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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 7. Mai 2008 - Brüssel Ausgabe im ABl.

14. Revision der Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission: Revision der Richtlinie 94/45/EG vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Vielen Dank für die Gelegenheit, hier über zwei eng miteinander verknüpfte Themen zu diskutieren, nämlich zum einen über den europäischen Betriebsrat und zum anderen über verantwortungsvolle Umstrukturierung. Für die Kommission ist dies von herausragender Bedeutung, und wir haben im vergangenen Jahr hier erhebliche Fortschritte erzielt.

Was den europäischen Betriebsrat angeht, so sind nach Ansicht der Kommission zu einer Verbesserung des entsprechenden rechtlichen Rahmens Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene erforderlich. Europäische Betriebsräte werden bei Umstrukturierungsmaßnahmen nicht automatisch konsultiert. Darüber hinaus gibt es eine gewisse Rechtsunsicherheit bezüglich der Umsetzung der Richtlinie und deshalb muss eine bessere Verbindung zwischen der Unterrichtung und Anhörung der Beschäftigten auf nationaler und supranationaler Ebene und auch zwischen den betreffenden Richtlinien hergestellt werden.

Wie Ihnen bekannt ist, hat die Kommission am 20. Februar eine zweite Phase der Konsultation der Sozialpartner zur Revision der Richtlinie eingeleitet. Dabei hat die Kommission verschiedene Konzepte zur Ausgestaltung der Richtlinie vorgeschlagen, um Lösungen für die genannten Probleme zu erarbeiten. Diese Konzepte erstrecken sich vorrangig auf die Änderung von Definitionen, auf die Festlegung von Regeln für den Fall, dass keine Vereinbarungen geschlossen werden, auf Mitarbeiterschulungen, auf Änderungen von Vereinbarungen bei wichtigen Umstrukturierungen wie etwa Zusammenschlüssen und auf die Einführung eines abgestimmten Systems für den Dialog auf nationaler und supranationaler Ebene.

Diese Konsultation ging dem Legislativvorschlag voraus, den die Kommission dann vorgelegt hat. Die Sozialpartner hatten dadurch die Möglichkeit, über die Angelegenheit zu diskutieren. Die Sozialpartner haben ohne Zweifel die besten Voraussetzungen, um einen positiven Einfluss auf die Revision der Richtlinie auszuüben, und dies ist von grundlegender Bedeutung. Aus diesem Grund hat die Kommission sie zu den Verhandlungen über die europäischen Betriebsräte eingeladen. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat am Ende festgestellt, dass er nicht imstande ist, Verhandlungen über die europäischen Betriebsräte mit den Arbeitgeberorganisationen zu eröffnen. Im Namen der Kommission habe ich die Sozialpartner dann noch einmal eingeladen, um jede Chance zu einer Verbesserung des Rahmens für diese Maßnahmen wahrzunehmen. Die Kommission prüft derzeit die für Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene verfügbaren Möglichkeiten und berücksichtigt dabei auch die Rückmeldungen und Beiträge der Sozialpartner.

Sollte diese Auswertung zu der Erkenntnis führen, dass eine Revision der Richtlinie die beste Lösung für die bestehenden Probleme wäre, und sollten die Sozialpartner nicht auf die jüngste Einladung reagieren, werde ich den Kommissionsmitgliedern im Sommer den Vorschlag unterbreiten, einen ausgewogenen Legislativvorschlag anzunehmen, der die Interessen aller Beteiligten und ihre jeweils vorgebrachten Standpunkte berücksichtigt.

Europäische Betriebsräte brauchen einen neuen Impuls, sie müssen einen eigenen länderübergreifenden Dialog entwickeln und in der Lage sein, sich umfassend in die Vorbereitung und Durchführung von Veränderungen einzubringen. Sie müssen stärker und effizienter werden. Für die Kommission ist dies eine ihrer Prioritäten für 2008, und in dieser Hinsicht werden wir uns um eine enge Zusammenarbeit mit Parlament und Rat bemühen.

Das zweite Thema betrifft die Umstrukturierungen. Umstrukturierungen sind eine unvermeidliche Reaktion auf die erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in Europa, die bedingt sind durch technischen Fortschritt, Globalisierung und eine immer älter werdende Bevölkerung, und auch eine Reaktion auf die notwendigen Schritte, die es uns ermöglichen, mit der globalen Erwärmung und den Bedrohungen für die Umwelt umzugehen. Die Verantwortung für diese Anpassung liegt vor allem bei den Unternehmen, da sie mit den Bedingungen des Marktes und mit den Technologien vertraut sind, und da sie die Risiken einschätzen können, die mit jeder Umstrukturierungsentscheidung einhergehen.

Durch die sozialen, wirtschaftlichen und regionalen Auswirkungen von Umstrukturierungen, besonders wenn diese im großen Stil erfolgen, ist es unabdingbar, dass Zulieferer, Unternehmen, Mitarbeiter und deren Vertreter im Laufe der verschiedenen Anpassungsphasen zu Wort kommen. Aus demselben Grund müssen Anpassungen an wirtschaftliche Veränderungen auch durch öffentliche Maßnahmen flankiert werden, und zwar nicht nur für die Konzipierung eines Gesamtrahmens zur Förderung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch für eine gezielte Unterstützung der frühzeitigen Vorbereitung von Umstrukturierungen und deren sozial verantwortungsvoller Koordinierung.

Zusammen mit den betroffenen Regionen befinden sich die Unternehmen an vorderster Front, wenn es um Umstrukturierung geht. Einerseits müssen sie in der Lage sein, sich schnell zu entwickeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, andererseits aber sind sie gehalten, ihren sozialen und regionalen Verpflichtungen nachzukommen, indem sie Änderungen antizipieren und dabei sicherstellen, dass die betroffenen Parteien so früh wie möglich ordnungsgemäß informiert werden, und indem sie insbesondere Mechanismen vorsehen, um Beschäftigte und Regionen auf die absehbaren Umstrukturierungen vorzubereiten.

2003 haben sich die Sozialpartner auf allgemeine Rahmenbedingungen geeinigt, die diesen Anforderungen gerecht werden. Auf dieser Grundlage wurden Richtlinien erarbeitet, die jedoch gegenwärtig nur selten zur Anwendung kommen. Aus diesem Grunde wird die Kommission demnächst einen Bericht vorlegen, der den Sozialpartnern helfen soll, in diesem Bereich weitere Schritte zu unternehmen, beispielsweise über eine effektivere Umsetzung der bestehenden Vorgaben und eine Ausweitung des Geltungsbereichs der Grundsätze sowie durch das Aufzeigen von Möglichkeiten für den Umgang mit den ernsten aktuellen Problemen.

Ich möchte nochmals hervorheben, dass die Kommission zu einer möglichst engen Zusammenarbeit mit dem Parlament in beiden Bereichen, also dem der europäischen Betriebsräte und dem der Umstrukturierungen, bereit ist. Gleiches gilt natürlich auch im Bereich der sozialpolitischen Agenda, die jedoch über den Rahmen der heutigen Debatte hinausgeht.

 
  
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  Philip Bushill-Matthews, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich ergreife das Wort in mehreren Eigenschaften – nicht nur als Koordinator für die größte politische Fraktion hier im Parlament, sondern auch als jemand, der bei der Aussprache über dieses Dossier in der vorherigen Amtszeit eine führende Rolle gespielt hat, und vor allem als jemand, der in seinem früheren Geschäftsleben in der Tat Betriebsräte in mehreren verschiedenen Unternehmen eingeführt hat, also jemand, der ganz fest an Information und Konsultation glaubt und der Bescheid weiß, was funktioniert und was nicht – also ein echter Verfechter dieses Gedankens.

Herr Kommissar, es ist zweifellos reinste Ironie, dass ein solches Thema, bei dem es um den sozialen Dialog und darum geht, dass sich beide Seiten der Wirtschaft zusammensetzen, bereits am ersten Hindernis scheitert, weil sich die ETUC weigert, sich zusammenzusetzen und über die Frage zu diskutieren. Ich kann Sie nur loben, dass Sie versucht haben – und noch immer versuchen, den Dialog in Gang zu bringen. Wenn Sie jedoch sagen, dass Sie, wenn es keinen Dialog gibt, ohnehin Rechtsvorschriften einführen werden, wo ist dann der Anreiz für beide Seiten, sich zusammenzusetzen? Worin besteht die Strafe, wenn eine Seite zur Aussprache nicht bereit ist? Ich schlage vor – und ich sage das schweren Herzens –, dass die Lösung für Sie, Herr Kommissar, zweifellos darin besteht, wenn Sie „Ihre Optionen noch einmal überprüfen“, bei jedem Vorschlag zu berücksichtigen, dass eine Partei bereit ist zu verhandeln und die andere nicht.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass in einer Welt der zunehmenden Globalisierung und angesichts der Notwendigkeit, die Unternehmen umzustrukturieren, um mit der Entwicklung Schritt halten zu können, die Fragen der Information und Konsultation der Arbeitnehmer von maßgeblicher Bedeutung sind. Doch was müssen wir sehen? Der soziale Dialog schlägt fehl, die soziale Partnerschaft zerbricht und die Menschen, die die Führung übernehmen sollten, versagen. Mit ihrer Weigerung zu verhandeln haben die europäischen Gewerkschaften nicht nur selbst versagt, sie haben auch die Arbeitnehmer im Stich gelassen, die sie angeblich vertreten. Wenn dieses Thema letztendlich im Parlament behandelt wird, müssen wir als Mitglieder dafür sorgen, dass wir nicht auch noch scheitern.

 
  
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  Harlem Désir, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Richtlinie über Europäische Betriebsräte spielte zum Zeitpunkt ihrer Annahme im Jahr 1994 eine bahnbrechende Rolle. Wenngleich sie lediglich Mindestanforderungen enthielt, eröffnete sie doch den Weg zum Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den europaweit tätigen Unternehmensgruppen auf Unterrichtung und Anhörung und bildete eine der Grundlagen für ein europäisches Arbeitsrecht. Heute ist sie allerdings hinter den Veränderungen der Realität in den Unternehmen und der zunehmenden Dominanz des Finanzkapitals in der Unternehmensführung und im Übrigen sogar in Bezug auf die anderen Richtlinien über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die seitdem angenommen wurden, zurückgeblieben. Daher ist es dringend notwendig, sie zu überarbeiten und sicherzustellen, dass es durch zeitnahe Informationen und eine entsprechende Qualität der Konsultation in den europäischen Unternehmensgruppen möglich wird, nach Alternativen zu suchen, wenn die Arbeitnehmer mit Entscheidungen über Umstrukturierungen, Standortschließungen und massiven Arbeitsplatzabbau konfrontiert sind.

Wir hatten es in den letzten Jahren allzu oft mit einschneidenden Entscheidungen über Massenentlassungen zu tun, ohne dass die Arbeitnehmer wirklich konsultiert wurden und ihre Vertreter wirklich ein Mitspracherecht hatten. Mitunter erfahren die Arbeitnehmer über den Rundfunk, dass sie entlassen werden sollen. Ihre Vertreter werden erst wenige Minuten, bevor der Beschluss öffentlich gemacht wurde – im Allgemeinen zu den Börsenöffnungszeiten – informiert.

Das alles unterstreicht, wie dringlich eine Überarbeitung ist. Übrigens wurde diese Überarbeitung bereits in der Fassung der ursprünglichen Richtlinie vorgesehen, und im Jahr 2000 sollten die Verfahren dieser Richtlinie aktualisiert werden. Allerdings mühte sich seitdem BUSINESSEUROPE – seinerzeit unter dem Namen UNICE – nach Kräften, diese Überarbeitung zu bremsen und zu verhindern, dass die Konsultation zu einem Ergebnis führte.

Daher, meine Damen und Herren und Herr Bushill-Matthews, kann ich als jemand, der im Jahr 2001 im Europäischen Parlament als Berichterstatter fungierte und der dazu beitrug, mit der überwiegenden Mehrheit unseres Parlaments einen Antrag auf eine ambitionierte Überarbeitung dieser Richtlinie durchzusetzen, wie es auch im Jahr 2007 erneut der Fall war, die Anschuldigungen gegen den Europäischen Gewerkschaftsbund nicht hinnehmen. Er ist guten Willens und bereit zu verhandeln. Und wenn diese Konsultation und die Verhandlungen zu nichts führen, dann ist es Sache der Kommission, von ihrem Initiativrecht Gebrauch zu machen. Die Kommission hat das Monopol des Initiativrechts, das wir respektieren. Aber damit ist auch die Verantwortung verbunden, für das allgemeine europäische Interesse einzutreten, nicht hinzunehmen, dass es privaten Interessen geopfert wird, sicherzustellen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Kontinents sich bei der Verteidigung ihres Rechts auf Konsultation und zeitnahe Information auf die Europäische Kommission verlassen können, damit in den großen europäischen Konzernen ein echter europäischer sozialer Dialog geführt werden kann.

 
  
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  Siiri Oviir, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ET) Meine Damen und Herren! Es ist sehr positiv, dass die Kommission sich Fragestellungen annimmt, die den europäischen Betriebsrat wie auch die Notwendigkeit betreffen, die Beschäftigten in einer Situation zu konsultieren und zu informieren, in der es aufgrund der globalen Bedingungen unabdingbar geworden ist, in gewissem Maße wirtschaftliche Umstrukturierungen vorzunehmen.

Ich schließe mich meinem Vorredner zu meiner Linken an, dass das Recht auf Konsultation von großer Bedeutung ist. Aber nicht nur Konsultation ist wichtig. Ein konstruktiver und positiver Informationsaustausch ist es ebenfalls. Auch auf die Bedeutung des sozialen Dialogs wird hier stets verwiesen.

Aber die Europäische Union von heute besteht nicht mehr nur aus den 15 alten demokratischen Mitgliedstaaten. Inzwischen sind wir 27. In Estland beispielsweise, wo ich herkomme, sind nur 5 % der Beschäftigten in Gewerkschaften organisiert, die ja naturgemäß zu der einen Seite dieses Dialogs gehören. Die Beschäftigten verzichten freiwillig auf die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Dafür haben sie ihre Gründe, und einer ist zweifellos, dass sie nicht daran glauben, dass die Gewerkschaften ihre Interessen wirkungsvoll vertreten können.

Momentan entwirft die Kommission einen Rechtsrahmen und Rechtsvorschriften. Sie sollte dabei bedenken, dass in vielen Ländern die Situation der in Estland ähnelt. Ich möchte dringend dazu auffordern, diesen Aspekt zu berücksichtigen, denn sonst bekommen wir am Ende Gesetze, die in zahlreichen Mitgliedstaaten nicht funktionieren und nicht anwendbar sind.

 
  
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  Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Als Mitglied der Unabhängigen Selbstverwalteten Gewerkschaft „Solidarność“ spreche ich nun auch im Namen meiner Gewerkschaftskollegen. Die Arbeitgeber sperren sich gegen die Aufnahme eines Dialogs, der im Interesse der Gewerkschaftsmitglieder und der Arbeitnehmer liegt.

Die Richtlinie 94/95 ist schon seit langem überholt und wurde nicht mit anderen EU-Richtlinien harmonisiert; das gilt insbesondere für die Richtlinie 2001/86 zur Ergänzung des Status der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer und die Richtlinie 2002/14 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft. Es wird auch nicht richtig festgelegt, welche Rolle den Gewerkschaften bei der Bildung und der Arbeit der Europäischen Betriebsräte zukommen soll. Das Verfahren zur Einsetzung dieser Betriebsräte ist kompliziert, deswegen gibt es nur ein Drittel von denen, die potenziell existieren könnten.

Wegen der fehlenden genauen Definition dessen, was Unterrichtung und Anhörung sind, kommt es zu gravierenden Erschwernissen für die Arbeitnehmer beim Zugang zu Informationen, insbesondere im Zuge einer Privatisierung oder einer Betriebsübernahme. Wir erwarten eine rasche Änderung dieser gesetzlichen Bestimmung.

 
  
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  Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nur begrüßen, Herr Kommissar, dass Sie die europäische Sozialpolitik endlich aus der Warteschleife holen. Es ist nämlich höchste Zeit. Es war doch klar, dass die Verhandlungen zwischen europäischen Gewerkschaften und dem europäischen Verband der Arbeitgeber zum Scheitern verurteilt sind, wenn die eine Seite grundsätzlich eine Revision ablehnt. Die Herauszögerung dieses zentralen Gesetzesvorhabens von Seiten der Kommission hinterlässt bei den Menschen den Eindruck, dass die Kommission nur ein liberales Binnenmarktmodell vorantreibt und nichts für das Modell des sozialen Europas tut.

Es reicht eben nicht, über ein soziales Europa nur zu reden, sondern die Menschen vor Ort wollen Taten sehen. Es ist seit langem klar, dass die Mindestzahl von 1000 Arbeitnehmern viel zu hoch ist, um für das sich ständig ändernde Unternehmensmanagement quer über europäische Grenzen noch überhaupt ausreichend Arbeitnehmer zu vertreten.

Es ist auch klar, dass europäische Betriebsräte ihre Vertretungsaufgabe nicht wirkungsvoll wahrnehmen können, wenn sie zu spät informiert und vor Fusionen und Unternehmensverkäufen bzw. Teilverkäufen nicht konsultiert werden. Wenn die Kommission auf der einen Seite davon überzeugt ist, dass das Flexicurity-Modell aus Dänemark so hervorragend für die europäische Beschäftigungsstrategie geeignet ist, dann muss sie natürlich auch dafür sorgen, dass auf der europäischen Ebene die Voraussetzungen geschaffen werden, die das dänische Arbeitsmarktmodell tragen, nämlich eine wirkungsvolle Vertretung von Arbeitnehmern.

Und dann muss die Kommission die Rechte der Gewerkschaften im Rahmen der revidierten Betriebsräterichtlinie stärken. Ferner sollte die Kommission im Zuge der Transparenzinitiative und des Unternehmenskodex dafür sorgen, dass alle Unternehmen, die unter die Betriebsräterichtlinie fallen, auch europäische Betriebsräte bilden. Ich kann da nur von meinem Land sprechen: Von den in Deutschland ansässigen Unternehmen, die Betriebsräte bilden müssten, haben nur 30 % Betriebsräte gebildet. Es kann nicht sein, dass in der Praxis das Unterlaufen von europäischem Arbeitsrecht keine Konsequenzen nach sich zieht. Da ist die Kommission wirklich gefordert.

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Vor acht Jahren veröffentlichte die Kommission gemäß der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte aus dem Jahr 1994 einen Bericht, in dem sie einräumte, dass mitunter die Anwendung dieses Textes – ich zitiere „anscheinend nur ein sehr geringes Maß an transnationaler Unterrichtung und Anhörung [dieser Betriebsräte] gewährleistet“. Daraus schlussfolgerte sie – ich zitiere weiter, dass sie „zur gegebenen Zeit über eine mögliche Revision der Richtlinie entscheiden wird“. Das war vor acht Jahren. Dann vergingen vier Jahre, ohne dass etwas geschah. 2004 leitete die Kommission schließlich die erste Stufe der Anhörung der Sozialpartner ein. Dann blieben weitere vier Jahre ungenutzt, und das, obwohl der Standpunkt beider Seiten durchaus bekannt war und sich nicht geändert hatte.

Für die Arbeitgeberverbände ist jede Revision der Richtlinie – ich zitiere „unnütz“, während sie für die Gewerkschaften – und auch sie zitiere ich „existenziell wichtig“ ist. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Kommission selbst einräumte, dass 2006 lediglich ein Drittel der Unternehmen einen solchen Betriebsrat gegründet hatte, dass 20 % der bestehenden Europäischen Betriebsräte erst nach der öffentlichen Ankündigung der Beschlüsse der Betriebsleitung konsultiert wurden und dass 30 % überhaupt nicht konsultiert wurden. Im gleichen Zeitraum explodierte die Zahl der Fusionen, Umstrukturierungen und Standortverlagerungen.

Inzwischen wachen wir nun endlich aus diesem durch nichts zu rechtfertigenden Winterschlaf auf. Entsprechende Vorschläge liegen auf dem Tisch. Zwar sind sie derart lasch, dass die gegen die Revision eingestellte Vereinigung BusinessEurope sich darüber freute, dass sie, wie sie sagten‚ weniger den Charakter von Vorschriften als den von Anregungen hätten, aber zumindest kann die Diskussion eröffnet werden. Nun ist das Parlament am Zuge, das ja nicht bei Null anfängt. Ich möchte daran erinnern, dass im Jahr 2001 unser damaliger EVP-Kollege, Herr Menrad, die Annahme eines Berichts zu diesem Thema herbeiführte. Dieser enthielt unter anderem Forderungen nach Verschärfung der Richtlinie, der Festlegung – ich zitiere „entsprechender Sanktionen….bei Nichteinhaltung der Richtlinie“, d. h. eindeutiger und harter Sanktionen, sowie des Rechts, die Entscheidung der Betriebsleitung auf Antrag der Arbeitnehmervertreter aufzuheben, bzw. nach einer „gewichtigeren Rolle der Gewerkschaften“.

Unsere Fraktion wird sich dafür aussprechen, diese Vorschläge aus dem damaligen Bericht der EVP wieder aufzugreifen, der 2001 mehrheitlich angenommen worden war, und schlägt vor, sie vor allem in zwei Punkten zu präzisieren: Erstens sollen die Europäischen Betriebsräte Zugang zu strategischen Informationen des Konzerns erhalten, damit die Konsultationen nicht nur eine Formalität sind, und sie sollen vor allem über ein Recht der Aufhebung jedweder Umstrukturierungspläne verfügen, und zwar nicht einfach, um den Termin zu verschieben, sondern um ein Gegengutachten erstellen zu können, Gegenvorschläge vorzulegen und an echten Verhandlungen teilzunehmen. Wir haben nur wenig Zeit zur Verfügung, denn die Wahlperiode neigt sich ihrem Ende zu. Meiner Meinung nach ist nun die Stunde der Wahrheit gekommen.

 
  
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  Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE).(NL) Ich wähle einen etwas anderen Ansatz, als mein Kollege Herr Bushill-Matthews es soeben getan hat. Ich schließe mich ihm zwar in einigen Punkten an, beispielsweise dass durch Fusionen, Unternehmensverlagerungen, Umstrukturierungen – und das alles über die Landesgrenzen hinweg – in einer sich zunehmend globalisierenden Welt immer mehr Bedarf an besserer Information und Konsultation besteht.

Es gibt derzeit gut 800 bis 820 Europäische Betriebsräte, die ungefähr 145 Millionen Arbeitnehmer vertreten. Ich denke, dass in einer sozial orientierten Marktwirtschaft die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen, die auch für Ruhe und Stabilität auf diesem Arbeitsmarkt sorgen können, so gut wie möglich funktionieren können muss.

Herr Präsident, aus diesem Grund bedeutet mir der Europäische Betriebsrat so viel. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben jedoch noch keine Einigung erzielt, und ich appelliere an die Arbeitnehmer, ihre Bemühungen, eine solche Einigung herbeizuführen, fortzusetzen. Wenn sie an den Verhandlungstisch zurückkehren sollen, muss jedoch auch von Arbeitgeberseite ein Angebot vorliegen, auf das die Verhandlungen gestützt werden können.

Ich schließe mich dem, wofür wir 2001 im Rahmen des Berichts meines Kollegen Herrn Menrad gestimmt haben, uneingeschränkt an. Was haben wir damals gesagt? Wir haben gesagt, dass neue Rechtsvorschriften eingeführt werden sollten, um die rechtzeitigere, frühere Bereitstellung von Informationen zu gewährleisten und die Konsultation zu verbessern, die Grenze für die Zahl der Arbeitnehmer für einen Europäischen Betriebsrat zu senken, mehr, andere und besser funktionierende Sanktionen einzuführen, falls das Gesetz nicht ordnungsgemäß funktioniert, und die Umstände, unter denen dieser Europäische Betriebsrat funktionieren muss, zu verbessern.

Herr Präsident, ich fordere jeden auf, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Sollte dies nicht geschehen, dann obliegt es Ihnen, Kommissar Špidla, dafür zu sorgen, dass dieser neue Text dieses Jahr eingereicht wird. Vielen Dank.

 
  
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  Der Präsident. − Wir haben ein Zeitproblem. Der Rat soll in der anschließenden Aussprache Rede und Antwort stehen, kann aber nur bis zu einer bestimmten Zeit anwesend sein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten daher um Nachsicht, denn ich muss sehr streng auf die Einhaltung der Redezeit achten.

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Herr Präsident! Alle scheinen sich einig zu sein, dass dies eine wichtige Richtlinie ist. Es ist von großer Bedeutung, nicht zuletzt in Zeiten zunehmender Umstrukturierungen, dass Unterrichtung und Anhörung funktionieren. Ich teile ebenfalls die Analyse der Kommission und die Einschätzung von Kommissar Špidla, dass diese Richtlinie gegenwärtig keine ausreichende Wirkung zeigt. Es sind Verbesserungen erforderlich. Wir wissen, dass es erhebliche Umstrukturierungen gegeben hat, ohne dass überhaupt eine Unterrichtung oder Anhörung der Arbeitnehmer stattgefunden hätte.

Ferner schließe ich mich auch der Ansicht an, dass es richtig war, diese Frage den Sozialpartnern zu überlassen. Angesichts der gegenwärtigen Lage muss das jedoch gegen die Möglichkeit abgewogen werden, in dieser Wahlperiode überhaupt noch eine Richtlinie zu beschließen. Wenn bei einer Verhandlung die eine Partei die Verhandlungen dazu nutzt, um den Prozess in die Länge zu ziehen und es auch nach neun Monaten noch keinerlei Einigung gibt, wird es keine Richtlinie geben und damit auch keine Veränderung. Es besteht durchaus die Gefahr, dass dies hier der Fall sein wird. Das ist der Grund dafür, warum eine Partei sich aus den Verhandlungen zurückgezogen hat, denn es besteht, wie Sie sehen, eindeutig die Gefahr einer Verschleppung.

So sieht die Lage derzeit aus. Damit ist es Aufgabe der Kommission zu handeln. Wir befinden uns in dieser Situation, weil die Verhandlungen keinen Erfolg hatten. Nun muss die Kommission auf der Grundlage der von Herrn Špidla genannten Prinzipien sowie der von ihm durchgeführten Analyse einen Vorschlag vorlegen. Dann versprechen wir als Parlament, wie wir bereits auf der Sitzung der Koordinatoren im Ausschuss für Beschäftigung besprochen haben, dass wir unser Bestes tun werden, damit noch in dieser Wahlperiode eine Richtlinie zustande kommt. Das ist im Moment das Wichtigste. Die Kommission muss jetzt handeln.

 
  
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  José Albino Silva Peneda (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Kommission zu der Arbeit gratulieren, die sie gemeinsam mit den Sozialpartnern bei der Revision der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat geleistet hat. In meinen Augen hat jedoch die Kluft zwischen dem europäischen Diskurs und den konkreten Realitäten des Alltags der Bürger dazu beigetragen, dass das Vertrauen zwischen Unternehmensführung und Beschäftigten immer mehr schwindet.

Deshalb muss das Vertrauen zwischen beiden Seiten unbedingt gestärkt werden, damit die Europäische Union wettbewerbsfähiger und solidarischer wird. Das Vertrauen wird umso größer sein, je intensiver der soziale Dialog geführt wird, und je intensiver der soziale Dialog ist, desto transparenter werden die Entscheidungen im Zusammenhang mit Anpassungs- und Umstrukturierungsprozessen sein.

Durch Verbesserung des Informationsflusses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern tragen wir zum besseren Verständnis der Auswirkungen internationaler Phänomene und dazu bei, dass beide Seiten übereinkommen, nach Lösungen für Umstrukturierungsprozesse zu suchen. Deshalb müssen wir die mit der Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmerseite verbundenen gesetzlichen Mechanismen überprüfen und modernisieren, damit wir einen Rechtsrahmen schaffen können, der dem sozialen Dialog förderlich ist.

Ich fordere deshalb den Europäischen Gewerkschaftsbund auf, seine Position zu überdenken und sich an den Verhandlungstisch zu setzen, um mit den Vertretern der Arbeitgeberseite diesen Richtlinienvorschlag zu prüfen. Ich fände es zwar schade, wenn sich das als unmöglich erweisen sollte, muss aber auch sagen, dass sich die Kommission ihrer Verantwortung stellen muss und dass es gut wäre, wenn die Revision dieser Richtlinie noch während der Amtszeit dieses Parlaments und dieser Kommission abgeschlossen werden könnte.

 
  
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  Harald Ettl (PSE). – Herr Präsident! Die Botschaft der Kommission als Kollektiv an Europas Sozialpartner „Versucht es noch einmal miteinander!“ zeugt von einer gewissen Ignoranz bezüglich der politischen Realität. Es gibt keine Verhandlungsbereitschaft von Seiten der Industrie. Außerdem wird nicht gesehen, warum der Mechanismus der Sozialpartner so schlecht funktioniert.

In einer sich rasant verändernden industriellen Welt, in der rasche Anpassung erforderlich ist, sind Entscheidungsgrundlagen, die auf Einstimmigkeit beruhen, wie das bei BUSINESSEUROPE der Fall ist, unbrauchbar. Beim ITUC wird immerhin mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt. Das ermöglicht immerhin Bewegung und Veränderung. Genau dieser Entscheidungsmechanismus der Sozialpartner war der Grund dafür, dass 1994 Politiker wie Helmut Kohl und das Europäische Parlament gehandelt und die Richtlinie für den Europäischen Betriebsrat durchgesetzt haben. Aber schon damals hatte man für die Zeit nach fünf Jahren eine Revision und weitere Adaptierung der Praxis vorgesehen. Heute haben wir 2008, und die Kommission will wiederum die Verhandlungsprozedur auslösen, die über diese Legislaturperiode zwangsläufig hinausgehen wird, und das bei einer Verhandlungsbereitschaft der Industrie, die auch heute noch wegen ihres internen Entscheidungsmechanismus nicht wirklich vorhanden oder blockiert ist.

Zu Ihrer Information noch einmal: Dieselbe Situation hatten wir schon 1994. Also wollen wir das so notwendige Instrument des Europäischen Betriebsrats verbessern, wie es auch Kommissionspräsident Barroso hier im Plenum erklärt hat, oder wollen wir nur so tun, als ob wir ohnehin eine Revision gewollt hätten und letzten Endes an den Umständen gescheitert sind, wie in vielen anderen Sozialfragen ebenfalls?

So wird unser Engagement nicht für eine bessere Lösung ausreichen und unsere Bilanz dieser Legislaturperiode in sozialen Fragen und Fragen der ArbeitnehmerInnen noch schlechter aussehen. Das kann es doch nicht sein!

 
  
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  Alejandro Cercas (PSE).(ES) Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kommissar. Wenn ich Sie richtig verstanden habe – und ich hoffe, Sie richtig verstanden und nicht meine Wünsche mit der Realität verwechselt zu haben –, glaube ich, dass Sie diese Schlacht schlagen wollen, dass Sie auf Ihr Initiativrecht nicht verzichten werden, dass Sie sich bemühen werden, vor dem Abschluss der Arbeit dieses Parlaments und dieser Kommission endlich eine umgestaltete Betriebsratsrichtlinie zu haben, auf die wir seit acht Jahren warten. Natürlich war die Richtlinie seinerzeit sehr positiv, doch jetzt ist sie weitgehend von den Ereignissen überholt worden.

In diesem Fall, Herr Kommissar, erhalten Sie unsere, meine volle Unterstützung, denn ich glaube, dass Sie das Recht und die Pflicht haben, diese Initiative der Kommission zu verfechten, wenn eine der Seiten die Revision dieser Richtlinie nicht will, obwohl ihre Notwendigkeit auf der Hand liegt. Es muss sein, weil das allgemeine Interesse auf dem Spiel steht. Die Arbeitnehmer Europas sind sehr verärgert, und das mit Grund.

Herr Kommissar, heute Vormittag habe ich eine Arbeitnehmerdelegation aus einer Fabrik in Valladolid – Smurfit Kappa –, empfangen, die im nächsten Monat geschlossen werden soll. Sie erfuhren das aus den Zeitungen und wissen nicht, warum sie geschlossen wird, denn das Unternehmen ist rentabel. Sie wissen nicht einmal, wer ihre Arbeitgeber sind, weil das Unternehmen Teil eines Konglomerats von Gesellschaften ist und niemand mehr weiß, wer die Anteilseigner sind.

Herr Kommissar, die Arbeitnehmer fordern Sicherheit, und Europa muss sie ihnen bieten; Europa muss ihnen Klarheit und das Recht geben, informiert zu sein und konsultiert zu werden. Es kann keine Umstrukturierung ohne sozialen Dialog geben. Der soziale Dialog ist auf jeden Fall wichtig und die Schwierigkeiten müssen überwunden werden.

Ich weiß, dass es für Sie nicht leicht ist. Es wird nicht einfach sein im Kollegium der Kommissionsmitglieder oder im Rat. Doch wenn Sie diesen Weg gehen, Herr Kommissar, haben Sie unsere vorbehaltlose Unterstützung; bisweilen werden nicht alle Schlachten gewonnen, doch alle wichtigen müssen geschlagen werden, und diese hier ist wichtig.

 
  
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  Karin Jöns (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Für diese Kommission scheint das soziale Europa wieder einmal nicht mehr als ein Lippenbekenntnis zu sein. Dass wir noch immer keinen Vorschlag für die Reform der Betriebsräte haben, fällt in ihre Verantwortung. Denn es ist die Kommission und niemand sonst, die die Erklärung des ETUC, nicht in Scheinverhandlungen mit Business Europe treten zu wollen, mit Füßen tritt. Sie stellen hier völlig neue Spielregeln auf. Artikel 138 des Vertrags sieht nämlich keine dritte Phase der Anhörung vor. So etwas gab es noch nie. Die Taktik der Kommission ist offensichtlich: Hier wird auf Zeit gespielt.

Macht die Kommission hier wirklich wieder einen Kniefall vor den Arbeitgebern? Im Prinzip ist eine substanzielle Reform der Betriebsräte wohl gar nicht gewollt, schon gar nicht bis zur nächsten Europawahl. Darf ich Sie daran erinnern, dass Jacques Delors uns seinerzeit bereits zwei Wochen nach der Verhandlungsverweigerung der Arbeitgeber einen Vorschlag präsentierte. Das hätten Sie als Kommission auch gekonnt. Ende Juni ist viel zu spät, ganz zu schweigen davon, dass unter einer „proposition équilibrée“ etwas anderes zu verstehen ist.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Špidla für seine Erklärung und die Tatsache danken, dass er beabsichtigt, die Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat zu reformieren. Aber wir brauchen Fristen und es muss dringend etwas unternommen werden, wenn es uns gelingen soll, den Bürgern Europas, den arbeitenden Menschen Europas zu versichern, dass Europa mehr als ein Binnenmarkt ist.

Ich möchte sagen, dass es den Vertretern der PPE an Logik mangelt, die die ETUC beschuldigen, den Verhandlungen aus dem Weg zu gehen. Die ETUC, die Gewerkschaften und Arbeitnehmer sind diejenigen, die von einer ernsthaften Revision der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat profitieren würden. Das ist völliger Unsinn. Wenn sie der Meinung wären, es gebe eine Möglichkeit, bei Verhandlungen Fortschritte zu erzielen, dann würden sie sich an den Verhandlungstisch setzen. Aber sie sind nicht bereit, neun Monate das Affentheater von Verhandlungen mitzumachen, nur um dann zu erleben, dass sich die Arbeitgeber zurückziehen.

Deshalb halte ich es für unbedingt erforderlich, dass die Kommission hier unverzüglich einen Vorschlag auf den Tisch legt.

 
  
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  Pier Antonio Panzeri (PSE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, sogar Sie, Herr Kommissar, erkennen, dass ein objektiver Widerspruch zwischen der Aussage, die Revision der Richtlinie gehöre zu den Prioritäten der Kommission, und der anschließend ausbleibenden Umsetzung dieses Vorhabens besteht. Sie brauchen mehr Mut und Entschlossenheit und dürfen sich nicht von Verhandlungen beeinflussen lassen, die im Sande verlaufen – was übrigens nicht an der ETUC liegt, sondern an Leuten, die vordergründig Gesprächsbereitschaft bekunden, letztlich aber nur Zeit verschwenden!

Aus zwei Gründen sollten Sie mehr Verantwortung übernehmen: Erstens geht es um die Vorgehensweise. Wir können hier nicht aufhören, und die Kommission muss ihre Entscheidungsbefugnisse wahrnehmen. Der zweite Grund ist politischer Art: Bekanntlich verhindert das geltende Recht, dass die Verwaltungsorgane tätig werden können. Eine Revision der Richtlinie ist nicht nur erforderlich, um die ursprünglichen Ziele erreichen zu können, sondern auch, um uns besser für die Herausforderungen von heute zu wappnen.

Daher appelliere ich an Sie, Herr Kommissar, ein deutliches Zeichen zu setzen und zu beweisen, dass Sie den Mut haben, Entscheidungen zu treffen!

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE).(PL) Frau Präsidentin! Die Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats stammt aus dem Jahr 1994. Seither sind in der globalisierten Wirtschaft neue Herausforderungen erwachsen, und der EU sind neue Mitgliedstaaten beigetreten, darunter mein Heimatland, Polen. Deswegen muss diese Richtlinie unbedingt geändert werden. Änderungsbedarf ergibt sich auch zwangsläufig durch den Vertrag von Lissabon, in dem der soziale Dialog einen sehr hohen Stellenwert hat. Diese Richtlinie muss geändert werden, denn das fordert auch die Charta der Grundrechte, in deren Artikel 27 es eindeutig heißt: „Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss eine (...) Unterrichtung und Anhörung (...) gewährleistet sein (...).“

Mit dieser neuen Richtlinie sollten außerdem die bestehenden Verfahren verbessert und neue, dringend notwendige Mechanismen eingeführt werden – Mechanismen, mit denen sich der Druck nehmen lässt, der durch Änderungen in der Organisation wie Unternehmensteilungen oder -zusammenschlüsse, Massenentlassungen und vor allem durch Verlagerung von Unternehmen und Betriebsstätten innerhalb der EU entsteht.

Ich bin sicher, dass die vorherige Information über so unpopuläre Maßnahmen hilft, den Druck auf dem Arbeitsmarkt zu lindern und die europäische Gewerkschaftsbewegung zu vereinen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident! Diese Umstrukturierungsprozesse, Fusionen, teilweisen oder vollständigen Verlagerungen multinationaler Unternehmen vollziehen sich in verschiedenen EU-Ländern, darunter auch in meinem Heimatland Portugal, wobei Arbeitnehmerrechte in keiner Weise respektiert und Gespräche mit den Gewerkschaften gar nicht erst geführt werden – wie bereits häufig hier bemängelt –; es erfolgt nicht einmal eine direkte Unterrichtung.

Die Revision dieser Richtlinie ist längst überfällig und unerlässlich für einen verbesserten Schutz der Arbeitnehmerrechte. Es darf aber keine Revision sein, die nur die Unterrichtung garantiert, sondern sie muss auch die Mitwirkung der Beschäftigten, ihrer Vertreter und der Gewerkschaften an diesem gesamten Prozess sicherstellen und garantieren, dass sie das Recht haben, zu demonstrieren oder sich gegebenenfalls dagegen auszusprechen, was selbstverständlich das Vetorecht in Bezug auf Umstrukturierungen oder Verlagerungen einschließt, bei denen Arbeitnehmerrechte, Rechte der Regionen und Rechte der Länder missachtet werden. Das hätte schon vor langer Zeit erledigt werden müssen, und deshalb, Herr Kommissar, dürfen wir nicht noch mehr Zeit verlieren.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Meine Damen und Herren! Leider bleibt mir nicht genügend Zeit für eine ausführliche Antwort. Dennoch möchte ich auf einige der wichtigsten Aspekte kurz eingehen. Der Erste betrifft die Position der Sozialpartner. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Sozialpartner in der bestmöglichen Ausgangsposition befinden, um direkt an einer solchen Änderung mitzuwirken. Andererseits verfügt die Kommission über ein eigenes verbrieftes Initiativrecht, und natürlich wurde der Vorschlag für eine Richtlinie nicht leichtfertig unterbreitet. Er beruhte vielmehr auf der Auswertung der aktuellen Situation und auf den bisher gemachten Erfahrungen. Die Kommission lässt sich daher auch vom Verhalten der Sozialpartner nicht irritieren. Dennoch bin ich der Ansicht, dass es richtig ist und war, die Sozialpartner noch ein letztes Mal zur Mitarbeit aufzufordern.

Während der Aussprache ist angeklungen, dass einige Sozialpartner sich anscheinend durch den Vorschlag gemaßregelt fühlen. Dazu möchte ich anmerken, dass wir in einem System der Rechtsstaatlichkeit leben und dass jemand, der sein Recht geltend macht, dafür nicht bestraft werden kann. Das heißt: Wenn ein Sozialpartner von seinem Recht Gebrauch macht, bestimmten Verhandlungen fernzubleiben, dann sollte dies den Fortgang dieser Verhandlungen nicht beeinträchtigen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es in der Vergangenheit die Arbeitgeber waren, die Verhandlungen abgebrochen haben und nicht verhandeln wollten. Von diesem Standpunkt aus betrachtet genießen die Sozialpartner bestimmte Rechte und können diese auch wahrnehmen, aber das hat dann natürlich wiederum Konsequenzen, über die man sich im Klaren sein muss. Die Folgen sind zu bedenken, aber für die Verhandlungen über diesen Entwurf kann in dieser Hinsicht kein Werturteil gefällt werden.

Das Ziel der Kommission ist es, die Betriebsratsrichtlinie zu verbessern, und zwar in dieser Legislaturperiode, und alle anderen Termine hängen natürlich davon ab. Wir wollen die Richtlinie effektiver machen. Trotz der Kritik am Begriff der Ausgewogenheit bin ich überzeugt, dass ein ausgewogenes Konzept eine Grundvoraussetzung für eine so komplexe Richtlinie ist.

Ich konnte den Enthusiasmus aller Fraktionen hier im Parlament beobachten und dabei die Komplexität der Richtlinie und ihrer Auswirkungen hervorheben, wenn auch nur in dieser begrenzten Form. Deshalb freue ich mich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Parlament, dem Europäischen Rat und den Sozialpartnern bei den Vorbereitungen zur Verbesserung dieser Richtlinie.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. (EN) Bei der Überarbeitung der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat muss die Kommission voll und ganz den Schutz der Rechte der Arbeitnehmer im Auge behalten.

Die Beschäftigen müssen vollen Zugang zu Informationen über Umstrukturierungsprozesse sowie die Möglichkeit haben, im Verlauf eines solchen Prozesses entscheidend eingreifen zu können. Nur allzu oft erfahren die Arbeitnehmer von Umstrukturierungsplänen, die erhebliche Einschnitte bei Arbeitsplätzen oder schlechtere Bezahlung und Arbeitsbedingungen mit sich bringen, erst dann, wenn die Entscheidungen bereits gefallen sind. Die Arbeitnehmer müssen das Recht haben, in alle Phasen der Umstrukturierungsprozesse einbezogen zu werden, und die Möglichkeit haben, auf diese Einfluss zu nehmen, so dass Arbeitsplätze und Beschäftigungsbedingungen geschützt werden.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Während der Aussprache zum Europäischen Betriebsrat wurden mehrere Vorschläge auf den Verhandlungstisch gelegt, die in die richtige Richtung zielen: Vertiefung des Grundgedankens der Mitwirkung, Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen den verschiedenen Beteiligten. Zugleich wird aber auch durchgängig eine wirtschaftsfeindliche Sichtweise vertreten, die – obzwar gut gemeint – häufig zu Vorschlägen führt, die weder den wirtschaftlichen Erfolg fördern noch Arbeitsplätze sichern. Das trifft auf die Maßnahmen zu, die darauf abstellen, Arbeitsplätze selbst dann zu erhalten, wenn die Unternehmen oder der betreffende Industriesektor nicht zukunftsfähig sind. Selbstverständlich würde niemand daran denken, die Nutzung von Digitalkameras zu verbieten oder eine Sozialabgabe auf deren Preis aufzuschlagen. Die weit verbreitete Nutzung von Digitalkameras war jedoch die unmittelbare Ursache für den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen in der Industrie, die Filme für „altmodische“ Fotoapparate produzierten.

Die umfassende Mitwirkung der Arbeitnehmer muss auf dem Grundgedanken der Beschäftigungsfähigkeit, des Schutzes der Menschen und der Überwindung von Wirtschaftskrisen basieren und nicht auf einer Vision, die die ökonomische Realität lediglich als kleines Detail betrachtet. Technologische Entwicklungen und die Öffnung der Märkte müssen als Chance gesehen werden, und in diese Richtung muss der Wirtschaftsdialog gelenkt werden.

 
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