Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Elizabeth Lynne im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU (Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG) (2007/2202(INI)) (A6-0159/2008).
Elizabeth Lynne, Berichterstatterin. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte den anderen Fraktionen für ihre Mitarbeit danken, insbesondere einigen der Schattenberichterstatter. Meiner Meinung nach haben wir durch unsere Zusammenarbeit einen guten Bericht geschaffen.
Ich habe mich in diesem Bericht mit der Umsetzung und Anwendung der aktuellen Richtlinien befasst, das heißt, mit der Beschäftigungsrichtlinie und der Gleichbehandlungsrichtlinie. Dabei habe ich mich besonders auf die Beschäftigungsrichtlinie konzentriert, da die Gleichbehandlung schon im vergangenen Jahr in einem sehr guten Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres behandelt wurde. Umsetzung und Anwendung insbesondere der Beschäftigungsrichtlinie weisen EU-weit Lücken auf, wenngleich sich auch bei der Gleichbehandlungsrichtlinie Probleme gezeigt haben. Darüber hinaus ist die Aufklärung der Bürger über mögliche Abhilfe in Diskriminierungsfällen mangelhaft.
Kommission, Mitgliedstaaten, Gewerkschaften sowie Interessenvertreter auf Regierungs- und Nichtregierungsseite müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Kenntnis der nach diesen Richtlinien geltenden Rechte zu verbessern. Die Mitgliedstaaten müssen zudem unabhängige Gremien mit ausreichenden Mitteln für die Förderung der Gleichbehandlung versorgen. Sie müssen angeregt werden, sicherzustellen, dass der Aufgabenbereich dieser Gremien alle Formen der Diskriminierung abdeckt.
Zu häufig wird es den Diskriminierungsopfern selbst überlassen, gegen die Diskriminierung vorzugehen, ohne dass ihnen Beistand geleistet würde oder ihnen die rechtlichen Mittel zur Verfügung stünden, um ihren Fall vor Gericht zu bringen. Das muss sich ändern. Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass Diskriminierungsopfer automatisch darin bestärkt und unterstützt werden, rechtliche Schritte einzuleiten. Wenngleich ich die Statistiken über die Diskriminierung begrüße, die die Kommission bereits zusammengetragen hat, glaube ich, dass wir weitere Zahlen und eine gemeinsame Norm für die Ermittlung dieser Zahlen benötigen.
Ich begrüße das Interesse der Kommission an Mehrfachdiskriminierungen. Dies ist einer der Gründe für die Forderung nach umfassenden Antidiskriminierungsvorschriften in meinem Bericht. Wir müssen uns von unserem bisherigen Stückwerk verabschieden. Es kann keine Hierarchie der Diskriminierung geben. Eine neue Richtlinie muss alle Formen der Diskriminierung und jeden Bereich des Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen umfassen, die bislang in den Regelungen auf der Grundlage von Artikel 13 noch nicht berücksichtigt wurden. Sie muss Behinderungen, Alter, Religions- oder Glaubenszugehörigkeit und sexuelle Orientierung umfassen. Rasse und Geschlecht sind bereits eingeschlossen, ebenso Beschäftigung.
Ich finde es bedauerlich, dass sich trotz des Einsatzes von Kommissar Špidla in dieser Angelegenheit und der Verpflichtung der Kommission zu einer horizontalen Richtlinie in ihrem Arbeitsprogramm für 2008, die wir insbesondere Kommissar Špidla zu verdanken haben, innerhalb der Kommission ein Rückzug in dieser Sache abzuzeichnen scheint. Kann die Kommission mitteilen, auf welchem Stand sich die Folgenabschätzungen befinden, welche Bereiche sie abdecken und wann sie veröffentlicht werden? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist jetzt nur noch von Rechtsvorschriften über Behinderung die Rede, mehr nicht. Das ist inakzeptabel, daher unser Änderungsantrag.
Schon seit Jahren setze ich mich für Regelungen auf der Grundlage von Artikel 13 ein, die Behinderung und Alter umfassen, aber inzwischen bin ich überzeugt, dass wir niemanden zurücklassen dürfen. Antidiskriminierung und Menschenrechte sind die Grundlage der Europäischen Union, und alle EU-Bürger müssen gleich behandelt werden.
Ich bitte Sie dringend, für meinen Bericht zu stimmen und, was noch wichtiger ist, für eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie, damit wir den Mitgliedern der Kommission, die unsere Meinung nicht teilen, sowie den Mitgliedstaaten signalisieren können, dass zumindest wir als Parlament entschlossen sind, der Diskriminierung ein für alle Mal ein Ende zu bereiten und einen Schlussstrich unter die groteske Vorstellung zu ziehen, dass es in Ordnung sei, irgendeinen Teil unserer Gesellschaft zu diskriminieren.
(Beifall)
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Herr Vorsitzender, meine verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Lynne für ihren ausführlichen und aktuellen Bericht danken. Die Kommission stimmt dem Bericht inhaltlich voll und ganz zu und unterstützt uneingeschränkt die Aufforderung zur vollständigen Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG. Bekanntlich hat die Kommission rechtliche Schritte gegen mehrere Mitgliedstaaten wegen Nichteinhaltung von EU-Rechtsvorschriften eingeleitet und wird nicht zögern, von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um für die strikte Einhaltung des EU-Rechts zu sorgen und in Fällen, in denen Rechtsvorschriften noch nicht umgesetzt werden, eine schnelle und systematische Verbesserung zu erreichen.
Die Kommission räumt überdies ein, dass die Kontrolle der Umsetzung beider Richtlinien verbessert werden muss. Aus diesem Grund erarbeitet die Kommission gegenwärtig Programme zur besseren Erfassung von Diskriminierungsfällen. Es geht vor allem um die konkrete Wirksamkeit im Einzelfall und nicht um abstrakte Wunschvorstellungen.
Im Bericht wird zudem die zentrale Rolle der Institutionen bei der Förderung der Gleichbehandlung unterstrichen. Sie nehmen eine Schlüsselrolle bei der Überwachung und der Hilfe für die Opfer ein, schärfen aber zugleich das Rechtsbewusstsein. Ich möchte dabei die entscheidende Bedeutung des Nichtregierungssektors auf diesem Gebiet hervorheben. Die Kommission unterstützt eine erweiterte Rolle der Institutionen und des Nichtregierungssektors bei der Bekämpfung von Diskriminierung, die nicht mit der ethnischen Herkunft oder dem Geschlecht im Zusammenhang steht.
Wie im Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 vermerkt, werde ich einen Änderungsvorschlag auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags unterbreiten, durch den der bestehende Schutz vor Diskriminierung auch auf Gebiete außerhalb des Arbeitsmarktes ausgedehnt werden könnte. Das Ende Juni zu verabschiedende, breiter gefasste Programm zum Thema Chancen, Einstellungen und Solidarität wird diesen Aspekt mit einschließen.
Gegenwärtig finden lebhafte politische Debatten über die Notwendigkeit weiterer Antidiskriminierungsvorschriften auf EU-Ebene statt. Es muss klar sein, dass es bei diesen Diskussionen nicht um das Ja oder Nein zur Bekämpfung von Diskriminierung geht, sondern um die effektivste Vorgehensweise. In Anbetracht der politischen Brisanz dieses Themas und der nicht gerade entgegenkommenden Haltung einiger Mitgliedstaaten muss das Terrain sehr sorgfältig sondiert werden.
Auf dem Seminar, das am 29. April im Vorfeld der Annahme der erneuerten Sozialagenda stattfand, waren wir uns darin einig, dass weitere gründliche Analysen erforderlich sind, bevor eine Entscheidung über die optimale Vorgehensweise getroffen werden kann. Wie auch immer die Entscheidung der Kommission in den nächsten Wochen lauten mag, sie wird auf der Basis einer detaillierten Analyse erfolgen. Die Entscheidung wird allen Aspekten der mehrfachen Diskriminierung sowie den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen und vor allem für die Betroffenen von Nutzen sein.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass die Kommission im Nachgang zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit eine Mitteilung herauszugeben beabsichtigt, in der konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes vor Diskriminierung in der EU festgelegt werden sollen. Parallel dazu wird die Kommission einen Bericht über politische Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Lage der Roma veröffentlichen.
Tatjana Ždanoka, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Lynne, vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie im Namen meiner Fraktion für ihre hervorragende Arbeit und diesen ausgezeichneten Bericht danken.
Leider ist die Diskriminierung noch immer eines der bedeutendsten und am meisten verbreiteten Menschenrechtsprobleme in der Europäischen Union. Was die bereits gültigen Antidiskriminierungsrichtlinien betrifft, so möchte ich betonen, dass sie nur Mindestnormen festlegen. Es ist beschämend, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten noch nicht einmal diese Mindestnormen umgesetzt und angewandt hat. Wir sind der Meinung, die Europäische Kommission sollte entschiedener mit dem Vertragsverletzungsverfahren gegen diese Mitgliedstaaten vorgehen.
Jeder Unionsbürger muss die Gewissheit haben, dass er oder sie nicht diskriminiert werden darf und dass er oder sie über wirksame Rechtsmittel verfügt, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten zudem Sensibilisierung und Ausbildung für den Kampf gegen die Diskriminierung aktiv fördern.
Ein weiteres Problem, von dem wir heute gerade gehört haben, beunruhigt mich noch mehr, und zwar die Tatsache, dass wir wirklich einen umfassenden rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung benötigen. Wenn ich Kommissar Špidla in seiner Erklärung richtig verstanden habe, können wir derzeit nicht sicher sein, dass das Arbeitsprogramm der Kommission für 2008, das unsere unbedingte Unterstützung fand und das den Vorschlag für eine Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes außerhalb der Beschäftigung unter Berücksichtigung aller Diskriminierungsgründe enthielt, dies leisten wird.
Für mich wäre es eine große Enttäuschung, sollte die Kommission einige Diskriminierungsgründe aus dem Schutzumfang ausschließen. Das würde bedeuten, dass wir unsere Werte ohne Weiteres aufgeben können und uns, sobald das Jahr der Chancengleichheit vorbei ist, wieder frei fühlen, europäische Bürger unterschiedlich zu behandeln. Das können wir nicht zulassen.
Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ablehnung von Diskriminierung ist ein grundlegender menschlicher Wert – darin sind wir uns alle einig. Die Europäische Volkspartei misst der Antidiskriminierungspolitik besondere Bedeutung bei. Wir sind davon überzeugt, dass es die unbestreitbare und unvermeidliche Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, dafür Sorge zu tragen, dass kein Unionsbürger diskriminiert wird.
Der Fraktion ist ebenso klar, dass sich leider nicht alle Probleme mithilfe von Gesetzen lösen lassen. Um Diskriminierung schrittweise aus der Welt zu schaffen, brauchen wir eine entsprechende politische Kultur, brauchen wir Toleranz im Alltag, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Leben, bei der Kommunikation, von der nationalen bis zur lokalen Ebene, und dabei muss die gesamte Gesellschaft an einem Strang ziehen.
Die Praxis hat gezeigt, dass die Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien keine leichte Aufgabe ist. Der Hälfte der Mitgliedstaaten ist es nicht gelungen, die Richtlinien angemessen in nationales Recht umzusetzen oder sie korrekt anzuwenden. In den europäischen Rechtsvorschriften besteht eine regelrechte Kluft zwischen Artikel 13 des EG-Vertrags und den geltenden Richtlinien. Das bedeutet, dass nicht allen „geschützten“ Gruppen – also den in Artikel 13 genannten Personenkreisen – im europäischen Recht dieselben Rechte garantiert werden, was den Zugang zu Waren und Dienstleistungen anbelangt.
Zur Überbrückung dieser Kluft besteht die Lösung nach Ansicht der Europäischen Volkspartei jedoch nicht in der Annahme einer umfassenden Richtlinie, da diese kaum umsetzbar und ineffizient wäre. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass dringend eine europäische Richtlinie erforderlich ist, um die Diskriminierung der 84 Millionen Behinderten in Europa auf nicht-hierarchische Weise zu beseitigen, damit Menschen mit Behinderungen in der ganzen EU dieselben Rechte genießen.
Da die durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung steigt und altersbedingte chronische Krankheiten häufig die Gesundheit beeinträchtigen, wird die Anzahl der Menschen mit Behinderungen künftig weiter zunehmen. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Ansatz diesen Menschen eine wirksamere und praktischere Hilfe sein wird. Aus diesem Grund würde die Fraktion eine darauf ausgerichtete Initiative der Europäischen Kommission unterstützen. Vielen Dank.
Magda Kósáné Kovács, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Der hervorragende Bericht von Frau Lynne basiert auf der Verpflichtung, die sich daraus ergibt, dass es in unserer Gesellschaft das Phänomen der negativen Diskriminierung gibt. Diese ist nicht nur nicht verschwunden aus dem Europa der Spitzenklasse; nein, einer Eurobarometer-Umfrage zufolge nimmt sie sogar noch zu – was die Unionsbürger spüren können. Ich möchte noch hinzufügen, dass uns die Erweiterung einen Anstieg neuer Formen von Diskriminierung gebracht hat wie etwa Diskriminierungen, denen mehrfach benachteiligte Menschen ausgesetzt sind; die Diskriminierung der Roma wird heutzutage immer heftiger.
Die Mehrheit des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hat für die Annahme einer horizontalen Richtlinie gestimmt. Wir erinnern uns noch alle an die Spuren des Misstrauens des Parlaments gegenüber der neuen Kommission, eines Misstrauens, das aufgrund der erklärten Haltung eines Nominierten zur Diskriminierung die Oberhand gewann. Damals versprach die Kommission, dass sie aufgrund der ihr in Artikel 13 des EG-Vertrags übertragenen Befugnisse Maßnahmen ergreifen werde, um Rechtsvorschriften gegen sämtliche Formen der Diskriminierung einzuführen und eine Rechtsgrundlage für den Umgang mit Verstößen zu schaffen.
Außerdem muss die Kommission unbedingt die Umsetzung der bestehenden EU-Vorschriften durch die Mitgliedstaaten beurteilen und bei Nichtumsetzung der geltenden Richtlinien Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Was die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament betrifft, so kann sie es nicht hinnehmen, dass eine Hierarchie eingeführt wird, weder im EG-Vertrag noch bei den Diskriminierungsverboten, die in der Änderung zum Vertrag von Lissabon aufgeführt werden sollen. Wir sind nicht bereit, uns mit der Frage zu befassen, wer am meisten leidet – Menschen mit Behinderung, Homosexuelle oder ältere Menschen.
Was uns betrifft, so stellt der Vorschlag in Frau Lynnes Bericht eine potenzielle rechtliche Lösung dar; anders ausgedrückt, wir erwarten von der Kommission eine allgemeine, horizontale Richtlinie, obwohl das natürlich nicht ausschließt, sondern vielmehr verlangt, dass für verschiedene Sektoren und sonstige Fälle spezielle Bestimmungen formuliert werden.
Ich bin davon überzeugt, dass dies auch die Meinung der Unionsbürger ist, die Opfer von Diskriminierung sind oder werden können. Vielen Dank.
Bernard Lehideux, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Lynne, Ihre Arbeit und Ihr Engagement für dieses wichtige Dossier waren bemerkenswert. Ich war einer der Ersten unserer Fraktion, die dies im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten feststellen konnten, und ich danke Ihnen dafür herzlich.
Ein Schutzrecht wirkt nur, wenn es effektiv angewendet wird. Daher teile ich Ihre Besorgnis, Frau Lynne, über die ungenügende Umsetzung der Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierungen in bestimmten Mitgliedstaaten. Diese Situationen sind inakzeptabel und müssen Gegenstand eines nachhaltigen und gezielten Handelns seitens der Kommission sein. In diesem Bereich darf es keine Nachsicht geben.
Doch ein Schutzrecht ist ebenfalls nur von Nutzen, wenn es wirklich von denen in Anspruch genommen werden kann, die es schützen soll. Deshalb bin ich wie Sie der Meinung, dass darauf zu achten ist, dass die Opfer von Diskriminierungen auch wirklich Zugang zu den Informationen und zu den Mitteln haben, um sich wehren zu können. Dafür sind die Mitgliedstaaten verantwortlich, und hier dürfen keine Versäumnisse geduldet werden.
Doch Ihr Bericht kann als wesentliche Etappe angesehen werden, vor allem aufgrund der umfassenden Auffassung von Diskriminierung, die Sie darin vertreten. Ich unterstützte voll und ganz Ihre Forderung nach einer generellen Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierungen aller Art. So wie Sie bin auch ich überzeugt, dass ein einheitlicher Ansatz unabdingbar ist, der alle Diskriminierungsgründe abdeckt. Artikel 13 ist keine Aufforderung zum Nichtstun oder zu unabgestimmtem Handeln, sondern ein Gebot zum Handeln.
Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten unsere Befürchtungen und theoretischen Debatten hinter uns lassen. Der Vorschlag einer generellen Richtlinie ist eine Notwendigkeit und ein Gebot des gesunden Menschenverstands. Es gibt hier eine große Mehrheit, die diese Überzeugung teilt und Sie auffordert, Herr Kommissar, dies zur Kenntnis zu nehmen.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch wir begrüßen den Bericht von Elizabeth Lynne und unterstützen mit ganzem Herzen den Einsatz für eine umfassende Richtlinie. Wir sehen diese als Teil des kulturellen Umdenkens, von dem Frau Bauer sprach. Allerdings spüren wir alle, wie ungeschickt sich die Kommission in dieser Sache vorwärtsbewegt, und wir fordern sie auf, wirklich Mut zu beweisen und in dieser Frage auch tatsächlich die Führung zu übernehmen.
Was uns betrifft, so halten wir umfassende Rechtsvorschriften für wichtig. Diese würden beispielsweise einige der Schlupflöcher beseitigen, die rassistische und fremdenfeindliche Personen gern für religiöse Diskriminierung zu missbrauchen versuchen, um ihre rassistische Haltung zu verschleiern.
Wichtig ist, dass wir uns von einigen dieser willkürlichen Eckpunkte trennen, beispielsweise im Bereich Früherkennung und Gesundheitsversorgung, wo sie sich eher auf das Alter als auf Anzeichen stützen.
Die Berichterstatterin findet auch in ihrem Wunsch nach einem proaktiven Herangehen unsere volle Unterstützung, das dazu dienen soll, die Menschen für ihre Rechte zu sensibilisieren und ihnen den Zugang zu diesen Rechten zu ermöglichen. Dies soll durch wirksamen Rechtsbeistand und starke unabhängige Gremien geschehen.
Daher begrüßen wir diesen Bericht und unterstützen ihn in seiner jetzigen Fassung.
Jan Tadeusz Masiel, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich gratuliere Frau Lynne zu ihrem sehr praktisch orientierten Bericht über diese wichtige Problematik. Allerdings überrascht mich der Gebrauch der Sprache etwas, da er in gewisser Hinsicht an die Sprache des Totalitarismus erinnert. Wüsste ich nicht, dass die Berichterstatterin der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa angehört, hätte ich gedacht, dieser Bericht wäre von jemandem von der kommunistischen Seite ausgearbeitet worden. Nach meinem Dafürhalten ist es – was hier geschehen ist – gefährlich, so ins Detail zu gehen und aufzuzählen, welche Arten von Diskriminierung nicht zugelassen werden sollten und wie wir uns zu verhalten haben, wo es doch darum geht, Diskriminierung überhaupt auszuschließen. Die Menschheit hat alle ihre Anordnungen und Verbote in den Zehn Geboten formuliert, und dort sind sie in knapper Form zum Ausdruck gebracht: Du sollst nicht töten, Du sollst nicht ehebrechen. Wir sollten einfach sagen: Du sollst nicht diskriminieren und alles andere dem Feingefühl und der Kompetenz von Menschengruppen und Mitgliedstaaten überlassen. Dennoch halte ich den Bericht für annehmbar, vorausgesetzt, Änderungsantrag 7 der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten wird angenommen.
