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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 7. Mai 2008 - Brüssel Ausgabe im ABl.

12. Verschlechterung der Lage in Georgien (Aussprache)
Protokoll
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  Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Verschlechterung der Lage in Georgien.

 
  
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  Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Bevor ich über Georgien spreche, möchte ich auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments zu Birma/Myanmar zu Beginn der heutigen Sitzung eingehen. Da ich heute zum ersten Mal das Wort ergreife, möchte ich allen Angehörigen der Opfer des Wirbelsturms „Nargis“ in Birma/Myanmar im Namen der Präsidentschaft meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen. Ich möchte Sie auch auf die gestern veröffentlichte Erklärung der Präsidentschaft aufmerksam machen, in der diese die Bereitschaft der Europäischen Union bekundet hat, humanitäre Nothilfe zu leisten.

Zurück zu Georgien, werte Abgeordnete. Ich begrüße die Entscheidung des Europäischen Parlaments, die Lage in Georgien auf die Tagesordnung zu setzen, da die Beziehungen zwischen Georgien und der Russischen Föderation sehr instabil sind. Der Rat beobachtet die Situation in diesem Land sehr genau. Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ diskutierte vor kurzem, das heißt am 29. April, über Georgien. Das Thema war zudem gestern Gegenstand einer Sitzung des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees, bei der auch der stellvertretende Ministerpräsident Georgi Baramidze das Wort ergriff.

Am 2. Mai reagierte die Präsidentschaft im Namen der Europäischen Union mit der Veröffentlichung einer Erklärung zur Eskalation der Spannungen zwischen Georgien und Russland. Der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana hatte zuvor zweimal mit Präsident Saakaschwili und am 30. April mit dem georgischen Sondergesandten Bakradze gesprochen. Anlässlich des Treffens der EU-Troika mit Russland in Luxemburg erörterte die Präsidentschaft die jüngsten Ereignisse auch mit dem russischen Außenminister Lawrow.

Ich möchte betonen, dass die Europäische Union sehr besorgt über die jüngste Serie von Zwischenfällen ist, die zu einer Eskalation der Spannungen zwischen Georgien und der Russischen Föderation geführt haben. Besondere Sorge bereitet uns die angekündigte Aufstockung der Friedenstruppen aus der Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten in Abchasien und die Einrichtung von fünfzehn weiteren Kontrollpunkten an der Verwaltungsgrenze. Wir sind auch besorgt über den Abschuss eines unbemannten georgischen Flugzeugs im georgischen Luftraum am 20. April. Ferner beunruhigt uns die Entscheidung der Russischen Föderation, offizielle Kontakte zu den Institutionen der De-facto-Regierung in Südossetien und Abchasien aufzunehmen, die ohne die Zustimmung der georgischen Regierung eingesetzt wurden.

Die Europäische Union bekräftigt ihren Einsatz für die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens innerhalb seiner international anerkannten und durch die Resolution 1808 des UN-Sicherheitsrats bestätigten Grenzen. Sie unterstützt weiterhin internationale Bemühungen um eine friedliche Beilegung der Konflikte in Abchasien und Südossetien. Insbesondere befürworten wir die Aktivitäten der Vereinten Nationen unter der Schirmherrschaft der Gruppe der Freunde des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und die Bemühungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Die Europäische Union fordert alle Parteien nachdrücklich auf, sich aller Aktionen zu enthalten, die die Spannungen verstärken könnten, und Maßnahmen zu ergreifen, um das Vertrauen wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Europäische Union die Initiative des georgischen Präsidenten, den Konflikt in Abchasien mit friedlichen Mitteln zu lösen. Wir hoffen, dass diese Initiative den konstruktiven Dialog über diese Angelegenheit befördern wird. Der EU-Sondergesandte und die Europäische Kommission werden ihre Anstrengungen im Bereich vertrauensbildender Maßnahmen ebenfalls fortsetzen, um so einen Beitrag zur Beilegung der Konflikte in Georgien zu leisten.

Die Europäische Union begrüßt ferner die Entscheidung der Russischen Föderation, die Beziehungen zu Georgien in bestimmten Bereichen zu normalisieren. Dies würde zu einer Aufhebung der Visumbeschränkungen für georgische Staatsangehörige, zur Wiederaufnahme der Postverbindungen und anderen positiven Maßnahmen führen. Was die politische Lage in Georgien selbst betrifft, möchte ich einstweilen die Hoffnung der Europäischen Union zum Ausdruck bringen, dass die Parlamentswahlen am 21. Mai frei und fair verlaufen mögen. Es ist wichtig, dass die georgischen Behörden möglichst alles tun, um das Vertrauen der Bevölkerung in den Wahlablauf herzustellen. Wir unterstützen daher die Initiierung eines Wahlhilfeprogramms, das aus dem Stabilitätsinstrument finanziert wird.

Darüber hinaus begrüßen wir das Angebot Polens, den Sprecher des polnischen Senats für die Aufgabe abzustellen, den Dialog zwischen der Regierung und der Opposition zu erleichtern. Sämtliche politische Parteien in Georgien – sowohl Regierungs- als auch Oppositionsparteien – müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Stimmung im Vorfeld der Wahlen zu verbessern und den Weg für eine wirklich demokratische politische Kultur zu bereiten.

Abschließend möchte ich nochmals auf die entscheidende Bedeutung freier und unabhängiger Medien beim Aufbau der Demokratie hinweisen. Gleicher Zugang von Vertretern der Regierung und der Opposition zu den Medien ist eine der Grundvoraussetzungen für freie und faire Wahlen. Verehrte Abgeordnete, damit komme ich zum Schluss. Ich bin gespannt auf Ihre Meinungen zur Lage in Georgien.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich vor allem der vom EU-Ratsvorsitz geäußerten Meinung zu den jüngsten ernsten Entwicklungen in Georgien anschließen.

Die morgen stattfindende Mission der politischen Direktoren der EU ist durchaus eine gute Gelegenheit, unsere volle Unterstützung für Georgien zu diesem äußerst schwierigen Zeitpunkt zu bekräftigen.

Leider eskalieren die auf die ungelösten Konflikte in Abchasien und Südossetien zurückzuführenden Spannungen sehr schnell. Die unlängst von der Russischen Föderation gefassten Beschlüsse, die Beziehungen zu den separatistischen De-facto-Regierungen in Abchasien und Südossetien zu stärken, untergraben Georgiens territoriale Integrität. Außerdem haben diese Maßnahmen die Hoffnung auf eine zukünftige Anerkennung in den beiden abtrünnigen Regionen gestärkt und untergraben damit die Bemühungen um eine friedliche Lösung. Deshalb fordert die Kommission die Russische Föderation auf, diese Beschlüsse zurückzunehmen – oder sie zumindest nicht umzusetzen, wie die Europäische Union in ihrer Erklärung eindeutig zum Ausdruck gebracht hat.

Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, wie wir dieses Schachspiel zu Ende bringen können, wo jeder Zug zu einem Gegenzug führt. Jede vorgeschlagene Maßnahme muss auf ihre Eignung hin überprüft werden, Spannungen abzubauen.

Ich sage dies nicht zuletzt, weil eine weitere Verschlechterung der gegenwärtigen Krise die Stabilität nicht nur in Georgien gefährden könnte, sondern im gesamten südlichen Kaukasus.

Wir haben die von Präsident Saakashvili vorgeschlagene neue Friedensinitiative für Abchasien begrüßt. Wichtig ist, diese so umzusetzen, damit eine Grundlage für einen konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten geschaffen wird. Das bedeutet in erster Linie mit den Abchasiern selbst – und ich hoffe, sie sind dazu bereit und es wird ihnen gestattet, sich in den diplomatischen Prozess einzubringen.

Russland bleibt auch weiterhin ein wesentlicher Akteur, wenn es darum geht, eine nachhaltige, friedliche Lösung dieser Konflikte herbeizuführen.

Die Kommission hat das Ersuchen Georgiens an die Europäische Union zur Kenntnis genommen, etwas zu unternehmen, um Russland zu veranlassen, seine gegenwärtige Politik zu überdenken. Ich denke, dass wir nach weiteren Schritten suchen werden, doch wir werden uns hüten müssen, symbolische Maßnahmen zu ergreifen, die möglicherweise die Chancen für eine Beilegung der Krise nicht verbessern und sogar zu weiteren Spannungen führen können.

Ich denke also, dass eine Überprüfung des Friedensmechanismus insgesamt, so wie dies beispielsweise vom UN-Generalsekretär in seinem jüngsten Bericht zu Abchasien vorgeschlagen wurde, dazu beitragen könnte, die friedliche Lösung dieser Konflikte voranzubringen, sofern dies von allen Parteien unterstützt wird. Wir sollten alle bereit sein, eine aktivere Rolle bei der Unterstützung dieser Bemühungen zu spielen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Georgien in den letzten vier Jahren ungeheure Anstrengungen unternommen hat, sich auf eine demokratische und marktorientierte Gesellschaft hin zu bewegen.

Wir haben gerade einen Fortschrittsbericht verfasst, aus dem hervorgeht, dass Georgien zwar noch viel zu tun hat, jedoch wesentliche Fortschritte in mehreren Bereichen des Aktionsplans der europäischen Nachbarschaftspolitik gemacht hat. Diese Ergebnisse bestätigen Georgiens Entschlossenheit, seine Beziehungen zur Europäischen Union im Rahmen der ENP zu festigen.

Was die bevorstehenden Parlamentswahlen betrifft, so haben wir 2 Millionen Euro zur Unterstützung der Wahlen mobilisiert (was bereits erwähnt wurde), um die Voraussetzungen für einen faireren und transparenteren Wahlprozess zu schaffen. Außerdem stellen wir erhebliche EU-Mittel zur Verfügung und unterstützen damit Rehabilitationsprogramme, die der Bevölkerung in den Konfliktregionen über ethnische Grenzen hinweg zugute kommen.

Die Kommission wird Georgien somit auch weiterhin in seiner politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen, weil wir überzeugt sind, dass das Land die Stärke besitzt, die vor ihm stehenden Herausforderungen zu bewältigen.

 
  
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  Jacek Saryusz-Wolski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Unser Parlament sollte sehr besorgt sein über die jüngste Eskalation der bereits angespannten Lage in Georgien. Das Europäische Parlament muss echtes Engagement zeigen und die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens unterstützen.

Der jüngste Beschluss der russischen Regierung, offizielle Beziehungen aufzunehmen und die russische Militärpräsenz in Abchasien zu verstärken, geht über bestehende Abkommen hinaus und verletzt diese sowie die territoriale Integrität Georgiens. Außerdem verstärkt er die Spannungen in den Konfliktzonen und untergräbt somit die internationalen Friedensbemühungen.

Was kann getan werden, um Frieden und Stabilität in der gesamten Region wieder herzustellen? Hier sind einige mögliche Empfehlungen für dieses Hohe Haus im Hinblick auf unsere Entschließung: Erstens sollten wir Russland und Georgien auffordern, Zurückhaltung zu üben, sich weiterhin um eine friedliche Beilegung des Konflikts zu bemühen und eine Vermittlung durch die EU zuzulassen. Zweitens sollten wir an die russische Regierung appellieren, ihren Beschluss, offizielle Beziehungen zu Abchasien und Südossetien aufzunehmen, aufzuheben und die russischen Truppen aus Abchasien zurückzuziehen. Drittens sollten wir den UN-Sicherheitsrat auffordern, das Mandat und die Mittel für UNAMIG zu erweitern bzw. aufzustocken und nach und nach wirklich unabhängige internationale Friedenstruppen zu stationieren. Wir sollten empfehlen, dass der Rat und die Kommission der EU eine aktivere Rolle spielen und sich für die Lösung des Konflikts einsetzen, indem sie eventuell eine ESVP-Mission ins Auge fassen. Wir sollten uns dafür aussprechen, dass die Europäische Union möglichst bald eine Mission zur Untersuchung der Zwischenfälle entsendet. Schließlich sollten wir an die internationale Gemeinschaft appellieren, sich den Bemühungen der EU anzuschließen, die auf die Stabilisierung der Lage und die Lösung des Konflikts in der Region gerichtet sind.

Dieser Konflikt stellt eine Herausforderung für die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik der EU dar. Er bietet der EU die Gelegenheit, entsprechend ihren Ambitionen zu handeln und damit die Festlegungen der GASP im Vertrag von Lissabon zu untermauern – in Konfliktsituationen nicht nur Zahlungen zu leisten, sondern zu handeln.

 
  
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  Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Ich hatte letzte Woche die Gelegenheit, mit der Delegation nicht nur in Tiflis zu sein, sondern auch in Abchasien bzw. dem besetzten Teil der Provinz Gali. Was mich betroffen gemacht hat, sind besonders zwei Dinge: erstens das Schicksal der Bevölkerung, der Menschen, die fliehen mussten und die nur zum Teil zurückkehren können, um ihre Felder zu bestellen, und natürlich auch Schwierigkeiten haben, ihre Produkte über eine Grenze zu verkaufen, die plötzlich mitten durch ein Land gezogen worden ist.

Was mich auch betroffen gemacht hat, das ist der Vertreter der De facto-Regierung, mit dem wir gesprochen haben und der gezeigt hat, dass er nicht viel Kompetenz hat. Daher befürchte ich — Frau Kommissarin, Sie haben das ja extra erwähnt —, dass Russland der abchasischen Bevölkerung kaum die Chance und die Möglichkeit geben wird, selbst auf den Friedensplan einzugehen.

Unsere Sympathie gilt daher selbstverständlich Georgien, einem kleinen Land, das hier von einem sehr großen Nachbarn unter Druck gesetzt wird. Und dennoch bin ich der Meinung, dass beide Seiten, gerade auch jetzt, Zurückhaltung üben müssen, und ich unterstütze deshalb die Erklärungen von Rat und Kommission.

Denn auch das, was uns der stellvertretende Premierminister Georgiens gestern im Ausschuss gesagt hat, und die Form, in der er das gesagt hat, war nicht sehr zufriedenstellend für mich, denn da ist auch eine kriegerische Sprache zum Ausdruck gekommen, die gerade in dieser kritischen Phase vermieden werden sollte.

Die Wahlen stehen an, und manches wird natürlich benutzt, auch in Richtung der Wahlen, und Russland fällt genau in diese Falle hinein und unterstützt sogar noch jene Kräfte in Georgien indirekt und unbewusst, die den Konflikt vielleicht durchaus für ihre politischen Zwecke verwenden wollen. Nochmals sei es gesagt: Wir unterstützen Georgien und seine Bestrebungen nach Unabhängigkeit und Integrität vollkommen, da gibt es keine Diskussion. Und wir hoffen, dass auch die Wahlen, die jetzt anstehen, wirklich frei und fair geführt werden.

Auf zwei Dinge drängt Georgien gegenüber der Europäischen Union im Besonderen, und auch das ist, glaube ich, wichtig: erstens Visaerleichterungen. Es ist nicht einzusehen, dass Russland — und indirekt jetzt auch die abchasischen oder georgischen Bürger, die einen russischen Pass bekommen — Visaerleichterungen hat, die Georgier selbst aber nicht. Das ist unfair und ungerecht, und das muss korrigiert werden. Und zweitens, dass wir eine wirklich multilaterale Friedensmission dort bekommen. Es kann doch nicht sein, dass dort eine Friedensgruppe agiert, die einseitig von einem Konfliktpartner bestellt ist, nämlich von Russland, und noch dazu vom großen Konfliktpartner, der gewissermaßen das Gebiet besetzt hält und gleichzeitig die Friedenstruppe stellt.

Ich glaube, es ist ein berechtigter Wunsch Georgiens, das zu verhindern, und es ist absolut wichtig — die Frau Kommissarin hat das ja bereits im Ausschuss gesagt —, dass wir die Gesprächsfähigkeit aufrechterhalten. Wir können uns natürlich nicht hundertprozentig auf alle Details und auf alle Sprachregelungen der Georgier einlassen. Wir sind die Europäische Union, aber diese beiden Forderungen von Georgien sind besonders zu unterstützen. Ich hoffe, dass die Kommission aktiv wird und diese Anliegen Georgiens auch wirklich erfolgreich unterstützt.

 
  
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  Georgs Andrejevs, im Namen der ALDE-Fraktion. (LV) Frau Präsidentin, Herr Minister, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Als ich vor einer Woche als Mitglied der Delegation des Europäischen Parlaments in Tiflis war, konnte auch ich mir ein Bild von der Lage dort machen. Im Namen meiner Fraktion, der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, möchte ich die internationale Gemeinschaft auf die destabilisierende Rolle der Truppen der Russischen Föderation in der Konfliktzone aufmerksam machen. Der Appell Georgiens an die internationale Gemeinschaft und die internationalen Organisationen zu prüfen, ob die russischen „Friedens“truppen nicht durch andere Einheiten ersetzt werden können, sollte bedacht und vom Rat und der Europäischen Kommission unterstützt werden. Rat wie Kommission sollten auch die Möglichkeit einer Friedensmission in der abchasischen Region Georgiens unter EU-Aufsicht prüfen. Um diesen Konflikt zu lösen, bedarf es verstärkter internationaler Unterstützung und der Zusammenarbeit mit Georgien. Ich fordere aber auch die georgische Regierung auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um das innenpolitische Klima in der Republik Georgien zu verbessern. Mit der Präsidentschaftswahl vom 5. Januar dieses Jahres sollte ein Ausweg aus der festgefahrenen Situation gefunden werden, doch gab es bei den Wahlen etliche Verstöße und Ungereimtheiten, und ich muss leider einräumen, dass die Maßnahmen der zuständigen georgischen Behörden nicht dazu angetan waren, die Wähler und Kandidaten von ihrem politischen Willen zu überzeugen, den Wahlverstößen nachzugehen. Ich bin davon überzeugt, dass die zuständigen georgischen Behörden bei den Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres alles daransetzen werden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Wahlverfahren zu stärken. In diesem Zusammenhang begrüße ich das von der Europäischen Kommission finanzierte Wahlunterstützungsprogramm, an dem vier NRO, die Vereinten Nationen und der Europarat mitwirken. Die politischen Parteien, die Regierung und die Opposition müssen alles in ihren Kräften Stehende tun, um das gegenwärtige Klima in Georgien, das von einer starken Polarisierung gekennzeichnet ist, zu verbessern und eine wahrhaft demokratische politische Kultur zu etablieren. Beide Seiten – Koalition wie Opposition – und selbstverständlich auch die Zivilgesellschaft müssen begreifen, dass innenpolitische Instabilität das Risiko und die Wahrscheinlichkeit einer weiteren destruktiven Einflussnahme durch die Nachbarstaaten, insbesondere die Russische Föderation, erhöht. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Marie Anne Isler Béguin , im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, Herr Lenarčič! Auch ich spreche im Namen der Delegation, denn ich führe den Vorsitz in der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen mit den drei Ländern des Kaukasus.

Sie haben Recht mit Ihrer Feststellung, dass die Lage Besorgnis erregend und ernst ist, und meiner Meinung nach dürfen wir dieser Eskalation der Provokationen nicht tatenlos zusehen. Ich persönlich würde das fast als eine Annexion eines Landes durch ein anderes bezeichnen. Mit der Aufhebung der Sanktionen der GUS durch Russland im März wurde für Russland der Weg frei, Abchasien militärische Hilfe zu leisten. Am 16. April legalisierte Russland die bilateralen Beziehungen und die offiziellen Dokumente mit Abchasien und Südossetien. Bedeutet das nicht indirekt die Anerkennung dieser beiden abtrünnigen Regionen? Und natürlich erhöhte Russland dann, am 24. April, einseitig die Anzahl der Militärs und schickte Kriegsmaterial. Wir wissen nicht genau Bescheid. Nicht einmal die UNO, die vor Ort präsent ist, weiß bislang, in welchem Maße Russland seine Friedenstruppen erhöht hat. Und wie meine Kollegen bereits sagten, waren wir vergangene Woche in Gali, und es war nichts zu erkennen, was die Aufstockung der Truppenstärke von 2 000 auf 3 000 Mann rechtfertigen würde. Für die Kolleginnen und Kollegen, die nicht im Bilde sind, sei gesagt, dass dieses Abkommen aus dem Jahr 1994 stammt, als Russland seine Vermittlung und die Entsendung von Friedenstruppen auf abchasisches Gebiet anbot – jenes Gebiet zwischen dem abchasischen Teil und dem Teil Abchasiens, in dem die georgische Bevölkerung lebte. Heute sind dort nur russische Truppen präsent, obwohl die GUS von Vielfalt spricht. Als Vermittler können wir uns nun die Frage stellen, welches Ergebnis im Rahmen dieser Vermittlung erzielt wurde.

Ich möchte die Frage unserer Verantwortung ansprechen. Natürlich habe ich alle Ihre Vorschläge vernommen, aber meines Erachtens müssen wir heute dieser Eskalation der Gewalt Einhalt gebieten. Ich habe auch die beiden letzten Erklärungen des Rates gehört. Die Europäische Union unterstützt lediglich die Wiederherstellung des Vertrauens. Herr Lenarčič, derzeit herrscht kein Vertrauen in dieser Region. Es gibt nicht einmal mehr einen Dialog. Abchasien hat 2006 den Dialog mit Georgien aufgekündigt. Die Kommission engagiert sich auch im Bereich der Kommunikation der EU. Sie gibt zu verstehen, dass sich die Europäische Union nur dann in diesen Konflikt einschalten wird, wenn beide beteiligten Seiten darum ersuchen. Meine Antwort dazu lautet: Das wird niemals der Fall sein. Niemals wird Russland uns darum ersuchen, bei der Lösung dieses Problems zu helfen, denn Russland behauptete stets, an diesem Konflikt nicht beteiligt zu sein. Dies wirft nun heute die Frage der Verantwortung der Europäischen Union auf.

Da Sie auch die Unterstützung der UNO ankündigen, so wissen wir sehr wohl, dass die UNO völlig festgefahren ist. Auch sie scheiterte, denn auf einen Aufruf zu einer UN-Resolution kam aus Russland keine Antwort. Also blockiert Russland diesen Prozess ebenfalls. Ich glaube, dass wir diesbezüglich über genügend Argumente und die Möglichkeit einer viel konkreteren Hilfe verfügen. Hier geht es nicht mehr um die Lösung eines Konflikts, sondern eindeutig um die Verhütung eines möglichen Konflikts. Daher müssen wir handeln, und deshalb planen wir beispielsweise, im Rahmen der Entschließung, für die wir letzte Woche in Tiflis gestimmt haben, Russland vorzuschlagen, die Last der Erhaltung des Friedens zu teilen, indem wir ein ziviles Friedenskorps dorthin entsenden. Meines Erachtens sollten wir uns an den Balkan erinnern. Ich glaube, die Geschichte wird uns unsere Untätigkeit kein zweites Mal verzeihen. Der Balkankrieg sollte der letzte gewesen sein, und ich bin der Ansicht, dass es an uns ist, den Konflikt im Südkaukasus zu entschärfen.

 
  
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  Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Minister! Frau Kommissarin! In letzter Sekunde brechen wir das recht peinliche Schweigen der Europäischen Union zum Thema Georgien.

Bei dem Konflikt in Abchasien und Ossetien geht es nicht um die Rechte der russischen Minderheit. Trotz der ethnischen Säuberungen, von denen 300 000 Georgier in dieser Region nach 1993 betroffen waren, bietet das demokratische Georgien Abchasien seit einigen Jahren autonome Freiheiten an. Trotzdem hat Russland die Anerkennung der Marionettenregierung in Abchasien weiter forciert, indem es die Handelskontakte verstärkte und den Geltungsbereich des russischen Familien-, Zivil- und Handelsrechts auf die Region ausweitete.

Wir müssen uns heute die entscheidende Frage stellen: Haben wir Russland mit unserem Widerstand gegen Georgiens NATO-Mitgliedschaft nicht zu diesen Schritten ermutigt? Diese Frage sollte man sich ganz besonders in Berlin stellen. In diesem Konflikt geht es um Geopolitik. Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union und der Frieden in der Region stehen auf dem Spiel. Wenn es uns nicht gelingt, Russland von diesem Kurs abzubringen, der auf die Zerschlagung eines unserer wichtigsten Partner im Kaukasus abzielt, wird in Zukunft niemand mehr auf uns setzen.

Wir sollten gemeinsam mit den Vereinigten Staaten ein Treffen des Sicherheitsrates und der OSZE in dieser Sache in die Wege leiten. Neben einer entschlossenen diplomatischen Unterstützung der Integrität Georgiens sollten wir fordern, dass die russischen Streitkräfte durch Truppen unter UNO- oder OSZE-Mandat ersetzt werden. Sinnvoll wäre es, eine parlamentarische Mission nach Tiflis zu schicken. Wenn uns das nicht gelingt, führt Russland mit seiner neoimperialistischen Politik möglicherweise die ganze Region an den Rand eines Krieges.

 
  
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  Miloslav Ransdorf, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(CS) Seit 1991 hat es in Georgien drei Präsidenten gegeben: den Dissidenten Gamsachurdia, den Establishment-Kommunisten Schewardnadse und zuletzt den von den USA protegierten Saakaschwili.

Es fällt schwer zu sagen, welcher von den dreien der Schlimmste war. Bei seinem Besuch hatte Herr Saakaschwili uns nur eines mitzuteilen: Er forderte uns zum Kauf georgischer Weine auf, die er „Weine der Freiheit“ nannte. Ich bin nicht ganz sicher, ob z. B. Stalins Lieblingswein, der Chwantschkara, als Wein der Freiheit bezeichnet werden kann. Auf jeden Fall ist die Situation in Georgien beunruhigend. Ein Viertel der Bevölkerung ist emigriert. 1,3 Millionen Georgier haben ihren Arbeitsplatz in der Russischen Föderation. Diese Tatsache allein zeigt bereits, wie überaus wichtig es ist, dass die beiden Länder Lösungen für die Probleme finden, die sie miteinander haben, insbesondere jetzt nach dem Amtsantritt des neuen russischen Präsidenten Medwedjew. Anscheinend müssen wir Herrn Medwedjew etwas Zeit geben, damit er seine Versprechen einlösen kann, nämlich Georgien beizustehen und bei der Bewältigung der inzwischen sehr ernsten Situation zu helfen.

 
  
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  Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE).(NL) Ich möchte sowohl der Präsidentschaft als auch der Frau Kommissarin für ihre Antworten danken. Die Sorge über die zunehmenden Spannungen in der Region ist tatsächlich sehr groß. Ich stimme den Bemerkungen und den Aufrufen zur Zurückhaltung zu.

Die Frage lautet jedoch, was dies nützt, denn auch in den Schlussfolgerungen des Rates vom November 2007 wurde schon zur Zurückhaltung aufgerufen, dennoch haben die Spannungen leider zugenommen. Was nun, Frau Präsidentin? Georgiens Vizeministerpräsident Baramidze sagte: „Helft uns, helft uns!“ – und dies übrigens in einem sehr unhöflichen Ton, der die Spannungen, auch auf georgischer Seite, bestimmt nicht verringert hat. Aber was sollen wir tun?

An erster Stelle steht die Mission. Georgien, aber auch Russland muss an einer Vermittlung mitwirken. Der zweite Punkt ist die UN-Friedensmission. Es ist nicht akzeptabel, dass Russland allein über die Entsendung russischer Soldaten entscheidet.

Der dritte Punkt, Frau Präsidentin, betrifft eine Minderung des Drucks. Ich sah soeben in meinem Büro im Internet die prächtige Vereidigungszeremonie von Präsident Medwedew. Ich hörte, wie Präsident Medwedew, der neue Präsident, ausdrücklich sagte, er wolle die Souveränität und die Unabhängigkeit Russlands bewahren. Sein Amtskollege in Georgien hat dies ebenfalls getan. Ich möchte jeden hier, der Präsident Medwedew heute beglückwünschen will, bitten, ihn zugleich aufzufordern, die Souveränität und die Unabhängigkeit des georgischen Staatsgebiets zu garantieren.

Frau Präsidentin, konstruktive Mitarbeit – darauf kommt es an; konstruktive Mitarbeit auf beiden Seiten. Mit einem neuen Präsidenten in Russland gibt es auch eine neue Gelegenheit für uns, eine nachdrücklichere Aufforderung auszusprechen, um ihn davon zu überzeugen. Ich danke Ihnen vielmals.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma (PSE).(NL) Ich möchte mich meinen Vorrednern, einschließlich der Kommission und dem amtierenden Ratspräsidenten, hinsichtlich der Sorge anschließen, die wir alle über die in der Region, insbesondere im Kaukasus, entstandene Situation in Bezug auf Georgien und die Probleme im Zusammenhang mit Südossetien und Abchasien teilen. Während wir bis vor kurzem von eingefrorenen Konflikten sprachen, laufen diese nun Gefahr, latente Konflikte zu werden; und wir müssen natürlich alle versuchen zu verhindern, dass es offene Konflikte werden. Die Europäische Union, die Vereinten Nationen und jeder, der dort eine Rolle spielen kann, hat eine Verantwortung, die Situation zu entschärfen.

Natürlich müssen wir die Schritte, die Russland unternommen hat, ablehnen. Es sind Schritte – oder zumindest wird dieser Eindruck erweckt – in Richtung einer Formalisierung, in Richtung einer möglichen Anerkennung einer Unabhängigkeit. Dabei spielen natürlich geostrategische Interessen eine große Rolle. Ich kann mir vorstellen, dass Moskau über den jüngsten NATO-Gipfel enttäuscht ist, bei dem vereinbart wurde, dass Georgien auf lange Sicht Mitglied der NATO werden kann, und dass natürlich auch eine gewisse Verärgerung über die Reaktion der meisten EU-Länder auf die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo besteht. Unseres Erachtens müssen diese Dinge von der Situation in Georgien strikt getrennt werden. In der Vergangenheit wurden in der OSZE hierüber Vereinbarungen getroffen, und wir denken, dass vor allem die Vereinten Nationen sich bemühen müssen, die Sache, die Gespräche und den Dialog, wieder auf die Schienen zu setzen.

Wir sehen jetzt nämlich eine gewisse Eskalation auf beiden Seiten, eine Eskalation im Krieg der Worte; ein Schachspiel in der Tat, wie die Frau Kommissarin sagt, aber, wie ich fürchte, ein Schachspiel ohne Gewinner – und damit ist niemandem gedient.

Auf der einen Seite ist da die Reaktion Russlands, das die „Friedenstruppen“ aufstockt. Auf der anderen Seite schafft Georgien Probleme bei den Gesprächen der Welthandelsorganisation über die Mitgliedschaft Russlands. Ich denke, dass dieser nationalistische Unterton, der auf beiden Seiten spürbar ist, aus der Diskussion entfernt werden muss.

Alle Parteien, wie es viele gesagt haben, müssen Zurückhaltung zeigen, und langfristig muss natürlich nach einer strukturellen Lösung gestrebt werden. Und dabei kann die Europäische Union, wie ich meine, eine wichtige Rolle spielen, auch im direkten Dialog mit Russland während des kommenden EU-Russland-Gipfels. Dieser könnte vielleicht eine Gelegenheit bieten, um dem neuen Präsidenten auf den Zahn zu fühlen, was sein Land hinsichtlich dieser eingefrorenen Konflikte zu tun gedenkt, nicht nur im Kaukasus, auch in Transnistrien. Vielleicht kann der neue Präsident dann seine Absichten in Bezug auf die Vereinbarungen mitteilen, die glaube ich bereits 1999 in der OSZE über die Situation in diesen abgetrennten kleinen Ländern, Republiken, Staaten usw. getroffen wurden.

Abschließend – und ich schließe mich jedem an, der Russlands Interpretation von UNO-Entscheidungen kritisiert hat – sind diese „Friedenstruppen“ natürlich keine Friedenstruppen; sie müssen eher als Truppen gesehen werden, die einem militärischen, strategischen Interesse Russlands dienen und sicherlich keinen Zielen der Vereinten Nationen. Darüber müssen neue Vereinbarungen getroffen werden, und vielleicht kann die Europäische Union dabei eine Rolle spielen.

Ferner muss natürlich die territoriale Integrität Georgiens gewahrt werden, ebenso wie sein Respekt für Minderheiten und ihre Probleme – Herr Swoboda hat dazu bereits einiges gesagt –, da die Menschen vor Ort Gefahr laufen, zwischen Moskau und Tiflis zerrieben zu werden. Es ist natürlich wichtig, das etwas getan wird, um das Flüchtlingsproblem zu lösen. Die Europäische Union kann vielleicht am besten helfen, indem sie in vertrauensbildende Maßnahmen investiert, die beide Seiten auf den Weg zu einem neuen Dialog bringen können.

 
  
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  Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE).(HU) Danke, Frau Präsidentin! Georgien befindet sich gemäß einer Erklärung, die der georgische Staatsminister für Reintegration gestern abgegeben hat, am Rande eines Krieges. Das Verhältnis zwischen Georgien und Russland wird in der Tat immer gespannter. Wladimir Putins Erlass, in dem die staatlichen Behörden zu einer verstärkten Kooperation mit Abchasien und Südossetien aufgefordert werden, der Abschuss eines unbemannten georgischen Flugzeugs und die Stationierung zusätzlicher russischer Truppen in Abchasien stimmen die Regierung Saakaschwili verständlicherweise sehr besorgt.

Russland will die beiden abtrünnigen georgischen Regionen unter Missachtung der territorialen Integrität Georgiens schrittweise unter seine Kontrolle bringen. Die Motive der Russen veranschaulichen ihre Dominanzpolitik. 80 % der abchasischen Bevölkerung haben nun die russische Staatsbürgerschaft, und die Russen behaupten, sie seien deswegen verantwortlich für deren Schutz. Ebenso bezeichnend war die gestrige Erklärung von General Alexej Maslow, Oberbefehlshaber der russischen Bodentruppen. Er sagte, eine Verstärkung der Truppen in Abchasien diene der Vermeidung eines bewaffneten Konflikts und der Sicherung der Stabilität im Transkaukasus.

Die russischen Machthaber können es einfach nicht ertragen, dass Georgien den Weg der Autonomie und Unabhängigkeit und der euro-atlantischen Integration gewählt hat. Georgien ist ein untrennbarer Bestandteil der Europäischen Nachbarschaftspolitik. Wir haben eine Verantwortung, die Reformen in Georgien und die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit so weit wie irgend möglich zu unterstützen.

Das ist auch das Ziel der ständigen Bemühungen des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Georgien. Vor einer Woche sind wir in Tiflis zusammengekommen und haben dort mehrere entscheidende Empfehlungen verabschiedet. Darüber hinaus haben wir die so genannte Konfliktzone in Abchasien besucht, wo im Augenblick unerträgliche Bedingungen herrschen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in unserer Unterstützung für Georgien energischer und unmissverständlicher auftreten und auch mehr Druck auf Russland ausüben müssen. Die Friedenstruppen sollten verändert werden, damit sie international und neutral sind. Tiflis geht besonnen mit der Situation um und würde die Probleme gern mit friedlichen Mitteln lösen. Die Parlamentswahlen in Georgien wurden vorgezogen und stehen nun unmittelbar bevor. Diese Wahlen werden eine wichtige Prüfung für die junge und zerbrechliche georgische Demokratie sein, und wir müssen sie auf jede Weise unterstützen, um ihren Erfolg sicherzustellen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Das Europäische Parlament hat sich schon öfter mit der Frage des Aufbaus der Demokratie in Georgien beschäftigt. Wir konnten mitverfolgen, in welch bewundernswerter Weise sich die georgischen Bürger für den Aufbau einer liberalen Demokratie, eine starke Zivilgesellschaft und freie Wahlen eingesetzt haben. Nach wie vor steht das Europäische Parlament geschlossen aufseiten der Demokratie in Georgien und wacht über die Integrität des georgischen Staates.

Gestern hörten wir die Rede des stellvertretenden georgischen Ministerpräsidenten Giorgi Baramidze. Die Probleme, die Herr Baramidze aus georgischer Sicht geschildert hat, machen deutlich, wie ernst die Lage ist, mit der wir es derzeit im Kaukasus zu tun haben. Selbstverständlich rufen wir alle Seiten zu Besonnenheit auf, sowohl Georgien als auch Russland. Es muss aber klar sein, dass es in Europa keine Zustimmung für die neoimperialistische Politik Russlands gegenüber den Ländern des Kaukasus oder gegenüber Georgien gibt. Russland steht in der besonderen Verantwortung, den Frieden und die Sicherheit dieser Region zu gewährleisten.

Gleichzeitig möchten wir betonen, dass das Wichtigste angesichts der internationalen Situation in Georgien die georgische Demokratie ist. Deswegen appellieren wir an die Regierung und an das georgische Volk, die liberale Demokratie in Georgien, die Zivilgesellschaft und die Rechtstaatlichkeit noch mehr zu stärken.

Was die Frau Kommissarin über die EU-Hilfen zur Unterstützung der anstehenden Wahlen in Georgien gesagt hat, ist ein Schritt seitens der Europäischen Union, der kennzeichnend für die europäische Politik im Kaukasus sein sollte: die Verteidigung Georgiens, die Bewunderung für den Aufbau der Demokratie, Ablehnung gegenüber Verletzungen der territorialen Integrität des Landes. Wir appellieren an Russland und an Georgien, den Frieden und die Sicherheit in dieser Region aufrechtzuerhalten.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Russland hat heute einen neuen Präsidenten, doch Wladimir Putins neue Aufgabe als Ministerpräsident ermöglicht es ihm, an der Macht festzuhalten und seinen Protegé Dimitrij Medwedew zu überwachen. Daher wird sich die russische Außenpolitik auch nicht ändern.

Eine wahre Flut von Petrodollars macht Russland zu einer wieder auflebenden Macht, doch leider betrachtet es alles als Nullsummenspiel. Putins außenpolitische Priorität – etwas wiederaufzubauen, das wie die alte Sowjetunion aussieht – ist darauf gerichtet, was Russland gönnerhaft als sein „näheres Ausland“ bezeichnet – die ehemaligen Sowjetrepubliken im Baltikum, in Osteuropa und im Südkaukasus, wo Russland fest entschlossen ist, seine Einflusssphäre zu erhalten. Sie werden dafür bestraft, dass sie in westliche Richtung schauen, nach der NATO und der EU, und nicht nach Moskau.

Georgien unter dem westlich orientierten Reformer, Präsident Saakashvili, hat erheblich unter Russlands Gewalttätigkeit zu leiden. Abgesehen davon, dass Putin Handel und Energielieferungen als diplomatische Waffe benutzt, hat er immer wieder versucht, Georgiens territoriale Integrität durch die stillschweigende Unterstützung der abtrünnigen, selbst ernannten Republiken Abchasien und Südossetien zu untergraben. Die Entsendung noch weiterer russischer Soldaten nach Abchasien – angeblich als Friedenstruppen, die jedoch zweifelsohne zum Kampf bereit sind – sowie der kürzliche Abschuss einer georgischen Drohne hat auf provokatorische Weise die Spannungen in der Region erhöht.

Angesichts der Eile, mit der der Westen einen unabhängigen Kosovo ohne UNO-Resolution oder internationales Übereinkommen begrüßt hat, entbehrt das Handeln Russlands – leider – nicht einer gewissen Logik. Mit der Anerkennung des Kosovo wurde ein heißes Eisen angepackt und Russland aller Grund gegeben, sich moralisch überlegen vorzukommen. Es sollte uns nicht überraschen, wenn Russland das als Präzedenzfall ansieht. Durchaus tragisch wäre, wenn wir durch unsere Vorgehensweise im Kosovo Georgien irreparablen Schaden zugefügt und einen bewaffneten Konflikt in einem Land ausgelöst hätten, dessen territoriale Integrität wir mit allen Mitteln schützen sollten.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zusammen mit meinen Kollegen von der interparlamentarischen Delegation unter Leitung von Frau Isler Beguine, deren Bemerkungen ich uneingeschränkt unterstütze, nahm ich in der vergangenen Woche an den Treffen in Tiflis teil. Die Lage verschlechtert sich in der Tat, und die eskalierenden Spannungen könnten zum Ausbruch einer offenen bewaffneten Konfrontation führen. Bei dem offiziellen Treffen bestätigte Präsident Saakaschwili, dass es dieses Mal eher eine Frage von Stunden als von Tagen sein könnte.

Die festgefahrenen Gespräche über die Situation in Abchasien und Südossetien werden fortgesetzt, und Moskau hat offiziell bestätigt, dass es seine Beziehungen zu beiden Regionen auf eine Rechtsgrundlage stellen möchte. Dies eröffnet die Möglichkeit, erneut über die in UN-Resolutionen anerkannte territoriale Integrität Georgiens zu sprechen.

Es bleibt zu hoffen, dass Europa endlich mit einer Stimme spricht und sich entschiedener an der Suche nach friedlichen Lösungen beteiligt, ehe es zu spät ist. Bei einem Abbruch der Beziehungen sind Kettenreaktionen in der gesamten Region absehbar, Ereignisse, die letzten Endes vor unserer Haustür ankommen würden. Wir hoffen daher auf ein echtes Engagement des Rates und der Kommission in dieser Angelegenheit.

Entweder stellen wir uns der Aufgabe und verdoppeln unsere Vermittlungsbemühungen oder wir werden leider mit der fürchterlichen Verantwortung leben müssen, dass unser Wunsch oder unsere Fähigkeit, etwas zu tun, nicht stark genug war bzw. nicht ausgereicht hat!

 
  
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  Corien Wortmann-Kool (PPE-DE).(NL) Wir sind Freunde Georgiens. Wahre Freundschaft bedeutet Unterstützung und Hilfe, und dafür muss Europa, nun wo die territoriale Integrität Georgiens auf dem Spiel steht, eintreten. Aber wahre Freundschaft bedeutet auch, Kritik zu äußern, wenn sie angebracht ist.

Frau Präsidentin, die georgische Regierung steht vor einer schwierigen Aufgabe. Sie muss Demokratie aufbauen, basierend auf europäischen Werten, in einem Land, in dem die Geschichte eine ganz andere ist. Sie muss auch die Wirtschaft aufbauen, und die Frau Kommissarin sagt richtig, dass hinsichtlich der ENP gute Fortschritte erzielt wurden, auch wenn noch viel geschehen muss. Dies ist eine schwierige Aufgabe für die georgische Regierung in einer Zeit, wo die territoriale Integrität auf dem Spiel steht und von Russland bedroht wird.

Europa muss dabei deutlich Stellung beziehen und die Konflikt-Parteien unterstützen. Die Vorschläge von Präsident Saakaschwili verdienen eine faire Chance. Sie stellen eine bessere Lösung dar als Säbelrasseln. Die Mission, an der die Ratspräsidentschaft beteiligt ist, ist gut, denn die Zeiten sind vorbei, in denen wir uns zurücklehnen und abwarten konnten, bis alles wieder im Lot war. Der Rat und die Kommission müssen Bereitschaft zum Handeln zeigen.

Der Umstand, dass am 21. Mai Parlamentswahlen stattfinden, erhöht die Spannungen. Ich werde an der Beobachtermission teilnehmen, und wir werden die Wahlen genau verfolgen. Diese Parlamentswahlen stellen einen Lackmustest für die Regierung Saakaschwili dar. Daraus resultiert die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Wahlen fair und demokratisch verlaufen. Dies wird die Basis in Europa sein, um sich zusammenzuschließen und zu bewirken, dass die Bürger ganz Georgiens – also einschließlich Abchasiens und Südossetiens – in Freiheit und Demokratie leben können. Daher verdient Georgien unsere Unterstützung. Vielen Dank.

 
  
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  Robert Evans (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin Ferrero-Waldner begann ihre Ausführungen vor einigen Minuten mit dem Hinweis auf den Ernst der Lage. Diese Ansicht äußerte auch Herr Lenarčič im Namen des Rates. Alle nachfolgenden Redner haben den Ernst der gegenwärtigen Lage betont.

Von meinen Besuchen in Georgien weiß ich, dass das Land echte Anstrengungen unternimmt, um seine Beziehungen zur Europäischen Union zu festigen. Meiner Meinung nach sollten wir jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, Georgien in dieser Krisensituation und angesichts dessen unterstützen, was ein Kollege vor einigen Minuten als russischen Imperialismus bezeichnete.

Russland hat niemals die territoriale Integrität Georgiens im Hinblick auf Abchasien bzw. Südossetien akzeptiert. Durch das, was wir in den letzten Wochen gehört haben, wissen wir, dass russische und abchasische Separatisten offensichtlich in den Zwischenfall mit dem Spionageflugzeug verwickelt sind, der zu einer Zunahme der Spannungen geführt hat, und wir müssen erkennen, dass eins zum anderen geführt hat. Ich weiß nicht, welche diplomatischen Schritte insgesamt unternommen werden, aber ich mache mir Sorgen, dass die Europäische Union nicht genug tut, um die eskalierende Gewalt zu stoppen. Frau Isler Béguin erklärte vor wenigen Minuten, dass es uns die Geschichte nie verzeihen wird, wenn wir nichts unternehmen. Wenn nichts getan wird, könnte in dem gesamten Gebiet ein Krieg ausbrechen – ein Krieg, bei dem es keinen Gewinner gibt.

Deshalb lautet meine Botschaft am heutigen Nachmittag – nicht nur an dieses Parlament gerichtet, sondern an Herrn Lenarčič für den Rat und auch an Kommissarin Ferrero-Waldner –, dass Sie alles in Ihren Kräften Stehende tun müssen, auf höchster Ebene, damit jeder begreift, vor allem die Russen, wie gefährlich ihre Aktionen in diesem Gebiet sind, und dass wir dieser Eskalation Einhalt gebieten müssen, bevor wir eine weitere Balkankrise haben.

 
  
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  Vytautas Landsbergis (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Wir müssen es unumwunden sagen: Schluss mit dem Krieg! Ruki proch ot Gruzii – Hände weg von Georgien! Kein weiteres UNO-Mandat für Konflikttruppen! Das ist die einzige Möglichkeit, den Kreml zum Zuhören zu veranlassen. Wenn die EU nicht in der Lage ist, das zu sagen, dann trägt die EU Mitverantwortung. Wir müssen es hier sagen und fordern, dass die russischen Fallschirmjäger das nächste Mal in Russland landen.

Vor dem Blutbad in Vilnius im Januar 1991, als Fallschirmjäger bereits da waren, hat keiner eine solche Warnung ausgesprochen.

Wenn Russland jetzt überall und gegen Georgien Spannungen schürt, die immer mehr einen militärischen Charakter annehmen, können die Gründe politischer Art sein, allerdings nicht ausschließlich. Was können wir daraus lernen?

Der neue Präsident, Medwedew, soll vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wenn heute Kämpfe zwischen den russischen und georgischen Militärs ausbrechen, was ganz leicht vom russischen Geheimdienst arrangiert werden kann – oder aber ihm soll die Chance gegeben werden, den Unschuldigen zu spielen; auf die bevorstehenden Wahlen in Georgien soll Einfluss genommen werden; man will sich an der EU wegen dem Kosovo rächen, indem Georgien bestraft wird; Georgiens Fortschritten beim Wirtschaftswachstum und der Korruptionsbekämpfung soll ein Ende gesetzt werden, nachdem ein grundlegender Wandel von einer Staatsführung russischer Art zu einer Staatsführung westlichen Stils erfolgt ist.

Leider besteht auch die unmittelbare Gefahr eines Krieges gegen das ungehorsame Georgien. In einem solchen Fall könnten wir – angesichts eines möglichen Zusammenhangs zwischen dem Veto von Bukarest für die Aufnahme Georgiens in den NATO-MAP und der schnell zunehmenden Aggressivität Russlands – Deutschland bitten, im Konflikt zwischen Russland und Georgien eine Vermittlerrolle zu übernehmen, um das Schlimmste zu verhindern. Es ist keine Zeit mehr, um lokale oder ethnische Spielchen zu spielen bzw. solche mit eingefrorenen Konflikten. Das kann nur auf europäischer Ebene gelöst werden.

(Beifall)

 
  
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  Urszula Gacek (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! In der heutigen Aussprache wurden viele Dinge angesprochen – Visa, Freihandelsabkommen und die bevorstehenden Wahlen. Alles wichtige Dinge, über die man sprechen muss. Die Hauptfrage, auf die wir uns jedoch konzentrieren müssen, ist die instabile Sicherheitslage. Wir müssen Georgien unsere Unterstützung in einem Augenblick geben, wo dem Land eine weitere Provokation, ja sogar ein Angriff durch Russland droht.

Wir dürfen die Botschaft des heutigen Tages nicht verwässern. Erstens: Keine Toleranz von provokatorischen Handlungen seitens Russlands. Zweitens: Die territoriale Integrität Georgiens darf in keiner Weise untergraben werden, und drittens: Friedenstruppen in den potenziellen abtrünnigen Regionen müssen neutral sein und das Vertrauen aller Seiten genießen. Es steht außer Zweifel: Russische Truppen erfüllen diese Kriterien nicht.

Das sind die Fragen, die wir angehen müssen, und wir müssen uns jetzt mit ihnen befassen.

(Beifall)

 
  
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  Katrin Saks (PSE).(ET) Bei dem gestrigen Gespräch mit dem Stellevertretenden Ministerpräsidenten von Georgien wurde mehrfach die Meinung geäußert, dass die Vorgehensweise im Kosovo die Ursache für die Eskalation der Spannungen in Georgien war.

Es stimmt, dass Russland die Situation ausnutzt; klar ist jedoch auch, dass Russland für seine imperialistischen Interessen notfalls auch andere Rechtfertigungsgründe finden würde.

Es geht heute nicht darum, was Georgien getan hat oder nicht getan hat. Es geht heute darum, dass unter dem Deckmantel der Friedenserhaltung Krieg provoziert wird, und wir sind gefährlich nahe an diesem Krieg dran.

Es ist jetzt unbedingt erforderlich, dass wir eine sehr klare Bewertung der Situation in Abchasien abgeben und Georgien unmissverständlich unsere Unterstützung anbieten.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Russland hat im Zuge seines so genannten Kampfes gegen den Terror bereits über die Hälfte des tschetschenischen Volkes ermordet. Derzeit übt es Einfluss auf Menschenrechtsverletzungen in Belarus aus, und dieser Einfluss ist offensichtlich. Was in Georgien geschieht, stellt eine weitere Bedrohung dar. Wir können diese Dinge schlicht und einfach nicht als innere Angelegenheiten Russlands betrachten, wir dürfen nicht zulassen, dass russische Militäreinsätze erneut zu Abhängigkeit und Krieg in Ländern führen, die noch bis vor kurzem unter russischer Herrschaft standen. Russland ist unfähig, die Freiheit anderer Völker anzuerkennen. Ich wünschte, das wäre anders, aber das geschieht nun schon seit Jahrhunderten so und das ist leider eine schlimme Tragödie.

Die Europäische Union darf mit diesen Problemen nicht so umgehen, als ginge es nur um heikle diplomatische Eingriffe. Wir müssen diese Angelegenheit wirklich sehr ernst nehmen.

 
  
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  Janusz Onyszkiewicz (ALDE).(PL) Russland versucht seit längerem, eine Art Spirale der Angst in Bezug auf Georgien zu schüren. Ein Indiz dafür ist der Abschuss einer unbemannten Drohne durch ein russisches Flugzeug, denn es besteht gar kein Zweifel daran, dass das kein Flugzeug der abchasischen Streitkräfte war. Und auf dem Video, das uns vorliegt, ist ganz deutlich zu sehen, wie sich eine MiG-29 nähert und eine Rakete abfeuert, die dann diese Drohne trifft. Unlängst wurden angeblich zwei weitere Maschinen von abchasischen Sicherheitskräften abgeschossen.

Da ergibt sich folgende Frage: Wie kann es passieren, dass abchasische Truppen trotz des 1994 in Moskau erzielten Abkommens über derartige Waffen verfügen? Wir in diesem Parlament müssen den Appell der georgischen Regierung an den Hohen Vertreter der Vereinten Nationen in Georgien unterstützen, in dieser Angelegenheit eine Untersuchung einzuleiten und den Dingen auf den Grund zu gehen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Russland diese Spirale der Angst weiter schürt.

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Meines Erachtens ist heute klar geworden, dass der Begriff „eingefrorene Konflikte“ irreführend sein kann. Eigentlich ist unser Verständnis des Wesens dieser Konflikte oftmals eingefroren. Bei dem, was wir heute sehen, handelt es sich um eine postimperialistische Politik des „näheren Auslands“ in Aktion: eine Politik, von der sich die russische Regierung vor zwölf Jahren verabschieden musste, als sie Mitglied des Europarates wurde.

Heute müssen wir eindeutig klarstellen, dass Russlands Auslegung seiner UNO-Friedensmission völlig inakzeptabel ist. Außerdem dürfen wir nicht zögern klarzustellen, dass Einheit und Integrität in gleicher Weise für Georgien und für Russland gelten.

Jetzt ist Zeit zu handeln. Die Zeit der großen Worte ist vorüber.

(Beifall)

 
  
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  Siiri Oviir (ALDE).(ET) Wenn wir uns die Beiträge heute hier anhören, dann wird klar, dass wir alle hier in diesem Saal, egal ob wir nun den Rat, die Kommission oder das Europäische Parlament repräsentieren, darin übereinstimmen, dass Georgien sich am Rande einer Krise befindet, an der Schwelle zum Krieg, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen, und zwar dringend und mit erheblichen Ressourcen.

Da die Zeit knapp ist, möchte ich nur auf einen Punkt eingehen, nämlich die so genannten russischen Friedenstruppen, die seit 14 Jahren in Georgien, Abchasien und Süd-Ossetien präsent sind. Was hat das gebracht? In dieser Zeit gab es viele, viele Provokationen, einschließlich unbemannter Aufklärungsflüge, einseitigen Friedens und einer Aufstockung der so genannten Friedenstruppen. Die Instabilität ist noch größer geworden.

In Abchasien, wo 80 % Abchasen leben, hat Russland für 90 % der Einwohner der Region russische Pässe ausgestellt. Warum reden wir hier über Visafreiheit? Sie tun alles, um die Situation noch weiter zu destabilisieren.

Ich kann infolgedessen nur eines vorschlagen: Die Friedenstruppen, d. h. die russischen Friedenstruppen müssen durch echte und wirkungsvolle Friedenstruppen ersetzt werden.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE).(PL) Frau Präsidentin! Erstens sollte die Europäische Union den Fehler in der Visa-Frage korrigieren, zweitens sollte sie ohne Aggression, aber dennoch bestimmt die Dinge beim Namen nennen, die sich Russland in Georgien erlaubt, und sie sollte drittens Georgien dabei helfen, seine inneren Probleme zu lösen.

Beim Thema Georgien möchte ich meine Worte und meinen Appell an Russland richten: Die neue russische Präsidentschaft könnte einen neuen erstklassigen Stil auf dem Niveau eines großen Schauspielers einführen. Statt imperialistisch zu denken, könnte Russland vielleicht anfangen, kooperativ zu denken. Der Nationalstolz würde dadurch nicht beschädigt. Und zweitens täte es dem Ansehen des großen, stolzen und reichen Russland keinen Abbruch, die territoriale Integrität Georgiens zu respektieren, so wie wir das recht merkwürdige russische Territorium in der Region Kaliningrad respektieren.

 
  
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  Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich habe die Ausführungen der Redner in dieser Aussprache sehr aufmerksam verfolgt und danke Ihnen sehr dafür. Ich möchte zunächst auf den Beitrag von Herrn Wiersma eingehen, der den Standpunkt vertritt, dass die Europäische Union eine wichtige Rolle bei der Entschärfung der aktuellen Situation spielen kann. Ich und die slowenische Präsidentschaft stimmen dem zu, und ich glaube, der Rat wird dahin gehende Anstrengungen unternehmen. Wie? Zunächst im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir können der Einschätzung von Frau Isler Béguin zustimmen, die gesagt hat, dass die Fortschritte im Rahmen der Vereinten Nationen bescheiden gewesen sind und wir damit gewiss nicht zufrieden sein können, aber sie bieten nach wie vor einen der grundlegenden Rahmen für die Erörterung dieser Angelegenheit.

Ich habe bereits in meinem Eingangsbeitrag auf die Resolution 1808 des UNO-Sicherheitsrates hingewiesen, die die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen bestätigt. Diese Resolution des Sicherheitsrates wurde kürzlich – am 15. April – angenommen, und bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen und betonen, insbesondere mit Blick auf den Redebeitrag von Herrn Evans, dass die Annahme dieser Resolution ohne Zustimmung der Russischen Föderation nicht möglich gewesen wäre.

Daher bleiben die Vereinten Nationen ein wichtiger Rahmen für die Regelung dieses Problems. Ein weiterer wichtiger Rahmen ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, und auch hier wird die Europäische Union ihre Bemühungen um eine Deeskalation fortsetzen und hoffentlich intensivieren. Deeskalation, d. h. Beruhigung der Lage und Abbau von Spannungen, ist zurzeit eine absolute Priorität für die Europäische Union. Diese Aufgabe hat absoluten Vorrang.

Zugleich wollen wir unsere Bemühungen um eine dauerhafte und friedliche Lösung dieses Problems verstärken. Nicht nur in den genannten multilateralen Foren, sondern auch in unseren bilateralen Abkommen mit der Russischen Föderation und mit Georgien. Die Präsidentschaft ist in dieser Hinsicht aktiv. Ich habe bereits erwähnt, dass dieses Thema kürzlich Gegenstand von Gesprächen auf Ministerebene zwischen der EU-Troika und der Russischen Föderation war. Gerade heute hat Minister Rupel, Präsident des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“, den stellvertretenden georgischen Ministerpräsidenten Baramidze empfangen und mit ihm über diese Angelegenheit gesprochen. Der Gipfel EU-Russische Föderation im kommenden Monat wird eine von vielen Gelegenheiten sein, diese Problematik auch künftig zu erörtern.

Ich möchte betonen, dass die Europäische Union aktiv ist. Bisher war das Thema Georgien häufig ein Punkt auf der Tagesordnung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“. Wir haben einen EU-Sondergesandten für Georgien und den Kaukasus. Möglicherweise wird in Kürze, in den nächsten Tagen, der Politische Direktor dem Land einen Sonderbesuch abstatten usw. Ich möchte betonen, dass die Europäische Union weiterhin entschieden die Bemühungen Georgiens unterstützen wird, die ungelösten Konflikte in Abchasien und Südossetien friedlich beizulegen. Ferner möchte ich betonen, dass diese Frage ein ständiger Bestandteil unseres Dialogs mit der Russischen Föderation sein wird, in dem wir stets die Notwendigkeit einer friedlichen Lösung hervorheben und eine konstruktive Haltung der Russischen Föderation fordern und fördern werden, was die vor kurzem von Präsident Saakaschwili angebotene friedliche Lösung anbelangt.

Eines ist gewiss: Der EU-Sondergesandte wird seine Bemühungen fortsetzen, und die Europäische Kommission wird ihre Anstrengungen fortführen und verstärken, insbesondere hinsichtlich der Implementierung eines Pakets vertrauensbildender Maßnahmen – wir schätzen die Unterstützung Georgiens für dieses Paket sehr. Kurz, ich kann Ihnen im Namen der Präsidentschaft versichern, dass wir auf die Fortsetzung und Verstärkung der Bemühungen um Deeskalation wie auch eine friedliche und dauerhafte Lösung dieses Problems drängen werden.

 
  
  

VORSITZ: MECHTILD ROTHE
Vizepräsidentin

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Das war eine wichtige Aussprache in einem wichtigen und schwierigen Augenblick. Bevor ich auf einige Ihrer Gedanken, Fragen und Meinungen eingehe, möchte ich betonen, dass ich den Bericht des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Georgien ebenfalls sehr begrüße, der zum großen Teil mit der Analyse der Kommission übereinstimmt und Gemeinsamkeiten mit unseren Fortschrittsberichten aufweist.

Es besteht kein Zweifel, dass wir Georgien unterstützen müssen, doch wie einige von Ihnen bereits erklärten, müssen gute Freunde auch gute Ratschläge annehmen, und ich denke, dass wir ihnen Folgendes sagen müssen: Der einzige Weg nach vorn besteht im Dialog. Wenn Georgien provoziert wird, ist es wichtig, nicht in die Falle zu gehen und aggressiv zu reagieren.

Wie von vielen von Ihnen unterstrichen wurde, ist es für Georgien wichtiger denn je zu vor, seine Demokratie zu festigen und freie und faire Wahlen abzuhalten. Wir werden sehen, was am 21. Mai geschieht. Klar ist außerdem, dass die Europäische Union in diesem äußerst schwierigen Augenblick nicht tatenlos zusehen wird.

Wir werden zweifellos Russland weiterhin drängen, seinen jüngsten Beschluss zurückzunehmen, und wie unser Ratspräsident sagte, hat sich gerade die Troika des Ständigen Partnerschaftsrats EU-Russland getroffen – ich selbst habe an diesem Treffen teilgenommen –, wo diese Frage recht offen behandelt wurde. Dann wird es den Gipfel im Juni geben, und wir werden jede Gelegenheit nutzen, auf diesen Punkt deutlich hinzuweisen.

Wir werden Georgien auch weiterhin in seinen Bemühungen unterstützen, stärker zu werden. Ich wiederhole, wir werden auch alle Initiativen unterstützen, die den Dialog zwischen allen Parteien fördern.

Wie ich bereits sagte, stimme ich den Vorschlägen zu, die Friedensmechanismen zu überprüfen, wenn eine Einigung darüber mit allen Partnern erzielt werden kann: Und das ist wiederum die Schwierigkeit. Was die Visaerleichterungen betrifft, so haben wir im Rat bereits Gespräche dazu aufgenommen. Immer mehr Mitgliedstaaten erkennen jetzt die Dringlichkeit von Visaerleichterungen und Rückübernahme. Es gibt dazu noch nicht die absolut erforderliche Einstimmigkeit, aber vielleicht bewegen sich die Dinge jetzt in die richtige Richtung.

Zum Thema Flüchtlinge kann ich sagen, dass wir den Binnenvertriebenen, die Abchasien und Südossetien verlassen mussten, bereits erhebliche humanitäre Hilfe gewährt haben. In diesem Jahr unterstützen wir darüber hinaus im Rahmen eines mit 2 Millionen Euro dotierten Programms die Umsetzung eines neuen georgischen Gesetzes zur Wiedereingliederung von Binnenvertriebenen, damit diese nicht mehr in ihren schrecklichen Notunterkünften leben müssen.

Natürlich werden wir auch weiterhin aktiv sein, denn dies ist eine Angelegenheit, die wir im Auge behalten müssen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun werden, damit in Georgien wieder Stabilität einkehrt, und selbstverständlich werden wir immer Georgiens Souveränität und territoriale Integrität unterstützen.

 
  
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  Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung wird am 5. Juni stattfinden.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) In den letzten Tagen und Wochen hat die russische Regierung Provokationen gegenüber Georgien betrieben und damit einen Konflikt ausgelöst, der sich zum Krieg auszuweiten droht. Vor einigen Tagen hat Russland ohne Absprache mit Georgien sein Militärkontingent in Abchasien von zwei- auf dreitausend Soldaten aufgestockt und einen hochrangigen russischen Offizier zum Oberbefehlshaber der so genannten abchasischen Armee berufen. Das ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass Russland eine militärische Aggression gegen Georgien vorbereitet.

Ich rufe zur Unterstützung der Souveränität und der territorialen Integrität Georgiens auf und appelliere an die russische Regierung, die Eskalation dieses Konflikts zu beenden und die durchgeführten Militäraktionen kritisch zu überprüfen. Die scharfen Worte und die Provokationen des Kremls verhindern eine friedliche Lösung dieser Lage und drohen die ganze Region zu destabilisieren.

Die angeblichen russischen „Friedenssoldaten“ sollten umgehend durch unabhängige Friedenstruppen unter EU- oder UNO-Kommando ersetzt werden.

Die Aufgabe der EU sollte es sein, diesen Konflikt zu „entwaffnen“ und die neoimperialistischen Vorstöße Russlands in den ehemaligen Republiken im Südkaukasus aufzuhalten.

Die EU sollte ihre uneingeschränkte Unterstützung für Georgien demonstrieren, die Zusammenarbeit kontinuierlich erweitern und unverzüglich das Visumverfahren für Georgier erleichtern.

 
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