Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Anne Van Lancker im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (KOM(2007)0803 TEIL V – C6-0031/2008 – 2007/0300(CNS)) (A6-0172/2008).
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Strategiebericht der Kommission vom Dezember 2007 hat ein äußerst positives Signal gesendet und wurde vom Europäischen Rat auf seiner Märztagung 2008 befürwortet. Bereits jetzt zum Ende des Dreijahreszyklus sind die Ergebnisse der 2005 erneuerten Lissabon-Strategie erkennbar. Wirtschaft und Beschäftigung sind weiter auf Wachstumskurs. Vieles deutet darauf hin, dass die Strukturreformen nun langsam Früchte tragen.
Zwar sind seit 2005 alle Mitgliedstaaten dabei, Reformen durchzuführen, doch dies mit unterschiedlichem Erfolg. Eine gewisse „Reformmüdigkeit“ war in den letzten zwölf Monaten zu beobachten. Europa darf jedoch in seinem Eifer nicht nachlassen. Im Gegenteil, Reformen müssen weiterhin umgesetzt werden, möglichst mit noch größerem Schwung.
Dies ist der Grundgedanke des Vorschlags der Kommission, die wichtigsten integrierten Leitlinien, darunter die zentralen beschäftigungspolitischen Leitlinien, bis zum Jahr 2010 in ihrer bestehenden Form beizubehalten. Die Kommission ist davon überzeugt, dass diese Leitlinien einen angemessenen Rahmen für die gegenwärtigen Anforderungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt darstellen und ihren Zweck erfüllen werden. Der Europäische Rat befürwortete dieses Vorgehen auf seiner Frühjahrstagung, indem er sich für eine allgemeine Ausrichtung auf der Basis der Stabilität entschied. Den Mitgliedstaaten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre bereits begonnenen Reformen vollständig umzusetzen. Auch sollte ein zeitlicher Rahmen vorgegeben werden, innerhalb dessen die Reformen Ergebnisse zeitigen müssten.
Die Kommission erachtete es darüber hinaus als notwendig, Änderungen vorzuschlagen, insbesondere mit Blick auf die in nächster Zukunft zu bewältigenden Aufgaben wie Klimawandel, Energiefragen, soziale Dimension und Flexicurity. Zudem wollte sie, dass größeres Augenmerk auf die soziale Teilhabe und eine strengere Umsetzung gelegt wird. Daraufhin fanden die vereinbarten Ziele und Richtwerte Eingang in den Text der zentralen Leitlinien.
Anne Van Lancker, Berichterstatterin. − (NL) Gestatten Sie mir zunächst vor allem jenen Kolleginnen und Kollegen für die hervorragende Zusammenarbeit zu danken, mit denen ich den Bericht gemeinsam ausarbeiten durfte. Nach meinem Dafürhalten wurden in dem Bericht doch etwas zu viele Änderungen an Einzelaspekten vorgenommen, aber dennoch muss die Botschaft, Herr Kommissar, klar sein: Das Europäische Parlament lehnt Dienst nach Vorschrift bei der Beschäftigungsstrategie ab.
Zweifellos muss in den Mitgliedstaaten noch viel getan werden, um die Leitlinien in der Praxis umzusetzen, aber sie müssen auch entsprechend angepasst werden, um eine Reihe grundlegender Mängel zu beseitigen. Ich möchte drei wesentliche Defizite benennen: Erstens muss die soziale Dimension der Beschäftigungsstrategie deutlich gestärkt werden. Die Zahl der Gruppen in der Gesellschaft, die nicht an Wachstum und Beschäftigung teilhaben, ist noch immer zu hoch. Menschen mit Behinderungen, Migranten und Geringqualifizierte werden noch viel zu häufig ihrem Schicksal überlassen, obwohl wir jeden Menschen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Aus diesem Grund muss im Rahmen der Beschäftigungsstrategie auch die aktive soziale Eingliederung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gefördert werden, indem ein angemessenes Einkommen und hochwertige soziale Dienstleistungen zusammen mit einer aktiven Politik der Unterstützung bei der Arbeitssuche und der Ausbildung gewährleistet werden.
Zweitens: die Qualität der Arbeit. Fraglos sind mehr Jobs geschaffen worden, aber dabei handelt es sich nicht immer um bessere Arbeitsplätze. Zu viele Menschen haben noch immer ungewollt prekäre oder befristete Arbeitsverträge, arbeiten unfreiwillig Teilzeit oder üben eine Beschäftigung aus, die ihnen oft nur ein unzureichendes Einkommen garantiert. Darum muss mehr Nachdruck auf die Qualität von Arbeitsplätzen, auf Möglichkeiten für die Erlangung von Festanstellungen mit einem soliden Einkommen gelegt werden. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen müssen beträchtlich erhöht werden. Darüber hinaus müssen alle Arbeitnehmer ungeachtet ihres Beschäftigungsstatus soziale Rechte erhalten. Es besteht nicht nur Bedarf an Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch an mehr Sicherheit für Arbeitnehmer.
Drittens: die Frage der Gleichstellung der Geschlechter. Frauen haben zwar auf dem Arbeitsmarkt deutlich aufgeholt, aber dennoch kann keine Rede von Chancengleichheit sein. Die Lohnkluft bleibt unannehmbar tief. Frauen haben weder den gleichen Zugang zu Aus- und Weiterbildung noch die gleichen Chancen, ein Unternehmen aufzubauen. Wer nach einer Karrierepause wieder einsteigen will, hat es besonders schwer. Möglichkeiten zu finden, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist weiterhin häufig ausschließlich ein Problem von Frauen. In vielen Fällen bekommen sie die einkommenstechnischen Folgen bei der Rente zu spüren. Daher muss der Gleichstellung der Geschlechter im Rahmen der Beschäftigungsstrategie besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um alle Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu beseitigen.
Abschließend, Herr Kommissar, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, steht und fällt die Beschäftigungsstrategie als Methode mit dem Engagement der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union für eine solide Sozialgesetzgebung. Daher hoffe ich, dass alle EU-Mitglieder die europäische Gesetzgebung konsequent umsetzen und anwenden. Darüber hinaus wird uns die Kommission in Kürze – in wenigen Monaten, vielleicht sogar in einigen Wochen, Herr Kommissar – hoffentlich eine ehrgeizige Sozialagenda vorlegen.
Es ist meine Hoffnung, dass die Tagung des Rates im Juni sowie der Kommissar und die Kommission ein Ohr für unsere Botschaft haben. Übrigens bedauere ich, Herr Präsident, dass kein einziger Vertreter des Ratsvorsitzes anwesend ist, denn eigentlich ist diese Botschaft vor allem an die Ratstagung im Juni gerichtet, auf der endgültige Entscheidungen über die Beschäftigungsstrategie getroffen werden müssen. Hoffentlich überbringt ihnen bis dahin jemand die Botschaft des Parlaments.
Elisabeth Morin, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Frau Berichterstatterin! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Anne Van Lancker, und den Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion meinen Dank aussprechen für das hohe Niveau der gegenseitigen Abstimmung zwischen uns allen bei der Erarbeitung dieses Textes, der unsere gemeinsamen Überzeugungen und unsere Wünsche zur weiteren Entwicklung der beschäftigungspolitischen Leitlinien zusammenfasst.
Das Beschäftigungswachstum in Europa gemäß der Lissabonner Strategie muss jetzt unter Berücksichtigung der drei jüngsten bzw. gegenwärtigen Haupttendenzen fortgesetzt werden. Dazu gehören die Globalisierung der Wirtschaft, die Europa dazu zwingt, auf wirtschaftlicher Ebene und bei der Entwicklung der Beschäftigung offensiv vorzugehen, der Flexicurity-Ansatz, der für die Weiterentwicklung unserer Unternehmen und damit der Beschäftigung absolut notwendig ist, und natürlich die Schaffung eines sozialen Europas.
Dazu haben wir in diese Aktualisierung der beschäftigungspolitischen Leitlinien drei Schwerpunkte aufgenommen.