Bairbre de Brún, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Der Bericht von Liz Lynne unterstreicht die Notwendigkeit eines umfassenden rechtlichen Rahmens, der Diskriminierung außerhalb des Arbeitsplatzes verhindert und ein großes Themenspektrum berücksichtigt.
Millionen von Menschen – ältere Menschen und andere Gruppen – werden Tag für Tag in der EU diskriminiert, sei es bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Gesundheits-, Bildungs- oder Verkehrswesen, sei es beim Versuch, eine Versicherung abzuschließen oder einen Kredit zu beantragen.
Dieselben Gruppen sahen sich bereits vor dem Erlass konsequenterer Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene mit Schwierigkeiten im Beschäftigungsbereich konfrontiert. Wirksame Regelungen auf EU-Ebene führten zu Veränderungen in der Einstellung vieler Arbeitgeber. Es war eine europäische Richtlinie, die die Mitgliedstaaten zwang, der Diskriminierung in der Arbeitswelt ein Ende zu setzen. Nichtsdestotrotz bleibt noch immer viel zu tun. Es ist zwingend notwendig, weitreichende Regelungen auf europäischer Ebene zu treffen, damit die individuellen Rechte im Bereich der Waren und Dienstleistungen gestärkt werden.
Ich möchte der Berichterstatterin für ihre Arbeit Anerkennung zollen und zugleich meine Kolleginnen und Kollegen bitten, gegen Änderungsanträge zu stimmen, die den Schutz der Menschenrechte schwächen.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Seit neun Jahren sitze ich im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten neben meiner sehr geschätzten Kollegin aus den West Midlands im Vereinigten Königreich, der aktuellen Berichterstatterin Elizabeth Lynne.
Fast ausnahmslos waren wir in nahezu jeder Frage einer Meinung, ohne über Kompromissänderungsanträge verhandeln zu müssen, weil sich unsere Ansichten ohnehin sehr ähnelten.
Ich vermute, zu jeder Regel muss es eine Ausnahme geben, und zu meiner großen Überraschung ist dieser Bericht genau das. Es ist, offen gesagt, eine große Enttäuschung, dass, unserer Meinung nach, politische Posen hier den Weg zur Beschäftigung mit dem eigentlichen Problem versperren.
Darf ich gleich darauf hinweisen, bevor sich linksgerichtete Abgeordnete erheben und auf die ihnen übliche Weise meine Worte verdrehen, dass alle meine Kollegen aus dem Mitte-Rechts-Lager und ich Diskriminierung in jedweder Form zutiefst ablehnen. Wir alle im Mitte-Rechts-Lager wollen geeignete Wege finden, sie auszumerzen, und würden grundsätzlich auch eine gezielte Richtlinie zur Unterstützung Behinderter gutheißen, wie sie von der Kommission derzeit erwogen wird.
Wir vertreten jedoch den klaren Standpunkt, dass eine „umfassende und breit angelegte“ EU-Richtlinie gegen die Diskriminierung, die letzten Endes nichts weiter ist als eine unbefristete Einladung an die Kommission, immer neue Standard-EU-Gesetze in einem höchst sensiblen Bereich zu erlassen, wenig dazu beitragen wird, die derzeitigen Probleme zu lösen und sogar kontraproduktiv sein könnte. Wir haben unsere eigenen Änderungsanträge eingebracht, um diesen Punkt zu bekräftigen.
Obschon einige Aspekte anhaltender Diskriminierung in der Tat noch immer ein Problem darstellen mögen, geht der Vorschlag, diesen Umstand durch allgemeinere EU-Rechtsvorschriften vielleicht lösen zu können, unserer Meinung nach weit am Ziel vorbei. Die bestehenden Antidiskriminierungsgesetze der EU erweisen sich in der Praxis immer wieder als schwer anwendbar. Wir müssen die Anwendung der bestehenden Gesetze verbessern und die Probleme der Anwendung besser verstehen lernen, bevor wir den Weg immer neuer EU-Richtlinien gehen.
Wie es eine Organisation des Vereinigten Königreichs in der vergangenen Woche treffend formulierte, lässt sich die Diskriminierung in den meisten Fällen nicht durch zusätzliche Gesetze lösen. Unsere Zeit wäre sinnvoller genutzt, würden wir sie auf multikulturelle, multikonfessionelle Veranstaltungen verwenden, die dazu beitragen, Wahrnehmungen zu verändern. Dem stimmen wir zu.
Ich darf Kommissar Špidla meinen Dank für seine bedachten einleitenden Worte aussprechen und sagen, dass wir uns sehr auf die Antwort der Kommission zu gegebener Zeit freuen.
Stephen Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich denke, die Kritik von Philip Bushill-Matthews unterstreicht nur, wie gut der Bericht von Elizabeth Lynne tatsächlich ist! Ich meine, wir sollten sie beglückwünschen. Sie hat eine sehr gute Arbeit geleistet, indem sie die unzulängliche Anwendung und Umsetzung der beiden im Jahr 2000 verabschiedeten Richtlinien über Gefahren und Diskriminierung am Arbeitsplatz hervorgehoben hat.
Doch damals erkannten Sie, Herr Kommissar, und der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, dass die Diskriminierung nicht an den Toren von Büros oder Fabriken endet. Damals erkannten wir die Notwendigkeit eines weiter reichenden Vorgehens durch die Einführung einer horizontalen Richtlinie, mit der sich alle Formen der Diskriminierung in der gesamten Gesellschaft bekämpfen ließen. Sie erklärten öffentlich Ihre Unterstützung für diesen Plan, und auch Ihr Präsident, Kommissionspräsident Barroso, verpflichtete sich öffentlich zu einer solchen horizontalen Richtlinie.
Wir sind daher sehr verwirrt, dass in der Kommission in dieser Hinsicht zurückgerudert wird und ein Umdenken stattfindet, dass man sich möglicherweise auf Behinderungen konzentrieren möchte. Ich habe gehört, dass die Kommission zurzeit drei mögliche Optionen in Erwägung zieht: die horizontale Richtlinie, die noch nicht abgeschrieben ist, zweitens eine gezielte Richtlinie über Behinderungen oder, die dritte Möglichkeit, eine Richtlinie über Behinderungen und eine weitere Form der Diskriminierung.
Worin die Logik dieser letzten Option besteht, kann ich einfach nicht erkennen. Was wir nun unverzüglich brauchen, Herr Kommissar, ist ein Verfechter dieser horizontalen Richtlinie, der sie selbst sich verpflichtet haben. Wie Elizabeth Lynne sagte, kann es innerhalb der Europäischen Union keine Hierarchie der Diskriminierungen geben. Alle Bürger der Europäischen Union sind gleich und müssen auch dementsprechend behandelt werden. Wir dürfen eine Diskriminierung, aus welchen Gründen auch immer, gegen irgendeinen Teil unserer Gemeinschaft nicht hinnehmen.
Bei der Tagung der vergangenen Woche in Brüssel ist mir zu Ohren gekommen – und auch Sie haben es heute angedeutet, Herr Kommissar, ebenso wie Philip Bushill-Matthews gerade eben –, dass wir nicht tätig werden sollen, weil gegen einige Mitgliedstaaten, die die bestehenden Richtlinien nicht eingehalten haben, Verstoßverfahren eingeleitet worden sind. Dieser Argumentation können wir uns nicht anschließen. Wir können nicht zulassen, dass wir von Mitgliedstaaten gezwungen werden, uns bei der Anwendung und anschließenden Durchführung der Richtlinien am letzten Glied der Kette zu orientieren. Sie, Herr Kommissar, haben das Initiativrecht. Von diesem Recht müssen Sie Gebrauch machen. Wir müssen entschlossen handeln. Sie müssen entschlossen handeln und die vollständige Einhaltung gewährleisten. Sie dürfen den Mitgliedstaaten nicht gestatten, eine Verschwörung anzuzetteln, durch die wir gezwungen wären, uns am letzten Glied der Kette zu orientieren.
Wir müssen zudem unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Bedarf an Rechtsbehelfen und Rechtsdurchsetzung richten, an wirksamen Rechtsbehelfen, die sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten die im Jahr 2000 angenommenen Richtlinien tatsächlich vollständig einhalten. Ich empfehle vorbehaltlos den Bericht von Elizabeth Lynne.
Der Präsident. − Ich möchte die kurze Pause nutzen, um in unser aller Namen hier im Parlament die verschiedenen Besuchergruppen auf der Tribüne willkommen zu heißen. Wir fahren nun mit unserer Aussprache fort.
Sophia in ’t Veld (ALDE). – (EN) Herr Präsident! 2004 erhielt diese Europäische Kommission grünes Licht vom Europäischen Parlament nur aufgrund des feierlichen Versprechens, sich maßgeblich für die Grundrechte einzusetzen. Es reicht aber nicht, sich nur zur Gleichberechtigung zu bekennen. Die EU-Bürger müssen über die Rechtsmittel verfügen, um ihre Rechte vor Gericht verteidigen zu können. Nun sucht die Europäische Kommission verzweifelt nach Ausreden, um ein generelles Diskriminierungsverbot zu umgehen. Dazu gehört zum Beispiel die, dass es weiterer Untersuchungen bedürfe – als wenn wir nicht alle sehen könnten, dass die Diskriminierung überall ist – oder dass im Rat keine Einigung besteht – nun, das hat die Europäische Union noch nie davon abgehalten, ihre Vorschläge in anderen Bereichen durchzusetzen, zum Beispiel in der Energiepolitik. Und vergessen wir nicht, dass die Diskriminierung schon auf der Grundlage der Verträge verboten ist. Aber wenn wir keine Gesetze erlassen, erledigen dies die Gerichte für uns. Ich erwarte daher, dass die Europäische Kommission selbst Verantwortung übernimmt und sich für die Rechte der europäischen Bürger einsetzt, denn wenn die horizontale Richtlinie schon scheitern muss, so soll sie im Rat scheitern und nicht in der Kommission.
