3. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
4. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
5. Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Anne Van Lancker im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (KOM(2007)0803 TEIL V – C6-0031/2008 – 2007/0300(CNS)) (A6-0172/2008).
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Strategiebericht der Kommission vom Dezember 2007 hat ein äußerst positives Signal gesendet und wurde vom Europäischen Rat auf seiner Märztagung 2008 befürwortet. Bereits jetzt zum Ende des Dreijahreszyklus sind die Ergebnisse der 2005 erneuerten Lissabon-Strategie erkennbar. Wirtschaft und Beschäftigung sind weiter auf Wachstumskurs. Vieles deutet darauf hin, dass die Strukturreformen nun langsam Früchte tragen.
Zwar sind seit 2005 alle Mitgliedstaaten dabei, Reformen durchzuführen, doch dies mit unterschiedlichem Erfolg. Eine gewisse „Reformmüdigkeit“ war in den letzten zwölf Monaten zu beobachten. Europa darf jedoch in seinem Eifer nicht nachlassen. Im Gegenteil, Reformen müssen weiterhin umgesetzt werden, möglichst mit noch größerem Schwung.
Dies ist der Grundgedanke des Vorschlags der Kommission, die wichtigsten integrierten Leitlinien, darunter die zentralen beschäftigungspolitischen Leitlinien, bis zum Jahr 2010 in ihrer bestehenden Form beizubehalten. Die Kommission ist davon überzeugt, dass diese Leitlinien einen angemessenen Rahmen für die gegenwärtigen Anforderungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt darstellen und ihren Zweck erfüllen werden. Der Europäische Rat befürwortete dieses Vorgehen auf seiner Frühjahrstagung, indem er sich für eine allgemeine Ausrichtung auf der Basis der Stabilität entschied. Den Mitgliedstaaten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre bereits begonnenen Reformen vollständig umzusetzen. Auch sollte ein zeitlicher Rahmen vorgegeben werden, innerhalb dessen die Reformen Ergebnisse zeitigen müssten.
Die Kommission erachtete es darüber hinaus als notwendig, Änderungen vorzuschlagen, insbesondere mit Blick auf die in nächster Zukunft zu bewältigenden Aufgaben wie Klimawandel, Energiefragen, soziale Dimension und Flexicurity. Zudem wollte sie, dass größeres Augenmerk auf die soziale Teilhabe und eine strengere Umsetzung gelegt wird. Daraufhin fanden die vereinbarten Ziele und Richtwerte Eingang in den Text der zentralen Leitlinien.
Anne Van Lancker, Berichterstatterin. − (NL) Gestatten Sie mir zunächst vor allem jenen Kolleginnen und Kollegen für die hervorragende Zusammenarbeit zu danken, mit denen ich den Bericht gemeinsam ausarbeiten durfte. Nach meinem Dafürhalten wurden in dem Bericht doch etwas zu viele Änderungen an Einzelaspekten vorgenommen, aber dennoch muss die Botschaft, Herr Kommissar, klar sein: Das Europäische Parlament lehnt Dienst nach Vorschrift bei der Beschäftigungsstrategie ab.
Zweifellos muss in den Mitgliedstaaten noch viel getan werden, um die Leitlinien in der Praxis umzusetzen, aber sie müssen auch entsprechend angepasst werden, um eine Reihe grundlegender Mängel zu beseitigen. Ich möchte drei wesentliche Defizite benennen: Erstens muss die soziale Dimension der Beschäftigungsstrategie deutlich gestärkt werden. Die Zahl der Gruppen in der Gesellschaft, die nicht an Wachstum und Beschäftigung teilhaben, ist noch immer zu hoch. Menschen mit Behinderungen, Migranten und Geringqualifizierte werden noch viel zu häufig ihrem Schicksal überlassen, obwohl wir jeden Menschen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Aus diesem Grund muss im Rahmen der Beschäftigungsstrategie auch die aktive soziale Eingliederung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gefördert werden, indem ein angemessenes Einkommen und hochwertige soziale Dienstleistungen zusammen mit einer aktiven Politik der Unterstützung bei der Arbeitssuche und der Ausbildung gewährleistet werden.
Zweitens: die Qualität der Arbeit. Fraglos sind mehr Jobs geschaffen worden, aber dabei handelt es sich nicht immer um bessere Arbeitsplätze. Zu viele Menschen haben noch immer ungewollt prekäre oder befristete Arbeitsverträge, arbeiten unfreiwillig Teilzeit oder üben eine Beschäftigung aus, die ihnen oft nur ein unzureichendes Einkommen garantiert. Darum muss mehr Nachdruck auf die Qualität von Arbeitsplätzen, auf Möglichkeiten für die Erlangung von Festanstellungen mit einem soliden Einkommen gelegt werden. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen müssen beträchtlich erhöht werden. Darüber hinaus müssen alle Arbeitnehmer ungeachtet ihres Beschäftigungsstatus soziale Rechte erhalten. Es besteht nicht nur Bedarf an Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch an mehr Sicherheit für Arbeitnehmer.
Drittens: die Frage der Gleichstellung der Geschlechter. Frauen haben zwar auf dem Arbeitsmarkt deutlich aufgeholt, aber dennoch kann keine Rede von Chancengleichheit sein. Die Lohnkluft bleibt unannehmbar tief. Frauen haben weder den gleichen Zugang zu Aus- und Weiterbildung noch die gleichen Chancen, ein Unternehmen aufzubauen. Wer nach einer Karrierepause wieder einsteigen will, hat es besonders schwer. Möglichkeiten zu finden, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist weiterhin häufig ausschließlich ein Problem von Frauen. In vielen Fällen bekommen sie die einkommenstechnischen Folgen bei der Rente zu spüren. Daher muss der Gleichstellung der Geschlechter im Rahmen der Beschäftigungsstrategie besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um alle Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu beseitigen.
Abschließend, Herr Kommissar, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, steht und fällt die Beschäftigungsstrategie als Methode mit dem Engagement der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union für eine solide Sozialgesetzgebung. Daher hoffe ich, dass alle EU-Mitglieder die europäische Gesetzgebung konsequent umsetzen und anwenden. Darüber hinaus wird uns die Kommission in Kürze – in wenigen Monaten, vielleicht sogar in einigen Wochen, Herr Kommissar – hoffentlich eine ehrgeizige Sozialagenda vorlegen.
Es ist meine Hoffnung, dass die Tagung des Rates im Juni sowie der Kommissar und die Kommission ein Ohr für unsere Botschaft haben. Übrigens bedauere ich, Herr Präsident, dass kein einziger Vertreter des Ratsvorsitzes anwesend ist, denn eigentlich ist diese Botschaft vor allem an die Ratstagung im Juni gerichtet, auf der endgültige Entscheidungen über die Beschäftigungsstrategie getroffen werden müssen. Hoffentlich überbringt ihnen bis dahin jemand die Botschaft des Parlaments.
Elisabeth Morin, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Frau Berichterstatterin! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Anne Van Lancker, und den Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion meinen Dank aussprechen für das hohe Niveau der gegenseitigen Abstimmung zwischen uns allen bei der Erarbeitung dieses Textes, der unsere gemeinsamen Überzeugungen und unsere Wünsche zur weiteren Entwicklung der beschäftigungspolitischen Leitlinien zusammenfasst.
Das Beschäftigungswachstum in Europa gemäß der Lissabonner Strategie muss jetzt unter Berücksichtigung der drei jüngsten bzw. gegenwärtigen Haupttendenzen fortgesetzt werden. Dazu gehören die Globalisierung der Wirtschaft, die Europa dazu zwingt, auf wirtschaftlicher Ebene und bei der Entwicklung der Beschäftigung offensiv vorzugehen, der Flexicurity-Ansatz, der für die Weiterentwicklung unserer Unternehmen und damit der Beschäftigung absolut notwendig ist, und natürlich die Schaffung eines sozialen Europas.
Dazu haben wir in diese Aktualisierung der beschäftigungspolitischen Leitlinien drei Schwerpunkte aufgenommen.
Erstens sind Maßnahmen gegen das Verlassen des Ausbildungssystems ohne Qualifikation erforderlich. Wer die Ausbildung ohne Qualifikation abbricht, ist nicht für die Integration in den Arbeitsmarkt gerüstet und hat damit auch nicht die Voraussetzungen für die gesellschaftliche Integration. Dies ist unsere erste Pflicht, die unseren vollen Einsatz erfordert.
Der zweite Punkt, dem wir uns mit aller Kraft widmen müssen, besteht in der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des lebenslangen Lernens, denn nur dies gewährleistet die ständige Beschäftigungsfähigkeit und die Mobilität der Arbeitnehmer.
Der dritte Punkt betrifft die Validierung der im Laufe der Berufspraxis erworbenen Qualifikationen, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, wirkliche Fortschritte in ihrer beruflichen Laufbahn zu machen, und den Unternehmen, sich den neuen Anforderungen effektiv zu stellen.
Zu all diesen Punkten haben wir Einigkeit erreicht, und ich danke den Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion für ihre Unterstützung bei der heutigen Abstimmung.
Jan Andersson, im Namen der PSE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Als Anne Van Lancker mit der Arbeit an der Stellungnahme des Europäischen Parlaments begann, wollte Sie sich auf einige wenige wichtige Punkte konzentrieren, da wir wussten, dass sowohl die Kommission als auch der Rat vorschlagen würden, die Leitlinien überhaupt nicht zu verändern. Unsere Taktik bestand darin, uns auf einige wenige Punkte zu beschränken, in der Hoffnung, dass zumindest in einigen Fragen auf uns gehört werden würde.
Es ist jedoch anders gekommen. Auch wenn die Herangehensweise im Grunde die gleiche ist, haben wir jetzt massenhaft Änderungsanträge und nicht nur einige wenige. Ich glaube, es wäre besser gewesen, sich auf das zu konzentrieren, was Frau Van Lancker gesagt hat – dass wir die soziale Dimension deutlich stärken, eine Politik für alle außerhalb des Arbeitsmarkts Stehenden, die nicht am Wohlstand teilhaben. Trotz einer positiven Beschäftigungsentwicklung müssen wir feststellen, dass sehr viele neue Beschäftigungsverhältnisse unsicher sind und nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts ausreichen. Arbeit bringt keine Sicherheit. Auch unsere Diskussion über Flexicurity sollte sich deutlicher in den Leitlinien widerspiegeln, da diese bereits seit mehreren Jahren geführt wird. Das Gleiche gilt für Gleichstellungsfragen.
Dass der Rat nicht anwesend ist, hat meines Erachtens seinen Grund darin, dass er leider überhaupt nicht auf das Parlament hören, sondern genau das tun wird, was er zuvor beschlossen hat. Ich glaube, dass wir im Europäischen Parlament bei der nächsten Dreijahresübersicht ernsthaft eine Änderung unserer Taktik und unserer Arbeitsweise erwägen sollten, damit das Parlament tatsächlich Einfluss auf die zukünftige Ausgestaltung der Leitlinien nimmt.
Ona Juknevičienė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Ich möchte der Berichterstatterin Frau Van Lancker für die Ausarbeitung dieses bedeutsamen Berichts meine Anerkennung aussprechen. Zudem möchte ich ihr für die hilfreiche Zusammenarbeit und ihr Verständnis gegenüber den vorgebrachten Änderungswünschen danken. In meinen Augen ist das Dokument ausgewogen, und es wird hoffentlich morgen die Unterstützung der Mehrheit finden.
Ich würde gern Ihre Aufmerksamkeit auf die Mitteilung der Kommission an den Rat lenken, die einen ausgesprochen begrüßenswerten Vorschlag enthält. Dabei geht es um Impulse für die Marktentwicklung und die Anhebung des Beschäftigungsniveaus.
Der Vorschlag betrifft die Wissensfreiheit, die als fünfte Freiheit zu den bereits existierenden vier Grundfreiheiten hinzukommen soll, d. h. zum freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr. Die fünfte Freiheit dürfte den Übergang der EU zu einer modernen, innovativen Wissensgesellschaft beschleunigen, was wiederum das Wissensdreieck Forschung, Bildung und Innovation innerhalb der EU stärken würde.
Die von der Kommission vorgelegte Initiative ist zweifellos gut. Doch würde niemand die Bedeutung der vier ursprünglichen Freiheiten für den Beschäftigungsaufbau in Frage stellen.
Ungeachtet dessen kommt es vor, dass einige Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften der EU missachten oder sogar Rechtsnormen verletzen. Durch protektionistische Maßnahmen blockieren diese Staaten den freien Kapitalverkehr und die Freizügigkeit und gefährden dadurch nicht nur ihre eigene Entwicklung, sondern die der gesamten Europäischen Union.
Die Dienstleistungsfreiheit gewährleistet in meinen Augen nicht die freie Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen. Wir sollten die von Winston Churchill getroffene Feststellung im Hinterkopf behalten, wonach die Zerstörung eines freien Marktes einen Schwarzmarkt erzeugt.
Der Kommission und den einzelnen Mitgliedstaaten sollte klar werden, dass wir gemeinsam viel mehr erreichen können, als wenn jeder getrennte Wege geht.
Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Wir Grünen begrüßen den Bericht der Kollegin Van Lancker ausdrücklich. Denn es ist fatal, dass der Rat erst vollmündig für 2008 Reformen der beschäftigungspolitischen Leitlinien ankündigt und dann sagt: Ach, wir wollen eigentlich keine Reform!
Herr Kommissar, Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, dass in der Kommission und vor allen Dingen beim Rat eine Reformmüdigkeit eingetreten zu sein scheint. Der Bericht Van Lancker hingegen setzt deutlich richtige Prioritäten. Besonders unterstreichen möchte ich die neue Schwerpunktsetzung im Bereich der sozialen Eingliederung. Es ist von zentraler Bedeutung, dass von hier die Botschaft ausgeht, dass wir die Menschen draußen nicht vergessen, sondern dass sie für uns wichtig sind.
Zum zweiten haben wir Grünen wesentlich dazu beigetragen, dass dieser Bericht des Parlaments jetzt eine substantielle Gender Mainstreaming-Dimension bekommt, und zwar durchweg, und dass Familienpolitik nicht schlichtweg als Gender Mainstreaming-Politik verkauft wird. Gender Mainstreaming ist umfassender und betrifft die Frauen – nicht Männer und Frauen, wie es in der Familienpolitik der Fall ist.
Hingegen sehen wir Grünen den Bereich der Flexicurity kritisch, solange der Sozialschutz nicht sichergestellt ist. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass wir eine Reform brauchen und keinen Stillstand!
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion – (PL) Herr Präsident! Die gemeinsame Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten bewährt sich. Zunehmend werden Programme zur Ankurbelung der Beschäftigung für unterschiedliche Altersgruppen aufgelegt, die die spezifischen Bedürfnisse und Möglichkeiten dieser Gruppen und die mit der Arbeitsplatzsuche verbundenen Probleme berücksichtigen. Im Rahmen der Lissabon-Strategie sehen diese Programme vor allem Investitionen in Menschen und ihre Bildung sowie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt vor. Ein Anstieg der Beschäftigungszahl um 3,6 Millionen Menschen im Jahr 2007 und ein voraussichtliches Beschäftigungswachstum um 4,5 Millionen in den Jahren 2008 und 2009 sind das spürbare Ergebnis dieser Politik.
Künftig sollte die Förderung eines Ansatzes die Grundlage für Maßnahmen auf diesem Gebiet bilden, nach dem Arbeit dem Lebenszyklus des Menschen entspricht, bei dem junge Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung Berücksichtigung finden und Arbeitsbedingungen den Bedürfnissen von Familien, insbesondere elterlichen Pflichten, angepasst werden, Diskriminierung am Arbeitsplatz beseitigt wird, vor allem in Hinblick auf den Zugang zu Schulungsmaßnahmen und anderen Formen der Weiterbildung und die Berufstätigkeit älterer Menschen schrittweise zurückgefahren wird.
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren!
Auch ich möchte der Berichterstatterin für ihre Arbeit danken, für den Bericht, der auf die Bedeutung des Sozialmodells als einer der Säulen der Europäischen Gemeinschaft verweist. Ich begrüße es, dass in dem Bericht Punkte wie die Förderung der sozialen Teilhabe, die Bekämpfung der Armut und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt hervorgehoben werden. Die Berichterstatterin betont mit Recht, wie wichtig die Förderung der Geschlechtergleichstellung im Beruf ist. Ungeachtet dieser positiven Aspekte wurde aber nach Ansicht unserer Fraktion anscheinend dem Grundsatz der Flexibilität ein höherer Stellenwert beigemessen als der Schaffung anspruchsvoller Arbeitsplätze sowie dem Recht auf hochwertige Arbeit. Ich habe aber Verständnis für die Berichterstatterin, denn es ist schwierig, diese beiden Komponenten unter einen Hut zu bringen.
Ich bedauere, dass der Ausschuss lediglich einen der vielen von unserer Fraktion eingebrachten Anträge angenommen hat. Unter diesen Umständen werden wir ungeachtet aller angenommenen Kompromisslösungen dem Abschlussbericht nicht zustimmen können. Es war für mich dennoch eine Ehre, mit der Berichterstatterin zusammenzuarbeiten. Die Zukunft, das Ergebnis des Flexibilitätskonzepts, die neuen sozialen Erfahrungen und die Bürger der Europäischen Union werden letztlich darüber entscheiden, wer von uns bei der Verfolgung und Umsetzung des Projekts „Soziales Europa“ der Wahrheit am nächsten kommt.
Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Schlussfolgerung aus diesem Strategiebericht über die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung lautet, dass die Lissabon-Strategie funktioniert. Die Berichterstatterin weist jedoch darauf hin, dass die Strategie für Beschäftigung nicht für alle Bürger gleichermaßen etwas bringt. In der EU verlassen sechs Millionen junge Menschen die Schule vorzeitig, und 16 % der gesamten EU-Bevölkerung sind arm oder von Armut bedroht. Das ist eine unserer Hauptaufgaben, doch leider haben wir es abermals verpasst, in der Liste der bedrohten Personen auch die Pflegekräfte zu nennen.
Pflegekräfte bilden die größte Gruppe unter den Beschäftigten in Europa. Sie zählen nicht zu den Arbeitslosen, sondern arbeiten härter als viele andere Beschäftigte. Als ich das Thema Pflegekräfte im Ausschuss zur Sprache brachte, wurde mir mitgeteilt, Pflegekräfte – also Menschen, die sich um ältere Menschen, Behinderte und Kinder kümmern – seien Personen, die ihre berufliche Laufbahn unterbrechen. Pflegeberufe eine „Unterbrechung der Laufbahn“ zu nennen heißt, Ignoranz gegenüber ihrer Tätigkeit und dem Wert ihrer Tätigkeit zu zeigen.
Herr Kommissar, ich bitte Sie, die Aufmerksamkeit auf die Pflegekräfte zu lenken und sie zu unterstützen. Pflegekräfte entscheiden darüber, wie wir das Problem unserer alternden europäischen Bevölkerung bewältigen, das heißt, wie wir den Bedürfnissen unserer älteren Bürger entsprechen und unsere Geburtenraten stabilisieren. Also machen Sie die Pflegekräfte zu einer Priorität. Ich hoffe, dass wir uns auch in diesem Parlament gezielt mit der Frage der Pflegekräfte befassen werden.
Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Wenn man sich über die 6,5 Millionen neuen Arbeitsplätze, die in den vergangenen beiden Jahren entstanden sind, freut, darf man nicht verschweigen, dass inzwischen vier von zehn Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen leben. Zeitarbeitsfirmen rücken in vielen Ländern zum größten Arbeitgeber auf. Die zunehmende Globalisierung mit Produktionsverlegungen in Billiglohnländer beschert uns einen massiven Verlust an Arbeitsplätzen. Teilarbeitsplätze können dies nur zum Teil ausgleichen.
Mit Leiharbeit, mit 1-Euro-Jobs und Minijobs müssen inzwischen rund 78 Millionen Europäer an der Grenze der Armut leben. Mit einem McJob kann man aber keine Familie ernähren. Auch der einstige Beschäftigungsgarant, eine gute Ausbildung, hilft nur mehr in den seltensten Fällen. Die Bruttolöhne sind gesunken, etwa in Deutschland innerhalb von drei Jahren um fast 5 %, während die Lebenshaltungskosten mit der Euro-Einführung massiv gestiegen sind. Sich angesichts dieser Fakten über ein reines Anwachsen der Beschäftigungszahlen zu freuen, ist meines Erachtens ein Hohn für jeden Einzelnen der Millionen Arbeitslosen und jeden, der trotz ehrlicher Arbeit in Armut leben muss.
Thomas Mann (PPE-DE). – Herr Präsident! Durch die Globalisierung wandeln sich unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen so rasant, dass viele Bürger nicht mehr durchblicken. Sie fühlen sich überfordert und verunsichert. Die Leitlinien der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung müssen ihnen deutlich sichtbar werden: konkurrenzfähige Arbeitsplätze, Chancengleichheit, sozialer Zusammenhalt.
Das Konzept Flexicurity wird noch nicht ausreichend verstanden. Nicht nur Arbeitnehmer müssen im eigenen Interesse flexibler werden, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Auch Unternehmen müssen flexibler werden, von neuen Vermarktungsstrategien über die Entwicklung von innovativen Produkten bis hin zur Eroberung von Marktnischen. Gleichzeitig brauchen Arbeitnehmer leistungsfähige Systeme der sozialen Sicherheit, um Gewissheit zu haben, nicht ausgegrenzt, sondern integriert zu werden. Ihre Arbeit soll angemessen honoriert werden, und zwar branchen- und regionenbezogen durch Vereinbarungen der Sozialpartner, nicht durch staatliche Einmischung.
Ziel der europäischen Beschäftigungspolitik ist, sowohl mehr Menschen in Arbeit zu bringen als auch qualitativ höhere Jobs zu schaffen. Gleichzeitig muss in Bildung und Qualifizierung so investiert werden, dass das Konzept des lebenslangen Lernens wirklich trägt und die Leistungsschwächeren mit einbezieht. Klar werden muss: Sowohl der ESF als auch der Fonds für regionale Entwicklung und der neue Globalisierungsfonds müssen unmittelbar denen zugute kommen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Sie sollen sich besser auf Veränderungen einstellen und in neue Arbeitsfelder einsteigen können.
Wir werden auch daran gemessen, ob es gelingt, ältere Arbeitnehmer länger in Arbeitsprozessen zu halten, anstatt sie in die Frührente abzuschieben. Sie sind hochmotiviert, belastbar, verfügen über jede Menge Know-how. Best practices sollen demonstrieren, wie Jung und Alt in Teams zusammenarbeiten und beiderseitig davon profitieren.
Die Leitlinien für Beschäftigungspolitik in diesem sehr guten Bericht werden vor allem dann akzeptiert, wenn das Subsidiaritätsprinzip konsequent eingehalten wird. Anne Van Lancker hat Recht: Die Mitgliedstaaten müssen beweisen, dass sie dabei mitmachen, dann wächst das Vertrauen in unser Modell der sozialen Marktwirtschaft.
Rovana Plumb (PSE). – (RO) Ich möchte meine Kollegin, Frau van Lancker, zu ihrer Arbeit beglückwünschen und betonen, wie wichtig dieser Bericht ist. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir der Tatsache schenken, dass zurzeit 78 Millionen EU-Bürger arm oder armutsgefährdet sind und 6 Millionen junge Menschen vorzeitig die Schule verlassen. Wir europäische Sozialdemokraten möchten allen Bürgern die gleichen Chancen auf ein menschenwürdiges Leben und auf Stärkung des sozialen Zusammenhalts bieten. Die Umsetzung dieser Leitlinien wird dazu beitragen, dass es mehr sicherere und besser bezahlte Arbeitsplätze gibt, dass durch den Zugang zu hochwertigen sozialen Dienstleistungen ein angemessener Sozialschutz gewährleistet ist und dass aktive soziale Integration aller Unionsbürger zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gefördert wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass wir dem Zugang behinderter und älterer Menschen zum Arbeitsmarkt Beachtung schenken und die Diskriminierung von Frauen hinsichtlich der Bezahlung aus der Welt schaffen sollten. Meiner Ansicht nach stellt dieser Bericht ein wichtiges Instrument dar, um die Ziele der neuen Lissabon-Strategie zu erreichen, und wird zu Stärkung der sozialen Dimension des Vertrags von Lissabon beitragen, der auch von Rumänien ratifiziert wurde. Ich werde diesen Bericht unterstützen und für ihn stimmen.
Siiri Oviir (ALDE). – (ET) Herr Präsident! Herr Kommissar! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Leitlinien für das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung der nächsten drei Jahre werden auf dem europäischen Frühjahrsgipfel zur Debatte stehen. Die Lissabon-Agenda trägt nun langsam Früchte. Das ist eine erfreuliche Nachricht, auch wenn wir wahrscheinlich der Frage der sozialen Eingliederung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben. Durch die Lissabon-Agenda wurden tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen, auch wenn diese nicht immer aus der obersten Schublade stammen. Es reicht nicht aus, sich ehrgeizige Ziele zu setzen – mehr Bildung muss her, aber auch eine passgenaue und effektive Ausrichtung des Schulwesens an den Bedürfnissen der wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft.
Es gilt, eine familienfreundliche Gestaltung des Arbeitslebens zu fördern. Die Lissabon-Agenda sieht den Ausbau der sozialen Maßnahmen vor. Deshalb sollte die Aufmerksamkeit nicht einfach einer größeren Flexibilität der Arbeitsbeziehungen gelten, sondern einer abgesicherten Flexibilität. Nur die richtige Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit kann zu Verbesserungen der Beschäftigungslage und der sozialen Absicherung führen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich positive wirtschafts-, beschäftigungs- und sozialpolitische Entwicklungen gegenseitig ergänzen. Abschließend möchte ich nicht versäumen, der Berichterstatterin zu ihrer hervorragenden Arbeit zu gratulieren.
Gabriele Zimmer (GUE/NGL). – Herr Präsident! Die Kommission beruft sich darauf, dass infolge der mit den Mitgliedstaaten abgestimmten Beschäftigungspolitiken in den letzten zwei Jahren 6,5 Millionen Arbeitsplätze entstanden sind. Das klingt gut, vor allem für jene, die die Europäische Union immer mehr dem globalen Wettbewerb anpassen wollen, weniger gut für jene, die zum großen Teil diese Jobs erhalten haben, davon aber auch kaum leben können.
Der gestern in Deutschland veröffentlichte Armutsbericht hat auch deutlich gemacht, dass zunehmend mehr Beschäftigte zu ihrem Arbeitseinkommen Sozialhilfe benötigen, um nicht in die Armut abzurutschen, und dass die Einkommensschere zwischen denen, die hohe Einkommen beziehen, und denen, die so gut wie kein Einkommen beziehen, immer größer wird. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Beschäftigungsstrategie der Europäischen Union viel stärker konkret verknüpft wird mit der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, der Bekämpfung von Armut, der Schaffung guter Arbeitsplätze, der Erhöhung der Einkommen und der Sicherung des Sozialschutzes der Beschäftigten. Diese konkrete Verknüpfung wird aber bewusst nicht hergestellt, aus welchen Gründen auch immer.
Die Europäische Union sollte sich endlich darauf konzentrieren, das Konzept gute Arbeit, das auch die Minister für Beschäftigung der EU vor einem Jahr noch propagiert haben, in den Mittelpunkt zu stellen, um hier einen Schritt weiter zu kommen. Das Flexicurity-Konzept ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend!
Derek Roland Clark (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Wenn die Lissabon-Strategie wirklich beginnt, Früchte zu tragen, warum hat die Teilzeitarbeit dann in den letzten Jahren von 16,2 % auf 18,1 % zugenommen? Warum hat der Anteil der Erwerbstätigen, die unfreiwillig in einem befristeten Arbeitsverhältnis ohne langfristige Sicherheit stehen, mehr als 6,5 % erreicht?
Die Berichterstatterin räumt ein, dass die Arbeitslosigkeit in der EU 2005 8,9 % erreichte. In diesem Jahr soll sie auf 7,1 % sinken, aber wird sie das auch? Im Vereinigten Königreich beträgt die Arbeitslosigkeit nur etwa 5,8 %. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit braucht keine Politik. Er braucht, im übertragenen Sinne, eine Spritze. Wo wir beim Thema sind: Wurde das System subkutaner Infusionen von einer Kommission bzw. einem Parlament oder einem Ausschuss erfunden? Nein, wurde es nicht. Jemand hatte eine schlaue Idee, und gute Ideen verbreiten sich immer. Ersetzen Sie „gute Ideen“ durch „bewährte Praktiken“, und die sind dazu da, ausgetauscht zu werden. Sehen Sie sich die überdurchschnittlichen Beschäftigungszahlen im Vereinigten Königreich an, die ich gerade erwähnte. Sie sind deshalb überdurchschnittlich, weil es zu unseren bewährten Praktiken gehört, uns die Nichtbeteiligung an der nutzlosen Arbeitszeitrichtlinie vorzubehalten und den Euro nicht einzuführen, sondern unverändert weltweiten Handel über die EU-Grenzen hinaus zu betreiben, in größerem Umfang als jeder andere Mitgliedstaat. Das ist die Spritze, zu der ich Ihnen rate. Nehmen Sie sie an?
Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Ich möchte meinen Redebeitrag mit einer Beobachtung beginnen, die ich Ihnen gern und mit Genugtuung mitteilen will. Die erneuerte Lissabon-Strategie trägt erste Früchte. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass in der Europäischen Union ein steter Anstieg der Zahl der Menschen zu verzeichnen ist, die Arbeit haben.
An dieser Stelle stimme ich jedoch nicht ganz mit der Meinung der Berichterstatterin, Frau Van Lancker, überein, die Qualität der neu geschaffenen Arbeitsplätze könne Besorgnis erregen. Natürlich sollten wir alles in unseren Kräften Stehende tun, damit die in der Europäischen Union angebotenen Arbeitsplätze höchsten Qualitätsansprüchen genügen, aber meiner Ansicht nach ist jeder Arbeitsplatz besser, als arbeitslos zu sein, was für die Betroffenen entwürdigend ist und bei ihnen ein Gefühl der eigenen Wertlosigkeit hervorruft. Das trifft ganz besonders auf junge Menschen zu, unter denen die Arbeitslosigkeit anhaltend hoch ist. Ihre Zukunft sollte daher in den nächsten Jahren als dringlichste Aufgabe angesehen werden.
Ein wirksames Instrument zur Erhöhung der Zahl verfügbarer Arbeitsplätze – und das ist besonders für junge Europäerinnen und Europäer wichtig – ist das Konzept der Verbindung von Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt, auch „Flexicurity“ genannt. Es gibt kein alleingültiges, universelles Modell der Flexicurity. Aus diesem Grunde sollte dieses Konzept unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse und Traditionen in den jeweiligen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Genau in die Richtung zielen die von meiner Fraktion eingebrachten Änderungsanträge. Zwei Elemente dieses Ansatzes sind jedoch fast universell und spielen nach meinem Dafürhalten zugleich eine Schlüsselrolle.
Erstens betrifft dies Investitionen in Bildung, vor allem in qualitativ hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen, die es Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten den schnelllebigen ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Trends anzupassen.
Zweitens müssen „unübliche“ Formen der Beschäftigung engagierter genutzt werden. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die es insbesondere jungen Menschen, die sich auf ihren Einstieg ins Berufsleben vorbereiten, ermöglichen, sowohl praktische Fähigkeiten zu erwerben als auch die Kosten ihrer beruflichen Ausbildung zu decken.
Richard Falbr (PSE). – (CS) Zunächst möchte ich meine Bewunderung für Anne Van Lancker zum Ausdruck bringen. Trotz der Vielzahl an eingebrachten Änderungen hat sie nicht zugelassen, dass ihr Bericht verwässert wird. Ich selbst sehe die Dinge noch kritischer, denn in meinen Augen hat die Lissabon-Strategie kaum etwas bewirkt. Die Arbeitslosenzahlen sind nicht spürbar gesunken, die geschaffenen Arbeitsplätze kann man nicht als hochwertig bezeichnen, und wir nehmen es hin, dass in den EU-Staaten Menschen trotz Arbeit arm sind. All dies deutet darauf hin, dass irgendetwas hier nicht stimmt. Selbst das Grünbuch gibt keine Antworten auf die Fragen, die uns Arbeitnehmer und Gewerkschaften stellen. Wir müssen lediglich einen Blick in die entsprechenden Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation werfen. Denn abgesehen von einigen Ausnahmen haben fast alle Mitgliedstaaten die wichtigsten Konventionen ratifiziert. Daher ist das Unbehagen, mit dem die europäischen Gewerkschaften die zuletzt ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtsachen Viking, Laval und Rüffert aufgenommen haben, verständlich. Ich würde deshalb anraten, weniger Papier zu beschreiben und den Errungenschaften der letzten Jahre mehr Beachtung zu schenken. Dies gilt insbesondere für die hoch entwickelten Staaten der Europäischen Union.
Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Dieser Bericht ist von Werten durchdrungen, die einen freien Arbeitsmarkt prägen sollten. Es gibt jedoch ein großes Manko: Es ist falsch, solche Regeln auf Gemeinschaftsebene festzulegen, denn damit gehören sie zum gemeinschaftlichen Besitzstand – sie werden zur Heiligen Schrift. Die Möglichkeit zukünftiger Reformen schwindet somit in ganz Europa.
Wenn Deutschland und Frankreich in den 1970er Jahren eine gemeinsame Beschäftigungspolitik für die Gemeinschaft auf der Grundlage der damals vorherrschenden politischen Konzepte hätten durchsetzen können, befände sich die europäische Wirtschaft heute im Niedergang.
Im Bericht erscheint ständig das Modewort des Tages: Flexicurity. Das hängt damit zusammen, dass es bisher keine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik gegeben hat und weshalb Dänemark etwas entwickeln konnte, was heute sehr vielversprechend aussieht. Dem Bericht würde es gut tun, wenn er auf einen einzigen Satz reduziert würde: „Das Europäische Parlament empfiehlt den Mitgliedstaaten einen Blick auf das dänische Flexicurity-Modell, um zu sehen, ob sie davon etwas lernen können.“ Punkt.
José Albino Silva Peneda (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Entwicklung der Beschäftigungsquoten verläuft tatsächlich sehr positiv, und wir müssten bis in die 1980er Jahre zurückgehen, um ähnliche Zahlen anzutreffen. Dennoch müssen wir uns bewusst sein, dass nicht alle europäischen Regionen gleichermaßen ermutigende Ergebnisse gezeigt haben. Auch die Nachrichten über die Arbeitsplatzqualität sind nicht eben die besten.
Ich weiß, dass beim Thema Sozialpolitik immer die Bestrebung besteht, Prioritäten zu setzen, und das ist keine einfache Aufgabe – man gerät in Versuchung, allem Priorität beizumessen. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass es, wenn alles Priorität hat, im Endeffekt gar keine Prioritäten gibt.
Aus diesem Grund möchte ich uns alle darin bestärken, dafür zu sorgen, dass bei diesen sozialen Fragen jeweils die Aufgaben, Zuständigkeiten sowie klare und messbare Ziele festgelegt werden, insbesondere im Bereich Beschäftigungspolitik.
Für mich besteht ein ganz eindeutiger Schwerpunkt darin, etwas gegen den vorzeitigen Schulabbruch zu unternehmen, was momentan 15 % der Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 24 betrifft. Das sind mehr als 6 Millionen junge Menschen.
Besonders ernst ist das Problem des Schulabbruchs angesichts der zu erwartenden demografischen Entwicklung in Europa, wonach es 2030 18 Millionen Kinder und Jugendliche weniger geben wird und 52 % mehr Menschen über 65 Jahre alt sein werden.
Ich halte es für untragbar, dass diese wertvolle, schrumpfende Bevölkerungsgruppe der Jugendlichen, von der das soziale Sicherungssystem abhängig ist, nicht gut ausgebildet und bestmöglich darauf vorbereitet wird, sich den Herausforderungen des neuen Arbeitsmarktes zu stellen. Wir wissen alle, dass in einer Informationsgesellschaft die am schlechtesten ausgebildeten Personen am stärksten von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung betroffen sind und ganz offensichtlich Gefahr laufen, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden.
Ebenso wie unsere Berichterstatterin Anne Van Lancker, die ich beglückwünsche, bin auch ich fest davon überzeugt, dass die soziale Dimension der Lissabon-Strategie gestärkt werden muss, und zwar insbesondere durch eine stärkere Hervorhebung des Problems der Eingliederung.
Juan Andrés Naranjo Escobar (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Haupttugenden der vorliegenden Arbeit sind der grundlegende Konsens in der Diagnose der Lage und was auf nationaler Ebene getan werden muss, um die Beschäftigungsziele der Lissabon-Strategie zu erreichen.
Die Union muss wirtschaftlich äußerst stark sein, um politisch voranzukommen, ohne auf das in ihren Genen verankerte Sozialmodell zu verzichten. Die beste Sozialpolitik ist, den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich durch die Arbeit zu integrieren und zu entwickeln.
Diese acht Leitlinien geben uns den Fahrplan für die Reformen vor, die bis 2010 abgeschlossen sein müssen. Das ist mehr als ausreichend, um die nationalen Reformprogramme auf den Weg zu bringen.
Doch es gibt einige ganz entscheidende Aspekte, mit denen wir uns besonders befassen müssen.
Der erste ist die Erreichung eines Grades an Mobilität, der Beschäftigungschancen eröffnet, vor allem für junge Menschen. Dafür ist es unabdingbar, eine wirksame Regelung zur Vergleichbarkeit der Qualifikationen zu gewährleisten, nicht nur in Bezug auf akademische Grade und Diplome, sondern auch im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer während ihres Arbeitslebens.
Der zweite besteht in der Modernisierung der Beschäftigungsbestimmungen für einen schrittweisen und flexiblen Eintritt in den Ruhestand. Dadurch würden eine Verschlechterung des Erwerbseinkommens und die nachfolgende Verarmung vermieden.
Der dritte ist die Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten der Bevölkerung insgesamt, denn die Globalisierung hat ihre Gesetze, meine Damen und Herren. Wer sich darauf einstellt, gewinnt, alle anderen verlieren.
Wenn wir eine höhere Produktivität, mehr hoch qualitative Arbeitsplätze und bessere Fähigkeiten und Fertigkeiten erreichen wollen, müssen wir die in der Lissabon-Strategie genannten Reformen voranbringen.
Es hat in der Tat Erfolge gegeben, doch wenn die ausstehenden Reformen vernachlässigt werden, wird alles zusammenbrechen.
Deshalb hat die Umsetzung von Initiativen wie „Flexicurity“ auf dem Wege des Dialogs so große Bedeutung.
Iles Braghetto (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel der Lissabon-Strategie, einen Beschäftigungszuwachs in Europa herbeizuführen, wurde erreicht, allerdings nicht für alle. Für Jugendliche, Frauen und soziale Randgruppen bleibt der Weg nach wir vor schwierig. Die Qualität der Beschäftigung hat sich nicht verbessert: Die Zahl der befristeten Arbeitsverträge ist weiter gestiegen, und die größere Flexibilität der Arbeit hat die Arbeitsplätze nicht sicherer gemacht. Deshalb muss die soziale Dimension der Lissabon-Strategie gestärkt werden, indem das lebenslange Lernen und die Anerkennung der Fähigkeiten unterstützt werden.
Es gilt, soziale Sicherungssysteme zu entwerfen, die mit entsprechenden Abfederungsmechanismen Einkommensstützung bieten und die Mobilität am Arbeitsmarkt erleichtern, und die Ziele hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen.
Der Entschließungsentwurf geht in diese Richtung und findet daher unsere Unterstützung.
Tadeusz Zwiefka (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich teile die Auffassung, die erneuerte Lissabon-Strategie habe zu einem Anstieg der Beschäftigung geführt, wobei aber nicht unbedingt Arbeitsplätze höherer Qualität entstanden sind.
Der Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung sollte im Rahmen jeder Strategie der Europäischen Union berücksichtigt werden. Allerdings bin ich nicht der Ansicht, die Annahme gemeinsamer sozialer Standards auf EU-Ebene sei ein Allheilmittel für unsere Probleme. Beschäftigung und Sozialpolitik fallen in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten und alle Maßnahmen der EU auf diesem Gebiet müssen dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen. Die Festlegung und Einführung von Strategien, die auf spezifischen Modellen basieren, wie z. B. der Flexicurity, unterscheiden sich auf einzelstaatlicher Ebene.
An dieser Stelle möchte ich auf die Gefahr hinweisen, die mit einer eindimensionalen Herangehensweise an diese Problematik verbunden ist, möchte aber gleichzeitig auch die Schaffung einer Plattform auf EU-Ebene für Zwecke des Austauschs von Informationen und bewährten Verfahren unterstützen.
Meines Erachtens wird keine konkrete beschäftigungspolitische Strategie ohne die Beseitigung aller vorhandenen Barrieren für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte hundertprozentig erfolgreich sein, da diese ein sicheres Mittel für die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Förderung von Beschäftigung ist.
Renate Weber (ALDE). – (RO) Ich gratuliere Anne van Lancker zu ihrem Bericht. Ich persönlich mache mir Sorgen über die Qualität der Arbeitsplätze. In der EU leben 78 Millionen Menschen auch deshalb an der Armutsgrenze, da es in den Mitgliedstaaten Ungleichheiten bei der Bezahlung der Arbeitnehmer gibt. Ich weiß, mit welchen Diskriminierungsproblemen viele Rumänen zu kämpfen haben, die legal in anderen EU-Mitgliedstaaten arbeiten, und dass sie gezwungen werden, Tätigkeiten auszuüben, für die sie überqualifiziert sind, und niedrigere Löhne erhalten als ihre Kollegen, die Staatsbürger des jeweiligen Landes sind. Bedauerlicherweise gibt es auf europäischer Ebene keinen Mechanismus, mit dem die Arbeitsplatzqualität beurteilt werden kann. Wir brauchen einen solchen Mechanismus. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Grundsatz der richtigen Bezahlung einen Anreiz für die Erbringung hochwertiger Dienstleistungen liefert, und ich lehne die bestehenden Tendenzen, die Arbeitnehmer schlechter zu bezahlen, strikt ab. Auch sollte die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union nicht eingeschränkt werden.
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) In Wirklichkeit gibt es nur zwei Wege, um dem Arbeitslosenproblem zu begegnen: Entweder begibt sich der Arbeitssuchende dorthin, wo es Arbeit gibt, oder aber die Arbeit wird dorthin verlegt, wo Menschen Arbeit suchen. Letzteres ist meiner Meinung nach sinnvoller, da keine der angewandten Methoden im ersten Fall (Aufteilung der Arbeit, flexible Arbeitsverträge, Flexibilisierung der Arbeitszeit usw.) die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. In meinen Augen bietet der zweite Lösungsansatz größere Möglichkeiten und ist durchaus für die EU geeignet. Eine Möglichkeit wäre die Einrichtung eines europäischen öffentlichen Sektors, damit die EU als Stelle, die Arbeitsplätze schafft, fungieren könnte.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich die bemerkenswerte Arbeit meiner Kollegin Elisabeth Morin würdigen, die die Positionen unserer Fraktion verteidigt hat.
Doch auch auf die Gefahr hin, etwas über das Thema hinauszugehen, möchte ich die Frage nach der Rolle der Sozialpartner stellen, die mir in diesem Bericht völlig zu fehlen scheint. Wir beraten nach Artikel 128, d. h. wir werden Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten, doch ich halte die Zeit für gekommen, uns auf ein umfassenderes Handeln zu orientieren.
Herr Kommissar, was ist Ihre Meinung zur Anwendung von Artikel 139 des Vertrags, der für die Sozialpartner genau die Möglichkeit vorsieht, ein gemeinschaftliches Sozialrecht zu schaffen? Wie können wir eine Beschäftigungspolitik ohne Koordinierung des Sozialrechts führen? Und meiner Meinung nach kommt es Ihnen in Anwendung von Artikel 138 zu, die Sozialpartner zu fördern; wir müssen sie in die Schaffung eines wirklichen europäischen Sozialrechts einbeziehen.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Die erste Stufe bei der Umsetzung der in der erneuerten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung verankerten Ziele hat bereits beeindruckende Ergebnisse hervorgebracht. Im Jahr 2007 wurden 3,5 Millionen Arbeitsplätze in der EU geschaffen, und die Arbeitslosenquote sank im Zeitraum 2005-2007 um 1,6 %.
Allerdings ist dies nur die eine Seite der Medaille. In der EU sind heute 14 Millionen Erwerbstätige von Armut betroffen. Zusätzlich hat sich die Anzahl der Menschen, die in befristeten oder Teilzeitarbeitsverhältnissen ihr Geld verdienen müssen, stetig erhöht. Junge Europäer sind ebenfalls mit gravierenden Problemen konfrontiert. So verlassen ungefähr sechs Millionen Jugendliche frühzeitig die Schule, und die Erwerbsquote der Jugendlichen ist nicht einmal halb so hoch wie die der EU-Erwerbstätigen insgesamt.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die Lissabon-Zielvorgaben für Wachstum und Beschäftigung in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich schnell und mehr oder weniger wirkungsvoll umgesetzt werden. Ich bitte die Kommission, auf eine durchgängige Realisierung der Europäischen Beschäftigungsstrategie und die Erreichung der Zielvorgaben für das lebensbegleitende Lernen im EU-Jugendprogramm, im Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter sowie im Aktionsplan 2006-2007 für behinderte Menschen hinzuwirken.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, die Aufmerksamkeit nun auf zwei Bereiche zu lenken, die europaweit gefördert werden müssen. Das ist zum einen die Beratung, Information und Betreuung junger Menschen und Arbeitnehmer jeden Alters, um sie zu befähigen, eine passende Beschäftigung zu finden sowie Bildungsmöglichkeiten und Chancen für lebenslanges Lernen zu nutzen. Der zweite Bereich, der in Europa gestärkt werden sollte, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen, sind die Arbeitsaufsichtsbehörden. Sie können gegen Schwarzarbeit vorgehen, die die Geißel legaler Beschäftigung ist.
Beschäftigung sowie Unternehmertum und die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern sind wohl unsere größte Chance in den kommenden Jahren bis 2010.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Herr Kommissar! Die derzeitige Wirtschaftslage in der Europäischen Union verbessert sich. Wir erleben nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, neue Arbeitsplätze entstehen, der Grad der Beschäftigung steigt und die Arbeitslosenzahlen sinken.
Um diesen Prozess fortzusetzen, müssen wir die soziale Integration verstärken. In Verbindung damit müssen wir erstens vor allem jungen Menschen, die gerade erst auf den Arbeitsmarkt drängen, bei der Arbeitssuche helfen. Zweitens sollten wir es den Menschen in einer schwierigen materiellen Situation einfacher machen, einen Arbeitsplatz zu finden und drittens sollten wir den Langzeitarbeitslosen eine Chance geben.
Das sind Bereiche, in denen eine wirksamere Unterstützung und Handeln seitens der Europäischen Union notwendig sind. Wir müssen alles daran setzen, das System der Aus- und Weiterbildung so anzupassen, dass es den Anforderungen der Lissabon-Strategie genügt und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreibt, was wiederum Einfluss auf die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen hat.
Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich glaube, in der Beschäftigung spielen besonders die kleinen und mittleren Betriebe eine große Rolle. Immerhin zwei Drittel unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten in kleinen und mittleren Betrieben, und diese erwirtschaften 50 % des Bruttonationaleinkommens. Deshalb sollten wir bei unseren Strategien darauf achten, dass gerade die berufliche Aus- und Weiterbildung in den kleinen und mittleren Betrieben forciert wird, dass neue Möglichkeiten der Abschreibung der entstehenden Kosten geschaffen werden und dass letztlich höhere Nettolöhne für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich werden.
Letztlich gilt es auch, die Infrastruktur dafür aufzubauen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicher in die Arbeit kommen. Hier könnte die Europäische Union durchaus ein Best practice-Modell anbieten.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Verehrte Damen und Herren! Die parlamentarische Geschäftsordnung erlaubt es mir leider nicht, im Einzelnen zu Ihren Redebeiträgen Stellung zu nehmen. Gestatten Sie mir daher, Ihnen für die geführte Debatte zu danken, durch die viele Aspekte des Arbeitsmarkts und der Europäischen Beschäftigungsstrategie beleuchtet werden konnten. Auf einige grundlegende Fragen möchte ich jedoch näher eingehen.
Zunächst hat die Europäische Beschäftigungsstrategie konkrete Ergebnisse hervorgebracht. Aktuellen Statistiken zufolge haben sich im Vergleich zu den 80er Jahren die Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen deutlich verbessert. Dies ist ein klarer Erfolg. In ihrer Debatte wurden oft Bedenken über die Qualität der Arbeitsplätze zum Ausdruck gebracht. Ich möchte betonen, dass der Gedanke, neue Arbeitsplätze und neue hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, Teil der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung ist. Doch was ist dabei herausgekommen? Von den Millionen neu geschaffener Arbeitsplätze sind über die Hälfte Vollzeitstellen, an deren Qualität nicht zu zweifeln ist. Die verbleibenden Arbeitsplätze sind zumeist Teilzeitstellen oder befristete Arbeitsverhältnisse.
Die Annahme, dass es sich bei Teilzeitarbeit und befristeter Beschäftigung grundsätzlich nicht um hochwertige Arbeitsplätze handelt, hat meiner Auffassung nach weder Hand noch Fuß. Das Argument ist einfach nicht haltbar. Viele dieser Stellen sind durchaus hochwertig. Zweifellos wird ein Teil der Beschäftigungsverhältnisse den Ansprüchen nicht gerecht, weshalb in diesem Bereich noch manches verbesserungswürdig ist. Nach meiner Ansicht gilt es vor allem, dem sehr beunruhigenden Problem der Armut trotz Arbeit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Den vorliegenden Zahlen zufolge sind immerhin 8 % der Erwerbstätigen dieser Gruppe zuzuordnen. Millionen von Menschen sind von diesem sehr akuten Problem betroffen.
Ein weiteres von Ihnen erörtertes Thema betrifft das Verhältnis zwischen Beschäftigungspolitik und sozialer Eingliederung. Bei der Leitlinie Nr. 19 geht es schwerpunktmäßig um einen integrativen Arbeitsmarkt sowie die Förderung der Eingliederung benachteiligter Personen in den Arbeitsmarkt. Die Kommission hat diesbezüglich im Strategiepapier die Empfehlung abgegeben, dass keine wesentlichen Korrekturen an den Leitlinien erfolgen sollen. Die Leitlinien haben sich nämlich als erfolgreich erwiesen, und zudem steht fest, dass es im Interesse verantwortungsbewussten Regierens und eines besser austarierten Verhältnisses zwischen Europa und den einzelnen Staaten besser ist (wie von den meisten Mitgliedsstaaten auch befürwortet), die Leitlinien in ihrer jetzigen Form zu belassen. Andererseits ist doch klar, dass der Text nicht in Stein gemeißelt ist, dass er den Gegebenheiten angepasst werden muss und dass bei den von ihnen angesprochenen Themenbereichen Handlungsbedarf besteht.
Ich möchte gern auf eine weitere Frage, die Artikel 139 des EG-Vertrags betrifft, antworten. Paradoxerweise wird heute die Tarifvereinbarung im maritimen Sektor unterzeichnet, und es ist bereits die Festlegung getroffen worden, sie über Artikel 139 in das europäische Recht einfließen zu lassen. Es handelt sich hier um einen konkreten Schritt, der belegt, dass dieser Artikel nicht vernachlässigt wurde. Im Übrigen betrachte ich die Vereinbarung im maritimen Sektor als äußerst wichtigen Schritt nach vorn, da es sich hierbei um einen sehr komplexen und international ausgerichteten Sektor handelt. Die Sozialpartner haben einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet.
Selbstverständlich waren auch andere Themen wie die Bildungsfrage, die Zahl der Schulabbrecher sowie das lebensbegleitende Lernen Gegenstand der Diskussion. Alle diese Themen nehmen einen wichtigen Stellenwert ein und werden zum Teil in die neue Sozialagenda einbezogen. Im Hinblick auf die Integration würde ich gern Ihre Aufmerksamkeit auf die Mitteilung der Kommission zur aktiven Eingliederung lenken. Neben anderen Dokumenten umreißt dieses Papier die Strategie der Kommission auf diesem Gebiet. Ich möchte betonen, dass zwar der Arbeitsmarkt das Fundament einer aktiven Eingliederungspolitik darstellt, dies aber nicht für andere Bereiche gilt, in denen abgestimmte Eingliederungsmaßnahmen notwendig sind. Es gibt unzählige Menschen, die aus natürlichen Gründen nicht dem Arbeitsmarkt aktiv zur Verfügung stehen, beispielsweise Rentner oder Personen, die sich in ungewöhnlichen Situationen oder Umständen befinden. Daher muss die Eingliederungspolitik neben dem Arbeitsmarkt auch andere Gebiete erfassen. Die europäische Beschäftigungsstrategie hat diesen Aspekt natürlich gebührend zu berücksichtigen.
Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte ihnen nochmals für die rege Debatte danken, die wohl die wichtigsten arbeitsmarktrelevanten Themen berücksichtigt hat. Auch dürfte sie spürbar zu einer besseren und effektiveren Balance zwischen der europäischen Beschäftigungsstrategie und den Aktivitäten der einzelnen Mitgliedstaaten beigetragen haben. Wie eingangs erwähnt, wurden im Verlauf der Debatte sehr interessante Ausführungen gemacht, allerdings ist es mir aufgrund der parlamentarischen Geschäftsordnung lediglich möglich, auf einige wenige Redebeiträge einzugehen.
Anne Van Lancker, Berichterstatterin. − (NL) Zuallererst möchte ich den Kolleginnen und Kollegen herzlich für ihre Diskussionsbeiträge danken. Meiner Ansicht nach ist klar, dass viele von Ihnen den Schwerpunkt auf Chancengleichheit, soziale Eingliederung und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze gelegt haben, was meiner Meinung nach von großer Wichtigkeit ist. Es tut mir leid, wenn ich einige von Ihnen enttäuscht habe, indem nicht noch weitere Ihrer Änderungsanträge berücksichtigt wurden, aber ich wollte wirklich vermeiden, dass der Bericht wie ein völlig überladener Weihnachtsbaum daherkommt.
Gestatten Sie mir noch einige Worte in Beantwortung einer Bemerkung von Jan Andersson, dem Vorsitzenden des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Ich hoffe aufrichtig, der Bericht möge nicht in einer Schublade verschwinden, denn obgleich Artikel 128 des Vertrages dem Parlament das Recht gibt, konsultiert zu werden, besteht in der Praxis die Gefahr, dass dieses Recht ausgehöhlt wird. Herr Kommissar, ich verstehe, dass der Rat zu einem frühen Zeitpunkt im Jahr eine Entscheidung treffen muss, damit die Sozialpartner die nationalen Reformpläne erarbeiten können. Daher scheint es mir wichtig, dass die Europäische Kommission, wenn das Parlament seine ihm zugewiesene Rolle weiterhin spielen können soll, früher im Jahr ihre Vorschläge einbringt, damit die drei Institutionen ihre jeweilige Rolle im Prozess vertragsgemäß erfüllen können.
Erneut geht mein Dank an alle Kolleginnen und Kollegen. Hoffen wir, dass der Rat doch noch die Ohren offen halten wird.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Nach den jüngsten Berichten der Europäischen Kommission sind 16 % der EU-Bürger von Armut bedroht, und 8 % von ihnen trotz Vollbeschäftigung. 13 % der erwachsenen Bürger Polens sind von Armut bedroht, einschließlich der Bürger, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Region Kleinpolen, die ich im Europäischen Parlament vertrete, hat mit derzeit 8 % die geringste Arbeitslosenquote in Polen. Das ist aber keine Garantie für einen sicheren Lebensstandard, da galoppierende Nahrungsmittel- und Energiepreise viele Familien an den Rand der Armut treiben. In der benachbarten Woiwodschaft Heiligkreuz, die ich ebenfalls im Europäischen Parlament vertrete, ist die Lage angesichts doppelt so hoher Arbeitslosigkeit wie in Kleinpolen nahezu dramatisch. Allein am Beispiel dieser beiden Woiwodschaften zeigt sich wachsende soziale Ungleichheit. Wie Frau Van Lancker in ihrem Bericht über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten richtig feststellt, leben in der Europäischen Union mehr als 14 Millionen Menschen trotz Arbeit in Armut.
Diese Zahl könnte sehr schnell weiter anwachsen, falls die Lissabon-Strategie nicht dahin gehend modifiziert wird, dass mehr und qualitativ hochwertigere Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden. Dieses Problem betrifft vor allem die neuen Mitgliedstaaten, in denen die Unterschiede im Wohlstand der Bürger im Vergleich zu den übrigen Mitgliedstaaten am größten sind.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Wachstum und Beschäftigung sind Kernelemente der Lissabon-Strategie. Ein wettbewerbsfähiges und innovatives Europa zu schaffen geht mit Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt einher. Unsere Unternehmen brauchen Arbeitskräfte, die auf neue Herausforderungen und den Bedarf an Veränderungen reagieren können. Natürlich teile ich die Auffassung, dass Beschäftigung Stabilität, Sicherheit und Vertrauen in die Zukunft schaffen muss. Gleichzeitig sollten die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinreichend flexibel sein, um Unternehmern genügend Spielraum für Veränderungen zu lassen, mit denen sie aufgrund der Marktsituation konfrontiert sind.
Aus diesem Grunde erscheint es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer dringend geboten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, ihre Qualifikation zu erhöhen und ihre berufliche Weiterbildung voranzutreiben. Das liegt im Interesse der Unternehmen, die gut ausgebildete und hoch motivierte Mitarbeiter suchen. Es liegt aber auch im Interesse der Mitarbeiter selbst, die aufgrund ihrer gewachsenen Kompetenz ihre Stellung am Arbeitsplatz festigen und im Falle einer notwendigen Veränderung sicher sein können, auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Qualifikation keine Probleme zu haben, ihren Weg zu finden.
Zum Schluss möchte ich die Aufmerksamkeit noch auf das Element der Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt lenken. Es ist bekannt, dass in vielen Mitgliedstaaten die Beschäftigung von Bürgern aus den neuen Mitgliedstaaten immer noch Beschränkungen unterliegt. Und das trotz Mahnungen seitens der Vertreter der Wirtschaft, die auf den Arbeitskräftemangel in vielen Branchen hingewiesen haben.
Solange noch Beschränkungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt in Kraft bleiben, solange werden die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und die Dienstleistungsfreiheit in Europa nur mit halber Kraft auf dem Weg zum Erfolg unserer Volkswirtschaften vorankommen.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE) , schriftlich. – (RO) Die überarbeitete Lissabon-Strategie hat positive Ergebnisse gezeitigt. Nichtsdestotrotz sollten wir uns mit den Bereichen befassen, in denen noch mehr Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden müssen, um das Beschäftigungsziel zu erreichen.
Ich beziehe mich hier vor allem auf die Probleme, die junge Menschen im Laufe ihrer Ausbildung und beim Eintritt in den Arbeitsmarkt haben. In der EU steigen 6 Millionen junge Menschen vor ihrem 18. Geburtstag aus dem Bildungssystem aus. Besorgnis erregend ist auch die Tatsache, dass von allen Arbeitslosen in der gesamten Europäischen Union 40 % junge Menschen sind. Darüber hinaus nehmen die meisten jungen Menschen, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen, weniger günstige Beschäftigungsbedingungen wie Teilzeitarbeit, befristete oder auf bestimmten Dienstleistungen basierende Arbeitsverträge in Kauf.
Mithilfe der beschäftigungspolitischen Leitlinien müssen wir mehr Lösungen für die Programme und Fonds finden, die die Europäische Union zur Förderung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich einführt.
Magda Kósáné Kovács (PSE) , schriftlich. – (HU) Die Beschäftigungsrichtlinie hat den Mitgliedstaaten der erweiterten Europäischen Union langfristige Leitlinien sowie Ziele und Instrumente zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen in der zweiten Durchführungsphase der Lissabon-Strategie verschafft. Seitdem ist klar geworden, dass eine Volkswirtschaft in einer Welt, die mit Wettbewerb leben muss, weder konkurrenzfähig noch effizient sein und sich auch nicht schneller als der Rest weiterentwickeln kann, wenn sie sich in der sozialen Wüste verirrt hat und versucht, dieses Ziel zu erreichen, während sie von Menschen umgeben ist, die Gefahr laufen, sozial ausgegrenzt zu werden.
Für ein Leben in Würde ist eine menschenwürdige Beschäftigung unerlässlich; dies wiederum erfordert potenzielle Arbeitskräfte, die über einschlägige Qualifikationen verfügen und in der Lage sind, ihre Fähigkeiten auf den neuesten Stand zu bringen, sowie Arbeitskräfte, die gesund und vor Diskriminierung geschützt sind.
Im Jahr 2006 haben die anerkannten Bedürfnisse der neuen Mitgliedstaaten eine Überarbeitung der Richtlinie erforderlich gemacht. Dieses Mal lag der Schwerpunkt auf Personen, die auf dem Arbeitsmarkt besonders benachteiligt sind, auf der hoffnungslosen Arbeitsmarktsituation älterer Frauen, auf der Isolation bestimmter Sprachen sowie auf Fragen im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Roma.
In den letzten beiden Jahren ist die Anzahl der Arbeitsplätze gestiegen, haben sich die Beschäftigungsquoten verbessert und sich auch die turbulenten Beschäftigungsindikatoren beruhigt. Die klassischen Arbeitsplätze – Vollzeitjobs, also vertraglich geschützte Beschäftigung an einem Arbeitsplatz – haben ein relativ langsames Wachstum verzeichnet, während Teilzeit- und Saisonarbeit sowie aufgrund von Lieferverträgen eingegangene Beschäftigungsverhältnisse massiv zugenommen haben.
Unter diesen geänderten Umständen bestreiten wir nicht, dass die Zeit des dogmatischen Arbeitsrechts vorbei ist. Eine extensive und intensive wirtschaftliche Entwicklung braucht flexible Rechtsvorschriften, die einen arbeitsrechtlichen Relativismus und die Abwertung von Sozialpartnerschaften und Tarifvereinbarungen verhindern.
6. Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU (Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG) (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Elizabeth Lynne im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU (Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG) (2007/2202(INI)) (A6-0159/2008).
Elizabeth Lynne, Berichterstatterin. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte den anderen Fraktionen für ihre Mitarbeit danken, insbesondere einigen der Schattenberichterstatter. Meiner Meinung nach haben wir durch unsere Zusammenarbeit einen guten Bericht geschaffen.
Ich habe mich in diesem Bericht mit der Umsetzung und Anwendung der aktuellen Richtlinien befasst, das heißt, mit der Beschäftigungsrichtlinie und der Gleichbehandlungsrichtlinie. Dabei habe ich mich besonders auf die Beschäftigungsrichtlinie konzentriert, da die Gleichbehandlung schon im vergangenen Jahr in einem sehr guten Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres behandelt wurde. Umsetzung und Anwendung insbesondere der Beschäftigungsrichtlinie weisen EU-weit Lücken auf, wenngleich sich auch bei der Gleichbehandlungsrichtlinie Probleme gezeigt haben. Darüber hinaus ist die Aufklärung der Bürger über mögliche Abhilfe in Diskriminierungsfällen mangelhaft.
Kommission, Mitgliedstaaten, Gewerkschaften sowie Interessenvertreter auf Regierungs- und Nichtregierungsseite müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Kenntnis der nach diesen Richtlinien geltenden Rechte zu verbessern. Die Mitgliedstaaten müssen zudem unabhängige Gremien mit ausreichenden Mitteln für die Förderung der Gleichbehandlung versorgen. Sie müssen angeregt werden, sicherzustellen, dass der Aufgabenbereich dieser Gremien alle Formen der Diskriminierung abdeckt.
Zu häufig wird es den Diskriminierungsopfern selbst überlassen, gegen die Diskriminierung vorzugehen, ohne dass ihnen Beistand geleistet würde oder ihnen die rechtlichen Mittel zur Verfügung stünden, um ihren Fall vor Gericht zu bringen. Das muss sich ändern. Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass Diskriminierungsopfer automatisch darin bestärkt und unterstützt werden, rechtliche Schritte einzuleiten. Wenngleich ich die Statistiken über die Diskriminierung begrüße, die die Kommission bereits zusammengetragen hat, glaube ich, dass wir weitere Zahlen und eine gemeinsame Norm für die Ermittlung dieser Zahlen benötigen.
Ich begrüße das Interesse der Kommission an Mehrfachdiskriminierungen. Dies ist einer der Gründe für die Forderung nach umfassenden Antidiskriminierungsvorschriften in meinem Bericht. Wir müssen uns von unserem bisherigen Stückwerk verabschieden. Es kann keine Hierarchie der Diskriminierung geben. Eine neue Richtlinie muss alle Formen der Diskriminierung und jeden Bereich des Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen umfassen, die bislang in den Regelungen auf der Grundlage von Artikel 13 noch nicht berücksichtigt wurden. Sie muss Behinderungen, Alter, Religions- oder Glaubenszugehörigkeit und sexuelle Orientierung umfassen. Rasse und Geschlecht sind bereits eingeschlossen, ebenso Beschäftigung.
Ich finde es bedauerlich, dass sich trotz des Einsatzes von Kommissar Špidla in dieser Angelegenheit und der Verpflichtung der Kommission zu einer horizontalen Richtlinie in ihrem Arbeitsprogramm für 2008, die wir insbesondere Kommissar Špidla zu verdanken haben, innerhalb der Kommission ein Rückzug in dieser Sache abzuzeichnen scheint. Kann die Kommission mitteilen, auf welchem Stand sich die Folgenabschätzungen befinden, welche Bereiche sie abdecken und wann sie veröffentlicht werden? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist jetzt nur noch von Rechtsvorschriften über Behinderung die Rede, mehr nicht. Das ist inakzeptabel, daher unser Änderungsantrag.
Schon seit Jahren setze ich mich für Regelungen auf der Grundlage von Artikel 13 ein, die Behinderung und Alter umfassen, aber inzwischen bin ich überzeugt, dass wir niemanden zurücklassen dürfen. Antidiskriminierung und Menschenrechte sind die Grundlage der Europäischen Union, und alle EU-Bürger müssen gleich behandelt werden.
Ich bitte Sie dringend, für meinen Bericht zu stimmen und, was noch wichtiger ist, für eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie, damit wir den Mitgliedern der Kommission, die unsere Meinung nicht teilen, sowie den Mitgliedstaaten signalisieren können, dass zumindest wir als Parlament entschlossen sind, der Diskriminierung ein für alle Mal ein Ende zu bereiten und einen Schlussstrich unter die groteske Vorstellung zu ziehen, dass es in Ordnung sei, irgendeinen Teil unserer Gesellschaft zu diskriminieren.
(Beifall)
VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Herr Vorsitzender, meine verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Lynne für ihren ausführlichen und aktuellen Bericht danken. Die Kommission stimmt dem Bericht inhaltlich voll und ganz zu und unterstützt uneingeschränkt die Aufforderung zur vollständigen Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG. Bekanntlich hat die Kommission rechtliche Schritte gegen mehrere Mitgliedstaaten wegen Nichteinhaltung von EU-Rechtsvorschriften eingeleitet und wird nicht zögern, von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um für die strikte Einhaltung des EU-Rechts zu sorgen und in Fällen, in denen Rechtsvorschriften noch nicht umgesetzt werden, eine schnelle und systematische Verbesserung zu erreichen.
Die Kommission räumt überdies ein, dass die Kontrolle der Umsetzung beider Richtlinien verbessert werden muss. Aus diesem Grund erarbeitet die Kommission gegenwärtig Programme zur besseren Erfassung von Diskriminierungsfällen. Es geht vor allem um die konkrete Wirksamkeit im Einzelfall und nicht um abstrakte Wunschvorstellungen.
Im Bericht wird zudem die zentrale Rolle der Institutionen bei der Förderung der Gleichbehandlung unterstrichen. Sie nehmen eine Schlüsselrolle bei der Überwachung und der Hilfe für die Opfer ein, schärfen aber zugleich das Rechtsbewusstsein. Ich möchte dabei die entscheidende Bedeutung des Nichtregierungssektors auf diesem Gebiet hervorheben. Die Kommission unterstützt eine erweiterte Rolle der Institutionen und des Nichtregierungssektors bei der Bekämpfung von Diskriminierung, die nicht mit der ethnischen Herkunft oder dem Geschlecht im Zusammenhang steht.
Wie im Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 vermerkt, werde ich einen Änderungsvorschlag auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags unterbreiten, durch den der bestehende Schutz vor Diskriminierung auch auf Gebiete außerhalb des Arbeitsmarktes ausgedehnt werden könnte. Das Ende Juni zu verabschiedende, breiter gefasste Programm zum Thema Chancen, Einstellungen und Solidarität wird diesen Aspekt mit einschließen.
Gegenwärtig finden lebhafte politische Debatten über die Notwendigkeit weiterer Antidiskriminierungsvorschriften auf EU-Ebene statt. Es muss klar sein, dass es bei diesen Diskussionen nicht um das Ja oder Nein zur Bekämpfung von Diskriminierung geht, sondern um die effektivste Vorgehensweise. In Anbetracht der politischen Brisanz dieses Themas und der nicht gerade entgegenkommenden Haltung einiger Mitgliedstaaten muss das Terrain sehr sorgfältig sondiert werden.
Auf dem Seminar, das am 29. April im Vorfeld der Annahme der erneuerten Sozialagenda stattfand, waren wir uns darin einig, dass weitere gründliche Analysen erforderlich sind, bevor eine Entscheidung über die optimale Vorgehensweise getroffen werden kann. Wie auch immer die Entscheidung der Kommission in den nächsten Wochen lauten mag, sie wird auf der Basis einer detaillierten Analyse erfolgen. Die Entscheidung wird allen Aspekten der mehrfachen Diskriminierung sowie den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen und vor allem für die Betroffenen von Nutzen sein.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass die Kommission im Nachgang zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit eine Mitteilung herauszugeben beabsichtigt, in der konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes vor Diskriminierung in der EU festgelegt werden sollen. Parallel dazu wird die Kommission einen Bericht über politische Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Lage der Roma veröffentlichen.
Tatjana Ždanoka, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Lynne, vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie im Namen meiner Fraktion für ihre hervorragende Arbeit und diesen ausgezeichneten Bericht danken.
Leider ist die Diskriminierung noch immer eines der bedeutendsten und am meisten verbreiteten Menschenrechtsprobleme in der Europäischen Union. Was die bereits gültigen Antidiskriminierungsrichtlinien betrifft, so möchte ich betonen, dass sie nur Mindestnormen festlegen. Es ist beschämend, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten noch nicht einmal diese Mindestnormen umgesetzt und angewandt hat. Wir sind der Meinung, die Europäische Kommission sollte entschiedener mit dem Vertragsverletzungsverfahren gegen diese Mitgliedstaaten vorgehen.
Jeder Unionsbürger muss die Gewissheit haben, dass er oder sie nicht diskriminiert werden darf und dass er oder sie über wirksame Rechtsmittel verfügt, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten zudem Sensibilisierung und Ausbildung für den Kampf gegen die Diskriminierung aktiv fördern.
Ein weiteres Problem, von dem wir heute gerade gehört haben, beunruhigt mich noch mehr, und zwar die Tatsache, dass wir wirklich einen umfassenden rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung benötigen. Wenn ich Kommissar Špidla in seiner Erklärung richtig verstanden habe, können wir derzeit nicht sicher sein, dass das Arbeitsprogramm der Kommission für 2008, das unsere unbedingte Unterstützung fand und das den Vorschlag für eine Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes außerhalb der Beschäftigung unter Berücksichtigung aller Diskriminierungsgründe enthielt, dies leisten wird.
Für mich wäre es eine große Enttäuschung, sollte die Kommission einige Diskriminierungsgründe aus dem Schutzumfang ausschließen. Das würde bedeuten, dass wir unsere Werte ohne Weiteres aufgeben können und uns, sobald das Jahr der Chancengleichheit vorbei ist, wieder frei fühlen, europäische Bürger unterschiedlich zu behandeln. Das können wir nicht zulassen.
Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ablehnung von Diskriminierung ist ein grundlegender menschlicher Wert – darin sind wir uns alle einig. Die Europäische Volkspartei misst der Antidiskriminierungspolitik besondere Bedeutung bei. Wir sind davon überzeugt, dass es die unbestreitbare und unvermeidliche Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, dafür Sorge zu tragen, dass kein Unionsbürger diskriminiert wird.
Der Fraktion ist ebenso klar, dass sich leider nicht alle Probleme mithilfe von Gesetzen lösen lassen. Um Diskriminierung schrittweise aus der Welt zu schaffen, brauchen wir eine entsprechende politische Kultur, brauchen wir Toleranz im Alltag, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Leben, bei der Kommunikation, von der nationalen bis zur lokalen Ebene, und dabei muss die gesamte Gesellschaft an einem Strang ziehen.
Die Praxis hat gezeigt, dass die Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien keine leichte Aufgabe ist. Der Hälfte der Mitgliedstaaten ist es nicht gelungen, die Richtlinien angemessen in nationales Recht umzusetzen oder sie korrekt anzuwenden. In den europäischen Rechtsvorschriften besteht eine regelrechte Kluft zwischen Artikel 13 des EG-Vertrags und den geltenden Richtlinien. Das bedeutet, dass nicht allen „geschützten“ Gruppen – also den in Artikel 13 genannten Personenkreisen – im europäischen Recht dieselben Rechte garantiert werden, was den Zugang zu Waren und Dienstleistungen anbelangt.
Zur Überbrückung dieser Kluft besteht die Lösung nach Ansicht der Europäischen Volkspartei jedoch nicht in der Annahme einer umfassenden Richtlinie, da diese kaum umsetzbar und ineffizient wäre. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass dringend eine europäische Richtlinie erforderlich ist, um die Diskriminierung der 84 Millionen Behinderten in Europa auf nicht-hierarchische Weise zu beseitigen, damit Menschen mit Behinderungen in der ganzen EU dieselben Rechte genießen.
Da die durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung steigt und altersbedingte chronische Krankheiten häufig die Gesundheit beeinträchtigen, wird die Anzahl der Menschen mit Behinderungen künftig weiter zunehmen. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Ansatz diesen Menschen eine wirksamere und praktischere Hilfe sein wird. Aus diesem Grund würde die Fraktion eine darauf ausgerichtete Initiative der Europäischen Kommission unterstützen. Vielen Dank.
Magda Kósáné Kovács, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident. Der hervorragende Bericht von Frau Lynne basiert auf der Verpflichtung, die sich daraus ergibt, dass es in unserer Gesellschaft das Phänomen der negativen Diskriminierung gibt. Diese ist nicht nur nicht verschwunden aus dem Europa der Spitzenklasse; nein, einer Eurobarometer-Umfrage zufolge nimmt sie sogar noch zu – was die Unionsbürger spüren können. Ich möchte noch hinzufügen, dass uns die Erweiterung einen Anstieg neuer Formen von Diskriminierung gebracht hat wie etwa Diskriminierungen, denen mehrfach benachteiligte Menschen ausgesetzt sind; die Diskriminierung der Roma wird heutzutage immer heftiger.
Die Mehrheit des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hat für die Annahme einer horizontalen Richtlinie gestimmt. Wir erinnern uns noch alle an die Spuren des Misstrauens des Parlaments gegenüber der neuen Kommission, eines Misstrauens, das aufgrund der erklärten Haltung eines Nominierten zur Diskriminierung die Oberhand gewann. Damals versprach die Kommission, dass sie aufgrund der ihr in Artikel 13 des EG-Vertrags übertragenen Befugnisse Maßnahmen ergreifen werde, um Rechtsvorschriften gegen sämtliche Formen der Diskriminierung einzuführen und eine Rechtsgrundlage für den Umgang mit Verstößen zu schaffen.
Außerdem muss die Kommission unbedingt die Umsetzung der bestehenden EU-Vorschriften durch die Mitgliedstaaten beurteilen und bei Nichtumsetzung der geltenden Richtlinien Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Was die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament betrifft, so kann sie es nicht hinnehmen, dass eine Hierarchie eingeführt wird, weder im EG-Vertrag noch bei den Diskriminierungsverboten, die in der Änderung zum Vertrag von Lissabon aufgeführt werden sollen. Wir sind nicht bereit, uns mit der Frage zu befassen, wer am meisten leidet – Menschen mit Behinderung, Homosexuelle oder ältere Menschen.
Was uns betrifft, so stellt der Vorschlag in Frau Lynnes Bericht eine potenzielle rechtliche Lösung dar; anders ausgedrückt, wir erwarten von der Kommission eine allgemeine, horizontale Richtlinie, obwohl das natürlich nicht ausschließt, sondern vielmehr verlangt, dass für verschiedene Sektoren und sonstige Fälle spezielle Bestimmungen formuliert werden.
Ich bin davon überzeugt, dass dies auch die Meinung der Unionsbürger ist, die Opfer von Diskriminierung sind oder werden können. Vielen Dank.
Bernard Lehideux, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Lynne, Ihre Arbeit und Ihr Engagement für dieses wichtige Dossier waren bemerkenswert. Ich war einer der Ersten unserer Fraktion, die dies im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten feststellen konnten, und ich danke Ihnen dafür herzlich.
Ein Schutzrecht wirkt nur, wenn es effektiv angewendet wird. Daher teile ich Ihre Besorgnis, Frau Lynne, über die ungenügende Umsetzung der Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierungen in bestimmten Mitgliedstaaten. Diese Situationen sind inakzeptabel und müssen Gegenstand eines nachhaltigen und gezielten Handelns seitens der Kommission sein. In diesem Bereich darf es keine Nachsicht geben.
Doch ein Schutzrecht ist ebenfalls nur von Nutzen, wenn es wirklich von denen in Anspruch genommen werden kann, die es schützen soll. Deshalb bin ich wie Sie der Meinung, dass darauf zu achten ist, dass die Opfer von Diskriminierungen auch wirklich Zugang zu den Informationen und zu den Mitteln haben, um sich wehren zu können. Dafür sind die Mitgliedstaaten verantwortlich, und hier dürfen keine Versäumnisse geduldet werden.
Doch Ihr Bericht kann als wesentliche Etappe angesehen werden, vor allem aufgrund der umfassenden Auffassung von Diskriminierung, die Sie darin vertreten. Ich unterstützte voll und ganz Ihre Forderung nach einer generellen Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierungen aller Art. So wie Sie bin auch ich überzeugt, dass ein einheitlicher Ansatz unabdingbar ist, der alle Diskriminierungsgründe abdeckt. Artikel 13 ist keine Aufforderung zum Nichtstun oder zu unabgestimmtem Handeln, sondern ein Gebot zum Handeln.
Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten unsere Befürchtungen und theoretischen Debatten hinter uns lassen. Der Vorschlag einer generellen Richtlinie ist eine Notwendigkeit und ein Gebot des gesunden Menschenverstands. Es gibt hier eine große Mehrheit, die diese Überzeugung teilt und Sie auffordert, Herr Kommissar, dies zur Kenntnis zu nehmen.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch wir begrüßen den Bericht von Elizabeth Lynne und unterstützen mit ganzem Herzen den Einsatz für eine umfassende Richtlinie. Wir sehen diese als Teil des kulturellen Umdenkens, von dem Frau Bauer sprach. Allerdings spüren wir alle, wie ungeschickt sich die Kommission in dieser Sache vorwärtsbewegt, und wir fordern sie auf, wirklich Mut zu beweisen und in dieser Frage auch tatsächlich die Führung zu übernehmen.
Was uns betrifft, so halten wir umfassende Rechtsvorschriften für wichtig. Diese würden beispielsweise einige der Schlupflöcher beseitigen, die rassistische und fremdenfeindliche Personen gern für religiöse Diskriminierung zu missbrauchen versuchen, um ihre rassistische Haltung zu verschleiern.
Wichtig ist, dass wir uns von einigen dieser willkürlichen Eckpunkte trennen, beispielsweise im Bereich Früherkennung und Gesundheitsversorgung, wo sie sich eher auf das Alter als auf Anzeichen stützen.
Die Berichterstatterin findet auch in ihrem Wunsch nach einem proaktiven Herangehen unsere volle Unterstützung, das dazu dienen soll, die Menschen für ihre Rechte zu sensibilisieren und ihnen den Zugang zu diesen Rechten zu ermöglichen. Dies soll durch wirksamen Rechtsbeistand und starke unabhängige Gremien geschehen.
Daher begrüßen wir diesen Bericht und unterstützen ihn in seiner jetzigen Fassung.
Jan Tadeusz Masiel, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich gratuliere Frau Lynne zu ihrem sehr praktisch orientierten Bericht über diese wichtige Problematik. Allerdings überrascht mich der Gebrauch der Sprache etwas, da er in gewisser Hinsicht an die Sprache des Totalitarismus erinnert. Wüsste ich nicht, dass die Berichterstatterin der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa angehört, hätte ich gedacht, dieser Bericht wäre von jemandem von der kommunistischen Seite ausgearbeitet worden. Nach meinem Dafürhalten ist es – was hier geschehen ist – gefährlich, so ins Detail zu gehen und aufzuzählen, welche Arten von Diskriminierung nicht zugelassen werden sollten und wie wir uns zu verhalten haben, wo es doch darum geht, Diskriminierung überhaupt auszuschließen. Die Menschheit hat alle ihre Anordnungen und Verbote in den Zehn Geboten formuliert, und dort sind sie in knapper Form zum Ausdruck gebracht: Du sollst nicht töten, Du sollst nicht ehebrechen. Wir sollten einfach sagen: Du sollst nicht diskriminieren und alles andere dem Feingefühl und der Kompetenz von Menschengruppen und Mitgliedstaaten überlassen. Dennoch halte ich den Bericht für annehmbar, vorausgesetzt, Änderungsantrag 7 der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten wird angenommen.
Bairbre de Brún, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Der Bericht von Liz Lynne unterstreicht die Notwendigkeit eines umfassenden rechtlichen Rahmens, der Diskriminierung außerhalb des Arbeitsplatzes verhindert und ein großes Themenspektrum berücksichtigt.
Millionen von Menschen – ältere Menschen und andere Gruppen – werden Tag für Tag in der EU diskriminiert, sei es bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Gesundheits-, Bildungs- oder Verkehrswesen, sei es beim Versuch, eine Versicherung abzuschließen oder einen Kredit zu beantragen.
Dieselben Gruppen sahen sich bereits vor dem Erlass konsequenterer Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene mit Schwierigkeiten im Beschäftigungsbereich konfrontiert. Wirksame Regelungen auf EU-Ebene führten zu Veränderungen in der Einstellung vieler Arbeitgeber. Es war eine europäische Richtlinie, die die Mitgliedstaaten zwang, der Diskriminierung in der Arbeitswelt ein Ende zu setzen. Nichtsdestotrotz bleibt noch immer viel zu tun. Es ist zwingend notwendig, weitreichende Regelungen auf europäischer Ebene zu treffen, damit die individuellen Rechte im Bereich der Waren und Dienstleistungen gestärkt werden.
Ich möchte der Berichterstatterin für ihre Arbeit Anerkennung zollen und zugleich meine Kolleginnen und Kollegen bitten, gegen Änderungsanträge zu stimmen, die den Schutz der Menschenrechte schwächen.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Seit neun Jahren sitze ich im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten neben meiner sehr geschätzten Kollegin aus den West Midlands im Vereinigten Königreich, der aktuellen Berichterstatterin Elizabeth Lynne.
Fast ausnahmslos waren wir in nahezu jeder Frage einer Meinung, ohne über Kompromissänderungsanträge verhandeln zu müssen, weil sich unsere Ansichten ohnehin sehr ähnelten.
Ich vermute, zu jeder Regel muss es eine Ausnahme geben, und zu meiner großen Überraschung ist dieser Bericht genau das. Es ist, offen gesagt, eine große Enttäuschung, dass, unserer Meinung nach, politische Posen hier den Weg zur Beschäftigung mit dem eigentlichen Problem versperren.
Darf ich gleich darauf hinweisen, bevor sich linksgerichtete Abgeordnete erheben und auf die ihnen übliche Weise meine Worte verdrehen, dass alle meine Kollegen aus dem Mitte-Rechts-Lager und ich Diskriminierung in jedweder Form zutiefst ablehnen. Wir alle im Mitte-Rechts-Lager wollen geeignete Wege finden, sie auszumerzen, und würden grundsätzlich auch eine gezielte Richtlinie zur Unterstützung Behinderter gutheißen, wie sie von der Kommission derzeit erwogen wird.
Wir vertreten jedoch den klaren Standpunkt, dass eine „umfassende und breit angelegte“ EU-Richtlinie gegen die Diskriminierung, die letzten Endes nichts weiter ist als eine unbefristete Einladung an die Kommission, immer neue Standard-EU-Gesetze in einem höchst sensiblen Bereich zu erlassen, wenig dazu beitragen wird, die derzeitigen Probleme zu lösen und sogar kontraproduktiv sein könnte. Wir haben unsere eigenen Änderungsanträge eingebracht, um diesen Punkt zu bekräftigen.
Obschon einige Aspekte anhaltender Diskriminierung in der Tat noch immer ein Problem darstellen mögen, geht der Vorschlag, diesen Umstand durch allgemeinere EU-Rechtsvorschriften vielleicht lösen zu können, unserer Meinung nach weit am Ziel vorbei. Die bestehenden Antidiskriminierungsgesetze der EU erweisen sich in der Praxis immer wieder als schwer anwendbar. Wir müssen die Anwendung der bestehenden Gesetze verbessern und die Probleme der Anwendung besser verstehen lernen, bevor wir den Weg immer neuer EU-Richtlinien gehen.
Wie es eine Organisation des Vereinigten Königreichs in der vergangenen Woche treffend formulierte, lässt sich die Diskriminierung in den meisten Fällen nicht durch zusätzliche Gesetze lösen. Unsere Zeit wäre sinnvoller genutzt, würden wir sie auf multikulturelle, multikonfessionelle Veranstaltungen verwenden, die dazu beitragen, Wahrnehmungen zu verändern. Dem stimmen wir zu.
Ich darf Kommissar Špidla meinen Dank für seine bedachten einleitenden Worte aussprechen und sagen, dass wir uns sehr auf die Antwort der Kommission zu gegebener Zeit freuen.
Stephen Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich denke, die Kritik von Philip Bushill-Matthews unterstreicht nur, wie gut der Bericht von Elizabeth Lynne tatsächlich ist! Ich meine, wir sollten sie beglückwünschen. Sie hat eine sehr gute Arbeit geleistet, indem sie die unzulängliche Anwendung und Umsetzung der beiden im Jahr 2000 verabschiedeten Richtlinien über Gefahren und Diskriminierung am Arbeitsplatz hervorgehoben hat.
Doch damals erkannten Sie, Herr Kommissar, und der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, dass die Diskriminierung nicht an den Toren von Büros oder Fabriken endet. Damals erkannten wir die Notwendigkeit eines weiter reichenden Vorgehens durch die Einführung einer horizontalen Richtlinie, mit der sich alle Formen der Diskriminierung in der gesamten Gesellschaft bekämpfen ließen. Sie erklärten öffentlich Ihre Unterstützung für diesen Plan, und auch Ihr Präsident, Kommissionspräsident Barroso, verpflichtete sich öffentlich zu einer solchen horizontalen Richtlinie.
Wir sind daher sehr verwirrt, dass in der Kommission in dieser Hinsicht zurückgerudert wird und ein Umdenken stattfindet, dass man sich möglicherweise auf Behinderungen konzentrieren möchte. Ich habe gehört, dass die Kommission zurzeit drei mögliche Optionen in Erwägung zieht: die horizontale Richtlinie, die noch nicht abgeschrieben ist, zweitens eine gezielte Richtlinie über Behinderungen oder, die dritte Möglichkeit, eine Richtlinie über Behinderungen und eine weitere Form der Diskriminierung.
Worin die Logik dieser letzten Option besteht, kann ich einfach nicht erkennen. Was wir nun unverzüglich brauchen, Herr Kommissar, ist ein Verfechter dieser horizontalen Richtlinie, der sie selbst sich verpflichtet haben. Wie Elizabeth Lynne sagte, kann es innerhalb der Europäischen Union keine Hierarchie der Diskriminierungen geben. Alle Bürger der Europäischen Union sind gleich und müssen auch dementsprechend behandelt werden. Wir dürfen eine Diskriminierung, aus welchen Gründen auch immer, gegen irgendeinen Teil unserer Gemeinschaft nicht hinnehmen.
Bei der Tagung der vergangenen Woche in Brüssel ist mir zu Ohren gekommen – und auch Sie haben es heute angedeutet, Herr Kommissar, ebenso wie Philip Bushill-Matthews gerade eben –, dass wir nicht tätig werden sollen, weil gegen einige Mitgliedstaaten, die die bestehenden Richtlinien nicht eingehalten haben, Verstoßverfahren eingeleitet worden sind. Dieser Argumentation können wir uns nicht anschließen. Wir können nicht zulassen, dass wir von Mitgliedstaaten gezwungen werden, uns bei der Anwendung und anschließenden Durchführung der Richtlinien am letzten Glied der Kette zu orientieren. Sie, Herr Kommissar, haben das Initiativrecht. Von diesem Recht müssen Sie Gebrauch machen. Wir müssen entschlossen handeln. Sie müssen entschlossen handeln und die vollständige Einhaltung gewährleisten. Sie dürfen den Mitgliedstaaten nicht gestatten, eine Verschwörung anzuzetteln, durch die wir gezwungen wären, uns am letzten Glied der Kette zu orientieren.
Wir müssen zudem unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Bedarf an Rechtsbehelfen und Rechtsdurchsetzung richten, an wirksamen Rechtsbehelfen, die sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten die im Jahr 2000 angenommenen Richtlinien tatsächlich vollständig einhalten. Ich empfehle vorbehaltlos den Bericht von Elizabeth Lynne.
Der Präsident. − Ich möchte die kurze Pause nutzen, um in unser aller Namen hier im Parlament die verschiedenen Besuchergruppen auf der Tribüne willkommen zu heißen. Wir fahren nun mit unserer Aussprache fort.
Sophia in ’t Veld (ALDE). – (EN) Herr Präsident! 2004 erhielt diese Europäische Kommission grünes Licht vom Europäischen Parlament nur aufgrund des feierlichen Versprechens, sich maßgeblich für die Grundrechte einzusetzen. Es reicht aber nicht, sich nur zur Gleichberechtigung zu bekennen. Die EU-Bürger müssen über die Rechtsmittel verfügen, um ihre Rechte vor Gericht verteidigen zu können. Nun sucht die Europäische Kommission verzweifelt nach Ausreden, um ein generelles Diskriminierungsverbot zu umgehen. Dazu gehört zum Beispiel die, dass es weiterer Untersuchungen bedürfe – als wenn wir nicht alle sehen könnten, dass die Diskriminierung überall ist – oder dass im Rat keine Einigung besteht – nun, das hat die Europäische Union noch nie davon abgehalten, ihre Vorschläge in anderen Bereichen durchzusetzen, zum Beispiel in der Energiepolitik. Und vergessen wir nicht, dass die Diskriminierung schon auf der Grundlage der Verträge verboten ist. Aber wenn wir keine Gesetze erlassen, erledigen dies die Gerichte für uns. Ich erwarte daher, dass die Europäische Kommission selbst Verantwortung übernimmt und sich für die Rechte der europäischen Bürger einsetzt, denn wenn die horizontale Richtlinie schon scheitern muss, so soll sie im Rat scheitern und nicht in der Kommission.
(Beifall)
Elisabeth Schroedter (Verts/ALE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Kollegin in 't Veld hat es deutlich gesagt, ich kann nur noch einmal darauf hinweisen: Wir brauchen die Rahmenrichtlinie, um allen Menschen den gleichen Diskriminierungsschutz zu gewähren. Es ist nicht hinzunehmen, dass zum Beispiel homosexuellen Menschen oder alten Menschen weniger Menschenrechte zugebilligt werden als Menschen mit Migrationshintergrund. Dieser Zustand muss wirklich dringend beendet werden!
Ich kann auch nur noch einmal daran erinnern, dass Herr Barroso hier persönlich versprochen hat – als er für die Zustimmung des Parlaments zur Kommission geworben hat –, diese Rahmenrichtlinie herauszubringen. Und als Deutsche muss ich sagen: Ich finde das Verhalten der deutschen Regierung zynisch. Bei uns zu Hause gibt es ein Gesetz, das alle Merkmale in gleicher Weise schützt, aber hier auf europäischer Ebene führt sie eine Kampagne gegen die Rahmenrichtlinie, und das ohne plausible Gründe. Das ist aus meiner Sicht reiner Populismus auf Kosten der Menschenrechte.
Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Der Kampf gegen Diskriminierung – ob aufgrund von Glauben, Geschlechtszugehörigkeit oder Behinderung – ist einer der Grundpfeiler der Europäischen Union. Diese Politik ist in all unseren Verträgen sowie in der Gesetzgebung verankert.
Was die Bekämpfung direkter bzw. indirekter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts betrifft, hat sich diese Politik in der Europäischen Union als äußerst erfolgreich erwiesen. Heute lässt sich die Situation anhand der Richtlinien und Verträge messen, und dabei ist festzustellen, dass die politischen Maßnahmen nur unbefriedigend greifen, obwohl die EU über das fortschrittlichste Gesetzgebungsverfahren der Welt verfügt.
Demnach stehen uns zwei Optionen offen. Die Haltung der Opposition lautet: Einführung eines weit gefassten, neuen Konzepts, um die Probleme auf diese Weise zu lösen. Meines Erachtens funktioniert dies so nicht. Den Beweis dafür hat die Gesetzgebung von 2000 geliefert, kraft derer gegen zehn Mitgliedstaaten, einschließlich der Niederlande, Vertragsverletzungsverfahren aufgrund der unklaren Funktionsweise bestimmter Bestimmungen in deren Gleichstellungsgesetzen eingeleitet wurden. Neue weit gefasste Gesetze bieten mithin auch keine Abhilfe, denn das hieße, dass es bei bloßer Rhetorik bleibt.
Wir sollten darum in wesentlich größerem Umfang auf Mentalität und Aktionsprogramme setzen und dafür Sorge tragen, dass der Diskriminierung, auch indirekter Art, ein Ende bereitet wird. Wir müssen für eine konsequentere Umsetzung sorgen. Daneben muss auch für Probleme, die klar formuliert werden können, nämlich die von behinderten Menschen, eine Lösung gefunden werden.
Ich schließe mich daher von ganzem Herzen dem Appell von Frau Bauer sowie einiger Mitglieder unserer Fraktion an und hoffe, dass unsere ausgezeichnete Rahmengesetzgebung nun auch wirklich umgesetzt wird. Ich danke Ihnen herzlich.
Lissy Gröner (PSE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Kollegin Lynne für den Bericht, er kommt zur richtigen Zeit. Ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen von der EVP: Wir haben die Lohndiskriminierung von Frauen seit 40 Jahren im Vertrag. Da hat sich nichts Wesentliches geändert. Wenn Sie von der EVP bei Ihrer Ablehnung einer horizontalen Richtlinie bleiben, wird für mich sehr klar: Ihre Werte und Grundsätze beziehen sich auf die Sonntagsreden und die Jubiläen in der Europäischen Union. Sie wollen gar keine Gleichbehandlung! Die Diskriminierung von Schwulen und Lesben zum Beispiel nehmen Sie hin. Sie wollen, dass das eine politische Kultur ist. Nein, das ist es für mich nicht!
Chancengleichheit umfasst alle Kriterien von Artikel 13, und es müssen endlich auch Mehrfachdiskriminierungen berücksichtigt werden. Antidiskriminierungspolitik kann nur dann glaubwürdig sein, wenn sie selbst nicht wieder diskriminiert. Es gab eine Flut von Verfahren und Klagen in der Europäischen Union. Das war alles Propaganda, um gewisse Mindeststandards zu unterlaufen. Die Mitgliedsländer, die noch nicht so weit sind, müssen sich eben sputen. Die Vertragsverletzungsverfahren sind angebracht, auch gegen mein Land Deutschland.
Ich appelliere jetzt an die Kommission, an jeden einzelnen Kommissar und jede einzelne Kommissarin, dass sie sich eindeutig für eine klare horizontale Richtlinie aussprechen und einer Hierarchisierung von Menschenrechten in der Europäischen Union einen Riegel vorschieben. Wir müssen unsere EU-Politik vertragsgemäß umsetzen. Artikel 13 ist Teil des Vertrags, und deshalb muss dies alles wie im Bericht Lynne angekündigt erfasst werden.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Frau Lynne für ihre Arbeit danken. Das Parlament schickt sich an, erneut eine horizontale Richtlinie zu fordern. Das wäre dann das neunte Mal, Herr Kommissar Špidla, dass es das tut. Da das Parlament also heute exakt zum neunten Mal diesen Schritt unternimmt, hätten wir uns vom Kommissar mehr Klarheit in diesem Hohen Haus erwartet, teils, weil das eine Verpflichtung von Präsident Barroso war, und teils, weil wir an die so genannte Folgenabschätzung glauben, die momentan in Arbeit ist.
Ehrlich gesagt, ist der Gedanke einiger Kollegen von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, sich einer horizontalen Richtlinie zu widersetzen, nicht nachvollziehbar. Man mag bestimmten Linken zu Recht vorwerfen, dass sie die Gesellschaft in Interessengruppen und Vertretungen von Interessengruppen spalten will. Doch nun habe ich den Eindruck, Sie versuchen heute das hier zu tun: die Behinderten, ja, weil das politisch korrekt ist; andere Formen der Diskriminierung, nein, lasst uns warten...
Frau Oomen-Ruijten ist nicht anwesend, doch die Linken sagen auch gern, es wäre nützlicher, die Denkweise anstatt die Gesetze zu ändern. Diesmal hören wir das nun von den Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion. Lassen Sie uns über individuelle Rechte sowie darüber reden, nicht die eine Interessengruppe oder Minderheit gegen die andere auszuspielen, sondern die Nichtdiskriminierung für alle Bürger zu gewährleisten. Das macht Sinn, und das ist es, was zu tun wir von Ihnen verlangen. Ehrlich gesagt, brauchen wir keine Maßnahmen, die mehr auf die eine als auf die andere Kategorie ausgerichtet sind. Die EU-Bürger brauchen das nicht.
Anja Weisgerber (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem sind wir uns alle einig: Wir sind gegen jegliche Form der Diskriminierung. Das möchte ich ganz zu Beginn klarstellen. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man dieses Ziel erreichen kann. Ich bin der Ansicht, dass der Schutz vor Diskriminierung auf europäischer Ebene nicht zwingend besser geregelt werden kann als auf nationaler. Auch hier sollten wir das Subsidiaritätsprinzip beachten. Viele Lebensbereiche sind derzeit durch die Antidiskriminierungsvorschriften der EU geregelt. In den letzten Jahren sind vier Antidiskriminierungsrichtlinien verabschiedet worden: die Antirassismus-, die Beschäftigungs-, die Gleichberechtigungs- und die Unisex-Richtlinie.
Derzeit laufen sehr viele Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten wegen Problemen bei deren Umsetzung. Genau genommen sogar gegen 20 Länder, das sind drei Viertel der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Rechtsunsicherheit ist hier offensichtlich sehr groß. Ein neuer, breiter und pauschalisierender Ansatz in Form einer Rahmenrichtlinie ist die falsche Antwort auf die hier bestehenden Rechtsunsicherheiten. Die gegenwärtigen Probleme müssen erst analysiert werden, bevor die Kommission neue Richtlinien vorschlägt.
