiel visafreie Reisen in die Vereinigten Staaten. Die aktuelle Debatte beweist, dass die Solidarität innerhalb der Europäischen Union nicht funktioniert. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Adina-Ioana Vălean (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Für mich liegt es auf der Hand, dass die EU in ihren Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten noch immer nichts zu sagen hat. Der zweigleisige Ansatz ist lediglich ein Beweis dafür, dass es dem Rat und der Kommission nicht gelungen ist, die europäischen Interessen und die europäischen Bürger zu schützen.
Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten in ihren bilateralen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten sich selbst überlassen werden, untergräbt unsere Glaubwürdigkeit und unsere Stärke auf der internationalen Bühne. Zudem könnte sich dies für unsere Bürger als Nachteil erweisen, deren Daten ohne demokratische Prüfung ausgetauscht werden könnten.
Ich bin der Meinung, die Mitgliedstaaten sollten in einem europäischen Rahmen agieren, und ich möchte, dass die Kommission mit Entschlossenheit auftritt und unserem Partner USA begreiflich macht, dass gleiche Rechte und gleiche Behandlung nicht verhandelbar sind.
Die Einführung der ETA könnte eine positive Entwicklung sein, da Einreiseanträge mit Blick auf die Persönlichkeit des jeweiligen Antragstellers, nicht auf sein Herkunftsland, bewertet würden. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Gleichbehandlung.
Unabhängig von Staatsangehörigkeiten müssen wir das Europa ohne Binnengrenzen Wirklichkeit werden lassen und die Gleichbehandlung aller Europäer sicherstellen.
Józef Pinior (PSE). – (PL) Herr Präsident! Das Wesentliche an der Sache, mit der wir hier zu tun haben, ist die Erzielung eines Visumabkommens mit den Vereinigten Staaten, bei dem alle Mitgliedstaaten der EU gleich behandelt werden. Das ist eine Angelegenheit von absolut fundamentaler Bedeutung. Polen vertraut in dieser Beziehung auf die gemeinsame Politik der EU. Ich denke, dass die Solidarität aller Länder, die durch die Europäische Kommission vertreten werden, in diesem Fall vollkommen unabdingbar ist. Wir wollen hoffen, dass diese Vorgehensweise letztlich zu einer neuen Visumregelung auf dem Gipfeltreffen am 12. Juni führen wird und dann alle Bürger der Europäischen Union zu den gleichen Bedingungen in die USA einreisen dürfen.
Ich möchte auch noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Bei der Entwicklung einer Strategie im Zusammenhang mit der Visumregelung muss die Europäische Kommission sicherstellen, dass die Grundprinzipien europäischer Rechte respektiert werden, damit die EU-Grundrechtecharta hinsichtlich der persönlichen Daten, die mit der Visumregelung verknüpft sind, nicht verletzt wird.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Meine Damen und Herren! Das Hauptthema der heutigen Aussprache lautet Gleichheit, gleiche Bedingungen und Gleichbehandlung. Was Visa für Reisen in die USA angeht, besteht fast 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und vier Jahre nach dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa zur EU noch immer Ungleichheit. Diese neuen Mitgliedstaaten, zusammen mit Griechenland, benötigen immer noch Visa für USA-Reisen. Auch ich halte dies für eine Schande, doch meine ich, dass sich die USA schämen sollten und nicht die Europäische Union. Letztlich geht es hier um ein demokratisches Land, das Polen, Tschechien, Ungarn und andere Länder so behandelt und sie gleichzeitig als seine engsten Verbündeten bezeichnet.
Was die Verhandlung und Verhandlungsmethoden betrifft, stimme ich meinen Kolleginnen und Kollegen völlig zu, dass die Europäische Union mit einer Stimme sprechen muss. Dies ist der einzige Weg, Gleichheit zu erreichen, sowohl unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch zwischen der Europäischen Union und den USA, auch in Bereichen wie Datenaustausch, Datenschutz usw.
Jan Zahradil (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Ich freue mich, dass sich als wahr erwiesen hat, was wir hier immer gesagt haben: Niemand hat gegen Verpflichtungen verstoßen, die sich aus seinen Vereinbarungen, EU-Rechtsvorschriften oder den Zuständigkeiten der Union ergeben, und bilaterale Verhandlungen können parallel zu multilateralen oder gesamteuropäischen Verhandlungen stattfinden. Meine Damen und Herren, ich nehme es übel, dass meinem Land, der Tschechischen Republik, mangelnde Solidarität und Transparenz vorgeworfen werden. Dies ist absolut unwahr. Wir erfüllen die Verpflichtungen aus unseren Vereinbarungen, dem Gemeinschaftsrecht und dem Grundsatz der Subsidiarität gewissenhaft und genau so wie erforderlich; nicht mehr und nicht weniger. Ich möchte auch einige der Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten bitten, uns hier nicht über den wahren europäischen Geist zu belehren. Wir sind alle gleichermaßen Europäer: Es gibt keine Europäer erster und zweiter Ordnung.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Visumpolitik ist Teil der gemeinsamen EU-Politik, und es ist mein inniger Wunsch, dass die Kommission das ihr erteilte Verhandlungsmandat ergebnisorientiert zu nutzen weiß. Bleibt zu hoffen, dass sie ein gutes Abkommen aushandelt, denn das wäre ein gemeinsamer Erfolg.
Bisher haben wir allerdings zugelassen, dass man in dieser Frage einen Keil zwischen uns treibt. Die Vereinigten Staaten haben die Bürger der Europäischen Union in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine könnte man als Gruppe erster Klasse bezeichnen, deren Angehörige ohne jegliche Schwierigkeiten in die Vereinigten Staaten einreisen können. Die andere Gruppe wird als zweitklassig betrachtet, und Personen, die zu dieser Gruppe gehören, müssen oft erniedrigende Prozeduren über sich ergehen lassen, wenn sie in die USA reisen wollen.
Ich protestiere ausdrücklich gegen diesen Zustand und möchte in diesem Zusammenhang auch eine weitere Situation erwähnen, die in den USA durchaus bekannt ist. Die Visumfrage ist ein Faktor im US-Wahlkampf. Es ist nicht in Ordnung, dass einer der Kandidaten z. B. verspricht, den Visumzwang für meine polnischen Landsleute aufzuheben, um damit die große Wählergruppe der polnischstämmigen Einwohner für sich zu gewinnen. So etwas sollten wir verhindern.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte wissen, ob die Kommission und der Rat uns zusichern können, dass die EU im Rahmen der Verhandlungen den Zugriff auf EU-Datenbanken wie das Schengener Informationssystem und das Visa-Informationssystem (VIS) nicht genehmigen wird. Als Berichterstatterin über das VIS habe ich ein grundsätzliches Verbot der Weitergabe von Daten aus dem VIS an Drittstaaten erwirkt, und ich möchte wissen, ob dieses Verbot in irgendeiner Weise gefährdet ist.
Zweitens: Nehmen Kommission und Rat es hin, dass der Weg in dieser Sackgasse der massenhaften Beobachtung unserer Bürger und der Sammlung persönlicher Daten über jeden einzelnen von ihnen – und 99 % werden völlig unschuldig sein – die Gefahr mit sich bringt, dass wir die 0,1 % übersehen, die tatsächlich einer terroristischen Bedrohung oder des organisierten Verbrechens verdächtig sein könnten?
Heute hat ein führender Antimafia-Staatsanwalt gewarnt, die Verbrechen der Mafia würden sich gerade in ganz Europa ausbreiten, weil diese mangels angemessener grenzüberschreitender Zusammenarbeit und fehlender Kooperation der Justizsysteme vernachlässigt würde. Ist das nicht eigentlich unser oberstes Ziel? Aber es wird nicht umgesetzt, weil diese Nuss schwerer zu knacken ist.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – (RO) Zurzeit verfügt die Europäische Kommission aufgrund des Mandats, das ihr die Innenminister der Mitgliedstaaten letzte Woche verliehen haben, über einen größeren Verhandlungsspielraum.
Darüber hinaus hatten wir mehrere sehr effektive Treffen mit amerikanischen Vertretern, wovon das letzte das Troika-Treffen der Justiz- und Innenminister EU/USA am 13. März war.
Meiner Meinung nach sollten wir so weit wie möglich an den drei bei dieser Gelegenheit vereinbarten Grundsätzen festhalten, insbesondere an dem gemeinsamen Ziel der schnellstmöglichen Aufhebung der Visumpflicht.
Trotz des spürbaren Fortschritts in dieser Richtung wird der Anteil der abgelehnten Anträge für einige Mitgliedstaaten immer größer.
Für Rumänien liegt dieser Anteil nunmehr bei 37 %, das sind fast 10 % mehr als im letzten Jahr, obwohl unser Land in der Zwischenzeit der Europäischen Union beigetreten ist.
Leider sind wir durch diese Entwicklung von dem 10-%-Ziel des Programms zur Aufhebung der Visumpflicht noch weit entfernt.
Momentan kann nur eine konzertierte Aktion aller Mitgliedstaaten dieses Reziprozitätsproblem in Bezug auf die Visumpflicht zwischen der EU und den USA lösen.
Wir müssen sicherstellen, dass wir beim nächsten EU-USA-Gipfel in Bezug auf die Visumfreiheit für alle EU-Bürger eine einheitliche und kategorische Position vertreten, und zwar auf der Basis eines gut durchdachten Zeitplans.
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (EN) Herr Präsident! Die Absicht des Rates und der Kommission, wenn sie ihre Entschlossenheit betonen, im Namen aller ihrer Bürger mit den Vereinigten Staaten über Visumfreiheit zu verhandeln, sowie die vorbereitenden technischen Schritte, die dazu unternommen werden, sind lobenswert. Es hat sich jedoch schon jetzt eine Kluft aufgetan zwischen den multilateralen Verhandlungen, die die EU zur Zeit vorbereitet – was einige Zeit in Anspruch nehmen wird – und den konkreten Ergebnissen, die einige EU-Länder bereits in bilateralen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten erzielt haben. Schließlich haben wir alle dasselbe Ziel vor Augen: die Aufhebung der Visumpflicht für Reisen in die USA. Es ist nur leider so, dass wir zwischen zwei Möglichkeiten wählen können: die Aufnahme der multilateralen Verhandlungen zwischen der EU und den USA abzuwarten und bis dahin auf die Visumfreiheit zu verzichten oder in bilaterale Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten zu treten und sie so erheblich früher zu erhalten. Die EU-Mitgliedstaaten zu zwingen, aus Gründen einer falsch verstandenen Solidarität, die von vielen EU-Mitgliedsländern noch nicht einmal in Bezug auf andere, wesentlich wichtigere Angelegenheiten, zum Beispiel Energie, beachtet wird, die weniger attraktive Möglichkeit zu wählen, ist zumindest aus moralischer Sicht falsch. Dies trifft umso mehr zu, da die Hälfte der europäischen Bürger aufgrund früherer bilateraler Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten ohnehin bereits von der Visumpflicht befreit ist.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). – (RO) Ich glaube, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA sind von besonderer Art. Die meisten Mitgliedstaaten sind in der NATO und beteiligen sich ohne Unterschied gemeinsam an der Erhaltung der Sicherheit in Europa und gegebenenfalls in anderen Ländern.
Nichtsdestotrotz werden Unterschiede gemacht, wenn es darum geht, Einreisevisa für die Vereinigten Staaten zu erteilen; dabei stützt man sich auf Kriterien, die derzeit nicht ausreichend klar und transparent sind. Das wichtigste Kriterium, nämlich weniger als 10 % abgelehnter Visumanträge, hängt ausschließlich von amerikanischen Bürgern ab, und nicht von den Bürgern, die Visumanträge stellen.
Die EU-Organe haben es bisher nicht geschafft, die Verhandlungen zugunsten der EU-Bürger zum Abschluss zu bringen. Daher muss jeder Mitgliedstaat eigene Methoden finden, um eine Lösung für dieses Problem zu finden.
Positiv ist, dass diese Verhandlungen in der letzten Zeit intensiviert wurden und dass sie simultan von der Europäischen Union und von den Mitgliedstaaten geführt werden können.
Die Verhandlungen müssen sich notwendigerweise auf die Kriterien für die Visumerteilung beziehen. Nur klare und vor allem transparente Kriterien können gewährleisten, dass die Bürger über die erforderlichen Informationen verfügen, bevor sie ihren Visumantrag einreichen.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Entscheidung über die Ablehnung eines Visumantrags liegt offensichtlich bei dem jeweiligen amerikanischen Verwaltungsbeamten. Die Einreiseerlaubnis für die Vereinigten Staaten vom Prozentsatz abgelehnter Visumanträge abhängig zu machen kommt etwa der folgenden Begründung gleich: Wir machen, was wir wollen, ihr könnt nichts daran ändern, aber wir benutzen diesen Vorgang, um euch erniedrigenden Behandlungen und Verfahren zu unterziehen und euch dazu zu zwingen, eine solche Herabwürdigung zu akzeptieren. So etwas ist einfach untragbar und beweist, dass hier keine Partnerschaft existiert und dass wir uns im Grunde in einer Position befinden, in der wir keinerlei Einfluss haben.
Ich hoffe trotz alledem, dass das Gemeinschaftskonzept in dieser Angelegenheit und die Zuhilfenahme anderer Instrumente, die in den Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten zu Gebote stehen, zumindest zu Lösungsansätzen für dieses Problem führen werden.
Monika Beňová (PSE). – (SK) Wir begrüßen die Initiative der Europäischen Kommission und betrachten es als einen Schritt in Richtung Gleichbehandlung der Bürger aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union, einschließlich derer, die immer noch der strikten Visumpolitik der USA unterliegen, obwohl sie im kommenden Mai bereits seit vier Jahren Teil der Europäischen Union sein werden.
Die slowakische Regierung gehört zu jenen, die bilaterale Gespräche mit den USA führen, und zwar in dem aufrichtigen Glauben, dass Washington im Ergebnis dieser Gespräche schneller und entgegenkommender handeln wird.
Daher wäre ich sehr froh, wenn die bilateralen Verhandlungen der Slowakei in EU-Kreisen als positiver Schritt betrachtet werden könnten. Sie sollen nämlich dazu dienen, die Aktionen der EU-Organe zu ergänzen und nicht dazu, sie zu ersetzen. Zusätzlich möchte ich aber hervorheben, dass es hier nicht darum geht, dass unsere Regierungen sich ungerecht behandelt fühlen. Wir wollen vielmehr, dass die Grundsätze der Gemeinschaft respektiert werden, und die Gleichheit aller Bürger ist einer davon.
Titus Corlăţean (PSE). – (RO) Rumänien ist einer der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Bürger ein Visum benötigen, wenn sie in die Vereinigten Staaten reisen möchten.
Im Gegensatz zu den Vorgehensweisen anderer Länder hat es Rumänien bis dato vermieden, bilaterale Verhandlungen mit den USA aufzunehmen, obwohl Rumänien aufgrund der Partnerschaft zwischen beiden Ländern und der Präsenz rumänischer Truppen im Irak und in Afghanistan allen Grund dazu hätte, die Suche nach bilateralen Lösungen zur Regelung der Visumfrage einzufordern.
Ich unterstütze ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten und die Ausstattung der Europäischen Kommission mit einem Mandat, um rasch eine Möglichkeit zu finden, wie die Visumpflicht für EU-Bürger einschließlich der Bürger Rumäniens bei Reisen in die USA aufgehoben werden kann.
Die Europäische Kommission muss sich ernsthaft, konsequent und wirkungsvoll um Verhandlungserfolge bemühen. Andernfalls wird Rumänien möglicherweise vor dem Hintergrund des Druckes der rumänischen Öffentlichkeit, über den man nicht hinwegsehen kann, auf dem Weg über bilaterale Verhandlungen mit den USA eine schnelle Lösung anstreben müssen, genau wie andere EU-Mitgliedstaaten, die das Problem amerikanischer Visa gelöst haben, ohne auf die gemeinsame Position Brüssels Rücksicht zu nehmen.
Abschließend möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass Herr Frattini bei dieser Aussprache nicht anwesend ist, da er die Pflicht gehabt hätte, sich für eine korrekte Behandlung und Freizügigkeit europäischer Bürger und rumänischer Bürger einzusetzen, anstatt eine Diskriminierungspolitik für rumänische Bürger zu unterstützen, für Bürger der Gemeinschaft, die in Italien leben und arbeiten und von denen die Mehrheit gut in die italienische Gesellschaft integriert ist.
Dragutin Mate, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich werde versuchen, Antworten auf bestimmte Probleme und Fragen zu liefern, die Sie besonders hervorgehoben haben. Zunächst möchte ich anmerken, dass es von überaus großer Bedeutung ist, dass auf der letzten Ratssitzung, die am 18. April stattfand, ein Konsens erzielt wurde, und dass der Kommission ein Mandat erteilt wurde, mit den Verhandlungen zu beginnen. Das ist von herausragender Bedeutung, denn so können wir, wie Sie selbst es hier und heute wiederholt zum Ausdruck gebracht haben, auf eine Weise tätig werden, die allen europäischen Bürger zu den gleichen Rechten und natürlich auch zu den gleichen Pflichten verhilft.
Wenn ich auf einige konkrete Punkte eingehen darf, die hier erwähnt wurden, so möchte ich anmerken, dass wir uns zu Beginn der Verhandlungen, wie einer der Abgeordneten dieses Parlaments bereits erwähnt hat, nicht auf eine bestimmte Strategie verständigen konnten, die Europa in gewisser Weise aufgezwungen wurde. Ich sollte darauf hinweisen, dass es uns gelungen ist – vielleicht unter dem anfänglichen Druck, als diese Strategie entwickelt wurde –, uns ihr zu widersetzen. Wir haben die Abkommen zu einem Ende gebracht, wir haben einen Weg gefunden, diese Sache zu lösen, wir haben einen zweigleisigen Ansatz für unsere künftige Zusammenarbeit erarbeitet, und so haben wir in gewisser Weise sowohl den Vereinigten Staaten von Amerika, als auch den EU-Mitgliedstaaten deutlich gemacht, wie sich unsere Zusammenarbeit gestalten kann und wo die Grenzen dessen liegen, was akzeptabel ist und was nicht.
Ich möchte insbesondere auf die Frage der Fingerabdrücke eingehen, und natürlich auf die Schwierigkeiten, die einige von Ihnen, den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, damit in erster Linie als EU-Bürger haben. Es ist ganz wesentlich, die beiden Systeme ESTA und PNR nicht zu verwechseln. Das PNR-System wird unverändert bleiben, so wie es heute ist und wie es angenommen und gebilligt wurde, und es geht dabei nicht um Fingerabdrücke, die im Reisebüro oder irgendwo sonst genommen werden. Diese Sache ist, wie sie ist, und sie ist weder Gesprächsthema, noch gibt sie Anlass für irgendwelche Änderungen. Ich halte das in der Tat für überaus wichtig.
Was die Frage des Datenschutzes und die Tätigkeiten der hochrangigen Expertengruppe betrifft, so möchte ich anmerken, dass ich, seit ich dem Ministerrat und dem Rat vorsitze, gemeinsam mit dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres auf größtmögliche Transparenz geachtet habe. Ich habe den betreffenden Ausschüssen zwei Berichte zu diesem Thema geliefert, und heute habe ich einen Vortrag über die aktuellen Ereignisse gehalten, auch vor dem Parlament.
Ich meine, in dieser ersten Stufe haben wir uns an den Grundsatz gehalten, herauszufinden, wo die Schwierigkeiten liegen, wo die gemeinsamen Schwierigkeiten liegen, wo die gemeinsamen Grundsätze liegen. Auf dieser Basis werden wir dann mit weiteren Maßnahmen fortfahren können. Mit weiteren Maßnahmen und Verhandlungen werden wir 2009 beginnen, und falls wir tatsächlich damit beginnen, ist es überaus wichtig, dass wir – Parlament, Rat und Kommission – ein gemeinsames Fundament haben. Nur so können wir die Kraft aufbringen, eine Einigung zu erzielen. Ich vermute, auch Ihr Parlament ist zu der Auffassung gelangt, dass dieses Abkommen für uns von überragender Bedeutung ist, denn es würde einen Rahmen für den Datenschutz liefern, und wir müssten nicht bei neuen Verhandlungen über ein Abkommen wieder auf dieses Thema zu sprechen kommen. Genau das ist unser Ziel. Dies waren keine Verhandlungen, bei denen es einfach nur darum ging, ein Abkommen zu erzielen. Bestimmte Grundsätze wurden durchleuchtet. Auf dieser Grundlage werden wir sehen, und wissen es bereits, dass zwölf Grundsätze praktisch übereinstimmend sind. Sollten die Verhandlungen beginnen, wird der Grundsatz, bei dem es keine Übereinstimmung gibt, natürlich ebenfalls Thema dieser Verhandlungen sein. Ich hoffe auf einen Erfolg unserer Verhandlungen.
Darüber hinaus möchte ich auf die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Ratsvorsitzes im Hinblick auf die Absichtserklärungen, die weiteren Gespräche und die Durchführungsprogramme zu sprechen kommen. Es gilt, deutlich zu machen, dass Absichtserklärungen keine Abkommen sind. Gemeinsame Absichtserklärungen sind Ausdruck der politischen Bereitschaft eines Landes, an der Aufhebung der Visumspflicht teilzunehmen. Sie enthalten keinerlei Elemente, die diesem Dokument den Status eines internationalen Abkommens verleihen würden.
Was die weiteren Gespräche und Durchführungsvereinbarungen und/oder Durchführungsbestimmungen betrifft, so sind unsere diesbezüglichen Beziehungen mit den Mitgliedstaaten sehr intensiv. Vor einigen Tagen führte ich zum Beispiel mit Jan Langer aus der Tschechischen Republik ein sehr offenes Gespräch über diese Verhandlungen und ihre Fortschritte. Zu diesem Zeitpunkt existieren noch keine schriftlichen Unterlagen über die Gespräche und Durchführungsbestimmungen, die die USA den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen würden.
Meiner Meinung nach ist es von höchster Wichtigkeit, dass die Arbeit der Mitgliedstaaten sowie der Kommission und der Präsidentschaft transparent bleibt. Nur in einer solchen Dreierkonstellation, und natürlich auch in einigen Bereichen der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, kann ein angemessenes Vorgehen zur Bewältigung dieser Angelegenheit entwickelt werden. Ich denke jedoch, dass wir es Kommissar Barrot, dem Vizepräsidenten, überlassen sollten, die zahlreichen Fragen zu beantworten, die in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Wir müssen eine ungerechte Situation beseitigen. Es ist nicht hinnehmbar, dass es zwei Kategorien europäische Bürger gibt, die einen mit Visapflicht, die anderen ohne. Das ist meiner Meinung nach eine tiefe Überzeugung, die wir alle teilen.
Zweitens glaube ich persönlich an die Kraft einer einheitlichen Verhandlungsführung. Wenn Europa mit einer Stimme spricht und alle seine Mitglieder solidarisch sind, ist es sehr viel stärker. Ich habe mir erlaubt, wie Herr Mate bezeugen kann, daran zu erinnern, dass es uns in einem anderen Bereich, der relativ gesehen überhaupt nicht vergleichbar ist, dem offenen Luftraum, gelungen ist, dank der Erteilung des Mandats an die Kommission zum gegebenen Zeitpunkt die erste Etappe des offenen Luftraums zu erreichen.
Und in gleicher Weise glaube ich an die Kraft einer einheitlichen Verhandlungsführung, und ich muss sagen, dass wir uns zusammen mit dem Ratspräsidenten Mate mit sehr viel Entschlossenheit an die Arbeit machen werden.
Lassen Sie mich hinzufügen, dass die Kommission immerhin bereits in der Vergangenheit mit einigen Drittländern Gegenseitigkeitsvereinbarungen getroffen hat. Unsere Vereinbarungen haben es ermöglicht, mit Kanada, Australien und anderen Länder gute Ergebnisse zu erzielen. Es gibt also keinen Grund, warum es uns nicht gelingen sollte, mit dieser Diskriminierung Schluss zu machen.
Ich möchte präzisieren, dass die Kommission bereits kommenden Dienstag und Mittwoch in Washington präsent sein wird, um die Verhandlungen förmlich zu beginnen. Mit anderen Worten, wir haben hier den Beweis für unsere Entschlossenheit, dieses Mandat umfassend umzusetzen. So viel also zum ersten Punkt.
Lassen Sie mich nun auf die Fragen antworten, die insbesondere Herr Deprez zu den Umsetzungsprotokollen gestellt hat. Uns liegen, wie Herr Mate gerade sagte, die Umsetzungsprotokolle noch nicht vor. Es ist also sehr schwer, sie zu bewerten. Es stimmt aber, dass wir die Aufgabe haben, sie strikt entsprechend den Gemeinschaftsbestimmungen zu bewerten. Und ich möchte hinzufügen, dass wir dabei transparent sein werden, vor allem gegenüber dem Parlament, was unsere Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten betrifft, doch müssen auch die Mitgliedstaaten – und ich will hier niemanden, keinen Mitgliedstaat beschuldigen –, also alle Mitgliedstaaten, die bilaterale Gespräche führen, ebenfalls dieser Pflicht zur Transparenz nachkommen. Wir brauchen gegenseitiges Vertrauen, wenn wir effektiv sein wollen. Das möchte ich betonen.
Natürlich werden wir, wenn sich im Nachhinein erweist, dass die Umsetzungsprotokolle Dinge enthalten, die aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts nicht akzeptabel sind, überlegen, wie wir handeln, aber wir werden handeln.
Drittens, einige von Ihnen haben die Frage nach den Daten gestellt. Ich möchte daran erinnern, dass der Austausch der PNR-Daten durch das Abkommen von 2007 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten geregelt wird. Diese Bestimmungen existieren und sind jetzt für uns bindend. Es gibt keinen Grund, uns in dieser Frage in irgendeiner Weise durch unsere amerikanischen Freunde verunsichern zu lassen. Dessen ungeachtet habe ich zur Kenntnis genommen, was Herr Deprez zu der Idee geäußert hat, dass es langfristig zweifellos interessant wäre, eine unabhängige Behörde einzusetzen, die den Datenschutz überwacht.
Soweit einige Präzisierungen, doch ich kann Ihnen versichern, dass wir das Parlament natürlich über unsere Verhandlungen auf dem Laufenden halten werden, dass unsere Kraft in einem umfassenden interinstitutionellen Einvernehmen liegen wird, das unseren amerikanischen Freunden deutlich machen wird, dass die Europäische Union heute diese gerechte Behandlung für all ihre Bürger fordert, und zwar mit unerschütterlicher Entschlossenheit.
(Beifall)
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der Maitagung in Straßburg statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße die Erklärung des Ratsvorsitzes über die Gleichbehandlung aller EU-Bürger. Es ist an der Zeit, der Kommission ein parlamentarisches Mandat zur Erzielung eines umfassenden Übereinkommens über das Programm für visafreies Reisen von EU und USA zu erteilen. Das Ziel besteht darin, allen EU-Bürgern ohne Ausnahme so schnell wie möglich visafreies Reisen zu ermöglichen. Wir erwarten von der Kommission außerdem, dass sie die Verhandlungen mit einem Höchstmaß an Transparenz führt. Zu diesem Zeitpunkt ist für uns kein Grund ersichtlich, warum die USA auf der Vorlage weiterer Daten bestehen sollten. Ebenso wichtig ist die Möglichkeit, dass die Bürger auf elektronischem Wege ihre Visumanträge und persönlichen Daten übermitteln können.
Mehrere Kollegen haben sich verärgert gezeigt, dass manche Mitgliedstaaten Schritte unternommen haben, um die Vereinbarung der Visafreiheit durch bilaterale Gespräche mit den Behörden der USA zu beschleunigen. Dadurch wird die EU jedoch nicht gespalten. Wir dürfen nicht vergessen, dass nahezu allen älteren Mitgliedstaaten bereits die visafreie Einreise möglich ist, während das bei nahezu allen neuen Mitgliedstaaten noch nicht der Fall ist.
Gemeinsame Absichtserklärungen dieser Staaten sollten wir als einen Akt des politischen Willens auf dem Weg zur Visafreiheit betrachten; es sind sicherlich keine separatistischen Vereinbarungen.
(Die Sitzung wird um 11.25 Uhr unterbrochen und um 11.30 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
4. Abstimmungsstunde
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll.)
4.1. Protokoll zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen EG/ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien anlässlich des EU-Beitritts Bulgariens und Rumäniens (A6-0078/2008, Jacek Saryusz-Wolski) (Abstimmung)
4.2. Anwendung des Artikels 81 Absatz 3 des Vertrags auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschifffahrtsunternehmen (Konsortien) (kodifizierte Fassung) (A6-0089/2008, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg) (Abstimmung)
4.3. Mediation in Zivil- und Handelssachen (A6-0150/2008, Arlene McCarthy) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung:
Arlene McCarthy, Berichterstatterin. − (EN) Herr Präsident! Zu dem gemeinsamen Standpunkt gibt es keine Änderungsanträge. Das haben wir der hervorragenden Zusammenarbeit von Parlament, Rat und Kommission zu verdanken sowie der Arbeit insbesondere meiner Schattenberichterstatter Diana Wallis und Jean-Paul Gauzès von der PPE-DE-Fraktion, die mit Rat und Kommission äußerst streng gewesen sind.
Ich glaube, über ein Jahr ist vergangen, seit wir diesem Vorschlag zugestimmt haben. Aber es sind die Mediationsfachleute und Experten auf diesem Gebiet, deren Antwort auf die erste Online-Befragung des Parlaments uns von den Vorzügen dieses Gesetzes überzeugt hat. Ich weiß, dass sie nun die heutige Abstimmung begrüßen werden, durch die diese Vorschläge Gesetz werden.
Zu oft erleben wir Fälle, wo eine Ehe oder eine Beziehung mit Kindern scheitert und unsere Wähler einander jahrelang vor Gericht gegenüberstehen, um am Ende gewaltige Prozesskosten zahlen zu müssen. Einer meiner Wählerinnen, deren Lebensgefährte Grieche war, sind Unmengen an Rechnungen über Anwalts- und Prozessgebühren entstanden, und sie musste drei Jahre durch alle Instanzen gehen, um ihre Kinder zurückzubekommen. Mediation kann für die Bürger daher ein wertvolles Mittel sein, um Gerechtigkeit zu erlangen, die Kosten für das Streitbeilegungsverfahren zu senken und sich gleichzeitig die häufig bittere Erfahrung eines Gerichtsverfahrens zu ersparen.
Sie hat den weiteren Vorteil, dass sie den Gerichten Zeit für solche Fälle schafft, in denen ein Gerichtsurteil erforderlich ist. Dieses neue Gesetz sollte Menschen in ganz Europa helfen, auf schnellem und bezahlbarem Weg Gerechtigkeit zu erlangen. Ich bitte die Mitglieder daher dringend, die zweite Lesung zu unterstützen und den Bürgern in ganz Europa neue Wege der Entschädigung und des Rechtsbehelfs zu eröffnen.
(Beifall)
Der Präsident. − Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen daran erinnern, dass der Berichterstatter das Recht hat, im Plenum für zwei Minuten ums Wort zu ersuchen. Daher möchte ich Sie bitten, entsprechende Selbstkontrolle zu üben. Herr Rack hat meines Erachtens allerdings wegen einer Verfahrensfrage ums Wort gebeten.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Normalerweise sagen wir: Unsere Maschine geht nicht. Im konkreten Fall: Die Lifte gehen nicht. Es warten jede Menge von Kollegen, um hier herunterzukommen. Es wäre vernünftig, dass man doch schaut, dass man Erklärungen wie diese vielleicht vorzieht.
Der Präsident. − Ich versichere Ihnen, dass alles menschenmögliche getan wird, damit die Aufzüge schnell wieder funktionieren oder dass die Kolleginnen und Kollegen in den Aufzügen abstimmen können.
4.4. Europäische Satellitennavigationsprogramme (EGNOS und Galileo) (A6-0144/2008, Etelka Barsi-Pataky) (Abstimmung)
4.5. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2003/109/EG auf Personen mit internationalem Schutzstatus (A6-0148/2008, Martine Roure) (Abstimmung)
4.6. Grünbuch zur Rolle der Zivilgesellschaft in der Drogenpolitik der Europäischen Union (A6-0073/2008, Giusto Catania) (Abstimmung)
4.7. Anpassung des mehrjährige Finanzrahmens (A6-0157/2008, Reimer Böge) (Abstimmung)
4.8. Durchführung der Programmierung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (A6-0042/2008, Marie-Arlette Carlotti) (Abstimmung)
4.9. Fortschrittsbericht 2007 — ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien (A6-0059/2008, Erik Meijer) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung:
Erik Meijer, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Durch den mündlichen Änderungsantrag von Herrn Landsbergis sehe ich mich veranlasst, die komplizierte Situation hinsichtlich eines Namens zu erläutern.
„FYROM“ war noch nie der Name eines Landes, sondern kann nur eine Abkürzung von „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ sein. In meinem vorhergehenden Bericht, den dieses Parlament in der Plenarsitzung vom 12. Juli 2007 angenommen hat, wurde beschlossen, diese Abkürzung nicht wie einen Namen zu behandeln, sondern immer diese vier Worte zu verwenden.
Die Schlussfolgerung bestand darin, alle anderen in Änderungsanträgen enthaltenen Bezeichnungen durch „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ zu ersetzen.
Ich schlage vor, bei dieser Linie zu bleiben. Der mündliche Änderungsantrag von Herrn Landsbergis stimmt mit diesem Beschluss nicht überein. Ich gehe davon aus, dass eine Vereinbarung mit Griechenland bis Ende 2008 Klärung hinsichtlich der verschiedenen Ansichten zu den Namen dieses Staates bringen wird und dass die Bezeichnung FYROM dann für immer vergessen sein wird.
Vytautas Landsbergis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wir befinden uns in einer verzwickten Lage mit einem unserer Nachbarn, nämlich wenn eine normal existierende Republik auf dem europäischen Kontinent einem Beschluss der Vereinten Nationen zufolge offiziell als nichtexistent, sondern nur als die „‚ehemalige‘ Republik M.“ bezeichnet wird.
Bevor Washington dem Beispiel New Yorks folgt und fordert, das Georgien im Kaukasus solle die „ehemalige sowjetische Republik Georgien“ genannt werden, könnten wir unser Missfallen an diesen Praktiken zum Ausdruck bringen und an einer Lösung für „M.“ arbeiten. Das ist mein Vorschlag für eine Übergangslösung – nicht den Namen eines „ehemaligen“ Staates zu ersetzen, sondern den Text unseres Berichts dahingehend zu korrigieren, dass wir eine zusätzliche Erklärung einfügen: „das Land mit dem Namen FYROM“.
Bitte beweisen Sie mir Ihren Sinn für Humor und zeigen Sie Ihre Unterstützung. Wir sollten sowohl Griechenland als auch „M.“ helfen.
(Der mündliche Änderungsantrag wird nicht angenommen.)
4.10. Die Politik Chinas und deren Auswirkungen auf Afrika (A6-0080/2008, Ana Maria Gomes) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 5:
Ana Maria Gomes, Berichterstatterin. − (PT) Herr Präsident! Ich möchte eine Änderung zu Ziffer 5 vorschlagen, die den Text minimal ändern würde. Der jetzige Text lautet:
(EN) „fordert die Europäische Union auf, die Schaffung eines Afrikanischen Partnerschaftsforums zu unterstützen, in dem alle wichtigen Geber und Investoren vertreten sind“.
(PT) und nach der Änderung, die ich vorschlage, würde er lauten:
(EN) „fordert die Europäische Union auf sicherzustellen, dass im Afrikanischen Partnerschaftsforum alle wichtigen Geber und Investoren vertreten sind, namentlich China“.
(PT) Die Änderung ergibt sich daraus, dass wir zu der Schlussfolgerung gelangt sind, dass das African Partnership Forum gerade gegründet wurde, und deshalb müssen wir diese kleine Änderung vornehmen, die die neue Situation widerspiegelt. Dies wurde allen Kollegen und Schattenberichterstattern mitgeteilt, und nach meinen Informationen gibt es keine Einwände dagegen.
(Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
5. Feierliche Sitzung – Slowenien
Der Präsident. − Spoštovani gospod predsednik Republike Slovenije. Es ist eine große Freude, Herr Staatspräsident der Republik Slowenien, Sie heute im Europäischen Parlament hier in Straßburg begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen.
Slowenien ist am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten und hat jetzt die Ratspräsidentschaft inne. Herr Präsident, Sie haben vor vier Monaten Ihr Amt als Staatspräsident Sloweniens angetreten, und wir haben uns in dieser Zeit bereits dreimal getroffen. Das erste Mal zwei Tage vor Ihrem offiziellen Amtsantritt in Ljubljana, dann am 8. Januar anlässlich der Eröffnung des europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs, und schließlich im Februar am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York zum Thema Klimawandel.
Herr Staatspräsident, Sie sind der dritte Staatspräsident Sloweniens seit der Unabhängigkeit. Sie können auf eine langjährige und wertvolle Erfahrung als Professor für Völkerrecht und vor allem als Diplomat zurückblicken, denn Sie haben einen großen Teil Ihres Berufslebens den Vereinten Nationen gewidmet. Sie waren acht Jahre lang der ständige Vertreter der Republik Slowenien bei den Vereinten Nationen und fünf Jahre dort beigeordneter Generalsekretär für politische Angelegenheiten. Jetzt ist es für Slowenien eine große Ehre, als erstes Land der neuen Mitgliedstaaten, die am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, als erstes ehemaliges kommunistisches Land und als erstes slawisches Land den Vorsitz in der Europäischen Union zu übernehmen.
Dieses Privileg ist mit einer großen Verantwortung für Slowenien verbunden, der Sie sich stellen, weil die neuen Mitgliedstaaten durch die Übernahme dieser Verantwortung jetzt auch Verantwortung für die große Familie in der Europäischen Union tragen. Mit dem Ratsvorsitz trägt Slowenien noch eine weitere Verantwortung, und zwar gegenüber den Staaten in seiner Nachbarschaft, das heißt den Ländern des westlichen Balkans.
Slowenien ist diesen Ländern ein Vorbild, indem es ihnen zeigt, dass Erfolg möglich ist, dass die Mitgliedschaft in der Europäischen Union erreicht werden kann und dass sich mit dem Beitritt Stabilität, Entwicklung und Wohlstand verwirklichen lassen.
Herr Präsident, Sie werden jetzt zu uns sprechen, es ist eine große Freude, Sie darum zu bitten. Izvolite, prosim!
Danilo Türk, Staatspräsident der Republik Slowenien. − (SL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich betrachte die Einladung, vor diesem Hohen Hause das Wort zu ergreifen, als eine große Ehre. Erst vor einem Monat begingen wir den 50. Jahrestag der ersten Sitzung des Europäischen Parlaments. Der Jahrestag ist ein hervorragender Anlass, um über die Gegenwart und die Zukunft der Europäischen Union nachzudenken. Heute habe ich diese besondere Gelegenheit, meine Gedanken mit Ihnen, den gewählten Vertretern der europäischen Nationen, zu teilen.
Dieses Parlament, und natürlich die Europäische Union insgesamt, sind die beeindruckende Verwirklichung eines großen Zukunftsentwurfs, einer Vision anhaltenden Friedens und Wohlstands, eines Geists der Zusammenarbeit und beständig zunehmenden Integration, der den europäischen Völkern zum Nutzen gereicht. Die Väter dieses Zukunftsentwurfs – Jean Monnet, Robert Schuman, Konrad Adenauer, Alcide de Gasperi und andere – konnten sich vermutlich nicht vorstellen, dass in einer nach ihrer größten Erweiterung im Jahre 2004 hoch integrierten Europäischen Union – 51 Jahre nach Gründung der Europäischen Gemeinschaften – Slowenien als erster der neuen Mitgliedstaaten den Ratsvorsitz innehaben und der slowenische Staatspräsident vor dem Europäischen Parlament sprechen würde.
Allerdings würde Ihre Zufriedenheit wohl Ihr Staunen überwiegen. Das europäische Projekt hat sich nicht nur als Erfolg erwiesen, sondern auch als ein Projekt von einer gewaltigen Kraft, Veränderungen zu bewirken, das dabei ist, ein völlig neues Europa zu schaffen, ein Europa, wie wir es in den wechselnden Zeitläufen seiner langen Geschichte noch nie erlebt haben. Noch viel wichtiger ist heute, dass sich die Europäische Union durch das europäische Projekt bereits weitestgehend als weltpolitischer Faktor und Akteur erwiesen hat. Und genau darüber möchte ich heute sprechen.
Was hat diesen unglaublichen Erfolg ermöglicht, die Entstehung eines so großen und wichtigen Akteurs der Weltpolitik? Welche Schlüsse können wir heute aus diesem Erfolg ziehen? Sind wir in der Lage, das Wissen, das wir in der Vergangenheit gewonnen haben, auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft anzuwenden? Dies sind die Fragen, die wir uns immer wieder stellen müssen. Die Europäische Union wird sich in einer zunehmend „globalisierten“ Welt immer wieder komplizierten Fragen stellen müssen, und sie wird glaubwürdige Antworten liefern müssen. Die Europäische Union wird auch künftig eine Erfolgsgeschichte bleiben, vorausgesetzt, sie erhält sich ihre Dynamik und beweist, dass sie ein weltpolitischer Akteur von ständig wachsender Bedeutung ist, und ich möchte hinzufügen – politischer Bedeutung. Sich vorwärts zu bewegen ist eine Voraussetzung für Erfolg. Aus heutiger Sicht wird von der Europäischen Union erwartet, dass sie weltpolitisch eine Führungsrolle übernimmt.
In vielen Bereichen hat sie diese Rolle schon eingenommen, oder es wird dringend erwartet, dass sie dies tut. Ich möchte zwei dieser Bereiche nennen: Erderwärmung und Menschenrechte.
Im vergangenen Jahr stellte die Europäische Union Umweltthemen und insbesondere das Thema Erderwärmung in den Mittelpunkt ihrer Politik. Zweifellos war dies eine kluge Entscheidung, denn Klimawandel und Umweltzerstörung sind ganz offensichtlich die ernsthafteste Bedrohung und die größte Herausforderung, der wir alle gegenüberstehen. Die Europäische Kommission hat besondere Ziele festgelegt, die es der Europäischen Union ermöglichen, weltweit eine führende Rolle zu spielen. Das Hauptziel ist die Verringerung der Treibhausgasemissionen um 20% gegenüber 1991 bis 2020. Die Erreichung dieses Ziels wurde als Selbstverpflichtung festgelegt. Die Initiative für ein noch ehrgeizigeres Ziel sollte Teil eines allgemeinen internationalen Abkommens sein, an dem sich auch andere große Akteure beteiligen würden. In diesem Fall wäre, nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission, die Europäische Union sogar bereit, im gleichen Zeitraum eine 30%ige Verringerung zu erreichen. Diese Ziele sind so gewichtig und so ehrgeizig, dass wir in der Tat klare Vorstellungen von den Veränderungen benötigen, um Maßnahmen gegen die Erderwärmung einzuleiten, die der Europäischen Union die nötige Vorbildfunktion und führende Stellung in der Welt verleihen würden.
Ist es jedoch überhaupt möglich, dass wir diese Ziele erreichen, oder erweisen sie sich nur als weitere unüberwindbare Hürde? Die Antwort auf diese Frage ist weiterhin unklar. Vor einem Monat begrüßte der Europäische Rat einen Vorschlag der Europäischen Kommission – als eine gute Grundlage für eine Einigung. Beratungen in diesem und im kommenden Jahr werden zeigen, wie viel wir vor der Konferenz in Kopenhagen, die für Dezember 2009 geplant ist, tatsächlich erreichen können. Ich möchte besonders hervorheben, dass das Europäische Parlament durch die Einrichtung eines Sonderausschusses zum Klimawandel die Bedeutung dieses Themas bereits anerkannt hat und eine entsprechend wichtige Aufgabe zu bewältigen haben wird.
Die vor uns liegende Aufgabe wird wohl keine leichte sein. Die Unruhe, die man in den europäischen Medien nun zu spüren beginnt, vermittelt eine ganze Palette unterschiedlicher Botschaften. Es gibt Unterstützungsbekundungen, aber auch skeptische Stimmen, die vor den Sorgen warnen, die manche europäische Industriezweige zum Ausdruck gebracht haben. Dazu gehört auch die Tatsache, dass sich angesichts der schwierigen Lage der Weltwirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls zunehmend schwierig gestaltet und Umweltbelange vergleichsweise an Bedeutung verlieren.
Schwierige Zeiten wie diese stellen eine echte Herausforderung dar, wenn es darum geht, die Führung zu übernehmen. Es liegt auf der Hand, dass die Erderwärmung schon jetzt den Punkt erreicht hat, an dem die internationale Gemeinschaft eine harte Entscheidung zu treffen hat: entweder mit den bisherigen Methoden für mehr Wachstum fortzufahren und eine Katastrophe letztendlich in Kauf zu nehmen, oder den Mut zu einer radikalen Kursänderung aufzubringen, der die Folgen der Erderwärmung wirksam eindämmen und das Schlimmste verhindern kann. Wir werden keinen Erfolg haben, wenn wir allein auf Wachstum setzen. Das Ganze ist keine leichte Aufgabe, aber sie anzupacken, ist das Gebot der Stunde. Und ich hoffe, dass wir in diesem Jahr den Weg der Veränderung wählen werden.
Bei diesen Bemühungen wird es erforderlich sein, die erste Reihe der Befürworter dieses Wegs erheblich zu erweitern. Immerhin haben viele schon den Eindruck, dass Veränderungen nötig sind. Nichtregierungsorganisationen, die Medien und andere Vertreter der Zivilgesellschaft werden mobilisiert. In Wirtschaftskreisen gibt es Anzeichen für eine starke Tendenz, neue, auf sauberer Energie basierende Technologien zu entwickeln, und immer mehr Menschen sind bereit, ihre Gewohnheiten als Verbraucher zu ändern.
Jetzt müssen wir die Tendenzen mit einer zielstrebigen Bewegung verbinden. Der zeitliche Rahmen ist bekannt. Der Ort ist bekannt. Gemäß dem im vergangenen Jahr in Bali verabschiedeten Aktionsplan wird erwartet, dass die Verhandlungen im kommenden Jahr mit der Annahme eines weltweiten Abkommens abgeschlossen werden, das 2012 an die Stelle des Kyoto-Protokolls treten wird. Wenngleich die Verhandlungen in den Vereinten Nationen geführt werden, ist die allseitige Unterstützung von Bedeutung. Zeit und Ort werden es uns ermöglichen, unsere Kräfte zu vereinen, und an diesem Punkt muss die Europäische Union die Führung übernehmen.
Meine Damen und Herren! Nicht nur im Bereich der Umwelt muss die Europäische Union die internationale Führung übernehmen. Die Union muss auch in den weltweiten Bemühungen für Menschenrechte eine mächtigere Rolle spielen. Dass sich die Europäische Union für die Menschenrechte einsetzt, liegt natürlich auf der Hand. Die europäischen Organe bekennen sich zu den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und zu den Menschenrechten, Europa ist ein Hort der Menschenrechte.
Die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon durch alle Mitgliedstaaten bis zum Ende dieses Jahres – des Jahres, in dem wir den 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begehen – wird auch bedeuten, dass erstmals in der Geschichte der Union das gesamte Spektrum der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Bürger der Union, wie sie in der europäischen Charta der Grundrechte festgeschrieben sind, rechtsverbindlich wird.
Aus globaler Sicht ist die Lage in der Welt wenig ermutigend. An vielen Stellen unseres Globus gibt es zahlreiche Beispiele für die systematische Verletzung der Menschenrechte. Das liegt zum Teil an dem gierigen Streben nach wirtschaftlichem Profit ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der heimischen Bevölkerung und der Umwelt. Die arme und indigene Bevölkerung ist besonders häufig von Armut und Hunger bedroht und steht in einigen Fällen sogar vor dem Aussterben. Im Rahmen bewaffneter Konflikten in vielen Teilen Afrikas und Asiens finden immer noch Gewalttaten statt, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.
Die Europäische Union muss handeln, indem sie Wirtschaftsmodelle für ein nachhaltiges Wachstum vorschlägt. Sie muss zudem handeln, indem sie humanitäre und diplomatische Anstrengungen unternimmt, aber auch, indem sie von Sanktionen Gebrauch macht, die die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs unterstützen. An diesem Punkt muss die Europäische Union eine führende Rolle einnehmen, insbesondere deshalb, weil das weltweite Handeln im Bereich der Menschenrechte unzureichend ist.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bemüht sich immer noch um korrekte Arbeitsmethoden. Seine Bestrebungen, auf globaler Ebene ein allgemeines System zur periodischen Überprüfung der Menschenrechte zu schaffen, sind vielversprechend, aber noch immer nicht erfolgreich. Seine Aktivitäten im Kampf gegen zahlreiche und systematische Menschenrechtsverstöße sind nicht hinreichend integriert. All dies kann allmählich korrigiert werden, jedoch nicht ohne eine überzeugende Führung, nicht ohne eine wirksame Führungsrolle jener Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, die aktiv für die Menschenrechte eintreten.
Tatsächlich kann dies nicht ohne eine stärkere Führungsrolle seitens der Europäischen Union geschehen, die die wichtigste Gruppe der einflussreichen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen repräsentiert. Einige andere ursprüngliche Verfechter der Menschenrechte sind in letzter Zeit weniger aktiv gewesen und haben sich nicht um die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen beworben. Wachsende Beunruhigung über den Terrorismus und andere Bedrohungen der Sicherheit, einschließlich der Reaktionen auf diese Bedrohungen, die bisweilen nicht ausreichend durchdacht sind, haben sich offensichtlich nachteilig auf die Sensibilität für Menschenrechte ausgewirkt. Die Europäische Union muss diese Lücke füllen.
Die Union muss auch neue Wege der Zusammenarbeit mit dem UN-Sicherheitsrat finden. Es waren die Bemühungen des Sicherheitsrates in Darfur, die dazu beigetragen haben, die Rolle des Internationalen Gerichtshofs in seinen Bestrebungen um strafrechtliche Verfolgung der Urheber einiger der grausamsten Verbrechen unser Zeit zu begründen. Vor ziemlich genau einem Jahr erließ der Internationale Gerichtshof Haftbefehle gegen einige dieser Personen. Die Bemühungen, sie vor Gericht zu stellen, müssen fortgeführt werden, und die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsrat wird auch weiterhin von entscheidender Bedeutung sein.
Doch auch ohne die Bemühungen des UN-Sicherheitsrates muss sich die Europäische Union über Maßnahmen Gedanken machen, die zur Wirksamkeit des Internationalen Gerichtshofes beitragen würden. Ich möchte betonen, dass es gerade die internationale Gerichtsbarkeit ist, die das Rückgrat der heutigen internationalen Menschenrechtsaktivitäten bildet, und sie benötigt wirksame Unterstützung.
Die Europäische Union sollte auch weltweit die aufstrebenden Demokratien unterstützen, die sich wirklich zu den Menschenrechten bekennen. Sie sind an internationalen Aktivitäten interessiert, müssen jedoch gleichzeitig ihre regionale und sonstige Zugehörigkeit berücksichtigen, ebenso wie die Tatsache, dass diese Aspekte bei allen internationalen Aktivitäten, die mit den Menschenrechten im Zusammenhang stehen, nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Länder sind jedoch Partner der Europäischen Union, und diese Partnerschaften müssen wir pflegen.
Meine Damen und Herren! Die internationalen Menschenrechtsaktivitäten in ihren unterschiedlichen Ausprägungen können wirksam sein, wenn sie einem soliden Fundament entwachsen, einer grundsätzlichen Achtung der Menschenrechte im eigenen Land. Dazu gehören der Schutz der Menschenrechte von Migranten sowie von Asylbewerbern und eine umsichtige Anwendung der Gesetze in Terrorverdachtsfällen. Der Bau dieses Fundaments ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Vertrag von Lissabon umfasst die EU-Menschenrechtscharta und ein verbessertes Beschlussfassungsverfahren, das im Zusammenhang mit Menschenrechten die Annahme mutiger und kreativer Lösungen ermöglichen wird.
Für die Europäische Union ist die Forderung nach Kreativität nichts Neues. Europäische kreative Unruhe, wie sie der deutsche Bundespräsident Horst Köhler in seiner Ansprache vor dem Parlament vor zwei Jahren nannte, diese kreative Unruhe hat Europa geholfen, entsprechend seinem Bekenntnis zu Freiheit und Wahrheit zahlreiche soziale und politische Herausforderungen zu meistern, die Solidarität Wirklichkeit werden zu lassen und eine bessere Welt für alle zu schaffen. Auf keinem anderen Gebiet wird Kreativität und kreative Unruhe so nötig sein wie auf dem der Steuerung der Zuwanderung und der sozialen Eingliederung der Migranten.
Europa altert, und ohne eine erfolgreiche Bevölkerungspolitik wird es nicht mehr in der Lage sein, die Rolle einer führenden Weltmacht zu übernehmen. Diese Politik wird unvermeidlich auch die Steuerung der Zuwanderung umfassen. Europa braucht Neuankömmlinge, die positiv denken und ihren Teil zur Schaffung einer besseren Welt für alle beitragen. Die politischen Maßnahmen zur Förderung des Eingliederungsprozesses der Zuwanderer können natürlich unterschiedlich ausfallen und müssen auf korrekte Weise zusammengeführt werden, je nach den Bedingungen des Landes, das sie aufnimmt. Gleichzeitig haben einige Elemente breitere Geltung, und in einigen Fällen kann die Europäische Union auch von nichteuropäischen Ländern lernen, zum Beispiel von Kanada.
Die Migrationspolitik wird auf der Ebene der Europäischen Union insgesamt eine Reihe aufeinander abgestimmter Ziele erfordern. Das Ziel des gemeinsamen europäischen Asylsystems bis zum Jahr 2010 erscheint mir sowohl ehrgeizig als auch dringlich. Ebenfalls notwendig ist die verbesserte Abstimmung von Einwanderungspolitik und Entwicklungshilfepolitik. Die Europäische Union muss ihre Rolle im hochrangigen Dialog mit den Vereinten Nationen über die Migration stärken.
Gleichzeitig brauchen wir Kreativität im Zusammenhang mit der Eingliederung von Zuwanderern und ihren Gemeinschaften. Wirtschaftlicher Wohlstand und sozialer Aufstieg sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Migrationspolitik. Zum Beispiel schafft das unternehmerische Wirken ethnischer Minderheiten Arbeitsplätze und trägt erheblich zu den Volkswirtschaften der Aufnahmeländer bei. Andererseits können die Regierungen ihren eigenen Beitrag leisten, indem sie angemessene Regelungen treffen und Qualifizierungsprogramme schaffen und das freie Unternehmertum grundsätzlich unterstützen.
Die Eingliederung muss einen wirksamen Zugang zu hochwertiger Ausbildung umfassen, neben Sprachkursen und dem Zugang zur Universität. Die Bildung ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Eingliederung der Zuwanderer in die Gesellschaft.
Und Erfolge müssen sichtbar gemacht werden. Personen ausländischer Herkunft, denen es gelungen ist, erfolgreich zu sein, müssen die Gelegenheit erhalten, im Fernsehen und anderen Medien aufzutreten, und sollten als erfolgreiche Beispiele dargestellt werden. Dies wird dazu beitragen, der breiten Öffentlichkeit vor Augen zu führen, dass Vielfalt und soziale Eingliederung durchaus miteinander vereinbar sind, und dass Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit zu den wichtigsten politischen Tugenden zählen. Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Und nichts, was im Fernsehen gezeigt wird, ist beeindruckender als der Erfolg derjenigen, die am unteren Ende der Gesellschaft angefangen haben.
In gewissem Maße habe ich die Themen Zuwanderung und Eingliederung stärker hervorgehoben, da sie für die Zukunft Europas so wichtig sind, und auch deshalb, weil sie ein weiteres Gebiet darstellen, auf dem die europäische Kreativität auf die Probe gestellt werden wird. In der Vergangenheit ist es der Europäischen Union gelungen, die Mehrheit der sozialen Fragen zu lösen. Im Ergebnis ist sie so zu einem weltweiten Vorbild für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand geworden. Es gibt keinen Grund, warum unsere Generation nicht angemessene Lösungen für die Bereiche Zuwanderung und Eingliederung finden sollte. Europa kann nur gewinnen, indem es Menschen eingliedert, die begabt sind, eine gute Beraufsausbildung haben und die Bereitschaft zeigen, zur Zukunft und zum Wohlstand Europas beizutragen.
Meine Damen und Herren! Was wir heute zweifellos benötigen sind Führung, Weitblick und Kreativität. Gleichzeitig muss die Europäische Union beweisen, dass sie in der Lage ist, auch künftig pragmatische Lösungen für diverse Herausforderungen zu finden. Wir dürfen nicht vergessen, dass es vor mehr als 50 Jahren eben dieser Pragmatismus war, der den Schlüssel zur Bildung der Europäischen Gemeinschaften lieferte, und auch heute stellt er noch den Schlüssel zum Erfolg dar.
Die Bildung der Europäischen Gemeinschaften zum Zweck wirtschaftlicher Vorteile war eine außerordentlich pragmatische Idee, die weitere Schritte zur Integration ermöglichte. Die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einer Zollunion und darüber hinaus, die Fähigkeit, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden und neue Institutionen mit erweiterten Befugnissen aus der Taufe zu heben, sowie die Fähigkeit zur geographischen Erweiterung belegen die Bedeutung des Pragmatismus in der Geschichte und der Entwicklung der Europäischen Union.
Heute sieht sich die Europäische Union neuen Herausforderungen gegenüber, die eine pragmatische Anpassung erfordern. Die größte dieser Herausforderungen ist in erster Linie die weitere Erweiterung. Auch wenn es keinen Zweifel daran gibt, dass alle Länder, die sich um eine EU-Mitgliedschaft bemühen, alle Bewerberländer, die Voraussetzungen erfüllen müssen, sollten wir keines von ihnen aufgrund bloßer politischer Schwierigkeiten oder kultureller Vorurteile an einer Mitgliedschaft hindern. (Beifall)
Für ihre Bestrebungen, eine Rolle von strategischer Bedeutung in der Welt einzunehmen, braucht die Europäische Union die Türkei, daher müssen wir die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortsetzen. Die Union darf der Türkei die Aussicht auf eine Mitgliedschaft nicht verwehren, denn schließlich hat sie ihr diese schon bestätigt. Sollte sie dies dennoch tun, würde die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union selbst in Frage gestellt.
Die Europäische Union darf sich nicht mit dem „Schwarzen Loch“ im Westbalkan abfinden. Die Beitrittsverhandlungen müssen ganz klar eine europäische Perspektive für den Westbalkan abstecken. Dazu sind weitere Bemühungen mit den jeweiligen Ländern dieser Region – die ihre Leistungen verstärken müssen, um die Bedingungen für die Mitgliedschaft zu erfüllen –, sowie mit der gesamten Region erforderlich, die einen Rahmen benötigt, in dem sie die Probleme, die ihnen gemeinsam sind, besprechen und lösen kann. In ihrer Politik gegenüber den Nachbarländern im Osten und anderswo muss die Europäische Union den gleichen Pragmatismus demonstrieren, der ihr auch in der Vergangenheit geholfen hat, Lösungen zu finden. Ohne von Vorbildern sprechen zu wollen, möchte ich betonen, dass die Ukraine und die Republik Moldau die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union brauchen, und wir sollten sie ihnen nicht verwehren.
Meine Damen und Herren! Der Pragmatismus manifestiert sich sowohl in der Praxis als auch als Geisteszustand. Natürlich müssen die Bewerberländer alle erforderlichen Anforderungen in allen die Mitgliedschaft betreffenden Punkten erfüllen. Es hat seinen Grund, dass die Union hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien konsequent und streng vorgeht. Wenn der Weg zur Erfüllung dieser Kriterien ein langer ist, dann soll es so sein. Verhandlungen über einen Zeitraum von ein oder zwei Jahren sind ein äußerst geringer Preis für den Erhalt von Glaubwürdigkeit und Respekt gegenüber den Standards der Europäischen Union. Die Aussicht auf Erweiterung, die Aussicht auf neue Mitglieder muss jedoch glaubhaft bleiben.
Die Länder, die in der Lage sind, die Kriterien zu erfüllen, dürfen aus dem Erweiterungsprozess der Europäischen Union nicht ausgeschlossen werden. Das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, schürt Unzufriedenheit, und Unzufriedenheit schürt Instabilität. Deshalb müssen wir uns einen pragmatischen Geisteszustand bewahren, und jede weitere Erweiterung muss unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, was die Europäische Union als weltpolitischer Akteur benötigt.
Meine Damen und Herren! Im Ergebnis ist die Europäische Union eine gewaltige historische Leistung. Sie hat nun einen Entwicklungsstand erreicht, an dem sie sich dringend ihrer führenden Rolle im Weltgeschehen sowie der Verantwortung, die dieser Status mit sich bringt, bewusst werden muss. Es ist zu erwarten, dass die Europäische Union eine führende Rolle in allen Angelegenheiten wie beispielsweise Erderwärmung und Menschenrechte spielen wird.
Die Kreativität wird auch weiterhin die entscheidende Triebkraft sein, wenn es um wirksame politische Maßnahmen in Bereichen wie Zuwanderung und Eingliederung geht. Und schließlich wird der Pragmatismus auch weiterhin in allen Fragen der künftigen Erweiterung von Belang sein, denn schließlich kann die Europäische Union nur so ihre führende Rolle auf globaler Ebene wahrnehmen. All dies mag ein wenig hochgegriffen klingen. Fortschritt ist jedoch immer das beste Mittel gegen den Stillstand. In dieser Hinsicht bildet die Zeit, in der wir leben, keine Ausnahme, wenngleich feststeht, dass die Probleme heute vielschichtiger sind als früher. Aber natürlich ist auch das nur eine natürliche Konsequenz des Erfolgs. (Beifall)
Der Präsident. − Herr Präsident Türk! Wir dürfen Ihnen für Ihre europäische Rede sehr herzlich danken. Ihre Anwesenheit und Ihre Rede haben zum Ausdruck gebracht, dass Slowenien und die Präsidentschaft Sloweniens mit Ministerpräsident Janus Janša – ich sehe zwei Minister hier: Janez Lenarčič und Janez Podobnik – eng mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten wollen. Sie als der Staatspräsident Sloweniens bringen dies in besonderer Weise zum Ausdruck.
Unsere Erfahrung hier im Europäischen Parlament ist, dass es für den Erfolg einer Präsidentschaft nicht darauf ankommt, ob es sich um ein großes, ein mittleres oder ein kleines Land der Europäischen Union handelt, sondern von dem Geist, der diese Präsidentschaft leitet, abhängt. Schon jetzt kann man sagen, dass Slowenien, weil es mit einem so europäischen Geist an die Arbeit geht – und auch Präsident Türk – mit dieser Präsidentschaft Europa voranbringen wird. Dafür möchten wir Ihnen herzlich danken.
(Beifall)
Wir möchten Ihnen auch dafür danken, dass Sie unsere Prioritäten als Europäisches Parlament unterstützen, und ich will nur zwei von denen nennen, die Sie genannt haben. Zum einen den Klimaschutz – wir werden unsere Arbeiten, wenn wir im Zeitplan bleiben, so abschließen, dass es für den Dezember-Gipfel der Vereinten Nationen im Jahre 2009 in Kopenhagen eine Position der Europäischen Union geben wird. Wir möchten Ihnen auch danken für Ihr Plädoyer für die Menschenrechte. Denn wenn wir als Europäisches Parlament uns nicht für die Menschenrechte einsetzen, wer soll es dann tun? Die Regierungen lassen sich oftmals von Interessen leiten – was auch verständlich ist –, aber wichtig ist, dass wir Interessen und unsere Werte in kluger, den Menschen dienender Weise verbinden, und deswegen stehen die Menschenrechte im Zentrum unserer Politik.
Herr Präsident, herzlichen Dank für Ihren Besuch im Europäischen Parlament. Sie werden ja noch einige Zeit bei uns bleiben. Im Namen der Kolleginnen und Kollegen noch einmal ein aufrichtiges Wort des Dankes an Sie persönlich und an die slowenische Präsidentschaft. Wir wünschen Ihnen allen Erfolg in dem Halbjahr, in dem Sie Europa, die Europäische Union führen. Wenn Sie erfolgreich sind, werden wir alle erfolgreich sein, d. h. die Europäische Union, dies ist unser gemeinsames Ziel. Herzlichen Dank. Die feierliche Sitzung ist damit beendet.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, meiner gestrigen Rede bei der Aussprache über den Start eines der größten gemeinsamen europäischen Projekte, des Navigationssystems Galileo, einige Worte hinzuzufügen. Ich schätze die Arbeit der Berichterstatter sehr, die eine Kompromisslösung sowohl innerhalb des Parlaments als auch mit dem Rat und der Kommission erzielt haben, und mit deren Hilfe wir in der Lage waren, die langwierigen Diskussionen heute zu beenden. Nun müssen wir entscheiden, wo sich der Hauptsitz der Aufsichtsbehörde für Galileo befinden soll. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Tschechische Republik bereit ist und ein idealer Kandidat wäre. Ich vertraue darauf, dass das Versprechen, neue EU-Institutionen in neuen Mitgliedstaaten anzusiedeln, letztlich erfüllt wird.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt. Ich habe der gleichen Debatte gelauscht, der auch meine Vorrednerin gestern gelauscht hat, und ich kann nur entsetzt sein über das, was ich gehört habe: einen bizarren Bieterstreit um eine Agentur, die es nicht zu geben braucht. Wir erfinden ein neues Satellitensystem, weil die Europäische Union ein neues schickes Schmuckstück braucht – dieses Galileo-Projekt ist ein Stück Modeschmuck für die Europäische Union. Es ist teuer; es wird nicht unbedingt gebraucht; es ist wettbewerbswidrig; wir hatten uns schon mit den Chinesen geeinigt, und ein russisches sowie ein GPS-System sind bereits in Betrieb. Europa braucht dieses System nicht, trotzdem werden wir es bezahlen müssen.
Wie die Abstimmungen zur Haushaltsentlastung gestern gezeigt haben, werden wir nicht kontrollieren, wie das Geld für dieses System verwendet wird, und werden daher Abermillionen Euro und Pfund der europäischen Steuerzahler verschwenden. Es ist einfach unglaublich, dass wir uns auf dieses bizarre System eingelassen haben, bloß weil es für uns ein Objekt der Eitelkeit darstellt.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Als ich der gestrigen Debatte lauschte, kam mir der Song „Bohemian Rhapsody“ von Queen in den Sinn und diese unsterblichen Worte: „Galileo, Galileo“. Und ich musste an den Text dieses Songs denken: „Is this the real life? Is it just fantasy? Caught in a landslide, With no escape from reality, Open your eyes, Look up to the sky and see.“ Die Chinesen sind gekommen. Sie haben gesehen. Dann gingen sie davon und bauen nun ihr eigenes System. Die Russen modernisieren ihr System, Glonas, gerade, und als wenn das noch nicht ausreichen würde, wird das amerikanische GPS, das wir bereits – kostenlos – nutzen, gerade auf den neuesten Stand gebracht, woraufhin es noch genauer und noch nutzerfreundlicher sein wird.
Wir sollten nicht das schwerverdiente Geld der Steuerzahler für ein viertes Satellitensystem verschwenden, das gegenüber den anderen keinerlei Vorteile bietet. Und wenn Sie mir diese Vermischung von Metaphern gestatten: Lassen Sie uns diesen weißen Elefanten vom Himmel schießen. Ich habe gegen den Bericht gestimmt.
Roger Helmer (NI). – (EN) Herr Präsident! Auch ich habe gegen den Bericht Barsi-Pataky gestimmt. Dieses Projekt ist doch bloß eine politische Eitelkeit, ein bisschen wie der Euro, und wie beim Euro fehlt es ihm an wirtschaftlicher und technischer Rechtfertigung. Es ist unnötig, es ist überflüssig, und es ist schon jetzt veraltet.
Wie mein Kollege bereits erwähnt hat, ist die Privatwirtschaft gekommen, um sich das Projekt anzusehen, und hat beschlossen, dass sie daran nicht teilhaben möchte, weil es ein sinnloses Projekt ist. Die Chinesen sind gekommen, um es sich anzusehen, haben sich die besten Ideen abgeguckt und beschlossen, dass sie es selbst besser hinkriegen, und in Anbetracht der potenziellen militärischen Verwendung eines weltweiten Ortungssystems über Satellit sollte uns der Umstand, dass es die Chinesen waren, die das Projekt umgesetzt haben, erheblich zu denken geben.
Wir sollten nicht noch mehr Steuergelder für diese sinnlose politische Geste verschwenden.
Daniel Hannan (NI). – (EN) Herr Präsident! Als das Galileo-Projekt ersonnen wurde, beschrieb es Präsident Chirac als notwendig im Kampf gegen den technischen Imperialismus der USA. Tatsächlich ist dies das einzige mögliche Argument für dieses Projekt. Ich habe nicht die Absicht, die Argumente meiner drei verehrten Kollegen zu wiederholen: es macht aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn, es macht aus technischer Sicht keinen Sinn, wir können das amerikanische GPS kostenlos nutzen.
Der Punkt, der mir wirklich am Herzen liegt – und ich spreche hier insbesondere die integrationsfreundlichen Kollegen in diesem Hohen Haus an, denn ich glaube nicht, dass man ein Euroskeptiker sein muss, um darüber besorgt zu sein – ist dieser: Sehen Sie sich an, was in der gestrigen Aussprache passierte, als mein verehrter Kollege, Herr Heaton-Harris, uns fragte, worüber wir abstimmten, und niemand im Saal in der Lage war, die Agentur zu benennen, deren Schaffung wir gerade durchgewunken hatten.
Sie tun sich selbst keinen Gefallen – selbst dann nicht, wenn sie ein Befürworter des europäischen Projekts sind –, wenn Sie das Geld Ihrer Steuerzahler mit einer „Europa-um-jeden-Preis“-Haltung in diese Pläne stecken, ohne zu prüfen, ob es sinnvoll verwendet wird, ob es verloren geht oder gestohlen wird. Ich appelliere an alle meine Kollegen zu versuchen, ihren Steuerzahlern einen – aus ihrer Sicht – gewissen Gegenwert für ihr Geld zu bieten.
Der Präsident. − Vielen Dank. Zu diesem Bericht liegen uns keine weiteren Wortmeldungen oder Stimmerklärungen vor, doch bevor wir zum nächsten Punkt kommen, möchte ich die Gelegenheit ergreifen, um Herrn Lombardo alles Gute und viel Erfolg in seinem neuen Amt zu wünschen.
Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich habe den Bericht über die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien unterstützt, da er der mazedonischen Bevölkerung eine wichtige Botschaft sendet. Seit dem Bericht von 2007 hat sich das Land deutlich weiterentwickelt. Die Wirtschaftsbilanz ist gut, und im Bereich der Gesetzgebung sind Erfolge zu verzeichnen. Ein Konsens in der Innenpolitik zeichnet sich ab, die verschiedenen nationalen Minderheiten und Volksgruppen sind in der Lage, friedlich nebeneinander zu bestehen. Durch die beständige Bekräftigung des Rahmenabkommens von Ohrid und des Badinter-Grundsatzes hat ein neuer Geist Eingang in die Politik gefunden, der durch die Befürwortung des Verhältniswahlsystems und des Erhalts der Identität von Minderheiten geprägt ist. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der ehemaligen jugoslawischen Republik ist komplex, und 2005 war das Jahr ihrer Bewerbung um eine EU-Mitgliedschaft. Die negative Botschaft beim NATO-Gipfel von Bukarest, wo das engstirnige und unlogische Verhalten Griechenlands eine maßgebliche Rolle spielte, war bedauerlich. Ich bin sicher, dass die Namensgebung für die EU kein Hindernis für eine Mitgliedschaft darstellen wird, und es freut mich, dass es dem Parlament gelungen ist, sich diesbezüglich zu einigen. Unsere Entscheidung wird eine positive Botschaft sein, denn das Land ist durch Zurückweisungen und Verzögerungen auf Seiten der EU desillusioniert. Die Zeit für echte und aufrichtige Beitrittsverhandlungen mit dem Land ist gekommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Gyula Hegyi (PSE). – (HU) Ich habe meine Stimme zum Bericht über Mazedonien nicht ohne gewisse Zweifel abgegeben. Es ist wahr, dass wir unsere Anforderungen an die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien immer weiter erhöht haben, aber tun wir wirklich alles im Interesse der euro-atlantischen Integration? Die Entwicklung des Kosovo hin zur Unabhängigkeit und das Nein zur NATO-Mitgliedschaft Mazedoniens könnten potenzielle Gefahren in sich bergen. Die separatistisch gesinnte Minderheit und die nationalistische Mehrheit könnten das empfindliche Gleichgewicht in Mazedonien leicht zerstören. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten mischen sich häufig in die Politik Mazedoniens ein – wir erwarten und verlangen von der Führung Mazedoniens viele unpopuläre Maßnahmen. Das bringt Verantwortung mit sich: Wir selbst tragen eine Verantwortung für die Stabilität des kleinen Landes und die euro-atlantische Integration. Es wäre wünschenswert, dass jeder diese Verantwortung ernst nimmt.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Die heutige Abstimmung ist ein Durchbruch für eine baldige EU-Mitgliedschaft Mazedoniens. Dies ist ein Erfolg des verstorbenen Staatspräsidenten Trajkowski, eines persönlichen und paneuropäischen Freundes, der diesen Weg eingeleitet hat, aber auch der große Erfolg der jetzigen mazedonischen Regierung mit Premierminister Gruevski und Außenminister Milososki, die in ganz Europa Freunde gesammelt haben für dieses europäische Land, in dem hervorragende Minderheitenpolitik betrieben wird, das sich hervorragend entwickelt und das wir massiv unterstützen wollen.
Ich möchte ganz klar sagen, dass ich an die griechischen Kollegen appelliere, in der Namensfrage endlich einzulenken. Dieses Haus hat heute ganz klar gesagt, dass es jede Blockade aufgrund der Namensfrage ablehnt und dass bilaterale Fragen kein Beitrittshindernis sein dürfen. Dies haben wir heute mit einer gewaltigen Mehrheit des Hauses festgestellt, und das ist ein ordentlicher Schuss vor den Bug jener Regierungen, die hier blockieren. Ich appelliere an alle, im Interesse Europas mit dieser Blockade aufzuhören!
Mazedonien ist ein europäisches Land, und wir hoffen, dass noch in diesem Jahr ein Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen genannt wird.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, auf die gestrige Aussprache zu antworten. Die meisten von uns warnten davor, dass Chinas Hunger nach afrikanischem Öl, seine Waffenlieferungen im Austausch gegen Öl, der Korruption und diktatorischen Regimes Vorschub leistet und die Armut noch verschärft. Darüber hinaus überfluten Milliarden von chinesischen Produkten den afrikanischen Markt, wodurch afrikanische Produkte überhaupt nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Diese so genannte Politik ohne Auflagen wird ein immer größeres Hindernis beim Erreichen der Millennium-Ziele zur Beseitigung von Hunger und Armut in den Entwicklungsländern. Ich war überrascht über Kommissar Michels emotional gefärbte Aussage, dass die Kommission, wenn sie mit den notwendigen politischen Befugnissen ausgestattet wäre, sich mit China zusammentun würde, sowie über seine Verteidigung des Rechts Chinas, eine an keine Grundsätze gebundene Außenpolitik zu betreiben, obwohl China ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats ist und als solches ebenso wie die Union für die Entwicklung in der Welt Verantwortung trägt. Ich bin über derartige Aussagen eines Mitglieds der Kommission befremdet.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! China spielt bei der globalen wirtschaftlichen Entwicklung eine besonders wichtige Rolle. China ist darüber hinaus ein Erfolgssymbol für die Bevölkerung Afrikas.
In den letzten 25 Jahren hat China für 400 Millionen seiner Bürger Chancen geschaffen, die einen Ausweg aus extremer Armut bieten. Darüber hinaus schafften über 200 Millionen Chinesen den Aufstieg in die Mittelklasse. Somit verfügt China über umfassende Erfahrungen bei der Ankurbelung des wirtschaftlichen Aufschwungs. Es wird erwartet, dass sich dies auch auf die afrikanischen Länder positiv auswirkt. Der Handel zwischen Afrika und China ist Schätzungen zufolge von 4 Millionen US-Dollar im Jahr 1995 auf 55 Millionen US-Dollar im Jahr 2006 gestiegen. Afrika stellt für China eine wichtige Rohstoffquelle dar. Die chinesische Wirtschaft ist auf ständig wachsende Energie- und Rohstofflieferungen angewiesen. Daher bemüht sich China nach Kräften darum, eine ständige Präsenz in Afrika aufzubauen.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe ein besonderes Interesse an diesem Bericht, denn in einer früheren Karriere als Akademiker habe ich mich sowohl mit ausländischen Direktinvestitionen Chinas, und zwar Zu- und Abflüssen, als auch mit afrikanischen Investitionen und afrikanischer Entwicklung befasst.
Im Hinblick auf den Bericht – und es ist ein durchaus angemessener Bericht – denke ich, als EU und als EU-Mitgliedstaaten sollten wir die chinesischen Investitionen in Afrika begrüßen, insbesondere die Investitionen in die Infrastruktur, denn diese ermöglichen es örtlichen Unternehmern und Einheimischen, sich Wohlstand zu erarbeiten und sich so einen Ausweg aus der Armut zu schaffen.
Gleichzeitig sollten wir uns des chinesischen Hungers und Dursts nach natürlichen Rohstoffen – ihrer besonderen Motive für die Suche nach Rohstoffen – bewusst sein. Wir sollten bestrebt sein, mit China zusammenzuarbeiten und diese Themen in Angriff zu nehmen, gerade dann, wenn wir mit zwielichtigen Regierungen verhandeln.
Eine meiner Sorgen bezüglich der Politik Chinas ist die Tatsache, dass sie die Bemühungen der EU und anderer Geber zunichte macht, Entwicklungshilfe gegen bestimmte Auflagen anzubieten bzw. an Auflagen zu knüpfen. Wir können sämtliche Auflagen für die Gewährung von Entwicklungshilfe vorschlagen, um besseres Regieren sicherzustellen – dann kommen die Chinesen und machen diese Bemühungen zunichte.
Insgesamt ist es ein angemessener Bericht, und ich habe für ihn gestimmt.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht von Frau Geringer de Oedenberg gestimmt, der empfiehlt, den Vorschlag für eine kodifizierte Fassung der Verordnung des Rates über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschifffahrtsunternehmen (Konsortien) in erster Lesung im Mitentscheidungsverfahren zu billigen.
Da es sich um ein Kodifizierungsverfahren handelt, waren zu diesem Vorschlag keine „förmlichen“ Änderungsanträge seitens des parlamentarischen Ausschusses einzubringen, und dieser hat auch keine eingebracht. Dennoch möchte ich diese Stimmerklärung nutzen, um zum Ausdruck zu bringen, wie überrascht ich darüber bin, mit welcher Verspätung die Europäische Union Texte kodifiziert, die mehrmals abgeändert wurden und mit der Zeit immer schwerer zu verstehen und anzuwenden sind. Das Verfahren der Kodifizierung gründet sich auf eine interinstitutionelle Vereinbarung vom 20. Dezember 1994, die auf eine politischen Willenserklärung des Europäischen Rates von Dezember 1992 zurückgeht und ein beschleunigtes Verfahren für die rasche Annahme der kodifizierten Rechtsakte vorsieht.
Ich unterstütze entschlossen die Notwendigkeit, die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu kodifizieren: Sie ist dringend geboten im Interesse der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Ausbildung der Studenten, der korrekten Anwendung des Rechts durch die Bürger und die Juristen usw.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich begrüße die Annahme des Gemeinsamen Standpunkts zur Lösung eines sehr alten Problems bei der Mediation in Zivil- und Handelssachen, selbst wenn diese Richtlinie sich auf der Grundlage einer restriktiven Auslegung von Artikel 65 EG auf grenzüberschreitende Rechtssachen beschränken wird, allerdings mit einer umfassenderen Definition der Streitsachen.
Allerdings bedauere ich, dass der Gemeinsame Standpunkt nicht die Umsetzung der Richtlinie mit Hilfe freiwilliger Vereinbarungen zwischen den Parteien ermöglicht, wenngleich es zutrifft, dass die Vorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Gerichtsverfahren nicht immer durch Vereinbarungen zwischen den Parteien geändert werden können. Insgesamt ist dieser Gemeinsame Standpunkt zu begrüßen, der dem ursprünglichen Ziel treu bleibt, den Zugang zu Streitschlichtungsverfahren zu erleichtern und die gütliche Beilegung von Streitfällen zu fördern, indem der Rückgriff auf die Mediation unterstützt und eine zufrieden stellendes Verhältnis zwischen Mediation und Gerichtsverfahren gewährleistet wird.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht von Frau Barsi-Pataky gestimmt, der vorschlägt, die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die weitere Durchführung der europäischen Satellitennavigationsprogramme (EGNOS und Galileo) vorbehaltlich von Änderungsvorschlägen zu billigen.
Bei dieser Gelegenheit beglückwünsche ich den für Verkehr zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Barrot, zu seiner Entschlossenheit, seiner Klarsicht und seiner politischen Urteils- und Überzeugungskraft in dieser schwierigen Angelegenheit. Der öffentliche Sektor hat der Industrie, die sich hinsichtlich der möglichen Strategie, vor allem was die finanziellen Risiken betrifft, in der Sackgasse befand, einen Ausweg aufgezeigt. Die einhundertprozentige öffentliche Finanzierung in der Größenordnung von 3,4 Milliarden Euro konnte dank des Willens aller Beteiligten, besonders des Europäischen Parlaments, sichergestellt werden. Somit ist dieser Ausweg aus der Krise mit dem Beginn der Betriebsphase im Jahr 2014 und dem Abschluss der Errichtungsphase der Infrastruktur bis zum Jahr 2013 auch den Vertretern der Bürger zu verdanken. Dieses Dossier macht deutlich, dass es erforderlich ist, rasch über die europäischen Mittel nachzudenken, die es einzusetzen gilt, um öffentliche Investitionen zu finanzieren, wenn der private Markt versagt.
Charlotte Cederschiöld und Gunnar Hökmark (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Wir haben den zwischen Rat und Parlament ausgehandelten Vorschlag über die Satellitennavigationsprogramme EGNOS und Galileo angenommen, bei denen das Parlament – entgegen unserer Auffassung – bereits über die Haushaltsfragen entschieden hat. Allerdings möchten wir unterstreichen, dass wir eine Verwendung von Forschungsmitteln für diese Projekte ablehnen. Außerdem haben wir von der Kommission Rechenschaft darüber verlangt, wie sie gedenkt, eine kommerzielle Finanzierung der Projekte zu erreichen.
Wir begrüßen jedoch die Tatsache, dass das Europäische Parlament durch den ausgehandelten Vorschlag die Möglichkeit zur Bewertung der Projekte und zur Einflussnahme darauf erhält.
Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Das Globale Satelliten-Navigationssystem (GNSS) der EU als erste Infrastruktur, die Eigentum der Gemeinschaft ist, kann aufgrund seines raumfahrtbezogenen und technologischen Charakters nur erfolgreich sein, wenn ein gemeinsamer Wille vorhanden ist. Das europäische GNSS stützt sich auf zwei Programme: EGNOS und Galileo.
Die Bedeutung des GNSS liegt vor allem darin, dass es eine Alternative bzw. Ergänzung zu dem US-amerikanischen und dem russischen System darstellt. Das Ziel besteht darin, strategischen, wirtschaftlichen, industriellen, sicherheitsbezogenen, raumfahrtbezogenen und vielen anderen Interessen zu dienen, denen kein Mitgliedstaat allein gerecht werden kann.
Da es sich um das erste Programm handelt, das mit EU-Mitteln finanziert wird und dessen Infrastrukturen gemeinschaftlich sind, tragen das Parlament und der Rat gemeinsam eine wachsende Verantwortung für die Festlegung der Regeln über Errichtung und Betrieb der Systeme.
Wegen der vorstehenden Gründe und weil die Umsetzung dieses Projekts einen historischen und strategischen Meilenstein in Bezug auf technologischen Fortschritt und Unabhängigkeit der EU darstellt, unterstütze ich uneingeschränkt das GNSS und den vorliegenden Bericht, weil sie die Lösung für die Zukunft bedeuten.
Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Galileo ist ein Beispiel für ein technisches Großprojekt, das kein Mitgliedstaat allein durchführen könnte. Ich habe von Anfang an eine Finanzierung des Projekts aus dem EU-Haushalt befürwortet. Leider hatte sich jedoch gezeigt, dass die EU diese enorme Aufgabe nicht zufrieden stellend lösen konnte. Der Berichterstatter verweist unter anderem auf „interne Probleme“ als Ursache dafür. Ich finde das äußerst bedauerlich und kann nachvollziehen, dass der Rat die erhebliche Aufstockung der Mittel nicht akzeptiert hat. Nun liegt es an der Kommission, eine befriedigendere Finanzierung dieses wichtigen Projekts zu präsentieren.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Ausblick, dass Galileo endlich in die Tat umgesetzt wird. Der Bericht von Frau Barsi-Pataky über die weitere Durchführung der europäischen Satellitennavigationsprogramme deutet eine Entwicklung an, deren Vorteile auf vielen Gebieten zu spüren sein werden – von der europäischen Raumfahrtpolitik über Forschung und Innovation bis hin zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Zurzeit bietet GPS bereits viele der Dienste, die mit dem europäischen Satellitennavigationssystem Galileo angeboten werden sollen. Wir dürfen uns aber nicht von einem satellitengestützten Navigationsmonopol der US-Amerikaner abhängig machen, das vom US-Militär ins Leben gerufen wurde. Auch sind die Routen der GPS-Satelliten so abgesteckt, dass vor allem die Kriegsgebiete der USA gut abgedeckt sind. Mit unserem eigenen System können wir eine möglichst optimale Flugbahnkonstellation für Europa festlegen.
Aufgrund der strategischen Wichtigkeit des Projekts habe ich für den Bericht gestimmt, obgleich die Finanzierung noch immer nicht restlos geklärt ist.
Teresa Riera Madurell (PSE), schriftlich. − (ES) Da meine Rede vom Präsidenten unterbrochen wurde, der die Redezeit auf mich viel strenger anwandte als auf meine Vorredner, möchte ich einige ergänzende Bemerkungen machen. Wir sollten uns sicherlich freuen über die Entschlossenheit der Institutionen, alle Höhen und Tiefen des Projekts zu überwinden. Endlich sind wir in der Lage, in die garantierte Planung für die Einsatzphase von Galileo einzutreten. Ebenso sehr freuen wir uns über die Arbeit, die geleistet wurde, um die Beteiligung am Programm so breit wie möglich zu gestalten.
Nach dieser Vorbemerkung möchte ich einen entscheidenden Punkt ansprechen: den zivilen Charakter des Projekts, eine wesentliche Voraussetzung zur Gewährleistung der Transparenz der Operationen. Die Unabhängigkeit des europäischen Systems wird die Zertifizierung der den Nutzern gebotenen Dienste ermöglichen und Garantien für seine Qualität geben. Diese Bedingungen sind wichtig bei der Entwicklung neuer kommerzieller Anwendungen, die unseren KMU eine hervorragende Chance bieten und ein gewaltiges ökologisches und soziales Potenzial besitzen. Navigation für Blinde, Planung der besten Zugangswege für Behinderte, Hilfe für Patienten mit Alzheimer oder schnelle Lokalisierung von Personen in Notlagen, das alles sind Beispiele für Anwendungen zur Verbesserung der Lebensqualität.
Das EP hat Galileo durch legislative und Haushaltsverpflichtungen stets voll unterstützt und es klar als ein strategisches Projekt verstanden.
Lydia Schenardi (NI), schriftlich. – (FR) Erst nach elf Jahren bedauerlicher Unentschlossenheit und politisch-administrativer Uneinigkeit war es möglich, zu einer Lösung für die Errichtung eines europäischen Satellitennavigationssystems zu gelangen. Die eingetretene Verzögerung aufgrund der gewählten Methode – öffentlich-private Partnerschaft, internationale Zusammenarbeit über die Europäische Union hinaus, zwingende Beteiligung aller Mitgliedstaaten, vorgeschriebene Rolle der Europäischen Kommission – wird auf fünf Jahre geschätzt. Wenn diese Prinzipien und Methoden bei technologischen und industriellen Großprojekten wie Airbus oder Ariane angewandt worden wären, besäße Europa heute wahrscheinlich weder einen eigenen Flugzeugbauer noch eine eigene Raumfähre.
Wenngleich das Endergebnis nicht voll zufrieden stellend ist, so ist es doch immerhin sehr lehrreich. Der Start großer strategischer Projekte in neuen Bereichen, in denen der Privatsektor keine Risiken eingehen kann oder will, kann nur Gestalt annehmen, wenn die öffentlichen Behörden die ausschließlichen Entscheidungsträger und Geldgeber sind, denn diese Projekte erfordern politische Vision und nicht nur rein wirtschaftliche Logik. Zweitens hat die zwingende Einschaltung gemeinschaftlicher Institutionen und Verfahren bei dieser Art von Projekten sich als Bremse und negativer Faktor erwiesen, der die ideologischen Zwänge dort verschärft, wo die zwischenstaatliche Zusammenarbeit sich als effizient erwiesen hat. Wir wollen hoffen, dass diese Lehren beherzigt werden.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE), schriftlich. − (RO) Ich habe für den Bericht über die Änderung der Verordnung des Rates über die weitere Durchführung der europäischen Satellitennavigationsprogramme gestimmt. Das Galileo-Projekt, das Bestandteil dieser Programme ist, soll für verschiedene Einsatzzwecke genutzt werden, z. B. für Verkehrskontrolle, Transportlogistik, Verhütung und Bekämpfung von Naturkatastrophen sowie für kommerzielle und Regierungsdienste.
Seit der ersten Aussprache über den Gemeinschaftshaushalt für 2008 hat das Europäische Parlament dieses Projekt als vorrangig eingestuft und die Zuteilung der nötigen Mittel sowie die Überarbeitung der Interinstitutionellen Vereinbarung gefordert, um dies zu ermöglichen. Ab März 2009 wird das EGNOS-Programm funktionsfähig sein, und auch das Galileo-Programm muss bis Ende 2013 betriebsbereit sein.
Die notwendigen Haushaltsmittel für die Durchführung der Galileo-Projekte werden für den Zeitraum von 2007 bis 2013 auf 3.105 Millionen Euro geschätzt. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union sind sich der strategischen Bedeutung dieses Projekts bewusst und unterstützen seine Fertigstellung. Daher muss die Europäische Kommission das Parlament und den Rat regelmäßig über den Fortschritt bei der Umsetzung dieses Projekts informieren.
Ich beglückwünsche die Berichterstatterin, Frau Barsi-Pataky, dazu, wie sie mit Kollegen aus allen Fraktionen an dieser Verordnung gearbeitet hat.
Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die betreffende Richtlinie stellt auf die Einführung einer einheitlichen Rechtsstellung für aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige in der Union nach fünfjährigem ununterbrochenem rechtmäßigem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat ab.
Ziel der vorliegenden Initiative ist es, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf Personen mit internationalem Schutzstatus zu erweitern, um ihnen Rechtssicherheit in Bezug auf ihren Aufenthalt und ihre Rechte einzuräumen, die mit denen eines EU-Bürgers vergleichbar sind.
Es besteht jedoch nach wie vor insofern eine Lücke, als in der Richtlinie nicht die gegenseitige Anerkennung und der Übergang der Verantwortung des internationalen Schutzes auf einen anderen Mitgliedstaat vorgesehen sind, sodass Drittstaatsangehörige letztendlich nach Anerkennung ihres Status nicht in den Genuss des Rechts auf Freizügigkeit und Niederlassung im EU-Gebiet kommen. Die Bewertung der Anträge auf Übergang des Schutzes richten sich somit weiterhin nach der Genfer Konvention von 1951 und nach dem im Rahmen des Europarats geschlossenen Europäischen Übereinkommen über den Übertragung der Verantwortung für Flüchtlinge.
In Anbetracht dieser Situation muss gleichermaßen der Grundsatz der Nichtzurückweisung von dem besagten zweiten Mitgliedstaat respektiert werden, damit die betreffende Person nicht in ein Land ausgewiesen wird, in dem ihr Gefahr droht, und diese Person, wenn überhaupt, nur in den Mitgliedstaat zurückgeschickt wird, der ihr diesen Schutzstatus gewährt hat.
Was alle anderen Aspekte betrifft, so sollte nach meinem Dafürhalten denselben Kriterien entsprochen werden und müssen diese Personen denselben Anforderungen unterworfen sein, wie sie in der Richtlinie festgeschrieben sind.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Frau Roure ist ebenso wie die Richtlinie, die dadurch geändert werden soll, nicht akzeptabel. Personen mit internationalem Schutzstatus, und sei es auch nur vorübergehend, den Status eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu gewähren, ohne von ihnen die Erfüllung der Voraussetzung fester Einkünfte oder minimaler Integrationsanforderungen zu verlangen, ist verantwortungslos, auch wenn dieser Status erst nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt gewährt werden kann.
Außerdem laufen die vorgesehenen Bestimmungen darauf hinaus, diese Personen vor jeglicher Ausweisung zu bewahren, auch nicht in einen anderen Mitgliedstaat, außer im Falle eines schweren Vergehens. Damit könnte diesen Personen das Recht auf Wohnsitz in einem Mitgliedstaat ihrer Wahl unabhängig von ihrer Situation und ihrer sozialen Haltung nicht mehr strittig gemacht werden. Dieses Vorrecht würde Vorrang gegenüber dem Recht der Staaten haben, souverän zu entscheiden, wer mit welchem Status und unter welchen mit der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vereinbaren Bedingungen auf ihrem Territorium leben kann.
Schließlich wissen Sie alle, dass die Forderung nach einem internationalen Schutzstatus genutzt wird, um die ohnehin recht schwachen Kontrollen bzw. Restriktionen für eine im Grunde rein wirtschaftliche Zuwanderung zu umgehen. Sie wissen, dass der subsidiäre Schutz unter diesen Bedingungen häufig gegenüber dem Flüchtlingsstatus bevorzugt wird, weil er kürzer und flexibler ist. Wenn diese Personen zu langfristig Aufenthaltsberechtigten werden können, so wäre das eine neue Ermunterung zur Zuwanderung.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Bericht enthält zahlreiche Vorschläge zur Integration von Personen mit internationalem Schutzstatus. Bei einer Abstimmung im schwedischen Reichstag hätten wir diese Vorschläge unterstützt.
In dem aktuellen Kontext sind sie jedoch Teil der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems. Der vorliegende Bericht geht in eine großzügige Richtung, was die Asylpolitik betrifft, trägt aber gleichzeitig zum Bau einer „Festung Europa“ bei. Der durch die Genfer Flüchtlingskonvention gewährte Schutz wird dadurch untergraben, dass die EU die Auslegungshoheit dafür übernimmt, wer und in welcher Form Schutz erhalten soll.
Wir sehen keine andere Alternative, als alle Formen einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik auf Gemeinschaftsebene abzulehnen, da ansonsten die Mitgliedstaaten die Kontrolle darüber verlieren, welche Richtung diese Politik einschlägt. Die UNO-Konventionen sollten das Steuerinstrument für den Schutz der Rechte von Asylsuchenden in der internationalen Staatengemeinschaft bleiben.
Jens Holm, Esko Seppänen, Søren Bo Søndergaard und Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. − (EN) Wir haben uns heute bei der Abstimmung über den Bericht Roure der Stimme enthalten, obwohl wir die dem Bericht zugrundeliegende Idee grundsätzlich unterstützen: im Rahmen der Richtlinie 2003/109/EG sicherzustellen, dass Flüchtlinge und solche Personen, die sich rechtmäßig, mit vorübergehendem oder subsidiärem Schutzstatus, in einem Land aufhalten, die gleichen Rechte genießen wie langfristig Aufenthaltsberechtigte. Wir glauben jedoch, dass es Sache der Mitgliedstaaten, nicht der EU ist, hierüber zu entscheiden.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich unterstütze den Bericht von Frau Roure über die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2003/109/EG auf Personen mit internationalem Schutzstatus. Das Ziel, das der Bericht verfolgt, ist zu gewährleisten, dass Personen mit internationalem Schutzstatus die gleichen Rechte zustehen, die wir als EU-Bürger genießen, nachdem sie sich fünf Jahre lang rechtmäßig in der EU aufgehalten haben. Ich halte dies für eine logische Änderung der vorhergehenden Richtlinie und habe für den Bericht gestimmt.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Dank der Drogenbekämpfungsstrategie für die Jahre 2005-2012 hat die Europäische Union die Grundlagen geschaffen, um ein besorgniserregendes, insbesondere unter den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Jugendliche und Frauen ständig zunehmendes Phänomen, nämlich die Verbreitung von Drogen in Europa, zu bekämpfen.
Doch die erklärten Ziele müssen auch umsetzbar sein, und hierfür braucht die EU das Engagement der Zivilgesellschaft, die eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen Drogenmissbrauch spielt.
Die psychologische Stabilität, die Nachbetreuung des Patienten im Anschluss an die Entzugstherapie, die Schaffung einer Lebensalternative auch in sozialer Hinsicht und in Bezug auf die Beschäftigung sind nur einige der Erfolge, die die in diesem Bereich tätigen Resozialisierungszentren, Organisationen ohne Erwerbszweck und NRO durch ihre Arbeit erzielt haben.
Deshalb hoffe ich übereinstimmend mit dem Berichterstatter, dass über die finanziellen Zuschüsse an die mit dem Problem befassten Gemeinschaften hinaus auch entsprechende steuerpolitische Maßnahmen zugunsten jener Organisationen vorgesehen werden, die die so genannte „Ergotherapie“ durchführen, d. h. die Rehabilitation durch Arbeit. Insbesondere erwarte ich von den Mitgliedstaaten, dass sie sich verpflichten, spezielle Erleichterungen von übermäßigen steuerlichen oder bürokratischen Belastungen zu bieten.
Wir müssen verhindern, dass aus einzelstaatlichen haushaltspolitischen oder rein bürokratischen Gründen die Schließung dieser Einrichtungen droht, die für die Begleitung des Drogenabhängigen in ein normales Leben unersetzlich sind.
Slavi Binev (NI), schriftlich. − (BG) Ich habe den Bericht von Herrn Catania unterstützt und möchte hinzufügen, dass es keine einfache Lösung für das Drogenproblem gibt. Drogenmissbrauch und Drogenhandel zerstören die Gesellschaft durch damit einhergehende Kriminalität und Korruption, und im Zusammenhang mit Drogen stehende übertragbare Krankheiten (AIDS, Hepatitis) stellen eine ernste Gefahr für die Volksgesundheit dar.
Ich glaube daher, dass eine wirksame Antwort in einer Initiative bestehen sollte, die nicht nur die Institutionen, die Zivilgesellschaft und die Medien einbezieht, sondern vielmehr ein übergreifendes Programm beinhaltet, durch das Bildung, Religion und Sport gleichermaßen zur Lösung dieses Problems beitragen und als Barriere dienen könnten, die unsere Kinder von der Sünde fernhält. Die Förderung des Sport- und Religionsunterrichts innerhalb und außerhalb der Schule kann das Bewusstsein der Kinder für die todbringende Wirkung von Suchtmitteln erheblich steigern. Durch eine Verbindung der Anstrengungen von Strafverfolgung und Zivilgesellschaft, insbesondere auf kommunaler Ebene, können bessere Ergebnisse bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der EU-Drogenstrategie erzielt werden.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Berichterstatter fordert, dass der Zusammenschluss von Organisationen der Zivilgesellschaft auf europäischer Ebene aus Sicht der nationalen, regionalen und lokalen Organisationen der Zivilgesellschaft einen eindeutigen Mehrwert erbringt. Das ist unseres Erachtens völlig inakzeptabel, da die Drogenpolitik direkt mit dem Strafrecht sowie der Einstellung zu Kriminalität und Bestrafung in den einzelnen Ländern verbunden ist. Außerdem muss die Drogenpolitik entsprechend den kulturellen und sozialen Gegebenheiten jedes Landes gestaltet werden, um sozial benachteiligten Menschen, die der Unterstützung der Gesellschaft bedürfen, wirksam zu helfen, um in ein funktionierendes Leben zurückzukehren.
Aus diesen Gründen haben wir gegen den Bericht in seiner Gesamtheit gestimmt.
Carl Lang (NI), schriftlich. – (FR) Zwar sind bei der Bekämpfung des Drogenkonsums Information, Prävention und Sensibilisierung von wesentlicher Bedeutung, um den Gefahren der Drogensucht für die physische und psychologische Gesundheit der Verbraucher vorzubeugen, doch sind sie leider nicht ausreichend.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht haben mehr als 70 Millionen Europäer bereits Cannabis geraucht und 60 % der Besucher von Diskotheken in Frankreich, Italien und Großbritannien bereits Kokain konsumiert. Es ist also festzustellen, dass die europäischen Informations- und Kommunikationsstrategien absolut unwirksam sind, denn leider nehmen das Angebot und die Nachfrage nach Drogen überall in Frankreich und in Europa zu.
Hinsichtlich des Konsums und des Verkaufs von Drogen ist kein Kompromiss akzeptabel. Wirksam ist allein die Null-Toleranz.
Dies wird belegt durch die Schäden widerlegen, die bei Tausenden von Opfern durch Politiken zur versuchsweisen Drogenliberalisierung hervorgerufen wurden.
Roselyne Lefrançois (PSE), schriftlich. – (FR) Als Schattenberichterstatterin der Sozialdemokratischen Fraktion habe ich viel Zeit und Energie auf dieses Dossier verwendet, um inhaltlich die Notwendigkeit der Vertiefung des Dialogs mit der Zivilgesellschaft im Bereich der Drogenbekämpfung zu erklären und von der Form her einen Text vorzulegen, der für alle lesbar und verständlich ist.
Ich bin der Meinung, dass die Akteure der Zivilgesellschaft dank ihrer Erfahrung vor Ort und ihrer Innovationsfähigkeit wirklich einen nützlichen Beitrag zu den nationalen und europäischen Politiken zur Information, Prävention, Überwindung der Abhängigkeit und sozialen Wiedereingliederung leisten können.
Es ist eine Vielzahl von Aktionen auf verschiedenen Ebenen denkbar: in Unternehmen, in der Schule, auf der Straße oder selbst in den Gefängnissen.
Ich freue mich daher über die Annahme dieses Berichts, der die Schaffung eines Drogenforums der Zivilgesellschaft begrüßt und die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und sämtlichen Organen und Institutionen der Union unterstreicht.
Die Drogenbekämpfung geht uns alle an, und vorrangige Gesprächspartner müssen diejenigen sein, die in diesem Kampf an vorderster Front stehen, die sich täglich dafür einsetzen, den Drogensüchtigen zu helfen und zu verhindern, dass noch mehr Menschen abhängig werden.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Drogenmissbrauch ist ein großes Problem in den Gesellschaften Europas, und Schottland ist keine Ausnahme. Die Empfehlungen von Herrn Catania hinsichtlich der Rolle der Zivilgesellschaft in der Drogenpolitik der Europäischen Union fordern zu Recht ein besser abgestimmtes europäisches Vorgehen in dieser Sache, die keine Grenzen kennt. Die Zivilgesellschaft nimmt in der Bekämpfung aller Facetten dieses Problems eine Schlüsselrolle ein, und ihre Initiativen sollten die Unterstützung der EU genießen. Wir sollten die Empfehlungen des Berichterstatters beherzigen, wenn wir eine wirksame Politik schaffen wollen, die den Drogenmissbrauch an allen Fronten bekämpft. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Ob Mohnkulturen auf die Erzeugung medizinischer Produkte umgestellt werden können, ist fraglich, aber eventuell den Versuch wert. Jedenfalls haben die Afghanistan-Politik der USA und das tatenlose Zusehen seitens der EU gegenüber einer vermehrten Opiumerzeugung zu einer Verschärfung des Problems geführt.
Zukunftsorientierte Drogenpolitik kann nur in der effektiven Zerschlagung von Rauschgiftringen, der sofortigen Ausweisung ausländischer Drogendealer und gezielten Schwerpunktaktionen sowie in der Verstärkung des Therapieangebots bestehen. Immer wieder wird die Forderung nach Legalisierung bzw. Liberalisierung von Drogen laut. Aber sogar in der Schweiz hat sich nach fast 15 Jahren Heroinabgabe nun die Hoffnung zerschlagen, Süchtige würden dadurch den Ausstieg schaffen. Da der vorliegende Bericht starke Liberalisierungstendenzen aufweist, habe ich ihn abgelehnt.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. − (PL) Ich finde es gut, dass wir über Drogen diskutieren. Drogen stellen ein sehr ernstes Problem dar, aber durch bürokratische Bemühungen konnten die Aktivitäten der Dealer, die Rauschmittel an Schulen und Hochschulen, in Wohnsiedlungen und an anderen öffentlichen Orten verkaufen, bisher nicht eingedämmt werden, und es ist unwahrscheinlich, dass dies in Zukunft gelingen wird.
1998 setzte sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen anlässlich einer Sondersitzung zum Ziel, innerhalb von 10 Jahren eine drogenfreie Welt zu schaffen. In den nachfolgenden Jahren wurden zahlreiche Empfehlungen, Regelungen, Beschlüsse, Berichte und ein Grünbuch veröffentlicht. Heute haben wir über einen weiteren Entwurf für eine Entschließung abgestimmt. Wir sollten einmal darüber nachdenken, was all diese Maßnahmen erreicht haben. Es tut mir Leid sagen zu müssen, dass nie zuvor in der Geschichte der Menschheit Drogen so leicht zugänglich waren wie heute. Es fehlt nur noch, dass man sie über das Internet bestellen kann.
Ich habe für diesen Entschließungsantrag gestimmt, weil ich jegliche Maßnahme zur Drogenbekämpfung unterstütze. Gleichwohl möchte ich hervorheben, dass dieses Problem nicht geringer wird, solange wir nicht Produzenten von Vertreibern isolieren und radikale Änderungen des Strafgesetzes einführen, um eine effektive Abschreckung für Leute zu schaffen, die sich mit Drogen den Lebensunterhalt verdienen. Das Problem wird im Gegenteil noch sehr viel gewaltiger werden.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Ich erachte es als notwendig, nicht nur auf europäischer, sondern auch auf nationaler und lokaler Ebene einen Dialog mit und zwischen den verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft zu fördern, um die schreckliche Gefahr, die von den Drogen ausgeht, zu bannen.
Die Zivilgesellschaft muss als wichtiger Verbündeter der Union und der Mitgliedstaaten für die Erreichung der in der EU-Drogenbekämpfungsstrategie umrissenen Ziele betrachtet werden.
Dank ihrer einschlägigen Erfahrungen können die Therapiegemeinschaften die Aufklärungskampagnen unterstützen, indem sie mehr und bessere Informationen über die mit dem Konsum von Suchstoffen verbundenen Risiken sowie über mögliche Präventionsprogramme bereitstellen.
Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Niemand stellt die Bedeutung der enormen und oftmals erfolgreichen Arbeit der Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Unterstützung von Drogenabhängigen infrage. Alle guten Kräfte müssen im Kampf gegen schädliche, süchtig machende Stoffe vereint werden. Daher war es sehr erfreulich, einen Bericht zu sehen, der in Europa ergriffene Initiativen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt.
Meine Stimmenenthaltung hat somit nichts mit dem eigentlichen Thema des Berichts zu tun. Der Grund dafür geht vielmehr aus der Überschrift „Zivilgesellschaft – externe Dimension“ hervor. Vor einiger Zeit habe ich – nachdem ich, was ich eingestehen möchte, lange mit mir gerungen hatte – für einen Bericht gestimmt, mit dem die Umstellung illegaler Kulturen von Mohn auf die industrielle Herstellung von legalen Schmerzmitteln in Afghanistan befürwortet wurde. Einer der Gründe dafür waren die vielen Berichte über die negativen Folgen der Besprühung vorhandener Plantagen und die verzweifelte Lage des afghanischen Volkes. Der Bericht fordert sowohl zur Einrichtung spezieller Anbauflächen als auch zum Besprühen auf, was inkonsequent ist. Darüber hinaus unterstützt der Bericht europäische Organisationen, die sich mit der Förderung der Umstellung von lokalen Kulturen, u. a. von Kokainblättern, zu „therapeutischen“ und „anderen legalen Zwecken“ beschäftigen. Dagegen wehre ich mich auf das Schärfste. Da das Hauptanliegen des Berichts jedoch gut ist, habe ich mich schließlich der Stimme enthalten.
Anna Záborská (PPE-DE), schriftlich. − (SK) Die Entschließung zu Organspende und -transplantation ist Bestandteil einer weltweiten Debatte über Kinderschutz. Um den Kinderschutz effektiv zu unterstützen, arbeite ich an einer europäischen Kampagne mit dem Titel „Weißt du, wo dein Kind gerade ist?“ Das Kapitel über Organhandel in dieser Entschließung steht in unmittelbarem Zusammenhang damit. Der Appell an die Mitgliedstaaten und an den Rat, effektive Maßnahmen zu treffen, um die Verbindung zwischen Organmangel und Organhandel zu kappen, ist daher mehr als berechtigt.
Zur Bekämpfung des illegalen Organhandels muss eine langfristige Strategie zur Beseitigung der sozialen Ungleichheiten auf den Weg gebracht werden, da sie die Grundlage für diese Praktiken bilden. Wir müssen den Handel mit Organen und Geweben unterbinden; er sollte generell verboten werden, insbesondere dort, wo es um die Transplantation von Organen und Geweben Minderjähriger geht. Ich bin tief enttäuscht darüber, dass Europol mit der Begründung, es gebe keine dokumentierten Fälle, keine Untersuchung zu Organverkauf und Organhandel durchgeführt hat.
Im Gegensatz dazu weisen Berichte des Europarats und der Weltgesundheitsorganisation eindeutig nach, dass Organhandel auch in den Mitgliedstaaten der EU ein Problem darstellt. Wir ersuchen die Europäische Kommission und Europol um eine bessere Überwachung des illegalen Organhandels und darum, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Ich hoffe, die Slowakei kann ihre EU-Präsidentschaft dazu nutzen, um in diesem ausgesprochen wichtigen Punkt Fortschritte zu erzielen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe auf der Grundlage des Berichts von Reimer Böge für den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006 über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung im Hinblick auf die Anpassung des mehrjährigen Finanzrahmens gestimmt.
Diese Anpassung war notwendig geworden, da einige operative Programme der Rubriken 1b und 2 mit Verzögerung angenommen wurden und der zu jeweiligen Preisen angegebene Betrag von 2 034 Mio. Euro für die Strukturfonds, den Kohäsionsfonds, die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Fischereifonds weder im Haushaltsjahr 2007 gebunden noch auf das Haushaltsjahr 2008 übertragen werden konnte. Somit war es logisch, diesen Betrag gemäß Nummer 48 der Interinstitutionellen Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin unter Erhöhung der entsprechenden Ausgabenhöchstbeträge bei den Verpflichtungsermächtigungen auf die nachfolgenden Haushaltsjahre zu übertragen.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE), schriftlich. − (RO) Ich habe für den Bericht zur Anpassung des mehrjährigen Finanzrahmens gestimmt, den uns der Herr Kollege Böge vorgestellt hat. Die im Jahr 2007 nicht verwendeten Beträge der Verpflichtungsermächtigungen für die Strukturfonds, den Kohäsionsfonds, die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Fischereifonds sollen auf die nachfolgenden Jahre übertragen werden. Somit werden 2.034 Millionen Euro gemäß Nummer 48 der Interinstitutionellen Vereinbarung auf die Jahre 2008 bis 2013 übertragen. Die Beträge werden größtenteils 2008 zugewiesen (ca. 56 %), und im Zeitraum von 2000 bis 2013 wird sich diese Übertragung nur unerheblich auswirken.
Wir müssen analysieren, warum diese Mittel nicht verwendet wurden. Zunächst einmal wurden 45 operative Programme zu spät bei der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorgelegt. 72 % der erforderlichen Neuplanung gehen zurück auf Verzögerungen bei Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums. Einige davon gingen der Kommission im Dezember zu, so dass sie unmöglich noch 2007 angenommen werden konnten. Gründe für diese Verzögerungen sind u. a. nationale Auflagen durch Behörden und ein Mangel an Vorausplanungserfahrung. Die meisten der 45 verspäteten operativen Programme kamen aus den neuen Mitgliedstaaten. Ich fordere die Kommission auf, diese Länder bei der Aneignung des neuen Verfahrens und bei der Schulung des Personals, das mit der Verwendung dieser Haushaltsmittel befasst ist, besser zu unterstützen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht von Frau Carlotti über die Durchführung der Programmierung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) gestimmt, und ich bedauere, dass, wie auch im Bericht gesagt, dieser Fonds nicht in den EU-Haushaltsplan einbezogen wurde, was eine demokratische Kontrolle ermöglicht hätte.
Wir wollen hoffen, dass dieses Thema der Einbindung des EEF in den Haushaltsplan im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der Finanziellen Vorausschau im Jahr 2009 wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird. Was den EEF und seinen Beitrag zur Armutsbekämpfung und zur Realisierung der Millenniums-Entwicklungsziele betrifft, so wird es dringend, dies zu planen und die politischen Vereinbarungen abzuschließen, die seine Umsetzung ermöglichen. An erster Stelle sollten die Stärkung der gesundheitlichen Grundversorgung und der Grundbildung sowie, wie ich hinzufügen möchte, die Subsistenzlandwirtschaft stehen.
Zu einem Zeitpunkt, da die Agenda von Doha der Welthandelsorganisation (WTO) zum Stillstand gekommen ist, wird es dringend erforderlich, dass die Europäische Union ihre Entwicklungsinstrumente einsetzt, um zu diesem ehrgeizigen, fairen und lobenswerten Plan zur Armutsbekämpfung in der Welt beizutragen.
Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE), schriftlich. − (ES) Ich habe für den Bericht gestimmt, da ich es für besonders wichtig halte, die Notwendigkeit der EEF in den AKP-Ländern zu betonen. Es geht darum, Dokumente wie die Erklärung von Paris vom März 2005 ernst zu nehmen und in regelmäßigen Abständen zu prüfen, um die Zahlen der Nettohilfe zu ermitteln. Tatsache ist jedoch, dass ein katastrophaler Mangel an Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zu Kürzungen in ihrer offiziellen Entwicklungshilfe geführt haben, und zwar von 0,4 % des BIP 2006 auf unter 0,38 % 2007. Dieser winzige Prozentsatz stellt eine Einbuße von 1,7 Milliarden Euro dar. Doch am schlimmsten ist, dass sich die Partnerländer in einer ständigen Stop-and-Go-Lage befinden, ohne die Möglichkeit einer langfristigen Planung, da sie nicht wissen, ob sie genügend Mittel erhalten werden, auch wenn diese von den Mitgliedstaaten zugesagt wurden. Der traurigste Aspekt bei allem ist, dass wir von ihnen fordern, ihren Teil der Abmachung einzuhalten, während wir unseren vergessen. So können wir nicht zusammenarbeiten.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Bericht Carlotti über die Durchführung der Programmierung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Um sicherzustellen, dass die Ziele des EEF hinsichtlich der Beseitigung der Armut in den Partnerländern und -regionen und der Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele erreicht werden, ist eine stärkere parlamentarische Überprüfung seiner Instrumente erforderlich. Ich stimme weiterhin zu, dass bei der Programmierung des Fonds die unter die MDG fallenden Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Achtung vor der Umwelt und Förderung der verantwortlichen Staatsführung besonders zu berücksichtigen sind. Die Schwierigkeiten, die sich aktuell bei der Ratifizierung des 10. EEF zeigen, müssen bewältigt werden, um eine rasche Umsetzung des Fonds zu ermöglichen. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Vincent Peillon (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe für diesen Bericht von Frau Carlotti über die Durchführung der Programmierung des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) gestimmt.
Der EEF ist das wichtigste Gemeinschaftsinstrument für Entwicklungshilfe gegenüber den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik). Er soll insbesondere zur Realisierung der Millenniumsziele beitragen, die im Jahr 2000 von den Vereinten Nationen festgelegt wurden.
Allerdings befindet sich der 10. EEF (2008-2013) gegenwärtig in einer Sackgasse: Da das geänderte Abkommen von Cotonou durch einige AKP-Länder nicht ratifiziert wurde, können die Mittel in Höhe von 22,7 Mio. Euro, die seit dem 1. Januar 2008 abrufbar sind, noch immer nicht genutzt werden.
Der vom Parlament angenommene Text ruft daher nachdrücklich dazu auf, die Situation zu bereinigen, und nennt einige Schwerpunkte: Priorität für die Armutsbekämpfung (vor allem für Gesundheitsfürsorge und Bildung), spezielle Berücksichtigung der Genderproblematik sowie eine Strategie der nachhaltigen Entwicklung der betroffenen Länder.
Schließlich wünscht das Parlament nachdrücklich die Einbeziehung des EEF in den Gesamthaushaltsplan der Union, um die Kohärenz der europäischen Politiken zu stärken und die demokratische Kontrolle ihrer Durchführung besser zu gewährleisten.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die Ausführung des Haushaltsplanes des 10. Europäischen Entwicklungsfonds darf nicht nach rein rechnerischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Das ist nicht die Aufgabe dieses Parlaments, wie in dem zur Diskussion stehenden Bericht treffend bemerkt wird. Statt über die Einbeziehung des EEF in den Haushaltsplan der Kommission oder über die Bestimmungen zur Verwendung des Restsaldos aus jedem Haushaltsjahr zu diskutieren, sollten wir uns vielmehr mit dem Zusammenhang zwischen der Verwendung dieser Mittel und den politischen Zielen der Europäischen Union im Hinblick auf die AKP-Staaten befassen.
Dabei fällt auf, dass die Situation vor Ort heute ganz anders aussieht als zu den Zeiten, da diese Instrumente und ihr Rahmen geschaffen wurden. Neben dem in vielen dieser Länder zu berücksichtigenden China-Faktor spielen auch die Folgen der Veränderungen auf dem Agrar- und Nahrungsmittelmarkt, des Klimawandels und der neuen Haltung der Vereinigten Staaten gegenüber Afrika eine Rolle. Angesichts all dessen entsteht der Eindruck, dass der bisher eingeschlagene Weg nicht mehr ganz der richtige ist, und das, so möchte ich betonen, ist unser Hauptproblem.
Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Wenn die EU als weltgrößter Entwicklungshilfegeber in der Dritten Welt agiert, müssen unsere Werte deutlich gemacht werden. Die Menschenrechte müssen unser Leitmotiv sein, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Wenn also heute gesagt wird, dass die EU den Europäischen Entwicklungsfonds nicht dazu benutzen sollte, um Demokratie und Menschenrechte zu fördern und dadurch Fortschritte auf diesem Gebiet einfordern zu können, so steht das im Widerspruch zu unserem Wunsch nach echten Ergebnissen. Die Entwicklungshilfe ist nur dann von Nutzen, wenn sie den Bürgern zugute kommt. Darum müssen wir als Geber Kriterien aufstellen können, um so die Entwicklung von Demokratie, Menschenrechten sowie einer funktionierenden Zivilgesellschaft zu fördern. Zur Förderung von Entwicklung ist manchmal auch direkte Hilfe in Form von friedenssichernden Einsätzen nötig. Diese sollten ebenfalls aus dem Europäischen Investitionsfonds finanziert werden können, da solche Einsätze auf sehr konkrete Weise menschliches Leid mildern und Katastrophen verhindern.
Natürlich dürfen wir als reiche Welt anderen Menschen keine ganz bestimmte Lebensweise aufzwingen, aber es liegt in unserer Verantwortung, Wahlmöglichkeiten zu schaffen, wo es heute noch keine gibt. Ich war daher enttäuscht darüber, dass ein ansonsten guter und wichtiger Bericht dieses für mich grundlegende Prinzip der Gegenleistung in Bezug auf Freiheiten und Menschenrechte sowie die Möglichkeit friedenssichernder Einsätze im Rahmen des Europäischen Investitionsfonds infrage stellt.
Angelika Beer (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Die Fraktion der Grünen wird nicht für den Bericht Meijer über Mazedonien stimmen. Wenngleich der Bericht viele Teile enthält, die den Fortschritt, den Mazedonien erzielt hat, deutlich machen, ist es völlig inakzeptabel, dass griechische Politiker in letzter Minute gegen den Absatz über die Namensfrage vorgehen. Am deutlichsten äußerte sich dies in dem Wunsch, den Verweis auf das Interimsabkommen von 1995 zu streichen, in dem Griechenland versicherte, die Namensfrage werde kein Hindernis für die Mitgliedschaft Mazedoniens in internationalen Institutionen darstellen. Griechenland stellt nicht nur seine Verpflichtung dem internationalen Recht gegenüber in Frage, sondern greift auch in beispielloser Weise in die Souveränität eines anderen Staates ein. Dieses Verhalten eines EU-Mitgliedstaates ist inakzeptabel.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL), schriftlich. − (CS) FYROM ist eines der wenigen Länder in der Welt, dessen Name nicht von allen anderen Ländern offiziell anerkannt wurde. Obwohl diese Republik verschiedene ethnische und religiöse Feiertage eingeführt hat, besteht noch immer das anormale bilaterale Abkommen über den Status von US-Bürgern. Zu den Erfolgen zählen die Maßnahmen gegen das organisierte Verbrechen und die Korruption, die von der Regierung trotz der Machtlosigkeit der Besatzungstruppen im Kosovo, an diesen Problemen irgendetwas zu ändern, erreicht wurden. Es ist mir unbegreiflich, dass bis heute kein geschlossener Standpunkt über die Möglichkeit zur Wahlbeteiligung für im Ausland lebende Bürger erreicht wurde. Beim Referendum in Montenegro wurden diese Bürger diskriminiert; im Fall der Wahlen in Mazedonien zögert die EU.