(Beifall)
Elisabeth Schroedter (Verts/ALE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Kollegin in 't Veld hat es deutlich gesagt, ich kann nur noch einmal darauf hinweisen: Wir brauchen die Rahmenrichtlinie, um allen Menschen den gleichen Diskriminierungsschutz zu gewähren. Es ist nicht hinzunehmen, dass zum Beispiel homosexuellen Menschen oder alten Menschen weniger Menschenrechte zugebilligt werden als Menschen mit Migrationshintergrund. Dieser Zustand muss wirklich dringend beendet werden!
Ich kann auch nur noch einmal daran erinnern, dass Herr Barroso hier persönlich versprochen hat – als er für die Zustimmung des Parlaments zur Kommission geworben hat –, diese Rahmenrichtlinie herauszubringen. Und als Deutsche muss ich sagen: Ich finde das Verhalten der deutschen Regierung zynisch. Bei uns zu Hause gibt es ein Gesetz, das alle Merkmale in gleicher Weise schützt, aber hier auf europäischer Ebene führt sie eine Kampagne gegen die Rahmenrichtlinie, und das ohne plausible Gründe. Das ist aus meiner Sicht reiner Populismus auf Kosten der Menschenrechte.
Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Der Kampf gegen Diskriminierung – ob aufgrund von Glauben, Geschlechtszugehörigkeit oder Behinderung – ist einer der Grundpfeiler der Europäischen Union. Diese Politik ist in all unseren Verträgen sowie in der Gesetzgebung verankert.
Was die Bekämpfung direkter bzw. indirekter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts betrifft, hat sich diese Politik in der Europäischen Union als äußerst erfolgreich erwiesen. Heute lässt sich die Situation anhand der Richtlinien und Verträge messen, und dabei ist festzustellen, dass die politischen Maßnahmen nur unbefriedigend greifen, obwohl die EU über das fortschrittlichste Gesetzgebungsverfahren der Welt verfügt.
Demnach stehen uns zwei Optionen offen. Die Haltung der Opposition lautet: Einführung eines weit gefassten, neuen Konzepts, um die Probleme auf diese Weise zu lösen. Meines Erachtens funktioniert dies so nicht. Den Beweis dafür hat die Gesetzgebung von 2000 geliefert, kraft derer gegen zehn Mitgliedstaaten, einschließlich der Niederlande, Vertragsverletzungsverfahren aufgrund der unklaren Funktionsweise bestimmter Bestimmungen in deren Gleichstellungsgesetzen eingeleitet wurden. Neue weit gefasste Gesetze bieten mithin auch keine Abhilfe, denn das hieße, dass es bei bloßer Rhetorik bleibt.
Wir sollten darum in wesentlich größerem Umfang auf Mentalität und Aktionsprogramme setzen und dafür Sorge tragen, dass der Diskriminierung, auch indirekter Art, ein Ende bereitet wird. Wir müssen für eine konsequentere Umsetzung sorgen. Daneben muss auch für Probleme, die klar formuliert werden können, nämlich die von behinderten Menschen, eine Lösung gefunden werden.
Ich schließe mich daher von ganzem Herzen dem Appell von Frau Bauer sowie einiger Mitglieder unserer Fraktion an und hoffe, dass unsere ausgezeichnete Rahmengesetzgebung nun auch wirklich umgesetzt wird. Ich danke Ihnen herzlich.
Lissy Gröner (PSE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Kollegin Lynne für den Bericht, er kommt zur richtigen Zeit. Ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen von der EVP: Wir haben die Lohndiskriminierung von Frauen seit 40 Jahren im Vertrag. Da hat sich nichts Wesentliches geändert. Wenn Sie von der EVP bei Ihrer Ablehnung einer horizontalen Richtlinie bleiben, wird für mich sehr klar: Ihre Werte und Grundsätze beziehen sich auf die Sonntagsreden und die Jubiläen in der Europäischen Union. Sie wollen gar keine Gleichbehandlung! Die Diskriminierung von Schwulen und Lesben zum Beispiel nehmen Sie hin. Sie wollen, dass das eine politische Kultur ist. Nein, das ist es für mich nicht!
Chancengleichheit umfasst alle Kriterien von Artikel 13, und es müssen endlich auch Mehrfachdiskriminierungen berücksichtigt werden. Antidiskriminierungspolitik kann nur dann glaubwürdig sein, wenn sie selbst nicht wieder diskriminiert. Es gab eine Flut von Verfahren und Klagen in der Europäischen Union. Das war alles Propaganda, um gewisse Mindeststandards zu unterlaufen. Die Mitgliedsländer, die noch nicht so weit sind, müssen sich eben sputen. Die Vertragsverletzungsverfahren sind angebracht, auch gegen mein Land Deutschland.
Ich appelliere jetzt an die Kommission, an jeden einzelnen Kommissar und jede einzelne Kommissarin, dass sie sich eindeutig für eine klare horizontale Richtlinie aussprechen und einer Hierarchisierung von Menschenrechten in der Europäischen Union einen Riegel vorschieben. Wir müssen unsere EU-Politik vertragsgemäß umsetzen. Artikel 13 ist Teil des Vertrags, und deshalb muss dies alles wie im Bericht Lynne angekündigt erfasst werden.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Frau Lynne für ihre Arbeit danken. Das Parlament schickt sich an, erneut eine horizontale Richtlinie zu fordern. Das wäre dann das neunte Mal, Herr Kommissar Špidla, dass es das tut. Da das Parlament also heute exakt zum neunten Mal diesen Schritt unternimmt, hätten wir uns vom Kommissar mehr Klarheit in diesem Hohen Haus erwartet, teils, weil das eine Verpflichtung von Präsident Barroso war, und teils, weil wir an die so genannte Folgenabschätzung glauben, die momentan in Arbeit ist.
Ehrlich gesagt, ist der Gedanke einiger Kollegen von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, sich einer horizontalen Richtlinie zu widersetzen, nicht nachvollziehbar. Man mag bestimmten Linken zu Recht vorwerfen, dass sie die Gesellschaft in Interessengruppen und Vertretungen von Interessengruppen spalten will. Doch nun habe ich den Eindruck, Sie versuchen heute das hier zu tun: die Behinderten, ja, weil das politisch korrekt ist; andere Formen der Diskriminierung, nein, lasst uns warten...
Frau Oomen-Ruijten ist nicht anwesend, doch die Linken sagen auch gern, es wäre nützlicher, die Denkweise anstatt die Gesetze zu ändern. Diesmal hören wir das nun von den Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion. Lassen Sie uns über individuelle Rechte sowie darüber reden, nicht die eine Interessengruppe oder Minderheit gegen die andere auszuspielen, sondern die Nichtdiskriminierung für alle Bürger zu gewährleisten. Das macht Sinn, und das ist es, was zu tun wir von Ihnen verlangen. Ehrlich gesagt, brauchen wir keine Maßnahmen, die mehr auf die eine als auf die andere Kategorie ausgerichtet sind. Die EU-Bürger brauchen das nicht.
Anja Weisgerber (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem sind wir uns alle einig: Wir sind gegen jegliche Form der Diskriminierung. Das möchte ich ganz zu Beginn klarstellen. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man dieses Ziel erreichen kann. Ich bin der Ansicht, dass der Schutz vor Diskriminierung auf europäischer Ebene nicht zwingend besser geregelt werden kann als auf nationaler. Auch hier sollten wir das Subsidiaritätsprinzip beachten. Viele Lebensbereiche sind derzeit durch die Antidiskriminierungsvorschriften der EU geregelt. In den letzten Jahren sind vier Antidiskriminierungsrichtlinien verabschiedet worden: die Antirassismus-, die Beschäftigungs-, die Gleichberechtigungs- und die Unisex-Richtlinie.
Derzeit laufen sehr viele Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten wegen Problemen bei deren Umsetzung. Genau genommen sogar gegen 20 Länder, das sind drei Viertel der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Rechtsunsicherheit ist hier offensichtlich sehr groß. Ein neuer, breiter und pauschalisierender Ansatz in Form einer Rahmenrichtlinie ist die falsche Antwort auf die hier bestehenden Rechtsunsicherheiten. Die gegenwärtigen Probleme müssen erst analysiert werden, bevor die Kommission neue Richtlinien vorschlägt.
Ansonsten sind das Resultat mehr Bürokratie, mehr Kosten für die Bürger und weniger Rechtsklarheit, womit niemandem, insbesondere nicht dem Kampf gegen Diskriminierung, gedient ist. Aus diesem Grund bin ich wie meine Fraktion gegen die Artikel im Bericht Elizabeth Lynne, die eine Rahmenrichtlinie, eine horizontale Richtlinie fordern. Wenn die anderen Fraktionen sich aber durchsetzen und die Forderung nach einer Rahmenrichtlinie bestehen bleibt, sehe ich mich gezwungen, gegen den Bericht zu stimmen. Nicht, weil ich gegen einen Schutz vor Diskriminierung bin, sondern weil eine Rahmenrichtlinie auf europäischer Ebene meiner Meinung nach der falsche Weg ist. Im Bereich der Behinderung haben alle Mitgliedstaaten und auch die Europäische Gemeinschaft die UN-Behindertenkonvention unterzeichnet. Hier müssen und werden wir unseren Verpflichtungen nachkommen. Mit einer weiteren unklaren und schwammigen Rahmenrichtlinie helfen wir allerdings niemandem.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Als ich im Jahr 2000 Mitberichterstatter des Parlaments für die Gleichbehandlungsrichtlinie war, sagte uns der damalige portugiesische Ratsvorsitz zu, es werde keine Hierarchie der Diskriminierung geben, und weitere Rechtsvorschriften würden folgen.
Am 26. Oktober 2004 versprach Präsident Barroso vor diesem Parlament und noch während der Amtszeit dieser Kommission eine Rahmenrichtlinie über, ich zitiere: „alle Formen von Diskriminierung“. Die Kommission wiederholte dieses Versprechen in ihrer jährlichen politischen Strategie für 2008. Jetzt ist es an der Zeit, es einzulösen.
Ich meine, es ist keine Entschuldigung, dass die Mitgliedstaaten in einigen Fällen absichtlich die Umsetzung der Antidiskriminierungsvorschriften im Bereich Beschäftigung hinauszögern, aber es wird als Entschuldigung gebraucht, und die Kommission darf nicht zulassen, dass der Letzte im Glied allen anderen sein Tempo aufzwingt.
Vor zwei Wochen traf ich Bundesministerin Zypries in Deutschland und Ministerin Follett in Großbritannien. Sie sind zu Gesprächen bereit. Geben wir ihnen etwas, worüber sie reden können!
Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir 1,3 Millionen Unterschriften für eine Behindertengesetzgebung zusammengetragen haben. Aber als Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Behinderte möchte ich meine Unterstützung einer horizontalen Richtlinie zu Protokoll geben. Sie werden nicht spalten, um zu herrschen.
Abschließend möchte ich feststellen, dass es keinen Sinn ergibt, wenn die Konservativen behaupten, Diskriminierung aufgrund von Religion, Alter oder sexueller Orientierung zu verabscheuen, dann aber gegen eine Gesetzgebung stimmen, die sich gegen diese Diskriminierungsformen richtet, und so schwulen, jungen und alten Europäern gleiche Rechte absprechen, ebenso wie religiösen Minderheiten. Und „Business Europe“ sollte sich für die Behauptung in seiner Antwort auf die Befragung durch die Kommission vom 12. Oktober 2007 schämen, in der es heißt, Business Europe sehe keinerlei Anzeichen für eine Diskriminierung aus einem der in Artikel 13 genannten Gründe. In der Testgruppe der Kommission gaben 89 % der 293 befragten Unternehmen an, sich eine EU-Gesetzgebung für gleichen Schutz zu wünschen. Sie wollen sie, das Parlament wird für sie stimmen, Europa braucht sie.
(Beifall aus der Mitte und von links)
Holger Krahmer (ALDE). – Herr Präsident! Ich danke Liz Lynne dafür, dass sie sich dem Thema Antidiskriminierung widmet, und ich bin bis zu einem bestimmten Punkt auch völlig auf ihrer Seite. Aber, liebe Liz, liebe Elisabeth Schroedter, liebe Lissy Gröner, liebe Sophia, Ihr meint es gut, aber Ihr tut dem Anliegen am Ende keinen Gefallen, wenn Ihr jetzt eine weitere Richtlinie gegen Diskriminierung fordert, die über das hinaus geht, was wir in Europa bereits haben.
Ich sage das hier ganz bewusst und ganz offen als homosexueller Mensch: Ihr tut den Menschen, die Ihr schützen wollt, keinen Gefallen. Am Ende wird sich eine weit reichende Antidiskriminierungsregelung gegen die Menschen richten, die Ihr hier schützen wollt. Warum ist das so? Wenn wir die Antidiskriminierung ausweiten auf den Zugang zu Waren und Dienstleistungen und auf eine Beweislastumkehr, dann schaffen wir eine Klima der versteckten Diskriminierung. Es wird kaum noch einen Arbeitgeber geben, der offen bereit ist, über Diskriminierung zu sprechen. Bewerber, die möglicherweise ein Risiko in sich bergen, vielleicht schon aufgrund des Passbilds, werden im Zweifelsfall vom Arbeitgeber kaum mehr kontaktiert.
Wir tun am Ende den Menschen keinen Gefallen. Wir sollten uns vielmehr darum kümmern, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie, die wir heute haben, umgesetzt wird, und schauen, wie sie wirkt. Wenn wir einen Wust an Bürokratie und Prozessen, und auch Rechtsunsicherheit verursachen, wird die Akzeptanz von Antidiskriminierungsregelungen bei den Menschen in der Europäischen Union zurückgehen.
Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir steht so viel Zeit zur Verfügung, dass ich hoffe, sie richtig zu nutzen, wo ich doch daran gewöhnt bin, nur eine Minute zu sprechen. Ich hörte, wie mein Kollege Bushill-Matthews sagte, er selbst stimme stets mit Frau Lynn überein, doch die Ausnahme bestätige die Regel und diesmal sei er völlig anderer Meinung als sie.
Ich muss meinem lieben Freund Bushill-Matthews sagen, dass auch wir beide uns immer einig sind, doch diesmal, ohne unsere traditionelle Übereinstimmung bei allen Beschlüssen verraten zu wollen, muss ich sagen, dass Du es mit einer Ausnahme zu tun hast, weil ich diesen Vorschlag für eine horizontale Richtlinie, den Frau Lynn an die Kommission richtet, uneingeschränkt befürworte. Wie könnte es auch anders sein, wo ich doch in den vergangenen vierzig Jahren in meinem Heimatland Italien erlebt habe, dass Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihres Alters diskriminiert wurden, dass ältere Menschen rechtlos sind, nur weil sie alt sind?
Ich denke dabei insbesondere an die Tatsache, dass es in Italien ein Gesetz gibt, wonach die Erwerbsunfähigen, wenn sie jung sind, Anspruch auf Unterstützungsleistungen haben, sind sie jedoch alt, besteht dieser Anspruch nicht, selbst wenn sie dieselben Behinderungen haben. Ich verstehe nicht, wieso wir noch Jahre warten sollen, ehe die von Frau in't Veld dargelegte rechtliche Möglichkeit besteht, die Rechte, die laut Artikel 13 des Vertrags von Amsterdam allen Bürgern zuerkannt werden, gerichtlich einzuklagen.
Zita Gurmai (PSE). – (HU) Sehr geehrte Damen und Herren! Die europäische Einheit basiert nicht nur auf der Wirtschaft, sondern auch auf vielen bedeutenden Werten. Dazu zählen die Unantastbarkeit der Menschenwürde, Freiheit, Verantwortungsbewusstsein, Solidarität, Vielfalt und die Einhaltung des Grundsatzes der Diskriminierungsfreiheit. Auch Toleranz und gegenseitige Achtung gehören dazu.
Diese Grundsätze sollten nicht nur politisch erklärt, sondern auch rechtlich festgeschrieben werden, um zu gewährleisten, dass keine Unterscheidungen mehr aufgrund von Diskriminierung getroffen werden können und dass die Bevölkerung umfassend geschützt wird. Das europäische Projekt wird nur durchführbar sein, wenn wir sicherstellen können, dass benachteiligte Gruppen der Gesellschaft ihre Rechte ausüben können. Eine umfassende Integration dieser Gruppen liegt in unser aller Interesse und wir müssen entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit dies auch geschieht.
Daher sind alle Mitgliedstaaten daran interessiert, dass sämtliche Bestimmungen der EG-Richtlinien 2000/43 und 2000/78 korrekt, effektiv und uneingeschränkt umgesetzt und in der Praxis richtig angewandt werden, damit die benachteiligten Gruppen tatsächlich von der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht profitieren.
Rechtsvorschriften haben nur einen Wert, wenn sie auch in der Praxis zur Anwendung kommen. Die Überwachung ihrer Umsetzung ist eine besonders wichtige Aufgabe, der sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene besondere Beachtung geschenkt werden muss. Wir müssen Prüfmechanismen entwickeln, mit deren Hilfe wir die jeweiligen Auswirkungen untersuchen können. Wir müssen Nichtregierungsorganisationen mit einbeziehen, die konkrete Rückmeldungen geben können, und einen sozialen Dialog mit ihnen beginnen. Ich bin davon überzeugt, dass Herr Barroso das, was er zu Beginn seiner Amtszeit 2004 sagte, auch wirklich ernst meinte. Möge er so weitermachen!
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich zu zwei Aspekten dieses hervorragenden Berichts von Elizabeth Lynne äußern. Ich unterstütze voll und ganz die Forderung an die Mitgliedstaaten und andere relevante Akteure, umfassende, akkurate, vergleichbare, verlässliche und aufgeschlüsselte statistische Daten über Diskriminierung zu erheben, zu sammeln und so zu publizieren, dass sie für die Öffentlichkeit leicht verständlich sind. Auf diese Weise ermöglichen wir es den Bürgern in meinen Augen, die Notwendigkeit eines Wandels zu begreifen. Auch die Forderung nach einer umfassenden, weitreichenden Richtlinie findet meine volle Unterstützung. Das ist ein Gebiet, auf dem die EU strategische Veränderungen erzielen kann, wenn die Rechtsvorschriften umgesetzt werden.
Im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon schließlich war ich sehr erfreut über die Äußerungen des slowenischen Ratsvorsitzes zum Arbeitsprogramm für 2008 in der vergangenen Woche bezüglich seiner Reaktion auf die Unterschriftenkampagne für Behinderte. Das beweist, dass der Ratsvorsitz, und hoffentlich auch die Kommission, den Bürgern zuhört und sich ihrer Sorgen annimmt. Das ist ein sehr hoffnungsvolles Zeichen für die Bürgerinitiative, die im Vertrag von Lissabon enthalten ist, aber ich möchte nochmals meine unbedingte Unterstützung für eine umfassende Richtlinie zu Protokoll geben. Es darf keine Hierarchie der Diskriminierung geben.
Pier Antonio Panzeri (PSE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! ich unterstütze die Arbeit von Frau Lynne. Ich muss sagen, dass die Aussprache über diesen Bericht zu einem spannenden Zeitpunkt für Europa kommt. Und ich würde mir wünschen, dass die Kommission und Sie selbst, Herr Kommissar, sich einer Sache voll bewusst wären, was Sie gegenwärtig nicht zu sein scheinen.
Es geht nämlich nicht nur um die Fortschritte, die in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung bei der Beschäftigung und bei den Arbeitsbedingungen erzielt worden sind; die zentrale Frage betrifft die Notwendigkeit einer horizontalen Richtlinie über Gleichbehandlung, die sämtliche Diskriminierungsgründe abdeckt. In Europa breitet sich ein Klima der Intoleranz und der Feindseligkeit aus, was bereits heute, wenn wir an die Einwanderung und an die Roma denken, zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft führt. Wehe uns, wenn wir die Augen davor verschließen!
Deshalb brauchen wir dringend eine einheitliche, alle Formen der Diskriminierung erfassende Richtlinie, um das Antidiskriminierungspaket im Sinne von Artikel 13 des Vertrags zu komplettieren. Darüber hinaus wird sie hilfreich sein, um das Niveau des interkulturellen Dialogs in Europa anzuheben; ein solcher Dialog verbessert die Kultur in qualitativer Hinsicht und ist überzeugend, und er ist dringend erforderlich.