Ansonsten sind das Resultat mehr Bürokratie, mehr Kosten für die Bürger und weniger Rechtsklarheit, womit niemandem, insbesondere nicht dem Kampf gegen Diskriminierung, gedient ist. Aus diesem Grund bin ich wie meine Fraktion gegen die Artikel im Bericht Elizabeth Lynne, die eine Rahmenrichtlinie, eine horizontale Richtlinie fordern. Wenn die anderen Fraktionen sich aber durchsetzen und die Forderung nach einer Rahmenrichtlinie bestehen bleibt, sehe ich mich gezwungen, gegen den Bericht zu stimmen. Nicht, weil ich gegen einen Schutz vor Diskriminierung bin, sondern weil eine Rahmenrichtlinie auf europäischer Ebene meiner Meinung nach der falsche Weg ist. Im Bereich der Behinderung haben alle Mitgliedstaaten und auch die Europäische Gemeinschaft die UN-Behindertenkonvention unterzeichnet. Hier müssen und werden wir unseren Verpflichtungen nachkommen. Mit einer weiteren unklaren und schwammigen Rahmenrichtlinie helfen wir allerdings niemandem.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Als ich im Jahr 2000 Mitberichterstatter des Parlaments für die Gleichbehandlungsrichtlinie war, sagte uns der damalige portugiesische Ratsvorsitz zu, es werde keine Hierarchie der Diskriminierung geben, und weitere Rechtsvorschriften würden folgen.
Am 26. Oktober 2004 versprach Präsident Barroso vor diesem Parlament und noch während der Amtszeit dieser Kommission eine Rahmenrichtlinie über, ich zitiere: „alle Formen von Diskriminierung“. Die Kommission wiederholte dieses Versprechen in ihrer jährlichen politischen Strategie für 2008. Jetzt ist es an der Zeit, es einzulösen.
Ich meine, es ist keine Entschuldigung, dass die Mitgliedstaaten in einigen Fällen absichtlich die Umsetzung der Antidiskriminierungsvorschriften im Bereich Beschäftigung hinauszögern, aber es wird als Entschuldigung gebraucht, und die Kommission darf nicht zulassen, dass der Letzte im Glied allen anderen sein Tempo aufzwingt.
Vor zwei Wochen traf ich Bundesministerin Zypries in Deutschland und Ministerin Follett in Großbritannien. Sie sind zu Gesprächen bereit. Geben wir ihnen etwas, worüber sie reden können!
Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir 1,3 Millionen Unterschriften für eine Behindertengesetzgebung zusammengetragen haben. Aber als Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Behinderte möchte ich meine Unterstützung einer horizontalen Richtlinie zu Protokoll geben. Sie werden nicht spalten, um zu herrschen.
Abschließend möchte ich feststellen, dass es keinen Sinn ergibt, wenn die Konservativen behaupten, Diskriminierung aufgrund von Religion, Alter oder sexueller Orientierung zu verabscheuen, dann aber gegen eine Gesetzgebung stimmen, die sich gegen diese Diskriminierungsformen richtet, und so schwulen, jungen und alten Europäern gleiche Rechte absprechen, ebenso wie religiösen Minderheiten. Und „Business Europe“ sollte sich für die Behauptung in seiner Antwort auf die Befragung durch die Kommission vom 12. Oktober 2007 schämen, in der es heißt, Business Europe sehe keinerlei Anzeichen für eine Diskriminierung aus einem der in Artikel 13 genannten Gründe. In der Testgruppe der Kommission gaben 89 % der 293 befragten Unternehmen an, sich eine EU-Gesetzgebung für gleichen Schutz zu wünschen. Sie wollen sie, das Parlament wird für sie stimmen, Europa braucht sie.
(Beifall aus der Mitte und von links)
Holger Krahmer (ALDE). – Herr Präsident! Ich danke Liz Lynne dafür, dass sie sich dem Thema Antidiskriminierung widmet, und ich bin bis zu einem bestimmten Punkt auch völlig auf ihrer Seite. Aber, liebe Liz, liebe Elisabeth Schroedter, liebe Lissy Gröner, liebe Sophia, Ihr meint es gut, aber Ihr tut dem Anliegen am Ende keinen Gefallen, wenn Ihr jetzt eine weitere Richtlinie gegen Diskriminierung fordert, die über das hinaus geht, was wir in Europa bereits haben.
Ich sage das hier ganz bewusst und ganz offen als homosexueller Mensch: Ihr tut den Menschen, die Ihr schützen wollt, keinen Gefallen. Am Ende wird sich eine weit reichende Antidiskriminierungsregelung gegen die Menschen richten, die Ihr hier schützen wollt. Warum ist das so? Wenn wir die Antidiskriminierung ausweiten auf den Zugang zu Waren und Dienstleistungen und auf eine Beweislastumkehr, dann schaffen wir eine Klima der versteckten Diskriminierung. Es wird kaum noch einen Arbeitgeber geben, der offen bereit ist, über Diskriminierung zu sprechen. Bewerber, die möglicherweise ein Risiko in sich bergen, vielleicht schon aufgrund des Passbilds, werden im Zweifelsfall vom Arbeitgeber kaum mehr kontaktiert.
Wir tun am Ende den Menschen keinen Gefallen. Wir sollten uns vielmehr darum kümmern, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie, die wir heute haben, umgesetzt wird, und schauen, wie sie wirkt. Wenn wir einen Wust an Bürokratie und Prozessen, und auch Rechtsunsicherheit verursachen, wird die Akzeptanz von Antidiskriminierungsregelungen bei den Menschen in der Europäischen Union zurückgehen.
Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir steht so viel Zeit zur Verfügung, dass ich hoffe, sie richtig zu nutzen, wo ich doch daran gewöhnt bin, nur eine Minute zu sprechen. Ich hörte, wie mein Kollege Bushill-Matthews sagte, er selbst stimme stets mit Frau Lynn überein, doch die Ausnahme bestätige die Regel und diesmal sei er völlig anderer Meinung als sie.
Ich muss meinem lieben Freund Bushill-Matthews sagen, dass auch wir beide uns immer einig sind, doch diesmal, ohne unsere traditionelle Übereinstimmung bei allen Beschlüssen verraten zu wollen, muss ich sagen, dass Du es mit einer Ausnahme zu tun hast, weil ich diesen Vorschlag für eine horizontale Richtlinie, den Frau Lynn an die Kommission richtet, uneingeschränkt befürworte. Wie könnte es auch anders sein, wo ich doch in den vergangenen vierzig Jahren in meinem Heimatland Italien erlebt habe, dass Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihres Alters diskriminiert wurden, dass ältere Menschen rechtlos sind, nur weil sie alt sind?
Ich denke dabei insbesondere an die Tatsache, dass es in Italien ein Gesetz gibt, wonach die Erwerbsunfähigen, wenn sie jung sind, Anspruch auf Unterstützungsleistungen haben, sind sie jedoch alt, besteht dieser Anspruch nicht, selbst wenn sie dieselben Behinderungen haben. Ich verstehe nicht, wieso wir noch Jahre warten sollen, ehe die von Frau in't Veld dargelegte rechtliche Möglichkeit besteht, die Rechte, die laut Artikel 13 des Vertrags von Amsterdam allen Bürgern zuerkannt werden, gerichtlich einzuklagen.
Zita Gurmai (PSE). – (HU) Sehr geehrte Damen und Herren! Die europäische Einheit basiert nicht nur auf der Wirtschaft, sondern auch auf vielen bedeutenden Werten. Dazu zählen die Unantastbarkeit der Menschenwürde, Freiheit, Verantwortungsbewusstsein, Solidarität, Vielfalt und die Einhaltung des Grundsatzes der Diskriminierungsfreiheit. Auch Toleranz und gegenseitige Achtung gehören dazu.
Diese Grundsätze sollten nicht nur politisch erklärt, sondern auch rechtlich festgeschrieben werden, um zu gewährleisten, dass keine Unterscheidungen mehr aufgrund von Diskriminierung getroffen werden können und dass die Bevölkerung umfassend geschützt wird. Das europäische Projekt wird nur durchführbar sein, wenn wir sicherstellen können, dass benachteiligte Gruppen der Gesellschaft ihre Rechte ausüben können. Eine umfassende Integration dieser Gruppen liegt in unser aller Interesse und wir müssen entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit dies auch geschieht.
Daher sind alle Mitgliedstaaten daran interessiert, dass sämtliche Bestimmungen der EG-Richtlinien 2000/43 und 2000/78 korrekt, effektiv und uneingeschränkt umgesetzt und in der Praxis richtig angewandt werden, damit die benachteiligten Gruppen tatsächlich von der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht profitieren.
Rechtsvorschriften haben nur einen Wert, wenn sie auch in der Praxis zur Anwendung kommen. Die Überwachung ihrer Umsetzung ist eine besonders wichtige Aufgabe, der sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene besondere Beachtung geschenkt werden muss. Wir müssen Prüfmechanismen entwickeln, mit deren Hilfe wir die jeweiligen Auswirkungen untersuchen können. Wir müssen Nichtregierungsorganisationen mit einbeziehen, die konkrete Rückmeldungen geben können, und einen sozialen Dialog mit ihnen beginnen. Ich bin davon überzeugt, dass Herr Barroso das, was er zu Beginn seiner Amtszeit 2004 sagte, auch wirklich ernst meinte. Möge er so weitermachen!
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich zu zwei Aspekten dieses hervorragenden Berichts von Elizabeth Lynne äußern. Ich unterstütze voll und ganz die Forderung an die Mitgliedstaaten und andere relevante Akteure, umfassende, akkurate, vergleichbare, verlässliche und aufgeschlüsselte statistische Daten über Diskriminierung zu erheben, zu sammeln und so zu publizieren, dass sie für die Öffentlichkeit leicht verständlich sind. Auf diese Weise ermöglichen wir es den Bürgern in meinen Augen, die Notwendigkeit eines Wandels zu begreifen. Auch die Forderung nach einer umfassenden, weitreichenden Richtlinie findet meine volle Unterstützung. Das ist ein Gebiet, auf dem die EU strategische Veränderungen erzielen kann, wenn die Rechtsvorschriften umgesetzt werden.
Im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon schließlich war ich sehr erfreut über die Äußerungen des slowenischen Ratsvorsitzes zum Arbeitsprogramm für 2008 in der vergangenen Woche bezüglich seiner Reaktion auf die Unterschriftenkampagne für Behinderte. Das beweist, dass der Ratsvorsitz, und hoffentlich auch die Kommission, den Bürgern zuhört und sich ihrer Sorgen annimmt. Das ist ein sehr hoffnungsvolles Zeichen für die Bürgerinitiative, die im Vertrag von Lissabon enthalten ist, aber ich möchte nochmals meine unbedingte Unterstützung für eine umfassende Richtlinie zu Protokoll geben. Es darf keine Hierarchie der Diskriminierung geben.
Pier Antonio Panzeri (PSE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! ich unterstütze die Arbeit von Frau Lynne. Ich muss sagen, dass die Aussprache über diesen Bericht zu einem spannenden Zeitpunkt für Europa kommt. Und ich würde mir wünschen, dass die Kommission und Sie selbst, Herr Kommissar, sich einer Sache voll bewusst wären, was Sie gegenwärtig nicht zu sein scheinen.
Es geht nämlich nicht nur um die Fortschritte, die in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung bei der Beschäftigung und bei den Arbeitsbedingungen erzielt worden sind; die zentrale Frage betrifft die Notwendigkeit einer horizontalen Richtlinie über Gleichbehandlung, die sämtliche Diskriminierungsgründe abdeckt. In Europa breitet sich ein Klima der Intoleranz und der Feindseligkeit aus, was bereits heute, wenn wir an die Einwanderung und an die Roma denken, zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft führt. Wehe uns, wenn wir die Augen davor verschließen!
Deshalb brauchen wir dringend eine einheitliche, alle Formen der Diskriminierung erfassende Richtlinie, um das Antidiskriminierungspaket im Sinne von Artikel 13 des Vertrags zu komplettieren. Darüber hinaus wird sie hilfreich sein, um das Niveau des interkulturellen Dialogs in Europa anzuheben; ein solcher Dialog verbessert die Kultur in qualitativer Hinsicht und ist überzeugend, und er ist dringend erforderlich.
Daher, Herr Kommissar, fordere ich Sie und die Kommission auf, ein wenig mehr politische Courage zu zeigen, die wie bisher bei Ihnen vermisst haben!
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Beschäftigung ist ein Hauptfaktor der sozialen Integration. Dennoch ist das Niveau der Arbeitslosigkeit in zahlreichen Gruppen, insbesondere unter Frauen, Menschen mit Behinderungen, ethnischen Minderheiten, Migranten, älteren Personen und jungen Menschen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, nach wie vor unannehmbar hoch.
Grund zur Besorgnis resultiert aus der Tatsache, dass in einigen Mitgliedstaaten erhebliche Mängel in der Umsetzung und Durchführung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG bestehen und die EU-Bürger ein Informationsdefizit hinsichtlich möglicher rechtlicher Schritte im Falle von Diskriminierung haben. Für die Regierungen der Mitgliedstaaten ist dringend geboten, die Hindernisse aufgrund von Diskriminierungen bei Einstellungsprozessen auf dem Arbeitsmarkt so schnell wie möglich zu beseitigen.
Bei der Förderung von Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung muss staatlichen Stellen eine Schlüsselrolle zukommen, da die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 EGV die vollständige, ordnungsgemäße und effektive Umsetzung und die entsprechende Durchführung dieser Richtlinien zu gewährleisten haben, sodass der Kampf gegen die Diskriminierung in der Europäischen Union den Charakter koordinierter Maßnahmen hat und einem konsolidierten Ansatz an die Bekämpfung der Diskriminierung folgt.
Metin Kazak (ALDE). – (BG) Herr Präsident, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Die von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verabschiedeten und umgesetzten Antidiskriminierungsgesetze stellen einen konkreten Erfolg dar. Dies ist ein Anhaltspunkt dafür, wie sehr eine Gesellschaft die Grundsätze der Gleichbehandlung aller Bürger achtet, unabhängig von ethnischer Herkunft, Glaubensüberzeugung, Geschlecht, Alter, Gesundheit oder finanziellen Verhältnissen.
Ich befürworte den im Bericht der Abgeordneten Liz Lynne gemachten Aufruf zur Annahme einer umfassenden Richtlinie, die keine Rangfolge der Antidiskriminierungsprinzipien mehr zulässt. Dennoch sollten wir der Tatsache ins Auge sehen, dass in Europa die Diskriminierung von Angehörigen ethnischer oder religiöser Minderheiten immer noch der häufigste Verstoß gegen das elementare Recht auf Gleichbehandlung ist.
Hassreden, Islamophobie sowie andere Formen von Fremdenfeindlichkeit, verstärkt durch Stereotypen, Vorurteile und überholte Klischeevorstellungen, führen in einigen Mitgliedstaaten der EU zu einer latenten Diskriminierungshaltung gegenüber ethnischen oder religiösen Minderheiten. Aus diesen Gründen sollte es sich das Europäische Parlament zur Aufgabe machen, die Aufmerksamkeit der Kommission und Mitgliedstaaten …
(Metin Kazak wird vom Präsidenten unterbrochen)
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Wir stimmen wohl alle darin überein, dass alle erdenklichen Maßnahmen gegen Diskriminierung ergriffen werden müssen. Daher hat sich das Europäische Parlament auch immer wieder dafür ausgesprochen, eine neue Richtlinie zu verabschieden. Vier derartige Richtlinien gibt es bereits, eine ist im Entwurf soweit fertig. Das heißt, wir decken ein sehr breites Spektrum an Antidiskriminierungsmaßnahmen ab.
Jetzt geht es darum, endlich diese Maßnahmen umzusetzen. 28 Vertragsverletzungsverfahren gibt es, das heißt, der Appell geht an die Mitgliedstaaten, endlich umzusetzen, was hier im Hause beschlossen worden ist. Ich bin dagegen, gleich wieder einen zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, nämlich wieder eine neue Richtlinie einzusetzen mit einer Fülle neuer Barrieren, wo Gleichstellungsbehörden gefordert werden. Das heißt wieder mehr Bürokratie. Dass bei allen Gesetzen NGO verpflichtend einbezogen werden müssen zur Beratung usw., bringt uns nicht weiter; wenn wir für die Antidiskriminierung eintreten, dann müssen wir dafür eintreten, dass das, was gegenwärtig Gesetz ist, in den Mitgliedstaaten endlich einmal umgesetzt wird.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte auf die inakzeptable Diskriminierung von schwangeren Frauen hinweisen, besonders in Anbetracht des demografischen Kollapses in Europa. Trotz rechtlicher Verbote fordern Arbeitgeber von jungen Frauen, die sich für einen Job bewerben, die Vorlage einer medizinischen Bescheinigung, dass sie nicht schwanger sind. Legen sie diese Bescheinigung nicht vor, schwinden ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz. Das ist ein schwieriges, aber notwendiges Betätigungsfeld für die Arbeitsinspektion. Auch kinderreiche Familien werden diskriminiert. Das Durchschnittseinkommen pro Person liegt in diesen Familien in der Regel wesentlich unter dem Einkommen allein erziehender Mütter. Andererseits erhalten sie aber im Allgemeinen weniger Kindergeld und Sozialhilfe und werden höher besteuert. Wenn über Diskriminierung gesprochen wird, dann geht es für gewöhnlich nicht um diese Problematik.
Gabriela Creţu (PSE). – (RO) Während wir auf eine horizontale Richtlinie warten, stellen wir fest, dass es europäische und nationale Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung, zahlreiche politische Verpflichtungen und spezielle institutionelle Mechanismen gibt. Trotz dieses optimistischen Erscheinungsbilds lassen der Grad der Umsetzung, die Durchführung und die Effizienz der angenommenen Maßnahmen in vielen Mitgliedstaaten noch sehr zu wünschen übrig. Wenn Gleichheit von Männern und Frauen erreicht werden soll, ist eine richtige Bezahlung unerlässlich.
Daher schlagen wir der Kommission vor, einen integrierten Plan positiver Maßnahmen für den Arbeitsmarkt vorzulegen, um die künstliche Trennung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt und die strukturellen Lohnunterschiede, die zwischen den als weiblich bzw. männlich erachteten Branchen nach wie vor bestehen, abzubauen. In diesem Plan stellt die Einführung der Geschlechterdimension in den Entwurf der europäischen, nationalen und lokalen Haushaltspläne ein wesentliches Instrument dar, um die strukturellen Unterschiede abzubauen und den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchzusetzen.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! In ihrem Redebeitrag sagte die Berichterstatterin, jeder EU-Bürger müsse gleichbehandelt werden. Bedauerlicherweise scheint die Berichterstatterin selbst nicht daran zu glauben. Wäre das der Fall, so würde dieser Bericht sich lautstark gegen die Tatsache zur Wehr setzen, dass diese EU mithilfe einer Ausnahmeregelung die Diskriminierung aus religiösen Gründen in meinem Wahlkreis Nordirland zulässt, und zwar genauer gesagt die Diskriminierung von Protestanten, die sich der Polizei in Nordirland anschließen möchten.
Ja, in dieser EU gibt es ausdrückliche religiöse Diskriminierung, die auf diese Weise gebilligt wird. Wenn ich also den großartigen Beteuerungen gegen Diskriminierung lausche, denke ich an viele meiner jungen protestantischen Wähler, die sich der Polizei anschließen wollten, in ihren Tests besser abschlossen als römisch-katholische Bewerber, und dennoch miterleben mussten, wie diese Bewerber eingestellt wurden, weil die Diskriminierung gesetzlich vorgeschrieben, vom Gesetz vorgegeben ist. Bis wir also eine horizontale Anwendung der Antidiskriminierungsgesetze erhalten...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Siiri Oviir (ALDE). – (ET) Herr Kommissar, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gleichheit vor dem Gesetz und Schutz vor Diskriminierung sind Menschenrechte, auf die jeder Anspruch hat. So steht es jedenfalls in den Verfassungen unserer Mitgliedstaaten, und zwar in allen Mitgliedstaaten. Dennoch sind unsere Bürger nicht vor Diskriminierung gefeit. Beispielsweise fällt die allgemeine arbeitsrechtliche Gleichstellung unter das Gemeinschaftsrecht, doch haben wir bisher leider weniger auf die entsprechende Umsetzung der Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten geachtet. Wie lassen sich sonst die in den jährlichen Untersuchungen von Eurostat festgestellten Diskrepanzen zwischen den Gehältern von Männern und Frauen in den Mitgliedstaaten erklären? In meinem Heimatland Estland beträgt die Gehaltsdifferenz zum Nachteil der Frauen sogar 27 %. Seit zehn Jahren hat sich an dieser Zahl nichts geändert.
Der Schutz dieses Rechtes ist ebenso wichtig wie die juristische Durchsetzung. In dieser Sache besteht Handlungsbedarf, und es müssen erforderlichenfalls auch Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Was unsere Bürger brauchen ist Rechtssicherheit.
Neena Gill (PSE). – (EN) Herr Präsident! Mein Glückwunsch an Frau Lynne zu dieser Richtlinie, denn im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs, das die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zum Ziel hat und Europas Vielfalt feiern möchte, bin ich entsetzt und bestürzt über das Ausmaß bestehender Diskriminierung – nicht nur aufgrund der Rasse, sondern auch aufgrund von Behinderung, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und des Alters. Diskriminierung ist ein Problem nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch im Wohnungswesen, in der Bildung, bei öffentlichen und privaten Dienstleistungen und sogar in religiösen Angelegenheiten.
Besonders beunruhigt bin ich darüber, wie unterschiedlich Minderheiten dem „Migrant Integration Policy Index“ zufolge in den verschiedenen Mitgliedstaaten integriert sind. Das beweist die mangelhafte Anwendung und Durchsetzung der Mindestnormen für die Antidiskriminierung, die wir EU-weit durchsetzen wollten. Ich fordere die Kommission auf, sich dieser Sache anzunehmen und sie nicht nur bei den Mitgliedstaaten aufzugreifen, sondern auch innerhalb der EU-Organe stärker tätig zu werden.
Schließlich möchte ich, im Vorfeld der Europawahlen, die Frage an dieses Hohe Haus richten, wie es gedenkt, gegenüber dem restlichen Europa in Sachen Antidiskriminierung mit gutem Beispiel voranzugehen. Immer noch sind nur 30 % der MdEP Frauen, und nur neun MdEP sind Farbige.
Thomas Mann (PPE-DE). – Herr Präsident! Was ist wirksam gegen Diskriminierung und für den Schutz vor Benachteiligungen? Sensibilisierungskampagnen, Informationen, Aktionen, aber nicht eine Zentralisierung von Rechtsfragen durch neue EU-Gesetzgebung. Statt einer umfassenden horizontalen Richtlinie möglicherweise ein Papiertiger? Es ist wichtig, die vier existierenden Richtlinien umzusetzen. Allein in Deutschland haben Schulungen, die für das allgemeine Gleichstellungsgesetz nötig waren, jährlich mehr als 1,7 Milliarden Euro gekostet.
Ich halte den Civil Rights Act für richtig. Er sieht Regelungen für Betriebe ab 15 Beschäftigten vor, und ein hoher administrativer und finanzieller Aufwand wird vermieden – eine solche KMU-Schutzklausel ist angebracht. Und ich halte es für wichtig, dass unsere Bedenken, die durch Liz Lynne leider noch nicht ausgeräumt werden konnten, weil sie unsere Anträge nicht berücksichtigt hat, deutlich werden: Wir können diesem Bericht, bei dem gesagt wird, öffentliche Gelder sollen genutzt werden, um Opfer von Diskriminierungen zu unterstützen, nicht zustimmen. Hier hätte Liz Lynne auf uns hören sollen, doch sie hat es leider nicht getan.
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) Ich möchte zwei Themen ansprechen. Das erste betrifft den Verkehr. Etwa ein Drittel der EU-Bürger sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. Um Chancengleichheit beim Zugang zu Informationen, zur Beschäftigung usw. zu gewährleisten, müssen deutliche Anstrengungen unternommen werden, um für Barrierefreiheit im Verkehr zu sorgen. Das zweite Thema betrifft geistig Behinderte. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, das Weißbuch zur psychischen Gesundheit zu überarbeiten, weil eine große Zahl der EU-Bürger an Stress leidet, was insbesondere die Lage derjenigen erschwert, die sich neuen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt anpassen müssen.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung: Mir ist bewusst, dass mir nicht das Wort erteilt wurde, aber was Herr Allister zur Diskriminierung der Protestanten bei der nordirischen Polizei sagte, entspricht nicht im Geringsten der Wahrheit. Die Polizei ist zu 90 % protestantisch ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, wie wichtig es ist, die Diskriminierung zu bekämpfen. Wir sind uns praktisch alle darüber einig, dass es einer wirksameren Umsetzung der Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten bedarf. Wie aus der Debatte ebenfalls hervorging, legt die Kommission strenge Maßstäbe an und zögert nicht, Vertragsverletzungsverfahren gegen Länder einzuleiten, die Rechtsvorschriften nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Zahlenangaben vermitteln aber kein vollständiges Bild, da sie sowohl Verfahren einschließen, die technische und organisatorische Fragen betreffen, als auch solche, die den Schutzumfang zum Gegenstand haben. Auf jeden Fall kann ich mit Sicherheit sagen, dass alle Länder, mit denen wir Gespräche führen, kooperationsbereit sind und dass kein Zweifel an ihrem Willen besteht, die Antidiskriminierungs-Richtlinien korrekt umzusetzen.
Der nächste Punkt beschäftigt sich mit der Frage weiterer gesetzgebender Maßnahmen. Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass sich die Kommission gegenwärtig in der Schlussphase der Entscheidung über die endgültigen Maßnahmen befindet. Diese Phase geht im Juni dieses Jahres zu Ende, und wir werden dann die entsprechenden Vorschläge unterbreiten. Die zurzeit stattfindende Parlamentsdebatte ist zweifellos ein bedeutender Ausgangspunkt für den Entscheidungsprozess.
Erlauben Sie mir, kurz auf zwei Redebeiträge einzugehen, die sich durch ein etwas ungewöhnliches Argument von der übrigen Debatte abhoben. Der eine Beitrag enthielt die Information, dass Antidiskriminierungslehrgänge pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland 1,7 Milliarden Euro kosten würden. Ich bestreite diese Zahl nicht. Doch wäre es vielleicht aufschlussreich, einmal einen Vergleich zwischen den genannten Kosten und den Kosten für Lehrgänge zur Steuergesetzgebung anzustellen. Und wir würden feststellen, dass bei Gesetzesänderungen derartige Umstellungskosten normal sind. Oder anders gesagt: Ein rein finanzielles Argument ist hier nicht überzeugend.
Der andere Redebeitrag betraf die Politik in Nordirland. Dazu kann ich lediglich feststellen, dass nach meinen Informationen die Polizeibehörden von Nordirland konkrete Maßnahmen ergriffen haben, um des von Herrn Allister angesprochenen Problems Herr zu werden.
Meine Damen und Herren, die uns zur Verfügung stehende Zeit erlaubt es uns leider nicht, diese ausführliche wie auch interessante Debatte fortzuführen. Ich kann nur zum Ausdruck bringen, dass wir uns in einer wichtigen Entscheidungsphase befinden, zu der auch Ihre Debatte beiträgt.
VORSITZ: MECHTILD ROTHE Vizepräsidentin
Elizabeth Lynne, Berichterstatterin. − (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte meinen Kollegen für ihre Bemerkungen danken. Ich bin hocherfreut, dass wir von der Mehrheit dieses Hohen Hauses die Unterstützung für eine umfassende Richtlinie zu haben scheinen. Ich hoffe, dass die Abstimmung dies später beweisen wird.
Ich möchte auch Kommissar Špidla erneut Anerkennung zollen, denn ich weiß, dass es eigentlich seine Initiative war, eine umfassende Richtlinie zur Sprache vorzulegen und sie im Rahmen des Arbeitsprogramms zu fordern. Ich bedauere nur, dass seine Ansicht sich bei den übrigen Mitgliedern der Kommission scheinbar nicht durchsetzen kann. Hoffen wir, dass wir, indem wir uns für eine umfassende Richtlinie aussprechen, ihm mehr Macht verleihen, seinen Standpunkt durchzusetzen.
Ich habe Kommissar Špidla sehr wohl um die Veröffentlichung der Folgenabschätzungen gebeten. Ich weiß, dass diese schon erstellt wurden. Ich bin ein bisschen besorgt über Berichte, die mir zu Ohren gekommen sind, denen zufolge es unterschiedliche Folgenschätzungen gegeben hat, die in diesem Moment leicht zugunsten eines bestimmten in der Kommission vorherrschenden Standpunkts verändert werden. Ich bitte um eine gewisse Klarstellung in diesem Punkt, denn ich möchte wissen, ob die Gerüchte, die ich gehört habe, der Wahrheit entsprechen.
Es freut mich, dass auch andere Abgeordnete Ihre Forderung nach einer umfassenden Richtlinie innerhalb des Arbeitsprogramms unterstützt haben. Spezifische Fragen im Zusammenhang mit allen Diskriminierungsformen – Behinderung, Alter, Religion bzw. Glaube und sexuelle Orientierung – können meiner Ansicht nach in einer umfassenden Richtlinie behandelt werden. Bildung bringt uns nicht weiter, das haben wir bereits versucht. Denjenigen Abgeordneten, die über Bildung gesprochen haben, sei gesagt: Das funktioniert nicht.
Wir reden zudem vom Zugang zu Waren und Dienstleistungen, nicht von Beschäftigung. Ich weiß um die Probleme, die die deutschen Delegationen mit diesem Punkt haben, denn die Beschäftigungsrichtlinie ist ein Liebling der deutschen Regierung. Also lassen wir die beiseite. In den einzelnen Mitgliedstaaten herrschen unterschiedliche Probleme vor: Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung, Religion oder Glaube. Die einen Mitgliedstaaten befassen sich mit den einen, die anderen mit den anderen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, Ordnung in die Sache zu bringen, eine umfassende Richtlinie zu erlassen und niemanden zurückzulassen.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute Mittag um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Iles Braghetto (PPE-DE) , schriftlich. – (IT) Ich möchte der Berichterstattung Anerkennung für die Arbeit zollen, die sie zu einem Thema geleistet hat, dem ich im Hinblick auf die Entwicklung einer gerechteren und effektiveren Antidiskriminierungspolitik der Union enorme Bedeutung beimesse.
Der Nichtdiskriminierungsgrundsatz gehört in der Tat zu den Kernwerten, auf die sich die europäische Integration von Anfang an stützt, und muss daher entsprechend verteidigt werden, damit die Bürger Europas, insbesondere diejenigen, die den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen angehören wie die Behinderten, wirksam gegen jede Form von Diskriminierung geschützt werden.
Nichtdiskriminierung ist sehr wichtig im Beschäftigungssektor, gleichwohl ist sie notwendig und wünschenswert in jedem Bereich des öffentlichen Lebens (wie Bildung oder soziale Dienstleistungen), weil sie die soziale Integration und die Entwicklung des Potenzials aller europäischen Bürger erheblich fördern kann.
Abschließend möchte ich meine Unterstützung für die rasche Annahme einer allumfassenden und wirksamen Rahmenrichtlinie über Nichtdiskriminierung bekunden, die die Mitgliedstaaten befähigt, in diesem Bereich geschlossen vorzugehen und kohärente und effektive politische Maßnahmen zu ergreifen, die den Bürgern das Gefühl vermitteln, wirklich durch klare und umfassende Rechtsvorschriften auf europäischer und auf nationaler Ebene geschützt zu sein.
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Als Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres unterstütze ich voll und ganz den Bericht von Elizabeth Lynne. Ich bezweifle nicht, dass das derzeit gültige Völkerrecht und unsere eigenen EU-Rechtsvorschriften – aus formaler Sicht – erstrebenswerte und gute Lösungen sind. Daher bedauere ich, dass ihr Inkrafttreten ständig auf zahlreiche Hindernisse stößt, selbst in unserem Europa, das doch demokratischer und weniger diskriminierend zu sein scheint.
Es ist schon erstaunlich, dass wir die EU-Mitgliedstaaten aufrufen müssen, die Bestimmungen von Richtlinie 2000/78/EG voll anzuerkennen und die Fortschritte auf dem Gebiet der Beseitigung aller Arten von Diskriminierung aus dem politischen, gesellschaftlichen und Wirtschaftsleben dauerhaft und systematisch zu überwachen.
Das ist von besonderer Bedeutung für die Bürger meines Landes, Polens, die die Vorzüge des Gemeinsamen Marktes und der Freiheit des Personenverkehrs – in vielen EU-Ländern leben und arbeiten zu können – genießen. Leider muss ich mit Bedauern feststellen, dass es zunehmend Anzeichen von Diskriminierung meiner Landsleute einzig und allein aufgrund ihrer Nationalität gibt. Beunruhigende Informationen dieser Art kommen zunehmend u. a. aus Deutschland, Großbritannien und Irland. Es wäre schon paradox, wenn sich das Europäische Parlament zwar intensiv und wirkungsvoll in die Bekämpfung von Erscheinungsformen von Diskriminierung in aller Welt einbrächte, aber nicht in der Lage wäre, zu Hause mit der Achtung der Menschenrechte fertig zu werden. Verdienen doch alle EU-Bürger, gleich und ohne Diskriminierung behandelt zu werden!
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Die Frage, um die es hier geht, ist Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der Europäischen Union.
Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz sind grundlegende Prinzipien der Beschäftigung, und die Mitgliedstaaten sollten eigentlich keine Probleme damit haben. Nach dem Bericht von Frau Lynne werden aber die Richtlinien weder wirksam noch korrekt umgesetzt.
Es handelt sich hier um ein ernstes Problem, weil, wie es im Bericht von Frau Lynne heißt, die Bekämpfung von Diskriminierung und die Achtung der Menschenrechte nach Artikel 13 EG-Vertrag Prioritäten in der EU darstellen.
In einem Beispielfall in Finnland ging es um eine Frau, die nach Beendigung der Pflege ihres behinderten Sohnes keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Es ist falsch, dass die häusliche Pflege nicht entsprechend anerkannt wird und dass die Rechtsvorschriften diese Art der Diskriminierung zulassen. Mit diesem Fall vor Augen unterstütze ich Ziffer 36 in dem Bericht von Frau Lynne, wo es heißt, dass der Anwendungsbereich der Grundsätze der Gleichstellung und der Nichtdiskriminierung weit gefasst und auf soziale Sicherheit ausgeweitet werden sollte.
Ich unterstütze auch die Forderung von Frau Lynne, dass das Europäische Parlament den Mitgliedstaaten empfehlen sollte, jenen Institutionen, die für die Verwirklichung dieser Grundsätze wirken, mehr Mittel und Rechte zur zu einzuräumen. Ebenso befürworte ich ihre Forderung, den Status der NRO zu stärken, damit auch sie den bestehenden Problemen in den einzelnen Mitgliedstaaten wirksamer und effizienter begegnen können.
Katalin Lévai (PSE) , schriftlich. – (HU) Es ist natürlich von Bedeutung, dass heute der Bericht von Frau Lynne über Chancengleichheit auf der Tagesordnung steht. Vor wenigen Tagen, am 17. Mai, haben wir unsere Solidarität mit Transsexuellen, Bisexuellen und Homosexuellen zum Ausdruck gebracht.
Bei besonderen Anlässen oder Gelegenheiten wird häufig in die Vergangenheit geblickt. Wie der vorliegende Bericht zeigt, gibt es im Bereich Chancengleichheit bedauerlicherweise noch viel zu tun. Die Arbeitslosenquoten bei Frauen, Migranten, Menschen mit Behinderung, ethnischen Minderheiten und Personen mit sehr speziellen oder nicht anerkannten Fähigkeiten sind noch immer untragbar hoch. Daher empfehle ich für den Bereich der Beschäftigung die Einführung eines europäischen Systems zur Überwachung der Chancengleichheit, das in Form von Steuervorteilen und/oder PR-Chancen für Arbeitgeber, die der Herstellung von Chancengleichheit Vorrang einräumen, Unterstützung leisten könnte.
Ich würde auch eine „schwarze Liste“ von Arbeitgebern aufstellen, die die Kriterien überhaupt nicht erfüllen. Dies würde Unternehmen motivieren und den Arbeitsuchenden zugleich neue Perspektiven eröffnen und Klarheit verschaffen. In Mittel- und Osteuropa sind extremistische und populistische Politiken bedauerlicherweise noch immer auf dem Vormarsch, aber mitunter bekommen wir auch von Westeuropa einen traurigen Eindruck. Die negative Diskriminierung der Roma nimmt zu und oft werden ihre Behausungen von extremistischen Kräften zerstört. Hier besteht der große Bedarf an einer – wie von den Sozialdemokraten geforderten – Europäischen Strategie für die Roma und es ist nur zu offensichtlich, dass dringend Maßnahmen auf europäischer Ebene erforderlich sind. Die Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten bieten unterschiedlich hohen Schutz vor Diskriminierung.
Oft gibt es keine einheitliche Methode zur Umsetzung der Rechtsvorschriften, was dazu führt, dass die Umsetzung unzulänglich ist. Die Bemühungen zur Umsetzung müssen koordiniert werden, wobei die horizontale Perspektive der Europäischen Union, die nationalen und lokalen Behörden und eine allgemeine Übereinstimmung der Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind. Vor der Annahme von Rechtsvorschriften wäre es auch wichtig, eine Sozialverträglichkeitsstudie durchzuführen und die Umsetzung seitens der Mitgliedstaaten einmal jährlich zu beurteilen.
Marianne Mikko (PSE) , schriftlich. – (ET) Nichtdiskriminierung und Menschenrechte sind Grundwerte der Europäischen Union. Sie bilden das Fundament, auf dem wir unsere Zukunft aufbauen wollen. Einen Kompromiss bei der Achtung dieser Grundwerte darf es nicht geben. So heißt es ausdrücklich in Artikel 13, der als Orientierung in allen die europäischen Bürger betreffenden Angelegenheiten dienen soll.
Die Bereiche Soziales, Waren und Dienstleistungen, Gesundheitswesen und Bildung genießen heute keinen umfassenden Schutz vor Diskriminierung aus Gründen des Alters, der sexuellen Ausrichtung, der Religion oder einer Behinderung. Leider gelten für diese Bereiche keine EU-Vorschriften. Würden wir den Themen Nichtdiskriminierung und Menschenrechte volle Aufmerksamkeit widmen, wäre uns bewusst, dass wir eine einheitliche horizontale Richtlinie benötigen, die der Hierarchie der Rechte endgültig ein Ende setzt. Es wäre dann Schluss damit, dass in einem Bereich Diskriminierung geahndet wird, in einem anderen aber nicht, dass Rasse und Behinderung einen wesentlich besseren Schutz genießen als die anderen in Artikel 13 aufgeführten Bereiche. Angesichts dieses Berichts rufe ich die Kommission auf, ihr Versprechen einzulösen und eine umfassende Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung gemäß Artikel 13 des EG-Vertrags zu erarbeiten.
In einer beispiellosen Initiative haben sich viele europäische gemeinnützige Organisationen für eine horizontale Richtlinie ausgesprochen. Auch verschiedene Dachverbände sind in bestimmten Bereichen in Brüssel tätig, wie z. B. die European Women’s Lobby, AGE und viele andere. Nur eine horizontale Nichtdiskriminierungsrichtlinie in den Bereichen Soziales, Waren und Dienstleistungen, Gesundheitswesen und Bildung kann den Schutz der Menschenrechte in der Europäischen Union stärken. Es gibt mehr als genug Belege für Fälle von Diskriminierung auf allen Gebieten. Daher darf die Kommission nicht wegsehen und keine neue Hierarchie der verschiedenen Rechte in der Europäischen Union einführen.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Als Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Minderheiten begrüße ich Frau Lynnes Bericht, in dem Bilanz gezogen wird, was hinsichtlich der Bekämpfung von Diskriminierung bereits erreicht wurde, und dargestellt wird, was noch unternommen werden muss.
Den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierung kommt besondere Bedeutung zu, weil der Schutz des Individuums nicht ausreicht. Man erleidet keine Diskriminierung als Einzelperson, sondern als Angehöriger einer Gruppe, beispielsweise weil man einer ethnischen Minderheit angehört, alt ist, eine Frau ist, behindert ist, einer sexuellen Minderheit angehört oder Roma ist. Aus diesem Grund können den verschiedenen Minderheitengruppen angehörende Personen nur effektiv geschützt werden, wenn die gesamte Gruppe geschützt wird. Im Bericht wird zu Recht darauf hingewiesen, dass in den beiden bestehenden Richtlinien nur Mindestanforderungen festgelegt werden. Daher müssen wir weiter auf die Ausarbeitung einer Politik auf Gemeinschaftsebene gegen negative Diskriminierung und einer horizontalen Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierung hinarbeiten. Genauso wichtig ist der Punkt in dem Bericht, in dem die Kommission aufgefordert wird, auf eine gemeinsame, für die gesamte EU gültige Definition des Begriffs „positive Maßnahmen“ hinzuarbeiten. Ferner weist die Berichterstatterin besonders darauf hin, dass ethnische Minderheiten und insbesondere die Bevölkerungsgruppe der Roma einen besonderen sozialen Schutz benötigen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie an Artikel 25 des Berichts Ždanoka erinnern, in dem es auch um dieses Thema geht und darauf verwiesen wird, wie wichtig es ist, dass traditionelle nationale Minderheiten sich an Entscheidungsprozessen beteiligen.
Diesem Artikel zufolge benötigen traditionelle nationale Minderheiten für ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen betreffend ihre Identität einen Regelungsrahmen und müssen durch verschiedene Formen der Selbstverwaltung oder Autonomie geschützt werden.
7. Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Willi Piecyk im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union (2008/2009(INI) (A6-0163/2008).
Willi Piecyk, Berichterstatter. − Frau Präsidentin! Ich freue mich, dass Sie zum zweiten Mal bei der Meerespolitik den Vorsitz führen. Vor einem Jahr haben Sie das auch schon getan.
Herr Kommissar, fangen wir mit der guten Nachricht an. Heute Abend wird es in der Lübecker Jacobikirche die erste Veranstaltung zum Europäischen Tag der Meere geben. In dieser Kirche befindet sich die internationale Gedenkstätte für zivile Seefahrt. Der Kommissar Barrot hat sie im letzten Jahr eröffnet. Heute Abend werden dort Kapitäne über ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen auf Schiffen diskutieren. Die Pastoren haben das im Vertrauen darauf gemacht, dass die Präsidenten von Parlament, Rat und Kommission den 20. Mai heute Mittag tatsächlich zum Tag der Europäischen Meere erklären. Das ist ein Anlass zur Freude und soll bewirken, dass Europa seinen Meeren größere Aufmerksamkeit schenkt.
Nur, wer glaubt, dass so ein Tag auch schon Meerespolitik sei, der ist wohl auf dem falschen Dampfer, oder anders ausgedrückt: So ein Tag der Meere darf nicht zur bloßen Symbolik verkommen. Das heißt, er muss politisch konditioniert werden. Gefragt ist Politik – für Soziales, für Schiffssicherheit, für Klimaschutz. Nehmen wir die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf den Schiffen: Es ist ein übler Anachronismus, dass für Seeleute eine ganze Reihe von Sozial- und Arbeitschutzregelungen nicht gilt. Das muss sich ändern, die Kommission sieht das ja auch so. Wir erwarten hier ihre Initiativen.
Die Internationale Arbeitsorganisation hat 2006 das Seearbeitsrechtübereinkommen angenommen. Ratifiziert haben es bisher drei Staaten: die Bahamas, Liberia und die Marschall-Inseln. Wo bleiben da eigentlich die Europäer? Wenn ich Schiff- und Seesicherheit verbessern will, dann muss ich als Rat nur eines tun: Endlich das Erika III-Paket verabschieden. Es ist schon ein starkes Stück, wie dilatorisch der Rat in dieser Frage mit der Seesicherheit umgeht. Seit der ersten Lesung des Parlaments sind mittlerweile mehr als 12 Monate verstrichen, und wir haben bis heute noch keinen einzigen gemeinschaftlichen Standpunkt. Die Katastrophen der „Erika“ und der „Prestige“ sollten eigentlich Warnung und Mahnung genug sein, um endlich tätig zu werden.
Im Klimaschutzpaket, das Kommissionspräsident Barroso im Januar vorgelegt hat, wird davon gesprochen, dass der Schiffsverkehr vielleicht in den Emissionshandel einbezogen werden könnte. Das ist zu schlapp, das reicht nicht. Meerespolitik muss meiner Ansicht nach beim Klimaschutz mindestens vier Dinge leisten: Einbeziehung des Schiffsverkehrs in den Emissionshandel, und zwar jetzt und nicht irgendwann; drastische Reduzierung des Schadstoffausstoßes – CO2, SO2 und NOX – und Einsatz regenerativer Energien wie Wind und Sonne. In den Häfen muss Schluss sein mit der Eigenproduktion von Energie durch Schiffsmotoren zu Lasten von Mensch und Natur. Umgekehrt brauchen wir die Energieversorgung von Land, also Schiffe in den Häfen müssen an die Steckdose.
Wir haben in Nord- und Ostsee jede Menge alter Munition aus den vergangenen Kriegen. Hiervon gehen erhebliche Gefahren aus. Deswegen brauchen wir einen Aktionsplan zur Identifizierung und zur Beseitigung dieser Altlasten. Wir haben in den letzten Monaten erlebt, dass vor der afrikanischen Küste Anschläge von Piraten auf Europäer und auf europäische Schiffe passiert sind. Also brauchen wir klare internationale Regelungen und ein System des Beistands auf Hoher See, und wir müssen nicht nur die Küsten vor den Meeren schützen, sondern wir müssen auch die Meere vor den Küsten schützen. Die größte Gefahr für die Meere kommt immer noch vom Land: 80 % aller Schadstoffeinträge sind landwirtschaftlich oder industriell verursacht. Um dem Abhilfe zu schaffen, muss endlich auch hier europäisches Recht angewandt und durchgesetzt werden.
Wenn wir dann heute Mittag nach der Abstimmung den 20. Mai zum Europäischen Tag der Meere erklären, dann hoffe ich, dass wir am nächsten 20. Mai sagen können: Wir haben inzwischen eine ganze Menge erledigt.
Sie sehen, es war eine Punktlandung.
(Beifall)
Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich finde es sehr angemessen, dass wir diese Aussprache am ersten Europäischen Tag des Meeres führen. Schließlich war es eine Abgeordnete des Parlaments, Frau Kratsa-Tsagaropoulou, die diesen Vorschlag im Rahmen der Vorbereitungen für das Grünbuch über eine künftige Meerespolitik erstmals gegenüber Präsident Barroso zur Sprache brachte. Wir verdanken ihn zudem dem Parlament, und insbesondere Präsident Pöttering, der heute noch der Unterzeichnung einer gemeinsamen Dreier-Erklärung beiwohnen wird, durch die der Europäische Tag des Meeres ins Leben gerufen wird. Dieser Tag veranschaulicht, wie weit wir in der Entwicklung nicht nur der integrierten Meerespolitik vorangekommen sind, sondern auch in der Gestaltung einer neuen Vision für Europas Ozeane und Meere. Er beweist auch, wie stark alle europäischen Organe an dem gesamten Prozess beteiligt waren. Tatsächlich war das Parlament einer der Hauptakteure in der Entwicklung der neuen integrierten Meerespolitik, sowohl indem es eine Reihe Konferenzen organisiert hat, bei denen fruchtbare Diskussionen und aufschlussreiche Debatten geführt wurden, als auch indem es Berichte erstellt hat, die uns durch unsere Arbeit geleitet haben und eine gezielte Richtung für die Umsetzung der Meerespolitik vorgeben.
Ich darf dem Berichterstatter Willi Piecyk meinen herzlichen Dank und meine Hochachtung dafür aussprechen, dass er es geschafft hat, die leidenschaftlichen Interessen der verschiedenen Ausschüsse unter einen Hut zu bringen, sowie dafür, dass er diesen beeindruckenden Bericht erstellt hat. Lassen Sie mich auch den verschiedenen Berichterstattern der Ausschüsse danken sowie den vielen anderen geschätzten Abgeordneten des Parlaments, die in den vergangenen zwei Jahren in besonderer Weise am Beitrag des Parlaments zur Herausbildung dieser europäischen Politik mitgewirkt haben. Ich möchte mich bei ihnen entschuldigen, dass es mir nicht möglich ist, sie namentlich zu nennen, wie es eigentlich meine Absicht war.
Gestatten Sie mir, mich dem Bericht selbst zuzuwenden. Auch wenn er keine neuen Vorschläge enthält, so konzentriert er sich doch auf bestimmte Forderungen, die das Parlament im Juli 2007 stellte und die uns bei der Festlegung der weiteren Schritte geholfen haben. Nun werden sie uns als Anregung für die weitere Umsetzung der Meerespolitik dienen.
Was einige der sektorbezogenen Fragen betrifft, so begrüßt die Kommission das Gewicht, das das Parlament der ökologischen Dimension der Meerespolitik und insbesondere den Herausforderungen des Klimawandels unverändert zuerkennt, und sieht der Annahme einer Strategie für die Anpassung an den Klimawandel im Jahr 2008 entgegen, die sich mit diesen Anliegen befasst.
Die Kommission begrüßt ebenso die Tatsache, dass das Europäische Parlament die Bedeutung des Seeverkehrs für die europäische Wirtschaft anerkennt, sowie die Unterstützung des Parlaments für einen Gemeinsamen Seeverkehrsraum, für die Entwicklung der Meeresautobahnen und des Kurzstreckenseeverkehrs. All dies sind Projekte, die die Kommission voranbringen möchte.
Im Hinblick auf die Forschung begrüßt die Kommission die Unterstützung des Parlaments für die Entwicklung einer umfassenden Strategie für meereswissenschaftliche Forschung, die einen Grundpfeiler der Meerespolitik bilden wird und Mitte 2008 annahmebereit sein dürfte.
Die Kommission begrüßt die positive Haltung des Berichts gegenüber der Notwendigkeit, die Nachhaltigkeit im Bereich der Fischerei zu gewährleisten. Seit der Annahme des „Blaubuchs“ haben wir mehrere Schritte in diese Richtung unternommen, etwa die Annahme einer Mitteilung über den ökosystemorientierten Ansatz im April 2008 sowie zweier Vorschläge über Rückwürfe, die bis Ende des Jahres fertig sein werden.
Neben der konkreten Erwähnung von Themen wie Umwelt, Seeverkehr, Forschung und Innovation, sozialen Aspekten, Fischerei und Energie begrüßt die Kommission insbesondere die Bedeutung, die durch die außergewöhnliche maritime Dimension, die die EU wegen ihrer Küsten, Inseln und Gebiete in äußerster Randlage aufweist, dem regionalen Aspekt der Meerespolitik beigemessen wird, und teilt voll und ganz die Meinung, dass die Meerespolitik die verschiedenen spezifischen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten und der maritimen Regionen, einschließlich Küstenregionen, Inseln und Gebieten in äußerster Randlage, berücksichtigen sollte.
Verehrte Abgeordnete! Wir befinden uns noch in der frühen Umsetzungsphase der Meerespolitik, doch mit der weiteren Unterstützung des Parlaments werden wir nach verstärkten Maßnahmen bei dieser Umsetzung streben. Ich darf dem Europäischen Parlament und den beteiligten Berichterstattern nochmals meine Glückwünsche für ihre hervorragende Arbeit aussprechen. Wir freuen uns auf eine Fortführung des engen Dialogs mit Ihnen in den kommenden Monaten, im Interesse der Umsetzung der integrierten Meerespolitik für die Union, und wir zählen auf Ihre Unterstützung, wenn es darum geht, insbesondere die Küstenregionen Europas für den Tag des Meeres 2009 zu gewinnen.
Sérgio Marques, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. − (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beglückwünschen die Europäische Kommission zu ihrer Mitteilung über eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union sowie zu dem Vorschlag für einen Aktionsplan, der die ersten Schritte zur Umsetzung dieser Politik festlegt.
Gewiss enthält das aktuelle Blaubuch gegenüber dem Grünbuch einige Rückschritte, was insbesondere für die Planung der Meeresnutzung, den Küstenschutz, die europäische Flagge und den europäischen Vertreter in der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation gilt. Dennoch steht außer Frage, dass Fortschritte erzielt wurden, besonders im Hinblick auf die soziale Dimension, Investition, Innovation und maritime Cluster sowie den Seeverkehr. Die Gesamtbilanz stellt sich positiv dar.
Unter Beachtung der Prinzips der Subsidiarität müssen wir jetzt eine effektive integrierte Meerespolitik in die Praxis umsetzten, die gewährleistet, dass eine Koordinierung der verschiedenen Sektorpolitiken erfolgt, die die erwarteten Synergien und einen echten Mehrwert hervorbringt. Nur auf diese Weise kann die Meerespolitik einen bedeutenden Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung, der Wettbewerbsfähigkeit und des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in Europa leisten.
Der Ausschuss für regionale Entwicklung hofft vor allem, dass die integrierte Meerespolitik einen außerordentlich positiven Einfluss auf die Entwicklung und den Schutz der europäischen Küstenregionen, Inseln und Regionen in äußerster Randlage ausüben wird.
Pedro Guerreiro, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Fischerei. − (PT) Ich will mich ganz kurz fassen, aber ich möchte besonders hervorheben, wie wichtig die Übernahme der Vorschläge des Ausschusses für Fischerei ist, denen zufolge das Hauptziel der integrierten Meerespolitik für die Europäische Union im Fischereibereich darin bestehen sollte, die Modernisierung und nachhaltige Entwicklung dieses Sektors zu fördern. Dies ist die Voraussetzung für seine sozioökonomische Leistungsfähigkeit und die Nachhaltigkeit der Ressourcen; für die Unabhängigkeit und die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung, die Versorgung der Bevölkerung mit Fischereierzeugnissen, die Erhaltung von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Fischer. In den Vorschlägen wird ferner betont, dass die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen mit Meeresbezug, insbesondere im Fischereisektor, auch davon abhängt, dass für die Beschäftigten in diesem Sektor ein gerechter und angemessener Verdienst gewährleistet wird. Erforderlich sind außerdem Mechanismen zur Entschädigung der Fischer, die von den sozioökonomischen Folgen der Maßnahmen zur Wiederauffüllung von Fischbeständen betroffen sind, und eine stärkere Unterstützung für die wissenschaftliche Fischereiforschung in den einzelnen Mitgliedstaaten insbesondere im Kontext des Siebten Forschungsrahmenprogramms, sowie ein Engagement der Gemeinschaft für angemessene Maßnahmen zur Unterstützung und Rettung von Besatzungen.
Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, lieber Herr Kommissar, liebe Kollegen! Meine Fraktion möchte sich erst einmal beim Berichterstatter Willi Piecyk bedanken. Er hat über ein Jahr sehr gut die Gespräche angestoßen und die Anregungen zusammengefasst. Herzlichen Dank, Willi!
Wir unterstützen den Bericht auch einhellig. Wir bedauern jedoch, Herr Kommissar, dass der Aktionsplan zu wenig konkrete Maßnahmen enthält. Herr Kollege Piecyk wies schon darauf hin, dass die ganze Umweltproblematik ungeklärt ist. Es fehlen konkrete Maßnahmen, es ist nicht klar, welchen Beitrag die Akteure – zum Beispiel die Reeder – zur Bekämpfung des Klimawandels leisten und wie sie in dem Wettbewerb, den sie global auszustehen haben, bestehen können. Das reicht von Maßnahmen wie der Verringerung von Schwefel und Stickoxiden auf See bis zu Maßnahmen in den Häfen wie der Nutzung von Landenergie.
Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen enttäuscht. Wenn die Kommission nämlich sagt, dass sie im Herbst dazu Vorschläge vorlegen wird, dann werden wir das in dieser Wahlperiode nicht mehr umsetzen können. Vielleicht können Sie doch ein bisschen mehr „Butter bei die Fische tun“, wie wir Hamburger sagen, und dann noch ein bisschen „Drive“ reinbekommen.
Der zweite Punkt betrifft die Frage der Meeresüberwachung. Ich glaube, wir brauchen nicht nur eine verbesserte Zusammenarbeit der nationalen Küstenwachen, wir müssen nicht nur – was illegale Einwanderung angeht – FRONTEX stärken, sondern wir brauchen eine europäische Küstenwache. Dies ist uns seit Jahren ein Anliegen, nämlich dass man alle Aktivitäten – seien es Fischereiaktivitäten, Zollaktivitäten oder Polizeiaktivitäten – in den Mitgliedstaaten zusammenfasst und dafür eine schlagkräftige europäische Küstenwache einsetzt. Herr Kommissar, wird die Kommission in dieser Wahlperiode einen Vorschlag zur Küstenwache vorlegen oder nicht?
Ein letzter Punkt, der neu ist: die Anträge zu den Piraten. Wir müssen die Fischerei- und Handelsschifffahrt in internationalen Gewässern besser schützen und brauchen deshalb europäische wie auch globale Aktionen. Die Freiheit der Meere darf nicht zur Freiheit der Piraten werden.
Silvia-Adriana Ţicău, im Namen der PSE-Fraktion. – (RO) Ich gratuliere unserem Kollegen Piecyk, den ich sehr schätze, und freue mich, dass wir seinen Bericht am heutigen Tage erörtern, an dem die Dreiererklärung zur Einführung eines jährlich am 20. Mai zu begehenden „Europäischen Tages der Meere“ unterzeichnet wird.
Eine integrierte Meerespolitik der Union sollte Synergieeffekte zwischen den Sektoren herstellen, denen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Dazu zählen zum Beispiel Schiffbau, Seeverkehr und Binnenschifffahrt, Hafentätigkeiten, Fischfang, Energie, Fremdenverkehr, Umweltschutz und Schutz des maritimen Erbes. Seit dem 1. Januar 2007 grenzt die Europäische Union an das Schwarze Meer und sollte ihre gemeinsame Meerspolitik daher auch in dieser Region fördern. Es gibt Koordinatoren für die TEN-V-Projekte für Binnenschifffahrt und für Beförderung auf Meereskorridoren. Beim Ausbau des TEN-V-Netzes geht es um die Meereskorridore. Bedauerlicherweise gelten die Aufrufe der Kommission zu neuen Meereskorridorprojekten nicht auch für die Schwarzmeerregion. Ich fordere die Kommission auf, für diese Region, die zu einer strategischen Region des TEN-V-Netzes werden muss, entsprechende Studien und Projekte auszuarbeiten. Darüber hinaus verlange ich von der Kommission die Erstellung eines konkreten Maßnahmenplans zum Schutz von Deltas und Mündungsgebieten, womit ich vor allem das Donaudelta meine.
Paweł Bartłomiej Piskorski, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Herr Kommissar! Auch ich möchte Herrn Piecyk zu seinem ausgezeichneten Bericht gratulieren. In diesem symbolträchtigen Augenblick eine Aussprache zu führen, ist wichtig, doch mir kommt es vor allem darauf an, auf die praktischen Aspekte dieses Berichts aufmerksam zu machen. Es ist schon ein ziemlicher Anachronismus, wenn von den verschiedenen europäischen Politiken, die wir innerhalb unserer Gemeinschaft umsetzen, maritime Angelegenheiten bisher eine untergeordnete Rolle gespielt haben und nicht durch eine EU-weite Politik erfasst werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang unterstreichen, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelsektor handelt, sondern um einen Bereich von sehr großen Dimensionen, wie in diesem Bericht betont wird. Dieser Sektor hat auch eine wirtschaftliche Dimension. Sehr viele Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt durch das Meer und arbeiten dort. Aber dieser Sektor hat auch eine sehr starke soziale Dimension, die wir nicht außer Acht lassen dürfen, wenn wir über eine Umstrukturierung dieses Industriezweigs reden und davon sprechen, was mit den Menschen geschehen soll, die ihren Lebensunterhalt auf dem Meer und durch das Meer verdienen. Unsere Aussprache hat aber auch eine sehr wichtige ökologische Dimension, die in diesem Bericht besonders hervorgehoben wird, und auch dafür möchte ich dem Berichterstatter danken. Aber daneben gibt es auch noch eine sehr wichtige regionale Dimension. Wir dürfen nicht vergessen, dass Regionen, die ihren Lebensunterhalt durch das Meer bestreiten und am Meer liegen, einen sehr maßgeblichen Teil unserer Gemeinschaft ausmachen.
Darüber hinaus möchte ich noch einen Punkt hervorheben, der in dieser Diskussion angesprochen wurde, nämlich dass wir unsere Arbeit und unsere Diskussion immer als eine Art Inhaltsliste und Aufforderung an die Kommission betrachten. Wir entwickeln bestimmte Antworten, stellen Fragen und umreißen skizzenhaft unsere Zweifel, wohingegen wir andererseits aber sehr hohe Erwartungen an die Kommission hegen und davon ausgehen, so schnell wie möglich Antworten und verbunden damit konkrete Lösungen zu erhalten.
Des Weiteren möchte ich darauf verweisen, dass diese Problematik für sehr viele Länder eine vorrangige Angelegenheit darstellt, die in ihrer Bedeutsamkeit anderen europäischen Politiken, wie z. B. der Landwirtschaftpolitik, in nichts nachsteht.
Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Frau Präsidentin! Es ist bisher nicht gelungen, die Schifffahrtsbranche von der überholten Auffassung abzubringen, das Meer würde mit der Zeit alle Spuren verwischen. Doch das Meer, der Boden, die Luft, die Pflanzen, die Tiere und der Mensch vergessen nicht so leicht, und der Seeverkehr trägt nach wie vor stark zur Umweltverschmutzung bei. Stellen sie sich vor, wir könnten die größten Schifffahrtsnationen dazu bewegen, die IMO zu einem Akteur in Sachen weltweiter Umweltschutz zu machen, anstatt mit Hilfe der IMO sinnvolle Initiativen zu bremsen, wie dies gegenwärtig der Fall ist. Der Bericht des Kollegen Piecyk ist ein weiterer Baustein für die Erfolge, die wir hier im Parlament zu verzeichnen haben, doch können wir ihn – wie ich hoffe – noch wirksamer gestalten, indem wir weitere Stimmen für unseren Änderungsantrag gewinnen, damit die Schifffahrtsbranche mit Sicherheit in das Emissionshandelssystem für CO2 einbezogen wird. Der Luftverkehr gehört bereits dazu. Daher ist es nur logisch und sinnvoll, wenn die Schifffahrt ebenfalls mitmacht. Meine Damen und Herren, befürworten Sie deshalb den Änderungsantrag 1, damit das System für den Emissionshandel der Schifffahrt in den Bericht aufgenommen werden kann.
Seán Ó Neachtain , im Namen der UEN Fraktion. – Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Willi Piecyk zu seinem Bericht gratulieren. Als Inselbewohner weiß ich, wie wichtig Meeresforschung und -entwicklung sind.
Ich glaube, dass uns der heutige Bericht diese Aufgabe erleichtert. Wir in Irland sind mit der gemeinsamen Meerespolitik nicht sehr zufrieden, aber es steht noch mehr auf dem Spiel. Vor einiger Zeit besuchten wir mein Heimatgebiet in Begleitung des Fischereiausschusses. Dort konnten wir uns von der fantastischen Arbeit des Meeresinstitutes von Oranmore in der Grafschaft Galway überzeugen. In Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen wie dem Meeresinstitut werden wir in der Lage sein, entsprechende Forschungsprojekte überall in Europa zu realisieren, um die viel zitierte blaue Revolution zu verwirklichen und für unsere Pläne einzusetzen.
Pedro Guerreiro, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Ich möchte nur kurz darauf hinzuweisen, dass jede Initiative im Rahmen der Meerespolitik die Souveränität der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre territorialen Gewässer und ausschließlichen Wirtschaftszonen respektieren muss.
Ich möchte Sie auf Artikel 5 der Verfassung der Portugiesischen Republik aufmerksam machen, der besagt, dass der Staat weder portugiesisches Hoheitsgebiet noch die Hoheitsrechte an diesem Gebiet veräußern darf – und dazu gehören auch die Rechte am angrenzenden Meeresboden. Ferner kommt es darauf an, die Arbeitsbedingungen der Seeleute zu verbessern; durch die Gewährleistung von Arbeitsplätzen, die Anerkennung des Prinzips des gleichen Lohns für gleiche Arbeit, die Reduzierung der Arbeitszeit und den Verzicht auf die Forderung nach Mehrfachqualifizierung. Zugleich muss jeder neuerliche Versuch abgeblockt werden, die Hafendienstleistungen auf EU-Ebene zu liberalisieren, insbesondere was den innergemeinschaftlichen Seeverkehr anbelangt. Die „solide finanzielle Grundlage“ der Meerespolitik sollte nicht auf Kosten des Europäischen Fischereifonds und der gemeinsamen Fischereipolitik geschaffen werden, sondern sollte auf dem Prinzip beruhen, dass neue Prioritäten neue finanzielle Ressourcen erfordern.
Fernand Le Rachinel (NI). – (FR) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Glückwünsche gehen an Herrn Piecyk für seinen ausgezeichneten Bericht über eine integrierte Meerespolitik sowie an meinen Kollegen Jarzembowski für seine zweckdienlichen Ausführungen.
Frau Präsidentin, diesem Bericht kommt das große Verdienst zu, die verschiedenen Aspekte dieser Politik einzubeziehen, d. h. die ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitsrelevanten Aspekte. Insbesondere denke ich an die Probleme im Zusammenhang mit illegaler Einwanderung, Terrorismus und Schmuggel, die an der gesamten europäischen Küste von 320 000 km Länge auftreten. Die Staaten mit einer Küstenzone müssen die Überwachung und Kontrolle ihrer Meeresgebiete verstärken. Die Zusammenarbeit zwischen ihnen sowie mit den Ländern, von denen diese illegalen Tätigkeiten ausgehen, muss unbedingt schnellstens eingeleitet werden.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich die Beziehung Europas zu den Meeren und Ozeanen durch die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die gewaltigen technischen Fortschritte, die Globalisierung, den Klimawandel und die Meeresverschmutzung beträchtlich verändert, was eine Reihe von Problemen und Herausforderungen mit sich bringt.
Ich bedauere jedoch, dass der uns vorliegende Text sich nicht eingehender mit der Hafen- und der Fischereipolitik befasst, denn dies sind bekanntlich zwei besonders heikle Bereiche. In Frankreich blockieren die Berufsfischer die Häfen am Atlantik, am Kanal und am Mittelmeer als Reaktion auf den steilen Anstieg des Dieselpreises und die von Brüssel vorgegebene Quotenpolitik.
Der Sektor befindet sich in einer sowohl wirtschaftlichen als auch strukturellen Krise. Die Eigner von Fischereifahrzeugen wollen nicht mehr in ihre Schiffe investieren, so dass die Flotte veraltet. Das durchschnittliche Alter der französischen Fischereifahrzeuge beträgt 25 Jahre. Aufgrund der Probleme, mit denen dieser Berufsstand zu kämpfen hat, gibt es immer weniger Nachwuchs im Fischereisektor.
Frau Präsidentin, eine integrierte Meerespolitik muss diese sektorspezifischen Überlegungen und Probleme berücksichtigen und eine rasche Umkehr der Tendenz zu einem allmählichen Absterben des Fischereisektors bewirken.
Luís Queiró (PPE-DE). – (PT) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Piecyk! Jedem, der zurzeit am Berlaymont-Gebäude vorübergeht, wird die riesige Plakatwand mit dem Spruch „Ein Meer von Möglichkeiten“ auffallen, der auf den Europäischen Tag des Meeres (den wir heute begehen) und die europäische Meerespolitik Bezug nimmt.
Die Europäische Kommission hat vollkommen Recht, und auch ich bin der Meinung, dass die vorgesehenen Investitionen in das Meer eine ausgezeichnete Chance bieten, diese gewaltige Ressource auf verantwortungsvolle und wettbewerbsfähige Weise zu nutzen.
Leider ist die Welt überschwemmt von ungenutzten Möglichkeiten, von guten Ideen, die Schiffbruch erlitten haben. Das darf nicht das Schicksal der Europäischen Meerespolitik werden. Es kann – oder besser gesagt es darf – uns nicht am Willen oder an der Fähigkeit mangeln, diese Politik durchzusetzen, worauf Herr Jarzembowski bereits völlig zu Recht hingewiesen hat.
Die Energie, mit der wir an das Potenzial dieser Initiative glauben, darf nicht für halbherzige Maßnahmen oder die vollmundige Ankündigung von Vorhaben verschwendet werden, die im Grunde viel kürzer greifen, als wir es uns wünschen.
Unser Weg zum Erfolg führt über folgende Stationen: maßgebliche Investitionen in die meeresgestützte Technologie; Förderung eines Netzwerks maritimer Cluster, um optimale Methoden und die fortschrittlichsten Technologien zu entwickeln; optimale Nutzung der Meere im Kampf gegen den Klimawandel und als erneuerbare Energiequelle; Förderung des Seeverkehrs und des Fremdenverkehrs in den Küstenregionen; Anerkennung der Meeresregionen, insbesondere der Regionen in äußerster Randlage, und ihrer Bedeutung für die Sicherheit und den Schutz vor illegaler Einwanderung, Menschen- und Drogenhandel, Schmuggel und terroristischen Bedrohungen. Außerdem müssen wir natürlich sicherstellen, dass wir eine strategische und einheitliche Vorstellung von dieser Politik haben und sie nachhaltig finanzieren können.
Aus diesem Grund appelliere ich jetzt direkt an die Kommission und an meine Kollegen, sich kein geringeres Ziel zu setzen, als die integrierte Meerespolitik zu einem weiteren europäischen Interessenschwerpunkt zu machen.
Dieses Wasser, Herr Kommissar, wird nicht noch einmal unter dieser Brücke hindurchfließen. Ich frage mich nur, ob es die Europäische Kommission und unser Parlament schaffen werden, sich ihrer eigenen Herausforderung zu stellen.
Robert Navarro (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Eines der Ziele des ersten Europäischen Tages der Meere, den wir heute begehen, besteht darin, das Ansehen der maritimen Berufsgruppen zu verbessern, indem ihnen wieder Zukunftsperspektiven eröffnet werden. Neben der Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen dieser Berufsgruppen und der Neugestaltung der Laufbahnen müssen auch eine Reihe von strukturellen Bedingungen geschaffen werden.
Heute blockieren tausende von verzweifelten Fischern überall in Frankreich die Häfen, denn sie sehen keine Zukunftsperspektiven mehr. Zu den Fangeinschränkungen zum Schutz der Fischbestände, die ich vom Grundsatz her nicht in Frage stelle, doch über deren Fairness ich mir manchmal Fragen stelle, kommt gegenwärtig noch der Anstieg der Kraftstoffpreise hinzu, der sie mit Bankrott bedroht.
Dieses Problem, das sich gegenwärtig in Frankreich stellt, wird sich wahrscheinlich rasch auf andere Teile Europas ausbreiten. Die Europäische Union kann und muss in diesem Bereich handeln, indem sie die Umstrukturierung unterstützt und die Einführung von weniger umweltbelastenden Schiffen mit geringerem Kraftstoffverbrauch fördert. Doch sie muss dringend auch den von der Krise betroffenen Unternehmen helfen, sich über Wasser zu halten. Diesen letzten Punkt möchte ich besonders hervorheben, denn wir dürfen nicht zulassen, dass der erste Europäische Tag des Meeres von unseren Mitbürgern gedanklich mit dem Absterben einer ganzen Branche assoziiert wird.
Anne E. Jensen (ALDE). – (DA) Herr Präsident! Ich stimme dem Bericht des Kollegen Piecyk, in dem er auf den konkreten Handlungsbedarf im Bereich der Meerespolitik aufmerksam macht, voll zu. Nirgendwo ist eine aktive Meerespolitik so wichtig wie im Ostseeraum. Die Ostsee ist das am meisten verschmutzte Meeresgebiet innerhalb der EU. Verursacht wird diese flächendeckende Verschmutzung einerseits vom Land, aber auch von Schiffen. Darüber hinaus geht eine weitere Gefahr von Munitionsaltlasten vergangener Kriege aus. Die Umwelt des Ostseeraums muss sauberer werden, auch wenn wir eine intensive wirtschaftliche Entwicklung in diesem Raum begrüßen, darunter auch Schritte in Richtung mehr Küstenschifffahrt zur Entlastung des Straßenverkehrs. Es muss dann eine die Küstenschifffahrt nicht behindernde Lösung zur Senkung der Schiffsemissionen gefunden werden. Um die politischen Zielvorgaben für die Reduzierung der Emissionen erfüllen zu können, besteht der richtige Weg meiner Meinung nach in der freien Wahl geeigneter Methoden in Verbindung mit Finanzierungsinstrumenten. Ich hoffe, dass die Kommission vermehrte Anstrengungen zum Schutz der Umwelt in ihrer Ostsee-Strategie unternimmt und aus den Pilotprojekten lernt, die vom Parlament in den diesjährigen Haushaltsplan aufgenommen wurden.
Ian Hudghton (Verts/ALE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich vertrete Schottland, eine der wichtigsten Seefahrernationen Europas. Die Küsten der EU erstrecken sich über etwa 68 000 km, 11 000 km davon gehören zu Schottland. Was also maritime Interessen betrifft, befindet sich Schottland im Herzen Europas. Wir können aus einer Meeresstrategie und -politik viel Nutzen ziehen und haben viel dazu beizutragen.
Unsere Gewässer sind reich an Mineralien, Energie und biologischen Ressourcen, und als Drehkreuz im Seeverkehr für Europa und den Rest der Welt sind wir ideal gelegen. Seefahrernationen haben sicherlich ihre eigenen Schwerpunkte, wenn es um eine Strategie und eine Politik für die Ressource geht, die ihre See darstellt. Eine EU-Politik sollte Seefahrernationen darin unterstützen, ihre Ziele umzusetzen, zum Beispiel durch finanzielle Mittel für die Forschung, durch Ermöglichung der Entwicklung neuer Routen für den Güter- und Personenverkehr, durch die Förderung von Energieverbindungsleitungen, durch die Verbesserung der Sicherheit auf Seefahrzeugen sowie der Energieeffizienz.
Ich darf aus Ziffer 34 des Berichts von Herrn Piecyk zitieren, in dem es heißt, „dass die integrierte Meerespolitik der Union […] so konzipiert werden sollte, dass Defizite in der GFP, wie zum Beispiel eine zu starke Zentralisierung, […] vermieden werden können“. Mit anderen Worten: Schaffen Sie einen Mehrwert, und nehmen Sie sich der Sache nicht unter dem Vorwand an, zuständig zu sein.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Die Mitteilung der Kommission über „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“ zielt auf die Sicherung der Rendite von Schiffseignern und der im Sektor tätigen Monopole.
Was kann über die Vorschläge für eine integrierte Meerespolitik gesagt werden?
Erstens werden dadurch neue Privilegien und Änderungen im internationalen Rahmen der gemeinschaftlichen und handelsrechtlichen Vorschriften gefördert. Vor allem aber schaffen sie polarisierende soziale Probleme für Arbeitnehmer in der Schifffahrtsindustrie und für Bewohner von Inselregionen.
Zweitens wirft man die Meerespolitik mit dem Bereich Verkehr und verwandten Sektoren in einen Topf.
Drittens werden grundlegende Änderungen in der Ausbildung und bei den Arbeitsbeziehungen eingeführt, um Personal durch billige Arbeitskräfte zu ersetzen. Die Arbeitsbelastung erhöht sich, und so auch die Risiken für das menschliche Leben und die Umwelt.
Viertens werden Häfen an monopolistische Konzerne verkauft.
Fünftens werden die Mechanismen der Unterdrückung unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus verstärkt.
Sechstens sind Gefälligkeitsflaggen Symbole der Wettbewerbsfähigkeit und der arbeitnehmerfeindlichen Meerespolitik der EU. Nicht umsonst fahren 68 % der griechischen Flotte sowie 85 % der deutschen Schiffe unter ausländischer Flagge, obwohl sie ihre Heimathäfen eigentlich in EU-Ländern haben.
Ashley Mote (NI). – (EN) Frau Präsidentin! Mein Wahlkreis Südostengland umfasst mehr als die Hälfte der Küstenlinie des Ärmelkanals, ein Name, den diese Wasserstraße schon seit Jahrhunderten trägt.
Dennoch ändern die jüngsten Karten der Region Arc Manche den Namen des Ärmelkanals um in „Große Nordsee“ und bezeichnen den Bristolkanal als „Keltische See“. Auf wessen Anweisung wurden Seemeilen auf diesen Karten plötzlich zu Kilometern?
Sie mögen nun denken, dass es sich bei diesen Dingen um Kleinigkeiten handelt. Nicht da, wo ich herkomme. Der Kommission ist es völlig entgangen, welche Auswirkungen ein solch unnötiger und absurder Unsinn auf einen Inselstaat hat, und sie sorgt dafür, dass der Tag, an dem sich das Vereinigte Königreich aus der EU verabschiedet und seinen Mitgliedsbeitrag für den Klub in Höhe von 1,5 Millionen GBP pro Stunde mitnimmt, schneller kommt als gedacht.
Struan Stevenson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Nun haben wir einen Tag des Meeres, eine integrierte Meerespolitik und die Generaldirektion MARE. Wir haben sicherlich viel erreicht, und ich denke, der Glückwunsch dieses Hohen Hauses gilt dem Kommissar, aber auch Willi Piecyk, für die harte Arbeit und die Anstrengungen, die sie in die Erreichung dieses Ziels gesteckt haben.
Europas maritime Interessen beeinflussen das Leben und Arbeiten von Millionen unserer Bürger. 90 % unseres Außenhandels und 40 % unseres Binnenhandels werden über europäische Häfen abgewickelt. Die Globalisierung bringt es mit sich, dass diese Zahlen noch weiter steigen werden. Zählt man alle unsere Küstenregionen und Gebiete in äußerster Randlage zusammen, verfügen wir über eine Küstenlinie von mehr als 320 000 km, an der ein Drittel der gesamten EU-Bevölkerung zu Hause ist. Maritime Industrie und maritime Dienstleistungen sowie die übrigen Aktivitäten dieser Küstenregionen machen 40 % unseres BIP aus. Nicht nur im Handel sind wir jedoch auf unsere maritimen Ressourcen angewiesen: Unsere Meere liefern uns Nahrung, Energie und Mineralien und sind ein Raum für die Erholung.
Das Meer ist zudem ein wichtiger Klimaregulator, und wir haben bereits gesehen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf Fischbestände hat. In einer Zeit, da die Nachfrage nach gesundem, aus Meereslebewesen gewonnenem Eiweiß immer mehr zunimmt, nehmen die Fischbestände ab. Wir sind nun in unserem Fischkonsum zu über 50 % auf Importe von außerhalb der EU angewiesen. Kritiker versuchen immer wieder, die Fischer aufgrund übermäßiger Nutzung unserer Meeresressourcen dafür verantwortlich zu machen, doch Erderwärmung, Umweltverschmutzung und viele andere Faktoren haben ebenfalls dazu beigetragen.
Wenn wir das volle Potenzial von Europas maritimen Interessen ausschöpfen und die Vision sauberer, gesunder, sicherer, produktiver und biologisch vielfältiger Ozeane und Meere Wirklichkeit werden lassen wollen, müssen wir einen Bewirtschaftungsplan umsetzen, der in jeder Hinsicht auf Nachhaltigkeit abzielt, und der Weg dahin liegt darin, den regionalen beratenden Ausschüssen mehr Verantwortung für die Bewirtschaftung zu übertragen.
Emanuel Jardim Fernandes (PSE). – (PT) Zuerst möchte ich den Herrn Kommissar und die Kommission zu dem vorgelegten Vorschlag und zur angewandten Methodik beglückwünschen und Willi Piecyk zu seiner hervorragenden Arbeit und Offenheit bei der Erarbeitung dieses ausgezeichneten Berichts gratulieren.
Als Bürger Portugals, einer alten Seefahrernation, sowie Einwohner Madeiras, einer Insel und Region in äußerster Randlage, unterstütze ich diesen Bericht ausdrücklich, da er neben anderen grundlegenden Aspekten gewährleistet, dass die Regionen in äußerster Randlage bei der effektiven Umsetzung der Meerespolitik angemessene Anerkennung erfahren; wegen ihrer Lage und ihrer umfangreichen Erfahrungen unter anderem in den Bereichen Innovation, Forschung, Umwelt usw.
Zweitens fördert er eine bessere Verwaltung und nachhaltige Nutzung von Meeresressourcen und die wirksame Bekämpfung des Klimawandels, die Stärkung der Küstenregionen, umweltfreundlichere Formen des Seeverkehrs und eine effektive Hafenpolitik, die meereswissenschaftliche Forschung, die sozialen Rechte im Einklang mit den zuvor abgestimmten internationalen Erfordernissen, das lebenslange Lernen und den Fremdenverkehr, der einer der Hauptbereiche der Meerespolitik ist.
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Piecyk meine Anerkennung für seine Arbeit aussprechen. Herr Piecyk, wir haben uns schon daran gewöhnt, dass Sie sehr gute Berichte vorlegen und der jetzt vorliegende stellt keine Ausnahme dar. Vielen Dank!
Mein Wahlkreis ist Szczecin in Westpommern. Wir haben einen Hafen, eine Werft, Reeder, Fischer und eine Meeresverwaltung. Erstens freue ich mich über die Erklärung, dass ein Europäischer Tag des Meeres eingeführt wird. Zweitens setzen die Werftarbeiter von Szczecin und Gdynia, aber auch die von Malta und anderen Ländern große Hoffnungen in die neue Meerespolitik. Die Werftindustrie ist ein globaler Industriezweig. Unsere Werften müssen unter Bedingungen arbeiten, die mit anderen Werften weltweit, dort, wo unsere Wettbewerber tätig sind, vergleichbar sind.
Was wir brauchen – und hier wende ich mich direkt an Sie, Herr Kommissar –, ist eine umsichtige Politik und ein kluges Engagement für die europäischen Werften.
Rosa Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als europäische Bürgerin Galiciens, einer maritimen Region schlechthin, bin ich sehr stolz auf die hervorragende Arbeit des Berichterstatters, meines Freundes Willi Piecyk, und ich danke ihm sowie den anderen Fraktionen für die Unterstützung meiner Änderungsanträge, die das sich verschärfende Phänomen der Meerespiraterie betreffen, das sich leider erneut in den jüngsten zwei Entführungen zeigt.
Es ist richtig, dass unsere Sorge in der Entschließung zum Ausdruck kommt, denn wir stehen vor einem ernsten internationalen Sicherheitsproblem, gegen das wir uns wehren müssen.
In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 3 200 Seeleute gekidnappt, 500 erlitten Verwundungen und 160 kamen bei solchen Angriffen ums Leben.
Wir fordern eine ganz einfache Sache: einen Mechanismus, der einem Kriegsschiff eines Gemeinschaftsstaates in internationalen Gewässern die Möglichkeit gibt, den Fischerei- oder Handelsschiffen der Gemeinschaft zu Hilfe zu eilen. Wir fordern auch, dass Europa die Initiative in den Vereinten Nationen zur Ausweitung des Seerechts unterstützt.
Meine Damen und Herren, alles Gute zum Europäischen Tag der Meere!
Jamila Madeira (PSE). – (PT) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nach Vorlage des Grünbuchs von 2006 ist der Aktionsplan, der jetzt von Herrn Piecyk in seinem herausragenden Bericht behandelt wird, durch eine Reihe von Maßnahmen im Zusammenhang mit der europäischen integrierten Meerespolitik ergänzt worden.
Daher müssen wir eine Gesamtvision entwickeln, und zwar nicht nur im Hinblick auf das Meer an sich, sondern auch im Hinblick auf die starke Einbindung der Küstenregionen und alle damit verbundenen Fragen: Beschäftigung, Umweltfragen, regionale Entwicklung, wirtschaftliche Entwicklung, Investitionen in die meereswissenschaftliche Forschung und die Spitzenforschung. Das sind eine ganze Reihe sektoraler Politiken, die es – wenn wir sie jetzt gemeinsam in Angriff nehmen – ermöglichen, mehr Kohärenz und mehr konkrete Umsetzungserfolge zu erzielen und somit eine größere soziale, wirtschaftliche und umweltpolitische Nachhaltigkeit zu erreichen, was absolut entscheidend ist.
Genau aus diesem Grund wird in dem Bericht hervorgehoben, dass Forschung und Innovation eine Schlüsselrolle bei der Steigerung des regionalen Entwicklungspotenzials spielen müssen, um all die Aktivitäten zu unterstützen, die entweder direkt oder indirekt von der Meerespolitik betroffen sind.
Die Alternativen für die Mobilität im Seeverkehr und die Nutzung der Wellenenergie gehören zu den vielversprechenden Bereichen, in denen bereits Entwicklungen im Gange sind. Sie wecken große Hoffnungen auf künftige rentable Lösungen und sind selbstverständlich nachhaltig und unterstützungswürdig.
Paulo Casaca (PSE). – (PT) Frau Präsidentin! Ich möchte mich den Glückwünschen meiner Kollegen anschließen, die unserem Berichterstatter Willi Piecyk bereits ganz zu Recht gratuliert und der Europäischen Kommission ihre Anerkennung für die geleistete Arbeit ausgesprochen haben.
Vier Jahre sind nun schon vergangen, seit die jetzige Kommission eine ihrer wohl grundlegendsten politischen Zusagen gemacht hat. Es ist anzumerken, dass nunmehr höchst bedeutende Maßnahmen bevorstehen, wozu die Kommission zu beglückwünschen ist.
Vor allem aber möchte ich das ökosystembasierte Konzept der Meerespolitik hervorheben. Ein solches Konzept erscheint mir unerlässlich. Da ich jedoch festgestellt habe, dass die jüngste Mitteilung der Kommission angesichts der Probleme verschiedener europäischer Meere kaum Äußerungen über die vollständige Umsetzung enthält, möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns die besonderen Gegebenheiten in den Regionen in äußerster Randlage ansehen müssen. Einem voll integrierten Ansatz steht dort nichts im Wege, und ich möchte die Kommission auffordern, das so bald wie möglich in Angriff zu nehmen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Schifffahrt, Häfen und Werften sind ziemlich vergessene Sektoren, obgleich sie ein beachtliches Wachstumspotenzial haben. Für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen und sicheren Schifffahrt, der Häfen und der verbundenen Sektoren bedarf es eines geeigneten Konzepts, das einen hohen Grad an Sicherheit auf See garantiert.
Der Seeverkehr ist als Verkehrsträger viel energieeffizienter als der Straßenverkehr. Aus diesem Grunde sollten wir den Werften, einschließlich denen in Gdynia, Gdańsk und Szczecin, eine Entwicklungschance geben. Vergessen wir dabei nicht, dass 90 % des EU-Außenhandels und fast 40 % des Binnenhandels über Häfen abgewickelt werden.
Seit jeher ist Europas Existenz mit dem Meer verbunden gewesen. Das kann auch gar nicht anders sein, denn unsere Küstenlinie ist 70.000 km lang bzw. dreimal so lang wie die Küste Afrikas. Über viele Jahre sicherte das Meer unseren Vorfahren Prosperität und war Quelle eines beträchtlichen Einkommens. Und das ist heute nicht anders. Nur ein integrierter und koordinierter Ansatz und zweckmäßiges Handeln werden es uns ermöglichen, das Potenzial auszuschöpfen, das unsere Meere zu bieten haben.
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! In meinem Beitrag möchte ich zwei Aspekte hervorheben, die ich für sehr wichtig halte. Der erste ist die Donau, die, da sie von einem Ende des Kontinents zum anderen fließt, die Nordsee mit dem Schwarzen Meer verbindet. Ihr Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft, was zum Teil auf die Lage im ehemaligen Jugoslawien zurückzuführen ist, das an einer zentralen Stelle des Flusses gelegen ist und jede Initiative blockiert hat. Doch nun, da eine abschließende Lösung so nah scheint, wird es schwer sein, das Fehlen einer umfassenden Initiative zu rechtfertigen, die Donau zur Hauptwasserstraße des Kontinents zu machen, was den Uferregionen an ihrem gesamten Verlauf zusätzliche wirtschaftliche Entwicklung bescheren würde.
Der zweite Aspekt ist in erster Linie politischer Natur. Die Union teilt sich ihre Seewege mit Ländern, die nicht zu den Mitgliedstaaten zählen. Daher muss die EU Sorge dafür tragen, dass ihre Nachbarschaftspolitik und ihre Instrumente so ausgelegt sind, dass sie das Unterfangen des ehrgeizigen Ziels einer integrierten, umfassenden Meeresstrategie voranbringen.
Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Das Meer ist zweifellos der Bereich, in dem konkret das höchste Maß an Integration zu verzeichnen ist. Es bietet das geeignete Umfeld für eine mehrfach ausgerichtete Kommunikation zwischen Ländern, Menschen, Aktionen und Handlungsfeldern. Ein bulgarisches Sprichwort besagt, dass das Meer alles Ferne zusammenführt. Ich möchte besonders hervorheben, dass das Schwarze Meer als Grenze im Osten und die Schwarzmeer-Region die gleiche Behandlung erfahren sollten wie alle anderen Meeresbereiche.
Die gegenwärtige Entwicklung stellt die Küstenstaaten, aber auch andere Länder vor große Herausforderungen. Auf der einen Seite besteht die Notwendigkeit, die Umwelt, die Gewässer und die Küstengebiete zu schützen, die Artenvielfalt zu erhalten und gleichzeitig Arbeitsmöglichkeiten für die dort lebenden Menschen zu gewährleisten. Andererseits gilt es die schwierige Aufgabe zu meistern, das Meer mit seinen Ressourcen so zu nutzen, dass dies der Entwicklung der Gesellschaft und der Bevölkerung zugute kommt. Die integrierte Meerespolitik beinhaltet eine Vielzahl wesentlicher Bestandteile. Ihre Aufmerksamkeit möchte ich deshalb auf eine strenge Überwachung des Seeverkehrs und aller mit einer Durch- oder Unterquerung von Meeresgewässern verbundenen Energieprojekte lenken, damit die Nachhaltigkeit und die erneuerbaren Meeresressourcen nicht gefährdet werden.
Catherine Stihler (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Es freut mich, dass es uns heute gelungen ist, die Bedeutung eines gemeinsamen Ansatzes für die Meerespolitik zu erkennen. Die Verbindungen zwischen Seefrachtverkehr, Klimawandel und Bekämpfung der Umweltverschmutzung sind von entscheidender Bedeutung, wenn wir uns die gemeinsame Ressource, die unsere Meere und Ozeane darstellen, erhalten wollen.
Ich hoffe jedoch, dass wir im kommenden Jahr mehr aus dem 20. Mai machen können. Ich denke, die Möglichkeit besteht, wenn im Zusammenhang mit den Europawahlen 2009 jeder Kandidat den 20. Mai nutzt, um die Bedeutung unserer Meere, unserer Ozeane und unserer Küstengemeinschaften hervorzuheben.
Joe Borg, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Die angeregte Debatte und die Vielzahl interessanter Anmerkungen Ihrerseits sind ein deutlicher Beweis für die Entschlossenheit des Parlaments, das Programm der integrierten Meerespolitik für die Union voranzubringen.
Ich versichere Ihnen, dass die Kommission diese Entschlossenheit voll und ganz teilt. Viele Redner äußerten die Meinung, wir seien in unseren Vorschlägen nicht weit genug gegangen und hätten noch ehrgeiziger sein können und müssen. Ich werte diese Äußerungen als ein Zeichen ihrer echten Überzeugung, dass diese Politik ein Erfolg sein wird und für die Millionen von EU-Bürgern und Akteuren, deren Leben durch unsere Ozeane beeinflusst wird, von erheblicher Bedeutung sein wird.
Lassen Sie mich nochmals betonen, dass dies erst der Anfang eines Prozesses ist und dass zu diesem Zeitpunkt unser Hauptaugenmerk darauf liegt sicherzustellen, dass wir kurzfristig über die geeigneten Instrumente verfügen, um diesen Prozess in die richtige Richtung zu lenken. Das ist daher das vorrangige Ziel des Aktionsplans, den die Kommission im vergangenen Oktober angenommen hat.
Was die Finanzierung betrifft, so gebe ich Herrn Queiró Recht, dass sie einer der wichtigsten Punkte ist, die über den Erfolg dieser Politik entscheiden werden. Bisher haben wir Mittel aus Ersparnissen mobilisiert, die wir in Politikbereichen wie der Fischerei erzielen konnten. Dies geschah jedoch nicht auf Kosten der Fischereiprogramme, sondern mithilfe von Ersparnissen und nicht verwendeten Mitteln. Die Frage der künftigen Finanzierung der integrierten Meerespolitik wird in den Gesprächen und künftigen finanziellen Vorausschauen eine entscheidende Rolle spielen.
Ich möchte mich nun einigen konkreten Punkten zuwenden, die Sie angesprochen haben und zu denen ich mich gern umgehend äußern möchte. Ich möchte Ihnen jedoch versichern, dass wir alle Punkte, die im Laufe dieser Debatte zur Sprache gekommen sind, in vollem Umfang bedenken werden.
Hinsichtlich der Emissionen von Schiffen möchte ich an das äußerst bedeutende Abkommen erinnern, das gerade innerhalb der IMO zu Schwefeloxiden und Stickoxiden erzielt wurde. Mir wäre nun an einer stärkeren Konzentration auf CO2 gelegen. Das sollten wir zunächst innerhalb der IMO umzusetzen versuchen, und sollte dieser Versuch scheitern, wären wir in der Pflicht, selbst tätig zu werden.
Im Hinblick auf den von Herrn Jarzembowski angesprochenen Punkt bezüglich der europäischen Küstenwache, dem ich besondere Aufmerksamkeit geschenkt habe, möchte ich betonen, dass dies eine äußerst sensible Angelegenheit ist. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir einen koordinierten Mechanismus für die einzelstaatlichen Küstenwachen oder aber Überwachungssysteme entwickeln werden.
Was die steigenden Treibstoffpreise betrifft, so lassen Sie mich wiederholen, dass diese gewiss nicht auf Maßnahmen aus Brüssel zurückzuführen sind, sondern ein internationales Problem und eine neue Realität darstellen. Wir tun unser Möglichstes, um angemessene Lösungen zur Unterstützung der sektoriellen Struktur zu finden und uns dieser Realität zu stellen. Tatsächlich haben wir diesbezüglich gerade eine Vereinbarung mit Frankreich erzielt, und ich bin sicher, dass die Einzelheiten dieser Vereinbarung in den nächsten Tagen öffentlich gemacht werden.
Was die Piraterie betrifft, so ist die Kommission natürlich zutiefst beunruhigt über die Häufung der Vorfälle. Wir sehen unter den EU-Mitgliedern den Bedarf und die Möglichkeit gegenseitiger Hilfe und Unterstützung, um uns dieser Bedrohung entgegen zu stellen, und wir erwarten in dieser Hinsicht weitere Orientierungen seitens des Rats und der Mitgliedstaaten selbst.
Ich gebe auch denjenigen unter Ihnen Recht, die verstärkt regionale Ansätze gefordert haben, und wir werden in dieser Richtung arbeiten. Unser Überwachungsprojekt im westlichen Mittelmeer stützt sich auf einen solchen regionalen Ansatz, und wir hoffen, dass es als Beispiel dienen und auf andere Regionen ausgeweitet werden kann. Tatsächlich denken wir hier zum Beispiel an die Meerespolitik für die Ostsee und das Schwarze Meer, die heute Morgen von einigen Rednern zur Sprache gebracht wurde, so wie wir sie gerade für den Mittelmeerraum umsetzen.
Mir bleibt nicht die Zeit, die Maßnahmen zu umreißen, die im Fischereiwesen schon eingeleitet wurden oder für die nahe Zukunft angedacht sind, etwa IEU, strukturelle Fischereipraktiken, ökosystemorientierter Ansatz, Rückwürfe, Hafenstrategie, Seeverkehr, meereswissenschaftlich Forschung, Meeresumwelt, Energie, Bewirtschaftung, Überwachung oder die soziale Ausgrenzung von Seeleuten, mit all denen wir uns befassen. Ich kann Sie jedoch der Entschlossenheit der Kommission versichern, diese neue Politik Hand in Hand insbesondere mit dem Parlament sowie mit den Mitgliedstaaten und übrigen Beteiligten voranzubringen.
Willi Piecyk, Berichterstatter. − Frau Präsidentin! Das ist leider das Problem, wenn man zum Schluss drankommt. Ich hoffe, dass mich zumindest der Herr Kommissar verstehen kann.
Ich bedanke mich zunächst einmal bei allen, die sich an der Debatte beteiligt haben. Ich bin überzeugt, dass integrierte Meerespolitik, so wie sie die Kommission vorgeschlagen hat, von Werften über Schiffe, über Häfen, über Fischereiforschung bis hin zum Tourismus, eine Riesenchance für die Europäer sein kann, wenn sie diese Chance denn auch nutzen. Herr Kommissar, Sie haben es gehört: Die Kommission hat jede Unterstützung des Parlaments, ein bisschen mutiger, ein bisschen energischer vorzugehen. Ich weiß um die Schwierigkeiten, die Sie mit dem Rat haben, aber das darf Sie nicht daran hindern, die eigenen Ideen mutig zu realisieren und voranzubringen.
Sie haben die IMO angesprochen: Natürlich ist es gut, wenn die IMO in Sachen Klimaschutz und in Sachen Reduktion etwas beschlossen hat, aber Sie wissen, wie mühselig es ist, dass die Mitgliedstaaten dann auch die Resolutionen der IMO unterzeichnen. Herr Jarzembowski hat von der Küstenwache gesprochen. Wenn wir beide unsere Regierung überzeugen, dass sie selbst erstmal eine Küstenwache hat, dann hoffe ich, dass wir das hinkriegen. Im Übrigen hat die Kommission hier noch eine Aufgabe zu erledigen, nämlich eine anständige Studie hierfür vorzulegen.
Letzter Punkt: Wir wissen nach wie vor viel zu wenig über die Meere. Von daher bedarf es jeder Menge an Forschung und an Mitteln der Europäer, um mehr über die Meere zu erfahren, und wenn wir jetzt im Anschluss den Europäischen Tag der Meere ins Leben rufen, haben wir etwas Gutes getan. Catherine Stihler hat es gesagt: Im nächsten Jahr hoffen wir, schon einige Fortschritte verzeichnen zu können.
(Beifall)
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet im Anschluss statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – (MT) Ich schließe mich voll und ganz der Aussage an, Europas Ozeane und Meere sollten „die saubersten in der Welt, mit ... der ertragreichsten Wirtschaft, besten Forschung und Technologie, der modernsten wie saubersten Schifffahrt … und den innovativsten Ideen“ sein. Allerdings muss uns klar sein, dass der Aktionsplan der Kommission für eine integrierte Meerespolitik deutlich ehrgeiziger sein muss, wenn wir diese Ziele erreichen wollen.
Andererseits ist offensichtlich, dass der Aktionsplan „zu wenig konkrete Maßnahmen“ enthält. Darüber hinaus muss eingeräumt werden, dass die europäische Meerespolitik nicht auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet ist, insbesondere den Anstieg des Meeresspiegels und das erhöhte Risiko der Überflutung von Häfen und Küstenregionen.