In Ziffer 31 wird die Polizeirazzia in einem Waffenlager begrüßt. Ich halte die Informationen im zweiten Teil des Absatzes, dass Terroristen bei der Festnahme misshandelt worden sein sollen, für einen schlechten Witz. Ich habe noch nie davon gehört, dass Polizisten Terroristen höflich bitten, sich zu ergeben. Abgesehen von der ungewöhnlichen Situation im Hinblick auf den Namen des Landes und der Vereinbarung mit den USA, die sich über alle internationalen Vereinbarungen hinwegsetzt, gibt es einen weiteren ungewöhnlichen Aspekt der FYROM-Frage, nämlich die Streitigkeiten des Landes mit seinen Nachbarn. Meiner Meinung nach müssen wir darauf bestehen, dass diese Streitigkeiten beigelegt werden, bevor das Land der EU beitritt. Da einige Änderungsanträge den Inhalt des Berichts ändern können, wird unsere Abstimmung über das „Endprodukt“ davon abhängen, ob die Änderungsanträge angenommen werden oder nicht.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Der Fortschrittsbericht von Herrn Meijer über den Weg der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien in die EU ist ein ausgewogener Bericht über eine zwiespältige Angelegenheit. FYROM muss eine reformorientierte Agenda weiterverfolgen, um sicherzustellen, dass die Beitrittsverhandlungen schnellstmöglich aufgenommen werden können. Um uns in der Namensfrage eine Verhandlungsposition zu bewahren, müssen wir jeder Versuchung, den Namen FYROMs als ein Hindernis für seine Beteiligung an internationalen Institutionen zu missbrauchen, widerstehen. Daher begrüße ich den Bericht und die Bemühungen des Berichterstatters sicherzustellen, dass die Namensfrage nicht zum beherrschenden Thema des Dokuments wurde.
Richard Howitt (PSE), schriftlich. − (EN) Die Abgeordneten der britischen Labourpartei sind froh, für diese Entschließung gestimmt zu haben, die eine ernsthafte Bemühung darstellt, den Fortschritten der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) in Richtung EU-Mitgliedschaft Rechnung zu tragen, indem sie positive Entwicklungen im Kampf gegen Korruption und für den Schutz der Medienfreiheit hervorhebt, gleichzeitig aber mit Nachdruck die weiteren, zur Eröffnung der Beitrittsverhandlungen notwendigen Maßnahmen fordert. Wir stellen fest, dass es beachtliche Fortschritte gegeben hat, und freuen uns auf die Möglichkeit, Beitrittsverhandlungen mit FYROM aufzunehmen.
Was Änderungsantrag 13 über die Verhandlung der Namensfrage betrifft, so haben wir dagegen gestimmt. Zwar unterstützen wir die Bestrebungen zur Lösung der Namensfrage voll und ganz, sind jedoch nicht der Meinung, dass die Mitgliedschaft FYROMs in internationalen Organisationen in irgendeiner Weise an diese Lösung geknüpft sein sollte. Jede Frage sollte für sich entschieden werden.
Außerdem haben wir uns in der Abstimmung über Änderungsantrag 7 der Stimme enthalten, der die Frage der Visa-Liberalisierung behandelt. Da das Vereinigte Königreich kein Teilnehmer des Schengen-Abkommens ist, auf dem diese Frage beruht, stand es uns nicht zu, diesen Änderungsantrag zu unterstützen.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der heutige Erfolg ist auf die koordinierten und effektiven Bemühungen zurückzuführen, die wir gemeinsam mit vielen anderen Abgeordneten aus dem ganzen Spektrum des Europäischen Parlaments unternommen haben.
Der Erfolg dieser Bemühungen war auch einer Korrektur der offiziellen Linie Griechenlands am Abend zugunsten einer wirklichen Kompromisslösung durch eine für alle akzeptable Namenszusammensetzung zu danken.
Wir müssen hart arbeiten, um Nutzen aus diesem Fortschritt zu ziehen und durch einen fairen Kompromiss zu einer Lösung zu finden. Dies muss bis Ende 2008 unter Federführung der UN geschehen.
Es liegt im Interesse Griechenlands und der Völker, Frieden und Stabilität in der Region zu wahren, daher muss eine weitere jahrelange Pattsituation verhindert werden. Das öffentliche Leben muss vom Skopia-Syndrom befreit werden.
Georgios Toussas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) haben gegen den Bericht gestimmt. Wir lehnen eine kapitalistische, kriegshetzerische EU ab und damit auch jede Erweiterung der EU. Die Ursache für die Probleme auf dem Balkan liegt in imperialistischen Machenschaften, Interventionen von EU, USA und NATO und Grenzveränderungen.
Der Beitritt der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) und anderer Balkanländer zur EU und zur NATO zieht deren Bevölkerung in das imperialistische Tauziehen der USA, der EU und Russlands zur Erlangung der Kontrolle über Energiequellen und Transportwege hinein. Die im weiteren Umfeld lebenden Menschen werden ernsthaft gefährdet.
Die Kommunistische Partei Griechenlands kümmert sich nicht um Namensprobleme. Sie unterstützt eine für alle Seiten akzeptable Lösung für den Namen, der eine rein geographische Definition ohne spalterischen Nationalismus und sklavische Abhängigkeit darstellen muss.
Diejenigen, die das Bedürfnis verspürt haben, sich beim griechischen Volk für ihre Kehrtwendung in der mazedonischen Namensfrage in letzter Minute zu entschuldigen, und die der EU, der Neuen Demokratie, der PASOK, der Koalition der Linken (SYN) und der Orthodoxen Volkszusammenkunft (LA.O.S.) angehören, reiben sich freudig die Hände. Sie haben für die Annahme der angeblich positiven Änderung des Namens gestimmt, in dem Versuch, die Menschen vom Hauptpunkt abzulenken, nämlich der imperialistischen Intervention und den imperialistischen Machenschaften auf dem Balkan. Diese Ablenkung soll ihre Unterwerfung unter imperialistische Ziele und die Einsetzung der EU, der USA und der NATO als oberste Autorität kaschieren. All dies setzt unser Land Gefahren und Pressionen aus, die darauf abzielen, Geld als Gegenleistung für die volle Einbeziehung in die imperialistischen Machenschaften herauszuschlagen, die seit dem NATO-Gipfel in Bukarest ein noch schlimmeres Ausmaß angenommen haben.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den ausgezeichneten Initiativbericht von Frau Gomes über die Politik Chinas und deren Auswirkungen auf Afrika gestimmt. Wenngleich die Tatsache zu begrüßen ist, dass China zu einer konkreten und pragmatischen Kooperation mit afrikanischen Ländern bereit ist, gibt es doch zahlreiche Punkte für Besorgnis, wie die Kooperation Chinas mit Unterdrückungsregimen in Afrika, die Nichteinhaltung der Sozial- und Umweltstandards, die Lieferung von Waffen an Unterdrückungsregime und undemokratische Regime usw. Ich unterstütze den Vorschlag, dass die Afrikanische Union, China und die EU ein permanentes Konsultationsgremium einrichten, durch das Kohärenz und bessere Wirksamkeit der verschiedenen Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit gewährleistet werden sollen, und ein globales Rahmenwerk für konkrete operationelle Projekte ins Leben gerufen wird, mit dem auf gemeinsame Herausforderungen in den Bereichen Anpassung an den Klimawandel, erneuerbare Energien, Landwirtschaft, Wasser und Gesundheit reagiert werden kann.
Ich unterstütze ebenfalls die Idee, einen Dialog zwischen dem Nationalen Volkskongress Chinas, dem Panafrikanischen Parlament und den nationalen afrikanischen Parlamenten sowie unserem Europäischen Parlament einzuleiten, um die nachhaltige Entwicklung zu fördern und ihre Fähigkeiten zur Kontrolle über die Exekutive in Frieden und Demokratie zu stärken.
Philip Claeys (NI), schriftlich. − (NL) Der Bericht Gomes weist zu Recht auf verschiedene nicht hinnehmbare Praktiken Chinas in Afrika hin und spricht bisweilen die wesentlichen Dinge an. Der Ethnozid in Tibet mag zwar derzeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, die chinesische Politik in Afrika zeugt jedoch mindestens ebenso sehr von einem Regime, das sich keinen Deut um Menschenrechte und andere Spielregeln schert.
Die Chinesen machen mit jedem Geschäfte, wenn nur der Durst nach Öl gelöscht wird. Chinesische Unternehmen und Geschäftsleute bilden extraterritoriale chinesische Inseln, die durch korrupte Potentaten abgeschirmt werden, die ihrerseits durch chinesische Vetos im Sicherheitsrat geschützt werden. Europa ist den Chinesen nicht gewachsen, und langsam aber sicher werden wir aus Afrika vertrieben. Europa muss endlich begreifen, dass, je mehr die Chinesen die Oberhand in Afrika bekommen, unsere fortwährend wiederholte Botschaft von Demokratie, Freiheit, verantwortungsvoller Staatsführung und nicht zu vergessen Nachhaltigkeit vollkommen bedeutungslos wird. Es ist Zeit für eine andere Strategie.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Bericht Gomes über die Politik Chinas und deren Auswirkungen auf Afrika gestimmt, weil angesichts der wachsenden Präsenz Chinas in Afrika die Europäische Union meiner Ansicht nach einen gemeinsamen Standpunkt einnehmen und China im Dialog dazu bringen muss, bei seinen politischen und wirtschaftlichen Aktionen in Afrika nach Kriterien vorzugehen, die der Förderung von Frieden, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltiger Entwicklung nicht entgegenstehen.
Ferner begrüße ich die Aufforderung an die Europäische Union, sich beharrlich für die Wahrung der ihr zugrundeliegenden Prinzipien einzusetzen, und zwar unabhängig vom Erfolg ihrer Dialogbemühungen.
Jens Holm, Erik Meijer, Esko Seppänen, Søren Bo Søndergaard und Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. − (EN) Der Bericht von Ana Maria Gomes deckt viele wichtige Aspekte ab, nicht zuletzt die Tatsache, dass das Engagement der EU und Chinas im Interesse der afrikanischen Länder und der afrikanischen Bevölkerung sein sollte und dass externe Investoren, die in Afrika tätig sind, soziale und ökologische Regeln beachten sollten. Deswegen haben wir uns entschieden, den Bericht zu unterstützen. Wir unterstützen jedoch nicht die Formulierung in Ziffer 1, die die Bedeutung des Vertrags von Lissabon für die Steigerung von Effizienz und Kohärenz in den EU-Außenbeziehungen hervorhebt.
Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Der Entwicklungsausschuss hat einen sehr ausgewogenen Bericht über die Politik Chinas und ihre Auswirkungen auf Afrika erarbeitet.
Ich stimme ihm mit umso größerer Freude zu, als ich eine sehr traurige Erfahrung in der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU hatte. In meinem Bericht über die Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen hatte ich einige kritische Anmerkungen über die Investitionen Chinas in Afrika gemacht. Den Delegierten der AKP-Länder ist es im Zusammenspiel mit den Sozialdemokraten, den Kommunisten und den Grünen gelungen, sie alle aus dem Bericht zu entfernen.
Warum weigerten sie sich festzustellen, dass die chinesischen Direktinvestitionen sich auf die extraktiven Industrien konzentrieren und vielfach Regierungen der AKP-Länder in politischen Orientierungen bestärken, die nicht auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Armutsbekämpfung in diesen Ländern gerichtet sind?
Warum haben sie die Feststellung gestrichen, dass die chinesischen Direktinvestitionen bestimmten multinationalen Konzernen zugute kommen, die die afrikanischen Märkte mit Artikeln von schlechter Qualität, besonders im Textilbereich, überschwemmen?
Ich freue mich, in der Begründung des Berichts lesen zu können, dass das Vordringen Chinas in Afrika auch eine Ausplünderung der natürlichen afrikanischen Ressourcen zugunsten Chinas bedeutet, die die nachhaltige Entwicklung untergräbt. Besorgnis erregt ebenfalls die Gefahr, dass China eine Reihe seiner schlimmsten heimischen Praktiken nach Afrika exportieren könnte...
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 163 GO)
Erika Mann (PSE), schriftlich. − Deshalb möchte ich mich über diese Stimmerklärung bei der Berichterstatterin Ana Maria Gomes ganz herzlich bedanken. Der Bericht, über den abgestimmt wurde, ist sehr gelungen. Ich möchte mich darüber hinaus dafür bedanken, dass zahlreiche Aspekte der Stellungnahme des Ausschusses für internationalen Handel in den Bericht aufgenommen wurden.
Mir ist es insgesamt wichtig, dass die Politik Chinas in Afrika fair bewertet wird und keine pauschale Ablehnung des Engagements Chinas in Afrika vorgenommen wird. Vielmehr sollte das eigene Engagement in dem Ansatz „Mehr Europa in Afrika“ verstärkt werden. Damit könnte die Sichtbarkeit der EU verbessert werden, und durch eine stärkere europäische Präsenz könnten die eigenen Bindungen zwischen der EU und Afrika gestärkt werden. Engere Handelsbeziehungen zwischen den beiden Kontinenten können für beide Seiten von großem Vorteil sein.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Der Bericht von Ana Gomes über die Politik Chinas und deren Auswirkungen auf Afrika hebt sowohl die positive Entwicklung vor, die Beijing vollzogen hat, indem es mit Afrika zusammenarbeitet, weist andererseits aber auch darauf hin, dass Chinas Politik verbesserungswürdig ist. Einerseits muss die EU Chinas Rolle als Entwicklungshelfer in Afrika begrüßen, obwohl China zu unserer Beunruhigung mit seiner Entwicklungshilfe auch einige seiner schlimmsten heimischen Praktiken, etwa Korruption sowie Missachtung von Arbeiterrechten und Umweltnormen, nach Afrika exportiert. Daher erfordert die Zusammenarbeit mit China in diesen Fragen sowie hinsichtlich seines Verhältnisses zu repressiven Regimes wie Sudan und Simbabwe ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Diese Auffassungen haben mich dazu bewogen, für die in dem Bericht dargelegten Empfehlungen zu stimmen.
Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. − (EN) Der Bericht von Ana Maria Gomes deckt viele wichtige Aspekte ab, nicht zuletzt die Tatsache, dass das Engagement der EU und Chinas im Interesse der afrikanischen Länder und der afrikanischen Bevölkerung sein sollte und dass externe Investoren, die in Afrika tätig sind, soziale und ökologische Regeln beachten sollten. Deswegen haben wir uns entschieden, den Bericht zu unterstützen.
Wir unterstützen jedoch nicht die Formulierung in Ziffer 1, die die Bedeutung des Vertrags von Lissabon für die Steigerung von Effizienz und Kohärenz in den EU-Außenbeziehungen hervorhebt.
Was eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik betrifft, so befürwortet Sinn Féin eine echte Reform, die die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft und des Landlebens in Irland, Europa und der Welt im Allgemeinen ermöglichen würde.
Lydie Polfer (ALDE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht Gomes gestimmt, der detailliert die Ursachen und die Folgen der chinesischen Vorherrschaft in Afrika auf wirtschaftlicher wie auch auf politischer Ebene analysiert.
Der gigantische Wirtschaftsaufschwung Chinas in den letzten 20 Jahren hat einen steigenden Bedarf an Erdöl und anderen Rohstoffen hervorgerufen. So importiert China heute 30 % seines Erdölbedarfs aus Afrika. Im Jahr 2010 werden es 45 % sein.
Andererseits investiert China massiv in Infrastrukturvorhaben in Afrika.
Dieses Engagement erfolgt ohne Vorbedingungen, weder was die Menschenrechte noch was die Sozial- und Umweltstandards betrifft.
Diese Situation muss Europa zum Handeln veranlassen, das versuchen muss, eine strategische Partnerschaft sowohl mit Afrika als auch mit China aufzubauen, um die nachhaltige Entwicklung des afrikanischen Kontinents zu gewährleisten.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) In dem zur Diskussion stehenden Bericht wird die derzeitige Situation der chinesischen Politik in Afrika richtig dargestellt, und die Investitionen sowie die finanziellen und politischen Folgen werden detailliert beschrieben. Leider handelt es sich um unrealistische Vorschläge, wenn darin wiederholt angeregt wird, die EU solle China zu einem mustergültigen Verhalten bei den Menschenrechten, den Arbeitnehmerrechten und dem Umweltschutz und letztendlich dazu ermutigen, außenpolitisch Dinge zu tun, die innenpolitisch nicht getan werden. Der Abschnitt, in dem es darum geht, was im Hinblick auf ein (korrektes) Bild der chinesischen Politik in Afrika und ihrer Folgen erforderlich wäre, enthält keinerlei Leitlinien, wie die Strategie der EU in einer Partnerschaft mit Ländern wie z. B. Indien, Brasilien und den (inakzeptablerweise nicht erwähnten) USA aussehen sollte.
Die derzeitige Lage in der Welt entspricht nicht den Modellen, die in den letzten Jahrzehnten den Rahmen für geostrategisches Denken bildeten. Die Entstehung neuer, sich stark voneinander unterscheidender Wirtschaftsmächte, der allgemeine, weltweite Anstieg des Verbrauchs, der Kampf um Grundnahrungsmittel und Rohstoffe, die Gefahr sozialer Revolten, das Risiko, dass mächtige politische Regime die Oberhand gewinnen, all diese neuen Realitäten erfordern eine klare Analyse und vor allem einen strategischeren Vorschlag mit einem anderen Blick auf die Zukunft. Deshalb habe ich mich bei der Abstimmung über diesen Bericht der Stimme enthalten.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) In dem Bericht von Frau Ana Maria Gomes über die Politik Chinas und deren Auswirkungen auf Afrika wird die herausragende Rolle hervorgehoben, die China heute in den diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Gleichgewichten Afrikas spielt.
Ich halte es für notwendig, das Vorgehen Chinas, obgleich es die Aufmerksamkeit auf einen Kontinent gelenkt hat, der in Vergessenheit geraten war, nämlich Afrika, einzudämmen und zu beschränken, um nicht einer neuen potenziellen Form des Kolonialismus anheim zu fallen, der letzten Endes schmachvolle Seiten unserer europäischen Geschichte prägte und schrieb.
Ich hoffe, dass die EU zu diesem Zweck eine kohärente Strategie festlegt, um zu gewährleisten, dass sich China an Grundsätze wie verantwortungsvolle Staatsführung, Korruptionsbekämpfung, Schutz der Menschenrechte, der Arbeitsnormen und der Umwelt hält, um klare und transparente Abkommen zwischen beiden Seiten zu ermöglichen.
Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Afrika ist ein Kontinent, der Entwicklungshilfe, engere Handelsverbindungen sowie eine umfassendere Beteiligung an der Globalisierung braucht, die mehr Wohlstand für alle schafft. China ist für den afrikanischen Kontinent sehr schnell ein wichtiger Partner geworden, der einen großen Appetit auf Rohstoffe hat, nicht zuletzt auf Erdöl, das in verschiedenen afrikanischen Ländern gefördert wird. Die Tatsache, dass immer mehr Länder sich für Afrika interessieren, wirkt sich günstig auf dessen Entwicklung aus. Wir müssen allerdings feststellen, dass das unkritische Herangehen Chinas an die Beschaffung von Rohstoffen ohne oder nur mit geringer Beachtung von Menschenrechten, Korruption und undemokratischen Regimes eine Herausforderung für die EU darstellt, die seit langem darauf besteht, Handel und Entwicklungshilfe mit der Forderung nach demokratischer Entwicklung unter Berücksichtigung der Freiheiten und Menschenrechte zu verbinden. Dass das Europäische Parlament China deutlich auffordert, die Menschenrechte und die Entwicklung für die Bevölkerung Afrikas zu beachten, ist ein wichtiges Signal. Entwicklung ist ein breiterer Begriff als nur wirtschaftlicher Fortschritt, und ich unterstütze daher von ganzem Herzen die Ansicht, dass Menschenrechte und Demokratie ein wichtiger Aspekt der internationalen Beziehungen sein müssen, einschließlich der Beziehungen Chinas zu Afrika.
7. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 12.50 Uhr geschlossen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
8. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
9. Lage in Birma (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Birma.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die Europäische Union verfolgt die Lage in Birma, beziehungsweise Myanmar, sehr genau. Wir unterstützen aktiv die Bemühungen, in erster Linie der Vereinten Nationen, zur Beschleunigung des Übergangs zu Demokratie, Aussöhnung und Entwicklung des Landes. Wir befragen zudem unsere asiatischen Partner zu all diesen Fragen. Der Sonderbeauftragte, Piero Fassino, hat dem Europäischen Parlament Bericht über die Lage in Birma/Myanmar erstattet. Er hat das Parlament zudem über die Annäherungen unterrichtet, die sich gegenüber den Nachbarstaaten Birmas und anderen ASEAN-Mitgliedern vollziehen.
Wie wir wissen, besuchte der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Ibrahim Gambari, Anfang März das Land. Es ist eine große Enttäuschung für uns, dass sein Besuch keine besonderen Ergebnisse gebracht hat. Vor allen Dingen hatten wir den Eindruck, dass die birmanischen Behörden nicht zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bereit waren. Der Europäischen Union wäre daran gelegen, dass die Behörden die Vorschläge von Herrn Gambari für eine weitere politische Entwicklung annehmen. Die gesamte internationale Gemeinschaft stimmt diesen Vorschlägen zu, die nicht zu hoch gegriffen sind.
Die EU und Herr Gambari weisen auf ähnliche Probleme hin. Zusätzlich übersendet die EU Birma/Myanmar regelmäßig wichtige politische Mitteilungen. Eine dieser wichtigen Mitteilungen ist die unlängst vom Europäischen Parlament angenommene Entschließung zur Lage in diesem Land. Unsere zentrale gemeinsame Botschaft ist in erster Linie die, dass nationale Aussöhnung, Stabilität und Wohlstand nur durch einen glaubwürdigen und integrativen Demokratisierungsprozess möglich sind. Aus diesem Grund verfolgt die Europäische Union sehr genau die Antwort der Opposition auf das bevorstehende Verfassungsreferendum.
Wir fordern die Behörden auf, vor dem Referendum eine ungehinderte und offene Debatte über die Verfassung zuzulassen, die Verfolgung politischer Aktivisten zu unterlassen und die Gesetze aufzuheben, die das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken. Ungeachtet der aktuellen Lage hat die Europäische Union noch Hoffnung, dass die birmanischen Behörden ein freies und gerechtes Referendum garantieren und die Anwesenheit internationaler Beobachter zulassen werden. Sie ist zur Unterstützung von Beobachtern aus den ASEAN-Staaten bereit.
Neben der Zulassung einer korrekten Durchführung des Referendums fordern wir Birma auf, politische Gefangene freizulassen und von weiteren Verhaftungen abzusehen. Der Rat fordert ebenso wie das Europäische Parlament, den Hausarrest von Aung San Suu Kyi nicht zu verlängern. Wir hoffen, dass China und die ASEAN-Staaten die Mission von Herrn Gambari und den Standpunkt des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen auch künftig weiter unterstützen werden. Diese Botschaft haben wir durch diplomatische Kanäle und über unseren Sonderbeauftragten übermittelt.
Bei der Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“, die in der kommenden Woche stattfindet, beabsichtigt die Europäische Union, die Geltungsdauer des gemeinsamen Standpunkts zu Birma zu verlängern. Auf diese Weise werden humanitäre Maßnahmen, wenngleich in begrenzter Form, weiterhin möglich sein, während gleichzeitig die Sanktionen in Kraft bleiben. Wir fordern unsere internationalen Partner auf, ihre Hilfe zu verstärken, die die Bürger Birmas dringend benötigen. Die Europäische Union wird diese Hilfe weiterhin leisten.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Frau Ferrero-Waldner kann an dieser Sitzung nicht teilnehmen. Gestatten Sie mir, in ihrem Namen und im Namen der Kommission einige Bemerkungen über Birma zu machen.
In einigen Wochen, am 10. Mai, wird das birmanische Volk aufgerufen, eine Verfassung zu billigen oder abzulehnen. Die Europäische Union und ihre Partner sind der Auffassung, dass die verschiedenen politischen Kräfte und ethnischen Gruppen im Lande in den Prozess der Vorbereitung des Verfassungsentwurfs nicht genügend einbezogen wurden. Die herrschende Junta hat in diesem Prozess vollkommen nach eigenem Gutdünken gehandelt.
So sieht die Verfassung vor, dass 25 % der Abgeordneten durch die Militärs designiert werden und die übrigen 75 % gewählt werden. Es ist möglich, dass Aun San Suu Kyi bei den für 2010 vorgesehenen Wahlen abstimmen und eventuell sogar kandidieren kann, jedoch scheint das Regime ausschließen zu wollen, dass sie eines Tages Präsidentin der Union Myanmar wird. China, Indien und die ASEAN üben einen gewissen Einfluss aus und sind im Wesentlichen besorgt um die Stabilität des Landes sowie um die Handelsbeziehungen und die Investitionen.
Der UN-Sondergesandte Gambari war mit Hilfe einer diskreten chinesischen Diplomatie nicht in der Lage, den politischen Prozess weiter zu öffnen, und er gab an, dass er sich auf die wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Fragen beschränken werde.
Da keine greifbaren Projekte vorliegen, wird der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ am 29. April über alle Operationen beraten, die die Europäische Union für denkbar hält, um die Situation in Birma zu beeinflussen. Ich möchte hervorheben, dass die Europäische Union bemüht ist, einen ausgewogenen Ansatz zur Birmafrage zu verfolgen. Wir streben vor allem objektive Ergebnisse an. Der Rat hat am 19. November 2007 eine Version des Gemeinsamen Standpunkts verabschiedet, die neue Sanktionen vorsieht. Die EG-Verordnung ist am 10. März dieses Jahres in Kraft getreten. Die derzeitige Revision ist für Ende dieses Monats vorgesehen.
Die Sanktionen der Europäischen Union sind Ausdruck unserer Unzufriedenheit über die Langsamkeit des Übergangsprozesses zur Demokratie, die andauernde Inhaftierung zahlreicher politischer Häftlinge, der Verletzung der Grundfreiheiten. Jedoch muss die Wirkung der Sanktionen regelmäßig bewertet werden, um zu gewährleisten, dass die Sanktionen direkt die Mitglieder des Regimes und ihre Unterstützer treffen. Die Kommission hat Hilfsprogramme erarbeitet, die im Rahmen der allgemeinen Entwicklungshilfepolitik vorgesehen sind und den Gesundheits- und Bildungsbereich abdecken. Ich freue mich, feststellen zu können, dass das Europäische Parlament sich im Rahmen der Ausübung seines Mitspracherechts positiv zu diesen Maßnahmen geäußert hat.
Das kommt hinzu zu der humanitären Hilfe von ECHO in den Ländern und für birmanische Flüchtlinge in der Region. Wir werden die Mission von Herrn Gambari weiterhin unterstützen. Die Europäische Union gehört zu der „Gruppe von Freunden“, die in New York aus den fünf ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates, dem ASEAN-Präsidium, Indien, Japan und Norwegen besteht, die die Situation in Birma verfolgen. Der EU-Sondergesandte für Birma, Herr Fassino, spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Unterstützung der Mission von Herrn Gambari. Soweit die Informationen, die ich Ihnen im Namen von Frau Ferrero-Waldner geben wollte.
Geoffrey Van Orden, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wir sprechen heute über Birma, weil die Verlängerung der gezielten Sanktionen der Europäischen Union in fünf Tagen ansteht und die birmanischen Behörden in etwas mehr als zwei Wochen eine Volksabstimmung zu ihrer Scheinverfassung abhalten werden.
Wir fordern das birmanische Regime nachdrücklich auf, einen Schritt zu unternehmen, der sehr in seinem eigenen Interesse liegt sowie in dem der birmanischen Bevölkerung, und zwar die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um sich der internationalen Gemeinschaft der Nationen wieder anzuschließen. Die Politik der Isolation aus Misstrauen wird schon beinahe solange erprobt wie Birma als unabhängiger Staat existiert, und sie ist gescheitert. Sie hat Birma geschadet, und sie hat der birmanischen Bevölkerung geschadet.
1948 war Birma der weltgrößte Reisexporteur, Erzeuger von 75 % des weltweit vertriebenen Teakholzes und das reichste Land im Südosten Asiens. Man ging davon aus, dass Birma sich auf direktem Weg befand, ein entwickeltes Land zu werden. Heute ist sein BIP pro Kopf niedriger als in Ruanda oder Bangladesch.
Die birmanische Wirtschaft benötigt dringend die Unterstützung internationaler Finanzinstitute. Aber seit sich Birma abgeschottet und von der Demokratie verabschiedet hat, weigern sich die Asiatische Entwicklungsbank, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds zu Recht, weitere finanzielle Unterstützung anzubieten. Die Weigerung des birmanischen Regimes, sich auf externe Realitäten einzulassen, hat Länder in der ganzen Welt veranlasst, wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen.
Birma braucht Freunde, die ihm helfen, seine nationalen Interessen auf der Weltbühne zu schützen, aber selbst die ASEAN hat nun, wiederum völlig zu Recht, erklärt, die birmanischen Behörden auf internationalen Foren nicht länger in Schutz nehmen zu wollen.
Wir wollen der birmanischen Regierung Folgendes mitteilen: Wir sind nicht gegen Sie, wenn Sie nur endlich aufhören, der Welt den Rücken zu kehren. Sie müssen die internationale Gemeinschaft ebenso wenig fürchten wie Ihr eigenes Volk. Sie brauchen nicht die neuntgrößte Armee und das fünfzehnthöchste Militärbudget der Welt. Sie müssen nicht in einem Bunker leben. Erkennen Sie die demokratischen Bestrebungen Ihres Volkes an, beenden Sie die politische Unterdrückung und ermöglichen Sie es oppositionellen Kräften, sich umfassend und frei an einem neuen Verfassungsprozess zu beteiligen.
Józef Pinior, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchten wir an das birmanische Regime appellieren, seine politischen Gegner und die mehr als 1 800 politischen Gefangenen freizulassen, darunter Aung San Suu Kyi, die Anführer der Gruppe „88 Generation Students“ sowie die 2005 festgenommenen Anführer der „Shan Nationalities League for Democracy“; Rechenschaft über alle Opfer und Vermissten im Zusammenhang mit der Niederschlagung der Proteste von buddhistischen Mönchen und Aktivisten der Demokratiebewegung im vergangenen September abzulegen sowie Angaben über den Verbleib der vermissten Mönche und Nonnen zu machen; dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Menschenrechtslage in Birma die Einreise zu gewährleisten und oppositionellen politischen Parteien Treffen mit dem Sonderbeauftragten zu gestatten.
Die so genannte Volksabstimmung löst echte Besorgnis aus: Es besteht die Gefahr, dass die Volksabstimmung unter den aktuellen repressiven Bedingungen die Militärherrschaft nur zusätzlich festigen wird. Seit der Ankündigung der Volksabstimmung hat die Regierung das Gesetz Nr. 1/2008 erlassen, das den Mitgliedern von Ordensgemeinschaften, einschließlich Mönchen und Nonnen, das Wahlrecht verwehrt. Es sieht zudem eine dreijährige Haftstrafe für diejenigen Personen vor, die „durch Vorträge, das Verteilen von Handzetteln, Plakatieren oder auf sonstige Weise den Wahlvorgang in den Wahlkabinen oder in öffentlichen oder privaten Räumen stören mit der Absicht, der Volksabstimmung zu schaden“.
Wir verlangen von der Regierung Garantien dafür, dass sie unabhängige Wahlkommissionen einsetzen, korrekte Wählerlisten ausstellen, die seit langem bestehenden Einschränkungen für die Medien aufheben, Vereinigungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Birma gewähren und neue Verordnungen aufheben wird, die die legitime Debatte über die Volksabstimmung kriminalisieren.
Marco Cappato, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kommissar Barrot, Sie sprachen von einem ausgewogenen Ansatz. Ich befürchte allerdings, dass dieser Ansatz zu zaghaft sein wird, vor allem, weil dieses Parlament wissen muss, dass die EU über Instrumente für die Förderung der Demokratie und der Menschenrechte verfügt.
Es handelt sich um neue Instrumente, und nun müssen wir nicht mehr erst die Erlaubnis der Länder, in denen Diktaturen herrschen, einholen, um dieses Geld auszugeben. Entweder sprechen wir also über die Geschehnisse als passive Zuschauer, oder aber wir sprechen als Personen, die sich die Frage stellen, was getan werden kann. In diesem Fall wäre es für uns wichtig, heute zu erfahren, wie wir dieses Geld ausgeben, wem wir damit helfen können, wie wir Informationen in das Land hinein und aus ihm heraus bringen können. Beispielsweise sollte darüber nachgedacht werden, wie das für die so genannte Drogenbekämpfung gedachte Geld ausgegeben wird, das in Birma direkt in die Kassen des birmanische Regimes fließt, damit es sein Volk über das Büro der Vereinten Nationen besser unterdrücken kann. Als Europäische Union sollten wir uns auch diesem Problem stellen. In die Volksabstimmung wurden zwar die verschiedenen Parteien ausreichend einbezogen, wie Sie berichteten, doch diente das Referendum nur als Deckmantel, damit das Regime die Menschen- und die Bürgerrechte in Birma noch besser und rücksichtsloser mit Füßen treten kann.
Dem Vertreter des Rates, Herrn Lenarčič, wollte ich sagen, dass ich in Anbetracht der massiven Beteiligung der Mönche an dem gewaltlosen Kampf, wofür sie mit ihrem Leben bezahlten, der Auffassung bin, dass Ihre Ankündigung, den Dalai Lama nicht zu dem dringend notwendigen politischen Dialog mit den EU-Ländern nach Brüssel einzuladen, symbolisch negative Auswirkungen auf den gewaltfreien Kampf des birmanischen Volks, insbesondere der Mönche, haben wird – und bereits hatte.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Im Oktober letzten Jahres war die Welt Zeuge, wie Tausende buddhistischer Mönche und Bürger durch die Straßen Ranguns marschierten und Freiheit und Reformen von Birmas ungerechter und gewalttätiger Militärregierung forderten. Dies war die größte Demonstration gegen das Regime seit der blutigen Unterdrückung der ersten Demokratiebewegung 1988.
(EN) Sollte irgendjemand der Meinung sein, die Lage hätte schlimmer sein können als im vergangenen Jahr, müssen wir uns nur die Beweise ansehen: Armut, Lebensmittelknappheit, die Beseitigung politischer Gegner, die anhaltende Einkerkerung einer Sacharow- und Nobelpreisträgerin, die anhaltende Unterdrückung jeglicher abweichender Meinung, die geäußert wird.
Es liegt bei uns in der Europäischen Union, die starken Bekundungen unserer Unterstützung nicht abbrechen zu lassen, die wir im September 2007 gegenüber den Menschen zum Ausdruck gebracht haben, die in Birma für ihre Rechte kämpfen. Jetzt sehen wir uns einer Situation gegenüber, in der per Volksentscheid über eine neue Verfassung entschieden werden soll, und diese Verfassung bezeichnen einige sogar als den ersten Schritt in Richtung der Wiederherstellung der Demokratie. Doch sie sieht für das Militär ein Viertel der Sitze im Parlament vor; sie verbietet Aung San Suu Kyi die Kandidatur bei dieser Wahl, weil sie mit einem Ausländer verheiratet ist, und sie zwingt sie, dem Diktat der Junta bedingungslos zu folgen.
China muss nun daran beteiligt werden, den Druck auf die Junta in Birma zu erhöhen, um der Bevölkerung ein echtes Mitspracherecht zu sichern, aber auch Bangladesch und Thailand müssen wir unterstützen und ihnen so ermöglichen, die birmanischen Behörden in einem Umdenken zu bestärken. Wir müssen unsere Bemühungen in Form von Sanktionen verdoppeln und politisch hart vorgehen, und zwar nicht nur auf europäischer Ebene, sondern weltweit, insbesondere in den Vereinten Nationen. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollten bei den Vereinten Nationen mit einer Stimme sprechen, um die Behörden unter Druck zu setzen, diesbezüglich tätig zu werden.
Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Wie soeben gesagt wurde, verschlechtert sich die humanitäre und die Menschenrechtssituation in Birma, und die nächste Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ wird vor der Aufgabe stehen, dies laut und deutlich zum Ausdruck zu bringen und die Aktionsmittel der europäischen Politik neu festzulegen.
Was zunächst wie ein positives Signal aussah, die viel zitierte Verfassungsreform, verwandelte sich rasch in ein geradezu machiavellistisches Unternehmen. Auf diese Weise wird die Präsenz der Militärs in der Regierung entgegen allen internationalen Standards und ohne jeden Beobachter in der Verfassung verankert, wobei von der Wahl alle jene ausgeschlossen wurden, die das gegenwärtige Regime ablehnen. Da wird eine echte Maskerade inszeniert, die dazu dienen soll, Birma noch stärker unter die Knute der Junta zu zwingen.
Es muss festgestellt werden, dass dies eine Niederlage für die integrative Strategie der Europäischen Union und der Vereinten Nationen in Birma selbst und auf regionaler Ebene bedeutet. Unserem Gesandten ist es übrigens noch nicht gelungen, einen Fuß auf birmanisches Territorium zu setzen. Daher muss unsere Politik der Doppelstrategie von Sanktionen und Anreizen jetzt effizienter und gezielter umgesetzt werden. Das heißt: Wir brauchen eine bessere, exaktere und konkretere Umsetzung der zuvor in Übereinstimmung mit den verfolgten Zielen festgelegten Kriterien.
Unsere finanziellen Maßnahmen müssen zur totalen Isolierung der Unternehmen führen, die mit der Junta verbunden oder auf die eine oder andere Weise an ihrer Finanzierung beteiligt sind, aber auch der Personen an der Macht, die noch zum Shopping ins Ausland fahren oder ihre Kinder in Drittländern studieren lassen. Das gilt auch für die gegen sie verhängten Banksanktionen, die derzeit Transfers über europäische Banken nicht verbieten.
Im Rahmen der ASEAN müssen die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen als Gelegenheit betrachtet werden, um zu gewährleisten, dass die Nachbarstaaten sich jeglicher Strategie der Umgehung der Sanktionen gegen Birma enthalten.
Der zweite Aspekt besteht in den Anreizen. Parallel zu den obigen Maßnahmen müssen wir die lebendigen Kräfte des Landes unterstützen. Auf humanitärer Ebene ist das selbstverständlich, aber auch auf politischer Ebene. Dazu gehört eine öffentliche Verurteilung der birmanischen Behörden, indem der Inhalt und die Modalitäten des Referendums angeprangert werden, die entschlossene Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundfreiheiten durch EIDHR-Projekte, die Unterstützung und der Schutz der Verteidiger der Menschenrechte, der Kampf gegen die Rekrutierung von Kindern für bewaffnete Gruppen und ihr Schutz vor Gewalt.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Denken Sie nicht, ich sei chinafeindlich, weil ich in meinen Redebeiträgen die Haltung Chinas oft kritisiere. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Bezug auf die Lage in Birma und die allseits bekannten Verantwortlichkeiten der chinesischen Regierung, die den birmanischen Staatsrat unterstützt, dürften wohl keine Zweifel bestehen. Im Übrigen hat China dieselbe Verantwortung in Darfur, in Tibet und in vielen anderen Orten der Welt, wo Menschenrechtsverletzungen begangen werden, und nicht zuletzt in China selbst, auf sich geladen.
Die Empörung und Entrüstung sowie die Verurteilung, die wir für gewöhnlich in unseren Entschließungen zum Ausdruck bringen, finden daher selbstverständlich meine Zustimmung und Unterstützung, doch bleibe ich skeptisch in Bezug auf ihre Wirkung. Ich befürworte die deutliche Verurteilung des birmanischen Regimes und bedaure, dass es in 45 Jahren keine Fortschritte bei der Achtung der Menschenrechte und der Gewissensfreiheit erzielt hat.
Wie könnte ich die politischen und ethnischen Repressionen gegen die birmanische Bevölkerung nicht verurteilen? Ich möchte sogar die Gelegenheit nutzen, um insbesondere auf den Fall des Volkes der Karen aufmerksam zu machen, das seit Jahrzehnten stolzen Widerstand leistet, um seine Identität zu verteidigen, und ebenso bedaure ich selbstverständlich die Verfahrensweisen bei der Volksabstimmung über die Verfassung, die man Birma aufzwingen will. Selbstverständlich, liebe Kollegen, stimme ich mit all den gefühlvollen Erklärungen in dem Entschließungsantrag überein, doch gerade weil alles, was – üblicherweise – mit EU-Akten verbreitet wird, auf der Ebene des Gefühlsmäßigen bleibt, denke ich, dass damit absolut nichts bewirkt werden wird. Schließlich wird auch in dem Entschließungsantrag bekräftigt, dass die gezielten Sanktionen zwar erneuert wurden, aber bislang nicht die gewünschte Wirkung gezeitigt haben.
Der Forderung nach ihrer Verschärfung kann demzufolge zugestimmt werden, doch sollten ähnliche Druckmittel vor allem gegen Staaten wie China, Russland und Indien eingesetzt werden, damit sie kraft ihres wirtschaftlichen und politischen Einflusses auf das birmanische Regime mit der Europäischen Union in diesem Bereich zusammenarbeiten und ihre Lieferungen von Waffen und strategischen Ausrüstungen einstellen. Ferner stimme ich im Wesentlichen mit dem überein, was Frau Flautre so eindrucksvoll ausgeführt hat.
Hartmut Nassauer (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! In wenigen Tagen entscheidet der Rat über die Fortgeltung seines Gemeinsamen Standpunkts zu Burma und über die Aufrechterhaltung der Sanktionen. In Burma gibt es keinerlei substanzielle Änderungen in Sachen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte. Nahezu 2 000 politische Gefangene sind in Haft, die Oppositionsführerin Aung Sang Su Chi ist seit vielen Jahren unter Hausarrest. Kurzum – es gibt nicht den geringsten Grund, die Sanktionen zu lockern.
Zwar ist ein Verfassungsreferendum angekündigt, und ein Verfassungsentwurf ist veröffentlicht worden. Er entbehrt aber jeder demokratischen Legitimation. Die Öffentlichkeit ist daran so wenig beteiligt wie die demokratische Opposition. Der Verfassungsentwurf selbst enthält jede Menge demokratischer Schwächen. Es ist absurd, dem Militär ein Viertel der Sitze einzuräumen. Es ist absurd, Kandidaten auszuschließen, die mit Ausländern verheiratet sind oder ausländische Kinder haben. Das alles kündigt keinen demokratischen Fortschritt an.
Was ist zu tun? Ich schließe mich den Appellen an, die bisher ausgesprochen worden sind, vor allem den maßvollen Äußerungen meines Kollegen Geoffrey van Orden. Aber wir können nicht nur Burma alleine adressieren. Ohne die Unterstützung der Chinesen könnte die Junta nicht überleben. Deswegen haben auch die Chinesen Verantwortung für das, was dort geschieht. China ist in den wirtschaftlichen Leerraum gestoßen, den die Sanktionen geschaffen haben, und macht sich die westlichen Sanktionen zunutze. Deswegen muss China angesprochen werden, wenn es darum geht, die Situation dort zu ändern.
Ich will auch an meine Freunde in der ASEAN appellieren. Ich weiß, dass meine ASEAN-Freunde jede Äußerung zu Myanmar für eine Einmischung in innere Angelegenheiten halten, aber ich weiß auch, dass ihnen Myanmar unangenehm ist. Und ich sage ihnen, der Fall Myanmar verdunkelt das Bild der ASEAN in der Welt. Deswegen muss auch ASEAN Druck ausüben.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße die Erklärungen des Rates und der Kommission vom heutigen Nachmittag. Aber da 700 politische Gefangene nach den Demonstrationen vom vergangenen Jahr immer noch festgehalten werden und General Than Shwe sich geweigert hat, den Sondergesandten der Vereinten Nationen, Gambari, zu treffen, ist es zwar notwendig, ein halbes Jahr später unseren gemeinsamen Standpunkt zu erneuern – aber das reicht nicht. Warum weiten wir die Sanktionen nicht auf Öl und Gas aus, durch die sich das Regime hauptsächlich finanziert? Wenn die Vereinigten Staaten Sanktionen über den Bank- und Finanzsektor verhängen und dem Regime Devisen vorenthalten, warum tut die Europäische Union es ihnen nicht gleich? Welche Schritte können wir unternehmen, um den Hilfsorganisationen Zugang zu Ost-Birma zu ermöglichen, wo Berichten zufolge 3 000 Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden und Hilfsorganisationen bereit stehen, um zu helfen? Buddhistische Mönche haben „Nein“ auf die Mauern ihrer Klöster geschrieben, um der birmanischen Zivilbevölkerung ihre Botschaft für das Verfassungsreferendum im Mai mitzuteilen. Auch Europas Botschaft an Birma muss ein lautstarkes „Nein“ zur Diktatur und ein „Ja“ zur Demokratie sein.
Pierre Schapira (PSE). – (FR) Herr Präsident! Bereits vor sechs Monaten haben Kundgebungen in Rangun der Welt die schweren Menschenrechtsverletzungen, zu denen es regelmäßig in Birma kommt, vor Augen geführt.
Es scheint leider so zu sein, dass die internationale Öffentlichkeit dieses Land in der Krise inzwischen vergessen hat. Doch eigentlich müssten wir die Bevölkerung dieses Landes uneingeschränkt unterstützen und eine kohärente langfristige Strategie verfolgen, damit Demokratie sowie Presse-, Religions-, Meinungs- und Vereinsfreiheit endlich respektiert werden.
Trotz des diplomatischen Drucks, trotz des beispielhaften Wirkens von Aung San Suu Kyi, die wie ich erinnern möchte, im Jahr 1990 den Sacharow-Preis erhielt, trotz der Aktivitäten der internationalen Zivilgesellschaft hat sich die Situation nicht verbessert. So können 400 000 buddhistische Mönche nicht am Referendum teilnehmen, weil man ihnen das Wahlrecht entzogen hat.
Diese inakzeptable Situation ist der Beweis, dass der bisherige Druck nicht ausgereicht hat. Die Sanktionen gegenüber dem birmanischen Regime müssen ausgeweitet werden, wobei sie sich gegen die politische Elite und nicht gegen die Bevölkerung richten müssen.
Vor allem aber wünsche ich, dass die Aktionen der EU verstärkt werden. Um das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu stärken, fordere ich, fordern wir, dass Aung San Suu Kyi, die diesen Kampf symbolisiert, in allen europäischen Hauptstädten zur Ehrenbürgerin ernannt wird. Auf diese Weise würden wir unsere Entschlossenheit bekunden, die Menschenrechte und die Freiheit in Birma effektiv zu fördern.
Katrin Saks (PSE). – (ET) Wenn ich morgens das Parlamentsgebäude in Brüssel betrete, blickt mich Aung San Suu Kyi von einem großen Plakat mit ihren traurigen Augen an, und ich muss zugeben, dass ich mich jeden Morgen auf beschämende Weise machtlos fühle.
Die Entschließungen, die wir nahezu einstimmig angenommen hatten, haben keinerlei Wirkung gezeigt. Als ich heute sowohl die Vertreter der Kommission als auch des Rates hier sprechen hörte, fiel mir die folgende Wortwahl auf: „Wir hoffen, wir wünschen, wir finden, wir haben Bedenken“. Ist die Position, die wir da einnehmen, nicht viel zu zurückhaltend in Anbetracht eines solchen Regimes? Wir müssen Klartext reden, mit einer Stimme und wesentlich energischer.
Was können wir tun? Immer wieder greifen wir auf wirtschaftliche Sanktionen zurück. Meiner Auffassung nach ist dies trotz allem offensichtlich der einzige Weg, Einfluss auf dieses Regime zu nehmen. Natürlich müssen wir auch sehr genau überwachen, wohin unsere Entwicklungshilfe fließt. Unsere Zahlungen müssen an die Bedingung ganz bestimmter gesellschaftlicher Reformen geknüpft werden.
Ana Maria Gomes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin in Birma gewesen und habe dort das Elend und die Unterdrückung erlebt, unter denen die birmanische Bevölkerung lebt. Zu unserer Schande hat Europa nicht genug unternommen, um den Birmanen– ihren mutigen Mönchen, ihren politischen Gefangenen, ihrer tapferen Anführerin Aung San Suu Kyi – zu helfen, Freiheit zu erlangen und sie von den Unterdrückern der Junta zu befreien.
Europa hat nicht genug unternommen, um einflussreiche Nachbarn wie Thailand, Malaysia, Singapur und insbesondere Indonesien zu mobilisieren, diejenigen zu unterstützen, die für Menschenrechte und Demokratie in Birma kämpfen.
Europa hat nicht genug unternommen, um China und Indien davon abzuhalten, auf die eine oder andere Weise die birmanischen Unterdrücker zu unterstützen. Europa hat nicht genug unternommen, um europäische Firmen wie das französische Unternehmen Total, das weiterhin in Birma tätig ist und so seinen Beitrag zur Finanzierung der Drogenmafia und der Unterdrücker der birmanischen Junta leistet, zurückzuhalten und zu bestrafen. Europa muss jetzt handeln und sich strikt weigern, diese Farce eines Volksentscheids anzuerkennen.
Herr Barroso und seine Kommissare, die heute nach Beijing aufbrechen, müssen mit aller Bestimmtheit und Deutlichkeit über Birma und die Verantwortung Beijings und seine bedauerliche Lage ansprechen. Der aktuelle und der künftige Ratsvorsitz müssen entschlossen handeln, um für die Menschen in Birma etwas zu bewegen, indem sie nämlich mit aller Härte die beschlossenen Sanktionen umsetzen und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen veranlassen, gegen die birmanischen Unterdrücker vorzugehen.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Dieses Hohe Haus hat es sich zur Angewohnheit gemacht, Entschließungen anzunehmen, und zwar Entschließungen, die weitestgehend völlig wirkungslos sind. Außerdem haben wir uns angewöhnt, Sanktionen zu verhängen, die ebenfalls völlig wirkungslos sind, weil sie sich nicht gegen diejenigen richten, die die Verantwortung für eine wirkliche Veränderung tragen, sondern, wie in diesem Fall, gegen die einfache Bevölkerung Birmas, deren Elend wir so nur noch vergrößern.
Es wurde schon erwähnt, dass der wahre Schuldige in diesem Fall China ist. Verhängen wir irgendwelche Sanktionen gegen China? Nein! Der europäische Markt wird überflutet von mangelhafter Ware, die wir aus China beziehen. Warum verhängen wir keine Sanktionen gegen China und warten ab, wie sich das auf die Situation in Birma auswirkt?
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin in dieser Sache mit meinen Kollegen einer Meinung. Es geht hier nicht darum, dass sich seit ein paar Monaten nichts verändert hat, sondern darum, dass sich seit 50 Jahren nichts verändert hat.
Menschenrechtsverstöße sind an der Tagesordnung. Religionsgemeinschaften gehen nur dann die Straße, wenn sie der Meinung sind, dass in einem Land etwas entschieden falsch läuft. Wir haben das vor einigen Monaten erlebt, als die Mönche auf die Straße gingen, weil sie dachten, sie könnten ihre Botschaft so übermitteln. Die Reaktion der Junta war anders als erwartet: Sie sorgte dafür, dass die Proteste auf der Straße unmittelbar gestoppt und unterdrückt wurden, und die Morde, die direkt im Anschluss daran geschahen, sind empörend. Und diese Regierung ist noch immer an der Macht.
Die Hauptverantwortlichen in diesem Fall sind die Firmen und Länder, die mit Birma Geschäfte machen: die, die das Land mit Waffen beliefern und seine Waren kaufen. Ich stimme meinen Kollegen zu, dass wir aktiver vorgehen und China zwingen müssen, mit Birma ganz anders umzugehen. Dies ist die einzige Möglichkeit, eine Veränderung zu bewirken. Wir müssen außerdem tätig werden und Gespräche mit den europäischen Unternehmen führen, die diese Junta unterstützen. Wenn wir nicht selber handeln, wird es sehr schwierig für uns werden, andere Länder zu einem Umdenken zu zwingen. Ich unterstütze diesen Entschließungsantrag.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Birma ist eines der Themen, das zu Recht die Postfächer der MdEP mit einigem Inhalt füllt.
Ich sehe Parallelen zwischen Birma und Simbabwe. Beide waren einmal florierende Volkswirtschaften. Beide haben sich dann von der Demokratie ab- und der Unterdrückung und allem, was damit einhergeht, zugewandt: der Verwehrung von Grundrechten, extremer Armut und gewaltsamem Militarismus.
Ich sehe aber auch eine Parallele in den Reaktionen der EU auf Birma wie auf Simbabwe. Beide sind ehrlich gesagt in dieser Hinsicht viel zu zurückhaltend. Wir haben heute die Erklärungen der Kommission und des Rates gehört, aber was hatten sie uns wirklich zu sagen? Sehr, sehr wenig.
Ich bin der Meinung, wir müssen deutlich härter auftreten. Wir müssen die wirtschaftlichen und sonstigen Sanktionen ausweiten und ein angemessenes, vollständiges Waffenembargo verhängen. Wir müssen dort Druck ausüben, wo er vielleicht die größte Wirkung zeigt: auf diejenigen Regime, diejenigen Sympathisanten, wie China, die diese Junta stützen. Nur dann, insbesondere im Hinblick auf unsere Beziehungen zu denjenigen, die der Militärjunta mit einer ambivalenten Haltung begegnen, kann sie sich ändern.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich habe bereits erwähnt, dass der Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ bei seiner nächsten Tagung über die Birmafrage beraten und wahrscheinlich einige Schlussfolgerungen annehmen wird. Ich komme später noch darauf zu sprechen, aber zunächst möchte ich auf einige Äußerungen eingehen.
Zunächst zu Herrn Cappato. Ich möchte betonen, dass der Rat zu keinem Zeitpunkt über die Möglichkeit gesprochen hat, den Dalai Lama zu einem Treffen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ einzuladen. Auch glaube ich nicht, dass ein solches Treffen jemals stattfinden könnte. Sollte es doch stattfinden, würde es sich um Tibet drehen und nicht um Birma, das Gegenstand unserer aktuellen Debatte ist. Ich möchte jedoch eines anmerken: Was nötig ist, um die Lage in Tibet zu verbessern, ist weniger ein Dialog der Europäischen Union mit dem Dalai Lama als vielmehr ein Dialog der chinesischen Behörden mit dem Dalai Lama. Der slowenische Ratsvorsitz hat diesen schon mehrfach gefordert.
Nun möchte ich etwas zur nächsten Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ sagen. Wir erwarten, dass der Rat zu Schlussfolgerungen gelangt und erneut seine tiefe Beunruhigung über die Lage in Birma zum Ausdruck bringt und dass er zudem die birmanischen Behörden auffordert, dringend tätig zu werden und den Übergang zu einer legitimierten Zivilregierung und nationaler Aussöhnung einzuleiten. Wir erwarten weiterhin, dass der Rat eine offene Debatte über das Referendum fordert, das auf freie und gerechte Weise durchgeführt werden sollte. Des Weiteren erwarten wir von den birmanischen Behörden, wie Frau Flautre erwähnt hat, dass sie internationale Beobachter einladen, damit sie den Ablauf des Referendums verfolgen können.
Ich habe keine Zweifel, dass der Rat die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen fordern wird, die Herr Howitt angesprochen hat. Ebenso wenig zweifle ich daran, dass er zugleich zur Freilassung von Aung San Suu Kyi aufrufen wird. Darüber hinaus erwarten wir, dass die Sanktionen, die, wie Herr Van Orden zurecht angemerkt hat, demnächst enden, um weitere zwölf Monate verlängert werden mit der Option, sie anzupassen, das heißt sie jederzeit in Abhängigkeit von der Lage zu verschärfen oder zu lockern.
Was Waffen betrifft, so möchte ich in Bezug auf die Äußerungen von Herrn Romagnoli sagen, dass die Europäische Union die Ausfuhr von Waffen aller Art und dem entsprechenden Zubehör nach Birma untersagt hat. Das ist Teil der Sanktionen der Europäischen Union, und wir erwarten, dass dieses Verbot gemeinsam mit dem Sanktionssystem oder -mechanismus verlängert wird. Wir bemühen uns darum, dass sich auch andere Staaten daran beteiligen.
Abschließend möchte ich hinzufügen, dass man wie Frau Flautre die Birmastrategie der Vereinten Nationen als gescheitert ansehen kann. Man kann aber auch zur Auffassung gelangen, dass sie noch keine Früchte getragen hat. Ich tendiere zur letztgenannten Einschätzung.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Ich habe aufmerksam allen Ausführungen zugehört, die zeigen, welchen Weg Birma noch zurückzulegen hat, um auf den Pfad der Demokratie zu gelangen, was uns allen bewusst ist. Wir müssen unsere Politik weiter verstärken, und diesbezüglich möchte ich sagen, dass wir unlängst die Sanktionen verschärft haben, die sich speziell gegen das Regime und dessen Führer richten. Im Rat laufen Gespräche über umfassendere finanzielle Sanktionen.
Lassen Sie mich hinzufügen, dass bezüglich der politischen Gefangenen die Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ am 29. April Gelegenheit sein wird, nochmals einen Appell an das Regime zu richten, damit es der Einschüchterung und den Inhaftierungen ein Ende setzt. Wir sind sehr auf die Aufrechterhaltung der Solidarität mit Aun San Suu Kyi bedacht. Ich muss sagen, dass wir keine direkten Kontakte zu ihr aufnehmen können, aber wir haben Verbindung zu Mitgliedern ihrer Partei.
Natürlich haben einige von Ihnen über die Sanktionen hinaus auch die Kooperation mit den Nachbarländern angesprochen, die uns dabei helfen muss, Einfluss auf das birmanische Regime auszuüben. Frau Ferrero-Waldner wird die birmanische Frage diese Woche in China ansprechen wird. Die Kommission ist bereits bei der thailändischen Regierung vorstellig geworden. Indonesien scheint eine neue Initiative vorzubereiten. Aber Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie die Bedeutung von Aktionen anderer Ländern der Region hervorheben.
Nun komme ich zum Problem der Unterstützung für die Bevölkerung. Das birmanische Volk darf nicht den Preis für die politische Stagnation zahlen, die die Führer im Land verursacht haben. Europa kann sich mit der Verurteilung, der bloßen Isolierung Myanmars nicht zufrieden geben. Und ich möchte präzisieren, dass wir versuchen, Unterstützung zu leisten, indem wir jede Gelegenheit nutzen, um daran zu erinnern, dass allein eine bessere Regierungsführung seitens des Regimes es ermöglichen wird, dass diese Unterstützung die gewünschte Effizienz erreicht.
Herr Cappato hat insbesondere Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, wie die internationale Hilfe kontrolliert wird. Ich muss präzisieren, dass die internationale Hilfe über Agenturen der Vereinten Nationen und die Partner der NRO erfolgt. Und ich kann Ihnen sagen, dass dies genau kontrolliert wird. Aber Sie tun Recht daran, diese Frage anzusprechen.
Was wir wollen, ist wohl, möglichst viel Druck auszuüben, damit Birma sich rascher in Richtung Demokratie entwickelt, und gleichzeitig wollen wir vermeiden, dass die birmanische Bevölkerung durch eine totale Isolierung, die sicherlich nicht die passende Antwort wäre, noch mehr leiden muss.
Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 24. April 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße diese Entschließung aufrichtig, die die ungebrochene Besorgnis des Parlaments über die Lage in Birma beweist. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Ereignisse in diesem Land nicht „von der Bildfläche verschwinden“.
Es ist weithin bekannt, dass Birma trotz reichhaltiger Ressourcen und fruchtbaren Bodens immer noch eines der ärmsten Länder der Welt ist. Ebenfalls allgemein anerkannt ist, dass die Militärjunta für einen ganzen Katalog von Menschenrechtsverstößen verantwortlich ist, darunter der brutale Umgang mit buddhistischen Mönchen, die gegen das Regime protestierten.
Angesichts der jüngsten Entwicklungen, insbesondere der Absicht der Militärjunta, eine gänzlich undemokratische und unrechtmäßige Verfassung durchzusetzen, wird es höchste Zeit, dass die Europäische Union all ihren Einfluss geltend macht, um sich um eine Verbesserung der Lage zu bemühen.
Die Zeiten sind vorbei, in denen wir nur auf der internationalen Bühne über die Lage in Birma beraten haben. Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen und den birmanischen Behörden haben sich als vollkommen ergebnislos erwiesen. Gezielte Sanktionen gegen die Junta und ihr verbundene Unternehmen sind nun dringend erforderlich.
Diese Entschließung, die den Rat auffordert, weitreichendere und härtere Sanktionen gegen das birmanische Militärregime zu verhängen, findet meine volle Unterstützung. In diesem Sinne hoffe ich aufrichtig, dass unseren Worten Taten folgen.