Daher, Herr Kommissar, fordere ich Sie und die Kommission auf, ein wenig mehr politische Courage zu zeigen, die wie bisher bei Ihnen vermisst haben!
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Beschäftigung ist ein Hauptfaktor der sozialen Integration. Dennoch ist das Niveau der Arbeitslosigkeit in zahlreichen Gruppen, insbesondere unter Frauen, Menschen mit Behinderungen, ethnischen Minderheiten, Migranten, älteren Personen und jungen Menschen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, nach wie vor unannehmbar hoch.
Grund zur Besorgnis resultiert aus der Tatsache, dass in einigen Mitgliedstaaten erhebliche Mängel in der Umsetzung und Durchführung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG bestehen und die EU-Bürger ein Informationsdefizit hinsichtlich möglicher rechtlicher Schritte im Falle von Diskriminierung haben. Für die Regierungen der Mitgliedstaaten ist dringend geboten, die Hindernisse aufgrund von Diskriminierungen bei Einstellungsprozessen auf dem Arbeitsmarkt so schnell wie möglich zu beseitigen.
Bei der Förderung von Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung muss staatlichen Stellen eine Schlüsselrolle zukommen, da die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 EGV die vollständige, ordnungsgemäße und effektive Umsetzung und die entsprechende Durchführung dieser Richtlinien zu gewährleisten haben, sodass der Kampf gegen die Diskriminierung in der Europäischen Union den Charakter koordinierter Maßnahmen hat und einem konsolidierten Ansatz an die Bekämpfung der Diskriminierung folgt.
Metin Kazak (ALDE). – (BG) Herr Präsident, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Die von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verabschiedeten und umgesetzten Antidiskriminierungsgesetze stellen einen konkreten Erfolg dar. Dies ist ein Anhaltspunkt dafür, wie sehr eine Gesellschaft die Grundsätze der Gleichbehandlung aller Bürger achtet, unabhängig von ethnischer Herkunft, Glaubensüberzeugung, Geschlecht, Alter, Gesundheit oder finanziellen Verhältnissen.
Ich befürworte den im Bericht der Abgeordneten Liz Lynne gemachten Aufruf zur Annahme einer umfassenden Richtlinie, die keine Rangfolge der Antidiskriminierungsprinzipien mehr zulässt. Dennoch sollten wir der Tatsache ins Auge sehen, dass in Europa die Diskriminierung von Angehörigen ethnischer oder religiöser Minderheiten immer noch der häufigste Verstoß gegen das elementare Recht auf Gleichbehandlung ist.
Hassreden, Islamophobie sowie andere Formen von Fremdenfeindlichkeit, verstärkt durch Stereotypen, Vorurteile und überholte Klischeevorstellungen, führen in einigen Mitgliedstaaten der EU zu einer latenten Diskriminierungshaltung gegenüber ethnischen oder religiösen Minderheiten. Aus diesen Gründen sollte es sich das Europäische Parlament zur Aufgabe machen, die Aufmerksamkeit der Kommission und Mitgliedstaaten …
(Metin Kazak wird vom Präsidenten unterbrochen)
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Wir stimmen wohl alle darin überein, dass alle erdenklichen Maßnahmen gegen Diskriminierung ergriffen werden müssen. Daher hat sich das Europäische Parlament auch immer wieder dafür ausgesprochen, eine neue Richtlinie zu verabschieden. Vier derartige Richtlinien gibt es bereits, eine ist im Entwurf soweit fertig. Das heißt, wir decken ein sehr breites Spektrum an Antidiskriminierungsmaßnahmen ab.
Jetzt geht es darum, endlich diese Maßnahmen umzusetzen. 28 Vertragsverletzungsverfahren gibt es, das heißt, der Appell geht an die Mitgliedstaaten, endlich umzusetzen, was hier im Hause beschlossen worden ist. Ich bin dagegen, gleich wieder einen zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, nämlich wieder eine neue Richtlinie einzusetzen mit einer Fülle neuer Barrieren, wo Gleichstellungsbehörden gefordert werden. Das heißt wieder mehr Bürokratie. Dass bei allen Gesetzen NGO verpflichtend einbezogen werden müssen zur Beratung usw., bringt uns nicht weiter; wenn wir für die Antidiskriminierung eintreten, dann müssen wir dafür eintreten, dass das, was gegenwärtig Gesetz ist, in den Mitgliedstaaten endlich einmal umgesetzt wird.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte auf die inakzeptable Diskriminierung von schwangeren Frauen hinweisen, besonders in Anbetracht des demografischen Kollapses in Europa. Trotz rechtlicher Verbote fordern Arbeitgeber von jungen Frauen, die sich für einen Job bewerben, die Vorlage einer medizinischen Bescheinigung, dass sie nicht schwanger sind. Legen sie diese Bescheinigung nicht vor, schwinden ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz. Das ist ein schwieriges, aber notwendiges Betätigungsfeld für die Arbeitsinspektion. Auch kinderreiche Familien werden diskriminiert. Das Durchschnittseinkommen pro Person liegt in diesen Familien in der Regel wesentlich unter dem Einkommen allein erziehender Mütter. Andererseits erhalten sie aber im Allgemeinen weniger Kindergeld und Sozialhilfe und werden höher besteuert. Wenn über Diskriminierung gesprochen wird, dann geht es für gewöhnlich nicht um diese Problematik.
Gabriela Creţu (PSE). – (RO) Während wir auf eine horizontale Richtlinie warten, stellen wir fest, dass es europäische und nationale Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung, zahlreiche politische Verpflichtungen und spezielle institutionelle Mechanismen gibt. Trotz dieses optimistischen Erscheinungsbilds lassen der Grad der Umsetzung, die Durchführung und die Effizienz der angenommenen Maßnahmen in vielen Mitgliedstaaten noch sehr zu wünschen übrig. Wenn Gleichheit von Männern und Frauen erreicht werden soll, ist eine richtige Bezahlung unerlässlich.
Daher schlagen wir der Kommission vor, einen integrierten Plan positiver Maßnahmen für den Arbeitsmarkt vorzulegen, um die künstliche Trennung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt und die strukturellen Lohnunterschiede, die zwischen den als weiblich bzw. männlich erachteten Branchen nach wie vor bestehen, abzubauen. In diesem Plan stellt die Einführung der Geschlechterdimension in den Entwurf der europäischen, nationalen und lokalen Haushaltspläne ein wesentliches Instrument dar, um die strukturellen Unterschiede abzubauen und den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchzusetzen.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! In ihrem Redebeitrag sagte die Berichterstatterin, jeder EU-Bürger müsse gleichbehandelt werden. Bedauerlicherweise scheint die Berichterstatterin selbst nicht daran zu glauben. Wäre das der Fall, so würde dieser Bericht sich lautstark gegen die Tatsache zur Wehr setzen, dass diese EU mithilfe einer Ausnahmeregelung die Diskriminierung aus religiösen Gründen in meinem Wahlkreis Nordirland zulässt, und zwar genauer gesagt die Diskriminierung von Protestanten, die sich der Polizei in Nordirland anschließen möchten.
Ja, in dieser EU gibt es ausdrückliche religiöse Diskriminierung, die auf diese Weise gebilligt wird. Wenn ich also den großartigen Beteuerungen gegen Diskriminierung lausche, denke ich an viele meiner jungen protestantischen Wähler, die sich der Polizei anschließen wollten, in ihren Tests besser abschlossen als römisch-katholische Bewerber, und dennoch miterleben mussten, wie diese Bewerber eingestellt wurden, weil die Diskriminierung gesetzlich vorgeschrieben, vom Gesetz vorgegeben ist. Bis wir also eine horizontale Anwendung der Antidiskriminierungsgesetze erhalten...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Siiri Oviir (ALDE). – (ET) Herr Kommissar, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gleichheit vor dem Gesetz und Schutz vor Diskriminierung sind Menschenrechte, auf die jeder Anspruch hat. So steht es jedenfalls in den Verfassungen unserer Mitgliedstaaten, und zwar in allen Mitgliedstaaten. Dennoch sind unsere Bürger nicht vor Diskriminierung gefeit. Beispielsweise fällt die allgemeine arbeitsrechtliche Gleichstellung unter das Gemeinschaftsrecht, doch haben wir bisher leider weniger auf die entsprechende Umsetzung der Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten geachtet. Wie lassen sich sonst die in den jährlichen Untersuchungen von Eurostat festgestellten Diskrepanzen zwischen den Gehältern von Männern und Frauen in den Mitgliedstaaten erklären? In meinem Heimatland Estland beträgt die Gehaltsdifferenz zum Nachteil der Frauen sogar 27 %. Seit zehn Jahren hat sich an dieser Zahl nichts geändert.
Der Schutz dieses Rechtes ist ebenso wichtig wie die juristische Durchsetzung. In dieser Sache besteht Handlungsbedarf, und es müssen erforderlichenfalls auch Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Was unsere Bürger brauchen ist Rechtssicherheit.
Neena Gill (PSE). – (EN) Herr Präsident! Mein Glückwunsch an Frau Lynne zu dieser Richtlinie, denn im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs, das die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zum Ziel hat und Europas Vielfalt feiern möchte, bin ich entsetzt und bestürzt über das Ausmaß bestehender Diskriminierung – nicht nur aufgrund der Rasse, sondern auch aufgrund von Behinderung, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und des Alters. Diskriminierung ist ein Problem nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch im Wohnungswesen, in der Bildung, bei öffentlichen und privaten Dienstleistungen und sogar in religiösen Angelegenheiten.
Besonders beunruhigt bin ich darüber, wie unterschiedlich Minderheiten dem „Migrant Integration Policy Index“ zufolge in den verschiedenen Mitgliedstaaten integriert sind. Das beweist die mangelhafte Anwendung und Durchsetzung der Mindestnormen für die Antidiskriminierung, die wir EU-weit durchsetzen wollten. Ich fordere die Kommission auf, sich dieser Sache anzunehmen und sie nicht nur bei den Mitgliedstaaten aufzugreifen, sondern auch innerhalb der EU-Organe stärker tätig zu werden.