Die Mitgliedstaaten müssen alles in ihren Kräften Stehende tun, um sicherzustellen, dass die Meerespolitik einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen leistet. Zudem hat die Verschmutzung der Meere vom Land aus einen erheblichen Anteil an der Gesamtverschmutzung. Die Kommission muss deshalb, um vorbereitet zu sein, aufgefordert werden, einen Aktionsplan für die Reduzierung der landseitigen Verschmutzung vorzulegen. Die Mitgliedstaaten ihrerseits sind aufgerufen, unverzüglich zu handeln und die Rechtsvorschriften in nationales Recht umzusetzen.
Rumiana Jeleva (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Wir in Europa müssen unser Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass eine wirksame Meerespolitik in Meeresfragen geeigneten Schutz bietet und ihnen ausreichende Aufmerksamkeit schenkt.
Der Bericht hebt Erfolge hervor, macht aber auch auf Unzulänglichkeiten aufmerksam.
In meinen Augen sind die Hauptpunkte, mit denen wir uns befassen müssen, um eine solche Verbesserung zu erreichen, eine besser koordinierte Zusammenarbeit und eine Stärkung der regionalen Behörden und Küstengemeinschaften. Diese lokalen Akteure müssen in jegliche neue Strategie eingebunden werden, da sie diejenigen sind, die diese Strategien schließlich umsetzen müssen.
Durch die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Küsteneinheiten muss hinsichtlich der Verbesserung des Schutzes örtlicher Ökosysteme mehr erreicht werden.
Darüber hinaus fände ich klare Leitsätze zur Seefahrt in europäischen und benachbarten Meeresgewässern angemessen, um Umweltschäden durch Schiffsunglücke wie beispielsweise den Zusammenstoß von Öltankern im Schwarzen Meer vor einigen Monaten zu vermeiden. Das heißt, dass eine verstärkte Zusammenarbeit mit seefahrenden Drittländern notwendig ist. Falls erforderlich, sollte die Europäische Union bereit sein, diesen Ländern Hilfe bei der Erfüllung der hoffentlich bald einzuführenden strengeren Leitsätze zu leisten. Ein solches Vorgehen würde uns allen nutzen.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Nicht alle EU-Mitgliedstaaten haben Zugang zum Meer, aber die Bedeutung der Nutzung der Meere wird allgemein anerkannt. Schätzungen gehen davon aus, dass die maritime Industrie, maritime Dienstleistungen und die in den Küstengebieten angesiedelten Tätigkeiten 40 % des Gesamtbruttoinlandsprodukts der Gemeinschaft der 27 ausmachen. Aus diesem Grunde werden weitere praktische Schritte zur Umsetzung einer integrierten Meerespolitik der EU entsprechend dem Grünbuch der Europäischen Kommission erwartet.
Wir erkennen, dass Anstrengungen unternommen werden, um das Potenzial der Küstenschifffahrt besser zu nutzen und damit den Straßenverkehr zu entlasten, aber leider ist der Beitrag meines Landes in dieser Hinsicht vernachlässigbar. Dennoch scheinen wirtschaftliche Probleme durch Umwelt- und Klimaprioritäten in den Hintergrund gedrängt zu werden.
Das ist ein Trend, der für alle EU-Politiken charakteristisch ist. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, das eine mit dem anderen in Einklang zu bringen. Der sich verschärfende Streit über Naturschutzgebiete in der Ostsee ist nur ein Beispiel für die Spannungen zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Fischereiindustrie und Aspekten des Schutzes der natürlichen Ressourcen. Aus polnischer Sicht – und das ist die Sicht eines Landes, das sich gerade „hocharbeitet“ – kommt es darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wirtschaft und Umwelt zu finden.
Die Verbindung zwischen dem zur Prüfung vorgelegten Bericht und dem ersten Europäischen Tag des Meeres ist erfreulich. Es wäre jedoch noch viel wichtiger, eine gemeinsame Meerespolitik mit Finanz- und Rechtsetzungsinstrumenten auszustatten, um zu gewährleisten, dass es nicht nur bei formalen Feierlichkeiten bleibt.
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
8. Abstimmungsstunde
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)
8.1. Entsprechungen der beruflichen Befähigungsnachweise zwischen Mitgliedstaaten (A6-0132/2008, Jan Andersson) (Abstimmung)
8.2. Vereinfachung der Verfahren für das Auflisten und Veröffentlichen von Informationen im Veterinär- und Tierzuchtbereich (A6-0160/2008, Neil Parish) (Abstimmung)
8.3. Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (kodifizierte Fassung) (A6-0152/2008, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg) (Abstimmung)
8.4. Gründung des gemeinsamen Unternehmens „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ (A6-0145/2008, Pia Elda Locatelli) (Abstimmung)
8.6. Bewertung des Programms PEACE und Strategien für die Zukunft (A6-0133/2008, Bairbre de Brún) (Abstimmung)
8.7. Fleisch- und Viehbestandsstatistiken (A6-0130/2008, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf) (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Berichterstatter. − Herr Präsident! Es hat in der Tat Spaß gemacht. Es ist inhaltlich ein wichtiger Bericht, aber dazu wollte ich jetzt nicht Stellung nehmen.
Wir haben keine Aussprache gehabt, daher war abgemacht, dass ich kurz Stellung nehme. Es geht bei diesem Bericht um das Mitentscheidungsverfahren. Hier hatten wir Auseinandersetzungen mit dem Rat über das Komitologieverfahren. Wir wollten ganz selbstverständlich – wie von Ihnen ausgehandelt – im Mitentscheidungsverfahren das Regelungsverfahren mit Kontrolle, also dass das Parlament intervenieren kann, wenn im Verwaltungsverfahren etwas geändert wird. Das wollte uns der Rat verwehren. Wir haben einige Auseinandersetzungen mit dem Rat führen müssen, haben uns dann aber schließlich durchgesetzt. Wenn nämlich der Vertrag, der einmal Verfassung hieß, in Kraft getreten sein wird, wird es eine Neuregelung des Komitologieverfahrens geben müssen. Dann werden wir aufpassen müssen, dass uns das, was der Rat jetzt schon praktiziert hat, dann nicht wieder geschieht und wir hier grundsätzlich Einfluss verlieren.
Ich sage das, damit sich die Fraktionen auch damit beschäftigen.
8.8. Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (A6-0172/2008, Anne Van Lancker) (Abstimmung)
8.9. EP-Haushaltsvoranschlag 2009 (A6-0181/2008, Janusz Lewandowski) (Abstimmung)
8.10. Handel mit Roh- und Grundstoffen (A6-0134/2008, Jens Holm) (Abstimmung)
8.11. Strategie für die Regionen in äußerster Randlage: Fortschritte und Ausblick (A6-0158/2008, Margie Sudre) (Abstimmung)
8.12. Verbraucherpolitische Strategie der EU (2007-2013) (A6-0155/2008, Lasse Lehtinen) (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 3
Lasse Lehtinen, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Man hat mir berichtet, dass es in Änderungsantrag 3 Unstimmigkeiten beim französischen Text gegeben hat. Die Worte „sofern zweckdienlich“ seien nicht richtig ins Französische übersetzt worden. Ich möchte darum bitten, dass dies anschließend durch Sachkundige überprüft wird.
Der Präsident. − Das wird so gemacht.
8.13. Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU (Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG) (A6-0159/2008, Elizabeth Lynne) (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung
Philip Bushill-Matthews, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Unsere Fraktion hatte beabsichtigt, drei zusätzliche namentliche Abstimmungen zu beantragen, aber die Anträge sind, aus welchem Grunde auch immer, unterwegs verlorengegangen.
Nach Auskunft des Sekretariats besteht heute die Möglichkeit, Sie zu ersuchen, Herr Präsident, dafür zu sorgen, dass diese drei namentlichen Abstimmungen trotzdem stattfinden. Es geht im Einzelnen um: Ziffer 2, Änderungsantrag 4D; Ziffer 6 des ursprünglichen Textes; und schließlich, hinter Ziffer 36, unseren Änderungsantrag 12. Ich hoffe, Sie verstehen, dass dies ein sehr heikles Thema ist, und wir möchten gerne nicht nur zu Protokoll geben können, welche Punkte wir ablehnen, sondern auch, welche wir befürworten.
(Der Präsident stellt fest, dass nichts dagegen spricht, diesen Antrag zu berücksichtigen.)
– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 5
Sophia in ’t Veld (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Wir haben über Länder gesprochen, die die Antidiskriminierungsrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt oder angewandt haben. Es gibt allerdings ein Land, das sie überhaupt nicht umgesetzt hat, und ich würde daher den folgenden mündlichen Änderungsantrag vorschlagen: „Fordert die tschechische Regierung auf, die Beschäftigungsrichtlinie wirksam umzusetzen; fordert das tschechische Parlament auf, das Veto des tschechischen Präsidenten aufzuheben.“
(Der mündliche Änderungsantrag wird nicht übernommen.)
– Vor der Abstimmung über die Änderungsanträge 1, 16 und 17
Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich fasse mich kurz. Natürlich liegt die Auslegung der Geschäftsordnung in Ihrem Ermessen, aber es kommt mir doch etwas merkwürdig vor, dass die PPE-DE-Fraktion im letzten Moment und nach Ablauf der Frist namentliche Abstimmungen beantragen möchte, und dies mit der Begründung, sie wolle ihre positive Einstellung deutlich machen, obwohl doch ihre Änderungsanträge darauf abzielen, bestimmte Absätze aus dem Bericht zu streichen, ja zu streichen! Nach meiner Ansicht will man lediglich die Gräben in der eigenen Fraktion verschleiern und gar nichts Positives zum Kampf gegen die Diskriminierung beitragen.
Der Präsident. − Herr Kollege Howitt! Es trifft wahrscheinlich zu, dass die namentliche Abstimmung zu spät beantragt wurde, aber ich habe Sie gefragt, und insofern kommen Sie zu spät mit Ihrer Wortmeldung. Wenn Sie sich sofort gemeldet hätten, hätten wir möglicherweise anders abgestimmt.
8.14. Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union (A6-0163/2008, Willi Piecyk) (Abstimmung)
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Es gibt eine Vielzahl von Kontroversen in Zusammenhang mit der Produktion und dem Konsum von Tabak. Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass der Anbau von Tabak in der EU wirklich keinen Einfluss auf das Verbrauchsniveau von Tabakerzeugnissen in unseren Ländern hat. Würden wir die Produktion von Tabak in Europa begrenzen oder einstellen, so hätte dies keinen Einfluss auf die Zahl der gerauchten Zigaretten. In dem Falle würde importierter Tabak verwendet werden. Voll und ganz unterstütze ich die Entwicklung eines öffentlichen Aufklärungsprogramms, das auf die Gefahren des Rauchens hinweist. Und die Kosten dafür sollten von Zigarettenherstellern und Tabakerzeugern getragen werden.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich befürworte die Informationskampagnen zu den schädlichen Folgen des Tabakkonsums bzw. die Entschließung des Europäischen Parlaments über einen langfristigen Finanzierungsplan für diese Kampagnen in Höhe von 80 Millionen Euro. Dieser Betrag wird von den Subventionen der Tabakbauern abgezogen. Somit bleibt der Haushalt der EU verschont. Obwohl die Rohtabakerzeugung in Europa ganze 4 % der Weltproduktion ausmacht, sind wir die Nr. 1 bei der Einfuhr von Rohtabak, den wir vorwiegend aus Drittländern beziehen, in denen die Tabakerzeugung weniger strengen Bestimmungen als in Europa unterliegt. Allerdings spreche ich mich gegen die Subvention der Tabakproduktion in Europa aus, denn ich denke, die öffentlichen Mittel für diesen Bereich könnten grundsätzlich anderswo und auf bessere Weise eingesetzt werden.
Katerina Batzeli (PSE). – (EL) Herr Präsident! Wir, die Vertreter der PASOK im Europäischen Parlament, haben für den Bericht von Sergio Berlato gestimmt. Unserer Auffassung nach sollte die Öffentlichkeit weiterhin über Fragen in Bezug auf Tabak und Tabakerzeugnisse informiert werden.
Eine ähnliche Politik mit selbstfinanzierten Fonds wäre wünschenswert, um die Öffentlichkeit über Gesundheitsthemen im Zusammenhang mit anderen Produkten wie Fleisch und Fette zu unterrichten.
Darüber hinaus können wir nicht verstehen, warum in Regionen wie Griechenland, wo die Tabakproduktion drastisch reduziert worden ist, Subventionen in ihrer gegenwärtigen Form nicht bis 2013 gezahlt werden sollten.
James Nicholson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich mich bei diesem Hohen Haus entschuldigen. Als Schattenberichterstatter war es mir gestern Abend nicht möglich, hier anwesend zu sein, da mein Flug Verspätung hatte. Dafür bitte ich um Entschuldigung.
Herr Präsident, es ist viel über den Friedensprozess in Nordirland geschrieben worden, und dies ist ein weiterer, nichtlegislativer Bericht. Die Frage ist, taugt das Programm etwas? Ja, durchaus. Es hat vielen kleinen Gruppen, insbesondere Frauengruppen, auf die Beine geholfen und sie in die Lage versetzt, die Tätigkeiten in ihrem jeweiligen Interessengebiet zu finanzieren.
Hat es die Mittel gerecht verteilt? Die Antwort lautet nein, keineswegs. PEACE I war zu Beginn sicherlich nicht gerecht. PEACE II war besser, und ich freue mich darauf, mit PEACE III eine weitere Verbesserung zu erleben. Unionistische Gemeinschaften erhalten nicht den Anteil, der ihnen zusteht. Wir müssen verstärkt dafür Sorge tragen, zu gewährleisten, dass die bestehenden grenzübergreifenden Gremien das Gleichgewicht in der Region beachten. Ansonsten haben sie keine Existenzberechtigung. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist ICBAN, eine grenzübergreifende Organisation, die meiner Meinung nach keine weiteren Mittel erhalten sollte, bis sie ihre Haltung korrigiert.
Herr Präsident, ich möchte denjenigen Menschen Anerkennung zollen, die zu Beginn des PEACE-Programms freiwillig ihre Zeit geopfert haben, um sich für das Wohl aller einzusetzen, und ich bin überzeugt, dass Nordirland seinen Weg machen und prosperieren wird. Die Bevölkerung verdient es, und ich warne vor den unheilvollen Kräften, die in der Region immer noch präsent sind.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich habe vorwiegend aus zwei Gründen für diesen Bericht gestimmt: Zum ersten, weil dieser Bericht ganz nachdrücklich von den Mitgliedstaaten verlangt, endlich die Lissabon-Strategie und damit auch beschäftigungspolitische Maßnahmen umzusetzen. Zum zweiten, weil er fordert, dass in den Mitgliedstaaten endlich gute und erschwingliche Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen werden. Das ist eine ganz entscheidende Voraussetzung dafür, dass Familie und Beruf miteinander vereinbar werden. Dies ist insbesondere im Interesse von alleinerziehenden Müttern, weil damit Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden und Armut bekämpft werden kann. Also positive Strategien, die notwendig sind, um geeignete beschäftigungspolitische Maßnahmen in die Realität umzusetzen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Beschäftigung ist ein Indikator für unseren Fortschritt. Es ist jedoch schwierig, bestimmte Mängel auf dem Gebiet des sozialen und territorialen Zusammenhalts nicht wahrzunehmen. In der EU, die als Wohlstandsgebiet betrachtet wird, leben fast 80 Millionen Menschen – das sind 16 % aller EU-Bürger – in Armut oder sind von Armut bedroht. Viele Arbeitsplätze haben eine schlechte Qualität, es fehlen Unterstützungsmaßnahmen, um junge Menschen in Arbeit zu bringen oder die Berufstätigkeit vieler älterer Arbeitnehmer mit Berufserfahrung zu verlängern bzw. Menschen mit Behinderungen einzustellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die in ihrer Entwicklung am stärksten zurückgeblieben Regionen mit den größten Problemen fertig werden müssen. Hohe Arbeitslosigkeit, geringe Einbindung älterer und behinderter Menschen in Beschäftigungsverhältnisse, ein hoher Anteil an Langzeitarbeitslosen, d. h. Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos sind, Frauen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben als Männer – das sind nur einige der Probleme, vor denen wir stehen.
In Polen haben wir diese Situation am so genannten Ostwall. Im Zusammenhang damit verdient die Situation in der Tschechischen Republik Anerkennung: Dort hat man den Abbau von Hindernissen im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitskräfte zu einer vorrangigen Aufgabe für die kommende Präsidentschaft gemacht.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Der Bericht von Anne Van Lancker liest sich eigentlich wie eine Art Katalog der guten Vorsätze und Wünsche. Wenn es um den verbesserten und besser bezahlten Zugang zum Arbeitsmarkt geht, werden Frauen, Behinderte und Ausländer immer in einem Atemzug genannt, obgleich es sich um drei sehr unterschiedliche Gruppen handelt. Ziele bis 2010 sind die Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters in der EU um fünf Jahre, perfekte Kinderbetreuungseinrichtungen, eine geringe Zahl arbeitsloser Schulabgänger, ein Arbeitsplatz für Menschen, die vier Jahre arbeitslos sind usw.
Das ist alles sehr schön, aber es ist nicht Weihnachten. Wir sind ein Parlament und kein Krippenspiel. Frau Van Lancker sollte das wissen. Wir leben beide in einem Land, in dem bedauerlicherweise zehn Millionen Menschen in beiden Landesteilen einen grundsätzlich anderen Ansatz der Beschäftigungsproblematik in den zwei Landesteilen fordern. Auf europäischer Ebene brauchen wir nicht mehr Uniformität, sondern im Gegenteil die Möglichkeit für Mitgliedstaaten und Regionen, zügig angemessene konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die vor Ort gefragt sind. Vielen Dank.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Hierbei handelt es sich um den ersten Bericht über den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Europäischen Parlaments, und eigentlich strotzt er vor Selbstgefälligkeit dieses Organs, obgleich in diesem ersten Bericht das Gegenteil der Fall sein sollte.
In diesem Organ wird bekanntermaßen mit Geld um sich geschmissen. Die zwei Arbeitsstätten kosten enorm viel, ohne eigentlich einen echten Mehrwert zu bieten. In jedem Jahr steigen die Betriebskosten dieser Institution erneut beträchtlich, dieses Mal getarnt als unumgängliche Folge des Vertrags von Lissabon, der meines Wissens noch gar nicht ratifiziert worden ist.
Daneben gibt es natürlich noch das neue Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments, eine Erfindung von Eurofanatikern, um das Band zwischen den Abgeordneten und den Menschen, die sie repräsentieren, noch nachhaltiger zu durchtrennen, was selbstverständlich hohe Kosten verursacht, nicht wahr? Aus all diesen und vielen weiteren Gründen habe ich mit Überzeugung gegen den Bericht gestimmt.
Madeleine Jouye de Grandmaison, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Mit Unterstützung meiner Fraktion habe ich zum Bericht von Margie Sudre als Beitrag zu einem Kompromiss eine Reihe von Änderungsanträgen eingereicht, die teilweise berücksichtigt worden sind. Dafür möchte ich dem Ausschuss danken.
Diese Änderungsanträge betrafen die Anerkennung des von den Regionen in äußerster Randlage erbrachten Mehrwerts in den Bereichen Raumfahrt, erneuerbare Energien, Selbstversorgung mit Energie und biologische Vielfalt, die Bedeutung von öffentlichen Dienstleistungen für die Entwicklung dieser Regionen, ihre schwache Integration in den Europäischen Forschungsraum, die Anerkennung des Nutzens des NET-BIOME-Programms, die Fähigkeit der Regionen in äußerster Randlage, bedeutende Beiträge zu festgelegten internationalen Prioritäten zu leisten.
Bedauerlich finde ich jedoch, dass der soziale und kulturelle Bereich im Hinblick auf eine umfassende Entwicklung nicht voll in dem Bericht berücksichtig wurde und dass die Förderung und Anerkennung der regionalen Sprachen der Regionen in äußerster Randlage, die Finanzierung der Forschung zu Sklaverei und Kolonialismus, die Wahrung der Rechte der autochtonen Völker Guyanas nicht einbezogen wurden.
Enttäuscht bin ich auch darüber, dass der Bericht sich nicht nachdrücklich für eine Verstärkung der Forschungskapazitäten entsprechend den Möglichkeiten einsetzt.
Ich finde es bedauerlich, dass mein Vorschlag für eine Regulierung der Post- und Telekommunikationsgebühren zwischen den nationalen Territorien und den Regionen in äußerster Randlange nicht aufgegriffen wurde.
Im Hinblick auf die Bilanz bedauere ich, dass meine Forderung nach einer sozialen und ökologischen Folgenabschätzung der GMO Zucker und Bananen abgelehnt wurde.
Ich habe trotzdem für diesen Bericht gestimmt, der zweifellos nützliche Elemente und Ergebnisse für die Regionen in äußerster Randlage enthält.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich würde gern an die politisch aufgeladene Debatte von gestern anknüpfen. Ich habe den Vorschlag der Sozialisten zu Sammelklagen nicht unterstützt. Um den Erfolg von Sammelklagen besser bewerten und insbesondere die anfallenden Kosten für die Verbraucher einordnen zu können, gebietet es das Verantwortungsgefühl, zunächst die Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie abzuwarten. Daher möchte ich gegen die ungebührlichen Äußerungen meiner Kollegin Gebhardt in unserer gestrigen Aussprache protestieren, die den Wählern den Eindruck vermittelten, nur die Sozialisten würden die Verbraucherinteressen wahren, während es den Demokraten nur um die Belange der Industrie geht. Derartige politische Aussagen sind realitätsfremd und reine Meinungsmache, so dass ich sie hier zurückweise.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Ich habe aus tiefer Überzeugung gegen den Bericht Lynne gestimmt, weil er meines Erachtens noch wesentlich weiter geht als zahllose an sich schon äußerst fragwürdige Berichte, die das Parlament in der Vergangenheit angenommen hat.
Erneut öffnet das Parlament einer Art allumfassender europäischer Nichtdiskriminierungspolitik Tür und Tor, die kaum einen gesellschaftlichen Bereich auslässt. Ich habe bereits in dieser Institution erklärt und tue dies wieder: Die Bekämpfung von Diskriminierung ist, wenn sie erforderlich ist, ein Kampf, der unter die ausschließliche Befugnis der Mitgliedstaaten fällt. Europa sollte dabei nicht die Rolle des Polizeiagenten oder der Gedankenpolizei übernehmen.
Wer den Bericht Lynne aufmerksam liest, wird feststellen, dass es darin eigentlich weniger um die konkrete Bekämpfung von Diskriminierung geht, als um eine weitere Untergrabung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und vor allem um eine Juridisierung der politischen Korrektheit. Diesem Ansatz kann ich mich nicht anschließen, weshalb ich mit Überzeugung gegen den Bericht gestimmt habe.
Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Wir alle stimmen darin überein, dass alle erdenklichen Maßnahmen gegen Diskriminierung gesetzt werden müssen. Daher haben wir uns auch zu vier Richtlinien bekannt. Eine fünfte ist in Vorbereitung. Auch die wird unterstützt werden.
Ich habe aber gegen diesen Bericht gestimmt, weil er eine falsche Strategie wählt, weil er sich nicht dafür einsetzt, dass bestehende Gesetze umgesetzt werden, sondern statt dessen gleich wieder eine neue Richtlinie fordert, inklusive neuer Behörden, neuer Bürokratien und neuer Prüfverfahren. Das heißt, es werden Barrieren angeboten statt Lösungen. Das führt insgesamt nicht dazu, dass Diskriminierung abgeschafft wird.
Wir gehen mit meiner gesamten Delegation einen anderen Weg. Meine Delegation möchte, dass endlich die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, all das umzusetzen, was bereits bestehendes Recht ist und nicht, wie der Bericht vorschlägt, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Achtung der Menschenrechte ist eine grundlegende Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft. Die EU meistert diese Aufgabe leider nicht nach besten Kräften. Die Lage auf diesem Gebiet ändert sich auch nicht, wenn dazu mal eine zweistündige Aussprache erfolgt. Weder die Maßnahmen der Europäischen Kommission noch das Handeln anderer zuständiger Stellen geben großen Anlass für Hoffnung auf Verbesserung. Europa und der Rest der Welt ringen noch immer mit Problemen der Diskriminierung aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der Kultur und der ethnischen Zugehörigkeit. Der Menschenhandel, einschließlich des Kinderhandels, für Geld, zum Vergnügen oder wegen des Organhandels nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Zahl von Gewaltakten steigt, und die Opfer schweigen immer öfter, da sie nicht auf Hilfe durch den Staat vertrauen.
Ich habe den Eindruck, unsere Arbeit im Europäischen Parlament dient in erster Linie den Unternehmen, Konzernen und Regionen. Wir tun zu wenig für die einfachen Menschen, für die ihr persönlicher Lebensstandard und Gleichberechtigung oberste Priorität genießen. Unsere Aktionen zeigen nicht die gewünschten Ergebnisse, sie beruhigen lediglich das Gewissen, indem sie uns das Gefühl geben, etwas zu tun. Es ist höchste Zeit für einschneidende Veränderungen.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Innerhalb der GUE/NGL-Fraktion sind wir sehr tolerant gegenüber den Standpunkten von Minderheiten. Es gibt Fälle, in denen diese Minderheiten dem Plenum des Parlaments gerne zeigen, dass sich ihre Ansichten von denen der großen Mehrheit in unserer Fraktion unterscheiden.
So verhielt es sich kürzlich mit der Abstimmung zu meinem Bericht bezüglich der Beziehungen zwischen Mazedonien und der Europäischen Union. Wir haben die begrenzte Redezeit, die unserer Fraktion zusteht, einem unserer griechischen Mitglieder zur Verfügung gestellt, der erklärte, die Europäische Union könne keine weiteren Mitglieder aufnehmen, zumal es ohnehin besser sei, die Union überhaupt abzuschaffen. Möglicherweise erweckte diese Bemerkung den falschen Eindruck, meine Fraktion stehe nicht hinter meinem Vorschlag, die Verhandlungen mit diesem Bewerberland zu beschleunigen. Diese Haltung entsprach jedoch allein der Ansicht der Kommunistischen Partei Griechenlands, nicht der unserer Fraktion insgesamt, die meine Vorschläge unterstützte, ebenso wie die große Mehrheit des Parlaments.
In der letzten Aussprache heute Morgen hatten wir wieder einen solchen Fall. Die beiden Redner unserer Fraktion zum Bericht von Willi Piecyk über eine integrierte Meerespolitik waren der griechische Abgeordnete Athanasios Pafilis und der portugiesische Abgeordnete Pedro Guerreiro. Die Gelegenheit, sich zu diesem Thema zu äußern, war für die Parteien, die sie hier vertreten, von großer Bedeutung. In der innenpolitischen Debatte ist der Piecyk-Bericht für diese beiden Parteien gleichsam das Symbol für sämtliche Missstände bei den Arbeitsbedingungen der Seeleute und Hafenarbeiter, aber auch für alles, was mit den Absichten der NATO zur Nutzung des Meeres für militärische Zwecke in Verbindung gebracht werden kann.
Die Mehrheit in unserer Fraktion, wozu die deutschen und niederländischen Delegationen gehören, ist der Auffassung, dass der Piecyk-Bericht mit diesen Fragen gar nicht im Zusammenhang steht. Zwar haben wir zweimal die Ablehnung der Hafenrichtlinie unterstützt, aber wir sind nicht gegen eine allgemeine Meerespolitik. Wir unterstützen die Vorschläge von Herrn Piecyk, die sich auf sinnvolle Aspekte wie Umwelt, Schutz der Küstenregionen, Bildung und Qualität der Arbeit konzentrieren.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich habe aus einer Reihe von Gründen für diesen Bericht gestimmt. Erstens ist der Klimawandel eine der größten Herausforderungen, mit denen Europa fertig werden muss. Dieser wirkt sich auch direkt auf Meeresgebiete, speziell auf Küstenregionen, aus, die durch steigende Wasserstände bedroht sind. Zweitens stellen die signifikante Ausbeutung der Meeresressourcen, vor allem durch Überfischung, und der Klimawandel derzeit eine ernste Bedrohung für die Meeresumwelt dar. Die Beziehungen zwischen Ozeanen und Klima werden als ein wichtiger Teil der Klimapolitik der EU betrachtet. Drittens stammt fast 80 % der Verschmutzung der Meeresumwelt vom Festland. Umweltbedrohungen, z. B Schiffswracks auf dem Meeresgrund sowie Reste von Kriegsmunition und Chemiewaffen, haben ebenfalls große Bedeutung. Viertens hat der intensive Fischfang die Ökosysteme aus dem Gleichgewicht gebracht, und er destabilisiert die biologische Vielfalt. Fünftens spielen Ozeane und Meere eine wichtige Rolle bei der EU-Strategie zur Gewährleistung der Energiesicherheit. Einerseits sind die Meere eine Quelle für Öl und Gas sowie für erneuerbare Energie, andererseits sind sie Transportmittel und Transportweg für Energie und tragen somit zur Erhöhung der Energiesicherheit bei. Aus diesem Grunde brauchen wir eine nachhaltige Politik für die Entwicklung der Meere und Ozeane.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines schwedischen Kollegen Jan Andersson im Rahmen des vereinfachten Verfahrens gestimmt, der den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung von Entscheidung 85/368/EWG des Rates über die Entsprechungen der beruflichen Befähigungsnachweise zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bestätigt, in der Letztere aufgefordert wurden, bei der Ausarbeitung der gemeinschaftsweit gültigen Beschreibungen der beruflichen Anforderungen für bestimmte Berufe zusammenzuarbeiten und anschließend die in den verschiedenen Mitgliedstaaten anerkannten beruflichen Befähigungsnachweise diesen gemeinsam festgelegten Beschreibungen zuzuordnen.
Da diese Entscheidung nur schwer anwendbar war, ist es nur logisch, sie aufzuheben. Mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) sollen die Mängel der aufzuhebenden Entscheidung ausgeglichen werden, wobei die Transparenz der Qualifikationen verbessert und ein dezentralisiertes Verfahren der Zusammenarbeit eingeführt werden soll, das der wachsenden Komplexität der Qualifikationen in Europa besser entspricht. Nichtsdestoweniger zeigt diese unglückliche Angelegenheit, wie notwendig eine Klarstellung und Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts ist, damit es die Bürger verstehen und in ihrem täglichen Leben anwenden können.
Adam Bielan (UEN), schriftlich. − (PL) Ein Anstieg der Beschäftigungszahlen in der Europäischen Union steht in direkter Beziehung zur Berufsbildung und zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen. Ich unterstütze den Bericht von Herrn Andersson, da die Mitgliedstaaten meines Erachtens ein gemeinsames Modell für die Überprüfung beruflicher Befähigungen haben sollten, ungeachtet des Landes, in dem sie erworben wurden. So würden Arbeitnehmer motiviert, ihre Qualifikation zu verbessern, Studenten würden angeregt zu studieren, neue Erfahrungen zu sammeln und ihre Fremdsprachenkenntnisse in verschiedenen Teilen Europas zu vertiefen.
Als ein Vertreter von Kleinpolen, der im Hinblick auf die Zahl der Studierenden drittgrößten Region in Polen, möchte ich die Aufmerksamkeit auf die besondere Bedeutung der Anerkennung von Abschlüssen für junge Leute lenken. Jede Form des akademischen Austauschs und die Möglichkeit des Vergleichs von Qualifikationen sind für junge Menschen, die Erfahrungen im Ausland erwerben möchten, von ganz besonderer Bedeutung.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Eines der vier Prinzipien, auf denen der Binnenmarkt der Europäischen Union beruht, ist das Prinzip der Freizügigkeit von Personen. Sie ermöglicht es EU-Bürgern, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten.
Unterschiedliche Bildungssysteme und Regelungen für den Erwerb von Berufsbefähigungen erschweren häufig die Aufnahme einer Beschäftigung in den Berufen, in denen ein Abschluss erworben wurde. Aus diesem Grunde ist es ausgesprochen wichtig, Berufsbefähigungen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten vergleichbar zu machen. Nach Auffassung der Europäischen Kommission und des Berichterstatters fördert Entscheidung 85/368/EWG, nach der diese Angelegenheit geregelt wird, die Vergleichbarkeit der beruflichen Befähigungsnachweise nicht in ausreichendem Maße im Hinblick auf Erwerbstätige, die Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat suchen.
Dies ist der Hintergrund der Entscheidung, sie durch ein neueres und wirksameres Instrument, nämlich den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), zu ersetzen, der die Transparenz erhöht, die Übertragbarkeit von Qualifikationen fördert und die Bewertung von Studienergebnissen erleichtert.
Ich freue mich darüber, dass dieser Schritt in mehreren Bereichen breite Unterstützung genießt: bei Sozialpartnern, Branchen- und Sektororganisationen, Bildungseinrichtungen und NRO. So wird garantiert, dass die vorgenommenen Änderungen auf breite Akzeptanz stoßen.
Aus den genannten Gründen bin ich für die Aufhebung der Entscheidung, und ich vertrete die Auffassung, der EQR als ein Instrument zur Herstellung der Vergleichbarkeit von Qualifikationen eröffnet Chancen für mehr Freizügigkeit. Auf diese Weise lassen sich die Ziele erreichen, die durch die Entscheidung 85/368/EWG bisher nicht umgesetzt worden sind, um so eine höhere Mobilität von Arbeitnehmern auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu sichern.
Katalin Lévai (PSE), schriftlich. – (HU) Ich habe für den Bericht von Herrn Andersson gestimmt, weil es meiner Ansicht nach wichtig ist, alle potenziellen Barrieren für die Harmonisierung der beruflichen Befähigungsnachweise zu beseitigen. Die Entscheidung 85/368/EWG des Rates muss aufgehoben werden, da die Umsetzung dieser Entscheidung nicht zur Vergleichbarkeit der beruflichen Befähigungsnachweise geführt hat.
Die Entscheidung wird jetzt durch andere, neuere und wirksamere Instrumente auf europäischer Ebene wie z. B. den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) ersetzt. Als Instrument zur Förderung des lebenslangen Lernens umfasst der EQR Befähigungsnachweise auf allen Ebenen – vom Pflichtschulabschluss über im Rahmen der Erwachsenenbildung erworbene Qualifikationen bis hin zu Befähigungsnachweisen, die auf der höchsten Stufe akademischer und beruflicher Aus- und Weiterbildung verliehen werden. Daher müssen die Mitgliedstaaten der Bildung oberste Priorität einräumen, da sie die Grundlage für Beschäftigung bildet. Neben dem Erwerb von Allgemein- und kulturellem Wissen spielt die Bildung eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer toleranten europäischen Gesellschaft. Die nächste Generation muss nicht nur lernen, effizient mit Energie umzugehen und die Umwelt zu schützen, sondern auch Unterschiede zu akzeptieren und zu respektieren.
Auch für viele andere Dinge stellt die Bildung den Schlüssel dar: Sie bietet Minderheiten, z. B. den Roma, die Chance, ihre Kultur zu wahren und ihre Integration zu gewährleisten. In Minderheitengemeinschaften gibt es heutzutage immer häufiger gebildete junge Menschen, die bei lokalen Behörden und Regierungen für ihre eigenen Interessen eintreten können.
Damit dies zur Norm wird, müssen wir den Sprachunterricht verbessern und Minderheitenkulturen in Schulen mehr Aufmerksamkeit schenken. Darüber hinaus müssen die Minderheiten selbst im Unterricht eine aktivere Rolle übernehmen.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − In der Praxis ist es uns noch immer nicht gelungen, alle Schwierigkeiten bezüglich der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise aus dem Weg zu räumen und dabei die Qualität der Arbeit einerseits aufrecht zu halten ohne andererseits unnötige Hürden zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist es bedenklich, dass mit der Dienstleistungsrichtlinie ausländischen Dienstleistern mangels effektiver Kontroll- und ungeklärter Sanktionsmöglichkeiten eine gewisse Narrenfreiheit eingeräumt wurde, während sich inländische weiterhin strikt an Recht und Standards halten müssen.
In einigen Jahren werden unsere heimischen Unternehmen eine Anpassung an die für ausländische geltenden Vorschriften fordern, um im gnadenlosen Konkurrenzkampf nicht unterzugehen. Dem Unterbietungswettbewerb bei Löhnen, Arbeitsbedingungen und sozialer Sicherheit wird damit noch Vorschub geleistet. Die EU darf dieser Entwicklung nicht auch noch mit der „Blue Card“ Vorschub leisten. Wir haben genug qualifizierte Fachkräfte, wenn wir nur bereit sind, diese auch anständig zu bezahlen.
− Bericht: Lydia Joanna Geringer de Oedenberg (A6-0152/2008)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meiner polnischen Kollegin Lidia Joanna Geringer de Oedenberg gestimmt, mit dem in erster Lesung im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Kodifizierung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern, geändert durch die Richtlinie 96/100/EG (ABl. vom 1. März 1997) und die Richtlinie 2001/38/EG (ABl. vom 10. Juli 2001), gebilligt wird.
Ich bedauere, dass der Kodifizierungsprozess so langwierig ist, denn es sei daran erinnert, dass die Kommission am 1. April 1987 beschlossen hat, ihre Dienststellen anzuweisen, die Kodifizierung aller Rechtsakte spätestens nach ihrer zehnten Änderung vorzunehmen, wobei sie hervorhob, dass dies eine Mindestanforderung darstelle und die Dienststellen sich bemühen sollten, die in ihre Zuständigkeit fallenden Texte in kürzeren Abständen zu kodifizieren. Der Vorsitz des Europäischen Rates (Edinburgh, Dezember 1992) bestätigte diese Notwendigkeit.
Schließlich kamen das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission in einer interinstitutionellen Vereinbarung vom 20. Dezember 1994 überein, dass ein beschleunigtes Verfahren angewendet werden kann.
Nicodim Bulzesc (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Ich habe für den Bericht Geringer de Oedenberg gestimmt, weil ich ebenfalls der Ansicht bin, dass unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachte Kulturgüter dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden sollten.
In dem Bericht wird die Idee einer europäischen Richtlinie unterstützt, um bezüglich der Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter eine Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu begründen. Diese Richtlinie wird die Einrichtung einer zentralen Behörde in jedem Mitgliedstaat vorsehen, die sich ausschließlich mit dieser Frage befasst und mit ähnlichen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und Interpol zusammenarbeitet.
Zugleich könnten mit dieser Richtlinie die in der Europäischen Union geltenden Verwaltungsverfahren vereinfacht werden. Ich persönlich freue mich auf die Umsetzung dieses Gesetzesentwurfs.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich befürworte die Kodifizierung der Rechtsvorschriften, die unrechtmäßig aus den Mitgliedstaaten verbrachte Kulturgüter zum Gegenstand haben. Die bestehenden Rechtsvorschriften sind mehrmals geändert worden, und es ist wichtig, über einen klaren rechtlichen Rahmen zu verfügen, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten für die Rückgabe gestohlener Kulturbesitztümer sorgen können.
Ich glaube zudem, dass die Kulturgüter den Kommunen in den Mitgliedstaaten zurückgegeben werden sollten, wenn eine solche Initiative von diesen eindeutig unterstützt wird. In diesem Zusammenhang unterstütze ich beispielsweise voll und ganz die Rückgabe der Lewis-Schachfiguren an eine Ortschaft auf den westlichen Inseln Schottlands und die Rückgabe des Schatzes von St. Ninian’s Isle an die Shetlandinseln.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe für den Bericht von Frau Geringer de Oedenberg über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern gestimmt.
Ich halte es für wichtig, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind zusammenzuarbeiten, um Streitigkeiten zwischen den nationalen Regierungen beizulegen und die Bedeutung des Schutzes von Kulturgütern auf europäischer Ebene anzuerkennen. Kulturgüter und Kunstwerke stellen das Erbe der Bürger der Mitgliedstaaten dar, die jedes Recht darauf haben, sie zu besichtigen und zu bewundern.
Es gibt in der Tat skandalträchtige Fälle und zwischenstaatliche Streitigkeiten über entwendete Kunstwerke, die sich seit Jahrzehnten hinziehen. Ich halte ein Eingreifen der Gemeinschaft zur Beseitigung dieser Zustände für dringend erforderlich.
Toomas Savi (ALDE), schriftlich. − (EN) Obwohl ich für den Bericht gestimmt habe, muss ich darauf aufmerksam machen, dass Ziffer 13 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern besagt, diese Verordnung sei ab 1. Januar 1993 gültig.
Ich darf Sie daran erinnern, dass nach der rechtswidrigen Annexion der Republik Estland durch die Sowjetunion im Jahr 1940 zahlreiche Gegenstände aus Estland an verschiedene Orte in der Sowjetunion verbracht und bislang nicht zurückgegeben wurden, darunter die Amtskette des Staatspräsidenten. Ich hoffe, dass die Kommission dies nicht vergessen hat und bald einen Vorschlag für eine Verordnung vorlegen wird, die sich mit vor 1993 unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern befasst.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den im Rahmen des Konsultationsverfahrens erstellten Bericht meiner italienischen Kollegin Pia Elda Locatelli über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Gründung des gemeinsamen Unternehmens „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ gestimmt. Europa im Bereich der Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie an die Weltspitze zu bringen, ist eine ausgezeichnete Politik.
Brennstoffzellen sind hocheffiziente, sehr geräuscharme Energiewandler, die eine beträchtliche Verringerung der Treibhausgasemissionen bewirken könnten. Sie bieten eine hohe Flexibilität, denn sie können mit Wasserstoff oder anderen Brennstoffen wie Erdgas, Ethanol oder Methanol betrieben werden.
Es wurde daher notwendig, mit dieser gemeinsamen Technologieinitiative (GTI) ein Gemeinschaftsinstrument zur Errichtung einer öffentlich-privaten Partnerschaft im Forschungsbereich des Siebten Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung (RP7) zu schaffen. Die GTI, die in erster Linie aus den Arbeiten der europäischen Technologieplattformen hervorgehen, verdeutlichen die Entschlossenheit der EU, die Forschungsaktivitäten zu koordinieren, um den Europäischen Forschungsraum zu stärken und die Wettbewerbsziele Europas zu erreichen. Ich befürworte den Gedanken, die KMU stärker zu unterstützen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Ich stimme dem Berichterstatter zu, dass wir das spezifische Programm „Zusammenarbeit“ anwenden sollten, dem zufolge Brennstoffzellen und Wasserstoff einer der sechs Bereiche sind, in denen eine Gemeinsamen Technologieinitiative (JTI) besonders sinnvoll sein könnte.
Dieser Vorschlag zur Gründung des gemeinsamen Unternehmens „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ ist das Ergebnis der Arbeit der europäischen Technologieplattform für Wasserstoff und Brennstoffzellen und soll zur Umsetzung des Aktionsplans für Umwelttechnologie beitragen.
Brennstoffzellen sind hochwirksame, äußerst geräuscharme Energiewandler, die eine beträchtliche Verringerung der Treibhausgasemission und der Schadstoffproduktion bewirken können, denn sie können mit Wasserstoff oder anderen Brennstoffen, z. B. Erdgas, Ethanol und Methanol, betrieben werden. Die Nutzung von Wasserstoff als flexiblem Energieträger kann sich positiv auf die Energieversorgungssicherheit und Stabilität der Energiepreise auswirken, denn Wasserstoff kann aus jeder primären Energiequelle gewonnen werden. Daher kann im Verkehrssektor, der derzeit erdölabhängig ist, eine größere Diversität erreicht werden.
Obwohl in der EU beträchtliche öffentliche Finanzmittel für die Forschung in den Bereichen Brennstoffzellen und Wasserstoff bereitgestellt worden sind, ist es allerdings unwahrscheinlich, dass diese Technologien so schnell auf dem Markt zur Verfügung stehen, wie wir es uns wünschen würden.
Teresa Riera Madurell (PSE), schriftlich. − (ES) Durch eine Abstimmung im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie war ich verhindert, an dieser Aussprache teilzunehmen, deshalb möchte ich meine Ja-Stimme begründen.
Diese JTI ist vom Parlament begrüßt worden,
denn sie steht im engen Zusammenhang mit den Prioritäten der EU: Energie und Bekämpfung des Klimawandels;
denn die Erfahrungen aus der Behandlung der vorhergehenden vier JTI waren bei der Ausarbeitung dieser Verordnung sehr hilfreich: Die Kommission kannte bereits unsere Bedenken zu diesen neuen Instrumenten in Bezug auf Finanzierung, Teilnahmebestimmungen, Transparenz, Öffnung, Bedingungen für die Kontinuität usw.;
aufgrund der guten Arbeit der Berichterstatterin. Die vorgeschlagenen Änderungen, die EU an die Spitze dieser Technologien zu setzen, die langfristige Forschung vorrangig zu unterstützen, dazu beizutragen, dass die Regeln für die Nutzung und Verbreitung an jene für die Teilnahme am Siebten Rahmenprogramm angepasst werden, den Wissenschaftlichen Ausschuss durch die Übertragung der Festlegung von wissenschaftlichen Prioritäten zu stärken und zu verhindern, dass die Verordnung zwingend vorschreibt, dass der Koordinator des Konsortiums aus einem Industrieverband kommt, das sind Punkte, die den Vorschlag der Kommission stärken.
Die JTI sind gute Instrumente zur Verbesserung unserer FuE-Kapazität, wenn sie in Übereinstimmung mit den Zielen eingesetzt werden, für die sie geschaffen wurden. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Ich begrüße den Bericht Berlato über die Möglichkeit, die Finanzierung des Gemeinschaftlichen Tabakfonds bis zum Jahr 2012 zu verlängern.
Die EU hält es für notwendig, diesen wichtigen Sektor zu schützen, weil die völlige Abschaffung der Beihilfen die Produktion enorm beeinträchtigen würde, was negative Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau der betroffenen Regionen hätte.
In einigen Gebieten macht Tabak bis zu 35 % der Agrarexporte aus, und ein möglicher Rückgang der Erzeugung würde schweren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden anrichten, insbesondere dort, wo die lokale Wirtschaft bereits in Schwierigkeiten steck.
Es ist wichtig hervorzuheben, dass die für den Gemeinschaftlichen Tabakfonds bereitgestellten Mittel allen Maßnahmen und den Informations- und Sensibilisierungskampagnen betreffend die schädlichen Auswirkungen des Tabakkonsums zugute kommen müssen.
Daher hoffe ich, dass der Vorschlag zur Verlängerung der Finanzierung des Fonds zur Anti-Rauch-Information von meinen Kollegen unterstützt wird, womit auch die Interessen der Verbraucher geschützt werden.
Bernadette Bourzai (PSE), schriftlich. – (FR) Der durch die Übertragung eines Teil der Tabakbeihilfe für die Jahre 2006 und 2007 finanzierte Gemeinschaftliche Tabakfonds fördert Maßnahmen zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die schädlichen Auswirkungen des Rauchens.
Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung hat eine Verlängerung seiner Finanzierung bis zum Ende der Finanziellen Vorausschau vorgeschlagen und den Prozentsatz auf 6 % erhöht. Der Tabakkonsum in Europa hat sich nicht verändert, und die schrittweise Verringerung der europäischen Produktion wird durch Tabakimporte ersetzt.
Die parallele Frage der Aufrechterhaltung der GMO Tabak und somit die Verschiebung der Reform von 2004, die ab 2010 zur Anwendung kommen sollte, muss beim Gesundheitscheck der GAP geklärt werden, denn die Entkoppelung bewirkt eine fast vollständige Aufgabe der Produktion ohne eine dauerhafte Alternative in wirtschaftlicher und beschäftigungspolitischer Hinsicht, was äußerst schwerwiegende Konsequenzen für den ländlichen Raum hat, aber ohne Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit bleibt.
Ich bin nicht der Auffassung, dass der Kampf gegen Tabakmissbrauch und die Verlängerung der Übergangsperiode, die den europäischen Tabakerzeugern ermöglichen soll, Alternativen zum Tabakanbau zu finden und die negativen Auswirkungen auf unsere Regionen abzuschwächen, miteinander unvereinbar sind.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Die Finanzierung des Gemeinschaftlichen Tabakfonds ist ausschließlich dazu bestimmt, Initiativen zur Unterrichtung über die von Tabakerzeugnissen verursachten Schäden zu fördern. Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht die Übertragung eines Betrags in Höhe von 5 % der für die Kalenderjahre 2008 und 2009 bewilligten Tabakbeihilfe vor. Das Parlament schlägt seinerseits die Übertragung von 6 % der für den Zeitraum 2009 bis 2012 bewilligten Tabakbeihilfe vor, wobei es davon ausgeht, dass die Beihilfen für die Erzeuger beibehalten werden.
Wie wir wissen, ist die Europäische Kommission leider zur Abkopplung der Beihilfen von der Produktion übergegangen, was einen Rückgang der Tabakerzeugung in Portugal zur Folge hatte, obwohl immer noch Tabak aus anderen Erzeugerländern importiert wird. Die Kommission verknüpft diesen Fonds weiterhin mit der Unterstützungsregelung für die Tabakanbauer, da es sich um die einzige vorgesehene Finanzierungsquelle handelt. Unter diesem Blickwinkel und ausgehend davon, dass Informationskampagnen auch weiterhin von Nutzen sind, erscheinen die Änderungsanträge angemessen.
Ebenso erscheint es sachdienlich, die von fast sämtlichen Erzeugermitgliedstaaten formell an die Kommission gerichtete Forderung zu unterstützen, einen Vorschlag für eine Verordnung vorzulegen, mit der die gegenwärtige Unterstützungsregelung für die Tabakerzeugung bis 2013 verlängert werden soll. Dieses Thema sollte im Rahmen der laufenden Debatte über den „Gesundheitscheck“ der GAP behandelt werden.
Neena Gill (PSE), schriftlich. − (EN) Ich habe gegen den Bericht gestimmt, denn da ich mich von Anbeginn gegen Beihilfen für die Tabakproduktion ausgesprochen habe, glaube ich, dass es verheerend wäre, den stufenweisen Abbau der Tabakbeihilfen von 2009 auf 2012 auszudehnen.
Ich unterstütze den Vorschlag der Europäischen Kommission, der besagt, dass es keine Rechtfertigung für eine weitere Kopplung der Tabakbeihilfen an die Tabakproduktion gibt. Ich meine, der Bericht des Parlaments, mit dem die Debatte über den stufenweisen Abbau der Beihilfen bis 2009 neu angestoßen werden soll, ist gänzlich inakzeptabel.
Ich sehe keinen logischen Grund, die Tabakproduktion weiterhin zu fördern, insbesondere in Anbetracht der schädlichen Auswirkungen, die Tabak auf die Gesundheit und die Ausgaben des Gesundheitswesens hat.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe gegen den Bericht von Sergio Berlato über den Gemeinschaftlichen Tabakfonds gestimmt. Die EU hat sich gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedstaaten darum bemüht, den Tabakkonsum durch Maßnahmen wie beispielsweise das Verbot der Tabakwerbung einzuschränken. Daher ist es pure Heuchelei seitens der EU, Tabakanbauer in Europa weiter zu unterstützen.
Kartika Tamara Liotard, Erik Meijer, Esko Seppänen, Søren Bo Søndergaard und Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. − (EN) In der Entschließung des Europäischen Parlaments über den Tabakfonds wird vorgeschlagen, die landwirtschaftlichen Beihilfen für Tabak zu verlängern. Wir stimmen aus Protest gegen die gesamte Beihilfenregelung für Tabak dagegen. Es ist lachhaft, dass die EU den Tabakanbau finanziell unterstützt, und heuchlerisch, dass sie einen Teil dieses Geldes für die Unterstützung von Nichtraucherkampagnen verwendet. Sämtliche landwirtschaftlichen Beihilfen für Tabak sollten umgehend abgeschafft werden. Nichtraucherkampagnen sind sinnvoll, können jedoch durchaus auf andere Weise finanziert werden.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Sergio Berlatos Bericht über den Gemeinschaftlichen Tabakfonds stellt den Versuch dar, die Debatte über die Verlängerung der Tabakbeihilfen bis 2012 neu anzustoßen. Es gibt keine Rechtfertigung für Beihilfen an Tabakanbauer, weder aus volksgesundheitlicher noch aus wirtschaftlicher Sicht, daher ist ihre Verlängerung schlichtweg unnötig.
Tatsächlich halte ich die Vorschläge des Berichts angesichts des Standpunkts der EU zu Tabak nicht nur für heuchlerisch, sondern für unmoralisch. Daher war es mir unmöglich, für den Bericht zu stimmen.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Ich habe so wie die Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke für den Bericht von Sergio Berlato gestimmt. Damit werden Tabakbauern für einen weiteren Zeitraum EU-Beihilfen gewährt. Außerdem werden sie vor nachteiliger Diskriminierung im Verhältnis zu Erzeugern anderer landwirtschaftlicher Produkte geschützt, die weiterhin Subventionen erhalten. Es ist ganz wichtig, dass die durch die vorhandenen Ressourcen gebotenen Möglichkeiten gänzlich ausgeschöpft werden. Wir müssen verhindern, dass der Anbau von Tabak aufgegeben wird und die Landflucht in der Übergangszeit anhält.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. – (PL) Obwohl die Abstimmung über den Bericht von Sergio Berlato positiv ausgefallen ist, wird das Problem des Rauchens und der Tabakproduktion damit nicht gelöst.
Man könnte es auch so ausdrücken: Die Entscheidung in diesen wichtigen Fragen ist von uns um mehrere Jahre aufgeschoben worden. Folglich wird diese Problemstellung wieder auf uns zukommen und so lange fortbestehen, wie Menschen Tabak rauchen. Das Problem muss gelöst werden, aber nicht auf Kosten der Landwirte, die sich der Tabakproduktion verschrieben und hohe Investitionen auf sich genommen haben.
Der Tabakanbau bietet zehntausenden Familien einen Lebensunterhalt, die oft keine andere Möglichkeit zur Erwirtschaftung eines Einkommens haben, wie beispielsweise in den Regionen Polens mit schlechten Böden.
Aus diesem Grunde brauchen wir schon heute strategische Lösungen, die mit Umsicht und nicht unter dem Druck von Lobbyisten, die Mittelsmänner und Händler in einem internationalen System vertreten, entwickelt werden müssen.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Herrn Berlato beglückwünschen und meine Unterstützung für seinen Bericht bekunden.
Der Bericht ist sehr ausgewogen und stellt ein seltenes, positives Beispiel für die Verzahnung der Landwirtschafts- und der Gesundheitspolitik der EU dar. Durch den Vorschlag, den Prozentsatz des Einbehalts von den an die Tabakerzeuger gezahlten Beihilfen anzuheben und zusätzliche Mittel in Höhe von über 81 Millionen Euro für Informationsmaßnahmen über die schädlichen Auswirkungen des Rauchens bereitzustellen, gelingt es dem Bericht, beide Lager im Hinblick auf einige heikle Bereiche zufrieden zu stellen.
Andererseits werden durch den Bericht die teilweise gekoppelten Beihilfen für die Erzeuger ohne zusätzliche Belastung für den EU-Haushalt und ohne jegliche Benachteiligung dieser Erzeuger gegenüber anderen Landwirten ausgeweitet, womit der vom Parlaments im März 2004 vertretene Standpunkt bekräftigt wird.
Brian Simpson (PSE), schriftlich. − (EN) Ihnen wird bekannt sein, dass dieses Parlament sich seit vielen Jahren laut und vernehmlich darum bemüht, die gesundheitlichen Risiken des Tabakrauchens deutlich zu machen.
Dennoch hat die Europäische Union über diesen ganzen Zeitraum die Produzenten ebendieses Erzeugnisses mit Millionen von Euro unterstützt.
Es ist in höchstem Maße heuchlerisch, eine solche Politik fortsetzen zu wollen.
Der Bericht des Landwirtschaftsausschusses stellt den Versuch dar, die Debatte über die Verlängerung der Tabakbeihilfen bis 2012 neu anzustoßen. Doch der Vorschlag der Kommission, auf den hin der Bericht angeblich erstellt wurde, befasst sich mit der Verlängerung der Finanzierung des Gemeinschaftlichen Tabakfonds, der bekanntlich dazu verwendet wird, um vor den Gefahren des Tabakrauchens zu warnen.
Was der Landwirtschaftsausschuss hier vorführte, war ein Taschenspielertrick, der jedem erstklassigen Magier zur Ehre gereicht hätte, aber glücklicherweise wurde der Trick aufgedeckt und hoffentlich als das entlarvt, was er tatsächlich ist: nämlich der Versuch, die Beihilfen für Tabakanbauer zu verlängern. Dem muss sich das Parlament aus moralischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen widersetzen.
Der Standpunkt der Kommission ist klar. Es gibt keine Rechtfertigung für an die Produktion gekoppelte Tabakbeihilfen. Es ist höchste Zeit, dass das Parlament sich diesem Standpunkt anschließt, indem es die Haltung des Landwirtschaftsausschusses in dieser Frage ablehnt. Aus diesem Grunde werde ich mit Nein stimmen.
Catherine Stihler (PSE), schriftlich. − (EN) Mehr als eine halbe Million EU-Bürger sterben alljährlich an ihrer Tabaksucht. Nicht ein Cent des Geldes der Steuerzahler der EU sollte in den Gemeinschaftlichen Tabakfonds fließen. Der Gemeinschaftliche Tabakfonds sollte abgeschafft werden.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meiner britischen Kollegin Bairbre de Brún über die Bewertung des Programms PEACE (EU-Programm für Frieden und Versöhnung in Nordirland) gestimmt, in dem betont wird, dass die Stärkung des Engagements vor Ort ein wesentlicher Teil der Schaffung von Frieden in Nordirland ist und dass die Beteiligung der Zivilgesellschaft an diesem Prozess zu einer Verbesserung der politischen Entscheidungsprozesse sowie der Art, wie die Gesellschaft gelenkt wird, führt.
Ich unterstütze den Gedanken, dass die Zusammenarbeit zwischen Beteiligten der über PEACE und IFI (Internationaler Fonds für Irland) finanzierten Programme nach dem Auslaufen der Programme nicht beendet werden sollte.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht von Bairbre de Brún über das Programm PEACE gestimmt, in dem zu Recht hervorgehoben wird, wie wichtig die Stärkung des Engagements vor Ort bei der Friedensschaffung ist. Die PEACE-Programme haben einen wertvollen Beitrag zum Friedensprozess in Irland geleistet, und jede Bemühung, darauf zukünftig aufzubauen, ist begrüßenswert.
Catherine Stihler (PSE), schriftlich. − (EN) Ich unterstützte gern das Programm PEACE und hoffe, dass es den Gemeinschaften auch künftig vor Ort von Nutzen sein wird.
- Bericht: Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (A6-0130/2008)
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines deutschen Kollegen Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf gestimmt, in dem vorgeschlagen wird, den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Fleisch- und Viehbestandsstatistiken so zu ändern, dass eine Einigung in der ersten Lesung im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens möglich wird. Die Viehbestandsstatistiken (zweimal jährlich zu Schweinen und Rindern, einmal jährlich zu Schafen und Ziegen), die monatlichen Schlachtungsstatistiken (Stückzahl und Schlachtkörpergewicht von Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen und Geflügel) sowie die Produktionsvorausschätzungen für die Fleischerzeugung (Schweine-, Rind-, Schaf- und Ziegenfleisch) sind wesentlich für die Verwaltung der EU-Märkte, doch war es dringend erforderlich, sich mit den zu komplex gewordenen Rechtsvorschriften zu befassen. Es scheint angebracht, zusätzlich zu den Statistiken für Schweine-, Rind-, Schaf- und Ziegenfleisch auch Angaben über Geflügelfleisch einzubeziehen.
Constantin Dumitriu (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Die Vereinfachung von Verfahren ist eines der wichtigsten Ziele der europäischen Institutionen, denen klar ist, dass übermäßige Regulierung sowohl ihre Arbeit als auch die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsakteure belastet. Für die Landwirte und Erzeuger landwirtschaftlicher Produkte in Rumänien ist die Verringerung der Bürokratie unerlässlich, wenn sie uneingeschränkt von den Vorteilen des EU-Beitritts profitieren sollen.
Die statistischen Berichte sollten sowohl von Eurostat als auch vor allem von den nationalen Institutionen und Unternehmen berücksichtigt werden. Was das Fleisch betrifft, so vermitteln die statistischen Daten den Eindruck, dass noch rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden können, um den Markt zu regulieren, und zwar durch Interventionsmechanismen.
Die statistischen Berichte sollten einheitlich und korrekt sein und zum richtigen Zeitpunkt vorliegen, um größere Ungleichgewichte auf dem Binnenmarkt zu verhindern, die sich auf die Erzeuger, Verbraucher oder beide gleichermaßen auswirken.
Genau diese Aufgabe erfüllt dieser Bericht, weswegen ich ihn begrüße! Darüber hinaus sollten die nationalen Behörden ebenso rigoros (und gegebenenfalls auch nachdrücklich) Maßnahmen umsetzen, die von den jeweiligen Zielgruppen Ernsthaftigkeit verlangen.
Mit dieser Frage sollten sowohl diejenigen, die statistische Daten erheben und verarbeiten, als auch die Wirtschaftsakteure, die sie übermitteln, sorgfältig umgehen. Diese Verordnung ist nicht nur streng, sondern wird auch für die Einheitlichkeit dieser Daten sorgen, indem in der gesamten Europäischen Union gemeinsame Standards eingeführt werden.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Bericht von Herrn Graefe zu Baringdorf über einen Vorschlag für eine Verordnung über Fleisch- und Viehbestandsstatistiken. Die Verordnung hat zum Ziel, die bestehenden Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet zu vereinfachen. Ich habe für die Empfehlungen des Berichts gestimmt.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den im Rahmen des Konsultationsverfahrens erstellten Bericht meiner belgischen Kollegin Anne Van Lancker über den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten gestimmt.
Ich möchte die ausgezeichnete Arbeit meiner Kollegin und Freundin Elisabeth Morin, der Berichterstatterin für unsere Fraktion, insbesondere zur Flexicurity würdigen. Auch auf die Gefahr, über das Thema hinauszugehen, denn im Grunde zielt diese Ratsentscheidung nur darauf ab, den Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Artikel 128 des EG-Vertrags Empfehlungen zu erteilen, möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass der Ausschuss, obwohl es in Anwendung von Artikel 138 EGV seine Pflicht gewesen wäre, die Sozialpartner nicht einbezieht und bekräftigt, dass es Zeit sei, mit Unterstützung dieser Sozialpartner auf der Grundlage des in Artikel 139 EGV vorgesehenen Verfahrens ein europäisches Sozialrecht zu schaffen.
Wir können keine ambitionierte Beschäftigungspolitik umsetzen, ohne mit Unterstützung der Sozialpartner ein europäisches Sozialrecht zu schaffen.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lissabon-Strategie stellt insbesondere nach der Halbzeitbewertung die wichtigste strategische Verpflichtung der EU dar und beginnt endlich konkrete Früchte in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung zu tragen.
In diesem Zusammenhang äußert Frau Van Lanker, obgleich sie der Strategie zugute hält, dass sie zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beigetragen hat, die Auffassung, Qualität und Sicherheit müssten erhöht werden. Es sollte in der Tat festgehalten werden, dass trotz des kontinuierlichen Rückgangs der Arbeitslosenzahlen die Zahl der Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen wächst, was erkennbare Folgen und Auswirkungen hat. Die Zahlen verdeutlichen, dass einige Staaten überwacht werden müssen, damit sie die Beschäftigungsprobleme mit einem zunehmend ausgewogenen, flexiblen Ansatz anpacken: das bedeutet neue Jobs, aber auch bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer im Allgemeinen.
Wie die Berichterstatterin hervorhebt, müssen jedoch die gemeinsamen sozialen Ziele im Rahmen der Lissabon-Agenda stärker berücksichtigt werden: Das Schlagwort unserer Strategie sollte nun Integration heißen, und nicht mehr nur Wachstum und Beschäftigung.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Der aktuelle Situation lässt erkennen, dass es zehn Jahre nach Erscheinen der ersten Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten immer weniger Beschäftigungsverhältnisse mit Arbeitnehmerrechten gibt, was an sich schon zeigt, dass die Strategie nicht auf die Förderung der Arbeitnehmerrechte abzielt. Zugleich haben die fortwährenden Änderungen dieser Leitlinien, die mit den zunehmend neoliberalen Wirtschaftsleitlinien der Europäischen Union einhergehen, zur wachsenden Beschäftigungsunsicherheit beigetragen.
Obwohl die Berichterstatterin zur Besänftigung einige Bezugnahmen auf Armut und soziale Eingliederung eingestreut hat, ist keine Rede von der Notwendigkeit einer Abkehr von der derzeitigen makroökonomischen Politik und von den beschäftigungspolitischen Leitlinien, die durch und durch neoliberalen Charakter tragen und in denen Wettbewerb und Flexibilität an erster Stelle rangieren. Deshalb sind derartige Vorschläge lediglich ein Ablenkungsmanöver und gehen nicht gegen die eigentlichen Ursachen der Probleme vor.
Einige andere Vorschläge fördern sogar die Flexicurity, besser gesagt die Deregulierung des Arbeitsmarktes. Es werden flexible und berechenbare Arbeitsverträge auf der Grundlage eines modernen Arbeitsrechts, Tarifverträge und eine tariflich geregelte Arbeitsorganisation gefordert, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass die Mitgliedstaaten ihre eigenen Aktionspläne umsetzen sollten, und zwar auf der Grundlage der vom Rat angenommenen gemeinsamen Flexicurity-Grundsätze.
Deshalb haben wir gegen den Bericht gestimmt.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht von Anne Van Lancker gestimmt, der sich mit beschäftigungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten befasst. Der Bericht hebt zu Recht die Notwendigkeit hervor, in den Mitgliedstaaten die Leitlinien so umzusetzen, dass sie der Bekämpfung der Diskriminierung dienen, unabhängig davon, ob sie aus sexuellen, rassistischen oder ethnischen Gründen, wegen der Religion oder Weltanschauung, aufgrund einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung erfolgt.
Im Bericht werden die Mitgliedstaaten zudem aufgefordert, die einzelstaatlichen Traditionen bei der Umsetzung der Beschäftigungspolitik zu achten. Ich meine, die Anerkennung der mannigfachen europäischen Traditionen sollte jeder EU-Politik zugrunde liegen.
Stanisław Jałowiecki (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Ich habe mich bei der Abstimmung über den Bericht von Frau Van Lancker zu den Leitlinien der Beschäftigung der Stimme enthalten. Leider ist es in diesem Bericht nicht gelungen, Widersprüche zu vermeiden. Zum einen enthält er jede Menge solcher Wendungen wie „wissensbasierte Gesellschaft“, „Wettbewerbsfähigkeit“ und „technologische Herausforderungen“, zum anderen wird davon gesprochen, dass „Beschäftigungssicherheit“, „stabile Beschäftigung“ und dergleichen mehr zu gewährleisten sind. Die erstgenannten Begriffe stehen für Absichten, letztere für eine Festschreibung von Zuständen. Fortschritt ist ohne eine Änderung der Beschäftigungsstruktur nicht erreichbar. Das war in der Vergangenheit nie der Fall.
Anstelle über Beschäftigungssicherheit zu sprechen, die als Aufrechterhaltung bestehender Arbeitsplätze und Arbeitsinhalte verstanden wird, sollten wir über etwas ganz anderes reden, nämlich über die Sicherung des Zugangs zu Arbeit. Zugang zu Arbeitsplätzen, die jetzt verfügbar sind, zu einem gegebenen Zeitpunkt. Das sollte unser gemeinsames Anliegen sein.
Carl Lang (NI), schriftlich. – (FR) Die Beschäftigungssituation in der Europäischen Union ist schlecht. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote von 7,3 % im Jahr 2007, die die bezuschussten Arbeitsplätze nicht berücksichtigt, ist höher als in den anderen großen Wirtschaftsregionen. So liegt sie in Nordamerika unter 5 %.
Doch weit davon entfernt, die Lage zu verbessern, werden die uns vorliegenden Leitlinien sie noch verschlimmern. Die von der Berichterstatterin positiv beurteilte Lissabonner Strategie setzt unsere Volkswirtschaften einer unlauteren Konkurrenz aus, insbesondere von Seiten des kommunistischen Chinas, das effektiv Sozialdumping betreibt. Des Weiteren liegt der Bericht mit seiner Forderung nach Reduzierung von „Beschäftigungsdefiziten … von Staatsangehörigen von Drittstaaten im Vergleich zu EU-Bürgern“ genau auf der Linie der seit Jahrzehnten in unseren Ländern praktizierten einwanderungsfreundlichen Politik, die jährlich über 1,5 Millionen außereuropäische Immigranten nach Europa bringt und uns damit allmählich zu Drittweltländern macht.
Die Wiederherstellung der nationalen Präferenz, einer gerechten positiven Diskriminierung, die Verringerung der Einwanderungslast und damit die Reduzierung der Steuerlast für unsere Unternehmen und Arbeitnehmer sowie die Anwendung des Prinzips der Gemeinschaftspräferenz zum Schutz des europäischen Marktes – das sind die Hauptmaßnahmen, die zur Verbesserung der Beschäftigungslage in Europa ergriffen werden müssten.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Ansatz der Berichterstatterin, die soziale Dimension der Lissabon-Strategie zu stärken. Die Forderung nach Ausgewogenheit in der Frage der „Flexicurity“ und nach Einführung einer Klausel zur aktiven Eingliederung wird, so meine ich, der Beschäftigungspolitik europaweit neue Impulse verleihen. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. – (PL) Der Bericht zur Beschäftigungspolitik in den Mitgliedstaaten enthält zahlreiche Widersprüche.
Die Berichterstatterin schreibt, dass die erneuerte Lissabon-Strategie Ergebnisse gebracht hat, u. a. einen Anstieg des BIP in der EU in den letzten Jahren und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit und dass die Leitlinien zur Beschäftigung keiner vollständigen Revision bedürfen, sondern lediglich Änderungen einer Reihe einzelner Punkte vonnöten sind.
Die Berichterstatterin hat auch festgestellt, dass in den letzten Jahren nicht weniger als 6 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren die Schule abgebrochen bzw. ihre Ausbildung nicht zu Ende gebracht haben und die Jugendarbeitslosigkeit 40 % der Gesamtarbeitslosenquote in der EU ausmacht, wobei dieser Prozentsatz unter Migranten doppelt so hoch ist. Zudem leben 78 Million Menschen in Armut, das entspricht der doppelten Bevölkerungszahl Polens.
Des Weiteren betrachtet sie den Anstieg der Zahl der auf Kosten einer Senkung der Arbeitsplatzqualität gewonnenen Arbeitsplätze und den prozentualen Anstieg der Personen mit Teilzeitbeschäftigung bzw. mit befristeten Arbeitsverhältnissen, oft mit unter Druck ausgehandelten Vertragsbedingungen.
Die Realität spricht für sich, aber wir wollen sie nicht immer hören. In der Realität wirkt die Gesellschaft nicht integrierend, sondern teilend. Die Armut nimmt nicht ab, sondern breitet sich von Jahr zu Jahr weiter aus. Die Diskriminierung von Frauen, älteren Menschen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt sinkt nicht und klischeehaftes Denken und Handeln werden auch nicht abgelegt.
Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. − (SV) Inhaltlich ist der Bericht größtenteils positiv, aber es ist Heuchelei, von sozialer Verantwortung, lokaler Wirtschaft und Gleichstellung zu reden und gleichzeitig deren Berücksichtigung in den Vorschriften für die Auftragsvergabe verbieten zu wollen. Dazu will ich nicht beitragen. Der Bericht vermittelt ein verfälschtes Bild der Wirklichkeit, weshalb ich mich der Stimme enthalte.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Ich unterstütze diesen Bericht und teile Frau Van Lanckers Auffassung, die gemeinsamen sozialen Ziele der Mitgliedstaaten sollten in der Lissabon-Agenda besser zum Ausdruck gebracht werden. Des Weiteren befürworte ich die Umgestaltung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung in ihrer derzeitigen Fassung in eine auf Wachstum, Beschäftigung und Integration aufbauende Strategie. Ich halte es für wesentlich, gemeinsame soziale Standards auf EU-Ebene zu fördern. Es ist wichtig, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und die Werte des europäischen sozialen Modells zu stärken.
Meines Erachtens besteht eine der Hauptaufgaben der EU-Strategie für eine nachhaltige Entwicklung in der Schaffung einer integrierenden Gesellschaft, in der die Ziele und operativen Bestrebungen Priorität haben, um die Zahl der durch Armut und soziale Ausgrenzung bedrohten Menschen zu begrenzen, die Rolle von Frauen, älteren Menschen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt zu stärken und die Beschäftigung junger Menschen zu fördern.
Richard James Ashworth (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Dieser Bericht enthält einige wichtige Leitlinien für das Haushaltsverfahren für 2009, und insgesamt treten wir mit gleichem Nachdruck wie der Berichterstatter dafür ein, die freiwillige Obergrenze von 20 % bei den Parlamentsausgaben auch künftig zu wahren.
Das Jahr 2009 wird für die Arbeit des Parlaments viele Veränderungen mit sich bringen, und wir glauben, dass es zur Beibehaltung der Disziplin erforderlich sein wird, alle Ausgabenvorschläge genau zu prüfen, um im Interesse des Steuerzahlers einen optimalen Mitteleinsatz zu gewährleisten. Insbesondere möchten wir das Parlament ohne Umschweife daran erinnern, dass die größten Ersparnisse erzielt werden könnten, indem wir den Wechsel des Parlaments zwischen Brüssel und Straßburg aufgeben. Wir unterstützen zudem voll und ganz den Vorschlag des Berichterstatters, die Mittel für die Asbestsanierung der Straßburger Parlamentsgebäude zur Verfügung zu stellen.
Die britischen Konservativen erwarten zu gegebener Zeit weitere Vorschläge des Berichterstatters und haben sich daher bei der Schlussabstimmung zu diesem Bericht der Stimme enthalten.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines polnischen Kollegen Janusz Lewandowski über den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Europäischen Parlaments für das Haushaltsjahr 2009 gestimmt. Mit diesem Haushalt sind große Herausforderungen zu meistern, wie das Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages, wenn er denn von den Mitgliedstaaten ratifiziert wird, das Jahr 2009 als Wahljahr des Europäischen Parlaments sowie das Inkrafttreten des neuen Abgeordnetenstatuts.
Ich bin natürlich einverstanden mit einem sparsamen Umgang mit den Haushaltsmitteln, doch denke ich, dass wir bei den Ausgaben im Zusammenhang mit der Vielsprachigkeit (Übersetzen und Dolmetschen) keine Kompromisse eingehen dürfen, denn diese ist eine Voraussetzung für den politischen Erfolg der Union. Des Weiteren müssen die Möglichkeiten des Empfangs von Besuchern durch die Abgeordneten ausgebaut werden, denn diese Besuche werden sehr geschätzt und tragen dazu bei, dass die Bürger die Europäische Union besser kennenlernen.
Meiner Meinung nach muss ebenfalls die Zahl der Mitarbeiter für die Abgeordneten und die parlamentarischen Ausschüsse erhöht werden, um deren Unabhängigkeit und ein hohes Niveau ihrer Arbeit zu gewährleisten, beispielsweise im Umgang mit den anderen europäischen Institutionen, den Lobbygruppen oder den nationalen Parlamenten.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE), schriftlich. – (PL) Das Jahr 2009 wird das Europäische Parlament vor große Herausforderungen stellen, die vor allem mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, den Wahlen zum EU-Parlament, dem neuen Abgeordnetenstatut und dem Wechsel der Wahlperiode verbunden sind. Die Gesamthöhe des Haushalts für 2009 muss diesen Aufgaben Rechnung tragen, obgleich sie unter der vom Parlament traditionell festgelegten freiwilligen Begrenzung auf 20 % der Verwaltungsausgaben liegt.
Die Anwendung eines Pilotprozesses im diesjährigen Haushaltsverfahren, das eine frühezeitige und engere Zusammenarbeit zwischen dem Präsidium und dem Haushaltsausschuss in allen Fragen mit signifikanten Auswirkungen auf den Haushalt vorsieht, verdient Beachtung. Mithilfe dieses neuen Ansatzes soll der rationellste Einsatz der verfügbaren Mittel gesichert und Einsparungspotenzial aufgedeckt werden.
Mit Genugtuung festzustellen sind die vernünftigen Ausgabenschätzungen in Verbindung mit dem neuen Abgeordnetenstatut, vor allem weil dies die Möglichkeit einer „Feinabstimmung“ der Mittel in einer späteren Phase bietet. Auch die Einbeziehung der vorgeschlagenen 65 neuen Planstellen in den Voranschlag für 2009 ist erfreulich, die der Idee der Verstärkung der legislativen Tätigkeit und von Dienstleistungen für Abgeordnete dient, während gleichzeitig 15 % dieser Mittel in die Reserve eingestellt wurden. Des Weiteren stimmt mich die Ankündigung froh, dass die im Haushaltplan 2008 gesetzten Prioritäten im Zusammenhang mit den Dolmetschleistungen und dem Analysedienst der Bibliothek fortgeführt werden. Ein erfolgreicher Abschluss des diesjährigen Haushaltsverfahrens macht auch noch weitere Aussprachen sowie unverzügliche konkrete Entscheidungen zur Immobilienpolitik des Parlaments erforderlich.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Mit der Vorlage des Haushaltsvoranschlags der Gemeinschaft durch die Kommission wurde das Haushaltsverfahren 2009 eingeläutet.
In früheren Haushaltsverfahren belief sich der Haushalt des Europäischen Parlaments auf ca. 20 % der unter Rubrik 5 (Verwaltungsausgaben) des mehrjährigen Finanzrahmens veranschlagten Beträge. Der Berichterstatter schlägt vor, diese Höhe beim Haushaltsplan 2009 beizubehalten.
Eine derartige Entscheidung darf nicht die Verfügbarkeit von Finanzmitteln blockieren oder behindern, die erforderlich sind, um dem bereits erwähnten Bedarf an mehr Personal in angemessener Weise zu entsprechen sowie Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen zu verbessern. Ferner sind der Grundsatz der Gleichheit und das Recht, im Europäischen Parlament und bei allen von ihm geförderten Aktivitäten sämtliche Amtssprachen zu verwenden, zu berücksichtigen.
Außerdem handelt es sich dabei um ein immer wiederkehrendes Problem, denn die Notwendigkeit, derartige Leistungen wie das Dolmetschen und Übersetzen zu verbessern, wird häufig angesprochen, aber die hierfür erforderlichen Finanzmittel werden nicht bereitgestellt. Regeln, die zielgerichtet geschaffen wurden, um dem Gebrauch verschiedener Sprachen entgegenzuwirken, kommen häufig zur Anwendung. Betrachten Sie sich nur die in der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU angenommenen Kriterien.
Andererseits geht der Bericht nicht auf die Gewährleistung der Arbeitnehmerrechte ein, die insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Fremdvergabe von Leistungen durch das EP in den letzten Jahren zu berücksichtigen ist.
Cătălin-Ioan Nechifor (PSE), schriftlich. − (RO) Das Europäische Parlament sollte sich der Bedeutung des Solidaritätsprinzips bewusst werden, wonach rückständige oder weniger entwickelte Regionen gefördert werden sollten, und zwar auch finanziell durch den Haushalt der Europäischen Union. Bedauerlicherweise steht Rumänien etwa ein Jahr nach seinem Beitritt noch immer an letzter Stelle, was das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt auf regionaler Ebene betrifft. 6 der 8 Regionen zählen zu den 15 am wenigsten entwickelten Regionen in der EU und die Entwicklungsregion im Nordosten, aus der ich stamme, gehört noch immer zu den ärmsten Regionen der 27 Mitgliedstaaten.
Das Tempo des rumänischen Wirtschaftswachstums reicht derzeit nicht aus, um die Klüfte, die uns trennen, rasch zu überwinden und die Unterschiede, die überall zutage treten, zu beseitigen. Einer der Gründe dafür, warum wir fast ganz oben auf der Armutsliste der Europäischen Union stehen, ist sicher der, dass die Strukturfonds nur in geringem Maße aufgenommen werden. Daher macht die übermäßige Politisierung des Verwaltungsprozesses auf zentraler Ebene Rumänien zu einem Nettobeitragszahler zum EU-Haushalt, der im letzten Jahr rund 1,1 Milliarden Euro zahlte.
Der einzig verbleibende Trost besteht darin, dass 16 Millionen Euro an unser Land zurückfließen werden, da 2007 das erste Jahr war, in dem ein Haushaltsüberschuss erzielt wurde.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die politischen Vertreter des Kapitalismus im EU-Parlament haben mit großer Begeisterung zu den von der EU in Zusammenarbeit mit den Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Regierungen erarbeiteten Beschäftigungsrichtlinien beigetragen. Diese fördern die Ausbeutung der Arbeiterklasse auf grausamste Art, um das Ziel der Lissabon-Strategie zu erreichen, nämlich unbegrenzte Profitsteigerungen für Plutokraten.
Im Zentrum der EU- und Regierungspolitik steht die notorische „Flexicurity“, die auf eine vollständige Auflösung der Arbeitsbeziehungen hinausläuft. Die EU setzt Arbeitslosigkeit ein, um Arbeitnehmer einzuschüchtern. Sie schafft Tarifverträge und Vollzeit-Festanstellungen ab, die durch individualisierte Arbeitsverträge und eine Vielzahl von Teilzeitjobs ersetzt werden, bei denen kaum von Arbeitsrechten, Sozialschutz, Lohn-, Versicherungs- oder Rentenansprüchen die Rede sein kann. Ziel der EU ist ein entscheidender Schlag gegen die staatlichen Sozial-, Versicherungs- und Rentensysteme in allen Mitgliedstaaten. Unter den von der EU ausgearbeiteten mittelalterlichen Arbeitsbedingungen ist der in den EU-Beschäftigungsrichtlinien beschriebene „Modell“arbeitnehmer eine „beschäftigungsfähige“ Person, die in allen denkbaren Formen von Teilzeitarbeit arbeitet, keine Rechte hat und so ausgebildet und umgeschult worden ist, dass sie über die nach den jeweiligen Erfordernissen des Kapitalisten benötigten Fähigkeiten verfügt. Die betreffende Person ist ständig auf der Suche nach Beschäftigung, arbeitet bis ins hohe Alter oder sogar bis zum Tod und schafft unermessliche Reichtümer, derer sie von der Plutokratie beraubt wird.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meines schwedischen Kollegen Jens Holm über den Handel mit Roh- und Grundstoffen gestimmt. Mit der Vorstellung, dass es notwendig ist, die Rohstoffversorgung der Europäischen Union und ihren Zugang zu Rohstoffen auf den Weltmärkten zu sichern, bin ich einverstanden, wobei ich jedoch anmerken möchte, dass die Union gegenwärtig über keine kohärente Strategie verfügt, die es ihrer Wirtschaft ermöglichen würde, den wettbewerblichen Herausforderungen zu begegnen, denen ihre Wirtschaft durch den verschärften Wettbewerb um den Zugang zu Rohstoffen ausgesetzt ist.
Bedauerlich finde ich, dass der Bericht nicht auf die Fragen im Zusammenhang mit den währungspolitischen Manipulationen in der Welt eingeht, die zusammen mit niedrig gehaltenen Wechselkursen den fairen Wettbewerb verzerren. Von den Rohstoffen hätte das Erdöl eine besondere Untersuchung verdient, und ich wiederhole meinen Vorschlag, ein europäisches Instrument zur jährlichen Regulierung der Rohölpreise zu schaffen, mit denen man sich zumindest genauer befassen sollte – nicht etwa um die Marktgesetze zu bekämpfen, die wir akzeptieren müssen –, sondern um ihr abruptes Durchschlagen auf den Binnenmarkt zu regulieren und so die Auswirkungen des Anstiegs der Rohölpreise auf die Kosten-Preis-Kette der anderen betroffenen Sektoren (Fischerei, Verkehr usw.) abzufedern.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Holm scheint die Probleme, mit denen die Welt heute aufgrund des beispiellosen Anstiegs der Rohstoffpreise konfrontiert ist, recht gut aufzuzeigen. Für die europäischen Länder ohne eigene natürliche Ressourcen handelt es sich um Wettbewerbs- und somit Beschäftigungsprobleme, Probleme mit der Versorgungssicherheit, Probleme aufgrund erhöhter Abhängigkeit u. ä. und für die armen Länder um die Gefährdung ihrer Entwicklung, um Hungeraufstände usw.
Einige Gründe dafür werden zwar aufgezeigt, insbesondere das negative Verhalten einiger Schwellenländer wie China oder die Liberalisierung des Agrarhandels, während andere wie die Spekulation, die malthusianistische Agrarpolitik des Brüsseler Europas, das Prinzip des globalen Freihandels usw. verschwiegen oder so gut wie verschwiegen werden.
Im Hinblick auf die Lösungen ist es klar, dass dieses Parlament im Wesentlichen auf die positiven Auswirkungen einer Regulierung des freien und wettbewerbsorientierten Marktes setzt. Doch es ist genau der Markt, der heute auf grausame Weise an seine Grenzen stößt. Energie, Nahrungsmittel und Rohstoffe sind eben nicht Erzeugnisse wie alle anderen, denn von ihnen hängt das Überleben der Völker ab. Es wird Zeit, dass das Brüsseler Europa in seinen internationalen Handelsbeziehungen vor allem seine eigenen Interessen und die seiner Mitgliedstaaten verteidigt, anstatt ohne Rücksicht auf die menschlichen und gesellschaftlichen Kosten eine globalistische Utopie realisieren zu wollen.
Vasco Graça Moura (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Dieser Bericht beleuchtet Aspekte, die über den traditionellen Handel mit Roh- und Grundstoffen hinausgehen. In der neuen internationalen Situation können unterschiedliche Produktionsfaktoren und -komponenten als Rohstoffe eingestuft werden, darunter auch die Energie. Die Preissteigerung bei diesen Erzeugnissen stellt die europäische Industrie, die diese aus Drittstaaten bezieht, vor ein ernstzunehmendes Problem. Die Märkte reagieren auf die steigende Nachfrage seitens der Erzeuger, auf veränderte natürliche und Umweltbedingungen sowie auf Finanzspekulationen. Es ist beunruhigend, dass diese internationale Situation ein Preisniveau gefördert hat, das das Wirtschaftswachstum in Europa zunichte machen kann. Hat dieser Trend sich erst einmal gefestigt, führt der Wettlauf um Ressourcen zu Zwängen und Engpässen, die viele Managergenerationen beschäftigen und sicherlich Auswirkungen auf die Regierungsführung in der modernen Welt haben werden.
Das Europäische Parlament fordert die Kommission mit diesem Bericht auf, das Thema des Zugangs zu den Rohstoffmärkten im WTO-Rahmen anzusprechen. Das Ziel besteht im Erreichen von Gegenseitigkeit, und ein gangbarer Weg dahin führt über die WTO. Im Interesse von Integration, Entwicklung und Nachhaltigkeit sollten Verhandlungen über diese Erzeugnisse niemals unterhalb der regionalen Ebene stattfinden. Um größeren Spekulationen und Konflikten vorzubeugen, müssen wir sicherstellen, dass unsere Handelspartner, die im Besitz dieser Ressourcen sind, einen fairen Preis für ihre Waren erhalten.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir teilen die im Bericht enthaltenen Ansichten über den Handel mit Roh- und Grundstoffen nicht.
Wir stimmen nicht der Kritik zu, dass politische und andere Maßnahmen von Drittländern zur „Schaffung von Hemmnissen für den freien und fairen Zugang zu Rohstoffen“ führen, die „den Zugang von Unternehmen (!) der EU zu Roh- und Grundstoffen einschränken“. Jedes Land hat das unveräußerliche souveräne Recht, über den Einsatz seiner Rohstoffe und den Handel mit seinen Waren zu entscheiden. Es ist Sache der Völker der einzelnen Länder, über die Verwendung ihrer Ressourcen und des geschaffenen Wohlstands zu befinden.
Aus dem Bericht geht nicht hervor, dass das tatsächliche Problem das neoliberale Modell der EU ist. Ganz dem neokolonialistischen Gedankengut verpflichtet, zielt es darauf ab, eine Reihe von Ländern wieder in die Rolle von Rohstoffproduzenten für die Länder der EU zurückzudrängen. Dabei werden die technologische und sonstige Vormachtstellung sowie Marktmechanismen einschließlich der Finanzspekulation genutzt, um die wirtschaftliche Abhängigkeit zu fördern und die Ausbeutung durch die multinationalen Konzerne zu unterstützen.
Wirklich vonnöten sind dagegen ein deutlicher Bruch mit dem herrschenden Wirtschafts- und Sozialmodell, die Aufhebung der Trennung nach Herrschern und Beherrschten, der Schutz der staatlichen Souveränität, die Entwicklung des Wirtschaftspotenzials der einzelnen Länder sowie der Komplementarität und Solidarität in ihren Außenbeziehungen und der Übergang zu einer Produktion, die auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Bevölkerung und die Bewahrung des Planeten gerichtet ist.
Jens Holm (GUE/NGL), schriftlich. − (EN) Der Bericht über den Handel mit Roh- und Grundstoffen spricht viele wichtige Fragen unter dem Blickwinkel der Entwicklung an. Im Bericht werden der problematische Einfluss von Börsenspekulationen auf den Preisauftrieb und die wachsende Volatilität der Märkte hervorgehoben. Hier ist eine Regulierung erforderlich.
Zudem wird darin zu erhöhter Unterstützung der Diversifizierung in den Entwicklungsländern aufgerufen und die Bedeutung des politischen Raums unterstrichen, um diesen Ländern die Entwicklung nicht zuletzt ihres Agrarsektors zu ermöglichen. Im Bericht wird zudem der erhöhte Fleischkonsum kritisiert und nach Wegen gesucht, um dieses Problems Herr zu werden. Dennoch enthält der Bericht auch Aspekte, die wir für zutiefst problematisch halten. Dies gilt in erster Linie für die wiederholte Betonung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die dringende Aufforderung an die europäische Industrie, preiswerten Zugang zu Rohstoffen zu sichern.
Diese Ansicht teilen wir nicht und können nur den Schluss ziehen, dass hier das neoliberale Gesicht der EU abermals zum Ausdruck kommt. Grundsätzlich stellt der Bericht, im Vergleich zu früheren Standpunkten des Parlaments zur Handelspolitik, einen Schritt in die richtige Richtung dar.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Bericht von Jens Holm über den Handel mit Roh- und Grundstoffen. Der freie und angemessene Zugang zu Rohstoffen ist wichtig für die Wirtschaft der EU. Dennoch müssen auch die Auswirkungen der Preisschwankungen bei Roh- und Grundstoffen für die Entwicklungsländer berücksichtigt werden. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Es gibt Nachrichten, die an sich positiv sind, uns aber dennoch Sorge bereiten, wenn wir an die Konsequenzen denken. Das trifft zum Teil auch auf die Preissteigerung bei Rohstoffen zu.
Die gute Nachricht ist, dass ein immer größerer Teil der Weltbevölkerung ein für ihn bislang ungekanntes Konsumniveau erreicht, wovon mehrere Kennziffern zeugen. Die Problem liegt jedoch in einigen der Folgen, vor allem der unmittelbaren Folgen, die eine derartige Steigerung des Konsums – und somit der Nachfrage – nach sich ziehen kann. Die Gesetze der Ökonomie wirken selbst auf verzerrten Märkten, und ein Anstieg der Nachfrage bewirkt entweder eine Steigerung des Angebots oder, wie im vorliegenden Fall, eine Steigerung des Preises. Das ist eingetreten.
Die Europäische Union muss die generelle Öffnung der Märkte unterstützen, damit immer mehr Produzenten von der steigenden Nachfrage profitieren können; und sie sollte die Zunahme des Handels fördern. Gleichzeitig haben wir die Pflicht zur direkten Unterstützung derer, die unmittelbar von dieser neuen Situation betroffen sind: derer, die nicht in der Lage sind, die steigenden Preise für die Waren des Grundbedarfs zu schultern. Eine Marktverzerrung führt nur selten zu positiven Ergebnissen, insbesondere auf lange Sicht. Nichts wird uns daran hindern, die Benachteiligten finanziell zu unterstützen – ganz im Gegenteil.
Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. − (NL) Es läuft zweifellos etwas falsch beim Handel mit Rohstoffen und Waren. Bei Rohstoffpreisen wird gegenwärtig massiv spekuliert, weshalb Mineralstoffe empfindlich teuer sind. Trotz ihres natürlichen Reichtums bleiben mineralienreiche Länder arm oder werden noch ärmer.
In den Entwicklungsländern ist die ausreichende Selbstversorgung mit Lebensmitteln nicht gesichert, obgleich Nahrungsmittel in großem Umfang erzeugt werden. Das Problem ist, dass sie für viel zu niedrige Preise ausgeführt werden. Darüber hinaus zwingt uns der Klimawandel zu einem anderen Umgang mit diesem Energie verschlingenden Markt. Der Abbau von Mineralien sollte vermieden werden. Gleichzeitig ist die lokale Erzeugung und der Verbrauch von Nahrungsmitteln dem Welthandel mit landwirtschaftlichen Produkten vorzuziehen. Kurzum, der Handel mit Rohstoffen und Waren in seiner heutigen Ausprägung hat einen äußerst verzerrenden Effekt und bedarf eines multilateralen Ansatzes.
Im Bericht über den Handel mit Rohstoffen und Waren wurde die Ende 2006 von der EU vorgeschlagene ultraliberale Handelspolitik ursprünglich zu Recht angeprangert, allerdings wurde der Bericht im Laufe der Zeit derart verwässert, dass ich ihn nicht länger unterstützen kann. So enthält er beispielsweise kaum noch wichtige politische Vorschläge. Noch schlimmer ist es, dass im Bericht der freie Zugang zu Rohstoffen und Waren als ein Recht der EU und eine bilaterale Handelspolitik als ideales Instrument dargestellt werden.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den in Reaktion auf die Mitteilung der Kommission zur Strategie für die Regionen in äußerster Randlage erarbeiteten Initiativbericht meiner Kollegin und Freundin Margie Sudre gestimmt. Ich unterstütze die Idee, dass die Berücksichtigung von immer mehr arithmetischen Begründungen für die Maßnahmen nicht dazu führen darf, einen Teil der EU-Politik zur Unterstützung der Regionen in äußerster Randlage wieder in Frage zu stellen oder die dortigen Akteure zu entmutigen, indem ihnen zu schwer erfüllbare Bedingungen vorgeschrieben werden.
Die Maßnahmen der Gemeinschaft müssen als Katalysator für Initiativen wirken, mit denen diese Regionen zu Kompetenzzentren entwickelt werden, deren Grundlage Bereiche wie Abfallbewirtschaftung, erneuerbare Energien, Selbstversorgung mit Energie, biologische Vielfalt, Mobilität der Studenten, Forschung in den Bereichen Klimawandel oder Krisenmanagement bilden, in denen ihre Vorteile und ihr Know-how voll genutzt werden können. Des Weiteren unterstütze ich den Vorschlag, dass die künftige gemeinsame Einwanderungspolitik der Lage der Regionen in äußerster Randlage besondere Aufmerksamkeit schenkt, die allesamt Außengrenzen der Union darstellen. Ich möchte die Arbeit von Margie Sudre würdigen, die sich unermüdlich mit viel Kompetenz, Entschlossenheit und Mitgefühl für die Regionen in äußerster Randlage einsetzt.
Emanuel Jardim Fernandes (PSE) , schriftlich. − (PT) Der Entschließungsantrag in diesem Bericht beinhaltet Empfehlungen für die Bewertung sowie Ausblicke für die Strategie für die Regionen in äußerster Randlage, insbesondere:
– andere Indikatoren als nur das BIP als Maß für den erreichten Kohäsionsgrad zu verwenden ;
– die Kohäsionspolitik mit anderen Politikbereichen der Gemeinschaft themenübergreifend besser zu verzahnen, um die Synergieeffekte zu erhöhen; und die derzeitigen und künftigen politischen Maßnahmen der EU noch besser an die Gegebenheiten der Regionen in äußerster Randlage anzupassen;
– Konzepte und Maßnahmen anzuwenden, die nicht den Übergangskriterien unterliegen, den verschiedenen Bedürfnissen jeder Region angepasst sind und dazu beitragen, den dauerhaften Zwängen, denen diese Regionen ausgesetzt sind, zu begegnen;
– gemeinschaftliche Beihilfen für die Landwirtschaft in den Regionen in äußerster Randlage und Unterstützungsmaßnahmen für die Fischereisektoren dieser Region vorzusehen;
– den Bereich Verkehr, insbesondere was die Aufnahme der Zivilluftfahrt in das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) betrifft, differenziert zu behandeln;
– unbedingt die Umsetzung der Lissabon-Strategie in Bezug auf die Regionen in äußerster Randlage in die Diskussion einzuschließen;
– in der künftigen gemeinsamen Einwanderungspolitik der Lage der Regionen in äußerster Randlage besondere Aufmerksamkeit zu schenken;
– die Regionen in äußerster Randlage ins Zentrum der Meerespolitik der Europäischen Union zu rücken;
– die künftige Gemeinschaftsfinanzierung der Strategie für die Regionen in äußerster Randlage und des Ausgleichs der Nachteile aufgrund ihrer äußersten Randlage zu gewährleisten.
Der Bericht hat die Unterstützung durch mich und meine Fraktion verdient. Ich habe zur Annahme des Berichts aufgerufen und dafür gestimmt.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir bedauern, dass die Mehrheit im Parlament unsere Änderungsanträge abgelehnt hat, die das Ziel hatten, die vom Fischereiausschuss angenommenen wertvollen und wichtigen Vorschläge zugunsten der Regionen in äußerster Randlage in den Entschließungsantrag über die künftige Strategie der EU für die Regionen in äußerster Randlage zu integrieren, der in der heutigen Plenartagung angenommen wurde.
Einige argumentieren, dass es sich um eine Entschließung zur Regionalpolitik und nicht zur Fischerei handelt. Das ist ein Trugschluss. Mit dem Entschließungsantrag leistet das Europäische Parlament seinen Beitrag zur Zukunft der Gemeinschaftsstrategie für die Regionen in äußerster Randlage, und hier im Parlament müssen wir die angenommenen Vorschläge erörtern, darunter vor allem die vom EP-Ausschuss für Fischerei angenommenen Vorschläge – so, wie es bei der EP-Entschließung zur Meerespolitik der Fall war. Aus diesem Grund wollten wir sie entsprechend unserem Standpunkt in Portugal erneut einbringen.
Ferner bedauern wir die Ablehnung unseres Vorschlags, der eindeutig besagte, dass die Unterstützungsmaßnahmen der Gemeinschaft für die Regionen in äußerster Randlage dauerhaften Charakter tragen sollten. Die Berichterstatterin erklärt, das Ziel bestehe darin, dass diese Maßnahmen letztlich nicht mehr erforderlich sein werden. Das ist im Grunde ein (Schein-) Argument, das davon ablenken soll, dass die Nachteile, denen die Regionen in äußerster Randlage dauerhaft ausgesetzt sind, bei jedem Haushaltsplan oder Gemeinschaftsrahmen zur Sprache kommen müssen.
Fernand Le Rachinel (NI), schriftlich. – (FR) Frankreich ist von der Politik der Europäischen Union für die Regionen in äußerster Randlage stark betroffen.