Erstens sind Maßnahmen gegen das Verlassen des Ausbildungssystems ohne Qualifikation erforderlich. Wer die Ausbildung ohne Qualifikation abbricht, ist nicht für die Integration in den Arbeitsmarkt gerüstet und hat damit auch nicht die Voraussetzungen für die gesellschaftliche Integration. Dies ist unsere erste Pflicht, die unseren vollen Einsatz erfordert.
Der zweite Punkt, dem wir uns mit aller Kraft widmen müssen, besteht in der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des lebenslangen Lernens, denn nur dies gewährleistet die ständige Beschäftigungsfähigkeit und die Mobilität der Arbeitnehmer.
Der dritte Punkt betrifft die Validierung der im Laufe der Berufspraxis erworbenen Qualifikationen, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, wirkliche Fortschritte in ihrer beruflichen Laufbahn zu machen, und den Unternehmen, sich den neuen Anforderungen effektiv zu stellen.
Zu all diesen Punkten haben wir Einigkeit erreicht, und ich danke den Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion für ihre Unterstützung bei der heutigen Abstimmung.
Jan Andersson, im Namen der PSE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Als Anne Van Lancker mit der Arbeit an der Stellungnahme des Europäischen Parlaments begann, wollte Sie sich auf einige wenige wichtige Punkte konzentrieren, da wir wussten, dass sowohl die Kommission als auch der Rat vorschlagen würden, die Leitlinien überhaupt nicht zu verändern. Unsere Taktik bestand darin, uns auf einige wenige Punkte zu beschränken, in der Hoffnung, dass zumindest in einigen Fragen auf uns gehört werden würde.
Es ist jedoch anders gekommen. Auch wenn die Herangehensweise im Grunde die gleiche ist, haben wir jetzt massenhaft Änderungsanträge und nicht nur einige wenige. Ich glaube, es wäre besser gewesen, sich auf das zu konzentrieren, was Frau Van Lancker gesagt hat – dass wir die soziale Dimension deutlich stärken, eine Politik für alle außerhalb des Arbeitsmarkts Stehenden, die nicht am Wohlstand teilhaben. Trotz einer positiven Beschäftigungsentwicklung müssen wir feststellen, dass sehr viele neue Beschäftigungsverhältnisse unsicher sind und nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts ausreichen. Arbeit bringt keine Sicherheit. Auch unsere Diskussion über Flexicurity sollte sich deutlicher in den Leitlinien widerspiegeln, da diese bereits seit mehreren Jahren geführt wird. Das Gleiche gilt für Gleichstellungsfragen.
Dass der Rat nicht anwesend ist, hat meines Erachtens seinen Grund darin, dass er leider überhaupt nicht auf das Parlament hören, sondern genau das tun wird, was er zuvor beschlossen hat. Ich glaube, dass wir im Europäischen Parlament bei der nächsten Dreijahresübersicht ernsthaft eine Änderung unserer Taktik und unserer Arbeitsweise erwägen sollten, damit das Parlament tatsächlich Einfluss auf die zukünftige Ausgestaltung der Leitlinien nimmt.
Ona Juknevičienė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Ich möchte der Berichterstatterin Frau Van Lancker für die Ausarbeitung dieses bedeutsamen Berichts meine Anerkennung aussprechen. Zudem möchte ich ihr für die hilfreiche Zusammenarbeit und ihr Verständnis gegenüber den vorgebrachten Änderungswünschen danken. In meinen Augen ist das Dokument ausgewogen, und es wird hoffentlich morgen die Unterstützung der Mehrheit finden.
Ich würde gern Ihre Aufmerksamkeit auf die Mitteilung der Kommission an den Rat lenken, die einen ausgesprochen begrüßenswerten Vorschlag enthält. Dabei geht es um Impulse für die Marktentwicklung und die Anhebung des Beschäftigungsniveaus.
Der Vorschlag betrifft die Wissensfreiheit, die als fünfte Freiheit zu den bereits existierenden vier Grundfreiheiten hinzukommen soll, d. h. zum freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr. Die fünfte Freiheit dürfte den Übergang der EU zu einer modernen, innovativen Wissensgesellschaft beschleunigen, was wiederum das Wissensdreieck Forschung, Bildung und Innovation innerhalb der EU stärken würde.
Die von der Kommission vorgelegte Initiative ist zweifellos gut. Doch würde niemand die Bedeutung der vier ursprünglichen Freiheiten für den Beschäftigungsaufbau in Frage stellen.
Ungeachtet dessen kommt es vor, dass einige Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften der EU missachten oder sogar Rechtsnormen verletzen. Durch protektionistische Maßnahmen blockieren diese Staaten den freien Kapitalverkehr und die Freizügigkeit und gefährden dadurch nicht nur ihre eigene Entwicklung, sondern die der gesamten Europäischen Union.
Die Dienstleistungsfreiheit gewährleistet in meinen Augen nicht die freie Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen. Wir sollten die von Winston Churchill getroffene Feststellung im Hinterkopf behalten, wonach die Zerstörung eines freien Marktes einen Schwarzmarkt erzeugt.
Der Kommission und den einzelnen Mitgliedstaaten sollte klar werden, dass wir gemeinsam viel mehr erreichen können, als wenn jeder getrennte Wege geht.
Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Wir Grünen begrüßen den Bericht der Kollegin Van Lancker ausdrücklich. Denn es ist fatal, dass der Rat erst vollmündig für 2008 Reformen der beschäftigungspolitischen Leitlinien ankündigt und dann sagt: Ach, wir wollen eigentlich keine Reform!
Herr Kommissar, Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, dass in der Kommission und vor allen Dingen beim Rat eine Reformmüdigkeit eingetreten zu sein scheint. Der Bericht Van Lancker hingegen setzt deutlich richtige Prioritäten. Besonders unterstreichen möchte ich die neue Schwerpunktsetzung im Bereich der sozialen Eingliederung. Es ist von zentraler Bedeutung, dass von hier die Botschaft ausgeht, dass wir die Menschen draußen nicht vergessen, sondern dass sie für uns wichtig sind.
Zum zweiten haben wir Grünen wesentlich dazu beigetragen, dass dieser Bericht des Parlaments jetzt eine substantielle Gender Mainstreaming-Dimension bekommt, und zwar durchweg, und dass Familienpolitik nicht schlichtweg als Gender Mainstreaming-Politik verkauft wird. Gender Mainstreaming ist umfassender und betrifft die Frauen – nicht Männer und Frauen, wie es in der Familienpolitik der Fall ist.
Hingegen sehen wir Grünen den Bereich der Flexicurity kritisch, solange der Sozialschutz nicht sichergestellt ist. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass wir eine Reform brauchen und keinen Stillstand!
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion – (PL) Herr Präsident! Die gemeinsame Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten bewährt sich. Zunehmend werden Programme zur Ankurbelung der Beschäftigung für unterschiedliche Altersgruppen aufgelegt, die die spezifischen Bedürfnisse und Möglichkeiten dieser Gruppen und die mit der Arbeitsplatzsuche verbundenen Probleme berücksichtigen. Im Rahmen der Lissabon-Strategie sehen diese Programme vor allem Investitionen in Menschen und ihre Bildung sowie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt vor. Ein Anstieg der Beschäftigungszahl um 3,6 Millionen Menschen im Jahr 2007 und ein voraussichtliches Beschäftigungswachstum um 4,5 Millionen in den Jahren 2008 und 2009 sind das spürbare Ergebnis dieser Politik.
Künftig sollte die Förderung eines Ansatzes die Grundlage für Maßnahmen auf diesem Gebiet bilden, nach dem Arbeit dem Lebenszyklus des Menschen entspricht, bei dem junge Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung Berücksichtigung finden und Arbeitsbedingungen den Bedürfnissen von Familien, insbesondere elterlichen Pflichten, angepasst werden, Diskriminierung am Arbeitsplatz beseitigt wird, vor allem in Hinblick auf den Zugang zu Schulungsmaßnahmen und anderen Formen der Weiterbildung und die Berufstätigkeit älterer Menschen schrittweise zurückgefahren wird.
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren!
Auch ich möchte der Berichterstatterin für ihre Arbeit danken, für den Bericht, der auf die Bedeutung des Sozialmodells als einer der Säulen der Europäischen Gemeinschaft verweist. Ich begrüße es, dass in dem Bericht Punkte wie die Förderung der sozialen Teilhabe, die Bekämpfung der Armut und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt hervorgehoben werden. Die Berichterstatterin betont mit Recht, wie wichtig die Förderung der Geschlechtergleichstellung im Beruf ist. Ungeachtet dieser positiven Aspekte wurde aber nach Ansicht unserer Fraktion anscheinend dem Grundsatz der Flexibilität ein höherer Stellenwert beigemessen als der Schaffung anspruchsvoller Arbeitsplätze sowie dem Recht auf hochwertige Arbeit. Ich habe aber Verständnis für die Berichterstatterin, denn es ist schwierig, diese beiden Komponenten unter einen Hut zu bringen.
Ich bedauere, dass der Ausschuss lediglich einen der vielen von unserer Fraktion eingebrachten Anträge angenommen hat. Unter diesen Umständen werden wir ungeachtet aller angenommenen Kompromisslösungen dem Abschlussbericht nicht zustimmen können. Es war für mich dennoch eine Ehre, mit der Berichterstatterin zusammenzuarbeiten. Die Zukunft, das Ergebnis des Flexibilitätskonzepts, die neuen sozialen Erfahrungen und die Bürger der Europäischen Union werden letztlich darüber entscheiden, wer von uns bei der Verfolgung und Umsetzung des Projekts „Soziales Europa“ der Wahrheit am nächsten kommt.
Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Schlussfolgerung aus diesem Strategiebericht über die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung lautet, dass die Lissabon-Strategie funktioniert. Die Berichterstatterin weist jedoch darauf hin, dass die Strategie für Beschäftigung nicht für alle Bürger gleichermaßen etwas bringt. In der EU verlassen sechs Millionen junge Menschen die Schule vorzeitig, und 16 % der gesamten EU-Bevölkerung sind arm oder von Armut bedroht. Das ist eine unserer Hauptaufgaben, doch leider haben wir es abermals verpasst, in der Liste der bedrohten Personen auch die Pflegekräfte zu nennen.
Pflegekräfte bilden die größte Gruppe unter den Beschäftigten in Europa. Sie zählen nicht zu den Arbeitslosen, sondern arbeiten härter als viele andere Beschäftigte. Als ich das Thema Pflegekräfte im Ausschuss zur Sprache brachte, wurde mir mitgeteilt, Pflegekräfte – also Menschen, die sich um ältere Menschen, Behinderte und Kinder kümmern – seien Personen, die ihre berufliche Laufbahn unterbrechen. Pflegeberufe eine „Unterbrechung der Laufbahn“ zu nennen heißt, Ignoranz gegenüber ihrer Tätigkeit und dem Wert ihrer Tätigkeit zu zeigen.
Herr Kommissar, ich bitte Sie, die Aufmerksamkeit auf die Pflegekräfte zu lenken und sie zu unterstützen. Pflegekräfte entscheiden darüber, wie wir das Problem unserer alternden europäischen Bevölkerung bewältigen, das heißt, wie wir den Bedürfnissen unserer älteren Bürger entsprechen und unsere Geburtenraten stabilisieren. Also machen Sie die Pflegekräfte zu einer Priorität. Ich hoffe, dass wir uns auch in diesem Parlament gezielt mit der Frage der Pflegekräfte befassen werden.
Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn man sich über die 6,5 Millionen neuen Arbeitsplätze, die in den vergangenen beiden Jahren entstanden sind, freut, darf man nicht verschweigen, dass inzwischen vier von zehn Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen leben. Zeitarbeitsfirmen rücken in vielen Ländern zum größten Arbeitgeber auf. Die zunehmende Globalisierung mit Produktionsverlegungen in Billiglohnländer beschert uns einen massiven Verlust an Arbeitsplätzen. Teilarbeitsplätze können dies nur zum Teil ausgleichen.
Mit Leiharbeit, mit 1-Euro-Jobs und Minijobs müssen inzwischen rund 78 Millionen Europäer an der Grenze der Armut leben. Mit einem McJob kann man aber keine Familie ernähren. Auch der einstige Beschäftigungsgarant, eine gute Ausbildung, hilft nur mehr in den seltensten Fällen. Die Bruttolöhne sind gesunken, etwa in Deutschland innerhalb von drei Jahren um fast 5 %, während die Lebenshaltungskosten mit der Euro-Einführung massiv gestiegen sind. Sich angesichts dieser Fakten über ein reines Anwachsen der Beschäftigungszahlen zu freuen, ist meines Erachtens ein Hohn für jeden Einzelnen der Millionen Arbeitslosen und jeden, der trotz ehrlicher Arbeit in Armut leben muss.
Thomas Mann (PPE-DE). – Herr Präsident! Durch die Globalisierung wandeln sich unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen so rasant, dass viele Bürger nicht mehr durchblicken. Sie fühlen sich überfordert und verunsichert. Die Leitlinien der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung müssen ihnen deutlich sichtbar werden: konkurrenzfähige Arbeitsplätze, Chancengleichheit, sozialer Zusammenhalt.
Das Konzept Flexicurity wird noch nicht ausreichend verstanden. Nicht nur Arbeitnehmer müssen im eigenen Interesse flexibler werden, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Auch Unternehmen müssen flexibler werden, von neuen Vermarktungsstrategien über die Entwicklung von innovativen Produkten bis hin zur Eroberung von Marktnischen. Gleichzeitig brauchen Arbeitnehmer leistungsfähige Systeme der sozialen Sicherheit, um Gewissheit zu haben, nicht ausgegrenzt, sondern integriert zu werden. Ihre Arbeit soll angemessen honoriert werden, und zwar branchen- und regionenbezogen durch Vereinbarungen der Sozialpartner, nicht durch staatliche Einmischung.
Ziel der europäischen Beschäftigungspolitik ist, sowohl mehr Menschen in Arbeit zu bringen als auch qualitativ höhere Jobs zu schaffen. Gleichzeitig muss in Bildung und Qualifizierung so investiert werden, dass das Konzept des lebenslangen Lernens wirklich trägt und die Leistungsschwächeren mit einbezieht. Klar werden muss: Sowohl der ESF als auch der Fonds für regionale Entwicklung und der neue Globalisierungsfonds müssen unmittelbar denen zugute kommen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Sie sollen sich besser auf Veränderungen einstellen und in neue Arbeitsfelder einsteigen können.
Wir werden auch daran gemessen, ob es gelingt, ältere Arbeitnehmer länger in Arbeitsprozessen zu halten, anstatt sie in die Frührente abzuschieben. Sie sind hochmotiviert, belastbar, verfügen über jede Menge Know-how. Best practices sollen demonstrieren, wie Jung und Alt in Teams zusammenarbeiten und beiderseitig davon profitieren.
Die Leitlinien für Beschäftigungspolitik in diesem sehr guten Bericht werden vor allem dann akzeptiert, wenn das Subsidiaritätsprinzip konsequent eingehalten wird. Anne Van Lancker hat Recht: Die Mitgliedstaaten müssen beweisen, dass sie dabei mitmachen, dann wächst das Vertrauen in unser Modell der sozialen Marktwirtschaft.
Rovana Plumb (PSE). – (RO) Ich möchte meine Kollegin, Frau van Lancker, zu ihrer Arbeit beglückwünschen und betonen, wie wichtig dieser Bericht ist. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir der Tatsache schenken, dass zurzeit 78 Millionen EU-Bürger arm oder armutsgefährdet sind und 6 Millionen junge Menschen vorzeitig die Schule verlassen. Wir europäische Sozialdemokraten möchten allen Bürgern die gleichen Chancen auf ein menschenwürdiges Leben und auf Stärkung des sozialen Zusammenhalts bieten. Die Umsetzung dieser Leitlinien wird dazu beitragen, dass es mehr sicherere und besser bezahlte Arbeitsplätze gibt, dass durch den Zugang zu hochwertigen sozialen Dienstleistungen ein angemessener Sozialschutz gewährleistet ist und dass aktive soziale Integration aller Unionsbürger zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gefördert wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass wir dem Zugang behinderter und älterer Menschen zum Arbeitsmarkt Beachtung schenken und die Diskriminierung von Frauen hinsichtlich der Bezahlung aus der Welt schaffen sollten. Meiner Ansicht nach stellt dieser Bericht ein wichtiges Instrument dar, um die Ziele der neuen Lissabon-Strategie zu erreichen, und wird zu Stärkung der sozialen Dimension des Vertrags von Lissabon beitragen, der auch von Rumänien ratifiziert wurde. Ich werde diesen Bericht unterstützen und für ihn stimmen.
Siiri Oviir (ALDE). – (ET) Herr Präsident! Herr Kommissar! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Leitlinien für das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung der nächsten drei Jahre werden auf dem europäischen Frühjahrsgipfel zur Debatte stehen. Die Lissabon-Agenda trägt nun langsam Früchte. Das ist eine erfreuliche Nachricht, auch wenn wir wahrscheinlich der Frage der sozialen Eingliederung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben. Durch die Lissabon-Agenda wurden tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen, auch wenn diese nicht immer aus der obersten Schublade stammen. Es reicht nicht aus, sich ehrgeizige Ziele zu setzen – mehr Bildung muss her, aber auch eine passgenaue und effektive Ausrichtung des Schulwesens an den Bedürfnissen der wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft.
Es gilt, eine familienfreundliche Gestaltung des Arbeitslebens zu fördern. Die Lissabon-Agenda sieht den Ausbau der sozialen Maßnahmen vor. Deshalb sollte die Aufmerksamkeit nicht einfach einer größeren Flexibilität der Arbeitsbeziehungen gelten, sondern einer abgesicherten Flexibilität. Nur die richtige Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit kann zu Verbesserungen der Beschäftigungslage und der sozialen Absicherung führen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich positive wirtschafts-, beschäftigungs- und sozialpolitische Entwicklungen gegenseitig ergänzen. Abschließend möchte ich nicht versäumen, der Berichterstatterin zu ihrer hervorragenden Arbeit zu gratulieren.
Gabriele Zimmer (GUE/NGL). – Herr Präsident! Die Kommission beruft sich darauf, dass infolge der mit den Mitgliedstaaten abgestimmten Beschäftigungspolitiken in den letzten zwei Jahren 6,5 Millionen Arbeitsplätze entstanden sind. Das klingt gut, vor allem für jene, die die Europäische Union immer mehr dem globalen Wettbewerb anpassen wollen, weniger gut für jene, die zum großen Teil diese Jobs erhalten haben, davon aber auch kaum leben können.
Der gestern in Deutschland veröffentlichte Armutsbericht hat auch deutlich gemacht, dass zunehmend mehr Beschäftigte zu ihrem Arbeitseinkommen Sozialhilfe benötigen, um nicht in die Armut abzurutschen, und dass die Einkommensschere zwischen denen, die hohe Einkommen beziehen, und denen, die so gut wie kein Einkommen beziehen, immer größer wird. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Beschäftigungsstrategie der Europäischen Union viel stärker konkret verknüpft wird mit der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, der Bekämpfung von Armut, der Schaffung guter Arbeitsplätze, der Erhöhung der Einkommen und der Sicherung des Sozialschutzes der Beschäftigten. Diese konkrete Verknüpfung wird aber bewusst nicht hergestellt, aus welchen Gründen auch immer.
Die Europäische Union sollte sich endlich darauf konzentrieren, das Konzept gute Arbeit, das auch die Minister für Beschäftigung der EU vor einem Jahr noch propagiert haben, in den Mittelpunkt zu stellen, um hier einen Schritt weiter zu kommen. Das Flexicurity-Konzept ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend!
Derek Roland Clark (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Wenn die Lissabon-Strategie wirklich beginnt, Früchte zu tragen, warum hat die Teilzeitarbeit dann in den letzten Jahren von 16,2 % auf 18,1 % zugenommen? Warum hat der Anteil der Erwerbstätigen, die unfreiwillig in einem befristeten Arbeitsverhältnis ohne langfristige Sicherheit stehen, mehr als 6,5 % erreicht?
Die Berichterstatterin räumt ein, dass die Arbeitslosigkeit in der EU 2005 8,9 % erreichte. In diesem Jahr soll sie auf 7,1 % sinken, aber wird sie das auch? Im Vereinigten Königreich beträgt die Arbeitslosigkeit nur etwa 5,8 %. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit braucht keine Politik. Er braucht, im übertragenen Sinne, eine Spritze. Wo wir beim Thema sind: Wurde das System subkutaner Infusionen von einer Kommission bzw. einem Parlament oder einem Ausschuss erfunden? Nein, wurde es nicht. Jemand hatte eine schlaue Idee, und gute Ideen verbreiten sich immer. Ersetzen Sie „gute Ideen“ durch „bewährte Praktiken“, und die sind dazu da, ausgetauscht zu werden. Sehen Sie sich die überdurchschnittlichen Beschäftigungszahlen im Vereinigten Königreich an, die ich gerade erwähnte. Sie sind deshalb überdurchschnittlich, weil es zu unseren bewährten Praktiken gehört, uns die Nichtbeteiligung an der nutzlosen Arbeitszeitrichtlinie vorzubehalten und den Euro nicht einzuführen, sondern unverändert weltweiten Handel über die EU-Grenzen hinaus zu betreiben, in größerem Umfang als jeder andere Mitgliedstaat. Das ist die Spritze, zu der ich Ihnen rate. Nehmen Sie sie an?
Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Ich möchte meinen Redebeitrag mit einer Beobachtung beginnen, die ich Ihnen gern und mit Genugtuung mitteilen will. Die erneuerte Lissabon-Strategie trägt erste Früchte. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass in der Europäischen Union ein steter Anstieg der Zahl der Menschen zu verzeichnen ist, die Arbeit haben.
An dieser Stelle stimme ich jedoch nicht ganz mit der Meinung der Berichterstatterin, Frau Van Lancker, überein, die Qualität der neu geschaffenen Arbeitsplätze könne Besorgnis erregen. Natürlich sollten wir alles in unseren Kräften Stehende tun, damit die in der Europäischen Union angebotenen Arbeitsplätze höchsten Qualitätsansprüchen genügen, aber meiner Ansicht nach ist jeder Arbeitsplatz besser, als arbeitslos zu sein, was für die Betroffenen entwürdigend ist und bei ihnen ein Gefühl der eigenen Wertlosigkeit hervorruft. Das trifft ganz besonders auf junge Menschen zu, unter denen die Arbeitslosigkeit anhaltend hoch ist. Ihre Zukunft sollte daher in den nächsten Jahren als dringlichste Aufgabe angesehen werden.
Ein wirksames Instrument zur Erhöhung der Zahl verfügbarer Arbeitsplätze – und das ist besonders für junge Europäerinnen und Europäer wichtig – ist das Konzept der Verbindung von Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt, auch „Flexicurity“ genannt. Es gibt kein alleingültiges, universelles Modell der Flexicurity. Aus diesem Grunde sollte dieses Konzept unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse und Traditionen in den jeweiligen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Genau in die Richtung zielen die von meiner Fraktion eingebrachten Änderungsanträge. Zwei Elemente dieses Ansatzes sind jedoch fast universell und spielen nach meinem Dafürhalten zugleich eine Schlüsselrolle.
Erstens betrifft dies Investitionen in Bildung, vor allem in qualitativ hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen, die es Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten den schnelllebigen ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Trends anzupassen.
Zweitens müssen „unübliche“ Formen der Beschäftigung engagierter genutzt werden. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die es insbesondere jungen Menschen, die sich auf ihren Einstieg ins Berufsleben vorbereiten, ermöglichen, sowohl praktische Fähigkeiten zu erwerben als auch die Kosten ihrer beruflichen Ausbildung zu decken.
Richard Falbr (PSE). – (CS) Zunächst möchte ich meine Bewunderung für Anne Van Lancker zum Ausdruck bringen. Trotz der Vielzahl an eingebrachten Änderungen hat sie nicht zugelassen, dass ihr Bericht verwässert wird. Ich selbst sehe die Dinge noch kritischer, denn in meinen Augen hat die Lissabon-Strategie kaum etwas bewirkt. Die Arbeitslosenzahlen sind nicht spürbar gesunken, die geschaffenen Arbeitsplätze kann man nicht als hochwertig bezeichnen, und wir nehmen es hin, dass in den EU-Staaten Menschen trotz Arbeit arm sind. All dies deutet darauf hin, dass irgendetwas hier nicht stimmt. Selbst das Grünbuch gibt keine Antworten auf die Fragen, die uns Arbeitnehmer und Gewerkschaften stellen. Wir müssen lediglich einen Blick in die entsprechenden Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation werfen. Denn abgesehen von einigen Ausnahmen haben fast alle Mitgliedstaaten die wichtigsten Konventionen ratifiziert. Daher ist das Unbehagen, mit dem die europäischen Gewerkschaften die zuletzt ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtsachen Viking, Laval und Rüffert aufgenommen haben, verständlich. Ich würde deshalb anraten, weniger Papier zu beschreiben und den Errungenschaften der letzten Jahre mehr Beachtung zu schenken. Dies gilt insbesondere für die hoch entwickelten Staaten der Europäischen Union.
Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Dieser Bericht ist von Werten durchdrungen, die einen freien Arbeitsmarkt prägen sollten. Es gibt jedoch ein großes Manko: Es ist falsch, solche Regeln auf Gemeinschaftsebene festzulegen, denn damit gehören sie zum gemeinschaftlichen Besitzstand – sie werden zur Heiligen Schrift. Die Möglichkeit zukünftiger Reformen schwindet somit in ganz Europa.
Wenn Deutschland und Frankreich in den 1970er Jahren eine gemeinsame Beschäftigungspolitik für die Gemeinschaft auf der Grundlage der damals vorherrschenden politischen Konzepte hätten durchsetzen können, befände sich die europäische Wirtschaft heute im Niedergang.
Im Bericht erscheint ständig das Modewort des Tages: Flexicurity. Das hängt damit zusammen, dass es bisher keine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik gegeben hat und weshalb Dänemark etwas entwickeln konnte, was heute sehr vielversprechend aussieht. Dem Bericht würde es gut tun, wenn er auf einen einzigen Satz reduziert würde: „Das Europäische Parlament empfiehlt den Mitgliedstaaten einen Blick auf das dänische Flexicurity-Modell, um zu sehen, ob sie davon etwas lernen können.“ Punkt.
José Albino Silva Peneda (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Entwicklung der Beschäftigungsquoten verläuft tatsächlich sehr positiv, und wir müssten bis in die 1980er Jahre zurückgehen, um ähnliche Zahlen anzutreffen. Dennoch müssen wir uns bewusst sein, dass nicht alle europäischen Regionen gleichermaßen ermutigende Ergebnisse gezeigt haben. Auch die Nachrichten über die Arbeitsplatzqualität sind nicht eben die besten.
Ich weiß, dass beim Thema Sozialpolitik immer die Bestrebung besteht, Prioritäten zu setzen, und das ist keine einfache Aufgabe – man gerät in Versuchung, allem Priorität beizumessen. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass es, wenn alles Priorität hat, im Endeffekt gar keine Prioritäten gibt.
Aus diesem Grund möchte ich uns alle darin bestärken, dafür zu sorgen, dass bei diesen sozialen Fragen jeweils die Aufgaben, Zuständigkeiten sowie klare und messbare Ziele festgelegt werden, insbesondere im Bereich Beschäftigungspolitik.
Für mich besteht ein ganz eindeutiger Schwerpunkt darin, etwas gegen den vorzeitigen Schulabbruch zu unternehmen, was momentan 15 % der Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 24 betrifft. Das sind mehr als 6 Millionen junge Menschen.
Besonders ernst ist das Problem des Schulabbruchs angesichts der zu erwartenden demografischen Entwicklung in Europa, wonach es 2030 18 Millionen Kinder und Jugendliche weniger geben wird und 52 % mehr Menschen über 65 Jahre alt sein werden.
Ich halte es für untragbar, dass diese wertvolle, schrumpfende Bevölkerungsgruppe der Jugendlichen, von der das soziale Sicherungssystem abhängig ist, nicht gut ausgebildet und bestmöglich darauf vorbereitet wird, sich den Herausforderungen des neuen Arbeitsmarktes zu stellen. Wir wissen alle, dass in einer Informationsgesellschaft die am schlechtesten ausgebildeten Personen am stärksten von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung betroffen sind und ganz offensichtlich Gefahr laufen, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden.
Ebenso wie unsere Berichterstatterin Anne Van Lancker, die ich beglückwünsche, bin auch ich fest davon überzeugt, dass die soziale Dimension der Lissabon-Strategie gestärkt werden muss, und zwar insbesondere durch eine stärkere Hervorhebung des Problems der Eingliederung.
Juan Andrés Naranjo Escobar (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Haupttugenden der vorliegenden Arbeit sind der grundlegende Konsens in der Diagnose der Lage und was auf nationaler Ebene getan werden muss, um die Beschäftigungsziele der Lissabon-Strategie zu erreichen.
Die Union muss wirtschaftlich äußerst stark sein, um politisch voranzukommen, ohne auf das in ihren Genen verankerte Sozialmodell zu verzichten. Die beste Sozialpolitik ist, den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich durch die Arbeit zu integrieren und zu entwickeln.
Diese acht Leitlinien geben uns den Fahrplan für die Reformen vor, die bis 2010 abgeschlossen sein müssen. Das ist mehr als ausreichend, um die nationalen Reformprogramme auf den Weg zu bringen.
Doch es gibt einige ganz entscheidende Aspekte, mit denen wir uns besonders befassen müssen.
Der erste ist die Erreichung eines Grades an Mobilität, der Beschäftigungschancen eröffnet, vor allem für junge Menschen. Dafür ist es unabdingbar, eine wirksame Regelung zur Vergleichbarkeit der Qualifikationen zu gewährleisten, nicht nur in Bezug auf akademische Grade und Diplome, sondern auch im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer während ihres Arbeitslebens.
Der zweite besteht in der Modernisierung der Beschäftigungsbestimmungen für einen schrittweisen und flexiblen Eintritt in den Ruhestand. Dadurch würden eine Verschlechterung des Erwerbseinkommens und die nachfolgende Verarmung vermieden.
Der dritte ist die Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten der Bevölkerung insgesamt, denn die Globalisierung hat ihre Gesetze, meine Damen und Herren. Wer sich darauf einstellt, gewinnt, alle anderen verlieren.
Wenn wir eine höhere Produktivität, mehr hoch qualitative Arbeitsplätze und bessere Fähigkeiten und Fertigkeiten erreichen wollen, müssen wir die in der Lissabon-Strategie genannten Reformen voranbringen.
Es hat in der Tat Erfolge gegeben, doch wenn die ausstehenden Reformen vernachlässigt werden, wird alles zusammenbrechen.
Deshalb hat die Umsetzung von Initiativen wie „Flexicurity“ auf dem Wege des Dialogs so große Bedeutung.
Iles Braghetto (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel der Lissabon-Strategie, einen Beschäftigungszuwachs in Europa herbeizuführen, wurde erreicht, allerdings nicht für alle. Für Jugendliche, Frauen und soziale Randgruppen bleibt der Weg nach wir vor schwierig. Die Qualität der Beschäftigung hat sich nicht verbessert: Die Zahl der befristeten Arbeitsverträge ist weiter gestiegen, und die größere Flexibilität der Arbeit hat die Arbeitsplätze nicht sicherer gemacht. Deshalb muss die soziale Dimension der Lissabon-Strategie gestärkt werden, indem das lebenslange Lernen und die Anerkennung der Fähigkeiten unterstützt werden.
Es gilt, soziale Sicherungssysteme zu entwerfen, die mit entsprechenden Abfederungsmechanismen Einkommensstützung bieten und die Mobilität am Arbeitsmarkt erleichtern, und die Ziele hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen.
Der Entschließungsentwurf geht in diese Richtung und findet daher unsere Unterstützung.
Tadeusz Zwiefka (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich teile die Auffassung, die erneuerte Lissabon-Strategie habe zu einem Anstieg der Beschäftigung geführt, wobei aber nicht unbedingt Arbeitsplätze höherer Qualität entstanden sind.
Der Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung sollte im Rahmen jeder Strategie der Europäischen Union berücksichtigt werden. Allerdings bin ich nicht der Ansicht, die Annahme gemeinsamer sozialer Standards auf EU-Ebene sei ein Allheilmittel für unsere Probleme. Beschäftigung und Sozialpolitik fallen in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten und alle Maßnahmen der EU auf diesem Gebiet müssen dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen. Die Festlegung und Einführung von Strategien, die auf spezifischen Modellen basieren, wie z. B. der Flexicurity, unterscheiden sich auf einzelstaatlicher Ebene.
An dieser Stelle möchte ich auf die Gefahr hinweisen, die mit einer eindimensionalen Herangehensweise an diese Problematik verbunden ist, möchte aber gleichzeitig auch die Schaffung einer Plattform auf EU-Ebene für Zwecke des Austauschs von Informationen und bewährten Verfahren unterstützen.
Meines Erachtens wird keine konkrete beschäftigungspolitische Strategie ohne die Beseitigung aller vorhandenen Barrieren für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte hundertprozentig erfolgreich sein, da diese ein sicheres Mittel für die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Förderung von Beschäftigung ist.
Renate Weber (ALDE). – (RO) Ich gratuliere Anne van Lancker zu ihrem Bericht. Ich persönlich mache mir Sorgen über die Qualität der Arbeitsplätze. In der EU leben 78 Millionen Menschen auch deshalb an der Armutsgrenze, da es in den Mitgliedstaaten Ungleichheiten bei der Bezahlung der Arbeitnehmer gibt. Ich weiß, mit welchen Diskriminierungsproblemen viele Rumänen zu kämpfen haben, die legal in anderen EU-Mitgliedstaaten arbeiten, und dass sie gezwungen werden, Tätigkeiten auszuüben, für die sie überqualifiziert sind, und niedrigere Löhne erhalten als ihre Kollegen, die Staatsbürger des jeweiligen Landes sind. Bedauerlicherweise gibt es auf europäischer Ebene keinen Mechanismus, mit dem die Arbeitsplatzqualität beurteilt werden kann. Wir brauchen einen solchen Mechanismus. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Grundsatz der richtigen Bezahlung einen Anreiz für die Erbringung hochwertiger Dienstleistungen liefert, und ich lehne die bestehenden Tendenzen, die Arbeitnehmer schlechter zu bezahlen, strikt ab. Auch sollte die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union nicht eingeschränkt werden.
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) In Wirklichkeit gibt es nur zwei Wege, um dem Arbeitslosenproblem zu begegnen: Entweder begibt sich der Arbeitssuchende dorthin, wo es Arbeit gibt, oder aber die Arbeit wird dorthin verlegt, wo Menschen Arbeit suchen. Letzteres ist meiner Meinung nach sinnvoller, da keine der angewandten Methoden im ersten Fall (Aufteilung der Arbeit, flexible Arbeitsverträge, Flexibilisierung der Arbeitszeit usw.) die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. In meinen Augen bietet der zweite Lösungsansatz größere Möglichkeiten und ist durchaus für die EU geeignet. Eine Möglichkeit wäre die Einrichtung eines europäischen öffentlichen Sektors, damit die EU als Stelle, die Arbeitsplätze schafft, fungieren könnte.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich die bemerkenswerte Arbeit meiner Kollegin Elisabeth Morin würdigen, die die Positionen unserer Fraktion verteidigt hat.
Doch auch auf die Gefahr hin, etwas über das Thema hinauszugehen, möchte ich die Frage nach der Rolle der Sozialpartner stellen, die mir in diesem Bericht völlig zu fehlen scheint. Wir beraten nach Artikel 128, d. h. wir werden Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten, doch ich halte die Zeit für gekommen, uns auf ein umfassenderes Handeln zu orientieren.
Herr Kommissar, was ist Ihre Meinung zur Anwendung von Artikel 139 des Vertrags, der für die Sozialpartner genau die Möglichkeit vorsieht, ein gemeinschaftliches Sozialrecht zu schaffen? Wie können wir eine Beschäftigungspolitik ohne Koordinierung des Sozialrechts führen? Und meiner Meinung nach kommt es Ihnen in Anwendung von Artikel 138 zu, die Sozialpartner zu fördern; wir müssen sie in die Schaffung eines wirklichen europäischen Sozialrechts einbeziehen.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Die erste Stufe bei der Umsetzung der in der erneuerten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung verankerten Ziele hat bereits beeindruckende Ergebnisse hervorgebracht. Im Jahr 2007 wurden 3,5 Millionen Arbeitsplätze in der EU geschaffen, und die Arbeitslosenquote sank im Zeitraum 2005-2007 um 1,6 %.
Allerdings ist dies nur die eine Seite der Medaille. In der EU sind heute 14 Millionen Erwerbstätige von Armut betroffen. Zusätzlich hat sich die Anzahl der Menschen, die in befristeten oder Teilzeitarbeitsverhältnissen ihr Geld verdienen müssen, stetig erhöht. Junge Europäer sind ebenfalls mit gravierenden Problemen konfrontiert. So verlassen ungefähr sechs Millionen Jugendliche frühzeitig die Schule, und die Erwerbsquote der Jugendlichen ist nicht einmal halb so hoch wie die der EU-Erwerbstätigen insgesamt.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die Lissabon-Zielvorgaben für Wachstum und Beschäftigung in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich schnell und mehr oder weniger wirkungsvoll umgesetzt werden. Ich bitte die Kommission, auf eine durchgängige Realisierung der Europäischen Beschäftigungsstrategie und die Erreichung der Zielvorgaben für das lebensbegleitende Lernen im EU-Jugendprogramm, im Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter sowie im Aktionsplan 2006-2007 für behinderte Menschen hinzuwirken.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, die Aufmerksamkeit nun auf zwei Bereiche zu lenken, die europaweit gefördert werden müssen. Das ist zum einen die Beratung, Information und Betreuung junger Menschen und Arbeitnehmer jeden Alters, um sie zu befähigen, eine passende Beschäftigung zu finden sowie Bildungsmöglichkeiten und Chancen für lebenslanges Lernen zu nutzen. Der zweite Bereich, der in Europa gestärkt werden sollte, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen, sind die Arbeitsaufsichtsbehörden. Sie können gegen Schwarzarbeit vorgehen, die die Geißel legaler Beschäftigung ist.
Beschäftigung sowie Unternehmertum und die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern sind wohl unsere größte Chance in den kommenden Jahren bis 2010.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Die derzeitige Wirtschaftslage in der Europäischen Union verbessert sich. Wir erleben nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, neue Arbeitsplätze entstehen, der Grad der Beschäftigung steigt und die Arbeitslosenzahlen sinken.
Um diesen Prozess fortzusetzen, müssen wir die soziale Integration verstärken. In Verbindung damit müssen wir erstens vor allem jungen Menschen, die gerade erst auf den Arbeitsmarkt drängen, bei der Arbeitssuche helfen. Zweitens sollten wir es den Menschen in einer schwierigen materiellen Situation einfacher machen, einen Arbeitsplatz zu finden und drittens sollten wir den Langzeitarbeitslosen eine Chance geben.
Das sind Bereiche, in denen eine wirksamere Unterstützung und Handeln seitens der Europäischen Union notwendig sind. Wir müssen alles daran setzen, das System der Aus- und Weiterbildung so anzupassen, dass es den Anforderungen der Lissabon-Strategie genügt und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreibt, was wiederum Einfluss auf die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen hat.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich glaube, in der Beschäftigung spielen besonders die kleinen und mittleren Betriebe eine große Rolle. Immerhin zwei Drittel unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten in kleinen und mittleren Betrieben, und diese erwirtschaften 50 % des Bruttonationaleinkommens. Deshalb sollten wir bei unseren Strategien darauf achten, dass gerade die berufliche Aus- und Weiterbildung in den kleinen und mittleren Betrieben forciert wird, dass neue Möglichkeiten der Abschreibung der entstehenden Kosten geschaffen werden und dass letztlich höhere Nettolöhne für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich werden.
Letztlich gilt es auch, die Infrastruktur dafür aufzubauen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicher in die Arbeit kommen. Hier könnte die Europäische Union durchaus ein Best practice-Modell anbieten.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Verehrte Damen und Herren! Die parlamentarische Geschäftsordnung erlaubt es mir leider nicht, im Einzelnen zu Ihren Redebeiträgen Stellung zu nehmen. Gestatten Sie mir daher, Ihnen für die geführte Debatte zu danken, durch die viele Aspekte des Arbeitsmarkts und der Europäischen Beschäftigungsstrategie beleuchtet werden konnten. Auf einige grundlegende Fragen möchte ich jedoch näher eingehen.
Zunächst hat die Europäische Beschäftigungsstrategie konkrete Ergebnisse hervorgebracht. Aktuellen Statistiken zufolge haben sich im Vergleich zu den 80er Jahren die Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen deutlich verbessert. Dies ist ein klarer Erfolg. In ihrer Debatte wurden oft Bedenken über die Qualität der Arbeitsplätze zum Ausdruck gebracht. Ich möchte betonen, dass der Gedanke, neue Arbeitsplätze und neue hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, Teil der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung ist. Doch was ist dabei herausgekommen? Von den Millionen neu geschaffener Arbeitsplätze sind über die Hälfte Vollzeitstellen, an deren Qualität nicht zu zweifeln ist. Die verbleibenden Arbeitsplätze sind zumeist Teilzeitstellen oder befristete Arbeitsverhältnisse.
Die Annahme, dass es sich bei Teilzeitarbeit und befristeter Beschäftigung grundsätzlich nicht um hochwertige Arbeitsplätze handelt, hat meiner Auffassung nach weder Hand noch Fuß. Das Argument ist einfach nicht haltbar. Viele dieser Stellen sind durchaus hochwertig. Zweifellos wird ein Teil der Beschäftigungsverhältnisse den Ansprüchen nicht gerecht, weshalb in diesem Bereich noch manches verbesserungswürdig ist. Nach meiner Ansicht gilt es vor allem, dem sehr beunruhigenden Problem der Armut trotz Arbeit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Den vorliegenden Zahlen zufolge sind immerhin 8 % der Erwerbstätigen dieser Gruppe zuzuordnen. Millionen von Menschen sind von diesem sehr akuten Problem betroffen.
Ein weiteres von Ihnen erörtertes Thema betrifft das Verhältnis zwischen Beschäftigungspolitik und sozialer Eingliederung. Bei der Leitlinie Nr. 19 geht es schwerpunktmäßig um einen integrativen Arbeitsmarkt sowie die Förderung der Eingliederung benachteiligter Personen in den Arbeitsmarkt. Die Kommission hat diesbezüglich im Strategiepapier die Empfehlung abgegeben, dass keine wesentlichen Korrekturen an den Leitlinien erfolgen sollen. Die Leitlinien haben sich nämlich als erfolgreich erwiesen, und zudem steht fest, dass es im Interesse verantwortungsbewussten Regierens und eines besser austarierten Verhältnisses zwischen Europa und den einzelnen Staaten besser ist (wie von den meisten Mitgliedsstaaten auch befürwortet), die Leitlinien in ihrer jetzigen Form zu belassen. Andererseits ist doch klar, dass der Text nicht in Stein gemeißelt ist, dass er den Gegebenheiten angepasst werden muss und dass bei den von ihnen angesprochenen Themenbereichen Handlungsbedarf besteht.
Ich möchte gern auf eine weitere Frage, die Artikel 139 des EG-Vertrags betrifft, antworten. Paradoxerweise wird heute die Tarifvereinbarung im maritimen Sektor unterzeichnet, und es ist bereits die Festlegung getroffen worden, sie über Artikel 139 in das europäische Recht einfließen zu lassen. Es handelt sich hier um einen konkreten Schritt, der belegt, dass dieser Artikel nicht vernachlässigt wurde. Im Übrigen betrachte ich die Vereinbarung im maritimen Sektor als äußerst wichtigen Schritt nach vorn, da es sich hierbei um einen sehr komplexen und international ausgerichteten Sektor handelt. Die Sozialpartner haben einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet.
Selbstverständlich waren auch andere Themen wie die Bildungsfrage, die Zahl der Schulabbrecher sowie das lebensbegleitende Lernen Gegenstand der Diskussion. Alle diese Themen nehmen einen wichtigen Stellenwert ein und werden zum Teil in die neue Sozialagenda einbezogen. Im Hinblick auf die Integration würde ich gern Ihre Aufmerksamkeit auf die Mitteilung der Kommission zur aktiven Eingliederung lenken. Neben anderen Dokumenten umreißt dieses Papier die Strategie der Kommission auf diesem Gebiet. Ich möchte betonen, dass zwar der Arbeitsmarkt das Fundament einer aktiven Eingliederungspolitik darstellt, dies aber nicht für andere Bereiche gilt, in denen abgestimmte Eingliederungsmaßnahmen notwendig sind. Es gibt unzählige Menschen, die aus natürlichen Gründen nicht dem Arbeitsmarkt aktiv zur Verfügung stehen, beispielsweise Rentner oder Personen, die sich in ungewöhnlichen Situationen oder Umständen befinden. Daher muss die Eingliederungspolitik neben dem Arbeitsmarkt auch andere Gebiete erfassen. Die europäische Beschäftigungsstrategie hat diesen Aspekt natürlich gebührend zu berücksichtigen.
Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte ihnen nochmals für die rege Debatte danken, die wohl die wichtigsten arbeitsmarktrelevanten Themen berücksichtigt hat. Auch dürfte sie spürbar zu einer besseren und effektiveren Balance zwischen der europäischen Beschäftigungsstrategie und den Aktivitäten der einzelnen Mitgliedstaaten beigetragen haben. Wie eingangs erwähnt, wurden im Verlauf der Debatte sehr interessante Ausführungen gemacht, allerdings ist es mir aufgrund der parlamentarischen Geschäftsordnung lediglich möglich, auf einige wenige Redebeiträge einzugehen.
Anne Van Lancker, Berichterstatterin. − (NL) Zuallererst möchte ich den Kolleginnen und Kollegen herzlich für ihre Diskussionsbeiträge danken. Meiner Ansicht nach ist klar, dass viele von Ihnen den Schwerpunkt auf Chancengleichheit, soziale Eingliederung und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze gelegt haben, was meiner Meinung nach von großer Wichtigkeit ist. Es tut mir leid, wenn ich einige von Ihnen enttäuscht habe, indem nicht noch weitere Ihrer Änderungsanträge berücksichtigt wurden, aber ich wollte wirklich vermeiden, dass der Bericht wie ein völlig überladener Weihnachtsbaum daherkommt.
Gestatten Sie mir noch einige Worte in Beantwortung einer Bemerkung von Jan Andersson, dem Vorsitzenden des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Ich hoffe aufrichtig, der Bericht möge nicht in einer Schublade verschwinden, denn obgleich Artikel 128 des Vertrages dem Parlament das Recht gibt, konsultiert zu werden, besteht in der Praxis die Gefahr, dass dieses Recht ausgehöhlt wird. Herr Kommissar, ich verstehe, dass der Rat zu einem frühen Zeitpunkt im Jahr eine Entscheidung treffen muss, damit die Sozialpartner die nationalen Reformpläne erarbeiten können. Daher scheint es mir wichtig, dass die Europäische Kommission, wenn das Parlament seine ihm zugewiesene Rolle weiterhin spielen können soll, früher im Jahr ihre Vorschläge einbringt, damit die drei Institutionen ihre jeweilige Rolle im Prozess vertragsgemäß erfüllen können.
Erneut geht mein Dank an alle Kolleginnen und Kollegen. Hoffen wir, dass der Rat doch noch die Ohren offen halten wird.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Nach den jüngsten Berichten der Europäischen Kommission sind 16 % der EU-Bürger von Armut bedroht, und 8 % von ihnen trotz Vollbeschäftigung. 13 % der erwachsenen Bürger Polens sind von Armut bedroht, einschließlich der Bürger, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Region Kleinpolen, die ich im Europäischen Parlament vertrete, hat mit derzeit 8 % die geringste Arbeitslosenquote in Polen. Das ist aber keine Garantie für einen sicheren Lebensstandard, da galoppierende Nahrungsmittel- und Energiepreise viele Familien an den Rand der Armut treiben. In der benachbarten Woiwodschaft Heiligkreuz, die ich ebenfalls im Europäischen Parlament vertrete, ist die Lage angesichts doppelt so hoher Arbeitslosigkeit wie in Kleinpolen nahezu dramatisch. Allein am Beispiel dieser beiden Woiwodschaften zeigt sich wachsende soziale Ungleichheit. Wie Frau Van Lancker in ihrem Bericht über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten richtig feststellt, leben in der Europäischen Union mehr als 14 Millionen Menschen trotz Arbeit in Armut.
Diese Zahl könnte sehr schnell weiter anwachsen, falls die Lissabon-Strategie nicht dahin gehend modifiziert wird, dass mehr und qualitativ hochwertigere Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden. Dieses Problem betrifft vor allem die neuen Mitgliedstaaten, in denen die Unterschiede im Wohlstand der Bürger im Vergleich zu den übrigen Mitgliedstaaten am größten sind.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Wachstum und Beschäftigung sind Kernelemente der Lissabon-Strategie. Ein wettbewerbsfähiges und innovatives Europa zu schaffen geht mit Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt einher. Unsere Unternehmen brauchen Arbeitskräfte, die auf neue Herausforderungen und den Bedarf an Veränderungen reagieren können. Natürlich teile ich die Auffassung, dass Beschäftigung Stabilität, Sicherheit und Vertrauen in die Zukunft schaffen muss. Gleichzeitig sollten die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinreichend flexibel sein, um Unternehmern genügend Spielraum für Veränderungen zu lassen, mit denen sie aufgrund der Marktsituation konfrontiert sind.
Aus diesem Grunde erscheint es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer dringend geboten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, ihre Qualifikation zu erhöhen und ihre berufliche Weiterbildung voranzutreiben. Das liegt im Interesse der Unternehmen, die gut ausgebildete und hoch motivierte Mitarbeiter suchen. Es liegt aber auch im Interesse der Mitarbeiter selbst, die aufgrund ihrer gewachsenen Kompetenz ihre Stellung am Arbeitsplatz festigen und im Falle einer notwendigen Veränderung sicher sein können, auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Qualifikation keine Probleme zu haben, ihren Weg zu finden.
Zum Schluss möchte ich die Aufmerksamkeit noch auf das Element der Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt lenken. Es ist bekannt, dass in vielen Mitgliedstaaten die Beschäftigung von Bürgern aus den neuen Mitgliedstaaten immer noch Beschränkungen unterliegt. Und das trotz Mahnungen seitens der Vertreter der Wirtschaft, die auf den Arbeitskräftemangel in vielen Branchen hingewiesen haben.
Solange noch Beschränkungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt in Kraft bleiben, solange werden die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und die Dienstleistungsfreiheit in Europa nur mit halber Kraft auf dem Weg zum Erfolg unserer Volkswirtschaften vorankommen.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE) , schriftlich. – (RO) Die überarbeitete Lissabon-Strategie hat positive Ergebnisse gezeitigt. Nichtsdestotrotz sollten wir uns mit den Bereichen befassen, in denen noch mehr Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden müssen, um das Beschäftigungsziel zu erreichen.
Ich beziehe mich hier vor allem auf die Probleme, die junge Menschen im Laufe ihrer Ausbildung und beim Eintritt in den Arbeitsmarkt haben. In der EU steigen 6 Millionen junge Menschen vor ihrem 18. Geburtstag aus dem Bildungssystem aus. Besorgnis erregend ist auch die Tatsache, dass von allen Arbeitslosen in der gesamten Europäischen Union 40 % junge Menschen sind. Darüber hinaus nehmen die meisten jungen Menschen, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen, weniger günstige Beschäftigungsbedingungen wie Teilzeitarbeit, befristete oder auf bestimmten Dienstleistungen basierende Arbeitsverträge in Kauf.
Mithilfe der beschäftigungspolitischen Leitlinien müssen wir mehr Lösungen für die Programme und Fonds finden, die die Europäische Union zur Förderung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich einführt.
Magda Kósáné Kovács (PSE) , schriftlich. – (HU) Die Beschäftigungsrichtlinie hat den Mitgliedstaaten der erweiterten Europäischen Union langfristige Leitlinien sowie Ziele und Instrumente zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen in der zweiten Durchführungsphase der Lissabon-Strategie verschafft. Seitdem ist klar geworden, dass eine Volkswirtschaft in einer Welt, die mit Wettbewerb leben muss, weder konkurrenzfähig noch effizient sein und sich auch nicht schneller als der Rest weiterentwickeln kann, wenn sie sich in der sozialen Wüste verirrt hat und versucht, dieses Ziel zu erreichen, während sie von Menschen umgeben ist, die Gefahr laufen, sozial ausgegrenzt zu werden.
Für ein Leben in Würde ist eine menschenwürdige Beschäftigung unerlässlich; dies wiederum erfordert potenzielle Arbeitskräfte, die über einschlägige Qualifikationen verfügen und in der Lage sind, ihre Fähigkeiten auf den neuesten Stand zu bringen, sowie Arbeitskräfte, die gesund und vor Diskriminierung geschützt sind.
Im Jahr 2006 haben die anerkannten Bedürfnisse der neuen Mitgliedstaaten eine Überarbeitung der Richtlinie erforderlich gemacht. Dieses Mal lag der Schwerpunkt auf Personen, die auf dem Arbeitsmarkt besonders benachteiligt sind, auf der hoffnungslosen Arbeitsmarktsituation älterer Frauen, auf der Isolation bestimmter Sprachen sowie auf Fragen im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Roma.
In den letzten beiden Jahren ist die Anzahl der Arbeitsplätze gestiegen, haben sich die Beschäftigungsquoten verbessert und sich auch die turbulenten Beschäftigungsindikatoren beruhigt. Die klassischen Arbeitsplätze – Vollzeitjobs, also vertraglich geschützte Beschäftigung an einem Arbeitsplatz – haben ein relativ langsames Wachstum verzeichnet, während Teilzeit- und Saisonarbeit sowie aufgrund von Lieferverträgen eingegangene Beschäftigungsverhältnisse massiv zugenommen haben.
Unter diesen geänderten Umständen bestreiten wir nicht, dass die Zeit des dogmatischen Arbeitsrechts vorbei ist. Eine extensive und intensive wirtschaftliche Entwicklung braucht flexible Rechtsvorschriften, die einen arbeitsrechtlichen Relativismus und die Abwertung von Sozialpartnerschaften und Tarifvereinbarungen verhindern.