Schließlich möchte ich, im Vorfeld der Europawahlen, die Frage an dieses Hohe Haus richten, wie es gedenkt, gegenüber dem restlichen Europa in Sachen Antidiskriminierung mit gutem Beispiel voranzugehen. Immer noch sind nur 30 % der MdEP Frauen, und nur neun MdEP sind Farbige.
Thomas Mann (PPE-DE). – Herr Präsident! Was ist wirksam gegen Diskriminierung und für den Schutz vor Benachteiligungen? Sensibilisierungskampagnen, Informationen, Aktionen, aber nicht eine Zentralisierung von Rechtsfragen durch neue EU-Gesetzgebung. Statt einer umfassenden horizontalen Richtlinie möglicherweise ein Papiertiger? Es ist wichtig, die vier existierenden Richtlinien umzusetzen. Allein in Deutschland haben Schulungen, die für das allgemeine Gleichstellungsgesetz nötig waren, jährlich mehr als 1,7 Milliarden Euro gekostet.
Ich halte den Civil Rights Act für richtig. Er sieht Regelungen für Betriebe ab 15 Beschäftigten vor, und ein hoher administrativer und finanzieller Aufwand wird vermieden – eine solche KMU-Schutzklausel ist angebracht. Und ich halte es für wichtig, dass unsere Bedenken, die durch Liz Lynne leider noch nicht ausgeräumt werden konnten, weil sie unsere Anträge nicht berücksichtigt hat, deutlich werden: Wir können diesem Bericht, bei dem gesagt wird, öffentliche Gelder sollen genutzt werden, um Opfer von Diskriminierungen zu unterstützen, nicht zustimmen. Hier hätte Liz Lynne auf uns hören sollen, doch sie hat es leider nicht getan.
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) Ich möchte zwei Themen ansprechen. Das erste betrifft den Verkehr. Etwa ein Drittel der EU-Bürger sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. Um Chancengleichheit beim Zugang zu Informationen, zur Beschäftigung usw. zu gewährleisten, müssen deutliche Anstrengungen unternommen werden, um für Barrierefreiheit im Verkehr zu sorgen. Das zweite Thema betrifft geistig Behinderte. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, das Weißbuch zur psychischen Gesundheit zu überarbeiten, weil eine große Zahl der EU-Bürger an Stress leidet, was insbesondere die Lage derjenigen erschwert, die sich neuen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt anpassen müssen.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung: Mir ist bewusst, dass mir nicht das Wort erteilt wurde, aber was Herr Allister zur Diskriminierung der Protestanten bei der nordirischen Polizei sagte, entspricht nicht im Geringsten der Wahrheit. Die Polizei ist zu 90 % protestantisch ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, wie wichtig es ist, die Diskriminierung zu bekämpfen. Wir sind uns praktisch alle darüber einig, dass es einer wirksameren Umsetzung der Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten bedarf. Wie aus der Debatte ebenfalls hervorging, legt die Kommission strenge Maßstäbe an und zögert nicht, Vertragsverletzungsverfahren gegen Länder einzuleiten, die Rechtsvorschriften nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Zahlenangaben vermitteln aber kein vollständiges Bild, da sie sowohl Verfahren einschließen, die technische und organisatorische Fragen betreffen, als auch solche, die den Schutzumfang zum Gegenstand haben. Auf jeden Fall kann ich mit Sicherheit sagen, dass alle Länder, mit denen wir Gespräche führen, kooperationsbereit sind und dass kein Zweifel an ihrem Willen besteht, die Antidiskriminierungs-Richtlinien korrekt umzusetzen.
Der nächste Punkt beschäftigt sich mit der Frage weiterer gesetzgebender Maßnahmen. Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass sich die Kommission gegenwärtig in der Schlussphase der Entscheidung über die endgültigen Maßnahmen befindet. Diese Phase geht im Juni dieses Jahres zu Ende, und wir werden dann die entsprechenden Vorschläge unterbreiten. Die zurzeit stattfindende Parlamentsdebatte ist zweifellos ein bedeutender Ausgangspunkt für den Entscheidungsprozess.
Erlauben Sie mir, kurz auf zwei Redebeiträge einzugehen, die sich durch ein etwas ungewöhnliches Argument von der übrigen Debatte abhoben. Der eine Beitrag enthielt die Information, dass Antidiskriminierungslehrgänge pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland 1,7 Milliarden Euro kosten würden. Ich bestreite diese Zahl nicht. Doch wäre es vielleicht aufschlussreich, einmal einen Vergleich zwischen den genannten Kosten und den Kosten für Lehrgänge zur Steuergesetzgebung anzustellen. Und wir würden feststellen, dass bei Gesetzesänderungen derartige Umstellungskosten normal sind. Oder anders gesagt: Ein rein finanzielles Argument ist hier nicht überzeugend.
Der andere Redebeitrag betraf die Politik in Nordirland. Dazu kann ich lediglich feststellen, dass nach meinen Informationen die Polizeibehörden von Nordirland konkrete Maßnahmen ergriffen haben, um des von Herrn Allister angesprochenen Problems Herr zu werden.
Meine Damen und Herren, die uns zur Verfügung stehende Zeit erlaubt es uns leider nicht, diese ausführliche wie auch interessante Debatte fortzuführen. Ich kann nur zum Ausdruck bringen, dass wir uns in einer wichtigen Entscheidungsphase befinden, zu der auch Ihre Debatte beiträgt.
VORSITZ: MECHTILD ROTHE Vizepräsidentin
Elizabeth Lynne, Berichterstatterin. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte meinen Kollegen für ihre Bemerkungen danken. Ich bin hocherfreut, dass wir von der Mehrheit dieses Hohen Hauses die Unterstützung für eine umfassende Richtlinie zu haben scheinen. Ich hoffe, dass die Abstimmung dies später beweisen wird.
Ich möchte auch Kommissar Špidla erneut Anerkennung zollen, denn ich weiß, dass es eigentlich seine Initiative war, eine umfassende Richtlinie zur Sprache vorzulegen und sie im Rahmen des Arbeitsprogramms zu fordern. Ich bedauere nur, dass seine Ansicht sich bei den übrigen Mitgliedern der Kommission scheinbar nicht durchsetzen kann. Hoffen wir, dass wir, indem wir uns für eine umfassende Richtlinie aussprechen, ihm mehr Macht verleihen, seinen Standpunkt durchzusetzen.
Ich habe Kommissar Špidla sehr wohl um die Veröffentlichung der Folgenabschätzungen gebeten. Ich weiß, dass diese schon erstellt wurden. Ich bin ein bisschen besorgt über Berichte, die mir zu Ohren gekommen sind, denen zufolge es unterschiedliche Folgenschätzungen gegeben hat, die in diesem Moment leicht zugunsten eines bestimmten in der Kommission vorherrschenden Standpunkts verändert werden. Ich bitte um eine gewisse Klarstellung in diesem Punkt, denn ich möchte wissen, ob die Gerüchte, die ich gehört habe, der Wahrheit entsprechen.
Es freut mich, dass auch andere Abgeordnete Ihre Forderung nach einer umfassenden Richtlinie innerhalb des Arbeitsprogramms unterstützt haben. Spezifische Fragen im Zusammenhang mit allen Diskriminierungsformen – Behinderung, Alter, Religion bzw. Glaube und sexuelle Orientierung – können meiner Ansicht nach in einer umfassenden Richtlinie behandelt werden. Bildung bringt uns nicht weiter, das haben wir bereits versucht. Denjenigen Abgeordneten, die über Bildung gesprochen haben, sei gesagt: Das funktioniert nicht.
Wir reden zudem vom Zugang zu Waren und Dienstleistungen, nicht von Beschäftigung. Ich weiß um die Probleme, die die deutschen Delegationen mit diesem Punkt haben, denn die Beschäftigungsrichtlinie ist ein Liebling der deutschen Regierung. Also lassen wir die beiseite. In den einzelnen Mitgliedstaaten herrschen unterschiedliche Probleme vor: Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung, Religion oder Glaube. Die einen Mitgliedstaaten befassen sich mit den einen, die anderen mit den anderen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, Ordnung in die Sache zu bringen, eine umfassende Richtlinie zu erlassen und niemanden zurückzulassen.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute Mittag um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Iles Braghetto (PPE-DE) , schriftlich. – (IT) Ich möchte der Berichterstattung Anerkennung für die Arbeit zollen, die sie zu einem Thema geleistet hat, dem ich im Hinblick auf die Entwicklung einer gerechteren und effektiveren Antidiskriminierungspolitik der Union enorme Bedeutung beimesse.
Der Nichtdiskriminierungsgrundsatz gehört in der Tat zu den Kernwerten, auf die sich die europäische Integration von Anfang an stützt, und muss daher entsprechend verteidigt werden, damit die Bürger Europas, insbesondere diejenigen, die den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen angehören wie die Behinderten, wirksam gegen jede Form von Diskriminierung geschützt werden.
Nichtdiskriminierung ist sehr wichtig im Beschäftigungssektor, gleichwohl ist sie notwendig und wünschenswert in jedem Bereich des öffentlichen Lebens (wie Bildung oder soziale Dienstleistungen), weil sie die soziale Integration und die Entwicklung des Potenzials aller europäischen Bürger erheblich fördern kann.
Abschließend möchte ich meine Unterstützung für die rasche Annahme einer allumfassenden und wirksamen Rahmenrichtlinie über Nichtdiskriminierung bekunden, die die Mitgliedstaaten befähigt, in diesem Bereich geschlossen vorzugehen und kohärente und effektive politische Maßnahmen zu ergreifen, die den Bürgern das Gefühl vermitteln, wirklich durch klare und umfassende Rechtsvorschriften auf europäischer und auf nationaler Ebene geschützt zu sein.
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Als Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres unterstütze ich voll und ganz den Bericht von Elizabeth Lynne. Ich bezweifle nicht, dass das derzeit gültige Völkerrecht und unsere eigenen EU-Rechtsvorschriften – aus formaler Sicht – erstrebenswerte und gute Lösungen sind. Daher bedauere ich, dass ihr Inkrafttreten ständig auf zahlreiche Hindernisse stößt, selbst in unserem Europa, das doch demokratischer und weniger diskriminierend zu sein scheint.