Die Spezifik dieser Regionen muss in den Brüsseler Politiken unbedingt viel stärker und viel besser berücksichtigt werden, als dies heute der Fall ist, und zwar insbesondere:
- in der Handelspolitik, da die Produktion der Regionen in äußerster Randlage in Konkurrenz mit der der Nachbarländer steht, die von äußerst günstigen Bedingungen seitens der EU profitieren;
- in der Einwanderungspolitik, denn diese Regionen sind der Einwanderung in besonderem Maße ausgesetzt, und der Zustrom von illegalen Einwanderern führt dort zu wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten, die bei weitem die örtlichen Kapazitäten zu ihrer Überwindung übersteigen;
- in den Vorschriften zu staatlichen Hilfen und insbesondere durch die Aufrechterhaltung der steuerlichen Ausnahmeregelungen für diese Regionen, die immer wieder unter Berufung auf das Europarecht in Frage gestellt werden.
Besonders beunruhigt bin ich über die rechtliche Unklarheit in Bezug auf Saint-Barthélemy. Diese kleine französische Insel ist seit 2007 eine Gebietskörperschaft, die durch den Wechsel ihrer Rechtsform die steuerliche Ausnahmeregel aufrechterhalten wollte, die die Voraussetzung für ihr wirtschaftliches Überleben ist. Doch die EU scheint sie weiterhin als Teil der Regionen in äußerster Randlage zu betrachten, d. h. als ein Unionsgebiet, das dem Gemeinschaftsrecht unterliegt. Es wäre nicht hinnehmbar, wenn durch diese Ambivalenz der von 95 % der Bevölkerung eindeutig zum Ausdruck gebrachte Wunsch nach Autonomie in Frage gestellt würde.
Ramona Nicole Mănescu (ALDE), schriftlich. − (RO) Das Hauptproblem der sieben Regionen in äußerster Randlage besteht darin, dass sie sich, obwohl in ihnen nur 1 % der Unionsbürger lebt, in einer heiklen wirtschaftlichen und sozialen Lage befinden, die sich durch ihre Insellage weitab vom Festland, ihr schwieriges Oberflächenrelief und Klima sowie ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von sehr wenigen Erzeugnissen noch verschlimmert.
Wenn wir die von der Kommission aufgeführten und von der Berichterstatterin unterstützten Maßnahmen wie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die Verringerung der Probleme mit der Zugänglichkeit und die Integration der Regionen in äußerster Randlage in das regionale geografische Umfeld als Priorität ansehen, können wir zur Verbesserung der sozioökonomischen Lage dieser Regionen beitragen, ihre Entwicklung an die anderer Regionen der Europäischen Union anpassen und ihre Ressourcen im Einklang mit den Auflagen der Gemeinschaft zum Guten wenden.
Dies ist auch einer der Gründe, warum ich für diesen Bericht gestimmt habe. Außerdem möchte ich noch anmerken, dass den Häfen mehr Beachtung geschenkt werden muss, da 6 der 7 Regionen in äußerster Randlage Inseln sind. Fern kann die Modernisierung der Hafeninfrastrukturen zur Förderung und Weiterentwicklung des Fremdenverkehrs, der Produktion und der lokalen Märkte beitragen.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Es entspricht dem Solidaritätsgedanken der Europäischen Union, die EU-Regionen in äußerster Randlage zu fördern, damit deren durch ihre schwierige Zugänglichkeit entstandenen Nachteile gemindert werden können. Insbesondere ist sicher dafür Sorge zu tragen, dass diese Regionen nicht ihre landwirtschaftliche Selbstversorgungsfähigkeit verlieren, was aber auch generell für die Europäische Union als Ganzes zu gelten hat.
Diesbezüglich muss es unsere gemeinsame Anstrengung sein, die kleinbäuerlichen Strukturen – etwa auch jene der Bergbauern in Österreich, aber auch jedes einzelnen traditionellen Klein-, Mittel- und Biobauern – zu erhalten, damit sie ihre ökologisch wertvolle Arbeit weiter aufrecht erhalten können und wir unsere Lebensmittelsouveränität nicht an Riesenfarmen verlieren oder von agrarischen Großkonzernen abhängig werden. Aus diesem Grund habe ich für den Bericht Sudre gestimmt.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die Regionen in äußerster Randlage weisen Besonderheiten auf, die bei Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Entwicklung in Europa zu berücksichtigen sind. Trotzdem ist noch viel zu tun, damit die Entwicklung dieser Regionen weiter vorankommt und damit wir größeren Nutzen aus diesen an andere weltweite Wirtschaftsblöcke angrenzenden Gebieten ziehen können.
Durch bereichsübergreifende und zusätzliche Maßnahmen für die Regionen in äußerster Randlage hat sich deren wirtschaftliche und soziale Lage verbessert, und es kommt darauf an, weiterhin auf ihre verbesserte Anbindung, erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und stärkere regionale Integration hinzuarbeiten. Dennoch gibt es in diesen Regionen immer noch Probleme, die keine Beachtung finden; dies betrifft beispielsweise die Bewahrung der traditionellen Landwirtschaft, die stärkere Förderung der Entwicklung der maßgeblichen Wirtschaftsbereiche und die Aufrechterhaltung differenzierter Steuersysteme. Die optimale Nutzung der besonderen Vorteile der Regionen in äußerster Randlage ist daher der beste Weg, um eine nachhaltige Entwicklung dieser Regionen zu gewährleisten und ihre Attraktivität sowie die Zusammenarbeit zu fördern.
Neue Prioritäten in Bezug auf den Klimawandel, die demografische Entwicklung und die Steuerung der Migrationsströme, die Landwirtschaft und die Meerespolitik zu setzen, ist eine nützliche Maßnahme. Sie muss ergänzt werden durch die wirtschaftliche Diversifizierung in den Regionen in äußerster Randlage, durch die Nutzung ihrer Besonderheiten, die breitestmögliche Anwendung der geltenden Regeln und die Nutzung der am besten geeigneten Instrumente für die Lösung der spezifischen Probleme dieser Regionen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe mich zu dem als Reaktion auf die Mitteilung der Kommission über die verbraucherpolitische Strategie der Gemeinschaft für 2007-2013 erarbeiteten Initiativbericht meines finnischen Kollegen Lasse Lehtinen der Stimme enthalten.
Selbstverständlich bin ich damit einverstanden, dass die 493 Millionen europäische Verbraucher im Mittelpunkt der drei Hauptaufgaben stehen müssen, die die Union zu bewältigen hat: Wachstum, Beschäftigung und die notwendige Herstellung größerer Bürgernähe, sowie damit, dass sie die Haupttriebkraft für die Wirtschaft darstellen, da ihr Verbrauch 58 % des BIP der EU ausmacht.
Trotzdem bin ich überzeugt, auch wenn die erfolgreiche Schaffung des Binnenmarktes dem Wettbewerb zu verdanken ist, d. h. der besonderen Aufmerksamkeit für den Verbraucher, müssen wir angesichts der gegenwärtigen globalen Herausforderungen die Produzenten in den Mittelpunkt unseres Wirkens stellen. Des Weiteren habe ich angesichts des Fehlens einer ernsthaften rechtlichen Studie große Vorbehalte gegen die übereilte Art und Weise, in der in dem Bericht die Frage von Sammelklagen von Verbrauchern gegen Produzenten angegangen wird, indem die Kommission aufgefordert wird, eine kohärente Lösung auf europäischer Ebene vorzuschlagen, die allen Verbrauchern Zugang zu Mechanismen mit kollektiven Rechtsbehelfen für die Regelung grenzüberschreitender Klagen verschafft.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Um den Verbrauchern einen besseren Schutz zu bieten, wird in dem Bericht Lehtinen vorgeschlagen, die in den einschlägigen Bereichen geltenden Rechtsvorschriften zu verbessern, indem sie vereinfacht und von regionalen Unterschieden befreit werden. Die EU muss eine echte grenzübergreifende Wirtschaftspolitik entwickeln, die auf den Schutz der Rechte der Verbraucher und den Erhalt ihrer Gesundheit abzielt.
Der betreffende Vorschlag, den ich unterstütze, hat daher das Ziel, einen harmonisierten Rechtsrahmen zu schaffen, der ein solides, integriertes System für Produktsicherheit gewährleistet und den Verbrauchern wirkliches Vertrauen in die auf dem europäischen Markt angebotenen Erzeugnisse zu geben vermag, was in der Folge einen allgemeinen Konsumanstieg bewirken wird.
Um jedoch zu einer effektiven Verbraucherschutzpolitik zu kommen, muss die EU viel Kraft in die Verbesserung der Marktüberwachung, auch durch Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit, und in Informations- und Erziehungskampagnen für die Verbraucher selbst investieren: So lange die Verbraucher nicht davon überzeugt sind, dass ihre Produkte vollkommen sicher sind, wird der europäische Markt sein Potenzial nicht voll entfalten können.
Dadurch könnte Europa zu einem wahrhaft wettbewerbsfähigen Markt werden, der seine Verbraucher zufrieden stellt und schützt und sie ermutigt, aktiver, zu wirklichen Protagonisten des Marktes selbst, zu werden.
Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Ich habe den Bericht von Lasse Lehtinen unterstützt, weil die Transparenz der Rechtsvorschriften für den Verbraucherschutz in der EU sowohl für die Verbraucher als auch für die Hersteller, die im Wettbewerb unter einander stehen, nützlich ist. Durch die ökonomischen Veränderungen in den neuen Mitgliedstaaten sind neue Handlungsprinzipien für Marktteilnehmer eingeführt worden. Das den Konsumenten heute angebotene Warensortiment wird immer vielfältiger, was Produkte und Dienstleistungen betrifft. Dennoch meine ich, die Stellung der Verbraucher bleibt insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten – wir alle erinnern uns noch gut an die Anfänge des freien Marktes – gegenüber den großen Konzernen relativ schwach. Mehr Transparenz und ein verbesserter rechtlicher Rahmen sind nötig, um Verbrauchern einen angemessenen Schutz ihrer Rechte garantieren.
Es war mir auch eine Freude, den Teil des Berichts anzunehmen, in dem sich der Berichterstatter für eine Unterstützung der kleinen und mittelständischen Unternehmen in der EU ausspricht. In meiner Heimat, der Region Kleinpolen, machen KMU 95 % der Gesamtunternehmen aus, wobei die meisten von ihnen noch nicht sehr lange existieren (30 % davon noch keine 5 Jahre).
Colm Burke und Malcolm Harbour (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die PPE-DE-Fraktion unterstützt mit Nachdruck ein umfassendes Maßnahmenprogramm zur Information und Stärkung der Verbraucher im europäischen Binnenmarkt. Wir möchten, dass die Verbraucher höchstmöglichen Nutzen aus Auswahl, Vielfalt und Innovation ziehen können, die in einem florierenden, aus fast 500 Millionen Verbrauchern bestehenden Markt verfügbar sind, dem größten Einzelhandelsmarkt weltweit.
Zudem möchten wir, dass die Verbraucher schnell und wirksam von ihrem Recht auf Rechtsschutz Gebrauch machen können, falls sie Problemen begegnen. Wir unterstützen einen einfachen und wirksamen Zugang zum Rechtsschutz insbesondere auf außergerichtlichem Weg, jedoch mit der Klagemöglichkeit als letztem Ausweg.
Wir haben uns heute der Stimme enthalten, weil die PSE einen sehr positiven Bericht durch das Einbringen ihrer Forderung nach einer gänzlich unerprobten und potenziell kostspieligen Rechtsvorschrift für sich vereinnahmt hat, die die Durchsetzung des Rechts auf Sammelklagen auf europäischer Ebene vorsieht. Die Kommission führt bereits umfangreiche Beratungen zur Frage der Durchsetzung von Verbraucherrechten. Es ist viel zu früh, um Schlüsse hinsichtlich der möglicherweise erforderlichen Änderungen zu ziehen. Wir können viel bewirken, indem wir die bestehenden Rechtsschutzmittel verbessern und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten intensivieren.
Die PSE schadet den Verbraucherrechten, indem sie versucht, von der Notwendigkeit konsequenterer Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung von Verbraucherrechten auf allen Ebenen abzulenken, während ... (Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 163 der Geschäftsordnung).
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Eine gute Verbraucherschutzpolitik muss verschiedene Grundsätze beherzigen.
An erster Stelle wird eine Strategie für eine gerechte Einkommensverteilung und -umverteilung benötigt, deren Grundlage menschenwürdige Löhne sowie angemessene Gewinne für die Erzeuger und insbesondere für Klein- und Kleinstbauern, -erzeuger und –händler sind, um die Entwicklung von Märkten unmittelbar dort anzuregen, wo die Lebensmittel produziert werden, und damit die Lebensmittelsicherheit und -souveränität zu fördern.
An zweiter Stelle ist eine wirksame Strategie zur Bekämpfung von Handels- und Finanzspekulationen erforderlich, wobei es auf Verbraucherinformationen und Transparenz ankommt.
Doch der Bericht schenkt dieser Problematik wenig Aufmerksamkeit, sondern widmet sich insgesamt eher dem Schutz der Interessen von Wirtschafts- und Finanzkreisen sowie der Liberalisierung von Dienstleistungen anstatt den Verbrauchern. Auch wenn er zum Teil einige positive Vorschläge enthält, handelt es sich doch um ein gänzlich neoliberales Konstrukt, das den Verbraucher zum schwächsten Glied in der Kette macht.
Zum Beispiel wird in dem Bericht hervorgehoben, dass eine stärkere Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes erforderlich ist, um den Wettbewerb zu fördern und den Verbrauchern dadurch niedrigere Preise zu bieten. Uns ist sehr wohl bekannt, dass dieses Argument fragwürdig ist und nur den Interessen der Unternehmen dient. Deshalb konnten wir nicht für diesen Bericht stimmen.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Die Verbraucher stehen im Mittelpunkt des Interesses des Binnenmarktes und sollten aus diesem Grunde seine Hauptbegünstigten sein. Dennoch ist meines Erachtens ein Gleichgewicht zwischen Rechtsvorschriften, die Verbrauchern einen starken Schutz bieten, und den Bedingungen für das Funktionieren der Unternehmen zu wahren.
Niemand unterschätzt die Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die Durchsetzung ihrer Forderungen. Dennoch glaube ich, dass wir Verbrauchern vor allem Möglichkeiten eröffnen sollten, ihre Forderungen schnell und wirksam durchzusetzen. Meines Erachtens sollten außergerichtliche Rechtsmittel für den Umgang mit Beschwerden von Verbrauchern besonders hervorgehoben werden. An dieser Stelle möchte ich darauf verweisen, dass nach Angaben von Business Europe nicht weniger als 90 % der Streitigkeiten zu den Verbraucherrechten außergerichtlich beigelegt werden. Auch das Kostenelement dieser so geführten Verfahren ist nicht unwichtig, da die Kosten in diesem Falle bedeutend niedriger sind als im Falle eines Gerichtsverfahrens.
Meines Erachtens ist die im Europäischen Parlament abgestimmte Änderung bezüglich der Einführung eines europäischen Systems für Sammelklagen von Verbrauchern keine Garantie für einen wirksameren Verbraucherschutz. Diese Frage sollte von der Europäischen Kommission erörtert und eine Entscheidung bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse aufgeschoben werden. Gegebenenfalls wird diese Frage durch die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten angemessen geregelt. Darüber hinaus befürchte ich, dieses System schafft Bedingungen für Klagen, deren wahre Begünstigte nicht die Verbraucher sein werden, sondern Anwaltskreise, die vom Anstieg der Sätze für die geführten Prozesse profitieren.
Anna Hedh (PSE), schriftlich. − (SV) Ich halte es für gut, dass die EU Verantwortung für die Verbraucher übernimmt und habe daher für den Bericht gestimmt. Allerdings bin ich gegen die Idee einer Harmonisierung des Verbraucherschutzes in der EU und die Aufforderung an weitere Länder, den Euro einzuführen.
Jens Holm, Søren Bo Søndergaard und Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. − (EN) Der Bericht enthält den Vorschlag, das Amt eines Europäischen Bürgerbeauftragten für Verbraucherbelange einzurichten. Wir stehen diesem Vorhaben aus verschiedenen Gründen skeptisch gegenüber: Dieses Amt könnte mit erheblichen Kosten verbunden sein, die möglicherweise die Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen untergraben könnten.
Darüber hinaus ist die Schaffung eines weiteren Amtes auf europäischer Ebene mit dem Risiko verbunden, zu bürgerfern zu sein. Trotz der genannten Gründe unterstützen wir jedoch den Bericht, da er den Zugang der Verbraucher zu Sammelklagen stärkt, der für das Vertrauen der Verbraucher bei der Tätigung grenzüberschreitender Einkäufe von elementarer Bedeutung ist.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe gegen den Bericht von Lasse Lehtinen über die verbraucherpolitische Strategie gestimmt, weil ich trotz der vielen darin enthaltenen Punkte, denen ich zustimmen kann, die Forderung nach einer stärkeren Liberalisierung der Dienstleistungen zutiefst ablehne. Es ist richtig, dass bestimmte Dienstleistungen von einem liberalisierten Wirtschaftsumfeld profitieren können und dass der freie Dienstleistungsverkehr zu den vier Grundfreiheiten der EU zählt.
Ich bin jedoch der Auffassung, dass öffentliche Dienstleistungen zum Wohle der Allgemeinheit und der Bürger, denen sie dienen, betrieben werden sollten und nicht zum Zweck der privaten Gewinnerzielung. Dienstleistungen in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und lebenswichtige Verkehrsverbindungen sollten in öffentlicher Hand, unter öffentlicher Kontrolle und in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Der Bericht von Lasse Lehtinen über die verbraucherpolitische Strategie der EU (2007-2013) verweist erneut auf die Notwendigkeit, die Verbraucher der EU zu stärken und ihr Wohl und ihren Schutz in der gesamten Union zu verbessern. Meine Stimme spiegelt den Bedarf eines verbesserten Verbraucherschutzes in der gesamten EU wider.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Die verbraucherpolitische Strategie der EU 2007-2013 stellt die Weichen für die Entwicklung auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes, aber es ist auch anzumerken, dass die Zahl der Ad-hoc-Klagen noch viel zu gering ist. Wir müssen einen Plan für weitere konkrete und konsequente Schritte ausarbeiten, durch die der Verbraucherschutz zu einem Element aller Verordnungen der EU wird. Es muss dafür gesorgt werden, dass der Verbraucherschutz selbst kein gesonderter Bereich der EU-Politik wird, sondern in alle europäischen Politiken Eingang findet, die den europäischen Binnenmarkt betreffen.
Ohne die richtigen Schutzmechanismen wird dieses wichtige europäische Vorhaben – die Schaffung eines Binnenmarktes – nicht vollendet. Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass der Schutz der EU-Verbraucher auch eine externe Dimension hat – hier sei nur an das vor kurzem aufgetretene Problem mit importiertem chinesischen Spielzeug erinnert. Unser Ziel sollte es sein, volles Vertrauen der Verbraucher in alle Erzeugnisse zu erreichen, die auf dem Binnenmarkt angeboten werden.
Des Weiteren sollte ein echter Binnenmarkt ein europäisches System für Verbraucher-Sammelklagen vorsehen. Bei der Schaffung eines solchen Systems sollten Schlussfolgerungen aus dem US-System der Sammelklagen mit allen seinen Nachteilen gezogen werden.
Marianne Thyssen (PPE-DE), schriftlich. − (NL) Herr Präsident! Prinzipiell unterstütze ich den Bericht von Lasse Lehtinen. In der im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz verabschiedeten Form beinhaltet er alle grundlegenden Aspekte, die in Reaktion auf die Mitteilung der Kommission behandelt werden müssen: das Streben nach einem horizontalen Ansatz, die Beachtung des Vertragsrechts, die Anerkennung der Rolle der Verbraucherorganisationen, der Bedarf an Ausgewogenheit, die Besonderheiten von KMU, die Bedeutung des Soft Laws, der offenen Koordinierungsmethode sowie fundiertes Wissen und die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung des Dienstleistungssektors. Auch der Abschnitt über den verbesserten Zugang zum Rechtsschutz ist unserer Ansicht nach von Bedeutung. Das ist eine Dimension der Wahrung von Recht und Ordnung. Bedauernswert ist jedoch, dass in der Plenarsitzung ein Änderungsantrag für Ziffer 40 angenommen wurde, in dem Sammelklagen befürwortet werden, bevor eine Analyse auf Basis der im Bericht geforderten Untersuchung verfügbar ist. Sammelklagen stellen einen grundlegenden Eingriff in das Prozessrecht dar. Aus diesem Grund ist es unannehmbar, den Karren vor das Pferd zu spannen. Darum enthalte ich mich der Stimme.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe mich zu dem Initiativbericht meiner britischen Kollegin Elisabeth Lynne zu den Fortschritten in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU seit der Umsetzung der Richtlinien von 2000 der Stimme enthalten.
Ich bin im Wesentlichen einverstanden mit den im Bericht genannten Grundsätzen, insbesondere der Nichtdiskriminierung in Bereichen wie Bildung, lebenslanges Lernen, Beschäftigung, Sozialschutz, Wohnungswesen und Gesundheitsfürsorge, die Darstellung diskriminierter Gruppen in den Medien und der Werbung, konkreter Zugang von Menschen mit Behinderungen zu Information, Telekommunikation, elektronischer Kommunikation, Verkehrsmitteln und öffentlichen Einrichtungen, sozialen Vorteilen sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen usw.
Ich bin jedoch nicht von der Notwendigkeit einer neuen Richtlinie auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrags überzeugt. Die politische Debatte muss fortgeführt werden. Fortsetzung folgt …
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die Konservativen MdEP lehnen jede Form der Diskriminierung zutiefst ab. Um darüber keine Zweifel entstehen zu lassen, haben wir unsere eigenen Änderungsanträge zu diesem Bericht eingebracht. Wenngleich einige Aspekte anhaltender Diskriminierung noch immer ein Problem darstellen mögen, ist der Gedanke, ihm durch zusätzliche EU-Rechtsvorschriften beizukommen, ziemlich abwegig.
Das Vereinigte Königreich verfügt bereits über ein ganzes Regelwerk zur Diskriminierung, das sich in der Praxis noch immer als schwer anwendbar erweist. Wir müssen die Anwendung der bestehenden Gesetze verbessern und die Probleme der Anwendung besser verstehen lernen, bevor wir den Weg immer neuer EU-Richtlinien gehen.
Dieser Bericht, eine Initiativentschließung, die noch eine weitere „umfassende und breit angelegte“ EU-Richtlinie gegen die Diskriminierung fordert, ist bestenfalls politisches Schattenboxen und schlimmstenfalls eine unbefristete Einladung an die Kommission, in einem höchst sensiblen Bereich immer neue EU-Rechtsvorschriften zu erlassen, bei denen alles über einen Kamm geschert wird.
Ein Mitglied der Industrie- und Handelskammer des Vereinigten Königreichs brachte es auf den Punkt, als er sagte: „Die meisten Fälle von Diskriminierung werden nicht durch weitere Gesetze gelöst. Unsere Zeit wäre sinnvoller genutzt, würden wir sie für kultur- und konfessionsübergreifende Veranstaltungen verwenden, die dazu beitragen, Einstellungen zu verändern.“ Dem stimmen wir zu.
Brian Crowley (UEN) , schriftlich. − (EN) Dieser Bericht stellt einen Versuch dar, über die Zuständigkeiten hinauszugehen, die die Mitgliedstaaten der EU im Bereich der Antidiskriminierung eingeräumt haben. In den Verträgen sind die Gebiete klar festgelegt, in denen die EU die Befugnis hat, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, und welche Möglichkeiten die Mitgliedstaaten selbst haben.
Dieser Bericht ist ein Initiativbericht, d. h. von Seiten der Kommission gibt es keinen Gesetzesvorschlag, und er geht über die in den aktuellen Verträgen geregelten Befugnisse hinaus, ebenso wie über den Stand, der gelten wird, wenn der Vertrag von Lissabon ratifiziert wird. Tatsächlich sind alle Antidiskriminierungsmaßnahmen, die in die Zuständigkeit der EU gehören, Sache der Regierungen unserer Mitgliedstaaten, und jede Regierung hat ein Vetorecht. Dies ist KEINE Angelegenheit des Europäischen Parlaments.
Gemäß den nach den bestehenden Verträgen gültigen Befugnissen müssen alle Mitgliedstaaten den Antidiskriminierungsgesetzen zustimmen. Tatsächlich verfügt Irland über ein sehr überzeugendes nationales Regelwerk zur Antidiskriminierung, beispielsweise den „Equal Status Act“, und kann eine hervorragende Bilanz vorweisen.
Der Ansatz, die Rechte Behinderter zu verbessern und die Beschränkungen beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen gezielt anzugehen, ist lobenswert. Dieser Bericht geht jedoch über die Zuständigkeit der Union hinaus, daher hat ihn die Fianna Fáil-Delegation abgelehnt.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Bericht von Liz Lynne über die Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU gestimmt, denn wir müssen die Europäische Kommission dringend auffordern, die Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG zur Gleichbehandlung von Personen sowie die Durchsetzung des darauf beruhenden nationalen Rechts streng im Auge zu behalten.
Ich möchte hervorheben, dass Frauen besonders stark von Diskriminierung im Arbeitsleben betroffen sind, vor allem was ihre mögliche Mutterschaft betrifft.
Das Recht auf Schutz vor jeglicher Form von Diskriminierung gehört zu den unabdingbaren und wesentlichen Grundsätzen der Europäischen Union, doch mangelt es an wirksamen Regelungen und an der Umsetzung, so dass die Gefahr besteht, dass dieses Recht jeglicher Bedeutung beraubt wird.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Der Bericht enthält einige positive Aspekte, namentlich die Forderung an die Kommission und die Mitgliedstaaten, allen Diskriminierungen auf der Grundlage des Beschäftigungsvertrags ein Ende zu setzen, indem sie allen Arbeitnehmern Gleichbehandlung, Gesundheitsschutz und Sicherheit und Regelungen über Arbeits- und Ruhezeiten, Vereinigungs- und Vertretungsfreiheit, Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung, Tarifmaßnahmen und Kollektivmaßnahmen garantieren.
Des Weiteren betont er die Bedeutung des Zugangs zur Weiterbildung sowie des fortgesetzten Schutzes erworbener Rechte durch Berücksichtigung von Aus- und Weiterbildungszeiten, verbesserter Betreuungsmöglichkeiten, der Wahrung wesentlicher sozialer Rechte wie Pensionsansprüche, der Ansprüche auf Weiterbildung und des Rechts auf Arbeitslosenunterstützung bei Veränderung der Beschäftigungssituation eines Arbeitnehmers, beim Wechsel von einem Beschäftigungsvertrag zum nächsten und beim Wechsel von abhängiger zu selbstständiger Arbeit.
Unter Beachtung all dessen hat sich die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten bemüht, den Bericht in verschiedener Hinsicht abzuändern, speziell in Bezug auf den Inhalt der Forderung nach einer Nichtdiskriminierungsvorschrift. Damit hatte sie keinen Erfolg, denn es wurde dagegen gestimmt.
Wir für unseren Teil lehnen die Vorschläge der PPE-DE ab und haben die Berichterstatterin unterstützt, obwohl wir dem Bericht in einigen Punkten nicht zustimmen.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht Lynne zur Bekämpfung der Diskriminierung in den Mitgliedstaaten insbesondere im Bereich der Beschäftigung liegt genau auf der Linie der von diesem Parlament zu diesem Thema verabschiedeten Berichte. Es ist nicht schwer, hinter den allgemeinen Begriffen und den wenigen Verweisen auf Frauen und Behinderte den wahren, zwanghaften Gegenstand Ihrer Aufmerksamkeit herauszufinden: die Immigrantengruppen.
Als Ablenkungsmanöver wird alles willkürlich miteinander vermengt: die Diskriminierung von Frauen, von Jungen, von Alten, aufgrund der ethnischen Herkunft usw., aber auch aufgrund der nationalen Herkunft. Doch wenn es eine Art von Diskriminierung gibt, die moralisch, rechtlich und politisch voll und ganz gerechtfertigt ist, dann die nationale und europäische Präferenz bei der Beschäftigung und den Sozialleistungen. Dementsprechend sind Ihre Vorschläge von „positiven Maßnahmen“ – denn Sie wagen nicht, die wahre Bezeichnung zu verwenden – schlicht und einfach eine wirkliche umgekehrte Diskriminierung, deren erste Opfer die Europäer in ihren eigenen Ländern wären und bereits sind. Sie sind jedoch der Auffassung, dass eine solche Diskriminierung normal ist.
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Als Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres unterstütze ich voll und ganz den Bericht von Elizabeth Lynne. Ich bezweifle nicht, dass das derzeit gültige Völkerrecht und unsere eigenen EU-Rechtsvorschriften – aus formaler Sicht – erstrebenswerte und gute Lösungen sind. Daher bedauere ich, dass ihr Inkrafttreten ständig auf zahlreiche Hindernisse stößt, selbst in unserem Europa, das doch demokratischer und weniger diskriminierend zu sein scheint.
Es ist schon erstaunlich, dass wir die EU-Mitgliedstaaten aufrufen müssen, die Bestimmungen von Richtlinie 2000/78/EG voll anzuerkennen und die Fortschritte auf dem Gebiet der Beseitigung aller Arten von Diskriminierung aus dem politischen, gesellschaftlichen und Wirtschaftsleben dauerhaft und systematisch zu überwachen.
Das ist von besonderer Bedeutung für die Bürger meines Landes, Polens, die die Vorzüge des Gemeinsamen Marktes und der Freiheit des Personenverkehrs – in vielen EU-Ländern leben und arbeiten zu können – genießen. Leider muss ich mit Bedauern feststellen, dass es zunehmend Anzeichen von Diskriminierung meiner Landsleute einzig und allein aufgrund ihrer Nationalität gibt. Beunruhigende Informationen dieser Art kommen zunehmend u. a. aus Deutschland, Großbritannien und Irland. Es wäre schon paradox, wenn sich das Europäische Parlament zwar intensiv und wirkungsvoll in die Bekämpfung von Erscheinungsformen von Diskriminierung in aller Welt einbrächte, aber nicht in der Lage wäre, zu Hause mit der Achtung der Menschenrechte fertig zu werden. Verdienen doch alle EU-Bürger, gleich und ohne Diskriminierung behandelt zu werden!
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Zu Beginn möchte ich unterstreichen, dass eine Debatte und Maßnahmen gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit sehr wichtig sind.
Aber wie die Berichterstatterin selbst hervorhebt, haben einige Mitgliedstaaten die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Personen ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG) und zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EC) noch nicht vollständig umgesetzt. Aufgrund der bei der Umsetzung dieser Bestimmungen auftretenden Probleme scheinen die richtige Umsetzung und die wirksamere Durchführung der in dieser Richtlinie verankerten Bestimmungen von vorrangiger Bedeutung zu sein.
Die Lage lässt sich nicht dadurch verbessern, dass mehr Kategorien von Personen durch mehr Rechtsvorschriften erfasst werden. Am wichtigsten sind Aufklärungs- bzw. Informationskampagnen und Sensibilisierungsmaßnahmen, vorrangig auf der Ebene der Mitgliedstaaten, mit denen die richtigen Antworten auf die genannten Probleme gegeben werden. Die in Verbindung mit Diskriminierung und Chancengleichheit verbundenen Aufgabenstellungen sind nicht in allen Mitgliedstaaten gleich.
Auch aus diesem Grunde bin ich dagegen, immer mehr Rechtsetzungsakte zu erlassen, da sie nicht dazu beitragen, die Probleme der Chancengleichheit und der Diskriminierung zu beseitigen. Allerdings vertrete ich die Auffassung, dass die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, für deren konkrete Situation ein umfassender Vorschlag mit Umsetzung auf Ebene der Mitgliedstaaten notwendig ist, einer gesonderten Betrachtung bedarf. Daher hoffe ich, die Europäische Kommission wird diese Initiative schon in allernächster Zukunft ergreifen.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Bericht von Elizabeth Lynne mit dem Titel „Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU“. Ich meine, wir sollten nicht bestrebt sein, in der EU eine Hierarchie der Diskriminierung zu fördern.
Meine Kollegen in der Konservativen Partei sehen das offenbar anders, aber sie dürften Mühe haben, eine plausible Erklärung für ihre Haltung zu finden, die ich für gänzlich unvertretbar halte. Wir brauchen eine horizontale Richtlinie basierend auf Artikel 13, und ich habe für den Bericht von Frau Lynne gestimmt.
Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die Mitglieder der Fine Gael-Partei in der PPE-DE-Fraktion, Mairead McGuinness, Avril Doyle, Gay Mitchell und Colm Burke, haben sich bei der Schlussabstimmung zum Bericht „Fortschritte in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU“ von Elizabeth Lynne der Stimme enthalten.
Der Bericht weist auf „Mängel bei der Umsetzung und Anwendung“ der Richtlinie 2000/78/EG hin und kritisiert die Mitgliedstaaten dafür. Er fordert zudem eine strengere Überwachung der Umsetzung und Anwendung durch die Mitgliedstaaten sowie eine Verstärkung des EU-Rechts auf diesem Gebiet.
Wir unterstützen die Forderung nach vollständiger Umsetzung und Anwendung der EU-Richtlinien, möchten jedoch anmerken, dass die Vertragsverletzungsverfahren gegen einige Mitgliedstaaten immer noch nicht abgeschlossen sind.
Maßnahmen zur Beendigung der Diskriminierung haben unsere volle Unterstützung, auch zusätzliche Maßnahmen, dennoch können wir zu diesem Zeitpunkt die Forderung nach einer weiteren EU-Richtlinie auf diesem Gebiet nicht unterstützen. Es ist wichtig, dass die bestehenden EU-Richtlinien vollständig umgesetzt werden, und die Kommission sollte sich weiter darum bemühen, ihre Einhaltung auf der Ebene der Mitgliedstaaten sicherzustellen, bevor neue EU-Maßnahmen ins Auge gefasst werden können.
Rovana Plumb (PSE), schriftlich. − (RO) Ich habe für diesen Bericht gestimmt und halte ihn im Hinblick auf die erzielten Fortschritte, aber vor allem auf die künftigen Maßnahmen für wichtig, die zur Erreichung der Chancengleichheit und Bekämpfung der Diskriminierung erforderlich sind. Die Bestimmungen dieses Berichts bilden einen der fortschrittlichsten Teile der Rechtsvorschriften und verschaffen einer bedeutenden Anzahl von Unionsbürgern echte Vorteile zur Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Angaben der Kommission zufolge sind 51 % der Unionsbürger davon überzeugt, dass in ihrem Land nicht genug zur Bekämpfung der Diskriminierung und Gewährleistung von Chancengleichheit getan wird.
77 % der EU-Bürger sind der Ansicht, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, und 72 % glauben, dass die über 50-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentiert sind.
Den Erfolg des Berichts garantieren folgende zwei Aspekte: die wichtige Unterstützung der Bevölkerung bei der Annahme von Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung, die Chancengleichheit für alle garantieren würden, sowie die feste politische Zusage der europäischen Sozialdemokraten, eine Gesellschaft aufzubauen, in der niemand ausgeschlossen wird und in der alle Bürger gleiche Chancen haben. Ich gratuliere Frau Lynne zu ihrem Bericht.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Das aktive und engagierte Eintreten für die Nichtdiskriminierung darf nicht mit Relativierung verwechselt werden, wonach alles gleich ist, alles gleichgestellt ist und alle Entscheidungen, Alternativen und Situationen in der Rechtsordnung gleichen Wert haben. Beispielsweise ist es keineswegs ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wenn Maßnahmen zum Schutz kinderreicher Familien ergriffen werden. Auch die Ablehnung gesetzlicher Vorschriften für alle nur erdenklichen Arten zwischenmenschlicher Beziehungen hat nichts mit Diskriminierung zu tun. Was ich im Zusammenhang mit Nichtdiskriminierung unterstütze – und ich halte es für meine Pflicht, dies zu unterstützen – ist vor allem die Verteidigung eines breitgefassten Konzepts der persönlichen Freiheit und die Ablehnung einer kollektivistischen staatlichen Vorstellung von Freiheit, der zufolge nur das nichtdiskriminierend ist, was vom Staat gefördert wird. Die Gesellschaft hat Präferenzen, die ihren Ausdruck in den öffentlichen Politiken finden, und das ist auch zulässig. Sie kann und darf aber keine Verhaltensweisen aufoktroyieren und keine Verhaltensweisen untersagen, die nicht mit der Freiheit Dritter kollidieren.
Lydia Schenardi (NI), schriftlich. – (FR) Es gibt gegenwärtig nicht weniger als fünf Richtlinien zur Chancengleichheit und zur Nichtdiskriminierung in der Europäischen Union. 28 Vertragsverletzungsverfahren sind gegen Mitgliedstaaten anhängig, die diese nicht umgesetzt haben. Das kann man nur bedauern.
Sollten wir jedoch die Gleichstellung der Geschlechter durchweg mit Gewalt und Strafverfolgung durchsetzen?
Ich glaube nicht, ganz im Gegenteil. Wir sollten aufhören, den Diskurs über die Diskriminierung zu disqualifizieren, indem Minderheitengruppen, insbesondere die Immigranten, als „gut“ eingeordnet und den Europäern Schuldgefühle eingeredet werden, als ob diese ständig Diskriminierungen begehen würden.
Es muss Schluss gemacht werden mit diesem linksextremen Geschwätz, das diskriminierten Menschen nichts nützt, sondern sie im Gegenteil nur stigmatisiert.
In den Vordergrund gestellt werden sollten vielmehr die persönliche Verantwortung eines jeden zur Beseitigung von Diskriminierungen sowie die Notwendigkeit – speziell für Zuwanderer –, sich unseren Regeln, unseren Gesetzen und unseren Werten anzupassen.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Diskriminierung aufgrund des Geschlecht, des Alters oder einer Behinderung ist sowohl in indirekter als auch direkter Form immer noch in Europa zu finden.
Das Internetportal Pracuj.pl hat eine Fragebogenumfrage unter Menschen mit Beschäftigung, Arbeitsuchenden, Arbeitgebern, Studierenden und Absolventen durchgeführt. Anhand der Ergebnisse der Fragebögen sind die am stärksten auf dem Arbeitsmarkt diskriminierten sozialen Gruppen die über 50-Jährigen und Menschen mit Behinderungen.
Diskriminierung zeigt sich auf dem Arbeitsmarkt am häufigsten in Gestalt von Arbeitgebern, die sich bei der Auswahl von Bewerbern für eine Stelle von Vorurteilen und Klischees leiten lassen – für fast 62 % der Teilnehmer an der Fragebogenaktion war das ein Hauptproblem. Danach folgten ungleicher Zugang zu Arbeitsplatzangeboten bzw. fehlende geeignete Arbeitsplatzangebote (56 %), mangelnde Bereitschaft der Arbeitgeber, unbefristete Beschäftigungsverhältnisse/Beschäftigung mit Arbeitsvertrag (44 %) zu schließen sowie unterdurchschnittliche Bezahlung für ein gegebenes Umfeld oder eine Branche (43 %).
Meines Erachtens hat eine Anti-Diskriminierungspolitik als eines der Grundprinzipien der EU eine sehr konkrete Aufgabe auf diesem Gebiet zu erfüllen.
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. − (SV) Wir haben für diesen Initiativbericht gestimmt, da er verschiedene wertvolle Überlegungen in Bezug auf die Schaffung eines Systems des nachhaltigen Umwelt- und Wirtschaftsmanagements der Meeresumwelt der EU enthält.
Außerdem unterstützen wir die Idee der Einführung eines „Europäischen Tages der Meere“. Es gibt zwar Gründe dafür, großen Kampagnen der EU-Institutionen skeptisch gegenüber zu stehen, aber in diesem Fall unterstützen wir das Konzept, da die Umweltsituation der Meere eine dringende Angelegenheit ist.
Unserer Ansicht nach enthält der Bericht jedoch auch Abschnitte, die als zu positiv gegenüber der kommerziellen Fischerei ausgelegt werden können. Die Fischereiflotten der EU leiden gegenwärtig unter Überkapazitäten und müssen wegen der sinkenden Fischbestände reduziert werden. Es ist falsch, den kommerziellen Fischern eine Beschäftigung im Fischereisektor zu garantieren. Zu den vielen Maßnahmen zur Unterstützung der von der Fischerei abhängigen Arbeitnehmer und Regionen müssen auch aktive Berufsbildungsprojekte gehören.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meines deutschen Kollegen Willi Piecyk über eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union gestimmt, der als Reaktion auf eine Mitteilung der Kommission zum gleichen Thema erarbeitet wurde. Die Meeresgebiete (zwei Ozeane – der Atlantische und der Arktische – sowie vier Meere – Ostsee, Nordsee, Mittelmeer, Schwarzes Meer) und die Küsten (70 000 km) Europas sind für sein Wohlergehen und für seinen Wohlstand von zentraler Bedeutung, denn sie sind Europas Handelswege, Klimaregulator, eine Quelle von Nahrung, Energie und Rohstoffen sowie geschätzte Wohn- und Erholungsgebiete.
Hinzufügen möchte ich, dass sie auch einen Vorrat an Wasser darstellen, das künftig ein rares Gut sein wird. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und eines raschen Klimawandels ist es dringend geboten, eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union einzuleiten, die auf der Erkenntnis beruht, dass alle Fragen bezüglich der europäischen Ozeane und Meere miteinander verbunden sind. Die Meeresüberwachung, die wichtig ist für die Sicherheit und die Gefahrenabwehr bei der Nutzung des maritimen Raumes, und die maritime Raumplanung, die ein zentrales Planungsinstrument für eine nachhaltige Entscheidungsfindung sowie eine umfassende, leicht zugängliche Quelle von Daten und Informationen darstellt, sind äußerst interessante Handlungsansätze.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Europa muss, nicht zuletzt wegen seiner strategischen geografischen Lage, ein internationales Vorbild in seiner Meerespolitik sein, indem es das wirtschaftliche Potenzial der Ozeane und Meere als wertvolle erneuerbare Energiequelle nutzt. Auch die Schaffung von regionalen Kompetenzzentren, die Förderung und Unterstützung von Hochschulforschungszentren in den Küstengebieten und ein Aktionsplan basierend auf Innovation, Forschung und Schutz der Meeresumwelt würden einen weiteren Schritt nach vorn in Richtung einer wirklich ökologisch nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen ermöglichen.
In dem Bericht wird außerdem empfohlen, dass der Aktionsplan einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen leisten muss, und zwar durch Anwendung fairer Emissionshandelssysteme, Verstärkung der Forschungsanstrengungen zur Nutzung der Meere als regenerative Energiequelle und Einführung der steuerlichen Gleichbehandlung von Strom und Bunkeröl. Dies könnte den Schiffen einen wichtigen Anreiz bieten, beim Anlegen auf die Stromversorgung im Hafen zurückzugreifen.
Und schließlich könnte der Vorschlag zur Koordination der mit der Meeresüberwachung befassten europäischen Agenturen von Angriffen auf europäische Schiffe abhalten und sie verhindern und zugleich illegale Aktivitäten wie Schmuggel, Menschen- und Drogenhandel bekämpfen und somit die internationalen Gewässer bedeutend sicherer machen.
Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Da die Möglichkeit gegeben ist, den Bericht von Herrn Piecyk zu einer integrierten Meerespolitik der EU zu diskutieren, möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Umsetzung der Wasser-Rahmenrichtlinie lenken, in der Maßnahmen vorgesehen sind, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ost- und Nordsee verbliebenen Chemiewaffen zu orten und zu entsorgen. Ich verweise hier auf Pläne im Zusammenhang mit der Nord Stream-Pipeline, bei deren Bau Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, die noch auf dem Meeresgrund der Ostsee liegen, zu einem Problem werden könnten. Vorläufigen Schätzungen zufolge liegen dort noch zwischen 40 000 und 60 000 Tonnen chemischer Kampfmunition, wovon etwa 12 000 bis 13 000 Tonnen giftige Kampfstoffe sind. Wir haben ja nicht einmal Kenntnis darüber, wo genau ein Großteil dieser Waffen liegt, womit das Risiko einer Katastrophe enorm erhöht wird. Dazu kommt noch, dass bei der Inbetriebnahme der Pipeline Chemikalien zum Einsatz kommen könnten, die umweltschädlich sind. Sie könnten eine Umweltkatastrophe mit sehr ernsten Folgen auslösen. Darüber hinaus stellen sie auch eine direkte Bedrohung für das Leben und die Gesundheit der an den Küsten der Ostsee lebenden Menschen dar. Der Bericht spricht von einer Situation, in der „Europas Ozeane und Meere die saubersten in der Welt sein werden“. Aus diesem Grunde wende ich mich mit Nachdruck an die Europäische Union, konkrete Maßnahmen für eine integrierte Meerespolitik zu ergreifen und den Bau von Projekten, die die Sicherheit der Bewohner Europas bedrohen, zu untersagen.
Ole Christensen, Dan Jørgensen, Poul Nyrup Rasmussen, Christel Schaldemose und Britta Thomsen (PSE), schriftlich. − (DA) Die Schifffahrtsbranche muss in den Handel mit CO2-Emissionsrechten einbezogen werden.
Die sozialdemokratische Delegation setzt sich gegenwärtig dafür ein, dass die Schifffahrt in das System des CO2-Emissionshandels aufgenommen wird. Der Seeverkehr stellt zwar im Vergleich zu vielen anderen Transportmöglichkeiten eine umweltfreundliche Beförderungsart dar, verursacht aber in erheblichem Umfang CO2-Emissionen, die deutlich über dem Anteil des Luftverkehrs liegt, der ebenfalls bald in den Emissionshandel einbezogen werden soll.
Aus diesem Grunde hat die Delegation heute für den Punkt des Berichts über eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union gestimmt, in dem ausdrücklich davon die Rede ist, dass die Schifffahrt in den CO2-Handel einbezogen werden muss.
Wir haben deshalb einen Änderungsantrag der Fraktion der Grünen/ Europäische Freie Allianz zu dieser Frage abgelehnt. Es ist nicht klar ersichtlich, ob sich der Änderungsvorschlag der Grünen auf ein konkretes Modell zum Emissionshandel bezieht. Falls dem so ist, wussten wir nichts über den Inhalt des Modells. Gegenwärtig wollen wir uns für kein bestimmtes Modell entscheiden, da dies im ungünstigsten Fall eine Einigung über die Beteiligung der Schifffahrt am Emissionshandel behindern oder verzögern könnte.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. − (SV) Wir stimmen einigen im Bericht dargestellten Ansichten voll und ganz zu, beispielsweise der Dringlichkeit der Bekämpfung der Schwefel- und Stickoxid-Emissionen von Schiffen auf sowie der Feststellung einer zu starken Bürokratisierung und Zentralisierung der Gemeinsamen Fischereipolitik.
Die meisten der eingebrachten Vorschläge sind jedoch negativ. Es fällt uns schwer, einen Mehrwert in der Einführung eines „Europäischen Tages der Meere“ durch die EU zu sehen. Ebenso zweifeln wir am Wert der Finanzierung von meerestechnischer Forschung durch die EU sowie der Erstellung eines kartierten Bestandsplan der Wracks und archäologischen Stätten am Meeresboden auf Gemeinschaftsebene und stehen einer Beschäftigung der EU-Institutionen mit der Küstenraumplanung kritisch gegenüber.
Der Bericht ist somit ein weiteres Beispiel für die Versuche des Europäischen Parlaments, in immer mehr Politikbereichen Einfluss zu gewinnen. Die Achtung des oft beschworenen, aber nur selten angewandten Subsidiaritätsprinzips glänzt völlig durch Abwesenheit. Das können wir nicht akzeptieren. Aus diesen Gründen haben wir in der Schlussabstimmung gegen diesen Bericht gestimmt.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Unseres Erachtens kann von einer Meerespolitik, die auf einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beruht, die die einzelstaatlichen Strategien und Maßnahmen in diesem Bereich aufwertet und unterstützt, eine positive Wirkung ausgehen.
Dennoch bestätigt das Europäische Parlament Ziele für eine integrierte Meerespolitik – wenn auch im Vergleich zum vorhergehenden Bericht in abgeschwächter Form –, denen wir uns nicht anschließen können.
Abgesehen davon, dass es eine föderalistische und geostrategische Vorstellung von der Nutzung der ausschließlichen Wirtschaftszonen der einzelnen Mitgliedstaaten vertritt, befürwortet es die zügige Integration des innergemeinschaftlichen Seeverkehrs in den Binnenmarkt, das heißt seine Liberalisierung. Außerdem betont es die Initiativen zur Einrichtung einer Europäischen Küstenwache, ein Bereich, der in die Zuständigkeit des einzelnen Mitgliedstaates fällt; befürwortet die Einbeziehung der Schifffahrt in den Emissionshandel – noch ein Handel mehr; und spricht sich paradoxerweise (oder vielleicht auch nicht) für die angemessene Berücksichtigung der Meerespolitik im EU-Haushalt (?) nach 2013 aus. Es unterstützt also ein weiteres Mal die zentralisierte politische und wirtschaftliche Macht der EU, ohne dafür eine Gegenleistung zu bieten (falls dies überhaupt je akzeptabel wäre).
Gewiss enthält der Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments Vorschläge, denen wir zustimmen und von denen einige aus unserer Feder stammen, doch sie kompensieren nicht den negativen Inhalt des Entschließungsantrags.
Deshalb stimmen wir dagegen.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht von Willi Piecyk über die Meerespolitik der EU gestimmt. Ich begrüße insbesondere den Abschnitt, in dem anerkannt wird, dass die GFP sich als ein einziges Desaster erwiesen hat und die EU aus ihrem Versäumnis, eine integrierte Meerespolitik zu schaffen, lernen muss.
Mein Heimatland, Schottland, liegt im Hinblick auf Meeresfragen im Herzen Europas, und wir können von einer EU-weiten Politik profitieren, die so vielfältige Bereiche wie Umwelt, Verkehr, Tourismus und Beschäftigung abdeckt. Allerdings muss die Vielfalt der europäischen Meeresgebiete berücksichtigt werden, und Beschlüsse dürfen nicht nach Schema F gefasst werden, was zum Sinnbild für Europas gescheiterte Fischereipolitik geworden ist.
Roselyne Lefrançois (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, denn ich halte es für äußerst wichtig, dass die Europäische Union möglichst rasch eine integrierte Meerespolitik bekommt.
Es wäre für die EU in der Tat von großem Nutzen, eine kohärente Strategie zur Umsetzung der einzelnen sektoralen Politiken, die Auswirkungen auf den maritimen Bereich haben, wie beispielsweise bestimmte Sozial-, Industrie- und Umweltpolitiken, anzunehmen und so die Errichtung eines wirklichen „Netzes gegenseitiger Hilfe“ zu fördern.
Ich begrüße ebenfalls die Absicht, den Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Verschmutzung durch den Aufbau von Innovationszentren zu intensivieren, die zudem noch zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit und zu größerem sozialen Wohlergehen in den Küstenregionen beitragen werden.
Des Weiteren unterstütze ich die Vorschläge des Berichts zum Sicherheitsaspekt der Meerespolitik und insbesondere die Vorstellung, gemeinsame diesbezügliche Regeln aufzustellen und gemeinsame Überwachungsverfahren im Gemeinsamen Meeresraum einzuführen. Dies würde uns in die Lage versetzen, sowohl die in den letzten Jahren wieder aufgetretene Piraterie zu bekämpfen als auch das natürliche und archäologische Erbe dieser Gebiete zu schützen, um möglichen Katastrophen vorzubeugen, die verheerende Folgen für die Entwicklung der Küsten der Union hätten.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Der Bericht „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“ von Willi Piecyk spricht die Herausforderungen an, denen sich der Seeverkehr in Europa zurzeit gegenübersieht. Seine Empfehlungen werden eine europaweite Entscheidungsfindung auf diesem Gebiet ermöglichen.
Nur durch die Schaffung einer integrierten Meerespolitik können wir uns globalen Herausforderungen wie Globalisierung und Klimawandel und ihren Auswirkungen auf unsere Ozeane wirksam stellen. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für den Bericht von Herrn Piecyk über eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union aussprechen.
Ich finde auch, dass eine integrierte Meerespolitik notwendig ist, nicht nur, weil die Meere eine der wichtigsten Wirtschafts- und Handelsressourcen für die Europäische Union darstellen und daher geschützt werden müssen, sondern auch, weil ein wirksames und nachhaltiges, zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmtes Vorgehen deren Bewirtschaftung und Entwicklung verbessern würde. Ich halte es unter anderem für besonders wichtig, den Seeverkehr im Einklang mit den Zielen der Bekämpfung des Klimawandels zu regulieren und zu verbessern und die Ressource Meer auch als mögliche saubere, alternative Energiequelle in den Fokus zu rücken.
Catherine Stihler (PSE), schriftlich. − (EN) Unsere Meere sind unsere gemeinsame Ressource. Wir benötigen ein koordiniertes Vorgehen gegen die Ausbeutung und Verschmutzung unserer Meere. Das können wir nur erreichen, indem die EU-Länder, die ein Interesse an der Meerespolitik haben, gemeinsam daran arbeiten. Ich hoffe, dass es im nächsten Jahr mehr EU-Bürgern möglich sein wird, am Europäischen Tag des Meeres teilzuhaben. Vielleicht werden im kommenden Jahr, da dieser Tag dann im Vorfeld der Europawahlen stattfinden wird, alle Kandidaten den 20. Mai nutzen, um meerespolitische Fragen in den Vordergrund zu rücken.
10. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 12.55 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: MIGUEL ÁNGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
11. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
12. Irreführung durch „Adressbuch-Firmen“ (z. B.“European City Guides“) (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an den Rat zur Irreführung durch Adressbuch-Firmen (z. B. „European City Guides“) von Arlene McCarthy im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (O-0078/2008 – B6-0152/2008).
Arlene McCarthy, Verfasserin. − (EN) Herr Präsident! Das klare Anliegen dieser mündlichen Anfrage besteht darin, Schadenersatz und Rechtsschutz für die Tausenden kleinen Unternehmen in der gesamten EU zu erreichen, die täglich durch vermeintliche europäische „Adressbuchverlage“ um Millionen von Euro gebracht werden. An dieses Parlament wurden Hunderte von Petitionen gerichtet, und in den Wahlkreisbüros der Abgeordneten sind Unmengen von Schreiben eingegangen, die von Firmen stammen, die dieser erfolgreichen Masche zum Opfer gefallen sind.
Natürlich müssen wir anerkennen, dass diese Betrügereien den durch den EADP vertretenen seriösen Adressbuchverlagen zufolge bereits seit mehr als 40 Jahren existieren. Ohne Zweifel erfordern sie jedoch eine europäische Antwort. Die Struktur der Maiwolf Holdinggesellschaft beispielsweise, der neben dem European City Guide noch andere vergleichbare Unternehmen gehören, ist ein komplexes Netz betrügerischer europäischer Firmen, die in diversen Mitgliedstaaten der EU sowie in den EWR-Staaten Schweiz und Liechtenstein angemeldet, tätig und ansässig sind. Trotz rechtlicher Maßnahmen und Bußgeldern, die Gerichte in zahlreichen Mitgliedstaaten verhängt haben, ist sie noch immer tätig und stellt der europäischen Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung ein Armutszeugnis aus. Tatsächlich war ein sieben Jahre dauernder Prozess nötig, um das Unternehmen in Barcelona zu schließen, das jedoch in Valencia seine Geschäfte umgehend neu aufnahm. Die Maiwolf Holding ist der Knotenpunkt eines ganzen Netzes von Unternehmen, die betrügerische Praktiken nicht nur auf EU-Ebene, sondern weltweit betreiben und, wie ich fürchte, dem langen Arm des Gesetzes immer wieder entkommen.
Indem sie die Anfrage des European City Guide beantworteten, wurde bei betroffenen Unternehmen der Eindruck erweckt, dass sie lediglich auf eine Auskunftsanfrage antworten bzw. ihre Daten aktualisieren oder korrigieren. Es entstand der Eindruck, es handele sich um eine kostenlose Dienstleistung, doch plötzlich sahen sie sich mit einer Rechnung über Tausende von Euro konfrontiert, die, wenn sie überhaupt erwähnt wurde, dann nur im Kleingedruckten und auf sehr verwirrende und irreführende Weise. Die gleiche Maiwolf Holdinggesellschaft ist anscheinend auch Eigentümer der Inkassounternehmen, die im Anschluss durch Belästigung, Schikanen und Drohungen die Firmen dazu bringen, ihre Rechnung zu begleichen. Den Betreibern einer Internetseite mit dem Titel „Stop the European City Guide“, die eine Kampagne gegen die betrügerischen Machenschaften des European City Guide führen, wurde mit einer Klage gedroht, und die Seite musste durch den Internet Service Provider geschlossen werden. Es freut mich jedoch, mitteilen zu können, dass sie wieder in Betrieb ist.
Viele der Aktivitäten dieses betrügerischen Unternehmens stellen eindeutig einen Verstoß gegen die Richtlinie über irreführende Werbung von 1984 dar. Wir benötigen eine verbesserte und besser koordinierte Durchsetzung dieser Richtlinie, um die Schlupflöcher oder Lücken zu schließen, die sich diese Unternehmen zunutze machen. Ich kann dem Ratsvorsitz mitteilen, dass mein Ausschuss die Umsetzung und Anwendung der Richtlinie über irreführende Werbung und natürlich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken prüfen wird. Unser besonderes Interesse gilt dabei dem Beispiel Österreichs bei der Umsetzung der Richtlinie über irreführende Werbung. Dort können Unternehmen nicht vertraglich gebunden werden, wenn sie nicht deutlich und ausdrücklich den Vertragsbedingungen zugestimmt haben. Dies ist ein Vorbild, dem der Ratsvorsitz bei seinen Gesprächen mit den anderen Mitgliedstaaten hoffentlich folgen wird.
Kleinen Unternehmen ist die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken natürlich keine Hilfe, da sie Geschäfte einzelner Unternehmen untereinander nicht abdeckt – auch nicht für kleine Firmen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Nutzung des grenzüberschreitenden Strafverfolgungsnetzes optimieren, um diesen nach Cowboymanier verfahrenden Unternehmen ein für allemal einen Riegel vorzuschieben. Sicherlich teilen ich und meine Kollegen das Gefühl der Enttäuschung, das viele kleine Unternehmen empfinden, die nicht erst seit Monaten, sondern schon seit Jahren wiederholt Schikanen und finanzielle Verluste erleiden müssen.
Wenn wir wirklich der Meinung sind, wie wir behaupten, dass mittelständische Betriebe das Rückgrat der EU-Wirtschaft bilden, dann ist es an der Zeit, uns für sie stark zu machen, ihre Rechte zu verteidigen und sie vor diesen betrügerischen Praktiken zu schützen. Selbstverständlich begrüße ich das Interesse von Kommissarin Kuneva und ihr Versprechen, die Aktivitäten dieser Unternehmen zu überwachen, doch durch Überwachung allein erzielen wir keine Ergebnisse und lassen sich diese Unternehmen nicht gezielt bekämpfen. Es ist meiner Meinung nach ein Unding, dass die Beschwerden der betrogenen Firmen anscheinend auf taube Ohren stoßen, und dass der Einzelunternehmer, der hinter dem City Guide steckt, die Genehmigung erhalten hat, mit seinen betrügerischen Praktiken weiter hausieren zu gehen, ohne die volle Härte des europäischen Rechts zu spüren zu bekommen. Daher rufe ich die Mitgliedstaaten heute auf, sofort etwas zu unternehmen und sich zu vergegenwärtigen, welche ernsten und schädlichen Folgen entstehen, indem sie diesem Betrüger gestatten, unsere Firmen weiter auszurauben. Ich möchte, dass sich die Mitgliedstaaten und auch der Ratsvorsitz während unserer heutigen Aussprache verpflichten, tätig zu werden, und nicht nur über die Probleme zu beraten, die uns schon seit vielen Jahren bekannt sind.
Ich bitte den Ratsvorsitz daher nachdrücklich, diese Fragen zu beantworten und mit uns gemeinsam an einer Lösung für die Unternehmen zu arbeiten, die noch immer diesen Betrügereien ausgesetzt sind.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte der verehrten Abgeordneten McCarthy für ihre Anfrage danken. Mein Dank gilt auch dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Ich werde versuchen, auf die Anfrage in dem Rahmen zu antworten, wie ihn die Frau Abgeordnete gesetzt hat.
Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen zu der ersten Frage, was die Mitgliedstaaten für die Schließung betrügerischer Auskunftsdienste getan haben, mitteile, dass der Rat bislang noch keinen Lösungsvorschlag von den Mitgliedstaaten erhalten hat. Ebenso wurde er weder über die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Schließung solcher Unternehmen noch über die Absichten hinsichtlich eines Datenaustauschs über die Unternehmen unter ihren zuständigen Behörden unterrichtet.
Zur zweiten Frage, betreffend die Maßnahmen zur Abschaffung der Lücken bei der Umsetzung der Richtlinie über irreführende Werbung: Diese Richtlinie bzw. ihre Durchführung liegt in der Zuständigkeit der Europäischen Kommission. So legt es Artikel 211 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fest. Deshalb sollte meines Erachtens das Europäische Parlament diese Frage an die Europäische Kommission richten.
Im Zusammenhang mit diesen beiden Fragen sollte noch ergänzt werden, dass der Rat bislang nicht darüber unterrichtet wurde, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten eingeleitet haben, um die Geschäftswelt auf die Gefahr, die betrügerische Auskunftsdienste darstellen, aufmerksam zu machen.
In Bezug auf die Frage der Erweiterung des Umfangs der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken kann ich jedoch der Frau Abgeordneten McCarthy bestätigen, dass die vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz beschriebenen Fälle, also die Fälle betrügerischer Geschäftspraktiken, deren Zielscheibe kleine und mittlere Unternehmen sind, nicht unter die Richtlinie fallen.
Der Grund dafür ist, dass der Anwendungsbereich der erwähnten Richtlinie auf die Geschäftspraktiken von Unternehmen im Verhältnis zu den Verbrauchern, eben auf die „Business-to-consumer relations“ beschränkt ist. Zur etwaigen Erweiterung dieser Richtlinie auf die Beziehungen von Unternehmen untereinander („Business to business“), kann ich nur sagen, dass sich der Rat zu dieser Problematik positionieren wird, sobald ihm ein entsprechender Gesetzgebungsvorschlag vorliegt.
Es sei jedoch daran erinnert, dass die politische Debatte darüber, ob die erwähnte Richtlinie sich auch auf die Geschäftspraktiken der Unternehmen untereinander erstrecken sollte, bereits zurzeit der Annahme der erwähnten Richtlinie im Rat geführt wurde. Ich möchte daran erinnern, dass neben der Kommission auch die meisten Mitgliedstaaten die Ausdehnung der Richtlinie auf unlautere Geschäftspraktiken, die dem Verbraucher nicht schaden, abgelehnt haben.
Ungeachtet dessen möchte ich jedoch besonders hervorheben, dass die Unternehmen, kleine und mittlere Unternehmen eingeschlossen, derartigen Praktiken nicht schutzlos gegenüberstehen. Schutz bietet ihnen nämlich die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung.
Schließen möchte ich damit, dass ich im Namen des Präsidiums nachdrücklich der Auffassung des Ausschusses beipflichte, dass unlauteres und betrügerisches Geschäftsgebaren auf jedwedem Wirtschaftsgebiet unannehmbar ist. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass gegen ein solches Verhalten vorgegangen werden muss.
Die Mitgliedstaaten behandeln unlautere Geschäftspraktiken entsprechend ihrer Gesetzgebung. Auch das Beispiel von European City Guide, das Sie in Ihrer Frage erwähnen, wurde zumindest in einem Mitgliedstaat vor Gericht behandelt.
Ich möchte Ihnen nochmals für die Anfrage danken und werde die Aussprache in jedem Fall aufmerksam verfolgen.
Simon Busuttil, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (MT) Herr Präsident! Wenn Sie dieses Verzeichnis öffnen – es handelt sich um eine umfassende, seitenstarke Publikation – finden sie Hunderte von Seiten mit Tausenden von Firmen, häufig kleine Unternehmen, die sich in diesem Adressbuch wiederfinden, nachdem sie Opfer betrügerischer Geschäftspraktiken wurden, denn sie wurden gegen ihren Willen aufgenommen. Der Petitionsausschuss des Parlaments hat etwa 400 Beschwerden von Kleinunternehmen erhalten, die in diese Falle getappt sind. Meiner Ansicht nach hat dieses Problem drei Seiten. Erstens sind die betroffenen Kleinunternehmen Opfer von Betrug. Zweitens gibt es einen grenzüberschreitenden, transnationalen Aspekt, der alle in Europa, im Europäischen Parlament, im Rat und in der Kommission interessieren sollte. Drittens profitieren Firmen wie „European City Guides“ von Gesetzeslücken.
Was unternimmt das Europäische Parlament, abgesehen von den Aktivitäten des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, über die uns Frau McCarthy informiert hat? Der Petitionsausschuss wird einen Bericht zu diesem Problemfeld erarbeiten, für den ich als Berichterstatter fungiere. Mit meinem Bericht verfolge ich vier Ziele: Erstens ist er darauf ausgerichtet, das Bewusstsein für dieses erhebliche Problem zu schärfen. Zweitens sollen Rat und insbesondere die Kommission durch den Bericht ermutigt werden, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, denn wenn sie heute noch nichts ausrichten können, müssen sie dazu in die Lage versetzt werden. Drittens muss festgestellt werden, ob es legislative Defizite gibt, was Aufgabe des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz ist. Schließlich sollen den Opfern mit diesem Bericht nützliche Ratschläge an die Hand gegeben werden. Der Petitionsausschuss wird Anhörungen durchführen und sich mit Opfern und Sozialpartnern sowie der Kommission beraten, bevor der Bericht voraussichtlich Ende des Jahres angenommen wird.
Genowefa Grabowska, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Aktivitäten von Unternehmen, die betrügerische Geschäfts- und Marketing-Praktiken anwenden, sind verurteilenswert. Natürlich müssen wir die Rechte der Verbraucher gegen solche Pseudo-Markt-Aktionen schützen und sie in ihrem Kampf gegen Firmen unterstützen, die sich angesichts der aktuellen europäischen Realität jenseits jeder Bestrafung wähnen. Tausende von Unternehmen in ganz Europa fallen auf die angeblich kostenlose Werbung in Adressbüchern herein, für die sie in Wirklichkeit aber Beträge zwischen einigen Hundert bis zu einigen Tausend Euro bezahlen müssen. Sowohl aus unternehmerischer als auch aus werbetechnischer Sicht haben es die Herausgeber dieser wertlosen Kataloge nicht nur auf konkrete Branchen abgesehen, wie zum Beispiel Reisebüros, Hoteliers, Ärzte, Restaurantbetreiber und sogar wissenschaftliche Kreise, sondern sie wenden sich bedauerlicherweise auch an staatliche Stellen und Institutionen. Aus diesem Grunde fragen sich die EU-Bürger, wie es möglich ist, dass die Urheber solcher Praktiken, die mit Vor- und Zunamen als Eigentümer der Adressbuch-Firmen bekannt sind, mit ihren betrügerischen und irreführenden Geschäftspraktiken ein Vermögen verdienen können. Dabei machen sie sich die Ängste kleiner europäischer Unternehmer vor Inkassofirmen und vor gerichtlicher Verfolgung zunutze.
Ich bitte daher die slowenische Ratspräsidentschaft – und ich wende mich eher an die Präsidentschaft als an die Kommission –, koordinierte Aktionen der Mitgliedstaaten einzuleiten, insbesondere auf dem Gebiet des Informationsaustauschs und der gegenseitigen Warnung vor derartigen betrügerischen Geschäftspraktiken, Angaben zu den Eigentümern und den Vorständen dieser Unternehmen zu übermitteln und strengere Strafen für Aktivitäten dieser Art vorzuschlagen. Ein Fortbestehen der derzeitigen Situation würde das Vertrauen der Firmen und Bürger der EU in die Idee eines europäischen Binnenmarktes untergraben und leider auch die Unterschiede zwischen ehrlichen Geschäftsleuten und mafiaähnlichem Gebaren verwässern.
Diana Wallis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Vielen Dank an Frau McCarthy und den Binnenmarktausschuss für diese Anfrage. Ich muss sagen, ich wünschte, wir hätten eine überzeugendere Antwort vom Rat erhalten.
Die Lage ist gänzlich inakzeptabel, und ich möchte mit einem Geständnis beginnen. In den frühen 80er Jahren war ich als Anwältin im Vereinigten Königreich tätig, doch dann gründete ich mit einem Anwalt in Deutschland eine Kanzlei. Plötzlich erhielten wir diese Forderungen, wir hätten unsere Kanzlei in einem European City Guide beworben, und selbst wir als Anwälte fühlten uns belästigt und eingeschüchtert. Wenn also selbst Anwälte sich von diesen Menschen eingeschüchtert fühlen, so ist das bei gewöhnlichen KMU mit Sicherheit der Fall.
Das Eigenartige an dieser Sache ist jedoch, dass das EU-Recht in der Lage sein sollte, angemessen auf dieses Problem zu reagieren, dies aber anscheinend selbst nach den 20 oder 30 Jahren, in denen diese Betrügereien schon stattfinden, nicht vermag. Tatsächlich ist es so, dass diese Menschen sich in einigen ihrer Schreiben ihrerseits auf EU-Recht berufen und ihre Opfer dadurch zusätzlich einschüchtern. Und was unternimmt der Rat? Es tut mir leid, aber es reicht wohl nicht aus: „Nun, wir könnten mit irreführender Werbung argumentieren und werden mal darüber nachdenken.“ Nach 30 Jahren ist wirklich mehr nötig als das.
Was sollen die Opfer tun? Wir brauchen eine gründliche Debatte darüber, ob wir vielleicht neu definieren sollten, wer und was ein Verbraucher ist. Wir haben versucht, dies während der Gespräche zum Vertragsrecht zur Sprache zu bringen. Wir benötigen weiter- und tiefergehende Maßnahmen, wenn wir dieses Problem lösen wollen.
Wenn die Mitgliedstaaten zu befangen oder zu ängstlich sind, um sich dieser Sache selbst anzunehmen, lassen Sie mich abschließend einen anderen Vorschlag machen, der an diesem Ort vielleicht etwas umstritten ist. Wenn die Kommission uns ein wirksames System des kollektiven Rechtsschutzes zur Verfügung stellt, nennen wir es Sammelklagen, dann werden die Bürger vielleicht in der Lage sein, selbst gegen diese Machenschaften vorzugehen, wenn es schon sonst niemand für sie tut. Das wäre doch keine schlechte Idee.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Nach vier Jahren führen wir endlich eine Aussprache über die European City Guides. Wie auch meine Kollegen angemerkt haben, hätte ich die Akten mit Beschwerden nicht tragen können, die bei mir eingegangen sind. Europa muss sich ständig anhören, es sei seinen Bürgern nicht nahe, und hier bietet sich eine einzigartige Gelegenheit – insbesondere für den Rat –, auf die Bürger zuzugehen, die ein ernsthaftes Problem haben und sich an ihre MdEP wenden mit der Bitte um eine Lösung.
Es sind nicht nur Unternehmen, die betroffen sind. Ich habe von Schulsekretärinnen gehört, die das Formular irrtümlicherweise unterschrieben haben und nun, weil sie schreckliche Angst haben, das Geld gezahlt haben. Das Tragische an der Sache mit den European City Guides ist, dass sie funktioniert, weil die Menschen sich bedroht fühlen und Angst haben. Ob sie bezahlen oder nicht, sie werden von diesen Menschen weiter belästigt und beschimpft. Das ist jedoch ein europäisches Problem und erfordert daher auch eine europäische Lösung. Ich vermute, ich zelebriere ein wenig die Tatsache, dass wir diese Aussprache führen und dass mein Kollege, Simon Busuttil, einen Bericht verfassen und Informationen aufbereiten wird, aber ich meine, der Rat wird hier ein bisschen mehr Initiative zeigen müssen, ebenso wie die Kommission.
Das Problem ist sehr spezifisch und wirft fünf grundsätzliche Fragen auf, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Meiner Ansicht nach ist das Problem gewaltig, aber wir müssen es quantifizieren. Informationen auszutauschen ist eine gute Idee, könnte aber zu Frustration führen, wenn am Ende kein Handeln folgt. Wir müssen die Schlupflöcher schließen. In Irland beispielsweise berufen sich die European City Guides gegenüber denjenigen, die das Formular unterschrieben haben, auf europäisches Recht. Man teilt den Betroffenen mit, sie würden in einem anderen Mitgliedstaat vor Gericht gestellt, müssten Strafe zahlen und würden verurteilt. Sie erhalten Anrufe, in denen sie und ihre Mitarbeiter aufs Übelste beschimpft und belästigt werden. Das ist nicht hinnehmbar. Wir müssen unbedingt neu definieren, was ein Verbraucher ist, denn wie ich bereits sagte geht es hier nicht nur um Unternehmen. Aber ich sage es noch einmal: Hier haben wir eine einzigartige Gelegenheit, den Menschen in ganz Europa zu zeigen, dass wir in Fragen, die sie direkt betreffen, handeln. Nutzen wir diese Gelegenheit und lassen wir sie heute nicht ungenutzt verstreichen, indem wir nur große Reden schwingen anstatt tätig zu werden.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Die Macht vieler dieser betrügerischen Adressbuch-Firmen besteht darin, dass sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und daher unantastbar zu sein scheinen, wenn die EU nicht einschreitet. Zudem flößen sie den Menschen Angst ein, von denen viele Kleinunternehmer sind, die nicht über einen Rechtsbeistand oder juristische Beratung verfügen, so dass viele von ihnen nach jahrelanger Belästigung irgendwann aufgeben und das Geld zahlen.
Wie bei vielen der übrigen Redner ist auch mein Büro mit Beschwerden überschwemmt worden, für gewöhnlich jedoch von Einzelunternehmern: Installateure, Zahnärzte, Ärzte – Menschen, die zur Zielgruppe des European City Guide zählen. Diese Menschen fühlen sich alleingelassen, sie haben das Gefühl, gerade eine schlechte Entscheidung getroffen zu haben und dabei ertappt worden zu sein, und in gewisser Weise geben sie sich selbst die Schuld.
Ich finde es unfassbar, wenn ich höre, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten keine Erweiterung der Richtlinie wünscht, um etwas an den Beziehungen einzelner Unternehmen untereinander zu ändern. Ich frage mich nur, ob das damit zusammenhängt, dass es sich bei den betroffenen Firmen um kleine Unternehmen handelt, dass es also nicht die großen Konzerne sind, die davon betroffen sind? Ich meine, die Bürger brauchen von Seiten des Rats und der Kommission mehr Einsatz und bessere Lösungen als bisher. Ich halte die gegenwärtige Lage für nicht ausreichend, und ich fordere den Rat auf, umgehend tätig zu werden.
Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte gleich auf den Punkt kommen. Lassen Sie mich Folgendes an den slowenischen Ratsvorsitz richten. Ich finde, er hat seine Sache großartig gemacht. Herr Minister Lenarčič, lassen Sie mich Ihnen nur vier Punkte nennen, die ich Sie beim nächsten Zusammentreffen der Minister für Wettbewerbsfähigkeit anzusprechen bitten möchte.
Der erste Punkt betrifft den SOLVIT-Mechanismus, der sich mit jeder einzelnen Binnenmarktbeschwerde, nicht nur den marktbezogenen, befassen soll. Bitten Sie die Kommission, sich dieser Frage anzunehmen und sie fest auf die Tagesordnung zu setzen. Bringen Sie sie dazu, die Informationen zu verbreiten, die auf unabhängigen Internetseiten bereits verfügbar sind – und wir sollten uns dafür schämen, dass es die Betroffenen sind, die dies selbst in die Hand genommen haben. Es gibt eine Menge umfassender Informationen. Sorgen Sie dafür, dass die Kommission dies zu ihrer Aufgabe macht. Das könnte unverzüglich geschehen. Das ist also Ihre erste Aufgabe.
Ihre zweite Aufgabe besteht darin, all ihren Kollegen mitzuteilen, dass ihre Geschäftsinformationsdienste (denn sie bieten Dienste an, die sich an die KMU richten) diese Informationen ebenfalls an die KMU – in deren jeweiliger Sprache – verbreiten lassen sollen. Sie sollten nur einen bescheidenen Betrag ihres Haushalts dafür zur Verfügung stellen, um den Betrieben zu erläutern, worum es geht.
Drittens: Geben Sie diese Informationen an Ihre Strafverfolgungsbehörden weiter. Teilen Sie außerdem der Kommission und den Verantwortlichen für Ihre Zusammenarbeit im Bereich Verbraucherschutz mit, dass sie diesen Punkt auf ihre Tagesordnung setzen sollen. Das ist nicht viel Arbeit. Die Informationen sind vorhanden. Es ist keine schwierige Aufgabe. Das sind also schon drei Dinge, die Sie tun sollten.
Die vierte Sache, die Sie tun könnten, besteht darin, Ihren Kollegen Folgendes mitzuteilen: Diese Praktiken, wenn sie bei einzelnen Verbrauchern angewandt werden, sind gemäß der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken durch und durch illegal. Jeder weiß, dass das so ist. Und die betroffenen Unternehmen befinden sich letztlich in der Rolle privater Verbraucher. In den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch könnten Sie im Zuge der Umsetzung dieser Richtlinie – und ich muss im Übrigen darauf hinweisen, dass die Umsetzung in den Mitgliedstaaten nicht sehr erfolgreich verlaufen ist, und selbst mein Heimatland liegt in der Tat weit zurück –, leicht eine Klausel einfügen, die sich konkret auf Adressbücher und Kleinunternehmen bezieht. Das wäre nicht viel Arbeit.
Das sind also vier konkrete Maßnahmen. Ich verlasse mich also auf Sie, Herr Minister. Wir werden uns die Agenda ansehen, und wir erwarten, dass dieses Thema auf der nächsten Agenda des Rates „Wettbewerbsfähigkeit“ auftauchen wird. Wie können wir Kleinunternehmern empfehlen, am Binnenmarkt teilzuhaben, wenn wir nicht einmal imstande sind, ihnen bei einer einfachen Rechtsvorschrift wie dieser den einfachsten Schutz anzubieten? Das ist ein schändliches Versäumnis von uns allen, unseren Pflichten im Hinblick auf den Binnenmarkt nachzukommen.
Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident! Der European City Guide und die vergleichbaren Verzeichnisse sind letztlich nichts weiter als ein Haufen Gauner, aber unsere Rechtsvorschriften sind bislang nicht ausreichend und geben uns nicht die Möglichkeit, gegen sie vorzugehen. Diese Anfrage hätte auch unter dem Gesichtspunkt eines neuen Gesetzesvorschlags an die Kommission gerichtet werden sollen, der die betreffenden Rechtsvorschriften verschärfen und uns ein Vorgehen ermöglichen würde. Solange dieser aussteht, lautet mein einfacher Rat an alle kleinen Unternehmen, die mit Forderungen des European City Guide oder vergleichbarer Verzeichnisse konfrontiert sind: Zahlen Sie nicht, ignorieren Sie sie. Geben Sie dem Druck nicht nach.
Es wurde eine Organisation ins Leben gerufen, die sich „Stop the European City Guide“ nennt, eine Vereinigung der Opfer dieses Verzeichnisses. Ihre Internetseite musste aufgrund des Drucks und der Androhung rechtlicher Schritte gegenüber ihrem Internet Service Provider entfernt werden. Daher lasse ich ihre Seite nun über meine eigene Internetseite laufen, damit die Organisation weiter darüber aufklären kann, wie sich Unternehmen schützen können. Diese Sache erfordert ein entschlossenes Vorgehen. Und zwar bald.
Marcin Libicki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich gratuliere Frau McCarthy zu der exzellent vorbereiteten mündlichen Anfrage zur Problematik der betrügerischen Praktiken von Adressbuch-Firmen nach dem Muster des „European City Guide“. Der Petitionsausschuss, dem ich vorstehe, hat Herrn Busuttil beauftragt, in dieser Sache einen Bericht zu erarbeiten. Wir haben zahlreiche Petitionen mit Beschwerden über solche Geschäftspraktiken erhalten. Die Kommissarin sagte, bei der Kommission seien keine Beschwerden eingegangen, die Anlass zu einer Untersuchung dieser Angelegenheit gäben, aber meines Erachtens sind diese Aussprache und die auf der Grundlage von Herrn Busuttils Bericht zu führende Aussprache Grund genug für die Kommission, in dieser Sache Maßnahmen zu ergreifen, da diese Geschäftspraktiken höchst irreführend sind und kleine Unternehmen und normale Bürger beunruhigen – mit anderen Worten Menschen, die keine Scharen von Anwälten zu ihrem Schutz hinter sich haben.
Ich fordere die Kommission dringend auf, in dieser Angelegenheit zu handeln.
Brian Crowley (UEN). – (EN) Herr Präsident! Ich habe mich mit 19 Fällen befasst, in denen Kleinunternehmer von den European City Guides auf betrügerische Weise zu Ausgaben veranlasst und dann auf Zahlung verklagt wurden. Siebzehn dieser 19 Unternehmen hatten drei oder weniger Angestellte. Und von diesen 17 wiederum waren sechs ältere Menschen über 60, die Angst davor hatten, Post von einem Anwalt zu erhalten.
Was hier in Wirklichkeit geschah, war eine Verdrehung des Gesetzes über den Warenverkauf und die Dienstleistungserbringung oder der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, von der Herr Harbour sprach. Das ist an sich schon ein Betrug, denn wenn man in eine Sache einwilligt, erwartet man, dass dafür eine Gegenleistung angeboten wird. Tatsächlich fand hier eine falsche Darstellung hinsichtlich der angebotenen Dienstleistung statt. Wie einige meiner Kollegen bereits sagten, ist das eine Angelegenheit, die wohl am ehesten auf der Ebene der Kommission behandelt würde. Es wäre jedoch richtig, den Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ und jeden Minister auf dieses Problem aufmerksam zu machen und ihnen die Befugnis zu erteilen, Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene einzuführen. Das könnte unter Umständen schneller bewerkstelligt werden als eine entsprechende Überarbeitung der europäischen Richtlinie.
Arlene McCarthy (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich meinen Kollegen anschließen. Wir müssen aufhören, uns in dieser Sache gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass diese Firmen mit uns Fangen spielen. Denn das ist es, was sie mit uns machen. Ich werde das Plenum nicht verlassen, Herr Minister, bevor Sie uns nicht zugesichert haben, in irgendeiner Weise tätig zu werden.
Herr Harbour hat schon einige Ideen eingebracht, aber ich möchte, dass Sie konkrete Punkte zur Sprache bringen, die ich in meinem Redebeitrag zu Beginn erwähnt habe. Ich möchte, dass Sie in der Arbeitsgruppe des Rates das österreichische Modell zur Sprache bringen, wo gemäß der Richtlinie über irreführende Werbung solche Praktiken schon jetzt verboten sind. Das wird nicht von allen Mitgliedstaaten so gehandhabt. Sie könnten die anderen Mitgliedstaaten auffordern, sich dem anzuschließen, das österreichische Modell aufzugreifen und mit Hilfe einer Änderung ihrer nationalen Rechtsvorschriften diese Praktiken zu untersagen.
Ich fordere Sie ebenfalls auf, den Rat zu bitten, grenzübergreifenden Netzen zur Durchsetzung der Verbraucherrechte zuzustimmen. Ich möchte, dass Sie ihn veranlassen, das Problem anzuerkennen und im Rahmen des grenzübergreifenden Netzes zur Durchsetzung der Verbraucherrechte gegen diese Adressbuchfirmen zu ermitteln und vorzugehen. Das, meine ich, wird uns ein grenzübergreifendes Vorgehen ermöglichen und verhindern, dass diese Leute immer wieder dem langen Arm des Gesetzes entkommen. Wenn Sie mir diese Zusage machen, könnten wir wohl alle ein bisschen zufriedener nach Hause gehen.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir Gelegenheit geben, das Wort zu ergreifen. Ich danke auch allen Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Aussprache teilgenommen haben.
Lassen Sie uns zunächst eines klarstellen. Niemand im Rat, weder das Präsidium noch irgendein Mitgliedstaat, ist dafür, dass Betrügereien auf dem gemeinsamen Markt, den die Europäische Union darstellt, weitergehen oder überhaupt erst auftreten. Ganz im Gegenteil, und deshalb ist diese Aussprache willkommen, die ich im Namen des Präsidiums begrüße.
Zweitens hat das Präsidium die einstimmigen Aufforderungen zu größerer Aktivität und zum sofortigen Handeln klar und deutlich vernommen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir diese Aufforderungen unseren Partnern im Rat übermitteln werden.
Drittens freut mich, dass sich der Petitionsausschuss entschlossen hat, einen Sonderbericht vorzubereiten, und mit Freude erwarten wir nun diesen Bericht des Abgeordneten Busuttil. Das kann entsprechenden Aktivitäten auf europäischer Ebene zusätzliche Impulse verleihen.
Dennoch möchte ich eines betonen. Sie haben, Frau McCarthy, das österreichische Vorbild erwähnt. Ganz gewiss dienen gute Vorbilder dazu, von den anderen übernommen zu werden. Und ich denke und hoffe auch, dass diese Aussprache dazu beiträgt. Ich möchte aber unterstreichen, dass für die Umsetzung der Richtlinien die Kommission zuständig ist.
Es wurde bereits erwähnt, und auch Sie brachten in Ihrer Fragestellung zum Ausdruck, dass diese Frage sich auf zwei Richtlinien bezieht. Was die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken anbelangt, so deckt sie dieses Segment nicht ab. Eine Lösung wäre entweder die Neudefinition des Begriffs Verbraucher oder die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie. Das sind alles Optionen, die meines Erachtens auf dem Tisch liegen werden, wenn über diese Angelegenheiten entschieden wird.
Uns ist bewusst, dass es die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken noch nicht lange gibt. Sie wird erst seit Dezember angewandt, und ich denke, es wird demnächst zu beurteilen sein, wie sie angewandt wird.
Zweitens möchte ich nochmals unterstreichen, dass die Richtlinie über irreführende Werbung diesen Bereich abdeckt. Ganz gewiss handelt es sich bei solcherart Schwindel, bei solcherart Betrug um irreführende Werbung, so dass bestimmte Rechtsmittel bereits zur Verfügung stehen.
Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass ich die Aussprache sehr aufmerksam verfolgt habe und dass das Präsidium den Mitgliedern des Rates die Stimmung auf diesem Plenum vermitteln wird.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Der „European City Guide“ und vergleichbare Dienste sind betrügerische Unternehmen, die sich gezielt an KMU wenden. Sie drängen die Firmen zu einem Eintrag in ein Adressbuch, der angeblich kostenlos ist.
Aufgrund des zweideutigen und komplexen „Kleingedruckten“ schikanieren diese Unternehmen sodann jedoch ihre Opfer auf höchst bedrohliche und bösartige Weise mit Geldforderungen. Es entbehrt nicht der Ironie, dass diese Betrugsfirmen sich auf EU-Recht berufen, um ihre Opfer weiter einzuschüchtern.
Natürlich liefern diese Betrüger dem Verbraucher oder Betrieb keinerlei Gegenleistung. Tatsächlich setzen sie sich über diverse EU-Rechtsvorschriften hinweg, etwa die Richtlinie über irreführende Werbung von 1984. Dieses Problem ist in allen Ländern der EU bekannt und erfordert daher sofortiges Handeln.
Die Lösung liegt in der Zusammenarbeit auf EU-Ebene, und zwar in Form strenger Rechtsvorschriften. Wir müssen sicherstellen, dass eine EU-Richtlinie, die sich mit diesem Problem befasst, keine Schlupflöcher enthält und in allen Mitgliedstaaten in zufriedenstellender Weise umgesetzt wird.
Ich fordere den Rat und die Kommission auf, die Arbeit des Parlaments zu unterstützen und Maßnahmen einzuleiten, die der Dringlichkeit dieses Problems angemessen sind. Wenn wir unsere KMU ermutigen wollen, sich am Wettbewerb des Binnenmarkts zu beteiligen, müssen wir zumindest in der Lage sein, ihnen Schutz vor diesen entsetzlichen betrügerischen Machenschaften zu bieten.
13. Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers – Zugang zum Personenkraftverkehrsmarkt (Neufassung) – Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt (Neufassung) (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
– den Bericht von Silvia-Adriana Ţicău im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers (KOM(2007)0263 – C6-0145/2007 – 2007/0098(COD)) (A6-0087/2008),
– den Bericht von Mathieu Grosch im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Personenkraftverkehrsmarkt (Neufassung) (KOM(2007)0264 – C6-0147/2007 – 2007/0097(COD)) (A6-0037/2008) und
– den Bericht von Mathieu Grosch im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (Neufassung) (KOM(2007)0265 – C6-0146/2007 – 2007/0099(COD)) (A6-0038/2008).
Radovan Žerjav, amtierender Ratspräsident. − (SL) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Ţicău, Herr Grosch, meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat im Juli 2007 die Entwürfe von Rechtsakten veröffentlicht, und zwar den Entwurf einer Verordnung zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, den Entwurf einer Verordnung über den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs und den Entwurf einer Verordnung über den Zugang zum Personenkraftverkehrsmarkt.
Die portugiesische Präsidentschaft hat mit den Arbeiten zur Verordnung über den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs begonnen, die slowenische Präsidentschaft hat sie fortgesetzt und auch die beiden übrigen Dossiers eröffnet. Parallel zur Arbeit in der Arbeitsgruppe haben wir außerdem informelle Gespräche mit Berichterstattern im Europäischen Parlament aufgenommen.
Auf der Tagung des Rates Verkehr, Telekommunikation und Energie (TTE) vom April haben die Minister eine politische Debatte auf der Grundlage eines Pakets mit den wichtigsten Fragen geführt, die Folgendes ergeben hat. Erstens: In Bezug auf die Verordnung über den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs ist die Schlüsselfrage der Kabotage noch offen. Die meisten Mitgliedstaaten haben die Kompromissentscheidung, wonach drei Kabotagefahrten innerhalb von sieben Tagen nach Entladen im Gastmitgliedstaat zulässig sind, grundsätzlich unterstützt.
Jedoch haben etliche Delegationen, auch mit Unterstützung der Kommission, gefordert, zur Vermeidung von Leerfahrten zusätzlich auch die Transitkabotage zu ermöglichen. Der Ratsvorsitz bemüht sich zurzeit, im Rat eine Kompromisslösung zu finden.
Zweitens: In Bezug auf die Verordnung über den Berufszugang muss ein Kompromiss zum nationalen elektronischen Register und Register der Transportunternehmer gefunden werden. Tatsächlich stehen wir, was den Terminplan für die Einrichtung dieses Registers anbelangt, kurz vor einer Einigung.
Drittens: In Bezug auf die Verordnung für den grenzüberschreitenden Busverkehr muss die Aussprache auf Arbeitsgruppenebene fortgesetzt werden. Wir haben vereinbart, dass die Lösungen aus den anderen beiden Verordnungen sinngemäß auch in dieser Verordnung Anwendung finden sollen.
Die slowenische Ratspräsidentschaft ist darum bemüht, auf der Tagung des TTE am 13. Juni 2008 in Bezug auf diese drei Vorschläge für Verordnungen politisches Einvernehmen zu erzielen. Ich möchte betonen, dass wir bestrebt sind, Ihre Änderungsanträge weitestgehend zu berücksichtigen und so unsere Standpunkte weitgehend anzunähern.
Die slowenische Präsidentschaft will zur Festigung und Vollendung des einheitlichen Marktes beizutragen. Ich bin der Überzeugung, dass der schnell wachsende Straßenverkehrssektor eine der Grundlagen für den einheitlichen Markt des freien Waren- und Personenverkehrs bildet und dass die Modernisierung der Rechtsordnung der Gemeinschaft notwendig ist, um eine höhere Effizienz, eine bessere Kontrolle und einen ehrlichen Wettbewerb zu gewährleisten.
Die slowenische Präsidentschaft unterstützt uneingeschränkt die in den Vorschlägen für die drei Verordnungen formulierten Ziele. Ich möchte betonen, dass sich der slowenische Ratsvorsitz der bestehenden Beschränkungen auf dem Verkehrsmarkt der Europäischen Union bewusst ist und seine Aufgabe deshalb darin sieht, nicht nur die Regeln und Kontrollmechanismen für die Kabotage zu stärken, sondern auch einheitliche Vorschriften für den Berufszugang einzuführen.
Vor allem die elektronischen Register werden dazu beitragen, die Wirksamkeit und Übersichtlichkeit im Transportsektor zu erhöhen und den Verwaltungsaufwand deutlich zu senken. Abschließend möchte ich den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und insbesondere den Berichterstattern Herrn Grosch und Frau Ţicău für den konstruktiven Meinungsaustausch danken.
Ich möchte nochmals erwähnen, dass die slowenische Präsidentschaft alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um zwischen den unterschiedlichen Interessen ein Gleichgewicht herzustellen und außerdem sicherzustellen, dass die Lösungen, die wir annehmen werden, die europäische Straßenverkehrsindustrie effizienter und wettbewerbsfähiger zu machen.
An dieser Stelle möchte ich meiner Hoffnung und meinem Wunsch Ausdruck verleihen, dass wir den konstruktiven Dialog fortsetzen und dass das Europäische Parlament schnellstmöglich Einigkeit erzielt.
Leonard Orban, Mitglied der Kommission. − (RO) Die Verordnungen über den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Personen- und Güterkraftverkehrs und die Verordnung über den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers bilden ein Paket. Diese Themenbereiche sind untrennbar miteinander verbunden. Es freut mich sehr, dass diese drei Texte heute zur Abstimmung stehen, um Ihren Standpunkt in erster Lesung festzulegen. Ich danke Ihren Berichterstattern, Frau Ţicău und Herrn Grosch, für ihre Arbeit sowie allen übrigen Mitgliedern, die Beiträge zu diesen Berichten geleistet haben. Aus folgenden Gründen ist eine schnelle Einigung erforderlich: Im März 2007 hat der Europäische Rat seinen Wunsch geäußert, eine schnelle Einigung herbeizuführen; und der betreffende Sektor – mehr als 900 000 Unternehmen – möchte die Bedingungen für den Zugang zu diesem Beruf harmonisieren, um einen fairen Wettbewerb einzuleiten und klare Bestimmungen für dieses begrenzte, aber heikle Problem, nämlich die Kabotage, festzulegen.
15 Jahre nach der Verabschiedung der ersten Verordnungen über den Zugang zum Kraftverkehr ist der Markt noch immer gespalten, da wir über 27 verschiedene Versionen nationaler Vorschriften verfügen, was die Kontrolle des Zugangs zu diesem Beruf und die Definition der dafür erforderlichen Zuverlässigkeit betrifft. Ich werde Sie auch noch einmal an die verschiedenen Auslegungen des Begriffs „zeitweilig“ in Bezug auf die Kabotage erinnern. Daher war es an der Zeit, die Integration des Binnenmarkts im Bereich Kraftverkehr voranzutreiben. Eine rasche Einigung ist möglich. Ich habe den Einruck, dass die Standpunkte des Rates und des Parlaments noch mehr auf einen gemeinsamen Punkt ausgerichtet werden können. Mit Unterstützung der slowenischen und französischen Präsidentschaft ist es meines Erachtens möglich, bald eine Einigung zu erzielen. Was den Großteil der vom Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vorgelegten Änderungsanträge betrifft, so kann ich Sie meiner – zumindest prinzipiellen – Unterstützung versichern. Da die ausführliche Stellungnahme der Kommission zu jedem einzelnen Änderungsantrag bereits der betreffenden Dienststelle des Parlaments übermittelt wurde, beziehen sich meine Bedenken oder Anmerkungen nur auf einige wenige Punkte.
Der erste davon, die Kabotage, ist offenbar einer der wichtigsten Punkte dieses Pakets. Dennoch wird eine Lösung erst gut sein, wenn sie kontrollierbar ist. Das, was den Vorschlag der Kommission auszeichnen muss, ist Klarheit, Einfachheit und Kontrollierbarkeit des eingeführten Mechanismus: drei Einsätze innerhalb von sieben Tagen nach einem internationalen Transport. Dieser Bezug auf einen internationalen Transport ist allgemein anerkannt und genau aus diesem Grund kann ich das in Änderungsantrag 17 des Berichts Grosch geäußerte Interesse verstehen, wonach Kabotagebeförderungen in einem Transitland auf dem kürzesten Rückweg erfolgen müssen. Nichtsdestotrotz macht die vorgeschlagene Formulierung die Kontrolle des Änderungsantrags schwer, weswegen ich ihn nicht unterstützen kann. Andererseits könnten wir meines Erachtens zur Vermeidung von Leerfahrten eine Bestimmung kontrollieren, wonach eine der drei Fahrten innerhalb von sieben Tagen in einem Transitland durchgeführt werden und maximal drei Tage dauern kann. Einen entsprechenden Änderungsantrag könnte ich problemlos befürworten. Dasselbe gilt für die Änderungsanträge 18, 37, 40, 44 und 47, die vorsehen, dass die Anzahl und Dauer von Kabotagebeförderungen bis 2014 schrittweise aufgehoben wird.
Wir müssen auch die Gegebenheiten des Marktes der einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigen. Aufgrund der unzureichenden Harmonisierung sind die steuerlichen, sozialen und Vergütungsbedingungen noch immer sehr unterschiedlich und ich fürchte, dass sie es auch im Jahr 2014 noch sein werden. Das vorgeschlagene Paket wird sicherlich zu dieser Harmonisierung beitragen, was die Kontrolle des Zugangs zu diesem Beruf betrifft, aber es kann nicht garantieren, dass das Ausmaß der Harmonisierung selbst ausreicht. Unter diesen Umständen würde eine automatische Liberalisierung der Kabotage zu einer Verzerrung und nicht zur Festigung der Wettbewerbsbedingungen führen. Daher erscheint mir eine Klausel zur anschließenden Überprüfung dieser Angelegenheit durchaus angemessen. Bis zu dieser Überprüfung hindert die Verordnung die Mitgliedstaaten natürlich nicht daran, ihre Kabotagemärkte vollständig zu öffnen, vorausgesetzt, dass dies ohne Diskriminierung der anderen Mitgliedstaaten oder nach Maßgabe von Abkommen zwischen den nationalen Regierungen erfolgt, die vor den geltenden Gemeinschaftsvorschriften zum Marktzugang geschlossen wurden.
Änderungsantrag 21 geht in seiner jetzigen Form nicht darauf ein und kann daher von der Kommission nicht unterstützt werden. Was den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers betrifft, so kommt den Aspekten „Zuverlässigkeit“ und „schwerwiegende Verstöße“ gegen die Rechtsvorschriften wesentliche Bedeutung zu. Meines Erachtens hat das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren zum Entzug der Lizenz im Falle eines schwerwiegenden Gesetzesverstoßes große Abschreckungswirkung und ist nach wie vor angemessen. Ich begrüße vor allem Änderungsantrag 104 in Frau Ţicăus Bericht, in dem diese Verstöße detailliert aufgelistet werden. Daher können wir den Vorschlag des Parlaments zu Artikel 6 unterstützen. Eine besondere Bedeutung für die Kontrolle der Zuverlässigkeit hat das Europäische Firmenbuch. Im Zusammenhang damit unterstützen wir die Änderungsanträge 70, 72-78 und 114, die eine rasche und schrittweise Einführung miteinander vernetzter nationaler Register ermöglichen.