10. Illegale Einwanderung, außenpolitische Maßnahmen der Union und Frontex (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur illegalen Einwanderung, zu außenpolitischen Maßnahmen der Union und zu Frontex.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Einleitend möchte ich betonen, dass die Herausforderung in Form der Zuwanderung einen ganzheitlichen Ansatz erfordert. Die Europäische Union muss eine wirksame Migrationspolitik und -gesetzgebung entwickeln und zugleich ihre Bemühungen im Kampf gegen die illegale Zuwanderung fortsetzen. Wir benötigen Maßnahmen auf der Ebene der Europäischen Union ebenso wie auf der Ebene der Mitgliedstaaten, und wir benötigen die Zusammenarbeit mit Drittländern. Einer der wichtigsten Aspekte im Kampf gegen die illegale Zuwanderung ist die wirksame Kontrolle der Außengrenzen der Europäischen Union.
Eine große Leistung auf diesem Gebiet ist zweifellos die vor kurzem erfolgte Aufnahme von neun Mitgliedstaaten in den Schengenraum. Im Anschluss daran nahm der slowenische Ratsvorsitz die Arbeit zur schnellstmöglichen Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, genannt SIS II, auf. Dies ist gegenwärtig eines der vorrangigen Projekte der Europäischen Union. Alle erforderlichen Maßnahmen sollten in einer Weise erfolgen, die die Vollendung des Übergangs von der ersten zur zweiten Generation des Schengener Informationssystems bis spätestens September 2009 ermöglicht.
Aufgrund zahlreicher Vorfälle im Mittelmeer und an der Küste Nordafrikas schlugen die Kommission und einige Mitgliedstaaten 2007 einige Initiativen vor, um die Bewältigung der illegalen Zuwanderung zu verbessern. Als Teil dieser Bemühungen veranstaltete die slowenische Präsidentschaft im März dieses Jahres eine Konferenz auf Ministerebene über die künftigen Herausforderungen des Grenzschutzes an den EU-Außengrenzen. Über die drei im Februar von der Kommission vorgestellten Berichte wurde bei dieser Konferenz erstmals beraten. Die Teilnehmer der Konferenz berieten über die Bewertung und weitere Entwicklung der Agentur FRONTEX, sowie über weitere Grenzschutzmaßnahmen an den Außengrenzen der Europäischen Union. Man einigte sich darauf, dass die Grenzkontrollen in Zukunft verschärft und die zuverlässige Personenidentifizierung erleichtert werden soll. Zugleich müssen wir uns darum bemühen, die Europäische Union offen und zugänglich zu gestalten.
Darüber hinaus besprachen die Minister den Vorschlag, ein europäisches Grenzüberwachungssystem, EUROSUR genannt, ins Leben zu rufen. Der Ratsvorsitz ist bereits mit der Erarbeitung weiterer Leitsätze zu diesem Thema befasst, und der Rat wird bei seiner Tagung im Juni unter dem Punkt Justiz und Inneres über diese Leitsätze beraten.
Der Kampf gegen die illegale Zuwanderung wird auch durch eine Richtlinie über gemeinsame Normen und Verfahren zur Rückführung von auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union illegal aufhältigen Personen, die so genannte Rückführungsrichtlinie, an Wirksamkeit gewinnen. Der Ratsvorsitz führt bereits die zweite Verhandlungsrunde mit dem Europäischen Parlament, die bislang sehr konstruktiv verlaufen ist. Wir denken, dass wir durch unsere gemeinsamen Bemühungen die Annahme dieser Richtlinie bei der ersten Lesung erreichen können.
Hinsichtlich des Vorschlags der Richtlinie, Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die Drittstaatangehörige ohne legalen Aufenthalt in der Europäischen Union beschäftigen, wartet der Rat noch auf Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments.
Ein weiterer Baustein bei der Gestaltung einer umfassenden Migrationspolitik ist eine Visapolitik. In diesem Punkt hat die slowenische Präsidentschaft Fortschritte erzielt, indem sie über zwei äußerst wichtige Dossiers beraten hat, genauer gesagt über die Änderung der konsularischen Instruktion und den Visa-Kodex. Bei der weiteren Beschäftigung mit beiden Dossiers freuen wir uns auf die kreative Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament.
Bei seiner informellen Tagung im Januar besprach der Rat Fragen der Asylpolitik und der praktischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. In diesem Monat hat der Rat entsprechende Beschlüsse angenommen. Wie ich bereits in meiner Einleitung sagte, ist ein ganzheitlicher Ansatz bei der Migrationspolitik erforderlich, um die illegale Zuwanderung zu bewältigen und zu bekämpfen. Der Kampf gegen die illegale Zuwanderung setzt auch die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern voraus. Darüber hinaus erfordert er die Beseitigung der Gründe für die Migration, das heißt die Ankurbelung der Entwicklung in den Herkunftsländern.
Das Ziel des umfassenden Ansatzes, den der Europäische Rat im Dezember 2005 annahm, war die Einleitung einer weitreichenden Diskussion über die Migrationspolitik sowie die Verstärkung und Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit insbesondere mit den Herkunfts- und Transitländern und die Bildung einer Partnerschaft mit diesen Ländern. Innerhalb dieses umfassenden Ansatzes finden zurzeit zahlreiche Aktivitäten statt. Sie konzentrieren sich in erster Linie auf die kritischsten Regionen, vor allem Afrika und die östlichen und südöstlichen Regionen, die an die Europäische Union grenzen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Der größte Anziehungsfaktor für illegale Zuwanderung ist gegenwärtig die Schwarzarbeit.
Es werden weiterhin Migranten nach Europa kommen, solange sie meinen, dass die finanziellen Vorteile aus der Schwarzarbeit größer sind als das Risiko, durch die europäischen Strafverfolgungsbehörden festgenommen zu werden.
Wir brauchen einen echten gemeinsamen Willen auf europäischer Ebene, um eine wirksame Strategie zur Bekämpfung der Schwarzarbeit anwenden zu können. Das ist wirklich die Voraussetzung für diese Strategie, die von uns, von den Mitgliedstaaten, und dem gemeinsamen politischen Willen abhängt. In diesem Kontext ist der derzeit diesem Parlament und dem Rat zur Beratung vorliegende Vorschlag der Kommission zu sehen, Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt in der Europäischen Union beschäftigen.
Anliegen dieses Vorschlags ist es, dass alle Mitgliedstaaten Präventivmaßnahmen und gleichartige Sanktionen beschließen und sie wirklich bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit anwenden.
Ich möchte das Parlament ermuntern, die Beratung dieses Vorschlags fortzusetzen, damit wir ein Gemeinschaftsinstrument schaffen können, das die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Rechtsstaatlichkeit in der gesamten Europäischen Union respektiert wird.
Meine bisherigen Ausführungen bedeuten jedoch nicht, dass ich die Herausforderungen unterschätze, die sich aus der illegalen Zuwanderung über die Außengrenzen der Europäischen Union ergeben. Sehr wahrscheinlich werden auch in diesem Jahr viele Afrikaner versucht sein, auf dem Seeweg in die Europäische Union zu gelangen. Einige werden einzeln kommen, andere in kleinen Gruppen und wieder andere werden durch kriminelle Organisationen ausgenutzt, die viel Geld von ihnen verlangen, um sie nach Europa zu bringen.
Es wurden große Anstrengungen auf europäischer Ebene unternommen, um den Mitgliedstaaten im Jahr 2008 die notwendige finanzielle Unterstützung zu gewähren. Das Budget der Agentur Frontex hat sich 2008 gegenüber 2007 quasi verdoppelt. Es beläuft sich in diesem Jahr auf 70 Millionen Euro, von denen mehr als 31 Millionen für Operationen an den Seegrenzen der Europäischen Union vorgesehen sind.
Was die Operationen in den Hochrisikozonen betrifft, so hat Frontex vier groß angelegte Operationen organisiert, die die Namen Poseidon, Hermes, Nautilus und Hera tragen. Die Informationen über die exakten Daten und die genaue Dauer dieser Operationen wurden noch nicht veröffentlicht. Jedoch werden diese Operationen dank der Aufstockung der finanziellen Mittel von längerer Dauer sein als im Jahr 2007.
Hervorzuheben ist auch, dass zwischen den Mitgliedstaaten und Frontex eine Vereinbarung über die Einsatzmodalitäten und -bedingungen der im Zentralregister (Central record of available technical equipment – CRATE) erfassten technischen Ausrüstungsgüter erzielt wurde.
Derzeit werden durch die Mitgliedstaaten 18 Flugzeuge, 20 Hubschrauber und 105 Schiffe auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt. Frontex seinerseits stellt die notwendigen Humanressourcen bereit, um den Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung und Evaluierung der Operationen auf See behilflich zu sein. Die Kommission hat in ihrem Bewertungsbericht über Frontex empfohlen, das Potenzial von CRATE und die von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen voll und ganz zu nutzen, um die Verfügbarkeit der notwendigen Ausrüstungen für die Operationen an den Seegrenzen zu gewährleisten.
Die Agentur Frontex muss den europäischen Organen regelmäßig über die tatsächliche Nutzung der Ausrüstungen sowie darüber, inwieweit diese dem Bedarf entsprechen, Bericht erstatten. Sie ist ebenfalls aufgefordert, die Organe über einen künftigen Mechanismus zu informieren, der es ermöglichen soll, eine noch bessere Verfügbarkeit der durch die Mitgliedstaaten bereit gestellten Ausrüstungen zu garantieren. Die Agentur sollte zudem das Potenzial von CRATE erweitern, indem sie selbst technische Ausrüstungen erwirbt oder mietet.
Dank dieser Anstrengungen werden die Mitgliedstaaten und Frontex dazu beitragen, nach Möglichkeit die Fälle zu verringern, in denen Menschen, die versuchen, an Bord von seeuntüchtigen Schiffen nach Europa zu gelangen, im Meer ertrinken. Deshalb begrüßt die Kommission das bilaterale Abkommen zwischen Spanien und den westafrikanischen Staaten sowie die Kontakte Italiens und Maltas mit Libyen. Die Kontakte mit Libyen brachten bisher nicht die gewünschten Ergebnisse, was ein Grund mehr ist, sie fortzusetzen.
In ihrem Bericht über die künftige Entwicklung von Frontex hat die Kommission hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit mit Drittländern ein Schlüsselelement darstellt, um langfristig die gemeinsamen Aktionen der Agentur zu verbessern. Deshalb sollten wir die Möglichkeit ernsthaft prüfen, Frontex die Realisierung von Pilotprojekten zu ermöglichen, deren Begünstigte Drittländer wären, wobei die Agentur selbstverständlich die Übereinstimmung ihrer Aktivitäten mit dem globalen Rahmen der Außenpolitik der Union gewährleisten müsste.
Diese Projekte könnten die Wirkung der Zusammenarbeit in dem derzeit geltenden Rahmen steigern, denn sie könnten dazu dienen, den realen Bedarf an Kapazitätsaufbau für den Grenzschutz in bestimmten Drittländen zu erfassen.
Des Weiteren betrachtet die Kommission das Jahr 2008 als ein Testjahr. Das Gesamtbudget von Frontex ist höher, das Zentralregister CRATE ist voll funktionsfähig, die schnellen Eingreifteams sind stationiert. Natürlich werden wir die Ergebnisse dieser Maßnahmen bewerten, und gegebenenfalls wird es, wie in dem Bewertungsbericht der Kommission vorgesehen, angebracht sein, andere Möglichkeiten zu prüfen, wie beispielsweise die Errichtung eines europäischen Grenzüberwachungssystems.
Soweit die Informationen, die ich Ihnen geben wollte. Nun werde ich den Abgeordneten aufmerksam zuhören, die diese schwierigen Probleme ansprechen wollen.
Simon Busuttil, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (MT) Zu dieser Jahreszeit gibt es nun bald wieder die ersten tragischen Meldungen darüber zu hören, dass Hunderte Bootsflüchtlinge ertrunken sind, und da wir genau wissen was geschieht, sollten wir uns fragen, ob wir in diesem Jahr besser auf die Bewältigung des Problems der illegalen Einwanderung vorbereitet sind. Frontex ist nur ein Teil der Lösung – die Agentur ist, wie die Kommission es ausdrückte, ein Abschreckungsmittel im Kampf gegen illegale Einwanderung, und dieses Jahr wird für Frontex ein Probejahr sein. Wie Vizepräsident Barrot richtig sagte, wurde der Haushalt für Frontex verdoppelt, es gibt ein Soforteinsatzteam, und es sieht auch so aus, als wären die Mittel ausreichend, um die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Deshalb werden wir die Arbeit von Frontex intensiv beobachten, und wir hoffen, dass Frontex dieses Jahr effektiver ist als bisher. Wenn dieses Parlament Frontex unterstützen soll, dann muss die Agentur zeigen, dass sie diese Unterstützung auch verdient.
Herr Präsident, wie ich bereits sagte, ist Frontex nur ein Teil der Lösung, und egal, ob wir sie wollen oder nicht, müssen wir ernsthaft diskutieren, wie die Belastung auf die Schultern der Mitgliedstaaten verteilt wird – dieser Diskussion ist der Rat bisher aus dem Weg gegangen. Schluss mit der Heuchelei, man kann nicht einerseits schockiert sein, wenn Einwanderer ertrinken, andererseits aber die südlichen Mitgliedstaaten mit der Belastung allein lassen. Im Mittelmeerraum kann die Notwendigkeit der Lastenverteilung nicht deutlicher sein. Im letzten Jahr gab es bereits Vorfälle, wo Flüchtlinge in der libyschen Seenotrettungszone gekentert oder in Thunfischnetzen hängen geblieben sind. Libyen tat nichts, und die europäischen Staaten haben gegenseitig mit dem Finger aufeinander gezeigt. Ich möchte die Kommission und den Rat fragen, was sie in diesem Jahr tun werden – denn, Herr Vizepräsident und Herr Ratspräsident, es ist zweifelsohne unsere Pflicht, Menschenleben zu retten. Und es ist Zeit, dass sowohl die Kommission als auch der Rat den Mut haben, auf diese Fragen zu antworten. Ist die Aufnahme von Flüchtlingen die Pflicht eines einzelnen Staates, oder sollten sie auf alle Staaten verteilt werden?
VORSITZ: MECHTILD ROTHE Vizepräsidentin
Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Frau Präsidentin, dem Herrn Ratspräsidenten und dem Herrn Kommissar. Wir unterstützen den Vorschlag des Ratspräsidenten für einen integrierten Ansatz zur Einwanderungsfrage. Ausgangspunkt dieses Versuchs, die verschiedenen Aspekte des Problems miteinander zu verknüpfen und sie gemeinsam zu behandeln, muss die Anerkennung einer uns allen bekannten Tatsache sein: 60 % der nach Europa gelangenden Migranten kommen über das Meer, und einer groben Schätzung des Bündnisses „Keine Festung Europa“ zufolge sind in den letzten zehn Jahren 12 000 Menschen ertrunken oder wurden als vermisst gemeldet: Das Mittelmeer ist zum größten Massengrab unter freiem Himmel geworden.
Ich glaube, dieser Kontext, die Tatsache, dass wir uns einem großen humanitären Problem gegenüber sehen, darf bei Frontex, wiewohl es nicht aus humanitären Gründen entstanden ist, nicht außer Acht gelassen werden. Wo liegen die Schwierigkeiten und die Unklarheiten bei diesem Projekt? Frontex wurde von den Mitgliedstaaten bisher dahingehend ausgelegt, dass es ihnen zur Erleichterung ihrer Verantwortung dient, doch Frontex ist eine auf dem Geist der Solidarität und der Gegenseitigkeit beruhende Koordinierungsagentur, die nicht auf die Mitgliedstaaten verzichten kann, vielmehr liegt die Verantwortung für den Grenzschutz und auch für den Schutz der Land- und Seegrenzen in erster Linie bei den Mitgliedstaaten.
Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass Frontex bisher nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wurde; wenn wir jetzt hören, dass für Frontex Mittel, Einrichtungen, Personal und konkrete Ressourcen bereit stehen werden, werden wir ihre Zuverlässigkeit in operativer Hinsicht prüfen müssen. Es genügt nicht, lediglich Schiffe und Hubschrauber vorzurechnen, man muss sich auch ansehen, inwieweit dieses Potenzial an Ressourcen und Mitteln der Agentur wirklich zur Verfügung gestellt werden kann.
Dritter Punkt: Frontex hat das Problem, das Sie, Herr Kommissar, ansprachen, nämlich dass wir dazu beitragen müssen, die Zahl der Toten und Vermissten zu senken, noch nicht gelöst. Inwiefern kann Frontex diese Aufgabe übernehmen? Wir glauben, dafür gibt es nur einen Weg: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Seerettungsmaßnahmen in das Mandat mit aufgenommen werden, d. h. dass neben den Vorschriften zur Regelung der Einwanderung in die Europäische Union auch das Seerecht, das humanitäre Recht vorgesehen wird, wonach jedes Menschenleben gerettet werden muss, wenn es unmittelbar in Gefahr gerät.
Das ist unsere Botschaft an Sie, Herr Kommissar, und das sind einige der Fragen, die wir von Ihnen und vom Rat geklärt haben möchten.
Jeanine Hennis-Plasschaert, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Seien wir offen und ehrlich: Da Frontex eine Koordinierungsstelle ist, können wir nicht erwarten, dass sie die illegale Einwanderung im Alleingang stoppen kann, noch kann sie den Menschenhandel unterbinden. Frontex ist kein Allheilmittel für alle die Probleme, die durch die illegale Einwanderung verursacht werden, und wird es auch niemals sein.
Letzten Endes ist doch alles ganz einfach: Für die Sicherheit an den EU-Grenzen sind allein die Mitgliedstaaten zuständig, und die Grenzkontrollen müssen im Geiste geteilter Verantwortung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten durchgeführt werden.
In den vergangenen Jahren haben wir uns einem echten Paradoxon gegenüber gesehen. Wir haben gehört, dass Mitgliedstaaten Frontex aufgefordert haben, den Strom illegaler Einwanderer unverzüglich aufzuhalten und für diesen Zweck so viel Ausrüstung wie möglich einzusetzen. Das Zentralregister der technischen Ausrüstungsgegenstände ist jedoch, wie Sie alle wissen, nur ein virtuelles Register. Die Posten auf dieser Liste sind Eigentum der Mitgliedstaaten, und sie unterliegen deren Bereitschaft, sie einzusetzen. Über die diesbezügliche Bereitschaft einiger Mitgliedstaaten können wir sicherlich streiten.
Was den finanziellen Blickwinkel betrifft, so würde sich der Etat von Frontex unverzüglich in Luft auflösen, würde sie alle Ausrüstungsgegenstände gleichzeitig einsetzen. Die Kernfrage bleibt daher unbeantwortet. Sie lautet – und ich richte mich an den Rat: Ist der Rat bereit, den Grundsatz der obligatorischen Solidarität auszuweiten, der alle Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung zu stellen, d. h. einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus zu schaffen?
In den vergangenen Jahren haben die Mitgliedstaaten wiederholt beteuert, für wie bedeutend sie es erachten, bei der Bewältigung der Migration die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen vollständig einzuhalten. Die Mitgliedstaaten haben betont, welche Bedeutung sie der europäischen Solidarität als Gründungsprinzip beimessen, wenn es um die Verteilung der Lasten geht. Allzu oft wird eine wirksame Entscheidungsfindung jedoch durch die Unfähigkeit der Mitgliedstaaten vereitelt, im gemeinsamen Interesse zusammenzuarbeiten.
Würde der amtierende Ratspräsident mir Recht geben, dass die Zeit der Worte vorbei und die Zeit der Taten gekommen ist? Würden Sie mir nicht zustimmen, dass in einer zunehmend durch regionale Konflikte und ein wachsendes Gefälle zwischen Arm und Reich gekennzeichneten Welt die Mobilität eher zu- als abnehmen wird? Ist es nicht höchste Zeit, dass die Mitgliedstaaten eine Position einnehmen, die sie dieser Herausforderung mit einem radikalen, jedoch verantwortungsvollen, Umdenken im Hinblick auf das, was ein umfassendes Maßnahmenpaket für eine gemeinsame – ich wiederhole, gemeinsame – Migrationspolitik sein soll, begegnen lässt?
Leider muss ich diesen Saal nun verlassen, da ich am laufenden, hochrangigen Trilog über die Rückführungsrichtlinie teilnehme. Ich freue mich jedoch auf Ihre ausführliche Antwort zum Ihnen gelegenen nächstmöglichen Zeitpunkt.
Mario Borghezio, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frontex-Initiative muss unterstützt werden. Sie stellt die bewusste Grenze der europäischen Zivilisation gegen die anstürmende illegale Einwanderung dar, die sehr oft mit äußerst schmerzlichen menschlichen Dramen verbunden sowie ein großes Geschäft für die mafiaartigen kriminellen Organisationen ist und der deshalb mit der nötigen Entschlossenheit entgegen getreten werden muss.
Unserer Auffassung wurden sehr wirksame Maßnahmen von Ländern wie Spanien angewandt, das mit dem SIVE einen ausgeklügelten Hightech-Schutzwall gegen illegale Einwanderer geschaffen hat. Es ist sinnlos, Krokodilstränen wegen der Toten und der humanitären Fälle zu vergießen, wenn dann nichts unternommen wird, um unsere Küsten zu verteidigen. Mein eigenes Land hat lange nichts unternommen – man denke nur an die Lage auf Lampedusa. Es muss einfach verhindert werden, dass Boote der Illegalen die Hoheitsgewässer der Mitgliedstaaten erreichen.
Was den rechtlichen Status der Illegalen anbelangt, so sind die Argumente derjenigen, die sich bis heute der Behandlung der illegalen Einwanderung als Straftat widersetzen, völlig unbegründet: die Festnahme und die Inhaftierung der illegalen Einwanderer fallen gänzlich unter die Bestimmungen von Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention, wo es unter Buchstabe f) ganz klar heißt, dass einem Menschen im Ausnahmefall die Freiheit entzogen werden darf, wenn er unerlaubt in das Staatsgebiet anderer Länder eindringt oder einzudringen versucht.
Schließlich kann sich Europa nicht verschließen, wenn es mit den offenkundigen Ergebnissen der vollständigen Anwendung des Schengener Übereinkommens konfrontiert wird. Es sollte die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Studierenden fördern, hat aber in Wirklichkeit eine Art Green Card für die Freizügigkeit von Delinquenten eingeführt. Ist es das, was wir in unserem Gebiet wollen? Ganz sicher nicht. Demzufolge besteht dringender Handlungsbedarf: Die Richtlinie von 2004 muss unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse überarbeitet werden.
Die Mitgliedstaaten, die Einkommensgrenzen sowie die Pflicht der Einwanderer zur Erbringung des Nachweises ihrer legalen Existenzmittel festlegen sollten, haben dies nicht getan. Daher gibt es beispielsweise in Italien Städte wie die Hauptstadt der Christenheit, die von Roma und Rumänen überschwemmt werden, die kriminell sind, Vergewaltigungen und andere Straftaten begehen und nicht ausgewiesen werden. Wir sollten über diese Ergebnisse nachdenken.
Cem Özdemir, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Seit der Errichtung der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex verlief die Implementierung der europäischen Arbeitsprogramme bislang effektiv und ordnungsgemäß. Nichtsdestotrotz ist meine Fraktion seit der Annahme der Frontex-Regelung in höchstem Maße besorgt. Anlass dafür sind die dramatischen Vorfälle im Mittelmeerraum, die häufig genug dazu geführt haben, dass Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben ihr Leben verloren haben.
Deshalb stellen sich einige Fragen, die wir gerne an den Rat richten wollen. Eine davon ist: Wurden menschenrechtliche Verpflichtungen von Frontex vollständig in die bestehenden Vorschriften und Praktiken aufgenommen? Oder, um es noch ein bisschen präziser und offener zu sagen: Können Kommission und Rat sicherstellen, dass die EU-Mitgliedstaaten, die von Frontex unterstützt werden, ihre Verantwortung im Rahmen der Vertragsverpflichtungen und der Internationalen Konvention erfüllen, wenn sie die Außengrenzen kontrollieren und schützen?
Die öffentlichen Statistiken von Frontex beziehen sich lediglich auf Migrantenzahlen, deren Einreise in die Europäische Union verhindert wurde. Es tauchen weder Statistiken hinsichtlich der aufgegriffenen Asylbewerber auf, noch erfährt man, wie sie behandelt wurden. Deshalb interessiert uns: Gibt es Statistiken über aufgegriffene Asylbewerber? Wenn ja, warum sind diese Zahlen bislang nicht bekannt geworden?
Und schließlich: Wenn ein Asylbewerber aufgegriffen wird, welche Rolle spielt Frontex im Hinblick auf die Koordinierung des Asylantrags? Wo werden diese Anträge untersucht? Welche Mechanismen garantieren, dass ein Asylantrag gründlich untersucht wird, bevor der Asylsuchende wieder zurückgeschickt wird?
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Frau Präsidentin! Die Europäische Union und ihre Institutionen geben immer vor, dass der Kampf um Menschenrechte von zentraler Bedeutung sei. Allerdings scheint das nicht für die EU-eigene Agentur Frontex und die dahinter stehende Politik zu gelten. Die EU will sich mit Frontex gegen Menschen von außen abschotten und nicht Menschen retten.
Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass durch den Einsatz von Frontex mehr Flüchtlinge sterben, weil die Wege länger werden. Mit Frontex findet eine Militarisierung der Flüchtlingsabwehr statt. Die Frage ist ja, warum kommen die Flüchtlinge? Das hat sehr viel mit dem Wohlstandsgefälle zu tun. Daran muss etwas geändert werden. Durch den Klimawandel wird es noch mehr Flüchtlinge geben, die nach Europa kommen wollen.
Es gibt bezüglich Frontex keine parlamentarische Kontrolle. Ich erinnere mich an eine Anhörung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, wo der Chef von Frontex es nicht für nötig befunden hat, zu kommen. Das Konzept der Europäischen Union ist offensichtlich, die Rosinen unter den Migranten und Flüchtlingen herauszupicken und den Rest der Flüchtlinge außen vor zu halten, unter anderem mit Frontex. Frontex verschlimmert insgesamt die Situation der Flüchtlinge. Deshalb ist die Position unserer Fraktion ganz klar: Frontex muss aufgelöst werden, und stattdessen muss den Flüchtlingen tatsächlich geholfen werden. Das wäre der richtige Ansatz und nicht immer weitere Abschottung und immer weiteres Aufbauen dieser Festung Europa.
Georgios Georgiou, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Die Frage der grenzüberschreitenden Vereinbarungen ist keine schwer verständliche Sache wie das Lesen von Texten von Lysias oder Cicero. Andererseits wird Frontex nichts dazu beitragen, um all die Probleme zu lösen, die unseres Erachtens zwischen Europa und den Unglücklichen, die dort Zuflucht suchen, bestehen. Diese armen Menschen sind asiatische Opfer, die von Nachbarländern ausgebeutet werden, die mit Europa kooperieren, die Konsequenzen aber niemals aus europäischer Sicht betrachten.
Nun, wenn es nachteilige Auswirkungen gäbe und Frontex beispielsweise sowohl seine Rettungsfunktion ausüben müsste als auch uns darüber informieren müsste, woher die Menschen kommen und welche Staaten diesen illegalen Handel mit unglücklichen Menschen zulassen, die oft genug am Meeresboden enden, dann wäre die EU in der Lage, eigene Maßnahmen gegen solche Länder zu ergreifen und die ihnen jetzt so überreich bewilligten Finanzhilfen zu streichen.
Koenraad Dillen (NI). – (NL) Frau Präsidentin! An sich können wir die angekündigte Erweiterung der Aufgaben von Frontex, die Pläne für die Einrichtung eines europaweiten Grenzschutzes und die Schaffung einer zentralisierten europäischen Datenbank natürlich nur begrüßen. Auch ist es ein gutes Zeichen, dass Frontex grünes Licht erhielt, um Verhandlungen über Kooperationsabkommen mit einer Reihe von Ausreise- oder Transitländern aufzunehmen, um gemeinsam gegen illegale Einwanderung vorzugehen. Andererseits jedoch steht oder fällt diese Agentur natürlich mit der technischen Hilfe und politischen Unterstützung der Mitgliedstaaten, was sich in der Vergangenheit nur allzu oft als problematisch erwiesen hat. So waren beispielsweise Frankreich, Deutschland und die Niederlande weitaus aktiver als Belgien, das nur an drei Operationen teilgenommen hat.
Dennoch darf man sich nicht zu viel von einer Verstärkung der Außengrenzen versprechen, und wir sollten uns sicherlich nicht von den telegenen Operationen von Frontex im Mittelmeer blenden lassen. Die meisten illegalen Einwanderer gelangen auf legale Weise nach Europa, verschwinden nach Ablauf ihres Visums jedoch einfach in der Illegalität. Es handelt sich hier um Hunderttausende Personen. In dieser Hinsicht sind die 53 000 Festnahmen, die die Kommission vor einigen Monaten bekannt gab, auch nicht viel mehr als ein Kurieren am Symptom.
Kern der Sache ist nach wie vor, dass sowohl die europäischen Mitgliedstaaten als auch die Europäische Union für die unkontrollierte und illegale Einwanderung mit all ihren katastrophalen sozialen Folgen verantwortlich sind. Ich denke dabei sicherlich nicht nur an die flexible Visumpolitik und die lasche Aufspürungs- und Rückführungspolitik, sondern auch an die unverantwortlichen Regularisierungswellen, die in einigen Mitgliedstaaten durchgeführt wurden und die einen enormen Anziehungseffekt geschaffen haben. Die Erweiterung von Schengen nach Osten ist der vorläufig letzte dieser schädlichen Beschlüsse. Man darf sich daher die Frage stellen, ob Frontex nicht einfach die Rolle des Blitzableiters spielen muss, mit der die europäischen Bürger beruhigt werden.
Patrick Gaubert (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, lieber Jacques, werte Kolleginnen und Kollegen! Gegenwärtig arbeiten wir an umfangreichen Texten, die zu einer echten Veränderung, ja einer echten Weiterentwicklung in der Frage der Steuerung der Migrationsströme führen sollen. Ich denke dabei insbesondere an die Rückführungsrichtlinie und an die Bluecard-Richtlinie, an die Richtlinie über Sanktionen gegen Arbeitgeber und die Richtlinie über ein einheitliches Antragsverfahren und über ein gemeinsames Bündel von Rechten.
Die laufenden legislativen Arbeiten müssen schnellstmöglich abgeschlossen werden, wenn wir effektive und spürbare Ergebnisse für unsere Mitbürger und die Drittstaatsangehörigen erreichen wollen. Wir müssen eine klare Botschaft übermitteln. Als Abgeordnete widmen wir uns der Frage der Zuwanderung mit Entschiedenheit und Ernsthaftigkeit. Dabei muss das Management an unseren Außengrenzen und die Rolle von Frontex angesprochen werden. Frontex wurde nicht gegründet, um Ertrunkene im Süden Europas aus dem Meer zu fischen. Frontex wurde nicht geschaffen, um in Osteuropa halb verhungerte Kinder zu bergen, die von ihren Eltern auf eine endlose Migrationsreise geschickt wurden. Frontex hat eine klare Funktion: unsere Grenzen zu schützen, um unsere Mitbürger zu schützen.
Deshalb müssen die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre Verpflichtungen einhalten, indem sie für Frontex alle notwendigen Mittel für die Erfüllung seiner Aufgaben unter optimalen Bedingungen bereitstellen. Man darf nicht länger glauben, dass die Mission von Frontex nur temporär oder punktuell ist. Die Agentur muss den Phänomenen, denen sie sich zu stellen hat, gewachsen sein und mit deren Entwicklung Schritt halten, dies sind Migrationsströme und illegale Zuwanderung, organisiertes Verbrechen, Schlepperunwesen, Schmuggel jeder Art. Die Agentur Frontex muss im Mittelpunkt des umfassenderen Grenzsicherungsprojekts stehen und deshalb aufs engste mit den zuständigen obersten Behörden zusammenarbeiten.
Wie so oft hängt das reibungslose Funktionieren dieser Agentur von den Leitprinzipien und dem politischen Willen ab; daher muss den Mitgliedstaaten ihre Pflicht zur Einhaltung des Prinzips der Verantwortung, der Solidarität und der Einhaltung eingegangener Verpflichtungen in Erinnerung gerufen werden. Ich hoffe, dass die Kommission und vor allem der Rat unsere Forderungen und unsere Sorgen berücksichtigen werden und nicht den Erfolg einer Agentur aufs Spiel setzen, die wir auf europäischer Ebene dringend brauchen.
Javier Moreno Sánchez (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar! Wie Sie sagten, funktioniert Frontex. Im letzten Jahr beispielsweise ist die Zahl der illegalen Einwanderer auf den Kanarischen Inseln durch die gemeinsamen Operationen um 61 % gesunken. Doch die Mafiaorganisationen erkunden neue Routen, um die Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen. Ihre Aktivitäten gleichen dem Hasen und unsere Antworten der Schildkröte. Wir alle kennen die Fabel von La Fontaine und wissen, wie sie endet: Wir werden das Rennen gewinnen, ohne Zweifel, doch wie viele Leben wird es bis dahin kosten?
Meine Damen und Herren! Wir müssen uns und der allgemeinen Öffentlichkeit gegenüber klar und präzise sein. Wollen wir das Problem der illegalen Einwanderung wirklich auf gemeinsamer Grundlage lösen oder es nur so aussehen lassen, als würden wir zusammen daran arbeiten? Frontex bietet die Möglichkeit, die Zahl der illegalen Einwanderer zu reduzieren, Leben zu retten und den Menschenhandel zu bekämpfen, und dient als wirkungsvolle Abschreckung in den kontrollierten Gebieten.
Doch, meine Damen und Herren, wir müssen noch weiter gehen und ein integriertes europäisches System errichten, um alle Außengrenzen der EU einzubeziehen. Frontex braucht die entsprechenden Mandate und Mittel. Die Vorschläge der Kommission weisen in die richtige Richtung, aber wir wollen wissen, wie vereint und engagiert die Mitgliedstaaten im Kampf gegen die illegale Einwanderung sind, ein Phänomen, das uns alle betrifft, nicht nur die Länder der südlichen Außengrenze.
Wie bewerten die Mitgliedstaaten die Idee der Einführung eines europäischen Grenzüberwachungssystems? Und um näher auf die Operationskapazität von Frontex einzugehen: Wie denkt der Rat über die Schaffung regionaler Zentren in sensiblen Gebieten, insbesondere an den südlichen Seegrenzen?
Was ferner den entscheidenden Aspekt der Grenzüberwachung angeht, welche Rolle soll Frontex bei Iconet spielen, und wie lautet die Antwort des Rates auf den Vorschlag zur Errichtung von EUROSUR?
Abschließend möchte ich sagen, dass ich Ihnen zustimme, Herr Kommissar, dass die Zusammenarbeit mit Drittländern ein unerlässlicher Bestandteil des Kampfes gegen die illegale Einwanderung ist. Welche Schritte wird Frontex unternehmen, um die Entwicklung der von Mitgliedstaaten wie Spanien abgeschlossenen Abkommen zu unterstützen? Ich denke, die Antworten auf solche Fragen können der erste Hinweis darauf sein, wie und wann wir das Rennen gewinnen werden.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Die Mitgliedstaaten haben sowohl ein Recht, als auch eine Pflicht, ihre Grenzen ordnungsgemäß zu überwachen, die Einwanderung zu steuern und untereinander sowie europaweit zusammenzuarbeiten, unabhängig davon, ob sie Mitglied des Schengenraums sind oder nicht, was bei meinem Land leider nicht der Fall ist. Das bedeutet, dass sie mit Frontex und über Frontex zusammenarbeiten müssen, soweit ihnen das rechtlich möglich ist, die so genannten RABITs – die schnellen Grenzeinsatzteams – unterstützen müssen und sicherstellen müssen, dass Frontex über angemessene Ausrüstungsgegenstände verfügt.
Gut kontrollierte Grenzen sollten jedoch nicht mit der unmenschlichen Behandlung von Migranten oder der Missachtung des Flüchtlingsrechts, d. h. des Rechts auf Zugang zu einem Asylverfahren, einhergehen. Daher sollten wir neben mobilen Grenzschutzteams über Asylexpertenteams verfügen, die kurzfristig eingesetzt werden könnten, um einen großen Strom möglicher Einwanderer zu bewältigen, und sicherstellen, dass sie potenzielle Ansprüche individuell bewerten.
Frontex kann kein Ersatz für eine umfassende Einwanderungspolitik sein – die wir immer noch nicht haben – und die sich mit illegaler und legaler Migration befasst und ordnungsgemäße legale Einwanderungswege vorsieht, allerdings auch den Weg über das Asyl erhalten sollte.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich hüte, Einwanderung und Kriminalität gleichzusetzen. Der Begriff „Grenzsicherung“, der so häufig verwendet wird, tendiert dazu, automatisch anzudeuten, die Einwanderer seien eine Bedrohung. Die meisten sind das nicht. Sie haben vielleicht keine Berechtigung für ihre Einreise. Das heißt aber nicht, dass sie zwangsläufig kriminell sind.
Agustín Díaz de Mera García Consuegra (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin! Wenn das Wetter an den Atlantik- und Mittelmeerküsten schön wird, sehen wir das härteste und dramatischste Gesicht der illegalen Einwanderung.
Die Mafia wird jetzt, da das Risiko anscheinend sinkt, immer häufiger aktiv. Deshalb ist diese Debatte so notwendig: Wir müssen alle Initiativen unterstützen, fördern und ermutigen, die dazu dienen, eine kriminelle Plage zu unterbinden und zu neutralisieren, die so viele Menschenleben gefährdet und unsere Grenzen verletzt, häufig ohne dafür belangt zu werden.
Die Außenaktion der Europäischen Union wird zu einer entscheidenden Komponente in solch einem Zusammenhang. Das zeigen die Pilotprojekte Monrovia und Kapverden. Das Haus genehmigte kürzlich dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, an dieser Aufgabe mitzuwirken und zwei Reisen nach Senegal und Mauretanien zu unternehmen, wichtige Beispiele für Herkunfts- und Transitländer illegaler Einwanderer.
Die Außenaktion der EU zur Einwanderung muss künftig aktiver und sichtbarer werden und sich auf besonders relevante Länder konzentrieren, vor allem auf Guinea (Conakry).
Frontex hat in einer kurzen Zeitspanne gute Fortschritte gemacht. Die Agentur verfügt über Mittel, 70 Millionen Euro, um genau zu sein, und gut strukturierte Koordinationskapazitäten, doch wir benötigen die eindeutige Unterstützung des Rates, beispielsweise um aus der Datenbank CRATE mehr als einen Katalog von Ausrüstungen oder eine Angebotserklärung zu machen. Dies ist ein hartnäckiges und dramatisches Problem, das uns zwingt, unsere Bemühungen fortzusetzen und unsere Präventions-, Hilfs- und Überwachungssysteme mit Ressourcen und Personal im ständigen und zeitgenauen Einsatz auf den Kanarischen Inseln und im Mittelmeer aufrechtzuerhalten.
Im ersten Quartal des Jahres erreichten 1 702 Einwanderer die Kanarischen Inseln, im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 1 425. Es sind jetzt mehr Einwanderer gekommen, aber mit weniger Schiffen. In drei Jahren landeten 48 305 an den Küsten der Kanarischen Inseln. Es stimmt, dass die Zahl zwischen 2006 und 2007 von 31 000 auf 11 000 zurückging, doch die bittere Wahrheit ist, dass eine immer größere Zahl von Einwanderern in den Kanarischen Häfen ankommen, und täglich finden wir Leichen im Mittelmeer, an den Küsten von Oran oder direkt vor den Kanaren.
Darüber hinaus, Frau Präsidentin – und ich komme jetzt zum Schluss –, unternehmen zwischen 15 % und 20 % der rückgeführten Einwanderer einen erneuten Versuch. Das Problem dauert also an. Deshalb brauchen wir mehr gemeinsamen globalen Willen und weniger gemeinsame Rhetorik.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Malta, Spanien, Italien und Frankreich sind zwar Länder, die von Migrantenströmen besonders betroffen sind, sie sind aber nicht die einzigen Migrationsrouten.
Ich möchte das Parlament aufmerksam machen auf die Ostgrenze der Europäischen Union, insbesondere auf die Grenzen meines Landes, nämlich Polens. Die Ereignisse der vergangenen Monate zeigen, dass Migrationsströme auch über diese Grenze kommen und dass sich auch hier menschliche Tragödien abspielen. Es sei daran erinnert, dass zwei tschetschenische Kinder an Erschöpfung gestorben sind, als sie versuchten, zusammen mit ihrer Mutter nach Polen zu gelangen. Neben den illegalen Einwanderern aus der Ukraine und Weißrussland halten sich in den polnischen Flüchtlingszentren Menschen aus Pakistan, Korea und Vietnam auf.
Migration, besonders illegale Migration, ist ein EU-weites Problem, und daher ist es bedauerlich, dass die Europäische Union nicht über ein Gemeinschaftskonzept für illegale Migration verfügt. Bei den Prinzipien, die die Mitgliedstaaten bezüglich Asyl und Abschiebung anwenden, gibt es ganz erhebliche Unterschiede. Daher möchte ich mich bei dieser Gelegenheit für einen einheitlichen Gesetzesrahmen stark machen. Dann hätten wir die Möglichkeit, wenigstens alle illegalen Einwanderer in der ganzen EU ähnlich zu behandeln. Eines ist klar: Die einzige Alternative zur illegalen Einwanderung ist die legale Einwanderung, und die Bürger der Europäischen Union sollten Letztere nicht fürchten, denn sie ist eine Chance für das alternde Europa. Deshalb begrüße ich das Konzept der slowenischen Ratspräsidentschaft, denn ich bin ebenfalls der Ansicht, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Zoll- und Grenzkontrollbehörden erforderlich ist, um den bestehenden EU-Grenzschutz zu verbessern.
Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten stärker in gemeinsame Frontex-Maßnahmen eingebunden werden. Sie können nicht weiterhin so selbstbezogen bleiben wie bisher, sondern sollten sich großzügiger zeigen, wenn es um die Ausstattung dieser so wichtigen Agentur geht. Ich denke dabei nicht nur an Experten, sondern auch und vor allem an Schiffe, Flugzeuge und andere Ausrüstung, die den wirksamen Schutz der EU-Grenzen sicherstellen könnte. Schließlich steht das Leben vieler Menschen auf den Meeren und in den Bergen auf dem Spiel, aber auch unsere gemeinsame Sicherheit.
Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben eine massive illegale Einwanderungskrise mit Folgen für die Sicherheit und den Zusammenhalt der gesamten Europäischen Union. Einwanderung ist ein Phänomen mit riesigen Ausmaßen, das insbesondere in einem Raum ohne Binnengrenzen ein Vorgehen auf europäischer Ebene erfordert.
Daher befürworte ich die Schaffung des Europäischen Grenzkontrollsystems EUROSUR und damit die Straffung und Vernetzung der Grenzkontrollsysteme der Mitgliedstaaten, mit dem Ziel, die innere Sicherheit in der EU zu erhöhen, die illegale Einwanderung zu bekämpfen, grenzüberschreitende Kriminalität und Terrorismus einzudämmen und die Mitgliedstaaten besser zu befähigen, Rettungsmaßnahmen durchzuführen.
Ich befürworte auch die zentrale Rolle, die Frontex bei der Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen spielen muss. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass Frontex die Anwendung bestehender und zukünftiger gemeinschaftlicher Vorschriften erleichtern und effektiver gestalten muss, damit die Überwachung der Außengrenzen und die Koordinierung der einzelstaatlichen Maßnahmen verbessert werden und damit diejenigen Mitgliedstaaten, die technische und operative Unterstützung benötigen, diese auch bekommen. Ich muss den Rat und die Mitgliedstaaten jedoch darauf hinweisen, dass dies nur möglich ist, wenn wir die Agentur personell und finanziell entsprechend ausstatten, was bis vor kurzem ganz und gar nicht der Fall war.
Was das Einreise-/Ausreisesystem betrifft, so glaube ich, dass wir vorsichtiger sein sollten. Mit Besorgnis nehme ich die in alarmierendem Maße ansteigende Zahl von Vorschlägen zur Überwachung von Einzelpersonen zur Kenntnis. Mir scheint, wir sind unfähig, das zu vollenden, worauf wir uns längst geeinigt haben, und wir preschen nach vorn, ohne Rücksicht auf Funktionsüberschneidungen oder -dopplungen, ohne die Abschätzung der Folgen für die Grundrechte des Einzelnen und ohne die erforderlichen Schutzmaßnahmen.
Statt neue Mechanismen vorzuschlagen, sollte sich die Kommission meiner Meinung nach erst einmal darauf konzentrieren, die aktuellen Versäumnisse zu beseitigen und so schnell wie möglich Systeme wie das Schengener Informationssystem SIS II oder das Visa-Informationssystem VIS umsetzen.
Katrin Saks (PSE). – (ET) Herr Kommissar, meine Damen und Herren! In einer Europäischen Union ohne Binnengrenzen sind Zusammenarbeit und Solidarität beim Schutz unserer Außengrenzen äußerst wichtig. Gleiches gilt für die weitere Verbesserung der Aktivitäten von Frontex.
Außer den Immigranten, die mit Booten über das Mittelmeer kommen, über die hier viel gesagt wurde und die uns allen – den Medien sei Dank – sehr präsent sind, gibt es aber auch große Probleme mit Leuten, die zwar mit Visa aus Drittländern einreisen, die jedoch keineswegs die Absicht haben, nach Ablauf ihrer Visa wieder auszureisen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Immigranten aus dem Osten.
Ausgesprochen hilfreich wäre hier ein einheitliches Visa-Informationssystem. Es reicht nicht aus, die Verantwortung einem einzelnen Staat oder Mitgliedstaat aufzubürden. Eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit ist dringend geboten.
Ein weiterer Punkt ist die gemeinsame Migrationspolitik, über die hier viel geredet wurde. Diese ist in mancherlei Hinsicht sehr sinnvoll. Dennoch müssen gewisse Angelegenheiten im Entscheidungsbereich der Mitgliedstaaten bleiben, so z. B. die Quotenfrage, denn zu derartigen Themen muss jedes Land seinen Handlungsspielraum in puncto Integration selbst bewerten. Solche Probleme können nicht von oben gelöst werden.
Panayiotis Demetriou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich halte es nicht für notwendig zu wiederholen, was wir gerade von meinen Vorrednern gehört haben. Sie haben auf jeden Fall nahezu alle Aspekte des Problems abgedeckt, das nach Meinung aller komplex, schwierig und äußerst akut ist.
Lassen Sie mich hier und jetzt zu den Ausführungen des Rats und der Kommission sagen, dass wir heiße Luft vermeiden und zur Tat schreiten müssen. Das Handeln der EU muss von drei Grundsätzen geleitet sein. Erstens muss die Botschaft klar sein und das Problem der Zuwanderung muss als nicht nur nationales Problem, sondern als europäisches Problem erkannt werden. Zweitens muss der Grundsatz der Solidarität hier praktisch Anwendung finden. Drittens muss eine eher ganzheitliche als stückweise Strategie umgesetzt werden.
Wir haben Frontex geschaffen, und das ist ausgezeichnet. Der Herr Kommissar sagte, die Agentur sei mit allen erforderlichen Mitteln organisiert, mit Personal ausgestattet und verstärkt worden. Kann Frontex jedoch das Problem lösen? Ich habe daran meine Zweifel. Andere Abgeordnete haben über Dinge wie die Gründe für die Zuwanderung gesprochen. Wir müssen sicherlich Frontex verstärken. Vor allem aber müssen wir unsere Aufmerksamkeit den Mittelmeerstaaten zuwenden. Zu Land und zu Wasser müssen verstärkte Vorkehrungen getroffen werden, damit wir dem massiven Zustrom illegaler Zuwanderer zumindest standhalten können. Zypern ist ein typisches Beispiel. Vor kurzem war es Ziel illegaler Zuwanderer, die aus dem Nahen Osten über das von der Türkei besetzte Gebiet kamen. Die EU hat die Mittel und Wege, um bei der Türkei zu intervenieren, diesem Geschehen ein Ende zu bereiten.
Neben allem, was wir bisher erörtert haben, gibt es jedoch auch ein weiteres Diskussionsthema: die Menschenrechtsfrage, die ein wichtiges Thema ist. In dem Bemühen, die illegale Zuwanderung und die Migration überhaupt zu stoppen, können wir nicht zulassen, dass die Menschenrechte auf der Strecke bleiben. Beim Umgang mit Zuwanderern müssen wir uns an die Grundsätze der Menschenrechte und die Wertvorstellungen der EU halten. Hierzu fordere ich die Kommission und den Rat nachdrücklich auf.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Jetzt, wo der Sommer da ist und die Wetterbedingungen gut sind, insbesondere in Griechenland und am Mittelmeer, wird die illegale Zuwanderung leider größere Ausmaße annehmen. Illegale Zuwanderer werden an den See- und den Landgrenzen Griechenlands eintreffen. Mein Land tut sein Äußerstes. Es ergreift alle möglichen Maßnahmen, aber diese reichen nicht aus, um den Lauf der Dinge aufzuhalten.
Frontex wurde vor fünf Jahren gegründet. Sind wir mit den Ergebnissen zufrieden? Ich wage zu sagen, ja, wenn ich die dürftige technische Ausstattung und die beschränkten Kompetenzen berücksichtigen. Wenn wir jedoch eine wirklich politische Entscheidung treffen wollen, dann müssen wir Frontex weiter stärken mit einer logistischen Infrastruktur und geeigneter Rechtsprechung. Dies ist der einzige Weg, um unseren Verpflichtungen nachzukommen. Schließlich müssen wir auch eine Küstenwache für die Seegrenzen des Mittelmeerraums einrichten.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Das Problem illegaler Einwanderung ist sehr komplex. Es hat nur teilweise mit dem Grenzschutz eines Landes und der Europäischen Union im Allgemeinen zu tun.
Wir müssen die Veranlassung und die Beweggründe dafür untersuchen, warum diese Menschen nach Europa kommen. Sie riskieren ihr Leben und das Leben ihrer Angehörigen. Sie reisen Tausende Meilen weit. Sie nehmen furchtbare Bedingungen auf sich, aber sie kommen trotzdem. Ich gehe daher davon aus, dass sie selbst dann noch kommen werden, wenn wir eine sechs Meter hohe Mauer rund um Europas Grenzen errichten.
Der Herr Kommissar hat noch etwas anderes, sehr Weises gesagt. Diese Menschen kommen, weil wir sie brauchen. In unseren Mitgliedstaaten gibt es Arbeit für sie. Warum können wir also nicht einen Weg finden, die illegalen Einwanderer zu legalisieren? Warum können wir kein Steuerungssystem schaffen, mit dessen Hilfe diese Menschen auf legalem und sicherem Weg in unsere Länder gelangen können?
Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE). – (FR) Herr Kommissar, Herr Minister! Ich muss sagen, dass es mich zutiefst schockiert, wenn man glauben machen will, dass die hungrigen Menschen, die hier her kommen, um Arbeit zu suchen, damit sie ihre zurückgebliebenen Familien unterstützen können, unsere Sicherheit gefährden. Und ich möchte unseren Kolleginnen und Kollegen an die Rede von Kofi Annan in Erinnerung rufen, die er zur Verleihung des Sacharowpreises hielt. Er verlangte von uns das Gegenteil von dem, was wir jetzt gerade tun. Er forderte uns auf, unsere Grenzen zu öffnen. Und wenn wir ein wenig in die Zukunft blicken, so erkennen wir, dass wir diese Arbeitskräfte brauchen werden, weil wir einen Arbeitskräftemangel in der Union haben werden.
Was tun wir denn gerade? Wir sind dabei, Mauern zu errichten, und wir werden auswählen, wen wir herein lassen, und die Wahl wird auf die fallen, die wir brauchen. Das ist völlig inakzeptabel. Wir brauchen eine andere Politik, eine Politik der Öffnung gegenüber diesen Menschen.
Ich möchte aber auch wissen, was Frontex beispielsweise in den Transitländern tun will. Und da möchte ich das Beispiel von Mauretanien nennen, das ich kenne, da die EU mich als Leiterin einer Wahlbeobachtermission dorthin geschickt hatte. Wir haben uns in diesem armen Land engagiert, um ihm in seinem demokratischen Prozess behilflich zu sein. Es ist gezwungen, mit den Migrantenströmen fertig zu werden, die das Land auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln durchqueren.
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Hubert Pirker (PPE-DE). – Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier über Frontex, und darauf sollten wir unser Augenmerk legen. Frontex ist natürlich im Zusammenhang eines umfassenden Konzepts der Migration zu sehen, das auf der einen Seite die legale Zuwanderung steuert, auf der anderen Seite aber die illegale Zuwanderung bekämpft.
Frontex ist in diesem Gesamtkontext das Sicherheitsinstrument, auf das es im Kampf gegen illegale Einwanderung und Schlepperbanden ankommt, und wird dort eingesetzt, wo die Mitgliedstaaten überfordert sind. Daher müssen wir schauen, dass Frontex als Sicherheitskonzept auch tatsächlich Erfolg haben wird.
Das Parlament hat es geschafft, dass das Budget verdoppelt wird und dass die gemeinsamen Operationen zeitlich weit ausgedehnt werden. Ich freue mich, dass Hera und Nautilus als Aktionen bereits angelaufen sind und dass auch Poseidon in den nächsten Tagen starten wird. Aber – und das ist an den Rat gerichtet – jede Aktion wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen geschaffen haben und die notwendigen Instrumentarien zur Verfügung stehen.
Daher meine Bitte und mein dringender Appell an den Rat: Unternehmen Sie alles, damit nicht das passiert, was in den letzten Jahren passiert ist, nämlich dass die Mitgliedstaaten säumig waren. Sie sollen endlich begreifen, dass wir dieses Sicherheitsinstrument brauchen und es funktionstüchtig machen durch die notwendige Lieferung …
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort)
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Es war außerordentlich interessant, dieser dynamischen Debatte beizuwohnen. Ich glaube, eine Sache war während der Debatte für alle ersichtlich: Die legale Zuwanderung ist die Art der Zuwanderung, die die Europäische Union braucht, doch die andere Art, die illegale Zuwanderung, muss bekämpft werden. Das war ein Punkt auf der Tagesordnung der heutigen Debatte.
In jedem Fall gehört der Ratsvorsitz zu denen, die den Standpunkt vertreten, dass die illegale Zuwanderung eine Erscheinung ist, die es zu bekämpfen gilt, denn sie hat für gewöhnlich einen kriminellen Hintergrund. Hinter ihr stecken Schlepperbanden, die sich nicht um das Elend scheren, das die Menschen erdulden, die sie in die Europäische Union einzuschleusen versuchen. Ich kann die Meinung derjenigen Abgeordneten nicht teilen, die der Ansicht sind, der Rat versuche, sich dieser Debatten zu entziehen. Noch kann ich jenen Recht geben, die der Auffassung sind, dass wir weiterhin nur reden.
Der Rat weicht dieser Debatte nicht aus. Es war der slowenische Ratsvorsitz, der im März dieses Jahres die Konferenz über die künftigen Herausforderungen des Grenzschutzes an den Außengrenzen der Europäischen Union veranstaltete, und alle, oder jedenfalls die meisten der in der heutigen Debatte angesprochenen Punkte waren Thema dieser Konferenz, die auf Ministerebene durchgeführt wurde. In jedem Fall gebe ich Frau Hennis-Plasschaert Recht, dass es jetzt an der Zeit ist zu handeln. Ihre Abwesenheit beweist, dass wir handeln. Sie nimmt gerade an einer äußerst wichtigen Veranstaltung teil, nämlich an der Schlussphase des Trilogs über die Rückführungsrichtlinie, die – wie ich gehört habe – gut verläuft und heute zu einem erfolgreichen Ende kommen könnte.
Die Rückführungsrichtlinie ist ein wichtiger Aspekt des Kampfes gegen die illegale Zuwanderung. Wenn sie in der ersten Lesung angenommen wird, was der slowenische Ratsvorsitz hofft und das Europäische Parlament anstrebt, dann gibt uns das einen neuen Hebel zur erfolgreicheren Bewältigung des Phänomens der illegalen Zuwanderung.
Die Frage der Solidarität ist bei der Problematik der illegalen Zuwanderung politisch aufgeladen. Wir müssen jedoch bereit sein zu erkennen, dass gewisse Elemente der Solidarität schon heute existieren: Wir hatten die Schengen-Mittel, bzw. die „Schengen-Fazilität“, für neue Mitgliedstaaten, wir haben Frontex, und Kommissar Barrot hat einige wichtige Leistungen genannt, die die Mitgliedstaaten der Agentur freiwillig im Namen der Solidarität zur Verfügung gestellt haben.
Ich kann daher der Aussage nicht beipflichten, in der Europäischen Union gebe es keine Solidarität. Es gibt sie, aber es ist noch manches verbesserungsbedürftig. Wir müssen berücksichtigen – und ich glaube, es war unter anderem Herr Fava, der darauf hingewiesen hat –, dass der Grenzschutz an den Außengrenzen zu den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zählt. Warum? Aus dem einfachen Grund, dass es die meisten von ihnen so wollen. Die Solidarität hat daher ihre Grenzen. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten wünscht, dass die Kontrolle der Außengrenzen in ihre Zuständigkeit fällt.
Frau Saks brachte zum Ausdruck, die Mitgliedstaaten wünschten nicht, dass ihnen die Zuwanderungsquote von Außenstehenden oder von oben diktiert wird. Sie möchten diese Dinge selbst entscheiden. Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen und in dem die slowenische Präsidentschaft das weitere Vorgehen prüft. Ich denke, es ist uns bereits gelungen, eine Reihe von Maßnahmen zu erarbeiten; an weiteren müssen wir jedoch noch feilen.
Ich möchte auf die Aufnahmeeinrichtungen zu sprechen kommen, die Herr Moreno Sánchez erwähnte. Zu diesem Thema findet zurzeit noch eine äußerst schwierige Debatte statt. Es ist ein politisch sensibles, nicht sehr einfaches Thema, das den Rat noch eine ganze Weile beschäftigen wird.
Herr Özdemir brachte die Frage des Asylsystems zur Sprache. Es gibt durchaus Statistiken über die Asylbewerber. Das Asylsystem auf der Ebene der Europäischen Union ist wirksam. Wir bemühen uns jedoch noch darum, seine Effizienz zu verbessern. Die ersten Schritte in diese Richtung waren das Grünbuch der Europäischen Kommission über das künftige Asylsystem sowie die Beschlüsse des Rates zur Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit, die bei der letzten Tagung des Rates „Justiz und Inneres“ angenommen wurden.
An diesem Punkt möchte ich abschließen, obwohl ich zu diesem interessanten und aktuellen Thema noch mehr sagen könnte. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern, dass Ihre Meinung zählt und dass wir Ihre Anmerkungen berücksichtigen werden, wenn wir diese Debatte fortführen. Der slowenische Ratsvorsitz ist auf Ihre Zusammenarbeit angewiesen, um Fortschritte bei diesem Themenkomplex zu erzielen.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich zunächst noch einmal auf den Kern dieser Debatte zurückkommen, nämlich Frontex, und einiges präzisieren. Besonders Herr Fava hat die Frage aufgeworfen, ob die von Frontex verwendeten Ausrüstungen wirklich funktionsfähig sind.
Es stimmt, dass Frontex hinsichtlich der notwendigen technischen Ausrüstung für die von der Agentur koordinierten Operationen von den Mitgliedstaaten abhängig ist, doch bisher ist die Agentur mit der Art und Weise der Bereitstellung der technischen Ausrüstungen über das Zentralregister CRATE zufrieden.
Nun würde natürlich eine nächste Etappe darin bestehen, ein verbindliches System für die Mitgliedstaaten zu schaffen, indem die Grundverordnung für die Agentur abgeändert wird. Darauf verweist die Kommission in ihrem Bewertungsbericht, und die diesbezüglichen Gespräche mit der Agentur Frontex und den Mitgliedstaaten werden fortgesetzt. Frontex hat mit den meisten Mitgliedstaaten technische Vereinbarungen über die Bedingungen für die Nutzung dieser Ausrüstungen abgeschlossen. Die Agentur hat selbstverständlich nicht die Möglichkeit, Ausrüstungen zu kaufen, die sehr kostspielig sind. Die Kommission hat jedoch in ihrem Bewertungsbericht empfohlen, dass Frontex oft gebrauchte Ausrüstungen kauft oder least, wie Nachtsichtgeräte, kleinere Radaranlagen, Wärmebildgeräte usw.
Ich möchte auch sagen, da Herr Moreno Sánchez diese Punkte angesprochen hat, dass es besonders exponierte Standorte gibt. Vielleicht sollte in Erwägung gezogen werden, dort ständige operationelle Zentren zu errichten. Diese Frage prüft Frontex gerade.
Es gibt viele weitere Fragen, und ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich nicht auf alle Redner eingehen kann, aber ich habe mir genaue Notizen gemacht.
Viele von Ihnen haben das Problem angeschnitten, ob Frontex als solches Schiffbrüchigen zu Hilfe kommen kann. Man muss daran erinnern, dass die Verantwortung für die Übernahme oder die Rettung von Schiffbrüchigen bei den Mitgliedstaaten liegt. Frontex hat auf diesem Gebiet kein Mandat. Dessen ungeachtet kann man glaube ich sagen, dass bei den von Frontex koordinierten Operationen glücklicherweise zahlreiche Leben gerettet wurden, und dass dies mehr und mehr der Fall sein muss, denn nach dem, was wir über all diese Dramen gehört haben, die diese Schiffbrüchigen durchmachen – arme Menschen, die vielfach ausgebeutet wurden –, muss dies ein wichtiges Anliegen bei diesen Operationen sein.
Ich möchte kurz nochmals wiederholen, was der Präsident und der Minister sowie auch Herr Gaubert gerade ausgeführt haben: Im Grunde handelt es sich bei alledem für Europa darum, mit der Steuerung der Migrationsströme zu beginnen, und die Migrationsströme können nicht effektiv gesteuert werden ohne Frontex, ohne Überwachung der Außengrenzen. Zweifellos brauchen wir einen Rechtsrahmen, der es Europa schrittweise ermöglicht, eine europäische Antwort auf all diese Migrationsprobleme zu finden. Und ich muss sagen, dass eine der vor mir stehenden großen Aufgaben darin besteht, eine neue Mitteilung über diesen umfassenden Migrationsansatz zu erarbeiten, der allen hier angesprochenen Aspekten Rechnung trägt.
Hinzufügen möchte ich, dass es keine erfolgreiche Migrationspolitik ohne eine enge Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern geben kann. Und was zu diesem Thema gesagt worden ist, läuft darauf hinaus, dass alle Anstrengungen willkommen sind, um diese Kooperation mit den Herkunftsländern zu verstärken.
Wie Sie gerade unterstrichen haben, Herr Minister, scheint der Trilog über den Rückführungstext Fortschritte zu machen. Er bildet eines der Kernstücke dieser umfassenden Zuwanderungspolitik. Natürlich muss diese Politik umfassend sein, aber auch einheitlich, und die Solidarität ist ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. Wir haben heute viel über die Hilfe auf See gesprochen, aber wir dürfen auch die Grenzen im Osten Europas nicht vergessen.
Abschließend möchte ich sagen, dass diese Behandlung der illegalen Zuwanderer natürlich unter Achtung der Grundrechte erfolgen muss, denen Europa sich verschrieben hat. Dies alles erfordert daher wirklich einen umfassenden Ansatz, der sowohl menschlich ist, zugleich aber auch ernsthaft und strikt, wenn wir wollen, dass Europa nicht zu einer Festung wird, sondern offen bleibt, jedoch offen mit Regeln, die wir für vernünftig halten, die auf der Achtung der Menschen beruhen und zugleich eine erfolgreiche Integration in den einzelnen Mitgliedstaaten fördern. Denn ohne Integration kann es keine erfolgreiche Zuwanderungspolitik geben.
Das war es, was ich sagen wollte. Ich entschuldige mich bei den Abgeordneten, dass ich nicht auf alle aufgeworfenen Fragen eingehen konnte. Seien Sie versichert, dass ich dem Parlament weiter zuhören werde, um zu versuchen, die Grundlagen für diese umfassende Zuwanderungspolitik zu legen.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Außengrenzen der Europäischen Union, ob Land- oder Seegrenzen, schützen alle Mitgliedstaaten vor möglichen Bedrohungen durch illegale Einwanderung, Menschenhandel und organisiertes Verbrechen.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Instrumente zur Entwicklung der Agentur Frontex, nämlich hochmoderne Grenzüberwachungssysteme, technische Ausrüstungen und schnelle Eingreifteams, sind zweifellos sinnvoll.
Dennoch sollten die Bemühungen zur Sicherung der Grenzen eine gemeinsame europäische Maßnahme sein und nicht die alleinige Angelegenheit der Länder, die an den EU-Grenzen liegen. Darüber hinaus muss nicht nur an den Grenzen der Europäischen Union etwas unternommen werden, sondern auch an den Grenzen der Nachbarländer der EU.
Ich erinnere daran, dass politische Stabilität, die Entwicklung von Demokratie sowie bessere Wirtschafts- und Lebensbedingungen in Drittländern an den Außengrenzen der EU dazu beitragen würden, den Druck an diesen Grenzen erheblich zu mildern. Aus diesem Grund muss die Kooperation mit den relevanten Behörden dieser Länder eines unserer vorrangigen Ziele sein.
Die von der Kommission vorgestellten Projekte bedürfen umgehend einer adäquaten Finanzierung, um so bald wie möglich umgesetzt werden zu können.
11. EU-Strategie in Bezug auf die biologische Vielfalt (COP 9) und die biologische Sicherheit (COP-MOP 4) (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgen
– die mündliche Anfrage an die Kommission über die biologische Vielfalt (COP 9) und die 4. Tagung der Vertragsparteien des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit (COP-MOP 4) von Miroslav Ouzký im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (O-0023/2008 – B6-0017/2008)
– die mündliche Anfrage an den Rat über die biologische Vielfalt (COP 9) und die 4. Tagung der Vertragsparteien des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit (COP-MOP 4) von Miroslav Ouzký im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (O-0022/2008 – B6-0016/2008)
Miroslav Ouzký, Verfasser. − (CS) Frau Präsidentin, Herr Minister, Herr Ratspräsident! Zunächst möchte ich etwas erwähnen, das nichts mit meiner Frage zu tun hat, um einer Beschwerde Ausdruck zu verleihen. Während es in allen Ländern zu den Aufgaben der Polizei gehört, dafür zu sorgen, dass Politiker oder Parlamentsabgeordnete ihre Arbeit erledigen können, versucht die französische Polizei, die Mitglieder des Europäischen Parlaments an ihrer Arbeit zu hindern. Am Eingang zu diesem Hause hinderte mich ein Polizist am Betreten des Gebäudes, selbst nachdem er meinen Passierschein gesehen hatte, angeblich um eine Demonstration zu schützen, die vor dem Eingang zum Parlament stattfand. Ich halte dies für skandalös, und ich hoffe, dass diese Angelegenheit im Parlament zur Sprache kommt. Dies hat natürlich nichts mit meiner Frage zu tun, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich nicht hier stehen und reden würde, wenn ich nicht um das Gebäude herum zu einem anderen Eingang gerannt wäre.
Ich war berechtigt, im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, eine mündliche Anfrage an den Rat und die Kommission zu richten hinsichtlich der bevorstehenden Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und über die Biosicherheit in Bonn. Die Grundfrage, sowohl an den Rat als auch an die Kommission, betrifft die Klärung der Ziele für diese Konferenz. Wir möchten auch erfahren, ob der Rat und die Kommission beabsichtigen, die Mitglieder des Europäischen Parlaments in die Konferenz einzubeziehen. Ich muss sagen, dass unser Ausschuss mehr als bloß die Annahme von Entschließungen und einzelnen Vereinbarungen will: Er will wissen, wie diese durchgeführt und implementiert werden, d. h. wie sie in die Praxis umgesetzt werden.
Ich möchte fragen, ob die Europäische Union und die europäischen Institutionen ihre führende Rolle in diesem Bereich, im Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt, begreifen. Wenn wir eine führende Kraft sein wollen, sollten wir dies absolut deutlich machen. Ich möchte fragen, ob wir begreifen, dass die Finanzierung all dieser Programme und Entscheidungen eine grundlegende Notwendigkeit ist und dass sie ohne angemessene finanzielle Unterstützung nicht umgesetzt werden können. Ich hoffe auch, dass sowohl die Kommission als auch der Rat die Auswirkungen der Wasserknappheit in der Mittelmeerregion und die Auswirkungen von Dürren und Klimawandel auf die biologische Vielfalt als solche begreifen.
Der Ausschuss möchte gerne erfahren, ob der biologischen Vielfalt in den Meeren und an den Küsten besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird und ob die Kommission und der Rat sich über die Bedeutung der Einbeziehung regionaler und lokaler Regierungen sowie von Unternehmen in diesem Bereich, im Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt, im Klaren sind. Ich möchte erfahren, ob wir die Bedeutung nachhaltiger Forstwirtschaft und nachhaltigen Pflanzenbaus begreifen, mit besonderer Betonung der nachhaltigen Produktion von Biokraftstoffen, die zu einem Thema wird, an dem sich die Geister scheiden. Wie Sie wissen, ist die Erzeugung von Biokraftstoffen ein Teil des Klimapakets, über das wir jetzt diskutieren, und die nachhaltige Verwendung und Entwicklung von Biokraftstoffen sind sehr wichtige Themen. Andererseits wissen wir, dass sehr negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu befürchten sind.
Die Präsidentin. − Herzlichen Dank. Ich werde Ihre Beschwerde weitergeben. Vielleicht werden Sie dann entsprechend kontaktiert.
Janez Podobnik, amtierender Ratspräsident. − (SL) Gestatten Sie mir, dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und seinem Vorsitzenden, Herrn Ouzký, für seine mündliche Anfrage an mich, den Rat und die Kommission zu danken. Mit dieser Anfrage messen Sie dem sehr sensiblen Problem der biologischen Vielfalt große Bedeutung bei.
Gemeinsam mit dem Klimawandel bildet die biologische Vielfalt den größten Schwerpunkt des Ratsvorsitzes unter seinen Aufgaben im Bereich Umwelt. Das neunte Treffen der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (COP 9), das im Mai in Bonn stattfinden wird, ist daher ein wichtiges Ereignis für die Europäische Union insgesamt, sowie auch für die slowenische Präsidentschaft.
Innerhalb des 18-monatigen Rahmenprogramms des deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratsvorsitzes hat sich der Rat durch intensive Vorbereitungen darum bemüht, dieses Treffen im Hinblick auf den besseren Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt auf globaler Ebene erfolgreich zu gestalten. Der Rat hat darauf hingewiesen, dass sich die Europäische Union der Erfüllung des weltweiten Ziels verpflichtet fühlt, wonach sie beabsichtigt, bis 2010 den Verlust an biologischer Vielfalt erheblich zu verlangsamen. Ebenso verpflichtet fühlt sie sich der Erreichung des EU-Ziels, die Abnahme der biologischen Vielfalt in Europa bis 2010 zu beenden. Meine Antwort auf Ihre Frage lautet daher: Ja, die Europäische Union möchte und muss sich ihre führende Rolle in der Welt auf diesem Gebiet bewahren.
Der Rat hat betont, dass die Europäische Union bestrebt ist, eine aktive und konstruktive Rolle einzunehmen, und dass sie bei der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt im Mai weitreichende, jedoch realistische Ergebnisse anstreben wird. Der Rat hat zudem erklärt, dass zur Erreichung des weltweiten Ziels bis 2010 die konsequente Fortführung konkreter Maßnahmen auf allen Ebenen dringend geboten ist.
Wir müssen das Übereinkommen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene umsetzen. Die Europäische Union hat sich politisch zur Erreichung aller drei Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt verpflichtet, das heißt Schutz und Nachhaltigkeit der Nutzung der biologischen Vielfalt, Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechte Aufteilung des daraus erwachsenden Nutzens.
Die Beschlüsse, in denen die Schwerpunktaufgaben der Europäischen Union für die neunte Konferenz der Vertragsparteien festgelegt sind, wurden durch den Rat zunächst im Juni des vergangenen Jahres angenommen, und dann wiederum im März dieses Jahres. Erlauben Sie mir, einige dieser Schwerpunktaufgaben aufzuzählen. Wir müssen hervorheben, wie wichtig die beschleunigte Umsetzung aller Arbeitsprogramme des Übereinkommens über die biologische Vielfalt ist und die Synergie zwischen der Klimapolitik und der biologischen Vielfalt verbessern, um einen möglichst großen gemeinsamen Nutzen zu erzielen. Der Rat weist immer wieder auf die Notwendigkeit des Zusammenhalts auf allen Ebenen hin, wenn es um die Umsetzung internationaler Umweltabkommen geht.
Wir müssen betonen, dass es von großer Bedeutung ist, bei der neunten Konferenz über die Erzeugung, den Handel und die Verwendung von Biokraftstoffen und Biomasse und ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen zu sprechen. In dieser Hinsicht ist es sogar noch bedeutender, die Nachhaltigkeitskriterien für die Erzeugung von Biokraftstoffen genau festzulegen. Wir sollten die Dringlichkeit unterstreichen, das Programm für die biologische Vielfalt der Wälder sowie zur Verringerung der Entwaldung und der Verschlechterung der Waldökosysteme umzusetzen. Der Rat unterstreicht die Bedeutung der Wälder für die Anpassung an den Klimawandel und dessen Abmilderung sowie für den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Wir müssen die schnelle und umfassende Umsetzung des Arbeitsprogramms für Schutzzonen sicherstellen. In diesem Rahmen müssen wir technische und finanzielle Unterstützung leisten – Sie hatten ja die Finanzierung angesprochen –, das heißt finanzielle Unterstützung zur Schaffung von Schutzzonen in der ganzen Welt. Beim neunten Treffen sollten wir Umweltkriterien für die Ermittlung schutzbedürftiger Meeresregionen in der Tiefsee annehmen. Es ist wichtig, die Rolle der Privatwirtschaft, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen, bei der Umsetzung des Übereinkommens hervorzuheben.
Schließlich hat die Europäische Union den festen Entschluss gefasst, ihre aktive Beteiligung an der Planung und Aushandlung des internationalen Verfahrens für den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Aufteilung des daraus erwachsenden Nutzens fortzusetzen. Die Europäische Union wird sich bemühen, die Verhandlungen vor dem zehnten Treffen der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens zum Abschluss zu bringen.
Abschließend sei gesagt, dass bei dem Treffen mehr als 20 verschiedene Themen auf dem Programm stehen. Ich habe nur diejenigen erwähnt, die aus Sicht des Rates von zentraler Bedeutung sind, um die Ziele des Übereinkommens zu erreichen, allen voran das Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 einzudämmen. Dieses wird das letzte Treffen vor Ablauf der Frist im Jahr 2010 sein und daher der Stichtag für die Verabschiedung konkreter Maßnahmen. Da dieses Treffen in Europa stattfinden wird, ist es für die Europäische Union von umso größerer Bedeutung, für ihre Prioritäten und Initiativen zu werben.
Ich habe mich zudem mit Ihrem Entschließungsvorschlag vertraut gemacht, über den Sie morgen im Europäischen Parlament abstimmen werden. Unserer Meinung nach ist die Entschließung eine angemessene Zusammenfassung der Hauptschwerpunkte und Ziele, die die Europäische Union in Bonn erreichen möchte.
VORSITZ: Edward McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Ouzký für diese überaus wichtige Anfrage danken. Ich denke, uns allen ist aufgefallen, dass 2007 ökologische Themen ganz oben auf die politische Agenda gesetzt wurden. Der Klimawandel beherrschte Schlagzeilen und Volksmeinung.
Aber der Verlust der biologischen Vielfalt ist eine globale Bedrohung, die ebenso dringend bewältigt werden muss, und beides ist miteinander verknüpft. Der Klimawandel und die biologische Vielfalt sind miteinander verknüpft. Wenn wir es versäumen, diese Verbindung zu berücksichtigen, untergraben wir damit möglicherweise unsere Bemühungen, auf beiden Gebieten Verbesserungen zu erreichen.
Wie bieten wir dem Verlust der biologischen Vielfalt Einhalt? Nun, ich meine, Europa hat auf diesem Gebiet einige Forschritte erzielt, indem es die Maßnahmen umgesetzt hat, die in der Mitteilung der Kommission von 2006 mit dem Titel „Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 – und darüber hinaus“ beschrieben waren. Weitergehende Bemühungen sind jedoch erforderlich. Insbesondere benötigen wir eine stärkere Beteiligung von Branchen außerhalb des Naturschutzes, zum Beispiel Landwirtschaft, Fischereiwesen und Energie.
Eine wirkungsvolle internationale Zusammenarbeit ist ebenfalls unerlässlich, und wir sind fest entschlossen, im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt weltweit für den Schutz der globalen Vielfalt zu arbeiten.
Die neunte Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die parallel zu dem vierten Treffen der Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit stattfinden wird, bietet eine bemerkenswerte Gelegenheit, den Schutz der Artenvielfalt auszuweiten, und da Deutschland Veranstalter und Vorsitzender dieser Zusammenkünfte sein wird, spielt Europa eine besondere Rolle. Wir werden auf die Beschleunigung der internationalen Bemühungen drängen, das globale Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 entscheidend zu verringern, zu erreichen.
Anfang März legte der Rat in seinen Schlussfolgerungen im Wesentlichen das politische Mandat und die maßgeblichen Ziele der EU für diese beiden Treffen dar. Diese lassen sich in sieben Punkten zusammenfassen:
Erstens möchten wir uns über neue Verpflichtungen zur Verbesserung der Umsetzung verständigen, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der Programme des Übereinkommens über die biologische Vielfalt auf Schutzgebiete und die biologische Vielfalt der Wälder.
Zweitens möchten wir sicherstellen, dass die Maßnahmen zur Klimaanpassung und zur Begrenzung des Klimawandels auch das Ziel beinhalten, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 einzudämmen. Die Beschlüsse, die wir in Bonn fassen werden, sollten zu der sich an die Konferenz von Bali anlehnende Diskussion über die Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung beitragen.
Drittens werden wir uns für die Verabschiedung von Kriterien für die Kennzeichnung empfindlicher, schützenswerter Meeresgebiete einsetzen. Darüber hinaus beabsichtigen wir, alle Vertragsparteien auf die Art der Anwendung dieser Kriterien festzulegen.
Viertens möchten wir internationale Leitsätze zur Förderung von für die biologische Vielfalt unschädlichen Wegen zur Steigerung der Produktion und des Verbrauchs von Biomasse, einschließlich Biokraftstoffen, entwickeln.
Fünftens haben wir uns zum Ziel gesetzt, die wesentlichen Bestandteile eines internationalen Systems für den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen sowie zur Verteilung des Nutzens, der aus ihrer Verwendung entsteht.
Sechstens wollen wir ein Abkommen über die Schaffung eines internationalen Mechanismus für wissenschaftliche Fachkenntnisse über die biologische Vielfalt.
Und siebtens schließlich werden wir uns für einen Beschluss im Bereich Haftung und Entschädigung für Schäden einsetzen, die aus der grenzüberschreitenden Verbringung genetisch veränderter Organismen entstanden sind.
Die Kommission ermöglicht es den Abgeordneten des Parlaments daher jederzeit, sich an den Gemeinschaftsdelegationen zu beteiligen, die über multilaterale Abkommen verhandeln. Ich selbst habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich begrüße es, dass Mitglieder des Europäischen Parlaments an COP 9 und MOP 4 teilnehmen werden, wie diese Veranstaltungen in der Sprache, die wir in diesem Zusammenhang gebrauchen, heißen. Selbstverständlich bin ich daran interessiert, Ihre Hauptanliegen und Erwartungen für diese Zusammenkünfte zu erfahren.
Pilar del Castillo Vera, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Minister, Frau Kommissarin! Heute Nachmittag spreche ich im Namen von Frau Gutiérrez Cortines.
Zunächst möchte ich erklären, dass das EP die Konferenz der Vertragsparteien des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt klar und vorbehaltlos unterstützt.
In diesem Zusammenhang dient die Entschließung, über die wir morgen abstimmen, der Stärkung der Hauptziele und -absichten der internationalen Konferenz, die wie folgt lauten: erstens, Sicherung des bestmöglichen Schutzes der Ressourcen von Fauna und Flora; zweitens, Förderung einer nachhaltigen Bodennutzung für die Erhaltung der Arten und der Natur, und schließlich Schutz unseres natürlichen genetischen Kapitals.
In dieser Hinsicht sollte eine Reihe von Erhaltungsprogrammen in die Überlegungen einbezogen werden, insbesondere die Modelle, die in der EU bereits zur Anwendung kommen. Ich meine konkret Natura 2000 und Habitats, die sich als äußerst nützlich erwiesen haben.
Ich glaube auch, dass wir einen umfassenden Ansatz für unsere Arbeit finden und flexible Modelle anwenden sollten, weil die Natur letztendlich ein dynamisches System in ständiger Evolution ist, das durch alle an dieses System gestellten Forderungen, was die Landwirtschaft und andere Funktionen angeht, beeinträchtigt wird.
Ferner bin ich der Meinung, dass mehr auf Wissenschaft und Ausbildung basierende Kriterien herangezogen werden sollten und dass alle wirtschaftlichen und durchführbarkeitsbezogenen Aspekte Berücksichtigung finden sollten.
Die Ansicht der Eigentümer und die Anreize für Eigentümer sind ebenfalls wichtige Themen, und so habe ich zwei Fragen an die Kommission. Wie sieht sie die Anwendung wissenschaftlicher Methoden bei der Katalogisierung und Bestimmung der Sorten und der zu erhaltenden Räume? Welche Auffassung vertritt sie zu den Anreizen für Eigentümer auf allen Ebenen?
María Sornosa Martínez, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Herr Minister, Frau Kommissarin! Wir alle wissen, dass der Verlust der biologischen Vielfalt weit tragende ökologische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen mit sich bringt, die durch den negativen Einfluss des Klimawandels noch verschärft werden.
Die Folgen dieser Situation treffen die Ärmsten besonders hart. Das Übereinkommen über biologische Vielfalt ist das wichtigste Rechtsinstrument der Welt im Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt. Doch wir haben ein Problem: Der Mangel an finanziellen Mitteln ist ein Hemmschuh zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens. Deshalb rufe ich den Rat und die Kommission auf, die Zuwendung von Mitteln für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in allen relevanten Budgets ihres Aufgabenbereichs zu unterstützen.
Ich möchte einige Aspekte hervorheben, die im Entschließungsantrag besonders erwähnt werden: die Anerkennung des anhaltenden Verlusts der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union, die jetzt eine Tatsache ist; der Schritt zu einer rechtsverbindlichen internationalen Regelung für den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Ausgleich der daraus erwachsenen Vorteile; und die Unterstützung der Realisierung der eingegangenen Verpflichtungen für ein besseres Management und die Erhaltung der biologischen Vielfalt der Meere, um sie gegen zerstörerische Praktiken und unhaltbare Fischereitätigkeiten zu schützen, die den marinen Ökosystemen schaden.
Abschließend möchte ich sagen, dass der Zeitpunkt gekommen ist, um entschlossen zu handeln und zu versuchen, alle diese Probleme zu lösen, denn auch wenn ich der Ansicht bin, dass noch Zeit ist – wir alle sind uns dessen bewusst –, arbeitet die Zeit gegen uns und gegen die biologische Vielfalt, die wir schützen wollen.
Johannes Lebech, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Die neunte COP-Konferenz über die biologische Vielfalt hätte kaum zu einem günstigeren Zeitpunkt stattfinden können. In den letzten Wochen wurde viel über Biokraftstoffe geredet und geschrieben, und eines muss klar sein: Biokraftstoffe dürfen nicht auf Kosten der biologischen Vielfalt produziert werden. Natürlich prüfen wir derzeit Vorschläge der Kommission für eine Richtlinie, die die Verwendung von nachhaltigen Energieträgern, darunter Biokraftstoffen, fördern wird. Das Parlament muss gewährleisten, dass für die Erzeugung derartiger Biokraftstoffe strenge Kriterien im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeit festgesetzt werden. Wir werden im Kampf gegen die globale Erwärmung nichts erreichen, wenn wir CO2-Emissionen von Autos verringern und gleichzeitig CO2-Emissionen erhöhen, indem wir Wälder und Felder zur Produktion von Kraftstoffen roden und damit große Mengen CO2 aus den Böden freisetzen. Die Konferenz in Bonn wird eine gute Gelegenheit sein, die Bedeutung einer Biokraftstoffproduktion, die in Einklang mit Nachhaltigkeitsanforderungen innerhalb wie auch außerhalb der EU steht, zu betonen.
2002 gingen die Vertragsparteien die Verpflichtung ein, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 auf globaler, regionaler und nationaler Ebene spürbar zu verringern. Es ist wichtig, dass die Vertragsparteien weiterhin auf dieses Ziel hinarbeiten. Die UN-Konvention über die biologische Vielfalt stellt den globalen Rahmen für den Schutz der biologischen Vielfalt dar. Leider enden viele internationale Übereinkommen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Dies ist ein Unding, wenn es um den Schutz der Natur geht. Die EU muss hohe Standards für sich selbst setzen und versuchen, die Standards in internationalen Übereinkommen anzuheben. Die EU muss auch im Hinblick auf den Schutz der biologischen Vielfalt mehr tun. Derzeit stimmen unsere Taten nicht mit unseren Worten überein. Das könnte unsere Glaubwürdigkeit schwächen. Dennoch müssen die Kommission und die Mitgliedstaaten auf einen größeren Schutz der biologischen Vielfalt drängen, insbesondere in bewaldeten und landwirtschaftlich genutzten Gebieten, da diese Gebiete unter besonderem Druck stehen, weil immer mehr Biokraftstoffe produziert werden.
Wie können wir gewährleisten, dass biologische Vielfalt und Biokraftstoffe sich nicht gegenseitig ausschließen? Wir können dies tun, indem wir strengere Anforderungen einführen. Dann wird es vielleicht möglich sein, beides zu erreichen. COP 9 wird helfen, dies sicherzustellen.
Zdzisław Zbigniew Podkański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Erhalt der biologischen Vielfalt stellt eine Herausforderung für die heutige Welt dar. Nicht nur die Schönheit der Natur steht hier zur Debatte, sondern auch das natürliche Gleichgewicht und das Wohlergehen der Menschheit.
Seit vielen Jahren schon beschäftigen wir uns nun mit dem Problem chemischer Verunreinigungen und anderer schädlicher Auswirkungen der Zivilisation, z. B. mit der Umweltbelastung, dem Klimawandel, mit Verschmutzung, Waldsterben und der Zerstörung von Lebensräumen. Der Treibhauseffekt ist seit kurzem zu einem hochaktuellen Thema geworden. Leider wurde das Problem der biologischen Kontamination durch genetisch veränderte Organismen vernachlässigt, und wir alle sind daran mitschuldig. Wir haben die Tatsache übersehen, dass man chemische Verschmutzungen mit der Zeit rückgängig machen kann, biologische dagegen meist irreversibel sind.
Deshalb müssen wir eine eindeutige Entscheidung treffen, ob wir für biologische Vielfalt sind oder für gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Wir müssen uns entscheiden, was uns wichtiger ist: die Menschen und ihre Umwelt oder die Interessen von Monsanto und ähnlichen Firmen, die mit GVO enorme Profite erwirtschaften. Wenn wir biologische Vielfalt wollen, müssen wir auch sicherstellen, dass die am meisten bedrohten natürlichen Arten ermittelt werden. Dann wäre es möglich, Ziele zu ihrem Schutz zu formulieren und das Aussterben weiterer Arten zu verhindern. Wir sollten daran denken, dass Schäden schnell verursacht werden können, oft jedoch nicht mehr umkehrbar sind.
Marie Anne Isler Béguin, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Dies ist in der Tat nicht das erste Mal, das wir über die biologische Vielfalt sprechen und den Rat und die Kommission auffordern, diese biologische Vielfalt zu verteidigen. Dass es gelungen ist, den Klimawandel zu einer Priorität für die Europäische Union zu machen, ist eine gute Sache, aber es ist festzustellen, dass das Übereinkommen über die biologische Vielfalt und das Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung durch den Klimawandel ein wenig in den Hintergrund gedrängt wurden.
Wir wissen, wie wichtig die biologische Vielfalt oder letztlich der Naturschutz für unser eigenes Überleben ist, denn trotz aller eingeleiteten Maßnahmen auf europäischer und globaler Ebene setzt sich der Verfall der biologischen Vielfalt fort. Das Verschwinden der Arten geht weiter. Ich glaube man muss sich darüber im Klaren sein, dass man zwar versuchen kann, den Klimawandel rückgängig zu machen, dass dies auf die Arten jedoch nicht zutrifft. Wenn eine Art einmal ausgestorben ist, ist dies endgültig, sie ist für immer verschwunden.
Dieser Frage, dieser Tatsache müssen wir Rechnung tragen. Wenn wir beispielsweise bedenken, dass wir über ausgezeichnete Instrumente verfügen, wie Natura 2000, wie die Vogel- und die Habitat-Richtlinie, um eben den Verfall der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union zu bekämpfen, und wenn wir feststellen, dass es heute noch einige Mitgliedstaaten gibt, die Vorbehalte haben, Natura 2000 umzusetzen, die Vorbehalte haben, für Natura 2000 zu zahlen, so wird klar, dass noch ein gutes Stück Weges vor uns liegt.
Eben deshalb möchte ich, dass die Kommission Natura 2000 weiterhin unterstützt, dass sie diese beiden Richtlinien weiterhin unterstützt, und im Rahmen des Bonner Übereinkommens möchte ich Sie auffordern, Kriterien für Biokraftstoffe zu erarbeiten, aber auch die Einsetzung einer zwischenstaatlichen Expertengruppe zur biologischen Vielfalt ähnlich dem IPCC für den Klimawandel zu fordern und durchzusetzen, denn wir könnten anderen dabei behilflich sein, Instrumente zu entwickeln, wie wir selbst sie entwickeln, wozu sie aber heute noch nicht in der Lage sind.
Jens Holm, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Auf der Erde gibt es schätzungsweise etwa 14 Millionen verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Das zeigt uns, was für einen fantastischen Planeten wir haben und welche Verantwortung wir für dessen Verwaltung tragen. Diese biologische Vielfalt ist jedoch in Gefahr, denn gegenwärtig sind mehr als 30 000 Arten vom Aussterben bedroht. Die größte Bedrohung stellen dabei der Mensch und das von ihm aufgebaute Wirtschaftssystem dar, das auf ständigem Wachstum und Verbrauch basiert. Wir glauben, dass wir dies durch Wettbewerb anstelle von Planung, durch Transporte anstelle von lokaler Produktion erreichen können. Darum brauchen wir uns auch nicht zu wundern, dass wir einer Klimakatastrophe und einer biologischen Verarmung gegenüberstehen.
Wir könnten diese Entwicklung jedoch umkehren. Die Tatsache, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten das UNO-Übereinkommen über die biologische Vielfalt unterzeichnet haben, ist natürlich positiv und kann als wichtiges Instrument dienen. Wir verpflichten uns darin beispielsweise zur Erarbeitung von Aktionsplänen zum Schutz der biologischen Vielfalt sowie zur Schaffung eines weltweiten Netzes geschützter Gebiete auf dem Land und zu Wasser, um nur einige Beispiele zu nennen. Das meiste bleibt jedoch auf Gemeinschaftsebene noch zu tun. Wir müssen die wichtigsten Grundlagen anpacken, sonst werden wir die Umweltprobleme nicht lösen können.
Lassen Sie mich drei Bereiche näher beleuchten. Da ist erstens der Verkehrswahnsinn – die EU basiert darauf, dass keine Hindernisse zwischen Mitgliedstaaten eingeführt werden. Eine Ware muss dort produziert werden, wo dies am billigsten ist. Allein zwischen 1993 und 2000 erhöhte sich der LKW-Fernverkehr um ganze 30 %. Wenn die EU und die Mitgliedstaaten die Infrastruktur subventionieren, gibt es für Autobahnen stets mehr Mittel als für nachhaltige Verkehrsmittel. Im ehemaligen Osteuropa, in den neuen Mitgliedstaaten, betreibt die EU eine wahre Asphaltpolitik mit gigantischen Autobahnsubventionen. Es sollte aber die Eisenbahn gefördert werden, nicht die Autobahnen. Daher appelliere ich an die Kommission: Überdenken Sie Ihre Subventionspolitik.
Wenn wir schon bei den Subventionen sind, so kann unglaublich viel im Bereich der Agrarsubventionen getan werden, die jährlich 55 Milliarden Euro betragen. Es sollten keine Subventionen mit direkten negativen Umweltauswirkungen gewährt werden, und Agrarbeihilfen sollten für Umweltmaßnahmen und für ökologischen Landbau gezahlt werden. Biologische Vielfalt und klimaintelligente Lösungen sollten anstelle von Höchsterträgen als Hauptziele der Agrarpolitik festgeschrieben werden.
Ein drittes Grundproblem, das gelöst werden muss, ist der Binnenmarkt. Ich weiß, dass es schon fast einer Lästerung gleichkommt, dies hier zu sagen, aber die EU kann einfach nicht weiter zulassen, dass der Markt einer progressiven Umweltpolitik übergeordnet ist. Vor einigen Wochen antwortete EU-Kommissar Verheugen auf eine Anfrage von mir, dass die Kommission in den letzten fünf Jahren 19-mal einzelne Länder vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Umwelt- oder Gesundheitsfragen verklagt habe. Es ist wirklich beängstigend, dass der Gerichtshof in allen 19 Fällen die Linie der Kommission vertreten hat, das heißt, die Mitgliedstaaten durften keine Maßnahmen zum Schutz der Umwelt oder der Volksgesundheit ergreifen. Wenn wir es wirklich ernst meinen, brauchen wir eine Umweltgarantie, die ihrem Namen auch Ehre macht. Bisher haben wir das noch nicht, und leider werden wir das auch im Vertrag von Lissabon nicht erhalten, wo ja ebenfalls die Marktpolitik festgeschrieben ist.
Abschließend fordern wir in unserem Entschließungsantrag Nachhaltigkeitsstandards für Biokraftstoffe. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um folgende Frage zu stellen, vielleicht besonders an den Rat: Sind Sie bereit, für die durch die Union eingekauften Biokraftstoffe nicht nur Umweltkriterien festzulegen, sondern auch soziale Standards, zum Beispiel das Garantieren annehmbarer Löhne, gewerkschaftlicher Rechte usw.?
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Vor zwei Wochen habe ich den Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und den nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel beim informellen Umweltrat im Herbst in Slowenien vertreten. Zwei Themen standen im Mittelpunkt: die Bekämpfung des Klimawandels und der Schutz der Biodiversität. Der Hauptschwerpunkt lag dabei auf Biodiversität, Biomasse und Biokraftstoffe im Verhältnis zur Biodiversität in Wäldern. Es wurde über die Möglichkeiten von Biomasse aus Wäldern zur Energieversorgung diskutiert, insbesondere für die zweite Generation von Biokraftstoffen, und über Nachhaltigkeitskriterien für die Nutzung von Biomasse aus Wäldern. Es war eine gelungene Konferenz, mein Dank an den slowenischen Vorsitzenden, Herrn Podobnic.
Wir sehen, dass durch Entwaldung und illegalen Holzeinschlag viele Arten vom Aussterben bedroht sind. Sie erfahren eine eingreifende Veränderung ihrer Lebensumwelt und können daher nicht überleben. Wälder unterstützen einen vielfältigen Artenreichtum sowohl von Pflanzen als auch von Tieren. Zum Schutze der biologischen Vielfalt ist es daher von wesentlicher Bedeutung, der Entwaldung Einhalt zu gebieten, soweit dies möglich ist. Dies gilt übrigens nicht nur für Länder außerhalb der Europäischen Union, sondern gewiss auch für die europäischen Mitgliedstaaten. Eine verantwortungsvolle Forstwirtschaft muss gefördert werden, umso mehr, als Wälder auch in anderen Bereichen sehr wertvoll sind. Entwaldung führt auch zu schwerwiegender Bodenerosion, insbesondere in Bergregionen, und zu einer Störung des Wasserhaushalts, was auch erhebliche Auswirkungen auf die Biodiversität hat.
Auch die Erwärmung der Erde kann den Artenreichtum angreifen. Es finden große Verschiebungen in den Verbreitungsgebieten von Arten statt, wodurch manche Arten ernsthaft bedroht werden, vor allem in den nördlichen Regionen. Abholzung in tropischen Regionen scheint die Erwärmung nur noch zu verstärken, zum Teil weil die Speicherfähigkeit von CO2 stark verringert wird. Studien, die in den vergangenen Jahren unter anderem in Nature and Science veröffentlicht wurden, zeigen jedoch, dass eine Zunahme bewaldeter Flächen zu einem höheren Ausstoß von Methan führt, einem Treibhausgas, das 23 Mal stärker ist als CO2. Je höher die Temperatur wird und je mehr die Sonne scheint, umso mehr Methan wird ausgestoßen. Vornehmlich in tropischen Gebieten wird erheblich mehr Methan ausgestoßen. Aufforstung führt zu einer zusätzlichen Aufnahmekapazität von CO2, aber ein Teil dieser CO2-Aufnahme wird somit durch eine Zunahme der Methanemissionen zunichte gemacht. Dennoch bleibt die Bilanz positiv, vor allem in den nichttropischen Gebieten.
Abschließend, die genannten Faktoren, die sich negativ auf die Biodiversität auswirken, werden leider durch die aktuelle Produktion von Biokraftstoffen verstärkt, die vor allem den tropischen Regenwald gefährdet. Die artenreichen Wälder werden durch artenarme Plantagen ersetzt. Diese haben außerdem nachteilige Folgen hinsichtlich Treibhausgase, Aufnahmekapazität und Lebensmittelpreise. Ich bin froh, dass dies in dieser Entschließung zum Ausdruck gebracht wird. Auf jeden Fall müssen wir auch bei der zweiten Generation von Biokraftstoffen wachsam sein.
Der Präsident. − Dass Sie es aufgeschrieben haben, heißt noch nicht, dass Sie es uns vorlesen müssen, wenn die Zeit dies nicht zulässt.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Angesichts der heutigen Debatte und des gestrigen „Tags der Erde“ möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ein dringender Bedarf an einem besseren Verständnis des Konzepts der biologischen Vielfalt und seiner Bedeutung für unsere Gesellschaft besteht. Es handelt sich um ein äußerst missverstandenes Konzept.
Nahezu alle Ökosysteme der Erde und ihre Leistungen haben durch menschlichen Einfluss dramatische Veränderungen erfahren. Die aktuelle Geschwindigkeit, mit der biologische Vielfalt verloren geht, ist die höchste in der Geschichte der Menschheit, und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Entwicklung zurückgeht. 2010 – wie geht’s!
Viele Tier- und Pflanzenpopulationen haben in Bezug auf ihre Anzahl und ihre geografische Verbreitung abgenommen. Wenngleich das Artensterben ein natürlicher Vorgang in der Geschichte der Erde ist, hat der Einfluss des Menschen in den vergangenen Jahren das Aussterben um mindestens das Hundertfache gegenüber der natürlichen Quote beschleunigt. Der Roten Liste der IUCN zufolge sind die gut erforschten Artengruppen zu 12 % bis 52 % vom Aussterben bedroht. Grundsätzlich sind es die Arten, die sich im oberen Bereich der Nahrungskette befinden, geringe Populationsdichte aufweisen, länger leben, sich nur langsam fortpflanzen und innerhalb eines begrenzten geografischen Gebiets leben, die am stärksten vom Aussterben bedroht sind.
In vielen Artengruppen, etwa Amphibien, afrikanische Säugetiere und Vögel in Agrarräumen, hat die Mehrzahl der Arten hinsichtlich ihrer Anzahl und ihres geografischen Verbreitungsgebiets abgenommen. Ausnahmen sind fast immer auf menschliches Eingreifen zurückzuführen, beispielsweise durch den Schutz in Reservaten, oder beschränken sich auf Arten, die dazu neigen, sich in vom Menschen beherrschten Landschaften besonders gut zu entwickeln.
Wir müssen die Menschen besser auf ihren wachsenden ökologischen Fußabdruck aufmerksam machen; darauf, dass dieser weit über die Grenzen der EU hinausreicht, und dass unser Lebensstil direkte Auswirkungen auf einheimische Völker in den Entwicklungsländern hat. Wenngleich die meisten von uns inzwischen zumindest im Ansatz das Problem des Klimawandels begreifen, haben viele den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt noch nicht hergestellt.
So glaube ich, dass wir auf diesem Gebiet die Bemühungen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen miteinander verknüpfen müssen. Ich würde sogar so weit gehen, die Frage zu stellen, ob wir noch immer eine COP ausschließlich über die biologische Vielfalt benötigen. Dieser Frage sollten wir uns stellen, und ich habe an der COP in New York im vergangenen Jahr teilgenommen.
Ja, ich stimme zu, dass die Maßnahmen zur Klimaanpassung und Begrenzung des Klimawandels, einschließlich Entwaldung, die biologische Vielfalt stützen müssen. Ich begrüße die Aussagen von Kommissarin Wallström bezüglich der biologischen Vielfalt der Meere. Hier müssen wir auch Kaltwasserkorallen und Tiefseeberge einschließen, die reichhaltige und häufig einzigartige Ökosysteme beherbergen. Unsere wissenschaftlichen Kenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Meeresgebiete weisen große Lücken auf. Wir dürfen nicht vergessen, dass 70 % der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt sind, 97 % des gesamten Wassers unseres Planeten sind in den Ozeanen enthalten, und die Ozeane stellen 99 % des Lebensraumes dieser Erde dar.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident, um Ihren Blutdruck nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Seien wir ehrlich miteinander. Die Ziele, die wir uns vor sechs Jahren in Johannesburg gesetzt haben, werden wir unmöglich erreichen können. Hören wir also auf, uns selbst etwas vorzumachen, und hören wir mit dem Gerede auf.
Anne Ferreira (PSE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Umweltausschuss hat eine sehr gute Entschließung angenommen, deshalb hoffe ich, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten den darin enthaltenen Empfehlungen Rechnung tragen, vor allem der Aufforderung, bei der Bonner Konferenz Initiativgeist und Überzeugungskraft an den Tag zu legen, jedoch auch intern dafür zu wirken, dass bis zum Jahr 2010 der Verlust der Artenvielfalt innerhalb der Europäischen Union gestoppt wird.
Ich möchte auf drei Punkte zurückkommen, die in dieser Entschließung angesprochen werden. Zunächst die Frage der Biokraftstoffe, davon haben einige Kollegen schon gesprochen. Ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind erheblich, sowohl für die Wälder als auch für die landwirtschaftlichen Flächen, und wir können täglich deutlicher die Wirkung ihrer Entwicklung auf die Nahrungsmittelressourcen ermessen. Es darf keine Konkurrenz zwischen den landwirtschaftlichen Ressourcen für die Ernährung und denen für die Industrie geben, sei es für die Herstellung von Biokraftstoffen oder die Agrochemie. Die Verbindung zwischen Ernährung und Landwirtschaft muss klar herausgestellt werden.
Dann die Frage der maritimen Artenvielfalt. Wir sind zu diesem Thema sehr in Verzug geraten. Ich kann die Forderungen der Entschließung nach einem raschen Handeln, vor allem was die Einrichtung geschützter Meereszonen betrifft, nur unterstützen.
Schließlich zu den GVO. Uns liegen heute Studien vor, die ihre negative Auswirkung auf die Umwelt und vor allem den Boden deutlich machen. Wir wissen, dass ihre Weiterverbreitung eine Vergiftung der konventionellen Kulturen nach sich zieht, was ein Problem für die Bewahrung der biologischen Vielfalt mit sich bringt.
Im Übrigen stellen die industrielle Konzentration im Saatgutsektor und ihre Kontrolle durch einige multinationale Konzerne ein weiteres Problem dar. Das ist eine Situation, die die Kommission und die Mitgliedstaaten nicht außer Acht lassen dürfen.
Schließlich hat die Konferenz der Vertragsparteien in Curitiba in Brasilien im März 2006 beschlossen, das Moratorium zu GURT-Saatgut aufrechtzuerhalten. Das war eine gute Entscheidung, jedoch muss man sich heute fragen, ob dieses Moratorium ausreichend ist und ob es nicht notwendig wäre, die Nutzung dieser Art von genetisch verändertem Saatgut auch für den Einzelgebrauch zu verbieten.
Was gedenken die Kommission und die Mitgliedstaaten zu diesen beiden Punkten anlässlich der Konferenz der Vertragsparteien in Bonn zu tun? Haben Sie schon eine Idee zu den Nachhaltigkeitskriterien, die in Bonn bezüglich der Biokraftstoffe vorgestellt werden könnten?
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Wie Frau Doyle vor mir dachte ich, mir stünde mehr Redezeit zur Verfügung, aber ich werde Ihre Großzügigkeit nutzen und mich auf eineinhalb Minuten beschränken.
Biologische Vielfalt ist notwendig, um das Überleben der Ökosysteme dieser Erde zu sichern und einen unschätzbar wertvollen Genpool unverwechselbarer artenspezifischer Merkmale zu erhalten. Dieses Parlament hat seine Besorgnis über den Verlust der biologischen Vielfalt in seiner diesbezüglichen Entschließung vom 22. Mai 2007 wiederholt, aber ich muss leider sagen, eines der größten Hindernisse bei der Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt ist das Fehlen wirksamer Maßnahmen sowohl der Kommission als auch des Rates. Beide vermitteln den Eindruck, dass ihnen die Angelegenheit nur in der Theorie sehr am Herzen liegt und dass es ihnen in der Praxis an Willen und Entschlossenheit fehlt, wenn es darum geht sicherzustellen, dass die einschlägigen Richtlinien wirklich umgesetzt werden und dass die internationalen wie die internen Verpflichtungen erfüllt werden.
Hoffen wir, dass die Kommission und der Rat jetzt, zu diesem späten Zeitpunkt, entschieden und konstruktiv handeln und auch durch ihre unnachgiebige Haltung bei der bevorstehenden Konferenz in Bonn zum wirksamen Schutz der biologischen Vielfalt beitragen.
Präsident. − Herr Matsakis, tatsächlich kannten sowohl Frau Doyle als auch Ihre Fraktion die Redezeiten, die ich ihnen eingeräumt habe. Es ist also dem Beitrag Ihrer Fraktion und ihrer fehlerhaften Kommunikation mit Ihnen zuzuschreiben, denn ich habe immer die Regel angewendet, dass Mitglieder, die eine Rede in einer anderen als ihrer Muttersprache halten, zusätzliche Redezeit erhalten – und nicht nur, wenn sie Englisch reden.
Hiltrud Breyer (Verts/ALE). – Herr Präsident! Wir alle, die wir hier gesprochen haben, haben ein Bekenntnis zu mehr Artenschutz, zu mehr Biodiversität abgelegt. Wir wissen, dass die Naturschutzrichtlinien und das durch Natura 2000 geschaffene Netz von Naturschutzgebieten eine Erfolgsstory der Europäischen Union ist. Doch all diese Lyrik, all diese Bekenntnisse dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht nur das Klima – wie Sie gesagt haben, Frau Kommissarin – die Schlagzeilen der Zeitungen erobert hat, sondern leider auch der Arten- und Naturschutz.
Gerade bedrohte Tierarten werden oft als Baustopper, als Verhinderungen für Bauprojekte hingestellt. Daher finde ich ganz beschämend, dass gerade in Deutschland, dem Gastgeberland der Vertragsstaatenkonferenz, von den konservativ regierten Landesregierungen wie Hessen und Niedersachsen eine Bundesratsinitiative gestartet worden ist, die genau diese Erfolgsstory der Europäischen Union attackieren soll.
Es ist völlig unglaubwürdig, wenn Deutschland einerseits die Ausweitung von Schutzzonen und den Schutz von bedrohten Arten in den ärmeren Ländern fordert, andererseits jedoch in der Europäischen Union versucht, eine Verwässerung des Naturschutzes zu betreiben. Und leider nicht nur Deutschland! Plötzlich hat auch die Liberale Fraktion im Europäischen Parlament ein Seminar veranstaltet, in dem genau das zum Thema gemacht wurde. Unter dem Deckmantel der Vereinfachung soll bei Herrn Stoiber genau diese Attacke gegen den Naturschutz in Europa geritten werden.
Ich erwarte von Ihnen, Frau Kommissarin, noch einmal ein ganz klares Bekenntnis der Europäischen Union, dass alle Versuche ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Péter Olajos (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Matsakis hat die Probleme bei der Umsetzung ja bereits angesprochen, und ich möchte nur einige Beispiele anführen. In Europa und dem Karpatenbecken stellt der Schutz unserer Wälder eine zunehmend große Herausforderung dar. An manchen Orten werden die Wälder in Brand gesteckt, andernorts werden sie abgeholzt oder auch einfach gestohlen. In den Karpaten oder zum Beispiel in Sajólád wurden bereits 30-40 % der Wälder gestohlen. Illegaler Holzeinschlag führt zu einer Abnahme der biologischen Vielfalt, verursacht Erosionen und trägt mit 20 % zu den Treibhausgasemissionen bei. Um dem Einhalt zu gebieten, haben vier unserer Kollegen der Kommission eine schriftliche Erklärung übermittelt, in der es um den Erlass von Rechtsvorschriften geht, die in der EU ausschließlich den Verkauf von Holz und Holzprodukten aus legalem und kontrolliertem Einschlag zulassen sollen. Ich ersuche meine Kollegen, mit ihrer Unterschrift diese Erklärung vom 23. zu unterstützen.
Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist ein wichtiges nationales Ziel. Die ungarische Regierung steht der Vernachlässigung der „Natura 2000“-Gebiete dermaßen gleichgültig gegenüber, dass in dieser Woche, in der wir den „Tag der Erde“ begehen, die „Central Europe Rally“, ein Bestandteil der Dakar-Reihe, ungehindert durch Gebiete mit erhöhtem Schutzstatus und sogar durch „Natura 2000“-Gebiete führte. Es gab keine Umweltverträglichkeitsprüfung und keine Pläne zur Wiederherstellung oder zum Schutz der Gebiete, ja es gab noch nicht einmal eine Genehmigung für die Veranstaltung des Rennens. Kein Einkommen dieser Welt kann für die ökologischen Schäden aufkommen, die so verursacht wurden. Aber auch mit unseren Vogelbeständen gehen wir nicht besser um. Erst vor zwei Wochen hat die Europäische Union Ungarn eine letzte schriftliche Mahnung geschickt. Anlass war die Tatsache, dass Ungarn keinerlei nationale Maßnahmen zum Schutz wildlebender Vogelarten eingeleitet hat.
Ich möchte jedoch nicht nur schlechte Beispiele anführen. Kürzlich wurde eine in Europa einzigartige freiwillige Vereinbarung dank meiner Initiative auch in Ungarn unterzeichnet, die zum Ziel hat, das durch oberirdische Stromleitungen verursachte Vogelsterben aufzuhalten. Im Rahmen dieses Projekts für einen „Himmel ohne Hindernisse“ verständigten sich die Öffentlichkeit, die Elektrizitätswirtschaft und der Staat darauf, durch eine sinnvolle Anordnung von Kabeln, durch Isolierungsmaßnahmen usw. bis 2020 in Ungarn einen sicheren „Flugkorridor“ für Vögel zu schaffen. Dies ist ein bahnbrechendes Abkommen von überaus großer Bedeutung und verdient Europas Aufmerksamkeit und Unterstützung. Vielen Dank.
Magor Imre Csibi (ALDE). – (RO) Anlässlich der in Bonn stattfindenden Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt wird auch die biologische Waldvielfalt auf der Tagesordnung stehen.
Dabei handelt es sich um ein heikles Thema, für das bis jetzt keine nachhaltige Lösung gefunden wurde. Die Waldvielfalt ist durch weltweite illegale Abholzung bedroht. Das Ergebnis ist der nachhaltige, meist unumkehrbare Rückgang der biologischen Vielfalt. Darüber hinaus stellt die Entwaldung die drittwichtigste Ursache für die globale Erwärmung dar.
Der Fischereiausschuss hat seine Position bezüglich der signifikanten Auswirkungen der Entwaldung auf das Klima sowie bezüglich der langfristigen wirtschaftlichen Vorteile und der Bedeutung der Gesunderhaltung des Waldes in seiner Entschließung über Handel und Klimaveränderung im November 2007 zum Ausdruck gebracht.
Ich begrüße auch die Initiative des EU-Aktionsplans Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor.
Dies sind jedoch EU-Aktionen, die leider nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Bei der Umsetzung des Aktionsplans haben es z. B. 70 % der EU-Länder nicht geschafft, bis April 2007 irgendeine konkrete Aktion auszuführen.
Wir müssen so schnell wie möglich eine globale Lösung finden. Ich möchte die EU-Delegierten der Tagung in Bonn dazu ermutigen, den Entwurf einer Standarddefinition des Begriffs illegale Abholzung zu unterstützen, denn dies würde eine rationale Nutzung der Wälder begünstigen.
Darüber hinaus möchte ich Diskussionen anregen über die Einführung eines globalen Mechanismus zur Überwachung des Abholzens und des Holzhandels.
Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident! Das europäische Einigungswerk steht ja unter dem Motto „Einheit in der Vielfalt“. Aber diese Vielfalt geht, wie wir wissen, gerade in der Natur in den letzten 150 Jahren in besorgniserregender Weise zurück. Die gegenwärtigen Verlustraten liegen ungefähr tausend bis zehntausend Mal höher als im Durchschnitt der Erdgeschichte. Die Weltnaturschutzunion listet heute weltweit circa 15 600 Arten auf, die vom Aussterben bedroht sind. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass die Haupterzeugerländer von Weizen und Mais mehr als 80 % ihrer ursprünglichen Sorten verloren haben. Und diese Zahlen sind ja nur die Spitze des Eisbergs, denn wir wissen, dass bis dato nur circa 1,7 Millionen der geschätzten 13 Millionen lebenden Arten erfasst und beschrieben sind. Wir wissen gleichzeitig auch, dass der Klimawandel die Situation verschärft. Wir wissen aber auch, dass dieser Verlust an biologischer Diversität unsere Reaktionsfähigkeit gerade auf diesen Klimawandel vermindert. Wir befinden uns hier also wirklich in einer gefährlichen Schere.
Deshalb muss ich leider an die Kommission die Frage stellen: Warum wird eigentlich nicht ein Mainstreaming aller unserer Politikbereiche hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit gemacht, was die Artenvielfalt betrifft? Warum wird nicht mehr Forschung und Entwicklung betrieben, was das Zusammenleben der Arten und auch der Menschen betrifft?
Wenn man hier die Debatte verfolgt, könnte man den Eindruck haben, dass mit der Einrichtung von ein paar FFH-Gebieten und dem Schutz von Vögeln das Auslangen gefunden wäre. Das ist ja wirklich nur die Spitze eines Eisbergs. Warum nehmen wir unsere Bürger nicht mit bei dieser Aufgabe, die wir alle zu bewältigen haben? Die Kommission hat da einiges an Hausaufgaben zu machen, ebenso wie auch wir vom Europäischen Parlament und vom Rat. Aber nur auf Konferenzen zu fahren und Deklarationen zu unterschreiben, ist wirklich zu wenig. Es ist höchste Zeit, dass wir hier miteinander tätig werden!
Anders Wijkman (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin der Meinung, wenn es eine Möglichkeit gibt, den Verlust der biologischen Vielfalt einzudämmen, so besteht diese darin, die Zerstörung der tropischen Regenwälder aufzuhalten. Jedes Jahr verschwinden 14 bis 15 Millionen Hektar. Über diese Angelegenheit reden wir seit Jahren, ohne dass wir ernsthafte Fortschritte vorzuweisen hätten.
Das wahre Problem ist, dass die Ökosystemleistungen – ob wir nun von Kohlenstoffsenken, biologischer Vielfalt oder der Regulierung des regionalen Klimas oder hydrologischen Systems reden – auf dem Markt keinen wirklichen Wert besitzen. Das ist ein Mangel unseres Wirtschaftsmodells, und solange wir die Waldbesitzer nicht für diese Werte entschädigen – sodass es für sie nicht rentabler ist, die Wälder abzuholzen, sondern sie zu erhalten – wird die Entwaldung unverändert fortschreiten.
Es gibt eine Lösung: Wir müssen die Wälder in den Emissionshandel einschließen. Die Kommission ist jedoch dagegen, und Sie haben Ihre Gründe. Das Problem ist, dass Sie keine Alternativen anbieten, und wir alle wissen, dass die Finanzmittel für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt äußerst begrenzt sind – und es ist unwahrscheinlich, dass es sie in der Zukunft geben wird.
Ich weiß, dass der Kommission die Entwaldung in den Tropen ebenso am Herzen liegt wie den Übrigen von uns, aber das Problem ist: Wo ist Ihre Alternative? Wir benötigen ein Maßnahmenpaket. Wir benötigen einen umfassenden Ansatz, der sich mit dem Klimawandel, Kohlenstoffsenken, biologischer Vielfalt und dem Schutz der Lebensgrundlagen der Armen befasst. Dazu müssten GD Umwelt und GD Entwicklung enger zusammenarbeiten. Das ist bisher nicht geschehen. Bitte geben Sie uns eine Alternative, damit wir etwas Konkretes vorliegen haben, über das wir beraten können. Andernfalls fürchte ich, dass die Entwaldung fortschreiten wird so wie der Verlust der biologischen Vielfalt auch.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die landwirtschaftliche Produktion ist intensiver geworden, um den gestiegenen Bedarf an Agrarprodukten und an Rohstoffen für andere Zwecke als für die Ernährung zu befriedigen. Die Intensivierung ist vor allem auf die Produktion von Biokraftstoffen und Biomasse zurückzuführen. Wir wissen, dass intensive Landwirtschaft der biologischen Vielfalt schadet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Erhaltung der biologischen Vielfalt mit einer intensiven Entwicklung von Wirtschaft und Infrastruktur in Einklang gebracht werden kann.
Modernes Management der biologischen Vielfalt bedeutet eine stärkere Überwachung der entwickelten Verfahren sowie angemessene Investitionen in die wissenschaftliche Forschung. Wir haben von der wirtschaftlichen Entwicklung profitiert und sollten deshalb einen Teil dieses Gewinns abgeben, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Im Wesentlichen müssen wir begreifen, dass die Erhaltung und der Schutz der Umwelt Maßnahmen sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene erfordern. Jeder Einzelne muss aktiv werden, und das Gleiche gilt auch für ganze Wirtschaftssektoren. Dies ist eine Aufgabe für uns alle.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich würde interessieren, ob die Kommission beim health check für die Landwirtschaft schon Überlegungen angestellt hat, wie wir uns hier weiterentwickeln können, insbesondere in der nächsten Finanziellen Vorausschau, weil erneuerbare Energie und Biotreibstoffe für uns natürlich wesentliche Herausforderungen sind, die auch in den finanziellen Rahmen des health check eingepasst werden müssen.
Das spielt auch bei der CO2-Entwicklung eine ganz wesentliche Rolle, die wir ja gemäß dem Kyoto-Protokoll entsprechend zu reduzieren haben. Meine konkrete Frage lautet: Welche Vorschläge wird die Kommission unterbreiten?
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Wir diskutieren, wie wir die biologische Vielfalt für die Nachwelt erhalten wollen, und gleichzeitig setzen wir Maßnahmen, die genau kontraproduktiv sind. Wir wissen nach anfänglicher Euphorie bei der Erzeugung von Agrardiesel, dass es hier kontraproduktive Ergebnisse gibt. Nicht nur, dass 9 000 Liter Wasser für einen Liter Agrardiesel benötigt werden, dass Lachgas freigesetzt wird, das wesentlich schädlicher ist als CO2, wir wissen auch, dass durch die Produktion von Energiepflanzen eben die Artenvielfalt in Gefahr gerät und sogar zerstört wird.
Gedenken Sie daher, angesichts dieser neuen Erkenntnisse und im Interesse der Erhaltung der Artenvielfalt, jetzt das, was wir an Beimengung an Agrardiesel beschlossen haben auszusetzen, in die neue Forschung zu investieren und vielleicht ein alternatives Konzept zu entwickeln, weil wir über die negativen Erscheinungen und Ergebnisse bereits jetzt Bescheid wissen?
Janez Podobnik, amtierender Ratspräsident. − (SL) Zunächst möchte ich Ihnen für Ihre sehr angeregte Debatte danken. Ich gebe Ihnen Recht, dass es eine wahre Kunst ist, sich kurz, bündig und verständlich zu einem so ernsten und komplexen Problem wie der biologischen Vielfalt zu äußern. Das war einer der Gründe dafür, dass es Ihnen, Herr Präsident, solche Probleme bereitet hat, alle Beiträge in der für diese Aussprache vorgesehenen Zeit unterzubringen.
Erlauben Sie mir, mich kurz zu Ihrer Debatte zu äußern. Beginnen möchte ich mit der ersten Feststellung, in der Sie den Standpunkt des Rates bestätigten, dass der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die biologische Vielfalt miteinander verknüpft und voneinander abhängig sind. Ihre Beiträge waren breit gefächert und haben sich mit zahlreichen Fragen befasst, die den kleineren Teil des Inhalts der Bonner Konferenz betreffen. Sie befassten sich zudem mit der Lebensweise des modernen Menschen im 21. Jahrhundert, beginnend mit der Abfall- und Verkehrspolitik und unter Einbeziehung der Problemkreise nachhaltige Produktion, nachhaltiger Verbrauch usw.
Ich darf Ihnen aus persönlicher Überzeugung versichern, dass die Europäische Union über geeignete Mechanismen und Maßnahmen verfügt. Ich habe schon in meiner Einleitung darauf hingewiesen, dass unser vordringliches Ziel darin besteht, in Bonn anwesend zu sein und die Umsetzung dieser Methoden und Maßnahmen zu bewirken, uns der Realität anzunähern und unseren Worten Taten folgen zu lassen.
Sie haben nach finanziellen Mitteln gefragt. Wir haben uns auf konkrete Finanzierungsmechanismen auf europäischer Ebene geeinigt. Ich möchte betonen, dass sich der Rat in Bonn für neue und innovative finanzielle Mittel einsetzen wird. Damit meine ich auf globaler, nicht nur auf europäischer Ebene. Ich möchte auf die Notwendigkeit hinweisen, die Bereiche, die die biologische Vielfalt beeinträchtigen, miteinander zu verknüpfen. Insbesondere möchte ich hier die Rolle der Privatwirtschaft hervorheben. Die drei Ratspräsidentschaften, d. h. Deutschland, Portugal und Slowenien, haben sich dafür eingesetzt, dass die Frage des Anteils der Privatwirtschaft am Problem der biologischen Vielfalt in Bonn zur Sprache kommt. Die Konferenz über Unternehmen und biologische Vielfalt in Portugal war ein großer Erfolg. Wir hoffen, dass wir in Bonn auf den Lösungsvorschlägen aufbauen können, die wir in Portugal erarbeitet haben.
Ich möchte Herrn Blokland danken, der das informelle Treffen der Umweltminister in Ljubljana angesprochen hat. Herr Blokland nahm im Namen zweier Ihrer Ausschüsse teil, und dafür möchte ich ihm danken. Wir sprachen über das Thema Wald, d. h. die nachhaltige Nutzung der Wälder, ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Möglichkeit, sie für die Erzeugung von Biomasse und Biokraftstoffen der zweiten Generation zu verwenden.
Ich möchte Ihnen mitteilen, dass sich der Rat durchaus bewusst ist, wie ernst und komplex die Frage der Nachhaltigkeitskriterien bei der Erzeugung von Biokraftstoffen und Biomasse ist. Das war auch der Grund, warum wir uns mit der Kommission auf die Bildung einer Arbeitsgruppe verständigt und mit ihr in diesem Punkt zusammengearbeitet haben. Diese Arbeitsgruppe wird im Ausschuss der Ständigen Vertreter im kommenden Monat angemessene Lösungen für Nachhaltigkeitskriterien in der Biokraftstofferzeugung vorschlagen. Diese werden dann Bestandteil der beiden Richtlinien, die derzeit in Vorbereitung sind. Mein besonderer Dank gilt all jenen, die neben den sozialen Konsequenzen und schädlichen Auswirkungen der Biokraftstofferzeugung auch auf ihre Folgen für die biologische Vielfalt hingewiesen haben. Diese vergessen wir bisweilen.
Ich möchte diese kurze Erklärung abschließen, indem ich erneut darauf verweise, dass wir auf globaler Ebene daran arbeiten, ein Netz von Schutzregionen an Land und auf See zu schaffen. Die Europäische Union besitzt ein geeignetes und wirksames Instrument mit dem Namen Natura 2000, und es spricht für sich, dass dieses auf nationaler wie europäischer Ebene konsequent umgesetzt wird.
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich denke, diese lebhafte und sachkundige Debatte spiegelt das Interesse des Hohen Hauses an diesen Themen wider. Dafür danke ich Ihnen. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich im Namen von Kommissar Dimas spreche, wenn ich sage, dass er Ihnen für das Interesse danken möchte, das das Parlament an diesen Themen zeigt. Ich erkenne einige meiner alten Kollegen im Kampf für Umweltschutz und biologische Vielfalt wieder.
Der Homo sapiens als Rasse ist eine interessante Sache, denn wir können zum Mond fliegen, wir können mittels Informationstechnologie Massenkommunikation betreiben und wir können zweifellos reden. Was wir nicht können ist, ein Nashorn, einen Aal oder eine kleine blaue Blume zu schaffen, und wenn diese Lebewesen einmal verschwunden sind, dann ist das für immer, wie Sie zu Recht bemerkt haben.
Erlauben Sie mir ein paar Bemerkungen zu Themen, die, wie ich meine, von grundsätzlichem Interesse sind. Ich möchte mit dem Thema Biokraftstoffe beginnen, denn auch das wird zurzeit in allen Medien lebhaft diskutiert und stellt für uns alle ein großes Problem und eine große Herausforderung dar. Wie Sie wissen, verständigte sich der Europäische Rat zu sehr klaren Bedingungen darauf, den Anteil der Biokraftstoffe auf 10 % zu erhöhen. Unser Standpunkt in der Europäischen Union ist, dass wir nachhaltige Biokraftstoffe benötigen, die sich nicht negativ auf Umwelt oder Nahrungsmittelerzeugung auswirken. Wir von der Kommission sehen die langfristigen Vorzüge von Biokraftstoffen im verringerten CO2-Ausstoß, denn, denken Sie daran: aus heutiger Sicht wäre Öl die Alternative. Versorgungssicherheit und Landwirtschaft: Neue Möglichkeiten können sich dank der Grundsätze, die wir festgelegt haben, ergeben. Ein begrenztes Ziel von 10 %, stabile Nachhaltigkeitskriterien sowie die Bestrebungen im Hinblick auf Biokraftstoffe der zweiten Generation – das ist die wahre Herausforderung: sicherzustellen, dass wir so schnell wie möglich mit dem Einsatz von Biokraftstoffen der zweiten Generation beginnen können.
Aber wir müssen in diesen Angelegenheiten auch international tätig werden und sicherstellen, dass es Nachhaltigkeitskriterien gibt und dass wir die Lebensmittelkrise durch unsere Bemühungen nicht weiter verschlimmern.
Zu den Anmerkungen von Herrn Wijkman möchte ich auch sagen, dass die Frage der Entwaldung, soweit ich weiß, diesen Sommer oder Herbst Thema einer Mitteilung sein wird. Diese Frage wird in den Verhandlungen also auch zur Sprache kommen.
Gleichzeitig ist es erforderlich, dass wir die ganze Debatte, die gerade geführt wird, mitbekommen und sicherstellen, dass wir eine angemessene, konstruktive Diskussion vorbereiten sowie einen geeigneten Beschluss zur Entwaldung erarbeiten. Gleiches gilt auch für die Verhandlungen zum Klimawandel.
Frau Doyle möchte ich sagen, dass es vielleicht gar nicht das Entscheidende ist, die Verhandlungen der beiden Konferenzen der Vertragsparteien miteinander zu verknüpfen. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass wir den indirekten Nutzen maximieren, den wir sowohl aus der Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ziehen als auch aus der Sicherstellung, dass wir unsere Ziele im Hinblick auf die biologische Vielfalt erreichen.
Das, so meine ich, sollten wir jetzt tun, insbesondere wenn es um den Schutz tropischer Wälder und die Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe geht.
Wir sollten uns also nicht länger auf Ziele konzentrieren, von denen wir wissen, dass wir sie ohnehin nicht mehr erreichen können oder dass sie uns in eine administrativ oder auf andere Weise unmögliche politische Lage bringen würden. Die Umsetzung ist es, die wir vor Augen haben müssen. Das gilt für die gesamte Debatte über Gesetze, Verordnungen und ehrgeizige Ziele. Die haben wir. Die haben wir schon lange; nun müssen wir sie auch umsetzen. Natürlich müssen wir sicherstellen, dass wir, wenn wir, wie ich bereits sagte, an den sieben Punkten arbeiten, die wir in den Verhandlungen anstreben, auch international mit Partnern zusammenarbeiten und so eine gute wissenschaftliche Basis erreichen, die wir einer sehr konkreten Umsetzung zugrunde legen können. Soweit meine allgemeinen Anmerkungen.
Und schließlich geht es in dem Aktionsplan, den wir erstellt haben, genau darum, alle Aspekte mit einzubeziehen, einschließlich der Gemeinsamen Agrarpolitik.
Aus diesem Blickwinkel geht es also erneut darum zu gewährleisten, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch alle unsere Institutionen alles tun, um unsere Ziele zu verwirklichen.
Ich will Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Ich bin mir der Notwendigkeit, unseren Zeitplan einzuhalten, durchaus bewusst. Lassen Sie mich Ihnen daher nochmals meinen Dank für diese Debatte aussprechen und Ihnen versichern, dass Kommissar Dimas beabsichtigt, persönlich an der Ministertagung der COP 9 teilzunehmen. Ich bin sicher, er freut sich darauf, einige von Ihnen dort anzutreffen, und ich gehe davon aus, dass Sie zu einem erfolgreichen Ergebnis dieser wichtigen Zusammenkünfte beitragen werden.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Ich unterstütze den vorliegenden Entschließungsantrag voll und ganz.
Die 9. ordentliche Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt wird im Mai 2008 in Bonn stattfinden. Vertreter verschiedener Länder werden den Verlust der biologischen Vielfalt bewerten, der überall auf der Welt stattfindet. Die Teilnehmer werden auch über eine faire und ehrliche Möglichkeit nachdenken, die aus der Nutzung genetischer Ressourcen erwirtschafteten Gewinne zu teilen. Der Rückgang der biologischen Vielfalt der Wälder hat besonders negative Auswirkungen. Er trägt zu einer Zerstörung der Wälder bei und beschleunigt die Klimakrise. Ich teile die Sorge, dass der Klimawandel zu einer noch weiter gehenden Verringerung der biologischen Vielfalt auf der Welt führen und die Zerstörung der Umwelt und das Aussterben bestimmter Arten zur Folge haben wird. Dies wiederum wird sich negativ auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und die Bekämpfung der Armut auswirken. Es gilt bereits als sicher, dass die Abholzung und die Zerstörung von Wäldern für 20 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind.
Vor diesem Hintergrund ist die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union stark gefährdet, denn die Mitgliedstaaten setzen gesetzliche Bestimmungen zur biologischen Vielfalt und Richtlinien in Bezug auf Vögel und Lebensräume nur unzureichend um. Der Widerstand gegen gewisse politische Maßnahmen hat ähnliche negative Effekte. Als Beispiel ließen sich hier die unzulänglichen Bemühungen zur Umsetzung von Verpflichtungen anführen, die den Prozess des Rückgangs der biologischen Vielfalt auf dem Territorium der EU bis 2010 aufhalten sollen. Darüber hinaus ist man kaum bereit zu Verhandlungen über ein Instrumentarium, das es erlauben würde, auf Gewinne zuzugreifen und sie gemeinsam zu nutzen, und will auch keine zusätzlichen zweckgebundenen Mittel für die Umsetzung von Übereinkommen in Entwicklungsländern bereitstellen.
VORSITZ: Diana WALLIS Vizepräsidentin
12. Fragestunde (Anfragen an den Rat)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0019/2008).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an den Rat.
Die Präsidentin. Anfrage Nr. 1 von Manuel Medina Ortega (H-0154/08)
Betrifft: Erweiterung des Schengen-Raums
Hat der Rat eine Bewertung der politischen Folgen der letzten Erweiterung des Schengen-Raums und der Auswirkungen dieser Erweiterung auf die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den benachbarten Ländern vorgenommen, die nun an den neuen Grenzen des Schengen-Raums liegen und zu denen sowohl Mitgliedstaaten der EU als auch Nicht-Mitgliedstaaten der EU gehören?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die letzte Erweiterung des Schengenraums am 21. Dezember des vergangenen Jahres liegt vier Monate zurück. Wie Sie wissen, war der Erweiterungsprozess erst Ende März vollständig abgeschlossen, als die Grenzkontrollen an den Flughäfen aufgehoben wurden. Daher war bisher noch nicht die Zeit oder die Gelegenheit, den allgemeinen politischen Effekt der Erweiterung und ihre Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die die Schengen-Bestimmungen anwenden, und ihre Nachbarländer zu bewerten.
Einige Arbeitsgruppen des Rates beraten jedoch schon über Fragen wie die Neuorganisation der Grenzbehörden einiger Mitgliedstaaten im Anschluss an die Erweiterung des Schengenraums sowie über die Veränderungen und Entwicklungen bei der illegalen Zuwanderung, die eine Folge der Erweiterung sein könnten. Zweifellos hat sich die Erweiterung des Schengenraums positiv auf die Visapolitik der Europäischen Union ausgewirkt, insbesondere für Drittstaatsangehörige. Sie können das gesamte Gebiet des Schengenraums mit dem Visum eines neuen Mitgliedstaates bereisen, was zuvor nicht der Fall war.
Darüber hinaus hat die Europäische Union bereits Vereinbarungen mit osteuropäischen Ländern und den Balkanstaaten über die Vereinfachung der Visumserteilung getroffen.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Minister! Vielen Dank für Ihre Antwort. Da Sie aus einem Land sind, das sich in einer solchen Situation befindet, bin ich sicher, dass die slowenische Präsidentschaft das Thema mit großem Interesse verfolgt.
Ich habe mir persönlich die Mühe gemacht und einige der betroffenen Länder besucht: Zum einen hoffe ich, dass wir eine Garantie für unsere Grenzen erzielen, aber zum anderen wollen wir in der EU keine neue Mauer, keine neuen Wälle errichten.
Welche Garantien haben wir, dass die Erweiterung des Schengen-Raums keine Schwierigkeiten verursachen wird, beispielsweise für Grenzgänger oder für jene, die in jetzt zum Schengen-Raum gehörende Länder ohne irgendwelche Probleme einreisen? Das betrifft besonders Slowenien, das an ein Land grenzt, das sich auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereitet.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich danke Ihnen für Ihre Zusatzfrage, Herr Medina Ortega. Wie ich bereits sagte, hat der Rat die Auswirkungen des Schengenraums auf einzelne Länder noch nicht auf höchster Ebene besprochen und sie noch nicht umfassend bewertet.
Sie haben mich nach den Erfahrungen Sloweniens gefragt. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Es geht hier sicherlich nicht darum, neue Mauern zu errichten, sondern vielmehr darum, die Außengrenzen der Europäischen Union an neue Grenzen zu verlagern. Das bedeutet, dass die Außengrenzen des Schengenraums verlagert wurden, um eine größere Anzahl von Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzubeziehen. Das war eine anspruchsvolle Aufgabe für die Staaten, deren Grenzen nun zum Teil zu den neuen Außengrenzen des Schengenraums zählen. Die Vorbereitungen darauf nahmen viele Jahre in Anspruch. Dieses Projekt war eine große Herausforderung, und die Europäische Union hat diesen Umstand gewürdigt, indem sie eine besondere Möglichkeit der Finanzierung, die „Schengen-Fazilität“ genannt, geschaffen hat, mit der sie die Errichtung angemessener Kontrollen an den neuen Außengrenzen des Schengenraums unterstützt.
Sie haben auch nach der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien gefragt. Es ist richtig, dass diese Grenze bislang „unsichtbar“ war. Es ist ebenfalls richtig, dass diese Grenze zu der Zeit, als wir die Unabhängigkeit erlangten, eine vorübergehende Grenze war. In Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Europäischen Union ist es uns tatsächlich gelungen, Grenzkontrollen einzurichten, die für die Bürger der Republik Kroatien nicht schwieriger zu passieren sind als zuvor. Es ist uns zudem gelungen, alle durch die Schengen-Standards und -regelungen vorgeschriebenen Elemente wirksamer Grenzkontrollen einzuhalten.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Die Erweiterung des Schengen-Raumes im Dezember des letzten Jahres hat zu mehr Sicherheit und nicht zu weniger Sicherheit geführt. Die Statistiken belegen das, und das mag uns freuen.
Es geht jetzt in der nächsten Stufe darum, dass auch die Schweiz und Liechtenstein in diesen Schengen-Raum aufgenommen werden sollten, aber ich höre, es könnte Probleme geben, weil einzelne Mitgliedstaaten eventuell Vorbehalte im Zusammenhang mit der Aufnahme von Liechtenstein anmelden wollen. Ich höre hier etwa Anmerkungen aus Tschechien.
Eine Frage an den Rat: Wissen Sie auch von diesen möglichen Vorbehalten, und was werden Sie tun, damit Sie Probleme, die mit einer Nichtaufnahme von Liechtenstein verbunden wären, vermeiden können?
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Meine Frage bezieht sich auf die Schengener Vorschriften und ihren Beitrag zu Klimawandel und erhöhten Kohlendioxidemissionen. Letzten Mittwoch hatte ich das Vergnügen, mit dem PPE-DE-Vorstand von Brüssel nach Ljubljana zu fliegen und zwei Tage lang Gast in Ihrem wundervollen Land zu sein.
Nachdem wir in Ljubljana gelandet waren, verließen wir das Flugzeug und wurden in einen Bus gedrängt, wie es ja an vielen Flughäfen üblich ist. Wir wurden in einen völlig überfüllten Bus gesteckt. Das dauerte 22 Minuten. Dann fuhr der Bus los, wie wir glaubten zur Pass- oder Gepäckkontrolle. Er fuhr jedoch lediglich 20 Meter, Frau Präsidentin – das ist die momentane Entfernung zwischen Ihnen und mir –, und wir stiegen alle aus und betraten den Flugsteig. Das ist kein Scherz. Als ich dieses irrsinnige Verfahren in Frage stellte, wurde mir versichert, das sei nach den Schengen-Bestimmungen so vorgeschrieben. Bitte erklären Sie mir das, Herr Minister!
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Zu Herrn Pirkers Äußerung: Es ist eine Tatsache, dass die Verfahren zur Aufnahme der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liechtenstein in den Schengenraum bereits laufen. Zurzeit sind diese Verfahren und die Bewertungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Der Ratsvorsitz vertritt die Auffassung, dass der Beitritt dieser beiden Länder zum Schengenraum ausschließlich von den Ergebnissen dieser Verfahren, insbesondere der Bewertungsverfahren, abhängt. Uns sind keine Einwände eines der Mitgliedstaaten bezüglich der vorgesehenen Verfahren für den Beitritt eines einzelnen Landes zum Schengenraum bekannt.
In Bezug auf die Äußerung von Frau Doyle muss ich zugeben, dass ich mir nicht sicher bin, ob dieses Vorgehen die Schengen-Bestimmungen betrifft. Aller Wahrscheinlichkeit nach betrifft es eher die Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen. In jedem Fall bin ich nicht in der Lage, die Gründe für die 20 Meter lange Fahrt mit dem Flughafenbus an dieser Stelle zu erläutern. Ich vermute, das hängt mit Beförderungsvorschriften für Flughäfen zusammen, die nicht etwa Teil der Schengen-Bestimmungen sind, sondern mit der Sicherheit am Flughafen in Verbindung stehen.
Die Präsidentin. − Vielen Dank, Herr Minister. Vielleicht können Sie der Sache heute Abend auf Ihrem Heimweg nachgehen.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 2 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0159/08)
Betrifft: Verbleib der Erwerbsbevölkerung in Berggebieten, schwer zugänglichen Gebieten und Inselregionen
Häufig beschließt ein hoher Prozentsatz der aktiven Bevölkerung die Randgebiete der EU wegen der sehr geringen beruflichen Chancen zu verlassen mit dem Ergebnis, dass diese Regionen entvölkert werden und nur noch alte Menschen dort verbleiben.
Aus Anlass dieser Entwicklung und unter Berücksichtigung des ernsten demografischen Problems der Europäischen Union wird an den Rat die Frage gerichtet, ob man Maßnahmen für den Verbleib der Erwerbsbevölkerung in Berggebieten, schwer zugänglichen Gebieten und Inselregionen vorschlagen wird, um eine ausgewogene Entwicklung aller Regionen der Europäischen Union zu erreichen und deren Wettbewerbsfähigkeit zu wahren.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Zur Äußerung von Frau Panayotopoulos-Cassiotou möchte ich Folgendes sagen: Neben vier weiteren Verordnungen im Bereich der Kohäsionspolitik erließ der Rat im Juli 2006 die Verordnung über den Europäischen Entwicklungsfonds, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds. Gemäß Artikel 3 dieser Verordnung waren die Mittel aus diesen Fonds auch für bestimmte Inseln und Inselstaaten sowie Berggebiete vorgesehen.
Zur gleichen Zeit erließen der Rat und das Europäische Parlament eine Verordnung über den Europäischen Sozialfonds. Diese Verordnung enthält die folgende Definition der Rolle des Europäischen Sozialfonds: Verbesserung der Möglichkeiten für Wirtschaft und Beschäftigung, Förderung einer hohen Beschäftigungsquote sowie Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze. Diese beiden Verordnungen wurden harmonisiert, um die Unterstützung bestimmter Bereiche zu gewährleisten. Gemäß diesen Verordnungen können die Mitgliedstaaten in ihren operationellen Programmen und Projekten besondere Aufmerksamkeit darauf richten, Entwicklungs- und Beschäftigungsanreize in den Regionen zu schaffen, die die verehrte Abgeordnete in ihrer Frage erwähnte. Es liegt daher bei den Mitgliedstaaten selbst, zu entscheiden, welches dieser operationellen Programme und welche konkreten Maßnahmen aus diesen Programmen die in der Frage genannten Kriterien erfüllen. Die Kommission bewertet vorgeschlagene Programme, weist auf Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die Erreichung der Ziele der Kohäsionspolitik und die Einhaltung der Bestimmungen bestimmter Verordnungen hin und genehmigt diese Vorschläge, sofern alle Bedingungen erfüllt sind.
Wenn es um die Gestaltung neuer rechtlicher Maßnahmen im Bereich der Kohäsionspolitik geht, so besteht die Aufgabe der Kommission darin, Beschlüsse zu fassen, die die Erreichung der Ziele der Kohäsionspolitik ermöglichen. Die erste Gelegenheit im Zeitraum 2007 bis 2013 wird die Aussprache über den ersten Zwischenbericht über die Umsetzung der Kohäsionspolitik sein. Wir erwarten, dass die Kommission den Bericht im Juni vorstellen wird.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich danke dem Herrn Minister für die Wiederholung aller im Rahmen der Strukturfonds und des Europäischen Sozialfonds geplanten Maßnahmen. Ich wollte wissen, ob die Präsidentschaft und der Rat sich bewusst sind, dass bestimmte Regionen Europas weiterhin unbewohnt sind. Sie gehören natürlich zu Nationalstaaten, aber dies lässt die EU verarmen und macht sie zu einem Anziehungspunkt für Menschen aus anderen Regionen. Dieses Thema betrifft uns alle, da es sich nicht nur auf jeden einzelnen Staat bezieht. Aus diesem Grund frage ich, ob die Präsidentschaft beabsichtigt, sich in besonderem Maße für diese Angelegenheit zu interessieren.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich danke Ihnen für diese Zusatzfrage, Frau Panayotopoulos. Der Ratsvorsitz ist sich der Tatsache bewusst, dass es in manchen Regionen keine erwerbstätige Bevölkerung mehr gibt. Ich möchte jedoch nochmals betonen, dass es bei den Mitgliedstaaten liegt, die die erforderlichen Maßnahmen vorschlagen, eine solche Entwicklung zu verhindern. Andererseits müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir die Menschen nicht zwingen können, in bestimmten Regionen zu leben und zu arbeiten.
Das ist ein ernsthaftes Problem, das es zu lösen gilt. Ich wiederhole, dass die Maßnahmen der Kohäsionspolitik Lösungen bieten, aber es liegt bei den Mitgliedstaaten, zu entscheiden, welche dieser Lösungen sie im konkreten Fall vorschlagen.
Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Minister, ich darf Ihnen jetzt bezüglich Ihrer letzten Anmerkungen widersprechen. Natürlich sind die einzelnen Staaten verantwortlich, aber dafür, dass diese Regionen ausdünnen, ist auch etwas verantwortlich, was in der Europäischen Union passiert, nämlich diese Liberalisierung, mit der wir konfrontiert sind. Die Post verschwindet aus den kleinen Orten, weil es sich nicht mehr rentiert, die Gemeindesparkassen verschwinden, das Gemeindehallenbad verschwindet, weil die Daseinsvorsorge vielleicht privatisiert wird. Das sind alles Dinge, die das Leben in diesen Gemeinden doch etwas weniger lebenswert machen. Ich habe das selbst erlebt, ich komme auch aus den Bergen. Deshalb will ich die Frage stellen, ob man sich hier auf Ratsebene etwas überlegt hat.
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir vielleicht eine kurze Anmerkung zur vorherigen Frage: Auch in Graz wird man fünf Meter mit dem Bus geführt! Sie stehen also nicht allein da. Es wird der gleiche Unsinn behauptet, nämlich, dass daran die Schengener Abkommen schuld seien – was natürlich nicht stimmt.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich glaube, es waren 20 Meter, nicht fünf, aber auch das ist eine zu kurze Strecke. Wie ich bereits erwähnte, möchte ich nicht über die Vorgänge am Flughafen von Ljubljana diskutieren. Es handelt sich dabei schließlich um ein unabhängiges Unternehmen, das seinen eigenen Betriebsvorschriften folgt. Jedoch möchte ich wiederholen, dass die Kohäsionspolitik der Europäischen Union Lösungen vorsieht, wie die Mitgliedstaaten mit dem Problem, das Frau Panayotopoulos angesprochen hat, umgehen können. Wie erfolgreich sie dabei sind, ist eine ganz andere Frage.
Sie haben die Postdienste erwähnt, ein sehr interessanter Punkt. Ich muss jedoch betonen, dass auch die Richtlinie über Postdienste, die das Europäische Parlament ebenfalls in diesem Jahr erlassen hat, sich mit diesem Problem befasst. Ein wichtiges Element der Richtlinie ist die Gewähr, dass die Postdienste auch nach der Marktöffnung eine flächendeckende Versorgung sicherstellen. Das von Ihnen angesprochene Problem wird durch diese Richtlinie daher angemessen gelöst.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 3 von Hélène Goudin (H-0161/08)
Betrifft: Vertrag von Lissabon
In Artikel 1 Nummer 24 betreffend KAPITEL 1 Artikel 10a Absatz 2 (Grundsätze und Ziele) ist formuliert, dass die Union tätig werden soll, um „f) zur Entwicklung von internationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen beizutragen, um eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen“.
Ist der Rat der Ansicht, dass dies beinhaltet, dass es als vertragswidrig angesehen werden kann, wenn die EU eine speziell, über ein vollständig harmonisiertes Niveau hinaus gehende Umweltmaßnahme verbietet?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die Anfrage von Frau Goudin betrifft eine Angelegenheit, die außerhalb der Zuständigkeit des Rates liegt. Der Rat als solcher hat an der Regierungskonferenz nicht teilgenommen, die den Entwurf des Vertrags von Lissabon erarbeitet hat, sondern die Regierungen der Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass der Vertrag von Lissabon bekanntlich noch gar nicht in Kraft ist. Wenn er in Kraft tritt – und wir hoffen, dass das bald und im vorgesehenen Zeitrahmen der Fall sein wird –, wird es die Aufgabe des Gerichtshofes sein, sich mit der Auslegung seiner Bestimmungen zu befassen. Darum ging es Frau Goudin wohl mit ihrer Frage.
Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Minister! Wir haben heute viele Einschätzungen darüber gehört, wie ähnlich sich die alte Verfassung und der vorgesehene neue Vertrag von Lissabon seien. Könnten Sie uns Ihre eigene Meinung dazu mitteilen, wie ähnlich sich die beiden Dokumente nun wirklich sind?
Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Frau Präsidentin! Meines Erachtens sollten wir durchaus Fragen zur Auslegung des Vertrags stellen dürfen, der jetzt unter einem anderen Namen vorgelegt wird, aber dennoch derselbe ist, und der Rat sollte in der Lage sein, diese zu beantworten. Meine ergänzende Frage zur Anfrage Nummer 3 lautet folgendermaßen: Bedeutet diese Formulierung, dass die EU nicht nur die Ziele der globalen Umweltpolitik festlegt, sondern auch die Mittel, die die Mitgliedstaaten zum Erreichen dieser Ziele anwenden sollen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die Frage, wie ähnlich oder unähnlich der Vertrag von Lissabon dem früheren Verfassungsvertrag ist, hängt in erster Linie von persönlichen Eindrücken ab. Er unterscheidet sich vom Verfassungsvertrag, enthält aber einige ähnliche oder sogar übereinstimmende Lösungen. Ich werde mich auf die folgenden Tatsachen beschränken.
Er unterscheidet sich insofern, als dass er nicht die Art von Vertrag ist, die alle bisherigen Verträge ablöst. Das ist eine klassische Methode der Anpassung wesentlicher europäischer Verträge. Er unterscheidet sich, weil die Idee einer Verfassung fallengelassen wurde und von einer Verfassung der Europäischen Union nicht länger die Rede ist, sondern stattdessen von einem klassischen Vertrag.
Gemeinsamkeiten oder Entsprechungen finden sich in zahlreichen Lösungen, darunter institutionellen Lösungen, funktionellen Lösungen sowie Lösungen im Bereich der Vereinfachung, der Annahme von Beschlüssen und hinsichtlich einer Verstärkung der Rolle der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments. Der Vertrag unterscheidet sich daher zwar von dem bisherigen Verfassungsvertrag, bietet aber einige ähnliche oder sogar übereinstimmende Lösungen.
Was die zweite Frage betrifft, so habe ich der Formulierung der Anfrage von Frau Goudin besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und ich möchte darauf hinweisen, dass diese Bestimmung die Unterstützung der Union bei der Gestaltung internationaler Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Qualität der Umwelt, der nachhaltigen Entwicklung usw. betrifft. Mit anderen Worten: Die Union schreibt nicht vor oder ordnet an, sondern leistet Hilfestellung. Ich denke, diese Formulierung spricht für sich selbst.
Die Präsidentin. − Zu dieser speziellen Frage werde ich nur noch eine Zusatzfrage zulassen. Es hat eine ganze Flut von Meldungen gegeben, aber ich werde auf politische Ausgewogenheit achten und berücksichtigen, wer bereits eine Frage gestellt hat.
Jens Holm (GUE/NGL). – (SV) Frau Goudin greift hier eine ausgezeichnete Formulierung auf. Es ist fantastisch, dass wir die Umwelt schützen und verbessern wollen, das ist eine gute Formulierung im Vertrag von Lissabon. Das ständige Problem mit der EU-Umweltpolitik taucht dann auf, wenn Umweltmaßnahmen im Widerspruch zum Binnenmarkt stehen. Kürzlich hat Kommissar Verheugen erklärt, dass die Kommission in den letzten fünf Jahren insgesamt 19-mal Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof wegen ihrer Umweltschutzbestimmungen verklagt habe. In allen 19 Fällen urteilte der Gerichtshof für den Binnenmarkt und gegen die Umwelt. Ich frage mich, ob dadurch die Umweltgarantie irgendwie gestärkt wird. Können wir angesichts einer solchen Formulierung behaupten, dass die Umwelt den Forderungen des Marktes übergeordnet ist? Könnten Sie uns dazu bitte etwas sagen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ja, ich möchte Herrn Holm mitteilen, dass ich mit ihm völlig einer Meinung bin. Es trifft tatsächlich zu, dass Konflikte zwischen den in verschiedenen Bereichen geltenden Rechtsnormen entstehen können, selbst im Hinblick auf die Beschaffenheit der Rechtsnorm. Diese Norm oder diese Bestimmung des Vertrags von Lissabon, der – darauf möchte ich erneut hinweisen – noch nicht in Kraft ist, spricht von der Unterstützung der Union. Die Rechtsnorm unterscheidet sich von einer Anordnung oder einem Verbot. Die größte Anzahl der Anordnungen oder Verbote betrifft im Übrigen den gemeinsamen Markt.
Es ist eine Tatsache, dass verschiedene Rechtsnormen miteinander kollidieren können, aber Tatsache ist auch, dass es in der Natur der Dinge liegt, diese Konflikte vom Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht lösen zu lassen. Es gibt einen Weg, die Gefahr eines Konflikts bei der Formulierung der Rechtsnormen zu vermeiden, aber das ist Sache der Europäischen Kommission, denn sie allein hat das legislative Initiativrecht. Nach meiner Überzeugung wird sie, wenn sie von diesem Recht Gebrauch macht, alles tun, um mögliche Konflikte zu vermeiden.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 4 von Marian Harkin (H-0163/08)
Betrifft: Vertrag von Lissabon
Ist der Rat der Auffassung, dass die Fragen, u. a. 33 Punkte zum Vertrag von Lissabon, die einer Klärung bedurften, die der slowenische Ratsvorsitz den Mitgliedstaaten unterbreitet hat, angemessen beantwortet wurden?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die Anfrage von Frau Harkin bezieht sich auf die Punkte, zu denen der slowenische Ratsvorsitz die Mitgliedstaaten befragt hat. Das geschah im Rahmen der fachlichen Arbeit, die nötig ist, um das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon vorzubereiten. Diese Arbeit sollte im Vorfeld stattfinden, wenn wir den Vertrag in vollem Umfang umsetzen möchten. Sie begann im Januar gemäß dem Mandat, das der Europäische Rat dem slowenischen Ratsvorsitz im Dezember des vergangenen Jahres erteilt hat.
Ich muss betonen, dass dieses Vorgehen rein vorläufiger Natur ist. Vorläufig deshalb, weil der Vertrag bekanntlich erst dann in Kraft tritt, wenn er von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Dennoch berichtet der Rat dem Büro des Präsidenten des Europäischen Parlaments in regelmäßigen Abständen über diese vorläufigen vorbereitenden, bzw. fachlichen Arbeiten, insbesondere dann, wenn es um Fragen geht, die für das Europäische Parlament von Belang sind.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Es freut mich, dass der slowenische Ratsvorsitz gute Fortschritte macht. Ich möchte dem Herrn Minister gegenüber nur ein oder zwei Dinge ansprechen, die in Irland gerade kontrovers diskutiert werden. Ich bitte den slowenischen Ratsvorsitz um Klärung dieser beiden Punkte.
Der erste Punkt betrifft die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage und die Steuerharmonisierung. Können Sie bestätigen, dass jedes Land in diesen Angelegenheiten über ein Vetorecht verfügt?
Zweitens möchte ich Ihnen eine Frage zum Protokoll über den EURATOM-Vertrag stellen, das dem Vertrag von Lissabon beigefügt ist. Würden Sie mir erläutern, ob dieses Protokoll in irgendeiner Weise den Inhalt oder die Verfahren des EURATOM-Vertrags ändert oder ergänzt und ob es irgendwelche Änderungen an der Rechtsgrundlage oder Auswirkungen irgendeiner Art beinhaltet, insbesondere im Hinblick auf die Kernkraft?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. – (EN) Ich werde eine Ausnahme machen und auf Englisch antworten, Frau Harkin, um weitere Missverständnisse zu vermeiden und mich so deutlich wie möglich zu den Angelegenheiten zu äußern, die Sie zur Sprache gebracht haben.
Zunächst zu Ihrer Frage bezüglich Steuern: Zurzeit verfügt jeder Mitgliedstaat bei steuerrelevanten Fragen über ein Vetorecht, sei es in Bezug auf die gemeinsame Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, die Steuerharmonisierung oder jede andere Frage, die das Steuerwesen betrifft. Das wird auch so bleiben, wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt. Der Vertrag von Lissabon ändert daran nichts. Auf dem Gebiet des Steuerwesens bleibt das Verfahren zur Entscheidungsfindung unverändert: Entscheidungen können nur von allen Mitgliedstaaten – und dazu gehört selbstverständlich auch Irland – einstimmig getroffen werden.
Hinsichtlich Ihrer zweiten Frage verhält es sich genauso: Der Energiemix, die Wahl der Energieträger ist und bleibt die souveräne Entscheidung der Mitgliedstaaten. Jedem Mitgliedstaat steht es frei, sich für die Kernkraft zu entscheiden und sie in seinen Energiemix aufzunehmen, und jedem Mitgliedstaat steht es frei, sich dagegen zu entscheiden. Das wird sich auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht ändern.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) In Anbetracht der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten um Klärung gewisser Punkte des Vertrags von Lissabon gebeten haben, frage ich mich, ob ich auch um Klärung bitten darf, insbesondere im Hinblick auf die Überbrückungsklausel. Es gibt viele Gebiete, auf denen die EU sich Zuständigkeiten wünscht, jedoch über keine Rechtsgrundlage verfügt, und das ist in den vergangenen Jahren schon häufig Anlass für Kritik gewesen und oft hinterfragt worden. Aber befürchten Sie nicht, dass die EU durch die Überbrückungsklausel neue Zuständigkeiten erhalten kann, ohne sich mit den nationalen Parlamenten abstimmen zu müssen? Befürchten Sie nicht, dass sie die Stellung der nationalen Parlamente und der Demokratie in der gesamten EU untergräbt?
Jim Allister (NI). – (EN) Kann der Minister sich dazu äußern, warum man es für notwendig hielt, während des Referendums in Irland ein Moratorium über schlechte Nachrichten und kontroverse Vorschläge aus Brüssel zu erlassen?
Ist die Angst vor den Menschen so groß, dass der Rat und die Kommission es für angebracht halten, sie im Dunkeln zu lassen? Können Sie uns mitteilen, für welche Vorschläge dieses Moratorium gilt, und, im Speziellen, ob auch solche dazu gehören, die sich auf die Harmonisierung der Körperschaftssteuer-Bemessung beziehen? Wenn ja, warum?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) In Bezug auf die Frage von Herrn Kamall möchte ich Folgendes betonen: Die „Überleitungsklausel“ ermöglicht es den Mitgliedstaaten, sich auf einen Beschluss zu verständigen, der eine bestimmte Maßnahme auf Unionsebene erlaubt. Ich halte es für falsch, davon auszugehen, dass dies ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente geschehen könnte. Wenn jemand beabsichtigen würde, eine Maßnahme ohne die Zustimmung des nationalen Parlaments durchzuführen, würde diese Maßnahme im eigenen Land keine Unterstützung finden.
Erlauben Sie mir auch den Hinweis, dass der Vertrag von Lissabon die Rolle der nationalen Parlamente verstärken wird, da er sie direkter an den Mechanismen der Europäischen Union beteiligt. Diese „Überleitungsklausel“ wird zudem der erwähnten größeren Rolle der nationalen Parlamente untergeordnet.
Zu Herrn Allister muss ich sagen, dass mir von einem solchen Moratorium nichts bekannt ist. Niemand, weder der Rat noch der Ratsvorsitz, hat irgendwelche Beschlüsse zu einem Moratorium über schlechte Nachrichten oder brisante Themen gefasst.
Die Frage nach der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, die Sie als Beispiel anführen, ist keine neue Frage. Über diese Angelegenheit wird nun schon seit einer Weile diskutiert, seit Jahren, um genau zu sein, und es gibt noch immer keine Einigung. Ohne Einigung gibt es keinen Fortschritt. Wie ich bereits in der Antwort auf eine frühere Frage ausgeführt habe, gehören Steuerangelegenheiten nämlich zu den Fragen, in denen die Europäische Union Beschlüsse ausschließlich einvernehmlich fasst. Das hat sich nicht geändert und wird sich auch nicht ändern, weder infolge des Referendums in Irland noch danach.
Die Präsidentin. − Die nächsten beiden Anfragen werden gemeinsam behandelt. Sie beziehen sich auf die Menschenrechte in China. Die erste stammt von Frau Doyle, die zweite von Herrn Evans.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 5 von Avril Doyle (H-0165/08)
Betrifft: Menschenrechte in China
Am 17. Januar verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung (P6_TA(2008)0021), in der China nachdrücklich aufgefordert wurde, „die Olympischen Spiele 2008 nicht als Vorwand zu benutzen, um Bürgerrechtler, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die entweder über Menschenrechtsverletzungen berichten oder dagegen demonstrieren, widerrechtlich festzunehmen und zu inhaftieren“.
Welche Schritte hat der Rat auf Grund der Entschließung des Parlaments unternommen? Welche Reaktionen hat der Rat gegebenenfalls von den chinesischen Behörden erhalten? Ist der Rat der Auffassung, dass die chinesischen Behörden ausreichende Bemühungen unternehmen, um den Grundsätzen der Olympischen Charta gerecht zu werden?
Anfrage Nr. 6 von Robert Evans (H-0184/08)
Betrifft: Menschenrechte in China
Anfang 2007 sammelte der Menschenrechtsaktivist Yang Chunlin Unterschriften für eine Petition mit der Überschrift „Wir wollen Menschenrechte, keine Olympischen Spiele“. Im Juli desselben Jahres wurde er unter dem Verdacht der Subversion verhaftet und befindet sich nach wie vor in einer Haftanstalt in Jiamusi City.
Teilt der Rat die tiefe Besorgnis des Fragestellers angesichts der immer noch andauernden Inhaftierung von Yang Chunlin sowie der Art und Weise, wie er behandelt wird? Teilt der Rat die Auffassung des Fragestellers, dass die Inhaftierung von Menschenrechtsaktivisten den Versprechen zuwiderläuft, die von zahlreichen chinesischen Funktionären im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking gemacht wurden?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Wie die beiden MdEP, die diese Fragen gestellt haben, ist auch der Rat besorgt über die Verfolgung chinesischer Menschenrechtsaktivisten. Was die Verpflichtungen Chinas im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen betrifft, so sind diese Sache des Internationalen Olympischen Komitees. Wir können jedoch sagen, dass die jüngsten repressiven Maßnahmen gegen Menschenrechtler und andere Aktivisten Zweifel an Chinas Bereitschaft aufkommen lassen, seine auf internationalen Menschenrechtsstandards basierenden Versprechungen zu erfüllen. Dazu gehört der Schutz des legitimen Rechts der Bürger auf freie Meinungsäußerung.
Ebenso besorgt sind wir über die Fälle von Vertreibung und Verfolgung, einschließlich derer, die mit der Errichtung olympischer Gebäude im Zusammenhang stehen. In Übereinstimmung mit den Leitsätzen über den Umgang mit Menschenrechtlern verfolgen die Leiter der Missionen der EU-Mitgliedstaaten nach China die Lage von Personen wie Yang Chunlin und Hu Jia sehr genau. Der Rat der Europäischen Union weist die chinesischen Behörden fortwährend, und auf verschiedene Weise mahnend auf Fälle hin, die Anlass zur Besorgnis geben.
Nachdem Hu Jia im Dezember verhaftet wurde, äußerte sich der Rat mehrfach zu seinem Fall, jedoch ohne eine zufriedenstellende Reaktion. Der Rat wird diese beiden Fälle sehr aufmerksam verfolgen und versuchen, sich hier einzuschalten.
Wir sollten jedoch auch einige positive Fälle erwähnen, zum Beispiel die schnelle Freilassung chinesischer Journalisten, darunter Yu Huafeng und Ching Cheong. Wir begrüßen auch die Änderung des Medienrechts in Form einer vorübergehenden Lockerung der Beschränkungen für ausländische Journalisten im Vorfeld der Olympischen Spiele.
In der letzten Runde der Menschenrechtsgespräche zwischen der Europäischen Union und China im Oktober 2007 forderte die Troika der Europäischen Union China auf, die Bestimmungen hinsichtlich ausländischer Journalisten auch nach dem Ende der Spiele aufrecht zu erhalten. Die chinesische Delegation versicherte, dass die Arbeitserleichterungen für Journalisten auch nach dem Oktober dieses Jahres noch gelten würden. Der Rat wird diese Angelegenheit mit den chinesischen Behörden sicherlich noch einmal erörtern.
Ihnen ist wahrscheinlich bekannt, dass der Rat gegenwärtig die nächste Runde der Menschenrechtsgespräche zwischen der Europäischen Union und China vorbereitet. Diese Gespräche werden am 15. Mai in Ljubljana stattfinden. Die EU-Troika beabsichtigt, dort über die derzeit am meisten Besorgnis erregenden Themen zu sprechen, insbesondere Redefreiheit, Kontrolle des Internet, die Frage der Bestimmungen für ausländische Journalisten, das Recht, sich friedlich zu versammeln und die Rolle der Zivilgesellschaft. Die EU wird besonderes Augenmerk auf das Problem der Rechte von Menschenrechtsaktivisten richten. Ich kann Ihnen versichern, dass die EU-Troika bei diesen Gesprächen im Hinblick auf die angesprochenen Themen ihr Möglichstes tun wird und ihre Besorgnis den Vertretern der chinesischen Regierung unmissverständlich kundtun wird.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) „Das Ziel der Olympischen Spiele ist es, den Sport überall in den Dienst einer harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen […]“, und „Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar“ – zwei elementare Grundsätze der Olympischen Charta, die die Chinesen unterzeichnet haben. Wenngleich ich mir wünsche, dass die Olympischen Spiele ein großer Erfolg werden – und ich finde nicht, dass wir ihren Boykott anstreben sollten – sollten wir nicht davor zurückschrecken, die chinesischen Behörden zu erinnern, dass sie größere Anstrengungen unternehmen müssen, durch ein freies und gerechtes Rechtssystem, freie Medien, bessere Behandlung der Tibeter und anderer ethnischer Minderheiten, artgerechte Tierhaltung usw., die menschliche Würde zu achten. Wir müssen außerdem die gewaltigen Herausforderungen anerkennen, denen China im Hinblick auf Demografie, Umwelt und Modernisierung gegenübersteht. Aber gibt der Rat mir Recht, dass China, als Teil diese Prozesses, in der Lage sein muss, berechtigte Kritik anzunehmen, wenn es versäumt, die Verpflichtungen, die es unterzeichnet hat, einzuhalten, zum Beispiel die elementaren Grundsätze der Olympischen Charta?
Robert Evans (PSE). – (EN) Der Minister sagte, er habe von den chinesischen Behörden bislang noch keine befriedigenden Antworten erhalten. Wird er in den kommenden Wochen und Monaten mit Nachdruck den Dingen nachgehen, zu denen er bislang keine Antworten erhalten hat? Er ist sich sicher bewusst, dass China im Vorfeld seiner Bewerbung um die Olympischen Spiele viele Versprechen bezüglich der Verbesserung seiner Menschenrechtsbilanz gemacht hat – Zusicherungen, die bislang, wie wir wissen, noch nicht erfüllt wurden.
Jetzt ist der richtige Augenblick, um noch vor Beginn der Spiele tätig zu werden, denn danach ist es zu spät. Wenn am 15. Mai diese Gespräche geführt werden, wird dort auch darüber diskutiert werden, welche positiven Schritte unternommen werden können, um den Druck auf China im Hinblick auf die Redefreiheit, die Rechte der Journalisten, das Recht auf Demonstrationsfreiheit usw. zu erhöhen?
Wird er sie auch bezüglich ihrer Anwendung der Todesstrafe unter Druck setzen? Denn die Zahlen, die dazu existieren, besagen, dass China zurzeit mehr Menschen hinrichtet als der Rest der Welt zusammengenommen. Wir können dort keine Olympischen Spiele austragen, ohne den chinesischen Behörden diese Botschaft mit aller Macht übermittelt zu haben.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Zur Anfrage von Frau Doyle: Wie ich in meiner ersten Antwort sagte, ist die Olympische Charta Sache des Internationalen Olympischen Komitees. Dieses Gremium ist befugt, tätig zu werden, falls es der Ansicht ist, dass ein Verstoß gegen die Olympische Charta vorliegt.
Zur Anfrage von Herrn Evans: Die Europäische Union beobachtet die Menschenrechtslage. Ich habe bereits mitgeteilt, dass die Menschenrechtsgespräche zwischen der EU und China am 15. Mai stattfinden werden. Dabei wird es auch um freie Meinungsäußerung, Kontrolle des Internet, die Bestimmungen für ausländische Journalisten, das Recht, sich friedlich zu versammeln und die Rolle der Zivilgesellschaft gehen. Dies ist keine vollständige oder alleingültige Liste – es können durchaus auch andere Aspekte besprochen werden. Was die Todesstrafe anbetrifft, so ist der Standpunkt der Europäischen Union klar, und die EU vertritt und bekräftigt ihn konsequent in allen multilateralen und bilateralen Foren.
Justas Vincas Paleckis (PSE). – (LT) Herr Minister! Sie haben erwähnt, es würde Bestrebungen geben, die chinesische Regierung zu beeinflussen. Wie wahr. Die Störungen des olympischen Fackellaufs haben jedoch gezeigt, dass möglicherweise das chinesische Fernsehen während der Olympischen Spiele nicht nur die Wettkämpfe der Athleten überträgt, sondern auch Bilder vom harten Vorgehen der Polizei auf den Straßen und Plätzen sowohl gegen chinesische Bürger als auch gegen Touristen. Halten Sie es angesichts dieser Situation für eher machbar, Druck auf China auszuüben, oder den Weg diplomatischer Verhandlungen einzuschlagen?
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Es heißt, wenn man in China eine Organtransplantation benötigt, werde einem zugesagt, dass in Kürze ein Organ verfügbar sein werde, und es besteht der Verdacht, dass sie Menschen sozusagen auf Bestellung töten. Menschen, die zum Tode verurteilt wurden, werden hingerichtet, um diesen Bedarf zu decken.
Gestern haben ein anderer Kommissar und ich an dieser Stelle diskutiert, dass reine Propaganda uns bei China nicht weiterbringt. Können wir also davon ausgehen, dass der Rat im Hinblick auf China andere Formen der Diplomatie verfolgen wird, weil die uns weiterbringen? Werden Sie insbesondere auf diese Bedenken eingehen, die beim Rat und der Kommission schon zuvor dokumentiert und angesprochen wurden?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Bezüglich der Anfrage von Herrn Paleckis: Ich glaube, die Antwort ist hier sehr einfach. Wir dürfen den Weg der Diplomatie nie verlassen, denn sie ist ein Mittel des Meinungsaustauschs, der Überzeugung und des Erreichens von Ergebnissen. Daher ist die Antwort einfach. Wie wir bereits erwähnt haben, betreibt der Rat einen intensiven Dialog zwischen der Europäischen Union und China. Dieser Dialog ist noch nicht abgeschlossen, und im kommenden Monat wird ein neues Kapitel eingeleitet. Wir möchten diesen Dialog fortführen, bei dem die Menschenrechte das zentrale Element sind, und das werden sie auch bleiben.
Zur Anfrage von Herrn Mitchell kann ich nichts sagen, da der Rat über dieses Phänomen noch nicht gesprochen und keine Meinung dazu hat. Sie werden mir wahrscheinlich Recht geben, Herr Mitchell, dass ich mich zu Informationen und Zahlen, die in den Medien oder anderswo veröffentlicht werden, nicht äußern kann.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Ratspräsident, Sie haben richtig gesagt, dass der Dialog in Wahrheit zur Konfliktlösung beitragen kann. Meine Frage ist: Können Sie sich vorstellen, dass wir gemeinsam mit China neue Plattformen – sei es im Bereich der Bildung oder der Forschung – kreieren? Das Voneinander-Lernen und Einanderverstehen sollte im Mittelpunkt stehen. Wir haben ja international nicht nur Sport, Musik und Wirtschaft, sondern es geht um die persönlichen, zwischenmenschlichen Beziehungen. Hier brauchen wir neue Plattformen.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) Ich möchte die Frage aufgreifen, die mein Kollege, Herr Evans, gestellt hat. Wenn die Chinesen auf die Punkte, die mein Kollege dargelegt hat, nicht in befriedigender Weise eingehen, welche Maßnahmen sollten der Rat und die EU-Mitgliedstaaten nach Ansicht des Ministers ergreifen?
Wenn er der Meinung ist, dass er diese Frage im Moment nicht beantworten kann, welche Maßnahmen sollte der Rat seiner Ansicht nach anstreben? Oder werden wir hier einfach herumsitzen, ohne Widerworte hinnehmen, was immer uns die Chinesen erzählen, und uns die Olympischen Spiele ansehen? Was sollen wir unternehmen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) In gewisser Weise sind die Fragen von Herrn Rübig und Herrn Kamall miteinander verknüpft. Die Frage lautete, was wir tun können, wenn wir keine zufriedenstellenden Antworten erhalten, und eine der Möglichkeiten besteht sicherlich darin, die Anfrage zu wiederholen. Sie fragten nach neuen Plattformen für den Dialog mit China – ja, natürlich können wir uns die vorstellen, wenn der Bedarf besteht und sich der Rat und die chinesische Delegation über eine solche Ausweitung des Dialogs einig sind. Ich halte es jedoch für entscheidend, dass der Dialog fortgeführt wird. Dies ist die gemeinsame Antwort auf die Fragen der beiden Herren. Der Rat ist entschlossen, den Dialog fortzuführen und sich mit dem Thema Menschenrechte auseinanderzusetzen.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 7 von Koenraad Dillen (H-0233/08)
Betrifft: Tibet
Bei der gewalttätigen Unterdrückung der Unruhen seinerzeit in Myanmar zeigte die EU eine energische Reaktion. Es wurden wirtschaftliche Sanktionen verhängt und ein EU-Sondergesandter für das Land ernannt.
Im Falle Chinas spricht der Rat eine viel weniger forsche Sprache. Die Sprecherin des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana ließ wahrhaftig verlauten, die Beziehungen zwischen der EU und China seien völlig anders als die Beziehungen zwischen der EU und Myanmar.
Besteht nach Auffassung des Rates zwischen Myanmar und China im Hinblick auf die massiven Menschenrechtsverletzungen und das gewalttätige Auftreten der Staatsmacht ein Unterschied? Welche Verbesserungen hat der politische Dialog im Bereich der Menschenrechtslage und der Stellung der tibetischen Sprache und Kultur bewirkt? Wie steht der Rat zu dem Vorschlag von Amnesty International, internationale Beobachter nach Tibet einreisen zu lassen, um eine Untersuchung zu ermöglichen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Wie das Europäische Parlament ist auch der Rat beunruhigt über die jüngsten Vorfälle und Menschenrechtsverletzungen in Tibet.
Am 19. März, nur wenige Tage nach den Ereignissen, gab der Rat im Namen der Europäischen Union eine Erklärung ab, in der er zur Zurückhaltung aufrief. An die Regierung Chinas richtete er die Aufforderung, auf die Befürchtungen der Tibeter hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte zu reagieren. Er appellierte an die Regierung Chinas und den Dalai Lama, in einen konkreten und konstruktiven Dialog zu treten, der eine für alle Seiten vertretbare, dauerhafte Lösung bewirken solle, die die tibetische Kultur, Religion und Identität vollständig achtet. Der slowenische Ratsvorsitz gab im Namen der Europäischen Union während der Tagung des Menschenrechtsrates am 25. März in Genf eine ähnliche Erklärung ab.
Die Forderungen nach einer Untersuchung der Reaktion Chinas auf die Ereignisse in Tibet durch die Vereinten Nationen sind uns bekannt. Der Rat hat die chinesische Regierung aufgerufen, die Zugangsbeschränkungen zur Region aufzuheben, wodurch eine unabhängige Bewertung der Lage ermöglicht würde. Die Menschenrechtsgespräche zwischen der Europäischen Union und China, die heute schon mehrfach erwähnt wurden und am 15. Mai in der slowenischen Hauptstadt, Ljubljana, stattfinden werden, bieten eine weitere Möglichkeit, über die Situation in Tibet und andere dringende Themen zu sprechen, etwa die Lage der Menschenrechtler. Die Troika der Europäischen Union wird darauf bestehen, dass ausländische Journalisten gemäß den neuen Bestimmungen, die im Vorfeld der Olympischen Spiele erlassen wurden, nach Tibet einreisen dürfen.
Die Europäische Union und China werden in Ljubljana über die Internetzensur sprechen und so die Debatte fortführen, die wir während der letzten Runde des Dialogs im Oktober des vergangenen Jahres begonnen haben.
Es ist wichtig, den Menschenrechtsdialog im Kontext eines breiter angelegten Dialogs zwischen der EU und China über Menschenrechte, Reformen sowie politische und soziale Fortschritte zu bewerten. Die Probleme, die den Unruhen zugrunde liegen, die wir in Tibet erlebt haben, werden im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit China regelmäßig besprochen. Diese Probleme betreffen die Freiheit der Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften, Minderheitenrechte und kulturelle Rechte. Die Troika der EU hat in der letzten Gesprächsrunde im Oktober des vergangenen Jahres mit den chinesischen Behörden eine äußerst offene Diskussion über die Einschränkung der Religionsfreiheit geführt.
Zu den jüngsten positiven Veränderungen im Bereich der Menschenrechte gehört auch die Tatsache, dass in diesem Jahr ein neues Arbeitsgesetz in Kraft getreten ist und die Zuständigkeit für die Überprüfung von Todesurteilen wieder dem Obersten Volksgericht übertragen wurde. Infolgedessen ist die Zahl der Hinrichtungen gesunken.
Abschließend möchte ich betonen, dass die Europäische Union die Lage in Birma mit der gleichen Aufmerksamkeit verfolgt wie die in Tibet. Was Letzteres betrifft, so unterstützt die Europäische Union aktiv die Bemühungen der Vereinten Nationen, den Übergang zu Demokratie, Aussöhnung und Entwicklung des Landes zu beschleunigen, und führt zur Zeit Gespräche mit ihren Partnern in Asien.
Koenraad Dillen (NI). – (NL) Ich möchte dem Herrn Minister für seine Antwort danken, die recht ausführlich war, aber leider nicht auf den Kern der Sache einging. Wir sind uns hier in diesem Saal alle einig, dass wir über die Menschenrechtslage in Birma und in China besorgt sein müssen. Ob eine positive Veränderung im Gange ist, wage ich zu bezweifeln. Ich möchte darauf hinweisen, dass die französische Zeitung Libération noch vor einigen Wochen auf der Titelseite Fotos der Gerätschaften zeigte, mit denen tibetische Gefangene in China gefoltert werden. Ich bezweifle daher, dass es eine positive Veränderung gibt.
Ich möchte meine Frage jedoch etwas konkreter formulieren. Warum misst die Europäische Union mit zweierlei Maß, wenn sie beispielsweise gegenüber Birma zu Recht sehr streng mit wirtschaftlichen Sanktionen auftritt, während dies gegenüber China nicht der Fall ist? Könnte es sein, dass wir, sobald große wirtschaftliche Interessen im Spiel sind, etwas weniger prinzipiengetreu sind, wenn es um Menschenrechte geht?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Was den Vorwurf der Doppelmoral anbelangt, Herr Dillen, kann ich Ihnen nicht beipflichten. Ich bin nicht der Ansicht, dass die Europäische Union mit zweierlei Maß misst. Wäre das der Fall, hätte der slowenische Ratsvorsitz bei der Tagung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen am 25. März in Genf nicht im Namen der Europäischen Union zu dem von Ihnen erwähnten Thema gesprochen.
Wenn es um Menschenrechte geht, ist es das Bestreben der Europäischen Union, in allen Drittländern die gleichen Normen zu erreichen. Die Frage ist, mit welchen Mitteln dies bewirkt werden soll. Das ist von Fall zu Fall verschieden. Wenn wir uns für die Einführung bestimmter Hebel oder Maßnahmen entscheiden, ist es wesentlich, die Wahrscheinlichkeit zu erwägen, mit der das angestrebte Ergebnis erzielt werden kann.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 8 von Colm Burke (H-0167/08)
Betrifft: Menschenrechte im Tschad
Kann der Rat im Einzelnen genauestens darlegen, wie er den diplomatischen Druck zur Erreichung einer Feuereinstellung im Tschad erhöht, um die in Bedrängnis geratenen Zivilisten zu schützen und die diplomatischen Bemühungen zur Friedenssicherung zu verstärken?
Staatliche Sicherheitskräfte haben am 3. Februar im Tschad zwei Oppositionspolitiker festgenommen, von denen die Regierung des Tschad behauptet, sie nicht gefangen zu halten. Wie gewährleistet der Rat die Freiheit der politischen Opposition nach den nach dem Anfang Februar durchgeführten Putschversuch vorgenommenen Arretierungen, die Teil der Niederschlagung politischer Gegner in der Hauptstadt N’Djamena waren?
Präsident Deby hat am 14. Februar den Ausnahmezustand erklärt, wodurch seiner Regierung besondere Befugnisse zur Zensierung der Medien, zur Durchführung von Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen sowie zur sehr strengen Überwachung jeglicher Bewegung im Tschad erteilt wurden. Wie gewährleistet der Rat, dass die Deby-Administration nicht mittels dieser neuerlich ausgeweiteten Rechte die Menschenrechte der Bürger des Tschads verletzt?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Der Rat verfolgt sehr aufmerksam die Lage im Tschad hinsichtlich der Bürgerrechte, insbesondere seit die tschadischen Behörden den Notstand ausgerufen haben. Wie wir wissen, wurde der Notstand am 16. März aufgehoben. Der Rat forderte Präsident Déby auf, die Grundrechte und -freiheiten zu achten, Zurückhaltung zu üben und die Gefangenen umgehend freizulassen. Derzeit wird nur noch eine Person vermisst.
Am 13. August des vergangenen Jahres wurde ein Abkommen mit fast allen politischen Oppositionsparteien erzielt. Der Rat ruft die Unterzeichner des politischen Abkommens unverändert auf, seine Umsetzung fortzusetzen, ungeachtet der Unterbrechungen, zu denen es aufgrund gewaltsamer Konflikte mit Rebellengruppen gekommen ist. Die Fortführung der Umsetzung des Abkommens bezieht sich auch auf die Bestimmungen für die Förderung demokratischer Freiheiten und der Redefreiheit. Der Rat beteiligt sich an internationalen Bemühungen, diese Entwicklung zu fördern, sowie insbesondere daran, das Vertrauen der politischen Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft zu gewinnen.
Der Druck der Europäischen Union hat dazu geführt, dass ein Untersuchungsausschuss gebildet wurde, in dem die Europäische Union und die Internationale Organisation der Frankophonie gemeinsam die Rolle internationaler Beobachter ausüben. Eine der Aufgaben dieses Ausschusses besteht darin, Menschenrechtsverstöße während der Kämpfe zu untersuchen und die Umstände festzustellen, unter denen einige Oppositionsführer verschwunden sind. Der Ausschuss wird seine Arbeit voraussichtlich innerhalb von drei Monaten vollendet haben.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Ich war vom 24. bis 30. März im Tschad und habe den Außenminister und den Vorsitzenden der Nationalversammlung getroffen. Ich bin nicht zufrieden mit den Antworten, die ich in Bezug auf den Vermissten, Herrn Saleh, sowie in Bezug auf den Untersuchungsausschuss erhalten habe.
Mich interessiert daher, ob die Personen, die sich international mit der Untersuchung befassen, und der Vertreter der EU als Beobachter vor Ort sind? Nehmen sie an der Untersuchung tatsächlich teil? Nach meinem Verständnis sind sie nur als Beobachter vor Ort, und wenn das tatsächlich der Fall ist, finde ich das sehr unbefriedigend. Ich glaube nicht, dass wir einen wahrheitsgemäßen und zutreffenden Bericht erhalten werden, wenn internationale Vertreter nicht an der Untersuchung beteiligt, sondern lediglich als Beobachter tätig sind.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Sie haben Recht, Herr Burke. Die Vertreter der EU und der Internationalen Organisation der Frankophonie nehmen als internationale Beobachter an dieser Untersuchung teil. Meiner Meinung nach ist diese Rolle ausreichend, um den Bericht zu bewerten, den wir von der Kommission in drei Monaten erwarten.
Die Präsidentin. − Zu diesem Punkt liegen keine weiteren Anfragen vor, und die nächste Anfrage wird die letzte sein.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 9 von Liam Aylward (H-0180/08)
Betrifft: Friedensmission im Tschad
Kann der Rat eine umfassende Erklärung darüber abgeben, wie die Friedensmission der EU im Tschad zurzeit verläuft?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Nach Übergriffen auf die Hauptstadt N’Djamena, die tschadische Rebellen im Januar aus dem Sudan unternommen hatten, entschied der Befehlshaber, General Nash, am 31. Januar, den Einsatz vorübergehend zu unterbrechen.
Diese Entscheidung wurde aus zwei Gründen akzeptiert: erstens, um eine Bewertung der neuen politischen Lage und der Sicherheitslage zu ermöglichen, zweitens, um eine ungehinderte Evakuierung der Europäer und der Angehörigen anderer Staaten durchzuführen. Nach zwölf Tagen wurde der Einsatz fortgesetzt, und die zwölftägige Unterbrechung hatte keinerlei Auswirkungen auf den allgemeinen Zeitplan der Operation. Die anfängliche operative Kapazität wurde am 15. März erreicht. Dem Plan zufolge soll die volle Kapazität bis Ende Juni erreicht werden.
Ungeachtet dieser kurzen, vorübergehenden Unterbrechung hat der Rat deutlich gemacht, dass er sich noch immer für die Umsetzung des Mandats gemäß der einschlägigen Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen einsetzt, insbesondere des humanitären Mandats.
Die Konflikte von Anfang Februar waren als mögliches Szenario vorhergesehen und von Anfang an bei der Planung der Operation berücksichtigt worden. Bedauerlicherweise bewahrheiteten sich diese Vorhersagen, wodurch der Einsatz der EUFOR-Mission und der Mission der Vereinten Nationen im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik besondere Dringlichkeit erlangte.
Der Rat ist der Auffassung, dass es im Interesse der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union liegt, Stabilität und Sicherheit in der Region zu verbessern. Die Anwesenheit der erwähnten multidimensionalen Strukturen wird zur Stabilisierung der humanitären und politischen Lage beitragen und verhindern, dass die Krise auf benachbarte Länder und Regionen übergreift.
Was den Vorfall an der sudanesischen Grenze betrifft, bei der ein EUFOR-Soldat starb, so hat der Befehlshaber der Operation sein Bedauern über das unbeabsichtigte Überschreiten der Grenze und die unerfreulichen Ereignisse ausgedrückt, die zu diesem Vorfall führten. Der Befehlshaber hat bestätigt, dass EUFOR sein Mandat gemäß der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erfüllen werde, das heißt unvoreingenommen und unter ständiger Achtung der sudanesischen Grenzen.
Ich sollte ergänzen, dass die Untersuchung dieses Vorfalls noch nicht abgeschlossen ist. Der Einsatz der Truppen verläuft weiterhin nach Plan. Gegenwärtig befinden sich 1800 EUFOR-Soldaten im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Wenn die Mission ihren vollen Umfang erreicht, werden 3700 Soldaten aus 14 Mitgliedstaaten daran beteiligt sein. Zurzeit finden Verhandlungen mit Drittstaaten über ihre mögliche Beteiligung statt.
Liam Aylward (UEN). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte den Herrn Minister fragen, ob er der Ansicht ist, dass ausreichende logistische Unterstützung vorhanden ist, um die vollständige Ausübung der Friedensmission in den kommenden Wochen und Monaten zu ermöglichen?
Würde der Herr Minister außerdem zustimmen, dass die Friedensmission der EU im Tschad eine überaus deutliche Botschaft an die sudanesische Regierung sendet? Denn viele der 300 000 Menschen in den Flüchtlingslagern im Ost-Tschad sind ja dorthin geflohen, um dem Völkermord in der Region Darfur zu entkommen.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Die Antwort auf den ersten Teil der Frage von Herrn Aylward lautet sicherlich Ja. Die Antwort auf den zweiten Teil ist ebenfalls Ja, vorausgesetzt, das Mandat für die Operation, das Darfur nicht einschließt, wird eingehalten.
Die Präsidentin. − Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
Die Präsidentin. – Die Fragestunde ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19.10 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
13. Reform der Welthandelsorganisation (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Cristiana Muscardini im Namen des Ausschusses für internationalen Handel zum Thema: Auf dem Weg zu einer Reform der Welthandelsorganisation (2007/2184(INI)).
Cristiana Muscardini, Berichterstatterin. − (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes ein herzliches Dankeschön an das Sekretariat, das sehr rührig war und alle Kollegen des Ausschusses bei der Ausarbeitung dieses Entwurfs unterstützt hat. Wir übermitteln der Kommission heute einen Bericht mit einer Reihe von Erwägungen, die das Ergebnis eingehender Beratungen des gesamten Ausschusses für internationalen Handel sind, die in einem konstruktiven Geiste geführt wurden.
Unser Ausschuss wünscht sich eine wirksamere und demokratischere Welthandelsorganisation, die unter dem Gesichtspunkt ihres institutionellen Betriebs gerüstet ist, die wichtige Aufgabe der Regulierung des Welthandels wahrzunehmen. Hierfür bedarf es unbedingt einer Reform.
Der kürzlich erfolgte Beitritt zahlreicher neuer Mitglieder – genannt seien nur China und die bevorstehende Aufnahme Russlands – verdeutlicht den Erfolg einer Organisation, die heute 152 Mitgliedsländer zählt. Gerade wegen ihrer neuen Dimension muss über die Neuordnung der WTO nachgedacht werden.
In dem Bericht heben wir nachdrücklich die Aspekte hervor, die ausschlaggebend sind, um zu begreifen, dass die WTO und das multilaterale Handelssystem eine neue, stärkere, dynamischere und demokratischere Struktur brauchen. Ein regelmäßiger Punkt auf unser Agenda sind die Verhandlungen der Doha-Runde: wir wissen, dass eine Vereinbarung stets um die Ecke, aber immer noch nicht in unserer Reichweite ist. Der Ausschuss für internationalen Handel ist sich dieses Problems bewusst und erneuert deshalb seine Unterstützung für die Verhandlungen, die zu einem ausgewogeneren, faireren Handel führen müssen. Unterdessen halten wir den Zeitpunkt für gekommen, sich mutig und ehrgeizig auf die Zeit nach Doha vorzubereiten.
Mit der Übermittlung unserer Erwägungen an die Kommission fordern wir das Exekutivorgan der Gemeinschaft auf, denselben Mut und denselben Ehrgeiz aufzubringen, um in Genf eine politische Initiative zu ergreifen, die den Weg zu einer Revision der Funktionsweise einiger Mechanismen, die heute offenkundig nicht einwandfrei funktionieren, zu überprüfen.
Die institutionelle Struktur der WTO könnte verbessert werden, indem die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Aushandlung neuer Regeln und Verpflichtungen von denen abgegrenzt werden, die mit der Umsetzung bestehender Abkommen verbunden sind. Das Konsensprinzip ist die Regel in den Ministerkonferenzen, und das muss auch so bleiben, doch müssen auch andere Modalitäten als die Einstimmigkeit für Verfahren ins Auge gefasst werden, die zur endgültigen Beschlussfassung einer Organisation führen, die, da sie sich vergrößert hat, andere Mechanismen benötigt. Solche Mechanismen wurden für Europa erwogen; sie müssen jetzt auch für die WTO erwogen werden!
Leitgrundsatz der Doha-Runde war die Einbeziehung aller Mitgliedstaaten in Verhandlungen über eine Vielzahl von Fragen; in einer Organisation von dieser Größe muss dieser Modus mithilfe eines plurilateralen Ansatzes, einer Art variabler Struktur jedoch überprüft werden. Wir haben seinerzeit darüber gesprochen, als es um Europa ging, und heute muss in Bezug auf die WTO darüber gesprochen werden!
Entwicklung ist ein wichtiges Thema. In den letzten Jahren ist die Gruppe der Entwicklungsländer immer größer und vielfältiger geworden. Sie umfasst Schwellenländer und andere Länder, die eigentlich schon weitgehend Industrieländer sind, wie China, Indien, Brasilien und Südafrika. Im Interesse der echten Entwicklungsländer müssen daher klarere und homogenere, der Entwicklung der Wirtschaftslage entsprechende Zusammenschlüsse gebildet und muss von allen gefordert werden, dass sie gemäß ihrer Wirtschaftskraft Verantwortung übernehmen.
Dem WTO-Sekretariat, das wir in den vergangenen arbeitsreichen Monaten oft konsultiert haben, sind trotz seines Ansehens und seiner Kompetenz institutionelle Grenzen gesetzt: Es wäre angebracht, seine Rolle zu stärken und ihm zu ermöglichen, Initiativen zu ergreifen und Kompromisse vorzuschlagen. Stärkung des Sekretariats bedeutet, ihm zu einer stärkeren geografischen Repräsentativität zu verhelfen, der zufolge es sich als Herzstück und Motor der Aktivitäten der Organisation begreift, im Interesse aller Mitglieder, insbesondere jener Entwicklungsländer, die heute keine genügende bzw. nicht die für eine wirkliche Entwicklung erforderliche Beachtung finden.
Zur Transparenz und zur parlamentarischen Dimension der WTO: Die Transparenz der Verfahren zur Beilegung internationaler Streitigkeiten muss erhöht werden, um das externe Ansehen zu verbessern. Bei der Förderung einer parlamentarischen Dimension muss auf die bestehende „Parlamentarische Konferenz zur WTO“ zurückgegriffen werden, um schließlich eine echte parlamentarische Versammlung mit beratenden Befugnissen zu schaffen, die ihre Tätigkeit legitimiert.
Die Übereinstimmung und die Koordinierung mit den anderen internationalen Organisationen sind absolut notwendig, weshalb wir auch die Beziehungen zur Internationalen Arbeitsorganisation und einigen Sonderorganisationen der UNO ausbauen müssen, weil die WTO Sozial- und Umweltfragen von großer internationaler Tragweite nicht aus ihrer Tätigkeit ausklammern kann.
Vor allen Dingen darf nicht vergessen werden, dass das Streitschlichtungssystem ein besonderes Merkmal der WTO ist. Wenn sich kein Weg zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren findet, könnten sich die Streitigkeiten jahrelang hinziehen, was von Nachteil für die Gesellschaft, die Mitgliedstaaten und die Verbraucher wäre. Deshalb appellieren wir wärmstens an die Kommission, denselben Mut aufzubringen wie der parlamentarische Ausschuss, um neue Normen im Hinblick darauf aufzustellen, die Welthandelsorganisation zukünftige zu verschlanken.
Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Die Kommission dankt dem Parlament für diesen aufschlussreichen und zeitgemäßen Bericht.
Sicherzustellen, dass die WTO in der Lage ist, auf die Herausforderung einer sich rasch verändernden Weltwirtschaft zu reagieren, sollte ein absolut vorrangiges Ziel der Europäischen Union sein. Hinzu kommt, dass in Anbetracht der gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen sich viele WTO-Mitglieder befinden, eine starke multilaterale Institution unerlässlicher ist denn je, um sich dem Ruf nach einer protektionistischen „Beggar-thy-Neighbour“-Politik entgegenzustellen.
Der Bericht erkennt die zentrale Bedeutung der Entwicklungsagenda von Doha (DDA) an. Die Kommission möchte noch einmal betonen, dass in Genf jegliche Initiative bezüglich der Zukunft der WTO abgestimmt und auf ein hoffentlich erfolgreiches Ergebnis der DDA gestützt werden muss.
Heute, da wir uns möglicherweise in der Abschlussphase der Verhandlungen über die DDA befinden, würde kein Mitglied der WTO über die politische Bereitschaft und/oder die administrativen Ressourcen verfügen, um wirklich ernsthaft über die Reform der WTO nachzudenken. Wir erwarten und hoffen, dass sich diese Situation in Richtung eines endgültigen Beschlusses über die DDA entwickeln wird, der noch in diesem Jahr unterzeichnet werden kann. Dies wird auch den Weg für Gespräche über die Zukunft der WTO ebnen, Gespräche, die in großem Maße davon abhängen werden, ob die DDA erfolgreich abgeschlossen wird.
Die Kommission teilt die meisten der im Bericht zum Ausdruck gebrachten Ideen im Grundsatz, auch wenn außer Zweifel steht, dass einige der Vorschläge, die in dem Entschließungsantrag gemacht werden, bei bestimmten WTO-Mitgliedern auf starken Widerstand stoßen werden.
Hinsichtlich der institutionellen Fragen hält die Kommission an ihrer Unterstützung einer Ausweitung der parlamentarischen Dimension der WTO fest, ebenso an anderen Ideen, zum Beispiel der, das Sekretariat der WTO mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten und seine Aufgaben zu erweitern, sowie an der Stärkung der Mechanismen für eine „aktive Transparenz“ und der Beobachtung und wirksamen Überwachung der Anwendung der Regeln.
Wir nehmen den Aufruf zur Offenheit in den Streitbeilegungsverfahren zur Kenntnis und möchten betonen, dass es unseren Bemühungen zu verdanken ist, dass einige der Anhörungen in WTO-Fällen, an denen die Europäische Union beteiligt war, öffentlich waren.
Was die im Bericht gemachten fundierten Vorschläge betrifft, so wird die Notwendigkeit, nicht handelsbezogene Anliegen in den Geltungsbereich der WTO-Regeln zu integrieren, ein Leitprinzip in der Politik der Europäischen Union innerhalb des multilateralen Rahmens bleiben, aber auch im Rahmen der kürzlich auf der Grundlage der Mitteilung „Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt“ aufgenommenen bilateralen Verhandlungen und unilateraler Initiativen zugunsten der Entwicklungsländer. Das neue unilaterale System der Steuerzugeständnisse zugunsten der Entwicklungsländer, das Allgemeine Präferenzsystem (APS+), ist ein Beispiel hierfür.
Eine wichtige Rolle wird sicherlich das Verhältnis zwischen Handelspolitik, Arbeit und Umwelt spielen, und auch andere Handelsthemen könnten auf der Agenda auftauchen.
Eine der reizvollsten und schwierigsten Herausforderungen für die europäische Handelspolitik wird die Gestaltung einer neuen multilateralen Politik nach Abschluss der Doha-Runde sein. Das Parlament wird in der Gestaltung und Förderung einer solchen Politik eine zunehmend große Rolle einnehmen, erst recht nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon.
Die Kommission, und insbesondere mein Kollege Peter Mandelson, freuen sich darauf, mit Ihnen einen offenen und konstruktiven Dialog zu führen, um solide und realistische Ergebnisse zu erzielen, die darauf abzielen, die WTO und das gesamte multilaterale Handelssystem zu stärken.
Johan Van Hecke, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. − (NL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Unser Entwicklungsausschuss steht uneingeschränkt hinter dem Plädoyer der Berichterstatterin, Frau Muscardini, für eine grundlegende Reform der Welthandelsorganisation. 2001 brachte der Sutherland-Bericht in der WTO selbst eine sehr lebhafte Diskussion über ihre institutionelle Reform in Gang, die leider viel zu schnell wieder erstickt ist. Einige halten die Debatte über eine Reform heute nicht für angebracht. Sie wollen erst das Ergebnis der Doha-Entwicklungsagenda abwarten, bevor die Debatte über die Institution als solche von Grund auf geführt wird. Unserer Ansicht nach schließt jedoch das eine das andere nicht aus.
Aus entwicklungspolitischer Sicht befürworten wir eine neue Differenzierung zwischen den Entwicklungsländern in der WTO, die auf den Entwicklungserfordernissen der einzelnen Länder basiert und nicht auf Kategorien von Ländern. Frau Muscardini hat bereits erläutert, warum dies erforderlich ist. Es besteht nicht nur Bedarf an mehr Transparenz innerhalb der WTO, eine bessere Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen, wie der Internationalen Arbeitsorganisation und UNCTAD, ist ebenfalls unerlässlich. Von wesentlicher Bedeutung für unseren Ausschuss ist der im Sutherland-Bericht enthaltene Vorschlag, Finanzierungsvereinbarungen für die technische Hilfe als ein vertragliches Recht für die am wenigsten entwickelten Länder vorzusehen, um ihnen eine wirkungsvolle Beteiligung am multilateralen Handelssystem zu ermöglichen. Schlussendlich muss auch der Streitbeilegungsmechanismus, bei dem Entwicklungsländer aus den uns allen bekannten Gründen häufig am kürzeren Ende ziehen, in dem von Sutherland befürworteten Sinne überprüft werden.
Zusammengefasst ist eine Reform der WTO von entscheidender Bedeutung, nicht nur für die Stärkung ihrer Legitimität bei allen ihren Mitgliedern, den allerärmsten eingeschlossen, sondern meines Erachtens auch zum Schutze des Multilateralismus.
Gunnar Hökmark, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte der Berichterstatterin und dem Ausschuss für internationalen Handel für diesen Bericht danken. Ich denke, es ist angebracht, in unserer Diskussion über die WTO auch die Tatsache hervorzuheben, dass Globalisierung und freier Handel Millionen von Menschen neue Möglichkeiten eröffnet haben. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir im Kampf gegen die Armut größere Fortschritte erlebt, als sie die Welt je zuvor erfahren hat.
Dies unterstreicht die Notwendigkeit, einen stabilen Rahmen gerechter und multilateraler Regeln für den freien Handel zu gewährleisten. Das ist die Hauptaufgabe der WTO und auch der Grund, warum eine starke und gestärkte WTO so wichtig ist. Wir müssen dafür sorgen, dass sich internationaler Handel und Wettbewerb ohne Verzerrungen ausbreiten können. Aus diesem Grund hat der Ausschuss für Wirtschaft und Währung auf die Notwendigkeit hingewiesen, staatliche Beihilfen zu reduzieren, nichttarifäre Handelshemmnisse zu beseitigen und den Entwicklungsländern zu einer besseren Position in ihren Verhandlungen über den multilateralen Rahmen und die Regeln für den freien Handel zu verhelfen.
Das zeigt erneut, warum wir eine starke WTO und ein starkes Sekretariat brauchen: um Entscheidungen zu treffen und die Regeln aufrechtzuerhalten, aber auch, um das multilaterale Handelssystem zu entwickeln.
Wenn es uns gelingt, eine starke WTO und ein starkes Sekretariat zu schaffen, wird das ein wichtiger Schritt sein, um zu gewährleisten, dass sich der weltweite Handel in einem Rahmen freier und gerechter Regeln entwickeln kann. Das ist unsere Aufgabe – nichts mehr und nichts weniger.
In dieser Hinsicht ist es auch wichtig, einige der Dinge herauszustellen, die wir tun müssen: Wir müssen den freien Dienstleistungsverkehr ausweiten; wir müssen für mehr Offenheit der Finanzdienstleistungen sorgen; wir müssen mehr freien Handel in der Landwirtschaft sicherstellen. Wenn wir über steigende Lebensmittelpreise reden, wird uns bewusst, wie wichtig es ist, die Märkte zu öffnen.
Das alles wird uns jedoch nie gelingen ohne eine starke WTO und ohne die Möglichkeit, einen starken Rahmen aufrechtzuerhalten, der den Entwicklungsländern zugute kommt, der armen Menschen neue und bessere Chancen einräumt und der auch dazu beiträgt, dass wir alle Nutzen aus den Möglichkeiten des freien Handels ziehen können.
Georgios Papastamkos, im Namen der PPE-DE Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Auf den ersten Blick erscheint es seltsam, dass wir im Gefolge des verlängerten Stillstands der Verhandlungen der Doha-Runde über die Reform der WTO diskutieren. Dennoch lohnt es sich, über die Arbeit und die Zukunft der WTO zu sprechen, da dieser Stillstand auf strukturelle und institutionelle Probleme sowie auf Mängel im System des Welthandels zurückzuführen ist. Der Bericht von Frau Muscardini zeigt dies ebenfalls.
Meiner Ansicht nach hat die angestrebte Reform drei Hauptaufgaben. Erstens muss der Handel in größtmöglichem Ausmaß und zum gegenseitigen Vorteil liberalisiert werden, da dies nachweislich zu Wirtschaftswachstum führt. Das Ziel bleibt natürlich die gleiche Verteilung der Vorteile unter den Mitgliedern der WTO und die harmonische Eingliederung von Entwicklungsländern in das Welthandelssystem.
Zweitens sind die Aufgaben in den institutionellen Vereinbarungen zu finden, die erforderlich sind, um Übereinstimmung, einheitliche Verpflichtungen, demokratische Legitimität, Transparenz und Effizienz einer organisierten Welthandelssteuerung zu gewährleisten. Drittens muss die richtige Balance zwischen den Handel betreffenden und nicht den Handel betreffenden Angelegenheiten gefunden werden.
Die Mitgliedstaaten der WTO haben das Recht, restriktive Handelsmaßnahmen anzuwenden in dem Bemühen, die Umwelt, die Volksgesundheit und die Verbraucher zu schützen. Ein typisches Beispiel sind die Fälle, in denen Handelspartner der EU diese wegen GVO und dem Importverbot für hormonhaltiges Rindfleisch aus den USA und Kanada bei der WTO verklagen. Es sollte jedoch begriffen werden, dass die Lösung nicht in einer Überfrachtung der WTO mit zusätzlichen Verantwortlichkeiten liegt, sondern in der Verknüpfung von gegenseitiger Unterstützung und Übereinstimmung mit Zielen und Maßnahmen sowohl der WTO als auch anderer internationaler Organisationen.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe der WTO besteht nicht darin, Funktionslücken auszufüllen, die von anderen spezialisierten Organen im UN-System hinterlassen werden. Die globale Gemeinschaft erlebt eine besorgniserregende Finanz- und Wirtschaftskrise und eine beispiellose Nahrungskatastrophe. Angesichts dieser beiden Geißeln sind kosmetische Veränderungen wie die Aufhebung von Handelshemmnissen nicht ausreichend. Globale Herausforderungen erfordern globales Verständnis, systematische Konvergenz und ein in sich schlüssiges Regulierungssystem. Dies gilt für soziale Verantwortung, Umweltschutz und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit.
Harlem Désir, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Es ist erforderlich, die Doha-Runde zum Abschluss zu bringen, aber auch erneut über die Funktionsweise der WTO nachzudenken. Diese stößt – wie man täglich sehen kann – auf Probleme in Bezug auf ihre Effizienz, ihre Legitimität sowie ihr Zusammenwirken mit den anderen Organisationen des multilateralen Systems.
In gewisser Hinsicht war es unvermeidlich, dass es gut zehn Jahre nach der Schaffung dieser Organisation erforderlich ist, die Mechanismen ihres Funktionierens erneut zu überprüfen. Mit der Überleitung des GATT in die WTO hat das multilaterale Handelssystem nicht nur seine Dimension verändert, sondern in gewisser Hinsicht auch seinen Charakter. Die Handelsregeln wurden auf eine ganze Palette neuer Bereiche ausgedehnt: Dienstleistungen, geistiges Eigentum, Investitionen, nichttarifäre Handelshemmnisse. Neue Mitgliedstaaten kamen zu den Gründerstaaten hinzu, und diese Erweiterung brachte größere Vielfalt, unterschiedliche Situationen, Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Mitteln und unterschiedlichen Problemen mit sich. All dies macht es natürlich erforderlich, dass parallel zu den Bemühungen um den Abschluss der Verhandlungen der Entwicklungsrunde die notwendigen Reformen wieder ins Gespräch gebracht werden.
Ich möchte die Arbeit unserer Berichterstatterin, Frau Muscardini, sowie die Zusammenarbeit mit ihr wie mit den anderen Fraktionen würdigen, und auf einige Punkte dieses Berichts zurückkommen, den ich für sehr wichtig halte und für den ich mir morgen in diesem Hause eine breite Zustimmung erhoffe.
Der erste Punkt betrifft die Ausgewogenheit der internationalen Standards und die Herstellung neuer Beziehungen zwischen der WTO und den anderen internationalen Organisationen. Sie werden sehen, dass wir in diesem Bericht selbstverständlich den Zusammenhang mit den Umwelt- und den Gesundheitsfragen erwähnen – der zweifellos wesentlich ist, wie sich dies im Fall der Generika und des geistigen Eigentums gezeigt hat –, aber auch die Behandlung sozialer Fragen. Wir kommen nicht umhin, dieses Thema in der WTO zu erörtern.
Die Zusammenarbeit zwischen der IAO und der WTO, die durch die Generaldirektoren beider Organisationen wieder aufgenommen wurde, muss sehr viel weiter gehen, und die Europäische Union muss dabei als Triebkraft fungieren. Wir schlagen hierfür zwei sehr konkrete Dinge vor: erstens dass die IAO einen Beobachterstatus innerhalb der WTO erhält, wie dies beim Internationalen Währungsfonds der Fall ist, zweitens dass in der WTO – und dass sollte die Union vorschlagen – ein Ausschuss „Handel und menschenwürdige Arbeit“ nach dem Muster des Ausschusses „Handel und Umwelt“ eingerichtet wird, dem wir große Fortschritte beim Zusammenwirken von Umweltregeln und Handelsregeln verdanken.
Lassen Sie mich zweitens auf die Aspekte des Berichts eingehen, die darauf abzielen, dass die WTO den schwächsten Mitgliedstaaten, den am wenigsten entwickelten Ländern mehr Mittel zur Verfügung stellt, damit diese gleichberechtigt, effektiv und effizient an allen Verhandlungen, allen Ausschüssen, in denen die zukünftigen Abkommen und Handelspolitiken ausgehandelt werden, teilnehmen können.
Drittens unterstreichen wir auch die externe Transparenz, die Möglichkeit, dass die Zivilgesellschaft, die Parlamentarier und eine wirklich lebendige parlamentarische Dimension eine größere Rolle in der WTO spielen. Wir fordern eine echte parlamentarische Versammlung. Heute gibt es eine Versammlung von Parlamentariern, die parallel zur WTO zusammentritt. Dort haben übrigens der Generaldirektor sowie die Handelsminister das Wort ergriffen, wir möchten jedoch, dass diese anerkannt wird. Deshalb machen wir sehr konkrete Vorschläge zum Beispiel betreffend das Berufungsorgan und die Streitschlichtungsverfahren. Aus unserer Sicht müssten diese Verfahren, da es sich um eine Art Gerichtshof handelt, öffentlich durchgeführt werden und die Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich sein. Ich glaube, das würde auch dazu beitragen, einige falsche Vorstellungen auszuräumen und diese Organisation transparenter zu machen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der hervorgehoben wurde, sind die Mittel des Sekretariats. Das Budget der WTO beträgt heute mit 135 Mio. Dollar nur ein Sechstel des Budgets des IWF und kaum ein Zehntel des Budgets der Weltbank. Sie zählt etwa 600 Bedienstete. Auch diese Zahl ist wesentlich geringer als die der anderen multilateralen Organisationen. Daher halte ich die Verstärkung der Mittel einer WTO, die besser in das System der übrigen multilateralen Organisationen eingebunden ist, für eine der Voraussetzungen für bessere Handelsregeln im Dienste der Entwicklung.
Mariela Velichkova Baeva, im Namen der ALDE-Fraktion. – (BG) Der dynamische Prozess der wirtschaftlichen und finanziellen Integration auf globaler Ebene ist ein bestimmender Faktor für das schwierige internationale wirtschaftliche Umfeld. Analysen von führenden Weltorganisationen zur makroökonomischen Politik und zu globalen Trends deuten darauf hin, dass in den kommenden zehn Jahren mit einem hohen Maß an politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit zu rechnen ist. Derzeit werden bestimmte Gefahren deutlich, so etwa steigende Energiepreise, deren Dynamik sich auf die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auswirkt, und diese Faktoren zusammen genommen erzeugen einen Inflationsdruck und Nahrungsunsicherheit, begrenzte Infrastrukturkapazitäten für die Beförderung von Gütern, die für den internationalen Handel unerlässlich sind, und Turbulenzen an den Finanzmärkten. Ich mache Sie auf diese Gefahren und Unsicherheiten nicht deshalb aufmerksam, weil ich Sie um Ihren Schlaf bringen will, sondern weil ich einige Parameter des internationalen wirtschaftlichen Umfelds und die Notwendigkeit der Umsetzung einer Politik zur Korrektur von Ungleichgewichten und zur Unterstützung krisenanfälliger Volkswirtschaften herausstellen möchte. Ich erinnere daran, dass die verarbeitende Industrie und die Landwirtschaft zu den am meisten von der Liberalisierung des Handels betroffenen Wirtschaftszweigen gehören und dass steigende Lebensmittelpreise in vielen Regionen der Welt zu gewalttätigen Protesten geführt haben.
Aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Realitäten sollte die Welthandelsorganisation als Handelssystem mit verbindlichen Regeln für internationalen Handel ihre Arbeitsweise, ihre Organisationsstruktur und ihre Entscheidungsverfahren verbessern und eine pragmatischere institutionelle Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an den Tag legen. Dabei sollte sie natürlich berücksichtigen, dass Verhandlungen in einem Rahmen von 150 Staaten, die ein unterschiedliches Entwicklungsniveau aufweisen, unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen haben und verschiedene Reformen in Wirtschaftssektoren umsetzen, ein schwieriges Unterfangen sind. Wenn von Sofia, Cotonou, Santiago oder Brüssel aus Vorschläge gemacht werden, sind aber letztendlich die Debatten in Genf der richtige Mechanismus, um zu Vereinbarungen zu gelangen, mit denen sich die Hemmnisse in zunehmendem Maße abbauen lassen.
Seán Ó Neachtain, im Namen der UEN-Fraktion. – (GA) Frau Präsidentin! Die Landwirtschaft sollte in einer WTO-Vereinbarung nicht der Verlierer sein. Kommissar Mandelson handelt derzeit einen sehr unausgewogenen Deal aus, der den europäischen Bauern und dem gesamten Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor der EU schaden würde.
Ich habe den Eindruck, dass der US-Wahlkalender den Zeitplan für die WTO-Verhandlungen diktiert. Ein solcher Unsinn sollte nicht toleriert werden. Inhalt und Substanz der Vereinbarung sind weitaus wichtiger als irgendeine Wahl.
Obwohl Irland der viertgrößte Exporteur von Rindfleisch in der Welt ist, würde es von dieser Vereinbarung stark getroffen. Der Inlandsmarkt für Rind- und Lammfleisch in Irland, der derzeit auf mehr als 2,5 Milliarden Euro geschätzt wird, wird von den WTO-Vereinbarungen unterminiert. Die Senkung der Importzölle um bis zu 70 % für Rind- und Lammprodukte, die von Herrn Mandelson vorgeschlagen wird, ist einfach zu viel.
10 000 Bauern demonstrierten letzte Woche in den Straßen Dublins, um gegen den Besuch von Präsident Barroso in der Stadt zu protestieren. Herr Barroso hat den ganzen Zorn der irischen Bauern zu spüren bekommen, und es ist an der Zeit, dass er Kommissar Mandelson im Zaum hält.
Abschließend sei auf die dringende Notwendigkeit verwiesen, dass wir eine Vereinbarung in der Welthandelsorganisation erzielen – eine Vereinbarung zur allseitigen Zufriedenheit; eine Vereinbarung, die Europa, den Bauern und der Landwirtschaft zugute kommt; und eine Vereinbarung, die Nahrungsmittelquellen sichert.
Caroline Lucas, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Die Fraktion der Grünen unterstützt auf jeden Fall die allgemeine Linie, die dieser Bericht vertritt, insbesondere die Aufforderung zu mehr Übereinstimmung zwischen der Regelsetzung durch die WTO, der Arbeit der UN-Organisationen und den bestehenden Vereinbarungen im Bereich Soziales, Umwelt und Menschenrechte. Wir glauben, dass er einen Beobachterstatus für die IAO vorsehen muss sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Sozial- und Umweltdumping.
Wir befürworten auch die Rolle der parlamentarischen Kontrolle, wenn es darum geht, die mangelnde Verantwortlichkeit und Legitimität der WTO zu beheben, sowie die Notwendigkeit, die Streitbeilegungsmechanismen in der WTO auf der Grundlage internationalen Umwelt- und Sozialrechts weiterzuentwickeln, wobei sicherzustellen ist, dass sie über echte Sanktionsbefugnisse verfügt.
Allerdings beunruhigt mich, dass im Bericht versäumt wird anzuerkennen, dass das Scheitern der Doha-Runde gerade in den Unzulänglichkeiten der WTO als Organisation begründet liegt. Diese beiden Dinge dürfen wir nicht voneinander trennen. Der Stillstand der Doha-Runde steht in direktem Zusammenhang mit dem systematischen Missbrauch ihrer Entscheidungsfindungsprozesse durch einige mächtige Länder und der daraus resultierenden Abkehr der schwächeren Länder.
Nach meinem Dafürhalten versäumt es der Bericht auch festzustellen, dass es 2003 in Cancún schon einer Revolution von Seiten der Entwicklungsländer und, im Vorfeld von Hongkong, einiger der aufstrebenden Länder bedurfte, um den Anfang vom Ende des alten feudalen Systems einzuleiten, nach dem die WTO schon viel zu lange geleitet wird. Meiner Meinung nach sollten wir keinesfalls länger auf das Ergebnis der Doha-Runde warten, sondern unverzüglich mit der Reform der WTO beginnen – einer Reform sowohl ihrer Verfahren als auch ihrer Politik, denn eine Reform allein der Prozesse reicht nicht aus. Wir müssen eine ganze Reihe von Regeln überarbeiten, die jetzt, im 21. Jahrhundert, da wir uns neuen Herausforderungen wie dem Klimawandel gegenüber sehen, völlig veraltet sind.
Wir müssen uns also mit Regeln wie beispielsweise der zu den PPM befassen: dem Verbot, zwischen Produkten auf der Grundlage zu unterscheiden, auf der sie erzeugt wurden. Diese Unterscheidung ist aber überaus wichtig, wenn wir so zum Beispiel die Energieeffizienz fördern und vorantreiben sowie geringere Emissionen erzielen können.
Wir wünschen uns ferner eine vollständige Überarbeitung der Streitbeilegungsverfahren, und ich möchte allen Kollegen einen Änderungsantrag ans Herz legen, den die Grünen erarbeitet haben. Er fordert sehr konkret ein Umdenken hinsichtlich des Streitbeilegungsmechanismus und soll sicherstellen, dass dieser auf den Grundsätzen der UN-Charta basiert und von seiner derzeitigen Verankerung bei der WTO losgelöst wird.
Jacky Hénin, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Der einzige Punkt, zu dem wir uns einig sind, ist die dringende Notwendigkeit, die WTO zu revolutionieren.
Die WTO ist ebenso wie der IWF eine illegitime, antidemokratische und für die Interessen der Völker gefährliche Organisation. Sie wurde seinerzeit gegründet, um die finanzielle und industrielle Hegemonie der Vereinigten Staaten und der großen multinationalen Konzerne zu sichern.
Die Union hat sich natürlich servil in den Dienst dieses Systems gestellt, in der Hoffnung, einige Brosamen vom Tisch des amerikanischen Meisters abzubekommen. Der ungehemmte Freihandel hat sich nunmehr gegen seine Initiatoren gewandt, und das wirtschaftliche Schwerkraftzentrum des Planeten kippte in Richtung Osten, besonders nach Asien, wodurch die schrecklichste Finanz- und Nahrungsmittelkrisen ausgelöst wurden, die unsere Welt je erlebte.
Es ist schwer vorstellbar, dass Länder, die gestern als Schwellenländer eingestuft wurden und nun ihrerseits den Raubtierkapitalismus praktizieren, von ihrer räuberischen Strategie im Namen irgendeiner Wohlgesinntheit abrücken, da doch die ganze Organisation des internationalen Handels, die um die WTO herum aufgebaut wurde, sie ermuntert, diesen Weg fortzusetzen. Die allgemein geltende Spielregel ist doch, sich so schnell wie möglich zu bereichern, wozu alle Mittel recht sind, auch die Spekulation mit Arzneimitteln oder Nahrungsmitteln des täglichen Bedarfs.
In der Union wachsen die Ungleichheiten rasant an, und die Unter- und Mittelschichten verarmen zusehends. Die Nahrungsmittelkrise, die die ärmsten Bevölkerungsschichten trifft, ist eine direkte Folge der Politik der WTO, die Nahrungsmittelkulturen zugunsten von Exportkulturen abzuschaffen. Die Biotreibstoffe sind nur der willfährige Sündenbock eines merkantilen Systems, das schnellstens revolutioniert werden muss.
Ich möchte hier die unverantwortlichen Ausführungen von Herrn Mandelson anprangern, der dazu aufrief, die Agrarmärkte noch stärker zu deregulieren, und das zu einem Zeitpunkt, da das Welternährungsprogramm die den steilen Anstieg der Lebensmittelpreise feststellt und erklärt, dass es sich, ich zitiere, um einen „stillen Tsunami“ handelt, der Hunderte Millionen weitere Menschen in die Hungersnot treiben könnte. Will Herr Mandelson mit dem zweifelhaften Ruhm eines Menschen, der andere in den Hungertod treibt, in die Geschichte eingehen?
Daher muss die WTO revolutioniert werden, um die Spekulation einzudämmen, um die Erzeuger und nicht eine Minderheit von Profiteuren im Dienste der Weltfinanz zu begünstigen, um die Ernährungs- und industrielle Unabhängigkeit der Völker zu fördern und die Nationen zur Zusammenarbeit und nicht zur Konkurrenz anzuregen.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Dem Bericht meine ich zu entnehmen, dass die EU eine Einigung aller Mitgliedstaaten in den WTO-Verhandlungen erwartet oder eine Rechtfertigung des Standpunkts in schriftlicher Form. Das Vereinigte Königreich, beispielsweise, muss sich also dem Rest der EU anschließen. Wir müssen in einer Reihe antreten. Einfach ausgedrückt heißt das, Großbritannien wird noch stärker dazu gezwungen, mit den Ländern Handel zu treiben, mit denen es die EU gestattet. Wir sind aber Welthändler. Wir machen das schon seit Jahrhunderten. Wir verfügen über umfangreiche Kenntnisse im weltweiten Handel. Unser Handel mit den USA ist zum Beispiel weit umfangreicher als der von Frankreich und Deutschland zusammen. Aber die Länder der EU scheinen sich unsere Erfahrungen nicht zunutze machen zu wollen, daher sind wir schon jetzt durch die EU-Handelsabkommen eingeschränkt, und das ruiniert den Ruf Großbritanniens im weltweiten Handel. Wir dürfen nicht in ausreichendem Maße mit unseren traditionellen Partnern im British Commonwealth handeln. Das ist kein ausschließlicher Handel. Wir würden andere europäische Länder nicht daran hindern, ebenfalls mit unseren Partnern im Commonwealth Handel zu treiben. Daraus könnten alle Beteiligten Nutzen ziehen. Die Länder der EU würden florieren, und in vielen Ländern der Dritten Welt würde sich der Lebensstandard erhöhen. Die WTO wurde mit dem Vorsatz gegründet, Handel und Freundschaft zu fördern, und die EU betont immer wieder ihren Wunsch, den Benachteiligten zu helfen. Nun, eine Möglichkeit, damit anzufangen, wäre, die Handelsverbindungen auszuweiten, nicht, sie zu kappen.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Es gibt nur wenige, die die Bedeutung der Welthandelsorganisation anzweifeln würden, es gibt aber auch fast niemanden, der die Notwendigkeit in Frage stellen würde, dass diese Organisation, deren wichtigstes Ziel die Bekämpfung der Armut und die Unterstützung von Entwicklungsländern ist, eine Reform braucht.
Die Grundlage für diese Reform muss der Bericht von Herrn Peter Sutherland bilden. Wie wir wissen, steht Herr Sutherland derzeit an der Spitze von zwei supranationalen Giganten, nämlich BP und Goldman Sachs International. Andere Mitglieder seines Teams sind ehemalige Diplomaten, Geschäftsleute und Akademiker. Keiner von ihnen ist für seine Kritik am gegenwärtigen System bekannt.
Bei allem Respekt für diese Herren möchte ich doch die Frage stellen, wessen Interessen die von ihnen empfohlene WTO-Reform dienen wird. Wird sie die Interessen der Entwicklungsländer schützen oder die Interessen supranationaler Konzerne? Was für ein Signal ist das für Entwicklungsländer und Schwellenländer?
Wie wir alle wissen, ist Vertrauen sowohl in wirtschaftlichen als auch in politischen Fragen wichtig. Die WTO ist nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch ein politisches Organ, daher müssen ihre Mitglieder sich gegenseitig vertrauen können. Aber werden die Menschen in den Entwicklungsländern glauben, dass den Herren in den supranationalen Konzernen ihr Wohlergehen am Herzen liegt? Warum sollten wir den Gegnern der WTO in die Hände spielen und das Image dieser Institution aufs Spiel setzen?
Tokia Saïfi (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin! Zu einem Zeitpunkt, da die Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde aus den Fugen und ins Stocken geraten, stellt sich heute mehr denn je die Frage der Funktionsweise der WTO.
Gibt es nicht einen Ausweg aus dieser Sackgasse durch eine Reform der WTO? Kann man nicht, da es kein Grundsatzübereinkommen gibt, den Prozess in Richtung auf ein solches Übereinkommen fördern? Dieser Neustart der WTO scheint möglich zu sein und würde ihre Funktionsweise und ihre Entscheidungen effizienter gestalten.
Denkbar sind Reformen auf zwei Ebenen: Reformen zur Verbesserung des Verhandlungsverfahrens und Reformen zur Stärkung der Legitimität der WTO als Schlüsselfaktor ihrer Organisation. Hierfür gilt es, die parlamentarische Dimension innerhalb der WTO zu fördern, indem unser Platz als legitime Vertreter der Bürger anerkannt wird, um sich den Herausforderungen der Globalisierung auf transparentere und demokratischere Weise zu stellen.
Zugleich besteht ein großes Vorhaben in der Herstellung von Kohärenz zwischen den internationalen Politiken. Es nützt nichts, die Hindernisse an den Grenzen abzubauen, wenn hinter denselben die Investitionshemmnisse bestehen bleiben, die sozialen Rechte mit Füßen getreten und die Umweltnormen ignoriert werden. Eine effiziente WTO ist also von vorrangiger Bedeutung, um das Ziel der Erweiterung des Handels und der marktregulierten Öffnung zu garantieren. Und Regeln sind nicht mit Protektionismus gleichzusetzen. Die zügellose Liberalisierung ist kein Allheilmittel mehr, schon gar nicht, um die Übel zu kurieren, die wir heute durch die Preiserhöhungen für landwirtschaftliche Rohstoffe und die Ausbreitung des Hungers als deren Folge erleben.
Der Falconer-Vorschlag, die Zölle zu senken, ist daher für unsere europäische Landwirtschaft nicht akzeptabel und hätte unabsehbare Konsequenzen für die landwirtschaftliche Produktion in den ärmsten Ländern.
Deshalb muss man, um die Doha-Runde zum Abschluss zu bringen, die Verhandlungen wieder ins Gleichgewicht bringen und zu einer echten Gegenseitigkeit der Zusagen für den Marktzugang gelangen. Wir sind noch nicht bereit, unsere Landwirtschaft zu opfern und unsere Rolle aufzugeben, die darin besteht, einen Beitrag zur Nahrungsmittelsicherheit zu leisten, um im Gegenzug einige unbedeutende industrielle Zollsenkungen zu erhalten.
Kader Arif (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass heute Abend eine Aussprache über den Bericht von Frau Muscardini über die Reform der Welthandelsorganisation stattfindet.
Die Nahrungsmittelkrise, die die Entwicklungsländer gegenwärtig mit aller Heftigkeit trifft, macht deutlich, wie dringend eine bessere Regulierung des Welthandels ist. Diese muss von einer reformierten WTO getragen werden, die in der Lage ist, den Verlauf der Globalisierung zu steuern und fairere Handelsregeln zu fördern. Diese Krise ist nicht konjunktureller, sondern struktureller Art. Sie ist ein Zeichen dafür, dass der Welthandel aufgrund schwerer Funktionsstörungen seinem Hauptziel, nämlich einem Handel im Dienste der Entwicklung aller und insbesondere der ärmsten Länder der Welt, nicht gerecht wird.
Mit zahlreichen Argumenten, deren Berechtigung ich nicht in Zweifel ziehen will, wurde versucht, den Ursprung dieser Krise zu erklären. Meiner Meinung nach sollten wir uns jedoch gemeinsam mehrere Fragen stellen. Hätte diese Krise die gleiche Tragweite, wenn die Prioritäten der Entwicklungsländer in der WTO besser berücksichtigt worden wären, wenn eine bessere Koordinierung zwischen der WTO und anderen internationalen Organisationen wie dem UNDP oder der FAO stattgefunden hätte, wenn unsere Freihandelsabkommen die Entwicklungsländer nicht veranlasst hätten, sich auf Kosten traditioneller Nahrungsmittelkulturen und ihrer Nahrungsmittelselbstversorgung auf Exportmonokulturen zu spezialisieren, wenn wir in der WTO die afrikanischen Länder angehört und unterstützt hätten, als sie forderten, in die gegenwärtige Verhandlungsrunde eine Maßnahme zu den Preisen für Grunderzeugnisse einzubeziehen? Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass Artikel 38 des GATT alle WTO-Mitgliedsländer verpflichtet, die Marktsituation für Grunderzeugnisse, die für die Entwicklungsländer von besonderem Interesse sind, zu stabilisieren und zu verbessern.
Dieser Bericht schlägt mehrere Wege vor, um die gegenwärtigen Probleme zu lösen und die Effizienz sowie die Legitimität der WTO zu erhöhen. Damit die Stimmen, die Standpunkte, die Interessen der Entwicklungsländer mehr Gehör finden und vor allem berücksichtigt werden, verweist er auf die Notwendigkeit, ein demokratischeres System der Entscheidungsfindung und eine bessere Repräsentativität des Sekretariats der WTO einzuführen, wofür im Übrigen mehr Finanzmittel und Humanressourcen erforderlich sind.
Um eine bessere Transparenz der Debatten und der organisatorischen Arbeit zu gewährleisten, bedarf es einer besseren Information, des Dialogs der Organisation mit den Repräsentanten der Zivilgesellschaft sowie des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Tagungen, insbesondere beim Streitschlichtungsverfahren.
Schließlich muss die parlamentarische Dimension der WTO als Garant für die demokratische Legitimität und die Transparenz der Verhandlungen verstärkt werden. Voraussetzung hierfür ist vor allem die Einsetzung einer mit Beratungsvollmachten ausgestatteten parlamentarischen Versammlung der WTO.
Über diese Maßnahmen hinaus gilt es, die Ziele des multilateralen Handelssystems zu überarbeiten, um Übereinstimmung mit den anderen internationalen Organisationen zu gewährleisten. Allein eine derartige engagierte Reform wird es ermöglichen, eine Doha-Runde zum Abschluss zu bringen, die wirklich für die Entwicklung und die Realisierung der Millenniumsziele eintritt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass das oberste Ziel in der Beseitigung von Armut und Hunger besteht, doch leider zeigt die gegenwärtige Situation, dass unsere Verpflichtungen noch nicht eingelöst sind.
Daniel Dăianu (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte darauf hinweisen, dass die Reform der WTO in eine Neugestaltung des gesamten institutionellen Gefüges zur Steuerung der globalen Herausforderungen eingebettet werden muss.
Sehen Sie sich nur die Folgen der Erderwärmung und der Finanzkrise in Form von gewaltigen wirtschaftlichen Ungleichgewichten an. Offener Handel muss gerecht sein. Er muss zudem an Maßnahmen geknüpft sein, die zur Entwicklung der armen Länder beitragen, und zwar insbesondere durch die Landwirtschaft. Der ungeheure Anstieg der Lebensmittelpreise wird Protektionismus und Beschränkungen schüren, wenn wir uns nicht auf die Entwicklung der Nahrungsmittelerzeugung in der Welt konzentrieren.
Der Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln hat eine äußerst schwierige allgemeine Lage nur weiter verschlimmert. Die Nahrungsmittelversorgung wird sowohl in wohlhabenden als auch in armen Ländern zunehmend als ein Problem der nationalen Sicherheit angesehen werden. Angesichts der dramatischen Veränderungen im internationalen Kontext müssen daher die Reformen der GAP, der EU-Entwicklungshilfepolitik und der Energiepolitik überprüft werden.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf drei Punkte im Zusammenhang mit dieser Aussprache lenken.
Zunächst einmal erfüllen zahlreiche Länder, obwohl sie Mitglieder der Welthandelsorganisation sind, die erforderlichen Sozial-, Umwelt- und Tierschutzstandards nicht. Infolgedessen haben sie niedrigere Produktionskosten. Bedauerlicherweise ist es dann aber unmöglich, mit den Erzeugnissen aus solchen Wirtschaftssystemen zu konkurrieren. Diesen Aspekt gilt es zu berücksichtigen, wenn der Zugang zum europäischen Markt für Waren aus Drittstaaten vereinfacht wird, da ansonsten viele Fertigungsbereiche in Europa aufhören werden zu existieren.
Zweitens öffnet sich der europäische Markt mehr und mehr für Agrarprodukte aus Drittländern, die dann im Gegenzug Konzessionen für Exporte von Industrieprodukten und -dienstleistungen aus Europa machen. Dadurch wird das Potenzial der EU-Landwirtschaft geschwächt.
Drittens unterstütze ich voll und ganz die Vorschläge von Frau Muscardini zur Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung der WTO, zu Änderungen in der Einteilung von Staaten in Industrieländer und Entwicklungsländer, zur Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Welthandelsorganisation und den Vereinten Nationen und zur Abkehr vom Konsensprinzip, vor allem auf der Ebene von Arbeitsgruppen und Ausschüssen innerhalb des WTO-Rahmens.
Kartika Tamara Liotard (GUE/NGL). – (NL) Frau Präsidentin! Ich würde sehr gerne eine Menge zu meinen Ideen zur Reform der WTO sagen, aber stattdessen möchte ich der Kommission lieber einige konkrete Fragen stellen, auf die ich gern eine Antwort hätte. Die Fragen veranschaulichen die Punkte, die wir bei der Debatte über die Reform der WTO neben den bereits genannten verfahrensmäßigen Reformen, wie Transparenz, berücksichtigen müssen.
Im Kontext des Klimawandels wird stets mehr auf die Verwendung von Biokraftstoffen gedrängt. Auf die Diskussion, ob dies gut oder schlecht ist, möchte ich hier nun nicht eingehen, aber ich werde doch die folgenden Fragen auf, die die Verpflichtungen der Europäischen Union im Rahmen der WTO betreffen. Im Klimawandelpaket der EU sind einige Umweltkriterien enthalten, denen Biokraftstoffe genügen müssten. Ich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen würden jedoch auch gerne sehen, dass soziale Kriterien gefordert werden, wie Mindestlöhne und Bekämpfung von Kinderarbeit. Ist dies mit den Forderungen der WTO vereinbar? Wenn nicht, werden wir dann nicht dazu genötigt, Kinderarbeit und Unterbezahlung hinzunehmen? Ich habe eine weitere Frage zum Handel mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Meiner Ansicht nach lässt das Protokoll von Cartagena den Mitgliedstaaten selbst Entscheidungsfreiheit bei der Zulassung von GVO. Ist dies mit der WTO vereinbar und, wenn nicht, wie werden Sie dies lösen? Das Parlament hat angegeben, die Mehrheit seiner Mitglieder sei gegen den Handel mit Seehundfellen. Kanada droht nun, dies über die WTO anzufechten. Wie gedenken Sie, den Wunsch der Mehrheit der EU-Bevölkerung auf diesem Gebiet wahren zu können? Ich denke, dass diese Fragen sehr wichtig sind und bei der Reform berücksichtigt werden müssen.
Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Handel zwischen den Nationen ist eine gute Sache. Der freie Handel ist wünschenswert, jedoch hat die Welt sich heute gewandelt, und die WTO-Regeln sind ungeeignet und müssten vielfach verändert werden.
Auch der Charakter des internationalen Handels hat sich verändert. In der Vergangenheit beruhte der Handel auf Komplementarität: Jeder suchte das, was er nicht selbst hatte, und exportierte Überschüsse. Diese Ordnung brachte die Nationen zum Wohlstand. Heute jedoch hat das Sozialdumping Vorrang. Man stößt das ab, was man herstellen kann, um zu importieren, was andere billiger produzieren, nicht weil sie produktiver sind, sondern weil sie weniger Kosten und Steuern zu tragen haben und geringeren sozialen Zwängen unterliegen.
Diese Ordnung der WTO bewirkt, dass die armen Länder, die Armen in den reichen Ländern die Reichen in den armen Ländern immer reicher machen. Es ist immer weniger eine Ordnung der Solidarität, der organisierten Gegenseitigkeit in den Nationen, sondern eine Ordnung, die die Nationen aus den Fugen geraten lässt und einen Konflikt zwischen Gewinnern und Verlierern hervorruft.
Deshalb müssen die WTO-Regeln geändert werden. Die Gemeinschaftspräferenz muss wieder eingeführt und der Geist des Vertrags von Rom, der den gemeinsamen Außentarif einführte, wieder aufgegriffen werden. Das war keine übervorsichtige Protektion, sondern eine gerechte Kompensation gegenüber Sozialdumping. Die Gründerväter hatten nicht immer Unrecht. Die WTO muss die nicht nachvollziehbare Entwicklung der Wechselkurse in ihre Bewertung der handelspolitischen Zwänge einbeziehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Yuan trotz gewaltiger Außenhandelsüberschüsse niedrig bleibt. Es ist skandalös, dass die EADS jedes Mal, wenn der Dollar gegenüber einem ideologischen Euro um 10 Cent fällt, eine Milliarde verliert.
Schließlich gilt es mit Blick auf die Zukunft eines wirklich freien Handels zu bedenken, dass es, bevor man den Dingen ihren Lauf lassen kann, noch viel zu tun gibt. Erstens müssen die Grenzen als Voraussetzung für die Politik und damit die Freiheit der Völker wieder hergestellt werden, und zweitens muss der Geld- und Finanzökonomie eine untergeordnete Stellung gegenüber der realen Ökonomie, der produktiven Ökonomie, die allein es den Völkern ermöglicht, hier und jetzt frei zu leben, zugewiesen werden.
Jim Allister (NI). – (EN) Frau Präsidentin! Die WTO weist viele Mängel auf. Ihr größtes Manko sind jedoch zweifellos die ungerechtfertigten Vorteile, die sie China, Indien und Brasilien gewährt, indem sie ihnen den günstigen Status eines Entwicklungslandes zuerkennt. Sie waren einmal aufstrebende Volkswirtschaften. Heute haben sie diese Entwicklung jedoch definitiv abgeschlossen und können mit den Besten mithalten. Tatsächlich sind sie so erfolgreich, dass sie in vielen Bereichen weltweit führend sind. Trotzdem gewähren wir ihnen aus unerklärlichen Gründen eine Freikarte als Entwicklungsland und gestehen ihnen folglich niedrigere Standards und geringere Verpflichtungen zu.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass meine Wähler oft den Eindruck haben, die WTO vertrete oder diene nicht ihren Interessen, ein Eindruck, der sich noch verstärkt, wenn sie erleben, wie Kommissar Mandelson in landwirtschaftlichen Fragen ein unübertroffenes Zugeständnis nach dem anderen macht.
Frau Kommissarin, das richtige Geschäft zu machen ist wichtiger, als überhaupt ein Geschäft zu machen. Dies kann nicht das richtige Geschäft sein, wenn es unsere Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft unter einer Flut billiger Importe aus Ländern begräbt, die wir stärker begünstigen als es bei ihrer stabilen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erforderlich wäre.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Eine Institution, die nicht ordnungsgemäß funktioniert, muss reformiert werden, damit sie allen Interessenvertretern und Verbrauchern angemessen dienen kann. Wir unterstützen sehr wohl den freien Handel, aber leider ist dieser oft begleitet von Habgier. Ein Kontrollmechanismus muss eingerichtet werden, wenn der Handel liberalisiert wird; das ist der Zweck einer starken und ordnungsgemäß funktionierenden Welthandelsorganisation. Der internationale Handel hat sich mittlerweile so rasant entwickelt und ist so umfassend geworden, dass eine gute Koordination notwendig ist. Das Europäische Parlament kann da nicht tatenlos zusehen. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass Frau Muscardinis Arbeit bezüglich der Reform dieser Organisation dazu beitragen wird, diesen Erwartungen gerecht zu werden und die WTO zu einem internationalen Gremium zu entwickeln, das in der Lage ist, den Handel auf einem klaren und genau definierten Kurs zu steuern.
David Martin (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich Frau Muscardini zu einem hervorragenden Bericht beglückwünschen.
Die WTO hat in der Welt noch immer eine wichtige Rolle inne, die sie angemessen erfüllt. Aber sie hat eine Modernisierung und eine Reform nötig. Eine der wichtigsten Reformen besteht meiner Ansicht nach darin, in der WTO parlamentarische Demokratie einzuführen. Wir brauchen eine parlamentarische Versammlung, die sich regelmäßig trifft und die Arbeit am Verhandlungstisch der WTO überwacht.
Wir müssen außerdem die Regeln der WTO auf den neuesten Stand bringen, um sicherzustellen, dass ökologische Nachhaltigkeit und Klimawandel in den Verhandlungen der WTO stärker berücksichtigt werden und dass auch soziale und arbeitsrechtliche Klauseln in diese Verhandlungen aufgenommen werden. Insbesondere würde ich mir eine engere Verbindung der IAO mit der Arbeit der WTO wünschen als sie aktuell gegeben ist.
Im Hinblick auf den Bericht in seiner Gesamtheit unterstütze ich voll und ganz die Arbeit, die Frau Muscardini im Ausschuss für internationalen Handel geleistet hat.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Der gemeinsame Markt und der unbeschränkte Handel sind Schlüsselvoraussetzungen für die Entwicklung der Wirtschaft. Der Begriff unbeschränkt bedeutet aber nicht ungeregelt und ohne alle Prinzipien bezüglich der Festlegung von Bedingungen für Handelsbeziehungen bei gleichzeitiger Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Notwendigkeit einer angemessenen Regulierung des Handels auf weltweitem Niveau ist gerade im Kontext der Globalisierung besonders akut. Deswegen ist die Rolle der Welthandelsorganisation so wichtig. Die WTO hat eine sehr breite Basis, da sie mehr als 150 Mitgliedstaaten unter ihrem Dach vereint. Sie wird effizienter arbeiten können, wenn ihre Kompetenzen klar definiert und auf die Handelspolitik beschränkt sind.
Klarheit und Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, das bedeutet in allererster Linie sicherzustellen, dass der Produktionsprozess etablierte Standards und Qualitätsanforderungen erfüllt, z. B. in Bezug auf Umweltschutz, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen und Tierschutz. Wettbewerbsfähigkeit bemisst sich nicht nur ausschließlich nach Produktionskosten und Preisen. Abschließend möchte ich anfügen, dass die WTO-Reform Ausdruck der Bereitschaft ist, im Interesse von Entwicklung und Armutsbekämpfung zusammenzuarbeiten.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte allen, die an diesem Bericht beteiligt waren, meine Glückwünsche aussprechen, insbesondere der Berichterstatterin.
Ich sehe – und ich zitiere hier sehr frei aus der Begründung –, dass die Analyse der gesamten Welthandelsorganisation, die dem Ausschuss für internationalen Handel bevorsteht, sich sehr stark auf die Schlussfolgerungen des Sutherland-Berichts stützen wird, der seit Jahren in den Regalen verstaubt. Es sieht so aus, dass die Kommission dann, wenn der Ausschuss seinen eigenen Bericht erstellt, die Aufgabe haben wird, in Genf die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die empfohlenen Verbesserungen umzusetzen.
Welche Garantie haben wir, dass ein neuer Bericht mehr Handeln nach sich ziehen wird als der hervorragende Sutherland-Bericht? Wird ein neues WTO-Maßnahmenpaket Erwägungen im Hinblick auf Umwelt und Klimawandel enthalten? Bezüglich der Frage hinsichtlich mangelnder Homogenität zwischen den Entwicklungsländern und der momentanen Stellung Chinas, Brasiliens und Indiens, die bereits zur Sprache gekommen ist, werden wir auf dieser Ebene stärker zwischen verschiedenen Entwicklungsstadien unterscheiden?
Und meine letzte Frage lautet: Wird regionale Nahrungsmittelsicherheit für alle Regionen eine berechtigte Erwägung darstellen?
Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte den verehrten Abgeordneten für ihre Anmerkungen und Vorschläge danken, die die Kommission in ihren Überlegungen über die Reform der WTO berücksichtigen wird.
Die Kommission teilt viele der im Verlauf der Diskussion geäußerten Bedenken und unterstützt auch viele der Vorschläge, die Frau Muscardini in ihrem Bericht dargelegt hat. Man muss sich dennoch bewusst sein, dass einige von ihnen auf großen Widerstand stoßen werden. Die Kommission wird sich aber sicherlich für sie einsetzen.
Insbesondere unterstützt die Kommission voll und ganz die Forderung nach Übereinstimmung zwischen der WTO und anderen internationalen Organisationen sowie die Forderung nach mehr Transparenz und einer stärkeren Beteiligung der Parlamente, insbesondere an der Überwachung und der Überarbeitung der Handelspolitik. Die Kommission teilt zudem die Ansicht, dass eine starke WTO im Interesse der Entwicklungsländer ist.
Ich möchte auch auf die Äußerungen von Frau Liotard eingehen, die über die Reform der WTO hinausgehen. Ich kann zu diesem Zeitpunkt noch keine Einzelheiten nennen, möchte Ihnen jedoch versichern, dass wir mit unseren Partnern schon über Kinderarbeit und andere verwandte Themen sprechen, und wir unterstützen die Zusammenarbeit von IAO und WTO.
Abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich Ihre Anmerkungen selbstverständlich meinem Kollegen Herrn Mandelson weitergeben werde, damit sie in den Gesprächen mit anderen WTO-Mitgliedern in vollem Umfang berücksichtigt werden können.
Cristiana Muscardini, Berichterstatterin. − (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank gilt der Kommission für die Wertschätzung der Arbeit des Ausschusses. Ebenso danke ich den Verfassern der Stellungnahmen des Entwicklungsausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie den zahlreichen Kollegen, die sich im Plenum zu Wort gemeldet haben, für ihre Unterstützung. Auf diese politische und sozusagen technische Unterstützung stütze ich mich heute Abend, um gegenüber der Kommission nochmals die Notwendigkeit hervorzuheben, keine Zeit zu verlieren, denn wehe denen, die Zeit haben und diese Zeit vergeuden! Mit anderen Worten, es stimmt, dass sich wohl endlich eine Lösung für Doha abzeichnet, doch wurde diese Lösung in den letzten Jahren allzu oft verschoben. Wenn wir heute eine schwere Nahrungsmittelkrise erleben, müssen wir auch bedenken, dass einige Fachleute, selbst aus der Europäischen Union, eine gewisse Verantwortung dafür tragen, denn sie haben in weit zurückliegenden Zeiten andere Szenarien für die Agrar- und Lebensmittelkrise entworfen.
Wenn wir den Konflikt zwischen wirklich armen Ländern und Entwicklungsländern sowie bereits entwickelten Ländern vermeiden wollen, wenn wir den Markt gerecht gestalten wollen – und der Markt kann nur durch Regeln gerecht und frei werden –, müssen wir beherzt sein, denn wenn wir das Konzept der menschenwürdigen Arbeit verteidigen und die Streitigkeiten schneller beilegen wollen, dürfen wir keinen weiteren Aufschub dulden.
Der Ausschuss für internationalen Handel ist sich der Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer Reform der WTO, in der sich seit langem bestimmte Arbeitsweisen verfestigt haben, bewusst. Er ist sich jedoch auch bewusst, dass die WTO in gewisser Weise die Kraft und den Mut finden muss, den Weg der Reform zu beschreiten, um den Erwartungen, die von mehreren Seiten in sie gesetzt werden, gerecht zu werden und sich zu einer modernen Organisation des dritten Jahrtausends zu entwickeln. Die Kommission sollte unsere Überlegungen, denen dieses Hohe Haus morgen mit großer Mehrheit als politische Forderung formalen Ausdruck verleihen wird, aufgreifen und sich zu eigen machen.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung (Artikel 142)
Kathy Sinnott (IND/DEM), schriftlich. – (EN) 2001 lautete ein Ziel der Verhandlungen der Doha-Runde, die Handelsbeschränkungen weltweit zu lockern und so den freien Handel zwischen Ländern unterschiedlichen Wohlstands zu ermöglichen.
2005 kürzte die EU die Preise, die sie den europäischen Zuckerbauern bot, um fast 40 %. Anlass war die Entschlossenheit der Welthandelsorganisation, ärmere Länder auf dem Weltmarkt, zum Beispiel Australien, Brasilien und Thailand, zu begünstigen. Leider hatte dies überaus negative Auswirkungen für einige Länder in der Europäischen Union, zum Beispiel Irland, dessen Zuckerwirtschaft dadurch zugrunde gerichtet wurde, sowie auf die ärmsten zuckerproduzierenden Länder Afrikas, der Karibik und des pazifischen Ozeans wie Mauritius, Belize und Fidschi.
2008 nun erleben viele dieser ärmsten Länder, die schon unter den Folgen der Umstrukturierung des Zuckermarktes durch die EU zu leiden hatten, erneut zivile Unruhen wegen der Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis und Mais, die sie sich nicht leisten können, weil sie kein Einkommen aus dem Zuckerhandel mehr haben.
Bevor wir neue Maßnahmen zum Abbau von Handelsbeschränkungen verabschieden, sollten wir ernsthaft eine Verträglichkeitsprüfung durchführen, um festzustellen, welche Auswirkungen die EU für einige ihrer ärmsten Nachbarn haben könnte, damit Veränderungen dieser Art nicht wieder zu solch schädlichen Ergebnissen führen.
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache zu der mündlichen Anfrage an die Kommission von Helmuth Markov im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über jüngste Entwicklungen bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EG und dem Golfkooperationsrat (O-0032/2008 – B6-0020/2008).
Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Einige mögen sagen, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den Ländern des Golfkooperationsrats dauerten schon 17 Jahre an. Es wird jedoch erst seit 2002 über die Inhalte beraten. Wir, die Kommission, aber auch die Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat hoffen, die Verhandlungen eher früher als später zum Abschluss bringen zu können. Wir wissen, dass das Freihandelsabkommen zu einer Vertriefung der Beziehungen zwischen unseren Regionen beitragen wird. Die Verhandlungen wurden 2007 beschleunigt. Der Höhepunkt war der Besuch von Kommissar Mandelson in Doha im Dezember 2007, der den Verhandlungen einen wichtigen politischen Impuls gab. Wir haben bei allen Kapiteln gute Fortschritte gemacht und sind einem Abkommen näher denn je.
Einige Fragen sind jedoch noch offen, die wichtig sind, um der EU einen wahrhaft bevorzugten Zugang zum GCC-Markt zu garantieren und zu gewährleisten, dass sie anderen Partnern gegenüber nicht benachteiligt wird. Diese Fragen betreffen Ausfuhrabgaben, einige Ausnahmeregelungen auf dem Gebiet der Energiedienstleistungen, insbesondere durch die VAE, und bestimmte horizontale Bestimmungen des Abkommens im Zusammenhang mit Wettbewerb und geistigem Eigentum. Eine für Januar vorgesehene Verhandlungsrunde wurde abgesagt. Seither haben wir von Seiten des GCC keinerlei Rückmeldungen erhalten. Wir hoffen jetzt für Anfang Mai auf die nächste Runde, parallel zur Tagung des Gemischten Ausschusses EU-GCC, die für den 6. Mai angesetzt ist.
Es bleibt unser Ziel, in der nächsten Runde Fortschritte zu erzielen und die Verhandlungen so bald wie möglich abzuschließen, hoffentlich in den ersten Monaten des französischen Ratsvorsitzes. Das Freihandelsabkommen zielt auf die Herstellung privilegierter Beziehungen zwischen der EU und dem GCC im Einklang mit den Grundsätzen und Disziplinen der WTO ab. Es wird damit zur Liberalisierung mehr oder weniger des gesamten Handels zwischen den Parteien führen. Weiterhin zielt es darauf ab, die Mitgliedstaaten des GCC in ihrer Politik der wirtschaftlichen Diversifizierung zu unterstützen, indem es weitere Wirtschaftsreformen fördert und das Potenzial verstärkter Auslandsinvestitionen bietet. Hinzu kommt die wachsende Dynamik ausländischer Investitionen in die Region.
Das Freihandelsabkommen enthält bedeutende Verpflichtungen im Hinblick auf den Handel mit Dienstleistungen, beiderseitige Investitionen und den gegenseitigen Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten, auch in der Energie- und der Transportbranche. Es sieht ehrgeizige Zollliberalisierungspläne vor, auch in der Chemiebranche. Nicht zuletzt deckt es auch nichttarifäre Bereiche ab, wie etwa technische Handelsbarrieren, Gesundheits- und Pflanzenschutznormen oder Rechte des geistigen Eigentums.
Dieses Hohe Haus hat seine Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass das Freihandelsabkommen, über das wir mit dem Golfkooperationsrat verhandeln, keine Klauseln zu den Menschenrechten sowie zu sozialen und ökologischen Normen enthält. Lassen Sie mich daher zunächst richtigstellen, dass der aktuelle Entwurf des Freihandelsabkommens zwischen EU und GCC durchaus einige nicht handelsbezogene Klauseln enthält – zu Menschenrechten, Migration, Terrorismusbekämpfung und der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Über diese Klauseln haben wir uns schon vor einigen Jahren mit dem GCC verständigt. Es hat sich bei der letzten Verhandlungsrunde jedoch herausgestellt, dass es auf Seiten des GCC einige offene Fragen bezüglich der Formulierung der Suspensionsklausel im Zusammenhang mit der Anwendung der wesentlichen politischen Elemente des Abkommens gab. Neben diesen Klauseln weist die Präambel des Abkommens auf die Notwendigkeit hin, den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsprozess in den GCC-Ländern zu stärken, dabei jedoch den Umweltschutz zu wahren. Sie verweist außerdem auf die Tatsache, dass die Parteien ausländische Direktinvestitionen nicht ermutigen sollen, indem sie ihre inländischen Umwelt- oder Kennzeichnungsnormen herabsetzen oder lockern. Zudem sieht sie Konsultationen vor, falls eine tatsächliche oder vorgeschlagene Maßnahme mit diesen Grundsätzen unvereinbar scheint.
Bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen von EU und GCC fanden die Ergebnisse und Schlussfolgerungen einer Nachhaltigkeitsprüfung Berücksichtigung, die zwischen 2001 und 2004 durchgeführt wurde. Dies war insbesondere in den Bereichen der Fall, die nach den Erkenntnissen der Berater wichtig für eine nachhaltigere wirtschaftliche Entwicklung im GCC waren, und zwar die Dienstleistungsbranche sowie einige Industriezweige. Wie von diesem Hohen Haus gefordert, haben wir im Februar die Verhandlungsrichtlinien für das Freihandelsabkommen von EU und GCC zur Verfügung gestellt, einschließlich aller Aktualisierungen gemäß den abgestimmten Verfahren und unter Berücksichtigung der Vertraulichkeitsregeln.
Lassen Sie mich abschließend betonen, dass das Europäische Parlament regelmäßig über den aktuellen Stand der Verhandlungen über das EU-GCC-Freihandelsabkommen informiert worden ist und dass die Europäische Kommission es auch weiterhin auf dem Laufenden halten wird.
Tokia Saïfi, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Über den Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Golfkooperationsrat wird seit 1988 verhandelt, und es sieht so aus, als nähere man sich dem definitiven Abschluss.
Ich freue mich über diese jüngsten Fortschritte, denn der Abschluss eines Freihandelsabkommens ist von vorrangiger Bedeutung, um die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Golfstaaten zu intensivieren und zu regulieren. Es würde somit eine neue und dynamischere Ära für die Zusammenarbeit in zahlreichen strategischen Bereichen zwischen zwei Regionen eröffnen, die gegenseitig füreinander von herausragender Bedeutung sind, deren Beziehungen jedoch noch substanzielle Defizite aufweisen.
Das Freihandelsabkommen soll zum Abbau der nichttarifären Hemmnisse und zur Abschaffung aller öffentlichen Subventionen und Ausgleichszahlungen in Übereinstimmung mit den derzeitigen WTO-Regeln, vor allem für den Zugang zu Rohstoffen, beitragen. Die Chancen und die Herausforderungen des Erstarkens der Staatsfonds sollten Gegenstand einer umfassenden Prüfung, eines Dialogs und einer konstruktiven Kooperation zwischen dem Europäischen Parlament und den Golfstaaten sein.
Das Ziel besteht darin, Rahmenbedingungen beizubehalten, die für Investitionen offen sind und zugleich deren Transparenz verbessern. Daher müssen die Manager dieser Fonds dem Markt mehr Informationen hinsichtlich der Herkunft ihrer Mittel, ihrer Investitionsziele und ihrer Strategien geben. Zugleich muss Europa auch die Bedingungen schaffen, um solche Mittel anzuziehen, die Träger von Wachstum und Innovation sind und Arbeitsplätze schaffen, wobei nicht vergessen werden darf, welch starke internationale Konkurrenz es beim Werben um produktives Kapital gibt.
Die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens wird die Golfstaaten ermutigen, sich stärker der Sichtweise ihrer europäischen Partner zu öffnen, und so eine Diversifizierung und Beschleunigung unseres Handels und Austauschs ermöglichen.
Carlos Carnero González, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich der Kommissarin für ihre Erläuterungen danken und sogleich bestätigen, dass die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit dem Golfkooperationsrat als ein Ziel betrachtet, mit dem wir übereinstimmen.
Es muss wirklich so bald wie möglich geschehen. Europa und die zum GCC gehörenden Länder werden davon profitieren. Doch Tatsache ist auch, dass das Verhandlungsmandat für dieses Abkommen ziemlich alt ist. Es enthält nicht die notwendigen Klauseln, um sich auf Themen zu konzentrieren, die in der heutigen Welt eine Schlüsselrolle spielen, wie Menschenrechte, Beschäftigung oder die Umwelt.
Deshalb freue ich mich, von der Kommissarin zu hören, dass die Kommission alles in ihren Kräften Stehende unternimmt, um diese Fragen in das Abkommen aufzunehmen. Andernfalls wäre es völlig unverständlich, denn wir sprechen nicht nur über Handel oder wirtschaftlichen Austausch.
Wir alle wissen, dass dies wichtige Länder sind, die eine der größten Quellen des Wohlstands weltweit besitzen, das Öl, ein wichtiger Bestandteil unserer modernen Gesellschaften.
Doch diese Länder haben nicht nur Öl. Sie haben Menschen, Männer und Frauen, die in diesen Ländern geboren wurden, und auch Männer und Frauen, die aus anderen Ländern kommen, um dort zu arbeiten, und ich glaube, dass die Menschenrechte in diesen Ländern nicht so respektiert werden, wie sie sollten, beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung oder auf Vereinigungsfreiheit. Was die fehlende Gleichstellung der Frauen angeht, so müssen wir Scham und Empörung empfinden, wenn wir zum Beispiel Nachrichten wie den Bericht von Human Rights Watch lesen, in dem festgestellt wird, dass die Frauen in einigen dieser Länder die Genehmigung eines so genannten „Wächters“ benötigen, der ihr Vater, Ehemann oder sogar Sohn sein kann, um zu arbeiten, zu reisen, zu studieren oder selbst Zugang zur gesundheitlichen Betreuung zu erhalten. Das ist einfach untragbar, völlig inakzeptabel.
Doch wir könnten auch über die Lage der schon erwähnten Einwanderer sprechen, die in diesen Ländern arbeiten und ein starkes Arbeitskräftepotenzial darstellen. Werden ihre Rechte garantiert oder nicht? Und weiter, wie sorgen so große ölerzeugende Länder wie die GCC-Staaten für die Umwelt? Sind sie am Klimawandel oder am Rohölpreis interessiert?
Das muss freundschaftlich, doch in aller Klarheit angesprochen werden. Daher freuen wir uns, dass die Entschließung, über die wir morgen abstimmen, schließlich so wichtige Ziffern wie Nr. 17 und 19 aufgenommen hat, an denen wir unserer Ansicht nach einen Anteil haben. Sie nehmen beispielsweise Bezug auf die Menschenrechte als Gegenstand einer Klausel, die zu einem maßgeblichen Bestandteil des Freihandelsabkommens werden sollte, das mit dem Golfkooperationsrat unterzeichnet werden soll, oder auf die Notwendigkeit, dass die Seiten die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ratifizieren.
Wir haben auch weitere Änderungsanträge eingereicht, die von den Fraktionen hoffentlich unterstützt werden können und damit diesen Themen größeres Gewicht verleihen. Allerdings gilt es, vorsichtig zu sein, um keine falsche Botschaft an unsere Verbündeten zu richten: Die Menschenrechte müssen respektiert werden, ob Öl im Spiel ist oder nicht.
Ramona Nicole Mănescu, im Namen der ALDE-Fraktion. – (RO) Die Diskussion um die Entwicklungen bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EG und dem Golfkooperationsrat hat mein Interesse geweckt, da ich vor kurzem zusammen mit der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu den Golfstaaten die Region besucht habe.
Die bei den interparlamentarischen Tagungen erörterten Themen umfassten auch die Verhandlungen über dieses Abkommen.
Die Vertreter des Golfkooperationsrats erklärten, die Europäer würden Druck ausüben, um unbeschränkten Zugang zu zahlreichen Investitionsmöglichkeiten zu bekommen, während der Golfkooperationsrat nicht nur an der Beschaffung von Kapital interessiert sei, sondern auch an Technologie und Management-Know-how.
Zum einen sollten die begonnenen Verhandlungen bereits 2006 abgeschlossen sein, aber sie sind noch immer im Gange, und die Gründe dafür liegen bei beiden Seiten.
Die Europäische Union ist der Ansicht, dass es den Mitgliedern des Golfkooperationsrats an Koordination und Reformen mangelt, und die Golfstaaten beklagen sich über eine endlose Liste von Bedingungen, die sie erfüllen müssen.
An einige der wichtigsten hat der Handelskommissar, Herr Mandelson, uns erinnert: Marktzugang, Kennzeichnung des Ursprungs von Erzeugnissen, Regierungslizenzen, Maßnahmen zum Investitionsschutz sowie Kriterien für deren Garantie im Golfkooperationsrat.
Aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, dass sich durch den Abschluss des Freihandelsabkommens beide Seiten offiziell zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit verpflichten würden, von der beide Seiten erheblich profitieren könnten, nämlich in den Bereichen Energiekooperation, wirtschaftliche und technische Entwicklung der Region einschließlich eines wirksameren Umweltschutzes, Schaffung eines gemeinsamen Marktes und eine Erhöhung der europäischen Investitionen, um nur einige zu nennen.
Zum anderen findet in der Region eine heikle Debatte über das Problem der Achtung der Menschenrechte statt. Die EU spielt eine sehr wichtige Rolle in der internationalen Wirtschaft, aber zugleich ist sie auch einer der wichtigsten Verfechter der Menschenrechte.
Die Diskussionen, die ich mit den Vertretern der aktivsten Nichtregierungsorganisationen in der Region geführt habe, machten sehr deutlich, dass die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen auch eine gute Gelegenheit bieten, Druck auf die Golfstaaten auszuüben, damit den Bürgern dieser Länder mehr private und politische Freiheiten zugestanden werden.
Darum sollte bei Verhandlungen über wirtschaftliche Themen auch stets den Gesetzen zur Einhaltung der Rechte von Wanderarbeitnehmern und Frauen erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht werden.
Caroline Lucas, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Meine Fraktion spricht sich nachdrücklich dafür aus, die Kommission aufzufordern, dem Parlament mehr Informationen über die Verhandlungen zu diesem Freihandelsabkommen zu geben und uns insbesondere das Verhandlungsmandat sowie eine aktualisierte Nachhaltigkeitsprüfung zukommen zu lassen.
Angesichts der schlechten Bilanz der Golfstaaten bezüglich ihrer Sozial- und Umweltnormen unterstreichen wir ferner die Notwendigkeit, ein deutliches Kapitel über nachhaltige Entwicklung in dem Freihandelsabkommen vorzusehen. Deshalb sind wir beunruhigt über Äußerungen der GD Handel, dass es, da die Verhandlungen mit den Golfstaaten ja schon vor langer Zeit begonnen hätten, als Fragen nachhaltiger Entwicklung anscheinend noch nicht von so großer Bedeutung waren, nun zu spät sei, die Verhandlungen mit Fragen wie Menschenrechtsklauseln zu belasten.
Ich meine, wir müssen darauf hinweisen, dass dies politisch inakzeptabel ist, und wir hoffen, dass die GD Handel daran denkt, dass das Parlament einem Endergebnis der Verhandlungen zustimmen muss.
Über unsere Bedenken bezüglich der Sozial- und Umweltnormen im Zusammenhang mit dem Handel in der Golfregion hinaus müssen wir uns jedoch sehr viel sorgfältiger damit befassen, welche Art von Handel ein Freihandelsabkommen mit den Golfstaaten zu liberalisieren bezweckt. Wir wissen natürlich, dass das Interesse der EU darin liegt, unbegrenzten Zugang zu Energievorräten zu erhalten und Handelsbarrieren wie Ausfuhrabgaben oder quantitative Beschränkungen zu beseitigen. Natürlich wissen wir, dass die EU versucht, andere Industrieländer oder aufstrebende Volkswirtschaften aus dem Rennen zu schlagen, um die besten Zugangsbedingungen zu erhalten, dass die EU die steigenden Energiepreise im Auge hat und mehr Waren in die Region verkaufen möchte, um ihre Handelsbilanz auszugleichen. Das widerspricht selbstverständlich gänzlich den erklärten Zielen der EU im Hinblick auf seine Klimapolitik.
Aber stellen wir uns ein anderes Szenario vor: Die EU würde nicht versuchen, ihre Handelsbeziehungen durch eine kompromisslose Liberalisierung auszugleichen, sondern würde sich den Impuls des Handelsbilanzdefizits zunutze machen, um die Entwicklung und Anwendung erneuerbarer Energien zu fördern; die EU würde sich nicht am internationalen Wettlauf um den sicheren Zugang zu Öl beteiligen, sondern bestünde auf multilateralen Abkommen, durch die alle Länder einen fairen Anteil an den abnehmenden weltweiten Ressourcen erhalten.
Verglichen mit diesem ehrgeizigen Szenario, das wir uns wünschen würden, ist das Bestehen des Parlaments auf einem deutlichen Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung im Freihandelsabkommen das absolut Mindeste, was wir benötigen, um zu entscheiden, ob dieses Hohe Haus dem bevorstehenden Abkommen zustimmen kann oder nicht.
Avril Doyle (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Die Dringlichkeit, ein ordnungsgemäß funktionierendes Freihandelsabkommen abzuschließen, kann nicht genug betont werden. Die EU-Exporte in die GCC-Mitgliedstaaten haben seit den 1980er Jahren zugenommen. Der GCC ist zurzeit der sechstgrößte Exportmarkt der EU, und die EU ist der wichtigste Handelspartner des GCC. 2005 betrugen die EU-Exporte in den GCC etwa 50 Milliarden Euro, wohingegen die Exporte des GCC in die EU bei etwa 37 Milliarden Euro lagen.
Die Kommission geht davon aus, dass sich das Handelsvolumen schon bald nach der Unterzeichnung des Abkommens verdoppeln wird. Darüber hinaus sieht das vorgeschlagene Abkommen erstmals, soweit ich weiß, Klauseln zu Menschenrechten, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und Terrorismusbekämpfung vor, was sicherlich begrüßenswert ist.
Leider hat sich die Erzielung einer Einigung sehr verzögert, und als Herr Mandelson die Region im Februar 2007 besuchte, gab er dem Freihandelsabkommen, wenn ich Sie richtig zitiere, Frau Kommissarin, einen wichtigen Impuls.
Soviel ich jedoch weiß, äußerte er sich öffentlich bei seinem Aufenthalt dahingehend, der Protektionismus der arabischen Golfstaaten sei schuld an der Verzögerung der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens. Ist die Kommission immer noch dieser Auffassung, und ist dies die Sprache, mit der sich internationale Abkommen fördern lassen?
Trotz der Rückschläge in der Einigung über ein Handelsabkommen arbeiten die GCC-Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Harmonisierung der Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen in positiver Weise mit der Kommission zusammen. Die Waren von Fluggästen, die diese heute zollfrei kaufen und entweder in die Golfstaaten oder die Europäische Union überführen, könnten aufgrund der aktuellen, an den Flughäfen geltenden Sicherheitsbeschränkungen für Flüssigkeiten beschlagnahmt werden.
Zum Glück arbeiten einige Staaten des Golfkooperationsrates jedoch mit der Kommission zusammen, indem sie sich gemäß Verordnung (EG) Nr. 915/2007 um die Anerkennung ihrer Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen als angemessen beworben haben. Dieses Verfahren, wenn ich es richtig verstanden habe, erlaubt es Fluggästen, ihre zollfreien Einkäufe aus Drittländern zu überführen, vorausgesetzt, dieses Drittland ist als sicher anerkannt. Durch diese Anwendung haben die betreffenden Golfstaaten erfolgreich eine technische und praktische Zusammenarbeit mit der EU geschaffen, und der Kommission gilt unsere Anerkennung für ihr Handeln auf diesem Gebiet.
Ein solches Beispiel praktischer Zusammenarbeit macht Mut zu einem umfassenderen Freihandelsabkommen, das zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten mag. Ich würde mir jedoch wünschen, dass eine solche Zusammenarbeit und solche Abkommen beschleunigt und ausgebaut werden.
Ein Freihandelsabkommen sollte zudem einen Weg darstellen, die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Golfstaaten zu fördern und so die nachhaltige Entwicklung in der Region zu unterstützen. Zurzeit gibt es kaum eine wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und den Golfstaaten, obwohl ein großes Potenzial vorhanden wäre.
Die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft ist insbesondere im Hinblick auf Klimawandel und Energiepolitik von Bedeutung. Die Europäische Union importiert zurzeit etwa 50 % ihres Energiebedarfs. Etwa 20 % dieser Importe stammen aus den Golfstaaten.
Ein Freihandelsabkommen muss hinsichtlich der Bekämpfung des Klimawandels verstärkt werden. Daher begrüße ich die geplante Durchführbarkeitsstudie der Kommission auf diesem Gebiet.
David Martin (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen. Zunächst möchte ich meinen Dank an Herrn O’Sullivan, den Generaldirektor für Handel, im Protokoll festhalten lassen, der schnell und positiv auf unsere Bitte um die Verhandlungsmandate reagiert hat. Wir haben sie innerhalb einer Woche nach seinem Besuch im Ausschuss erhalten, bei dem wir ihn baten, uns diese Mandate zur Verfügung zu stellen.
Ich begrüße zudem die beachtlichen Fortschritte, die in diesen Verhandlungen bislang erzielt wurden, und erkenne, wie andere vor mir, an, dass diese die Golfstaaten für den EU-Handel öffnen und gut für die Wirtschaft der EU sein sollten.
Ich erkenne außerdem von ganzem Herzen an, dass das Freihandelskommen, das wir aushandeln, in jedem Fall eine Verbesserung gegenüber dem Kooperationsabkommen von 1989 darstellt, und ich begrüße die Tatsache, dass, wie Sie selbst, Frau Kommissarin, angemerkt haben und Frau Doyle es gerade wiederholt hat, das Freihandelsabkommen eine Reihe nichthandelsbezogener Klauseln zu Themen wie Menschenrechte, Migration, Terrorismusbekämpfung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen enthält.
Ich bedaure es jedoch, dass die Klauseln zu Sozialem, Umwelt und Arbeit, über die wir mit den Golfstaaten verhandeln, bedeutend schwächer sind als jene, die wir in unserer modernen Runde der Freihandelsabkommen aushandeln. In unseren Verhandlungen beispielsweise mit Korea oder den ASEAN-Staaten würden wir die Normen nicht akzeptieren, die wir bei den Golfstaaten zu akzeptieren bereit zu sein scheinen.
Die Kommission hat uns bereits mitgeteilt – und wir hätten es ahnen können –, dass der Grund hierfür darin liegt, dass die Verhandlungen auf der Basis eines veralteten Verhandlungsmandats geführt werden, eines Mandats, das seit 2001 nicht mehr aktualisiert wurde. Was ich von keinem Mitglied der Kommission bislang gehört habe, sei es vom zuständigen Kommissar, vom Generaldirektor für Handel oder der hier anwesenden Kommissarin, ist, warum wir noch immer auf der Basis eines veralteten Mandats verhandeln. Es fällt mir schwer, mich von dem Verdacht zu befreien, dass die Kommission der Meinung war, es würde zu schwierig werden, mit den Golfstaaten moderne Nachhaltigkeits-, Entwicklungs- und Arbeitsklauseln auszuhandeln. Ebenso stellt sich mir die Frage, warum wurde die Nachhaltigkeitsprüfung seit 2004 nicht aktualisiert? Auch hier warte ich bislang noch auf überzeugende Gründe.
Ich muss sagen, was mich besonders beunruhigt – Herr Carnero hat die Lage der Frauen angesprochen, und das ist eine Sorge, die ich teile –, aber was mich besonders beunruhigt, sind die Rechte der Wanderarbeitnehmer in den Golfstaaten. Eines steht fest: Diese Personen machen die Mehrheit der Arbeitskräfte in den Golfstaaten aus, und ich sehe nicht, wie sie durch dieses Freihandelsabkommen in irgendeiner Weise geschützt werden. Was wird die Kommission unternehmen, um sicherzustellen, dass im Hinblick auf Wanderarbeitnehmer die zentralen Normen der IAO von den Golfstaaten anerkannt werden?
Abschließend, Frau Kommissarin, habe ich folgende Frage: Ihre Kollegin, Frau Ferrero-Waldner, hat sich in der vergangenen Woche mit der Gesellschaft für Menschenrechte aus Bahrain getroffen und einige Bedenken bezüglich Menschenrechte und Wanderarbeiter zur Sprache gebracht. Sie wird in den „Gulf Daily News“ mit den Worten zitiert, Menschenrechtsklauseln in einem Freihandelsabkommen hätten ihre volle Unterstützung. Wie gedenkt die Kommission, dieses Versprechen umzusetzen?
Kader Arif (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Die Europäische Union verhandelt, wie hier bereits gesagt wurde, nunmehr seit fast 20 Jahren über den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit dem Golfkooperationsrat.
In dieser Zeit wurde das Verhandlungsmandat der Kommission nur sehr geringfügig verändert, ohne dass man von einer echten Aktualisierung sprechen kann. Daraus ergibt sich die zumindest erstaunliche Situation, dass die Union mit den Golfstaaten nicht auf der Grundlage der gleichen Kriterien verhandelt, wie mit ihren anderen Handelspartnern, wie beispielsweise Korea oder den ASEAN-Staaten. Vor allem sieht das Verhandlungsmandat weder die Aufnahme einer Klausel über Sozialstandards noch eines ambitionierten Kapitels über die nachhaltige Entwicklung in das künftige Abkommen vor. Die Frage der Achtung der Menschenrechte wird kaum angesprochen. Da diese Punkte zu den Prioritäten des europäischen Handelns gehören müssen, müssten sie nicht nur voll in das künftige Freihandelsabkommen aufgenommen werden, sondern auch Gegenstand von Suspensionsklauseln für den Fall von Nichteinhaltung der eingegangenen Verpflichtungen sein. Die EU ist verpflichtet, die Förderung und die Einhaltung der demokratischen Menschenrechtsprinzipien, der Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation und der Umweltstandards in allen von ihr ausgehandelten Handelsabkommen zu gewährleisten.
Im Falle der Golfstaaten gebührt – darauf hat Herr Martin gerade hingewiesen – besondere Aufmerksamkeit den Lebensbedingungen und Rechten der Wanderarbeiter, die sich in großer Zahl in der Region aufhalten und zu einem raschen Wachstum beitragen, vielfach jedoch unter unwürdigen und inakzeptablen Bedingungen arbeiten.
Generell müssen Europa und seine Mitgliedsländer neben dem Wirtschaftsaustausch, den es im Rahmen harmonischer Handelsbeziehungen zu entwickeln gilt, ihren politischen und sozialen Dialog verstärken. Daher müssen wir ein Freihandelsabkommen abschließen, das nicht nur keine negative Auswirkung auf die in dieser Region lebenden Menschen haben darf, sondern im Gegenteil ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte festigt. Deshalb ist es beispielsweise unerlässlich, im Rahmen der Verhandlungen über Dienstleistungen der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, einen universellen, allgemein zugänglichen und nachhaltigen öffentlichen Universaldienst zu erschwinglichen Preisen zu gewährleisten, der hohen Qualitätsnormen gerecht wird.
Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns alle ist es sehr wichtig, die Verbesserung der Beziehungen zu den Golfstaaten in den Mittelpunkt zu stellen. Europa und die Golfstaaten haben sehr viel Interesse – einerseits an Lieferungen an Europa, den kaufkräftigsten Markt dieser Welt, und andererseits bekommen wir dort Ressourcen, die einzigartig sind. Aus dieser Sicht ist es notwendig, im globalen Zusammenhang die Beziehungen entsprechend zu intensivieren.
Wir haben in der WTO die Frage „Everything But Arms“ – das sollte der Standard sein. Wir sollten hier so schnell wie möglich eine vernünftige Regelung erhalten, weil das im beiderseitigen Interesse liegt. Auch im Forschungsaustausch und im Austausch von Wissen und Know-how sollten wir uns mehr bemühen und auch versuchen, im Bildungssektor engere Beziehungen zu pflegen. Außerdem wäre es wichtig, die Energiecharta gemeinsam abzuschließen.
Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich danke den verehrten Abgeordneten für Ihre Anmerkungen zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen EU und GCC. Ich möchte betonen, dass die Kommission das Parlament auch weiterhin über den aktuellen Stand dieser Verhandlungen auf dem Laufenden halten wird.
Das Interesse der verehrten Abgeordneten an der Aufnahme einer politischen Klausel in das ausgehandelte Abkommen hat mich besonders berührt, und ich möchte Ihnen versichern, dass diese Bedenken in den Verhandlungen tatsächlich zur Sprache kommen. Ich kann außerdem bestätigen, was an einer Stelle angesprochen wurde, nämlich dass dieser Punkt während des Besuchs von Kommissarin Ferrero-Waldner in der Golfregion in der vergangenen Woche thematisiert wurde. So haben die Golfstaaten ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, das Freihandelsabkommen zum Abschluss zu bringen, und erkennen die Wichtigkeit erweiterter Flexibilität in dieser Frage an.
Die Präsidentin. – Frau Doyle, Sie wollten einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen?
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich verzichte in diesem Fall darauf, aber da es kein fünfminütiges „catch-the-eye“-Verfahren gab, ist es in anderen Aussprachen Praxis gewesen, dass ein Mitglied selbst dann, wenn er oder sie bereits einen Redebeitrag gehalten hatte, noch eine kurze Frage einschieben konnte, die sich ergeben hatte. So können wir alle von catch-the-eye Gebrauch machen oder wenigstens von einer weiteren Minute Redezeit, sofern die Zeit vorhanden ist.
Ich verzichte bei dieser Gelegenheit darauf, aber meine Meldung beruhte nur darauf, denn wir hatten heute erst eine freie Wortmeldung. Ich hatte eine Zusatzfrage an die Kommissarin, aber ich verzichte darauf.
Die Präsidentin. – Frau Doyle, Sie können die Frage stellen. Doch Sie hatten keinen Antrag gestellt.
Avril Doyle (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich wollte die Kommissarin eigentlich nur fragen, ob wir, angesichts der Irreführung, der Verzögerungen, der Absage der Verhandlungsrunde letzten Januar, den wenigen Kontakten seither und den vielen Jahren, über die diese Verhandlungen schon andauern – nur ein oder zwei Treffen pro Jahr – auch überzeugt sind, dass der GCC wirklich ein Freihandelsabkommen will?
Sie haben das gerade quasi beantwortet, aber gibt es ein wirkliches Interesse an einem Freihandelsabkommen mit der EU? Ist das angesichts der langen Zeit, über die wir schon verhandeln, nicht eine berechtigte Frage?
Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich möchte dazu nur sagen, dass wir hoffen, dass es dieses Interesse gibt. Wie Sie wissen, fand das Treffen, das für den vergangenen Januar angesetzt war, nicht statt, aber wir hoffen, dass wir bei dem kommenden Treffen im Mai umfangreiche Verhandlungen führen werden. Hoffen wir es.
Die Präsidentin. – Es wurde gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung ein Entschließungsantrag eingereicht(1).
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Roberta Alma Anastase (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Als Mitglied der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu den Golfstaaten möchte ich die Bedeutung einer schnellstmöglichen Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EG und dem Golfkooperationsrat hervorheben. Der Abschluss dieses Abkommens noch 2008 wäre eine wesentliche Voraussetzung für die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Regionen, und die notwendige Gewährleistung der Energiesicherheit der Europäischen Union spiegelt die Bedeutung und Dringlichkeit dieses Themas wider.
Wenn man in Rechnung stellt, dass der Handel sich derzeit mehr und mehr auf den Energiebereich konzentriert, muss das künftige Abkommen klar und eindeutig auf eine immer engere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ausgerichtet sein. So könnten mehr gemeinsame Energieprojekte auf einfachere Weise realisiert werden, auch mit den EU-Mitgliedstaaten in der Schwarzmeerregion, die von neuen Entwicklungs- und Kooperationsmöglichkeiten profitieren würden.
Daher muss nun vorrangig ein genauer Zeitplan für den Abschluss der laufenden Verhandlungen erstellt und ebenso das Hauptziel des beiderseitigen Nutzens formuliert werden, denn dies würde nicht nur zu einer Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den Golfstaaten führen, sondern auch allgemein zu mehr Stabilität und nachhaltiger Entwicklung.
15. Null-Toleranz für nicht genehmigte genetisch veränderte Organismen und wirtschaftliche Folgen davon (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission von Neil Parish im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über die Null-Toleranz für nicht genehmigte genetisch veränderte Organismen und wirtschaftliche Folgen davon (O-0031/2008 – B6-0151/2008).
Struan Stevenson, in Vertretung des Verfassers. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich zunächst ganz herzlich bei meinem Kollegen, Herrn Parish, dem Vorsitzenden des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, für die Gelegenheit bedanken, zu dieser späten Stunde hierher zu kommen, um diese mündliche Anfrage zu stellen. Er selbst hatte bedauerlicherweise schon seit einigen Monaten vereinbart, mit Kommissarin Fischer Boel nach Dänemark zu reisen, und musste an diesem Nachmittag nach Kopenhagen aufbrechen. Er entschuldigt sich für seine Abwesenheit und möchte Frau Vassiliou, die er in der Kommission willkommen heißt, seine Hochachtung aussprechen.
Hier wird die tatsächliche Durchführbarkeit dieses Vorhabens auf den Prüfstand gestellt. Die EU verfügt über eine äußerst wettbewerbsfähige und erfolgreiche Geflügel- und Schweinewirtschaft. Die Betriebe erhalten keinerlei Unterstützung. Sie bekommen keine Betriebsprämie; sie bekommen überhaupt keine Subventionen und müssen sich auf dem Markt alleine behaupten.
In der Geflügel- und Schweinewirtschaft verursacht das Futter die größten Produktionskosten. Schweine und Hühner grasen nicht auf der Weide, daher ist ihr gesamtes Futter auf Getreidebasis. Bei einer Branche, die keinerlei Unterstützung erhält, muss sichergestellt werden, dass sie Zugang zu wettbewerbsfähigen Futtermitteln aus der ganzen Welt hat.
In Europa dauert es im Durchschnitt über zwei Jahre, um ein vollkommen unbedenkliches genetisch verändertes Produkt zuzulassen. Bei Herculex, einer der wenigen genetisch veränderten Saaten, die genehmigt wurden, dauerte es 33 Monate bis zur Zulassung durch die EU. In den Vereinigten Staaten dauert die Zulassung im Schnitt nur halb so lange: 15 Monate.
Dafür gibt es keine Entschuldigung. Sowohl die Futtermittelpreise als auch die Kosten steigen für die Geflügel- und Schweinewirtschaft, und wir können uns diese zeitliche Verzögerung in der Zulassung von Futtermitteln nicht leisten. Wir müssen die Dinge beschleunigen.
In den Vereinigten Staaten sind viele dieser genetisch veränderten Erzeugnisse Nebenerzeugnisse der Bioethanol-Industrie und erheblich preiswerter als die den Geflügel- und Schweinefleischerzeugern hier in der EU zugänglichen Futtermittel. Was wir also tun ist, uns selbst den Zugang zu preiswerteren Futtermitteln des Weltmarktes zu verwehren und es unseren Erzeugern so praktisch unmöglich zu machen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir laufen daher Gefahr, Arbeitsplätze zu verlieren und unsere Wirtschaft ins nichteuropäische Ausland zu verlagern.
Puristen, die darauf bestehen, bei der Erzeugung von Geflügel- und Schweinefleisch auf die Verfütterung genetisch veränderter Pflanzen zu verzichten, werden keinen Sieg davon tragen, wenn wir uns diesen Futtermitteln verweigern. Das Endergebnis wird sein, dass wir unsere Wirtschaft an unsere Wettbewerber im nichteuropäischen Ausland verloren haben werden, während wir weiter Geflügel- und Schweinefleisch von Tieren einführen, die mit eben diesen genetisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, die wir unseren Erzeugern verweigert haben. Das ist die Politik des Tollhauses.
Außerdem benötigen wir eine deutliche Kennzeichnung und eindeutige Produkte, damit die Verbraucher eine informierte Entscheidung treffen können. Sie müssen wissen, ob die Tiere, deren Fleisch sie verzehren, genetisch verändertes Futter erhalten haben. Angesichts der steigenden Futtermittelpreise ist Fleisch, das unter Verwendung genetisch veränderter Futtermittel erzeugt wurde, häufig günstiger. So erhalten die Verbraucher die Wahl, auf preiswerteres Fleisch zuzugreifen, wenn es das ist, was sie wünschen.
Der andere wichtige Punkt im Hinblick auf das Tierfutter ist die Null-Toleranz bei genetisch nicht veränderten Futtermitteln, die in die EU eingeführt werden. Da kann sich wieder die ganze Truppe in ihren Büßerhemden an die Brust schlagen und verkünden: Wir haben dafür gesorgt, dass sich in den genetisch nicht veränderten Futtermitteln, die in die EU eingeführt werden, auch ja keine Spuren genetisch veränderter Erzeugnisse befinden. Aber was bringt uns die Null-Toleranz, wenn in Brasilien eine Schiffsladung genetisch nicht veränderten Sojas für den Transport in die EU verladen wird? Es besteht die Möglichkeit, dass ein winziger Rest genetisch veränderten Sojas mit der Verladeausrüstung im Hafen in Brasilien in die Ladung gerät. Wenn dieses Schiff in der EU anlegt, kann die gesamte Ladung abgewiesen werden, selbst wenn es sich nur um eine winzige Spur genetisch veränderten Sojas handelt und selbst dann, wenn dieses Soja in der EU zugelassen ist.
Das Ergebnis des Null-Toleranz-Systems besteht also darin, dass die Menge der genetisch nicht veränderten Futtermittel, die in die EU eingeführt werden, drastisch verringert wird. So ist es selbst für diejenigen Geflügel- und Schweinefleischerzeuger, die genetisch nicht veränderte Futtermittel verwenden wollen, ausgesprochen schwierig, an die Mengen zu gelangen, die sie benötigen und wenn sie sie benötigen. Dies macht es für sie noch schwieriger, sich am fairen Wettbewerb auf einem offenen Weltmarkt zu beteiligen.
Wenn wir wirklich vorhaben, unsere Geflügel- und Schweinewirtschaft ins nichteuropäische Ausland zu exportieren und unsere Bürger von brasilianischem Geflügel- und Schweinefleisch oder sogar Geflügelfleisch aus Thailand zu ernähren, das ausnahmslos unter Verwendung genetisch veränderter Futtermittel erzeugt wurde, dann sind wir mit unserer aktuellen Politik der Null-Toleranz bei genetisch nicht veränderten Futtermitteln und der empörend langsamen Zulassung genetisch veränderter Futtermittel für die EU genau auf dem richtigen Weg.
Frau Kommissarin, es freut uns, dass sie mit solch deutlicher Zustimmung zur Kommissarin für Gesundheit und Verbraucherschutz ernannt wurden. Wir wünschen Ihnen alles Gute, hoffen jedoch, dass Sie die Erste sein werden, die den Horrorgeschichten aus der Boulevardpresse nicht aufsitzt und politische Maßnahmen umsetzt, die es unseren Landwirten ermöglichen werden, im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.
Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Die Kommission ist sich der Gefahr bewusst, dass Futtermitteleinfuhren aufgrund der asynchronen Zulassung von GVO in den ausführenden Ländern und der EU schwieriger und teurer werden könnten. Ich kenne die Untersuchung der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zum Thema Futtermittelknappheit. Ich muss betonen, dass die Auswirkungen einer Politik der Null-Toleranz für nicht genehmigte GVO auf die Futtermitteleinfuhren erst im Falle so genannter asynchroner GVO-Zulassungen ein Thema werden. Einer der Schlüsselfaktoren ist der Unterschied in der Dauer des GVO-Zulassungsverfahrens in Drittländern und der EU, in Kombination mit dem Fehlen angemessener Trennungsmechanismen in den ausführenden Ländern und den Marketingstrategien der Saatenwirtschaft in diesen Ländern. Die verstärkte Verwendung von GVO durch unsere wichtigsten Handelspartner im Bereich Rohstoffe hat ebenfalls einen bedeutenden Einfluss.
Vor diesem Hintergrund konzentriert die Kommission ihre Bemühungen auf diese Schlüsselfaktoren. Gespräche mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wurden mit dem Ziel eingeleitet, die Effizienz im Hinblick auf die Dauer des Zulassungsverfahrens zu erhöhen, ohne jedoch bei der Qualität der wissenschaftlichen Bewertung durch die EFSA Kompromisse einzugehen. Ich möchte Sie daran erinnern, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Mitwirkung der Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss und im Rat zukommt.
Nicht zuletzt möchte ich anmerken, dass die Kommission kürzlich der Genehmigung der Maissorte GA 21 zugestimmt hat, die Einfuhren aus Argentinien mit dem zufälligen Vorkommen dieser genetisch veränderten Pflanze ermöglichen wird. Zudem ist die Kommission zurzeit damit befasst, dem Rat einen Vorschlag für die Genehmigung einer genetisch veränderten Sojabohne zu übersenden, nachdem der Ständige Ausschuss hierzu keine qualifizierte Mehrheit erzielen konnte. Die Genehmigung dieser Sojabohne wird ebenfalls einige Futtermitteleinfuhren ermöglichen und so zur vorübergehenden Verbesserung des Problems der Futtermittelknappheit, das der Herr Abgeordnete angesprochen hat, beitragen.
Die EU-Rechtsgrundlage zu genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln zielt in erster Linie darauf ab, die Sicherheit der auf dem Markt platzierten Produkte zu gewährleisten. Deshalb bedarf die Markteinführung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittelprodukte einer vorherigen Zulassung. Der Null-Toleranz-Ansatz für nicht genehmigte GVO, den die EU zur Zeit anwendet, ist im EU-Recht verankert, nachdem das Europäische Parlament und der Rat ihm in der Ansicht zugestimmt hatten, er sei der beste Weg, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen. Er gleicht dem Ansatz, den die große Mehrheit der Drittländer verfolgt, darunter auch die wichtigsten Erzeuger von GVO.
Auf internationaler Ebene fördert die Kommission weiterhin, in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, die Entwicklung von CODEX-Leitlinien zum Thema. Die Kommission räumt jedoch die Möglichkeit ein, dass Vorfälle der Art auftreten, die Sie in den Ihrer Frage zugrunde liegenden Argumenten beschreiben, und stellt fest, dass solche Vorfälle aufgrund der ständigen Verbesserung der Messverfahren nun leichter aufzudecken sind. Die Kommission wird untersuchen, ob eine individuelle Lösung dieses spezifischen Problems unter vollständiger Beachtung der bestehenden Rechtslage angemessen und machbar ist.
Was die Beschwerde der WTO gegenüber der Europäischen Gemeinschaft aus dem Jahr 2003 betrifft, so stellte der entsprechende, 2006 abgeschlossene Panelbericht nicht die EU-Gesetzgebung infrage, sondern deren Umsetzung bis zu diesem Zeitpunkt. Der Kommission ist es bislang gelungen, diesen Streit in einem regelmäßigen Dialog mit den Beschwerdeführern über Fragen der Biotechnologie einzugrenzen. Wir haben den Beschwerdeführern eindeutig zeigen können, dass es im EG-Zulassungssystem für biotechnologische Produkte derzeit kein Moratorium oder unangemessene Verzögerungen gibt.
Seit der Schaffung des WTO-Panels wurden sechzehn Erzeugnisse zugelassen. 2007 waren es nur sieben. Wir können nicht ausschließen, dass die Beschwerdeführer, insbesondere die Vereinigten Staaten, die möglichen Auswirkungen der Frage des zufälligen Vorkommens auf den Handel in ihrem Beschluss über eine Fortführung der Streitbeilegung berücksichtigen werden. Die Europäische Gemeinschaft befindet sich jedoch in einer günstigen Position, um ihren Standpunkt zu verteidigen, und angesichts des gegenwärtig stattfindenden Dialogs erscheint diese Möglichkeit unwahrscheinlich.
Esther De Lange, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Gestern haben wir in diesem Hause über die steigenden Lebensmittelpreise und deren Folgen in der Europäischen Union und für Entwicklungsländer gesprochen. Nun stehen wir hier heute Abend erneut und diskutieren über genetisch veränderte Tierfuttermittel. Es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, die beiden Aussprachen miteinander zu kombinieren. Dieses recht technische Thema Tierfutter passt nämlich selbstverständlich in die breitere Diskussion über Lebensmittelsicherheit und steigende Lebensmittelpreise. Denn wie ist es noch zu vertreten, dass ganze Schiffsladungen Tierfutter vernichtet oder zurückgewiesen werden, weil sie unbeabsichtigt Spuren, sehr geringe Mengen, von genetisch veränderten Produkten enthalten? Mir erscheint dies kaum vertretbar, sowohl im Hinblick auf die genannte Lebensmittelsicherheit, als auch im Hinblick auf steigende Preise.
Tierfutterpreise sind nämlich in der letzten Zeit bereits erheblich gestiegen, und sie werden dies noch mehr tun, wenn wir weiterhin diese Haltung einnehmen. Viele Hersteller werden dadurch nur mit höheren Kosten konfrontiert, und es kann hier meines Erachtens nicht schaden, nochmals zu betonen, dass die steigenden Preise, über die wir immer reden, nicht automatisch bedeuten, dass auch die Bauern ein höheres Einkommen erzielen. Denn wie bereits gesagt, steigen zwar die Futterkosten beispielsweise im Schweinesektor, die Margen indessen werden eigentlich nur kleiner.
Wie können wir nun dieser Sackgasse entkommen? Nicht, indem wir nun plötzlich beim Umgang mit Zulassungsverfahren keine Sorgfalt mehr walten lassen. Nein, das ist sicherlich nicht der Weg, aber meines Erachtens drückt der Schuh an zwei Stellen, und dafür müssen wir eine Lösung finden. Zunächst, wie Herr Stevenson bereits sagte, dauert es in der Europäischen Union erheblich länger, bis ein GVO-Tierfutter zugelassen wird: bei uns zweieinhalb Jahre, in den USA kaum ein Jahr. Ich habe zwar gehört, dass die Kommission die EFSA effizienter machen will, aber das ist natürlich nicht das ganze Problem. Das Problem steckt auch in dem Hin und Her in den Ratsausschüssen, die weder zu einer qualifizierten Mehrheit für die Zulassung noch zu einer qualifizierten Mehrheit gegen die Zulassung gelangen können, wonach dann letztlich nach vielem Tauziehen die Kommission einen Beschluss fassen muss. Dies ist also auch ein Teil des Problems, und dieses Verfahren muss beschleunigt werden. Dies ist gewiss kein Plädoyer für eine automatische Zulassung der Produkte, aber ich denke, die Menschen haben ein Recht darauf, schneller zu erfahren, ob ein Produkt auf dem europäischen Markt zugelassen werden kann oder nicht.
Zweitens müssen wir eine Lösung für das unbeabsichtigte Vorhandensein von genetisch veränderten Spuren in Tierfutter finden, beispielsweise über einen Schwellenwert, vor allem, wenn es um GVO geht, die bereits eine positive Beurteilung der EFSA erhalten haben. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Koteletts der Schweine, die außerhalb der Europäischen Union dieses Futter gefressen haben, bei uns regelmäßig in den Geschäften liegen. Soviel zum Thema unlauterer Wettbewerb! Leider hat sich die Kommission nicht zu Schwellenwerten geäußert. Sie verweist auf bestehende Gesetze. Aber wir müssen ehrlich sein, bei der Etikettierung wenden wir durchaus einen Schwellenwert an, ich denke also, dass es möglich ist.
Kurzum, die Erzeuger und Verbraucher dürfen nicht die Opfer der Unentschlossenheit der Ratsausschüsse werden. Jetzt ist es Zeit, Klarheit und Schnelligkeit zu bieten.
Bernadette Bourzai, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits der Titel besagt, geht es bei dieser Anfrage um die wirtschaftlichen Folgen des Zulassungsverfahrens für GVO.
Ich möchte daher die Frau Kommissarin fragen, ob die Kommission Studien in Auftrag gegeben hat, um die Ursachen der Preissteigerungen bei Futtermitteln zu ermitteln, und ich würde ebenfalls gern wissen, wie viele Kontingente importierter Futtermittel in Europa in den letzten Jahren Spuren von nicht genehmigten GVO aufgewiesen haben und in welcher Höhe. Ich wüsste auch gern, woher diese Erzeugnisse kamen. Das wäre nützlich, um die Tragweite dieser Vorfälle abschätzen zu können.
Was mich betrifft, so möchte ich im Gegensatz zu Frau De Lange, die gerade gesprochen hat, den kausalen Zusammenhang zwischen dem Prinzip der Nulltoleranz von GVO und der beachtlichen Preissteigerung bei Lebensmitteln bestreiten. Man darf das nicht miteinander vermengen, wir wissen sehr gut, dass diese Steigerung auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen ist, auf die ich nicht im Detail eingehen möchte, vor allem aber auf die Börsenspekulation auf den Agrarterminmärkten. Im Übrigen betrifft diese Preissteigerung alle Länder, auch die, die sehr flexible Rechtsvorschriften über GVO haben.
Zutreffend ist hingegen, dass die europäischen Tierhalter sich in großen Schwierigkeiten befinden, und der Hauptgrund hierfür ist die große Abhängigkeit der EU von Futtermittelimporten. Für mich lautet die wichtigste Frage daher: Warum sind wir so abhängig, und wie sollen wir darauf reagieren? Ich möchte deshalb die Kommission fragen, ob sie eine Analyse der wirtschaftlichen Folgen des Blairhouse-Abkommens vorgenommen hat, für das die Europäische Union ihre eigene Futtermittelproduktion aufgegeben hat.
Um diese Abhängigkeit zu verringern, gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten. Einerseits ist alles zu tun, um die letzten europäischen Kulturen von Trockenfutter und Eiweißfutter zu retten, ja ich sage zu retten, und eine Neuordnung zu fördern, indem beispielsweise beim Gesundheitscheck der GAP vermieden wird, die Beihilfen vollkommen zu entkoppeln, zumal diese Kulturen unbestreitbare Umweltqualitäten für die Fruchtfolge und damit für die Böden haben.
Andererseits muss die Kommission über eine Diversifizierung der Bezugsquellen nachdenken. Ich habe im Dezember 2007 an einer Konferenz des Netzes GVO-freier Regionen teilgenommen, die nachgewiesen hat, dass ein Angebot an GVO-freien Futtermitteln existiert und dass die Erzeuger und die Importeure miteinander in Kontakt gebracht werden müssen.
Wir sollten uns alle bewusst sein, dass die Verbraucher das Recht haben…
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Jan Mulder, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und diesem Plenum danken, dass sie meiner Initiative, dieses Thema hier heute Abend zu erörtern, gefolgt sind.
Es ist merkwürdig, dass überall in der Welt der Anbau genetisch veränderter Pflanzen zunimmt, aber nur wir in Europa furchtbare Angst davor haben. Die große Frage ist, warum. Die Kommissarin erklärt recht kategorisch: Die Gesetze sind nun einmal so, und daher müssen wir uns daran halten. Wenn jedoch die veränderten Umstände eine Änderung der Gesetze erfordern, wird die Kommission dies tun müssen. Ich denke, die Zeit dafür ist nun reif. Ich habe vor kurzem noch Fragen dazu gestellt, aber die eine genetisch veränderte Pflanze ist nicht wie die andere. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Transgenese und Cisgenese: Die eine ist arteigen, die andere nicht. Beide fallen unter dieselben Gesetze, und die Kommission muss sich einmal damit beschäftigen, um die Gesetze in dieser Hinsicht abzuändern.
Der Kern der ganzen Geschichte ist meines Erachtens Nulltoleranz. Es gibt wenig Situationen in der Welt, wo man absolute Nulltoleranz fordern kann. Es muss immer eine Möglichkeit geben, eine bestimmte Differenzmarge zu lassen. Wenn man über eine Entfernung von 50 km zu schnell fährt, gibt es in den meisten Ländern eine Toleranzmarge von ungefähr drei km, bevor man ein Bußgeld zahlen muss. Warum ist das für den Import von Gütern nicht möglich? Warum ist eine Toleranz von beispielsweise 0,8 oder 0,9 % nicht möglich? Kann die Frau Kommissarin mir hierauf eine deutliche Antwort geben?
Auch ich begrüße es, dass Gespräche mit der EFSA im Gange sind, um die Verfahren zu verkürzen, ohne dass die Qualität beeinträchtigt wird, aber gibt es bereits Hinweise seitens der EFSA, ob dies möglich ist oder nicht? Gespräche allein sind nicht ausreichend, denn die Zeit drängt.
Und dann noch folgender Punkt. Vielleicht kann die Kommission mir erläutern, wie ich als Politiker der breiten Öffentlichkeit erklären kann, dass wir hier eine Menge Produkte verbrauchen dürfen, deren Produktion hier nicht zulässig ist? Wir dürfen unbeschränkt alle Produkte aus der ganzen Welt einführen, die von Tieren stammen, die mit Produkten gefüttert wurden, die hier verboten sind. Welchen Nutzen hat dies? Was ist die Erklärung dafür? Vielleicht kann mir die Frau Kommissarin für die kommende Wahlkampagne eine Idee an die Hand geben.
Abschließend möchte ich fragen, welche Folgen die Haltung der Kommission im Rahmen der WTO hat. Dürfen wird das einfach so tun?
Janusz Wojciechowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Es gibt drei Bereiche, in denen genetisch veränderte Organismen, so genannte GVO, eine Gefahr darstellen können.
Der erste ist die Volksgesundheit. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass GVO potenzielle Gesundheitsgefahren für den Menschen in sich bergen können. Diese Hinweise werden jedoch nicht beachtet. Die schädlichen Auswirkungen von gentechnisch modifizierten Organismen können jederzeit zutage treten. Es gab eine Zeit, da konnte man z. B. die Schädlichkeit von Asbest nicht beweisen. Als der Beweis schließlich vorlag, waren die Kosten gewaltig. Milliarden mussten für die Asbestsanierung aufgewendet werden. Das Problematische an genetisch veränderten Organismen ist, dass man sie nicht mehr loswird, wenn sie sich erst einmal ausgebreitet h