Es ist schon erstaunlich, dass wir die EU-Mitgliedstaaten aufrufen müssen, die Bestimmungen von Richtlinie 2000/78/EG voll anzuerkennen und die Fortschritte auf dem Gebiet der Beseitigung aller Arten von Diskriminierung aus dem politischen, gesellschaftlichen und Wirtschaftsleben dauerhaft und systematisch zu überwachen.
Das ist von besonderer Bedeutung für die Bürger meines Landes, Polens, die die Vorzüge des Gemeinsamen Marktes und der Freiheit des Personenverkehrs – in vielen EU-Ländern leben und arbeiten zu können – genießen. Leider muss ich mit Bedauern feststellen, dass es zunehmend Anzeichen von Diskriminierung meiner Landsleute einzig und allein aufgrund ihrer Nationalität gibt. Beunruhigende Informationen dieser Art kommen zunehmend u. a. aus Deutschland, Großbritannien und Irland. Es wäre schon paradox, wenn sich das Europäische Parlament zwar intensiv und wirkungsvoll in die Bekämpfung von Erscheinungsformen von Diskriminierung in aller Welt einbrächte, aber nicht in der Lage wäre, zu Hause mit der Achtung der Menschenrechte fertig zu werden. Verdienen doch alle EU-Bürger, gleich und ohne Diskriminierung behandelt zu werden!
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Die Frage, um die es hier geht, ist Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der Europäischen Union.
Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz sind grundlegende Prinzipien der Beschäftigung, und die Mitgliedstaaten sollten eigentlich keine Probleme damit haben. Nach dem Bericht von Frau Lynne werden aber die Richtlinien weder wirksam noch korrekt umgesetzt.
Es handelt sich hier um ein ernstes Problem, weil, wie es im Bericht von Frau Lynne heißt, die Bekämpfung von Diskriminierung und die Achtung der Menschenrechte nach Artikel 13 EG-Vertrag Prioritäten in der EU darstellen.
In einem Beispielfall in Finnland ging es um eine Frau, die nach Beendigung der Pflege ihres behinderten Sohnes keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Es ist falsch, dass die häusliche Pflege nicht entsprechend anerkannt wird und dass die Rechtsvorschriften diese Art der Diskriminierung zulassen. Mit diesem Fall vor Augen unterstütze ich Ziffer 36 in dem Bericht von Frau Lynne, wo es heißt, dass der Anwendungsbereich der Grundsätze der Gleichstellung und der Nichtdiskriminierung weit gefasst und auf soziale Sicherheit ausgeweitet werden sollte.
Ich unterstütze auch die Forderung von Frau Lynne, dass das Europäische Parlament den Mitgliedstaaten empfehlen sollte, jenen Institutionen, die für die Verwirklichung dieser Grundsätze wirken, mehr Mittel und Rechte zur zu einzuräumen. Ebenso befürworte ich ihre Forderung, den Status der NRO zu stärken, damit auch sie den bestehenden Problemen in den einzelnen Mitgliedstaaten wirksamer und effizienter begegnen können.
Katalin Lévai (PSE) , schriftlich. – (HU) Es ist natürlich von Bedeutung, dass heute der Bericht von Frau Lynne über Chancengleichheit auf der Tagesordnung steht. Vor wenigen Tagen, am 17. Mai, haben wir unsere Solidarität mit Transsexuellen, Bisexuellen und Homosexuellen zum Ausdruck gebracht.
Bei besonderen Anlässen oder Gelegenheiten wird häufig in die Vergangenheit geblickt. Wie der vorliegende Bericht zeigt, gibt es im Bereich Chancengleichheit bedauerlicherweise noch viel zu tun. Die Arbeitslosenquoten bei Frauen, Migranten, Menschen mit Behinderung, ethnischen Minderheiten und Personen mit sehr speziellen oder nicht anerkannten Fähigkeiten sind noch immer untragbar hoch. Daher empfehle ich für den Bereich der Beschäftigung die Einführung eines europäischen Systems zur Überwachung der Chancengleichheit, das in Form von Steuervorteilen und/oder PR-Chancen für Arbeitgeber, die der Herstellung von Chancengleichheit Vorrang einräumen, Unterstützung leisten könnte.
Ich würde auch eine „schwarze Liste“ von Arbeitgebern aufstellen, die die Kriterien überhaupt nicht erfüllen. Dies würde Unternehmen motivieren und den Arbeitsuchenden zugleich neue Perspektiven eröffnen und Klarheit verschaffen. In Mittel- und Osteuropa sind extremistische und populistische Politiken bedauerlicherweise noch immer auf dem Vormarsch, aber mitunter bekommen wir auch von Westeuropa einen traurigen Eindruck. Die negative Diskriminierung der Roma nimmt zu und oft werden ihre Behausungen von extremistischen Kräften zerstört. Hier besteht der große Bedarf an einer – wie von den Sozialdemokraten geforderten – Europäischen Strategie für die Roma und es ist nur zu offensichtlich, dass dringend Maßnahmen auf europäischer Ebene erforderlich sind. Die Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten bieten unterschiedlich hohen Schutz vor Diskriminierung.
Oft gibt es keine einheitliche Methode zur Umsetzung der Rechtsvorschriften, was dazu führt, dass die Umsetzung unzulänglich ist. Die Bemühungen zur Umsetzung müssen koordiniert werden, wobei die horizontale Perspektive der Europäischen Union, die nationalen und lokalen Behörden und eine allgemeine Übereinstimmung der Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind. Vor der Annahme von Rechtsvorschriften wäre es auch wichtig, eine Sozialverträglichkeitsstudie durchzuführen und die Umsetzung seitens der Mitgliedstaaten einmal jährlich zu beurteilen.
Marianne Mikko (PSE) , schriftlich. – (ET) Nichtdiskriminierung und Menschenrechte sind Grundwerte der Europäischen Union. Sie bilden das Fundament, auf dem wir unsere Zukunft aufbauen wollen. Einen Kompromiss bei der Achtung dieser Grundwerte darf es nicht geben. So heißt es ausdrücklich in Artikel 13, der als Orientierung in allen die europäischen Bürger betreffenden Angelegenheiten dienen soll.
Die Bereiche Soziales, Waren und Dienstleistungen, Gesundheitswesen und Bildung genießen heute keinen umfassenden Schutz vor Diskriminierung aus Gründen des Alters, der sexuellen Ausrichtung, der Religion oder einer Behinderung. Leider gelten für diese Bereiche keine EU-Vorschriften. Würden wir den Themen Nichtdiskriminierung und Menschenrechte volle Aufmerksamkeit widmen, wäre uns bewusst, dass wir eine einheitliche horizontale Richtlinie benötigen, die der Hierarchie der Rechte endgültig ein Ende setzt. Es wäre dann Schluss damit, dass in einem Bereich Diskriminierung geahndet wird, in einem anderen aber nicht, dass Rasse und Behinderung einen wesentlich besseren Schutz genießen als die anderen in Artikel 13 aufgeführten Bereiche. Angesichts dieses Berichts rufe ich die Kommission auf, ihr Versprechen einzulösen und eine umfassende Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung gemäß Artikel 13 des EG-Vertrags zu erarbeiten.
In einer beispiellosen Initiative haben sich viele europäische gemeinnützige Organisationen für eine horizontale Richtlinie ausgesprochen. Auch verschiedene Dachverbände sind in bestimmten Bereichen in Brüssel tätig, wie z. B. die European Women’s Lobby, AGE und viele andere. Nur eine horizontale Nichtdiskriminierungsrichtlinie in den Bereichen Soziales, Waren und Dienstleistungen, Gesundheitswesen und Bildung kann den Schutz der Menschenrechte in der Europäischen Union stärken. Es gibt mehr als genug Belege für Fälle von Diskriminierung auf allen Gebieten. Daher darf die Kommission nicht wegsehen und keine neue Hierarchie der verschiedenen Rechte in der Europäischen Union einführen.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Als Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Minderheiten begrüße ich Frau Lynnes Bericht, in dem Bilanz gezogen wird, was hinsichtlich der Bekämpfung von Diskriminierung bereits erreicht wurde, und dargestellt wird, was noch unternommen werden muss.
Den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierung kommt besondere Bedeutung zu, weil der Schutz des Individuums nicht ausreicht. Man erleidet keine Diskriminierung als Einzelperson, sondern als Angehöriger einer Gruppe, beispielsweise weil man einer ethnischen Minderheit angehört, alt ist, eine Frau ist, behindert ist, einer sexuellen Minderheit angehört oder Roma ist. Aus diesem Grund können den verschiedenen Minderheitengruppen angehörende Personen nur effektiv geschützt werden, wenn die gesamte Gruppe geschützt wird. Im Bericht wird zu Recht darauf hingewiesen, dass in den beiden bestehenden Richtlinien nur Mindestanforderungen festgelegt werden. Daher müssen wir weiter auf die Ausarbeitung einer Politik auf Gemeinschaftsebene gegen negative Diskriminierung und einer horizontalen Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierung hinarbeiten. Genauso wichtig ist der Punkt in dem Bericht, in dem die Kommission aufgefordert wird, auf eine gemeinsame, für die gesamte EU gültige Definition des Begriffs „positive Maßnahmen“ hinzuarbeiten. Ferner weist die Berichterstatterin besonders darauf hin, dass ethnische Minderheiten und insbesondere die Bevölkerungsgruppe der Roma einen besonderen sozialen Schutz benötigen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie an Artikel 25 des Berichts Ždanoka erinnern, in dem es auch um dieses Thema geht und darauf verwiesen wird, wie wichtig es ist, dass traditionelle nationale Minderheiten sich an Entscheidungsprozessen beteiligen.
Diesem Artikel zufolge benötigen traditionelle nationale Minderheiten für ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen betreffend ihre Identität einen Regelungsrahmen und müssen durch verschiedene Formen der Selbstverwaltung oder Autonomie geschützt werden.