Zu guter Letzt ermöglicht es der Entschließungsentwurf kleinen Unternehmen, auf so genannte externe Verwalter zurückzugreifen, d. h. auf Verwalter, die nicht direkt in diesen kleinen Unternehmen tätig sind. Diese Möglichkeit wird in Änderungsantrag 27 nicht eingeschränkt, was meiner Ansicht nach eine Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden sollte. Daher kann ich diesen Änderungsantrag nicht unterstützen. Befürworten könnte ich jedoch Änderungsantrag 109, der eine sinnvolle Beschränkung auf 50 Fahrzeuge einführt. Was die Frage der 12 Tage betrifft, so erinnere ich mich an den früheren Änderungsantrag 102 in Frau Ţicăus Bericht, in dem es um die Wiedereinführung der so genannten Zwölf-Tage-Regelung für Busse ging. Ich stimme der Entscheidung des Plenums zu, über diesen Änderungsantrag in Herrn Groschs Bericht über Busse abzustimmen. Hierzu hat die Kommission bislang noch keinen Standpunkt angenommen. Die Sozialpartner arbeiten derzeit noch an diesem Thema, und wir müssen die Ergebnisse des ersten Meinungsaustauschs abwarten, um nicht voreilig legislativ tätig zu werden. Sobald diese Sozialpartner zu einer Einigung gelangt sind, wird eine genauere neuerliche Überprüfung dieses Punkts erforderlich sein, wobei jedoch eine Einigung über die Kabotage und das Register nicht verzögert werden darf.
Silvia-Adriana Ţicău, Berichterstatterin. − (RO) Zunächst möchte ich der Kommission, dem Rat und den Ko-Berichterstattern danken – vor allem Herrn Grosch, Herrn Sterckx, Frau Lichtenberger und allen Kollegen, mit denen ich bei diesem Bericht zusammengearbeitet habe. Der Vorschlag für eine Verordnung über den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ist wichtig, weil er 4,5 Millionen Beschäftigte im Kraftverkehrssektor und mehr als 900 000 europäische Unternehmen betrifft. Wir haben versucht, möglichst umfangreiche Konsultationen mit den Beschäftigten dieses Sektors zu führen. Zu diesem Zweck hat der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr im Oktober eine öffentliche Diskussion organisiert, um möglichst viele Stellungnahmen zu diesem Verordnungsvorschlag einzuholen. Die Verordnung ersetzt die Richtlinie 96/26, die von den Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt wurde. Im Verordnungsvorschlag werden gemeinsame Kriterien festgelegt, die u. a. Folgendes betreffen: den Zugang eines Unternehmens zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, den festen Hauptsitz eines Unternehmens, die Verwaltung von einem Einsatzzentrum aus, den Zugang zu genügend Parkplätzen, Kriterien zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit, die Zuverlässigkeit, die Rolle des Verkehrsleiters und die von ihm zu erfüllenden Bedingungen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Bescheinigung der fachlichen Eignung und der Zuverlässigkeit sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten, miteinander vernetzte nationale elektronische Register einzurichten.
Dem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr wurden 193 Änderungsanträge vorgelegt, mit denen Änderungen am Kommissionsvorschlag vorgenommen wurden. Somit haben das Parlament und der Ausschuss für einen Wortlaut plädiert, der nur auf schwerwiegende und schwerste Verstöße Bezug nimmt, wobei letztere in einem neuen Anhang zur Verordnung genau definiert werden und die Kommission eine Liste der schwerwiegenden Verstöße erstellen soll, wobei hier wiederholte Verstöße zum Verlust der Beförderungslizenz führen können. Diese Liste wird durch das Regelungsverfahren mit Kontrolle genehmigt. Was die Vernetzung der nationalen elektronischen Register bis zum 1. Januar 2012 betrifft, so werden diese Register auf der Grundlage einer gemeinsamen Mindeststruktur entwickelt, die die Kommission bis zum 1. Januar 2010 vorlegen muss. Die elektronischen Register werden eine öffentliche und eine vertrauliche Abteilung haben, wobei die öffentliche Abteilung Daten über die Kraftverkehrsunternehmer und Verkehrsleiter und die vertrauliche Abteilung Daten über die begangenen Verstöße oder durchgeführten Sanktionen enthält, die nur von den einschlägigen Behörden abgefragt werden dürfen, wobei die Datenschutzbestimmungen einzuhalten sind. Hier sei noch hervorgehoben, dass diese vertraulichen Daten in separaten Registern gespeichert werden können.
Was die Erlangung der Bescheinigung der fachlichen Eignung betrifft, so hat der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr für die Abschaffung der festgelegten Anzahl von Unterrichtsstunden plädiert und sich dafür ausgesprochen, diese entsprechend dem Beschluss jedes einzelnen Mitgliedstaats durch eine obligatorische schriftliche und mündliche Prüfung zu ersetzen. In einem anderen Änderungsantrag wird festgelegt, dass ein Verkehrsleiter nur für das sanktioniert werden darf, was ihm zugeschrieben werden kann. Daher kann jeder Sanktionsbeschluss angefochten werden und werden die Sanktionen erst nach einer endgültigen einschlägigen Entscheidung im elektronischen Register erfasst.
Nach Ansicht des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr reicht es aus, wenn ein Unternehmen seine finanzielle Leistungsfähigkeit auf der Grundlage seines von einem Rechnungsprüfer oder von einer entsprechend akkreditierten Person durchgeführten Jahresabschlusses nachweist, wofür Bankbürgschaften oder sonstige Finanzinstrumente wie beispielsweise eine Versicherung herangezogen werden können. Daher wurde der Mindestsatz von 80 % für die sofort verfügbaren Mittel zugunsten einer Mindestschwelle für Eigenkapital und Reserven abgeschafft. Darüber hinaus hält es der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr für wichtig, den Wert des Euro jedes Jahr und nicht alle fünf Jahre festzulegen, wie es im Kommissionsvorschlag vorgesehen ist. Ferner haben wir die Streichung von Artikel 22 des Kommissionsvorschlags angeregt, in dem gewisse prioritäre Rechte festgelegt werden, die für die verschiedenen Mitgliedstaaten variieren, und Änderungsantrag 52 eingeführt, wonach Personen von der Prüfung befreit werden können, wenn sie nachweisen, dass sie in den 10 Jahren vor der Veröffentlichung dieser Verordnung in leitender Funktion in einem Verkehrsunternehmen tätig waren.
Wir haben vorgeschlagen, die Anzahl der von einem externen Manager verwalteten Fahrzeuge auf 50 und die Anzahl der Unternehmen auf vier zu beschränken. Was die internen Verkehrsleiter betrifft, so schlägt die sozialdemokratische Fraktion die Beschränkung der Anzahl der direkt von einem Verkehrsleiter verwalteten Fahrzeuge auf 250 vor. Dies ist unserer Ansicht nach notwendig, weil auch für die Verkehrsleiter menschenwürdige Arbeitsbedingungen gelten sollten.
Darüber hinaus wurden im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr noch zwei Änderungsanträge eingereicht, die die Zwölf-Tage-Regelung für die Ruhezeit von Busfahrern im grenzüberschreitenden Personenkraftverkehr betreffen. Hier rechnen wir mit einer Einigung der Arbeitgeber und Gewerkschaften, weswegen die beiden Änderungsanträge in Herrn Groschs Bericht erneut vorgelegt werden.
Mathieu Grosch, Berichterstatter. − Herr Präsident! Ich möchte auch der Berichterstatterin, den Schattenberichterstattern, dem Rat und der Kommission für die gute Zusammenarbeit danken. Denn ich glaube, wir hatten versucht, ein Gesamtpaket zu machen, um eine gewisse Kohärenz zwischen den drei Berichten zu erhalten.
Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass das Parlament eine gewisse Vorreiterrolle spielt. Wir hatten vielleicht gehofft, bereits in einem inoffiziellen Trilog zu einem Resultat zu kommen. Aber das Parlament kann jetzt Zeichen setzen. Ich bin auch überzeugt, dass der Rat vieles von dem, was hier zur Debatte stand und auch verabschiedet wird, ganz nutzvoll übernehmen kann. Beim Zugang zum Beruf wird der Verkehrsleiter, wie eben gesagt, eine wichtige Rolle spielen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man in einem so internationalen Bereich morgen weiß, wie die Unternehmen strukturiert sind, wer dort Verantwortung übernimmt, zum einen, was die Finanzen, die Zuverlässigkeit angeht, aber zum andern auch, was insgesamt die wichtigen Regelungen im Verkehrswesen angeht. Wenn man morgen international arbeitet, ist es wichtig, zu wissen, wie der Partner strukturiert ist und dass man sich auf ihn verlassen kann.
Wir haben versucht, dies auf Verwaltungsebene so einfach und durchsichtig wie möglich zu gestalten. Wir zählen aber auch ganz fest auf die Zusammenarbeit des Rates, denn das Netzwerk der Informationen, das wir schaffen wollen, muss transparent, effizient und auch schnell vorhanden sein. Jede Art der Verzögerung, die da zur Debatte stand, ist in unseren Augen unnötig, denn dank der heutigen Informationstechnik kann dies sehr schnell über die Bühne gehen.
Die Voraussetzungen für den Beruf sind auch klar. Wir wollen keine besonderen Auflagen für Leute, die bereits über Berufserfahrung verfügen und Zuverlässigkeit bewiesen haben. Wir möchten aber, dass dies auch in einem regelmäßigen Rhythmus überprüfbar bleibt. Was den Zugang zum Markt angeht, so ist dies im Busverkehr etwas leichter. Wir haben dort auch die Kohärenz mit dem Zugang zum Beruf gesucht.
Wir im Parlament haben uns als Schwerpunkt gesetzt, dass wir uns vorläufig auf die schweren Vergehen konzentrieren. Uns ging es wirklich nicht darum, dass künftig ein Austausch über kleine Vergehen zwischen den Ländern stattfinden muss. Wenn wir gute Informationen über die schweren Vergehen haben, dann sind wir wohl schon einen wichtigen Schritt weiter.
Bestehende Verträge sollen in unseren Augen nicht gefährdet werden. Außerdem wird unserer Ansicht nach der öffentliche Nahverkehr bereits durch eine eigene Reglementierung geschützt, und es obliegt den Mitgliedsländern, zu kontrollieren, ob da Probleme aufkommen oder nicht.
Die 12-Tage-Regelung steht hier selbstverständlich auch zur Debatte, und wie eben angedeutet wurde, war diese 12-Tage-Regelung bereits früher ein Wunsch dieses Parlaments, ist aber damals unter britischer Präsidentschaft nicht beschlossen worden. Das Parlament hat sich immer klar dazu geäußert, weil wir nicht nur marktorientiert sind. Wir haben auch Sicherheitskriterien Rechnung getragen, und wir wollten dieses Thema noch mal aufgreifen. Ich hoffe, dass dieses Parlament den richtigen Zeitpunkt und auch die gute Formel findet, um dieses Thema zu verabschieden.
Schließlich zum Zugang zum Güterkraftverkehr: Da ist natürlich der berühmte Begriff der Kabotage enorm wichtig. Einfach ausgedrückt geht es im Endeffekt darum, die so genannte Dienstleistungsrichtlinie im Verkehrssektor irgendwie zu regulieren. Wie darf ich, wenn ich aus einem Drittland komme, Dienstleistungen in einem anderen Land erbringen? Darf ich das unbegrenzt tun? Darf ich das unter irgendwelchen Bedingungen machen? Das ist im Endeffekt die Grundfrage. Es geht hier nicht um große Transportunternehmen, es geht auch um kleiner strukturierte Unternehmen. Einerseits tragen wir dem Umweltaspekt Rechnung, indem wir Leerfahrten vermeiden wollen, andererseits dürfen wir – wohl wissend, dass zum jetzigen Zeitpunkt die sozialen und auch die steuerlichen Bedingungen von Land zu Land so verschieden sind – über diese Regulierung auch nicht direkt Dumping in diesen beiden Bereichen Vorschub leisten.
Eine Begrenzung der Kabotage auf 3 pro Woche ist in meinen Augen zumindest mal eine klare Aussage. Dies ist viel besser als der Begriff „zeitweilig“, der ja fast dazu geführt hätte, dass 27 Länder in den nächsten Jahren zu 27 verschiedenen Gesetzgebungen kommen, was dem Sektor bestimmt nicht dienlich gewesen wäre. Denn ich glaube, die Regelung ist klar. Dass das jetzt innerhalb einer angemessenen Frist zum Abschluss kommen muss, ist in unseren Augen – jetzt spreche ich für mich – eine klare Sache, sofern die Unterschiede auf Lohn- und auf Steuerebene abgebaut werden.
Wir haben die Kabotage auch etwas realitätsnäher betrachtet, das heißt, man kann bereits nach dem ersten Entladen damit beginnen. Ich bin im Gegensatz zur Kommission der Meinung, dass bei einer internationalen Fahrt auch auf der Rückreise Kabotage möglich sein muss.
Wir wollen beim Zugang zum Markt also auch eine gewisse Kohärenz, was die schweren Vergehen und die Information darüber angeht, genau wie wir auch die Verwaltungsprozeduren vereinfachen wollen.
Zum Abschluss nochmals ein Appell an die Länder selbst. Bei diesen Verordnungen, wie wir sie heute hier debattieren und verabschieden – besonders was Kabotage angeht –, hat es wenig Zweck, sehr stark ins Detail zu gehen, wenn sich die Länder nicht gemeinsam mit den erforderlichen Mitteln ausstatten, um eine korrekte Kontrolle dieser Kabotagefahrten durchzuführen.
Es ist keine Unmenge an Arbeit. In unseren Augen geht es darum, zum einen mit der Zeit die Verwaltungspapiere zu vereinheitlichen und zum zweiten dahin zu kommen, dass der Gesamtaufwand von 2 % Kabotage auf europäischer Ebene – für gewisse Länder bedeutet es jedoch 30 % – 40 % der Arbeit in diesem Bereich – korrekt kontrolliert wird.
Ich glaube, nur dann hat das, was wir hier machen, Sinn. Und dann ergeben auch bestimmte Details, die wir außer Acht lassen, Sinn.
Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich ganz herzlich im Namen meiner Fraktion den beiden Berichterstattern danken, einmal Frau Kollegin Ticău und zum anderen dem Kollegen Mathieu Grosch. Sie haben sehr gute Arbeit geleistet: Sie haben versucht, die verschiedenen Strömungen im Verkehrsausschuss zusammenzubringen.
Unsere Fraktion unterstützt grundsätzlich die von der Kommission vorgeschlagenen Neuregelungen für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers sowie für den Zugang zum Personen- und zum Güterkraftverkehrsmarkt. Dennoch möchten wir mit unseren Änderungsanträgen weitere Harmonisierungs- und Liberalisierungsschritte einfordern. Ich darf daran erinnern, dass wir immer noch die Idee des europäischen Binnenmarktes vor Augen haben, der eigentlich 1958 eingeführt werden sollte. Der Rat hat sich lange gesträubt, aber der Europäische Gerichtshof hat dann 1985 gesagt, wir müssen den europäischen Binnenmarkt auch im Verkehrsmarkt errichten. Insofern müssen wir etwas mutiger werden.
Eine kurze Bemerkung zum Thema Berufszulassung: Die Forderung, dass die Kommission bis zum Jahre 2010 einen einheitlichen Katalog über Verstöße im Straßenverkehr entwickeln soll, ist ganz wichtig. Sie ist deshalb wichtig, damit in den Mitgliedstaaten nach einheitlichen Kriterien zum Beispiel über die Frage der Aberkennung der Zuverlässigkeit entschieden werden kann. Es geht nämlich nicht nur um die Zulassung, sondern auch um die Rücknahme der Zulassung. Wenn wir schwarze Schafe ausschalten wollen, müssen wir die Frage der Aberkennung der Zuverlässigkeit nach einheitlichen Kriterien entscheiden, und insofern hoffe ich, dass die Kommission die Zusage geben wird, bis zum Jahre 2010 einen einheitlichen Katalog vorzulegen.
Hinsichtlich des Marktzugangs im Personenkraftverkehr bin ich der Auffassung, dass wir endlich den Binnenmarkt wenigstens kilometerweise verwirklichen sollten. Deshalb hoffe ich, dass die Kommission uns unterstützt, dass man bei grenzüberschreitenden Linienverkehren, die nicht mehr als 50 km über die Grenze hinausreichen, nicht auch noch die Genehmigung des anderen Mitgliedstaates braucht. Man sieht geradezu den Protektionismus um die Ecke kucken.
Hinsichtlich des Marktzugangs zum Güterkraftverkehr müssen wir irgendwann mit der Kabotage aufhören, die in einem gemeinsamen Binnenmarkt keinen Sinn macht. Denn der Sinn eines gemeinsamen Binnenmarktes ist es, dass jeder Unternehmer in jedem Teil der Gemeinschaft seine Dienstleistungen anbieten können muss. Aus Umweltgründen würde ich Frau Lichtenberger jetzt sagen: Wenn ich will, dass es keine sinnlosen Rückfahrten gibt, muss es dem Unternehmer sinnvollerweise ermöglicht werden, auch in anderen Ländern Fahrten zu unternehmen. Kommen Sie mir nicht mit den Bedingungen! Wir reden von der Abschaffung der Kabotage im Jahre 2014. Das sind noch 6 Jahre. Wenn wir es nicht schaffen, die Bedingungen in sechs Jahren einigermaßen anzugleichen, dann werden wir es nie schaffen, dann werden Sie im Jahre 3000 noch für Kabotageregelungen sein. Ich kenne diese Geschichten aus Hamburg, weil wir immer gedacht haben, die Nachbarn außerhalb Hamburgs würden schon unheimlich niedrige Löhne zahlen. Wir müssen uns daranhalten, dass wir einen Binnenmarkt herstellen.
Mein wichtigster Punkt ist die Frage der 12-Tage-Regelung. Hier müssen wir einfach klare Linien ziehen. Wir brauchen die 12-Tage-Regelung für den Gelegenheitsbusverkehr. Da hilft es auch nicht, wenn die Unternehmer und Gewerkschaften jetzt sagen: „Wir sind kurz davor, uns zu einigen.“ Wir müssen eine gesetzliche Regelung treffen, wir müssen die Tür zur Revision der Lenk- und Ruhezeiten öffnen. Ich bin gern bereit, später mit den Gewerkschaften und den Unternehmern über Details bei der Ausführung zu reden. Aber die Öffnung der gesetzlichen Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten muss das Parlament machen. Wir haben klare Vorschläge, diese Vorschläge haben eine Mehrheit im Ausschuss gefunden, und ich bitte darum, dass wir morgen entsprechend abstimmen.
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
Willi Piecyk, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Lieber Georg Jarzembowski, Hamburg hat ja deswegen jetzt eine schwarz-grüne Regierung, damit die Konservativen in dieser Frage ein bisschen lernen. Von daher ist es ja ganz gut.
Ich möchte erst einmal der Kollegin Silvia Ţicău – es ist ihr erster Bericht – herzlich gratulieren. Sie hat eine gute Arbeit abgeliefert, ebenso wie natürlich auch Mathieu Grosch, von dem wir hier im Parlament gute Berichte gewohnt sind. Ich war über die Fragen, die man von außen gestellt bekommt, ein bisschen verwundert. Es geht nicht darum, dass wir bei diesen drei Berichten den Straßentransport sozusagen neu erfinden, sondern es geht darum, wie er vernünftig organisiert werden kann und wie letztlich auch die Sicherheitskriterien erhöht werden können, weil wir ordentliche Unternehmen haben, die sich auf der Straße bewegen wollen. Und schließlich geht es auch darum, wie der soziale Schutz damit insgesamt verbunden ist.
Die Öffnung zur Kabotage dürfte im Prinzip auch kein Problem sein. Es ist angesprochen worden: Niemand kann Interesse an Leerfahrten haben. Das ist völliger Unsinn. Nur, wir müssen schon darauf achten, dass dies nicht zu Wildwest-Bedingungen stattfindet. Deswegen ist es sinnvoll, dass wir morgen – es gibt einen diesbezüglichen Antrag von Mathieu Grosch, den wir mit unterstützen – beschließen, 2012 zu schauen, was bis dahin passiert ist und wie sich das Ganze entwickelt hat, dass wir also sozusagen eine Reserve eingebaut haben. Bis 2014, wenn es dann richtig losgehen soll, sollte das Ganze auch mit einer Airbag-Klausel versehen werden. Wenn ernsthafte Marktstörungen eintreten sollten, kann ein Mitgliedstaat dann sagen: Ich ziehe die Notbremse und gehe zur Kommission, in diesem Fall muss Abhilfe geschaffen werden.
Letzter Punkt: die 12-Tage-Regelung. Ich habe sie immer unterstützt, wir haben sie damals unterstützt. Es ist jetzt aber eigentlich insofern eine neue Situation eingetreten, als sich die Gewerkschaften und die Unternehmerseite geeinigt haben. Das könnte antragstechnisch Probleme bereiten. Deswegen wären wir morgen sehr dafür, dass wir die Annahme des Berichts, der den Teil mit den Bussen beinhaltet, um einen Monat verschieben und ihn erst dann, wenn wir ihn richtig fertig haben, im Juni verabschieden. Dann hätten wir etwas Vernünftiges gemacht und auch den Sektor mit einbezogen.
Dirk Sterckx, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Gestatten Sie mir, aus dem Weißbuch zu zitieren, in dem es heißt, ein Lastkraftwagen sei heute nach einer Fahrt ins Ausland nicht mehr gezwungen, leer zurückzufahren. Er könne auch außerhalb seines eigenen Mitgliedstaates Waren laden und ausliefern. Die Erbringung von Transportdienstleistungen auf der Straße sei Realität geworden. So die Worte der Europäischen Kommission im Jahr 2001.
Seither haben einige Mitgliedstaaten erneut zahlreiche Beschränkungen eingeführt, wodurch der Markt wieder fragmentiert ist – ein Zustand, der so 2001 nicht existierte. Wie äußert sich die Kommission nun dazu? Diese Fragmentierung soll in Bestimmungen gegossen werden, sodass sie für alle gleich ist. Darum bin ich vom Vorschlag der Kommission sehr enttäuscht, was ich auch Herrn Kommissar Jacques Barrot mitgeteilt habe, denn er bedeutet einen Rückschritt gegenüber der Richtlinie von 1993. Glücklicherweise konnten wir etwas unternehmen, aber nach meinem Dafürhalten längst nicht genug.
Was machen wir eigentlich? Wir geben Milliarden von Euro aus, um mit Galileo sicherzustellen, dass bekannt ist, wo sich der Güterverkehr befindet. Dies bedeutet, dass ein Transportunternehmen seine Arbeitsabläufe auf dem gesamten europäischen Markt effizient organisieren kann. Dann sagen wir jedoch: Nein, halt, Bürokratie. Man muss Papiere einreichen, obwohl man beschäftigt ist. Man muss verschiedenste Dinge tun, so dass man weniger effizient arbeitet und eigene Lastkraftwagen gegebenenfalls sogar leer zurückfahren. Diesen Ansatz befürwortet die Kommission jetzt. Ich empfinde es als große Enttäuschung, dass die Kommission sich sogar getraute, dies festzuschreiben.
Meines Erachtens fungiert der soziale Aspekt in diesem Fall als eine Art schnelle Entschuldigung. Denn aus welchem Grund würden französische Behörden sonst an belgische Spediteure herantreten, um zu ermitteln, ob sie keine Kabotageleistungen bzw. zu viele Transportdienstleistungen in Frankreich erbringen? Die Löhne sind in Belgien höher, nicht niedriger als in Frankreich. Es handelt sich nicht um eine soziale Frage, sondern es geht um den Schutz des eigenen Marktes.
Im Ergebnis wird die Umwelt stärker belastet. In der Folge wird die Kommission innerhalb weniger Wochen Vorschläge für grüne Transportdienstleistungen vorlegen. Na, herzlichen Glückwunsch! Zum Glück haben wir sowie der Berichterstatter einiges richten können. Hoffentlich haben wir damit Erfolg. Im Jahr 2014 könnte der Markt offen sein, aber nach meinem Geschmack reicht dies nicht. Ich sähe die Marktöffnung lieber schon 2012. Aus meiner Sicht sind auch keine neuen Studien erforderlich. Dieses Mal müssen wir den Markt wirklich öffnen. Und, Herr Piecyk, ich stimme Ihrem Änderungsantrag zu – um dafür zu sorgen, dass gegen Marktstörungen vorgegangen wird. Eine solche Maßnahme muss jedoch in einem geöffneten Markt ergriffen werden, nicht durch die Aufstellung zusätzlicher Hürden in einem Markt, indem schon Hunderte existieren.
Was den Bericht von Silvia-Adriana Ţicău betrifft, stehe ich voll und ganz hinter dem Ansatz, strenge Auflagen für Berufsanfänger einzuführen. Im Übrigen habe ich die Anforderungen in einigen Punkten noch verschärft. Ich danke der Berichterstatterin für das diesbezügliche Gespräch. Wenn wir gegenüber Marktteilnehmern Strenge an den Tag legen, müssen wir auch dafür sorgen, dass der Markt wirklich offen ist.
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Von der Idee her ist Kabotage natürlich eine gute Sache. Durch die Vermeidung von Leerfahrten spart man ja auch Emissionen, und schließlich soll auch der Verkehrssektor endlich damit beginnen, Emissionen einzusparen. Schade ist nur, dass diese Regelung in der Vergangenheit sehr häufig missbraucht wurde, um Sozialstandards auszuhebeln und mit Dumpingpreisen Marktanteile zu gewinnen. Deswegen hat der Berichterstatter dankenswerterweise hier einen Zugang gewählt, der das berücksichtigt. Entscheidend – und das ist auch mein Appell an die Mitgliedstaaten – ist die Kontrolle dessen, was hier beschlossen wird, ansonsten kann das Ganze nicht funktionieren. Diesem Teil des Pakets kann ich also zustimmen.
Etwas anders sieht es aus beim Bericht über den Busverkehr. Hier wurde von einem Teil des Verkehrsausschusses der Wunsch geäußert, die berühmte 12-Tage-Regelung für die Lenk- und Ruhezeiten wieder aufzunehmen, und die sehr gut organisierte Buslobby hat uns nun seit Monaten mit einem Übermaß an Informationen versorgt, um dies zu erreichen. Allerdings wurde in viel zu geringem Maße die Meinung der in diesem Bereich beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingeholt.
Dieser Regelung könnte ich nach den Änderungsanträgen allein nicht zustimmen. Wenn aber eine Einigung zwischen den Sozialpartnern zustande kommt, also zwischen den Unternehmern und anderen, die davon betroffen sind – es sind auch Menschen betroffen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, wir haben in diesem Bereich einen sehr geringen Organisationsgrad –, dann will ich, dass diese Regelung mitaufgenommen wird. Das muss man abwarten. Diese Fairness muss man haben, wenn man die Sozialpartnerschaft anerkennt. Deswegen lassen Sie uns diesen Teil verschieben und später eine bessere und kluge Lösung finden, damit wir nicht nachverhandeln müssen und dann vielleicht nichts mehr erreichen können.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Meine Fraktion misst dem fortdauernden und verbesserten Schutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern mehr Bedeutung zu als einem stetig zunehmenden Maß an Freiheiten für Unternehmen im Binnenmarkt. Eine solche Option ist beim grenzüberschreitenden Fernverkehr per Bus oder Lastkraftwagen von noch größerer Bedeutung als in vielen anderen Branchen.
Im Personennahverkehr gelten seit April 2007 Regelungen, nach denen bei Feriengruppenreisen der Bus alle sechs Tage einen Tag Pause einlegen muss, um den Fahrer vor Übermüdung zu schützen. Wir unterstützen das Ziel dieser Maßnahme nachdrücklich. Nichtsdestotrotz begreifen wir, dass die Umsetzung nicht nur bei Unternehmern und Kunden, sondern auch bei den Fahrern selbst für Ärgernisse sorgt. Ich habe bereits auf eine Verbesserung der Durchsetzung durch Vereinbarungen mit der Gewerkschaft, der Europäischen Transportarbeiter-Föderation, gedrungen. Es ist besser, wenn die Fahrer sich zuhause ausruhen können, als gezwungen zu werden, dies unterwegs zwischen überraschten und unzufriedenen Kunden zu tun. Die Einigung über diesen Punkt ist begrüßenswert, aber wir weisen alle Versuche einer einseitigen Abschaffung dieser Schutzmaßnahme zurück.
Im Straßengüterverkehr herrscht Frust, weil für die Rückfahrt aus dem Ausland je nach Land unterschiedliche Regelungen für die Mitnahme von Fracht gelten. Folglich fahren Lastkraftwagen auf dem Rückweg häufig größtenteils leer. Noch ist es zu früh, um für ganz Europa das System einzuführen, das bereits zufrieden stellend zwischen den Niederlanden, Belgien und Luxemburg funktioniert. Ein solches System kann nur zwischen Staaten mit ähnlichem Einkommensniveau und sozialen Bedingungen eingeführt werden. Wir lehnen grenzüberschreitende Lösungen nicht ab, wenn dadurch allen Fahrern ein anständiger Lohn, eine hinreichende Kilometerpauschale und angemessene Sicherheitsmaßnahmen garantiert werden. Dahingegen melden wir Bedenken an, wenn in einem solchen System die heutigen großen Lohnunterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten missbraucht werden, um die Arbeitskosten zu drücken, denn dann würde jeder, der einen respektablen Lohn bezieht, seinen Arbeitsplatz verlieren. Bald würden nur noch Menschen auf Grundlage der gegenwärtig beispielsweise in Polen oder Rumänien herrschenden Arbeitsbedingungen in diesem Sektor arbeiten.
Aus diesem Grund hat meine Fraktion die Änderungsanträge 45 und 46 zum Bericht über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt eingereicht, um die Marktöffnung für Kabotage an die Entwicklung gleicher Arbeitsbedingungen und eine Auswertung im Jahr 2012 zu knüpfen.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Ich möchte Mathieu Grosch und Silvia-Adriana Ţicău für die geleistete Arbeit danken und drei Anmerkungen hinzufügen.
Meine erste Bemerkung betrifft die Änderung der Liste von Verstößen im Vorschlag von Frau Ţicău, die zum Entzug der Zulassung von Kraftverkehrsunternehmern führen können. Diese Liste von Verstößen ist wesentlicher Bestandteil des Pakets und eine mögliche Beschränkung des Binnenmarktes. Aus diesem Grund wäre es vorzuziehen, Änderungen der Verstoßliste über das Mitbestimmungsverfahren statt über das Komitologie-Verfahren vorzunehmen. Darum habe ich einen entsprechenden Änderungsvorschlag eingebracht, den Sie hoffentlich alle unterstützen.
Zweitens möchte ich die Bedeutung der eingehenden Prüfung der Liste von Verstößen unterstreichen. Die heute Nachmittag erörterten Vorschläge zielen auf die Verbesserung des Binnenmarktes. Vor diesem Hintergrund ist es jedoch entscheidend, wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Die Mitgliedstaaten müssen die aus der Verordnung resultierenden Vorschriften einheitlich umsetzen. Darum fordere ich die Europäische Kommission auf, die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung durch die EU-Mitglieder zu überwachen.
Drittens gibt es in der Tat Mitgliedsländer, die versuchen, Kabotagebeförderungen auf ein Minimum zu begrenzen. Das widerspricht völlig den Prinzipien des Binnenmarktes. Außerdem wird dadurch die Umwelt indirekt verschmutzt. Deshalb werde ich mit Sicherheit den Änderungsantrag, der auf die Aufhebung der Beschränkungen für Kabotage ab 2012 ausgerichtet ist, unterstützen.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorschläge von Herrn Grosch zielen auf die einheitliche und strikte Anwendung der Kraftverkehrsbestimmungen ab, die ich unterstütze. Ich stimme zu, dass Kriterien für die Ausübung dieser Tätigkeiten festgelegt werden müssen und dass die Überwachung durch die zuständigen Behörden über ein einheitliches Anerkennungssystem für Dokumente und ein System von Sanktionen verstärkt werden muss, und dass es einer Genehmigung der Mitgliedstaaten, durch die die Transporte gehen, bedarf.
In Anknüpfung an die hervorragende Arbeit meiner Kollegen möchte ich lediglich hinzufügen, dass die Dauer für internationale Kabotagedienste meines Erachtens nur verkürzt werden kann, wenn wirklich ein fairer und einheitlicher Ansatz bei der Festlegung der Regeln zugrunde gelegt wird, so dass wir jede Form von Dumping verhindern, durch das oft bestimmte Verkehrsunternehmer gegenüber anderen begünstigt werden. Meiner Meinung nach ist die Frist bis 2014 angemessen oder sollte vielleicht sogar noch verlängert werden.
Timothy Kirkhope (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Sie erwarten einen einzigen Bericht über Busse und Lastkraftwagen und erhalten gleich drei auf einmal. Die Frage ist, führen sie alle in die richtige Richtung? Was die Kabotage betrifft, so gehöre ich in diesem Parlament zu den größten Liberalisierungsbefürwortern, und auch zu den größten Befürwortern der Kabotage im Allgemeinen. Natürlich möchte ich aber dennoch absolut sicher sein können, dass wir über wirklich gleiche Bedingungen hierfür verfügen. Im Vereinigten Königreich haben wir andere Fahrzeug- und Straßenverkehrssicherheitsnormen, wir sind geografisch abgeschieden, wir verfügen über ein besonderes Steuersystem, das sich von einigen anderen unterscheidet, und auch Beschäftigungsfragen spielen eine Rolle. Dies alles sind Punkte, die es zu berücksichtigen gilt.
Wenngleich ich also der Ansicht bin, dass der Kommissionsvorschlag in vielen Punkten sehr klar und deutlich ist, meine ich doch, dass wir mit der Öffnung des Marktes auf die vorgeschlagene Weise vorsichtig sein müssen.
Die allgemeinen Auswirkungen der Kabotage sind recht ungewiss, und ich weiß, dass viele Verkehrsunternehmer, also diejenigen, die in der Branche tätig sind, sehr beunruhigt sind. Daher meine ich, dass wir in dieser Sache Augenmaß beweisen und Ausgewogenheit wahren müssen, und mir wäre natürlich an einer Überprüfung des Vorschlags innerhalb von vier Jahren nach seiner Umsetzung gelegen, bei gleichzeitiger umfassender Beratung durch die Branche in der Zwischenzeit.
Dies halte ich für den einzigen Weg, gleiche Bedingungen zu garantieren und für ein positives Ergebnis der vollständigen Liberalisierung zu sorgen.
Ich möchte zu einem der anderen Berichte noch eins anmerken: Es beunruhigt mich, wenn sich der Regelungsbereich der EU allmählich auf Fragen wie den Transport älterer Menschen durch freiwillige Helfer ausdehnt.
Sicherlich ist es weder notwendig noch hilfreich, das Gesetz auf diese Gruppen anzuwenden. Das europäische Recht sollte immer darauf abstellen, Mobilität und Erreichbarkeit zu fördern. Ich meine, wir möchten die Schönheit unserer Regionen, in diesem Fall so reizvoller Gegenden Großbritanniens wie etwa meines eigenen Wahlkreises Yorkshire, ungehindert genießen, und dieses Maßnahmenpaket zum Straßenverkehr, gekoppelt mit der Arbeitszeitenregelung für Fahrer, sollte nicht dazu führen, dass der öffentliche Personenverkehr in ländlichen Gegenden bald der Vergangenheit angehört.
Inés Ayala Sender (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte besonders meinen Kollegen Frau Ţicău und Herrn Grosch dafür danken, dass sie Geduld aufbrachten und es ihnen gelungen ist, alle Schattenberichterstatter um Vorschläge zu scharen, die hier und da wohlwollend unterstützt und dann wieder kontroverser diskutiert wurden.
Tatsache ist, dass das Parlament die Gelegenheit ergriffen hat, um diese Texte über den Straßenverkehr umzugestalten und so zu versuchen, die Rechtsvorschrift zu verbessern und sich bei der Kabotage in Richtung einer stärkeren Öffnung zu bewegen, im Prinzip aus Gründen der Komodalität, so wie wir in anderen Angelegenheiten vorgehen, um die Bewegungsfreiheit zu fördern und natürlich Leerfahrten zu vermeiden.
Dazu haben wir die Möglichkeit einer Klausel angeregt, die sicherstellen wird, dass die Liberalisierung des Marktes nicht zu Verzerrungen führt.
Ich möchte betonen, dass der zentrale Grund Sozialdumping sein sollte, und zu diesem Zweck setzen wir auch das Jahr 2014 als Datum für die völlige Kabotagefreiheit fest.
Es sei bemerkt, dass dieser Text in gewissem Maße glaubwürdiger sein wird, weil wir uns im Wesentlichen auf schwere Verstöße konzentriert haben, denn diese kann man wirklich kontrollieren.
Natürlich lehnen wir den Vorschlag einer spezifischen, privilegierten bilateralen Kabotage zwischen Nachbarländern ab, weil, wie einer meiner Kollegen richtig sagte, dies den Markt noch mehr zersplittert.
Was den Text über die Busse angeht, so möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Sozialdemokratische Fraktion ausschließlich für diesen Gesetzestext eine Verschiebung der Abstimmung beantragen wird oder, besser gesagt, schon beantragt hat, denn wenn, und wir hörten schon davon, eine Vereinbarung zwischen den Unternehmern, den Arbeitnehmervertretern und den Gewerkschaften über eine Prüfung, sagen wir, der 12-Tage-Regelung getroffen wird, müssen wir uns wohl eingestehen – auch wenn einige meiner Kollegen es nicht wollen –, dass dies gewissermaßen einer Revision die Hintertür öffnet, die nicht ausreichend erläutert oder geklärt wurde und die deshalb diese Garantie der Vereinbarung zwischen der Unternehmerschaft und den Gewerkschaften notwendig macht.
Sonst wird die Öffentlichkeit nicht verstehen, warum wir morgen über einen Text abstimmen, der bereits sinnlos ist, da außerhalb des Parlaments eine Einigung zustande kam.
Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE). – (NL) Seit Jahren erhitzen sich die Gemüter über das Phänomen der Kabotage. Die bestehenden Regelungen sind aufgrund der Verwendung des Wortes „zeitweilig“ angeblich unklar, ein Umstand, der verschiedenen Mitgliedstaaten als willkommene Entschuldigung dient, ihren eigenen Markt in rechtswidriger Weise weiter abzuschotten.
Um ein für alle Mal Klarheit zu schaffen, hat die Kommission bereits vor einem Jahr eine neue Verordnung verabschiedet. Und wie Kollege Sterckx soeben bemerkte, habe auch ich in dieser Hinsicht hohe Erwartungen gehegt. Bemerkenswerterweise hat die Kommission jedoch vorgeschlagen, strenge Auflagen für Kabotagemöglichkeiten zu schaffen. Statt mehr Freiheit zu genießen, würden Verkehrsunternehmer auf der Grundlage des heutigen Kommissionsvorschlags mit einer höheren Zahl von Beschränkungen konfrontiert werden. Das ist in der Tat beachtlich, weil die bestehenden Bestimmungen seit ihrer Verabschiedung 1993 als ein Zwischenschritt auf dem Weg zur vollständigen Freiheit betrachtet wurden, auch seitens der Kommission.
Selbstverständlich ist ein europäischer Ansatz gefragt. Keinen Tag länger darf der Sektor verschiedensten hausgemachten nationalen Regelungen unterliegen, um Möglichkeiten für Kabotagebeförderungen auf ein Minimum zu beschneiden. Allerdings entspricht der Kommissionsvorschlag in seiner jetzigen Form kaum oder ehrlich gesagt gar nicht den Grundsätzen und Zielstellungen des Binnenmarktes bzw. der Lissabon-Strategie. Die vom Herrn Kommissar in seinem Redebeitrag vorgebrachten Argumente wie Verkehrssicherheit, Umwelt und Verringerung der Verwaltungsformalitäten sind schwammig.
Für eine möglichst effiziente Planung ist ein freier Markt eine Grundvoraussetzung. Letztlich führt jede Beschränkung zu einer Erhöhung der Verkehrsbewegungen, ob es nun um Kabotagebeförderung wie in diesem Fall oder beispielsweise um das völlig absurde Potpourri von Fahrverboten geht. Wie Dirk Sterckx gerade unmissverständlich sagte, setzt sich die ALDE-Fraktion für einen gänzlich freien Markt möglichst ab 1. Januar 2012 ein. Ferner muss es den Mitgliedstaaten freistehen, bereits zu einem früheren Zeitpunkt unbeschränkte Kabotagevereinbarungen zu treffen, wenn dies ihrer Auffassung nach wünschenswert ist. Des Weiteren muss darüber hinaus klar sein, dass Zulassungen, die vor dem Inkrafttreten der vorgesehenen Verordnung gewährt worden sind, ihre Gültigkeit behalten.
Wir lehnen den Ansatz ab, erneut eine Studie durchzuführen und dann abzuwarten und Tee zu trinken. Die Einsetzung von Ausschüssen und die Durchführung der Studie Nr. 250 führen praktisch zu nichts, höchstens zu allerlei Scherereien, Nebenkosten und anderen Sinnlosigkeiten, was nur zu gut bekannt ist. Dem Sektor und dem Verbraucher würde die Marktöffnung nutzen, die schnellstmöglich erreicht werden sollte.
Gestatten Sie mir abschließend noch eine Anmerkung. In diesem Parlament befürwortet eine klare Mehrheit zu Recht den Wegfall von Hinweisen auf so genannte wiederholte geringfügige Verstöße. Dafür ist in der Verordnung kein Platz.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL). – (CS) Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Die heute zur Debatte stehenden drei Verordnungen sind eng mit dem freien Waren- und Kapitalverkehr, der Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit verknüpft. Als diese so genannten vier Grundfreiheiten im Jahr 1957 geschaffen wurden, konnte noch niemand die Übergangsbestimmungen für die neuen EU-Mitglieder voraussehen. Natürlich sehen wir uns mit Einschränkungen konfrontiert, die in den Beitrittsverträgen mit den zehn neuen Mitgliedern verankert sind. Selbst nach der Erweiterung der Schengen-Grenze befolgen die neuen Länder weiterhin die ihnen auferlegten Übergangsregeln für den Personen- und Güterverkehr. Im Endeffekt heißt das Kabotageverbot oder eingeschränkter Kabotageverkehr. Im Rahmen der Debatten über die Senkung von Emissionen und insbesondere über die Effizienz des Güterkraftverkehrs muten bestimmte Auflagen innerhalb der fraglichen Verordnungen ein wenig futuristisch an.
Ich erinnere mich noch an die Geldbußen für Leerfahrten von Lkw und die damaligen „Straßengüterverkehrszentren“. Vielleicht sehen wir uns gezwungen, auf eine ähnliche Regelung zurückzugreifen. Wir tun grundsätzlich das Richtige, indem wir im gemeinsamen Raum zusätzlich zu den internationalen Straßengütertransportkonventionen (CMR) bestehende Regelungen harmonisieren. Ein erleichterter Zugang zum Markt, die Lockerung der Kabotageeinschränkungen und die Harmonisierung der grundlegenden Arbeitsbedingungen im Sektor in Bezug auf die Berufsausübung wie auch die Haltung der einzelnen Mitgliedstaaten zur Durchsetzung der EU-Verordnungen würden von Unternehmern und Beschäftigten aufrichtig begrüßt werden. Unter Berücksichtigung aller genannten Gesichtspunkte befürwortet die GUE/NGL-Fraktion die besagten Vorschläge.
Dieter-Lebrecht Koch (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Teilnehmer von Fernfahrerstammtischen, Kraftverkehrsunternehmer und Hüter der öffentlichen Ordnung unsere Vorschläge, existierende Richtlinien zu ersetzen und zu vereinfachen, nicht kritisieren, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Für mich ist das ein guter Weg, denn er trägt zu einigen wesentlichen Punkten bei: erstens, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, weil Kontrollen und der Austausch der dabei gewonnenen Daten wichtiger sind als neue Gesetze, aber auch, weil Berufszugang und Lizenzvergabe einheitlichen Qualitätskriterien unterworfen werden.
Zweitens, Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen, weil den schwarzen Schafen im Verkehrsgewerbe das Handwerk gelegt, Diskriminierung bekämpft und die Berufsehre gestärkt werden kann. Drittens, die Umwelt zu schützen und Energieressourcen zu sparen, weil Leerfahrten reduziert werden. Viertens, den Bustourismus attraktiver zu gestalten, weil 12-Tage-Rundreisen wieder gewährleistet werden. Fünftens, die bürokratischen Anforderungen zu reduzieren, weil nationale elektronische Register vernetzt und ein einfacher Zugang angestrebt werden, aber auch vereinfachte Muster für Gemeinschaftslizenzen und Fahrerbescheinigungen vorgesehen sind. Sechstens, die Modernisierung des Sektors in Gang zu setzen.
Für mich ist besonders wichtig, dass bei künftigen Kabotagebeförderungen Rechtssicherheit entsteht, selbst wenn diese heute nur 2-3 Prozent des Verkehrsmarktes ausmachen. Jede einheitliche Regelung in Europa ist besser als der jetzige Zustand des Flickenteppichs. Aus ökologischer Sicht sollten wir Kabotagefreiheit sofort schaffen. Aus sozialer und volkswirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoller, sie vorübergehend zu begrenzen. Ziel muss jedoch die völlige Aufhebung aller Beschränkungen bei Kabotagebeförderungen durch Unternehmen der EU sein, sofern sie die neuen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Ich erwarte hierzu konkrete Schritte bis 2014. Dabei sollten wir bilaterale Abkommen, die eine schnellere Öffnung der Märkte bewirken, nicht behindern.
Saïd El Khadraoui (PSE). – (NL) Zunächst möchte ich den Berichterstattern für ihre Arbeit danken. Es handelt sich hier um ein bedeutsames Maßnahmenpaket, das sehr konkrete nachhaltige Auswirkungen auf eine Vielzahl von Menschen in Europa hat.
Am Offensichtlichsten sind natürlich sämtliche Aspekte in Verbindung mit Kabotagebeförderungen. In diesem Zusammenhang war und ist es nötig, eine Reihe von Problemfeldern näher zu beleuchten, damit die Latte für alle gleich hoch liegt. Die Unterschiede in der Auslegung der bestehenden Kabotageregeln zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten waren so gewaltig, dass Bedarf an Neuregelungen besteht. Zum besseren Verständnis noch Folgendes: Durch einen größeren Umfang an gewerblichem innerstaatlichem Verkehr, der zeitweilig in einem Aufnahmemitgliedstaat durchgeführt wird, kann die Effizienz des Kraftverkehrs insgesamt erhöht werden, was sowohl der Wirtschaft als auch der Umwelt zugute kommt und daher unbedingt gefördert werden sollte. Allerdings muss klar sein, dass dies kein Sozialdumping zur Folge haben darf, weshalb die schrittweise Marktöffnung Hand in Hand mit einer Angleichung der sozialen Spielregeln gehen muss. Unterschiede im Hinblick auf Steuer- und Arbeitsbedingungen sollten möglichst nivelliert werden, wobei die schlechtesten Konditionen nach Möglichkeit auf das Niveau der besseren Konditionen angehoben werden sollten.
Meines Erachtens ist daher der Kompromiss, den Markt 2014 zu öffnen, annehmbar, vorausgesetzt, dass die Änderungsanträge 47 und 48 angenommen werden, genauer gesagt, dass die Kommission die Untersuchung der Unterschiede von Sozial- und Arbeitsbedingungen 2012 ernst nimmt und vor allem, dass die Mitgliedstaaten auch nach 2014 eine Art Warnverfahren bei einer schwerwiegenden Störung des nationalen Güterverkehrsmarkts anwenden können. Bis dahin bedarf es einer klaren Definition dessen, was machbar ist und was nicht, sowie natürlich ausreichender Kontrollen.
Was die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer von Kraftomnibussen betrifft, so leuchtet es auch mir ein – verschiedene Abgeordnete haben dies bereits angemerkt –, dass wir die Abstimmung aufschieben, damit der am Freitag vergangener Woche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erzielte Kompromiss vollständig in unsere Gesetzgebung eingearbeitet werden kann. Der Kompromiss liegt fertig in der Schublade, muss allerdings noch in Juristendeutsch übersetzt werden. Das Ergebnis der Gespräche bezeugt, dass der soziale Dialog auf europäischer Ebene funktionieren kann. Es konnte ein stabiles Gleichgewicht erzielt werden, wobei die besonderen Merkmale des Kraftomnibussektors Berücksichtigung gefunden haben.
Paweł Bartłomiej Piskorski (ALDE). – (PL) Herr Präsident! In einem so kurzen Redebeitrag kann man nur grundlegende Probleme in Verbindung mit den zur Diskussion stehenden Dokumenten ansprechen. Es sei daran erinnert, dass unser Ziel ein freier Markt ist, auch ein freier Markt auf dem Gebiet dieser Dienstleistungen – der Straßenverkehrsdienste. Unter diesem Aspekt sind die von uns behandelten Dokumente in Wirklichkeit eine Art Dienstleistungs-Richtlinie, nur mit Ausrichtung auf diesen konkreten Markt.
In dem Zusammenhang bedeutet der zweite Punkt, über den es nachzudenken gilt, dass alle Restriktionen und die indirekten, von uns eingeschlagenen Wege – wie z. B. Lösungen für Übergangsperioden, Kabotage und das Jahr 2014 – nur Teillösungen sind, die uns nicht von unserem Hauptweg der maximalen Öffnung des Marktes abbringen sollten.
Schließlich ist noch hervorzuheben, dass gewisse Restriktionen in Verbindung mit diesem konkreten Markt, wie z. B. die Arbeitszeit und Lösungen bezüglich Umwelt und Verkehrssicherheit, hier von großer Bedeutung sind, aber wir dürfen auch nicht vergessen, wo die Grenzen für die Sicherheit liegen und wie weit man bei den Verhandlungen zu sozialen Fragen gehen kann.
Jacky Hénin (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Die Frage des Güterkraftverkehrs kann nicht ernsthaft behandelt werden, ohne die Problematik der Gefahrgüter einzubeziehen. Aber in den uns heute vorliegenden Texten wie übrigens überall in der europäischen Gesetzgebung wird dieses Problem entweder unterschätzt oder mangelhaft behandelt. Doch wenn es einen Bereich gibt, in dem mehr Europa, mehr zwingende Gemeinschaftsvorschriften gebraucht werden, dann ist es dieser.
Da zahlreiche Unternehmen ihre Gefahrgüter auf die Straße schicken, um die Einstufung ihrer Betriebe als „Seveso-Anlagen“ zu vermeiden, wachsen die Ströme von gefährlichen Gütern, die in der Union zirkulieren, ständig an, wodurch auch das Risiko von größeren Katastrophen ansteigt.
In Bezug auf den Straßentransport von Gefahrgütern besteht ein großer Mangel an Schulung sowie eine dramatische Unterausstattung mit Parkplätzen, auf denen die betroffenen Fahrzeuge in Übereinstimmung mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften sicher abgestellt werden können.
Die von gemischten Ladungen ausgehende Gefahr wird beträchtlich unterschätzt. Güter, die für sich genommen, ungefährlich sind, können gefährlich werden, wenn sie sich zusammen auf ein und derselben Parkfläche befinden. Diese Gefahr wird gegenwärtig völlig ignoriert.
Ich trete für die Schaffung einer europäischen Sicherheitsagentur für die Beförderung von Gefahrgut auf dem Landweg ein, um eine wirklich umfassende Sicherheitspolitik auf Unionsebene anzustoßen.
Philip Bradbourn (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich anmerken, dass ich mich speziell zum Bericht von Silvia-Adriana Ţicău äußern möchte. Wenngleich uns hier ein weitestgehend unproblematischer Vorschlag vorliegt, möchte ich eine Anmerkung zur Frage der Sanktionen machen.
Es ist wichtig für uns, zu begreifen, dass wir gemeinsame Sanktionen brauchen, aber wir müssen uns auch der Frage der gemeinsamen Durchsetzbarkeit zuwenden. Zwar bin ich gegen mehr Bürokratie, aber wir müssen ein System entwickeln, auf dessen Grundlage Fahrer und ihre Arbeitgeber leichter belangt werden können, wenn sie in anderen Mitgliedstaaten Unfälle verursachen. Gegenwärtig entgehen diese Unternehmen und ihre Fahrer einer strafrechtlichen Verfolgung für Vergehen, die sie beispielsweise im Vereinigten Königreich begangen haben, weil die erforderlichen Formalitäten, um sie zur Rechenschaft zu ziehen, gegenwärtig zu aufwändig sind. Das ist besonders beunruhigend, wenn man bedenkt, dass den mir vorliegenden Informationen zufolge die durch Fahrer aus anderen Mitgliedstaaten verursachten Verkehrsunfälle allein in meinem Wahlkreis in den vergangenen fünf Jahren um 75 % gestiegen sind.
Ich erhalte regelmäßig Beschwerden von Menschen, die durch Nutzfahrzeuge und ihre Fahrer schwer verletzt wurden, und es ist frustrierend, dass unsere gegenwärtigen polizeilichen Durchsetzungsstellen entweder nicht in der Lage oder aber nicht bereit sind, diese Fahrer zur Rechenschaft zu ziehen. Ich sehe daher erwartungsvoll weiteren Entwicklungen auf diesem Gebiet entgegen, damit wir diese rücksichtslosen Personen leichter zur Rechenschaft ziehen können.
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Herr Präsident! Diese Aussprache findet zu einem ganz besonderen Zeitpunkt statt, einerseits haben wir einen guten Kommissar für Verkehr verloren – und damit meine ich Jacques Barrot – und andererseits warten wir auf einen neuen Kommissar. Bei der Gelegenheit bin ich gespannt, ob der designierte Kandidat für den Posten des Kommissars unsere heutige Diskussion verfolgt, was in jeder Hinsicht durchaus gerechtfertigt wäre.
Wir sprechen hier über den Straßenverkehrssektor, d. h. einen Zweig, der ein 40-prozentiges Wachstum des Wirtschaftsaustauschs zwischen den EU-Mitgliedstaaten in den letzten fünf Jahren ermöglicht hat. Die Rede ist also von einem Sektor, der Europa de facto in Bewegung hält. Meiner Meinung nach brauchen wir in diesem Bereich so viel Freiheit wie möglich, einschließlich der Kabotage. Gleichzeitig ist aber auch so viel Strenge wie möglich nötig, besonders im Hinblick auf die Bekämpfung von Praktiken, z. B. die von skrupellosen Reisebusunternehmen, die den Markt einfach ruinieren. Die Sanktion, ihnen die Lizenz zu entziehen, lässt sich nicht anwenden, da sie keine haben und niemals eine solche Lizenz hatten.
Ich sehe aber in dem gesamten Sektor mehrere deutliche Gefahren. Dazu gehören die Kraftstoffpreise und deren Anstieg, die Art, wie externe Transportkosten internalisiert werden und wie die Arbeitszeit wahrgenommen wird. Mir scheint auch, dass die Rentabilität der Kraftverkehrsunternehmen generell sinkt. Daher unterstütze ich den Bericht von Herrn Piecyk besonders nachdrücklich, um die Frage des Stadt- und Reisebusverkehrs diskutieren und im Juni darüber abstimmen zu können.
Ich teile die Auffassung von Herrn Sterckx, dass eine neue Untersuchung der Folgen der Marktöffnung notwendig ist, aber diese Frage sollte auch mit einer Einschätzung des wirtschaftlichen Wohlergehens des Straßenverkehrssektors verknüpft werden.
Luis de Grandes Pascual (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte zunächst auf den Bericht von Frau Ţicău eingehen. Dieser Vorschlag ist entscheidend für die Modernisierung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers durch die einheitliche Anwendung der gemeinsamen Vorschriften für den Zugang zu diesem Beruf in allen Mitgliedstaaten.
In diesem Zusammenhang begrüße ich bereitwillig den Vorschlag der Kommission und spende ihm Beifall. Doch ich möchte eine Frage wiederholen, die ich während der Diskussion dieses Berichts im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr gestellt hatte. Es geht um den Begriff „Zuverlässigkeit“, den ich vorgeschlagen und dann im Interesse des Konsenses zurückgezogen und durch „ethische Standards“ ersetzt hatte. Ich stelle diese Anforderung in keiner Weise in Frage, im Gegenteil, ich stimme zu, dass die „Verkehrsleiter“ frei von schweren strafrechtlichen Verurteilungen oder ernsten Sanktionen wegen Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht in Verbindung mit dem Straßenverkehr sein müssen.
Ich bin jedoch dafür, den Begriff zu ändern, weil wir eine schlechte Praxis in einem Beruf unterstellen, der einen Schlüsselsektor der europäischen Wirtschaft bildet, der Wohlstand und Arbeitsplätze schafft und die Mobilität von Personen und Gütern gewährleistet.
Wir sollten gründlich nachdenken, ehe wir unterstellen, dass jemand nicht zuverlässig genug ist, um einen Beruf auszuüben, solange das nicht bewiesen ist.
Zweitens möchte ich die Bedeutung des Berichts von Herrn Grosch in Bezug auf die gemeinsamen Vorschriften für den Zugang zum Güterverkehrsmarkt hervorheben. Der Vorschlag für eine Verordnung definiert die Kabotagetätigkeit und setzt der bestehenden Rechtsunsicherheit ein Ende. Er erlaubt bis zu drei auf einander folgende Transportoperationen während einer internationalen Fahrt von sieben Tagen. Doch wir sollten darüber hinausgehen und sämtliche Restriktionen für die Kabotage aufheben und so eine stärkere Liberalisierung der nationalen Märkte erreichen.
Abschließend begrüße ich den Abbau der Bürokratie, den dieser neue Vorschlag für eine Verordnung im Hinblick auf die neuen vereinfachten Formate für die Gemeinschaftslizenz, die Abschriften dieser Lizenz und die Bescheinigungen des Fahrers mit sich bringt, was dazu beitragen wird, die Verzögerungen aufgrund von Straßenverkehrskontrollen zu reduzieren.
Meine Damen und Herren, wir müssen dafür sorgen, dass der Verkehrssektor effizienter und wettbewerbsfähiger wird.
Rovana Plumb (PSE). – (RO) Ich möchte den beiden Berichterstattern zu ihrer Arbeit gratulieren und über den Bericht Ţicău sprechen. Ich begrüße es, dass die Qualitätskriterien für den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers in den Bericht aufgenommen wurden, um die Qualität der lizenzierten Unternehmer zu garantieren und ihnen nicht den Zugang zu diesem Beruf einzuschränken. Unabhängig davon, ob es um Personen oder Waren geht, sind mit dem Beruf des Kraftverkehrsunternehmers Tätigkeiten verbunden, die für die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Union unerlässlich sind und die im Einklang mit den Zielen von Lissabon stehen, die Wirtschaft im europäischen Raum anzukurbeln.
Meines Erachtens wird die Umsetzung dieser Verordnung zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen und die Sicherheit und Ordnungsmäßigkeit im Kraftverkehr in der Europäischen Union erhöhen. Noch einmal Glückwunsch an die Berichterstatter!
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir sind in der Europäischen Union immer – und häufig auch durchaus zu Recht – stolz darauf, dass wir aufeinander zugehen und versuchen, gemeinsam zu einer Lösung zu kommen, und häufig auch Erfolg dabei haben. Das ist nicht immer einfach. Die heutige gemeinsame Aussprache über die beiden Berichte Ţicău und Grosch liefert besonders gute und auch besonders schlechte Beispiele dafür: 12-Tage-Regelung und Kabotage sind mehr als einmal angesprochen worden.
Die 12-Tage-Regelung ist gut, hoffentlich auch sozial. Für einen gewissen Sektor des Billigtourismus wird sie jedoch zunehmend zum Problem, und wir wollen hier ja auch die Interessen der Konsumenten berücksichtigen. Wir haben gehört, dass es Bemühungen gibt, zu einem guten Kompromiss zu kommen, wofür wir vielleicht noch ein wenig Zeit brauchen. Wenn es sich um eine begrenzte Zeit handelt – und darum geht es wohl –, dann sollten wir uns diese Zeit vielleicht auch nehmen.
Ähnliches gilt für die Kabotage-Regelung. Wir stimmen alle darin überein, dass wir eine bessere Nutzung der diversen Infrastrukturen brauchen, aber das hat natürlich Auswirkungen auf viele Bereiche, insbesondere auch auf das Transportgewerbe – da gibt es durchaus unterschiedliche Interessenlagen in den Mitgliedstaaten. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob bei dem Thema Kabotage – allein schon wegen der vielen Jahre, die wir dieses Thema diskutieren – nicht ein wenig Euromythos mit im Spiel ist. Ich würde bei den Lastwagenschlangen, die man auf der Autobahn überholen muss bzw. nicht überholen kann, gerne wissen, ob wirklich so viele Leerfahrten darunter sind, wie wir immer hören. Vielleicht wäre hier eine Fahne mit dem Hinweis „Ich fahre leer“ ganz interessant.
Wirklich zentral an unserer Debatte heute ist aber weniger das, was wir gesetzgeberisch beschließen, sondern das, was dann in den Mitgliedsländern vollzogen, angewendet, umgesetzt wird.
Gilles Savary (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte zunächst unseren beiden Berichterstattern für ihre ausgezeichnete Arbeit danken und die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass dieses äußerst wichtige Kraftverkehrspaket unter der französischen Präsidentschaft eine Fortsetzung und seinen Abschluss findet. Ich möchte mich nun auf zwei Punkte konzentrieren.
Der erste Punkt betrifft die Kabotage und das Datum, das das Europäische Parlament festzusetzen gedenkt, d. h. die automatische Liberalisierung im Jahr 2014. So gesehen entsteht auf natürliche Weise eine Verzerrung zwischen den Ländern der Peripherie und den Transitländern. Länder wie Frankreich, Deutschland und vielleicht auch Österreich sind von Natur aus die Länder mit der höchsten Kabotagebeförderung. Und dass wir eine Definition der Kabotage gewählt haben, die die Kabotage im Anschluss an eine grenzüberschreitende Fahrt einschließt, ist eine gute Sache, doch bedeutet dies, dass in Bezug auf den sozialen Aspekt beträchtliche Verzerrungen entstehen werden, da bei der Straßenbeförderung das Herkunftslandprinzip gelten muss, denn es handelt sich um mobile Wirtschaftsteilnehmer. Daher meine ich, dass es viel angebrachter gewesen wäre, wie ursprünglich vorgesehen, einen Bericht der Kommission abzuwarten, der es uns ermöglichen würde, die sozialen Verzerrungen einzuschätzen, bevor eine automatische Liberalisierung beschlossen wird.
Mein zweiter Punkt betrifft die Ausnahmeregelung für die Lenkzeiten bei Bussen. Wie ich bereits sagte, finde ich, ohne in die Einzelheiten gehen zu wollen, dieses Verfahren verabscheuenswürdig. Unter dem Druck von Interessengruppen ist ein Änderungsantrag für einen Text eingereicht worden, der gar nicht der ursprüngliche Text ist. Diese Frage müsste durch einen neuen Vorschlag der Kommission zur Abänderung des – wie wir sagen – Markov-Berichts geregelt werden. Des Weiteren möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir einen Änderungsantrag zum Markov-Bericht in Form einer Verordnung vorschlagen, obwohl es sich bei diesem Bericht um eine Richtlinie handelte. Meine Damen und Herren, ich bin nicht – ah, es war eine Verordnung, Sie haben Recht, es war doch eine Verordnung – doch ich denke, die Form muss in jedem Fall die gleiche sein und wir dürfen uns nicht angewöhnen, unter dem Druck von Interessengruppen Änderungsanträge für andere als die ursprünglichen Texte einzureichen.
Ari Vatanen (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte nicht behaupten, Herrn Grosch oder Frau Ţicău zu bevorzugen, sondern ich werde über Kabotage sprechen wie mein verehrter Kollege Herr Savary vor mir. Diese Diskussion über Kabotage führen wir schon seit vielen Jahren. Ein Beteiligter sagte dazu Folgendes: „Das Verhalten des Rates gleicht dem einer Schnecke.“ So langsam bewegt sich der Rat in dieser Frage also vorwärts, während das Parlament nun endlich ein Gesetz erarbeitet hat. Kabotage ist wichtiger, als uns bewusst ist, und ich muss sagen, dass ich die Meinung meines lieben Freundes, Herrn Savary, nicht teilen kann, wenn er seine Bedenken zum Ausdruck bringt, der soziale Markt würde verzerrt.
Wenn wir die Kabotage nicht zulassen, was sind die Folgen? Die Folgen sind unnötig hohe Transportkosten und unbeladene, leere Lastkraftwagen, die auf unseren Straßen unterwegs sind.
Worum geht es denn bei der EU? Bei der EU geht es doch gerade um einen offenen Markt, und wir müssen uns um die EU-Bürger kümmern. Wenn wir es schaffen, die Transportkosten zu senken, dann werden die EU-Bürger davon profitieren, und das heißt, dass wir ihnen etwas geben, das sich im Alltag bezahlt macht.
Im Moment hören wir von überall die Frage: „Was macht die EU?“ Der Normalbürger rennt dem Geld angesichts steigender Preise im wahrsten Sinne des Wortes hinterher.
Nun, dennoch dürfen wir keinen Protektionismus betreiben. Wir müssen den Bürgern ein besseres Leben ermöglichen, und wenn wir die Kosten senken können, wird es mit der Wirtschaft aufwärts gehen, und davon wird der Normalbürger profitieren. Nur um ein Beispiel zu nennen: Im Handel zwischen Finnland und Russland wird der Transport vollständig über russische Lastkraftwagenfahrer abgewickelt, und die finnische Bevölkerung profitiert davon. Ich wüsste nicht, warum die französische Bevölkerung – ich bin auf beiden Seiten zu Hause – nicht von der Kabotage profitieren sollte. Also müssen wir „Ja“ sagen zur Zukunft.
Radovan Žerjav, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich stimme selbstverständlich all jenen zu, die meinen, dass die Angelegenheit dringend abgeschlossen werden muss.
Die Kabotage ist freilich ein sehr sensibles Thema. Das wird in Ihren Debatten heute deutlich, auch was die einzelnen Mitgliedstaaten angeht. Die einen sind für eine vollständige Liberalisierung, andere für eine Teilliberalisierung, während einige im Grunde genommen dagegen sind.
Wichtig ist natürlich, dass wir unsere Standpunkte trotz bestehender Differenzen einander annähern. Wir müssen – und dem stimme ich voll und ganz zu – auch die kleinen und mittleren Unternehmen und insbesondere die Umweltbelange berücksichtigen. Hier denke ich vor allem an die so genannte Transitkabotage, die ich allerdings ausklammern möchte.
Widersinnig – um nicht zu sagen unzulässig – wären so genannte Leerfahrten. Da nun einmal Differenzen bestehen, brauchen wir meines Erachtens einen Zwischenschritt bzw. eine Übergangszeit bis zur vollständigen Liberalisierung des Kabotagesektors.
Ich hoffe natürlich, dass das Parlament morgen für die Änderungsvorschläge stimmt, die zur Vereinheitlichung der Kabotageleistungen in der Europäischen Union beitragen. Insbesondere aber zur Abschaffung von Leerfahrten, wie ich das hier schon betont habe und an dieser Stelle nochmals hervorheben möchte. So soll die Kabotage auch auf der Rückfahrt möglich sein.
Nach meinem Dafürhalten sind die Differenzen zwischen dem Parlament und dem Rat gar nicht so groß, dass nicht relativ kurzfristig Fortschritte bzw. eine Einigung erzielt werden könnten.
Ich stimme auch all jenen zu, die hier ein Monitoring und eine Kontrolle für sehr wichtig halten. Das ließe sich meiner Ansicht nach auch über das noch einzurichtende elektronische Register bewerkstelligen, und hier stehen wir, wie ich hervorheben möchte, ganz dicht vor einer Einigung, was den Terminplan und eben die Einrichtung dieses elektronischen Registers betrifft. Das gilt auch für die herkömmliche Kontrolle wie den digitalen Fahrtenschreiber und den Frachtbrief, was Ihnen ja bekannt sein dürfte.
Eine große Rolle spielen auch die Verstöße, insbesondere, wenn es dabei zum Entzug der Lizenz kommt. Hier müssen wir natürlich sehr umsichtig und sensibel vorgehen und vor allem den Unternehmen gegenüber aufgeschlossen sein.
Vielfach wurde hier die so genannte 12-Tage-Regelung für Bustransporte erwähnt. Über diese Frage hat der Rat ebenfalls noch nicht entschieden. Wir wissen aber auch, und dass soll hier deutlich gesagt werden, dass die Sozialpartner einen Dialog führen. Wir sind selbstverständlich zu Gesprächen bereit, damit Rat und Parlament schnellstmöglich zu einer Einigung gelangen.
Ich möchte den beiden Berichterstattern, Herrn Grosch und Frau Ţicău, nochmals für den konstruktiven Meinungsaustausch danken.
Die slowenische Präsidentschaft wird jedenfalls alles tun, um die unterschiedlichen Interessen in Einklang zu bringen und auch sicherzustellen, dass der abschließende Kompromisstext dazu beiträgt, den europäischen Straßenverkehrssektor effizienter und vor allem, wie ich betonen möchte, wettbewerbsfähiger zu machen.
Ich hoffe und wünsche, dass dieser produktive Dialog fortgeführt und mit dem Europäischen Parlament alsbald eine Einigung erzielt wird.
Leonard Orban, Mitglied der Kommission. − (RO) Ich bin mit der Einigung zufrieden, die hinsichtlich der grundlegenden Aspekte des Kraftverkehrspakets in Sicht ist. Ich beziehe mich dabei vor allem auf das Register und die Streichung bestimmter Möglichkeiten im Falle schwerwiegender Gesetzesverstöße. Andererseits ist es klar, dass es beim Thema Kabotage größere Probleme gibt. Dennoch möchte ich Sie daran erinnern, dass das geltende Konzept der zeitweiligen Kabotage gravierende Rechtsunsicherheiten mit sich bringt. Das ist für den betreffenden Sektor nicht tragbar. Keine Regelung ist perfekt, aber die von der Kommission vorgeschlagene Regelung – drei Einsätze innerhalb einer Woche nach einem internationalen Transport – ist wenigstens klar und viel leichter kontrollierbar.
Das führt zwar nicht zu mehr oder weniger Kabotage in den einzelnen Mitgliedstaaten, aber zu einer besseren Kabotage, die andererseits besser kontrollierbar und aus logistischer Sicht effektiver ist. Denjenigen, die mehr Kabotage wollen, entgegne ich, dass der Binnenmarkt schrittweise aufgebaut wird und mit der Harmonisierung Hand in Hand gehen muss. Da ich von Harmonisierung gesprochen habe, möchte ich Sie daran erinnern, dass bestimmte Aspekte, die die Harmonisierung im Bereich Steuern, Gehälter und Soziales betreffen, entweder in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen oder durch Einstimmigkeit erzielt werden können. Hier lässt sich sagen, dass völlige Offenheit, ohne jegliche Garantien und Schutzmaßnahmen, in Anbetracht dessen, dass die Kabotage per definitionem zeitweilig ist, uns wieder die heutige Rechtsunsicherheit bescheren würde.
Daher akzeptiert die Europäische Kommission, dass die Liberalisierung der Kabotage ein Langzeitziel ist. Andererseits sollten wir die Entwicklungen genau beobachten und sind wir bereit, im Jahr 2012 einen entsprechenden Bericht vorzulegen.
Abschließend nehme ich die Bedenken zur Kenntnis, die bei zahlreichen Gelegenheiten bezüglich der 12-Tage-Regelung für Touristenreisen geäußert wurden. Wenn das Europäische Parlament dafür ist, die Abstimmung über den grenzüberschreitenden Personenverkehr zu verschieben, wird die Europäische Kommission sich nicht dagegen aussprechen, weil wir wirklich so schnell wie möglich eine Einigung über das Register und die Kabotage benötigen, aber auch eine möglichst umfassende Einigung der Sozialpartner bezüglich der 12 Tage brauchen.
Silvia-Adriana Ţicău, Berichterstatterin. − (RO) Zunächst möchte ich all meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre Stellungnahmen danken. Ich bin davon überzeugt, dass diese Verordnung über den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers zu einer besseren Harmonisierung der Standards der Mitgliedstaaten beitragen kann, vor allem was die finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung betrifft. Ferner wird sie die gegenseitige Anerkennung der beruflichen Situation erleichtern, wodurch die Dienstleistungen auf diesem Gebiet kompetenter erbracht werden und sich deren Sicherheit und Qualität verbessern wird.
Was die 12-Tage-Regelung zu den Ruhezeiten von Busfahrern im grenzüberschreitenden Personenverkehr anbelangt, so rechnen wir hier mit einer Einigung zwischen den Arbeitgebern und Gewerkschaften, weswegen die beiden Änderungsanträge erneut vorgelegt werden, wobei die entsprechende Form im Bericht über den Zugang zum Markt des Personenverkehrs mit Kraftomnibussen noch mit den Sozialpartnern abgestimmt werden muss.
Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen noch einmal für ihre Redebeiträge und der Kommission und dem Rat für ihre Zusammenarbeit danken.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
14. Lage der Roma in Italien (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Lage der Roma in Italien.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kommission verurteilt nachdrücklich alle Formen der Gewalt gegen die Roma und fordert die Behörden der Mitgliedstaaten auf, die persönliche Sicherheit aller Menschen auf ihrem Staatsgebiet zu gewährleisten. Die Ereignisse der vorigen Woche in Ponticelli sind kein Einzelfall. Die rassistische Gewalt, die durch politischen Populismus, durch Hetzreden und durch reißerische Medienberichterstattung angeheizt wird, ist eine Erscheinung, die in vielen Mitgliedstaaten auftritt.
Die Kommission weist jede Stigmatisierung der Roma sowie deren Gleichsetzung mit Kriminellen auf das Schärfste zurück. Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen sich nicht nur solcher Verhaltensweisen enthalten, sondern müssen im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beispielhaft vorangehen. Sie haben die Pflicht, rassistische Übergriffe aufzuklären und diejenigen zu bestrafen, die sie anstiften oder ausführen.
Ich möchte eines betonen. Der Daseinsgrund der Europäischen Union besteht in der Überwindung dessen, was in der Geschichte Europas Jahrhunderte lang vorherrschte: Rassenhass, Pogrome, Brandschatzungen. Europa fördert das Recht jedes Mannes, jeder Frau, jedes Kindes auf Schutz vor Verfolgung und Diskriminierung. Es verkörpert die soziale Solidarität, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung jedes Menschen anderer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Lebensweise.
Wir dürfen die Augen nicht vor den realen Problemen, denen die Roma in Italien und anderen Ländern ausgesetzt sind, verschließen. Für jeden erkennbar sind die extreme Armut, die soziale Ausgrenzung, die ständige Arbeitslosigkeit und das geringe Bildungsniveau, unter denen sie leiden. Diese Lage führt zu menschlichem Leid und zu sozialen Spannungen. Sie drängt die Roma an den Rand der Gesellschaft. Diese Vergeudung von Talenten und Potenzial ist schmerzlich für die Roma und stellt einen Verlust für Europa dar.
Was sind die Gründe für diese Lage? Die Roma sind nicht weniger intelligent als die Mehrheit. Sie sind keine geborenen Bettler oder Kriminelle. Was können wir tun, um diese Situation zu ändern? Sagen wir ehrlich, was die Kommission tun kann und was die Regierungen der Mitgliedstaaten tun müssen. Wie zu Recht in den von Ihrem Parlament begrüßten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Dezember 2007 hervorgehoben wird, müssen die Mitgliedstaaten und die Union alles tun, um die Integration der Roma zu verbessern.
Was die Freizügigkeit der Bürger in der Europäischen Union betrifft, so beruht die Richtlinie 2004/38 auf allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsätzen. Viele dieser Bestimmungen sind schon seit Jahrzehnten in Kraft. Die Richtlinie berücksichtigt auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu diesen Fragen. Aufgrund des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union genießen die Roma die gleiche Freizügigkeit wie die anderen Unionsbürger. Die Rumänen sind keine Einwanderer aus Drittstaaten mehr. Die Rumänen sind Bürger der Union. Sie dürfen auf keinen Fall schlechter behandelt werden als die anderen Unionsbürger. Und die Kommission wird darauf achten, dass ihre Rechte eingehalten werden.
Die Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die über keine ausreichenden Existenzmittel verfügen, das Aufenthaltsrecht auf ihrem Staatsgebiet zu verweigern, um eine einseitige Belastung ihrer Sozialleistungssysteme zu vermeiden. Die Überprüfung der Existenzmittel darf nicht automatisch erfolgen, sondern muss das Verhalten der betreffenden Person berücksichtigen.
Die Regeln des freien Personenverkehrs sind nicht gemacht worden, um Kriminellen zugute zu kommen. Die Richtlinie ermöglicht die Zurückweisung von Personen, deren Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Der Kampf gegen die Kriminalität muss unter voller Achtung der Rechtstaatlichkeit erfolgen. Eine Zurückweisung kann nur nach einer Einzelfallprüfung verfügt werden, wobei die Verfahrensgarantien und die materiellen Voraussetzungen zu beachten sind. Im Falle einer sofortigen Zurückweisung muss die Dringlichkeit ordnungsgemäß begründet werden. Die Zurückweisung von Unionsbürgern ist eine extreme Maßnahme. Sie stellt eine Beschränkung einer Grundfreiheit des EG-Vertrags dar.
Die wesentlichen Aspekte der gesellschaftlichen Integration der Roma wie Bildung, Beschäftigung, soziale Integration, Gesundheitsfürsorge, Verbesserung der Infrastrukturen und Wohnbedingungen fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Europäische Union ist jedoch bereit, ihre Rolle zur Koordinierung, Unterstützung und Förderung der nationalen Maßnahmen zu spielen. Wenn wir alle lernen, Peer Pressure auszuüben, werden wir Ergebnisse erreichen können.
Für den Bereich, in dem die Europäische Union eindeutig Zuständigkeiten besitzt, die Bekämpfung von Diskriminierungen, gehe ich die Verpflichtung ein, für die Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu sorgen. Die Richtlinie 2000/43 ist ein wichtiges Instrument mit einem weit gefassten Geltungsbereich. Ihre Umsetzung auf nationaler Ebene muss jedoch ergänzt werden durch Initiativen zur Sensibilisierung für die Rechte und Pflichten. Eine aktive Kontrolle der Beschwerden durch die für die Gleichstellung zuständigen Organe sowie die volle Einbeziehung der Zivilgesellschaft in diesen Überwachungsprozess sind Vorbedingungen für jede Verbesserung der Situation.
Die Ereignisse der letzten Woche in Italien erfordern gemeinsame Anstrengungen unsererseits. Unsere Roma-Mitbürger brauchen unsere Solidarität, um den Teufelskreis von Marginalisierung und durch Verzweiflung hervorgerufener Gewalt zu durchbrechen. Für mich ist dieser Gewaltausbruch ein Hilfeschrei. Als politische Verantwortliche müssen wir alles tun, um jedem Menschen die Hoffnung auf eine dauerhafte Lösung dieser Probleme zu geben. Es ist möglich, die soziale Ausgrenzung mit gezielten, auf die konkreten Gegebenheiten zugeschnittenen Programmen zu bekämpfen, die über die Strukturfonds und insbesondere den Europäischen Sozialfonds gefördert werden können. Mit diesen Programmen können die Lebensbedingungen für die gesamte Bevölkerung, d. h. für die Minderheiten wie für die Mehrheit, verbessert werden.
Als Reaktion auf den Appell des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments prüfen wir gegenwärtig, welche gemeinschaftlichen Instrumente und Politiken angewendet werden können, um die Integration der Roma zu fördern. Ich möchte die italienische Regierung und die Regierungen der anderen Mitgliedstaaten auffordern, mit uns die Ergebnisse dieser Prüfung zu diskutieren und darauf zu achten, welche Lehren daraus gezogen werden können.
(Beifall)
VORSITZ: LUISA MORGANTINI Vizepräsidentin
Vielen Dank, Herr Kommissar Špidla. Gesellschaftliche Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: Ich hoffe, das Parlament stimmt mehr mit diesen Werten überein!
Lívia Járóka, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lage der Roma in Italien ist – wie in ganz Europa – schrecklich, ebenso schrecklich wie auch in den letzten Jahrzehnten. Wir haben extrem wenig unternommen und die Regierungen, an deren Spitze wir stehen oder die wir unterstützen, selbst Regierungen, an denen unsere eigenen Fraktionen beteiligt sind, tun sehr wenig, um diesen Zustand zu beenden.
Weder den linken noch den rechten Regierungen ist es im Laufe der letzten Jahrzehnte gelungen, hinsichtlich der Akzeptanz der Roma einen Wandel herbeizuführen, weswegen ich davon überzeugt bin, dass es äußerst wichtig ist, dieses Thema regelmäßig auf die Tagesordnung zu setzen und in diesem Hohen Haus eine Aussprache darüber zu führen. Wir möchten jedoch um noch stärkeres Engagement seitens der Fraktionen bitten, und meines Erachtens sind entsprechende Programme erforderlich sowie eine echte, richtig durchgeführte Integration der Roma in Europa, wenn die Roma nicht Opfer von Gewalttaten infolge dieser Art von Massenhysterie werden sollen.
Meines Erachtens reicht es nicht aus, im Plenum Reden zu halten, und ist es völlig sinnlos, dieses Thema als parteipolitische Angelegenheit zu behandeln, weil es weder sozialdemokratischen noch liberalen oder konservativen Regierungen gelungen ist, etwas dagegen zu tun. Wir sind gegen die derzeit noch immer herrschende Untätigkeit in Europa in der Roma-Frage, genauso lehnen wir auch jegliche Bezugnahme auf das bzw. die Umsetzung des Prinzips der Kollektivschuld ab, so wie wir auch Kriminalität ablehnen.
Ich halte es für wichtig, dass die italienische Regierung alles in ihrer Macht Stehende tut, um ihr Versprechen einzuhalten und sicherzustellen, dass das geplante Sicherheitspaket sich nicht an eine einzelne ethnische Gruppe richtet und dass Massenabschiebungen verhindert werden. Noch wichtiger ist in meinen Augen jedoch die Botschaft, die wir den Ländern von hier, von Europa aus, übermitteln können, sowie die Verantwortung, die die Europäische Kommission übernehmen muss, um zu gewährleisten, dass Mindestanforderungen eingeführt werden, dass die Mitgliedstaaten eine Vereinbarung schließen, wie sie die Lage der Roma in Europa sofort zu ändern gedenken.
Für den Standpunkt Europas ist es meines Erachtens in moralischer wie in wettbewerbspolitischer Hinsicht unerlässlich, das leere Gerede zu beenden und stattdessen das Handeln in den Vordergrund zu stellen und ernsthafte Pläne umzusetzen. Das sollte am wichtigsten sein. Außerdem denke ich, dass es unsere Aufgabe ist, diese Idee voranzubringen und dies zu fordern. Vielen Dank.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Die Sozialistische Fraktion hat diese Debatte beantragt, und ich danke Ihnen, Herr Kommissar Špidla, dass Sie die wesentlichen Elemente dessen, was zu sagen ist, vorgetragen haben. Ich bin Ihnen auch sehr dankbar für Ihre sehr klaren Worte.
Lassen Sie mich deshalb mit einem Appell an uns alle hier beginnen. Die Rechte und die Linke in diesem Haus teilen gemeinsame Werte. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass auch viele Kolleginnen und Kollegen der konservativen Fraktion in diesem Hause mit uns übereinstimmen, dass die Probleme, die wir lösen müssen, sich im Rahmen der Humanität bewegen müssen.
Die Würde der Menschen in der Europäischen Union ist unantastbar. Das Niederbrennen von Lagern, das Jagen von Menschen durch Straßen ist völlig unakzeptabel! Damit löst man kein einziges Problem. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Kommissar Špidla, dass Sie diesen Grundwert der europäischen Politik so in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt haben.
Wir wollen zur Lösung von Problemen beitragen. Deshalb will ich hier ein klares Wort sagen. Das Problem, das wir heute diskutieren, ist kein italienisches Problem, sondern ein Problem, das auch in Italien auftritt, das aber in den letzten Jahren überall in der Europäischen Union aufgetreten ist: Dass wir nämlich einen unzureichenden Integrationsgrad von Minderheiten in die europäischen Gesellschaften haben, und dass insbesondere die Roma-Gemeinschaften in allen Staaten der Europäischen Union darunter leiden.
Wir haben Ereignisse, wie wir sie jetzt in Italien zu beklagen haben, auch in anderen Ländern der Europäischen Union gehabt. Deshalb noch einmal: Es geht nicht darum, dass wir Italien anklagen, sondern es geht darum, dass wir überlegen: Wie können wir gemeinsam mit den Autoritäten in Italien das Problem lösen, im Interesse vor allen Dingen der Roma-Gemeinschaft, die jetzt unmittelbare Hilfe braucht? Übrigens auch im Interesse der lokalen Behörden, der kleinen Gemeinden und Städte, die teilweise überfordert sind mit dem, was sie an Integrationsarbeit leisten müssen. Die Bürgermeister dort brauchen auch unsere Hilfe. Deshalb war es ein sehr kluger Vorschlag von Ihnen, Herr Kommissar, dass wir nämlich darüber nachdenken sollten, wie wir kurzfristig aus den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln der Europäischen Union solchen Gemeinden helfen können.
Ich glaube, dass die Anstrengungen, die wir jetzt unternehmen müssen, in eine Richtung gehen müssen. Wir sollten uns jetzt nicht darüber streiten, wer die Schuld an etwas trägt oder wer welches Versäumnis zu verantworten hat! Wir sollten uns gemeinsam bemühen, die Ereignisse der letzten Tage zum Anlass zu nehmen, um zu sagen: Die Roma-Gemeinschaft braucht die Bereitschaft aller europäischen Mitgliedsländer, der gesamten Gemeinschaft der europäischen Bürgerinnen und Bürger, sie zu integrieren. Und wir müssen von der Roma-Gemeinschaft verlangen, dass sie sich in unsere Gesellschaft integrieren lassen will. Bei vollem Respekt der kulturellen Identität dieser Gemeinschaft muss das möglich sein.
Ich habe heute mit Außenminister Frattini telefoniert, um klarzumachen, dass wir als Sozialistische Fraktion zusammen mit der Kommission und mit dem Rat jetzt gemeinsam eine Lösung der dringendsten Probleme erreichen wollen, weil ich glaube, dass wir die Roma nicht zum Gegenstand der Attacken von Leuten werden lassen dürfen, die aufgrund dieser Defizite ihre rechtspopulistische Politik betreiben wollen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, das ist der Grund, warum wir diese Diskussion beantragt haben.
(Beifall)
Viktória Mohácsi, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich beglückwünsche Kommissar Špidla zu seiner hervorragenden Rede über dieses Thema. Ich möchte mich zu den Pogromen gegen die Roma am 13. Mai dieses Jahres in Neapel und den darauf folgenden Entwicklungen in Italien äußern. Ich habe mich entschieden, für eine Art Feldstudie am vergangenen Wochenende nach Rom und Neapel zu reisen, und habe mich mit den Menschen vor Ort unterhalten. Zudem habe ich ein dringendes Einschreiten der italienischen Behörden gefordert, um die Grundrechte zu sichern und die Roma des Landes vor weiteren Gewalttaten und rassistischen Übergriffen zu schützen sowie das romafeindliche Klima, das in Italien herrscht, zu entschärfen. Am 23. Februar hatte ich Silvio Berlusconi angeschrieben, gemeinsam mit 88 NRO. Wir waren zutiefst besorgt, dass die politische Kampagne, die er geführt hatte, die Roma mit negativen Vorurteilen in Verbindung brachte und das gesamte Volk der Roma zu Wahlzwecken als Sündenbock missbrauchte, was gänzlich den europäischen Wertvorstellungen widerspricht. Jetzt erleben wir, welche Folgen diese Kampagne hatte.
Der Roma-Notstand wurde ausgerufen, als die Medien von einem 16-jährigen Roma-Mädchen berichteten, das versucht habe, in Neapel ein sechs Monate altes Baby zu entführen. Den Ergebnissen meiner Informationsreise zufolge ist diese Geschichte nicht wahr: Der Polizei liegt dazu nichts vor; es gibt keine Ermittlungen in diesem Fall.
Am 13. Mai setzte eine Gruppe von etwa 60 Personen fünf Roma-Siedlungen in Neapel mit Molotow-Cocktails in Brand. Ähnliche gewaltsame Übergriffe haben auch in anderen italienischen Städten stattgefunden, zum Beispiel Mailand. Beunruhigend daran ist, dass es den Auskünften zufolge, die ich von den Polizeibeamten in Neapel erhalten habe, auch zu diesem Fall keine Ermittlungen gibt. Ich muss leider feststellen, dass die italienische Regierung Stärke gegenüber den Schwachen zu zeigen scheint und Schwäche gegenüber den Starken. Wenn sie sich mit der Sicherheitsfrage befasst, sollte sie sich zunächst immer mit den durch die Camorra verübten organisierten Verbrechen auseinandersetzen. Sie bezweckt, durch das Gerede über die Einwanderungs- und Roma-Frage von Italiens wirklichen Problemen abzulenken. Ich hoffe, die italienischen Behörden werden eine angemessene und wirkungsvolle Untersuchung der Ereignisse in Neapel und Mailand gewährleisten und alle beteiligten Personen in vollem Umfang strafrechtlich verfolgen, darunter auch die Amtspersonen, die feindliche Bemerkungen über die Roma gemacht und so den Rassenhass geschürt haben.
Ich fordere die italienischen Behörden auf, mit zwischenstaatlichen Einrichtungen, internationalen Organisationen und der eigenen Zivilgesellschaft in vollem Umfang zusammenzuarbeiten und die Menschenrechtsverletzungen im Hinblick auf die Roma in Italien umgehend und wirksam zu beenden. Ich fordere zudem die Europäische Kommission auf, eine EU-Romastrategie zu erarbeiten mit dem Ziel, der Eingliederung der Roma oberste Priorität einzuräumen, und die Federführung und Koordinierung zu übernehmen, damit die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung nachkommen können, die Rechte der in ihrem Land ansässigen Roma-Bevölkerung zu wahren.
Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Parlament ist nicht der richtige Ort für Polemiken gegen diese oder jene Regierung; es ist ein Forum, in dem wir Probleme erörtern, ans Licht bringen und gemeinsam zu lösen versuchen, die die europäischen Bürger bewegen und beunruhigen, und was in Italien geschieht, bewegt viele Europäer.
Die Ereignisse unterscheiden sich enorm in ihrer Schwere und Bedeutung: von den Angriffen auf Roma über die von Verfall und Armut geprägte Situation ganzer von Verbrecherbanden kontrollierter Gebiete, wo Italiener und Migranten für nichts aneinander geraten, bis hin zu dem entsetzlichen Müllnotstand und zu den unglaublichen, an Homophobie grenzenden Erklärungen, die jüngst Italiens neue und wirklich sehr hübsche Ministerin für Chancengleichheit abgegeben hat.
Deshalb sollten wir auf fruchtlose Auseinandersetzungen verzichten und uns an die Fakten halten, um herauszufinden, was wir tun können, um zu helfen und die Lage zu verbessern, anstatt sie noch mehr zu verschlimmern. Was wir allerdings nicht tun dürfen ist, die Tatsachen zu leugnen. Warum sind wir hier, um die Lage der Roma in Europa und in Italien zu erörtern? Weil die Roma die am stärksten diskriminierte Minderheit in Europa sind und sich dieses Parlament seit Jahren mit dem Thema befasst. Wir sind keine Weltverbesserer, doch es gab Vorfälle von extremer Gewalt, Intoleranz und Rassismus, die wir unbedingt beim Namen nennen müssen, wenn wir hier Abhilfe schaffen wollen.
Wie gesagt, wir sind keine Weltverbesserer. Die Lösung, die wir alle anstreben, liegt in der Legalität: damit meine ich die Einhaltung aller Vorschriften. Das heißt jener Vorschriften, die es den Menschen verbieten, zu stehlen oder öffentlichen Grund und Boden zu besetzen, Kinder zum Betteln oder Frauen zur Sklaverei zu zwingen, aber auch jener, die Diskriminierung und Verfolgung von Armen verbieten sowie die jahrzehntelange Verfolgung von Menschen, die nicht einmal wissen, welcher Nationalität sie sind, und die Fahrende bleiben, nicht weil sie sich bewusst dafür entschieden hätten, sondern weil ihnen, nachdem sie so oft geflohen sind, nichts anderes übrig bleibt als ein Nomadenleben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so sieht die Realität für viele Roma in Italien und in Europa aus!
Abschließend möchte ich Kommissar Špidla für seine Ausführungen danken, denn er hat einen mutigen Standpunkt vertreten und einige Punkte klargestellt, die wir stets im Hinblick auf die Richtlinie 2004/38/EG vertreten haben und die von der italienischen Regierung falsch ausgelegt wurden. Ich hoffe, dass seine Bemühungen, Klarheit zu schaffen, mit unserer Unterstützung fortgeführt werden können.
Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man sollte meinen, die ernste Wirtschafts-, Energie- und Sicherheitslage aller Bürger der Union hätte dieses Parlament vielleicht zu einem verantwortungsbewussten Schritt veranlassen müssen, um die Angst, die inzwischen in allen EU-Ländern um sich zu greifen scheint, zu bändigen zu versuchen.
Doch gestern wurde mit einer parteipolitischen Entscheidung ein anderer Weg gewählt, vermutlich nur, um eine Medienwirkung zu erzielen. Offenkundig liegt der Tatsache, dass dies eine Aussprache ohne Entschließung ist, keine politische, sondern eine parteipolitische Entscheidung zugrunde. Das sagt doch alles! Wir pflichten den Ausführungen des Papstes zu Solidarität und Großzügigkeit bei. Doch Solidarität setzt die Einhaltung der Gesetze voraus! Italien ist bekannt für seine Großzügigkeit. Während andere Länder auf Nicht-EU-Bürger schossen, während andere Länder die Flüchtlingsboote nicht anlegen ließen oder Menschen, die sich an Fischernetze oder Wrackteile klammerten, im Meer ertrinken ließen, nahm Italien fortwährend Nicht-EU-Bürger und Unionsbürger äußerst freundlich und großzügig auf.
Gewiss, es gab auch Freveltaten, die zu verurteilen sind und die von der gegenwärtigen Regierung auch verurteilt wurden. Doch wir fragen uns, wieso die Lage der Roma in Italien von Frau Mohácsi nicht im vergangenen Jahr, vor fünf Monaten oder vor anderthalb Jahren aufgegriffen wurde. Warum spricht das Parlament heute, fünf Wochen vor der Abstimmung darüber, und hat dieses Problem nicht offen behandelt, als es offensichtlich dringlich war? Nein, Herr Schulz, wäre die Aussprache dem Thema „Lage der Roma in Europa“ gewidmet gewesen, hätten wir Ihnen vielleicht glauben können, dass dies ein gemeinsames Problem war. Das hier ist ein parteipolitisches Problem, während politische Lösungen erforderlich wären.
Roberto Musacchio, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme mit Kommissar Špidla überein: Wir haben es hier mit äußerst brisanten politischen Maßnahmen und Ereignissen zu tun! Die Richtlinien und Erklärungen des Europäischen Parlaments müssen für alle, auch für Italien, gelten! Wir sagen das der aktuellen Regierung, deren erste Amtshandlungen und Erklärungen uns wirklich beunruhigen und die uns schockiert haben. Und wir haben das auch der vorherigen Regierung gesagt.
Der Kampf gegen Diskriminierung und die Verpflichtung zur Integration der Roma sind durch parlamentarische Voten sanktioniert. Das Mobilitäts- und das Aufenthaltsrecht sind Säulen der Unionsbürgerschaft. Europa muss die Verwirklichung seiner Beschlüsse fördern. Den Roma als von den Nationalsozialisten verfolge europäische Minderheit muss das Staatsbürgerschaftsrecht zuerkannt werden.
Ich halte das, was gerade geschieht, für äußerst gravierend: Man macht sich die Angst, beispielsweise die Romafeindlichkeit, politisch zunutze, um Wählerstimmen einzufangen; Angst ist die Basis des Stimmenfangs. Damit wird der Politik und der Demokratie der Todesstoß versetzt, wird das Zusammenleben vergiftet und die Zivilisation, die Europa doch voranbringen soll, zerrüttet. Diese Debatte muss zu konkreten Ergebnissen führen: zur Überwachung des Vorgehens der Mitgliedstaaten, zur Überwachung der örtlichen Maßnahmen und zur Überwachung der Lebensbedingungen der Roma-Bürger.
Gerard Batten, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Was gerade in Italien geschieht, ist ein Beleg dafür, was passieren kann, wenn die Wirklichkeit mit dem utopistischen Idealismus der Europäischen Union kollidiert. Die EU hat die Idealvorstellung, sie könne durch unbegrenzte, unkontrollierte und wahllose Einwanderung einen großartigen neuen, grenzenlosen Staat schaffen. Die Wirklichkeit ist, dass eine solche unregulierte Masseneinwanderung erhebliche soziale Probleme mit sich bringt. Ich und meine Partei verurteilen zutiefst die Gewalttaten, die in Italien kürzlich an einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer ethnischen Herkunft verübt wurden.
Es war von der Integration ganzer Bevölkerungsgruppen in die aufnehmende Gesellschaft die Rede, aber wie soll die funktionieren, wenn die gewaltige Zahl der Zuwanderer das schlicht nicht zulässt? Die Zielvorstellung der EU besteht in der Schaffung eines grenzenlosen Staates, und das hat in den letzten Jahren zu umfangreichen Wanderungsbewegungen in Europa geführt, wie sie sicherlich seit dem Niedergang des Römischen Reiches nicht mehr vorgekommen sind. Signor Frattini, der neue italienische Außenminister, möchte härtere Einwanderungsgesetze einführen. Derselbe Signor Frattini behauptete, als er noch EU-Kommissar war, Europa benötige mindestens 20 Millionen neue Einwanderer aus Afrika und der Dritten Welt. Jetzt, da Signor Frattini den Elfenbeinturm der EU verlassen und sich in der realen Welt der Politik betätigt, hat er seine Meinung plötzlich geändert.
Die EU-Politik der offenen Grenzen hat dazu geführt, dass die Mitgliedstaaten nicht länger kontrollieren können, wer ihr Land betritt und wer nicht. In Großbritannien belastet dies die Infrastruktur, die öffentlichen und sozialen Dienstleistungen sowie das Wohnungswesen auf unerträgliche Weise. Die Folge ist ein Anstieg von Krankheiten und Verbrechen. Der größte Teil der organisierten Kriminalität in London, meinem Wahlkreis, wird heute von Banden beherrscht, deren Mitglieder ausländischer Herkunft sind. Jedes Land sollte über eine kontrollierte Einwanderungspolitik verfügen dürfen, um auszuwählen, an welchen Einwanderern es in welchem Umfang Bedarf hat. Die entsetzlichen Szenen der Gewalt in Italien sind eine direkte Folge davon, dass die Europäische Union die Kontrolle über eine Sache für sich beansprucht, die einzig und allein in den Händen der Mitgliedstaaten liegen sollte.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, die wiederholten Vorwürfe der spanischen Sozialisten gegen Italien und sein souveränes Recht auf innere Sicherheit kommen von jenen, die ihre Küsten scharf bewachen, jenen, für die die Ceuta- und Melilla-Affäre noch frisch ist, die sich mit dem katalanischen und dem baskischen Separatismus befassen und dabei politische Auseinandersetzung und Terrorismus in einen Topf werfen.
Wissen die spanischen und europäischen Sozialisten überhaupt, wie großzügig Italien gegenüber den Roma ist? Wissen sie, in welchem Umfang sie Sozialhilfe, finanzielle Unterstützung, Bildung und gesundheitliche Betreuung erhalten, wovon die italienischen Bürger nur träumen können? Wissen sie auch, welchen Anteil die so genannten Wandervölker an den Straftaten haben, die soziale Unruhe auslösen? Ich möchte den Herrn Kommissar Špidla fragen, wer die Kinder schützt, die um Almosen betteln, Rosen verkaufen und Autoscheiben an den Ampelanlagen italienischer Großstädte putzen; kurz gesagt, die ausgebeuteten Kinder, deren Abstammung oft unbekannt ist? Warum wird beispielsweise nichts unternommen, um die DNA all dieser Kinder zu bestimmen, mit dem doppelten Ziel, die Minderjährigen zu schützen und ihre Abstammung zu prüfen? Wenn ich nicht irre, gibt es einen Präzedenzfall in Argentinien, für die Kinder der Desaparecidos.
Meiner Meinung nach, Herr Kommissar, müsste es keine Zigeunerlager in Italien geben, wie übrigens auch nicht in Rumänien oder in irgendeinem anderen Land der Europäischen Union. Ganz im Gegenteil: Damit die Roma usw. ihre Identität richtig entfalten können – und zu deren Schutz und im Interesse ihrer optimalen Selbstverwaltung – schlage ich vor, dass die EU für die Errichtung eines Roma-Staates eintritt, vielleicht in einem Gebiet Osteuropas, denn ein Großteil der Roma kommt aus dieser Region.
Damit würde ihre Diaspora beendet, sie könnten sich selbständig verwalten und regieren, ihre Lebensqualität und ihre soziale Sicherheit würden sich verbessern und somit endlich auch, mit Verlaub – die unserige!
Stefano Zappalà (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Minute ist sicher nicht genug Zeit, um dieses Thema abzuhandeln. Es wurde behauptet, die italienische Regierung würde nicht angeklagt, doch in den Redebeiträgen, die ich gehört habe, wurde sie bzw. die rechtsgerichtete populistische Politik häufig erwähnt.
Frau Mohácsi behauptete, der Vorfall mit dem sechs Monate alten Säugling in Neapel sei nicht wahr. Frau Frassoni beschuldigte die Ministerin für Chancengleichheit. Eine Regierung, die erst vor sechs Tagen vereidigt wurde, ist Zielscheibe schwerer Anschuldigungen spanischer Minister, obwohl sich in Spanien wesentlich ernstere Vorfälle zugetragen haben.
Ich glaube, ja ich bin davon überzeugt, dass es wesentlich plausibler gewesen wäre, wenn der Kommissar über Solidarität mit den Bürgern im Allgemeinen gesprochen hätte, anstatt nur mit einem Teil von ihnen. Wir und ich persönlich befürworten eine allseitige Solidarität. Allerdings glaube ich, dass eine Regierung die Pflicht hat, Sicherheit für all ihre Bürger und nicht nur für einige von ihnen zu gewährleisten; sie muss sicherstellen, dass alle Kinder unter denselben und nicht nur einige unter besonderen Bedingungen leben können; sie muss unermüdlich für Integration sorgen und darf nicht, wie in manchen Fällen, Kriminellen ein Refugium bieten. Sie muss jedermann schützen.
Frau Präsidentin, Sie waren so großzügig, bitte erlauben Sie mir, meine Gedanken zu Ende zu führen. Ich denke, eine Regierung kann und sollte nicht beschuldigt werden; umso weniger eine Regierung, die mit einer bislang unerreichten Mehrheit in Italien gewählt wurde. Ich glaube, dass dieses Thema, das sehr heikel und sehr bedeutsam ist – darin sind wir uns einig –, ernsthaft, und nicht mit politischem Getue angepackt werden muss. Ich habe den Gedanken stets unterstützt, dass das Parlament, die Europäische Union, ein für allemal Schluss machen sollten mit dem politischen Palaver und eine glaubwürdige europäische Integrationspolitik anstreben sollte, ohne einzelne Regierungen zu attackieren.
Gianni Pittella (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommissar Špidla hatte Recht als er sagte, die jüngsten Angriffe auf Roma-Camps in Rom und Neapel seien sehr ernste Vorkommnisse, denen mit Antworten begegnet werden müsse, die Europa weder von seiner Schuld freisprechen noch zum Sündenbock machen oder eine diskriminierende und entwürdigende Sprache sprechen. Herr Romagnoli, den wir soeben gehört haben, möge mir verzeihen! Solche Reaktionen könnten ein gefährliches Klima schüren, das sich dann in Gewalt und Rassismus entlädt.
Diese Aussprache, lieber Kollege Zappalà, ist kein Gerichtsverfahren gegen Italien oder seine Regierung: Der Herr Kommissar hat ein klares Signal für die Zusammenarbeit gesetzt. Wir erwarten überzeugende und konkrete Antworten von der italienischen Regierung, die mit zwei Grunderfordernissen im Einklang stehen müssen: Integration und Sicherheit, und Aufnahme; Integration und Sicherheit in Übereinstimmung mit dem Gesetz und durchgesetzt durch den Staat, und nicht durch Milizen und Selbstjustiz übende Bürgerwehren, die auf eine dunkle Ära in der Geschichte unseres Landes zurückgehen, die niemals wiederkehren soll. Heute lauten die Schlagzeilen einiger Zeitungen „Europa klagt Italien an“ oder „Genosse Schulz, Berlusconi-Feind, gegen Italien“. Das ist lächerlich.
Ich möchte sagen, dass Italien, ein Land, das für seine kulturellen Werte hoch geschätzt und geliebt wird, von Europa fordert, die ihm gebührende Rolle bei der Stärkung der Sicherheit und der Förderung der Integration auszuüben.
Marco Pannella (ALDE). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur Folgendes sagen: Trotz des Ernstes der Ereignisse, den wohl jeder hier erkennt, herrschen eine gewisse Denkweise und eine Ignoranz der italienischen und europäischen Realität, die mir Angst machen. Schuld sind immer die anderen. Deshalb fordere ich die Pflicht und das Recht der Selbstanklage. Wir waren in Rom und in Neapel 15 Jahre lang an der Macht! In Rom, in Neapel und in ganz Italien hat sich eine beschämende Fernsehkampagne entwickelt. Der Anteil der Sendezeit, in der Verbrechen gemeldet werden und dadurch eine Angstpsychose ausgelöst wird, ist von 10 auf 24 % gestiegen.
Frau Präsidentin, ich wollte nur sagen, dass es dort, wo es keine Demokratie gibt, keinen Frieden für die Roma und auch nicht für die Italiener gibt. Italien ist keine Demokratie, es ist kein Rechtsstaat. Bei dieser Feststellung können wir ansetzen und den Kampf beginnen und hoffen, aber nicht mit der billigen Moral, die zu viele von uns haben.
Elly de Groen-Kouwenhoven (Verts/ALE). – (EN) Frau Präsidentin! Es enttäuscht mich zutiefst, dass Präsident Barroso sich nicht hinreichend mit den Romafragen befasst. In dieser Wahlperiode haben wir zwei Entschließungen zu den Roma sowie einen Bericht über Romafrauen angenommen, und es hat zahlreiche Treffen mit der EG gegeben. Dennoch hat die Zigeunerfeindlichkeit in dieser Zeit zugenommen, und anscheinend auch die öffentliche Akzeptanz des Rassismus. Es wird höchste Zeit, zu handeln.
Die Ereignisse in Italien im Zusammenhang mit den Roma sind ein klares Beispiel für staatlich geförderten Rassismus. Die Gewalt gegenüber den zu Sündenböcken erklärten Roma in Italien erinnert mich an die Pogrome gegen Juden und Roma in den 30er Jahren. Berlusconis politische Taktik gleicht der ethnischen Säuberung durch Milošević im ehemaligen Jugoslawien.
Ich fordere Sie auf, im Namen der Solidarität Druck auf die EG und den Rat in Richtung einer EU-Romapolitik auszuüben. Ich bin überzeugt, dass der EU-Vorsitz diese Debatte verfolgt hat und die Romafrage während des nächsten EU-Gipfels mit mehr Ernsthaftigkeit untersuchen wird.
Roberta Angelilli (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ebenfalls jedes Missverständnis ausräumen. Jeder Akt der Gewalt und der Diskriminierung muss klar und deutlich verurteilt werden, doch wir müssen die Situation aufarbeiten und dabei insbesondere Schönfärberei oder gar politische Instrumentalisierungen vermeiden. Entschuldigen Sie meine Offenheit, doch ich möchte den Mantel des Schweigens über die Versuche breiten, die heute so viele in diesem Hohen Haus unternommen haben, um die Schuld für die gegenwärtige Lage der Roma in Italien Silvio Berlusconi zuzuschieben.
Vielleicht wissen Herr Veltroni und Herr Bassolino mehr über Schuld, vor allem, wenn es um das Elend in den illegalen Roma-Camps geht. Jedenfalls möchte ich jeden zu verantwortungsbewusstem und ernsthaftem Handeln auffordern, was wir nun nach so vielen Verzögerungen und ergebnislosen Appellen wirklich brauchen.
Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, wir müssen für diejenigen Partei ergreifen, die in den Roma-Camps unter absolut menschenunwürdigen und inakzeptablen Bedingungen leben, aber auch für die Mutter, deren Tochter man versucht hat zu entführen, und für die Familie von Frau Reggiani, die vor knapp einem Jahr vergewaltigt und umgebracht wurde, ein trauriger Fall, der dieses Parlament beschäftigt hat.
Unsere Vorschläge, die wir seit Jahren wiederholen, sind klar: Sie wurden sowohl in die letzte Entschließung des Europäischen Parlaments über die EU-Strategie für die Roma als auch in die Europäische Kinderrechtsstrategie aufgenommen. Erstens: das Problem der Roma-Camps lösen, in denen es keine Hygiene und Sicherheit gibt; zweitens: Vorsehen drastischer Maßnahmen wie den Verlust der elterlichen Gewalt für jene Eltern, die ihre Kinder zu Bettelei, Prostitution und Kinderarbeit zwingen; drittens: Senkung der Schulabbrecherquote unter den Roma-Kindern, die in einigen Mitgliedstaaten bei 75 % liegt; viertens: bessere Nutzung der verfügbaren Gemeinschaftsmittel für alle von Roma abstammenden Bürger, die arbeiten, sich integrieren wollen und ihre Kinder zur Schule schicken, wobei jedoch parallel dazu Gewohnheitsverbrecher isoliert und zurückgeführt werden müssen.
Ich richte also diesen Appell an die ganze Europäische Union, denn das Problem betrifft alle Mitgliedstaaten, was im Übrigen auch der Europarat vor kurzem mit Bedauern festgestellt hat.
Umberto Guidoni (GUE/NGL). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar Špidla! Ich bin zutiefst besorgt über die jüngsten Vorfälle in Italien. Es wird Hexenjagd auf Rumänen und Roma gemacht, mit zahlreichen Strafexpeditionen und Brandstiftungen in Nomadencamps. Die italienische Regierung führt derzeit eine besessene Sicherheitskampagne, die Europa, den Schengen-Vertrag und die Freizügigkeit in der EU infrage stellt.
Wir müssen die Sicherheitsfrage wieder auf die Ebene der Rechtskultur zurückführen, die angesichts der Panikmache nicht gebeugt werden darf. Die Rechtsstaatlichkeit gebietet die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Einzelnen; es darf keine Sippenhaft geben. Die Abweichung von diesem Grundsatz würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der zur Kriminalisierung ganzer Volksgruppen führt. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist legitim, doch wir dürfen es nicht missbrauchen, um Hass und Fremdenfeindlichkeit zu politischen Zwecken zu schüren.
Anstatt illegale Einwanderung als Straftatbestand einzuführen, sollte die italienische Regierung die EU-Mittel wirksamer für integrationspolitische Maßnahmen einsetzen. Kurzum, die Debatte über die Abschiebung der Roma sollte im richtigen europäischen Rahmen neu geführt werden, um zu bekräftigen, dass die geltenden Rechtsvorschriften angewendet werden müssen, ohne die Freizügigkeit der EU-Bürger, ein unveräußerliches Recht der Unionsbürgerschaft, infrage zu stellen.
Roberto Fiore (NI). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte sagen, dass hier eine Regierung angeklagt wird, die zwei Jahre lang Hunderttausenden von Menschen die Einreise in ihr Land erlaubte und die es zugleich zuließ, dass diese Menschen in einem Zustand absoluten Elends leben, wodurch ein neues Subproletariat geschaffen wurde. Doch es müssten auch diejenigen angeklagt werden, die kein Moratorium in Betracht zogen, als Rumänien und andere Länder der EU beitraten.
Nach meinem Dafürhalten ist Italien nicht imstande, dieses Problem zu bewältigen, denn es ist mit anderen ernsten Fragen wie Müllbeseitigung, Beschäftigung oder Wohnungsnot konfrontiert. Das Problem der Roma ist unüberwindlich, denn die so genannte Solidarität wird durch Lager verkörpert, die – wie die gestrige Sendung Porta a porta [„Tür an Tür“, eine Politshow] zeigte – theoretisch legal sind, wo es aber fortwährend zu Kindesmissbrauch kommt und katastrophale hygienische Zustände herrschen.
Ich denke, das Einzige, was Italien tun kann – und Europa muss es dabei unterstützen – ist Folgendes: 1) mindestens sechsmonatige Aussetzung des Schengener Übereinkommens für Italien, da das Parlament anerkennt, dass in Italien ein brennendes Problem mit den Roma besteht, so dass das Schengener Übereinkommen ausgesetzt werden sollte; 2) Einführung des Straftatbestands der illegalen Einwanderung in Italien, wie es ihn in anderen Ländern gibt; 3) Aushandlung, gemeinsam mit Rumänien, Bosnien, Mazedonien und Serbien – d. h. mit EU-Mitgliedstaaten und mit Drittländern – der humanitären Rückführung der in Italien aufhältigen Roma.
Mario Mauro (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Schulz vertrauen, wenn er sagt, er strebe ein konstruktives Herangehen an das Problem der Aufnahme und auch der unumgänglichen Regeln an, die die Roma, wie jeder andere auch, einhalten müssen, wenn sie an dem Projekt des Zusammenlebens, das wir Europäische Union nennen, teilhaben wollen.
Die stetige Aushöhlung der Rechte und der Würde dieser Menschen, aber auch von wehrlosen Italienern, die in den letzten 18 Monaten in die Spirale der Gewalt hineingezogen wurden, sind ein Beispiel für die Widersprüche, in denen sich jene Regierungen und Institutionen winden, die zum einen Verständnis predigen und zum anderen tolerieren, dass Menschen im Elend leben, dass geraubt, vergewaltigt und gemordet wird und dass der Mob Selbstjustiz übt.
Wenn wir wirklich entschlossen sind, eine Lösung zu finden, Herr Schulz, meine Damen und Herren, dann lassen sie uns zugeben, dass nicht nur die Regierung von Herrn Prodi in Italien gescheitert ist, sondern dass sowohl die Linke als auch die Rechte sich bemühen müssen, einander zu akzeptieren. Dadurch wird es leichter, ein Problem zu schultern, das wir ansonsten zur Geisel der Politik der alten Schule machen würden und bei dem wir das Gespenst Berlusconi anrufen müssten, um uns von unseren Fehlern freigesprochen zu fühlen. Ich danke Ihnen.
Adrian Severin (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! In Italien, einem Land, das unsere Achtung und unsere Liebe verdient, ist es zu einer Verbindung populistischer Parolen und rechtsextremistischen Vorstellungen gekommen, die den interethnischen Hass geschürt, romafeindliche Pogrome hervorgerufen und den Boden für rassistische Gesetze bereitet hat. Auf bizarre Weise wurde die Romafeindlichkeit mit einer Rumänienfeindlichkeit verknüpft. Während wir vehement gegen das unmenschliche Verhalten und die Diskriminierung in Birma und anderen entlegenen Gegenden protestieren, übertraf die Anzahl der MdEP, die in der gestrigen Debatte der Auffassung waren, die Ereignisse in Italien erforderten mehr als eine wohlmeinende einminütige Rede, nur um sechs die Zahl derjenigen, die meinten, es handele sich um „Business as usual“.
Das Problem in Italien ist kein Problem der Roma oder der Rumänen, wie Herr Daul gestern behauptete. Die Rumänen und die Roma sind lediglich Opfer. Auch die Italiener sind Opfer. Die Ereignisse und Entwicklungen in Italien sind nur der erschütternde Ausdruck einer Tendenz, die auch in vielen anderen Teilen Europas latent vorhanden ist. Daher könnten sie sich auch in ganz Europa ausbreiten – dies ist ein europäisches Problem. Um das zu verhindern und die Romafrage zu lösen, brauchen wir nicht mehr Unterdrückung, sondern mehr Integration. Wir brauchen nicht mehr Polizei, sondern mehr Gerechtigkeit, und zwar insbesondere mehr soziale Gerechtigkeit. Wir brauchen zudem funktionierende Staaten, Medien, die Kriminalität niemals mit ethnischer Herkunft vermengen und eine Europäische Union, die in der Lage ist, eine wirklich umfassende und mutige europäische Romastrategie im Besonderen und eine Strategie für interkulturelle Beziehungen im Allgemeinen zu entwickeln und zu fördern. Wenn wir diese Prüfung nicht bestehen, werden die Flammen von Neapel auf ganz Europa übergreifen.
Milan Horáček (Verts/ALE). – Frau Präsidentin! In der EU leben mehr als 10 Millionen Sinti und Roma am Rande der Gesellschaft. Bisher hat die 2005 ins Leben gerufene Dekade der Roma daran wenig geändert. Die Vorfälle in Italien zeigen deutlich, dass die bisherigen Maßnahmen gegen Exklusion und Diskriminierung wenig Wirkung gezeigt haben und nicht umgesetzt worden sind.
Im Januar haben wir erneut eine Integrationsstrategie für Roma gefordert, heute Morgen die Antidiskriminierungs-Rahmenrichtlinie debattiert und beschlossen. Die Pogrome in den Roma-Quartieren in Italien zeigen, wie dringend wir eine aufrichtige und umfassende politische Lösung und Nichtkonfrontation brauchen. Eine wirkliche Integration der Roma in unsere Gesellschaft wäre ein guter Beweis dafür, dass die Grundpfeiler der Demokratie, des Rechtsstaats und der Menschenrechte die Grundlage der EU bilden.
Mario Borghezio (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie wissen, ist es die Bevölkerung unseres Landes, die von der Regierung fordert, das brennende Problem der Kriminalität, auch der Kriminalität der Roma, realistisch und ohne populistische Attitüden anzugehen.
Verteidigung der Menschenrechte unter allen Umständen – das hätte in Ceuta getan werden müssen, doch stattdessen hüllte sich die Sozialistische Internationale in konspiratives Schweigen. Stimmen Sie mir zu, Genosse Schulz? Vor allem geht es um dien Schutz ehrenwerter Bürger vor der Gesetzlosigkeit anderer, einschließlich der Roma! Ich persönlich werde mich dafür einsetzen, dass die Regierung unseres Landes die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wie sie typisch für die Roma ist, um zu stehlen und zu rauben oder noch schlimmere Verbrechen zu begehen, zu einem Straftatbestand erhebt.
Fremdenfeindliche Gewalt ist nicht typisch für unsere Bevölkerung, umso weniger für die Landbevölkerung oder die Neapolitaner. Sie ist charakteristisch für die Camorra, die wir bekämpfen müssen. Die Menschen fordern Sicherheit, wohl wissend, dass das keine humanitären und solidarischen Maßnahmen ausschließt. Doch an erster Stelle steht die Sicherheit, und es ist genauso wichtig, sie zu gewährleisten.
Das Blabla der Kommission hat uns nicht überzeugt: Die Bürgerinnen und Bürger in Italien und in Europa fordern Schutz vor unkontrollierter Einwanderung und vor dem Zustrom von Menschen, die nicht auswandern, um zu arbeiten, denn oft sind es Kriminelle, die auswandern, und nicht Auswanderer, die kriminell werden.
Vito Bonsignore (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schwierige Lage in puncto öffentliche Ordnung und die verständliche öffentliche Reaktion nach den zahlreichen Gewaltakten, die die Öffentlichkeit in meinem Land alarmierten, veranlassten die italienische Regierung, einige neue Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Ich denke, denjenigen, die versuchen, die in dem kurz vor der Verabschiedung durch die italienische Regierung stehenden Sicherheitspaket enthaltenen Bestimmungen als diskriminierend, rassistisch und nicht den Gemeinschaftsrichtlinien entsprechend zu bezeichnen, sollte eine strikte Abfuhr erteilt werden.
Rigorose Maßnahmen in Bezug auf Hausbesetzungen, die Ausweisung von Migranten ohne Visum, die Verschärfung der Strafen gegen diejenigen, die soziale Unruhe stiftende Straftaten begehen, stehen voll mit den europäischen Rechtsvorschriften im Einklang. Italien ist und bleibt ein aufnahmefreundliches Land, das dabei ist, eine neue Integrationspolitik zu entwickeln, das aber nicht länger bereit ist, die Anwesenheit illegaler Einwanderer zu tolerieren.
Alle EU- und Nicht-EU-Bürger sind willkommen, sofern sie sich an die Regeln des friedlichen Zusammenlebens halten. Die Europäische Union und ihre 27 Mitgliedstaaten müssen daher jeder das Ihrige tun, und wir müssen die Situation überwachen, um zu gewährleisten, dass die Bürgerrechte in ganz Europa geachtet werden.
Claudio Fava (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie nichts dagegen haben, halte ich mich an die Fakten. Die Fakten sagen uns, dass die Regierung von Silvio Berlusconi dabei ist, den Rassenbegriff wieder in das italienische Rechtssystem einzuführen und Italien in der Europäischen Union schnell an den Rand zu drängen, indem sie systematisch gegen die Grundprinzipien der Richtlinie 2001/38/EG verstößt, darunter vor allem gegen das Recht auf Freizügigkeit der Personen.
Ich möchte lediglich zwei Auswirkungen dieses Vorgehens nennen: Die erste haben wir vor einigen Tagen in Neapel erlebt, als der Camorra die Aufgabe übertragen wurde, stellvertretend den Ordnungshüter zu spielen und jeden, der in den Roma-Camps dieser Stadt geblieben war, mit Molotow-Cocktails zu vertreiben. Die zweite haben wir von Herrn Romagnoli gehört, der mit einem Vorschlag herausgerückt ist, dessen Ursprung sicher nicht beschönigt werden kann. Der Vorschlag ist wenig originell: einen Staat wieder aufbauen bzw. errichten oder konzipieren, in den alle Bürger der Roma-Volksgruppe zusammengepfercht und eingesperrt werden. Ich möchte daran erinnern, dass derselbe Vorschlag in Bezug auf Zigeuner und Juden von Goebbels im Nazideutschland der 30er-Jahre unterbreitet wurde, bevor der Krieg ausbrach und an die Stelle des Staates der Zigeuner und Juden die Krematorien rückten. Das ist die Botschaft, die hinter dem Vorschlag steckt, den wir heute gehört haben.
Romano Maria La Russa (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ursprünglich hatte ich vorgesehen, nur einen Redebeitrag zu halten, doch nachdem ich Herrn Fava gehört habe, möchte ich selbstverständlich noch einmal das Wort ergreifen. Frau Präsidentin, es tut mir wirklich leid, doch ich glaube, nach dem, was ich hier heute gehört habe, dass diese Aussprache durch einen auf Verfolgung, Anklage und Bestrafung ausgerichteten Angriff gegen einen Mitgliedstaat und eine Regierung ausgelöst wurde, die mit überwältigender Mehrheit gewählt worden ist. Leider wird sie von einigen für schuldig befunden, keine linksgerichtete Regierung zu sein.
Es ist nicht unsere Schuld, wenn sich die Roma in Italien fast ausschließlich durch ihre Straftaten bemerkbar machen wie Diebstahl, Raubüberfälle, Kindesentführungen und Bettelei! Das ist das Image, das die Fahrenden in Italien haben, das ist das Image, das die Roma vermitteln, all unseren Bemühungen zum Trotz! Ich bin noch auf der Suche nach einem Roma in Italien– wer einen kennt, möge es mir sagen –, der einer legalen Arbeit nachgeht und Steuern zahlt.
Beschuldigen Sie mich nicht des Rassismus, bitte bleiben Sie sachlich! Ich verteidige nur die rechtschaffenen Europäer – sei ruhig und geh zu Deiner Sippe zurück, geh zu Deiner Sippe zurück! – Frau Präsidentin, ich wurde unterbrochen. Beschuldigen Sie mich nicht des Rassismus und bleiben Sie sachlich! Ich verteidige nur die rechtschaffenen Europäer und auch die rechtschaffenen Roma. Jeder Mitgliedstaat sollte als Erstes die Sicherheit seiner Bürger schützen, andernfalls fühlen sich die Bürger berechtigt, Selbstjustiz zu üben.
Deshalb, und damit komme ich zum Schluss, wäre ich den spanischen Abgeordneten und den Mitgliedern des Europäischen Parlaments dankbar, wenn sie sich in den Griff bekommen, Ruhe bewahren und ein wenig mehr vor ihrer eigenen Tür kehren könnten.
Die Präsidentin. − Bitte, Herr La Russa und Herr Pannella, wir sind hier nicht im italienischen Parlament, ich möchte Sie bitten, sich anständig zu benehmen – und hören Sie auf mit diesen Gebärden, haben Sie mich verstanden! Bitte lassen Sie uns damit aufhören, sonst rufe ich die Saaldiener!
Csaba Sógor (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich bin sehr bestürzt darüber, dass wir nach Tibet und Kosovo nun auf dem Boden der Europäischen Union angekommen sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Roma Unionsbürger sind – auch sie sind Bürger der EU. Es besteht immer ein Zusammenhang zwischen sozialen Fragen und Fremdenfeindlichkeit. Es hätte mich gefreut, wenn sich unsere sozialdemokratischen Freunde ebenfalls zu Wort gemeldet hätten, als der sozialdemokratische und ehemals kommunistische Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten Walter Veltroni noch Bürgermeister war und lautstark die Abschiebung unerwünschter Einwanderer gefordert und Roma mit Rumänen verwechselt hatte.
Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass die Minderheitenfrage vielschichtig ist: Es gibt Roma, neue Einwanderer und nationale Minderheiten, doch sie sind insofern alle gleich, als jedes EU-Land eine Lösung für ihre Probleme finden muss. Das Mindeste wäre es, ab 2009 einen Menschenrechtsausschuss für Minderheiten einzurichten und zu gewährleisten, dass in der gesamten Europäischen Union einheitliche Rechtsvorschriften gelten.
Abschließend möchte ich noch kurz auf die Präventivstrategie eingehen: Die Rolle der EU darf nicht nur darin bestehen, Brände zu löschen – die EU muss vielmehr den Standpunkt einnehmen, dass es kein Europa gibt, solange es nicht soziale Sicherheit, Achtung der Menschenrechte und kulturelle sowie territoriale Autonomie für Minderheiten gibt. Vielen Dank.
Enrique Barón Crespo (PSE). – (ES) Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst Kommissar Špidla für seine klaren Worte und für die Schnelligkeit danken, mit der die Kommission reagiert hat. Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, im Namen eines ehemaligen Mitglieds des Europäischen Parlaments zu sprechen, des ersten spanischen Zigeuners, der Mitglied dieses Hauses war und vor 15 Jahren gewählt wurde, Juan de Dios Ramírez Heredia. Er sandte mir einen Brief mit folgendem Wortlaut:
„Sie kennen sehr gut die traurigen Ereignisse, die in den letzten Tagen so viel Leid über hunderte unschuldige Zigeunerfamilien gebracht haben, die Opfer rassistischer Gewalt wurden. Wir als Unión Romaní wollen diese Debatte, damit niemand die Tatsache ignorieren kann, dass wir um jeden Preis die Menschenrechte verteidigen und uns dafür einsetzen müssen, dass das Recht stets Vorrang vor politischen Leidenschaften hat.
Wir europäischen Zigeuner glauben an Europa. Niemand tritt beständig mehr für ein Europa ohne Grenzen ein als die Zigeuner. Aus diesem Grund glauben wir, dass es ein ernster Rückschritt für die von uns erträumte europäische Integration wäre, wenn der Freizügigkeit auf europäischem Territorium willkürliche Grenzen errichtet würden.“
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, mich abschließend an Kommissar Špidla zu wenden, der gemeinsam mit Vizepräsident Frattini vor drei Jahren einen Plan, eine Roadmap für die legale Einwanderung hier im Parlament vorgelegt hat. Ich glaube, dass Vizepräsident Frattini eine gute Arbeit als Kommissionsmitglied geleistet hat, und ich hoffe, dass er uns auch helfen wird, diese Situation in Italien zu bewältigen.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Vielen Dank, Frau Präsidentin. In Neapel ist die soziale Realität, die vorübergehend von einer Behandlung der Symptome verdeckt wurde, nun mit erstaunlicher Wucht zutage getreten. In einem Europa mit 27 Mitgliedstaaten kann dieses Problem nicht mehr auf nationaler Ebene gelöst werden – es schreit vielmehr nach viel umfassenderen Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene.
Bei diesem Problem geht es nicht um die Beziehungen zwischen den Ländern untereinander oder zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten oder gar zwischen Roma und Nicht-Roma. Vielmehr hat die Krise die hoffnungslose Lage ans Licht gebracht, in der sich eine Million Unionsbürger befinden, die am Rande der Gesellschaft in Vororten in von Arbeitslosigkeit gezeichneten Städten leben, und zwar unter unhygienischen Bedingungen in Notunterkünften, und unbemerkt um ihr Überleben kämpfen, ohne angemessen unterstützt zu werden oder eine Ausbildung zu erhalten.
Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament hat zu diesem Problem nicht geschwiegen. Sie ist tätig geworden und hat nicht nur darüber geredet. Und sie hat klargemacht, dass in einem vereinten Europa nicht hingenommen werden kann, dass die Roma für die derzeitige öffentliche Sicherheitslage verantwortlich gemacht werden.
Wie viel wir von dem verstehen, was Ereignissen wie denen in Neapel zugrunde liegt, und wie wir die der Gemeinschaft zur Behebung dieser Probleme zur Verfügung stehenden Ressourcen bestmöglich nutzen können, hängt ganz allein von uns ab. Als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments zu Roma-Fragen biete ich dem Kommissar unsere Zusammenarbeit an und fordere meine Abgeordnetenkollegen auf, dasselbe zu tun.
Giuseppe Gargani (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich die Aussprache insgesamt aufmerksam verfolgt habe, erlaube ich mir eine abschließende Einschätzung vorzutragen.
Die Debatte wurde zu einem Großteil dem Bericht des Herrn Kommissars und der Aufforderung von Herrn Schulz, die spezifischen Probleme und die Instrumentalisierung eines einzelnen Landes – im Besonderen Italiens – beiseite zu lassen und das generelle Problem zu behandeln, nicht gerecht, wobei dieses Problem, darin sind wir uns wohl alle einig, die Aufnahme und die Solidarität mit denjenigen betrifft, die in verschiedene Länder kommen, mit den Roma, die gewiss ein besonderes Problem haben, aber zugleich auch die Sicherheit und die Legalität, denn Sicherheit und Legalität sind die Stützen der Aufnahme und der Solidarität, die wir gewähren müssen.
Wir hätten dem Kommissar antworten müssen, als er fragte: Was kann die Kommission tun? Ich glaube, Herr Barón Crespo sagte zuletzt, dass die Kommission, mit Unterstützung des Parlaments, Leitlinien aufstellen kann: europäische Richtlinien, wenn sie übernommen werden. Wie für das Müllproblem so kann auch für die Frage der Nicht-EU-Bürger und der EU-Bürger eine Richtlinie die Lösung sein, allerdings nicht, wenn Parlament, Kommission und Rat ihre Solidarität ausnutzen, wenn sie sie nutzen, um eine Debatte zu führen, die sich ausschließlich um Italien dreht und die demagogisch ist, da doch die Regierung erst wenige Stunden, wenige Tage im Amt ist.
Wenn jedoch andererseits das Parlament als Ganzes die Solidarität in den Fokus rückt – wie von Kommissar Špidla ins Auge gefasst –, müssten wir meines Erachtens fähig sein, Lösungen zu finden und Ergebnisse zu erzielen.
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Als Rumänien noch ein Bewerberland war, belehrte uns unter anderem der damalige Kommissar Frattini über die unbedingte Notwendigkeit, die Rechte der Minderheiten, auch der Roma, zu wahren.
Inzwischen sind wir beigetreten, und viele Mitglieder der Gemeinschaft der Roma haben sich, als europäische Bürger, in anderen Ländern wie zum Beispiel Italien niedergelassen, wo sie zu anderen Roma gestoßen sind, die dort zum Teil in 40 Jahre alten Lagern leben.
Ich bestreite nicht, dass einige von ihnen kriminelle Handlungen begangen haben und angemessen bestraft werden müssen. Das aber zu verallgemeinern und so eine feindliche, ablehnende Haltung gegenüber ihnen allen zu schüren, nicht zuletzt durch falsche Medienberichte, ist inakzeptabel. Wenn wir diesen gewaltigen Verstoß gegen die zentralen europäischen Wertvorstellungen hinnehmen, auf die wir uns so gerne berufen, und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft ziehen, beschwören wir nur das Schlimmste herauf, und die Lage würde bald völlig außer Kontrolle geraten, mit unvorhersehbaren schädlichen Folgen für die gesamte Union.
Renate Weber (ALDE). – (RO) Diese Aussprache hätte meines Erachtens den Titel „Schwere Verstöße gegen die Menschenrechte in Italien“ tragen können, weil es hier eigentlich um die Untätigkeit der italienischen Regierung geht: Eine Gemeinschaft wurde Opfer unglaublicher Gewalt, was möglich war, weil in den letzten Monaten leider sowohl ein Teil der italienischen Presse als auch einige hochrangige Politiker rassistische Äußerungen tätigten, die uns an die schlimmsten Zeiten in der jüngsten europäischen Geschichte erinnern.
Die italienische Regierung ist verpflichtet, die Verursacher dieser Gewalttaten ausfindig zu machen, denen vor italienischen Gerichten der Prozess gemacht werden muss. Ansonsten verstößt die italienische Regierung erheblich gegen Artikel 6 des EU-Vertrags. Die nichtstaatlichen Akteure, die Straftäter, müssen sich vor der italienischen Justiz verantworten. Die italienische Regierung muss der Europäischen Union Rede und Antwort stehen – so verlangt es Artikel 6 des Vertrags.
László Tőkés (Verts/ALE). – (HU) Frau Präsidentin! Schätzungen zufolge leben in Rumänien mehrere Millionen Zigeuner, und statt eine verantwortungsvolle Sozial- und Minderheitenpolitik zu verfolgen, um gegen die untragbare Situation vorzugehen, in der sie leben müssen, erfahren wir vom Schicksal dieser Menschen lediglich aus sensationsgierigen Medienberichten. Dies war auch bei den Straftaten der Fall, die von rumänischen Zigeunern in Italien begangen wurden.
Es ist bedauerlich und erschreckend, dass erst die schockierenden Geschehnisse in Italien dazu geführt haben, dass im Europäischen Parlament die soziale Alarmschwelle erreicht wurde. Noch trauriger ist, dass einige politische Kräfte diese Geschehnisse als rein innenpolitische Angelegenheit Italiens behandeln und versuchen, aus der Zigeunerfrage politisches Kapital zu schlagen.
Andererseits müssen wir dagegen vorgehen, dass gewisse politische Kräfte die in der Gesellschaft gegenüber den rumänischen Zigeunern bestehenden Vorurteile dazu nutzen, um generell rumänienfeindliche Emotionen zu schüren. Zunächst einmal ist die Situation in Italien keine innenpolitische Angelegenheit des Landes, und sie stellt auch keine Frage dar, bei der es ausschließlich um rumänische Zigeuner geht. Vielmehr betrifft sie alle in der Europäischen Union lebenden Zigeuner und fordert und gebietet mehr als nur eine fallweise oder an den Symptomen ausgerichtete Behandlung.
Giusto Catania (GUE/NGL). – (IT) Frau Präsidentin liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine politische und eine Medienkampagne zur Kriminalisierung der Migranten und der Roma in Italien im Gange. Einige italienische Mitglieder dieses Parlaments haben heute der wahren italienischen Regierung Ausdruck verliehen, beispielsweise Herr Fiore, Herr Borghezio und Herr La Russa, die, wie wir alle gehört haben, klipp und klar sagten, dass Schengen ausgesetzt, illegale Einwanderung zur Straftat erhoben und alle Roma abgeschoben werden müssten: Das läuft auf eine Gleichsetzung der Roma mit Kriminellen hinaus.
Das ist die wahre italienische Regierung. Die Kampagne wird dadurch offensichtlich, dass die Regierung angekündigt hat, Sonderkommissare für die Roma einzusetzen. Darauf folgten Razzien gegen Roma, anstatt diejenigen festzunehmen, die Feuer in italienischen Roma-Camps legten. Erklärungen von der Art, wie wir sie hier vernommen haben, werden häufig von verschiedenen Ministern der italienischen Regierung abgegeben.
Deshalb, Frau Muscardini, führen wir die Aussprache jetzt und haben wir sie nicht schon vorher abgehalten. Nur eines müsste gesagt werden, und damit komme ich zum Schluss: In Italien gibt es 200 000 Roma. 80 000 davon sind italienische Staatsangehörige. Von den übrigen 120 000 wurden 50 000 in Italien geboren. Würden wir ihnen die Staatsangehörigkeit zubilligen, würde das Roma-Problem in Italien wahrscheinlich weitgehend gelöst werden können.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, im Nachgang zu Ihrer Aussprache das Wort ergreifen zu dürfen. Gestatten sie mir, kurz einige Punkte anzusprechen. Die Geschichte Europas ist ein Beleg dafür, dass Rassismus, Völkerhass und Intoleranz früher oder später in einer Katastrophe enden. Diejenigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben, werden womöglich erneut eine Katastrophe erleben. Europa hat seine Lektion gelernt und die Menschenrechte auf seine Fahnen geschrieben. Die Menschenrechte sind unteilbar und müssen von jedem Verfassungssystem in Europa, in jedem einzelnen Mitgliedsland geschützt werden. Ich denke, es ist die Pflicht eines jeden Mitgliedstaates, alles zu tun, um dem gerecht zu werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas erwähnen. Heute Vormittag standen die Themen Armut und soziale Ausgrenzung auf der Tagesordnung. Armut in Europa ist heute eher eine individuelle Erscheinung, die auf persönliche Umstände zurückzuführen ist. Allerdings mit einer Ausnahme. Als Angehöriger der Minderheit der Roma wird man fast überall in Europa sozial ausgrenzt und gilt als arm. Das ist die Realität. Andererseits ist die Situation für die Roma nicht in allen Ländern dieselbe, denn es wurden effektive Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation in die Wege geleitet. Die Debatte verdeutlichte wiederum, wie vielschichtig die Minderheitenfrage ist und dass, wie erwähnt, in erster Linie die Mitgliedstaaten dieses Problem aufgreifen müssen, auch wenn die Europäische Union und die Kommission hier eine Rolle spielen. Daher freut es mich, meine Damen und Herren, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Anfang Juni beim Rat ein konzeptionelles Papier zur Überprüfung unserer bisher erfolglosen Maßnahmen einreichen werden. Das ist leider die unerfreuliche Wahrheit, und dieses Problem erfordert unsererseits erhebliche Anstrengungen.
Die Debatte hat ebenfalls Klarheit darüber gebracht, wie schnell solche brisanten Fragen als politisches Instrument eingesetzt werden können. Es gehört zu den Pflichten aller Demokraten, derartige Manipulationen zu unterbinden, die einen erfolgversprechenden Umgang mit diesem Thema unmöglich machen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Ansichten kundgetan haben, wodurch auch die vielen Facetten des Themas deutlich wurden. Vielleicht noch eine kurze Bemerkung. Sie haben hier die unterschiedlichsten Auffassungen dargelegt, die ich in vielen Fällen nicht teile. Dies ist ganz normal, denn einige von Ihnen werden auch mit meinen Ansichten nicht konform gehen. Allerdings wurde hier eine Meinung geäußert, die nicht hinnehmbar ist. Ich kann mich leider nicht daran erinnern, von wem diese Äußerung stammt, aber mir scheint, sie ist auch Ihnen nicht entgangen.
Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.
Ich danke Ihnen, Kommissar Špidla! Ich wünsche mir, dass dieses Thema besonnen, mit Menschlichkeit und Würde, wie Präsident Pöttering oft sagt, behandelt wird.
Herr Romagnoli, ich habe Sie nicht vergessen. Sie haben einen Antrag nach Artikel 145 gestellt und zu einer persönlichen Bemerkung um das Wort gebeten, das Ihnen am Ende der Aussprache, also jetzt, erteilt wird. Sie haben eine Minute. Ich erinnere Sie daran, dass sie gemäß Artikel 145 nicht zum Gegenstand der Aussprache sprechen dürfen, sondern sich darauf beschränken müssen, auf Äußerungen, die sich in der Aussprache auf Ihre Person bezogen haben, oder Ihnen unterstellte Ansichten zu reagieren.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dies sollte ein Forum des freien und gesitteten Meinungsaustauschs sein, doch ist es das nicht, wenn Grobheiten und Beleidigungen, die vielleicht haltlos sind, geduldet werden.
Ich persönlich habe Gewalt und Diskriminierung zu jeder Zeit und in jeder Form, sowohl gegen Einzelpersonen als auch gegen Gemeinschaften, stets verurteilt und werde das auch weiterhin tun; ich denke, dass Selbstbestimmung, wenn wir sie den Palästinensern zuerkennen, auch für andere gelten muss, das meinte ich, als ich meine Auffassung zu den Roma äußerte.
Es tut mir leid, dass einige meine Worte verdreht haben. Es tut mir leid, dass mich einige Mitglieder mit Titeln belegt haben, die ich, wie jeder, der mich kennt, weiß, wirklich nicht verdiene. Niemand will die Menschenrechte in Frage stellen. Ich bin weder Rassist noch Fremdenhasser, aber, meine Damen und Herren, ich bestehe auf dem Recht auf soziale Ordnung, das jeder hier verteidigen sollte, und auf dem Recht Italiens auf uneingeschränkte Souveränität.
Die Präsidentin. − Es gab eine Frage zu einem Antrag; das Sekretariat ist dabei, die Sache zu prüfen, denn es wurde nicht erwähnt, um was für einen Antrag es sich handelt. Wie Sie wissen, gibt es keine Entschließung und keine Abstimmung.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich habe volles Verständnis für die Tatsache, dass Sie bei vielen catch the eye-Verfahren nicht jedem das Wort erteilen können.
Ich habe allerdings überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Auswahl dann darauf hinausläuft, dass jeder Fraktion eine Wortmeldung zugeteilt wird. Dadurch werden die politischen Gewichte im Europäischen Parlament massiv verzerrt. Im Grunde genommen wird auf diese Weise den kleinen Gruppierungen immer wieder ein deutlich höheres Gewicht gegeben. Das ist ein legitimes politisches Anliegen, aber das ist nicht das, was die Geschäftsordnung zu catch the eye vorgesehen hat.
Ich bitte im Übrigen, dass man, wenn man sich in Zukunft zur Geschäftsordnung meldet, auch drankommt.
Die Präsidentin. − Wir haben diese fünf Minuten zugeteilt bekommen. Das wurde von der Konferenz der Präsidenten beschlossen, und das ist auch das korrekte Zeitmaß. Dessen ungeachtet werde ich Ihre Bemerkungen zur Kenntnis nehmen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Titus Corlăţean (PSE) , schriftlich. – (RO) Die Zunahme der Gewalt gegen rumänische Einwanderer und gegen die Roma in Italien ist das direkte Ergebnis extremistischer Reden nach Art der Faschisten, wie sie in der vor kurzem zu Ende gegangenen italienischen Wahlkampagne von den rechten und rechtsextremen Parteien unterstützt wurden.
Die italienischen Behörden sollten bedenken, dass die Gesetzesänderungen, die sie annehmen wollen, den europäischen Rechtsvorschriften ganz und gar entsprechen müssen, und sie dürfen keine Kollektivausweisungen vornehmen oder sich weiterhin fremdenfeindlich gegenüber in Italien ansässigen Unionsbürgern zeigen.
Das Hauptproblem hat in Wirklichkeit nichts mit Kriminalität zu tun. Hier geht es um die Verantwortung des Einzelnen, den die italienische Justiz nach italienischem Recht bestrafen sollte. Es geht vorrangig um eine stimmige Politik der Integration in die italienische Gesellschaft und die Unterstützung des italienischen Staates, wozu auch die Verwendung der EU-Mittel in diesem Bereich zählt.
Wir bedauern den bisherigen Standpunkt der liberalen Regierung in Bukarest und der ALDE-Fraktion im Europäischen Parlament, die die Verlängerung des Mandats des von Rumänien benannten Kommissionsmitglieds für Minderheitenfragen in Europa – wozu auch Roma-Fragen zählen – ablehnte.
Somit hat Rumänien ein bedeutendes politisches Druckmittel und die Möglichkeit verloren, für die Integration der Roma in die europäische Gesellschaft europäische Lösungen zu finden.
Corina Creţu (PSE) , schriftlich. – (RO) Ich begrüße es, dass das Europäische Parlament beschlossen hat, eine Aussprache über die Lage der Roma in Italien durchzuführen. Dies deutet darauf hin, dass das echte Ausmaß dieses Problems jetzt erkannt wird: Es handelt sich nämlich um ein europäisches Problem. Die Roma-Frage ist so vielschichtig, dass nur durch Mobilisierung der Energien der gesamten Europäischen Union eine konkrete Lösung für diese historisch bedingte Situation gefunden werden kann. Daher brauchen wir eine Strategie und konzertierte Aktionen auf dem gesamten Kontinent. Ich bitte die zuständigen Kommissionsmitglieder, unverzüglich einen entsprechenden Arbeitsplan vorzulegen.
Ferner bin ich davon überzeugt, dass die europäischen Foren verpflichtet sind, klar dazu Stellung zu nehmen, wie die italienischen Behörden die Umsetzung von drastischen Maßnahmen verstehen. Das Anzünden von Nomadenlagern, nächtliche Razzien, Verhaftungen ohne Haftbefehl und Androhung militärischer Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität – all das zeigt, wie schmerzlich groß die Intoleranz im 21. Jahrhundert ist, und gefährdet die Zukunft der EU.
Wenn es uns gelingt, Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Hasses auf bestimmte Ethnien und Rassen zu verabschieden, ist die EU meines Erachtens verpflichtet, die Annahme potenzieller Sanktionen gegen eine Regierung in Erwägung zu ziehen, die gegen die Werte verstößt, auf denen das vereinte Europa beruht.
Rovana Plumb (PSE) , schriftlich. – (RO) Die jüngsten Geschehnisse in Italien und die gegenüber den Roma praktizierte fremdenfeindliche Einstellung der Vertreter der rechten und rechtsextremen Parteien, die die neue Regierung gebildet haben, zeigen bedauerlicherweise, dass im Europa des Jahres 2008 Reden gehalten und Maßnahmen ergriffen werden, die denen der Faschisten ähneln.
Bestimmte Ethnien zu kriminalisieren, ist äußerst gefährlich, wie auch die Tatsache, dass Politiker und Massenmedien – wobei letztere von Roma begangene Straftaten miteinander vermengen – den Gedanken verbreiten, dass alle Kriminellen aus der Roma-Bevölkerung stammen. Kriminalität ist individuell und muss unter Einhaltung der Gesetze des italienischen Staates bestraft werden.
Die Zunahme der Gewalt gegen Roma in Italien, sowohl in Worten und als auch in Taten, stellt aufgrund ihrer potenziellen Konsequenzen ein europäisches Problem dar. Dessen Lösung liegt in der Politik der italienischen Behörden, die die Integration der Roma fördern muss. Die Europäische Union verfügt über eine Reihe von Fonds zur Finanzierung solcher sozialer Integrationsprogramme, die die italienische Regierung nutzen kann und sollte.
Zweitens sollte die Gemeinschaftsexekutive Maßnahmen gegen die Diskriminierung bestimmter ethnischer Gruppen auf dem italienischen Arbeitsmarkt ergreifen, zumal ja Italien vom Ziel der Vollbeschäftigung derzeit weit entfernt ist.
Theodor Dumitru Stolojan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich begrüße den Standpunkt, den die Kommission durch Kommissar Vladimír Špidla geäußert hat, wonach sie jegliche Gewalt gegen Roma verurteilt, wo immer sich diese aufhalten.
Darüber hinaus möchte ich betonen, dass eine europäische Strategie zur Einbeziehung der Roma in das wirtschaftliche, soziale und politische Leben der europäischen Länder, in denen sie leben, erforderlich ist.
Da es keine solche europäische Strategie gibt, wird jedes Land versuchen, seine Probleme mit den Roma selbst zu lösen, wobei mitunter Maßnahmen und Mittel eingesetzt werden, die mit den grundlegenden Menschenrechten und der Freizügigkeit im europäischen Raum unvereinbar sind. Daher erinnere ich die Europäische Kommission daran, dass das Europäische Parlament im November 2007 die Entschließung zu einer Europäischen Strategie für die Roma angenommen hat.
Mein Heimatland Rumänien hat große Anstrengungen zur Integration der Roma unternommen. Mittlerweile zeigen sich erste Ergebnisse, doch zur Beurteilung der Effizienz der laufenden Programme ist mehr Zeit vonnöten. Hier seien vor allem die Ausbildung von Roma zu Fachkräften im Bereich öffentliche Verwaltung und Polizei, die Senkung der Schulabbrecherquoten bei Roma-Kindern sowie deren Aufnahme an Hochschulen genannt.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE) ), schriftlich. – (RO) Eines der Grundprinzipien der Europäischen Union ist die Freizügigkeit. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sollte die Sicherheit und vor allem die Einhaltung der Rechte aller Unionsbürger gewährleisten.
Die aktuelle Lage der Roma in Italien stellt genau die grundlegenden Werte in Frage, auf denen sich das europäische Gefüge gründet. Am 14. Dezember 2007 wurde die Charta der Grundrechte der Europäischen Union unterzeichnet und angenommen. Die Europäische Union erkennt die in dieser Charta verankerten Werte an, die in der Präambel mit folgenden Worten beschrieben werden: „Die Union gründet sich auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität“ und „stellt den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.“ Darüber hinaus sind nach Artikel 19 der Charta der Grundrechte Kollektivausweisungen ausdrücklich verboten.
Ich fordere von der italienischen Regierung die Wahrung der Rechte der im Land lebenden rumänischen Staatsbürger sowie die Gewährleistung ihrer Sicherheit. Ich ersuche die italienische Regierung darum, gegen jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer Ethnie vorzugehen.
Von der Kommission als Hüterin der Verträge verlange ich, dass sie den Verstoß gegen die Grundrechte von Unionsbürgern entschieden ahndet und die Verabschiedung von Gesetzen oder Maßnahmen zur Einschränkung der Freizügigkeit untersagt.
VORSITZ: Diana WALLIS Vizepräsidentin
15. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0156/2008).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.
Erster Teil
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 29 von Linda McAvan (H-0306/08)
Betrifft: Handelspraktiken bei Biokraftstoffen
Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um der bekannt gewordenen Praktik beim Handel mit Biokraftstoffen, durch die amerikanische Agrarsubventionen ausgenutzt werden, Einhalt zu gebieten?
Bei dieser Praktik wird Biodiesel von Europa in die USA verbracht und dort mit etwas Treibstoff versetzt, wodurch die Händler eine Subvention in Höhe von 11 Pence pro Liter vom amerikanischen Staat erhalten können. Danach wird der Kraftstoff wieder nach Europa transportiert und zu geringeren Preisen als den Inlandspreisen verkauft. Schätzungen zufolge machen die nach diesem betrügerischen Schema ablaufenden Exporte bis zu 10 % der Biokraftstoffausfuhren aus den USA nach Europa aus. Diese Praktik stellt keine illegale Handlung dar, bringt aber die europäische Biokraftstoffindustrie in Gefahr. Zudem führt sie zu unnötigen Transporten über den Atlantik und verursacht somit einen Anstieg der Treibhausgasemissionen.
Werden die von der Kommission vorgeschlagenen Nachhaltigkeitskriterien zur Lösung dieses Problems beitragen und dazu führen, dass Biokraftstoffe, auf die diese Praktik angewandt wurde, nicht mehr auf dem europäischen Markt verkauft werden dürfen?
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Wenngleich die Kommission sich zum Ausmaß der angeblichen Praktiken, auf die sich die Anfrage bezieht, nicht äußern kann, teilt sie die Bedenken über die Auswirkungen der US-amerikanischen Steuersubventionen auf die europäische Wirtschaft.
Die Subventionen scheinen für alle Biodieselausfuhren aus den Vereinigten Staaten zu gelten, und im Übrigen auch für den gesamten Biodiesel, der dort verkauft wird, unabhängig von seiner Herkunft.
Den Brancheninformationen zufolge sind die Ausfuhren der USA in die Europäische Union von 100 000 Tonnen im Jahr 2006 auf eine Million Tonnen im Jahr 2007 gestiegen, was etwa 15% des europäischen Marktes entspricht.
Mein Kollege, Kommissar Mandelson, hat dies schon mehrfach gegenüber seiner Amtskollegin in den Vereinigten Staaten, der Handelsbeauftragten Susan Schwab, zur Sprache gebracht. Er hat sich für eine Änderung der US-Gesetzgebung ausgesprochen, zum Beispiel in Form einer Beschränkung der Subventionen auf in den Vereinigten Staaten verkaufte Waren als eine mögliche Lösung des Problems. Bisher hat es diesbezüglich von Seiten der Vereinigten Staaten keine Vorstöße gegeben, und die Steuervergünstigungen sind weiter in Kraft.
Die Kommission wäre bereit, bei Vorlage einer ordnungsgemäß dokumentierten Beschwerde von der Industrie der Europäischen Union eine Antisubventionsuntersuchung in Erwägung zu ziehen, sofern diese Beschwerde ausreichende Belege für eine anfechtbare Subvention und einen entstandenen Schaden liefert.
Die verehrte Abgeordnete fragt, ob das Nachhaltigkeitskonzept, das die Kommission in ihrem Vorschlag für die Richtlinie über erneuerbare Energien darlegt, den sie im Januar dieses Jahres angenommen hat, das Problem lösen wird, das durch die in der Anfrage beschriebenen Handelspraktiken entstanden ist.
Das in der Richtlinie über erneuerbare Energien dargelegte Nachhaltigkeitskonzept bezweckt, die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen sicherzustellen. Es ist auf die Förderung der Verwendung nachhaltig erzeugter Biokraftstoffe ausgelegt, bei gleichzeitiger Ablehnung der Verwendung von im Hinblick auf die Nachhaltigkeit schlecht abschneidenden Kraftstoffen. Sie werden sich an die Diskussion über die 35%-Regelung erinnern. Das Nachhaltigkeitskonzept wäre demzufolge auf Handelspraktiken, wie sie die verehrte Abgeordnete in ihrer Anfrage geschildert hat, gar nicht anwendbar.
Linda McAvan (PSE). – (EN) Frau Kommissarin! Es freut mich, dass Sie sich dieser Sache annehmen. Ich halte sie für einen Skandal, und sie zieht unsere ganzen Bemühungen im Hinblick auf den Klimawandel ins Lächerliche. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeitskriterien frage ich mich, ob diese Biokraftstoffe in dem Fall, dass wir ein Kriterium zur Einsparung von Treibhausgasen hätten, nicht an diesem Kriterium scheitern würden, weil sie gleich zweimal über den Atlantik transportiert wurden und so die Treibhausgase aus Schiffsemissionen in die Höhe treiben, die derzeit 5 % des weltweiten CO2-Ausstoßes ausmachen.
Wenn wir erst auf eine Beschwerde der Industrie und die Eröffnung eines Verfahrens wegen unrechtmäßiger Subventionen warten müssen, wie lange wird das dauern? Ich befürchte, die europäische Branche wäre längst vom Markt verschwunden, ehe sich etwas täte.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Methode der Berechnung von Treibhausgasemissionen aus Biokraftstoffen im Vergleich mit den Emissionen aus fossilen Brennstoffen, die in der Richtlinie über erneuerbare Energien enthalten ist, folgt dem so genannten Lebenszyklusansatz, der auch die Emissionen berücksichtigt, die während des Transports der Biokraftstoffe innerhalb wie außerhalb der Europäischen Union produziert wurden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang erneut darauf hinweisen, dass die Verringerung der mit dem Transport verbundenen Treibhausgasemissionen eines der wichtigsten Ziele der Biokraftstoffpolitik ist.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 30 von Johan Van Hecke (H-0332/08)
Betrifft: Europäisches Nahrungsmittelhilfeprogramm für bedürftige Bevölkerungsgruppen
2005 billigte das Europäische Parlament eine Erklärung für ein dauerhaftes Europäisches Nahrungsmittelhilfeprogramm für bedürftige Bevölkerungsgruppen. In der Erklärung setzte sich das Parlament nicht nur für ein dauerhaftes Nahrungsmittelhilfeprogramm und ein jährliches Budget ein, es forderte auch eine Erweiterung des Programms. Damit ausgewogene Lebensmittelrationen verteilt werden, forderte das Europäische Parlament, das Programm auf neue Bereiche wie zum Beispiel Schweinefleisch, Geflügel und Eier auszuweiten.
Mariann Fischer Boel, als für die Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raumes zuständiges Mitglied der Kommission, wurde beauftragt, der Erklärung Taten folgen zu lassen. Drei Jahre später kann von den Grundlagen einer Verordnung noch keine Rede sein, und es wurden erst wenige kleine Schritte unternommen. Es ist überhaupt noch nicht klar, welche Hauhaltsmittel verfügbar sind.
Nahrungsmittelhilfe ist sehr wohl ein Thema in der Europäischen Union, in der 16 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Kann Frau Fischer Boel als Mitglied der Kommission für ein Nahrungsmittelhilfeprogramm auf europäischer Ebene sorgen? Wird sie in diesem Zusammenhang einen Dialog mit den nichtstaatlichen europäischen Organisationen führen, die in diesem Bereich tätig sind?
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Seit 20 Jahren leistet das Europäische Nahrungsmittelhilfeprogramm einen beachtlichen Beitrag zum Nahrungsmittelbedarf unterernährter Personen in der Gemeinschaft.
Am 4. April 2006 billigte dieses Parlament eine Erklärung zur Unterstützung des Europäischen Nahrungsmittelhilfeprogramms für bedürftige Bevölkerungsgruppen in der Gemeinschaft. Diese Erklärung fordert die Kommission und den Rat auf, einen mehrjährigen Gesamtbetrag bereitzustellen und eine Reihe von Flexibilitätsmaßnahmen zur Steuerung des Programms einzuleiten. Stark hervorgehoben wird zudem die Notwendigkeit, für bedürftige Menschen eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen.
Dieses Programm wurde schon 1987 ins Leben gerufen, als Sofortmaßnahme zu einer Zeit, da die Landwirtschaft gewaltige Produktionsüberschüsse zu verzeichnen hatte. Während seiner ersten Jahre stützte sich das Nahrungsmittelhilfeprogramm in erster Linie auf die Versorgung aus Interventionsbeständen. Da diese Bestände in den vergangenen Jahren infolge der schrittweisen Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik rückläufig gewesen sind, hat die Kommission eine Reihe von Änderungen eingeführt, um den Fortbestand dieses Programms zu sichern. Zu diesen Änderungen gehört die Möglichkeit, Erzeugnisse einzukaufen, die in unseren Interventionsbeständen nicht erhältlich sind, der Tausch von Erzeugnissen der gleichen „Familie“ sowie die Möglichkeit, Erzeugnisse aus den Interventionsbeständen und solche Erzeugnisse, die eingekauft wurden, zu vermischen.
Der Haushalt wurde ebenfalls angepasst, in erster Linie um die unlängst erfolgte Erweiterung der Europäischen Union berücksichtigen zu können. Betrug er 2004 noch 213 Millionen Euro, so erreichte er in diesem Jahr, also 2008, 305 Millionen Euro. Die Kommission hat daher alles unternommen, was in ihrer Macht stand, um ein Programm, das sich auf Interventionsbestände stützt, zu erhalten, obwohl diese Bestände rückläufig waren. Wir können daher behaupten, dieses Programm vollständig ausgeschöpft zu haben.
Nun ist die Zeit gekommen, um über die Zukunft dieses Programms nachzudenken, ohne sein erweitertes Konzept aus den Augen zu verlieren. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten die Dienststellen der Kommission bereits an einer Folgenabschätzung, die sich mit den zukünftigen Möglichkeiten befasst. Die Internetbefragung hatte eine rege Teilnahme zu verzeichnen – es gab mehr als 12 000 Antworten, was das große Interesse der europäischen Bürger an dieser Initiative beweist.
Die NRO haben bei der Umsetzung des Programms eine entscheidende Rolle gespielt, und sie werden auch künftig einer der Hauptakteure bleiben. In einem Seminar, das wir im April veranstaltet haben, brachten sie den Wunsch zum Ausdruck, das Nahrungsmittelhilfeprogramm unter der Verwaltung der Generaldirektion Landwirtschaft zu belassen, und sie wiesen zudem auf die Notwendigkeit hin, für eine mehrjährige Finanzierung in irgendeiner Form zu sorgen und ein breiteres Produktangebot zur Verfügung zu stellen. Wir prüfen zurzeit diese Forderungen der NRO und werden mit ihnen in enger Verbindung bleiben.
Nach Abschluss der Folgenabschätzung beabsichtige ich, dem Parlament im September einen Vorschlag vorzulegen, der die Fortführung dieses Programms ermöglicht, jedoch auf einem sehr soliden Fundament für die Zukunft. Ich danke Ihnen daher sehr für das Interesse und die Aufmerksamkeit, die Sie im Hinblick auf dieses wichtige Programm bekundet haben.
Johan Van Hecke (ALDE). – (NL) Frau Präsidentin! An erster Stelle möchte ich mich bei der Frau Kommissarin für ihre äußerst umfassende, klare Antwort bedanken, die auch Perspektiven für mehr Nachhaltigkeit beim Nahrungsmittelhilfeprogramm auf der Grundlage der gegenwärtig laufenden Auswertung bietet.
Ich wollte mich nur erkundigen, ob bei der Evaluierung auch der Tatsache Rechnung getragen wird, dass offenbar noch zahlreiche Menschen vom Nahrungsmittelhilfeprogramm abhängig sind und fast 16 % der europäischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, sowie ob die gegenwärtige Nahrungsmittelkrise und der massive Anstieg der Nahrungsmittelpreise ebenfalls berücksichtigt werden.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Wir berücksichtigen alle Informationen, die wir während unserer sehr offenen Herangehensweise in diesem Vorgang erhalten. Den aktuell verfügbaren Zahlen zufolge nutzen 13 Millionen Menschen in der Europäischen Union das Sonderprogramm für bedürftige Bevölkerungsgruppen. Nach unseren Informationen ist die Nachfrage momentan nicht rückläufig.
Andreas Mölzer (NI). – Vielfach sind ja auch gerade Kinder Leidtragende von Armut, und ein Mangel an Nahrung beeinträchtigt ja nicht nur die körperliche Entwicklung, sondern auch die Konzentrationsfähigkeit und die schulischen Leistungen. Dies kann daher ja auch Auswirkungen auf die Zukunftschancen haben. Welches Ausmaß sieht man denn vor, um auch in diesem Problemkreis im Rahmen des geplanten Nahrungsmittelhilfsprogramms etwa in den Schulen tätig zu werden?
Jörg Leichtfried (PSE). – Es wird sicher ein guter Entwurf werden, insbesondere da Sie auch die Notwendigkeit einer ausgewogenen Ernährung angesprochen haben. Das sollte unbedingt ein Schwerpunkt sein. In diesem Zusammenhang könnte die Kommission auch einen weiteren Schwerpunkt setzen, nämlich sich auch auf biologisch einwandfrei erzeugte Produkte, also auf Bioprodukte, konzentrieren. Jeder hat ein Anrecht darauf, etwas teurere, aber viel gesündere Produkte zu essen. Inwieweit werden Sie das auch berücksichtigen?
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Zunächst befassen wir uns damit, alle Vorschläge und Informationen auszuwerten, die uns zurzeit vorliegen.
In diesem Zusammenhang versuchen wir, uns ein Urteil darüber zu bilden, ob wir unser Geld auf bestimmte Weise verwenden sollen. Wir haben unsere internen Beratungen noch nicht endgültig abgeschlossen, aber zum Thema Kinder kann ich Folgendes sagen: Ich halte es für außerordentlich wichtig, zunächst die gesunde Ernährung unserer Kinder sicherzustellen. Aus diesem Grund werden wir in diesem Jahr einen Vorschlag für ein Obstprogramm an den Schulen unterbreiten, das hoffentlich breite Unterstützung findet und von den Mitgliedstaaten kofinanziert werden soll. Sie können Kindern ab einem bestimmten Alter die Möglichkeit bieten, an der Schule ein Stück Obst zu erhalten. Ich halte dies für eine grundsätzlich gute Idee, die dazu beitragen kann, dass jungen Menschen etwas zur guten Gewohnheit wird – hoffentlich für den Rest ihres Lebens.
Was die Forderung betrifft, Produkten aus biologischem Anbau besonderen Vorzug einzuräumen, so meine ich, dass wir hier zwischen Baum und Borke stecken, denn wenn wir auf Lebensmittel aus biologischem Anbau setzen, stehen uns insgesamt weniger Lebensmittel zur Verfügung. Das halte ich für eine sehr schwierige Entscheidung.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 31 von Alain Hutchinson (H-0338/08)
Betrifft: Spekulation und Nahrungsmittelkrise
Die Finanzspekulation nimmt einen wichtigen Platz unter den verschiedenen Ursachen für die Preissteigerungen und die weltweite Krise auf dem Nahrungsmittelsektor ein: Insbesondere der Rohstoffmarkt zieht immer mehr Investitionsmittel an.
Kann die Kommission hinnehmen, dass Anleger sich in Reis und Getreide flüchten und damit zum Profit einiger weniger beitragen, während gleichzeitig Millionen von Menschen vor Hunger sterben?
Gedenkt die Kommission konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um jeder Art von Finanzspekulation, die die Nahrungsmittelsicherheit von Millionen von Menschen unmittelbar gefährdet, Einhalt zu gebieten?
Hat die Kommission im Übrigen die Absicht, die Schaffung eines Mechanismus auf internationaler Ebene zu fördern, der verhindern kann, dass verschiedene Länder ihre Nahrungsmittelexporte trotz erheblicher Lagerbestände einschränken, und genereller noch, jedwede Politik zu ahnden, die unmittelbar dazu führt, dass die schutzbedürftigsten Menschen daran gehindert werden, ihr Recht auf Nahrung wahrzunehmen.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Kommission ist in der Tat sehr besorgt über die derzeitigen hohen Preise, sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch im globalen Maßstab. Die Entwicklungsländer und die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen sind unverhältnismäßig stark von der daraus folgenden Gefahr von Hunger, Mangelernährung und sozialen Unruhen betroffen.
Die Mitteilung, die die Kommission heute vorgelegt hat, stellt den Versuch dar, die tieferen Ursachen für diese hohen Preise zu durchleuchten. Die Kommission stellt eine Reihe von Initiativen vor, um den kurzfristigen Folgen des Nahrungsmittelpreisschocks entgegenzuwirken, das Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu verbessern und die Nahrungsmittelsicherheit nachhaltig zu gewährleisten, sowie um sich an den weltweiten Bemühungen zu beteiligen, der Auswirkungen des Preisauftriebs auf arme Bevölkerungsgruppen Herr zu werden.
Was die tieferen Ursachen betrifft, so gibt es viele Faktoren, die gleichermaßen zu einer Verringerung des weltweiten Angebots beigetragen haben: widrige Witterungsverhältnisse in den wichtigsten Getreide erzeugenden und exportierenden Ländern, vorwiegend in Russland und in der Ukraine, die zuvor als Kornkammer der Sowjetunion galt. In Australien sind die Witterungsverhältnisse bereits im dritten aufeinanderfolgenden Jahr ungünstig. Die Energiekosten haben angezogen. Die Ernteerträge sind langsamer gestiegen als bisher, der weltweite Verbrauch hat weiter zugenommen. Diese direkten Einflüsse auf Angebot und Nachfrage tragen in erheblichem Maße zu den Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und den Preissteigerungen bei, die wir erlebt haben.
Vor dem Hintergrund des Preisanstiegs bei Nahrungsmitteln und seit der Krise auf den Finanzmärkten haben die Aktivitäten auf den Rohstoff-Finanzmärkten zugenommen, sich gegen Preisschwankungen abzusichern oder Wertpapierbestände zu verteilen. Diese Aktivitäten könnten zu stärkeren Preisbewegungen und größerer Volatilität an den Futures- und Spot-Märkten geführt und somit die Preisbewegungen verstärkt haben, doch ihr Einfluss auf die langfristige Preisbildung ist nach wie vor ungewiss. In ihrer heutigen Mitteilung verpflichtet sich die Kommission daher, die Aktivitäten spekulativer Investoren auf den Rohstoff-Finanzmärkten und deren Auswirkungen auf die Preisbewegungen genau zu beobachten.
In der Mitteilung heißt es, dass einige Exportländer auf den Preisanstieg reagierten, indem sie ihre Ausfuhren drosselten. Indien hat ein Exportverbot verhängt, Vietnam und Thailand haben den Reisexport beschränkt, Indonesien hat eine Ausfuhrsteuer auf Palmöl eingeführt, Kasachstan hat ein Exportverbot für Weizen verhängt. Mit den Exportverboten und Ausfuhrsteuern sollen die heimischen Märkte vor Preisschocks und kurzfristigen Nahrungsmittelengpässen geschützt werden. Allerdings verschärfen sie die Lage auf den internationalen Agrarmärkten insbesondere auf Kosten der Nahrungsmittel importierenden Entwicklungsländer. Mittelfristig gesehen sind derartige Restriktionen das falsche Marktsignal, da sie die Anreize für die Bauern verringern, in die Landwirtschaft zu investieren und die Produktion zu erhöhen; darüber hinaus tragen sie zu Ungleichgewichten auf den regionalen Märkten bei.
Die Frage der nachteiligen Auswirkungen von Ausfuhrbeschränkungen sollte jetzt in den einschlägigen WTO- und sonstigen internationalen Gremien aufgeworfen werden. Die Kommission ist noch immer überzeugt, dass die Doha-Runde den Entwicklungsländern beträchtliche potenzielle Vorteile in Form neuer Marktchancen böte, die zusätzliche Exporterlöse nach sich ziehen, die landwirtschaftliche Erzeugung stimulieren, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln verbessern und damit die Nahrungsmittelmärkte entlasten könnten. Die Kommission wird sich daher auch künftig für eine umfassende und ausgewogene Doha-Vereinbarung einsetzen.
Die Kommission baut auf die Unterstützung dieses Hohen Hauses für die politische Richtung, die sie in der heutigen Mitteilung dargelegt hat und die eine Grundlage für die Bewältigung der Herausforderungen darstellen soll, denen wir uns in dieser Situation gegenübersehen, in der die Preise in einigen Bereichen förmlich explodieren.
Alain Hutchinson (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Vielen Dank für diese relativ lange und interessante Antwort. Trotzdem möchte ich Sie im Zusammenhang mit einem der Faktoren, die zu den Auslösern dieser Krise gehören, nämlich der finanziellen Spekulation mit Agrarerzeugnissen, fragen, was die Kommission zu tun gedenkt angesichts des skandalösen Verhaltens bestimmter europäischer Banken, wie insbesondere der KBC und der Deutschen Bank, die, wie Sie wissen, eine vollkommen „unethische“ Werbung für die Spekulation mit Agrarerzeugnissen durchgeführt haben.
Ich habe mit meiner Kollegin Marie-Arlette Carlotti am 6. Mai ein Schreiben an Kommissionspräsident Barroso gerichtet. Ich habe noch keine Eingangsbestätigung erhalten und hoffe, eines Tages eine Antwort zu bekommen. In dem Schreiben ersuchten wir darum und schlugen vor, alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um, ich zitiere wörtlich, „das Anbieten, die Verbreitung und die Werbung in der Europäischen Union für Finanzprodukte, einschließlich Kapitalversicherungen und insbesondere Versicherungsprodukte im Zusammenhang mit Investmentfonds, zu verbieten, wenn deren Rendite direkt mit Spekulationen auf die Erhöhung von Nahrungsmittel-Rohstoffpreisen verbunden ist“.
Könnten Sie mir sagen, welches die diesbezüglichen Absichten der Kommission sind?
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich fasse mich kurz, da ich auf diesen Punkt bereits in meinem ersten Beitrag zu sprechen gekommen bin. Das mag der Grund dafür sein, dass dieser ziemlich lang war. In der Mitteilung, die die Kommission heute vorgelegt hat, verpflichtet sie sich, die Aktivitäten spekulativer Investoren an den Rohstoff-Finanzmärkten und die Auswirkungen dieser Spekulationen auf die Preise genau zu beobachten.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Als Verbraucher spüren wir die Auswirkungen von Preiserhöhungen sofort. Bei Spekulationen gibt es in jeder Stufe der Verkaufskette Gewinner und Verlierer, doch meistens gehören die Hersteller landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu den Leidtragenden.
Was könnte Ihrer Meinung nach getan werden, damit die steigenden Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe im richtigen Verhältnis zum allgemeinen Anstieg des Preisniveaus stehen – oder anders ausgedrückt: Wie kann sichergestellt werden, dass die Rohstoffpreise angemessen sind und die Landwirte ihr Auskommen haben?
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Wenngleich ich die guten Absichten der Fragestellerin und auch die Vielschichtigkeit des hier behandelten Themas voll und ganz anerkenne, möchte ich doch Folgendes wissen: Könnte die Kommissarin bestätigen, dass weder sie noch ihre Kollegen in der Kommission die Absicht haben, in den Rohstoffmarkt einzugreifen? Denn es würde potenziell mehr schaden als nützen, wenn dieser Weg eingeschlagen würde.
Der Fragestellerin möchte ich sagen, dass wir uns einig sind, was das Ergebnis betrifft, aber nicht darin, wie wir dort hingelangen sollen.
Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich bin mit der Frage über die Folgen für den Primärerzeuger, den Landwirt, völlig einverstanden. In der aktuellen Lage haben wir Preissteigerungen insbesondere auf dem Getreidesektor erlebt. Wenn wir über diese außerordentlich hohen Preise sprechen, werfe ich gerne einen Blick zurück in die Vergangenheit, um mir ein Bild davon zu machen, wie sich die Preise entwickelt haben. Tatsächlich sind die Preise der Primärerzeuger in den vergangenen 30 Jahren ständig gesunken.
Das heißt nicht, dass sie im Einzelhandel nicht gleichzeitig gestiegen sind. Aber wenn Sie die Getreidepreise von 1975 und heute vergleichen und sich die Festpreise ansehen, werden Sie feststellen, dass die Preise 1975 doppelt so hoch waren wie heute. Wir befinden uns hier in einer Lage, in der wir es gewohnt sind, dass in Europa durchschnittlich nur 14 % des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben werden, und auch hier sind die Zahlen während des gesamten Zeitraums rückläufig.
Wenn in der Mitteilung von unserem weiteren Vorgehen die Rede ist, liegt es auf der Hand, dass wir uns die ganze Kette ansehen müssen. Es ist die Kommissarin für Wettbewerbsfähigkeit, die dafür zuständig ist, die Lage zu begutachten, und momentan können wir noch nicht sagen, ob sie zu einem guten oder einem schlechten Ergebnis kommen wird. Aber wir werden all die Ursachen im Blick behalten, die den Preissteigerungen zugrunde liegen, die wir seit Ende August des vergangenen Jahres zu verzeichnen haben.
Zweiter Teil
Die Präsidentin . −
Anfrage Nr. 32 von Avril Doyle (H-0271/08)
Betrifft: Kommunikation und der Vertrag von Lissabon
Kann die Kommission im Kontext von Plan D und der kürzlich angekündigten Mitteilung mit dem Titel „Debatte Europa – Auf den Erfahrungen mit Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion aufbauen“ über ihre Kommunikationsstrategie in Bezug auf das Verfahren zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon Bericht erstatten? Welche konkreten Maßnahmen hat die Kommission ergriffen, um eine reibungslose Ratifizierung des Vertrags von Lissabon sicherzustellen?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Lassen Sie mich zu der Frage nach Plan D und der Mitteilung über die „Debatte Europa“ sagen, dass ich es als unsere Pflicht ansehe, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und den übrigen EU-Organen mit den Bürgern über all unsere politischen Maßnahmen und Positionen zu reden. Während die Hauptverantwortung in Bezug auf den Vertrag natürlich bei den Mitgliedstaaten liegt, muss auch die Kommission für Informationen und Erläuterungen bereitstehen.
Unsere kürzlich vorgelegte Mitteilung mit dem Titel „Debatte Europa“ bezweckt, den aktiven Dialog zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern zu fördern, und, wenngleich sie sich nicht konkret auf den Vertrag von Lissabon bezieht, oder jedenfalls nicht ausschließlich, können die Maßnahmen, die im Rahmen von „Debatte Europa“ stattfinden, mit der Kommunikation über den Vertrag verbunden sein.
Der Vertrag ist einer unserer wichtigsten Kommunikationsschwerpunkte für 2008. Unsere Aktivitäten wurden dezentralisiert und differenziert, um den nationalen Gegebenheiten der einzelnen Mitgliedstaaten zu entsprechen. Das ist ein praktisches Beispiel für eine bürgerfreundliche Vorgehensweise.
Unsere Vertreter haben mit jedem Mitgliedstaat und den parlamentarischen Informationsstellen zusammengearbeitet, um nationale Kommunikationspläne zu erstellen, die unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen. Zu den Aktivitäten gehörte auch der Kontakt zu den nationalen Akteuren, Schulungen für Journalisten, Informationsstellen und Multiplikatoren, Gespräche mit der Zivilgesellschaft und Veranstaltungen an Schulen und Universitäten.
Wir haben eine breite Palette an Informationsunterlagen erstellt – darunter PowerPoint-Präsentationen, Redebausteine, Fragen und Antworten, Datenblätter zu verschiedenen Bereichen –, die alle darauf abzielen, den Kommunikatoren Inhalte zum Thema an die Hand zu geben.
Aus Brüssel hat die Kommission zudem, wie Sie wissen, eine dem Vertrag gewidmete Internetseite in den 23 Amtssprachen ins Leben gerufen, und unser Online-Forum „Debatte Europa“ wurde kürzlich einem Relaunch unterzogen. Dort erweisen sich die Diskussionen zum Vertrag als einer der beliebtesten Bereiche, der bereits mehrere tausend Einträge verzeichnen kann.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Vielen Dank, Frau Kommissarin. Warum also funktioniert „Debatte Europa“ nicht? In Irland lenkt das Übermaß an Zeit, das darauf verwendet wird, einer ganzen Litanei von Problemen entgegenzuwirken, die zwar häufig grundsätzlich von Bedeutung sind, aber keinerlei Bezug zu den Inhalten des Vertrags von Lissabon aufweisen und gewollt oder ungewollt Ängste und Verwirrung hervorrufen, von der positiven Aussage des Lissabon-Vertrags ab. Und Wissen spielt in den EU-Volksentscheiden durchaus eine große Rolle. Das Vertrauen der Wähler in ihre Kenntnis der mit dem Vertrag von Lissabon zusammenhängenden Themen ist von entscheidender Bedeutung für den erfolgreichen Ausgang eines Referendums, für ein Ja-Votum, falls sie sich überhaupt dafür entscheiden, an der Wahl teilzunehmen.
„Der Wissensstand im Hinblick auf den Vertrag lässt vermuten, dass die öffentliche Meinung [in Irland] eher Nizza 1 als Nizza 2 entspricht“ – dies sind die Worte von Professor Richard Sinnott, nicht meine eigenen. Ungeachtet der „Debatte Europa“, Frau Kommissarin: Da die Kommission und die Mitgliedstaaten bislang mehr als 90 % unserer Bürger nicht in geringster Weise vermitteln konnten, was Europa bedeutet oder wie es funktioniert, noch die aktuellen Verträge nahebringen konnten, wie sollen wir ihnen Ihrer Meinung nach nun Änderungen ebendieser Verträge vermitteln, um den für die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon erforderlichen Wissensstand sicherzustellen? Es ist uns nicht gelungen, Europa zu vermitteln – wie sollen wir also Änderungen in Bezug auf ein Europa vermitteln, das niemand versteht?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Zunächst einmal lautet das Schlüsselwort „Partnerschaft“. Wir können das nicht aus Brüssel erreichen, nicht allein durch die Kommission: Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, Beschlüsse zu vermitteln, die wir auch gemeinsam gefasst haben. Ich meine, die Kommission und die Institutionen haben da andere Aufgaben als zum Beispiel Minister, die natürlich ebenfalls überall in Irland vor Ort sein müssen, ebenso wie in allen anderen Mitgliedstaaten, um Hilfe zu leisten, zu erklären, zuzuhören und zu vermitteln, worum es überhaupt geht.
Ich fürchte, wenn Sie damit beginnen, dass Sie Änderungen zu vermitteln suchen, haben Sie Ihr Publikum bereits verloren. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es wesentlich einfacher ist, wenn Sie sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, und das ist es auch, was unsere Vertretung in Irland zu erreichen versucht: die verschiedenen wesentlichen Punkte deutlich zu machen. Ich weiß, dass sie im Anschluss an eine Ausschreibung an etwa 20 Treffen in verschiedenen Orten teilgenommen hat, bei denen auch Politiker, irische Politiker, zugegen waren, um auf diesem Weg Informationen zu verbreiten und die Politiker an einem Gespräch über die verschiedenen wesentlichen Punkte zu beteiligen. Das mag nicht ausreichend sein, aber diesen Weg müssen wir weitergehen. Natürlich bin ich der Meinung, dass die Kommunikation mit den Medien einer der wichtigsten Schritte ist. Gleichzeitig ist es wichtig, die sehr speziellen Gesetze und Bestimmungen zu respektieren, die in Irland bezüglich der einem Volksentscheid vorausgehenden Debatte gelten, und natürlich bemühen wir uns auch darum.
Aber wir sind verpflichtet, mit den Bürgern über die politischen Maßnahmen und Positionen zu reden, die die verschiedenen EU-Institutionen vertreten, und ich hoffe, wir werden darin auch weiter Hand in Hand gehen können.
Paul Rübig (PPE-DE). – Gibt es eigentlich Marktforschungsergebnisse und Meinungsumfragen, um zu ermitteln, welches Informationsbedürfnis die europäische Bevölkerung tatsächlich über diesen Reformvertrag hat? Gibt es einen speziellen Fokus auch auf die Politiker in Europa, von der Gemeindeebene bis zur europäischen Ebene? Welchen Bedarf an Informationen gibt es hier, und was werden Sie in den Informationsbüros in den Hauptstädten machen, um eine besseres Angebot liefern zu können?
Justas Vincas Paleckis (PSE). – (EN) Frau Kommissarin! Sie haben das Referendum in Irland angesprochen, und in drei Wochen werden in diesem Land äußerst wichtige, vielleicht entscheidende, Wahlen stattfinden. Wir alle erinnern uns an das Ergebnis des Referendums zum Vertrag von Nizza in diesem sehr EU-freundlichen Land vor etwa zehn Jahren.
Welche Schlüsse wurden aus dieser unglücklichen Erfahrung gezogen, und auf welche Weise beteiligt sich die Kommission an der dem Referendum vorausgehenden Debatte in Irland?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Vielen Dank für diese wichtigen Fragen. Wie erfahren wir also von der öffentlichen Meinung? Nun, da sind zum einen unsere Meinungsumfragen durch das Eurobarometer, die uns viele Hinweise liefern und durch die wir ermitteln können, wo Informationsbedarf besteht. Darüber hinaus führen natürlich auch die Mitgliedstaaten verschiedene Meinungsumfragen durch, um mehr Einzelheiten zu erfahren und die Ergebnisse auf ihr Land beziehen zu können. Ich meine also, wir dürfen behaupten, eine recht gute Kenntnis dessen zu haben, was die Bürger im Hinblick auf Informationen erwarten und was sie brauchen, wenngleich ich auch denke, dass sich das von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheidet.
Ich denke, eine der Konsequenzen, die wir aus den Ereignissen in Irland gezogen haben, war die Notwendigkeit, auf breiter Ebene tätig zu werden. Aus diesem Grund wurde das Nationale Forum ins Leben gerufen. Ich meine, dass wir uns nach meinem eigenen Aufenthalt in Irland, und auch nach dem jüngsten Besuch von Präsident Barroso, bemüht haben, uns die Anliegen und Bedürfnisse des Nationalen Forums anzuhören. Nun versuchen wir, durch unsere Vertretung diesen Bedürfnissen zu entsprechen, während wir gleichzeitig die Tatsache anerkennen, dass ein Referendum immer eine besondere Situation darstellt. So muss beispielsweise das McKenna-Gesetz beachtet werden, das in Irland gilt. Dadurch sind die Grenzen dessen, was die Minister oder die Regierung tun können, natürlich sehr eng gesteckt.
Gleichzeitig sind wir grundsätzlich verpflichtet, uns zu engagieren und Informationen bereitzustellen. Das ist eine Aufgabe, die uns niemand abnehmen kann, und ich denke, so haben wir gelernt, wie wir am besten mit dem Nationalen Forum zusammenarbeiten, und auch, wie wir besser mit den Medien und vor allem mit jungen Menschen ins Gespräch kommen, aber auch mit Frauen, denn unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sie sich häufig aus der Debatte ausgeschlossen fühlen. In diesem Zusammenhang müssen wir daher auch von modernen Kommunikationsmitteln Gebrauch machen, wie dem Internet: Eine weitere Lektion, die wir gelernt haben, lautet, dass wir uns das Internet zunutze machen müssen.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 33 von Justas Vincas Paleckis (H-0301/08)
Betrifft: Engere Zusammenarbeit zwischen den Vertretungen der Kommission und des Europäischen Parlaments
Die Kommission strebt eine aktivere Beteiligung der Bürger der Europäischen Union an den Diskussionen über EU-Fragen an. Anfang April dieses Jahres hat sie eine neue Initiative mit dem Titel „Debate Europe“ angekündigt. Beabsichtigt ist eine noch stärkere Erweiterung der Aktivitäten auf lokaler Ebene in den EU-Staaten: Konsultation mit den Bürgern, Austausch von Informationen, Wissen und Konzepten über die EU, Veranstaltung von Begegnungen zwischen EU-Beamten und Wählern.
Aus den Hauptstädten einiger EU-Staaten ist zu hören, dass die Vertretungen der Kommission und des Europäischen Parlaments in den EU-Ländern bei der Umsetzung des Ziels, den Bürgern die EU näher zu bringen und sie mit ihrer Agenda, ihren Institutionen und Mitgliedstaaten vertraut zu machen, schlecht zusammenarbeiten. Es kommt häufig vor, dass die Vertretungen von Kommission und Parlament getrennt voneinander arbeiten, Doppelarbeit leisten und keine gemeinsamen Großprojekte veranstalten.
Wird angesichts der näher rückenden Europawahlen des Jahres 2009 eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Vertretungen von Kommission und Parlament in den verschiedenen Staaten angestrebt? Wenn ja, wie soll dies konkret geschehen?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) 2008 ist ein kritisches Jahr für alle EU-Institutionen, denn es gilt, die Europawahlen im kommenden Jahr vorzubereiten. Es liegt in unser aller Interesse, gemeinsam daran zu arbeiten, dass die Wahlbeteiligung im Juni 2009 möglichst hoch ausfällt. Die Arbeit, die durch die kürzlich veröffentlichte Mitteilung mit dem Titel „Debatte Europa“ eingeleitet wurde und die den aktiven Dialog zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern in europäischen Fragen fördert, sollte zu diesen Bemühungen beitragen.
In diesen Bereichen arbeiten Kommission und Parlament allerdings bereits in enger Partnerschaft zusammen, sowohl in Brüssel, als auch auf der Ebene unser Vertretungen und Informationsstellen in den Mitgliedstaaten. Im vergangenen Monat haben unsere Dienststellen eine neue Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die die gemeinsame Wirkung unserer Aktivitäten maximieren und auch eine engere Zusammenarbeit der Vertretungen und Dienststellen von Kommission und Parlament erreichen soll. Wir beabsichtigen, den Verhaltenskodex von 2001 hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen zu überarbeiten, was uns neue Wege der Zusammenarbeit eröffnen und zudem die gemeinsame Verwendung von Ressourcen wie beispielsweise audiovisuellen Mitteln oder Werkzeugen zur Medienbeobachtung ermöglichen wird.
Wir setzen uns zudem für das Ziel gemeinsamer Räumlichkeiten in den Mitgliedstaaten ein – die so genannten „EU-Häuser“ –, und schon heute teilen sich unsere Büros in 25 von 27 Mitgliedstaaten die Räumlichkeiten. Wie Sie wissen, führen wir in drei dieser Europahäuser – in Madrid, Dublin und Tallinn – zurzeit ein Pilotprojekt mit einem gemeinsamen Raum durch, den wir „öffentlichen europäischen Raum“ nennen. Es ist uns gelungen, die Palette unserer Aktivitäten um kulturelle Aktionen sowie um Wissenschafts- und Jugendveranstaltungen zu erweitern. Uns liegt nun ein erster Bericht zu diesem Pilotprojekt mit den öffentlichen europäischen Räumen vor. Er ist anscheinend sehr positiv ausgefallen, und wir werden diesen Weg weitergehen.
Justas Vincas Paleckis (PSE). – (EN) Ich danke Ihnen, Frau Kommissarin, für Ihre umfassende und klare Antwort. Ich bin sicher, dass Sie eine Optimistin sind. Andererseits erfordert Ihre Stellung in der Kommission ja auch Optimismus. Sicherlich vertrauen Sie auf die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon in diesem Jahr in allen Ländern.
Ich würde Sie gerne fragen, was Ihrer Meinung nach der Unterschied in der Wahlkampagne für das Europäische Parlament im Jahr 2004 und im kommenden Jahr sein wird, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Wahlkampf vermutlich nach der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon stattfinden wird?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Ich will ganz offen sein. Ich denke, dass wir uns auch in der Kommission, durch unsere Vertretungen, stärker darum bemühen müssen, Wähler zu mobilisieren und sicherzustellen, dass wir eine höhere Wahlbeteiligung erreichen. Wir können nicht zu vorsichtig sein. Ich denke, wir alle wünschen, dass die europäischen Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, und darum werden wir uns mit den Mitgliedstaaten bemühen – wiederum in Form einer Partnerschaft, und nicht etwa, um einen politischen Standpunkt zu vertreten, sondern schlicht und einfach, um die Wähler zu mobilisieren.
Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament überlegen wir mit Hilfe der Interinstitutionellen Gruppe Information und Kommunikation, wie wir dies erreichen können. Das Parlament hat bereits ein sehr durchdachtes und umfassendes Konzept für die Wahlen des Europäischen Parlaments vorgelegt, und zu diesem werden wir unseren bestmöglichen Beitrag leisten, unter Verwendung aller uns zur Verfügung stehenden Mittel und insbesondere unserer Vertretungen. Gemeinsam mit dem Parlament können wir für eine höhere Wahlbeteiligung sorgen.
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Ich halte es für äußerst wichtig, dass ein Informationsunternehmen alle seine Unterlagen und Dokumente in sämtlichen europäischen Sprachen zur Verfügung stellt. Ich hoffe sehr…
(EN) Ich werde mich auf Englisch äußern. Vielleicht können Sie mich nicht hören, denn ich sehe, dass die Kommissarin beschäftigt ist.
Ich wollte lediglich anmerken, dass es schwierig ist, Informationen in litauischer Sprache zu erhalten, denn ich vertrete Litauen. Wenn Sie die gebührenfreie Nummer für „Europe Direct“ wählen und versuchen, eine Frage auf Litauisch zu stellen, werden Sie eine halbe Stunde lang aufgefordert, zu warten. Selbst hier ist es im Besucherzentrum des Parlaments schwierig, Bücher in Litauisch zu erhalten, denn die Broschüren sind nur in den Hauptsprachen erhältlich.
Ich verstehe, dass die Übersetzung ein großes Problem darstellt und auch eine Kostenfrage ist, aber vielleicht müssen Sie Prioritäten setzen. Würden Sie freundlicherweise prüfen, wie die Callcenter von Europe Direct in den verschiedenen Sprachen arbeiten, wie es beispielsweise Kommissarin Kuneva tut?
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Ich meine, die Situation ist recht eindeutig: Wenn Sie den Bürgern direkt etwas zu sagen haben, werden sie zuhören. Wir haben heute eine Aussprache zu den European City Guides geführt, allerdings haben wir von Seiten des Rates keine nennenswerte Reaktion erhalten, und ich meine, wir müssen den Bürgern klarer vermitteln, was wir hier in der Europäischen Union eigentlich tun, und dass wir wirklich für sie hier sind und nicht nur, um über sie zu reden.
Mir wäre es lieber, auf der Ebene der Mitgliedstaaten würden eher die Vertretungen des Parlaments die Führung übernehmen, nicht die Kommission, aber es ist ja offensichtlich, dass ich so denke, und ich mahne zu Respekt und Vorsicht in Bezug auf den Ratifikationsprozess in Irland. Wir leben in einer ereignisreichen Zeit, und die jüngsten Nachrichten aus der WTO sind uns in dieser Hinsicht keine Hilfe. Ich meine, wir sollten immer darauf achten, was unsere Wähler wirklich bewegt.
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Nun, natürlich sind wir stets bemüht, sicherzustellen, dass wir Informationen, Dolmetschleistungen und Übersetzungen in allen 23 Amtssprachen zur Verfügung stellen können. Manchmal sind wir dazu nicht in vollem Umfang in der Lage, weil uns beispielsweise Dolmetscher fehlen oder wir noch nicht über ausreichende Mitarbeiter verfügen, um diese Anforderung zu erfüllen. Aber ich nehme Ihre Anmerkung zur Kenntnis, und wir werden uns auch damit befassen.
Ich werde zudem in Kürze nach Litauen reisen, und ich bin sicher, dort mehr darüber zu erfahren. Es handelt sich dabei jedoch nicht um mangelnde Bereitschaft seitens der Kommission. Die Voraussetzung für jede Art der Kommunikation ist, dass man kommunizieren kann, und zwar hoffentlich in der eigenen Sprache, und dass man versteht, was gesagt wird, ebenfalls in der eigenen Sprache. Wir werden uns daher auch weiter darum bemühen, sicherzustellen, dass wir die dafür nötigen Ressourcen bereitstellen. Ich respektiere Ihre Frage daher voll und ganz und nehme sie sehr ernst.
Nun, der zweite Beitrag war natürlich eine kritische Bemerkung, und es ist richtig, dass wir dort beginnen müssen, wo die Bürger sind. Wir müssen auf ihre Fragen eingehen, und natürlich stimmt es, dass sie in den seltensten Fällen nach den Bestimmungen des Vertrages oder einer Änderung dieser Bestimmungen fragen. Sie fragen: Was tun Sie in Sachen Einwanderung? Was tun Sie in Sachen Klimawandel? Wie bekämpfen Sie die Probleme, die aus unserer Sicht grenzüberschreitend sind, und wie gehen Sie damit um?
So müssen wir also reagieren, und zwar in einer alltäglichen Sprache. Ich denke, was sich wirklich als große Hilfe erwiesen hat – und ich sehe das als meinen Verdienst – ist die Tatsache, dass wir nun begonnen haben, für die Bürger Zusammenfassungen aller Vorschläge zu erstellen, die wir vorlegen. Auch unser Arbeitsprogramm wird eine begleitende Bürgerinfo umfassen, die ich für überaus sinnvoll halte. Diesen Weg sollten wir daher fortsetzen.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 34 von Stavros Arnaoutakis (H-0316/08)
Betrifft: Der Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion der Kommission und „Debate Europe“
Der Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion, den die Kommission im Oktober 2005 vorgelegt hat, stellte eine Antwort auf die Denkpause dar, die sich die EU nach den zwei negativen Referenden über die Verfassung verordnet hatte. Ist die Kommission der Auffassung, dass sie inzwischen, zweieinhalb Jahre später, diese ihre Ziele wirkungsvoll umgesetzt hat? Wenn nicht, warum nicht? Was hat sie daran gehindert? Im April 2008 hat die Kommission ihr Vorhaben „Debate Europe“ vorgestellt, mit dem Europa und seine Organe den Bürgern nähergebracht werden sollen. Kann die Kommission Einzelheiten zu den förderfähigen Ausgaben, zu den pro Mitgliedstaat und Träger bereitstehenden Mitteln sowie zu den Begünstigten vorlegen, die die Pläne für eine gesamteuropäische Bürgerkonsultation umsetzen sollen? Wie wird sie einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den institutionellen Organen der EU und speziell mit dem Europäischen Parlament bieten? Wie wird sie zum Aufbau elektronischer Netze beitragen, in die Europaabgeordnete sowie nationale und regionale Abgeordnete eingebunden sind? Wie wird sie öffentliche Räume zur Erörterung europäischer Themen in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten schaffen? Wie wird sie auf lokaler Ebene verstärkt aktiv werden?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Ich kann sagen, dass „Plan D“ eine entscheidende Rolle gespielt hat, als es darum ging, neue Methoden zu prüfen, mit denen Organisationen der Zivilgesellschaft Bürger aus allen gesellschaftlichen Schichten an den Debatten über die Zukunft Europas beteiligen können.
Er lieferte uns Konsultationsbeispiele, die uns zuvor gänzlich unbekannt waren, indem willkürlich ausgewählte Bürger aus allen Mitgliedstaaten eingeladen wurden, sich zusammenzusetzen und über die Agenda der Europäischen Union zu diskutieren. Das war schon eine sehr aufregende Erfahrung. Eine der wichtigsten Lektionen, die wir aus dieser Erfahrung gelernt haben, lautete, dass wir die Verbindung zwischen Bürgern und EU-Entscheidungsträgern verstärken müssen, denn wenn wir versprechen, besser zuzuhören, wie gehen wir dann mit dem um, was wir zu hören bekommen? Das ist es, was die Bürger interessiert.
Wir beschlossen, Plan D bis in die Zeit vor den Wahlen für das Europäische Parlament im Juni des kommenden Jahres zu verlängern. Diese neue Phase nennt sich „Debatte Europa“. Wir haben für „Debatte Europa“ 7,2 Millionen Euro bereitgestellt, davon zwei Millionen zur Kofinanzierung grenzüberschreitender Projekte und 5,2 Millionen Euro zur Kofinanzierung dezentraler Aufrufe und Maßnahmen, die der Unterstützung örtlicher, von den Vertretungen durchgeführter Projekte dienen.
Wir entscheiden nicht vorab, wie viel Geld jedem Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt wird, oder welche Organisation mit der Durchführung dieser europaweiten Konsultationsprojekte beauftragt wird. Das hängt von den Ergebnissen des Aufrufs zu Vorschlägen ab, den die Kommission derzeit Zeit sowohl zentral als auch über unsere Vertretungen startet.
Wir meinen, dass „Debatte Europa“ auch einen wirkungsvollen Rahmen für die interinstitutionelle Zusammenarbeit liefern sollte. Ein Modell war die Abschlusskonferenz nach der ersten Phase von Plan D im vergangenen Dezember. Hieran waren nicht nur das Parlament und die Kommission, sondern auch der Ausschuss der Regionen und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beteiligt. Ich meine, die Konferenz hat sich als gute Ergänzung erwiesen, da sie die konkreten Bedenken der Bürger zur Sprache gebracht hat, und diese Form der Zusammenarbeit sollte im Rahmen von „Debatte Europa“ zur Regel werden, und zwar auch auf nationaler und regionaler Ebene.
Wir hoffen auch darauf, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments stärker in diese lokalen und regionalen Aktivitäten einbeziehen zu können. Ich habe diese Gruppe – die so genannte „IGI“ – gerade über die Bitte des Parlaments informiert, sich an einem Pilotinformationsnetzwerk zu beteiligen. Wir haben die Ergebnisse unseres Projektes bereits ausgewertet und werden diese dem Parlament bald vorlegen: Vorbereitung eines solchen Netzwerkes, Vereinigung einzelstaatlicher und europäischer Parlamentarier, und hoffentlich auch Einladung von Journalisten zur Teilnahme an der Debatte über europäische Fragen.
Ich habe die öffentlichen Bereiche, die öffentlichen europäischen Räume im Pilotprojekt bereits erwähnt. In diesem Sinne können wir Plan D fortführen, aus den bisherigen Erfahrungen lernen und uns mit den Bürgern über eine Reihe von Projekten und Modellen auseinandersetzen, die wir hoffentlich dauerhaft – also nicht nur für einen begrenzten Zeitraum von etwa sechs Monaten – etablieren und so sicherstellen können, dass wir auf diese Weise Entscheidungsträger und europäische Bürger miteinander in Kontakt bringen können.
Stavros Arnaoutakis (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Die Schwierigkeit liegt für uns alle in der Tatsache begründet, dass die EU losgelöst vom Durchschnittsbürger existiert. Trotz aller löblichen Bemühungen seitens der Kommission und der Parlamentsabgeordneten müssen wir klar erkennen, dass Informationen die normalen Bürger nicht erreichen.
Ich möchte gern wissen, welche Agenturen entsprechend dem Vorhaben „Debate Europe“ für mehr Bürgernähe sorgen werden.
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Eine der neuen Initiativen beinhaltet natürlich, eine europäische politische Kultur zu schaffen, und bekanntlich haben wir genau dazu etwas vorgelegt. Dieser Ansatz, politische Grundlagen zu schaffen, die zur Debatte beitragen können, wurde auch vom Parlament unterstützt. Denn wir brauchen diese Kultur in den regelmäßigen politischen Diskussionen auf allen Ebenen: EU-Fragen müssen besser integriert werden. Ich meine, dass diese Initiative dazu beitragen wird, indem sie europäische politische Grundlagen möglich macht.
Ich denke, wir sollten auch die Medien dafür nutzen. Es sollte europäische Medien geben, die über EU-Angelegenheiten berichten. Aus diesem Grund haben wir eine neue Internet-Strategie erarbeitet, sowie eine neue Strategie für audiovisuelle Medien, durch die wir besser gerüstet sein werden, europäische Fragen in Medien zu platzieren, die europaweit senden.
Auch bin ich der Ansicht, wir müssen die Treffpunkte, die öffentlichen Räume dafür schaffen. In diesem Bereich haben wir daher einige Pilotprojekte ins Leben gerufen. Diese grenzüberschreitenden Projekte, in deren Rahmen wir Konsultationen mit den Bürgern durchführen, können uns, so meine ich, einige wichtige Lektionen bescheren sowie einige wichtige Erfahrungen, die wir eines Tages hoffentlich dauerhaft werden umsetzen können.
Wir müssen jedoch all diese Kanäle nutzen, wenn wir die Bürger erfolgreich einbeziehen möchten, anstatt sie auszuschließen: ihnen zuhören, ihnen Erklärungen geben und für das eintreten, was wir auf EU-Ebene tun.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Vor dem Binnenmarktprogramm 1992 gab es den Cecchini-Bericht über die Kosten der Nichtverwirklichung Europas.
Beabsichtigt die Europäische Kommission die Erarbeitung einer Sondermitteilung über die Kosten der Nichtumsetzung des Lissabon-Vertrags? Welche Kosten werden Europa entstehen, wenn der Vertrag von Lissabon nicht vollständig ratifiziert wird?
Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Es ist immer besonders schwierig festzustellen, was geschehen wird, wenn wir dieses oder jenes nicht tun. Wir möchten schon im Vorfeld die Vorteile eines neuen Vertrages vermitteln und den Grund dafür, warum wir einen solchen neuen Vertrag für notwendig halten. Wie können wir darin erfolgreicher sein? Wir haben seitens der Kommission versucht, Fragen und Antworten zu erstellen, wir haben verschiedene Hintergrundinformationen zusammengetragen und im Internet Informationen so aufbereitet, dass wir gezielt und offensiv argumentieren, warum wir einen neuen Vertrag brauchen und welche Probleme gelöst werden müssen.
Das war unser Ausgangspunkt, aber wir haben seitens der Kommission ebenfalls versucht, zu erläutern, welchen Preis wir bezahlen würden, wenn der Vertrag abgelehnt würde, denn ich denke, damit können wir das Vertrauen der Bürger beeinflussen im Hinblick darauf, ob sie uns zutrauen, die großen Probleme und Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, tatsächlich zu bewältigen.
Die Präsidentin. − Die Anfragen Nr. 35 bis 39 werden schriftlich beantwortet.
Anfrage Nr. 40 von Manuel Medina Ortega (H-0268/08)
Betrifft: Wettbewerbsbeschränkungen durch Sportverbände
Hat die Kommission angesichts der Tatsache, dass die Sportverbände bestimmter Länder der Europäischen Union planen, ihren Mitgliedern Regeln vorzuschreiben, die die Möglichkeiten für Vertragsabschlüsse und die Freizügigkeit der Sportler einschränken, was einen eindeutigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellt, die Folgen dieser Praktiken im Lichte des freien Wettbewerbs untersucht?
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Anwendbarkeit der EG-Bestimmungen auf den Sportsektor wurde durch eine Reihe von Rechtssachen, mit denen sich die Gerichte der Gemeinschaft befasst haben, bestätigt.
In den Urteilen Walrave und Donà beispielsweise bekräftigte der Europäische Gerichtshof, dass Regeln, die sich auf die Nationalität der Sportler beziehen und deren Mobilität einschränken, nicht mit dem Grundsatz der Freizügigkeit zu vereinbaren sind.
Im Bosman-Urteil untersuchte der Gerichtshof zwei Arten von Beschränkungen, die er für unvereinbar mit der Freizügigkeit hielt. Erstens verbietet er, mit der Begründung der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, eine Regel der UEFA, die die Anzahl ausländischer Spieler aus EU-Mitgliedstaaten bei nationalen Fußballwettbewerben einschränkte.
Zweitens wies er die Transferregel der FIFA zurück, der zufolge nach Ablauf eines Vertrages Ablösesummen fällig wurden, wenn ein Spieler, der Angehöriger eines EU-Mitgliedstaates war, innerhalb der EU den Verein wechselte, mit der Begründung, diese Regel stelle eine Behinderung der Freizügigkeit dar.
Die Rechtssachen Piau und Meca Medina waren die ersten, in denen EG-Wettbewerbsbestimmungen auf den Sektor angewandt wurden. Seither folgt die Kommission dem methodologischen Ansatz dieser Rechtsprechung, wenn es zu bewerten gilt, ob eine Regel eines Sportverbandes oder einer Sportvereinigung einen Verstoß gegen Artikel 81 und 82 darstellt. Daher muss jede Regel im Sport, die wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen zur Folge haben könnte, von Fall zu Fall geprüft werden, um festzustellen, ob sie ein rechtmäßiges Ziel verfolgt.
Zugleich muss die Kommission der Auffassung sein, dass mögliche wettbewerbsfeindliche Auswirkungen einer solchen Regel mit der Verfolgung ihres Ziels einhergehen und dessen Erreichung angemessen sind.
Die Kommission befasste sich mit der Frage internationaler Transfers im Fußball, als sie die Rechtmäßigkeit der FIFA-Regeln über Ablösesummen für Spieler untersuchte, deren Verträge noch nicht erfüllt waren. Diese Untersuchung wurde 2002 abgeschlossen, nachdem die FIFA sich verpflichtet hatte, ihre Transferregeln unter Berücksichtigung bestimmter Grundsätze zu überarbeiten, die darauf abzielten, Transfers zu erleichtern.
Im Weißbuch Sport der Kommission, das am 11. Juli 2007 angenommen wurde, werden Fragen wie die Freizügigkeit von Sportlern ebenfalls umfassend behandelt, insbesondere in dem Begleitdokument mit dem Titel „The EU and Sport: Background and Context“.
In dem gleichen Paket von Rechtsvorschriften verabschiedete die Kommission den „Pierre de Coubertin-Aktionsplan“, der ein Plädoyer für sportbezogene Maßnahmen auf EU-Ebene und eine Reihe von Vorschlägen enthält, die von der Kommission in diversen sportlichen Bereichen umgesetzt und/oder unterstützt werden sollen.
Einer dieser Bereiche betrifft die Freizügigkeit, wobei das Ziel darin besteht, die Diskriminierung aufgrund der Nationalität in allen Sportarten zu bekämpfen. Dieses Ziel soll durch politischen Dialog, Empfehlungen, einen strukturierten Dialog mit den Akteuren und gegebenenfalls durch Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die Mitgliedstaaten erreicht werden.
Darüber hinaus wendet die Kommission EG-Wettbewerbsregeln auf Sportorganisationen insoweit an, als diese Organisationen wirtschaftliche Aktivitäten regulieren. Dabei berücksichtigt die Kommission die Besonderheiten des Sports.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Frau Präsidentin! Vielen Dank, Frau Kommissarin, für Ihre ausführliche und sehr umfassende Antwort auf meine Anfrage.
Kurz gesagt, als Zusatzbemerkung zur Erläuterung der Kommissarin gehe ich davon aus, dass die Kommission im Moment nicht gedenkt, legislative Maßnahmen zu beschließen, da ihrer Ansicht nach die bestehenden Rechtsvorschriften, einschließlich der Verträge und der Rechtsprechung, ausreichend sind, und dass sie daher den Weg informeller Vereinbarungen mit den Verbänden, Verhaltenskodizes usw. einschlagen will.
Die Kommission hält zum jetzigen Zeitpunkt zusätzliche Maßnahmen nicht für erforderlich, sodass es genügt, einfach die bestehenden Rechtsvorschriften anzuwenden.
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. − (EN) Das ist richtig. Der Europäische Gerichtshof – und der verehrte Abgeordnete hat schon gemerkt, in welche Richtung ich mich bewege –, hat im Urteil Meca Medina festgestellt, dass die Vereinbarkeit der Sportregeln mit dem EG-Wettbewerbsrecht nicht beurteilt werden kann, indem bestimmte Regelkategorien a priori für von der Anwendung des EG-Wettbewerbsrechts ausgeschlossen erklärt werden. Die Kommission wird daher auch künftig von Fall zu Fall über die Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen entscheiden müssen, indem sie sich auf die von ihr erlassenen Beschlüsse und die bestehende Rechtsprechung beruft.
Und schließlich liefert das Urteil Meca Medina in dieser Hinsicht einen klaren methodischen Rahmen. Um festzustellen, ob eine Regel gegen EU-Wettbewerbsbestimmungen verstößt, müssen ihre Auswirkungen im Hinblick auf die legitimen sportlichen Interessen, die sie verfolgt, verhältnismäßig sein, was nur durch Einzelfallprüfung festgestellt werden kann.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! In allen Mitgliedstaaten protestieren die nationalen Sportverbände, insbesondere die Fußballverbände, auf der Grundlage der Statuten internationaler Sportverbände (FIFA, UEFA usw.) jedes Mal vehement, wenn der Staat ihre Aktivitäten prüft. Auch wenn die Unabhängigkeit der Verbände anerkannt wird, stellt sich die Frage, ob die EU mit Satzungen einverstanden ist, die nationale Gesetze und die Verfassung eines Landes verletzen bzw. sich darüber erheben?
Richard Corbett (PSE). – (EN) Ist die Kommission der Ansicht, dass das Programm der UEFA zur Ausbildung von Nachwuchsspielern mit dem Vertrag vereinbar ist? Dieses Programm ermuntert Fußballvereine, einen gewissen Anteil ihrer Spieler aus den eigenen Jugendmannschaften und Ausbildungsakademien heranzuziehen, wobei dies nicht an die Nationalität der Spieler gekoppelt ist. Das UEFA-Programm ist daher im Gegensatz zum „5+6“-Programm der FIFA – das auf der Nationalität der Spieler beruht und daher eindeutig illegal wäre – verhältnismäßig und rechtmäßig und wird die Vereine zwingen, in die Ausbildung ihrer jungen Spieler zu investieren, anstatt sich auf dem internationalen Transfermarkt ausschließlich auf ihre Finanzkraft zu verlassen.
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich werde versuchen, beide Fragen gemeinsam zu beantworten, da sie offensichtlich auf demselben Gedanken beruhen, nämlich dem Ziel, die nationalitätsbedingte Diskriminierung in allen Sportarten zu bekämpfen. Das ist nach meiner Ansicht die Hauptsache, ein Grundsatz sozusagen. Dieses Ziel sollten wir durch politischen Dialog, Empfehlungen, einen strukturierten Dialog mit den Akteuren und gegebenenfalls durch Vertragsverletzungsverfahren erreichen.
Ich meine daher, wir sollten berücksichtigen, dass diese Orientierung am Wettbewerb, die ich zuvor erläutert habe, sehr eindeutig ist und nicht durch andere Überlegungen in Frage gestellt werden sollte.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 41 von Giovanna Corda (H-0269/08)
Betrifft: Preiserhöhungen und Wettbewerb
In den vergangenen Monaten wurden in vielen Mitgliedstaaten erhebliche Preiserhöhungen, insbesondere bei Lebensmitteln, verzeichnet, wodurch sich die Kaufkraft der Bürger der Union beträchtlich verringert hat. Zahlreiche Beobachter haben dies neben den gestiegenen Rohstoffpreisen mit exzessiven Margen, die von den Vertriebsnetzen einbehalten werden, sowie möglichen Beeinträchtigungen des freien Wettbewerbs begründet.
Verfügt die Kommission über ständige Indikatoren, die sie alarmieren, wenn bestimmte Verbraucherpreise explodieren? Verfügt sie darüber hinaus über in jüngster Zeit durchgeführte Erhebungen bezüglich der Vertriebsnetze im Anschluss an die in mehreren Mitgliedstaaten verzeichneten Preisexplosionen?
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. − (EN) Die Kommission ist natürlich besorgt über den aktuellen Anstieg bei Groß- und Einzelhandelspreisen für Lebensmittel und Lebensmittelprodukte. Der hat spürbare Folgen für die Menschen Europas und, schlimmer noch, für Milliarden andere auf der ganzen Welt.
Tatsächlich hat im letzten Quartal 2007 die Inflation der EU-Lebensmittelpreise zugenommen. Die beobachteten Preissteigerungen auf Verbraucherebene spiegeln die jüngsten Entwicklungen bei Produktwert, Kosten und Profit in der Lebensmittelkette wider. Es ist zu berücksichtigen, dass die Preise für wichtige landwirtschaftliche Rohstoffe schon zuvor über mehrere Monate stetig angestiegen waren und dabei immer neue Rekordhöhen erreichten. Diese Entwicklung resultierte aus einer Kombination überwiegend struktureller Auslöser: beständiger Anstieg der weltweiten Lebensmittelnachfrage, Entstehung des Biokraftstoffmarktes – dies jedoch nur zu einem geringen Anteil – sowie kurzfristigere Faktoren wie zum Beispiel ungünstige Witterungsverhältnisse, die 2007 zu einer Abnahme der Produktionsmenge bei Getreide in den meisten EU-Mitgliedstaaten, zu der restriktiven Ausfuhrpolitik einiger der wichtigsten Versorger auf dem Weltmarkt und allgemein zu einer Zunahme der Beteiligung von Investmentfonds an landwirtschaftlichen Rohstoffmärkten geführt haben.
Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass der Anteil der Rohstoffpreise an den Lebensmittelpreisen nicht streng proportional ist, insbesondere nicht bei zunehmender Lebensmittelverarbeitung. Einige andere Komponenten des Verkaufspreises – ich denke an Preisspannen bei Energie und Arbeitskraft – haben daher den jüngsten Preisanstieg bei Lebensmitteln in der Europäischen Union ebenfalls beeinflusst. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Preiserhöhungen nicht notwendigerweise auf eine mangelnde Anwendung des Wettbewerbsrechts zurückzuführen sind. Wie der verehrte Abgeordnete weiß, sind besser funktionierende Märkte zum Nutzen des Verbrauchers in der EU das oberste Ziel der EG-Wettbewerbspolitik.
Wie in zahlreichen Antworten auf parlamentarische Anfragen erwähnt wurde, beobachtet die Kommission die Märkte gemeinsam mit den einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden, die das Europäische Wettbewerbsnetz bilden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und zu ahnden, die den Verbrauchern möglicherweise schaden könnten. Die Kommission greift nur dann ein, wenn sie besser als die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden in der Lage ist, tätig zu werden. Diese sind die ersten, die handeln. Wenn sie jedoch nicht über die erforderliche Befugnis verfügen, greifen wir ein. Da Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Einzelhandelssektor jedoch häufig nationaler Natur sind, sind die Mitgliedstaaten tatsächlich in einer guten Position, sie zu bewältigen.
Die Kommission möchte jedoch erneut betonen, dass sie nicht zögern wird, einzuschreiten, sollten konkrete Verstöße gegen die Wettbewerbsbestimmungen bestätigt und durch rechtliche und wirtschaftliche Anhaltspunkte gestützt werden. Natürlich müssen wir dabei alle relevanten Faktoren berücksichtigen, die auf diese Märkte einwirken, und die Kommission wird weiterhin die Verbraucherpreise und die Konzentration des Einzelhandelsmarktes beobachten und jeder Anschuldigung wettbewerbswidrigen Verhaltens nachgehen. Die Kommission hält die Marktbeobachtung für eine überaus wichtige Aufgabe. Im Rahmen der Prüfung des Binnenmarktes wird die Kommission die möglichen Gründe für das unzureichende Funktionieren des Einzelhandels aus Verbrauchersicht, wie aus Sicht der Versorger, untersuchen. Die Unterschiede bei den Verbraucherpreisen in den einzelnen Mitgliedstaaten werden zudem im Jahresbericht des Verbraucherbarometers durchleuchtet. Die erste Ausgabe des Verbraucherbarometers wurde, wie Sie wissen, Anfang 2008 veröffentlicht, und es wird ab jetzt jährlich erscheinen.
Die Preise zählen zu den wichtigsten Prüfungsindikatoren. Einige Preisunterschiede, insbesondere bei nichthandelbaren Waren und Dienstleistungen, können eindeutig durch Einkommensunterschiede in den Mitgliedstaaten bedingt sein. Dennoch könnten besonders große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten Anlass für weitere Überprüfung geben. Darüber hinaus wird sich die Kommission im Rahmen einer hochrangigen Gruppe zur Wettbewerbsfähigkeit der Ernährungswirtschaft mit der Marktmacht im Vertriebssektor befassen. Diese Initiative wird die Kommission einleiten, um die Lebensmittelindustrie zu untersuchen, die sich in den letzten Jahren neuen Risiken und Herausforderungen gegenübersah, die die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors in Frage stellen.
Zudem wird die Kommission in den kommenden Wochen auf die schriftliche Erklärung des Europäischen Parlaments zur Untersuchung des Machtmissbrauchs durch große Supermarktketten, die in der Europäischen Union tätig sind, und zu entsprechenden Abhilfemaßnahmen reagieren. Die Antwort der Kommission wird unter anderem für die Klärung von Fragen hinsichtlich der Nachfragemacht sorgen.
Giovanna Corda (PSE). – (FR) Wie Sie wissen, haben sich heute Vormittag der französische und der deutsche Verbraucherschutzminister in Kehl getroffen, um über die Preisunterschiede zwischen den beiden Ländern zu debattieren. Diese Diskrepanzen können bei bestimmten Waren des täglichen Bedarfs bis zu 30 % betragen.
Zu den erörterten Gründen gehören die Unterschiede in den Einzelhandelsstrukturen und insbesondere der mangelnde Wettbewerb in bestimmten Ländern. Käufe über das Internet sollten den Verbrauchern ermöglichen, von diesen Unterschieden zu profitieren, indem sie in den günstigsten Ländern kaufen. Allerdings wirft der Versandhandel über das Internet zuweilen Probleme auf. So können beispielsweise die Franzosen nicht auf bestimmten deutschen Internetseiten einkaufen.
Gedenken Sie, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit der europäische Binnenmarkt endlich zu einer Realität für die Bürger wird?
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich bin mir der Bedeutung Ihrer Frage voll und ganz bewusst, und ebenso der Notwendigkeit der Anpassung an einen einzigen Binnenmarkt. Sie dürfen sich absolut sicher sein, dass die Kommission ihr Möglichstes tun wird, um ihn auch im Bereich des Einzelhandels zu einem echten Binnenmarkt zu machen.
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Ihrem Bericht entnehme ich, dass die Generaldirektion Wettbewerb mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Wir Bürger beobachten jedoch, dass Absprachen getroffen werden, die gleichzeitige Preiserhöhungen in allen Ländern zur Folge haben, ohne dass die Wettbewerbshüter Verstöße feststellen. Wie würden Sie dies aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen beurteilen – handelt es sich um Qualifikationsdefizite in den Mitgliedstaaten oder um Fälle des Missbrauchs?
Neelie Kroes, Mitglied der Kommission. − (EN) Nach dem jetzigen Stand lautet die Antwort ganz klar „Nein“, aber wir sind uns bewusst, dass dieser Umstand unsere Aufmerksamkeit – und nicht nur unsere Aufmerksamkeit – erfordert und wir beobachten müssen, was dort passiert. Wir haben diesen Punkt bereits auf die Agenda des Europäischen Wettbewerbsnetzes gesetzt, und zur Zeit sammeln wir Informationen aus allen Mitgliedstaaten, die Erfahrungen in diesem Zusammenhang haben – einige haben Fragen, andere analysieren, wieder andere versuchen lediglich, herauszufinden, was im Bereich des Einzelhandels schiefläuft. Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Belgien – sie alle gehen unterschiedlich mit der aktuellen Lage um.
Bisher gibt es keinen Anlass, von einem Kartell auszugehen. Sobald wir von einem Kartell erfahren, werden wir handeln, das kann ich Ihnen versichern, allerdings halte ich die Lage im Übrigen für nicht wirklich bedenklich, da die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden aktiv sind und die Gesamtsituation in diesem Sektor verfolgen.
Die Präsidentin. − Die Anfragen Nr. 35 bis 39 werden schriftlich beantwortet.
Anfrage Nr. 44 von Bernd Posselt (H-0286/08)
Betrifft: Beitrittsverhandlungen mit Kroatien
Glaubt die Kommission, dass die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien bis zum Jahresende abgeschlossen werden können, und wie sieht der exakte Zeitplan für den Rest des Jahres aus?
Anfrage Nr. 45 von Brian Crowley (H-0308/08)
Betrifft: Fortschritte in Verbindung mit dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union
Kann die Europäische Kommission eine Erklärung darüber abgeben, wie der letzte Stand in Bezug auf den Antrag Kroatiens auf Beitritt zur Europäischen Union ist?
Anfrage Nr. 46 von Michl Ebner (H-0315/08)
Betrifft: Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien
Seit der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit dem Kandidatenstaat Kroatien hat das Land bereits große Fortschritte erzielt, zahlreiche Kapitel geöffnet und positive Voraussetzungen für die Öffnung und Schließung weiterer geschaffen. Erfreuliche Entwicklungen gab es v. a. bei der Rechtsangleichung, dem Minderheitenschutz und den Bemühungen um eine Justizreform. Weiterhin hat Kroatien durch die kürzlich beschlossene Nicht-Anwendung der ökologischen Schutzzone für Fischerei die Voraussetzung geschaffen, die Beitrittsverhandlungen mit einer erhöhten Dynamik fortzusetzen. Diese Sachlage wird vom Fortschrittsbericht des Europäischen Parlaments 2007 über Kroatien bestätigt, der in den Ziffern 31 und 32 auch seitens der EU, insbesondere der Kommission, intensivere Unterstützungsmaßnahmen fordert.
Wie wird die Kommission die Unterstützung verstärken? Wird sie – vorausgesetzt Kroatien erfüllt die Bedingungen – im Herbst einen vorläufigen Zeitplan für den Abschluss der Beitrittsverhandlungen 2009 vorstellen?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Herr Posselt, Herr Crowley und Herr Ebner haben alle nach dem aktuellen Stand der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien gefragt, daher kann ich ihnen gemeinsam antworten.
Insgesamt verlaufen diese Verhandlungen mit Kroatien gut. Bisher haben wir die Verhandlungen über 18 von insgesamt 35 Kapiteln eröffnet, von denen wir zwei bereits geschlossen haben. Was die Benchmarks für die Eröffnung der Verhandlungen betrifft, so wurden elf Gruppen von Benchmarks festgelegt. Die Kommission hat festgestellt, dass die Benchmarks in sieben dieser elf Fälle erfüllt wurden. In diesen Fällen werden unsere Empfehlungen derzeit von den Mitgliedstaaten im Rat beraten, bzw. die Verhandlungspositionen werden erarbeitet. In den übrigen Kapiteln, etwa Wettbewerbspolitik und öffentliches Auftragswesen, wurden die Benchmarks für die Eröffnung der Verhandlungen bereits in der ersten Jahreshälfte 2006 durch die Union festgelegt – das liegt also schon zwei Jahre zurück. Kroatien hat jedoch nur sehr zögerlich die Maßnahmen eingeleitet, die notwendig sind, um diese Benchmarks zu erfüllen.
Kroatien arbeitet noch daran, die Benchmarks für das Kapitel Justiz und Grundrechte zu erfüllen, wo es viele schwierige Herausforderungen in Bereichen wie Justizreform, Korruptionsbekämpfung und Rückführung von Flüchtlingen zu bewältigen gilt.
Wenngleich Kroatien im Hinblick auf die 16 wichtigsten Kapitel, in denen wir Benchmarks für den Verhandlungsabschluss festgelegt haben, viel erreicht hat, reichen die Bemühungen zurzeit noch nicht aus, um alle Benchmarks für den Verhandlungsabschluss in diesen 16 Kapiteln zu erfüllen. Angesichts der verbleibenden Auflagen, die Kroatien noch zu erfüllen hat, ist es unrealistisch, von einem Abschluss der Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr, d. h. 2008, auszugehen. Dennoch hat Kroatien insgesamt gute Fortschritte gemacht, so dass 2008 für die EU-Beitrittsverhandlungen des Landes ein entscheidendes Jahr sein könnte. Sofern Kroatien bestimmte Bedingungen erfüllt, wird die Kommission in ihrem Erweiterungspaket in diesem Herbst einen vorläufigen Zeitplan bzw. einen Fahrplan der Bedingungen für den Abschluss anderer technischer Verhandlungen im Verlauf des Jahres 2009 vorlegen.
Die erste Bedingung, die Kroatien erfüllen muss, besteht darin, bis zum Juni dieses Jahres, d. h. bis zum nächsten Monat, alle Benchmarks für die Eröffnung der Verhandlungen zu erreichen. Zweitens muss Kroatien alle rechtlichen Verpflichtungen nach dem Stabilisations- und Assoziierungsabkommen erfüllen und auch weiterhin die allgemeinen Auflagen des Stabilisations- und Assoziierungsverfahrens einhalten. Und drittens muss Kroatien seine Verwaltung der EU-Finanzhilfen im Rahmen der Programme PHARE und IPA dringend verbessern.
Der Präsident der Kommission wird Kroatien auch weiterhin erhebliche finanzielle und technische Unterstützung bieten, damit das Land den Erfordernissen der EU-Mitgliedschaft gerecht werden kann. Sobald Kroatien ausreichende Fortschritte bei der Erfüllung der Benchmarks für die Eröffnung und den Abschluss der Verhandlungen erzielt hat, wird die Kommission zu gegebener Zeit die notwendigen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten erarbeiten und vorlegen, die die in der Regierungskonferenz einzunehmenden Standpunkte darlegen. Zusammenfassend hängt es letzten Endes also von Kroatiens eigener Fähigkeit ab, die notwendigen Auflagen zu erfüllen, wie schnell sich das Land in Richtung Europäische Union bewegt. Unsere Anstrengungen und Fortschritte richten sich daher nach Kroatiens eigenen Leistungen.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Kommissar, Sie kennen meinen Standpunkt, dass Kroatien eigentlich schon längst Mitglied sein müsste, wenn es gerecht zugehen würde!
Aber ich äußere hier nicht meinen persönlichen Standpunkt, sondern den des Hauses. Das Haus hat gesagt, die Verhandlungen sollen spätestens 2009 abgeschlossen werden. Der Gemischte Parlamentarische Ausschuss hat vor einigen Wochen bei seiner Tagung in Kroatien gesagt, dass alle Kapitel noch unter slowenischer Präsidentschaft geöffnet und unter französischer, spätestens tschechischer geschlossen werden sollen. Sieht die Kommission diesen Zeitplan als realistisch an, und was tut sie ihrerseits, um die Geschwindigkeit zu forcieren?
Brian Crowley (UEN). – (EN) Frau Präsidentin! Ich danke Herrn Kommissar Rehn für seine Antwort.
Zwei Fragen. Die erste bezieht sich auf das Kapitel Justiz und Grundrechte, wo sich anscheinend in den Verhandlungen große Schwierigkeiten ergeben haben: Wie können wir Kroatien am besten helfen, hier Fortschritte zu machen?
Die zweite betrifft die Verteilung der Mittel aus dem PHARE-Programm und die Verwaltung dieser Mittel: Welches sind die größten Schwachstellen, die Kroatiens Finanzverwaltungssystem überwinden muss?
Drittens möchte ich mich auf die Äußerung meines Kollegen Bernd Posselt beziehen: Wir waren davon ausgegangen, dass die Verhandlungen schnell abgeschlossen sein würden. Wenn die Verhandlungen zu 17 Kapiteln erst noch eröffnet werden müssen, wie können wir dann mit der Geschwindigkeit fortfahren, die wir uns erhoffen?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Ich danke Ihnen für diese sehr angemessenen und wichtigen Zusatzfragen. Die Kommission verfolgt mit Kroatien den gleichen Weg, den sie mit jedem anderen Bewerberland verfolgen würde, so dass wir den Verhandlungsrahmen einhalten, der vom Rat und den Mitgliedstaaten einstimmig angenommen wurde.
Es ist unsere Aufgabe und unsere Verantwortung, den Fortschritt bei der Erfüllung der Benchmarks zu überwachen, wobei wir uns auf unsere recht neue Benchmark-Methode stützen, die Ende 2006 geschaffen und – mit großer Unterstützung des Parlaments – angenommen wurde, um die Qualität des EU-Beitrittsverfahrens zu verbessern. Das bedeutet, dass ein Land ausreichende Fortschritte in einer betreffenden Angelegenheit bewiesen hat, sobald es in der Lage war, eine bestimmte Benchmark zu eröffnen und dann abzuschließen.
Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel, und zwar den Schiffbausektor in Kroatien. Wir erwarten von Kroatien eine sehr konkrete Umstrukturierungsstrategie für den gesamten Sektor, ebenso wie für alle einzelnen Schiffswerften, die diesem Sektor angehören.
Kürzlich kam es zu einem Treffen zwischen dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Kroatiens und meiner Kollegin Neelie Kroes, der Europäischen Kommissarin für Wettbewerb, bei dem es darum ging, den aktuellen Stand in diesem Zusammenhang zu prüfen. Wir warten noch immer auf überzeugendere Bemühungen seitens der kroatischen Behörden, die beweisen, dass Kroatien in der Lage sein wird, seinen Schiffbausektor angemessen umzustrukturieren, damit wir uns auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik voranbewegen können, auf dem staatliche Beihilfen eine überaus entscheidende Benchmark darstellen.
Das soll Ihnen als Beweis dienen, dass es wirklich in den Händen der kroatischen Regierung und der Behörden liegt, die Benchmarks zu erfüllen. Uns war immer bewusst, dass einige der Benchmarks eine größere Herausforderung darstellen würden als andere, und die Kommission hat Kroatien ermutigt, gewissenhaft die Erfüllung dieser schwierigen Benchmarks zu verfolgen, insbesondere im Bereich der Justizreform, auf die Herr Crowley verwiesen hat, sowie in dem anderen Gebiet, das ich erwähnte, dem Schiffbausektor.
Was die Justizreform betrifft, so erweisen wir Kroatien rechtliche und technische Unterstützung gemäß dem Teil des Instruments für Heranführungshilfe, der dem Auf- und Ausbau von Institutionen dient. Wir fördern Partnerschaften, und natürlich kann Kroatien auf unser eigenes Fachwissen zurückgreifen. Die Mitgliedstaaten stellen zudem ihre Peer Reviews zur Verfügung, die wichtig sind, um zu bewerten, ob Kroatien auf diesem Gebiet gute Fortschritte erzielt oder nicht.
Insgesamt verlaufen die Verhandlungen also erfolgreich. Das Tempo der Verhandlungen hängt letzten Endes davon ab, wie schnell Kroatien diese entscheidenden Reformen umsetzt, die Voraussetzung für die Eröffnung und den späteren Abschluss der Benchmarks sind.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 47 von Dimitrios Papadimoulis (H-0295/08)
Betrifft: Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien (FYROM) und Beitrittsprozess
Auf einer Pressekonferenz (Brüssel 5.3.2008) anlässlich des NATO-Gipfels erklärte das für Fragen der Erweiterung zuständige Kommissionsmitglied Rehn, die nicht erfolgte Einigung in der Namensfrage zwischen den beiden Parteien Griechenland und FYROM werde sich negativ auf den Beitritt der FYROM zur Europäischen Union auswirken. Da die EU bestrebt ist, die Fortsetzung der Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der UNO zu fördern, damit rasch eine für beide Seiten annehmbare Lösung in der Namensfrage gefunden wird, wird die Kommission gebeten mitzuteilen, welche Maßnahmen sie zu treffen gedenkt, damit die Verhandlungen wieder aufgenommen werden und eine für beide Seiten annehmbare Lösung gefunden wird?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Bitte gestatten Sie mir aufzuklären, dass ich am 5. März nicht an einem NATO-Gipfel teilgenommen habe. Vielleicht wollte ich es, aber ich habe nicht an dem NATO-Gipfel teilgenommen, wie in der Anfrage fälschlicherweise dargestellt. Stattdessen habe ich an der Sitzung der Kommission teilgenommen – unserer wöchentlichen Sitzung –, und auf dieser Sitzung haben wir eine Mitteilung mit dem Titel „Westlicher Balkan: Stärkung der europäischen Perspektive“ angenommen.
Im Anschluss daran gab ich die Erklärung bei der Pressekonferenz zu diesem Thema ab, auf die sich der verehrte Abgeordnete bezieht. In diesem Zusammenhang stellte ich – bei der Pressekonferenz – fest, dass die Namensfrage viel politische Energie verbraucht. Ich forderte die führenden Politiker beider Länder auf, eine Formel zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist. Das tat ich sowohl öffentlich als auch im Vertrauen.
In meiner Antwort auf eine Frage erklärte ich, die Entscheidungen im Hinblick auf das EU-Beitrittsverfahren würden von den Mitgliedstaaten einstimmig getroffen. In diesem Zusammenhang brachte ich meine Befürchtung zum Ausdruck, dass sich das Fehlen einer Lösung in der Namensfrage negativ auf das Beitrittsverfahren des Landes auswirken könnte.
Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission auch künftig die Parteien auffordern wird, konstruktiv an der Lösung der Namensfrage zu arbeiten. Die Kommission verfügt jedoch über keinerlei Kompetenzen, keinerlei Befugnisse zu derartigen Maßnahmen, und daher sollten die Bemühungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen fortgeführt werden, im Rahmen der beiden wichtigen Resolutionen des Exekutivrates der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1993.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Herr Kommissar! Vielen Dank für Ihre Antwort, die Ihre Brüsseler Erklärung bestätigt. In meiner Frage auf der Pressekonferenz zu diesem Thema am 5. März habe ich Ihnen schon einmal gedankt.
Angesichts der Tatsache, dass das Europäische Parlament in einer Entschließung über die Beitrittsaussichten der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) kürzlich die Notwendigkeit einer Beschleunigung der Verhandlungen anerkannt hat, um eine allgemein annehmbare Lösung zu finden, gestatten Sie mir folgende Frage: Wollen Sie gemeinsam mit dem Parlament und in Ausübung Ihrer Befugnisse irgendwelche Schritte unternehmen, bevor Ihr Bericht im Herbst erarbeitet wird?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Wir bestärken weiterhin beide beteiligten Länder darin, eine Lösung für dieses lange – meiner Meinung nach zu lange – währende Problem zu finden. Wir haben volles Vertrauen in den Vermittler der Vereinten Nationen, Matthew Nimitz, der über ein eindeutiges Mandat verfügt, Gespräche zwischen den beiden Parteien im Rahmen der beiden entscheidenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrates von 1993 zu ermöglichen. Daher kann die Kommission nicht die Rolle eines Vermittlers übernehmen. Dazu haben wir weder die Befugnis noch die Kompetenz, aber wir bestärken beide Seiten darin, sich konstruktiv einander anzunähern, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen und schließlich zu einer Lösung zu gelangen.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Kommissar! Die Kommission hat eine Kompetenz: Sie ist Hüterin der Verträge. Im Interimsabkommen steht, dass bilaterale Fragen hier kein Beitrittshindernis sein dürfen. Ich wollte Sie bitten, das zu bestätigen, und Sie fragen, ob Sie Bemühungen der mazedonischen Regierung zur Lösung des Problems sehen und ob das Land Ihrer Ansicht nach in den letzten Monaten Fortschritte gemacht hat.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Meiner Meinung nach haben Sie absolut Recht mit der Einschätzung, dass das Land im Hinblick auf einige wichtige Reformen, zum Beispiel die Justizreform und die Reform der öffentlichen Verwaltung sowie bei der Umsetzung des Polizeirechts, im vergangenen halben Jahr gute Fortschritte gemacht hat.
Im Übrigen haben wir in unserer Mitteilung vom März acht Benchmarks festgelegt, die sich auf maßgebliche Kriterien, maßgebliche Prioritäten der Beitrittspartnerschaft stützen und die notwendigen Reformen widerspiegeln, die wir von der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien erwarten. Auf diese Weise versprechen wir uns ausreichende Fortschritte, um uns in unserem Bericht im Herbst den Vorschlag zu erlauben, die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen zu empfehlen.
Das hängt jedoch von konkreten Ergebnissen bei der Reformarbeit ab, und diesen Umstand werden wir natürlich in unserem Fortschrittsbericht darlegen, der zurzeit in Arbeit ist.
Ich möchte darauf hinweisen, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten im Rat einig darin sein müssen, die Empfehlung der Kommission zu befolgen und die Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Auch wenn dies aus unserer Sicht eine bilaterale Angelegenheit ist, müssen wir diesen Umstand daher als politische Realität anerkennen.
Was unsere Empfehlung betrifft, so hängt diese einzig und allein von den Fortschritten der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien bei der Umsetzung der Reformen vor Ort ab.
Die Präsidentin. −
Anfrage Nr. 48 von Philip Claeys (H-0298/08)
Betrifft: EU-Mittel für die türkische Armee in Zypern
Medienberichten zufolge hat die EU angeblich die türkische Armee mit 13 Millionen Euro finanziert.
Kann die Kommission bestätigen, dass die türkische Armee wirklich aus EU-Mitteln finanziert wird? Falls ja, um welche Mittel und um welche Projekte handelt es sich? Wie viel Geld hat die türkische Armee insgesamt erhalten? Wer hat veranlasst, diese Gelder zu gewähren? Beabsichtigt die Kommission, die türkische Armee auch in Zukunft zu finanzieren?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Diese Frage beantworte ich gern, denn hier kann ich mich sehr kurz fassen. Die Europäische Union hat der türkischen Armee auf Zypern keine Mittel zur Verfügung gestellt, wie es der verehrte Abgeordnete in der Überschrift seiner Anfrage vermutet.
Im Rahmen des Programms für Heranführung, IPA, unterstützt die Europäische Union in der Türkei ein Projekt mit der Bezeichnung „Bürgerkunde für Wehrpflichtige“, und dieses Projekt findet wohlgemerkt in der Türkei statt, nicht auf Zypern. Das Ziel dieses Projekts besteht darin, Wehrpflichtige, die gerade ihren Wehrdienst absolvieren, zu Themen wie Menschenrechte, Gleichberechtigung, Rechte der Frauen, Rechte der Kinder, Umweltschutz, allgemeine Gesundheitsversorgung und Bekämpfung der Drogensucht durch die türkischen Streitkräfte schulen zu lassen. Meiner Meinung nach sind diese Bemühungen in jeder Hinsicht sinnvoll. Das ist es, was dieses Programm mit dem Namen „Bürgerkunde für Wehrpflichtige“ bezweckt.
Philip Claeys (NI). – (NL) Ich möchte dem Herrn Kommissar meinen Dank für seine Antwort aussprechen, aber ich habe diesbezüglich zwei kurze Fragen. Wie erklärt der Herr Kommissar erstens, dass solche Angelegenheiten über die Presse verbreitet werden? Die betreffende Information stammte aus einem Pressespiegel, der meines Wissens in einer türkisch-zypriotischen Publikation veröffentlicht wurde.
Wie kann die Kommission zweitens sicherstellen, dass ein Teil der Mittel nicht doch in der einen oder anderen Weise den türkischen Besatzungstruppen in Zypern zufließt und diese folglich nicht für ihren Bestimmungszweck eingesetzt werden?
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Es ist schon wichtig, dass wir Mythen mit Hilfe von Fakten aufklären und Missverständnisse aus der Welt schaffen, indem wir konkrete und objektive, fachliche Informationen liefern. Daher bin ich dem verehrten Abgeordneten sehr dankbar für seine Frage.
Im Übrigen bin ich sicher, dass wir durch die Antwort auf Ihre Frage, die ich Ihnen gerade gegeben habe, nun den Sachverhalt aufklären und so dieses Missverständnis in den Medien ausräumen können, auf die sich Herr Claeys bezog.
Wie ich sagte, handelt es sich um ein Projekt, das in der Türkei von den türkischen Streitkräften durchgeführt wird. Die Frage des verehrten Abgeordneten dürfte somit im Hinblick darauf, wo dieses Projekt bzw. dieses Programm durchgeführt wird, eindeutig beantwortet sein.
Die Präsidentin. − Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).
Die Fragestunde ist geschlossen.
(Die Sitzung wird um 19.55 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
16. Mitteilung des Präsidenten: siehe Protokoll
17. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll
18. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
19. Auswahl und Genehmigung von Systemen, die Satellitenmobilfunkdienste (MSS) erbringen (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Fiona Hall im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie über den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Auswahl und Genehmigung von Systemen, die Satellitenmobilfunkdienste (Satellitenmobilfunkdienste) erbringen (KOM(2007)0480 – C6-0257/2007 – 2007/0174(COD)) (A6-0077/2008).
Viviane Reding, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Parlament dafür danken, dass es den Vorschlag der Kommission als dringende Angelegenheit behandelt hat, und ich weiß, dass das nicht einfach ist. Das Parlament hat mehr als das Unmögliche geleistet, um dies zu erreichen, und das ist ihm gut gelungen.
Systeme, die Satellitenmobilfunkdienste erbringen, stellen für Europa einen Sektor mit hohem Potenzial dar, denn die Anwendungen reichen vom schnellen Internetzugang über mobilen Rundfunk bis hin zu Notfalldiensten.
Die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Binnenmarkts für Systeme, die Satellitenmobilfunkdienste erbringen, wird erhebliche Skaleneffekte sowie eine effizientere Nutzung des Spektrums bewirken, und all dies zum Vorteil von Unternehmen und Verbrauchern in ganz Europa. Wir müssen aber rasch handeln, wenn wir diese günstige Konstellation für Systeme, die Satellitenmobilfunkdienste erbringen, nicht verpassen wollen.
Diese Initiative setzt ein europaweites, verbindliches Auswahlverfahren für bestimmte Satellitenbetreiber in Gang und ist wirklich in vielerlei Hinsicht überaus innovativ. Daher bin ich sehr dankbar für die Bemühungen der Berichterstatterin, Frau Hall, und auch für die Bemühungen aller anderen Kollegen im Europäischen Parlament, sich für einen Konsens im Plenum und im Rat innerhalb eines sehr engen zeitlichen Rahmens einzusetzen.
Zu dem Bericht liegen viele Änderungen vor, die darauf abzielen, in die legislative Entscheidung Einzelheiten aufzunehmen, die ursprünglich während der Umsetzung des Auswahlverfahrens behandelt werden sollten. Dazu gehört eine ausführliche Beschreibung der Auswahlkriterien, die jeweilige Gewichtung dieser Kriterien, die Dauer der von den zuständigen Behörden auszustellenden Genehmigungen usw.
Für gewöhnlich sind solche Einzelheiten nicht Gegenstand von Rechtstexten. Die Kommission ist jedoch bereit, die durch das Parlament angenommenen Änderungen zu akzeptieren. Natürlich werden diese Änderungen zu einem Maß an Transparenz beitragen, das das im Vorschlag vorgesehene Maß sogar noch übertrifft. Darüber hinaus sind die wesentlichen Elemente des Vorschlags, insbesondere die wettbewerbsbezogene Natur des Auswahlmechanismus, die grundlegende Struktur des Auswahlverfahrens und die maßgeblichen Meilensteine und Auswahlkriterien, größtenteils unverändert geblieben.
Trotz dieser zusätzlichen Einzelheiten haben Parlament und Rat um konkrete Ausschussverfahren für mehrere Durchführungsschritte des Auswahlprogramms gebeten.
Diese Verfahren, die entweder regulär oder unter genauer Prüfung durchgeführt werden können, sind, das muss ich leider sagen, weniger flexibel und zudem zeitaufwändiger als im Vorschlag der Kommission vorgesehen. Wenngleich die Kommission bereit ist, sich hier flexibel zu zeigen und diese Änderungen anzunehmen, sei deutlich darauf hingewiesen, dass sich dies auf den zeitlichen Ablauf des Auswahlverfahrens auswirken könnte. Der zeitliche Rahmen spielt jedoch eine wichtige Rolle, daher möchte ich alle an der Durchführung beteiligten Parteien dringend auffordern, sich im Hinblick auf die praktischen Regelungen flexibel zu erweisen, die wir benötigen, um die Auswahl der Satellitenbetreiber schnellstmöglich zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
In diesem Sinne möchte ich auch den Rat aufrufen, alles Notwendige zu unternehmen, um das Abkommen vor der Sitzung „Telekommunikation“ des Rates im Juni fertigzustellen, damit ein Beschluss gefasst werden kann. Ich weiß, dass nun auf unsere Rechtsexperten in der Kommission, im Parlament und vor allem im Rat viel Arbeit zukommt.
Abschließend möchte ich festhalten, dass die Kommission die von Frau Hall eingebrachten Änderungen unterstützen kann. Sie entsprechen dem Kompromisstext des slowenischen Ratsvorsitzes und ebnen den Weg für eine Einigung in erster Lesung.
Ich bin äußerst zuversichtlich, dass dieser solide Kompromiss im Parlament breite Unterstützung finden wird.
Fiona Hall, Berichterstatterin. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich all jenen Dank sagen, die an dem Beschluss hinsichtlich der Systeme, die Satellitenmobilfunkdienste (MSS) erbringen, mitgewirkt haben. Das sage ich nicht nur aus Gründen der üblichen Höflichkeit, sondern deshalb, weil der Beschluss dank der großen Unterstützung meiner Kollegen im Parlament und der Hilfe der Kommission, die den Text ergänzt hat, in dieser Woche im Plenum in erster Lesung angenommen wurde. Ich möchte zudem dem slowenischen Ratsvorsitz herzlich danken, der die Entschlossenheit des Parlaments geteilt hat, im Interesse der europäischen Wettbewerbsfähigkeit eine rasche Einigung zu erzielen.
Im Februar 2007 verständigten sich die Mitgliedstaaten darauf, Signalfrequenzbänder im Bereich von zwei GHz für einen harmonisierten Ansatz hinsichtlich der Systeme, die Satellitenmobilfunkdienste erbringen, verfügbar zu machen, um so eine Störung und Zersplitterung des Binnenmarktes zu verhindern und der europäischen MSS-Technologie die Möglichkeit zu eröffnen, im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Der Zweck des heutigen Beschlusses zur MSS ist es, die Betreiber dieser europaweiten mobilen Satellitenfunkdienste auszuwählen und ihnen Genehmigungen zu erteilen.
In der Aussprache und Verhandlung zu diesem Beschluss waren die zu überwindenden Meinungsverschiedenheiten institutioneller und geografischer, weniger parteipolitischer Natur. Erstens äußerten die MdEP Bedenken darüber, dass der Entwurf eines Vorschlags, den die Kommission erarbeitet hatte, Elemente des Auswahl- und Genehmigungsverfahrens enthielt, die eher politischer als rein technischer Natur waren, und dass es daher unangemessen sei, mit Hilfe des Ausschussverfahrens über die Einzelheiten zu entscheiden. Insbesondere MdEP und Minister aus den Grenzgebieten der EU waren äußerst besorgt, die Auswahlkriterien könnten Betreiber begünstigen, deren Dienst nur im Zentrum Europas verfügbar sein würde.
Die MdEP befürchteten zudem, die Auswahlkriterien könnten die vom Parlament häufig zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung zu gemeinwirtschaftlichen Leistungen und der Einbeziehung ländlicher und weniger entwickelter Gebiete nicht widerspiegeln. Diese Schwierigkeiten wurden behoben, indem der Text im Hinblick auf die Wichtigkeit der Abdeckung, der öffentlichen Sicherheits- und Schutzdienste und der Palette der für Einwohner ländlicher und abgelegener Gebiete verfügbaren Dienste ausführlich und transparent formuliert wurde.
Von besonderer Bedeutung war der Kompromiss, der vor der Abstimmung im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie erzielt wurde, dem zufolge alle Antragsteller sich verpflichten müssen, dass ihre Dienste mindestens 50 % der Bevölkerung und mindestens 60 % der Gesamtfläche eines jeden Mitgliedstaates abdecken. Wenngleich dieser Kompromiss der 100%igen Abdeckung nicht gerecht wird, die einige Kollegen, wie ich weiß, bevorzugt hätten, scheint er mir angesichts des technischen und wirtschaftlichen Drucks, unter dem die Branche leidet, doch realistisch. Darüber hinaus behalten die Mitgliedstaaten das Recht, die Frequenzen für andere Zwecke zu gebrauchen, wenn diese außerhalb des Gebiets des mobilen Satellitenfunkdienstes liegen, und die Mitgliedstaaten dürfen den mobilen Satellitenfunkdienst im Falle schwerwiegender Katastrophen für Notfalldienste verwenden.
Im Endergebnis, meine ich, haben wir also eine sehr gute und rasche Vereinbarung erzielt, die sowohl den Bürgern als auch der Industrie nutzen wird. Ich bin zuversichtlich, dass im Juni die letzten Unterschriften unter den Vertrag gesetzt werden und die ersten Aufrufe zur Antragstellung noch vor dem Sommer erfolgen können, und ich hoffe, dass den Mitgliedstaaten und der Kommission beim nächsten Mal, wenn sie beschließen, einen EU-weiten Dienst in einem bestimmten Frequenzband zu benötigen, der MSS-Beschluss als Vorbild dafür dienen wird, dass sich eine rasche Einigung erzielen lässt, indem man das Parlament in die Einzelheiten des Textes einbindet.
Ruth Hieronymi, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur und Bildung. − Herr Präsident! Auch ich möchte zunächst der Kollegin Hall Dank sagen für ihre außerordentlich ehrgeizigen Bemühungen, rechtzeitig ein Ergebnis für diesen schwierigen Bericht zu erreichen. Es ist ihr gelungen!
Schwierig war der Bericht deshalb, weil vor der Novellierung des Telekom-Pakets für die Sondersituation der mobilen Satellitendienste europaweite Regelungen getroffen werden sollten. Hier ist es das Verdienst des Parlaments und vor allem seiner Berichterstatterin, dass es gelungen ist, Wege zu finden, eine solche Vorabentscheidung zu treffen, die trotzdem ein ausreichendes Maß an Transparenz ermöglicht und die die Ausnahmeentscheidung tatsächlich auch an solche Ausnahmetatbestände bindet.
Ich bin deshalb sehr froh und kann für den Ausschuss für Kultur und Bildung sagen, dass wir das erreichte Ergebnis unterstützen, denn es sieht im Wesentlichen drei für den Kulturausschuss wichtige Punkte vor. Erstens: Die Entscheidung respektiert die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, über die Zuweisung der Frequenzen zu entscheiden. Zweitens wird die Entscheidung auch an die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste gebunden, und drittens können so auch der Medienpluralismus und die kulturelle Vielfalt bei diesen Diensten gestärkt werden.
Es bleibt zu hoffen – und das ist unser Wunsch –, dass sich diese Arbeit auch lohnt und es tatsächlich paneuropäische mobile Satellitendienste geben wird, die wir uns von dieser Entscheidung erwarten.
Jean-Pierre Audy, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit meinen ersten Worten möchte ich meiner Kollegin Fiona Hall, der Berichterstatterin zu dieser schwierigen Materie, zu ihrer Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Berichterstattern der Fraktionen gratulieren. Ebenfalls einschließen möchte ich meine geschätzte Kollegin Angelika Niebler, die Vorsitzende des zuständigen Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, die eine ausgezeichnete Arbeit leistet.
Der vorgeschlagene Kompromiss ist annehmbar. Er ist das Ergebnis langer Diskussionen mit der slowenischen Präsidentschaft, die ich zu ihrer hochqualitativen Arbeit beglückwünschen möchte, und er dürfte es ermöglichen, bereits in erster Lesung eine Einigung zu erreichen, so dass die Satellitenmobilfunkdienste sehr schnell zur Verfügung gestellt werden können.
Diese Angelegenheit ist ein großer europäischer Erfolg, für den auch der Kommissarin Dank gebührt, denn künftig werden die Systeme, die Satellitenmobilfunkdienste wie Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung oder mobiles Fernsehen, erbringen, auf europäischer Ebene ausgewählt. Dies ist eine Garantie für Effizienz, Sparsamkeit und Gemeinschaftspräferenz.
Der Kompromiss ist bekannt. Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, und ich freue mich, dass die Kommission eine Erweiterung der für die Bürger erbrachten Leistungen akzeptiert hat, denn jedes System muss von Anfang an 60 % des Unionsgebiets und spätestens sieben Jahre nach Inbetriebnahme das gesamte Unionsgebiet abdecken. Ich begrüße, dass das geforderte Hauptkriterium für die Abdeckung das Unionsgebiet einschließt und nicht allein die Bevölkerung, was bedeutet, dass unsere ländlichen und abgelegenen Gebiete mit bedient werden. Dies liegt mir am Herzen, da ich aus einem ländlichen Gebiet stamme, das lange Zeit nicht und jetzt auch noch nicht voll von gleichen technischen Infrastrukturen profitiert wie die großen städtischen Ballungsräume. Dies ist eine Frage der Chancengleichheit für alle Bürger unabhängig von ihrem Wohnort im Unionsgebiet.
Ich bitte die Kommission, nach Annahme des Textes durch das Parlament und seiner Billigung durch den Rat alles zu tun, damit rasch Satellitenmobilfunkdienste zu akzeptablen Gebühren bereitgestellt werden, die überwacht werden müssen. Denn diese Dienste stellen große finanzielle und technologische Herausforderungen dar, d. h. sie bieten Europa die Möglichkeit, sich einen erstklassigen Satellitendienstsektor zu schaffen.
Des Weiteren hoffe ich, dass die Kühnheit und das große Talent unser europäischen Hersteller sie in die Lage versetzen werden, diesem politischen Kompromiss gerecht zu werden, indem sie einmal mehr ihre ungeheuren Fähigkeiten zur technischen Anpassung unter Beweis stellen.
Catherine Trautmann, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich stehen wir kurz vor der Abstimmung unseres Parlaments zum S-Frequenzband, die schon lange von den Betreibern und einer Vielzahl von Mitgliedstaaten erwartet wird. Wir stellen die Bedeutung dieser Frequenzen fest, die bisher ungenutzt waren, doch deren Fähigkeit zur Übertragung des Mobilfernsehens, von Daten oder auch Notdiensten, für die sich unser Parlament besonders eingesetzt hat, jetzt anerkannt ist.
Allerdings ist das Verfahren sicherlich nicht optimal. Dieses in gewisser Weise „impressionistische“ Vorgehen, das in der Aufstellung eines Frequenzplans durch kleine Pinselstriche bestand, ist auf gewisse Grenzen gestoßen. Wir werden versuchen, bei der Behandlung des Telekom-Pakets hier Abhilfe zu schaffen. Was die Satellitenmobilfunkdienste betrifft, so weist das Endergebnis im Grunde ein Gleichgewicht zwischen politischen Ambitionen und wirtschaftlicher Durchführbarkeit auf. Insbesondere hat sich das Parlament für einen möglichst großen geografischen Abdeckungsgrad eingesetzt, um der Gefahr des Entstehens einer digitalen Kluft zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch innerhalb dieser Staaten vorzubeugen. Des Weiteren widerspiegelt die Gewichtung der Kriterien des „Schönheitswettbewerbs“ sehr genau die Anliegen unseres Parlaments und der europäischen Bürger, insbesondere im Hinblick auf gemeinwirtschaftliche Leistungen.
Die Möglichkeit, die vergebenen Frequenzen im Katastrophenfall gewissermaßen beschlagnahmen zu können, geht in dieselbe Richtung wie die gegenwärtigen Diskussionen in der ITU, wo der Beitrag der Telekommunikation zum Schutz menschlichen Lebens auf der Weltkonferenz im letzten Jahr behandelt wurde.
Als Schattenberichterstatterin für die sozialdemokratische Fraktion möchte ich betonen, wie angenehm die Zusammenarbeit mit unserer Berichterstatterin, Frau Hall, war, deren äußerste Entschlossenheit hervorzuheben ist. Ebenfalls würdigen möchte ich den Beitrag der slowenischen Präsidentschaft, die als Feuertaufe mit einer besonders schwierigen Materie konfrontiert wurde.
Lassen Sie mich ferner die Entschlossenheit unserer Kommissarin, Frau Reding, sowie die technische Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen der Kommission, dem Sekretariat des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie und den Juristen-Übersetzern der beiden Mitgesetzgeber, die es ermöglicht haben, einen qualitätsvollen Text vorzulegen, würdigen. Ich freue mich übrigens, dass ich den Vorsitz bei den beiden Trilogen führen konnte, die dazu beitrugen, die zu beratenden und zu lösenden Punkte zu klären.
Das Parlament hat sich bei der endgültigen Gestaltung der Vereinbarung mit dem Rat angesichts des knappen Zeitrahmens für die Satellitenplanung sowie der wirtschaftlichen und industriellen Bedeutung des Projekts entgegenkommend gezeigt. Der erforderliche finanzielle Einsatz ist hoch und riskant, und wir alle wünschen, dass er von Erfolg gekrönt werde. Deshalb schließe ich meinen Redebeitrag mit einem Appell an die Präsidentschaft und die Kommission, die Verpflichtung zu übernehmen, dass die Termine für die Annahme des Textes und die Veröffentlichung des Aufrufs zur Einreichung von Angeboten noch vor dem Sommer eingehalten werden.
Jaromír Kohlíček, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist gegenwärtig einer der wichtigsten Partner in Sachen Raumforschung. Ein hinreichender Beleg dafür ist der ehrgeizige Plan zur Einführung eines Satellitensystems für das Satellitennavigationssystem Galileo. Alle satellitengestützten Systeme sollten auf derselben Funkfrequenz zwischen 1980 und 2010 MHz sowie 2170 und 2220 MHz Signale übertragen. Es ist nachvollziehbar, dass in dieser Entschließung der Versuch unternommen wurde, die zersplitterten Regelungen der einzelnen Länder zu vereinheitlichen und eine einheitliche Arbeitsmethodik für die Zuweisung einer Übertragungsfrequenz aufzustellen. Bei dem besagten Satelliten sollten in allen EU-Ländern die Frequenzen die gleichen sein, um störende Interferenzen zu vermeiden und eine gleichmäßige Entwicklung im Bereich der Satellitenübertragung zu ermöglichen. Wenn man bedenkt, dass die Europäische Union im Bereich der Satellitenkommunikation derzeit 40 % des Weltmarktes abdeckt, wird klar, dass eine gemeinsame, nichtdiskriminierende Politik die Position der Union in diesem Bereich erheblich stärken kann.
In unseren Augen könnte die vorgeschlagene Lösung zu einer deutlich besseren Entwicklung der technischen und wirtschaftlichen Komponente der Kommunikation führen. Nur eine einheitliche Lösung, die alle 27 Mitgliedstaaten einbezieht, kann bestehende verwaltungstechnische Hemmnisse auf nationaler Ebene überwinden. Der Sektor bietet qualifizierte Beschäftigungsmöglichkeiten und sollte deshalb unterstützt werden. Die gesamte GUE/NGL-Fraktion befürwortet daher diese Entschließung.
Nikolaos Vakalis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meinen Stolz über die Arbeit zum Ausdruck bringen, die wir im Europäischen Parlament im Hinblick auf den vorliegenden Bericht leisten.
Das ist nicht nur eine Frage neuer Technologien. Es geht um die enorme Rolle einer ganzen Reihe neuartiger technologischer Anwendungen sowohl für die Stärkung des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts in der EU als auch bei der Umwandlung ihrer traditionellen Wirtschaft in ein wissensbasiertes Wirtschaftssystem.
Die Botschaft, die wir den europäischen Bürgern heute übermitteln, meine Damen und Herren, ist die, dass jedem Bewohner, selbst im entlegensten Winkel der EU, innerhalb der nächsten sieben Jahre im Rahmen des Einsatzes von MSS-Systemen Satelliten- und mobile terrestrische Dienste zur Verfügung stehen werden, genauer gesagt, schnelle Internetverbindungen, Mobilfernsehen, Satellitentelefon und vor allem staatlicher Schutz und Beistand im Falle von Naturkatastrophen.
Wir haben harte Auseinandersetzungen im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie geführt, um zu gewährleisten, dass keine Region von diesen Diensten ausgeschlossen wird. Anderenfalls würde sich die digitale Kluft zwischen städtischen Ballungszentren und entlegenen Regionen in jedem Mitgliedstaat und allgemein zwischen verschiedenen Regionen in der EU vergrößern.
Abschließend gratuliere und danke ich der Berichterstatterin Fiona Hall sowie den Schattenberichterstattern für den Kampf, den sie im Parlament und mit dem Rat ausgetragen haben, um sicherzustellen, dass diese wichtigen Forderungen in den endgültigen Rechtstext eingefügt werden, über den wir morgen abstimmen.
Atanas Paparizov (PSE). – (BG) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin Frau Hall für ihre Bemühungen danken, allen in den Mitgliedstaaten lebenden EU-Bürgern Zugang zu Satellitenmobilfunkdiensten zu verschaffen.
Dem Engagement dieses Hauses ist es geschuldet, dass das Kriterium einer europaweiten Versorgung den höchsten Stellenwert erhalten hat. Es wird zudem eine Rolle spielen, ob die Systembetreiber auch Dienstleistungen in äußerst entfernten und dünn besiedelten Regionen anbieten bzw. gemeinnützige Dienste für die Bereiche Katastrophenschutz und Bergungshilfe zur Verfügung stellen können.
Die Entschließung soll Privatpersonen und Firmen in Ländern wie z. B. meinem eigenen Land, der Republik Bulgarien, die nicht inmitten des EU-Territoriums gelegen sind, reale Möglichkeiten eröffnen, Zugang zu europaweiten Satellitenmobilfunkdiensten zu erhalten, wozu ein Breitband-Internetanschluss und multimediale Dienste ebenso gehören wie Notrufsysteme bei Naturkatastrophen oder Havarien. Natürlich trägt dies zu mehr Wettbewerbsfähigkeit in den Ländern bei, die am äußeren Rand der Europäischen Union gelegen sind.
Anni Podimata (PSE). – (EL) Herr Präsident! Frau Kommissarin! Da das Funkfrequenzspektrum ein öffentliches Gut ist, können die Kräfte des Marktes allein nicht sichern, dass die Welt der Kommunikation für jedermann zugänglich ist. Dazu bedarf es eines zweigleisigen Ansatzes der Politik und der Konsumwirtschaft. Bei der Zuteilung von Frequenzen muss der Schwerpunkt auf ihrem sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Wert liegen, statt nur die Erhöhung der Einnahmen der MSS-Provider oder der Staatseinnahmen im Auge zu haben.
Frau Kommissarin! Ich gebe zu, dass ich zunächst von den Kriterien für die Auswahl von MSS-Diensteanbietern enttäuscht war, insbesondere wegen der läppischen 60 % geografischer Deckung in der EU, wenn man einmal von einer gesamteuropäischen geografischen Deckung und der europaweiten Bereitstellung mobiler Satellitendienste ausgeht. In gebirgigen und inselreichen Ländern wie Griechenland ist es schwierig, in flächendeckende Faseroptiknetze zu investieren, weshalb den MSS-Diensten überragende Bedeutung zukommt. Durch Satellitenmobilfunkdienste können die Mitgliedstaaten flächendeckend versorgt werden, wodurch wirtschaftliches Wachstum in Übereinstimmung mit den Zielen der reformierten Lissabon-Strategie ermöglicht wird.
Ich möchte der Berichterstatterin Frau Hall sowie der Schattenberichterstatterin meiner Fraktion, Frau Trautmann, danken. Durch ihren Beitrag und die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Rat liegt uns nun ein deutlich verbesserter Entschließungsantrag vor.
Zdzisław Kazimierz Chmielewski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Entscheidung der Europäischen Kommission, die dem Parlament zur Beurteilung vorliegt, zielt darauf ab, harmonisierte Grundsätze für den Zugang zu mobilen Satellitendiensten in allen Mitgliedstaaten vorzulegen. EU-weite Lösungen sind durch den grenzüberschreitenden Charakter der Satellitenkommunikation wohl ganz klar gerechtfertigt. Wir dürfen dabei jedoch die besondere Bedeutung dieser Lösung nicht außer Acht lassen, die uns angemessene Sorgfalt während des Folgeverfahrens abverlangt. Insbesondere ist darauf zu achten, dass die vorgesehenen Frequenzbänder eine spürbare Ergänzung zu landgestützten mobilen Kommunikationsnetzen bilden, besonders in Gebieten, die durch das Phänomen der so genannten digitalen Kluft bedroht sind. Es darf einfach keine übermäßige Fragmentierung der Nutzung dieses Bereichs des Frequenzspektrums zugelassen werden. Noch schlimmer wäre es, die erwarteten ökonomischen Effekte leichtfertig zu vergeben.
Viviane Reding, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Ganz einfach Dankeschön, Dankeschön an das Parlament, an seine Berichterstatterin Frau Hall. Meiner Meinung nach haben sie sich sehr verdient gemacht um den Satellitenfunksektor, einen Wirtschaftssektor, aber vor allem um die europäischen Bürger, die in den Genuss des Zugangs zu mobilen Satellitenfunkdiensten kommen wie Telefon, Internet, Fernsehen sowie auch Sicherheitsdiensten insbesondere im Katastrophenfall. Wir haben es hier mit Diensten zu tun, die von höchster Bedeutung für unser großes Europa sein werden.
Die Kommission wird ihrerseits ihr Bestes tun, um einen Aufruf zur Einreichung von Anträgen so bald als möglich zu veröffentlichen, wobei so bald als möglich heißt, noch vor Ende des Sommers.
Ich appelliere daher an den Rat, schnell, sehr schnell zu verfahren, damit die Minister bereits im Juni entscheiden können und damit danach alles getan werden kann, um die Beschlüsse, die das Europäische Parlament – wie ich sagen muss – mit atemberaubender Geschwindigkeit morgen treffen wird, im Interesse unserer Industrie und unserer Bürger in die Praxis umzusetzen.
Vielen Dank für diese beispielhafte Arbeit!
Fiona Hall, Berichterstatterin. − (EN) Herr Präsident! Es war in der Tat sehr erfreulich, die Kommissarin sagen zu hören, dass die Kommission die unbedingte Absicht hat, in dieser Angelegenheit bis zum Sommer weiterzukommen. Das wären erfreuliche Nachrichten, sowohl für die Bürger, als auch für die Branche selbst.
Ansonsten möchte ich mich einfach bei allen für ihre Beiträge zu dieser Aussprache bedanken und nochmals betonen, dass dies nicht möglich gewesen wäre ohne die äußerst gute Zusammenarbeit zwischen allen, die an der Verhandlung dieses Beschlusses beteiligt waren.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
20. Frauen und Wissenschaft (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Britta Thomsen im Namen des Ausschusses für Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über das Thema „Frauen und Wissenschaft“ (2007/2206(INI)) (A6-0165/2008).
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Europäischen Parlament und insbesondere der Berichterstatterin, Frau Thomsen, für ihre Unterstützung der Politik der Kommission im Bereich Frauen und Wissenschaft danken. Mein Dank gilt auch dem Berichterstatter des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, Herrn Dover, für seine konstruktive Herangehensweise.
Wir teilen Frau Thomsens Erklärung, dass die Beseitigung der geschlechtsbedingten Diskriminierung in der Wissenschaft eine neue Ära der Spitzenleistungen in der europäischen Forschung und des akademischen Wachstums einläutet und der Innovationstätigkeit einen neuen Schub verleiht. Die Kommission ist sich der Tatsache bewusst, dass zahlenmäßig ein deutliches Ungleichgewicht zwischen weiblichen und männlichen Forschern besteht. Aus den neusten verfügbaren Statistiken geht hervor, dass Frauen über die Hälfte der Absolventen aller universitären Fachbereiche stellen, aber nur 15 % der Professuren von Frauen besetzt werden. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften und in der Technik sind es 34 % weibliche Absolventen und 9 % weibliche Professoren. Die Kommission teilt die Ansicht, dass dies eine enorme Verschwendung von Talenten und Ressourcen darstellt, die dem Prinzip der Gleichheit entgegensteht.
Seit 1999 beschäftigt sich die Europäische Kommission mit der Frage des Frauenmangels in der Forschung. Im Fünften Rahmenprogramm gewährte die Kommission finanzielle Unterstützung für Studien und Projekte im Bereich Frauen und Wissenschaft. Seit 2003 veröffentlicht die Kommission zudem die Statistik „She Figures“, die den Anteil von Frauen in der europäischen Forschung ausweist. Die nächste Ausgabe erscheint 2009.
Wichtiger noch, in ihrem Bericht unterstützt Frau Thomsen das Ziel einer Quote von mindestens 40 % Frauen und 40 % Männer bei der Besetzung verschiedenster Ausschüsse auf der Grundlage des Rahmenprogramms. Dieses unverbindliche Ziel gilt seit 2000 und hat zu ausgezeichneten Ergebnissen geführt. So ist beispielsweise der Anteil von Frauen in Gremien, die Forschungsarbeit auswerten, von 10 % im Vierten Rahmenprogramm auf 34 % im Sechsten Rahmenprogramm angestiegen. Damit wird verdeutlicht, dass bei entsprechender Schwerpunktsetzung selbst dann Fortschritte erzielt werden können, wenn keine verbindlichen Ziele existieren. In der Tat könnten sich verbindliche Ziele langfristig als kontraproduktiv erweisen, da sie ein Zeichen der Diskriminierung von Männern sind und die meisten Männer und Frauen solche Ziele ablehnen.
Der Bericht unterstreicht die negativen Auswirkungen von Unterbrechungszeiten in den wissenschaftlichen Laufbahnen von Frauen. Im Kontext des Europäischen Forschungsraumes teilt die EU-Kommission diesbezügliche Bedenken und unterstützt die Annahme von politischen Maßnahmen, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Die Vernetzung von Wissenschaftlerinnen kann ebenfalls erheblich dazu beitragen, die Attraktivität wissenschaftlicher und anderer Schlüsselberufe für Frauen zu steigern. Darum haben wir die Europäische Plattform für Wissenschaftlerinnen geschaffen, die als Katalysator dient und Rollenmodelle in der wissenschaftlichen Forschung entwickelt.
Eines unserer vorrangigen Ziele besteht in der Erhöhung der Zahl von Frauen in Schlüsselpositionen der Forschung. Dieses Anliegen ist direkt mit der von den Mitgliedstaaten 2005 vereinbarten Zielstellung verknüpft, wonach 25 % der Leitungspositionen in öffentlichen Forschungsorganisationen von Frauen besetzt sein sollten. Ein diesbezüglicher Bericht wurde kürzlich unter dem Titel „Mapping the maze: getting more women to the top in research“ veröffentlicht. Darin wurde geschlussfolgert, dass eine transparente und faire Bewertung an sich nicht ausreicht, um den Anteil von Frauen in Entscheidungsprozessen zu erhöhen. Die vorherrschenden Ansichten müssen sich ändern. Fachleute unterbreiten zwar Vorschläge, wie die bestehende Wissenschaftsmentalität und -kultur erweitert und geöffnet werden kann, aber die eigentliche Herausforderung besteht in der Umsetzung. Entsprechende Projekte finden im Siebten Rahmenprogramm ihre Fortsetzung und sind jetzt mit der Umsetzung des Europäischen Forschungsraums verbunden. Die Konferenz, die im Mai 2009 unter der Schirmherrschaft des tschechischen Vorsitzes stattfinden soll, wird eine Bestandsaufnahme der Erfolge der vergangenen 10 Jahre vornehmen und außerdem die Bereiche ermitteln, in denen es weiterer Anstrengungen bedarf. Das Europäische Parlament kann hierzu einen unschätzbaren Beitrag leisten.
Im März 2006 verabschiedete die Kommission den Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010. Er bildet den Handlungsrahmen der Kommission und ist gleichzeitig Ausdruck unserer Verpflichtung, die Gleichstellung der Geschlechter in all unseren Politiken, sowohl intern als auch extern, voranzutreiben. Unsere Prioritäten beinhalten: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsgremien sowie in der Wissenschaft und Technik und die Beseitigung von geschlechterspezifischen Stereotypen in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Kultur sowie auf dem Arbeitsmarkt.
Britta Thomsen, Berichterstatterin. − (DA) Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Ich bin froh darüber, dass heute das Thema Frauen und Forschung ganz weit oben auf der Tagesordnung steht, denn in meinen Augen ist dies mit Blick auf die Lissabon-Strategie ein zentrales Thema für Europa. In Europa müssen mehr Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden, es müssen bessere Arbeitsplätze entstehen, und wir müssen auf dem Gebiet der Forschung und Innovation mehr leisten. Bei jeder dieser drei Aufgaben spielen Frauen eine maßgebliche Rolle. Es sollten mehr Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, aber auch häufiger Führungspositionen einnehmen und in Entscheidungsgremien vertreten sein. Wenn wir in den nächsten Jahren in Europa bis zu 700 000 Stellen im Forschungsbereich schaffen wollen, müssen wir auch das Reservoir an weiblichen Talenten besser ausschöpfen.
Für die Erstellung dieses Berichts hatte ich mir zwei allgemeine Ziele gesetzt. Zunächst wollte ich eine Bestandsaufnahme vornehmen. Wie hoch ist der Frauenanteil in der Forschung, und warum stehen die Dinge so schlecht? Als zweites wollte ich den Blick in die Zukunft richten und Lösungen für Verbesserungsvorschläge anbieten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Situation nicht zufriedenstellend. Im öffentlichen Dienst sind durchschnittlich 35 % der Frauen mit Forschungstätigkeiten betraut, während in der Privatwirtschaft nur 18 % in diesem Bereich arbeiten. Darüber hinaus sind lediglich 15 % der Frauen in einer leitenden wissenschaftlichen Stellung tätig, obwohl mehr als 50 % der Studenten in der EU und 43 % der Doktoranden Frauen sind. Bei den Führungs- und Entscheidungspositionen besteht also ein deutliches Missverhältnis.
Selbst in unseren eigenen Institutionen neueren Datums, wie z. B. dem Europäischen Forschungsrat, hapert es mit der Einhaltung der Gleichstellungskriterien. Nur fünf von insgesamt 22 Mitarbeitern des Forschungsrats sind Frauen. Ich habe zudem die Tatsache herausgestellt, dass in den meisten europäischen Ländern Frauen in Wissenschaftsgremien immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Dies ist ein weiteres Beispiel für die mangelnde Mitwirkung von Frauen an Entscheidungsprozessen.
Ich würde gern noch einige Ausführungen zu meinem zweiten, vielleicht sogar interessanteren Teil des Berichts machen, nämlich zu den zukunftsgerichteten Lösungen und Vorschlägen. Ich habe aufmerksam die Beiträge im Rahmen des Konsultationsprozesses des Ausschusses für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung verfolgt. Klarheit bestand darüber, dass es bei diesem Thema vor allem um die Ausarbeitung entsprechender Konzepte geht. Wenn das Problem auf nationaler wie institutioneller Ebene ignoriert wird, kann sich an diesem Zustand nichts ändern. Deshalb heißt es in meinem Bericht, dass sämtliche Mitgliedstaaten und die Kommission für alle Einstellungs- und Beurteilungsgremien einen Frauenanteil von mindestens 40 % vorgeben sollten. Ich halte dies für äußerst wichtig, denn wenn wir etwas an der Situation verbessern wollen, müssen wir alles daran setzen, mehr Frauen in Entscheidungsorgane zu bringen, damit über einen „Top-down“-Ansatz ein Umdenken herbeigeführt werden kann. Ich plädiere auch für transparentere Stellenbesetzungsverfahren. Die Erfahrung lehrt, dass bei nichtöffentlichen Verfahren Frauen im Nachteil sind, da Männer in der Regel andere Männer für am besten geeignet halten.
Des Weiteren habe ich in meinem Bericht herausgestellt, dass wir uns nicht gegen konkrete Fördermaßnahmen sträuben dürfen, wenn wir die Hoffnung haben, dass sich die Dinge relativ schnell ändern. Alle verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass Verbesserungen nicht von selbst eintreten. Ich habe deshalb die Empfehlung abgegeben, ein spezielles Förderprogramm für Forscherinnen ins Leben zu rufen, Netzwerke zu bilden und Vorbilder zu schaffen. Diese einfachen Initiativen sind in den Mitgliedsstaaten bereits auf fruchtbaren Boden gefallen. Auch ganz simple Maßnahmen wie der Einleitungssatz einer Ausschreibung, in dem zum Ausdruck gebracht wird, dass sich insbesondere Frauen bewerben sollten, haben bereits positive Resultate hervorgebracht.
Meine Arbeit an diesem Bericht hat auch deutlich gemacht, dass noch viele Hindernisse bestehen. Besonders wichtig sind die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienleben sowie die Möglichkeit, Erziehungsurlaub nehmen zu können – trotz Doktorstudium. Aber dies ist auch eine Frage der Mentalität. Kulturelle Schranken lassen sich nur schwer auf einen kurzen Nenner bringen, aber im Grunde geht es darum, wie bei den konkreten Hindernissen, einige Ungleichgewichte ins Visier zu nehmen. An dieser Stelle möchte ich dazu keine weiteren Ausführungen machen, denn ich sehe voller Erwartung Ihren Stellungnahmen zum Bericht entgegen.
Den Dover, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – (EN) Herr Präsident! Es ist mir eine überaus große Freude, jedes Wort gutheißen zu können, dass der Kommissar am heutigen Abend gesprochen hat, und auch Frau Thomsen beglückwünschen zu können, die als Berichterstatterin zu diesem überaus wichtigen Thema eine wunderbare Arbeit geleistet hat. Als Angehöriger des Mitte-Rechts-Lagers dieses Plenums ist es mir eine Freude, einer Sozialistin der anderen Seite und aus einem anderen Land als meinem Heimatland Beifall zu spenden und ihr Anerkennung zu zollen, denn es ist ihr gelungen, den gesamten Ansatz im Gleichgewicht zu halten: Sie hat die wichtigsten Faktoren im Hinblick auf die Tatsache hervorgehoben, dass Frauen das Teenageralter früher erreichen als Männer.
Sie sind intelligenter, sie sind fleißiger, sie können sich selbst gut verkaufen, und dennoch bleiben sie, selbst wenn sie eine Hochschulbildung genossen haben und eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen, manchmal auf der Strecke. Das ist häufig auf den Druck zurückzuführen, den sie zu Hause, in ihrem persönlichen Umfeld, erfahren. Frau Thomsen hat Recht, sich in ihrem Bericht und am heutigen Abend auf diese Probleme zu konzentrieren.
Der Bericht enthält konstruktive Ideen. Die einzige Sache, die ich ablehne, ist die Festlegung konkreter Ziele für den Anteil der Frauen, die diesen oder jenen Abschluss oder diese oder jene Position erreichen sollten. Das klingt zu sehr nach Vorschrift. Andererseits hat dieser Bericht jedoch meine volle Unterstützung. Es war mir eine Ehre, die Stellungnahme für den mitberatenden Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie zu verfassen. Ich danke den Schattenberichterstattern des Berichtes selber und meiner Stellungnahme für ihre volle Unterstützung. Dies ist ein Beispiel für ein Gesetz und einen Bericht hier im Europäischen Parlament, die sicherstellen, dass wir uns von unserer besten Seite zeigen, indem wir unseren Zusammenhalt beweisen und demonstrieren, dass wir uns auf die Bedürfnisse des Forschungssektors konzentrieren.
Ich möchte abschließen, indem ich erwähne, dass ich vergangenen Donnerstagabend mit einem meiner Kollegen, Lambert van Nistelrooij aus den Niederlanden, die Universität in Oxford besuchte. Alle dortigen Wissenschaftler und Forscher waren Frauen. Das begrüße ich sehr.
Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Dover. Ich danke Ihnen besonders, weil Sie, abgesehen von Kommissar Dimas, der einzige Mann auf der Rednerliste von heute Abend sind. Ansonsten gibt es nur Rednerinnen.
Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SK) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Herzlichen Dank! Gestatten Sie mir, Frau Thomsen im Namen der Schattenberichterstatterin für die PPE-DE-Fraktion, Frau Sartori, sowie in meinem eigenen Namen zu gratulieren. Ich sehe Parallelen zwischen der Stellung von Frauen in der Wissenschaft und Frauen in der Politik, obwohl Frauen in wissenschaftlichen Einrichtungen etwas stärker vertreten sind. Dabei stellen Frauen etwa 60 % aller Hochschulabsolventen. Eine wissenschaftliche Tätigkeit ist mehr als ein geregelter Acht-Stunden-Job, sie ist auch vom Konkurrenzdenken geprägt. Um erfolgreich zu sein, müssen Frauen oft bessere Leistungen erbringen als ihre männlichen Kollegen. Schon vor vielen Jahren, als ich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug, wies mich eine ältere Kollegin darauf hin.
Ist es angebracht zu fragen, warum Frauen in der Wissenschaft so unterrepräsentiert sind, warum es nach geraumer Zeit wieder weniger junge Frauen in diesem Bereich gibt und wir somit talentierte Wissenschaftlerinnen verlieren? Die Schaffung der notwendigen Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Frauen in der Wissenschaft von zentraler Bedeutung. In diesem Kontext ist es besonders wichtig, dass die Barcelona-Ziele erreicht werden. Wenn Frauen in der Wissenschaft erfolgreich sein sollen, müssen die für sie verfügbaren Einrichtungen gut zugänglich, hochwertig und zuverlässig sein, dem Charakter und den Erfordernissen wissenschaftlicher Arbeit entsprechen und hinreichend flexibel sein.
Außerdem müssen wir die Frage der generellen Förderung von Wissenschaft und Entwicklung berücksichtigen. Bei niedrigen bis sehr niedrigen Gehältern kann niemand erwarten, dass derartige Berufe jungen Frauen oder auch Männern, die gerade eine Familie gründen, noch attraktiv erscheinen. Besonders in den neuen Mitgliedstaaten, wo nicht einmal 1 % des Bruttoinlandsprodukts für die Förderung von Wissenschaft und Forschung aufgewandt wird, stellt dies ein echtes Problem dar. Lassen sie mich zum Abschluss festhalten, dass sich die Situation nicht durch Quotenregelungen, sondern nur durch Änderung der Bedingungen zum Besseren wenden lässt.
Zita Gurmai, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Frauen an den Hochschulen dramatisch erhöht. Dies hat allerdings nicht dazu geführt, dass sich in den Naturwissenschaften das Verhältnis der Anzahl von Frauen und Männern verbessert. Auch die Zahl der Frauen in den technischen Fächern ist in den letzten zwanzig Jahren gestiegen, doch nicht so sehr wie in anderen Berufen und wissenschaftlichen Fachgebieten.
Aufgrund dieser Schwierigkeiten gibt ein hoher Prozentsatz von Frauen im Laufe der Jahre die wissenschaftliche Tätigkeit auf, was nicht hinnehmbar und unvernünftig ist. Für Frauen ist ein berufliches Fortkommen schwieriger als für Männer. Dies wird besonders anhand der Löhne deutlich. Frauen sind in wissenschaftlichen Institutionen weniger gut vertreten. Forscherinnen werden gezwungen, sich zwischen Karriere und Familie zu entscheiden. Die vorübergehenden Unterbrechungen der wissenschaftlichen Karriere von Frauen aus familiären Gründen erschwert es ihnen, befördert zu werden. Wir müssen uns mit Methoden befassen, mit denen Ausgewogenheit zwischen Berufs- und Privatleben geschaffen werden kann, und bewährte Verfahren anwenden.
Die Lissabon-Strategie verlangt von uns darüber hinaus die Anwendung der Grundsätze der Gleichstellung im Bereich Forschung und Entwicklung. Wir müssen in allen Bereichen der Wissenschaft effektiver handeln und Einstellungsverfahren bzw. Beförderungsbedingungen transparenter gestalten. Wir müssen darauf hinarbeiten, in der universitären und nicht-universitären Forschung und in den Leitungsgremien dieser Institutionen eine Gleichstellung der Geschlechter zu erzielen.
Der Bericht ist hervorragend und ich empfehle, ihn anzunehmen. Darüber hinaus gratuliere ich meiner Kollegin Britta Thomsen, die sich als Forscherin äußerst eingehend mit diesem Thema beschäftigt hat. Vielen Dank dafür!
Siiri Oviir, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ET) Herr Kommissar, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch neue und verbesserte Produkte und Dienstleistungen sowie durch die gesamte technische Entwicklung ist unser Leben immer enger mit Wissenschaft und Technologie verknüpft. Europas Wissenschaftlerinnen tragen zweifellos zu dieser Entwicklung bei.
Wie bereits erwähnt, sind Studentinnen an den Universitäten in der Überzahl, sowohl beim Erststudium als auch bei weiterführenden Studiengängen und Promotionen. Trotzdem beträgt der Anteil der Frauen mit einer leitenden Funktion im Wissenschafts- und Bildungsbereich nur ein Siebtel. Warum ist das so? Die Welt der Wissenschaft ist seit Urzeiten eine Männerdomäne. Dieser Zustand wurde damit begründet, dass die Aneignung unverfälschten Wissens durch die präzise Anwendung objektiver Methoden und logischer Argumente erfolgt, die Männern leichter fällt als Frauen.
Die Tatsache, dass wissenschaftliche Institutionen auch heute noch größtenteils von Männern dominiert werden, ist weniger auf die genannte Begründung zurückzuführen als darauf, dass das Männlichkeitsbild bereits im wissenschaftlichen Denken verankert ist. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Gleichsetzung von Objektivität und Männlichkeit nichts als ein Mythos ist. Allerdings sieht die heutige Realität so aus, dass dieser Mythos zweifellos Einfluss auf die Verteilung der Aufgaben und Entscheidungsprozesse bei wissenschaftlichen Förderprogrammen ausübt.
Diese herabsetzende Betrachtungsweise wird auch durch die Medien genährt, in denen Frauen eindimensional und tendenziös dargestellt werden. Die Medien zeigen Frauen vielfach in veralteten Bildern, hauptsächlich als Angehörige von Frauengruppen und nicht als Experten in ihrem Fach. Gleichzeitig wurde wenig getan, um an der Situation etwas zu ändern bzw. wurden kaum bessere Arbeitsmöglichkeiten für Frauen geschaffen. Um die alte und weit verbreitete Sichtweise zu korrigieren, muss die Wissenschaft beiden Geschlechtern schon frühzeitig als interessantes Arbeitsfeld nähergebracht werden. Kinderbücher, die Frauen mit Schürzen und Männer in Raumschiffen zeigen, darf es nicht mehr geben.
Ich befürworte die im Bericht genannten positiven Maßnahmen zur Förderung von Wissenschaftlerinnen, sei es in Form von Berufsberatung oder Sonderprogrammen zur Förderung des beruflichen Interesses von Mädchen und jungen Frauen an der Wissenschaft. Ich kann mich jedoch nicht für mechanistische Quotenregelungen erwärmen, da diese uns zu sehr an bestimmte zeitliche Vorgaben binden und im Ergebnis mehr Quantität als Qualität produzieren würden. Ich danke der Berichterstatterin für ihre präzise Arbeit und bitte um Nachsicht.
Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Die Gleichstellung der Geschlechter ist Wert und Ziel der Europäischen Union. Doch auf dem Papier steht viel, in der Praxis ist die tagtägliche Diskriminierung hingegen Alltag.
Die gefühlte Gleichstellung gibt es leider auch im Bereich der Wissenschaft. Wir wissen, mehr Mädchen als Jungen machen Abitur, mehr Mädchen als Männer haben einen Hochschulabschluss. Das weibliche Geschlecht ist also topgebildet, stößt aber nach dem Uni-Abschluss an die gläserne Decke. Und wir haben ganz ernüchternde Zahlen: Nur 15 % aller Professorinnen sind Frauen. Lediglich 15 % der Top-Jobs werden von Frauen besetzt, obwohl die Mehrzahl der Universitätsabsolventen und fast die Hälfte der Doktoranden Frauen sind.
Lohndiskriminierung gibt es auch in der Wissenschaft: weniger als 20 % Frauen in Gremien, die über Forschungsvorhaben entscheiden. Man kann schon fast eine These aufstellen: Je mehr Geld für ein Forschungsprojekt ausgegeben wird, umso weniger Frauen sind daran beteiligt.
Was wir also brauchen, damit die Gleichstellung kein Lippenbekenntnis bleibt, sind Quoten. Doch wir brauchen ambitionierte Quoten, damit sich etwas bewegt. Die Gleichstellung der Geschlechter muss für alle Bereiche der Wissenschaft gelten, und die Gleichstellung sollte mindestens 40 % des unterrepräsentierten Geschlechts, also der Frauen, betreffen und nicht lediglich 25 %. Daher sollten wir uns genau dieses ambitionierte Ziel setzen, damit sich etwas bewegt.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Herzensanliegen erwähnen: Wir wissen, dass bis zum Jahr 2010 in der Europäischen Union 700 000 Forscherinnen und Forscher fehlen. Es bedarf also unserer ganzen Anstrengung, damit die Europäische Union nicht zur Wissenschaftswüste wird. Doch leider werden schon sehr früh hochbegabte Mädchen übersehen. Die Hochbegabung gerade auch von Mädchen zu fördern, wäre mir ein großes Herzensanliegen, und ich bitte die Berichterstatterin, das deutlicher zu berücksichtigen.
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! In Polen, dem Land, das ich vertrete, ist das durchschnittliche Bildungsniveau bei Frauen höher als bei Männern. Als Physikerin mit einer Anstellung an der Universität Warschau habe ich nie Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts erlebt. Ich hätte es als erniedrigend empfunden, wäre ich nicht aufgrund meines Wissens und meiner geistigen Leistungsfähigkeit, sondern aufgrund eines sekundären Merkmals wie des Geschlechts, in meine Stellung berufen worden.
Marie Skłodowska-Curie hat durch ihre Arbeit und ihre Leidenschaft für Entdeckungen Ergebnisse erzielt, für die sie zweimal mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Auch die Rektorin meiner Universität, die im Ranking der Universitäten in Polen an erster Stelle liegt, ist eine Frau, eine Professorin für Physik.
Die Realität, die die Situation von Frauen in der Welt der Wissenschaften bestimmt, ist jedoch nicht überall gleich. Die Probleme sind offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in der EU nur 35 % der wissenschaftlichen Mitarbeiter im staatlichen Sektor und im Hochschulbereich Frauen sind. Im privaten Sektor sind es gar nur 18 %. Manchmal ist das auf familiäre Pflichten zurückzuführen, die dem Ruf der Wissenschaften übergeordnet werden, aber das ist nicht immer der Fall.
Meines Erachtens sind die Erkenntnisse von Ziffer 2 und 3 dieses Berichts wichtig. Es ist in der Tat in der ersten Bildungsphase am einfachsten zu zeigen, dass Wissenschaft zwar schwer sein kann, aber immer auch spannend ist, und aus diesem Grunde lohnt sich die Mühe, das zu entdecken, was wir als interessant empfinden und was wir nur auf dem Wege der wissenschaftlichen Forschung erreichen können. Jeder, der eine wissenschaftliche Tätigkeit aufzunehmen beabsichtigt, sollte dazu ermutigt werden. Viele Frauen haben die Fähigkeiten dazu, und es wäre eine Schande, dieses Potenzial zu vergeuden. Die in Ziffer 3 aufgeführten Beispiele haben hier eine gewisse Bedeutung, da sie zeigen, Bemühungen dieser Art lohnen sich.
Im Rahmen der Lissabon-Strategie, aber auch unabhängig davon, ist es unermesslich wichtig, in Menschen und ihre Bildung zu investieren, denn dadurch werden ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Das trifft auch auf den ganz konkreten Arbeitsmarkt zu, den die Wissenschaft bildet. Aus diesem Grunde ist es im Hinblick auf alle Praktika, Austauschprogramme zwischen Bildungseinrichtungen und andere derartige Möglichkeiten zur Verbesserung der beruflichen Situation einer Person ganz wichtig, dass die Zugangskriterien frei von Diskriminierung sind.
Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Mein Dank gilt der Berichterstatterin, Frau Thomsen, für die Beleuchtung des Problems der mangelnden Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung. Die Ungleichbehandlung durchzieht die gesamte Gesellschaft. Engagement und Meinungsbildung, u. a. durch Frauenorganisationen, haben jedoch das Bewusstsein für eine unzureichende Gleichstellung auf vielen Gebieten geschärft, und viele erkennen die negativen Folgen für die gesamte Gesellschaft. Aber gerade im Bereich der Wissenschaft ist die Ungleichbehandlung lange Zeit totgeschwiegen worden. Darum ist dieser Bericht von besonderer Bedeutung.
Obwohl die EU die Bedeutung der Forschung für die wirtschaftliche Entwicklung betont, ist diese oftmals nur einem Geschlecht vorbehalten. Im öffentlichen Sektor sind 35 % der Forscher Frauen, im privaten Sektor nur 18 %. Von den 22 Mitgliedern des Wissenschaftlichen Rates des Europäischen Forschungsrates sind lediglich fünf Frauen.
Dieser Bericht lenkt die Aufmerksamkeit auf die Problematik, was aber meiner Ansicht nach nicht ausreichend ist. Wir müssen die Ansprüche weiter hochschrauben.
Noch ein Kommentar zur Diskussion über die Gleichstellung: Wir müssen auch weiterhin die Forderung nach Gleichstellung verteidigen, indem wir erklären, dass wir sie für Wirtschaftswachstum und Entwicklung brauchen. Wann werden wir sagen können, dass die Gleichstellung ein Ziel an sich ist, für das man nicht aus wirtschaftlicher Sicht eintreten muss? Gleichstellung ist ein Menschenrecht!
Urszula Krupa, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Rolle von Frauen in der Wissenschaft scheint in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich zu sein. Selbst in den sehr schwierigen Zeiten des Kommunismus hatten die Frauen in Polen politische Rechte und Zugang zur Wissenschaft und das bedeutend früher als in vielen Ländern der alten EU. Nicht nur früher – auch heute noch – bestand das Problem eher in der schlechten wirtschaftlichen Lage und in den undurchsichtigen Kriterien für die Vergabe von Mitteln für die wissenschaftliche Forschung, war aber in der Regel geschlechterunabhängig.
Ungeachtet dieser Hindernisse gibt es viele Frauen, die, als Ehefrauen und Mütter, wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen, die als Ministerinnen, Direktorinnen, Rektorinnen und Professorinnen an Hochschuleinrichtungen arbeiten oder als Ärztinnen tätig sind, ohne das Gefühl zu haben, von Männern diskriminiert zu werden. Anders als von lautstarken Feministinnen behauptet, werden Frauen in meinem Land generell geachtet, sie haben keine Komplexe, sondern sind sich ihres Wertes und ihrer Stärken bewusst und überzeugt, dass sie in Zusammenarbeit mit den Männern eine wichtige Rolle in allen Lebensbereichen spielen, wobei sie jedoch dem Schutz des Lebens sowie der Ehe und Familie und anderen edlen Werten den höchsten Wert beimessen.
Der Prozentsatz der weiblichen Studierenden nimmt ständig zu und lag bis zu den 1990er-Jahren schon bei 51 %. Berichten zufolge beläuft sich der Anteil von Wissenschaftlerinnen in EU-Ländern Mittel- und Osteuropas auf 38 %, wenngleich viele von ihnen in Bereichen arbeiten, in denen die Ausgaben für wissenschaftliche Forschung niedrig sind. Aus diesem Grunde scheint der Vorschlag richtig zu sein, mehr Gelder zur Verfügung zu stellen und Frauen gleichzeitig zu ermuntern, eine wissenschaftliche Arbeit aufzunehmen und die Stellung von Frauen weiter zu stärken, insbesondere durch rechtliche Regelungen, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Dazu gehört auch die finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung von Hausarbeit mit dem Ziel, Frauen wirklich die freie Wahl zu lassen, aber ohne Parität oder Änderung der Definition von Spitzenforschung.
Die prozentuale Differenzierung bei Leitungsfunktionen könnte mit den erheblichen mentalen und physischen Belastungen zusammenhängen, die oft eine zu große Bürde darstellen. Aus diesem Grunde sollte die Vertretung von Frauen durch Anerkennung und Nutzung ihrer Kenntnisse und der individuellen Neigungen sowie durch eine Verbesserung der rechtlichen und ökonomischen Bedingungen und der Infrastruktur für Hilfeleistungen in die Praxis umgesetzt werden, um dadurch die Vereinbarkeit von Familienleben und Berufstätigkeit zu erleichtern.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Um die in der Lissabon-Strategie festgelegten Ziele zu erreichen, muss die Europäische Union für einen breiten Stamm von Wissenschaftlern sorgen, der in der Lage ist, die anspruchsvollsten Forschungsarbeiten auf höchsten internationalen Niveau durchzuführen. Die Rolle der Frauen in der Wissenschaft entspricht nicht den Erfordernissen der Forschung, obwohl Frauen höhere Bildungsabschlüsse als Männer erzielen und mehr Frauen im Hochschulbereich tätig sind. Daher ist es notwendig, den Akzent stärker auf die Ausbildung und Förderung erstklassiger Wissenschaftlerinnen zu legen und talentierte Frauen für eine wissenschaftliche Karriere zu begeistern. Dies kann durch günstige Rahmenbedingungen für hochwertige Forschung, angemessene Aufstiegschancen und Gehälter erreicht werden. Jedoch gibt es noch heute eine Reihe von Hürden, die Frauen den Einstieg in die Wissenschaft erschweren. Auch psychologische Faktoren spielen hier eine Rolle, ebenso mangelnde Solidarität unter den Frauen.
Fest steht, dass es Frauen in wissenschaftlichen Berufen schwerer fällt, Arbeit und Familie miteinander zu vereinbaren, als Männern. Die Erwerbsunterbrechungen, die Frauen während ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit aus familiären Gründen einlegen, wirken sich negativ auf ihre weitere Karriere aus. Da die wissenschaftliche Arbeit nie aufhört, wäre es für die Frauen von Vorteil, wenn sie ihren Beruf von zu Hause ausüben könnten, sofern nicht ihre Anwesenheit am Arbeitsplatz unabdingbar ist. Mobilitätsprobleme betreffen zumeist Frauen, da sie diejenigen sind, die sich im Allgemeinen um die Kinder oder ältere bzw. andere hilfsbedürftige Familienangehörige kümmern. Frauen würden daher Kindertagesstätten an den wissenschaftlichen Einrichtungen begrüßen.
Ich glaube, dass Quotenregelungen den Frauenmangel in der Wissenschaft nicht beheben können, sofern die Frauen selbst nichts am Status quo ändern wollen. Ihnen muss ein entsprechendes Umfeld geboten werden, sie müssen selbstbewusster auftreten und mehr Solidarität füreinander zeigen. Ich vertraue darauf, dass das 7. Rahmenprogramm und wissenschaftliche Forschungsprogramme Projekte fördern werden, die Frauen zu einer wissenschaftlichen Laufbahn animieren. Damit die Projektauswahl transparent bleibt, sollten Frauen auch zu gleichen Anteilen in Beurteilungs- und Auswahlgremien vertreten sein.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Zwar sind mehr als 50 % der Studierenden in der EU Frauen und 43 % aller Promotionen entfallen auf Frauen, aber ihr Anteil in leitenden wissenschaftlichen Positionen liegt im Durchschnitt nur bei 15 %, und unter Mitarbeitern in der Forschung sind sie in der Minderzahl. Im staatlichen Sektor und im Hochschulbereich haben Forscherinnen im Durchschnitt einen Anteil von 35 %, im Privatsektor liegt dieser nur bei 18 %.
Analysen haben gezeigt, dass die vorhandenen Einstellungssysteme nicht geschlechterneutral sind. Das Vorhandensein einer „gläsernen Decke“, die es Frauen erschwert, in leitende Positionen aufzusteigen, ist gut belegt und betrifft alle Bereiche der Wirtschaft, vor allem die mit Wissenschaft und Technologie verbundenen Gebiete. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten so schnell als möglich transparente Einstellungsverfahren durchsetzen, um in Einstellungsgremien ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu garantieren.
Da die Forschung einen äußerst wichtigen Sektor für die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union bildet und Europa 700 000 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Forschung im Rahmen der Umsetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Entwicklung einstellen muss, kommt es in erster Linie darauf an, die Wissenschaft zu einem Bereich werden zu lassen, der beiden Geschlechtern offen steht, und dafür zu sorgen, dass Frauen einen angemessenen Anteil am Forschungspersonal ausmachen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, für Wissenschaftlerinnen geeignete Arbeitsbedingungen und eine Infrastruktur zu schaffen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen.
Zum Schluss möchte ich der Berichterstatterin, Frau Thomsen, herzlich für dieses vorzüglich ausgearbeitete Dokument danken.
VORSITZ: Edward McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Trotz aller EU-Rechtsvorschriften, aller Erklärungen und Diskussionen ist in Wissenschaft und Forschung, aber auch in anderen Bereichen in der Frage der Geschlechtergleichstellung keine zufriedenstellende Lage zu verzeichnen.
Obwohl viele Frauen an den Hochschulen der EU-Staaten studieren, üben lediglich 18 % der Frauen im privatwirtschaftlichen Bereich Forschungstätigkeiten aus. Nur 15 % der leitenden wissenschaftlichen Positionen sind mit Frauen besetzt. In staatlichen Stellen und Hochschuleinrichtungen kommen Frauen lediglich auf einen Anteil von 35 %. Darüber hinaus erhalten Wissenschaftlerinnen ein deutlich geringeres Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Außerdem konzentriert sich ihre Arbeit mehr auf die Lehrtätigkeit als auf die Forschungsarbeit, weshalb Frauen nur selten Anerkennung erfahren.
Ich ersuche die Kommission und die Mitgliedstaaten dringend, sich verstärkt dafür einzusetzen, dass Frauen eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen. Bei der Überlegung, wie die Frauen am besten unterstützt werden können, müssen auch familiäre Belange, flexible Arbeitszeitmodelle sowie verbesserte Kinderbetreuungsangebote und die Flexibilität der Familie berücksichtigt werden.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Da ich selbst aus der Wissenschaft komme, begrüße ich diese wichtige Diskussion über Frauen in Wissenschaft und Technologie. Grundsätzlich stimme ich mit Frau Thomsens Bericht überein, in dem versucht wird, die Hindernisse zu ergründen, an denen es liegt, dass Frauen in der Wissenschaft unterrepräsentiert sind, und ich teile die Auffassung, dass die meisten Bildungssysteme in Europa noch immer an geschlechtsspezifischen Klischees festhalten.
Ihr Bericht weist auf andere Faktoren hin, die dazu beitragen, dass Frauen auf diesem Gebiet und bedauerlicherweise auch in vielen anderen Berufen unterrepräsentiert sind. Zu diesen Faktoren gehören die negativen Auswirkungen einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen sowie Einschränkungen der Mobilität aufgrund familiärer Verpflichtungen. Ich begrüße den Aufruf an die Kommission und insbesondere die Mitgliedstaaten, Fördermaßnahmen an vielen Fronten einzuleiten – Bildung, Kinderbetreuung, soziale Sicherheit, Elternurlaub – sowie angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Perspektiven für Frauen zu verbessern, die ihre berufliche Entwicklung in der Wissenschaft ohne Unterbrechung oder nach dem Großziehen ihrer Kinder fortsetzen möchten.
Wir brauchen fachkundige Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft – und in der Tat brauchen wir auch in der Politik Frauen mit einem wissenschaftlichen Hintergrund –, aber ich glaube nicht, dass wir das jemals erreichen werden, indem wir Quoten für die Beteiligung von Frauen festlegen. Stattdessen sollten wir uns für mehr Transparenz bei der Einstellung, Mentoring-Programme, die Verstärkung des Netzwerks weiblicher Wissenschaftlerinnen, die Förderung weiblicher Forscher als Vorbilder sowie natürlich die angemessene Verfügbarkeit finanzieller Mittel einsetzen, um die Beschäftigung von Frauen in der Wissenschaft zu fördern und dabei gleichzeitig Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu wahren. Ich glaube, die meisten Wissenschaftlerinnen würden mir in diesem Punkt zustimmen.
2003 wurde in meinem Heimatland Irland ein Ausschuss für Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technologie eingerichtet, der Empfehlungen für Strategien erarbeiten soll, mit denen sich die Teilnahme von Frauen und Mädchen an wissenschaftlichen Fächern und höherer Mathematik in den weiterführenden Schulen, sowie die Zahl weiblicher Teilnehmer an Studiengängen für Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technologie an Hochschulen erhöhen ließe. Vorsitzende dieses Ausschusses ist Professor Jane Grimson vom Trinity College, Dublin, die selbst eine bedeutende Akademikerin ist.
Wir haben außerdem eine als WITS – „Women in Technology and Science“ (Frauen in Technologie und Wissenschaft) – bekannte Organisation, die 1999 gegründet wurde. Wir haben das „Wiser Workforce“-Projekt, eine Initiative, die weibliche Wissenschaftler bewegen möchte, in ihren Beruf zurückzukehren. Wir haben die „Science Foundation Ireland“, die vier Programme ins Leben gerufen hat, um Lösungen für das Problem zu erarbeiten, dass Frauen in Wissenschaft und Ingenieurwesen unterrepräsentiert sind.
Diese Programme – dies sei abschließend festgestellt – zielen darauf ab, die Entwicklung nachhaltiger Mechanismen und Verfahren zu fördern und zu unterstützen, die sicherstellen, dass weibliche Forscher die gleichen Chancen haben, aufgrund ihres wissenschaftlichen Fachwissens und ihres Potenzials in der Wissenschaft zu bestehen.
Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Bericht über das Thema „Frauen und Wissenschaft“ beschreibt in einem sorgfältig abgesteckten Rahmen die Tätigkeit der Frauen in einem der wichtigsten Entwicklungsprozesse, nämlich der wissenschaftlichen Forschung. Er beleuchtet die Strukturen innerhalb der wissenschaftlichen Entwicklung und hält Lösungen für die Zusammensetzung der personellen Ressourcen in der Wissenschaft bereit. Frauen spielen eine bedeutsame Rolle in Hochschulen, an Forschungsinstituten und im Privatsektor. Dass Frauen in der Wissenschaft nur unzureichend in leitenden Positionen vertreten oder in Entscheidungsprozesse einbezogen sind, dass nur eine geringe Anzahl von Frauen promoviert, eine Professur übernimmt oder einer Akademie angehört, ist auf weit verbreitete Klischeevorstellungen zurückzuführen, aber auch auf Hindernisse, die Frauen bei der Verfolgung einer wissenschaftlichen Laufbahn in den Weg gelegt werden..
Wir müssen zum einen flexible Arbeitszeiten einführen, frauengerechte Leistungsangebote und Wahlmöglichkeiten schaffen, aber auch Raum für Selbstverwirklichung bieten. Eine verstärkte Rolle der Frau in der Wissenschaft sollte nicht als weitere gleichstellungspolitische Maßnahme angesehen werden. Vielmehr ist dies eine Aufgabenstellung mit dem Ziel, das Potenzial von Frauen stärker auszuschöpfen, ohne in das entgegengesetzte Extrem zu verfallen. Frauen sollten wegen ihres Engagements für die Wissenschaft nicht darauf verzichten, ihrer natürlichen Bestimmung gemäß eine Familie zu gründen und ihre Mutterrolle wahrzunehmen. Bei jungen Wissenschaftlerinnen sollten Familie und Beruf den gleichen Stellenwert genießen.
Erna Hennicot-Schoepges (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich denke, unser Ziel ist dasselbe: Wir wollen Parität erreichen, aber wir sind uns nicht einig über den Weg dahin.
Herr Kommissar, Ihre Statistiken sind gut gemacht, sie zeigen, dass der Weg lang und schwierig ist. Es war richtig, dass Sie Quoten für die Besetzung der Ausschüsse aufgestellt haben, denn ohne eine gezielte Politik werden wir keine Frauen finden, und um welche zu finden, muss zuerst der Wille dazu da sein.
Je höher der zu besetzende Posten angesiedelt ist, je größer werden die Vorbehalte gegen die Ernennung von Frauen, und es ist völlig unangepasst und unlogisch, dass die Frauen im Schulwesen deutlich in der Mehrheit sind, während sie im Hochschulbereich fehlen.
Warum ist das so? Ich denke, es müsste eine Analyse gemacht werden. Die Mitgliedstaaten müssten aufgefordert werden – und vielleicht könnte der Kommissar etwas Druck auf sie ausüben –, ein gewisses Benchmarking durchzuführen, um Erkenntnisse über die Lage an ihren Universitäten zu gewinnen.
Oft gelten bei den Auswahlverfahren für Professoren nicht dieselben Kriterien. Den Frauen wird immer die Frage gestellt: Wo bringen Sie Ihre Kinder unter? Männern wird diese Frage nie gestellt, und auch in dieser Debatte sprechen wir immer von unserer Verantwortung für die Betreuung der Kinder. Wäre dies auch der Fall, wenn es um Männer ginge? Warum kehren wir das Problem nicht um, das im Grunde überhaupt kein Problem ist, denn eine Familie zu haben, ist eine große Freude, eine große Bereicherung, auch für Männer. Warum verändern wir also nicht unsere Ausdrucksweise?
Ich denke, die Ernennung von Professoren sollte verändert werden, insbesondere das Verfahren und die gestellten Fragen. Um im Bereich der neuen Techniken voranzukommen, sollte die Kommission gezielte Maßnahmen ergreifen. Bei den Exzellenzkriterien dürfen wir jedoch keine Abstriche machen.
Gabriela Creţu (PSE). – (RO) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auf drei Punkte eingehen. In den ehemaligen sozialistischen Ländern scheint die Lage noch dramatischer zu sein, da deren frühere Geschlechterpolitik dazu geführt hat, dass eine erhebliche Anzahl an Frauen in der Wissenschaft tätig war. Hier hat der Wandel vielmehr dazu geführt, dass die für die Forschung bereitgestellten Finanzmittel brutal gekürzt wurden und sich somit auch die Anzahl der Forscher verringert hat. Heute verkaufen die einstigen Forscherinnen Versicherungspolicen, sind Beamtinnen oder haben ihr Herkunftsland verlassen, was in mehrfacher Hinsicht negative Folgen wie Verschwendung von Humanressourcen, hohe Unzufriedenheit und Entwicklungshemmnisse nach sich zog.
Zweitens spielen heutzutage Tätigkeiten im Bereich Massenkommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung eine – auch wirtschaftlich – wichtige Rolle, was das Bruttoinlandsprodukt betrifft. In diesen Bereichen ist man auf die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften angewiesen, in denen viele Frauen tätig sind. Dennoch verschafft die traditionelle Hierarchie der Wissenschaften den Frauen nicht genügend soziale Anerkennung und führt zur mittelbaren Diskriminierung der in diesen Bereichen tätigen Forscherinnen.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Frau Kommissarin! Der Bericht von Britta Thomsen spricht einen sensiblen Aspekt meiner eigenen Erfahrungen an. Ich habe an der Sorbonne promoviert, als ich bereits Mutter von drei Kindern und mein Mann vierfacher Vater war. Einer weiteren Forschungsarbeit musste ich komplett entsagen. Das Streben nach akademischen Spitzenleistungen geht einem in Fleisch und Blut über, und wenn man zur Aufgabe gezwungen ist, fühlt man sich elend. Nun muss ich einräumen, dass ich zu einem viel späteren Zeitpunkt und nach weiteren Kindern die Chance hatte, an einer deutschen Universität, die ein besonderes Programm für Mütter anbot, meine Forschungsarbeit fortzusetzen, die ich freiwillig bis heute betreibe. Es gibt also Möglichkeiten und aus diesem Grund sollte der Aspekt der Familie in die Planung von Forschungsprogrammen und Forschungsstellen einbezogen werden, so dass Humanressourcen in Gänze genutzt werden. Meines Erachtens sind verbindliche Ziele nicht länger erforderlich. Die Wahrnehmung des Beitrags der Frauen in der Forschung wird sich verändern.
Aus diesem Grund bedarf es der Planung, damit Frauen entsprechend dem jeweiligen Abschnitt in ihrer Berufslaufbahn angenommen werden können. Wegen der wenigen Jahre, in denen eine Frau keine Wahl hat und ausgeschlossen ist, wird sie für den Rest des Lebens den Freuden der akademischen Welt beraubt und die Gesellschaft verliert, was die Person zu bieten hat. Folglich sollten Forscherinnen die Gelegenheit haben, an Programmen teilzunehmen, und zu einem späteren Zeitpunkt sollte die Teilnahme von Forscherinnen an Forschungsprogrammen als ein Kriterium für die Bewertung der Qualität von Universitäten dienen.
Darf ich Sie auch an den im vergangenen Jahr vorgelegten Bericht erinnern, in dem wir darlegt haben, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab dem Grundstudium möglich sein sollte.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich gratuliere meiner Kollegin zu diesem sehr guten Bericht. Eine stärkere Beteiligung an der wissenschaftlichen Forschung ist unbedingt notwendig, wenn die Ziele der Lissabon-Strategie erreicht werden sollen. Nach Aussage der Berichterstatterin braucht Europa zur Umsetzung dieser Prinzipien zusätzlich 700 000 Mitarbeiter in der Forschung. Ich bin der Meinung, schon allein die Einbeziehung und das Potenzial von Frauen könnte einen hohen Prozentsatz davon abdecken.
Allerdings beunruhigt mich der Vorschlag, ein Geschlechtergleichgewicht in den Evaluierungs- und Einstellungsgremien zu gewährleisten. Als Politikerin möchte ich meine Aktivitäten nicht einzig und allein durch das Prisma meines Geschlechts beurteilt wissen. Mir wäre es lieber, man beurteilte meine Arbeit nach ihrer Qualität und anhand der Ergebnisse meiner Tätigkeit.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag, das Interesse junger Menschen an einem Hochschulstudium in naturwissenschaftlichen und technischen Richtungen zu wecken. Diese Maßnahme sollte begleitet werden durch eine Aktion zur Förderung der Wissenschaft als einen Sektor, der für beide Geschlechter, Frauen und Männer, als Tätigkeitsfeld und für die berufliche Weiterentwicklung interessant ist. Ich meine, Vorschläge zur Gewährleistung der Vereinbarkeit von beruflicher Entwicklung und Familienleben sind es wert, in Erwägung gezogen zu werden. Sie sollten in einem breiteren Kontext betrachtet werden – einem Kontext, in dem die Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt unterstützt und gefördert wird.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Wie meine Kollegin gerade zum Ausdruck brachte, benötigt Europa heute weitere 700 000 Wissenschaftler. Ich finde dies alarmierend. Frauen könnten diese Lücke schließen. Aktuellen Statistiken zufolge erzielen Frauen höhere Bildungsabschlüsse als Männer, aber machen nur ein Drittel der im staatlichen Bereich tätigen Wissenschaftlerinnen aus. In der Privatwirtschaft sind es gar nur 18 %. Zuallererst müssen wir die Klischeevorstellungen von den beiden Geschlechtern beseitigen, denn sie haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Wahl des Studiums und die Berufswahl junger Frauen, aber auch auf die Stellenbesetzung, die Finanzierung von Forschungsarbeiten und die Einstellungskriterien.
Auch ich bin dafür, dass wir Frauen die Teilnahme an EU- und Länderprogrammen ermöglichen müssen, doch glaube ich nicht, dass eine Quotenregelung die beste Lösung darstellt. Ich befürworte innovative Möglichkeiten zu einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung für Frauen, die ihnen nach der Geburt eines Kindes die Fortsetzung ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit erleichtert. Dies könnte deutlich mehr Frauen den Weg in wissenschaftliche Spitzenpositionen ebnen.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – (RO) Dieser Bericht hat wichtige finanzielle Auswirkungen, sowohl auf die Gemeinschaftsmittel, die zur Bekämpfung der Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Wissenschaft verwendet werden könnten, als auch auf die nationalen Haushaltspläne der Mitgliedstaaten.
Zuallererst muss daran erinnert werden, dass es nicht ausreicht, nur über die im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehenden Mittel zu sprechen. Hier könnten wichtige Beträge aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung oder dem Europäischen Sozialfonds die Forschung und Entwicklung fördern. Daher sollten wir die Frauen nicht dadurch benachteiligen, dass wir in den Ausschreibungen, anhand derer diese Programme umgesetzt werden, diskriminierende Bedingungen festlegen. Ferner müssen einige Haushaltslinien eine stärkere Beteiligung von Frauen an den Forschungsprogrammen oder die einschlägigen Stipendien mit Gemeinschaftsmitteln finanzieren.
Darüber hinaus sollten wir, sobald das Europäische Technologieinstitut eingerichtet ist, bei der akademischen Zusammensetzung des neuen Instituts für ein ausgewogenes Verhältnis junger Doktorandinnen und Doktoranden sorgen.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Als einer der wenigen männlichen Teilnehmer dieser Aussprache und in meiner Eigenschaft als Wissenschaftler, möchte ich Folgendes sagen:
In meinen langen Jahren als praktischer Arzt habe ich festgestellt, dass weibliche Wissenschaftler ebenso gut sind wie männliche, wenn nicht besser. Das einzige Problem, das Frauen im Weg steht, wenn es um eine führende Stellung geht, besteht meiner Meinung nach in der schweren Entscheidung, die es zu treffen gilt, wenn sie sich festlegen, ob sie eine Vollzeitmutter und eine Teilzeitwissenschaftlerin sein möchten oder umgekehrt. Frauen haben sich immer dafür entschieden, Vollzeitmütter zu sein.
Daher bin ich der Ansicht, dass dies ein sehr wichtiger Bericht ist. Ich beglückwünsche die Berichterstatterin, aber wir brauchen praktische Lösungen, die den Frauen wirklich helfen, führende Positionen zu erlangen, und nicht nur theoretische Ideen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte allen Rednern der heutigen Debatte für ihre äußerst konstruktiven Beiträge danken. Die Politik der Kommission im Hinblick auf die Geschlechterfrage in der Forschung besteht aus zwei wichtigen Strängen: der Beteiligung von Frauen an der Forschung und der geschlechtsspezifischen Dimension der Forschung. Mit dem ersten Strang bemühen wir uns zu erreichen, dass Frauen auf allen Stufen der Karriereleiter vertreten sind, und befassen uns mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden in verschiedenen wichtigen Bereichen. Im zweiten Strang konzentrieren wir uns auf die Gestaltung der Forschung und darauf, wie sehr Geschlechtsunterschiede in der Forschung Berücksichtigung finden. Die Kommission setzt sich unverändert stark für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft ein.
Im Hinblick auf die Quoten glauben wir, dass Ziele wie die 40%-Regelung für jedes Geschlecht für diverse Expertengruppen und Bewertungsgremien im Siebten Rahmenprogramm objektiv und ausgewogen sind und gute Ergebnisse hervorbringen. Wir werden uns weiter darum bemühen, diese Ziele zu erreichen, und wir hoffen, auf diese Weise die Zahl der Frauen in der Wissenschaft erhöhen zu können. Unsere Bemühungen tragen schon erste Früchte, und ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Lage unterstützen, damit Frauen in Wissenschaft und Forschung künftig stärker vertreten sind.
Vielen Dank für Ihre Meinungsäußerungen und Ihre gute Zusammenarbeit.
Britta Thomsen, Berichterstatterin. – (DA) Herr Präsident! Vielen Dank für die Gelegenheit, hier das Wort zu ergreifen. Herr Kommissar, verehrte Damen und Herren, Ihnen möchte ich für Ihre Meinungsäußerungen danken. Ich bin erfreut, dass Sie meine Ansichten und Zielvorstellungen über die Zukunft der Wissenschaft in Europa teilen. Mit Blick auf die besagte Quotenregelung befürchte ich, ein wenig missverstanden worden zu sein. Es ging mir nicht um Quoten für weibliche und männliche Wissenschaftler. Vielmehr bildet die Zusammensetzung der für die Personalbeschaffung zuständigen Gremien ein entscheidendes Hindernis für die Ausschöpfung des weiblichen Potentials. Dies hängt damit zusammen, dass diese Gremien nicht „geschlechtsneutral“ sind. Ich sehe daher Handlungsbedarf. Wir können das Problem nicht einfach ignorieren und hoffen, dass morgen alles besser wird und sich von selbst regelt. Es ist politisches Handeln erforderlich. Die Kommission fungierte in dieser Angelegenheit wieder einmal als Vorreiter, denn vor einigen Jahren wurde nämlich in der Generaldirektion Forschung eine Gruppe für Frauen und Forschung ins Leben gerufen. Nachholbedarf besteht bei den Mitgliedstaaten. Nur durch ihr Engagement lässt sich ein echter Wandel an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen erreichen.
Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen, dem Sekretariat und der Kommission für ihre Mitwirkung danken. Sehr erfreulich war die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern und insbesondere der European Platform of Women Scientists. Ihnen gebührt mein besonderer Dank.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
Mihaela Popa (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Als Mathematiklehrerin habe ich mich direkt mit der immer geringer werdenden Anzahl junger Frauen in der Wissenschaft befasst.
In Anbetracht dessen, dass den Statistiken zufolge sich immer weniger Frauen für wissenschaftliche Fachbereiche entscheiden, in denen sie eine intensive Ausbildung in Mathematik, Physik, Biologie oder Chemie erhalten, halte ich den Entwurf eines Berichts des Europäischen Parlaments über Frauen und Wissenschaft für angebracht.
Aufgrund meiner Erfahrungen im Ausbildungsbereich kann ich sagen, dass die immer geringere Mitwirkung von Frauen in der Wissenschaft eine Sache der Mentalität und keinesfalls der Fähigkeiten ist.
Aus diesem Grund halte ich es für wichtig, dass die Europäische Union mehr Programme auflegt, die die Chancengleichheit und einen Mentalitätswandel in Bezug auf den Zugang junger Frauen zur Wissenschaft fördern. Die Organisation von Programmen zum Austausch von Erfahrungen und Wettbewerbe auf europäischer Ebene, an denen man sogar schon in jungem Alter teilnehmen kann, können Vertrauen schaffen und junge Menschen ermutigen, wissenschaftliche Hochschulen zu besuchen.
Wir brauchen so viele europäische Programme wie möglich, um durch Anregung der Kreativität, des logischen Denkens und der Intuition sowie den Austausch von Ideen auf europäischer Ebene zur Chancengleichheit beizutragen.
21. Verbot der Ausfuhr und sichere Lagerung von metallischem Quecksilber (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Verbot der Ausfuhr und die sichere Lagerung von metallischem Quecksilber
Dimitrios Papadimoulis, Berichterstatter. − (EL) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, zunächst den Schattenberichterstattern aller politischen Fraktionen zu danken. Ohne ihre Unterstützung und ihren Beitrag hätte ich keinen zufriedenstellenden Kompromiss mit dem Rat erzielen können.
Wenn der Wortlaut des Kompromisses so wie mit dem Rat vereinbart und ohne entwertende Änderungen gebilligt wird, stellt er einen signifikanten Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber dar. Durch den Text wird nicht nur der Ausfuhr von metallischem Quecksilber, sondern auch von bestimmten wichtigen Quecksilberverbindungen ein Ende gesetzt, die in der EU in großen Mengen hergestellt werden.
Die EU ist ein Hauptexporteur von Quecksilber. Jährlich stellt sie etwa 1000 Tonnen der gegenwärtigen Gesamtmenge von 3600 Tonnen in der Welt bereit. In dem zur Diskussion stehenden Vorschlag für eine Verordnung geht es hauptsächlich um 12 000 Tonnen an überschüssigem Quecksilber, die in den kommenden Jahren in der Gemeinschaft vorhanden sein werden. Der Vorschlag ebnet außerdem den Weg für weitere Maßnahmen auf internationaler Ebene. Man sollte nicht vergessen, dass Quecksilber ein weltweit auftretender Schadstoff ist, der keine Grenzen kennt. Eine entsprechende Lösung zu finden, ist eine Priorität und ein internationales Anliegen. Die Verordnung wird einen substantiellen Beitrag zur Stärkung der Führungsrolle der EU in den Gesprächen im Rahmen des UN-Umweltprogramms wie auch zur Verabschiedung eines internationalen Übereinkommens über Quecksilber leisten.
Die wichtigsten Bestimmungen des Kompromisstextes lauten folgendermaßen:
Es erfolgt eine Ausdehnung des Ausfuhrverbots, so dass nicht nur metallisches Quecksilber, sondern auch Zinnobererz, Quecksilber-(I)-Chlorid, Quecksilber-(II)-Oxid und Quecksilberlegierungen mit einer Quecksilberkonzentration von mehr als 95 Massenprozent betroffen sind.
Das Vermengen von metallischem Quecksilber mit anderen Stoffen für Exportzwecke wird ausdrücklich untersagt.
Bemühungen um ein Ausfuhrverbot für Quecksilber und bestimmte Quecksilberverbindungen sind vorangetrieben worden.
Betreiber von Chloralkalianlagen und Erdgasreinigungsanlagen sind verpflichtet, die Kommission über gelagerte oder für die Entsorgung vorgesehene Quecksilbermengen in Kenntnis zu setzen und entsprechende Informationen zu veröffentlichen.
Eine Überprüfungsklausel wurde eingearbeitet, die die Kommission verpflichtet, die Situation erneut zu bewerten und dem EU-Parlament und dem Rat bis spätestens 15. März 2013 einen diesbezüglichen Bericht vorzulegen. Die Klausel enthält Vorschläge für zusätzliche Maßnahmen.
Außerdem wurde vereinbart, bis 1. Januar 2010 Vorkehrungen für einen Informationsaustausch zu treffen, wobei ein Ausfuhrverbot für sämtliche quecksilberhaltigen Erzeugnisse in Betracht gezogen wird.
Gemäß dem vereinbarten Text soll Quecksilber, das nicht mehr in Chloralkalianlagen verwendet bzw. in anderen Industrieunternehmen erzeugt wird, als Abfall behandelt und sicher gelagert werden. Ausgehend von Forschungen zur Verfestigung von Quecksilber ist es uns außerdem gelungen, Akzeptanzkriterien für die endgültige Entsorgung von metallischem Quecksilber festzulegen.
Sehr verehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend zu sagen, dass der in Zusammenarbeit mit dem Rat erzielte Kompromisstext nach meinem Dafürhalten dann von großer Bedeutung ist, wenn er ohne Änderungen angenommen wird, denn ansonsten würden wir wieder bei Null anfangen und Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und öffentlicher Gesundheit deutlich nach hinten verschieben. Aus meiner Sicht gehen wir mit der morgigen Abstimmung einen Schritt voran, wodurch ein zufriedenstellender Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt gewährleistet wird.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Dank zum Ausdruck bringen und dem Berichterstatter Dimitrios Papadimoulis zu seinem hervorragenden Beitrag zur Verordnung über das Verbot der Ausfuhr von metallischem Quecksilber gratulieren. Das gilt auch für die Mitglieder des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und ihren positiven und konstruktiven Input.
Durch die Verordnung werden zwei der in der Mitteilung der Kommission von 2005 an den Rat und das Europäische Parlament über die Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber genannten Verfahren umgesetzt. Die Annahme der Verordnung stellt einen Meilenstein auf dem Weg der Durchsetzung der Strategie dar, da dadurch die Ausfuhr von metallischem Quecksilber aus der EU verboten wird, auf die mindestens ein Viertel der weltweit vorhandenen Menge an Quecksilber entfällt.
Das wichtigste Ziel der vorgeschlagenen Verordnung besteht in der Beschränkung der weltweiten Quecksilbermenge durch das Verbot der Ausfuhr von metallischem Quecksilber aus der EU und dessen sichere Lagerung.
Die Verordnung betrifft in der Hauptsache 12 000 Tonnen überschüssiges Quecksilber, das in den kommenden Jahren durch den schrittweisen Ausstieg aus der in Chloralkalianlagen verwendeten Quecksilberzellentechnologie vorhanden sein wird.
Durch die Verordnung wird die Ausfuhr von überschüssigem Quecksilber in Drittstaaten und seine Verwendung bei der Goldgräberei oder anderen rechtswidrigen Aktivitäten verhindert, die in beträchtlichem Maße zur Anreicherung von Quecksilber in der Umwelt beitragen.
Die Bemühungen des Parlaments, den Anwendungsbereich der Gesetzesinitiative zu erweitern sowie den diesbezüglichen Text zu verbessern, haben Früchte getragen. Dadurch ist sichergestellt worden, dass die Verordnung in ihrer vereinbarten Fassung zu einem wirksamen Mittel zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt avanciert.
Ich möchte den Organen und all denen danken, die mit dem Ziel einer Einigung in zweiter Lesung an dem Prozess beteiligt waren. Im Besonderen möchte ich die konstruktive Rolle des Europäischen Parlaments bei der Ausformulierung dieser zufriedenstellenden Vereinbarung hervorheben.
In einigen wichtigen Punkten hat das Parlament darauf bestanden, über den ursprünglichen Vorschlag der Kommission hinauszugehen. Gestatten Sie mir, insbesondere drei Punkte in den Vordergrund zu rücken, die im Mittelpunkt der Verhandlungen standen:
· Der Umfang des Ausfuhrverbots.
· Das Datum des Inkrafttretens.
· Die sichere und wirtschaftlich günstige endgültige Entsorgung von metallischem Quecksilber.
Die Kommission hat Verständnis für die Zielsetzung des Parlaments, optimistische Ziele für die genannten grundlegenden Punkte festzuschreiben, und kann die vorgeschlagenen Änderungen annehmen.
Verständlicherweise wird die Kommission die ordnungsgemäße Durchsetzung und Einhaltung aller Bestimmungen der Verordnung überwachen und den Bedarf an weiteren Maßnahmen prüfen.
Der Vorschlag trägt in beträchtlichem Maße zur Erreichung des Ziels einer Reduzierung der Quecksilberbelastung bei. Er bereitet den Weg für weitere Maßnahmen auf internationaler und globaler Ebene. Internationale Verhandlungen im Rahmen des UN-Umweltprogramms sind bereits im Gange. Mit der Verabschiedung der Verordnung setzt die EU ein aussagekräftiges Zeichen im Hinblick auf ihre Verpflichtung, dieses Problem einer Lösung zuzuführen.
Neben den Änderungsanträgen 42-63, über die bereits eine Einigung erzielt werden konnte, sind fünf neue Änderungsanträge zur Nutzung der Region Almadén in Spanien als vorrangigem Standort für die sichere Lagerung von metallischem Quecksilber eingereicht worden. Der Kommission ist bekannt, wie sich eine Schließung der Mine in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Region auswirken dürfte. Für ein Forschungsprogramm, das von der Firma MAYASA koordiniert wird, der das Gebiet gehört, werden über zwei Millionen EUR aus dem LIFE-Fonds zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieses Programms werden Methoden zur sicheren Entsorgung von metallischem Quecksilber untersucht. Die Ergebnisse werden sich als nützlich erweisen, wenn es um die Festlegung von Akzeptanzbedingungen für die endgültige Entsorgung von Quecksilber gemäß Änderungsantrag 56 der vorgeschlagenen Verordnung geht.
Die Region Almadén bietet sich offenbar für die sichere Lagerung von Quecksilber an, vorausgesetzt, die geltenden Auflagen werden erfüllt und die erforderlichen Genehmigungen liegen vor. Allerdings kann die Kommission die in den Änderungsanträgen 37-41 vorgeschlagene Priorisierung nur eines Standorts nicht mittragen und damit auch die betreffenden Anträge nicht billigen.
Insgesamt kann die Europäische Kommission das Kompromisspaket, nämlich Änderungsanträge 42-63, in der Form annehmen, auf die man sich im Rahmen der Dreiparteien-Gespräche geeinigt hat. Sie ist mit der Einigung über die Verordnung in zweiter Lesung zufrieden. Über die Änderungsanträge 37-41 hat man sich jedoch nicht verständigen können, die demnach auch nicht gebilligt werden.
Martin Callanan, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Darf ich zunächst Herrn Papadimoulis meinen Dank dafür aussprechen, dass er diesen Bericht durch das Parlament dirigiert hat. Ich habe volles Verständnis dafür, dass dies ein sehr schwieriger und zeitaufwändiger Prozess gewesen sein muss.
Dennoch muss ich meine Unzufriedenheit mit der letzten Phase dieses Prozesses zum Ausdruck bringen, nämlich den informellen Treffen mit dem Rat, die zum Ziel hatten, eine Einigung in zweiter Lesung zu erzielen. Diese wurden von Herrn Papadimoulis alleine durchgeführt, die anderen Schattenberichterstatter wurden nicht eingeladen. Das halte ich für bedauerlich.
Meine Fraktion hat den ursprünglichen Gemeinsamen Standpunkt des Rates grundsätzlich sehr unterstützt, da ich mir der Notwendigkeit, sich um eine rasche Umsetzung dieser Verordnung zu bemühen, durchaus bewusst bin. Meine Fraktion stimmt mit den wichtigsten Punkten überein, die für einige Mitgliedstaaten ein wichtiges Anliegen waren, insbesondere die Notwendigkeit, die Möglichkeit einer dauerhaften, sicheren Lagerung zu erhalten, sowie den vereinbarten Zeitpunkt der Umsetzung ungefähr einzuhalten.
Die meisten dieser Fragen wurden aufgegriffen und gelöst. Bei zwei konkreten Fragen war das jedoch nicht der Fall. Die erste betrifft die Stellung von Almadén, die der Kommissar angesprochen hat. Wir sind der Meinung, dass die Kompromissänderungsanträge nicht weit genug gehen: Wir meinen, es sollte konkrete Hinweise auf die Probleme geben, die in Almadén verursacht wurden, einem der wichtigsten Gebiete des Quecksilberbergbaus in der Gemeinschaft, und wir sind der Ansicht, diese sollten aufgegriffen werden. Das Parlament hat sie in beiden Stufen aufgegriffen, und wir meinen, sie sollten im Gemeinsamen Standpunkt enthalten sein.
Der andere Punkt, der mich enttäuscht hat, ist der Umstand, dass in das Kompromisspaket ein konkreter Hinweis auf ein mögliches Exportverbot für Barometer aufgenommen wurde. Der war im Gemeinsamen Standpunkt nicht enthalten und wurde von meiner Fraktion nicht unterstützt. Ich bin enttäuscht, dass der Rat Herrn Papadimoulis während der Verhandlungen in diesem Punkt Zugeständnisse gemacht hat. Ich habe daher erneut einen Änderungsantrag eingebracht, diesen Punkt aus dem endgültigen Paket zu streichen.
Abschließend möchte ich der Kommission, Herrn Papadimoulis und insbesondere dem slowenischen Ratsvorsitz danken – ich weiß, dass Sie hart an diesem Bericht gearbeitet haben. Es ist nicht ihre Schuld, dass unsere parlamentarischen Verfahren meiner Ansicht nach in diesen Dingen einer tiefgreifenden Reform bedürfen.
Miguel Angel Martínez Martínez, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die spanischen Sozialisten werden sich bei der Abstimmung solidarisch und kohärent mit dem Gebiet Almadén in Spanien zeigen, auf das der Text, den wir heute diskutieren und über den wir morgen abstimmen werden, ernsthafte Auswirkungen hat.
Die Gegend von Almadén und ihre Menschen, meine Landsleute, leben seit Jahrhunderten vom Quecksilber, das in ihren Minen gewonnen wurde, den europa- und weltweit größten für dieses Metall. In den letzten Jahren haben sie unter einer spürbaren wirtschaftlichen und sozialen Rezession gelitten, denn der Quecksilberabbau ist aus verschiedenen Gründen schrittweise eingeschränkt worden. Jetzt beschließen wir ein Verbot der Quecksilberexporte.
Wir haben uns diesem ganzen Prozess nicht nur nicht widersetzt, sondern haben, da wir die ihm zugrunde liegenden gesundheitlichen Gründe verstehen, unsere Anstrengungen darauf gerichtet, zum einen der Bevölkerung die Notwendigkeit vor Augen zu führen, sich auf die neue Situation einzustellen, und zum anderen Mechanismen zu entwickeln, um Almadén und seine Umgebung in die Lage zu versetzen, seine Aktivitäten mithilfe der Erfahrungen und der Arbeitskapazitäten seiner Menschen umzustrukturieren und Nutzen aus einer außergewöhnlichen Natur zu ziehen.
In Almadén sprachen wir von der Solidarität der Europäischen Union. Wir erklärten den Menschen, dass sich die Gemeinschaftsinstitutionen weiterhin um sie kümmern würden, dass sie Hilfe bekommen würden, um ihre Anstrengungen fortzusetzen, die sie mit Unterstützung der spanischen Regierung, der Regionalregierung von Kastilien-La Mancha und des Provinzrates von Ciudad Real unternehmen; und diese Zusage wurde durch alle Äußerungen des Parlaments bestätigt.
Erstens wurde der Europäischen Union und ihrer Kommission stets empfohlen, Ressourcen und Mechanismen bereitzustellen, um Almadén bei der Umstrukturierung seiner Aktivität zu unterstützen, damit die Menschen nicht unter der Schließung ihrer traditionellen Bergbauindustrie leiden. Zweitens wurde empfohlen, dass Almadén, wenn über einen Ort für die in der Richtlinie vorgesehene Lagerung des gesamten in Europa angefallenen oder anfallenden Quecksilbers nachgedacht werden sollte, vorrangig berücksichtigt wird.
Dies ergab sich logisch aus der hier bestehenden Erfahrung im Umgang mit Quecksilber sowie aus der wichtigen Tatsache, dass der größte Teil des Quecksilbers in Europa bereits völlig sicher in Almadén eingelagert ist. Diese Entscheidung wurde seinerzeit getroffen und wird in keiner Weise durch das verändert, worüber wir morgen abstimmen; mehr noch, ohne Almadén namentlich zu nennen, bedeutet der von den Fraktionen im Konsens erreichte Änderungsantrag, der anscheinend auch die Unterstützung des Rates und der Kommission hat, dass die früheren Verpflichtungen volle Gültigkeit behalten. Auch wenn uns eine deutlichere Aussage lieber gewesen wäre – und wir werden deshalb für die Änderungsanträge stimmen, die eine solche enthalten –, gehen wir davon aus, dass der zu beschließende Text genügend Verpflichtungen enthält, und wir werden weiterhin die Interpretation dieses Textes unterstützen, der dem Gebiet von Almadén die Möglichkeit gibt, die schon begonnene sozioökonomische Erholung zu konsolidieren.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Papadimoulis zu seinem hervorragenden Bericht beglückwünschen und ihm meine Anerkennung für die fleißige Arbeit aussprechen, die er geleistet hat, um eine gute Zusammenarbeit mit allen Schattenberichterstattern sowie mit den Vertretern der Kommission und des Rates sicherzustellen.
Das Ziel des vorliegenden Vorschlags ist es, die Ausfuhr von Quecksilber aus der Gemeinschaft zu verbieten, sowie sicherzustellen, dass das Quecksilber nicht erneut auf den Markt gelangt und entsprechend Maßnahme 5 und Maßnahme 9 der Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber sicher gelagert wird. Ich hatte die Ehre, Berichterstatter über diese Strategie zu sein, die vor zwei Jahren im Parlament angenommen wurde. Solche Maßnahmen sind notwendig, um das Eindringen weiterer Mengen dieses hochgiftigen Schwermetalls in den „globalen Quecksilberpool“ zu begrenzen.
Nach harten Verhandlungen wurde mit dem Rat eine Vereinbarung getroffen, der meines Wissens alle Fraktionen zustimmten. Diese Vereinbarung stützte sich auf die Billigung eines Kompromisspakets durch alle Schattenberichterstatter. Bedauerlicherweise wurden im Anschluss an diese Vereinbarung Änderungsanträge im Namen der PPE-DE- und der PSE-Fraktion eingebracht, die – sollten sie angenommen werden – zur Folge haben werden, dass das gesamte Kompromisspaket scheitert und die Angelegenheit einem Vermittlungsverfahren unterzogen werden muss, was unweigerlich zu einer weiteren Verzögerung bei der Verabschiedung von Maßnahmen führen wird, die dem Schutz der Volksgesundheit und der Umwelt vor weiterer Kontamination durch Quecksilber dienen sollen.
Was diese Änderungsanträge betrifft, so ist dies – abgesehen davon, dass es sich um eine Grundsatzfrage handelt und die ursprüngliche Vereinbarung eingehalten werden sollte –, auch eine Frage einer klaren Begründetheit, die der Berichterstatter allen MdEP in angemessener und eindringlicher Weise vermittelt hat. Es ist daher nicht nötig, seine Argumente nun noch einmal zu wiederholen.
Alles, was ich dazu noch sagen möchte, ist, dass meine Fraktion zu ihrem Wort steht und an der Vereinbarung, die sie mit dem Berichterstatter hinsichtlich des Kompromisspaketes erzielt hat, festhalten wird. Wir können nur hoffen, dass die anderen Fraktionen dies ebenfalls tun werden. Denken wir alle daran, dass kleine, kurzfristige, lokale oder nationale Vorteile den großen, langfristigen und weltweiten Nutzen nicht überschatten sollten.
Lassen Sie mich abschließend meinen spanischen Kollegen versichern, dass die Menschen in Almadén meine volle Unterstützung für ihre berechtigten Forderungen haben, die meiner Ansicht nach vollständig erfüllt werden können, indem wir das Kompromisspaket annehmen – nicht, indem wir uns gegen es stellen.
Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Ich möchte dem Kollegen Papadimoulis für die Ermöglichung einer guten Zusammenarbeit danken. Meiner Ansicht nach hatten wir trotz inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten auch eine gute Zusammenarbeit mit dem Rat.
Zunächst müssen wir feststellen, dass Quecksilber ein giftiges und gefährliches Schwermetall ist. Lassen Sie mich mit Kritik beginnen. Ich halte es für seltsam, dass wir einerseits die Ausfuhr von gefährlichen Abfällen verbieten und selbst die Verwendung von Quecksilber praktisch einstellen, andererseits aber das Ausfuhrverbot hinauszögern wollen, damit die Industrie Zeit hat, ihre Lager zu leeren, ehe Quecksilber als Abfall eingestuft wird. Es handelt sich dabei um eine gefährliche Chemikalie, von der wir wissen, dass sie durch Goldwäscher in die Natur getragen wird und die Umwelt in anderen Ländern zerstört. Ich hätte mir wirklich einen wesentlich früheren Termin für ein Verbot gewünscht.
Aber ein Kompromiss ist ein Kompromiss. Ich kann mich stattdessen über die freiwilligen Maßnahmen der Industrie freuen, die jetzt in die Vorschriften aufgenommen worden sind, so dass sie auch tatsächlich umgesetzt werden, sowie darüber, dass alle wesentlichen Zusatzstoffe vom Ausfuhrverbot abgedeckt werden, beispielsweise Zinnober, Oxide und Kalomel. Auf diese Weise haben wir zumindest eine umfassende Gesetzgebung erhalten.
Was die Frage des Umgangs mit dem Abfall betrifft, sprechen wir hier von recht kleinen Mengen. Stellen Sie sich 10 000 Tonnen flüssiges Quecksilber vor. Der Platz hier vor dem Podium, also etwa 10 Kubikmeter, würde ausreichen. Mehr ist das nicht, aber dennoch eine gewaltige Menge Quecksilber. Viele Moleküle, sozusagen, von denen wir nicht ein einziges in die Umwelt entlassen dürfen. Die einzige Möglichkeit einer echten Umsetzung der EU-Abfallgesetzgebung besteht darin, flüssiges Quecksilber nicht auf Deponien endzulagern. Für meine Fraktion war darum Artikel 7 von außerordentlicher Bedeutung für eine Lösung dieser Problematik, also der Artikel, in dem wir auf die Frage der Verfestigung von Abfällen zurückkommen. Wir können keine Endlagerung ins Auge fassen, ohne uns erneut mit dieser Methode zu beschäftigen. Erfreulicherweise habe ich heute eine E-Mail einer schwedischen Abfallentsorgungsgesellschaft (det svenska avfallsbolaget) erhalten, in der sie erklärt, dass sie eine Pilotanlage baut, in der bereits 500 Kilogramm Abfälle behandelt und in unlösliche, feste Form umgewandelt werden. Wenn wir 2010 auf diese Frage zurückkommen, kann ich garantieren, dass die Entsorgung in fester Form eine sichere Methode ist, die mit der EU-Gesetzgebung vereinbar ist.
Thomas Ulmer (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zehntausend Tonnen, wie der Kollege Schlyter eben gesagt hat, sind durchaus eine große Menge. Sie reichen immerhin aus, um etwa vier Millionen Menschen täglich zu vergiften. Dies nur zur Größenordnung.
Wir haben vor etwa einem Jahr über das Dossier in erster Lesung gesprochen. Die Fragen der metallischen Quecksilberverbindungen und des Quecksilbers sind ausreichend geregelt. Es ist sichergestellt, dass dieser Stoff nicht wieder in die Europäische Union zurückkehrt. Auch die Sicherheit der Lagerung wurde bisher ausreichend bewertet. Die gegebenen Einschränkungen sind wegen der steigenden Toxizität des Quecksilbers sinnvoll, auch wenn ich mir in vielen Bereichen noch weiter gehende Einschränkungen gewünscht hätte. Der Kompromiss – an dieser Stelle darf ich Herrn Papadimoulis zu seiner Arbeit beglückwünschen – ist sehr ordentlich. Er erfüllt nicht alle, aber sehr viele Erwartungen.
Als ehemaliger Lokal- und Regionalpolitiker habe ich auch sehr viel Verständnis für meine spanischen Kollegen, wenn sie für Almadén eine Lösung finden müssen, die hier gemeinsam tragfähig ist. Der Kompromiss ist aber so wertvoll, dass wir ihn nicht an dieser Frage scheitern lassen sollten. Es wäre bis zur morgigen Abstimmung ja auch noch genügend Zeit, dass die Kommission vielleicht noch eine entsprechende Erklärung abgibt. Es ist wichtig, den Kompromiss jetzt zu akzeptieren, denn andernfalls besteht die Gefahr, dass wir in dieser Legislatur zu keiner Einigung mehr kommen.
Ein Thema möchte ich noch ansprechen: Die Quecksilberstrategie ist noch nicht vollkommen. Amalgam wird nach wie vor von zwei Expertengremien der Kommission als sicher bewertet. Ich kann mich dieser Meinung nicht anschließen.
Pilar Ayuso (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten hat erneut einige Änderungsanträge zu Almadén, der größten und ältesten Mine der Welt, aufgegriffen, die in erster Lesung mit großer Mehrheit angenommen worden waren.
Die Mine von Almadén ist seit 2003 geschlossen. Almadén ist allerdings der Hauptexporteur von Quecksilber in der Europäischen Union und entfaltet noch immer eine erhebliche Wirtschaftsaktivität in Verbindung mit dem Quecksilber, denn es verkauft das Metall über Verträge, die von dem Unternehmen Mayasa mit anderen Firmen der Chloralkaliindustrie abgeschlossen wurden. Diese Verträge sind bis Mai 2011 gültig.
Almadén sollte in der Verordnung ausdrücklich genannt werden, weil es die einzige Region in der Europäischen Union ist, die vom Exportverbot unmittelbar und nachteilig betroffen wird, und weil sie die besten Techniker und Experten im Umgang mit Quecksilber hat.
Zudem verfügt die Mine über die Kapazität zur Lagerung des gesamten flüssigen Quecksilbers der Europäischen Union in einer Tiefe von 200 Metern, in einem abgeschlossenen Raum aus Quarzit- und Vulkanfelsen mit hochgradiger Undurchlässigkeit, wie der Direktor für nachhaltige Entwicklung und Integration der Generaldirektion Umwelt, Herr Mäkelä, und der slowenische Umweltminister, die die Region im März 2007 besuchten, bestätigten.
Milan Gaľa (PPE-DE). – (SK) Herr Präsident! Vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen. In seinem Bericht erwähnt mein Kollege Herr Papadimoulis, dass das in der Zahnmedizin verwendete Amalgam teilweise für die Quecksilberproblematik in Europa verantwortlich ist. Gestatten Sie mir, einige interessante Zahlen vorzutragen. Stomatologen in der Europäischen Union verwenden jedes Jahr 125 Tonnen Quecksilber. Jährlich werden mehr als 200 Millionen Quecksilberfüllungen bei Patienten gelegt. Unsere Bürger laufen also mit mehr als 1100 Tonnen Quecksilber in ihren Zähnen durch die Straßen. Amalgamabfälle mit 50 % Quecksilberanteil werden während der Herstellung und Anwendung von Zahnamalgam erzeugt sowie bei der Entfernung von alten Füllungen und bei der Feuerbestattung. Extrahierte Zähne und das mögliche Einsickern von Quecksilber in das Grundwasser nach Erdbestattungen sind ebenfalls Ursachen der Quecksilberbelastung.
Quecksilber aus der Zahnmedizin gelangt ferner bei der kommunalen Müllverbrennung in die Atmosphäre. Unter Berücksichtigung aller aufgeführten Punkte ist festzustellen, dass zahnmedizinische Behandlungen mit Quecksilber nur an zweiter oder dritter Stelle bei der Erzeugung von Quecksilberabfällen in der EU stehen. Ich bin froh, dass der Bericht auch diesen Sachverhalt widerspiegelt.
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Der Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und zugleich der spanische Standpunkt wurden von meinem Kollegen, Herrn Martínez Martínez, vorgestellt. Aus diesem Grunde möchte ich nicht so viel über Quecksilber reden, sondern mehr über das konkrete Beispiel einer Region, die einem grundlegenden Wandel unterworfen ist. Als Vertreter eines neuen Mitgliedstaates, das in den frühen 1990er-Jahren eine Zeit der Umgestaltung durchgemacht hat, weiß ich, wie schmerzlich das für die betroffenen Regionen ist. Deshalb möchte ich mit besonderer Genugtuung unterstreichen, dass die Europäische Union, ebenso wie das Parlament, Almadén nicht seinem Schicksal überlassen wollen. Ob 2 Millionen Euro ausreichen, ist eine andere Geschichte. Am wichtigsten ist jedoch, wie wir an diese Sache herangehen und das ist sehr wertvoll.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte allen Rednern für ihre Beiträge danken. Ich verstehe nicht, warum der Berichterstatter eine Einigung in zweiter Lesung und die Annahme der Verordnung noch vor den UNEP-Gesprächen im Oktober 2008 in Gefahr gebracht hat, bei denen wir hoffentlich eine rechtsverbindliche Vereinbarung in dieser so wichtigen Angelegenheit erzielen werden.
Er hat sie in Gefahr gebracht durch seine mangelnde Mitarbeit während des Trilogs und während der Diskussionen. Vielleicht versteht ja der Kommissar, warum nicht alle Schattenberichterstatter – oder zumindest die wichtigsten Schattenberichterstatter, die Interesse zeigten –, an den Vorzügen dieser Diskussionen teilhaben durften.
Was das Verfahren betrifft, habe ich ernsthafte Vorbehalte, denn es hat zur Polarisierung einer überaus wichtigen Debatte und eines sehr bedeutenden Berichts geführt, der ansonsten ohne weiteres mit der morgigen Abstimmung hätte abgeschlossen werden können.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend dem Wortlaut des vereinbarten Textes wird Quecksilber, dass nicht mehr in der Chloralkaliindustrie eingesetzt bzw. in anderen Industrieunternehmen erzeugt wird, als Abfall betrachtet und sicher gelagert, sobald das Ausfuhrverbot am 15. März 2011 in Kraft tritt.
Bis spätestens 1. Januar 2010 organisiert die Kommission den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und anderen interessierten Parteien, um die Zweckmäßigkeit weiterer Maßnahmen zu beraten. Bis spätestens 1. Januar 2010 gibt die Kommission auf der Grundlage verfügbarer wissenschaftlicher Daten und aktueller Forschungsergebnisse zu den Möglichkeiten der sicheren Entsorgung von Quecksilber Empfehlungen für entsprechende Anforderungen bezüglich der Einrichtungen und Bedingungen für die Akzeptanz von metallischem Quecksilber. Die Mitgliedstaaten überwachen die Durchsetzung der Verordnung und ihre Auswirkungen auf den Markt und unterrichten die Kommission entsprechend. Wenn es ratsam erscheint, schlägt die Kommission gegebenenfalls eine Überprüfung der Verordnung bis spätestens 15. März 2013 vor.
Bestimmte Schlüsselbestimmungen sind in das vorgeschlagene Kompromisspaket eingegangen. Die wichtigste Regelung sieht eine Erweiterung des Ausfuhrverbots von metallischem Quecksilber auf Zinnobererz und zwei unedle Quecksilberverbindungen, Quecksilber-(I)-Chlorid und Quecksilber-(II)-Oxid, vor. Wie Herr Papadimoulis zu einem früheren Zeitpunkt angemerkt hat, fallen auch Quecksilberlegierungen mit einer Quecksilberkonzentration von mehr als 95 Massenprozent unter das Ausfuhrverbot.
Die Vermengung von metallischem Quecksilber mit anderen Stoffen für die Ausfuhr von metallischem Quecksilber ist ausdrücklich verboten worden. Außerdem hat man sich auf einen überarbeiteten Zeitplan geeinigt, der faktisch anspruchsvoller ist als im ursprünglichen Vorschlag vorgesehen. Gleichzeitig wurde genügend Zeit eingeplant, um in jeder Phase angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Quecksilberverbindungen, die in der Forschung und Entwicklung sowie für medizinische oder analytische Zwecke verwendet werden, sind von den Bestimmungen ausgenommen.
Betreiber von Chloralkalianlagen und Erdgasreinigungsanlagen sind verpflichtet, die Kommission über gelagerte oder für die Entsorgung vorgesehene Quecksilbermengen in Kenntnis zu setzen und entsprechende Informationen zu veröffentlichen. Eine Überprüfungsklausel verpflichtet die Kommission, die Situation erneut zu bewerten und dem Europäischen Parlament und dem Rat bis spätestens 15. März 2013 einen diesbezüglichen Bericht vorzulegen, in dem zusätzliche Maßnahmen vorgeschlagen werden, wenn diese ratsam erscheinen. Die Kommission kann dem Parlament versichern, dass die Durchsetzung der Verordnung genau überwacht und erforderliche Zusatzmaßnahmen rechtzeitig vorgeschlagen werden.
Zeitgleich setzt die Kommission die anderen Verfahren der Quecksilberstrategie um. Sie verhandelt intensiv über die Verabschiedung internationaler Maßnahmen im Rahmen des UN-Umweltprogramms. Die Annahme der Verordnung vor den für Oktober 2008 geplanten Gesprächen über vorgeschlagene internationale Maßnahmen verdeutlicht das Engagement und die Entschlossenheit der EU. Der Zeitpunkt dafür ist günstig und erhöht die Glaubwürdigkeit der EU unter ihren Partnern. Darum ist es wichtig, sich auf den Kompromisstext zu einigen.
Abschließend, Herr Präsident, sei festgestellt, dass sich die Kommission in der Lage sieht, die vorgeschlagenen Kompromissänderungsanträge 42-63, auf die man sich bei den Dreiparteiengesprächen verständigt hat, anzunehmen. Wie bereits gesagt, könnte das Gebiet von Almadén als sicherer Lagerungsort für Quecksilber dienen, vorausgesetzt, die geltenden Auflagen werden erfüllt und die erforderlichen Genehmigungen liegen vor. Allerdings kann die Kommission die in den Änderungsanträgen 37-41 vorgeschlagene Priorisierung nur eines Standorts nicht mittragen und damit auch die betreffenden Anträge nicht billigen.
Dimitrios Papadimoulis, Berichterstatter. − (EL) Herr Präsident! Ich möchte noch einmal den Berichterstattern aller politischen Fraktionen meinen herzlichen Dank aussprechen. Ohne ihre fruchtbare Zusammenarbeit in jeder Etappe dieses langwierigen Unternehmens und in jeder Phase des erfolgreichen Dreiparteien-Dialogs (die Gespräche waren sehr nachhaltig) hätten wir diesen zufriedenstellenden Kompromiss nicht erzielen können.
Der anfängliche Standpunkt des Rates, meine Damen und Herren, umfasste lediglich einen der Änderungsanträge des Europäischen Parlaments. Der vor uns liegende Kompromiss beweist, dass die vom Europäischen Parlament in erster Lesung verabschiedeten wichtigen Positionen in Verbindung mit dem konstruktiven Beitrag der Kommission in die Vereinbarung mit dem Rat aufgenommen worden sind. Dieser Erfolg muss gesichert werden. Ich habe Verständnis für die Bedenken und Forderungen unserer spanischen Kolleginnen und Kollegen im Hinblick auf Almadén: Darf ich Sie daran erinnern, dass wir diese Formulierung auf meine Empfehlung hin in erster Lesung gebilligt haben. Dennoch müssen wir absolut realistisch bleiben. Weder der Rat noch die Kommission verabschiedet diesen Vorschlag, und selbst die spanische Regierung hat im Rat keine derartige Forderung vorgebracht. Wenn sich das EU-Parlament morgen in der Almadén-Frage übereifrig zeigt, besteht die Gefahr, die vom Parlament erreichten beträchtlichen Fortschritte zunichte zu machen und die Vorteile eines zufriedenstellenden Kompromisses ungenutzt zu lassen. Außerdem verzögern wir so die Annahme von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt, da die aktuelle Legislaturperiode des Parlaments in einem Jahr endet. Es besteht das große Risiko, dass der Rat wieder bei Null beginnt, d. h. bei seinem ursprünglichen Standpunkt, der meilenweit von der von uns in erster Lesung gebilligten Position entfernt ist. Darum rufe ich Sie auf, morgen zugunsten der Vereinbarung zu stimmen. Noch einmal danke ich den Schattenberichterstattern, den Vertretern des Rates und der Kommission für die gemeinsamen Anstrengungen für die Erreichung dieser Übereinkunft.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich hätte es zu schätzen gewusst, wenn sich entweder die Kommission oder der Berichterstatter mit meiner Frage befasst hätten. Das ist jedoch offensichtlich nicht geschehen. Vielleicht ist das an sich schon eine Aussage.
Der Präsident. − Vielleicht werden sie Ihre Frage schriftlich beantworten.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
Gyula Hegyi (PSE) , schriftlich. – (HU) Quecksilber gehört zu den bekanntesten und gefährlichsten Schwermetallen. Es schädigt das Nerven- und Immunsystem und ist besonders gefährlich für Säuglinge und Kinder. Ich begrüße die Initiative zum Verbot der Ausfuhr von Quecksilber, weil sich seine Verwendung trotz der Einschränkungen der letzten Jahre nicht wesentlich verringert hat. Vielmehr hat es sich von den Industriestaaten auf die Entwicklungsländer verlagert. Die Europäische Union ist der weltweit größte Exporteur, weswegen wir hoffen können, dass die Verwendung von Quecksilber weltweit zurückgeht, wenn diese Verordnung in Kraft tritt.
Quecksilber kann im Zuge seiner Verwendung auch in Lebensmittel gelangen, die dann auf den Märkten der Europäischen Union verkauft werden. Aus diesem Grund haben wir nicht nur eine globale Verantwortung, die Quecksilberverunreinigung in den Entwicklungsländern zu senken, sondern liegt dies auch in unserem eigenen Interesse.
Ich betrachte es als persönlichen Erfolg und Erfolg für die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament, dass das Ausfuhrverbot auch für Quecksilber-Kalomel gilt, da Quecksilber leicht in Kalomel umgewandelt werden kann und die Kosten für die Rückumwandlung in Quecksilber äußerst gering sind. Wenn wir diese Bestimmung nicht in die Verordnung aufnehmen würden, wäre es für die Exporteure von metallischem Quecksilber leicht, die Einhaltung der Verordnung zu umgehen.
22. Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Johannes Blokland, im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, über das Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen (2007/2279(INI)) (A6-0156/2008).
Johannes Blokland, Berichterstatter. − (NL) An verschiedenen Stränden Südasiens liegen riesige ausrangierte Seeschiffe, die unter umweltbedenklichen und menschenunwürdigen Bedingungen abgewrackt werden. Soziale Normen gelten hier nicht. Allein in Bangladesch gab es in den vergangenen Jahren 200 Todesopfer in Folge von Arbeiten im Rahmen der Abwrackung von Schiffen zu beklagen.
Bei der Abwrackung wird intensiv auf Kinderarbeit zurückgegriffen, weil Kinder auch in kleinste Räume schlüpfen können. Sie müssen die Giftstoffe ohne jeden Schutz entfernen, die dann mit verheerenden Folgen für die Fischerei und den Tourismus in die Umwelt gelangen. Bedauerlicherweise landen auch viele europäische Schiffe auf diese Weise an den Stränden von Indien, Pakistan und Bangladesch. Hohe Stahlpreise, niedrige Löhne, unzureichende Sicherheitsvorschriften und fehlende Umweltbestimmungen sind augenscheinlich finanziell attraktiv.
Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit erklärt unmissverständlich, dass diese Praktiken ethisch unannehmbar sind und menschenunwürdige und nicht länger umweltvernichtende Bedingungen bei der Abwrackung von Schiffen vorherrschen dürfen. Die Bemühungen eines einzelnen Mitgliedstaates bzw. der EU allein reichen nicht aus, um dieses Problem zu beseitigen. Unabhängig von Vorhaben in den kommenden Jahren besteht weiterhin dringender Bedarf an einer globalen Lösung für das Problem der Abwrackung. Leider muss festgestellt werden, dass auf globaler Ebene noch nicht viel erreicht worden ist.
Genau aus diesem Grund hat die Europäische Kommission ein Grünbuch veröffentlicht. Unser vornehmliches Ziel besteht darin, die Umwelt und Volksgesundheit zu schützen, ohne Probleme einfach auf andere Staaten abzuwälzen. Da in den kommenden Jahren zahlreiche Schiffe, die unter europäischer Flagge fahren, abgewrackt werden müssen, besteht jetzt akuter Handlungsbedarf. Der Ausschuss für Umweltfragen schlägt Folgendes vor: Um zu vermeiden, dass die Verordnung über die Verbringung von Abfällen umgangen wird, müssen Leitlinien eingeführt werden, mit Hilfe derer bestimmt werden kann, wann ein Schiff ein Schiff ist bzw. wann es sich um Abfall handelt. Die Abfallverbringungsverordnung muss mit strengeren Kontrollen und Überwachung durch die Hafenbehörden der Mitgliedstaaten wirksamer um- und durchgesetzt werden, wobei Hafenstaaten befugt sein müssen, ein Schiff zum Wrack zu erklären.
Eine Liste sollte erstellt werden, auf der jene Schiffe erfasst werden, die wahrscheinlich in wenigen Jahren abgewrackt werden. In der EU muss ein wettbewerbsfähiger und umweltfreundlicher Schiffsabwrackungssektor entwickelt werden, beispielsweise in Schiffswerften, die momentan nicht genutzt werden. Im Rahmen der Entwicklungshilfe muss Schiffswerften in Südasien Know-how und Technik zur Verfügung gestellt werden, so dass Sicherheits- und Umweltanforderungen erfüllt werden können. Übrigens ist die Abwrackung von Schiffen ein äußerst lukratives Geschäft in Bangladesch, mit dem man genug Geld verdienen kann, um schnell akzeptable Abwrackbedingungen einzuführen.
Ich möchte betonen, dass es weiterhin notwendig ist, auf zwei Ebenen vorzugehen. Erstens müssen wir Verantwortung für unsere eigene europäische Flotte übernehmen und an einer globalen Vereinbarung arbeiten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir uns nicht nur auf einen dieser beiden Aspekte konzentrieren. Von der Schifffahrtindustrie habe ich oft gehört, das Grünbuch durchkreuze bzw. verzögere die Ausarbeitung eines IMO-Übereinkommens. Diese Auffassung teile ich nicht, sondern ich bin vielmehr der Meinung, dass wir als Europäische Union das Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation eher antizipieren und besser auf die Umsetzung vorbereitet sind, wenn die Zeit gekommen ist. Darüber hinaus sind wir als Europäische Union meines Erachtens bereit, schnellstmöglich Abhilfe für die gravierenden Zustände in Südasien zu schaffen.
Es freut mich, dass im Ausschuss für Umweltfragen sowie in den beiden mitberatenden Ausschüssen ein großes Maß an Übereinstimmung zu diesem Thema herrscht. Das ist in jedem Falle ein viel versprechender Anfang. Ich gehe davon aus, dass dieser Ansatz im Plenum Unterstützung findet. Offenbar können die Mitgliedstaaten schon jetzt Maßnahmen ergreifen. Letzte Woche Donnerstag stach die „Otopan“ von den Niederlanden aus Richtung Türkei in See, nachdem die Behörden das Schiff hatten reinigen lassen, wodurch der gesamte Gefahrenmüll beseitigt wurde. Auf der Grundlage der Abfallverbringungsverordnung ist dies möglich. Vorher hatte man keine Ausfuhrgenehmigung erteilt, weil die Bedingungen nicht erfüllt wurden. An besagtem Donnerstag erhielt ich Besuch von einer Delegation der NRO, die sich für das verantwortungsvolle Abwracken von Schiffen in Südostasien einsetzt. Es muss klar gesagt werden, dass diese Leute seit Jahren für ein verantwortungsvolles Abwracken von Schiffen in ihrem Land kämpfen. Diese Menschen dürfen wir nicht im Regen stehen lassen.
Ein Anwalt aus Bangladesch, Menschen aus Indien – sie machen sich schon seit Jahren für diese Sache stark. Nach meinem Dafürhalten müssen wir sie unterstützen und diese Entschließung annehmen. Hoffentlich teilt Kommissar Dimas uns mit, was er in der kommenden Zeit zu unternehmen gedenkt, um in den betreffenden Ländern das verantwortungsbewusste Abwracken von Schiffen zu etablieren und die dafür nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Vor etwa einem Jahr verabschiedete die Kommission das Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen. Seither ist einiges passiert, insbesondere bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die einen Entwurf für ein Übereinkommen über die Wiederverwertung von Schiffen erarbeitet, das im Mai 2009 verabschiedet werden soll. Allerdings haben jüngste Medienberichte erneut die traurige Realität der Abwrackungspraktiken in einigen Teilen Südasiens ans Licht gebracht. Aus diesem Grund freut mich besonders, dass das EU-Parlament die Initiative der Kommission zur Verbesserung der Abwrackungspraktiken unterstützt.
Etwa 90 % aller großen Schiffe, die 2007 weltweit außer Betrieb genommenen wurden, sind an den Küsten Südasiens abgewrackt worden, vor allem in Indien und Bangladesch. Viele dieser Schiffe stammten aus der EU. Nach Schätzungen fährt ein Viertel der Schiffe in der Welt unter der Flagge eines EU-Mitgliedstaates, und ca. 40 % aller Schiffe befinden sich im Besitz von Unternehmen mit Sitz in der EU.
Die Abwrackung an den Küsten Südasiens erfolgt oft unter furchtbaren Bedingungen: Umweltschutzbestimmungen existieren nicht. Arbeiter riskieren ihr Leben. Aus nur wenigen Schiffen sind die darin enthaltenen Gefahrenstoffe vor der Ankunft in den Abwrackungswerften entfernt worden. Was Herr Blokland gerade über die Schiffsreinigung in den Niederlanden gesagt hat, ist sehr bedeutungsvoll. Wenn das Schiff sein Ziel erreicht, werden die Abfallstoffe in einer gefährlichen und umweltschädigenden Art und Weise entfernt. Um eine Lösung für diese Situation zu finden, gibt es bereits internationale Bestimmungen und EU-Gesetze. Gegen das Basler Übereinkommen und die Abfallverbringungsverordnung wird jedoch häufig verstoßen. Die Zielländer beachten diese selten, wobei als Vorwand angeführt wird, das Schiff habe seine letzte Fahrt angetreten.
Nach den uns vorliegenden Zahlen steigt die Anzahl der Schiffe, die das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, stetig, weshalb die fraglichen Bestimmungen entsprechend angepasst werden sollten. Der Entwurf für das IMO-Übereinkommen über die Wiederverwertung von Schiffen signalisiert gewisse Fortschritte in diesem Bereich. Voraussichtlich wird es 2009 angenommen, und wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um das Übereinkommen stark und wirksam zu machen. Allerdings gilt es nicht für Kriegsschiffe, staatseigene Schiffe oder andere Schiffe im Dienste des Staates. Darüber hinaus kann die Umsetzung fünf oder sechs Jahre in Anspruch nehmen. Abgesehen davon wird das Übereinkommen nur Wirkung zeigen, wenn gleichzeitig Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene verabschiedet werden. Einige Mitgliedstaaten haben bereits Maßnahmen ergriffen, wie Herr Blokland erwähnt hat, andere haben noch nicht einmal begonnen, eine Strategie zu entwerfen. Aus diesen Gründen müssen Maßnahmen rechtzeitig und auf EU-Ebene getroffen werden.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen noch einmal für Ihren Bericht und Ihre Unterstützung für die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Bericht enthält interessante und nützliche Ideen, die wir gründlich studieren werden, wenn wir unsere Strategie entwerfen.
Im Besonderen möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Blokland, für seine Anstrengungen sowie Herrn Hammerstein, Herrn Evans und den anderen Mitgliedern des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie und des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr für ihren Beitrag danken.
David Hammerstein, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. − (ES) Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kommissar Dimas und Herr Blokland, für diesen höchst relevanten und notwendigen Bericht, denn auch wenn die Internationale Schifffahrtsorganisation seit einiger Zeit eine neue Rechtsvorschrift über die Abwrackung von Schiffen vorbereitet, damit diese umweltfreundlicher verläuft und für die Arbeiter der Dritten Welt, des Südens, weniger gesundheitsschädlich ist, kann es Jahre dauern, bis sie weltweit ratifiziert und eingehalten wird.
Indessen kann die Abwrackung von Schiffen in den nächsten zehn Jahren Höchstzahlen erreichen, gerade wegen der neuen Bestimmungen über das Verbot von Einhüllenschiffen. Es werden zunehmend mehr Schiffe abgewrackt werden.
Die Europäische Union darf nicht auf eine Änderung in den internationalen Rechtsvorschriften warten; sie muss jetzt handeln, sich an die Spitze des Wandels stellen, Öko-Audits bei der Abwrackung von Schiffen fördern und mit der Industrie einen Fonds einrichten, um die Umweltkosten zu internalisieren sowie den Gemeinschaften im Süden zu helfen, die schon erheblich von den mit diesem Problem verbundenen Umwelt- und Gesundheitskosten betroffen sind.
Weiterhin müssen wir Vorsorgemaßnahmen durch das Prinzip der obligatorischen Ersetzung gefährlicher Stoffe auf Schiffen ergreifen, weil die Schiffe, die zur Abwrackung nach Asien auslaufen, keine Verkehrsmittel sind. Nein. Sie sind Sondermüll, und wir exportieren diese gefährlichen Abfälle, was die europäische Gesetzgebung verbietet. Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und ethisch und moralisch zu handeln.
Robert Evans, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. − (EN) Herr Präsident! Es ist möglich, dass ich am heutigen Abend der einzige Anwesende bin, der mit eigenen Augen die Vorgänge erlebt haben, über die wir gerade sprechen. Als Leiter der Delegation für Beziehungen zu den Ländern Südasiens habe ich Bangladesch besucht und die Schiffswerften gesehen.
Mitten zwischen den Schiffen, die dort zur Reparatur oder zur Abwrackung lagen – und ich muss Ihnen sagen, der Lärm war unerträglich –, lebten, schliefen und kochten ganze Familien in Barackensiedlungen. Kinder spielten zwischen den Schiffen und holten Cricketbälle unter ihnen hervor, während über ihnen Schweißbrenner im Einsatz waren.
Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass europäische Schiffe – und auf keinem von ihnen wehte eine europäische Flagge, denn bis dahin waren sie bereits zu Schiffen des eigenen Landes erklärt worden oder stammten angeblich von irgendwo sonst in der Welt –, unter solchen Bedingungen abgewrackt werden.
Der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr ist der Meinung, dass die EU den Weg weisen und sich für ein weltweites Vorgehen einsetzen sollte, mit dem klaren Ziel, der gegenwärtigen Handhabung der Abwrackung von Schiffen, insbesondere in Teilen Südasiens, ein Ende zu bereiten. Die Abwrackung sollte jedoch nicht gänzlich eingestellt werden, schon gar nicht unverzüglich, wie von Herrn Blokland gefordert, da sie für die betroffenen Länder in wirtschaftlicher Hinsicht eine wichtige Rolle spielt.
Ich gebe dem Berichterstatter Recht, wenn er sagt, dass wir uns um eine weltweite Strategie bemühen müssen, die sicherstellt, dass alle am Verfahren zur Abwrackung von Schiffen Beteiligten ihren Teil der Verantwortung für den Ablauf dieses Verfahrens wahrnehmen – zugunsten von Sicherheit, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz.
Schließlich meine ich, dass wir auch die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen und „sauberen“ europäischen Abwrackungsindustrie unterstützen sollten. Zwischenzeitlich müssen die Mitgliedstaaten sich jedoch zu einer Politik verpflichten, der zufolge staatseigene Schiffe und alte Kriegsschiffe auf sichere und umweltfreundliche Weise abgewrackt werden.
Françoise Grossetête, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ist es akzeptabel, dass unsere abzuwrackenden Schiffe nach Südasien verbracht werden und die dortigen Strände verseuchen, weil wir unsere Verantwortung für das Zerlegen dieser Schiffe nicht wahrnehmen wollen? Südasien, das die meisten unserer Schiffe abnimmt, nimmt damit leider auch schadstoffreiche Materialien wie Asbest, Pyralene, Öle, Kohlenwasserstoff-Schlamm mit auf, die dann im Boden, im Sand, im Meer landen. Und damit noch nicht genug!
Für die Abwrackarbeiten werden Kinder eingesetzt, denn sie können leicht in enge Räume gelangen und bauen dort bedauerlicherweise giftige Materialien ohne die geringsten Schutzvorkehrungen aus. Sie sind billige Arbeitskräfte, die sich so unheilbare chronische Krankheiten zuziehen.
Ethisch gesehen, ist dies nicht hinnehmbar, insbesondere wenn es sich um europäische Schiffe handelt, die so auf den Stränden Indiens, Pakistans oder Bangladeschs enden. Die Europäische Union, die mitverantwortlich für diese sozialen und Umweltprobleme ist, muss in Zusammenarbeit mit der IMO angemessene Maßnahmen ergreifen, um diesem auf wirtschaftliche Anreize zurückgehenden Sozial- und Umweltdumping ein Ende zu bereiten.
Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen und Vorgaben für die Wiederverwertung von Schiffen gemacht werden, wobei auch Zertifizierungs- und Notifikationspflichten einzubeziehen sind. Beim Entwurf und Bau von Schiffen müssen bereits die Aspekte des späteren Recyclings berücksichtigt und die entsprechenden Anlagen vorgesehen werden. Es muss dringend eine Aufstellung der Anlagen erstellt werden, die vom Standpunkt der Menschenrechte, des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit als dafür am besten geeignet angesehen werden.
Weiterhin ist es erforderlich – natürlich ohne Südasien dieses großen Marktes berauben zu wollen –, auch in den europäischen Werften Anlagen vorzusehen, so dass wir selbst diese Abfälle wiederverwerten können, und dann auch ein Zerlegungsverfahren zu entwickeln, das als rationell und umweltverträglich bezeichnet werden kann, wobei all das als Grundlage für ein internationales Abkommen dienen könnte.
Linda McAvan, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Es freut mich, dass die Kommission Vorschläge zu diesem Thema einbringt und sich auch die EU endlich damit befasst, denn das Problem ist uns schon lange bekannt. Die Bedingungen, die Robert Evans soeben beschrieben hat, waren für dieses Parlament nichts Neues, ebenso wenig wie für die Kommission. Trotzdem ist es nun schon Ende Mai 2008. Uns liegt ein Grünbuch vor, und wir erfahren, dass es einen Vorschlag der Kommission geben wird, der im Mai 2009 angenommen werden soll, das heißt zum Ende dieser Kommission und mitten im europäischen Wahlkampf.
Ich frage mich, wie wir jemals mit den Hunderten von Schiffen fertig werden wollen, die die Kommission gezählt hat. Sie weiß, dass ab 2010 800 Einhüllentanker ausrangiert werden müssen. Ich frage mich, ob Sie, Herr Kommissar, sich zu diesem sehr engen Zeitrahmen äußern können, den wir uns selbst für den Erlass eines Gesetzes einräumen. Es wäre zudem besser gewesen, die EU hätte die Gesetzgebung in diesem Parlament vor dem Ende Ihres Mandats vollenden können.
Die sozialistische Fraktion wird Herrn Blokland unterstützen. Wir haben bislang alles unterstützt, was er im Zusammenhang mit diesem Verfahren geleistet hat, und wir danken ihm sehr für seine unermüdliche Arbeit. Wir werden auch die Änderungsanträge unterstützen, die den Vorschlag stärken, nicht jedoch diejenigen, die protektionistischer Art sind. Wir streben nicht an, die Abwrackung von Schiffen in asiatischen Ländern zu unterbinden, da – wie Robert Evans gerade sagte – Arbeitsplätze davon abhängen und Metalle für diese Länder eine wichtige Rohstoffquelle darstellen. Aber wir fordern die Vordekontamination, die – wie Herr Blokland angemerkt hat – durchaus möglich ist. Wir müssen in spezialisierte Vordekontaminationsverfahren in Europa investieren, um für ein wesentlich sichereres Umfeld der Abwrackung in den Entwicklungsländern zu sorgen.
Wir unterstützen zudem die Einrichtung eines Fonds für die Abwrackung von Schiffen. Ich habe gesehen, dass die PPE-DE-Fraktion um getrennte Abstimmungen gebeten hat. Ich hoffe, sie wird morgen im Plenum nicht gegen diesen Fonds stimmen.
Herr Kommissar, ich hoffe, dass wir zügig handeln und eine Regelung treffen, um mit der im Jahr 2010 gewaltig steigenden Zahl der abzuwrackenden Schiffe fertig zu werden.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Meinen Glückwunsch an Herrn Blokland für seinen – erwartungsgemäß – hervorragenden Bericht und die sehr gute Zusammenarbeit mit allen Schattenberichterstattern.
Das Thema dieses Grünbuches ist von großer Bedeutung, und darüber hinaus zutiefst beunruhigend. In vielen Fällen kann die Abwrackung von Schiffen, wie sie gegenwärtig geschieht, zu Recht von vielen Kollegen als kriminell bezeichnet werden, sowohl im Hinblick auf die menschliche Gesundheit als auch im Hinblick auf die Umwelt.
Größtenteils findet diese Abwrackung, wie wir wissen, an Stränden und Flussufern des indischen Subkontinents statt, und auf die grundlegendsten Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Kontamination durch eine Vielzahl giftiger Substanzen, darunter diverse krebserzeugende Stoffe, wird gar kein oder nur sehr geringer Wert gelegt.
Zudem behandelt man die Arbeitnehmer an diesen Abwrackungsstätten mit äußerster Geringschätzung hinsichtlich der ihnen zustehenden Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie ihrer Würde, ganz zu schweigen von der Kinderarbeit unter wahrhaft grausamen Bedingungen, die sich in manchen Fällen kaum von der Kindersklaverei in ihrer einst schändlichsten Ausprägung unterscheidet.
Nur wenige Änderungsanträge wurden eingereicht, die zumeist die Unterstützung des Berichterstatters finden. Seiner Haltung werden wir folgen, mit Ausnahme von Änderungsantrag 1. Wir haben keine vernünftige Erklärung dafür gefunden, warum er nicht Herrn Bloklands Zustimmung findet, und werden für ihn stimmen. Wir sind zuversichtlich, dass es uns andere gleichtun werden.
Hoffen wir, dass durch unsere volle Unterstützung des Grünbuchs die Abwrackung von Schiffen – bedauerlicherweise eine gänzlich unvermeidbare Notwendigkeit in der Schifffahrt – künftig auf eine ökologisch, sozial und hygienisch unbedenkliche Weise erfolgt, und dass sie der Bevölkerung der Entwicklungsländer dringend benötigte, jedoch rechtmäßig und in sicheren Umständen verdiente Einnahmen sichern wird.
Hoffen wir auch, dass die in diesem Bericht dargelegten Ideen schnellstmöglich in Gesetzesform gebracht werden und dass der Geltungsbereich des Berichts auf Kriegs- und Handelsschiffe ausgeweitet wird.
Im Übrigen bin ich wie meine Vorredner der Meinung, dass unser Endziel in einer weltweit anerkannten Strategie für die Abwrackung von Schiffen bestehen sollte.
Kartika Tamara Liotard, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Zunächst möchte ich meinem Kollegen Hans Blokland herzlich zu seinem ausgezeichneten Bericht gratulieren. Nach meinem Dafürhalten hat er die enormen Probleme, die durch das Abwracken europäischer Schiffe in armen Ländern verursacht werden, sehr treffsicher skizziert. Sowohl im Hinblick auf Arbeitsbedingungen als auch die Umwelt sind die Konsequenzen häufig dramatisch. Die EU darf vor ihrer diesbezüglichen Verantwortung nicht davonlaufen.
Herr Blokland befürwortet unter anderem strengere internationale Gesetze. Sicher bin ich eine Verfechterin solcher Gesetze, aber ich fürchte, es wird viel zu lange dauern, bis auf diese Weise greifbare Ergebnisse erzielt werden. Europa muss jetzt handeln und kann nicht auf den Rest der Welt warten. Es bedarf einer sinnvollen Regelung für die Abwrackung von Schiffen, die eine Bestimmung beinhalten sollte, nach der europäische Schiffe prinzipiell nur außerhalb der EU abgewrackt werden dürfen, wenn die Eigner nachweisen können, dass dafür in Europa keine Möglichkeiten bestehen. Darüber hinaus sollten zur Abwrackung bestimmte Schiffe, die Asbest oder andere Gefahrenstoffe enthalten, grundsätzlich auf europäischem Hoheitsgebiet abgewrackt werden.
Wir können nicht zulassen, dass unser Müll anderswo in der Welt für großes Elend sorgt. Sobald ein Schiff nicht mehr für den Gebrauch geeignet ist, darf es nicht länger als Schiff betrachtet werden. Es handelt sich dann um Abfall, der dementsprechend behandelt werden muss. Bei anderem Gefahrenmüll gestatten wir die Ausfuhr aus der EU nicht ohne Garantien bezüglich der Weise, in der er verarbeitet wird. Folglich gibt es keinen Grund, selbiges nicht mit Schiffswracks zu tun.
Wie in der gesamten europäischen Abfallpolitik sollte der Schwerpunkt auf der Verarbeitung innerhalb der EU liegen. Letztlich würde eine Politik des Naming and Shaming von Reedern und Mitgliedstaaten, die ihre Schiffe auf umwelt- und menschenunfreundliche Weise abwracken lassen, einen ersten wirksamen Schritt darstellen, mit dem wir morgen bereits beginnen könnten. Die Verantwortung für die verantwortungsbewusste Abwrackung eines Schiffes muss immer beim Eigner liegen. Folglich obliegt es den Mitgliedstaaten zu kontrollieren, dass dies ordnungsgemäß geschieht.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich danke Ihnen für Ihre hervorragende Arbeit, ebenso auch Herrn Blokland.
Das vorliegende Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen ist – allen Ernstes – ein klassisches Beispiel für das globale Ungleichgewicht infolge der industriellen Entwicklung und der Bemühungen der vielen unterschiedlichen Institutionen, endlich etwas gegen deren negative Folgen zu unternehmen. Die Verantwortung der Industrieländer rückt in solchen Situationen, in denen die Entwicklungsländer unter unerträglichen sozialen und ökologischen Schäden leiden, weil andere ihre wirtschaftlichen Vorteile verfolgen, zu Recht in den Vordergrund.
Die negativen Auswirkungen der Abwrackung von Schiffen sind besonders eklatant. Angesichts der größeren Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen, die die Industrieländer zu berücksichtigen haben, werden die meisten Seeschiffe weltweit in Bangladesch, Pakistan und Indien abgewrackt und das oft unter sehr primitiven Bedingungen. Die Abwrackwerften entsprechen kaum den gesundheitlichen und ökologischen Standards, und Menschen in Shorts und Sandalen haben Umgang mit toxischen Stoffen wie Asbest. Auch Kinderarbeit ist weit verbreitet.
Die Gleichung ist schwierig. Schiffsabwrackung ist für diese Länder ein profitables Geschäft, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Beschäftigung und die finanziellen Vorteile, sondern auch unter dem Aspekt der Gewinnung von Rohstoffen. Beispielsweise gewinnt Bangladesch 80-90 % seines Stahls aus abgewrackten Schiffen. Gleichzeitig machen niedrige Lohnkosten und das Fehlen grundlegender Standards dies zu einem wirtschaftlich attraktiven Geschäft, was in der Praxis zu Umweltdumping und einer menschlichen Tragödie enormen Ausmaßes führt.
Das unrentable Abwracken innerhalb der EU mittels Beihilfen auszuweiten, stellt jedoch keine dauerhafte Option dar. Stattdessen sollte es direkte Hilfsmaßnahmen für jene Entwicklungsländer geben, die im Abwrackgeschäft tätig sind, um die ökologischen und sozialen Nutzeffekte weitestgehend zu vervielfachen. Wenn Schiffe erst einmal teilweise demontiert und gereinigt wurden, sind sie praktisch nicht mehr seetüchtig, und nachdem beispielsweise der Asbest entfernt worden ist, können die meisten Schiffe nicht mehr bewegt werden.
Aus diesem Grund sollten sich Hilfsmaßnahmen auf die Errichtung von zertifizierten Abwrackwerften konzentrieren, wo die eingesetzten Abwracktechniken den westlichen Vorstellungen von Sicherheit und Umweltfreundlichkeit entsprechen. Weltweit sollte es für die Reedereien eine Liste der zugelassenen Abwrackwerften geben, und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) sollte eine Schlüsselrolle bei deren Zertifizierung spielen, um das System wirklich international zu gestalten. Dies würde die Gleichung auflösen. Die Entwicklungsländer brauchen die wirtschaftlichen und materiellen Vorteile des Abwrackens, und die Reedereien in den Industrieländern, die unter wachsenden Druck stehen, brauchen eine Änderung der Situation.
Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Herr Präsident! Einige Worte der Anerkennung für den Berichterstatter, Herrn Blokland, der wie immer ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Herr Evans hat gesagt, er habe gesehen, wie Schiffe in Bangladesch abgewrackt werden. Jenseits der polnischen Grenze, die auch die Ostgrenze der EU bildet, habe ich Beispiele für die „Nicht-Abwrackung“ von Schiffen gesehen. Mit anderen Worten – irgendwo an der Küste sind Fischereifahrzeuge, Passagierschiffe und Frachter, ja selbst Militärschiffe versenkt und vom Wasser überspült worden. Wir sprechen hier also von einem ersten Schritt und das ist die Abwrackung. Der zweite Schritt wäre dann eine Art Abwrackpflicht und der dritte dann schließlich das Recycling, also die Bestimmung, welches Material für den Bau des Schiffes verwendet wurde, wie es im Schiff verbaut worden ist und wie diese Werkstoffe zurückgewonnen werden können. Das ist der Prozess, den wir in Angriff nehmen wollen. Da ich Ökonom bin und nicht Idealist, glaube ich, dass der vor uns liegende Weg noch weit ist, aber es ist auch sehr positiv, dass wir uns jetzt auf diesen Weg begeben. Bleibt zu hoffen, wir finden draußen in der Welt Nachahmer.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Auch ich möchte Herrn Blokland zu seinem Bericht gratulieren. Als Reaktion auf die Unfälle, an denen Öltanker wie die „Erika“ und die „Prestige“ beteiligt waren, hat die Union die internationalen Rechtsvorschriften und Bestimmungen für die schrittweise Ausrangierung von Einhüllenöltankern angenommen. Bis 2015 werden Schätzungen zufolge rund 1 300 Einhüllenöltanker aus dem Verkehr gezogen und zum Abwracken geschickt.
Die Kosten für die Abwrackung von Schiffen sind sehr hoch und machen das Recycling von Schiffen aus wirtschaftlicher Sicht unmöglich. In vielen Mitgliedstaaten gibt es noch immer Schiffe, die sehr alt und in schlechtem Zustand sind und an der Küste oder sogar an den Küsten von Binnengewässern vor Anker liegen. Daher sollte meines Erachtens Deltas und Mündungsgebieten, in denen gestrandete Schiffe die Umwelt schädigen könnten, besondere Beachtung geschenkt werden. Oft blockieren gestrandete Schiffe zeitweilig Wasserstraßen und verursachen so erheblichen wirtschaftlichen Schaden.
Seit 2005 arbeitet die Internationale Seeschifffahrtsorganisation an der Umsetzung eines obligatorischen internationalen Systems zur umweltverträglichen Abwrackung von Schiffen, zu dem auch die Europäische Union einen Beitrag geleistet hat. Das künftige internationale Übereinkommen und die verantwortungsvolle Einbeziehung der Mitgliedstaaten werden für die Lösung der Probleme bei der Abwrackung von Schiffen unerlässlich sein.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die hochkarätige Debatte am heutigen Abend. Ihr Bericht ist ausgesprochen ermutigend, was die Vorschläge der Kommission betrifft.
Gestatten Sie mir, drei Themenbereiche anzusprechen, auf die Sie eingegangen sind. Erstens rufen Sie die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Abfallverbringungsverordnung wirksamer durchzusetzen. Des Weiteren fordern Sie die Kommission auf, eine Liste von Schiffen zu erstellen, die in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit in Abwrackungswerften verbracht werden. Wir werden die Möglichkeit der Ausarbeitung einer solchen Liste prüfen. Wie Frau Grossetête vorgeschlagen hat, sollten auch die Einrichtungen aufgeführt werden, die höhere Standards erfüllen. Außerdem stimmen wir zu, dass für Schiffe, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben, strengere Auflagen für die Verbringung von Abfall gelten sollten.
Die Kommission plant, die erforderlichen Richtlinien bereitzustellen. Ich erwarte von den Behörden der Mitgliedstaaten, dass sie dafür Sorge tragen, dass keine Schiffe EU-Häfen verlassen dürfen, wenn sie eindeutig für die Abwrackung in Entwicklungsländern bestimmt sind. Darüber hinaus sollte angesichts der Tatsache, dass die meisten Schiffe europäischer Herkunft außerhalb von EU-Gewässern abgewrackt und verschrottet werden, ein international verbindliches Regime in Kraft gesetzt werden.
Zweitens sollte die Frage des Aufbaus einer wettbewerbsfähigen Industrie für die Abwrackung und Vorreinigung von Schiffen in der Europäischen Union geprüft werden, ohne dabei die Lebensfähigkeit der Abwrackwerften in Südasien zu gefährden. Die europäischen Schiffswerften sind gegenwärtig nicht in der Lage, mit den südasiatischen Abwrackwerften zu konkurrieren. Folglich geht es keinesfalls darum, den Hauptteil des Marktes für die Abwrackung von Schiffen beizubehalten bzw. die Masse künstlich nach Europa zurückzubringen. Sicherstellen lässt sich jedoch die Forderung, dass Kriegsschiffe, andere staatseigene Schiffe und staatlich subventionierte Schiffe ausschließlich in Einrichtungen abgewrackt werden dürfen, die in Europa oder OECD-Staaten umweltfreundlich betrieben werden. Möglicherweise ließe sich auch fordern, dass Schiffe, die unter der Flagge eines Mitgliedstaates fahren, ausschließlich in zugelassenen und zertifizierten Einrichtungen abgewrackt werden. Die Vorreinigung sollte gang und gäbe werden, damit sie praktikabel wird.
Abschließend stelle ich fest, dass Sie den Vorschlag für die Errichtung eines Fonds für die Abwrackung von Schiffen unterstützen. Sie fordern die Kommission auf, die Möglichkeiten der Einführung einer Pflichtversicherung als Garantie für das umweltfreundliche Recycling zu überprüfen. Die Kommission wird die bestehenden Optionen prüfen. Die im Schifffahrtssektor zuständigen Stellen haben uns darüber informiert, dass das neue internationale Übereinkommen über das Recycling von Schiffen Marktkräfte einbeziehen wird, um das Problem der Abwrackung von Schiffen zu lösen. Wir wollen mit Sicherheit keine unnötigen administrativen oder finanziellen Belastungen hervorrufen. Auf jeden Fall werden wir die Entwicklungen genauestens beobachten. Wir werden nicht zögern, regulative Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Markt weiterhin nicht in der Lage ist, eine Lösung für das Problem zu bieten. Ihre fortgesetzte Unterstützung ist von entscheidender Bedeutung für eine Verbesserung der Abwrackungsbedingungen.
Johannes Blokland, Berichterstatter. − (NL) Zuerst möchte ich allen Rednerinnen und Rednern für ihre anerkennenden Worte danken, vor allem auch Herrn Kommissar Dimas. Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen.
Meiner Ansicht ist die Einrichtung eines Fonds für die Abwrackung von Schiffen von äußerster Wichtigkeit. Dieser Fonds sollte durch Beiträge von Reedern und natürlich nicht durch staatliche Beihilfen gespeist werden. Meines Erachtens ist das nicht erforderlich. Wie der Fonds für die Verschrottung von Altwagen wird sich auch dieser Fonds mit der Zeit selbst tragen. Es freut mich, dass die Überlegungen des Herrn Kommissar ebenfalls in diese Richtung gehen. Zügiges Handeln ist gefragt, weshalb es vielleicht auch sinnvoll wäre, schnellstmöglich eine Vereinbarung mit den europäischen Reedern zu treffen, damit sie ihre Schiffe in jedem Falle verantwortungsbewusst abwracken lassen können. Meines Wissens lässt die Reederei P&O Nedlloyd Mask an die zwanzig Schiffe auf verantwortungsvolle Weise in China abwracken, insbesondere auch, indem man dafür gesorgt hat, dass Anlagen errichtet wurden, in denen dies möglich ist.
Nach meinem Dafürhalten sind wir zudem verpflichtet, insbesondere Reeder auf ihre gesellschaftliche Verantwortung hinzuweisen und ihnen klar zu machen, dass ihr Vorgehen ein Ende haben muss, genauer gesagt, ein Schiff für viel Geld zu verkaufen. In der Folge wird es noch zehn Mal verkauft, bevor es endgültig abgewrackt wird. Für das Problem der Abwrackung muss eine ganz andere Lösung gefunden werden. Meiner Meinung nach lassen sich die Reeder wohl dazu bewegen, vor allem angesichts der negativen Öffentlichkeit der letzten Jahre in dieser Sache.
Die Abwrackung erfolgt außerdem häufig im Widerspruch zu lokalen Gesetzen und entgegen dem Willen der Sozial- und Umweltministerien. Ich habe mir auch sagen lassen, dass in Bangladesch nicht die nationale Gesetzgebung ein Problem darstellt, sondern die Durchsetzung der Gesetze. Darum gibt es meiner Auffassung nach hinreichende Möglichkeiten, von denen jedoch kein Gebrauch gemacht wird.
Herr Matsakis hat sich erkundigt, was ich eigentlich gegen seinen Änderungsantrag einzuwenden habe. Der Punkt ist, dass mit dem betreffenden Antrag der Anschein erweckt wird, in Entwicklungsländern dürften die mit der Abwrackung von Schiffen verbundenen umweltschädigenden Bedingungen nicht länger fortbestehen. Natürlich dürfen sie nirgends fortbestehen, auch beispielsweise nicht in Osteuropa, wo Schiffe vereinzelt nach wie vor auf unverantwortliche Weise abgewrackt werden. Daher ist es überflüssig, sich ausschließlich auf die Entwicklungsländer zu konzentrieren, vor allem, wenn an späterer Stelle bestimmt wird, dass die Abwrackung nicht in Gegenden wie dem Fernen Osten erfolgen darf. Nach meinem Dafürhalten ist der Zusatz deshalb unnütz.
Die Änderungsanträge von Frau Liotard kann ich leider nicht unterstützen, weil sie zu protektionistisch ausfallen. Herr Liberadzki hat ein wichtiges Problem aufgezeigt, nämlich, dass auch anderswo Schiffe gelagert werden, die vor sich hinrosten, ohne dass etwas mit ihnen passiert. Auch dieser Punkt muss angesprochen werden. Ich möchte allen noch einmal herzlich danken und möchte es dabei belassen.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen statt.
23. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll