Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das große Vergnügen, eine Delegation des Mexikanischen Kongresses unter Leitung von Herrn Senator Guadarrama zu begrüßen, die auf der Ehrentribüne Platz genommen hat. Herzlich willkommen!
(Beifall)
Die Delegation nimmt heute an dem VI. Treffen des Gemeinsamen Parlamentarischen Ausschusses zwischen dem Europäischen Parlament und Mexiko teil. Mexiko ist ein enger Partner der Europäischen Union, und dieses Treffen findet zu einem wichtigen Zeitpunkt in den Beziehungen zwischen Mexiko und der Europäischen Union statt. Der Lima-Gipfel letztes Wochenende hat gezeigt, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Ich hatte auch Gelegenheit, mit Ihrem Präsidenten, Felipe Calderón, zu sprechen.
Die Gemeinsame Parlamentarische Delegation wird heute Nachmittag ebenfalls über die Klimaveränderungen beraten, so dass ich sicher bin, dass Sie die jetzige Plenardebatte mit Interesse verfolgen werden. Ich wünsche unseren mexikanischen Kolleginnen und Kollegen und Freunden noch einen erfolgreichen Aufenthalt in Straßburg.
3. Wissenschaftliche Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Zwischenbericht von Karl-Heinz Florenz über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen (2008/2001(INI)) (A6-0136/2008).
Karl-Heinz Florenz, Berichterstatter. − Herr Präsident, verehrter Herr Kommissar, Herr Ratspräsident, herzlich willkommen im Europäischen Parlament! Warum macht sich die Europäische Union auf den Weg, einen nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel zu entwickeln? Es war richtig, dass wir ein Gesamtkonzept vorstellen, wie wir, die Europäische Union, gedenken, mit diesem Thema umzugehen. Wenn wir international – wie das Stavros Dimas erfolgreich für die Kommission tut – helfen wollen, dass dieses Thema auf der Tagesordnung bleibt, müssen wir als Europäische Union bzw. als Parlament sagen, was unser Konzept ist, was also unsere Visitenkarte zu diesem Thema ist. Es geht letztlich darum, dass Europa zeigt, wie wir das Thema behandeln, wie wir vorangehen, um andere Länder und andere Kontinente zu bewegen, mit uns in die gleiche Richtung zu gehen. Deswegen ist es richtig, dass wir mit dem wissenschaftlichen Teil dieser Debatte anfangen; darum es geht heute.
Ein solcher Teil kann niemals ein attraktiver Bericht sein, weil er sich immer mit dem Status quo auseinandersetzt. Da kann man nicht wie auf dem Pferdemarkt hier ein bisschen dazu geben und dort ein bisschen wegnehmen, sondern da muss man sich mit den Fakten auseinandersetzen. Diese Fakten haben wir in vielen thematischen Strategien, in deren Rahmen wir zwei Nobelpreisträger nach Brüssel und nach Straßburg eingeladen haben, zusammengetragen. Sie, Herr Präsident, haben eine exzellente Veranstaltung durchgeführt und eine sehr beachtliche Rede zum Klimawandel gehalten, was mich sehr erfreut hat und was mir eine Menge an Kraft gegeben hat.
Wir haben viele Experten aus weltweiten internationalen Gruppen hören können, unter der hervorragenden Leitung meines guten Freundes Guido Sacconi, der die Sachen gut gemanagt hat. Auch Kritiker haben wir einladen können, aber leider Gottes sind nicht alle gekommen, weil sie sich dem internationalen Wettbewerb dieser Kritik nicht aussetzen wollen. Kritik zu schreiben, sie dann aber nicht in einem Gremium prüfen zu lassen, ist kein heldenhaftes Verhalten. Ich hätte mir gewünscht, dass der eine oder andere Kritiker wirklich gekommen wäre und sich international der Debatte gestellt hätte.
Wir haben viele hervorragende Dokumente gelesen. IPCC, der Weltklimarat, war da, wir haben die Weltagrarorganisation gehört, wir haben die UNO-Umweltorganisation gehört, wir haben die Klimakonferenz der Bundesrepublik Deutschland gehört sowie viele andere, was dazu geführt hat, dass wir jetzt die Fakten auf dem Tisch haben. Das ist kein Kampfpapier, wie meine Freunde hier und da behaupten, sondern es ist ein Zustandsbericht, der eine Plattform dafür bieten soll, wie wir in Zukunft weitermachen. Die Argumente zeigen deutlich, dass es einen wissenschaftlichen Konsens gibt, mit dem wir jetzt weiterarbeiten können. Es gibt einen Konsens darüber, wie der anthropogene Einfluss des Menschen zu beurteilen ist – das ist der Artikel 3. Wir haben hinreichende Informationen darüber, dass das Ziel – zwei Grad in Zukunft nicht zu überschreiten – ein wichtiges ist.
Worum geht es denn jetzt in Zukunft? Es geht darum, dass wir in Europa die Kraft, zu einer neuen, dritten industriellen Revolution aufbringen, die die drei Säulen der Nachhaltigkeit beinhaltet, nämlich die Nachhaltigkeit der Produkte, die soziale Komponente und natürlich die wirtschaftliche Komponente. Das ist keine Belastung, das ist eine riesengroße Chance, die wir als eine Vision weiterentwickeln müssen.
Denn eines steht fest: Die Klimadebatte ist nur ein kleiner Teil unseres Problems. Wir haben eine Nachhaltigkeitsdebatte zu führen, denn wir verheizen im Moment in nur 500 Jahren Energien, die über Jahrmillionen entstanden sind, und wir haben überhaupt keine Antwort darauf, wie denn unsere Kinder und Kindeskinder in Zukunft ihre Energie entwickeln können.
Das ist die große Chance. Wir brauchen Mut zur Fantasie. Die Steinzeit ist nicht zu Ende gegangen, weil wir keine Steine mehr haben. Ich sage Ihnen, die Steinzeit ist glücklicherweise zu Ende gegangen, weil wir Politiker hatten, die Mut haben – Mut für die Zukunft, Mut für unsere Kinder und Mut für diesen Planeten.
(Beifall)
Der Präsident. − Vielen Dank, Karl-Heinz Florenz, auch für die freundlichen Worte an den Präsidenten. Es ist eher die Ausnahme, dass so etwas Freundliches zum Ausdruck gebracht wird. Da ich hier objektiv und neutral bin, will ich nicht darauf hinweisen, dass man gerade aus der eigenen politischen Familie besonders wenig Lob empfängt. Also, es war ein außergewöhnlicher Vorgang, der sich hier heute Morgen abgespielt hat!
Janez Podobnik, amtierender Ratspräsident. − (SL) Herr Präsident, Herr Florenz, meine Damen und Herren!
Der Nachweis, dass der Mensch für die bedeutenden Veränderungen im Klimasystem mitverantwortlich ist und dass diese Veränderungen bereits einen negativen Einfluss auf die Natur und die menschliche Gesellschaft haben, liegt jetzt vor. Fest steht ebenfalls, dass die weltweite Durchschnittstemperatur weiter steigen und dies Schäden und Störungen zur Folge haben wird, wenn wir nicht umgehend handeln und die Treibhausgasemissionen in diesem Jahrhundert beträchtlich reduzieren.
Der vierte Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), der im November 2007 in Spanien veröffentlicht wurde, ist die bislang umfassendste und zuverlässigste wissenschaftliche Bewertung des Klimawandels. Im Bericht wird festgestellt, dass sich das Klimasystem zweifellos erwärmt und dass der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur während der letzten 50 Jahre mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die anthropogene Konzentration der Treibhausgase verursacht wurde.
Die vom IPCC seit 1990 veröffentlichten diesbezüglichen Sachstandsberichte zeigen, dass in den letzten Jahren bei der Untersuchung des Klimawandels und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen bedeutende Fortschritte gemacht wurden. Das ist auf etliche Gründe zurückzuführen: die ständig zunehmenden Hinweise darauf, dass sich das Klima tatsächlich ändert, die intensive Arbeit der Wissenschaftler und eine verbesserte Verbreitung wissenschaftlicher Entdeckungen.
Wie im Zwischenbericht von Herrn Florenz dargelegt wird, in dem unserer Meinung nach einige sehr wichtige neue Aspekte hinsichtlich der beschriebenen, derzeit bekannten Probleme zu Tage treten, ist die Situation gravierend genug, um die unmittelbare Entwicklung und Verwirklichung von Strategien, die zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen, zu rechtfertigen. Bekanntlich hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs deshalb im März des vergangenen Jahres beschlossen, eine energische Botschaft mit Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen an die internationale Gemeinschaft auszusenden.
Die Europäische Union ist entschlossen, durch eine integrierte Herangehensweise an die Klima- und Energiepolitik diese Verpflichtungen zu erfüllen. Zweitens will sie der Energieeffizienz, erneuerbaren Energiequellen, Biokraftstoffen, der Abscheidung und Lagerung von CO2 sowie generell dem Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft besondere Aufmerksamkeit widmen.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, ferner an die jüngsten Entschlüsse des Europäischen Rates erinnern. Wie ich bereits erwähnte, hat die Europäische Union im vergangenen Jahr resolute und umfangreiche Verpflichtungen zur Klima- und Energiepolitik übernommen. Jetzt, im Jahr 2008, ist es Zeit zu handeln.
Auf der Klimakonferenz, die im Dezember vergangenen Jahres in Bali stattfand, wurde mit dem Beginn eines internationalen Verhandlungsprozesses, der jeden einschließt, die Industriestaaten und die Entwicklungsländer, ein wichtiger Durchbruch erzielt. Dieser Prozess wurde im Aktionsplan von Bali dargestellt. Die Europäische Union ist fest entschlossen, ihre führende internationale Rolle im Bereich Klimawandel und Energie aufrechtzuerhalten und bei den Verhandlungen im Rahmen des Übereinkommens der Vereinten Nationen, insbesondere während eines der nächsten, in diesem Jahr in Poznan/Posen stattfindenden Treffens, den nötigen Schwung beizubehalten. Es muss sichergestellt werden, dass in Kopenhagen 2009 ein ehrgeiziges, globales und integriertes Übereinkommen zum Klimawandel für den Zeitraum nach 2012 zustande kommt, das sich im Einklang mit den Zielen der Europäischen Union befindet, den weltweiten Temperaturanstieg auf maximal 2o C zu begrenzen. Durch Erfüllung der Vorgaben, die während des Frühjahrsgipfels des Europäischen Rates im Jahr 2007 festgelegt wurden, wird die Europäische Union einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten.
Die Hauptaufgabe besteht darin, den Übergang zu einer sicheren und nachhaltigen CO2-armen Wirtschaft so zu gestalten, dass er den Erfordernissen der nachhaltigen Entwicklung der Europäischen Union, ihrer Wettbewerbsfähigkeit, einer zuverlässigen Energieversorgung, der Ernährungssicherheit sowie gesunder und nachhaltiger öffentlicher Finanzen entspricht.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die heutige Gelegenheit, den Zwischenbericht des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel zu erörtern, und beglückwünsche den Berichterstatter, Herrn Florenz, zu seiner ausgezeichneten Arbeit.
Der Bericht bestätigt, dass das Europäische Parlament die ehrgeizige Politik der Gemeinschaft zur Bekämpfung des Klimawandels unterstützt. Bei dieser Gelegenheit, Herr Präsident, möchte ich allen Mitgliedern des Europäischen Parlaments für ihre anhaltende Unterstützung und ihren so wichtigen Beitrag zur Förderung unserer Klimapolitik, der Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Information von Abgeordneten aus anderen Ländern danken. Herr Präsident, ich möchte zudem die wichtige Rolle herausstellen, die Sie bei der Förderung der EU-Politik zum Klimawandel gespielt haben. Ich bin sicher, dass Sie und die Mitglieder des Europäischen Parlaments auch weiterhin mit dem gleichen Engagement bei der Sache sein werden, sodass wir in den nächsten knapp zwei Jahren bis Kopenhagen Ende 2009 eine Einigung erzielen und damit dieser großen globalen Bedrohung wirksam entgegentreten können. Sowohl in der EU, wo die Diskussion über Maßnahmenpakete in der Klima- und Energiepolitik intensiver wird, als auch in internationalen Verhandlungen müssen wir alle unsere Kräfte aufbieten und so gut wie möglich zusammenarbeiten. Wir müssen mit Blick auf die Kopenhagener Konferenz im Dezember 2009 den Vorsprung der EU ausnutzen.
Zwei Faktoren haben uns dabei geholfen, die wichtigen Entscheidungen von Bali zu erreichen: Europas Position als weltweit führende Kraft bei der Bekämpfung des Klimawandels und die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC). Dank dieser Erkenntnisse haben viele führende Politiker der Welt anerkannt, dass unbestreitbar dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die wissenschaftlichen Berichte ermöglichen es den Bürgern und den politisch Verantwortlichen einschließlich der Parlamentsmitglieder in verschiedenen Ländern, das Ausmaß der Herausforderung und die gravierenden Gefahren, die vor uns liegen, wenn wir nichts unternehmen, um den Klimawandel aufzuhalten, besser zu verstehen. Meines Erachtens sind wir uns fast alle einig, dass es in der Tat wissenschaftlich erwiesen ist, dass es dringend mutiger Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels bedarf. Der vorliegende Zwischenbericht fasst diese Maßnahmen zusammen. Deutlicher als je zuvor spiegelt er die wissenschaftliche Botschaft, die der IPCC und andere Quellen im Jahre 2007 vermittelt haben, wider.
Die wissenschaftliche Diskussion, inwieweit die Ursache des Klimawandels die Eingriffe des Menschen sind, wurde jahrzehntelang geführt, weil die Skeptiker verhindert haben, dass entscheidende Maßnahmen ergriffen wurden. Nun aber ist die Debatte vorüber. Das heißt allerdings nicht, dass alle Fragen beantwortet sind oder dass wir alle Einzelheiten begriffen hätten. Aber wir wissen jetzt genug, um zu dem Schluss zu gelangen, dass rasche ehrgeizige Maßnahmen unter dem Gesichtpunkt der Energiesicherheit und unter wirtschaftlichen, umweltpolitischen und sozialen Gesichtspunkten in unserem Interesse liegen. Wir können uns nicht nur nicht den Luxus leisten abzuwarten, sondern schlimmer noch, uns bleibt nur sehr wenig Zeit. Wenn wir die globale Erwärmung auf 2°C begrenzen wollen – die Schwelle, jenseits derer wir die Umweltwirkungen nicht mehr kontrollieren oder umkehren können –, müssen die Treibhausgasemissionen spätestens innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre ihren Höhepunkt erreichen.
Wenn wir eine gute Chance haben wollen, die 2°C nicht zu überschreiten, müssen langfristig die globalen Emissionen im Jahre 2050 auf 50 % des Niveaus von 1990 gesenkt werden. Um das zu erreichen, bedarf es eines radikalen Wandels bei der Energieerzeugung und -nutzung. Weltweit muss es eine Umstellung auf eine Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß geben, und in vielen Bereichen unseres Alltagslebens sind kleine, aber wichtige Änderungen erforderlich. Was wir brauchen, ist nicht mehr und nicht weniger als eine grüne Revolution.
Die Berichte des IPCC haben deutlich gemacht, dass selbst bei ehrgeizigen Maßnahmen zur Senkung der Emissionen einige gravierende Auswirkungen des Klimawandels wohl unvermeidlich sind. Daher muss sich die internationale Gemeinschaft auf sie vorbereiten und vor allem die verletzlichsten Entwicklungsländer, vor denen die schwersten Probleme liegen, unterstützen.
Ich komme nun zu den UNO-Verhandlungen. Bekanntermaßen haben wir nicht viel Zeit, denn unsere höchste Priorität besteht darin, in Kopenhagen 2009 eine Einigung zu erzielen. Die Unterzeichnung eines substanziellen und umfassenden Abkommens, das den durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse diktierten ehrgeizigen Zielen gerecht wird, stellt eine außerordentliche Herausforderung dar. Unsere internationalen Partner davon zu überzeugen, dieses ehrgeizige Abkommen zu unterzeichen, ist unser Ziel, und es wird gewaltiger Anstrengungen bedürfen. Daher muss die EU ihrer bisher erfolgreichen Strategie treu bleiben. Das heißt, wir müssen bei uns zuhause positive Ergebnisse erzielen und unseren internationalen Partnern draußen demonstrieren, dass ehrgeizige Maßnahmen weder ihren Interessen widersprechen noch ihrer wirtschaftlichen Entwicklung im Wege stehen.
Eine der Herausforderungen besteht darin, die Beteiligung der Industrieländer sicherzustellen, um die Emissionen auf ein für das 2°C-Ziel erforderliches Niveau zu senken. Das bedeutet, dass sie ihre Emissionen gegenüber dem Niveau von 1990 um 25-40 % verringern müssen. Ich möchte in dieser Frage ganz offen sprechen. Wir rufen die Vereinigten Staaten auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen; anstatt den Fortschritt zu behindern, müssen sie ihn befördern. Wie Sie während Ihres jüngsten Besuchs in den USA festgestellt haben werden, bewegt sich die dortige Diskussion langsam in die richtige Richtung, aber natürlich erwarten wir viel mehr von den USA.
Wir müssen nicht nur gegenüber den Industrieländern, sondern auch gegenüber den Entwicklungsländern, insbesondere den fortgeschritteneren, auf ehrgeizige Verpflichtungen zum Emissionsabbau hinarbeiten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Emissionen zu verringern; sie bringen für Energiesicherheit, Gesundheit und wirtschaftliche Entwicklung allgemein einen bedeutenden Zusatznutzen mit sich. Derartige Maßnahmen müssen im für 2009 erwarteten Abkommen vorgesehen und gefördert werden. Meines Erachtens befinden wir uns auch hier auf dem richtigen Weg. Es gibt eine erhöhte Sensibilität dafür, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels unerlässlich sind. Zugleich wird auch ihr zusätzlicher Nutzen anerkannt, sei es für die Energiesicherheit, die Gesundheit oder die wirtschaftliche Entwicklung. Für Letztere wird es nicht nur keine Risiken geben, sondern sie wird vermutlich davon profitieren.
Der jüngste Besuch von Vertretern der Kommission in China hat bestätigt, dass sich unsere chinesischen Kollegen vollauf der Tatsache bewusst sind, dass im Land Maßnahmen ergriffen werden müssen. Sie haben bereits damit begonnen und wollen ihre Anstrengungen fortsetzen. Wir müssen sie sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene unterstützen. In den kommenden Monaten und im nächsten Jahr werden wir vielfach Gelegenheit haben, unsere Botschaft zu vermitteln. So stehen etwa der G8-Gipfel und die Konferenz G8+5 bevor, auf der sich die japanische Präsidentschaft auf den Klimawandel konzentrieren wird. Weitere Gelegenheiten bieten die Initiative für die weltweit führenden Volkswirtschaften unter der Schirmherrschaft der UNO sowie die verschiedenen Kooperationsprogramme der EU zum Klimawandel. Wir werden alle diese Gelegenheiten nutzen, um unsere Partner davon zu überzeugen, dass es dringender Maßnahmen bedarf und dass eine vernünftige, nachhaltige Energie- und Klimapolitik verfolgt werden muss. In diesem Bemühen müssen wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die wir uns stützen, systematisch in den Vordergrund rücken. Ferner müssen wir immer wieder daran erinnern, welche Folgen Untätigkeit oder unzureichende Maßnahmen haben würden.
Bekanntlich wird die gemeinsame Vision im Rahmen der Roadmap von Bali Gegenstand von Verhandlungen sein. Von größter Bedeutung ist, dass dies auf Grundlage der uns vorliegenden renommierten wissenschaftlichen Gutachten geschieht. Wir müssen darauf pochen, dass die Verhandlungen im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse geführt werden. Ich bin davon überzeugt, dass Sie eine ebenso wichtige Rolle wie die Kommission zu spielen haben, denn es geht darum, unseren Partnern, den Bürgern und ihren parlamentarischen Vertretern diese entscheidende Botschaft zu vermitteln.
Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich entschuldige mich für die Verspätung, aber ich habe versucht, die Geschwindigkeit niedrig zu halten, um unser Klima zu schützen.
In unserer heutigen vordringlichen Aussprache geht es um wissenschaftliche Fakten zum Klimawandel. Ich möchte vor allem meinem Kollegen Karl-Heinz Florenz für seine bemerkenswerte Arbeit und auch sein unermüdliches Engagement in dieser Frage danken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissenschaftliche Erkenntnisse über den Klimawandel liegen inzwischen vor. Für die Mehrzahl der Experten steht heute außer Zweifel, dass die Klimaerwärmung eine Realität ist und zum großen Teil vom Menschen verursacht wird. Einige wenige stellen die Realität dieses Phänomens in Frage, ohne jedoch einen echten Nachweis hierfür zu erbringen. Der von unserem Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel vorgelegte Zwischenbericht ist der erste Schritt in einem Prozess, der zur Lösungssuche führt.
Wir stimmen nahezu einhellig darin überein, dass der globale Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 2 °C begrenzt werden sollte, wobei wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass unser Ziel im Grunde genommen ein Anstieg von weniger als 2 °C sein muss. Die Aussprache über den Klimawandel darf jedoch nicht in eine Zahlenschlacht münden. Wenn wir vom Klima sprechen, meinen wir das Abschmelzen der arktischen Polkappe, die Versteppung, die Erderwärmung, die Verdrängung von Tierarten aus ihrem Lebensraum, vor allem aber Phänomene, die katastrophale Folgen in Form der Umsiedlung von Menschen haben könnten.
Dies ist eine große Herausforderung für die gesamte Menschheit. Die am stärksten betroffenen Regionen werden die ärmsten Länder Afrikas, Asiens sowie Mittel- und Lateinamerikas sein, wo mit umweltbedingter Migration zu rechnen ist. Die extremen Klimabedingungen werden zur Herausbildung einer neuen Art von Flüchtlingen führen. Das werden dann keine politischen Flüchtlinge oder Wirtschaftsflüchtlinge mehr sein, sondern Klimaflüchtlinge. Mit der Verringerung der Anbaufläche droht eine Ernährungskrise. Mit der Abnahme der Trinkwasserressourcen werden sich die Spannungen verstärken, und es besteht die Gefahr des Ausbruchs von Kriegen, die um die Kontrolle der Ressourcen geführt werden.
Auf uns lastet eine ungeheure Verantwortung. Es geht nicht mehr darum, den Klimawandel in Frage zu stellen, sondern vielmehr darum, dass wir zusammenarbeiten, um nach Lösungen zu suchen und diese Lösungen in die Praxis umzusetzen. Das von der Kommission im Januar verabschiedete Klima-Energie-Paket wird momentan im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Parlaments erörtert: Emissionshandelssystem, Verteilung der Klimalast, Kohlenstoffabscheidung und –speicherung, erneuerbare Energien.
Die Mitglieder unserer PPE-DE-Fraktion in den Ausschüssen und die gesamte PPE-Fraktion sind hier sehr aktiv. Wir erwarten viel von diesen Diskussionen und sind entschlossen, gemeinsam auf einen Kompromiss bei der ersten Lesung hinzuwirken. Parlament und Rat müssen vor den Europawahlen unbedingt eine Einigung erzielen.
Meine Damen und Herren, die Europäische Union hat gegenüber ihren internationalen Partnern im Kampf gegen den Klimawandel die Führungsrolle übernommen, die sie unbedingt behalten muss. Wenn wir unsere Verantwortung nicht ernst nehmen, um die Vereinigten Staaten und andere Länder wie China und Indien, wie Sie, Herr Kommissar, gesagt haben, dazu zu bewegen, sich uns im Kampf gegen den Klimawandel anzuschließen, wer wird es dann tun?
Europa muss auf der internationalen Konferenz im Dezember 2008 in Poznań, auf der der Entwurf des Übereinkommens, das wir hoffentlich im Dezember 2009 in Kopenhagen unterzeichnen werden, erarbeitet wird, geeint auftreten und voll handlungsfähig sein. Das ist eine Aufgabe von globaler Dimension, aber Europa ist die Macht, die ihre Partner dazu bewegen kann, sich ihr in diesem Kampf anzuschließen. Wir müssen Vorkehrungen für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder treffen.
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Die Sozialdemokratische Fraktion hat die Einsetzung des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel beantragt. Als wir diesen Antrag gestellt haben, waren wir mehr denn je davon überzeugt, dass wir uns in einer entscheidenden Phase der europäischen und der internationalen Politik befinden, weil das, was dieser Ausschuss leisten muss, eine Herkulesaufgabe ist, nicht nur hier in diesem Hause.
Die Themen, die er behandelt, sind – das muss man so sagen – eine Jahrhundertaufgabe, denn das, was in diesem Jahrhundert nicht geleistet wird, das ist definitiv für zukünftige Generationen verloren. Deshalb ist es schon gut, dass in dieser Diskussion sichtbar wird, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder dieses Parlaments einen gleichen Ansatz hat, nämlich, dass wir uns enorme Mühe geben müssen, der Herausforderung, der wir gegenüberstehen, gerecht zu werden.
Deshalb will ich mich dem Dank an Karl-Heinz Florenz anschließen, der als Mitglied einer anderen parlamentarischen Fraktion, jedoch als Berichterstatter, Inhalte vertritt, die wir als Sozialdemokratische Fraktion in jedem Fall unterstreichen können. Und dass mit Karl-Heinz Florenz und meinem Kollegen Guido Sacconi zwei Persönlichkeiten dieses Hauses gemeinsam diesen Ausschuss steuern, ist ein gutes Zeichen dafür, dass wir zu einem auf breiter Mehrheit getragenen Ergebnis kommen können. Soweit die konsensualen Fragen. Aber wir werden ganz ohne Zweifel mit der Frage konfrontiert werden, ob wir bei entscheidenden Weichenstellungen auch noch zusammenbleiben können, wenn es wirklich ans Eingemachte, wenn es ins Detail geht.
Deshalb möchte ich zwei, drei Bruchstellen beschreiben, die uns noch beschäftigen werden. Ich möchte jetzt nicht ins Detail des Zwischenberichtes, den ich für ausgezeichnet halte, gehen, sondern auf ein Beispiel aufmerksam machen: Wir alle waren vor einigen Jahren enthusiastisch, als wir gesagt haben, dass wir bei der CO2-Reduzierung weg vom Öl und hin zu nachwachsenden Rohstoffen wollen. Wir haben gesagt, dass wir auf Biosprit setzen, ohne dass irgend jemand sich darüber im Klaren war, dass die massenhafte Nutzung von Flächen für den Anbau von Pflanzen, die zur Energiegewinnung eingesetzt werden konnten, zur Verknappung der Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln führen könnte.
Die Revolte, die wir vor einigen Jahren in Mexiko erlebt haben, als Maismehl plötzlich nicht mehr verfügbar war oder die Preise enorm stiegen, haben wir – oder jedenfalls ich – nicht in einen unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Thema gesetzt. Heute wissen wir: Wir müssen die energie- und klimapolitischen Probleme lösen und gleichzeitig den Hunger in der Welt bekämpfen. Wir müssen beides unter einen Hut bringen. Das ist ein kleines Zeichen dafür, dass wir eine interdisziplinäre Aufgabe angepackt haben, die uns wirklich eine enorme Willensstärke abverlangen wird, nämlich die Willensstärke, zum Kompromiss, übrigens auch zum Kompromiss an einer anderen Stelle, bereit zu sein.
Europa ist ein industrieller Kontinent. Das, was über fünfzig, sechzig Jahre an industriellen Strukturen aufgebaut wurde, war ursächlich für die Belastung des Klimas. Deshalb muss da umgesteuert werden. Aber jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass man über fünfzig, sechzig Jahre gewachsene industrielle Strukturen nicht durch einen Beschluss des Europäischen Parlaments innerhalb von vierzehn Tagen verändern kann. Auch das braucht seine Zeit. Das heißt, wir werden eine Balance finden müssen zwischen den ehrgeizigen Ansprüchen, die wir haben.
Kommissar Dimas hat Recht, wir haben keine Zeit zu verlieren, zwischen diesen ehrgeizigen Ansprüchen einerseits und auf der anderen Seite der Machbarkeit des Umsteuerns. Beides ist von entscheidender Bedeutung. Für beides brauchen wir einen vernunftorientierten und einen kompromissorientierten Ansatz. Deshalb finde ich es auch gut, dass wir von der französischen Ratspräsidentschaft hören, dass sie bereit ist, bis zum Jahresende zu einem Ergebnis zu kommen. Wenn wir im Rat die gleiche Kompromissbereitschaft, das gleiche Engagement haben wie das hier im Parlament sichtbar wird, dann bin ich optimistisch. Wenn wir im Rat die üblichen Taktierereien erleben, die wir in diesem Gremium immer erleben, dann werden wir Zeit verlieren.
Ich habe den Eindruck, dass es im Parlament eine große Bereitschaft gibt, in der Kommission auch. Wenn es eine solche Bereitschaft im Rat auch gibt, wenn alle drei europäischen Institutionen zusammenwirken, dann kann vor der Europawahl erreicht werden – was der Kollege Daul auch angesprochen hat –, dass der Eindruck in der Bevölkerung entsteht, dass die Staats- und Regierungschefs die großen Leitlinien beschließen, und dass das Europäische Parlament die konkrete Detailarbeit liefert. Diese Arbeitsteilung ist ja üblich, und dann würde sie endlich auch mal sichtbar.
(Beifall)
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch wenn der Zwischenbericht unseres Ausschusses zum Klimawandel nur bestätigt, was ohnehin auf der Hand liegt, ist dies eine gute Sache. Denn so wird noch einmal Schwarz auf Weiß festgehalten, was die meisten von uns seit geraumer Zeit eingestehen: Der Klimawandel ist eine unwiderlegbare Tatsache. Dauerfrostböden und Polkappen schmelzen, Meeresspiegel und Temperaturen steigen, und dies ganz überwiegend aufgrund menschlicher Tätigkeiten. Wenn wir es jetzt nicht schaffen zu handeln, wird die Menschheit sich mit rasender Geschwindigkeit auf einen Punkt zubewegen, von dem es kein Zurück mehr gibt.
Die klimapolitischen Deadlines werden weder von der Europäischen Union noch von der Weltgemeinschaft gesetzt, sondern von der Natur. Im Endeffekt haben die globalen Treibhausgasemissionen – ungeachtet der Verpflichtungen von Kyoto – schneller denn je zugenommen, nämlich um fast ein Viertel seit 1990. Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, die CO2-Konzentrationen seien bereits jetzt zu weit fortgeschritten. Alle sind sich darüber einig, dass das Zeitfenster für die Stabilisierung der Emissionen und die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad über dem Niveau der vorindustriellen Zeit sich in den nächsten sieben Jahren schließen wird.
Demokratien werden mit Hilfe von Krisenmanagement geführt. Die Beschäftigung mit ernsten Problemen wird oft so lange wie möglich hinausgezögert, und wie Karl-Heinz Florenz in diesem hervorragenden Bericht ausführt, müssen wir die Treibhausgasemissionen nicht nur um 20 %, sondern möglicherweise um bis zu 40 % senken, je nachdem, was nächstes Jahr bei der Klimakonferenz in Kopenhagen mit Drittländern ausgehandelt werden kann.
Es gibt positive Zeichen von den anderen Großverschmutzern, von China und den USA. Peking hat beim UN-Gipfel in Bali eine neue Verhandlungsbereitschaft gezeigt, und alle drei amerikanischen Präsidentschaftskandidaten wollen sich in Sachen Klimawandel engagieren. In Anbetracht des aktuellen Sachstands und der momentan verfügbaren Ressourcen kommt es jetzt darauf an, das Klimawandelpaket der Kommission anzunehmen, und ich begrüße die Arbeit, die meine Kollegen Lena Ek, Chris Davis und Vittorio Prodi auf diesem Gebiet geleistet haben.
Darüber hinaus müssen wir unsere Bemühungen zur Förderung sauberer Energien intensivieren. Das Erstaunliche daran ist, dass wir wissen, wie das geht. Die Erzeugung von Energie aus der Wüstensonne, zusätzlich zu erneuerbaren Energiequellen hier in Europa, könnte den Prozess der Senkung der CO2-Emissionen erheblich beschleunigen. Tatsächlich haben satellitengestützte Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gezeigt, dass bei Nutzung von weniger als 0,3 % der Wüstengebiete des Nahen Ostens und Nordafrikas genug Hochspannungsstrom erzeugt werden könnte, um den aktuellen und zukünftigen Bedarf in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika zu decken. Das ist gar nicht so kompliziert. Seit 20 Jahren bereits wird dies in Kalifornien praktiziert. Auch in Spanien und Marokko werden inzwischen solche Anlagen gebaut.
Wenn wir den nötigen Tatendrang und die Entschlossenheit, den Mut und den Biss aufbringen würden, könnten wir unsere Ölabhängigkeit überwinden und zugleich Arbeitsplätze, Trinkwasser und bessere Infrastruktur für jene bieten, die die Hauptlast des Klimawandels zu tragen haben. Wir könnten den Klimawandel bekämpfen, ohne die Lichter ausgehen zu lassen.
Unser Ziel muss es sein, unseren Worten Taten folgen zu lassen, Geld in die Erzeugung von Hochspannungssolarstrom und Solarwärme zu stecken und politisches Kapital in die zwischenmenschlichen Beziehungen über das Mittelmeer hinweg zu investieren, damit dies möglich wird. Für die bevorstehenden Verhandlungen mit der UNO gibt es kein besseres Rüstzeug, um ein fortschrittliches internationales Abkommen in Kopenhagen zu erzielen.
(Beifall)
Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Vielen Dank an Karl-Heinz Florenz für die sehr gute Zusammenarbeit im Klimaausschuss. Wenn man den Bericht Florenz nimmt und sagt, das ist der Stand der klimapolitischen Diskussion im Europäischen Parlament, könnte man zu dem Schluss kommen: „Prima Klima unter den Abgeordneten im Europäischen Parlament.“ Wenn nur nicht – und hier möchte ich eine Verbindung zu den „Panzerknackern“ aus einem berühmtem Comic herstellen – zur gleichen Zeit am gleichen Ort ganz andere Aktivitäten stattfinden würden!
Leider ist es eben so, dass parallel zum Klimaausschuss auch im Industrieausschuss, im Umweltausschuss, im Entwicklungsausschuss Klimapolitik betreiben wird. Da kommen die Kollegen zu einem großen Teil zu ganz anderen Ergebnissen als zu dem Schluss, dass wir am Beginn einer „grünen“, einer zweiten oder dritten industriellen Revolution stehen.
Nehmen wir nur die Auseinandersetzung um die Regulierung des CO2-Ausstoßes von Automobilen. Was da aktuell vom Berichterstatter des Industrieausschusses, Herrn Langen, auf dem Tisch liegt, hat mit ehrgeiziger Klimaschutzpolitik oder mit dem Versuch, Energieversorgungssicherheit durch Effizienztechnologien zu garantieren – was wir für die Automobilindustrie in Europa vorschreiben –, gar nichts mehr zu tun. Der ehrgeizige Aufbruch, für den Stavros Dimas steht, wird seit eineinhalb Jahren konsequent von Mehrheiten in diesem Europäischen Parlament blockiert.
Ich würde gerne wissen, wo in dieser Auseinandersetzung um Automobile eigentlich der Geist der allgemeinen Klimadebatte bleibt. Da ist meine Fraktion nicht die Fraktion, die die Hand aufs Herz legen muss, sondern die Bremser in dieser Diskussion sitzen verteilt in allen anderen Fraktionen dieses Hauses.
Ein weiterer Punkt: Der Emissionshandel wird ein wichtiges Thema in Posen und in Kopenhagen sein. Die Kommission soll ja dafür sorgen, dass wir eine Reduktion um 20 % in Europa erreichen. Diesen Vorschlag hat ja Angela Merkel als Ratspräsidentin vorgelegt. Kaum legt die Kommission ihren Vorschlag für den Emissionshandel auf den Tisch, sind die Abgeordneten schon wieder der verlängerte Arm der Industrielobby im Europäischen Parlament. Das, was in erster Linie verhandelt wird, sind nicht ehrgeizige Reduktionsziele, sondern man verhandelt schon über die Ausnahmen, bevor überhaupt die Regel festgeschrieben wurde.
Der Bericht Florenz ist gut. Die Wirklichkeit der Klimapolitik im Europäischen Parlament hat aber mit dem, über das wir hier heute abstimmen, rein gar nichts zu tun.
Liam Aylward, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch ich möchte Herrn Florenz gratulieren und anmerken, welch ein Glück es für uns ist, die Leitung dieser Aussprache in den Händen eines so fähigen Kollegen zu wissen. Meinen Glückwunsch für alles, was er bisher geleistet hat! Wir müssen uns häufig den Vorwurf gefallen lassen, in dieser Institution fernab der Realität zu agieren und den Kontakt zu den Bürgern verloren zu haben. Bei diesem Thema allerdings arbeitet die EU wirklich für ihre Bürger. Es ist kein Zufall, dass 95 % der EU-Bürger den Schutz der Umwelt für wichtig halten. Über zwei Drittel von ihnen sind der Meinung, dass Strategien zur Inangriffnahme des Klimawandels auf europäischer Ebene erforderlich sind.
Mein Land, Großbritannien, ist eine kleine Insel und kann diese Aufgabe nicht alleine bewältigen, genauso wenig wie jedes andere Land. Im Reformvertrag, über den bei uns in Großbritannien momentan besonders heftig diskutiert wird, hat die Europäische Union Maßnahmen skizziert, mit denen die 27 Mitgliedstaaten den Klimawandel vereint bekämpfen könnten. Die Europäische Union hat den Durchbruch des UN-Abkommens in Bali im Dezember konstruktiv gefördert, und alle Beteiligten erkennen inzwischen den dringenden Handlungsbedarf.
Wir müssen uns über die Schwierigkeiten, die vor uns liegen, im Klaren sein, denn die wissenschaftlichen Beweise sind mittlerweile überwältigend. Der Klimawandel stellt eine ernsthafte globale Bedrohung dar. Er wird uns einiges kosten. Wollen wir tatsächlich nicht nur unser Klima und unseren Planeten opfern, sondern auch unsere Volkswirtschaften? Wenn wir weiterhin tatenlos zusehen, wird uns das möglicherweise bis zu einem Fünftel unseres jährlichen Bruttoinlandsprodukts kosten. Wirklich zu handeln dagegen bedeutet einen Kostenaufwand von 1 %.
Sind wir darüber hinaus bereit, unser Klima an den Punkt zu bringen, von dem es kein Zurück mehr gibt? Schon jetzt erfahren wir von den Wissenschaftlern, dass das letzte Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen und das Jahr 2007 eines der 10 wärmsten Jahre war. Wir dürfen unsere Erfolge und Zielsetzungen von Bali nicht vergessen. Wir müssen der Bedrohung durch den Klimawandel einen Entwicklungsplan mit kohärenten Lösungen entgegensetzen, in dem die Flexibilität der einzelnen Mitgliedstaaten einen hohen Stellenwert einnimmt.
Jens Holm, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Der Inhalt dieses Berichts ist korrekt, aber ich hätte mir mehr konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel gewünscht. Dennoch hat der Bericht natürlich die Unterstützung der GUE/NGL-Fraktion.
Im Bericht wird festgestellt, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 1970 bis 2004 um 70 Prozent angestiegen sind, dass das letzte Jahrzehnt das wärmste überhaupt war und wir vor verschiedenen Umschlagpunkten, auch „Kippschalter“ genannt, stehen, wie z. B. dem Abschmelzen des Grönlandeises. Darum fordern wir eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen der EU bis 2050 um 60 – 80 Prozent, eine Etikettierung mit entsprechenden Angaben zum Klima auf Konsumgütern sowie Maßnahmen gegen die erheblichen Emissionen, die im Zusammenhang mit Importen der EU aus anderen Ländern entstehen. Darüber hinaus rufen wir zu Änderungen der Lebensweise auf.
Das ist völlig richtig, aber wir müssen den Bürgern auch eine klimafreundliche Lebensweise erleichtern. Dazu gehören u. a. die Reduzierung des Fleischkonsums und weniger Auto- und Flugreisen. Leider unterstützt die EU die Fleischindustrie mit gigantischen Summen, ebenso wie den Bau von Autobahnen, der nur zu einem zunehmenden Fahrzeugverkehr führt. Unsere Maßnahmen gegen den Flugverkehr sind ebenfalls alles andere als ausreichend. Wenn wir als Politiker keine nachhaltigen Systeme schaffen, sind wir nicht glaubwürdig, wenn wir die Bürger zu einer Änderung ihrer Lebensweise auffordern.
Wie gesagt, wir müssten weiter gehen. Wir brauchen mehr konkrete Maßnahmen für Veränderungen und höhere Reduzierungsziele. Zudem müssen wir selbstkritisch die Wirtschaftsordnung in der EU in Frage stellen. Die EU basiert ja trotz allem auf der Verwirklichung des Binnenmarktes und auf ständigem Wachstum. Das führt jedoch nur zu einem zunehmenden Verkehr, und der ist nicht nachhaltig.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Ich danke zunächst dem Berichterstatter, Herrn Florenz, für den Zwischenbericht, der uns heute vorliegt. Es ist gut, alle relevanten wissenschaftlichen Informationen über den Klimawandel in diesem Bericht beisammen zu haben. Dieser kann dann ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum endgültigen Bericht des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel sein. Inhaltlich habe ich nichts hinzuzufügen, und daher habe ich auch keine Änderungsanträge eingebracht.
Obgleich man über den Klimawandel bereits eine Menge weiß, bedarf es noch einer ganzen Reihe weiterer Studien, da zahlreiche Parameter nach wie vor unbekannt sind. Dieser Bericht nimmt diese zusätzlichen Studien aktiv in Angriff.
Die Änderungsanträge von Herrn Březina und anderen kann ich, sofern sie überhaupt zulässig sind, nicht befürworten. Hinsichtlich der Änderungsanträge von Frau Doyle und anderen schließe ich mich der Auffassung des Berichterstatters an. Zum Schluss möchte ich Herrn Florenz viel Glück bei der Erstellung des endgültigen Berichts wünschen.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Herr Präsident! Der von uns heute diskutierte Bericht ist ein Symbol für die Arroganz und Mainstream-Blindheit des Parlaments. Er kommt gefährlich nahe an ein Verhalten, das als Unterdrückung der Freiheit, Demokratie und Solidarität mit den schwächsten Gliedern der Gesellschaft beschrieben werden kann. Hinsichtlich der Meinungsfreiheit gibt es nichts Schlimmeres, als nur eine wissenschaftliche Meinung als richtig zuzulassen und andere Gedanken abzulehnen. Die Demokratie kennt nichts Schlimmeres, als eine solche Meinung politisch abzusegnen und zu versuchen, das Leben der Menschen dementsprechend zu reglementieren. In Bezug auf die Solidarität mit den Schwächsten gibt es nichts Schlimmeres, als Lebensmittel in die Kraftstofftanks zu füllen und zuzusehen, wie Menschen verhungern. Solche politischen Entscheidungen werden unseren Planeten nicht retten. Gewinner sind einzig und allein die Erzeuger von subventioniertem Raps und die Hersteller von Teilen für Windkraftanlagen. Da der Bericht versucht, den Meinungsaustausch zu unterdrücken, die wissenschaftlichen Ergebnisse diktiert und die Augen vor den Bedürfnissen der Ärmsten der Gesellschaft verschließt, kann ich ihm unter keinen Umständen zustimmen. Der Nichtständige Ausschuss zum Klimawandel sollte unverzüglich aufgelöst werden. Lassen Sie mich abschließend nur noch sagen, dass ich aus der Tschechischen Republik komme und stolz darauf bin, sagen zu können, dass die Denkweise unseres Präsidenten Václav Klaus im Gegensatz zu anderen Politikern nicht wärmer und sein Verstand nicht grün geworden ist.
Der Präsident. − Frau Kollegin, vielen Dank! Ich werde mir bei Ihrem Namen jetzt mehr Mühe geben mit Bobošíková. Aber ich hoffe, dass wir alle dazu lernen. Das gilt nicht nur für den Präsidenten, sondern sicherlich auch für die Rednerin. Vielen Dank Frau Bobošíková.
Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte Karl-Heinz Florenz und der gesamten Arbeitsgruppe dafür danken, dass sie so hochrangige Wissenschaftler zur Arbeit an diesem Thema herangezogen haben. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass Wissenschaftler Seite an Seite mit Abgeordneten dieses Hauses tätig waren. Das ist ein Vorteil, den wir uns erhalten müssen, da es, wie die Wissenschaftler festgestellt haben, sehr ungewiss ist, wie der Klimawandel aussehen wird. Mit anderen Worten, die Wissenschaft schreitet voran und ändert dabei ihre Auffassungen, und deshalb können wir von der Wissenschaft keine absoluten Wahrheiten erwarten. Was heißt das? Es bedeutet, wenn die Wissenschaftler in ihrer Arbeit ständig ihre Erkenntnisse überprüfen und wir ihnen folgen, dann müssen wir ebenfalls flexibel sein und unsere Lösungen an das sich ändernde Wissen anpassen.
Diese Symmetrie zwischen ständig wachsendem Wissen und unserer eigenen Flexibilität ist sehr wichtig. Deshalb besteht eine meiner Sorgen in dem großen Vertrauen, das wir in Europa zu uns selbst haben. Zweifel und Ungewissheit bilden die Grundlage wissenschaftlichen Arbeiten und dafür, dass wir es in diesem Fall richtig machen. Ich glaube, wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass es vielleicht andere Länder gibt, die wir kritisieren und die auf einigen Gebieten das Richtige tun.
Ich sage das und muss wiederholen, dass ich das Projekt unterstütze, denn meiner Ansicht nach müssen die Konzepte der Komplexität und der Auswirkungen berücksichtigt werden, und ein Beweis dafür ist, was wir mit den Biokraftstoffen erlebt haben. Wir müssen uns ebenfalls von absoluter Disziplin in Bezug auf die Umweltverträglichkeit, die wirtschaftlichen Auswirkungen und die Umsetzbarkeit der Lösungen leiten lassen.
Doch da das Ziel dieses Dokuments nicht darin besteht, Lösungen zu bieten, werde ich es weiter unterstützen. Dennoch möchte ich auch sagen, dass es gilt, eine kombinierte Politik zu verfolgen, und hier ist es notwendig, dass das Dokument im zweiten Teil einen Schritt weiter geht, mit Beschlüssen, die von oben, auf staatlicher Ebene, gefasst werden, ohne die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass der Klimawandel ein Problem ist, dass durch Anpassung auf lokaler Ebene gelöst werden muss.
Daher müssen wir über eine Politik der breiten Kenntnis über den Klimawandel von oben nachdenken, in Kombination mit einer von unten realisierten Politik in der Industrie, in den Wirtschaftssektoren, in der Landwirtschaft, in unseren verschiedenen Territoren, um jedem Land die Möglichkeit zu geben, sein eigenes Projekt in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Projekt zu konzipieren.
Guido Sacconi (PSE). – (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich schließe mich selbstverständlich all jenen meiner Kolleginnen und Kollegen an, die Dank und Anerkennung für die Arbeit unseres Berichterstatters, Karl-Heinz Florenz, zum Ausdruck brachten. Darüber hinaus gilt mein aufrichtiger Dank allen Mitgliedern und Fraktionen, die in diesem Jahr sehr angespannt für den Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel gearbeitet haben, in dem, abgesehen von den zweifellos bestehenden, marginalen Bereichen der Uneinigkeit, ein wirklich tragfähiges, überzeugendes Klima der Einheit geschaffen wurde.
Das lässt mich hoffen, dass all das Material, das wir bereits zusammengetragen haben und das wir derzeit noch für den Abschlussbericht zusammenstellen, uns gewiss weiterbringen und es uns ermöglichen wird, dem zukünftigen Parlament ein solides Erbe zu hinterlassen, das es nutzen kann, um die Arbeit nach einem wirklich ganzheitlichen Konzept, das für dieses Problem erforderlich ist, weiterzuführen.
Heute haben wir das erste Kapitel vor uns, das heißt es geht um die Kenntnisnahme des aktuellen Sachstands der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Problem. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Zwischenstaatliche Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) keine wissenschaftliche Strömung ist, sondern ein Forum, in dem seit Jahren die gesamte wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema berücksichtigt, zusammengefasst und bewertet wurde, wobei in verschiedenen Bereichen und Einschätzungen Wahrscheinlichkeitsgrade erreicht wurden, die sehr schnell auf die 100 % zuliefen, was meines Wissens in der Wissenschaftsgeschichte bisher einmalig ist.
Ich halte das auch unter einem allgemeineren Gesichtspunkt für interessant; es könnte in gewisser Weise als Modell für die Herstellung einer, sagen wir mal, intelligenten Beziehung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und politischer Entscheidungsfindung betrachtet werden, wo wir doch in der heutigen Welt vor außerordentlich komplizierten Problemen stehen.
Den Klimawandel gibt es, er schreitet schnell voran, und deshalb müssen wir rechtzeitig handeln, wobei er, wie Karl-Heinz ganz richtig sagte, nicht nur ein Problem, sondern auch eine Chance ist. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis, Herr Kommissar Dimas, hat sich innerhalb eines Jahres auch das politische Klima in der Welt gewandelt, und die globale Erwärmung war nicht das Einzige, was geschah. Auch das internationale politische Klima hat sich verändert und gipfelte schließlich in Bali in der gemeinsamen Anerkennung der Stichhaltigkeit der IPCC-Forschungen und, in den letzten Monaten, in den wirklich bedeutsamen Haltungsänderungen der Führungsspitzen.
Teil unserer Arbeit waren ferner zahlreiche Besuche in China, Indien und kürzlich auch in Washington in den Vereinigten Staaten, wo wir uns von dem überzeugen konnten, was, wie Sie erwähnten, die Präsidentschaftskandidaten ganz klar bekundeten, dass nämlich auch die USA in den kommenden Monaten ein anderes Engagement an den Tag legen werden, das im Hinblick auf die internationalen Verhandlungen, die 2009 in Kopenhagen abgeschlossen werden sollen, wirklich Hoffnung gibt.
Ich stimme Ihnen in diesem Punkt zu, und wir bringen Ergebnisse hervor, die noch vor einem Jahr unvorstellbar waren.
Vittorio Prodi (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Kommissar, für ihre kontinuierliche Anwesenheit. Als Wissenschaftler kann ich es nur begrüßen, dass die wissenschaftliche Sicht endlich auch in hochrangigen politischen Gremien wie diesem akzeptiert und anerkannt wird. Als stellvertretender Vorsitzender des Nichtständiger Ausschusses zum Klimawandel bin ich zufrieden mit den ersten Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit und ich beglückwünsche den Berichterstatter, Herrn Florenz, meine Kollegen und den Vorsitzenden, Herrn Sacconi.
Persönlich kann ich mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass all unser guter Wille nicht ausreichen wird, um die ernsten Probleme, denen wir uns gegenübersehen, zu lösen. Ich denke dabei insbesondere an die katastrophalen Aussichten, die uns der Klimawandel in Bezug auf die ohnehin sehr schwierigen Probleme wie Armut, öffentliche Gesundheit, Zugang zu natürlichen Ressourcen und vor allem zum Wasser bietet, und ich befürchte, nachdem wir die erste Etappe dieser Entdeckungsreise zu diesem Problem, nämlich die Erstellung dieses Zwischenberichts über die wissenschaftlichen Fakten, absolviert haben, werden wir eine „Mission impossible“ übernehmen müssen.
Diese Mission bedeutet Hoffnung zu geben, machbare Pläne für eine Zukunft aufzustellen, die nicht nur aus Konflikten und Disparitäten besteht, und eine Perspektive zu bieten, in der uns die Wissenschaft hilft, die Ungleichgewichte, die die Menschen geschaffen oder durch ihr Zutun verschlimmert haben, zu beseitigen. Was wir unseren Mitbürgern sagen müssen ist Folgendes: Wir werden diese Aufgabe bewältigen, und indem wir das tun, werden wir die Zivilisation einen Schritt voranbringen.
VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS Vizepräsident
Caroline Lucas (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Auf den ersten Blick wirkt dieser Bericht vielleicht sehr technisch, als würde er nur den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenfassen. Vor einer solchen Einschätzung aber sollte man sich hüten, denn dieser Bericht ist gleichzeitig sehr politisch, und er stellt eine Art Mobilmachung dar, denn er zeigt auf, mit welcher Dringlichkeit wir die Führung unserer Volkswirtschaften komplett revolutionieren müssen.
Wissen bringt Verantwortung mit sich, und zu wissen, was wir über die Realität des Klimawandels wissen und immer noch nicht im dementsprechenden Maßstab zu handeln, das wäre letztendlich ein Verbrechen an künftigen Generationen.
Daher ist die Logik des Berichts folgende: Die Absicht der EU, die Emissionen um 20 % zu reduzieren, ist einfach unvereinbar mit der 2-Grad-Zielsetzung; daher müssen wir einseitig etwas unternehmen, um EU-weit eine Senkung von mindestens 30 % zu erzielen, und wir müssen auch auf neue Fakten reagieren. Erst vorigen Monat hat der führende Klimaforscher James Hansen gewarnt, die aktuellen Zielvorgaben seien viel zu niedrig angesetzt und wir müssten wesentlich mehr Mittel einsetzen, um den Entwicklungsländern bei der Anpassung zu helfen, wobei die gesamten Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem für Klimamaßnahmen reserviert werden sollten.
Die gute Nachricht ist, dass die EU sich in einer hervorragenden Ausgangsposition zur Übernahme der Führungsrolle in Sachen Klimawandel befindet. Wenn wir diese Herausforderung annehmen, könnten wir frischen Wind in unsere Institutionen bringen und vielleicht schon bald feststellen, dass die EU die Nähe zu den Bürgern, die sie vertreten soll, wieder hergestellt hat.
Bogdan Pęk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Seit einiger Zeit höre ich alarmiert pseudowissenschaftlichen Argumenten zu, die hier im Herzen Europas vorgetragen werden. Ich beziehe mich auf Präsentationen in diesem Hohen Haus, aus dem auf solide wissenschaftliche Beweise gegründete Weisheit in die ganze Welt getragen werden sollte. Aber es gibt genauso viele Wissenschaftler, die sagen, dass wir nicht in der Lage sind, Einfluss auf den Klimawandel zu nehmen, wie es Wissenschaftler gibt, die behaupten, dass wir es können.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich doch bitte einmal für einen Moment vor, dass die erste Gruppe Recht hat. Falls dies der Fall ist und wir Unmengen von Geld in den angeblichen Klimawandel stecken, so würden wir dem Wohl der Menschen vor allem in Europa schaden und die Nationen Europas zum Niedergang verdammen, während sich andere Nationen schneller entwickeln könnten.
Wenn der Vorsitzende eines parlamentarischen Ausschusses nur die Meinungen der einen Wissenschaftler berücksichtigt, und wenn Kommissar Dimas nicht Bezug auf alle bekannten einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten nimmt und damit zulässt, dass ein Mythos entsteht – und davon bin ich hier vor diesem Hohen Haus überzeugt –, dann protestiere ich dagegen auf das Schärfste, denn Maßnahmen dieser Art dürfen einzig und allein auf der Grundlage eindeutiger wissenschaftlicher Beweise ergriffen werden.
Roberto Musacchio (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein großer Dank geht an den Berichterstatter, Herrn Florenz, weil er gute Arbeit geleistet und weil er vor allem die monatelange Tätigkeit des Nichtständiger Ausschuss zum Klimawandel unter der sachkundigen Leitung seines Vorsitzenden, Guido Sacconi, gewürdigt hat. Der entscheidende politische Punkt, der mich dem Bericht Florenz zustimmen lässt, ist die Akzeptanz des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen als Gremium und damit der UNO und der Leitlinien der Konferenz von Bali. Beachten Sie bitte, dass das nicht nur eine wissenschaftliche Frage ist, sondern eine Frage der Demokratie; das ist ein Forum der weltweiten Demokratie.
Wir stehen nun vor dem Problem, dass wir, wenn Europa eine glaubwürdige, treibende Kraft der Post-Kyoto-Vereinbarungen sein will, unsere Hausaufgaben machen müssen. Das Maßnahmenpaket, das geschnürt wurde, muss innerhalb einer klaren Frist und im Einklang mit den Verpflichtungen von Bali angenommen werden, anders gesagt, das Paket muss die Verpflichtungen einhalten, es muss transparent sein, umgesetzt und überprüft werden.
Es kommt darauf an, dass wir Ausnahme- und Sonderregelungen vermeiden, die Europa nach innen und außen unglaubwürdig machen. Wir müssen Taktierereien der Mitgliedstaaten und der Industrie vermeiden, das heißt, wir müssen es ernst meinen!
Graham Booth (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Ich stimme Herrn Pęk zu. Viele herausragende Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben die Manhattan-Erklärung am 4. März dieses Jahres unterzeichnet. Darin wird unter anderem festgestellt, dass kein überzeugender Beweis dafür vorliegt, dass die CO2-Emissionen der modernen industriellen Aktivität in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft einen katastrophalen Klimawandel verursachen. Letzte Woche haben weitere 31 000 Wissenschaftler sich diesem Standpunkt in der Oregon-Petition angeschlossen.
Dabei handelt es sich längst nicht mehr um vereinzelte Gegenstimmen. Nigel Lawson, Mitglied des Ausschusses für den Klimawandel des britischen Oberhauses, vertritt ebenfalls die Meinung, dass diese Debatte noch nicht beendet ist. Bevor wir uns über Klimasteuern, Emissionshandel usw. zu einem Zeitpunkt, zu dem wir akut von einer ebenso globalen wirtschaftlichen Rezession bedroht sind, mit enormen Kosten belasten, müssen wir beide Seiten anhören und ganz genau klären, wer nun eigentlich Recht hat.
Roger Helmer (NI). – (EN) Herr Präsident! Ausnahmsweise komme ich heute einmal mit einer guten Nachricht in dieses Haus: Die globale Erwärmung ist beendet. 1998 war das wärmste Jahr seit Menschengedenken. In den letzten 10 Jahren aber sind die Temperaturen weltweit gleich geblieben oder gesunken. Die derzeitige geringfügige Erwärmung lässt sich mit der Wärmeperiode des Mittelalters vergleichen. Davor gab es solche wärmeren Perioden bereits in der Römerzeit und im Holozän.
Die heutigen Temperaturen liegen unter den Maxima der letzten 2 000 Jahre. Mehr und mehr wird auch die Rolle des Kohlendioxids bezweifelt. Seit 1850 korrelieren die Durchschnittstemperaturen ziemlich genau mit den Sonnenzyklen, aber kaum mit atmosphärischem CO2. Das Erwärmungsmuster stellt sich sowohl in geografischer als auch zeitlicher Hinsicht vollkommen anders dar als das, was uns Computermodelle simulieren.
Die Treibhausmodelle prophezeien eine maximale Erwärmung in der Hohen Atmosphäre; Beobachtungen dagegen zeigen, dass die existierende geringfügige Erwärmung sich an der Oberfläche abspielt und weitgehend durch das Phänomen der urbanen Hitzeinseln verursacht wird.
Der Treibhauseffekt von CO2 ist logarithmischer Natur, d. h. er folgt dem Gesetz des abnehmenden Ertrags. Bezogen auf den Treibhauseffekt bedeutet dies, dass die Atmosphäre bereits mit CO2 gesättigt ist und zusätzliche Emissionen sich daher nur geringfügig auswirken würden.
Der Meeresspiegel steigt nicht schneller an als in früheren Zeiten, d. h. um etwa 15 bis 20 Zentimeter pro Jahrhundert, die weltweite Eismenge ist weitgehend konstant, Unwetterkatastrophen treten nicht häufiger auf als früher, auch das Artensterben liegt nicht an der globalen Erwärmung, sondern an der Vernichtung von Lebensräumen, insbesondere durch die Erzeugung von Biokraftstoffen. Jüngste Studien zeigen, dass es den Eisbären sehr gut geht.
Die Klimahysterie entfernt sich also immer weiter von der Realität. Wir müssen unsere Strategien überdenken, bevor sie noch mehr Schaden anrichten.
(Beifall)
Markus Pieper (PPE-DE). – Herr Präsident! Frau Kollegin Harms, Panzerknacken ist im pazifistischen Sinne ja eigentlich was Positives! Die wissenschaftlichen Fakten sind ja überwiegend bekannt: Der heutige Klimawandel hat zu einem großen Teil auch mit dem Handeln des Menschen zu tun. Was dieser Ausschuss leistet, ist insofern auch etwas Vorbildliches.
Was mich aber an diesem Bericht stört, ist der drohende Unterton. Mich stört, dass abweichenden wissenschaftlichen Meinungen überhaupt kein Raum gegeben wird. Immer dann, wenn Politik den Anspruch erhebt, unfehlbar zu sein, macht sie etwas falsch. Es ist die Rede von nie da gewesenen Hitzeperioden, von einem durch Klimawandel verursachten Artensterben von bis zu 70 %. Fast alle Regionen der Welt sind negativ betroffen. Das sind Behauptungen, denen langfristige Modellrechnungen zugrunde liegen, die aber so einseitig doch gar nicht auf vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen sein können.
Ich empfinde es vor diesem Hintergrund für unser Parlament als skandalös, dass Änderungsanträge des Kollegen Březina, die genau auf diese Situation hinweisen, nicht zugelassen werden sollen. Herr Präsident, konkret bitte ich Sie um die Zulassung des Änderungsantrages Nr. 15. Wenn durch Verwaltungsverfahren bestimmte Meinungen einfach unterdrückt werden, wird dem Umweltschutz nämlich kein guter Dienst erwiesen. Denn eine übertriebene Androhung wird zu politischen Maßnahmen führen, die den Blick auf politische Prioritäten verstellen. Ein Beispiel ist ja, dass der Klimawandel Schwerpunkt der Entwicklungshilfe werden soll. Die akuteren Probleme sind aber heute Aids, Unterernährung, Malaria und Erdbeben. Dafür müssen wir jetzt politische Ressourcen einsetzen.
Auch in Europa gilt, dass wir beim Klimaschutz mittlerweile eine Dimension erreicht haben, die soziale Errungenschaften gefährdet. Schon heute zahlt eine Familie in Deutschland mehr als 40 % des Strompreises an den Staat, an europäischen Zapfsäulen sind es zwischen 55 und 78 %, und das neue System des Emissionshandels wird die Strompreise wiederum um mindestens 30 % steigen lassen.
Ich plädiere für einen rationalen Umgang mit dem Thema Klimawandel, dann werden wir auch sozial- und wirtschaftsverträgliche Lösungen finden. Die Änderungsanträge des Kollegen Březina bieten dafür einige Ansatzpunkte. Ich bitte um Unterstützung.
(Beifall)
Dorette Corbey (PSE). – (NL) Ein Dankeschön an Herrn Florenz, der einen exzellenten Bericht vorgelegt hat. Die Debatte über den Klimawandel wird recht emotional geführt, und das selbstverständlich zu Recht. Heute müssen wir das Thema allerdings nüchtern betrachten. In den nächsten Monaten werden wir uns intensiv mit dem Klimawandel befassen, und es stehen zahlreiche ambitionierte Maßnahmen auf der Agenda.
Jetzt kommt es darauf an, dass Europa vor Kopenhagen seine Glaubwürdigkeit unter Beweis stellt und zum Klimapaket Übereinstimmung erzielt. Das ist nur dann möglich, wenn wir eine gemeinsame Grundlage haben, und diese Grundlage heißt Wissen. Herrn Florenz Verdienst ist es, dass er den wissenschaftlichen Konsens formuliert hat. Ausgangspunkt unserer Politik sind die Erkenntnisse des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC). Im IPCC arbeiten Tausende Wissenschaftler zusammen. Fakt ist, dass sich die Erde erwärmt und dass diese Erwärmung zum Teil durch Tätigkeiten des Menschen verursacht wird. Um den Klimawandel in Grenzen zu halten, müssen wir die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 60 % bis 80 % senken. Das ist keine einfache Aufgabe. Wichtige Interessen sind betroffen. Selbstverständlich können saubere Produktionsverfahren überaus gewinnbringend sein und viele Arbeitsplätze schaffen. Begrüßenswert finde ich auch, dass wir auf diese Weise von unserer Ölabhängigkeit loskommen und in die Welt der erneuerbaren Energie eintreten. Leicht ist der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft jedoch nicht.
Deshalb kommt es auf zwei Dinge an. Erstens muss die Politik wissensbasiert sein, und das bedeutet nicht, Herr Pieper, dass der Konsens innerhalb des IPCC eine in Stein gemeißelte Wahrheit ist. Vom IPCC dürfen wir erwarten, dass er für Kritik und begründete Argumente der Skeptiker offen ist, denn das hilft der Wissenschaft, voranzukommen, und deshalb befürwortet unsere Fraktion Ziffer 10 vorbehaltlos.
Zweitens ist eine langfristige öffentliche Unterstützung notwendig. Damit entschlossene Maßnahmen auch Rückhalt in der Öffentlichkeit haben, bitten wir darum, die wissenschaftlichen Ausgangspunkte in einer für die Bevölkerung verfügbaren Broschüre darzulegen, so dass jedermann Kenntnis von den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nehmen kann. So können wir diese Aufgaben gemeinsam angehen. Vom Bericht von Herrn Florenz verspreche ich mir, dass er die Grundlage für unser weiteres gemeinsames Handeln und für die Konzipierung einer zielgerichteten Politik bis 2009 bildet.
Lena Ek (ALDE). – (SV) Herr Präsident! Auch ich möchte den Kollegen Florenz zu einem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen und hervorheben, dass dieser eine sehr starke politische und symbolische Bedeutung besitzt, die nicht zuletzt in der Tatsache zum Ausdruck kommt, dass die Aussprache von den Vorsitzenden der drei großen Fraktionen eingeleitet wurde.
Dem Inhalt des Berichts Florenz können wir alle zustimmen. Er ist auch so geschrieben, dass die Bürger Europas den Text lesen können und dass sie verstehen, was wir meinen. Seine klare und deutliche Ausführung ist ein weiterer positiver Aspekt, den ich gern hervorheben möchte.
Es gibt jedoch auch noch Probleme, die wir diskutieren müssen. Ich bitte um Ihre Unterstützung für die Änderungsanträge, in denen es um das Meer und einen Temperaturanstieg um 1,5 Grad an der Meeresoberfläche geht. Wir müssen auch dem Thema Volksgesundheit Aufmerksamkeit schenken. Das sollten wir im nächsten Bericht tun, in dem ich fundierte Ideen auf diesem Gebiet erwarte. Wir Abgeordneten haben jetzt die Möglichkeit zu zeigen, wie entschlossen und ernsthaft wir in unserem Engagement für diese Fragen sind. Frau Doyle und ich sind beide Berichterstatterinnen zum Thema Handel mit Emissionsrechten. Wenn wir es alle ernst meinen mit dem, was hier heute vor der Abstimmung gesagt wird, erwarten wir auch eine starke Unterstützung für die Vorschläge, die wir in unseren jeweiligen Ausschüssen einbringen werden.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir uns mitten in den Vorbereitungen zur Konferenz von Kopenhagen befinden. Diese müssen völlig anders erfolgen, und zwar in Zusammenarbeit zwischen Parlament, Rat und Kommission sowie gemeinsam mit den Entwicklungsländern. Es sind nur noch 18 Monate bis dahin.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Auch ich möchte Herrn Florenz zu seinem Bericht beglückwünschen. Ausgezeichnet ist, dass er sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der UNO stützt und hervorhebt, dass es einer besseren und intensiveren Information der Bürger bedarf.
Wir müssen aber, meine Damen und Herren, Herr Kommissar, von der Erkenntnis zum Handeln übergehen. Unsere Politik muss an den von der Wissenschaft empfohlenen Maßnahmen ausgerichtet werden. Wir brauchen sauberere Kraftstoffe und sauberere Autos. Uns ist bekannt, Herr Kommissar, dass Sie selbst innerhalb der Kommission einen Kampf gegen Lobbys und Interessen führen, die das Bemühen der EU um eine weltweite Vorreiterrolle in der Bekämpfung des Klimawandels untergraben. Die große Mehrheit des Europäischen Parlaments ist Ihr Verbündeter. Sie unterstützt ehrgeizigere Anstrengungen der Kommission und der Regierungen, weil das menschliche Leben und der Schutz der Umwelt von weit größerer Bedeutung sind als die Interessen bestimmter Wirtschaftskreise.
Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich bin nicht der Erste und werde mit Sicherheit auch nicht der Letzte ein, der dem Berichterstatter zu seinem ausgezeichneten Bericht gratuliert. Die internationale Gemeinschaft hat kürzlich vom Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) dessen Dokument über den Klimawandel erhalten, das eine umfassende wissenschaftliche Studie zur globalen Erwärmung beinhaltet. Wir nehmen darauf in unserem Bericht und in unserer Entschließung Bezug. Die meisten Wissenschaftler haben dieses Dokument –den vierten Sachstandsbericht des IPCC – akzeptiert. Auch die Regierungen der meisten der 110 im IPCC vertretenen Länder. Es werden jedoch auch Stimmen laut, die die Gültigkeit des Dokuments in Frage stellen. Auch sie wurden in diesem Haus angehört. Es ist daher sinnvoll, mit der Beurteilung der Kontroverse zu beginnen.
Zunächst einmal sagen so gut wie alle, dass die globale Erwärmung eine Tatsache ist, auch wenn es an einigen Stellen unseres Planeten zeitweilig kälter ist als in der Vergangenheit. Unter anderem auch wegen des IPCC-Berichts hat sich anscheinend die Erkenntnis durchgesetzt, dass es die globale Erwärmung gibt. Daher ist es nun nicht mehr so wichtig, auf andere Anzeichen der mit den steigenden Temperaturen verbundenen nahenden Apokalypse zu verweisen. Andererseits muss aber sicherlich erklärt und bewiesen werden, aus welchem Grund die Temperaturen steigen.
Ich bitte Sie alle, sich daran zu erinnern, dass die meisten Forscher, die sich ernsthaft mit dieser Problematik befasst haben, davon ausgehen, dass die Verantwortung für die globale Erwärmung in erster Linie, aber nicht nur, beim Menschen liegt. Dies gilt vor allem für Treibhausgasemissionen. Es wäre lohnenswert, weitere Mühe auf die Dokumentierung und den Nachweis der Richtigkeit dieser Theorie zu verwenden. Die Erforschung der Ursachen für die Erwärmung sollte sicher weitergehen, und dies sollte die wichtigste Schlussfolgerung unserer Aussprachen sein.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass es auch heute schon sehr wahrscheinlich ist, dass die durch Menschen erzeugten Treibhausgase die Hauptursache der globalen Erwärmung sind. Es muss daher gehandelt werden. Darum hat die Europäische Union die weltweite Führerschaft bei der Eindämmung der Emissionen übernommen. Und deshalb ist es für uns Europäer besonders wichtig, in Poznań und Kopenhagen ein globales Abkommen auf diesem Gebiet zu erreichen. Es ist klar, dass wir allein unsere Erde nicht retten können. Aber aufzuhören mit dem, was wir tun, wäre unverzeihlich. Wir können uns unserer Verantwortung für die Zivilisation nicht entziehen.
Riitta Myller (PSE). – (FI) Herr Präsident! Es liegen weltweit gesicherte und anerkannte Daten über den Klimawandel vor, und die menschlichen Ursprünge des gegenwärtigen Trends der globalen Erwärmung sind jenseits jedes ernsten wissenschaftlichen Zweifels. Dies hat Herr Florenz in seinem Bericht zu Beginn seiner Schlussfolgerungen erklärt. Die Absicht, die mit diesem Zwischenbericht verfolgt wird, besteht doch letztlich darin, eine gemeinsame Grundlage für die endgültige Fassung zu schaffen.
Die Arbeit des Ausschusses und des Parlaments muss im vierten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) fest verankert sein. In diesem Bericht herrscht ein ganz klarer Konsens darüber, dass die globale Durchschnittstemperatur stabilisiert werden muss, damit diese nicht um mehr als 2°C ansteigt. Das ist auch eine Möglichkeit, den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen.
Die Fakten liegen auf dem Tisch, wie Herr Florenz gesagt hat. Jetzt geht es darum, wie wir das verstehen, was wir da lesen, wie es also um unsere Lesefähigkeiten bestellt ist. Das wird in diesem Jahr deutlich werden, wenn wir das Paket von Rechtsvorschriften erörtern, das uns die Kommission vorgelegt hat. Ich möchte besonders betonen, dass wir uns, da es hier um die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf den Klimawandel geht, stärker auf die Frage der Energieeffizienz konzentrieren sollten. Ich hoffe, dass die Kommission bei ihren künftigen Aktivitäten ihr Augenmerk vornehmlich auf das Potenzial für die Steigerung der Energieeffizienz richten wird. Da gespeicherte Energie die billigste Energie ist, ist dies auch aus ökologischer Sicht der beste Weg zur Bekämpfung des Klimawandels, und ich hoffe, dass es in dieser Frage neue Vorschläge und Anregungen seitens der Kommission geben wird.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wir diskutieren hier über einen hervorragenden Zwischenbericht über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels, den der Berichterstatter des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel, Herr Karl-Heinz Florenz, vorgelegt hat. Ich möchte ihm für den enormen Aufwand bei der Erarbeitung des Berichts danken, ebenso wie allen Kollegen des Nichtständigen Ausschusses hier im Hause.
Für Gesetzgeber wäre es eine explosive Mischung aus Arroganz, Verantwortungslosigkeit und vollkommener Pflichtvergessenheit, den durch Peer-Reviews überprüften Standpunkt der überwältigenden Mehrheit der Klimawissenschaftler in der ganzen Welt zu ignorieren. Wir sind es, die die Entscheidungen treffen. Wir verfügen über ein demokratisches Mandat von unseren Bürgern, und bei diesem Thema, das die Weltgemeinschaft heute mehr als jedes andere belastet, können wir uns keine Fehler leisten, auch wenn – oder gerade weil – die anstehenden Entscheidungen eine extreme Herausforderung darstellen.
Ich fordere diejenigen unserer verehrten Kollegen, die man salopp als Klimaskeptiker bezeichnen könnte, dringend dazu auf, diesen Weg mit uns zu beschreiten, und sei es nur auf der Grundlage des vielfach geschmähten, aber dennoch sehr wichtigen Vorsorgeprinzips. Wissenschaft ist zweifellos etwas Komplexes und Dynamisches. Aber wenn sich fünf von sechs Wissenschaftlern unserer Argumentation anschließen, dann müssen wir uns mit der durch Peer-Reviews überprüften Arbeit einiger der besten und intelligentesten Klimatologen und Meteorologen auseinandersetzen, sie erörtern und vor allem darauf reagieren – und zwar in adäquater Weise.
Über zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Ozeanen bedeckt, und drei Viertel aller Megastädte der Welt liegen am Meer. Die Meere enthalten mehr als 97 % der Wasserreserven unseres Planeten, und Fisch liefert den Menschen weltweit den höchsten Anteil an Proteinen für ihre Ernährung; für 3,5 Milliarden Menschen bildet Fisch darüber hinaus die primäre Nahrungsquelle. Angesichts der Zunahme der anthropogenen Treibhausgasemissionen sagen Wissenschaftler voraus, dass dramatische Veränderungen wie erwärmte Ozeane, schmelzende Polkappen, steigende Meeresspiegel und die Versauerung der Meere sich zu ernsten Bedrohungen für die Meeresökosysteme und die Fischerei entwickeln werden.
In meiner Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende des Fischereiausschusses möchte ich dringend dazu auffordern, die wohl durchdachten Auffassungen dieses Ausschusses heute in diesen Zwischenbericht mit aufzunehmen. Dazu rasch noch zwei Anmerkungen: Es war eine schwere Unterlassung, kein Mitglied des Fischereiausschusses in den Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel zu berufen. Darüber hinaus bedauere ich, dass der Nichtständige Ausschuss sich außerstande sah, den Standpunkt des Fischereiausschusses zu akzeptieren.
Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass mehrere Änderungsanträge vorliegen, die die naturwissenschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltmeere hervorheben. Ich bitte die Kollegen dringend, diese Änderungsanträge zu unterstützen, da der Entscheidungsbericht des Parlaments so umfassend und integrativ wie nur möglich sein sollte.
Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch zuerst ganz herzlich unserem Berichterstatter für die geleistete Arbeit danken. Der Bericht – das wurde auch von den Vorrednern gesagt – bezieht sich ausnahmslos auf die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel, die in den thematischen Sitzungen mit weltweit renommierten Sachverständigen eingehend erörtert wurden.
Die Land- und Forstwirtschaft ist einer der von der Klimaänderung am stärksten betroffenen Wirtschaftsbereiche und hat daher ein großes Interesse an effizienten Klimaschutzmaßnahmen auf globaler Ebene. Eine Einbeziehung aller Staaten, insbesondere der Entwicklungsländer, in die Post-Kyoto-Periode ist unbedingt notwendig. Es ist auch wichtig, hervorzuheben, dass die Landwirtschaft keineswegs Preistreiber der Lebensmittelpreise ist, da beispielsweise beim Preis einer Semmel auf den Weizen, der hier verarbeitet wird, nicht einmal ganz 2 % der Kosten entfallen.
Es ist auch bekannt, dass nachwachsende Rohstoffe für Treibstoffe pflanzlicher Herkunft bei ihrer Verbrennung nicht mehr CO2 frei setzen als während ihres Wachstums gebunden wurde und sie daher sehr wohl CO2-neutral sind. Aufgrund fundierter Forschungsergebnisse wurde anerkannt, dass der Mensch mitverantwortlich am Klimawandel ist. Gerade deswegen ist es wichtig, sowohl die Forschung zu intensivieren als auch durch effizientere Nutzung Energie zu sparen. Immerhin hat es auch 3 000 Jahre gedauert, bis akzeptiert wurde, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist.
Hohes Haus, ich wünsche mir daher eine seriöse Diskussion, da der Klimawandel ein globales gesamtgesellschaftliches Problem darstellt und keineswegs durch sektorale Politik in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU zu lösen ist. Eine Lösung kann nur weltweit erzielt werden, und die Europäische Union sollte sehr wohl eine führende wie auch eine vermittelnde Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels einnehmen.
Valdis Dombrovskis (PPE-DE). – (LV) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich dem Berichterstatter für seine klare und eindeutige Stellungnahme danken, in der auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen anerkannt wird, dass die globale Erwärmung wirklich stattfindet und dass sie von den Menschen verursacht wird. Erinnern wir uns daran, dass noch vor ein paar Jahren einflussreiche Politiker, darunter die Führer einiger Großmächte, versucht haben, das zu verneinen. Im Bericht geht es noch einen Schritt weiter, indem Aussagen, die globale Erwärmung finde nicht statt und es handele sich dabei nur um natürliche Temperaturschwankungen, als unwissenschaftlich verworfen werden. Dieser Bericht zeigt einmal mehr, dass die EU in Bezug auf die globale Erwärmung eine Führungsrolle in der Welt spielt. Das ist aber kein Grund zum Jubeln. Um die globale Erwärmung auf 2 % zu begrenzen, müssen die CO2-Emissionen laut aktuellen Schätzungen bis 2050 um mindestens die Hälfte reduziert werden. In diesem Zusammenhang ist die in dem Bericht getroffene Feststellung, dass fast alle EU-Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der Kyoto-Ziele gute Fortschritte gemacht hätten, viel zu optimistisch. In der Zeit von 1990 bis 2005 haben die 15 alten EU-Staaten ihre Emissionen lediglich um 2 % gesenkt, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie es in den verbleibenden fünf Jahren schaffen werden, ihre Emissionen um weitere 6 % zu senken, um ihr gemeinsames Kyoto-Ziel zu erreichen. Allein der Tatsache, dass die neuen EU-Mitgliedstaaten ihre Emissionen erheblich schneller reduziert haben, ist es zu verdanken, dass die EU insgesamt von sich behaupten kann, auf diesem Gebiet weltweit führend zu sein. Es wird davon ausgegangen, dass die neuen EU-Mitgliedstaaten ihre CO2-Emissionen bis 2010 um 21 % senken. Allein deshalb können die führenden EU-Politiker über das offenbar ehrgeizige Ziel reden, die Emissionen bis 2020 um 20 % zu senken. Natürlich ist dieses Ziel zu begrüßen, aber es ist wichtig, dass die größten Umweltverschmutzer den größeren Teil der Reduzierung leisten. Es ist nicht akzeptabel, wenn die Anstrengungen der EU-Maßnahmen gegen den Klimawandel nur darauf beruhen, was von den neuen und einigen wenigen alten Mitgliedstaaten schon geleistet wurde, und dass ihnen dann noch mehr aufgebürdet wird, während gleichzeitig Zugeständnisse an die größten Umweltverschmutzer gemacht werden. Aber unabhängig davon, in welchen Ländern in der EU wir die Emissionen senken, wir werden nichts erreichen, solange es kein weltweites Abkommen gibt und solange nicht auch Länder wie die USA, China, Indien, Russland und andere an der Lösung des Problems beteiligt werden. Dieses Thema muss in der EU-Außen- und Klimaschutzpolitik Priorität haben. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Romana Jordan Cizelj (PPE-DE). – (SL) Normalerweise entscheiden wir uns nur dann für Veränderungen und Maßnahmen, wenn sie auf stichhaltigen Fakten basieren. Im Ausschuss für Klimawandel haben wir zahlreiche Daten vieler Wissenschaftler gesammelt. Die meisten dieser Daten zeigen, dass Veränderungen in Ökosystemen die Folge anthropogener Emissionen sind und auf mögliche Tendenzen in der Zukunft hinweisen.
Während einige beunruhigt sind und die Daten als Drohung benutzen, dürfen wir die gute Seite nicht vergessen, die darin besteht, dass wir noch handeln können. Wir müssen jedoch schnell, verantwortungsbewusst, ernsthaft und koordiniert handeln: zuerst innerhalb der Union und danach auch weltweit. Internationalen Vereinbarungen ist nur dann Erfolg beschieden, wenn wir auch gegenüber Drittländern, die mit Fragen zur nachhaltigen Entwicklung und viele von ihnen sogar mit der Beseitigung von Armut beschäftigt sind, ein ausreichendes Maß an Einfühlungsvermögen demonstrieren.
Ein ganzheitlicher Ansatz erfordert ein europäisches Umdenken, weil wir bis jetzt nur mit Entwicklung beschäftigt waren bzw. in erster Linie mit der Entwicklung einer CO2-armen Gesellschaft. Allerdings können wir internationale Übereinkommen nur dann erzielen, wenn wir Maßnahmen zur Verringerung und zur Modifizierung von Emissionen in gleicher Weise berücksichtigen, so dass sie mit den klimatischen Veränderungen in Einklang gebracht werden können.
Vielen Dank an den Berichterstatter für einen ausgezeichneten Bericht, und ich erwarte, dass unsere Arbeit in diesem Sinne bis ins nächste Jahr hinein fortgeführt wird.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Herr Präsident! Ich gratuliere Herrn Florenz zu seinem ausgezeichneten Bericht. Die Aussprache zur wissenschaftlichen Grundlage des Klimawandels ist außerordentlich bedeutsam, da wir Politiker leider oftmals die Fakten unberücksichtigt lassen, obgleich diese zu den sehr beständigen Dingen gehören. Ich teile die Meinung von Martin Schulz, dass wir die auf Glauben beruhende Debatte beenden und uns den Tatsachen zuwenden müssen.
So ist zum Beispiel in der ungarischen Tiefebene zwischen den Flüssen Donau und Theiß der Grundwasserspiegel in den letzten 30 bis 40 Jahren um 3 bis 4 Meter gesunken; dort ist eine ernst zu nehmende Wüstenbildung zu beobachten. Die Wissenschaftler haben Messungen durchgeführt und dabei festgestellt, dass die Wüstenbildung zu 50 % auf den Klimawandel und zu 50 % auf Schaden verursachende Eingriffe des Menschen zurückzuführen ist.
Kurz gesagt, schenken wir doch den Aussagen der Wissenschaftler die gebotene Aufmerksamkeit. Auch ich bin der Meinung, dass die Europäische Union das Problem allein nicht lösen kann; die USA, Japan, China, Brasilien und die Entwicklungsländer müssen als Partner an diesem Projekt mitwirken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Die Menschheit trägt die Schuld am Klimawandel, und die Menschen können daher auch dazu beitragen, seine Richtung zu ändern.
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Biokraftstoffe am Kraftstoffverbrauch im Verkehrssektor auf 10 % zu steigern. Das ist ein Ziel, das überdies erreicht werden muss. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um dieses Ziel zu erreichen, und dazu gehört auch die Verwendung von Torf als Rohstoff für Biodiesel.
Wir brauchen mehr Geld für die Forschung, damit die effizientesten Methoden eingesetzt werden können. Beispielsweise zeigen einige Studien, dass die Energieerzeugung aus Algen je Hektar bis zu fünfzehn Mal größer ist als bei Weintrauben, Palmöl oder Soja. Wir müssen also in dieser Richtung stärker forschen. Denn auf diese Weise könnten wir den Einsatz von Palmöl verringern und ihn hoffentlich schließlich ganz stoppen, da dies keineswegs eine umweltfreundliche Praxis ist. Wir müssen deshalb gemeinsam mit den USA, mit China, Indien und Russland Maßnahmen ergreifen.
Péter Olajos (PPE-DE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Wenn wir Ende 2009 in Kopenhagen Erfolg vermelden wollen, müssen wir, so meine ich, unbedingt zwei Dinge berücksichtigen. Das sind Faktoren, die mir bei meinen Besuchen in Indien, Bangladesch, China und Kalifornien in den letzten Monaten bewusst geworden sind.
Erstens sind echte Anstrengungen erforderlich. Anders ausgedrückt, es reicht nicht, wenn wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen, es ist nicht genug, über 10, 20, 30 oder 40 % zu sprechen. Den von der Europäischen Umweltagentur vorgelegten Zahlen zufolge sind die Kohlendioxidemissionen seit 2000 nicht nur nicht zurückgegangen, sie sind im Gegenteil sogar leicht angestiegen, nämlich um 1 %. Das Emissionshandelssystem (ETS) ist ein großer Erfolg, und es befindet sich zurzeit in einem Reformierungsprozess. Ich meine jedoch, dass die Durchführung ähnlicher Reformen im Nicht-ETS-System durchaus auch in Betracht gezogen werden sollte; vielleicht lassen sich die beiden Systeme sogar zusammenführen. Ich unterstütze voll und ganz den Vorschlag des Rates, anstelle des Jahres 2005 das Jahr 1990 zum Basisjahr zu machen.
Der zweite sehr wichtige Aspekt ist der Anpassungsfonds. Wenn wir in Kopenhagen Erfolg haben wollen, müssen wir den Anpassungsfonds schaffen. Der Stern-Bericht verdeutlicht, dass sich die unangenehmen Folgen des Klimawandels in den anderen Regionen der Welt ohne einen Anpassungsfonds kaum vermeiden lassen. Vielen Dank.
Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (RO) Der Klimawandel betrifft bereits die Europäische Union. Rumänien, zum Beispiel, war in den letzten Jahren von Dürre, Überschwemmungen und heißem Wetter betroffen. Einige Gebiete im Süden und in der südöstlichen Region Rumäniens sind dabei, sich in Wüsten zu verwandeln. Im Kampf gegen den Klimawandel hat die Union sowohl bei der Ursachenreduzierung als auch der Anpassung an den Klimawandel eine maßgebliche Rolle übernommen.
Der Vertrag von Lissabon beinhaltet Festlegungen bezüglich des Klimawandels, und ich begrüße auch hier die Solidaritätsklausel im Falle von Naturkatastrophen. Leider ist die globale Struktur- und Ordnungspolitik auf dem Gebiet des Umweltschutzes dezentralisiert und manchmal fehlt die Stimmigkeit von Gesamtentscheidungen; 18 multilaterale Institutionen sind dafür zuständig, schätzungsweise 500 internationale Abkommen, 300 davon auf regionaler Ebene, zu überwachen. Die Europäische Union muss auf diesem Gebiet die führende Rolle einnehmen.
Lösungen sind vorhanden. Wir brauchen schlüssige Maßnahmen zum Klimawandel, einen umweltfreundlicheren Verkehr, Forschungs- und Entwicklungsprogramme, Maßnahmen zur Umstellung der Landwirtschaft auf angemessenen Wasserverbrauch, zur Wiederaufforstung, und vor allem brauchen wir eine bessere Abfallwirtschaft. Meinen Glückwunsch an den Berichterstatter.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Der Klimawandel hat ernsthafte Folgen, nicht nur für die Ökosysteme, sondern auch für die Wirtschaft, Volksgesundheit, die Wasser- und Ernährungssicherheit und die Migration. Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen haben zu der Erkenntnis geführt, dass auch die Tätigkeit des Menschen zur globalen Erwärmung beigetragen hat, sodass wir nun die Pflicht haben, wirksame politische Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Ich begrüße den Zwischenbericht des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel und seine Empfehlungen zur künftigen integrierten EU-Politik in Bezug auf den Klimawandel, und ich unterstütze nachdrücklich die Auffassung, dass der globale durchschnittliche Temperaturanstieg auf maximal 2°C begrenzt werden muss. Zusätzlich sollte die Europäische Union Maßnahmen zur Reduzierung der Emission einleiten, um den Temperaturanstieg deutlich unter der Zwei-Grad-Grenze zu halten. Ein wesentliches Instrument der Politik zur Eindämmung des Klimawandels ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema, indem man ihr wissenschaftlich fundierte Informationen zur Verfügung stellt.
Anni Podimata (PSE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Auch ich möchte zunächst den Zwischenbericht über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels begrüßen. Ich bin vor allem deswegen zufrieden, weil er die Tatsache hervorhebt, dass sich die Wissenschaftler über das Ausmaß des Problems einig sind. Der Bericht unterstreicht zudem die erheblichen Auswirkungen des menschlichen Faktors, insbesondere im Bereich Energie, auf den Klimawandel.
Der vierte Sachstandsbericht des IPCC führt an, dass die weltweiten CO2-Emissionen im Zeitraum von 1970 bis 2004 um annähernd 80 % angestiegen sind und dass dieser Anstieg hauptsächlich auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurückzuführen ist. Angesichts der Tatsache, dass es einen unbestreitbaren Zusammenhang zwischen Klima und Energieplanung gibt, möchte ich die Notwendigkeit unterstreichen, auf europäischer Ebene ein integriertes System für Empfehlungen zu den am besten geeigneten und wirksamsten Optionen im Bereich Energie zu schaffen.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Nachdem ich nun die Aussprache dieses Vormittags bis hierher verfolgt habe, fühle ich mich veranlasst, zwei Kommentare abzugeben.
Zunächst zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Zweifellos sind der Nachweis der Existenz einer globalen Erwärmung und deren Ursachen eine sehr komplizierte Angelegenheit. Wir haben hier keine Laborsituation, in der man Experimente durchführen kann, um das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Erscheinung nachzuweisen. Die Erkenntnisse, um die es hier geht, basieren auf langfristigen Beobachtungen und sehr komplizierten Verfahren, und natürlich gibt es da auch einige Zweifler, d. h. Wissenschaftler, die andere Meinungen vertreten. Das ist nichts Neues. Wissenschaftler sind dafür bekannt, dass sie unterschiedliche Ansichten haben. Beispielsweise wurde ja sogar der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs von zahlreichen Wissenschaftlern ausgiebig bestritten und wird zum Teil noch heute angezweifelt. Dennoch wir alle kennen die Wahrheit. Das Gleiche geschah im Übrigen mit Contergan und dessen Auswirkungen auf menschliche Embryonen.
Zweitens sollten wir uns um ein globales Konzept bemühen, da wir alle wissen, dass die Großverschmutzer, also die USA, China und Indien, am wenigsten gegen die globale Erwärmung unternehmen.
Janez Podobnik, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich habe mit großem Interesse Ihre lebhafte Diskussion verfolgt, die eine sehr gute Grundlage für den vom Berichtererstatter, Herrn Karl-Heinz Florenz, zur Verfügung gestellten Zwischenbericht war, für den ich ihm danke und zu dem ich ihm gratuliere.
Ihre Debatte würde jedem Parlament nutzen. Sie war sehr engagiert; ich habe sie als positive Kritik verstanden, da jede Meinung, auch eine kritische, wertvoll ist.
Aus Ihrer Debatte haben sich zwei grundlegende Aussagen ergeben. Die Europäische Union ist und bleibt eine Kraft, die sich den Problemen stellt … natürlich in Zusammenarbeit mit all ihren globalen Partnern, eine Kraft, die weiterhin auf eine ernsthafte Auseinandersetzung in Bezug auf Klimaänderungen drängt. Und die andere Aussage ist, dass der Klimawandel nicht nur ein Problem darstellt, sondern auch eine Chance sein kann. Wir können uns dieser Thematik jedoch vor allem durch globales Handeln effektiv annehmen.
Außerdem möchte ich feststellen, dass die Europäische Union im Rahmen des Maßnahmenbündels zur Klima- und Energiepolitik erfolgreich und gründlich all jene Maßnahmen vorbereitet, mit deren Hilfe wir den Folgen des Klimawandels wirksam entgegentreten können.
Der Übergang zu einer sicheren und nachhaltigen CO2-armen Wirtschaft wird auf zahlreiche Strategien, auf die Wirtschaft und das tägliche Leben der Menschen Einfluss haben. Koordinierte politische Maßnahmen sind in vielen Bereichen der Europäischen Union nötig. Hier möchte ich mich Ihnen anschließen. Ja, wir müssen zusammenhalten, und zwar nicht nur im Hinblick auf globale Entscheidungen, sondern wir müssen auch mir einer Stimme sprechen, wenn es um die Details geht, die mit diesen politischen Maßnahmen verbunden sind.
Ich möchte insbesondere die Synergien zwischen Klimawandel und Energie erwähnen. In dieser Hinsicht gilt es, harmonische europäische und nationale politische Strategien auf dem Gebiet der Forschung, Entwicklung und Innovation zu entwickeln; wir müssen ein nachhaltiges Verkehrssystem fördern, das die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, im Kampf gegen den Klimawandel die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen; wir müssen die Energieeffizienz, insbesondere die von Gebäuden, verbessern und andere Energiequellen in allen Bereichen optimieren sowie die Verbraucher über den effizienten Gebrauch von Energie auf dem Laufenden halten, um soziale Folgen auf ein Mindestmaß zu beschränken und auch, um die neuen Chancen bestmöglich zu nutzen.
Wie bereits im Bericht von Herrn Florenz festgestellt wurde, ist die wissenschaftliche Arbeit zum den Klimawandel etabliert und anerkannt und die Tatsache, dass die gegenwärtige globale Erwärmung eine Folge menschlichen Handelns ist, wissenschaftlich nicht zu widerlegen.
Gestatten Sie mir, kurz auf Ihre unterschiedlichen Ansichten zum wissenschaftlichen Rahmen des IPCC einzugehen. In dieser Angelegenheit bin ich dafür, das Gebiet der Politik zu respektieren. Das Europäische Parlament ist ein angesehenes politisches Forum. Natürlich sollten wir auch das Gebiet der Wissenschaft respektieren, das aber den ethischen Prinzipien von Forschung und wissenschaftlicher Präzision verpflichtet ist.
Gleichzeitig sollten wir einen weiteren Bereich nicht vergessen: den Bürger, der durch einzelne Maßnahmen in seiner Lebensqualität beeinflusst wird, nicht zuletzt bei der Planung seines Familienbudgets und seiner Zukunft.
Insbesondere halte ich es für wichtig festzustellen, dass Herrn Sacconi zufolge der Nichtständige Ausschuss zum Klimawandel seine Sache gut gemacht und während seiner Sitzungen Themen zum Klimawandel in einer positiven Atmosphäre diskutiert hat, so dass mit großer Mehrheit ein Zwischenbericht zu wissenschaftlichen Fakten bezüglich des Klimawandels angenommen werden konnte.
Vor allem begrüßen wir die Entscheidung des Europäischen Parlaments, das Mandat für den Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel bis Februar 2009 zu verlängern. Wir betrachten das, Herr Präsident, als einen weiteren Beweis dafür, dass das Europäische Parlament im Bereich Klimawandel die ehrgeizige Politik der Europäischen Union auf internationaler Ebene unterstützt und dabei dafür Sorge trägt, dass seine politischen Entscheidungen durch die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse untermauert werden.
Wir freuen uns auch über die in der heutigen Debatte angekündigte Aussprache zum Maßnahmenbündel bezüglich des Klimawandels. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Erfüllung der vom Europäischen Rat im März 2008 eingegangenen Verpflichtungen.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Ich danke allen Rednern in der heutigen Aussprache für ihre höchst interessanten Beiträge.
Ich möchte besonders hervorheben, dass die Europäische Union – sei es als EU-15 oder als EU-27 – das Kyoto-Ziel erfüllen wird. Daran besteht kein Zweifel. Und da ich weitere 18 Monate Kommissar sein werde – bzw. hoffe, Kommissar zu sein –, versichere ich Ihnen, dass wir auf keinen Fall das Kyoto-Ziel verfehlen werden. Ich sage das, weil die Maßnahmen, die wir bereits ergriffenen haben und die wir jetzt ergreifen, sicherstellen werden, dass das Kyoto-Ziel erfüllt wird. Doch das ist das Mindeste, was wir in den nächsten Jahren zu leisten haben. Ich bestätige, dass die von Ihnen genannten Zahlen zutreffen. Festzustellen ist, dass die Europäische Union die Treibhausgasemissionen abbaut, während sie in anderen Ländern wie den USA ansteigen, und zwar deutlich gegenüber dem Niveau von 1990. Wie Sie ausgeführt haben, lagen wir – die 15 Länder der Europäischen Union mit dem Kollektivziel – im Jahre 2005 um 2 % und im Jahre 2006 knapp 3 % unter dem Niveau von 1990. Als EU-27 sind wir aber noch erfolgreicher, da wir rund 8 % unter dem Niveau von 1990 liegen. Am Ende der Zeitspanne, die uns das Kyoto-Protokoll zur Erfüllung unserer Verpflichtungen einräumt, wird EU-15 mindestens 8 % und EU-27 mindestens 11 % unter dem Niveau von 1990 liegen. Halten wir fest, dass die Verringerung um etwas mehr als 8 % sehr positiv ist, da sie uns dabei hilft, die Zielvorgaben bis zum Jahr 2020 und darüber hinaus zu erfüllen.
Dem Zwischenbericht zufolge werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse in den internationalen Verhandlungen eine bedeutende Rolle spielen, denn sie stellen die Grundlage für mutige Maßnahmen dar. An ihnen wird die Eignung der Vorschläge zu messen sein, die im Vorfeld der Konferenz von Kopenhagen auf den Tisch kommen.
Die Entschließung führt uns die Gefahren des unkontrollierten Klimawandels vor Augen, der die menschliche Gesellschaft auf vielerlei Art treffen und für unsere Volkswirtschaften und kulturellen Überlieferungen gravierende Auswirkungen haben wird.
Zu Recht wird in der Entschließung hervorgehoben, wie wichtig es ist, schwere Störungen im klimatischen Gleichgewicht – etwa durch das Austrocknen der Nebenflüsse des Amazonas oder das Abbrechen großer Eisflächen an den Polen – zu vermeiden.
Meines Erachtens ist es genau so wichtig, die mutmaßlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die internationale Sicherheit – durch Nahrungsmittel- und Wasserverknappung, Konflikte über die Kontrolle von Ressourcen oder Wanderungsbewegungen – herauszustellen. Der auf der internationalen Gemeinschaft lastende Druck durch Umweltkatastrophen infolge extremer Wetterphänomene oder durch gewaltsame Konflikte, die auf den Klimawandel zurückgehen, nimmt ständig zu. Die jüngste Krise der Lebensmittelpreise ist das derzeit offenkundigste Beispiel dessen, was passieren kann: In vielen Teilen der Welt sind die rückläufigen Ernteerträge durch extreme Wetterbedingungen verursacht. Leider scheinen diese Phänomene weder vorübergehend noch außergewöhnlich zu sein; vielmehr sind sie im Begriff, sich als strukturelle und wiederkehrende Phänomene zu etablieren, denen ohne drastische Änderungen der Agrarpolitik und der landwirtschaftlichen Methoden nicht beizukommen ist.
Ich möchte an dieser Stelle auf einige andere in dem Bericht erwähnte Probleme eingehen. Beginnen möchte ich mit der Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch geeignete Maßnahmen auf der Ebene der Entwicklungsländer. Hier ist Unterstützung nötig, es kommt auf die Möglichkeiten an, die die Technologie bietet, und finanzielle Unterstützung für den Technologietransfer und die Stärkung der administrativen Kapazität dieser Länder, damit der Emissionsabbau gemessen, verzeichnet und überprüft werden kann. Dieser Gedanke stand im Mittelpunkt der Verhandlungen über den Aktionsplan von Bali. Wie in Bali festzustellen war, ist Bewegung im Lager der Entwicklungsländer nicht nur von einem ernsthaften Engagement der Industrieländer beim Emissionsabbau abhängig, sondern auch von ihren substanziellen Anstrengungen, Geldmittel bereitzustellen, vor allem für den Technologietransfer und die Entwicklung der nötigen Verwaltungskompetenz.
Wichtig ist für die EU, dass sie jede Gelegenheit zum Dialog mit den führenden Entwicklungsländern nutzt, damit man sich einig ist, was genau dies bedeutet und wie die EU derartige Aktionen unterstützen kann, sei es durch Zusammenarbeit in der Ausformulierung der Politik, durch technische Hilfe, Transfer von Know-how, Schaffung von Anreizen auf dem CO2-Markt oder durch finanzielle Unterstützung. In allen Bereichen müssen Maßnahmen ergriffen werden, auch bei Emissionen durch Energieverbrauch oder Raubbau an Wäldern.
Ich komme nun zu den wissenschaftlichen Aspekten der Diskussion. Die Kommission stimmt uneingeschränkt zu, dass die Öffentlichkeit über die wissenschaftlichen Erkenntnisse informiert werden sollte. Der Verbraucher muss sensibilisiert werden, ihm muss stärker bewusst werden, wie viel Treibhausgas durch seinen Lebensstil und seine Konsumgewohnheiten erzeugt wird. Die erhöhte Sensibilisierung der Öffentlichkeit muss aber durch starke finanzielle Anreize für Unternehmen flankiert werden, damit sie die durch ihre Produkte und Dienstleistungen erzeugten Treibhausgasemissionen reduzieren.
Der Übergang zur CO2-armenVolkswirtschaft ist im globalen Maßstab erforderlich, und er kann nur durch systematische, koordinierte Maßnahmen zum Abbau der Emissionen in allen Bereichen erreicht werden.
Das jetzt im Mitentscheidungsverfahren befindliche Maßnahmenpaket zur Klima- und Energiepolitik verschafft uns einen Vorsprung bei diesem Übergang. Zugleich können wir damit nachweisen, dass eine ambitionierte Klimapolitik nicht nur machbar, sondern auch von allgemeinem Nutzen für unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften ist.
Wir werden unsere äußerst konstruktive Zusammenarbeit im Hinblick auf dieses wichtige politische Maßnahmenpaket fortsetzen und hoffentlich so rasch wie möglich in diesem Jahr eine Einigung zu erzielen.
Abschließend möchte ich das Europäische Parlament zu seinem bedeutenden Anteil an den Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels und Herrn Florenz zu seiner ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen.
Ich hoffe, dass das Parlament auch weiterhin so konstruktiv sein wird. Mögen unser Meinungsaustausch und unsere Zusammenarbeit sowohl im Hinblick auf das Maßnahmenpaket zur Klima- und Energiepolitik als auch in Bezug auf die internationalen Verhandlungen im Vorfeld von Posen und Kopenhagen, anhalten.
Karl-Heinz Florenz, Berichterstatter. − Herr Präsident, verehrter Herr Kommissar, verehrter Herr Ratspräsident! Herzlichen Dank für die aufmunternden Schlussworte. Ich glaube, dass wir hier in diesem Hause schon einen Konsens erkennen konnten, und dieser Konsens verpflichtet uns selbstverständlich, weitere wissenschaftliche Studien zu betreiben und die noch bestehenden Zweifel – und in welchem Bereich gibt es eigentlich keine Zweifel – auszuräumen. Das ist auch ausdrücklicher Wille des Berichterstatters.
Ich möchte mich bei allem Lob, das ich heute gehört habe, auch gerne an die Mitarbeiter wenden, die im Hintergrund eine Menge Arbeit an diesem Bericht geleistet haben. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank.
Heute hatte man den Eindruck, dass wir über CO2 streiten. Ich möchte Ihnen sagen: Wir werden noch über ganz andere Dinge streiten, denn CO2 ist nur die Spitze des Eisberges, und das ist ein seriöses Thema, gar keine Frage. Aber die wirkliche Herausforderung ist die Frage, wie wir mit unseren Nachhaltigkeitsstrategien umgehen. Wie gehen wir mit dem um, was wir im Moment für unsere Kinder verwalten, nämlich diese Erde? Die Energie, die wir im Moment verbrauchen, ist über Jahrmillionen zusammengekommen, und wir verfeuern sie in vielleicht tausend Jahren. Die Herausforderung ist die, mit einem Liter Treibstoff in Zukunft doppelt so weit zu kommen wie bisher. Wenn wir das überall hinkriegen, dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt. Da liegt jetzt die große Aufgabe: die Effizienz in Europa zu steigern, modernste Technologien zu entwickeln, und diese moderne Technologie selbstverständlich bei uns einzusetzen, aber eben auch ökonomisch weltweit zu verkaufen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Darin sehe ich die Chance. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, an dieser Chance mitzuarbeiten.
Ich möchte nochmals allen danken, will aber mit Blick auf die Geschäftsordnung nochmals auf eines hinweisen: Von Anbeginn der Debatte hat es einen hundsmiserablen Übersetzungsfehler in Artikel 10 gegeben, wo steht, dass ich irgendetwas verurteile. Das ist überhaupt nicht mein Naturell. Ich missbillige das eine oder andere, aber ich verurteile niemals etwas. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das ein ganz schlechtes Übersetzungsproblem in diesem Hause ist. In dem gesamten Bericht! Ich nehme da kein Blatt vor den Mund und möchte Sie auf die richtigen Änderungsanträge aufmerksam machen, die in diesem Bereich hier in diesem Hause gestellt worden sind.
Ich danke allen Beteiligten und lade Sie ein, bei dem demnächst viel schwierigeren Teil, nämlich der Frage, wie wir jetzt auf diese wissenschaftlichen Fakten antworten, mitzuarbeiten.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
Neena Gill (PSE) , schriftlich. – (EN) Wenn wir den Klimawandel erfolgreich angehen wollen, müssen sich die Märkte anpassen, um die Kosten widerzuspiegeln, die der Umwelt durch CO2-Emissionen entstehen. Die Verschmutzer müssen. Wir müssen jedes politische Instrument nutzen, einschließlich Mehrwertsteuerermäßigungen, Emissionshandel und Subventionen, um für Verbraucher und Unternehmen mehr Anreize für ein umweltfreundliches Verhalten zu schaffen. Wie Nicholas Stern hervorgehoben hat, werden die ökonomischen und sozialen Kosten des Klimawandels katastrophal sein.
Deshalb widerspreche ich vehement denjenigen Abgeordneten hier im Saal, die den Klimawandel negieren. Sie müssen sich nur einmal die weltweit steigende Anzahl und Häufigkeit von Naturkatastrophen ansehen, um die Folgen der Klimaveränderung zu erkennen. Diese Naturkatastrophen sind ein deutliches Alarmsignal an uns, konsequentere Maßnahmen zu ergreifen.
Die EU spielt zu Recht eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels, und sie muss mit gutem Beispiel vorangehen und anderen Ländern eine Richtschnur vorgeben. Wir brauchen einen umfangreicheren Dialog mit den Schwellenländern Indien und China, um sicherzustellen, dass deren Wachstum weniger zu den globalen Emissionen beiträgt als das der EU und der USA im Lauf des gesamten vorigen Jahrhunderts. Es gibt gewichtige Argumente für einen Technologietransfer aus der EU in die Entwicklungsländer, damit diese die Entwicklung einer CO2-intensiven Industrie vermeiden und den unmittelbaren Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft schaffen können.
András Gyürk (PPE-DE) schriftlich. – (HU) Wenn Entscheidungen zum Klimawandel getroffen werden, müssen die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Fakten zu diesem Gebiet unbedingt Berücksichtigung finden. Schließlich ist die Gefahr, falsche Entscheidungen ausgehend von falschen Schlussfolgerungen zu treffen, mindestens genauso groß wie die Gefahr der Untätigkeit. Eines sollte hier unterstrichen werden: Der Klimawandel ist eine Tatsache, die sich wissenschaftlich belegen lässt, und die Gegensteuerung verlangt schnelle und effiziente Maßnahmen.
Auch nüchternes Betrachten der wissenschaftlichen Fakten kann uns da bei der Beurteilung helfen, wie marktgestützte Umweltschutzinstrumente zur Verbesserung der Qualität der Umwelt beitragen können. Wir meinen, dass die Mitgliedstaaten größere Anstrengungen zur Verbreitung marktfreundlicher Anreize unternehmen sollten. Die Schaffung des Emissionshandelssystems, das der Senkung der Emissionen auf der Basis der Marktmechanismen dient, ist eine sinnvolle Maßnahme. Die Tatsache, dass das System funktioniert, beweist, dass Markt, Wettbewerb und Umweltschutz keine sich gegenseitig ausschließenden Elemente sind.
Ungarn kennt viele Beispiele, die belegen, wie aus falschen Schlussfolgerungen falsche Entscheidungen entstehen können. Die Produktion von Biomasse ist in Wirklichkeit nichts anderes als das Verbrennen von Holz; die negativen Folgen einer erzwungenen Unterstützung der Biokraftstoffe treten immer deutlicher zutage. Die in diesen beiden Bereichen ergriffenen Maßnahmen werden den Anforderungen an die Nachhaltigkeit nicht gerecht und bieten darüber hinaus keine marktfreundliche Lösung des Problems.
Wir möchten hier betonen, dass der Klimawandel Maßnahmen erfordert, die nicht nur den wissenschaftlichen Nachweis berücksichtigen, sondern auch Marktmechanismen eine angemessene Rolle zugestehen.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Herr Präsident! Unsere Entschließung zu den wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels enthält einige wichtige Feststellungen, denen man nur schwer widersprechen kann. Es muss jedoch gesagt werden, dass sie auch einige irritierende Bemerkungen enthält. In der Geschichte der Wissenschaft gibt es Beispiele, die wir als Warnung nehmen sollten. Als Philosophin halte ich es nicht für völlig harmlos, wenn Politiker wissenschaftliche Ergebnisse interpretieren, voreilige Schlüsse daraus ziehen und versuchen, diese zu kontrollieren, ganz zu schweigen davon, dass sie andere Auslegungen „verurteilen“. Worum geht es hier, und warum müssen solche Dinge überhaupt gesagt werden? Es geht dabei um unsere Glaubwürdigkeit, die wir in unserem Kampf gegen den Klimawandel dringend brauchen werden.
Unter Ziffer 5 steht, es sei wissenschaftlich „nachgewiesen“, dass der Mensch die Hauptursache des Klimawandels ist. Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) hat dies zu keinem Zeitpunkt behauptet. Der Bericht spricht von Wahrscheinlichkeiten. Der Beitrag der Menschheit zur Erwärmung in den letzten zehn Jahren ist eine starke Wahrscheinlichkeit.
In Ziffer 7 wird betont, dass Forschungsergebnisse „eindeutig zeigen, wie der Klimawandel in naher Zukunft vor sich geht und unterschiedlichen regionalen Mustern folgt“. Das ist genau das, was wir noch nicht wissen. Vorige Woche haben Klimaforscher in ihrer Erklärung von Reading mit Nachdruck auf die Notwendigkeit der Anschaffung von Supercomputern hingewiesen. Die Frage, welche Art von regionalen Auswirkungen der Klimawandel haben wird, kann derzeit von Meteorologen nicht beantwortet werden, zum Teil aufgrund unzureichender Computerkapazitäten.
Ziffer 8 erwähnt, dass unter anderem das Abschmelzen des Grönlandeises und des Eisschildes der Westantarktis „Kippschalter“ des Klimawandels sind. Die Daten über das Abschmelzen sind derzeit jedoch sehr widersprüchlich, weil die Dicke des Eises in Kernbereichen von Grönland und der Antarktis im Moment de facto zunimmt.
Ebenso wenig würde ich Skeptiker und Kritiker des Klimawandels beschuldigen oder verurteilen, wie es unter Ziffer 10 getan wird. Vor allem Politiker sollten das schon gar nicht tun: Sie sollten diese Angelegenheit den Wissenschaftlern überlassen.
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Der Nichtständige Ausschuss zum Klimawandel (CLIM) kann Empfehlungen aussprechen und Lösungen für künftige Strategien der Europäischen Union im Bereich liefern, Empfehlungen und Lösungen, die auf klaren wissenschaftlichen Beweisen beruhen und, hauptsächlich, auf der festen Unterstützung der Bürger Europas.
Die wissenschaftlichen Beweise stehen außer Frage. Der Bericht von Karl-Heinz Florenz ist erschöpfend und beweist, dass wissenschaftliche Daten ausreichen, um nicht nur auf europäischer, sondern auch auf globaler Ebene zuverlässige politische Entscheidungen zu treffen und konkrete Maßnahmen einzuleiten, die die für den Klimawandel verantwortlichen anthropogenen Erscheinungen rigoros verringern und ihre Auswirkungen mildern sollen.
Die Bemühungen in der Forschung müssen fortgeführt werden, insbesondere auf dem Gebiet neuer Technologien, erneuerbarer Energien und der Biokraftstoffe, um die nötige Balance für die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und der gesellschaftlichen Entwicklung zu finden und um die Ernährungs- und Energiesicherheit zu gewährleisten, die für das Wohlergehen der Bürger Europas von grundlegender Bedeutung sind.
Wissenschaftler und Vertreter der Politik sollten ihre Kräfte vereinen und Aktivitäten unterstützen, die sowohl die Öffentlichkeit sensibilisieren als auch die Teilnahme von Bürgern an konkreten Maßnahmen anregen, weil der Austausch bewährter Verfahren, internationale, regionale und, ganz besonders, grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Dialog sowie das direkte Engagement der Bürger die wirksamsten Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels darstellen.
Sirpa Pietikäinen (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist in den letzten Jahren einer der internationalen Akteure gewesen, die den Weg zur Entwicklung einer nachhaltigen globalen Klimapolitik aufgezeigt haben. Dies ist eine Haltung, die die EU auch in Zukunft beibehalten muss.
Ich danke dem Berichterstatter und dem Ausschuss für den gelungenen Bericht. Er wird dazu beitragen, den Blick auf die wissenschaftlichen Grundlagen, die zur Bewältigung des Klimawandels führen, zu stärken. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Wissenschaft und das durch sie gewonnene Wissen infolge neuer Technologien und Erkenntnisse ständig verändern. Dementsprechend müssen wir für alle Informationen über dieses Phänomen offen bleiben und zudem abweichende Meinungen respektieren.
Es ist äußerst wichtig, entschlossen auf den Klimawandel zu reagieren. Bislang musste jeder der vier Zwischenstaatlichen Ausschüsse die Annahmen seines jeweiligen Vorgängers in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der der Klimawandel vonstatten geht, einer Überprüfung unterziehen. Das Phänomen hat sich schneller ausgebreitet, als in den früheren Schätzungen der Gemeinschaft angenommen. Auch jetzt scheint die Notwendigkeit einer Überprüfung der vorangegangenen IPCC-Schätzungen gegeben. Studien der USA-Raumfahrtbehörde NASA zeigen, dass die Bewältigung des Klimawandels noch radikalere Maßnahmen erfordert: Der durch den Klimawandel verursachte Gasgehalt in der Atmosphäre muss noch stärker reduziert werden, damit diese radikalen Veränderungen verhindert werden können.
Die EU muss anerkennen, dass es einen zunehmenden wissenschaftlichen Konsens darüber gibt, dass die Kohlendioxid-Emissionen noch drastischer verringert werden müssen, um die globale Erwärmung zu verlangsamen, wie es der IPCC empfohlen hat. Nachdem ich mich intensiv mit dieser Entwicklung beschäftigt habe, befürchte ich, dass die Zielvorgaben des EU-Klimapakets nicht ehrgeizig genug sind. Die Union muss bereits jetzt deutlich entschlossenere Anstrengungen zur Schaffung umweltgerechter Gesellschaften in der Union ergreifen. Öko-Modernisierung muss das Leitprinzip für alle EU-Politikbereiche sein. Die Fähigkeit zum Wandel im Angesicht dieser Revolution wird auch der wichtigste Faktor sein, der sich auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU auswirken wird.
Daciana Octavia Sârbu (PSE) ), schriftlich. – (RO) Der Kampf gegen den Klimawandel wird immer häufiger zu einem Thema, das auf der Tagesordnung für die Tätigkeit internationaler Organisationen präsent ist. Seit dem Beschluss auf dem Gipfel 2007, mit dem für die Verringerung von Treibhausgasemissionen und die Nutzung erneuerbarer Energien jeweils 20 % als Ziel bis 2020 vorgegeben wurde, ist die globale Erwärmung für jedes Land der Welt zu einer Priorität geworden.
Diesem Beschluss folgten andere bedeutende internationale Veranstaltungen, wie etwa der G8-Gipfel in Heiligendamm, die Debatte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über den Klimawandel oder der Aktionsplan von Bali. Nach diesen internationalen Veranstaltungen wurde eine wissenschaftliche Übereinkunft erzielt, der zufolge die globalen Erwärmungstendenzen auf menschlichen Tätigkeiten beruhen, und die Ergebnisse von Forschungen und statistischen Erhebungen reichen aus, um dringende Maßnahmen und politische Entscheidungen zur Verringerung der Gasemissionen einzuleiten. Die Einrichtung des Anpassungsfonds und die Einbeziehung der Wälder in ein neues Klimaschutz-Übereinkommen, das dem Zweck dient, einen zusätzlichen Abbau der Wälder und Kohlenstoffemissionen durch das Abbrennen von Waldflächen zu verhindern, sind unerlässlich.
Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch die Bekanntgabe wissenschaftlicher Nachweise des menschlichen Einflusses auf das Weltklima wird bei der Gewinnung der Unterstützung seitens der EU-Bürger für politische Maßnahmen zur Verringerung von Kohlenstoffemissionen eine zentrale Rolle spielen.
Andres Tarand (PSE), schriftlich. – (ET) Das Klima wandelt sich, und der Wandel wird vom Menschen verursacht. Vor vierzig Jahren, als ich auf der antarktischen Forschungsstation Eisproben entnommen habe, waren wir uns dessen noch nicht bewusst. Nunmehr hat der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC), bei dem die Arbeiten Tausender Wissenschaftler zusammenlaufen, hinreichende Beweise für den Klimawandel geliefert. Unsere Aufgabe besteht nun darin gegenzusteuern – es geht nicht mehr darum, weitere Beweise zu liefern. In diesem Punkt stimme ich mit dem vom Berichterstatter, Herrn Florenz, gewählten Ansatz voll überein.
Die Europäische Union muss sich ein ehrgeiziges Ziel setzen und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 so um die 30 % ins Auge fassen, alles andere kompliziert die Sache in Erwartung der tatsächlichen Beiträge der anderen Länder. Es ist schon eigenartig, dass sich ein übergeordnetes Forum einstimmig für die Einzelfrage allgemeiner Zielsetzungen entscheidet, doch wenn es letztendlich um die inhaltlichen Ziele für CO2-Emissionen in den Abgasen von Kraftfahrzeugen oder um verschiedene andere konkrete Maßnahmen geht, dann ist von den ehrgeizigen Zielen nicht mehr viel zu spüren. So kann der Herausforderung des Klimawandels nicht wirksam begegnet werden.
Ich unterstütze die Änderungsanträge, in denen die Notwendigkeit genauerer Untersuchungen und von Modellen bezüglich der Situation der Ozeane und Meere und des Einflusses des Klimawandels auf die Fischfauna unterstrichen wird. Nicht zustimmen kann ich jedoch solchen Änderungsanträgen, in denen daran gezweifelt wird, dass der Klimawandel überhaupt stattfindet, in denen die Bedeutung fossiler Brennstoffe und der Kernenergie nachdrücklich betont und die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen belächelt wird.
Ich glaube, dass der Nichtständige Ausschuss zum Klimawandel die Sensibilisierung der Vertreter verschiedener Bevölkerungsschichten und die Herausbildung eines gemeinsamen Standpunktes gefördert hat. Die Verlängerung des Mandats des Ausschusses um neun Monate bis zur Konferenz in Poznań ist eine annehmbare Kompromisslösung. Eine darüber hinausgehende Verlängerung könnte unserer so bedeutsamen Tätigkeit leicht den Charakter einer Wahlkampfveranstaltung verleihen.
Gabriele Zimmer (GUE/NGL), schriftlich. – Ich habe dem Bericht zugestimmt. Wissenschaftlich belegte Fakten müssen der dringend benötigten Debatte um den Klimawandel unterlegt werden. Das leistet der Zwischenbericht des Kollegen Florenz. Dieser Bericht sollte eine wichtige Funktion sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Rat und Kommission spielen. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse zum „Treibhauseffekt“ liegen seit mehr als 180 Jahren vor.
Es waren konkrete gesellschaftliche Verhältnisse, die dieses Wissen um die Bedrohung unserer natürlichen und klimatischen Existenzbedingungen ignorierten, ein rechtzeitiges Gegensteuern verhinderten und auch weiter behindern. Entweder wir handeln nunmehr international kooperativ, um weiteren Schaden zu begrenzen und jene prognostizierten Katastrophen zu stoppen, die in aller Brutalität zuerst die global Ärmsten treffen, oder wir verhalten uns zerstörerisch. Die Fakten unterstreichen überzeugend, dass sofortiges Handeln bei der Senkung der Treibhausgasemissionen geboten ist, wir durch Lebensweise und Verbraucherverhalten, durch politische und gesellschaftliche Vorgaben und Rahmenbedingungen deutlich unter dem Zielwert von 2°C Erwärmung bleiben müssen. Ich unterstütze den Berichterstatter darin, dass es nicht nur um den Streit um die Emissionswerte geht, sondern um eine gesellschaftliche Nachhaltigkeitsdebatte.
Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie muss diesen Problemen Rechnung tragen und endlich nachhaltig Politik bestimmen. Das verlangt eine Änderung der politischen Prioritäten. Jeder verlorene Tag ist verheerend und durch nichts zu legitimieren.
4. Fortschrittsbericht 2007 -Türkei (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Frau Ria Oomen-Ruijten im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Fortschrittsbericht über die Türkei 2007 (2007/2269(INI)) (A6-0168/2008).
Ria Oomen-Ruijten, Berichterstatterin. − (NL) Herr Präsident! Seit dem letzten Bericht über die Türkei haben sich in diesem Land zahlreiche positive Entwicklungen vollzogen. Ich denke nur an die Annahme des Stiftungsgesetzes oder, in jüngerer Zeit, an die erste Änderung von Artikel 301, die zu weiteren Reformen führen muss, die notwendig sind, damit die freie Meinungsäußerung in vollem Umfang garantiert ist. Allerdings ist auch klar, dass die Türkei ein gemischtes Bild abgibt und noch viel mehr geschehen muss, um nicht nur die Vereinbarungen mit Europa einzuhalten als vielmehr auch die Zusagen gegenüber der eigenen Bevölkerung einzulösen.
Der vorliegende Bericht ist ausgewogen. Einige Steckenpferde, die jetzt geritten werden, kommen hoffentlich nicht durch, denn so bleibt die Balance in dem Bericht gewahrt. Ich habe alle Probleme in dem Bericht benannt, und darin finden sich drei wichtige Botschaften.
Erstens, sind wir besorgt über die Folgen des Verfahrens gegen die AKP vor dem Gerichtshof. Wir erwarten, dass der Verfassungsgerichtshof die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, die europäischen Normen und die Leitlinien der Venedig-Kommission zum Verbot politischer Parteien respektiert. Wir begrüßen, dass sich im Jahr 2007 die Demokratie gegenüber den Versuchen des Militärs, in den politischen Prozess einzugreifen, durchgesetzt hat. Gleichwohl sind wir auch in Sorge darüber, dass nach wie vor Kräfte am Werk sind, die versuchen, das Land zu destabilisieren. Ohne Frage sind jetzt die Modernisierung des Landes und Reformen notwendig. Ministerpräsident Erdoğan gab die Zusage, dass 2008 das Jahr der Reformen wird, und wir werden ihn mit Vergnügen daran erinnern. Die Regierung muss nun die starke Mehrheit im Parlament nutzen, um entschlossen jene Reformen voranzubringen, die entscheidend sind, um aus der Türkei eine moderne und wohlhabende Demokratie zu machen, die sich auf einen säkularen Staat und eine pluralistische Gesellschaft gründet, Reformen, die zu allererst im besten Interesse der türkischen Bevölkerung selbst liegen.
Ein dritter Punkt. Der verfassungsgebende Prozess ist die Chance schlechthin zur Vorbereitung einer neuen, zivilen Verfassung, in deren Mittelpunkt der Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten steht. Nur so kann ein Kontrollsystem errichtet werden, mit dem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, sozialer Zusammenhalt und die Trennung von Religion und Staat gewährleistet werden können. Ein Blick auf die jüngsten Zahlen verdeutlicht, dass die Aufrechterhaltung der Trennung von Kirche und Staat in der türkischen Gesellschaft Spannungen hervorruft. Nicht weniger als 72 % der gut ausgebildeten Türken, 60 % der Bürger in allen Großstädten und fast 50 % der übrigen türkischen Bürger sorgen sich jedoch um den säkularen Charakter der Türkei. Und diese Besorgnis nehmen Justiz und Staatsanwaltschaft zum Anlass, ihren Spielraum zu nutzen, um sich über eine parlamentarische Mehrheit hinwegzusetzen und sehr unabhängig zu handeln. Ein Justizapparat muss in einem Rechtsstaat unabhängig, aber auch unparteiisch sein. Nur mit der neuen Verfassung kann die türkische Regierung das Land reformieren, die Trennung zwischen Religion und Staat und die Rechtsstaatlichkeit verankern und so neues Vertrauen der Bürger gewinnen.
Dazu ist es notwendig, die Zivilgesellschaft auf breiter Basis in diesen verfassungsgebenden Prozess einzubeziehen. Meines Erachtens umfasst das eine Einigung mit allen politischen Parteien, ethnischen und religiösen Minderheiten sowie Sozialpartnern über diese Modernisierung. Diese Modernisierung muss sicherstellen, dass die individuellen Rechte der Bürger, die Freiheiten der Bürger, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention im Einklang stehen.
Wir müssen die Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei mit Respekt fortführen, aber auch ohne Scheinheiligkeit, damit wir offen und ehrlich miteinander umgehen können. Ich bedauere zutiefst, dass mein Kollege, Herr Lagendijk, angegriffen wird, wenn er offen und ehrlich sagt, wo Fehler begangen werden und auch die Mitwirkung aller politischen Parteien an dem Reformprozess anmahnt.
Summa summarum, Herr Präsident, es gibt noch eine Menge zu tun, was die Lage der einzelnen religiösen Minderheiten in der Türkei, der kurdischen Bevölkerung und anderer Minderheiten, die sozioökonomische Entwicklung der Regionen, die Stärkung der Rolle der Frau, den Dialog zwischen der türkischen Regierung und den Sozialpartnern betrifft, wobei ich die Aufmerksamkeit insbesondere auf die nicht selten unter Druck stehende Gewerkschaftsbewegung, die konstruktive Mitwirkung an einer Lösung der Zypern-Frage und gutnachbarliche Beziehungen in der Region lenken möchte. Kurzum, bitte halten Sie sich an die getroffenen Vereinbarungen.
Ich möchte meine Überzeugung bekräftigen, dass nur eine Gesellschaft, die sich von der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten leiten lässt, und die sich auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine sozial orientierte Marktwirtschaft gründet, sich zu einer friedlichen, stabilen und wohlhabenden Gesellschaft entwickeln kann.
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Zu Beginn möchte ich Frau Ria Oomen-Ruijten meinen Dank für ihren Bericht aussprechen, der nach Meinung des Rates einen wichtigen Beitrag zur Debatte über den Beitrittsprozess der Türkei darstellt.
Der slowenische Ratsvorsitz hat die Türkei ermutigt, weitere Fortschritte in ihrem Annäherungsprozess auf dem Weg zum Beitritt zur Europäischen Union zu machen. Gegenwärtig ist im Rat eine Debatte über die acht noch ausstehenden Berichte zur Überprüfung der Angleichung der Rechtsvorschriften, die so genannten „Screening Reports“, im Gange. Falls die technischen Vorbereitungen gut vorankommen, können wir vielleicht auf der EU-Beitrittskonferenz der Türkei im Juni zwei neue Kapitel eröffnen.
Was die Reformen in der Türkei angeht, stimmen wir mit der Einschätzung des Europäischen Parlaments überein, dass dieses Jahr für diesen Prozess entscheidend sein wird, und wir sind der Meinung, dass die Türkei diese Gelegenheit nicht verpassen sollte.
In einer überarbeiteten und im Februar dieses Jahres beschlossenen Beitrittspartnerschaft sind die prioritären Bereiche festgelegt, in denen die Türkei den Reformprozess beschleunigen sollte. Natürlich wird der Verlauf des Verhandlungsprozesses vom tatsächlichen Fortschritt dieser Reformen direkt beeinflusst werden.
Ferner möchte ich betonen, dass wir die Bedenken des Europäischen Parlaments bezüglich des gerichtlichen Vorgehens gegen die Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) teilen. Der Ratsvorsitz hat eine Stellungnahme herausgegeben, in der unterstrichen wird, dass die Trennung von Exekutive und Judikative ein fundamentales Prinzip aller demokratischen Gesellschaften ist und dass dieses Prinzip respektiert werden muss. Wir werden die Entwicklungen sorgfältig beobachten. Wir hoffen, dass das Ergebnis des Prozesses mit demokratischen, den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit folgenden Standards übereinstimmen wird und dass der erforderliche Reformprozess von diesen Verfahren nicht beeinflusst werden wird.
Gestatten Sie mir, fortzufahren und einige Gesichtspunkte im Hinblick auf die Bekräftigung von Grundfreiheiten und die Achtung der Menschenrechte zu nennen. Dies sind Gebiete, auf denen Reformen in der Türkei besonders wichtig sind.
In Bezug auf die freie Meinungsäußerung begrüßen wir die Änderung von Artikel 301 des Strafgesetzbuches. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung; um freie Meinungsäußerung jedoch auch wirklich zu garantieren, wird es nötig sein, diesen Artikel adäquat umzusetzen. Darüber hinaus gibt es einige andere Bestimmungen, die noch mit europäischen Standards in Einklang gebracht werden müssen.
Was die Religionsfreiheit betrifft, so begrüßen wir die Annahme des Stiftungsgesetzes als einen Schritt in die richtige Richtung. Gleichzeitig betonen wir, dass weitere Anstrengungen auf diesem Gebiet in Richtung Sicherung des religiösen Pluralismus im Einklang mit europäischen Kriterien unternommen werden müssen.
Im Hinblick auf zivil-militärische Beziehungen bestätigte der Ausgang der Verfassungskrise im letzten Jahr, dass der demokratische Prozess von entscheidender Bedeutung ist. Trotzdem verfügen die bewaffneten Streitkräfte nach wie vor über einen bedeutenden politischen Einfluss. In dieser Hinsicht ist es notwendig, die zivile demokratische Kontrolle über das Militär auszubauen und zusätzlich die Kontrolle des Parlaments über die Verteidigungsausgaben zu verstärken.
Im Zusammenhang mit der Lage im Südosten des Landes verurteilen wir entschieden die Terroranschläge und bekunden unsere Solidarität mit dem türkischen Volk. Wir unterstützen die Anstrengungen der Türkei, ihre Bevölkerung zu schützen, sowie ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus. Gleichzeit machen wir jedoch darauf aufmerksam, dass es absolut notwendig ist, die Bestimmungen des Völkerrechts zu respektieren und danach zu streben, Frieden und Stabilität in der weiteren Region aufrechtzuerhalten.
Wie Sie alle wissen, misst die Europäische Union die Fortschritte der Türkei daran, wie das Land die politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllt und ob die gemachten Fortschritte mit den im Verhandlungsrahmen für die Türkei festgelegten Bestimmungen übereinstimmen. Der Rat wird auch die Umsetzung des Zusatzprotokolls zum Abkommen von Ankara bewerten. In diesem Zusammenhang bedaure ich, dass die Türkei ihren Verpflichtungen noch nicht nachgekommen ist und kein Fortschritt im Hinblick auf die Normalisierung der Beziehungen zur Republik Zypern erzielt wurde.
Anstrengungen, gutnachbarliche Beziehungen zu entwickeln und Streitfälle friedlich zu lösen, und zwar in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen, gehören jedoch zweifellos zu den wichtigen Fortschritten in den Beitrittsverhandlungen.
Vielen Dank.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich Frau Oomen-Ruijten und dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten für diesen sehr soliden, konsequenten und ausgewogenen Bericht danken. In den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden bisher sechs Verhandlungskapitel eröffnet, und – wie Herr Lenarčič bereits sagte – es sollte möglich sein, im Laufe der slowenischen Präsidentschaft noch zwei weitere Kapitel zu eröffnen, nämlich zum Gesellschaftsrecht und zum geistigen Eigentum.
Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang an ein simples, aber absolut fundamentales Leitprinzip der EU-Erweiterungspolitik zu erinnern, das für jedes Kandidatenland, einschließlich der Türkei, gilt: Das Tempo der Verhandlungen hängt ab vom Fortschritt juristischer und demokratischer Reformen, vor allem aber von deren Umsetzung. Mit anderen Worten, die technischen Gespräche über einzelne Kapitel bilden die Wände und Räume eines Hauses, vielleicht eines Tages auch das Dach, während die juristischen und demokratischen Reformen das Fundament für den Bau jedes neuen EU-Mitglieds darstellen. Wie jeder Maurer weiß, muss aber zuerst ein sehr solides Fundament errichtet werden, bevor man daran gehen kann, die Wände hochzuziehen. Also: zuerst die Reformen, dann der Fortschritt bei den technischen Verhandlungen.
Deswegen finde ich den Bericht von Frau Oomen-Ruijten so relevant. Die Kommission teilt ihre Ansichten über das langsame Reformtempo. Einige Gesetzesreformen haben jedoch stattgefunden. Ich stelle fest, dass Sie das neue Stiftungsgesetz begrüßen, und auf Ihr Ersuchen hin wird die Kommission über dieses Gesetz und seine Umsetzung im nächsten Fortschrittsbericht über die Türkei im kommenden Herbst berichten.
Darüber hinaus ist die kürzlich erfolgte Änderung des berüchtigten Artikels 301 des Strafgesetzbuchs ein Schritt in die richtige Richtung. Was am Ende zählt, ist jedoch die ordnungsgemäße Umsetzung dieses Artikels, damit die Meinungsfreiheit für jedermann in der Türkei garantiert ist.
Neben den Grundrechten auf Meinungs- und Religionsfreiheit sind weitere Fortschritte in Bereichen wie kulturelle und sprachliche Rechte, Frauenrechte und Kinderrechte sowie Rechte der Gewerkschaften unabdingbar. Alles in allem muss das Augenmerk erneut auf EU-relevante Reformen gerichtet werden, was übrigens auch bei der Überwindung der aktuellen politischen Krise hilfreich sein könnte.
Diese Botschaft hat Präsident Barroso anlässlich unseres letzten Besuchs in der Türkei übermittelt. Sowohl die Regierungs- als auch die Oppositionsparteien sollten den Dialog suchen und Kompromisslösungen anstreben bei den heiklen Themen, die die innenpolitische Debatte beherrschen, einschließlich des Prozesses der Verfassungsreform. In diesem Zusammenhang gilt es, sowohl die Säkularität als auch die Demokratie zu verteidigen.
Es ist bedauerlich, dass der Verfassungsgerichtshof das Gesetz über den Ombudsmann seit zwei Jahren blockiert. Ich begrüße es, dass Sie mit Nachdruck dazu auffordern, hier zu einer Entscheidung zu gelangen und das Amt eines Ombudsmanns unverzüglich einzuführen. Wir alle wissen, wie wichtig die Funktion des Ombudsmanns für die demokratische Kontrolle von Behörden und für den Ausbau der Bürgerrechte in den EU-Mitgliedstaaten stets war.
Die Quintessenz dieser Reformen ist, den Umbau der Türkei in eine offene und moderne Gesellschaft sicherzustellen, in der Freiheit und Demokratie, Vielfalt und Toleranz geachtet werden, d. h. in einen demokratischen säkularen Staat.
Die Existenz der Europäischen Union beruht auf den gemeinsamen Grundwerten der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Sie bilden die Basis des Familiensinns und des Ehevertrags, wie Jacques Delors es ausgedrückt hat, zu dem wir Europäer uns verpflichtet haben.
Der Verhandlungsrahmen für die Türkei macht diese Werte noch einmal deutlich, und es ist die Pflicht der Kommission, sie zu überwachen. Die Rolle der Kommission im Beitrittsprozess ist ungefähr die eines Freundes, der einem die Wahrheit sagt, auch wenn die Wahrheit zuweilen in Teilen der EU oder in der Türkei nicht gerade willkommen ist.
Somit können wir nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem, was in den Kandidatenländern vor sich geht, am allerwenigsten gegenüber Vorgängen, die unsere gemeinsamen demokratischen Werte gefährden. Noch etwas zu Ihrer Sorge über die Folgen der Schließung der AK-Partei. Natürlich sollten die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs mit demokratischen und Rechtsstaatsprinzipien vereinbar sein, einschließlich der Richtlinien der Venedig-Kommission des Europarats.
Wir wollen, dass die Türkei diesbezüglich im weiteren Verlauf die europäischen Wertvorstellungen beachtet. Die Türkei kann es sich nicht leisten, bei diesen Reformen ein weiteres Jahr zu verlieren. Wir müssen Fortschritte erkennen, keine Rückschritte, wenn es um die Erfüllung demokratischer Grundprinzipien geht.
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte über Zypern sagen. Es ist an der Zeit für die politischen Führer der beiden Volksgruppen, aus der Sackgasse herauszufinden und eine Wiedervereinigung der Insel anzustreben. Ich vertraue darauf, dass die Türkei ihren Beitrag zu einer Lösung leisten wird. Die Kommission befürwortet einen erneuten UN-Prozess und wird beide Volksgruppen auf der Insel bei der Ausarbeitung der notwendigen schwierigen Kompromisse voll unterstützen.
Emine Bozkurt, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. − (NL) Kürzlich wurden in der Türkei wichtige Rechtsvorschriften in den Bereichen Soziales und Beschäftigung verabschiedet. Ein maßgebliches Ziel besteht darin, mehr Frauen in den Arbeitsmarkt einzugliedern, denn Teilhabe an der Wirtschaft ist zur Stärkung der Position der Frau unverzichtbar.
Es erübrigt sich der Hinweis, dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Für Frauen ist es wesentlich, dass sie ihre Grundrechte, auch ihre sexuellen und reproduktiven Rechte, einfordern können und nicht Opfer vager Kriterien wie „allgemeine Tugendhaftigkeit“ werden. Im Übrigen ist das auch für Schwulenorganisationen von Bedeutung. Um das zu kontrollieren und Gender Mainstreaming einzuführen, braucht die Türkei unbedingt Instrumente. Ich plädiere daher für einen Ausschuss für die Rechte der Frau im türkischen Parlament, der mit uneingeschränkten Legislativbefugnissen ausgestattet ist.
Im nächsten Jahr finden in der Türkei Lokalwahlen statt. Landesweit verdoppelte sich der Anteil weiblicher Parlamentsmitglieder. Aber es muss mehr geschehen, denn lokal liegt die Wahlbeteiligung noch unter 1 %, eine enorme Herausforderung, wenn eine angemessene Vertretung von Frauen in der Politik jetzt Realität werden soll.
Giorgos Dimitrakopoulos, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich Frau Oomen-Ruijten für ihren Bericht und die Zusammenarbeit während der gesamten Zeit danken.
Der Bericht vermittelt der Türkei die deutliche Botschaft, dass ihr Weg nach Europa und ihr letztendlicher Beitritt zur europäischen Familie über folgende Etappen führen.
Erstens muss sie die Reformen in allen Bereichen und Strukturen fortsetzen und verstärken.
Zweitens muss sie zeigen, dass sie die Menschenrechte und die Minderheitenrechte uneingeschränkt respektiert.
Drittens muss sie ihre Truppen aus Zypern abziehen und einen Beitrag zu einer fairen und dauerhaften Lösung der Zypernfrage leisten. Es ist jetzt an der Zeit, dass wir alle die Initiativen von Präsident Christofias in dieser Richtung unterstützen.
Viertens muss die Türkei allgemein gutnachbarliche Beziehungen, insbesondere zu Griechenland, unterhalten. Das bedeutet, dass die Verletzung des Fluginformationsgebietes und Provokationen aller Art aufhören müssen.
Natürlich gibt es in der Türkei Kräfte, die eine Destabilisierung anstreben, zugleich gibt es aber auch türkische Bürger, die eine demokratischere, fortschrittlichere, entwickeltere, ökologischere, sozial bewusstere, friedensliebendere Türkei mit europäischer Ausrichtung wünschen. Diesen Bürgern muss die Botschaft vermittelt werden, dass ihr Kampf nicht vergeblich ist, und der Bericht von Frau Oomen-Ruijten und unsere heutige Aussprache gehen genau in diese Richtung.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Herr Ratsvorsitzender, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst der Kollegin Oomen-Ruijten für die sehr fruchtbringende und sehr konstruktive Zusammenarbeit danken. Ich möchte im Namen meiner Fraktion auch die Solidarität mit dem Kollegen Lagendijk zum Ausdruck bringen, weil wir alle unfairen Angriffe gegen ihn zurückweisen wollen.
Ich möchte mich auf eine wesentliche Frage beschränken, nämlich die Frage des drohenden Verbots von zwei Parteien, der AK-Partei und der DTP. In beiden Fällen wollen wir klar und deutlich sagen, dass diese Verbote für uns völlig unakzeptabel wären und große Blockaden auf dem Weg der Türkei in die Europäische Union wären. Es ist aus unserem demokratischen Verständnis heraus undenkbar, dass ein Gerichtshof vielen Wählerinnen und Wählern nachträglich einfach das Recht wegnimmt, die politische Situation in ihrem Land durch Wahl selbst zu beeinflussen. Das ist bei der Regierungspartei unakzeptabel, das ist aber auch bei der DTP unakzeptabel. Es sprechen also grundsätzliche rechtliche demokratische Überlegungen dagegen.
Was die DTP betrifft: Anstatt die Chance zu wahren, mit den Vertretern der kurdischen Bevölkerung zu reden und in einen Dialog einzutreten, weil wir gemeinsam mit den Türken den Terrorismus ablehnen, will man diese Partei auch noch verbieten. Ich weiß, dass nicht alle in der DTP zu einem Dialog bereit sind. Da muss man eben gegenseitig aufeinander zugehen und diesen Dialog entsprechend entwickeln. Daher fordern wir ganz klar und deutlich dazu auf, dass alle gemäßigten Kräfte in der Türkei alles daran setzen, dass diese beiden Parteien weiterhin im politischen Spektrum des Landes agieren können.
Wir wissen, dass der Prozess lange dauert. Der Ausgang ist offen. Aber er muss ein Ziel haben, und das Ziel muss der Beitritt sein. Ein Ziel, für das wir in der Europäischen Union viel tun müssen, in Kommunikation mit unserer Bevölkerung, wofür aber auch die Türkei viel tun muss, indem sie die erforderlichen Reformen durchführt.
(Beifall)
Alexander Lambsdorff, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Auch von mir zunächst herzlichen Dank an Ria Oomen-Ruijten für die gute Zusammenarbeit. Das war genau so konstruktiv wie im letzten Herbst. Auch der Text ist hier von viel Konsens charakterisiert. Wir sind uns zwischen den Fraktionen hier einig, dass sich die Türkei weiterhin eigenständig, kontinuierlich, aber auch erheblich schneller in ihrem Auftreten verbessern muss. Wir sind uns auch darüber einig, dass man das von einem Beitrittskandidaten durchaus verlangen kann, ja verlangen muss.
Auch sind wir der Meinung, dass die Reformen trotz der schweren innenpolitischen Krise weitergehen müssen. Ich will auf etwas eingehen, was Kollege Swoboda gerade gesagt hat: Die Europäische Union ist nicht Partei in diesem Verbotsverfahren. Die Worte von Kommissar Rehn sind hier richtig: Säkularismus und Demokratie müssen verteidigt werden, ansonsten sehe ich genau wie Sie, Herr Swoboda, dass hier ein grundlegendes demokratisches Problem auf uns zukommt, das die Beitrittsverhandlungen schwer belasten wird.
Wichtig ist, dass viele der Probleme, mit denen wir uns hier beschäftigen, schon länger bestehen. Es gibt also nur einige Punkte, die wir hier hervorheben sollten. Wir haben es ja im letzten Jahr begrüßt, dass die türkische Regierung ein klares und eindeutiges Mandat für weitere Reformen bekommen hat. Wir haben gefordert, dass dieses Mandat genutzt wird, um die Reformen auch tatsächlich voranzutreiben. Wir begrüßen die Verabschiedung des Stiftungsgesetzes. Das ist ein positiver Schritt, aber unter dem Strich müssen wir sagen – und ich glaube, da besteht auch Einigkeit –, dass wir doch allgemein enttäuscht sind über das, was ereicht worden ist.
Nehmen wir die Verfassungsreform: Sie wird durch die Kopftuchdebatte so überlagert, dass es keine echten Fortschritte bei der grundlegenden Erneuerung der Verfassung der Türkei gegeben hat. Die Kopftuchdebatte ist auch eine Frage von Meinungs- und Religionsfreiheit, sie darf aber nicht dazu benutzt werden, säkular eingestellte Frauen kulturell zu unterdrücken.
Ein weiteres wichtiges Thema – gerade für die Liberale Fraktion – ist das Thema der Redefreiheit. Die so genannte Reform von Artikel 301 ist aus unserer Sicht jedenfalls nicht zufriedenstellend. Ich habe mit vielen Menschen in der Türkei selbst gesprochen, auch dort sehen wenige, dass dieser Versuch der Reform von Artikel 301 wirklich ernsthaft und fundiert ist, zumal es sich ja inzwischen um einen Symbolparagrafen handelt. Es gibt zahlreiche weitere Paragrafen im Strafgesetzbuch, die die Redefreiheit einschränken – ich will sie hier nicht im Einzelnen aufzählen –, hier ist noch viel zu tun.
Ein weiterer Punkt, den ich kurz erwähnen will, ist das Verhältnis zur Türkei im Rahmen der EU und der NATO. Wir betonen hier, dass wir von der Türkei eine konstruktive Haltung zu ESVP-Missionen erwarten. Wir verstehen die Schwierigkeiten, die es gibt. Dennoch erwarten wir von einem Beitrittskandidaten einen europäischen Geist, wenn es um die Sicherheit europäischen Personals in Missionen wie EUPOL oder EULEX geht.
Joost Lagendijk, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben wahrscheinlich bemerkt, dass der Kommissar und ich uns in den letzten Wochen heftige Kritik aus bestimmten Kreisen in der Türkei eingehandelt haben. Wir würden die Türkei nicht recht verstehen, wir würden eigentlich nicht durchschauen, was in der Türkei passiert.
Zugegebenermaßen verstehe ich mitunter einige Dinge in der Türkei tatsächlich nicht. Beispielsweise begreife ich nicht, dass nicht wenige in der Türkei kein Problem damit haben, dass die Regierungspartei, die bei den letzten Wahlen 47 % der Stimmen gewann, Gefahr läuft, vom Verfassungsgerichtshof verboten zu werden. Ebenso verstehe ich nicht, dass man sich so einfach über die Empfehlungen des Europarates zum Verbot politischer Parteien hinwegsetzt, denn es ist klar, dass das Verfahren gegen die AKP in keiner Weise diese Kriterien erfüllt. Ich verstehe auch nicht, dass so leicht darüber hinweggesehen wird, dass aufgrund des Verbots der AKP und der DTP etwa 90 % der Stimmen im Südosten für ungültig erklärt wurden, mit allen sich daraus ergebenden Folgen. Außerdem kann ich nicht nachvollziehen, dass in der Türkei so viel Aufhebens um die Kritik gemacht wird, die der Kommissar und ich daran äußerten, dass es sich unseres Erachtens um ein politisches Verfahren handelt, das, wenn es zum Verbot der Regierungspartei führt, tatsächlich ernste Folgen haben wird. Ich halte es für unsere Pflicht, das zu sagen, und das werden wir auch weiterhin tun.
Gleichwohl sind mir auch andere Dinge unverständlich. Ich begreife nicht, weshalb die Behörden den Gewerkschaften nicht gestatten konnten, am 1 Mai in Istanbul friedlich zu demonstrieren, auch auf dem Taksim-Platz, einem seit 1977 symbolischen Ort. Ich kann auch wirklich nicht verstehen, weshalb die Behörden nicht zwischen Randalierern und Gewerkschaften unterscheiden konnten, die von ihren demokratischen Rechten Gebrauch machen. Ich begreife ebenso wenig, weshalb gegen friedliche Demonstranten und unschuldige Passanten derart übermäßige Gewalt eingesetzt werden musste.
Zum Schluss möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dieses Parlament weiterhin wie in diesem Bericht Reformen anmahnt, aber auch die Regierung und die Opposition kritisiert, wenn diese Reformen nicht stattfinden, und zwar auf eine Weise, die ich als klar, deutlich, unter Achtung der gegenseitigen Auffassungen, aber ohne Tabus beschreiben möchte. Meiner Überzeugung nach werden wir uns, wenn dies geschieht, in der Türkei und der Europäischen Union letztendlich noch besser verstehen.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Dieser wirklich gute Bericht wird in Ankara nicht gut ankommen. Einerseits würdigen wir die unternommenen Anstrengungen, darunter die Annahme des Stiftungsgesetzes, die Reform des Strafgesetzbuches in Bezug auf Meinungsfreiheit und die angekündigten Verfassungsänderungen. Andererseits gibt es nach wie vor ungelöste Probleme. Dazu gehören die Religionsfreiheit für andere Glaubensrichtungen als den Islam, die Einmischung in die Tätigkeiten des Ökumenischen Patriarchats und die schleppenden Fortschritte bei der Untersuchung der Ermordung von Hrant Dink und der drei Christen aus Malataya. Auch werden einige Bestimmungen im Assoziationsabkommen nicht eingehalten. Über all das haben wir schon im letzten Jahr geschrieben. Man könnte meinen, dass die Zeit am Bosporus sehr langsam verläuft.
Statt mit dem vollen Integrationsprozess weiterzumachen, sollten wir vielleicht einen Rechtsrahmen für eine Art der Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der EU errichten, der beiden Partnern eher zusagt. Das wäre sofort möglich. Die politische Dimension eines solchen Rahmens könnte sehr wohl über den Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik hinausgehen. Das alternative Paket würde keine Spannungen hervorrufen, wie wir sie jetzt in Ankara und in Hauptstädten Europas erleben, wenn über die Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union debattiert wird.
Vittorio Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden uns zu diesem Entschließungsantrag der Stimme enthalten, hauptsächlich weil die Kurdenfrage ausgeblendet wurde. Insbesondere kann man meines Erachtens die von der Türkei im nördlichen Irak durchgeführten Operationen nicht einfach als „unverhältnismäßige Militäraktionen“ bezeichnen; stattdessen hätten wir lieber bekräftigt, dass es sich dabei um eine eklatante Völkerrechtsverletzung handelt.
Die Kurdenfrage kann nicht nur zu einer sozialen Frage verharmlost werden. Sie ist vor allem ein politisches Problem, und wir müssen der Regierung klar machen, dass sie Gespräche mit den örtlichen Behörden der Kurdenregion und mit der DTP aufnehmen muss. Wir können nicht wortlos hinnehmen, dass nicht der leiseste Hinweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs in Luxemburg erfolgt, wonach der bislang in den Terrorlisten geführten PKK ein anderer Status eingeräumt wird.
Wir denken, es wurden unzählige Appelle zur Kurdenfrage an die Türkei gerichtet, ohne dass bisher irgendeine nennenswerte Änderung eingetreten wäre. Das ist der Grund für unsere Stimmenthaltung.
Georgios Georgiou, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Ich habe den Bericht meiner Kollegin, Frau Oomen-Ruijten, mit großem Interesse und Respekt gelesen und gratuliere ihr.
So sehr ich mich auch darum bemühe, kann ich den Bericht nicht mit den heutigen Ereignissen in Einklang bringen. Die Entwicklungen in der Türkei lassen nicht erkennen, was die Zukunft für dieses Land mit seinen asiatischen Wurzeln bringen wird.
Die Türkei hat auch in der Vergangenheit versucht, Reformen durchzuführen. Denken wir nur an die Tanzimat-Reformen oder die Reformen von Abdul Hamit and Hatt-ı Hümayun. Über Jahrhunderte hat man vergeblich versucht, Reformen durchzuführen.
Das Urteil des Verfassungsgerichts ist ein unheildrohendes Zeichen. Politische Parteien werden abgeschafft. Ich verstehe nicht, warum die Türkei nicht dem europäischen Beispiel zu folgen hat, zumal sie doch ein Beitrittskandidat ist und zumal…
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Philip Claeys (NI). – (NL) Ich darf Herrn Swoboda mitteilen, dass in Europa durchaus schon eine politische Partei verboten wurde. Ich spreche von Belgien, wo der Vlaams Blok, die größte flämische Partei 2005 de facto verboten wurde. Selbstverständlich kann die Türkei das nicht als Entschuldigung dafür nehmen, ebenfalls politische Parteien zu verbieten.
Abgesehen davon erstaunt es mich, Frau Präsidentin, dass der Rat und die Kommission mit der kosmetischen Änderung des berüchtigten Artikels 301 des türkischen Strafgesetzbuches zufrieden sind, die nach wie vor der Meinungsfreiheit Zügel anlegt. Nunmehr gilt die Beleidigung „der türkischen Nation“ anstelle der Beleidigung „des Türkentums“ als strafbare Handlung. Es ist eine Frage der Semantik, die nach wie vor zu tatsächlichen Haftstrafen führen kann.
Artikel 301 braucht keine Änderungen, er muss zusammen mit allen Gesetzesartikeln, die mit der Meinungsfreiheit und den demokratischen Grundrechten kollidieren, gestrichen werden. Wenn das nicht geschieht, sind die Verhandlungen schlicht und einfach zu stoppen, wie man stets versprochen hat. Man hatte zugesagt, der Verhandlungsprozess werde mit dem Reformprozess in der Türkei Schritt halten. Nun, das ist wirklich nicht der Fall, wenn man jetzt schon zusichert, dass in Kürze zwei neue Kapitel geöffnet werden. Wenn die Europäische Union also derartige kosmetische Verbesserungen billigt, geht sie jeder Glaubwürdigkeit verlustig und der gesamte weitere Verhandlungsprozess verkommt zu einer grotesken Farce.
Werner Langen (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich möchte zuerst der Kollegin Ria Oomen-Ruijten herzlich danken. Sie hat eine offene und ehrliche Bestandsaufnahme vorgelegt. Das reiht sich nahtlos in die Berichte ein, die wir hier in früheren Jahren verabschiedet haben.
In einem Punkt bin ich allerdings viel skeptischer als Sie und der Herr Kommissar Rehn. Ich habe nicht festgestellt, dass es im letzten Jahr irgendeinen Fortschritt in der Türkei gegeben hat. Es war umgekehrt: Es gab überall Stillstand. Wir haben größtes Interesse an einer Türkei, die modern, demokratisch, stabil und westlich orientiert ist, sowie enge wirtschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen zu Europa unterhält.
Aber wenn Sie die Fakten ansehen, dann ist der Stillstand das Zeichen.
Wir haben bisher keine Regelung in der Frage der Zollunion. Da ist ein Sonderstatus der Türkei zur Europäischen Union, was Zypern angeht. Wir haben in diesem Reformprozess zwar einen Vorschlag für den Artikel 301. Aber ich will daran erinnern, dass die frühere Ministerpräsidentin Tansu Çiller 1995, vor dreizehn Jahren, bereits die Reform zugesagt hat, bevor wir der Zollunion zugestimmt haben. Nichts ist geschehen. Der Verbotsantrag liegt auf dem Tische und das zeigt die mangelnde demokratische Reife der Türkei: Die Parteien regen sich gar nicht darüber auf, dass die Regierungspartei verboten werden soll und der Ministerpräsident möglicherweise persönlich ein Politikverbot erhält. Das Militär ist gleichzeitig Stabilitätsfaktor und Demokratiehindernis. Auch dieser Widerspruch ist nicht gelöst. Und ich sehe einen neuen Nationalismus in der Türkei, der sich in vielen Punkten dokumentiert. Auch das Verhalten gegenüber unserem Delegationsvorsitzenden Joost Lagendijk zeigt, dass es nicht wirklich um Meinungsfreiheit gehen kann, sondern man will öffentlich durch Druck in jeder Form die öffentliche Meinung beeinflussen. Wir können uns das nicht bieten lassen.
Ich sage, dass es im Moment für Optimismus bezüglich der Türkei überhaupt keinen Grund gibt, dass wir deshalb aber ernsthaft über Alternativen nachdenken müssen. In diesem Sinne ist der Bericht offen und ehrlich, und wir werden ihn unterstützen.
Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Auch ich möchte der Berichterstatterin dafür Anerkennung zollen, wie sie diesen Bericht konzipiert hat. Der Bericht gibt klar und deutlich den Weg an, den das Parlament beschreiten will, nämlich Verhandlungen über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und nichts anderes.
In der Türkei wurde 2008 als das Jahr der Reformen angekündigt. Wir befürworten selbstverständlich diese Zielsetzung, warten aber den weiteren Verlauf der innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei ab. Herr Swoboda hat dazu genug gesagt. Wenn dies misslingt, bekommen wir es mit einer Türkei zu tun, die eigentlich nicht handlungsfähig ist.
Apropos Reformen. Ich möchte auch auf Artikel 301 des Strafgesetzbuches aufmerksam machen, der dazu dient, die Meinungsfreiheit in der Türkei in verschiedener Hinsicht zu beschränken. Die Regierung hat eine Änderung dieses Artikels angekündigt. Unserer Meinung nach ist das ein richtiger Schritt, wir würden es jedoch bevorzugen und halten es für die beste Lösung, diesen Artikel ebenso wie andere beschränkende Bestimmungen ein für allemal abzuschaffen, damit einer Praxis ein Ende gesetzt wird, die leider noch immer Bestand hat, nämlich der Missbrauch dieser Artikel zur Beschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Zweitens möchte ich mich Herrn Lagendijk anschließen und zum Ausdruck bringen, wie sehr auch uns das Einschreiten der Polizei während der Demonstration am 1. Mai in Istanbul empört hat. Sie werden verstehen, dass uns dies als Sozialdemokraten, für die der 1. Mai ein bedeutender Tag ist, überaus beunruhigt hat. Wir hoffen, dies wird sich nie wiederholen und appellieren an die Behörden sicherzustellen, dass dies nie wieder geschieht.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Kurdenfrage. Wir wollen, dass die politische Debatte in der Türkei auch tatsächlich stattfindet, dass nach einer Lösung über Dezentralisierung gesucht wird, aber beispielsweise auch durch Förderung der Verwendung der kurdischen Sprache im Allgemeinen. Das ist meiner Ansicht nach ein wesentlicher Punkt, der heute noch einmal herausgestellt werden sollte.
Abschließend darf ich Ihre Aufmerksamkeit zudem auf einen Punkt lenken, den wir verschiedentlich erörtert haben, die Unterstützung der Initiative des spanischen Ministerpräsidenten, Herrn Zapatero, und seines türkischen Amtskollegen, Herrn Erdoğan, zu der, wie sie es nennen, Allianz der Zivilisationen. Das Parlament wird hoffentlich endlich einmal unsere diesbezüglichen Änderungsanträge absegnen.
Andrew Duff (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich Joost Lagendijk gegen die skandalösen Angriffe auf seine Integrität durch die Republikanische Volkspartei und gewisse nationalistische Journalisten in Schutz nehmen. Herr Lagendijk ist ein Freund der Türkei und ein erstklassiger Vorsitzender des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EU-Türkei. Diejenigen, die Joost Lagendijk angreifen, greifen dieses Parlament an und wollen die Demokratie auf dem Altar eines aggressiven Laizismus opfern. Unsere Botschaft muss absolut klar sein: Wenn der Oberste Gerichtshof der Türkei weiterhin politische Parteien verbietet, dann ist dies das Ende aller Aussichten auf eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union.
Cem Özdemir (Verts/ALE). – Frau Präsidentin! Auch ich möchte mich zunächst bei der Berichterstatterin für die faire Zusammenarbeit und für den sehr ausgewogenen Bericht bedanken. Der Bericht benennt die kritischen Punkte, die auch von den Menschen in der Türkei kritisch diskutiert werden, beispielsweise die Lösung der kurdischen Frage, im Konsens, unter Gewährleistung der Rechte aller ethnischen Gruppen in der Türkei. Beispielsweise die Lösung des Kopftuch-Problems in der Türkei, die auch mit einbezieht, dass die Interessen derer gewahrt werden, die kein Kopftuch tragen wollen. Beispielsweise die Frage der Religionsfreiheit, die für alle in der Türkei gelten muss, auch für Aleviten, auch für Christen, auch beispielsweise für den Ökumenischen Patriarchen von Istanbul.
Wir sagen all dies, weil wir Freunde der Türkei sind, weil wir eine europäische Türkei innerhalb der Europäischen Union sehen wollen. Deshalb diese Kritik von Freunden zu Freunden. Auch die Europäische Union kann mehr tun. Signale wie die von Herrn Sarkozy, dass die Türkei – egal was sie macht – nicht in die Europäische Union kommt, helfen uns sicherlich nicht.
Roberta Angelilli (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke der Berichterstatterin für die ausgezeichnete Arbeit, die sie geleistet hat, um die gegenwärtige politische, gesellschaftliche und behördliche Situation in der Türkei zu verdeutlichen.
Ungeachtet dessen, ob man einen positiven, halbherzigen oder sogar ablehnenden Standpunkt zum Beitritt der Türkei zur Europäischen Union einnimmt, gibt es nichts daran zu deuteln, dass die Türkei in puncto Modernisierung und Durchsetzung der Menschenrechte arg im Rückstand ist. Zugegeben, es wurden einige Anstrengungen unternommen, doch die Korruption ist eine echte Plage und die Zypernfrage ist immer noch ungelöst, ganz zu schweigen von den Beziehungen zu Armenien, die noch ein gutes Stück Arbeit erfordern werden. Das ist die Kurdenfrage; die Gewalt gegen Frauen ist immer noch ein wunder Punkt, was ebenso für Zwangsheiraten und Ehrenverbrechen gilt.
Besorgniserregend sind außerdem die Lage bezüglich der Erfassung von Kindern bei der Geburt sowie die niedrigen Einschulungsraten. Diese Aufzählung ist gewiss nicht vollständig und spiegelt eine höchst problematische Situation wider, die das Parlament sehr sorgfältig und beharrlich überwachen muss. Es dürfen keine Abstriche von der Freiheit und von den Grundrechten gemacht werden...
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Wenn die Türkei die Kopenhagen-Kriterien und die Verpflichtungen, die sie im Assoziierungsabkommen und im Zusatzprotokoll von Ankara übernommen hat, uneingeschränkt erfüllt, kann und sollte sie der EU beitreten.
Für uns steht fest, dass das Ziel die Vollmitgliedschaft der Türkei ist und dass eine wie immer geartete Partnerschaft keine Alternative dazu darstellt. Die Perspektive des EU-Beitritts wird die Türkei dahingehend unter Druck setzen, dass sie die Menschenrechte aller Einwohner einschließlich der Kurden und der religiösen Minderheiten achtet.
Obwohl wir wegen des laufenden Gerichtsverfahrens gegen die Regierungspartei und der oberflächlichen Änderung von Artikel 301 des Strafgesetzbuchs besorgt sind, hat die Türkei unserer Auffassung nach gewisse Fortschritte erzielt. Wenn aber ihr Beitrittskurs ungehindert fortgesetzt werden soll, muss sie – wie dies auch frühere Beitrittskandidaten getan haben – ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union insgesamt nachkommen.
Die Türkei muss also ihre Zusagen einlösen, ihre Flug- und Seehäfen für Flugzeuge und Schiffe der Republik Zypern öffnen und ihr Veto gegen die Mitwirkung Zyperns in internationalen Organisationen aufheben.
Heute, da wir dank der Anstrengungen der griechischen und der türkisch-zypriotischen Gemeinschaften nach dem Abkommen vom 21. März zwischen den politisch Verantwortlichen der beiden zypriotischen Parteien Fortschritte erkennen können, darf die Türkei nicht im Wege stehen.
Bastiaan Belder (IND/DEM). – (NL) Die Republik Türkei disqualifiziert sich selbst für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Die schlechte Behandlung ihrer winzigen christlichen Minderheit, vielleicht 100 000 Bürger oder gerade ein Hundertstel Prozent der Gesamtbevölkerung, lässt meines Erachtens keine andere Schlussfolgerung zu. Im Lichte der Kopenhagener Kriterien haben der Rat, die Kommission und das Parlament auch keine andere Wahl.
Mit der regelrechten Verfolgung, der syrisch-orthodoxe und andere Christen im Südosten der Türkei, Tur Abdin, seit Jahr und Tag ausgesetzt sind, klagt sich der türkische Staat unmittelbar an. Gehört ein Land, in dem Bürger, die christliche Gottesdienste besuchen und dazu regelmäßig von der Polizei oder Geheimdiensten verhört werden, in die Europäische Union? Verhöre, die außerdem mit Bedrohungen im Privat- oder Berufsleben und in einigen Fällen sogar mit Folter einhergehen. Türkische Zustände, türkische Selbstdisqualifizierung. Es geht jedoch darum, wie ehrlich die Europäische Union hier gegen sich selbst ist.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Frau Präsidentin! Ich habe allen Respekt für die türkische Nation und bin mir der jahrhundertelangen engen und nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen meinem Land Polen und der Türkei voll bewusst. Dennoch muss ich sagen, dass der Gedanke einer Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union über mein Vorstellungsvermögen hinausgeht.
Die Türkei ist zwar seit vielen Jahrhunderten auf europäischem Boden präsent, ist aber kulturell gesehen kein europäisches Land. Wir sollten mit der Türkei nach besten Kräften zusammenarbeiten, aber die Folgen der Mitgliedschaft eines moslemischen Landes in einem europäischen Klub lassen sich nur schwer quantifizieren. In der Tat zeigt die gegenwärtige Lage in der Türkei, dass die Behörden in Ankara nicht gerade erpicht darauf sind, in Europa integriert zu werden.
Neben den Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union möchte ich auch ihre Beziehungen zu Armenien ansprechen. Ich freue mich, dass die türkische Regierung in dem Entwurf für eine Entschließung des Europäischen Parlaments aufgefordert wird, ihre Wirtschaftsblockade gegen Armenien zu beenden. Allerdings ist es bedauerlich, dass der Völkermord an den Armeniern in dem Dokument keine Erwähnung findet.
Jacques Toubon (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin! Der Bericht unserer Kollegin Ria Oomen-Ruijten ist detailliert, ehrlich und – wenn man den für die Türkei schwierigen Zeitpunkt bedenkt – auch mutig. Ich möchte sie dazu beglückwünschen. Dieser Bericht gehört jedoch zu einem Genre, das meiner Ansicht nach immer mehr den Bezug zur Wirklichkeit verliert. Das Europäische Parlament und viele andere Institutionen vermitteln immer noch den Eindruck, als könnten wir mit unseren unermüdlichen Erziehungsversuchen die Türkei ändern. Das ist nämlich der entscheidende Punkt: der Widerspruch zwischen diesem Land, dieser Nation, diesem großartigen Volk und seiner Entwicklung auf der einen sowie dem Projekt, das wir gemeinsam durchführen wollen, auf der anderen Seite.
Die Türkei ist ein Nationalstaat, einer der letzten seiner Art, einer der stärksten und selbstbewusstesten. Seine Einheit besitzt nationalistischen Charakter, was in der Haltung zur Anerkennung des Völkermords in Armenien deutlich zum Ausdruck kommt. Seine Politik wird zunehmend von einer Einheitsreligion getragen, zumal das Land sich immer mehr von den säkularen Prinzipien entfernt, die eigentlich die Grundlage seiner Verfassung bilden. Es strebt nach Unabhängigkeit, während wir hier ein Prinzip der Integration, der Verlagerung von Zuständigkeiten und der Souveränität anwenden wollen. Das läuft auf einen Frontalzusammenstoß zwischen beiden Seiten hinaus.
Hören wir auf, uns Illusionen zu machen, hören wir auf, den Türken alles vorschreiben zu wollen und sie glauben zu machen, dass wir bereit sind, ihren Beitritt zu akzeptieren, ohne dass sie die Kriterien von Kopenhagen tatsächlich erfüllen, oder aber, dass wir ihn wegen ebendieser Kriterien ablehnen, wenn es doch in Wirklichkeit um uns geht, darum, was wir mit unserem europäischen Projekt verbinden. Lassen Sie uns außerdem eine dauerhafte Partnerschaftsstruktur festlegen, die für beide Seiten von Vorteil ist und es der Türkei ermöglicht, ihre Rolle als regionale Macht zu übernehmen, und der Europäischen Union gestattet, ihre globale Identität weiter zu festigen.
Véronique De Keyser (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Da ich nur eine Minute Redezeit habe, komme ich gleich auf den Punkt.
Durch die versöhnliche Haltung der Berichterstatterin, Frau Oomen-Ruijten, konnten eine ganze Reihe von Klippen umschifft werden. Eine bleibt jedoch, und das ist die Uneinigkeit in Bezug auf Änderungsantrag 14 zur reproduktiven Gesundheit. Für die Sozialdemokraten ist dieser Änderungsantrag kein nebensächliches Detail, nur ein Problem der Frau. Er ist ein Zeichen für die klare Trennung von Kirche und Staat und steht für Weltlichkeit.
Wenn wir also nicht wollen, dass der türkische Säkularismus von der Armee verteidigt oder per Gerichtsbeschluss geschützt wird, sollten wir das doch den Frauen überlassen. Sie werden ihn mit ihrem Körper verteidigen. In einem Land, in dem noch Ehrenmorde begangen werden, bedeutet die Forderung nach sexuellen Rechten für die Frau, sich jedweden fundamentalistischen Auswüchsen entgegenzustellen.
István Szent-Iványi (ALDE). – (HU) Frau Präsidentin! Lassen Sie uns die Lage nicht beschönigen: Die Frage des Beitritts der Türkei hat eine kritische Stufe erreicht. Dass bis zum heutigen Tag keine Entscheidung getroffen wurde, hat seine Ursachen sowohl in den Unsicherheitsfaktoren in der Innenpolitik der Türkei als auch in der zögerlichen Haltung der Europäischen Union gegenüber der Türkei. Angesichts dieser Situation ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Beitrittsverfahren ein zeitlich unbefristeter Prozess ist, an dessen Ende jedoch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union stehen soll. Dieses Ziel verfolgen sowohl wir als auch die Türkei.
Es liegt in unserem strategischen Interesse, dass die Türkei langfristig Teil des europäischen politischen Hauses werden soll. Die assoziierte Mitgliedschaft über die Mittelmeerunion kann eine ergänzende Maßnahme sein, die den Integrationsprozess jedoch nicht ersetzt. Die Türkei muss deutlich mehr tun, um die demokratischen Institutionen zu stärken, die zivile Kontrolle über das Militär zu intensivieren, das Rechtssystem zu reformieren und die Menschenrechte wie auch die Rechte der Minderheiten zu fördern. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für den Erfolg des Prozesses, da ein Scheitern der Verhandlungen auch unser Verschulden wäre und nicht nur das der Türkei. Vielen Dank.
Mogens Camre (UEN). – (DA) Frau Präsidentin! Die Türkei ist zu groß und zu andersgeartet, als dass sie Mitglied der EU werden kann. Wenn die Türkei wirklich willens wäre, nach dem bekannten Ausspruch von Kemal Atatürk „Es gibt nur eine Zivilisation“ zu handeln, stünden wir nicht Jahr für Jahr hier und kämen zu dem Schluss, dass das Land höchstwahrscheinlich nicht bereit ist, den Forderungen der Europäischen Union bezüglich der Annahme europäischer Werte und des Verzichts auf die ottomanischen Wertvorstellungen zu entsprechen. Offensichtlich geht die Türkei davon aus, dass der EU im Laufe des Prozesses, da zwar Verhandlungen geführt werden, dass Land die zentralen Forderungen nach Veränderung jedoch nicht erfüllt, allmählich die Luft ausgeht. Die Türkei besetzt seit nunmehr 34 Jahren mehr als ein Drittel des Territoriums eines EU-Mitgliedstaates. Zypern leidet insgesamt unter der türkischen Besatzung, und die besetzte Region ist am meisten betroffen. Es ist offensichtlich, dass die Bürger Europas mehrheitlich nicht für eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union sind. Außerdem scheint eine zunehmende Zahl türkischer Bürger den Beitritt ihres Landes zur EU nicht zu befürworten. Es ist an der Zeit, dieses Theater zu beenden. Der Türkei steht die Tür zu einem erweiterten Handelsabkommen offen. Für Europa ist kein Platz in der künftigen Struktur, die die Türkei zu schaffen gedenkt.
Ioannis Kasoulides (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich gratuliere Ria Oomen-Ruijten zu ihrem ausgewogenen und fairen, aber dennoch energischen Herangehen an ein solch kontroverses Thema. Militärputsche sind inzwischen aus der Mode gekommen und werden neuerdings durch einen Staatsstreich durch die Justiz ersetzt. Es ist unglaublich, dass Verfassung und Gesetze den gerichtlich veranlassten Sturz einer Regierung ermöglichen, die von 47 % der Bevölkerung gewählt wurde, und das wegen einer Klage, die im vollkommenen Missverhältnis zu dem geforderten Urteil steht, verglichen mit sämtlichen Standards der EU, des Europarats oder der Venedig-Kommission.
Die EU-Grundsätze sind unvereinbar mit einem Polizeistaat und lassen auch nicht zu, dass eine Regierung von militärischer Seite daran gehindert wird, ihre aktuellen Aufgaben zu erfüllen. Zum Beispiel müsste Ankara in der Zypernfrage nun, nach der Wiederaufnahme der Verhandlungen, zeigen, dass es die politische Bereitschaft besitzt, eine Regelung auf Basis der EU-Grundsätze zu erzielen, ohne die Anwesenheit türkischer Truppen auf der Insel oder das Recht auf unilaterales militärisches Eingreifen. Weitere Aufgaben knüpfen sich an die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit nach Artikel 301, an die Rechte nicht-muslimischer religiöser Minderheiten und des orthodoxen Ökumenischen Patriarchen, an die Verpflichtungen der Türkei, die sich aus dem Ankara-Protokoll ergeben, an Probleme wie Ehrenmorde an Frauen und das damit einhergehende konspirative Schweigen, an das Thema des Völkermords an den Armeniern und der Blockade gegenüber Armenien usw.
Das sind die Herausforderungen, denen die Türkei sich heute stellen muss, wenn sie beweisen will, dass sie das Zeug hat, ein Mitglied der Europäischen Union zu werden.
Maria-Eleni Koppa (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Die Türkei hat einen Platz in der europäischen Familie, und unser einziges Ziel sollte die Vollmitgliedschaft sein. Die Union muss zu ihren Zusagen stehen. Die Türkei wiederum muss die Kopenhagener Kriterien und die von ihr übernommenen Verpflichtungen erfüllen.
Allerdings wurden auf dem Gebiet der Menschenrechte im letzten Jahr nur sehr dürftige Fortschritte erzielt. Das Endziel bleibt die Aufhebung des berüchtigten Artikels 301 sowie aller Bestimmungen, die eine Verhöhnung der Meinungsfreiheit darstellen.
Überdies müssen wir der Lage im Südosten der Türkei unsere unmittelbare Aufmerksamkeit schenken. Wir verurteilen die Gewalt und sind der Ansicht, dass eine endgültige Lösung auf friedlichem Wege gefunden werden muss. Gewalt darf nicht mit Gewalt beantwortet werden. Deshalb meine ich, dass es eine gründliche Untersuchung der Frage geben muss, ob amerikanische Flugzeuge im Zusammenhang mit der heimlichen Verschleppung von Verdächtigen nach Guantanamo türkisches Hoheitsgebiet genutzt haben.
Unser Ziel muss der Aufbau einer friedlichen, demokratischen und stabilen Gesellschaft sein. Daher erfüllen uns die jüngsten Vorgänge in der Türkei im Hinblick auf die Folgen eines etwaigen Verbots der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) mit besonderer Sorge.
Abschließend möchte ich der Berichterstatterin gratulieren…
(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Uns allen ist bekannt, dass das Haupthindernis für eine Weiterentwicklung der Türkei in Richtung Demokratie die türkische Armee ist; eine Armee, die nicht nur Millionen von Soldaten und deren Angehörige kontrolliert, sondern auch politische Parteien und Prozesse, Polizei und Geheimdienst, einen Großteil der Justiz (einschließlich des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts) sowie die religiösen, bildungspolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Belange des Landes.
Seit der Revolution von General Atatürk in den 1920er Jahren ist die Türkei de facto eine Militärdiktatur, ob direkt oder indirekt. Neuerdings bietet die Aussicht auf einen EU-Beitritt für einige mutige Leute, z. B. die Führer der AK-Partei, Anlass, diese Vormachtstellung des Militärs in Frage zu stellen. Wir haben die Pflicht, diesen Menschen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten beizustehen. Die Armee schöpft den größten Teil ihrer Kraft aus der Unterstützung durch den Westen. In Form von direkten Hilfen und lukrativen Joint Ventures im Bereich der Verteidigung fließen Milliarden Euro aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien in die Türkei. Diese und andere Länder, einschließlich Russlands und Chinas, haben die Pflicht, die gesamte Wirtschaftshilfe für das türkische Militär so lange einzustellen, bis in der Türkei wirkliche demokratische Verhältnisse sicher verankert sind.
Mario Borghezio (UEN). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur handfeste geopolitische und geoökonomische Interessen, nicht der Wille oder das Interesse unserer Völker, stehen für den Beitritt der Türkei zu Europa.
Dieser Bericht mutet wie eine Enzyklopädie der Gründe an, die gegen den EU-Beitritt eines Landes sprechen, das jeden Tag mehr islamisiert wird und wo Muftis öffentlich predigen, Frauen, die keinen Schleier tragen, wären Teufelsanbeterinnen. Die türkische Verfassung ist ein Kompendium von Regeln, die zwar eingehalten werden, doch gegen die Menschenrechte verstoßen, die uns lieb und teuer sind.
In grundlegenden Fragen bleibt der Bericht leider allgemein: Zypern, Völkermord an den Armeniern und Kurdenfrage. Darüber hinaus würden mit der Europa-Zugehörigkeit dieses islamischen Landes, das den Alkoholkonsum verbietet, diese Normen auch unseren Völkern aufgedrückt, einschließlich der heldenhaften Kelten, von den Iren bis zu den Bretonen, bis hin zu uns, der Bevölkerung der Poebene, die wir stolz auf unsere Liebe zu unserem Wein und unserem Bier sind.
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin! Der Bericht von Frau Oomen-Ruijten, den wir heute annehmen werden, ist ein ernsthaftes, insgesamt ausgewogenes und auch anspruchsvolles Dokument.
Es nennt die erreichten Fortschritte, weist aber auch auf die noch ausstehenden Reformen hin.
Wir alle freuen uns, dass die türkischen Behörden 2008 als Jahr der Reformen betrachten, weil wir wissen, dass sie für die Beitrittsverhandlungen notwendig sind. Zudem werden die Veränderungen für die Türkei selbst gut sein.
Die breite parlamentarische Mehrheit der türkischen Regierung bedeutet, dass es keine Verzögerung bei den Reformen geben darf. Sind sie einmal beschlossen, werden die Unionsbürger auch wahrnehmen, inwieweit die Verpflichtung der Türkei zum EU-Beitritt und zu ihren Werten, einschließlich der Achtung der Rechte und Freiheiten, fundiert ist.
Somit unterstreicht der Bericht unseren ausdrücklichen Wunsch, dass keine Zwischenfälle das demokratische politische Leben in der Türkei ernsthaft unterbrechen mögen.
Meine Damen und Herren, wir sind für Reformen. Wir sind auch für die Einhaltung von Verpflichtungen, zu denen die Normalisierung der Beziehungen zu Zypern und die volle Umsetzung des Zusatzprotokolls zum Abkommen von Ankara gehören.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die EU ist die Kontrolle der Einwanderung. Wir müssen die illegale Einwanderung unterbinden, die die Türkei gelegentlich als Transitland nutzt, und die Mafiagruppen bekämpfen, die daraus Vorteil ziehen.
Es ist notwendig, die Außengrenzen zu kontrollieren und Mechanismen für die Rückführung der illegalen Einwanderer anzuwenden. Für diese Aktionen benötigen wir die Mitarbeit der Türkei, und deshalb bedaure ich, dass noch kein Rückführungsabkommen zustande gekommen ist.
Meine Damen und Herren, der Terrorismus stellt auch in der Türkei und in der Europäischen Union eine reale Bedrohung dar. Wir müssen unsere Zusammenarbeit ausbauen, um diese Geißel wirksamer zu bekämpfen.
Ich komme nun zum Schluss. Es gibt ein weiteres großes Feld, auf dem die EU und die Türkei größere Anstrengungen unternehmen müssen, um zu gemeinsamen Positionen zu gelangen. Ich meine beispielsweise den Mittelmeerraum oder Mittelasien.
Wir haben ebenfalls viele gemeinsame Interessen in Fragen der Energiesicherheit, einer der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit.
Kurz gesagt, meine Damen und Herren, die Türkei und die Europäische Union brauchen einander, das dürfen wir in unserer künftigen Arbeit nicht vergessen.
Béatrice Patrie (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr über die Ausgewogenheit dieses Berichts, von dem ein positives Signal an die Türkei ausgeht. Die Sozialdemokraten werden dafür Sorge tragen, dass die Beitrittsverhandlungen unter französischer Ratspräsidentschaft im positiven Sinne fortgeführt werden. Gerade weil wir den Beitritt wünschen, darf kein Schatten auf die Ereignisse fallen, die unsere gemeinsamen demokratischen Werte berühren.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Intellektuelle wie der Journalist armenischer Abstammung, Hrant Dink, ihr Leben aufs Spiel setzen, weil sie über bestimmte Abschnitte in der türkischen Geschichte sprechen. Ebenso wenig kann akzeptiert werden, dass der Völkermord an den Armeniern nach offizieller Lesart immer noch zu einer großen Tragödie heruntergestuft und das Leid eines Volkes, dessen Deportiertenzahl mit der Zahl der Grippekranken im Vereinigten Königreich vergleichbar ist, hinweggewischt wird.
Wie der Philosoph Bernard-Henri Lévy bin auch ich der Meinung, dass die Leugnung des Völkermords Teil des Völkermords selbst ist. Daher fordere ich die türkischen Behörden eindringlich auf, den vernünftigen Weg der Wahrheit einzuschlagen und dazu beizutragen, dass alle nationalen Minderheiten rehabilitiert werden.
Gunnar Hökmark (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich Frau Oomen-Ruijten für diesen Bericht danken. Er unterstreicht, dass die Türkei in vielerlei Hinsicht bereits Teil europäischer Projekte ist, er betont aber auch, dass es eine Entwicklung gibt, dass sich etwas bewegt bei der Erneuerung der türkischen Gesellschaft. Gleichzeitig hebt der Bericht hervor, dass diese Reformen und diese Veränderungen viel zu langsam vonstatten gehen, dass es noch viel mehr zu tun gibt.
Da stellt sich uns dann allerdings folgende grundsätzliche Frage: Steht die Europäische Union und stehen Europa und die europäischen Wertmaßstäbe besser da mit einer Türkei, die alle Anforderungen erfüllt und alle in dem Bericht genannten Reformen durchgeführt hat, oder stehen wir besser da mit einer Türkei, die sich möglicherweise in Zukunft mehr an andere Teile der Welt annähern wird und damit an andere Wertvorstellungen? Ich denke, die Antwort auf diese Frage ist ziemlich klar, und das verdeutlicht noch einmal, dass wir selbstverständlich weiterhin mit Nachdruck alle notwendigen Änderungen in der Türkei einfordern müssen, was die Meinungsfreiheit betrifft, was die Reform von Artikel 301 des Strafgesetzbuches betrifft, des Weiteren die Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung der Geschlechter, und zwar nicht nur per Gesetz sondern auch in der Realität, und natürlich die Notwendigkeit einer Lösung der Zypernfrage und einiger weiterer Fragen. Doch angesichts einer solchen Perspektive, wenn also in den Beitrittsverhandlungen all diese Ergebnisse erzielt werden können, erscheint es dringend geboten, dass die Europäische Union für die Mitgliedschaft der Türkei offen ist, da dies die europäischen Werte, Europa selbst und die Europäische Union stärken würde, und ich denke, dass das auch die notwendige und offensichtliche Schlussfolgerung dieser Aussprache sein muss.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Zu Beginn begrüße ich die ausgewogene und gewissenhafte Herangehensweise der Berichterstatterin und natürlich des Herrn Kommissars und des Herrn Ratspräsidenten in dieser wichtigen Angelegenheit. Drei Punkte möchte ich hervorheben:
An meine türkischen Freunde: Die Inhaftierung von 530 Gewerkschaftern am 1. Mai 2008 war ein Verstoß gegen das ILO-Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und gegen die Kopenhagener Kriterien. Bitte schützen Sie die Gewerkschaften, und verhindern Sie weitere Angriffe gegen die türkische Transportarbeitergewerkschaft TÜMTIS.
An die Gegner eines EU-Beitritts der Türkei: Benutzen Sie nicht die Schließung der AK-Partei durch den Verfassungsgerichtshof für Ihre eigenen politischen Zwecke. Nach der Krise im Zuge der Nominierung der Präsidentschaftskandidaten fanden Wahlen statt, und die Demokratie hat gesiegt. Heute, da bin ich sicher, wird die Demokratie so oder so ebenfalls siegen.
An Herrn Claeys, Herrn Langen, Herrn Belder, Herrn Toubon und andere, die vorsätzlich versuchen, die öffentliche Unterstützung für den EU-Beitritt der Türkei mit der Sprache und den Drohungen, die wir in der heutigen Aussprache gehört haben, zu unterminieren: Die türkische Öffentlichkeit soll wissen, dass Sie keine Mehrheit darstellen, nicht im Namen dieses Parlaments sprechen und es auch nicht schaffen werden, der Türkei ihre Europa-Perspektiven zu verbauen.
Elmar Brok (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Türkei ist heute ein wichtigeres Land für die Europäische Union als jemals zuvor. Deswegen muss der Reformprozess innerhalb der Türkei gestützt werden, und es ist uns wichtig, eine demokratische und rechtsstaatliche Türkei zu haben.
Wir müssen aber bestimmte Bedenken haben, die auch in dem Bericht Oomen-Ruijten zum Ausdruck kommen, nämlich ob die Reformfähigkeit der Türkei ausreicht. Wenn ich sehe, was mit dem Strafrechtsartikel 301 passiert – Religionsfreiheit und Stiftungsrecht, Minderheitenrechte –, dann versucht die Regierung Erdogan Fortschritte zu machen, aber sie ist immer zu kurz gesprungen, weil ganz offensichtlich im innerstaatlichen Kontext die Grenzen der Reformfähigkeit erreicht worden sind.
Wenn ich dabei gleichzeitig sehe, dass man leichten Fußes sagt, die Regierungspartei wird verboten, und dass sie ein paar Wochen später unter einem Namen ohne bestimmte Personen, die keine Politik mehr machen dürfen, wieder eingesetzt wird, dann heißt dieses, dass ...
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Emilio Menéndez del Valle (PSE). – (ES) Frau Präsidentin! Der gewalttätige islamische Fundamentalismus, der den Westen im Visier hat, aber auch dem Islam schadet, breitet sich im Nahen Osten und im Maghreb aus.
Der radikale islamische Fundamentalismus ist zwar nicht gewalttäig, wird aber ebenfalls in einer Reihe von Ländern immer stärker. Daraus ergibt sich die wichtige Rolle, die die Türkei in ihren Beziehungen zur Europäischen Union gegenüber der moslemischen Welt spielen kann.
Das ist ihr in ihrer Eigenschaft als Land möglich, das offiziell weltlich ist, doch natürlich moslemische Wurzeln und eine moslemische Kultur hat, was einen echten Vorteil für die Beziehungen zwischen der EU und den moslemischen Ländern darstellt.
Deshalb hat meine Fraktion zwei Änderungsanträge eingereicht, um die Türkei zu beglückwünschen, da sie an der Seite Spaniens das offizielle UN-Projekt der Allianz der Zivilisationen fördert. Das darf nicht vergessen werden, denn durch dieses Projekt beweist die Türkei ihr Engagement, bei den Beziehungen zwischen dem Westen und der arabisch-islamischen Welt behilflich zu sein.
Vural Öger (PSE). – Frau Präsidentin! Liebe Ria! Mein Lob und meinen Respekt für diesen Bericht. Er ist ausgeglichen und fair. Diese Linie sollten wir heute beibehalten.
Wir betonen zu Recht, dass die Türkei noch weitere Anstrengungen machen muss. Das Ziel, in der Türkei eine stabile und wohlhabende Demokratie aufzubauen, ist nicht nur im Interesse der Türkei, sondern auch ein wichtiges strategisches Interesse der EU.
Sorgen bereitet mir die Haltung des nächsten Ratspräsidenten Sarkozy. Seine Türkeipolitik setzt nicht auf einen EU-Beitritt. Er beharrt auf der Streichung der Bezeichnung Beitrittskandidat in EU-Dokumenten und betont, Frankreich werde nur der Eröffnung von Kapiteln zustimmen, die nicht auf eine Vollmitgliedschaft hinauslaufen. Damit steht die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel. Ich betone: Pacta sunt servanda! Die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen wurde einstimmig beschlossen, auch Frankreich sagte ja.
Anstatt negative Signale zu senden, sollte die EU konstruktiv mit der Türkei umgehen. Wir haben in diesem Parlament mit Mehrheit entschieden, dass wir mit der Türkei...
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort)
Evgeni Kirilov (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Frau Oomen-Ruijten hat einen sehr ausgewogenen und objektiven Bericht über die Türkei verfasst, der höchst lobenswert ist. Es gibt einen bemerkenswerten Konsens unter den benachbarten Mitgliedstaaten darüber, dass eine klare Perspektive für die EU-Mitgliedschaft der Türkei existieren sollte. Das ist kein Zufall; es sind stets die Nachbarländer, die die Situation am besten kennen. Die Türkei hat bereits immense Fortschritte bei den Reformen erzielt, die zur Erreichung der demokratischen EU-Standards eingeleitet wurden. Natürlich muss noch viel getan werden, aber wir müssen die Türkei bei diesem Prozess ermutigen; wir müssen die europafreundlichen Reformkräfte in der Türkei ermutigen, und zwar sowohl innerhalb der Regierungspartei als auch der Opposition.
Zu dem erwarteten Verfassungsgerichtsurteil zur Schließung der AK-Partei habe ich Folgendes zu sagen: Dies ist natürlich nicht hinnehmbar. Ich denke aber, wir sollten Ruhe bewahren, denn sicher wird die Türkei ausreichend Vernunft aufbringen, um eine mögliche Krise zu meistern.
Wir als Nachbarländer sollten die Türkei unterstützen und alles tun, um die bilaterale und trilaterale grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu vertiefen und eine neue Qualität gutnachbarlicher Beziehungen zu erreichen. Dies würde auch die Beilegung aller ausstehenden bilateralen Streitpunkte umfassen, z. B. im Fall …
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Reinhard Rack (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ria Oomen-Ruijten hat einen guten und nüchternen Bericht vorgelegt. Sie hat auf einige Fortschritte und auf viele Fragezeichen und ungelöste Probleme verwiesen. Nur indirekt angesprochen wurde die Kernfrage: Wenn die Türkei reformiert wäre, hätte sie dann einen Anspruch auf Mitgliedschaft? Unser geltendes EU-Recht setzt an den Schluss der Verhandlungen eine politische Alternative, für uns in der Union und für die Türkei selbst. Deswegen plädieren wir in Österreich und anderswo für ergebnisoffene Verhandlungen. Der Beitritt ist eine Möglichkeit, nicht ein vorweggenommenes Ergebnis.
Pierre Pribetich (PSE) . – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Weil die Türkei zur europäischen Geschichte gehört, weil die Türkei Teil der europäischen Kultur ist, weil die Türkei für die EU eine große wirtschaftliche und demografische Chance darstellt, kann ich als Befürworter des Beitritts im Hinblick auf die Einhaltung der demokratischen Prinzipien, die Trennung von Kirche und Staat, und die Achtung der Menschenrechte noch mehr verlangen.
Die Europäische Union fußt auf Werten und Prinzipien, die wir nicht verleugnen dürfen, indem wir im Beitrittsverfahren im Namen der Diplomatie den Mantel des Schweigens darüber decken. Die Türkei muss den Völkermord an den Armeniern anerkennen, und dies wird ein historischer und symbolischer Akt sein, mit dem sie ihre politische Reife unter Beweis stellt. Das Europäische Parlament hat sich seit Juni 1987 aus voller Überzeugung und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für diese Anerkennung stark gemacht. Müssen wir dann einundzwanzig Jahre später mit einer so nichtssagenden Formulierung daherkommen? Wenn das Parlament dem zustimmt, dann wäre das ein Schritt zurück. Ich fordere Sie, meine Damen und Herren, dringend auf, für den Änderungsantrag 23 zu stimmen, um den Behörden mit Nachdruck klarzumachen …
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (PL) Die Mentalität der Türken hat sich seit der Zeit von Kemal Atatürk kaum geändert. Ihre religiöse Tradition führt sie auf ihrem eigenen Weg, der sich von unserem Weg, dem Weg der Europäer, unterscheidet. Geografische Nähe bedeutet nicht gleich kulturelle Nähe. Die ungeschriebenen gesellschaftlichen Regeln sprechen zudem nicht dafür, dass das türkische Volk von einer europäischen Identität angezogen wird.
Stellt sich noch die Frage, ob die Türken den Wunsch haben, sich zu ändern und unser sozialpolitisches Modell anzunehmen, was Artikel 301 offenbar verneint. Steht es uns zu, die Türken zu belehren und ihnen zu sagen, was sie zu tun haben? Durch ihre Änderungsanträge will die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament den Türken eine ideologische Lösung aufzwingen, aber sie sind zufrieden damit, wie sie sind. Es hat kaum Fortschritte bei den Reformen gegeben, und die Armee spielt noch immer eine sehr wichtige Rolle. Sollen wir die Nation mit Gewalt zu ihrem Glück zwingen, indem wir ihre Identität, Tradition und Kultur ändern? Ist das überhaupt möglich?
Frau Präsidentin, der Rat hat in gutem Glauben die Aufnahme von Verhandlungen beschlossen, um zu ermöglichen, dass die Türkei eine Brücke zwischen Europa und dem Islam wird. Jetzt ist er selbst nicht mehr überzeugt, dass seine Entscheidung richtig war. Alles, was wir hinterlassen haben, ist Wunschdenken.
Joel Hasse Ferreira (PSE). – (PT) Frau Präsidentin! Im Allgemeinen begrüße und unterstütze ich Frau Oomen-Ruijtens Bericht, insbesondere, was die darin zum Ausdruck kommende Besorgnis über die möglichen Folgen des Verbots der AK-Partei anbelangt. Außerdem haben wir jetzt eine wunderbare Gelegenheit, die genutzt werden muss, um die Zypernfrage zu regeln.
Wie im Bericht zum Ausdruck kommt, ist es auch von größter Bedeutung, dass die türkische Regierung ihre Reformen vorantreibt, unter Achtung von Pluralismus und Diversität in einer demokratischen, säkularen Türkei, und dass alle Bürger in der Lage sind, im demokratischen türkischen Staat ihre kulturelle Identität zu entwickeln.
Fortschritte sind natürlich auch auf anderen Gebieten notwendig wie die Verteidigung der gewerkschaftlichen Rechte und größere Schritte auf dem Weg zur wirklichen Gleichberechtigung von Mann und Frau. Allerdings erkennt der Bericht auch an, dass bereits viele Fortschritte, die für die Modernisierung der türkischen Gesellschaft erforderlich sind, erzielt wurden.
Frau Präsidentin, die Türkei muss ihren Weg zur vollen Integration unter strikter Einhaltung der vom Europäischen Rat gewährten und von diesem Parlament genehmigten Bedingungen weitergehen – nicht mehr und nicht weniger.
Panayiotis Demetriou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Uns allen ist bekannt, dass auf Zypern ein neues Klima herrscht. Sowohl die griechischen wie die türkischen Zyprioten wünschen eine Lösung des Zypernproblems und streben danach, zum Wohle beider Seiten den Interessen ihres Landes zu dienen. Just hier kommt der Faktor Türkei hinzu, da türkische Truppen einen Teil Zyperns besetzt halten. Die Türkei kontrolliert die Dinge politisch, und es ist Zeit, dass sie erkennt, dass sie diese Politik aufgeben muss. Die Lösung des Zypernproblems liegt im türkischen Interesse. Insbesondere muss die Armee, die sich in den ganzen Prozess destruktiv eingemischt hat, zur Kenntnis nehmen, dass eine Lösung des Zypernproblems notwendig ist.
Es ist höchste Zeit, dass die türkische Besatzung und Einmischung ein Ende haben, damit die griechischen und die türkischen Zyprioten friedlich in der Europäischen Union zusammenleben können. Wir können das erreichen, und ich denke, dass wir in Frieden zusammenleben können.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. – (SL) In Anbetracht der Kürze der Zeit und des Lärms im Saal werde ich versuchen, mich kurz zu fassen.
Die gerade beendete Aussprache und vor allem der Bericht von Frau Oomen-Ruijten bestätigen das, was auch dem Rat bewusst ist: Jeder Reformprozess ist schwierig. Und das trifft auch auf die Türkei zu.
Im Verlaufe dieses Prozesses sieht sich der Staat mit mehr als nur einem beachtlichen Dilemma in Bezug auf Werte wie Säkularismus, Demokratie und Menschenrechte konfrontiert.
Beispiele dafür sind die vielfach erwähnten Gerichtsverfahren, die im Bericht genannt werden und die auch der Rat berücksichtigt hat, wie z. B. Verfahren gegen politische Parteien, die Kopftuch-Debatte, die Debatten zur Stellung der Frauen im Allgemeinen, über religiöse Freiheit und über freie Meinungsäußerung.
Ich möchte Folgendes unterstreichen: Auf den Gebieten, auf denen die Türkei Fortschritte erzielt hat, ist der Fortschritt sichtbar, reicht jedoch nicht aus. Fortschritte sind zu erkennen, was Veränderungen im Strafrechtssystem, bei den grundlegenden Rechtsvorschriften, beim Status der Frauen betrifft – sehen Sie sich nur an, wie sich die Anzahl der Frauen im Parlament erhöht hat – aber natürlich reichen die in all diesen Bereichen gemachten Fortschritte noch nicht aus.
Im Hinblick auf Zypern möchte ich auch hervorheben, dass der Rat von der Türkei vornehmlich zwei Dinge erwartet: eine konstruktive Rolle bei den Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen sowie die Umsetzung des Protokolls zur Anpassung des Abkommens von Ankara. Neben anderen Aufgaben sind das die Hauptaufgaben.
Natürlich ist es bei all dem nützlich, wenn die Türkei eine Zielsetzung hat. Und diese Zielsetzung wurde vorgelegt. Als die Europäische Union der Türkei den Kandidatenstatus gewährte, wurde sie gegenseitig vereinbart, und die Beitrittsverhandlungen wurden unter dieser Voraussetzung fortgesetzt.
Während der Präsidentschaft Sloweniens gehören die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu den Hauptzielen, und wir hoffen, dass dieses Ziel erreicht wird, so dass wir in der nahen Zukunft weitere Verhandlungskapitel öffnen können.
Natürlich ist es nicht sicher, ob das endgültige Ziel erreicht wird; das hängt von den Beitrittsverhandlungen ab, davon, wie erfolgreich die Reformen sind, und es hängt sowohl von uns, den Mitgliedstaaten, als auch von den Kandidatenländern ab.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Frau Präsidentin! Ich danke zunächst der Berichterstatterin und den Abgeordneten für diese sehr ernsthafte und verantwortungsvolle Aussprache zu einem für die Beziehungen EU-Türkei sehr kritischen Zeitpunkt. Ich habe Ihre Botschaften, die auch im Entschließungsentwurf und in den Kompromissänderungsanträgen verankert sind, zur Kenntnis genommen.
Drei dieser Botschaften würde ich gerne besonders hervorheben, und zwar erstens, dass es unerlässlich ist, sich ab sofort mit ganzer Kraft für die Reformen einzusetzen, damit die Situation der türkischen Bürger in Bezug auf die Grundrechte verbessert werden und der Türkei somit geholfen werden kann, die Kopenhagener Kriterien der EU zu erfüllen.
Die zweite Botschaft ist, dass die Bürgerrechte im gesellschaftlichen Alltag geachtet werden müssen. Ich teile Ihre in Kompromissänderungsantrag 32 geäußerte Besorgnis über die unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstranten durch die türkische Polizei bei den diesjährigen Kundgebungen zum Maifeiertag in Istanbul. Es ist unbedingt erforderlich, nochmals klarzustellen, dass die Versammlungsfreiheit und die friedliche Arbeit von Gewerkschaften ein in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte verbrieftes Grundrecht darstellen.
Die dritte und letzte Botschaft macht deutlich, dass das Europäische Parlament eindeutig hinsichtlich des Parteiverbots große Bedenken hegt. Die Schließung einer politischen Partei ist kein normaler Vorgang und kann dies auch niemals sein. In einer europäischen Demokratie darf man so etwas nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Somit steht dieses Jahr wieder einmal einiges auf dem Spiel für die Türkei und für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Das beste Mittel zur Wiederbelebung des EU-Beitrittsprozesses der Türkei wäre, dafür zu sorgen, dass die Reformen voranschreiten, dass ein wirklicher politischer Dialog in der Türkei begonnen wird und dass sowohl Demokratie als auch Säkularität respektiert werden.
Ria Oomen-Ruijten, Berichterstatterin. − (NL) Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen für die ausgezeichnete Mitarbeit. Wie ich bereits sagte, können wir nur gemeinsam deutlich machen, dass der Reformprozess in der Türkei notwendig ist. Wir alle können ein positives Zeichen setzen, indem eine große Mehrheit für den Bericht stimmt. Damit helfen wir der Türkei, Reformen umzusetzen sowie die Gewährleistung der persönlichen Rechte und die Verankerung der Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen. Das alles ist für eine moderne Gesellschaft vonnöten, in der es Männern und Frauen gut geht.
Ich rufe meine Kolleginnen und Kollegen noch einmal dazu auf, bei der Abstimmung über die Änderungsanträge alle politischen Spielchen zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass eine große absolute Mehrheit diesen Bericht über die Türkei im Plenum annimmt.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Tunne Kelam (PPE-DE) , schriftlich. – (EN) Die Türkei als größtes Land mit Beitrittsaussichten ist jetzt und in Zukunft ein strategisch wichtiger Partner und Verbündeter Europas. Es muss im Interesse aller sein, eine verlässliche Beziehung auf der Basis von gemeinsamen Wertvorstellungen und gegenseitigem Respekt zu entwickeln. Die EU muss die demokratisch gewählte Regierung unterstützen und sollte Versuche zu deren Destabilisierung verurteilen.
Eine EU-Mitgliedschaft kann aber nur dann sinnvoll angestrebt werden, wenn das Kandidatenland dazu bereit ist, normale Beziehungen zu jedem einzelnen EU-Mitgliedstaat zu unterhalten. Obgleich die gegenwärtige Situation Zeichen der Konsolidierung erkennen lässt, möchte ich die Türkei doch auffordern, endlich die grundlegenden Beitrittskriterien zu erfüllen, indem sie die Republik Zypern anerkennt und die türkischen Militäreinheiten abzieht.
Die vollständige Erfüllung der Kopenhagener Kriterien bildet nach wie vor die Grundvoraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft. Die türkische Regierung hat auf diesem Gebiet beachtliche Anstrengungen unternommen. 2007 wurde die Demokratie in der Türkei gestärkt. Eine politische Initiative für eine dauerhafte Regelung der Kurdenfrage einschließlich realer Möglichkeiten, die kurdische Sprache zu erlernen und zu gebrauchen, steht jedoch noch aus. Wünschenswert wären darüber hinaus überzeugende Maßnahmen zur Beendigung der politisch motivierten Gewalt gegen christliche Minderheiten sowie gleiche Möglichkeiten für alle Religionsgemeinschaften, Sakralgebäude für ihre Glaubensausübung zu errichten.
Lasse Lehtinen (PSE), schriftlich. – (FI) Frau Präsidentin! Ich danke der Berichterstatterin für ihren ausgewogenen Bericht. Meiner Meinung nach sendet er ein ehrliches und kritisches, zugleich aber auch positives und optimistisches Signal an die Türkei aus. Er unterstützt die Reformversuche, die von den progressiven und gemäßigten Kräften in der Türkei unternommen werden, indem er deutlich auf diejenigen Aspekte der Gesellschaft hinweist, bei denen das Land Fortschritte erzielt hat. Zugleich bekundet der Bericht allerdings Besorgnis über die Situation hinsichtlich der Meinungsfreiheit, der Gleichstellung der Geschlechter, der Kurden und anderer Minderheiten sowie der Gewaltanwendung durch die Behörden. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir derzeit Beitrittsverhandlungen auf der Grundlage der Kriterien von Kopenhagen führen.
Wenn das Land die Kriterien erfüllt und die Grundsätze eines europäischen Rechtsstaates befolgt, dann sehe ich keinen Grund, warum der Beitritt blockiert werden sollte. Die Türkei, die der EU vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren beitreten wird, wird eine andere Türkei sein als die, die wir heute vorfinden. Wenn wir wirklich eine demokratische, stabile und friedliche Türkei wollen, dann sollten wir ihr zumindest die Tür zur Mitgliedschaft nicht vor der Nase zuschlagen. Lassen Sie nicht zu, dass man uns billigen Populismus und Fremdenfeindlichkeit vorwirft. Eine europäische Türkei liegt nicht nur im Interesse der EU und der Türkei selbst, sondern der Welt insgesamt. Man sollte der Türkei eine Chance geben.
Csaba Sógor (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Wir diskutieren über den Beitritt der Türkei, oder anders ausgedrückt, darüber, ob dieses Land mit seinem asiatischen Erbe europäisch werden kann. Die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern, die Garantie der Rechte der kurdischen Minderheit, Chancengleichheit der Frauen – dies sind nur einige wenige Beispiele für die Vielzahl grundlegender Probleme. Wir reden von den Erwartungen und Standards der Europäischen Union, aber mittlerweile hat die EU selbst andauernde Probleme mit der Demokratie, den Menschenrechten und den Rechten von Minderheiten.
Rumänien bereitet derzeit Kommunalwahlen vor. In den letzten Tagen hat die Vergangenheit Timişoara oder Temesvár wieder eingeholt: Per Mehrheitsbeschluss hat der Wahlausschuss des Bezirks Timiş einem Antrag stattgegeben, in dem eine natürliche Person verlangte, einige Wahlplakate der UDMR, der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien, zu entfernen.
Die einzigen Stimmen für das UDMR-Mitglied kamen von der Demokratisch-Liberalen Partei (PDL) und zwei Richterinnen im Wahlausschuss. Die minderheiten- und ungarnfeindliche Haltung, die Mitglieder einiger politischer Parteien an den Tag legen, ist weder zu tolerieren noch zu akzeptieren. Was können wir von der Türkei erwarten, wenn wir innerhalb der Europäischen Union noch mit solchen Problemen zu kämpfen haben? Die romafeindliche Gesinnung in Rom, die Kollektivschuld in der Slowakei, die ungarnfeindliche Haltung in Timişoara sind nur Beispiele.
Feleknas Uca (GUE/NGL), schriftlich. – Seit Anfang dieses Jahres ereilen uns bedauerlicherweise immer noch traurige und besorgniserregende Nachrichten über grenzüberschreitende Aktionen des türkischen Militärs, über Tote und Verletzte bei Gefechten im Südosten des Landes und an der türkisch-nordirakischen Grenze, über unverhältnismäßige und brutale Übergriffe der Sicherheitskräfte auf insbesondere Kinder und Frauen während des diesjährigen kurdischen Newroz-Festes.
Der Bericht der niederländischen Abgeordneten Oomen-Ruijten spricht zwar wichtige Punkte an, bleibt aber, angesichts der Ernsthaftigkeit der politischen Lage in der Türkei, viel zu zaghaft. Um die Verantwortlichen in der Türkei nicht zu verärgern, werden die Herzstücke einer erforderlichen Reform nicht mit der notwendigen Klarheit gefordert. Hierzu zählen für mich ganz klar:
1. die zivile Einschränkung und Kontrolle des Einflusses des Militärs in der Türkei
2. die endgültige Loslösung von der Idee, die Kurdenfrage militärisch zu lösen, und das klare Bekenntnis zu einer politischen Lösung und zu einer Aussöhnung
3. die bedingungslose Streichung des Artikels 301 und aller anderen die Meinungs- und Gedankenfreiheit beschränkenden Artikel
4. eine klare politische Willensbekundung zur umfassenden Emanzipation der Frauen
An diesen Stellen hätte der Bericht viel deutlicher und entschiedener ausfallen müssen.
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
5. Abstimmungsstunde
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)
Struan Stevenson (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Bevor wir über den Tagungskalender abstimmen, möchte ich etwas zu dem für morgen geplanten Streik sagen. Ich habe gehört, dass Air France, die Bahn und auch das Flughafenpersonal streiken werden. Damit werden wir als Parlamentarier handlungsunfähig. Ich habe den ganzen Morgen versucht, Flüge umzubuchen, damit ich in meinen Wahlkreis zurückkehren kann. Dadurch werde ich aber die morgige Abstimmungsrunde versäumen. Unsere Parlamentsarbeit wird durch diese Ereignisse behindert. Wir sollen über den Tagungskalender abstimmen, demzufolge wir zwölf Mal pro Jahr hier erscheinen müssen, aber Frankreich tut nichts, um uns die An- oder Abreise zu erleichtern. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn wir weiterhin nach Straßburg kommen sollen, wäre es vielleicht angebracht, ein paar Änderungen im Verkehrssystem vorzunehmen, damit wir auch in der Lage sind, hierher zu kommen.
(Beifall)
Der Präsident. − Herr Kollege! Wir nehmen zur Kenntnis, was Sie gesagt haben, aber wir sollten jetzt vor der Annahme des Kalenders in dieser allgemeinen Weise keine Debatte führen.
Daniel Cohn-Bendit (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte dem Kollegen einfach sagen, dass es in der Europäischen Union ein Streikrecht gibt und dass dieses Streikrecht ein Recht auf Streik ist. Ich finde es auch unglaublich, von einem Staat zu verlangen, dass er einen Streikkalender führt. Das ist lächerlich, absolut lächerlich. Ich möchte dem Kollegen auch sagen, dass die belgischen Arbeitnehmer bei vielen Gelegenheiten gestreikt haben. Wohin würde dieses Parlament also gehen, wenn die Belgier streiken? Das ist eine lächerliche Diskussion. Wenn er nach Hause gehen will, kann er gehen; wenn er bleiben will, muss er noch einen Tag länger bleiben und etwas Spargel essen.
(Beifall von links)
Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese beiden Redebeiträge haben deutlich gemacht, welcher Pluralismus der Europäischen Union innewohnt, und dafür sollten wir im Prinzip dankbar sein. Aber ich füge hinzu und sage dies jetzt in allem Ernst – nicht kritisch, sondern als Beispiel für die Rechtsordnung der Europäischen Union: Wenn jemand anfängt, das geltende Recht in Frage zu stellen, dann landen wir am Ende im Chaos. Deswegen empfehle ich, dass wir jetzt abstimmen und das Recht der Europäischen Union einhalten. Wir alle wissen, wer über den Sitz des Europäischen Parlaments entscheidet. Deswegen meine Bitte, dass wir in Ruhe über den Sitzungskalender abstimmen.
Herr Kollege Stevenson, Sie bekommen wie alle Kolleginnen und Kollegen eine Mitteilung von der Verwaltung, wie sich die Frage der Verkehrsbedingungen morgen entwickelt.
5.1. Tagungskalender des Europäischen Parlaments – 2009 (Abstimmung)
Der Präsident. − Bevor wir jetzt zur Abstimmung kommen, möchte ich auf einen Punkt hinweisen. Ich bitte Sie, jetzt sehr sorgfältig zuzuhören, und dann bekommen einige Fraktionsvorsitzende das Wort. Es gibt einen Änderungsantrag der Kollegen Trakatellis, Varvitsiotis, Papastamkos, Lambrinidis und anderer zu einer Woche des Jahres 2009, nämlich der Woche 16, das ist vom 13. bis 19. April, also die Woche vor dem orthodoxen Osterfest. Es handelt sich also nicht um das Osterfest als solches, sondern um die Vorwoche. Zu dieser besagten Woche wird jedoch überhaupt kein Vorschlag gemacht, es handelt sich nämlich um die Fraktionswoche. Insofern ist dieser Antrag unzulässig, weil es gar keinen Vorschlag für eine Tagung des Europäischen Parlaments in dieser Woche gibt. Allerdings ist dies noch keine Vorentscheidung im Hinblick auf die vorgeschlagene Sitzungswoche vom 20. bis zum 23. April.
Joseph Daul (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, ist 2008 das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs, der den Dialog zwischen den Religionen einschließt. Deshalb bitte ich Sie als Europäisches Parlament, ein Beispiel zu geben und Minderheiten zu respektieren. Meine Fraktion schlägt daher im Geiste des Kompromisses und des guten Willens gegenüber unseren orthodoxen Freunden folgende Änderung im Sitzungskalender 2009 vor. Die Sitzungswoche im April 2009 – die 17. Kalenderwoche – beginnt am 21. April und endet am 24. April – mehr will ich dazu nicht sagen –, damit die betreffenden Abgeordneten das orthodoxe Osterfest feiern können.
Im Namen aller Länder mit orthodoxer Tradition danke ich Ihnen für Ihre Unterstützung und bitte ich Sie, weitere Kontroversen zu vermeiden. Ich ersuche das Europäische Parlament um Unterstützung. Es sollte in Achtung der Rechte der Minderheiten unseren europäischen Mitbürgern ein Beispiel geben.
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich nehme an, das ist ein mündlicher Änderungsantrag – das ist nicht gesagt worden. Aber wenn es einer ist, ist meine Fraktion dafür, dass wir heute darüber abstimmen. Es ist zwar auch eine Tatsache, dass viele Katholiken z. B. morgen, an einem Feiertag, hier arbeiten, trotz des Streiks. Auch diese Situation gibt es. Ich würde aber dennoch empfehlen, dass wir diesem Antrag unsere Zustimmung geben bzw. dafür sorgen, dass dieser Antrag zur Abstimmung gestellt wird. Wenn Sie, Herr Präsident, ihn für nicht zulässig erklären sollten, sollten die Fraktionen nachher versuchen, einen Konsens in dieser Richtung zu finden.
Der Präsident. − Es gibt Dinge, bei denen wir einen Konsens haben müssen, und ich empfehle Ihnen, dass wir so verfahren, wie die Kollegen Daul und Swoboda das vorgeschlagen haben. Darüber wird ganz zum Schluss abgestimmt, so dass wir jetzt erst zu den anderen Änderungsanträgen kommen.
Hartmut Nassauer (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte vor der Abstimmung auf ein Problem aufmerksam machen, das diese Abstimmung betrifft und möglicherweise noch erörtert und gelöst werden muss.
Sie finden in dem vorgeschlagenen Kalender einen Hinweis auf den Wahltermin des Jahres 2009. Darüber stimmen wir jetzt nicht ab. Wir nehmen das nur so zur Kenntnis. Allerdings ergibt sich aus dem Wahltermin der dann folgende Termin der konstituierenden Sitzung des Parlaments im Juli 2009. In diesem Zusammenhang gibt es deswegen bei Kolleginnen und Kollegen aus einigen Mitgliedstaaten Bedenken, weil bei genauem Hinsehen erkennbar ist, dass bei Abhaltung der konstituierenden Sitzung am 14. Juli für manche die zur Erreichung eines Pensionsanspruches erforderliche Fünfjahresfrist noch nicht erfüllt ist. In einigen Mitgliedstaaten wird nicht die Legislaturperiode zu Grunde gelegt, sondern eine festgelegte Zeit, weil die Legislaturperioden in den Mitgliedstaaten unterschiedlich lang sind.
Ich denke, dass Veranlassung gegeben ist, darauf Bedacht zu nehmen und dieses Problem zu klären, entweder im Hinblick auf den Wahltermin oder im Hinblick auf das Datum der konstituierenden Sitzung. Darum möchte ich die Rechtsdienste des Parlaments bitten.
Daniel Cohn-Bendit (Verts/ALE). – Herr Präsident! Es geht um einen ähnlichen Vorschlag.
Ich bin erstaunt, dass unter dem Argument des Rechts der Minderheiten unheimlich moralisch argumentiert wird. Es gibt ungefähr sieben jüdische Feiertage, die nicht eingehalten werden können, wenn man arbeitet. Es gibt 13 protestantische Feiertage. Die konstituierende Sitzung ist am 14. Juli. Das ist einer der größten laizistischen Feiertage. Können wir am 14. Juli in Frankreich arbeiten, wenn wir uns an die Französische Revolution erinnern? Das halte ich für unmöglich und unsachlich, das muss auch geändert werden. Bitte sehr!
(Beifall)
Der Präsident. − Wir nehmen dies zur Kenntnis und kommen nun zur Abstimmung.
(Der mündliche Änderungsantrag wird übernommen)
5.2. Verbot der Ausfuhr und sichere Lagerung von metallischem Quecksilber (A6-0102/2008, Dimitrios Papadimoulis) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung
Dimitrios Papadimoulis, Berichterstatter. − (EL) Herr Präsident! Ich möchte den Schattenberichterstattern ein weiteres Mal für ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit danken. Im Dialog mit ihren in allen Phasen anwesenden Vertretern haben wir dank des Beitrags der Kommission einen sehr befriedigenden Kompromiss mit dem Rat erzielt.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass dieser Kompromiss in sich zusammenfällt und wir uns an Punkt Null wiederfinden, falls die Änderungsanträge 37 und 41 zu Almadén angenommen werden.
Ich möchte daran erinnern, meine Damen und Herren, dass auch ich als Berichterstatter in der ersten Lesung die Almadén-Änderungsanträge unterstützt habe, doch jetzt müssen wir der Realität ins Auge sehen. Weder der Rat noch die Kommission akzeptieren diese Änderungsanträge. Wenn sie angenommen werden, stehen wir wieder bei Null. Vor einem Jahr hat der Rat nur einen der Änderungsanträge des Europäischen Parlaments akzeptiert. Durch die Zusammenarbeit aller Fraktionen haben wir es jetzt geschafft, dass im Text der Übereinkunft 22 Änderungsanträge akzeptiert werden. Ich frage Sie, sollen wir diesen Erfolg preisgeben? Gestern hat sich Kommissar Dimas klar geäußert. Die Kommission akzeptiert die Änderungsanträge 37 und 41 nicht. Im Rat hat nicht einmal die spanische Regierung auf diesen Änderungsanträgen beharrt.
Ich rufe Sie also auf, diese Änderungsanträge abzulehnen und damit die erheblichen Fortschritte für den Schutz der Umwelt und der Volksgesundheit, die wir in unserer Übereinkunft mit dem Rat erzielt haben, sicherzustellen. Lassen Sie uns mit sehr großer Mehrheit einen befriedigenden Schritt in Richtung auf das Verbot der Ausfuhr von Quecksilber annehmen.
5.3. Strafrechtlicher Schutz der Umwelt (A6-0154/2008, Hartmut Nassauer) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Nochmals vielen Dank, Herr Präsident! Mit Ihrer Erlaubnis würde ich im Namen des Rates gern die folgende Erklärung abgeben.
Wir haben den nachstehenden, vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments angenommen Änderungsantrag sorgfältig geprüft. Es handelt sich um die neue Erwägung 12 a.
Ich zitiere: „Erweist es sich, dass eine Dauertätigkeit nach einer gewissen Zeit zu Umweltschäden führt, die ihrerseits eine strafrechtliche Haftung gemäß dieser Richtlinie nach sich ziehen können, dann sollte die Frage, ob der Schadensverursacher vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat oder nicht in Bezug auf den Zeitpunkt entschieden werden, zu dem der Schadensverursacher von dem Straftatbestand Kenntnis erlangte oder erlangt haben sollte, und nicht in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem der Schadensverursacher seine Tätigkeit aufgenommen hat. Es sollte in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass die vorherige Erteilung einer amtlichen Genehmigung, Lizenz oder Konzession unter solchen Umständen keinen Rechtfertigungsgrund darstellen sollte.“ Zitat Ende.
Wir verstehen die in diesem Änderungsantrag ausgedrückten Absichten. Diese Angelegenheiten gehören in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Wir glauben, dass die Mitgliedstaaten diese Absichten ordnungsgemäß berücksichtigen werden.
Vielen Dank.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Diese Erklärung hier erreicht möglicherweise nicht das rhetorische Niveau von Herrn Cohn-Bendit. Aber ich soll diese Erklärung verlesen, und ich zitiere: „Die Kommission hat folgenden im Rechtsausschuss angenommenen Änderungsantrag zur Kenntnis genommen: ‚Erweist es sich, dass eine Dauertätigkeit nach einer gewissen Zeit zu Umweltschäden führt, die ihrerseits eine strafrechtliche Haftung gemäß dieser Richtlinie nach sich ziehen können, dann sollte die Frage, ob der Schadensverursacher vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat oder nicht in Bezug auf den Zeitpunkt entschieden werden, zu dem der Schadensverursacher von dem Straftatbestand Kenntnis erlangte oder erlangt haben sollte, und nicht in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem der Schadensverursacher seine Tätigkeit aufgenommen hat. Es sollte in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass die vorherige Erteilung einer amtlichen Genehmigung, Lizenz oder Konzession unter solchen Umständen keinen Rechtfertigungsgrund darstellen sollte.’ Wir haben vollstes Verständnis für die in diesem Änderungsantrag zum Ausdruck gebrachten Bedenken. Diese Angelegenheiten fallen in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, und wir vertrauen darauf, dass diese solch wichtige Anliegen sehr ernst nehmen werden.“
Hartmut Nassauer, Berichterstatter. − Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die beiden Erklärungen veranlassen mich, für die Kolleginnen und Kollegen, denen das möglicherweise nicht ganz verständlich war, darauf hinzuweisen, dass diese Erklärungen zu dem Kompromiss gehören, den wir beschlossen haben. Wir haben Aufklärung erbeten über zwei, drei Probleme, und dies ist auf diese Weise erfolgt. Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens aber ist selbstverständlich nur der Text, wie wir ihn gemeinsam beschlossen haben.
Ich habe hier das Schreiben des Vorsitzenden der ständigen Vertreter – den Vorsitz hat Slowenien inne – in der Hand, der bestätigt, dass dieser Text, wenn wir ihn heute annehmen, auch vom Rat gebilligt wird und damit im Rahmen eines First Reading Agreement zu dem gewünschten Gesetzgebungserfolg führt.
5.4. Betriebsstrukturerhebungen und Erhebung über landwirtschaftliche Produktionsmethoden (A6-0061/2008, Gábor Harangozó) (Abstimmung)
– Vor der Abstimmung
Gábor Harangozó, Berichterstatter. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Erhebungen über landwirtschaftliche Betriebsstrukturen zählen zu den ältesten statistischen Erhebungen auf Gemeinschaftsebene und liefern wesentliche und notwendige Daten über landwirtschaftliche Betriebe in der Europäischen Union.
Nun, da wir eine erweiterte EU mit zwölf neuen Mitgliedstaaten haben und gegenwärtig an der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik arbeiten, ist eine neue und umfassende Erhebung, die sobald als möglich durchgeführt werden sollte, dringend geboten. Wir brauchen vergleichbare und einheitliche Daten, die uns in die Lage versetzen, eine faire und gut funktionierende Landwirtschaftspolitik zu erarbeiten. Deshalb habe ich auch alles versucht, damit eine Einigung schon in erster Lesung erreicht werden kann und die Erhebungen sobald als möglich durchgeführt werden können.
Ich möchte insbesondere meinen Kollegen, die an diesem Trilog mitgewirkt haben, für ihren ausgesprochen konstruktiven Ansatz danken. Besonderer Dank gilt Frau Elisabeth Jeggle und den Herren Nicolas Meves und Alexis Kuhl für ihre Arbeit. Die im Ergebnis des Trilogs eingereichten Änderungsanträge sind in Block Eins zu finden. Ich bitte Sie alle, die Änderungsanträge in Block Eins zu unterstützen, sodass wir dieses Dossier schließen können. Vielen Dank.
5.5. Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers (A6-0087/2008, Silvia-Adriana Ţicău) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 108
Mathieu Grosch (PPE-DE). – Herr Präsident! Änderungsantrag 108 und 117 sind in meinen Augen nicht kompatibel. Deswegen schlage ich für die EVP vor, dass wir Änderungsantrag 108 unterstützen und Änderungsantrag 117 zurückziehen.
5.6. Zugang zum Personenkraftverkehrsmarkt (Neufassung) (A6-0037/2008, Mathieu Grosch) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich habe der Fairness halber schon am Montag angekündigt, dass wir die Verschiebung der Abstimmung über diesen Bericht beantragen. Nicht, weil Kollege Grosch schlecht gearbeitet hat, im Gegenteil, sondern weil wir die Frage der Ruhezeiten noch in aller Ruhe und in präziser Form in diesen Bericht hineinbringen wollen. Wir haben mit den Fraktionen Gespräche geführt. Wir haben auch eine große Zustimmung bekommen. Sogar der Kollege Jarzembowski, der am schwierigsten zu überzeugen war, hat mir heute früh zugestimmt. So hoffe ich, dass wir dies in diesem Sinne erledigen können. Ich beantrage daher die Verschiebung auf eine der beiden nächsten Tagungen.
Mathieu Grosch, Berichterstatter. − Herr Präsident! Als Berichterstatter bin ich mit dem Vorschlag einverstanden und die EVP-Fraktion auch, und ich möchte hier klarstellen, dass wir die Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern mittlerweile zur Kenntnis genommen haben. Aber wir nutzen die Zeit, um dies eventuell in einen Änderungsantrag einzubauen.
(Das Parlament nimmt den Antrag an.)
5.7. Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt (Neufassung) (A6-0038/2008, Mathieu Grosch) (Abstimmung)
5.8. Auswahl und Genehmigung von Systemen, die Satellitenmobilfunkdienste (MSS) erbringen (A6-0077/2008, Fiona Hall) (Abstimmung)
5.9. Vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung (A6-0101/2008, Klaus-Heiner Lehne) (Abstimmung)
5.10. Frauen und Wissenschaft (A6-0165/2008, Britta Thomsen) (Abstimmung)
5.11. Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen (A6-0156/2008, Johannes Blokland) (Abstimmung)
5.12. Wissenschaftliche Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen (A6-0136/2008, Karl-Heinz Florenz) (Abstimmung)
- Vor der Abstimmung
Der Präsident. − Zum Bericht Florenz möchte ich etwas erklären: Die Änderungsanträge 5, 11, 12, 13, 14 und 15 sind für diesen Bericht nicht zulässig. Sie können allerdings bei der Behandlung des Hauptberichts eingereicht werden. Ich habe diesbezüglich auch einige E-Mails bekommen. Alle Dienste und der Juristische Dienst haben sich eingehend damit befasst und sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Änderungsanträge für diesen Bericht unzulässig sind. Für den endgültigen Bericht sind sie jedoch zulässig.
Jan Březina (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich muss sagen, ich kann diese Argumentation für alle Änderungsanträge nachvollziehen, nicht aber für Änderungsantrag 15. Ich weiß nicht, weshalb über Änderungsantrag 15 nicht jetzt gleich abgestimmt werden kann.
Der Präsident. − Herr Kollege Březina! Die Antwort, die ich bekommen habe – gerade zu diesem Änderungsantrag habe ich eine E-Mail bekommen –, war für alle diese genannten Änderungsanträge die gleiche. Ich muss darauf vertrauen können. Dieser Änderungsantrag 15 kann aber in den Hauptbericht eingebracht werden, so dass er dann Bestandteil des Hauptberichts werden kann.
Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident! Wir sind uns mit den Kolleginnen und Kollegen einig, dass wir der kurdischen Sprache in der Türkei einen angemessenen Platz einräumen wollen. Ziffer 11 muss an einer Stelle allerdings sprachlich präzisiert werden. Deswegen möchte ich hier einen mit den anderen Schattenberichterstattern und der Berichterstatterin abgesprochenen mündlichen Änderungsantrag stellen. Der Satz lautet in der geänderten Fassung dann wie folgt:
– (EN) „…wozu auch die reelle Möglichkeit gehört, die kurdische Sprache im Rahmen des staatlichen und privaten Schulsystems zu erlernen und sie im Rundfunk, im täglichen Leben sowie bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen zu verwenden“.
(Der mündliche Änderungsantrag wird übernommen.)
– Vor der Abstimmung über Ziffer 19
Ria Oomen-Ruijten, Berichterstatterin. − (NL) Wir wollen das Wort „benachbarte“ streichen, da der Ombudsmann mit allen europäischen Ombudsmännern und -frauen zusammenarbeiten soll.
− Tagungskalender des Europäischen Parlaments – 2009
Toomas Savi (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe nur eine kurze Anmerkung zum Tagungskalender für nächstes Jahr. Obwohl die Parlamentswahlen für den Zeitraum vom 4. bis 7. Juni angesetzt sind und damit meine Fünfjahresfrist um eine Woche unterschritten wird, bin ich froh, dass die Wahlen nicht in die Zeit vom 11. bis 14. Juni fallen. Traditionell werden Wahlen in Estland an einem Sonntag abgehalten; hätten aber die Europawahlen am 14. Juni stattgefunden, dem Nationaltrauertag, an dem der Massendeportation von 1941 durch die Sowjets gedacht wird, dann hätten die Flaggen in ganz Estland auf halbmast geweht. Das wäre kein sehr günstiger Tag für die Wahlen zum Europäischen Parlament gewesen.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Dies war die letzte Kalenderabstimmung in dieser Legislaturperiode und wir haben fünfmal Versuche abgewehrt, den Sitzungsort Straßburg und den alleinigen Sitz Straßburg durch unvernünftige Änderungsanträge in Frage zu stellen.
Ich möchte aber dennoch sagen, dass wir eine gründliche Reform durchführen sollten, denn es geht ja angeblich um Geld und um CO2-Ausstoß. Ich möchte klar sagen, wenn wir uns auf die 12 Plenarwochen im Jahr konzentrieren würden, diese wieder voll fünftägig ausnutzen und die überflüssigen und teuren Miniplenarsitzungen in Brüssel streichen und durch Wahlkreiswochen ersetzen würden, wären wir bürgernäher und hätten mehr Zeit für die wirkliche Arbeit. Es wäre wesentlich billiger, wir hätten weniger CO2-Ausstoß, und dies alles wäre möglich durch unsere eigene Entscheidung und ohne jegliche Vertragsänderung. Solange es keine Vertragsänderung gibt, sollten wir den geltenden Vertrag so vernünftig und effizient wie möglich nutzen. Deshalb glaube ich, sollten wir diesen Weg gehen, den ich vorgeschlagen habe.
Fiona Hall (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Als diese Verordnung dem Parlament in erster Lesung vorgelegt wurde, habe ich mich gegen Vorstöße gewandt, die Lagerung von Quecksilber nicht nur in Salzbergwerken, sondern auch in unterirdischen Abfallbeseitigungseinrichtungen zuzulassen. Es war klar, dass auch Anhydritbergwerke in dieser erweiterten Definition mit eingeschlossen sein würden, und das war sehr beunruhigend für die Bewohner von Billingham in meinem Wahlkreis, die sich dagegen wehren, dass die ehemaligen Anhydritbergwerke unter ihren Häusern als Abfalldeponien genutzt werden sollen. Leider hat der Entwurf, über den heute in zweiter Lesung abgestimmt wurde, erneut die Möglichkeit in Aussicht gestellt, Quecksilber an anderen Orten als in Salzbergwerken zu lagern, besonders in tief liegenden Gesteinsformationen. Da die Anhydritminen von Billingham unter diese neue Definition der zulässigen Lagerungsorte fallen könnten, habe ich mich der Abstimmung über das Kompromisspaket enthalten, da es keine Schlussabstimmung in zweiter Lesung gibt. Dennoch bin ich sehr dafür, die Ausfuhr von Quecksilber aus Europa zu verbieten.
Alojz Peterle (PPE-DE). – (SL) Ich habe mich sehr über diesen Bericht gefreut, da er alle für eine schnelle Entscheidung dieses Problems notwendigen Komponenten beinhaltet. Ich freue mich auch sehr darüber, dass das Parlament, die Kommission und der Rat einen Kompromiss erzielen konnten. So haben wir wirklich zur Dynamik beigetragen. Ein anderer Lösungsansatz könnte einen langfristigen Aufschub für eine potenzielle Lösung nach sich ziehen.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Es ist heute nicht mehr hinnehmbar, dass schwerwiegende, die Umwelt und die Volksgesundheit betreffende Straftaten lediglich als Vergehen betrachtet werden, wie das bis zum heutigen Tage in einigen Ländern der Fall ist, so zum Beispiel in Italien und Zypern. Deshalb unterstütze ich trotz der Einwände der Euroskeptiker die Richtlinie, nach der alle Länder verpflichtet sind, innerhalb von zwei Jahren einschlägige strafrechtliche Sanktionen in ihre Gesetzgebung aufzunehmen. Mir ist natürlich bewusst, dass die Tschechische Republik wie auch viele andere Länder eine strafrechtliche Haftung für juristische Personen einführen müssen, was für die postsozialistischen Länder eine neue historische Erfahrung ist. Dabei werden wir uns entweder für das deutsche Modell entscheiden, bei dem durch juristische Personen begangene Gesetzesverletzungen von Verwaltungsbehörden bearbeitet werden, oder aber wir wählen das in Frankreich, Großbritannien und nunmehr auch Slowenien praktizierte Modell, nach dem solche Verletzungen Sache der Justizbehörden sind. Ferner müssen wir noch klären, ob die juristische Person insgesamt oder nur die Geschäftsführung haftbar sein soll. Ich fürchte, dass die Frist von zwei Jahren für die Einführung dieser strafrechtlichen Sanktionen nicht ausreichen wird.
Roger Helmer (NI). – (EN) Herr Präsident! Ich habe gegen diese Maßnahme gestimmt. Es scheint, dass Klimapanik und Umwelthysterie mehr und mehr die Merkmale einer Religion annehmen. Das Ganze ist mehr eine Frage des Glaubens als eine Frage der Tatsachen. Zu Recht ist die Möglichkeit des Emissionshandels verglichen worden mit dem im Mittelalter verbreiteten Erwerb päpstlicher Ablassbriefe. Nun stellt uns Herr Nassauer hier etwas vor, das mir wie eine Art Gesetz gegen Umweltlästerung vorkommt.
Ich habe grundsätzlich erhebliche Vorbehalte dagegen, Umweltfragen mit dem Strafgesetzbuch statt auf zivilrechtlicher Basis zu lösen. Das eigentliche Problem jedoch ist die Erweiterung des EU-Rechts. Die Menschen, die ich hier vertrete, wollen Handel, wollen Zusammenarbeit in Europa. Aber sie wollen keine politische Union, und sie wollen auch kein europäisches Rechtssystem. Wir sollten jeden Versuch abwehren, in diesen Bereichen weitere europäische Verantwortlichkeiten und europäische Zuständigkeiten zu schaffen.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Obwohl dieser Bericht augenscheinlich Verweise auf spezifische Sanktionen vermeidet, nimmt er sehr wohl Bezug darauf, welche Maßnahmen als kriminelle Handlungen innerhalb von Mitgliedstaaten zu betrachten sind. Lassen Sie uns doch einmal folgendes Szenario entwerfen: Jemand aus meinem Wahlkreis London, der großartigsten Stadt der Welt und der Hauptstadt des großartigsten Landes der Welt, begeht eine Tat, die zwar nach englischem Recht (einem Gesetzeswerk, das entstanden ist aus den Traditionen des Common Law und aus rationalen Überlegungen) keine kriminelle Handlung darstellt, die aber nun, weil wir nun einmal unvernünftigerweise und über die Köpfe der Wähler hinweg beschlossen haben, uns das EU-Recht aufoktroyieren zu lassen, nach EU-Recht als Straftat zu betrachten ist.
Wohin führt das? Was würden meine Wähler dazu sagen? Das ist ganz einfach. Sie würden sagen: „Was soll dieser Unsinn? Warum ist etwas, was nach einleuchtendem englischem Recht keine kriminelle Handlung darstellt, nach europäischem Recht plötzlich eine kriminelle Handlung? Wir sollten die Europäische Union besser verlassen!“ Wir müssen also aufpassen, dass wir das Vereinigte Königreich nicht aus der EU hinausekeln.
Giuseppe Gargani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte den Präsidenten um ein kurzes Wort im Anschluss an die Annahme des Berichts Nassauer über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments über den strafrechtlichen Schutz gebeten.
Ich wollte insbesondere dem Berichterstatter gratulieren, weil dies ein Bericht von großer Tragweite ist. Es fand eine ausführliche Aussprache im Ausschuss statt, und wir haben, auch dank der Mitwirkung von Monica Frassoni, einen sehr vernünftigen Kompromiss auf hohem Niveau erzielt. Es ist mir ein Bedürfnis, diese herausragende Arbeit des Ausschusses hervorzuheben und speziell den Berichterstatter, Herrn Nassauer, zu beglückwünschen.
Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Zum Bericht von Herrn Nassauer möchte ich sagen, dass ich dafür gestimmt habe. Die Mitgliedstaaten haben zwar alle die gleichen Bestimmungen angenommen, doch ihre Umsetzung erfolgt sehr unterschiedlich. Das ermutigt zu unerwünschten Verhaltensweisen, indem verantwortungslose Unternehmer ihre Wirtschaftstätigkeit in Länder verlagern, in denen Umweltstraftaten weniger hart bestraft werden. Dies gilt insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten der Union. Dabei muss hervorgehoben werden, dass die im Rahmen krimineller Organisationen begangenen Straftaten immer mehr an Gewicht gewinnen und Umweltstraftaten zunehmend grenzüberschreitend begangen werden.
Ich stimme dem Berichterstatter zu, dass der in dem Richtlinienvorschlag festgelegte Rechtsrahmen ein wichtiger Beitrag ist, um wirksamen Umweltschutz sicherzustellen und eine einheitliche und faire Durchsetzung und Durchführung der Bestimmungen in der ganzen Gemeinschaft zu gewährleisten. Entsprechend ausgebildete Mitarbeiter sind ein absolutes Muss für die wirksame Umsetzung der Gesetze und wirkliche Verringerung von Umweltstraftaten. Der Vorschlag, die Pflichten der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet klarzustellen, war daher richtig.
Noch eine Bemerkung an den Kollegen aus dem Vereinigten Königreich, der möglicherweise einem Missverständnis aufgesessen ist. Wir schaffen hier kein neues Gemeinschaftsstrafrecht. Es hat sich gezeigt, dass das nicht möglich ist. Stattdessen bestehen wir darauf, dass jeder Mitgliedstaat im Rahmen des eigenen Rechtssystems die Gesetze umsetzt, die erforderlich sind um sicherzustellen, dass überall in Europa vergleichbare Straftaten einheitlich bestraft werden.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Der heutige 21. Mai ist ein weiterer Nagel zum Sarg der Euroskeptiker, da wir zusammen mit dem Rat für eine gemeinsame Entscheidung gestimmt haben, die dazu beitragen wird, die Rechte der 27 Mitgliedstaaten in Bezug auf das Telekommunikationsspektrum zum Teil auf die Europäische Union zu übertragen. Dieses Beispiel unterstreicht die Bedeutung der Europäischen Union. Wenn die Mitgliedstaaten etwas nicht selbst erfolgreich regeln können, übertragen sie die Verantwortung im Interesse der Bürger Europas auf die Europäische Union. Heute geht es um die Beseitigung legislativer Hindernisse für die künftige Entwicklung der Satellitenmobilfunkdienste für die Kommunikation in Notfällen, für die Lebensrettung, für den Schutz von Gesundheit und Eigentum einer halben Milliarde Menschen. Von Schiffen und Flugzeugen wird dieses System bereits genutzt, das dank moderner Technologie weitere Leistungen wie Zweiwege-Multimediadienste, Satellitenfernsehübertragung und Breitband-Internetzugang erbringen kann. Jedoch sollte diese Entscheidung nicht zur Standardlösung in der Telekommunikationsbranche werden. Die Exklusivrechte für andere Leistungsbereiche bleiben in den Händen der nationalen Regulierungsbehörden. Ich hoffe, dass die Medien in eher euroskeptischen Ländern wie der Tschechischen Republik oder Großbritannien dieses Thema mit der entsprechenden Aufmerksamkeit verfolgen, was zum Vorteil der Bürger ist.
Syed Kamall (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin sehr froh, dass ich diesen Bericht unterstützen kann, er scheint nämlich nicht ein Beispiel für Nötigung, sondern eher eines für Kooperation zu sein. Übrigens war ich in diesem Bereich einmal beruflich tätig; ich habe Firmen zu Satellitenmobilfunkdiensten beraten.
Die Firmen mussten u. a. der Tatsache ins Auge sehen, dass sie den Markt missverstanden hatten. In den späten 1990ern starteten fünf Betreiber globale Satellitensysteme. Trotz eingehender Vorüberlegungen hatten sie den Markt gründlich missverstanden, weil sie glaubten, der Markt, das sei der internationale Geschäftsreisende; die Technik dieses Marktes wurde jedoch von Entwicklungen in der Mobilfunktechnologie verdrängt.
Ich freue mich, dass wir diesen Firmen nun die Gelegenheit bieten können, den Aufbau eines Marktes für globale Satellitenmobilfunkdienste erneut in Angriff zu nehmen, was meines Erachtens von großem Nutzen wäre, insbesondere für die Menschen in den Entwicklungsländern, die durch terrestrische Netze nicht erreicht werden. Deshalb begrüße ich diesen Bericht und habe dafür gestimmt.
Miroslav Ouzký (PPE-DE). – (CS) Ich möchte die Beweggründe für meine Abstimmung über den Bericht von Herrn Karl-Heinz Florenz erläutern. Wenn ich bei der Endabstimmung gegen den Bericht votiert habe, so möchte ich hier betonen, dass es mir als Vorsitzender des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit nicht am Verständnis für die ernste Lage auf diesem Gebiet mangelt oder ich die Absicht habe, die Arbeit des Berichterstatters abzulehnen oder zu bestreiten. Ich kann jedoch einigen Aussagen bzw. Feststellungen nicht zustimmen, die meines Erachtens nicht nur politisch falsch, sondern in einigen Fällen auch unwahr sind. Ferner betrachte ich die Entscheidung des Tabling Office zur Unzulässigkeit des Änderungsantrags ohne Angabe von Gründen für nicht akzeptabel, skandalös und auch ziemlich falsch. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Jan Březina (PPE-DE). – (CS) Auch ich habe nicht für den Bericht meines Kollegen, Herrn Florenz, gestimmt. Für alles, was als wissenschaftliche Fakten bezeichnet oder dargelegt wird, müssen die wissenschaftlichen Standpunkte beider Lager von Wissenschaftlern erläutert werden, sowohl derjenigen, die zustimmen, als auch derjenigen, die eine gegenteilige Meinung vertreten. Die Aussagen des Berichts werden als klarer wissenschaftlicher Konsens vorgetragen. Das ist jedoch nicht der Fall. Auch die Meinung des gegnerischen Lagers ist erheblich. Während der Debatte wurde wiederholt das Vorsorgeprinzip betont. Können wir diesen nicht auch auf die zu strengen und einseitigen Schlussfolgerungen für die Politik in Bezug auf den Klimawandel anwenden? Als Geologe kann ich Ihnen versichern, dass sich die Erde in der Vergangenheit schon mehrfach um mehr als diese dämonisierten 2°C erwärmt hat, ohne dass es dadurch zu tragischen Ereignissen gekommen ist. Schließlich ist die Menschheit schon immer einem kontinuierlichen Klimawandel ausgesetzt gewesen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Ich habe für den Zwischenbericht des Berichterstatters, Karl-Heinz Florenz, gestimmt, in dessen Mittelpunkt die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel stehen. Gleichzeitig bedauere ich, dass einige Änderungsanträge meines Kollegen, Herrn Březina, und 40 weiterer Abgeordneter, vor allem Änderungsantrag 15, nicht angenommen wurden. Sie hätten seine Aussagen noch bekräftigt. Wissenschaftler nehmen ständig Überarbeitungen ihrer Thesen vor, das heißt, dass auch wir offen für neue Ideen sein müssen.
Einige der globalen Klimaveränderungen, die ihre Ursache in der Tätigkeit des Menschen haben, treten zumeist in Form der Ableitung von Wasser in bestimmten Regionen zutage. Somit ist die Speicherung von Regenwasser in einer Region und das Ableiten lediglich des natürlichen Wasserüberschusses eine Voraussetzung für die Umweltsicherheit und die globale Stabilität und nicht zuletzt auch für die Sicherung des Wirtschaftswachstums. Ich vertraue darauf, dass das Neue Wasser-Paradigma zu einem modernen sinnvollen Konzept für die nächsten Jahrzehnte wird und der Menschheit ein Manifest für die Sicherung der Zukunft der Zivilisation liefert.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Wir haben heute einen äußerst wichtigen Bericht über die Bekämpfung des Klimawandels angenommen. Zwischen Letzterem und den Energieproblemen bestehen enge Verbindungen. Wir erleben zunehmend Dürren, Überschwemmungen, Wüstenbildung und schmelzende Gletscher. Jetzt muss jedem klar sein, dass sich unser Klima ändert. Die höheren Temperaturen führen zu gesellschaftlichen, finanziellen und Umweltproblemen.
Wenn wir unseren Planeten, unsere Erde, wirklich schützen wollen, dann müssen wir alle, jedes Land und jede Gesellschaft in der Welt, dafür sorgen, dass sich die CO2-Emissionen und Emissionen sonstiger Treibhausgase in Zukunft langsamer oder nicht weiter erhöhen. Umweltfreundliche Investitionen müssen gefördert werden, ebenso wie saubere Energie und energiesparende Anlagen. Am wichtigsten aber ist es, die Menschen von der Notwendigkeit eines sparsamen Umgangs mit Energie zu überzeugen, ihre Kenntnisse darüber zu verbessern und ihr Problembewusstsein zu schärfen. So dürften wir am schnellsten zu Ergebnissen kommen.
Wir müssen eine Kompromisslösung finden, um die Treibhausgasemissionen in der Union in Grenzen zu halten. Die neuen Mitgliedstaaten sollten anders behandelt werden als die bereits stärker entwickelten, damit Erstere die Chance haben, Entwicklungsrückstände aufzuholen.
Kurt Joachim Lauk (PPE-DE). – Herr Präsident! Zunächst zum Bericht Florenz, der – wie ich meine – sehr gut zusammengefasst hat, was im Moment wissenschaftlicher Konsens ist. Dennoch habe ich gegen den Bericht gestimmt, und zwar deshalb, weil das Klima auf der einen Seite ein wichtiges Anliegen ist. Wir müssen hier etwas tun, insofern stimme ich zu. Auf der anderen Seite ist der wissenschaftliche Konsens nur ein momentaner Konsens. Alle wissenschaftlichen Konsense der letzten paar hundert Jahre waren vorübergehender Art und Natur. Wir haben uns weiter entwickelt.
Der vorliegende Bericht eröffnet hier nicht genügend Möglichkeiten. Zweitens sind die konkreten Maßnahmen, die intendiert sind, einseitig. Wir müssen darauf achten, dass Europa nicht an wirtschaftlicher Leistungskraft verliert, denn die Welt können wir in Europa nicht alleine retten. Die anderen Länder müssen in dieses globale Problem dringend einbezogen werden. Nur dann kann der wissenschaftliche Konsens auch umgesetzt werden. Wir können die Last alleine nicht tragen.
Vor diesem Hintergrund habe ich die Maßnahmen vermisst, die notwendig sind, um den Klimawandel zu vermindern. Wir können ihn wahrscheinlich nicht stoppen. Vor diesem Hintergrund meine ich, dass Maßnahmen, die unsere industrielle Basis nachhaltig verändern werden, nicht aufgrund von vorläufigen wissenschaftlichen Konsensen ergriffen werden können.
Roger Helmer (NI). – (EN) Herr Präsident! Ich habe gegen den Bericht Florenz gestimmt. Einer der größten Mythen der Klimahysterie besteht darin, dass es einen wissenschaftlichen Konsens gibt und alle Wissenschaftler einer Meinung sind. Als Mitglied des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel weiß ich, warum der Bericht von Herrn Florenz so ausgefallen ist: Man hat nur einer Seite zugehört und glaubte deswegen, es gebe einen Konsens.
Heute Morgen hat Herr Booth uns die Oregon-Petition ins Gedächtnis gerufen, die von 30 000 wichtigen Wissenschaftlern unterzeichnet wurde und die das gesamte Fundament der Klimapanik ins Wanken bringt: Es gibt keinen Konsens. Es gibt eine große und wachsende Gruppe von Wissenschaftlern, die eine gegenteilige Meinung vertritt. Währenddessen verursachen wir mit dem sinnlosen und zum Scheitern verurteilten Versuch, ein auf Vermutungen beruhendes Problem zu beeinflussen, das nach Ansicht vieler Zeitgenossen gar nicht existiert, enormen wirtschaftlichen Schaden für die Menschen, die wir repräsentieren,.
Dieser wirtschaftliche Schaden wird uns und besonders Europa teuer zu stehen kommen, denn Entwicklungsländer wie China und Indien haben viel zu viel gesunden Menschenverstand, um sich von so etwas zum Narren halten zu lassen.
Dimitar Stoyanov (NI). – (BG) Die Delegation der Partei Ataka hat gegen den so genannten Fortschrittsbericht über die Türkei gestimmt, da wir keinen Fortschritt erkennen können.
Für uns ist die Türkei ein Staat mit einer an der Macht befindlichen islamistischen Partei und einem islamistischen Präsidenten als Staatsoberhaupt. Sie ist ein Staat, der die Menschenrechte auch nicht nur im Mindesten achtet, der eine gesamte Nation unterdrückt und selbst in diesem Augenblick gegen eine ganze Nation Krieg führt mit dem Ziel, diese zu auszurotten; und diese Nation ist das kurdische Volk. Ein hoch militarisierter Staat mit einer verdeckt agierenden Militärjunta, deren Generäle die Richtung der türkischen Politik bestimmen. Ein Staat, der selbst in diesem Moment das Territorium eines EU-Mitgliedstaates weiter besetzt hält.
Mit einem solchen Staat darf erst dann verhandelt werden, wenn diese schwer wiegenden Probleme auch wirklich beseitigt sind.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Für meine Begriffe wurde mit dem Bericht Oomen-Ruijten wieder eine Chance vertan, bei dem potenziellen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union Nägel mit Köpfen zu machen. Dieser Bericht konzentriert sich auf, wie ich meine, Randprobleme, während das Wesentliche an der ganzen Geschichte natürlich nach wie vor ist, dass die Türkei mitnichten ein europäisches Land ist, mitnichten je ein europäisches Land sein wird und demzufolge von einem Beitritt eines nichteuropäischen Landes zur Europäischen Union keine Rede sein kann. Basta!
Ich möchte, nebenbei bemerkt, aber auch erwähnen, dass ich zu meinem Erstaunen unter anderem von meinem sozialdemokratischen Kollegen, Herrn Swoboda, in der Debatte hörte, Verbote von Parteien in der Türkei seien völlig unakzeptabel. Ich darf Sie daran erinnern, dass in meinem Heimatland Belgien die größte Partei des Landes, der Vlaams Blok, der 24 % der Stimmen gewann, 2004 einfach verboten wurde und aufgelöst werden musste. An damalige Proteste der Sozialdemokraten kann ich mich nicht erinnern. Im Gegenteil, ihre Solidarität beschränkt sich auf die islamistischen Fundamentalisten, was ich sehr wohl zur Kenntnis nehme.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Ich vertrete schon seit vielen Jahren die Auffassung, dass eine privilegierte Partnerschaft zwischen der Union und der Türkei eine bessere Lösung ist, als der Türkei die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu versprechen. Leider bestätigt der Fortschrittsbericht, dass die Kriterien von Kopenhagen nicht eingehalten werden, obgleich Beitrittsverhandlungen aufgenommen wurden. Das ist nicht nur in einem Bereich der Fall, sondern betrifft Religionsfreiheit, Rechte von Minderheiten, Chancengleichheit (insbesondere für Frauen), Korruption, die Kurden- und die Zypernfrage und natürlich auch den Einfluss der Armee auf die staatliche Politik. Ich teile die Meinung des Berichterstatters und begrüße das Streben der Regierung nach Fortschritten, das aber leider nicht zu erkennbaren Fortschritten führt. Im Gegenteil: Die Türkei verbietet eine politische Partei, nutzt den neuen Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches für die Verfolgung von Schriftstellern und Intellektuellen wegen Verunglimpfung des Türkentums, und politisch oder religiös motivierte Feindschaft und Gewalt nehmen zu. Weder die Ermordung von Hrant Dink, noch die weiterer Personen wurde bislang aufgeklärt. Ansonsten teile ich die Meinung, dass der Bericht ausgewogen und ehrlich ist.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Wir haben einen wichtigen Bericht angenommen. Wir sollten den gemäß den Beitrittsverhandlungen in der Türkei eingeführten Änderungen gebührend Anerkennung und Unterstützung zollen. Die Türkei ist in Anbetracht ihrer besonderen geopolitischen Lage ein strategischer Partner der EU, wenn es um deren Verhandlungen mit den Ländern im Schwarzmeerraum, in Mittelasien und im Nahen Osten geht. Auch ist die Türkei von größter Bedeutung für die Energieversorgungssicherheit Europas, denn die Energieressourcen aus dem Kaspischen Meer und dem Schwarzen Meer gelangen über türkisches Staatsgebiet nach Europa. Außerdem hat die Türkei ein enormes Wirtschaftspotenzial. Sie hat eine dynamische Wirtschaft, einen gewaltigen Binnenmarkt und eine Gesellschaft mit sehr vielen Menschen im erwerbsfähigen Alter. Ich bin zuversichtlich, dass all das künftig zur Entwicklung Europas beitragen wird.
Noch ein weiterer Aspekt des Beitritts der Türkei ist erwähnenswert: Als islamisches Land, das auch EU-Mitgliedstaat ist, wird sie bei der Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Westen und der islamischen Welt eine wichtige Rolle spielen können.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich habe für den Bericht Oomen-Ruijten gestimmt, obwohl er viele Kompromissformulierungen enthält, denn am Anfang steht ein entscheidender Satz, nämlich dass der Verhandlungsprozess ein langer Prozess mit offenem Ausgang ist. Nur deshalb konnte ich zustimmen, denn ich sage ganz klar: Meine Partei, die christlich-soziale Union, war immer protürkisch und ist protürkisch. Wir haben gekämpft und gearbeitet für die Zollunion, die wurde hier im Haus mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Man kann auch sagen, es war damals meine Stimme. Wir haben die Türkei in der NATO und in vielen Punkten unterstützt.
Aber ich sage ganz klar, die Türkei ist kein europäisches Land, und wie die Kollegin Roithová bin ich der Ansicht, dass eine privilegierte Partnerschaft, ein maßgeschneiderter Spezialstatus die richtige Lösung ist. Zu dieser Lösung wird es auch kommen. Wir sollten endlich aufhören, diesen Irrweg eines angeblichen Beitrittes zu gehen. Zu diesem Beitritt wird es nicht kommen und deshalb ist es ehrlicher und für beide Seiten besser, wenn man sich so bald wie möglich zusammensetzt und sich einigt, einen anderen Weg zu gehen, einen Weg der Partnerschaft, in der beide Seiten gleichberechtigt sind, ohne gemeinsame Institutionen, aber mit gemeinsamen Interessen und einer konkret verabredeten Zusammenarbeit.
Albert Deß (PPE-DE). – Herr Präsident! Obwohl in dem Bericht von Ria Oomen-Ruijten viele kritische Punkte gegenüber der Türkei enthalten sind, habe ich dagegen gestimmt, da ich der Meinung bin, dass eine Vollmitgliedschaft der Türkei nicht das Ziel der Beitrittsverhandlungen sein kann. Kollege Posselt hat es angesprochen. Ich bin der Meinung, dass wir schnellstens damit beginnen sollten, der Türkei diese privilegierte Partnerschaft anzubieten. Die Türkei gehört nicht zu Europa, und sie erfüllt auch nicht die Funktion einer Brücke zu den islamischen Staaten.
Im Sudan findet schon seit vielen Jahren eine Verfolgung der Christen in Darfur statt. Die Türkei hätte schon längst die Möglichkeit gehabt, daran mitzuwirken, dass diese Verbrechen an Christen im Sudan beendet werden. Ich habe bis heute nicht gemerkt, dass die Türkei irgendwelche Aktivitäten in diese Richtung unternommen hätte. Deshalb habe ich dagegen gestimmt, weil die Türkei nicht als Vollmitglied zur Europäischen Union gehört.
Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Herr Präsident! Ich habe dem Fortschrittsbericht über die Türkei zugestimmt, obgleich der Weg dieses Landes zur Europäischen Union immer noch mit bestimmten Risiken behaftet ist.
Dabei habe ich mich davon leiten lassen, dass der Bericht Formulierungen enthält, die auf den Schutz der Menschenrechte, den Schutz der Rechte der Frauen in zwei wesentlichen Bereichen gerichtet ist: die reproduktiven Rechte und die Chancengleichheit, insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu Bildung.
Zweitens verweise ich auf die im Bericht geforderten Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Nachbarschaftspolitik. Die noch ungeklärten Fragen in den Beziehungen mit den Nachbarländern müssen gelöst werden, dazu gehört das Problem der bulgarischen Flüchtlinge aus Thrakien. Das ist auch eine Frage der fundamentalen Menschenrechte, deren Bedeutung über reine Eigentums- und finanzielle Aspekte hinausgeht. Von besonderer Signifikanz ist die moralische Wertung. Wir möchten jedoch nicht nur auf die Vergangenheit verweisen, vielmehr wünschen wir uns für die Zukunft konkrete Maßnahmen wie die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen unseren beiden Ländern. Aus diesem Grund habe ich den Bericht unterstützt.
Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung
− Tagungskalender des Europäischen Parlaments – 2009
Glyn Ford (PSE), schriftlich. − Ich habe alle Änderungen am Tagungskalender unterstützt, die unsere Zeit in Straßburg verkürzen und unsere Zeit in Brüssel verlängern. Die momentane Situation ist grotesk. Wir pendeln zwischen Brüssel und Straßburg hin und her und vergeuden dabei enorm viel Geld und Zeit. Wir sollten uns an nur einem Ort versammeln.
Dennoch weise ich Herrn Stevensons Beschwerde bezüglich der aktuellen Streiks im Verkehrswesen zurück. Wir erkennen das Recht auf Streik an und unterstützen es. Unsere Einwände gegen Straßburg haben nichts damit zu tun, dass wir gegen die Ausübung der Arbeiterrechte in Frankreich wären, sondern richten sich gegen die mit unseren derzeitigen institutionellen Abläufen verbundene Verschwendung.
Ich habe gegen die Ausnahmeregelung für den orthodoxen Ostermontag gestimmt, wenn nichts Entsprechendes bezüglich des 14. Juli vereinbart wird. Weltliche Feste verdienen dieselbe Behandlung wie religiöse Feiertage.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Wir wollen eigentlich, dass alle Sitzungen des Europäischen Parlaments in Brüssel stattfinden und der Wanderzirkus zwischen Brüssel und Straßburg schnellstmöglich beendet wird.
Darum haben wir für die Vorschläge gestimmt, die Montagssitzungen und Donnerstagnachmittagssitzungen in Straßburg einzustellen, in der Hoffnung, dass die Straßburg-Sitzungen vollständig auslaufen werden.
Das Europäische Parlament sollte einen einzigen Sitz und einen einzigen Arbeitsort haben. Es ist bedauerlich, dass es Mitgliedstaaten gibt, deren politische Führung sich als starke Verfechter der europäischen Idee ausgibt, aber keinen Millimeter weicht, wenn es um ihre nationalen Interessen geht.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Generell stimme ich allem zu, was zum Plenartagungskalender 2009 vorgeschlagen wird. Dennoch glaube ich nicht, dass Änderungen, die eine verlängerte Anwesenheit in Straßburg erfordern, zu einer effizienten Arbeitsweise des Parlaments beitragen würden. Eigentlich wäre es ein Gebot der Effizienz und der Logik, nur einen einzigen Parlamentssitz in Brüssel zu unterhalten. Meine Ansicht zu diesem Thema habe ich in meinem Abstimmungsverhalten zum Ausdruck gebracht.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir begrüßen, dass die ökologischen und sozialen Probleme, die sich aus der Schließung der Quecksilberminen in der Gemeinschaft ergeben, zur Kenntnis genommen wurden. Wir begrüßen ferner, dass anerkannt wurde, dass die Unterstützung von Projekten und anderen Initiativen aus dem verfügbaren Finanzierungsmechanismus fortgesetzt werden sollte, damit die betroffenen Gebiete zu tragfähigen Lösungen in Bezug auf die Umweltgegebenheiten, die Beschäftigung und die Wirtschaftstätigkeit vor Ort kommen.
Ferner wurde vereinbart, dass der Antragsteller verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen in Form einer finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas anderem Gleichwertigen zu treffen, um zu gewährleisten, dass die Auflagen (auch hinsichtlich der Nachsorge), die mit der erteilten Genehmigung verbunden sind, erfüllt und die vorgeschriebenen Stilllegungsverfahren eingehalten werden.
Gleichfalls vereinbart wurde, dass Unternehmen, die Quecksilber bei der Reinigung von Erdgas oder als Nebenprodukt der Förderung von Nichteisenmetallen und aus Verhüttungstätigkeiten gewinnen, der Kommission und den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten die einschlägigen Daten ebenfalls zur Verfügung stellen sollten. Die Kommission sollte diese Angaben veröffentlichen.
Unserer Auffassung nach ist es auch richtig, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die technische Hilfe für Entwicklungsländer und Länder mit im Übergang befindlichen Wirtschaftssystemen fördern, wobei dies insbesondere für Hilfsmaßnahmen gilt, mit denen die Umstellung auf alternative quecksilberfreie Technologien und letztlich die schrittweise Einstellung der Verwendung und Freisetzung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen erleichtert werden.
Françoise Grossetête (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, der darauf abzielt, das Ausfuhrverbot für Quecksilber auf den 15. März 2011 vorzuverlegen, also drei Monate vor dem vom Rat vorgeschlagenen Termin. Quecksilber kann aus Abfällen (zum Beispiel Leuchtstoffröhren, Batterien), bei der Reinigung von Erdgas oder auch der industriellen Verarbeitung von Nichteisenmetallen zurückgewonnen werden.
Ich freue mich, dass sich dieses Verbot außer auf metallisches Quecksilber auch auf quecksilberhaltige Erzeugnisse erstreckt, die in der Europäischen Union weder verkauft noch vertrieben werden dürfen, nämlich Zinnobererz oder Quecksilberverbindungen.
Es ist ganz wichtig, dass die in Forschung und Entwicklung, in der Medizin oder in der Analyse verwendeten Quecksilberverbindungen von dem Verbot ausgenommen sind, wie in dem Bericht unterstrichen wird.
Es muss, wie in dem Bericht und vom Rat vorgeschlagen, eine sichere Lagerung gewährleistet sein. Quecksilberabfälle, die vor ihrer Verarbeitung zeitweilig, länger als ein Jahr gelagert werden, müssen in Gesteinsformationen in großer Tiefe oder in Übertageanlagen so gelagert werden, dass sie für die menschliche Gesundheit und die Umwelt keine Gefahr darstellen.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Im Allgemeinen unterstütze ich den Bericht von Dimitrios Papadimoulis über das Verbot der Ausfuhr und die sichere Lagerung von metallischem Quecksilber. Eine Vorverlegung des Ausfuhrverbots auf 2010 würde eine bessere Übereinstimmung mit der Gesamtstrategie der EU bezüglich Quecksilber ermöglichen. Ich befürworte auch, das Ausfuhrverbot auf noch weitere Formen von Quecksilber auszudehnen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass vor dem Inkrafttreten des Verbots weitere Untersuchungen zu Möglichkeiten der sicheren Beseitigung von Quecksilber notwendig sind. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Hat die Scheinheiligkeit denn keine Grenzen? Aufgrund der hohen Toxizität von Quecksilber und der daraus resultierenden Gefahren für die Volksgesundheit schlägt die Europäische Kommission zu Recht ein Verbot der Verwendung von Quecksilber und die Schaffung geeigneter Infrastrukturen für seine Lagerung vor. Trotzdem besteht die Kommission darauf, im Interesse des Energiesparens Leuchtstofflampen zu fördern, obwohl ihr bekannt ist, dass jede einzelne wenigstens 5 mg Quecksilber enthält, was angesichts der Zahl an Lampen in jedem Haushalt und an jedem Arbeitsplatz eine besonders gefährliche Menge darstellt.
Der Profit steht über allem. Die Investitionen und Profite der Monopole sind selbst dann zu verteidigen, wenn die Volksgesundheit nachweislich Schaden nimmt. Die EU verbietet die Verwendung von Quecksilber, aber sie erlaubt den Unternehmen, quecksilberhaltige Gratis-Lampen anzubieten, um ihren Absatz zu fördern.
Die Verantwortung für die Volksgesundheit wird den Unternehmen übertragen. Diese haben die Abfallsammlung durchzuführen, obwohl bekannt ist, dass der Abfall auf Deponien und in Mülltonnen landet, was die gesamte Gesellschaft – und nicht nur jene, die die Lampen verwenden – dem Risiko der Kontamination aussetzt. Aus diesem Grund dürfen sie auch auf allgemeinen Müllkippen entsorgt werden. Damit es gar nicht erst zu absatzschädigenden Protesten kommt, werden nicht einmal elementare Maßnahmen ergriffen, um die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, welche Gefahren bestehen, wenn der Inhalt der Lampen austritt.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Quecksilber ist eines der stärksten Umweltgifte. Unter normalen Umständen ist dieses Metall flüssig, sein Dampf weist eine hohe Komprimierbarkeit auf. Es ist nicht biologisch abbaubar und bleibt daher sehr lange in der Umwelt. Quecksilber reichert sich in den Nahrungsketten an und kann in signifikanter Konzentration in den menschlichen Körper gelangen.
Quecksilber wurde in der Industrie verwendet, weil es ein Metall mit besonderen Eigenschaften ist und kostengünstig gewonnen werden kann. Es ist offenbar schwer, Energiesparlampen ohne Quecksilber herzustellen. Jedoch sollten effiziente Systeme zur Sammlung solcher Abfälle und eine sichere Technologie zu ihrer Wiederverwendung entwickelt werden, um eine weitere Schädigung der natürlichen Umwelt zu verhindern.
Einer der schlimmsten Fälle von Vergiftung durch Quecksilberverbindungen fand zwischen 1953 und 1960 in Japan statt. Dort kam es zu einer Massenerkrankung unter den Einwohnern in der Bucht von Minamata, die Symptome von Nervenschädigungen aufwiesen, die häufig zum Tode führten.
Die Europäische Union sollte alles für eine sichere Lagerung von Quecksilber tun. Die Ausfuhr metallischen Quecksilbers sollte verboten werden.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines geschätzten deutschen Kollegen Hartmut Nassauer über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt gestimmt, der in der ersten Lesung des Mitentscheidungsverfahrens verfasst wurde. Ich unterstütze die Position, diesen Mechanismus wieder in den streng abgegrenzten Bereich des Gemeinschaftsrechts einzuordnen, indem die Gültigkeit der Richtlinie ausschließlich auf Verstöße gegen das gemeinschaftliche Umweltrecht beschränkt wird und es somit den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, im Falle eines Verstoßes gegen das einschlägige Recht die entsprechenden Sanktionen festzulegen. Dieser vernünftige Ansatz folgt der Position des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, derzufolge die EU nur im Falle eines „echten Bedarfs“ zur Anwendung von Strafmaßnahmen befugt ist, wenn es also um die gemeinschaftliche Verkehrs- und Umweltpolitik geht. Es darauf hingewiesen, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, strafrechtliche Sanktionen für schwere Verstöße gegen die Umweltschutzvorschriften der Gemeinschaft in ihr einzelstaatliches Recht aufzunehmen. Sie schafft keine Verpflichtungen hinsichtlich der Durchführung dieser Sanktionen in Einzelfällen.
Hanne Dahl (IND/DEM), schriftlich. − (EN) In Anbetracht des grenzüberschreitenden Charakters der Umweltkriminalität sind wir der Meinung, dass eine festgelegte Gruppe von Mindeststandards und -sanktionen bezüglich der Umweltkriminalität auf internationaler Ebene ein nützliches Instrument zur Beibehaltung einer umfassenden und wirksamen Strategie zum Schutz der Umwelt wäre. Dennoch fällt es unserer Ansicht nach nicht in die Zuständigkeit der EU, in Angelegenheiten des 1. Pfeilers strafrechtliche Maßnahmen festzusetzen. Daher habe ich heute gegen den Bericht gestimmt.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wichtig ist die Feststellung des Berichterstatters, dass laut Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2007 (C-440/05) das Strafrecht und das Strafprozessrecht nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen und sie somit Art und Maß der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen nicht bestimmen kann. Daher wurden Änderungen an dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission, der so nicht annehmbar war, vorgenommen.
Wichtig ist auch, dass Rat und Kommission die vorgeschlagenen Änderungen akzeptiert haben. Sie beharren jedoch darauf, dass der gemeinschaftliche Gesetzgeber den Mitgliedstaaten vorschreiben kann, Sanktionen dieser Art vorzusehen um sicherzustellen, dass die Gesetze, die er auf einem bestimmten Gebiet erlässt, ihre volle Wirksamkeit entfalten.
Da die Rolle der Mitgliedstaaten in dem ganzen Prozess nicht ausreichend klargestellt wurde, haben wir beschlossen, uns bei der abschließenden Abstimmung der Stimme zu enthalten.
Neena Gill (PSE), schriftlich. − (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, da er die strafrechtliche Verfolgung schwerer Umweltstraftaten ermöglicht. Die Mitgliedstaaten müssen sich für den Umweltschutz stark machen und die strikte Anwendung dieser Richtlinie sicherstellen.
Ich stimme insbesondere dafür, einen Anhang in die Richtlinie aufzunehmen, aus dem ersichtlich wird, welche Rechtsakte Bestimmungen mit Bezug auf strafrechtliche Maßnahmen enthalten. Ein solcher Anhang ist unbedingt erforderlich, um größere Rechtssicherheit darüber zu erhalten, gegen welche Rechtsakte der Gemeinschaft verstoßen wurde. Er sollte sowohl die existierenden Rechtsakte abdecken, bezüglich derer nach der vorliegenden Richtlinie strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können, als auch die Einbeziehung zukünftiger Rechtsakte ermöglichen.
Darüber hinaus würde ein solcher Anhang gewährleisten, dass die Richtlinie sich nur auf die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts und die Umsetzung einzelstaatlichen Rechts beschränkt und keine Auswirkungen auf rein einzelstaatliche Gesetze hat.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Wir sind dabei, ein gemeinsames Strafrecht in der Europäischen Union anzunehmen, das die Mitgliedstaaten ihres souveränen und ausschließlichen Rechts beraubt, unabhängig zu entscheiden, welche Verhaltensweisen für sie eine Straftat darstellen, das ihnen aber auch die Möglichkeit nimmt, die Berechtigung und die Grenzen strafrechtlicher Sanktionen zu bestimmen.
In einem eindruckvollen Machtspiel hat sich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit seiner Entscheidung vom 13. September 2005 in der Rechtssache „Umweltschutz“ das Recht auf Einmischung in das Strafrecht der Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Umweltrecht eingeräumt.
Heute, in einer ganz neuen Phase, geht es darum, ein abgestimmtes Paket von Verstößen festzulegen, die in allen Mitgliedstaaten strafrechtlich verfolgt werden, wie auch darum, diese strafrechtlichen Sanktionen bei Umweltstraftaten zu harmonisieren.
Der Gerichtshof hat die Macht übernommen und sie der Kommission übertragen, und zwar unter Missachtung der Länder, der Länderverfassungen, der Parlamente und der ordnungsgemäßen Anwendung des Rechts.
Als Verfechter der Souveränität und Verteidiger der Freiheiten und des Rechts der Länder auf Selbstbestimmung lehnen wir diese Methoden ab.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht Nassauer über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt gestimmt. Während das materielle Strafrecht Sache der Mitgliedstaaten ist und auch bleiben sollte, ist es ebenso klar, dass ein Bereich wie der Umweltschutz am besten auf EU-Ebene koordiniert werden kann. Ich bin davon überzeugt, dass das Kompromisspaket es der EU gestatten wird, eine führende Rolle beim Umweltschutz bei gleichzeitiger Achtung der Integrität einzelstaatlicher Rechtssysteme zu übernehmen.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die vorgeschlagene Richtlinie bereitet den Weg für die Durchsetzung eines einheitlichen EU-Strafrechts in den Mitgliedstaaten. Sie bedient sich des Umweltschutzes und der Besorgnis der Arbeitnehmer über Umweltfragen, um die Einführung eines gemeinsamen EU-Strafrechts voranzubringen. Sie setzt sogar die bisher in Strafsachen gültige Regel der Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten außer Kraft und schafft gemeinschaftlichen Besitzstand, indem sie der EU das Recht und die Macht verleiht, in allen ihr erforderlich scheinenden Fällen strafrechtliche Sanktionen zu erlassen und anzuwenden. Letztlich werden bestimmte Vorschriften des europäischen Verfassungsvertrags wieder eingeführt und von nun an unter dem neuen Namen „Lissabon-Vertrag“ angewandt, noch bevor dieser ratifiziert, geschweige denn in Kraft getreten ist. Dies ist eine gefährliche Entwicklung zu Lasten der Völker Europas.
Die EU zu ermächtigen, ohne einhellige Zustimmung der Mitgliedstaaten ein einheitliches Strafrecht einzuführen, entspricht der Aufhebung eines der souveränen Grundrechte der Nationen: zu entscheiden, welche Handlungen einen Straftatbestand darstellen, und Art und Ausmaß der Strafe festzulegen. Damit ist der Vorrang des Gemeinschaftsrechts über nationale Rechtsvorschriften und selbst nationale Verfassungsbestimmungen gegeben. Das Ziel besteht darin, den Völkern Europas den zum Gesetz erhobenen Willen des europäischen Monopolkapitals unmittelbar aufzuzwingen. Zugleich werden die persönlichen Rechte und demokratischen Freiheiten der Völker drastisch beschnitten.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. – (PL) Es ist unser aller Pflicht, etwas für unsere Umwelt zu tun. Aber die Welt entledigt sich dieser Pflicht mehr schlecht als recht. Wir neigen dazu, ihre Bedeutung gering zu achten und diese Aufgabe auf später zu verschieben.
1998 fasste der Europäische Rat den Beschluss, dass die Umwelt strafrechtlich geschützt werden muss. Die Annahme der neuen Richtlinie bedeutet, dass die Straftatbestände jetzt in allen Ländern klar definiert sind. Ich halte es auch für notwendig, die Verantwortung der Hersteller, Exporteure, Importeure und Transportunternehmer für die von ihnen gelieferten Waren und die von ihnen erbrachten Dienstleistungen zu betonen, um sicherzustellen, dass es keine Lücken oder Möglichkeiten gibt, sich seiner Verantwortung zu entziehen.
Es werden aber auch Mittel benötigt, zum Beispiel um für die notwendigen Ausrüstungen und die erforderliche Ausbildung von Personal zu sorgen, damit die neue Regelung ordnungsgemäß umgesetzt und die Zahl der Umweltvergehen gesenkt werden kann. Ich bin der Auffassung, dass dafür Mittel aus dem Haushalt der Europäischen Union bereitgestellt werden sollten – zumindest für die neuen Mitgliedstaaten, die mehr und schneller handeln müssen.
Nur wenn alle Mitgliedstaaten solidarisch handeln, wird es möglich sein, die gesetzten Ziele zu erreichen. Ohne diese Solidarität werden sich regionale Unterschiede nur noch stärker ausprägen.
Bogusław Sonik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Ich habe für den Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (KOM(2007)0051) gestimmt, weil die Einführung neuer gesetzlicher Bestimmungen und die Schaffung einer gemeinsamen Liste von Umweltstraftatbeständen für die ganze Gemeinschaft eine wirksamere Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften sichern werden.
Es wurden zwar in allen Mitgliedstaaten die gleichen Bestimmungen eingeführt, aber bei der Umsetzung gibt es erhebliche Unterschiede. Das ermutigt zu unerwünschten Verhaltensweisen, indem verantwortungslose Unternehmer ihre Wirtschaftstätigkeit in Länder verlagern, in denen Umweltstraftaten weniger hart bestraft werden. Dies gilt insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten der Union. Dabei muss hervorgehoben werden, dass die im Rahmen krimineller Organisationen begangenen Straftaten immer mehr an Gewicht gewinnen und Umweltstraftaten zunehmend grenzüberschreitend begangen werden.
Ich stimme dem Berichterstatter zu, dass der in dem Richtlinienvorschlag festgelegte Rechtsrahmen ein wichtiger Beitrag ist, um wirksamen Umweltschutz sicherzustellen und eine einheitliche und faire Durchsetzung und Durchführung der Bestimmungen in der ganzen Gemeinschaft zu gewährleisten. Entsprechend ausgebildete Mitarbeiter sind ein absolutes Muss für die wirksame Umsetzung der Gesetze und wirkliche Verringerung von Umweltstraftaten. Der Vorschlag, die Pflichten der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet klarzustellen, war daher richtig. Die Annahme einer Reihe von Umweltstraftatbeständen und von damit verbundenen Strafen wird ein sehr nützliches Instrument für die gemeinsame Umsetzung des Umweltschutzrechts in der Europäischen Union sein.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines ungarischen Kollegen Gábor Harangozo über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Betriebsstrukturerhebungen und die Erhebung über landwirtschaftliche Produktionsmethoden gestimmt, mit dem in erster Lesung des Mitentscheidungsverfahrens der Vorschlag abgeändert wurde. Ich unterstütze den Gedanken einer Ausnahmeregelung für Mitgliedstaaten, die die Betriebsstrukturerhebung aufgrund der zehnjährlichen Volkszählung 2011 lieber 2009 als 2010 durchführen möchten. Desgleichen befürworte ich alle vorgesehenen Vereinfachungen.
Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Der Vorschlag für eine Verordnung entspricht dem neuen politischen Ansatz der Kommission für eine Vereinfachung der Gesetzgebung und eine bessere Regulierung.
Der Vorschlag der Kommission, der darauf abzielt, durch eine Verringerung der Zahl der internen Inspektionen die Verfahren zu vereinfachen und gleichzeitig das durch die bisherige Gesetzgebung vorgeschriebene Maß an Strenge bei der Durchführung der Strukturerhebungen über die Pflanzen- und Tierproduktion, die landwirtschaftlichen Arbeiten und die eingesetzte Technik beizubehalten, hat meine Zustimmung.
Außerdem führt der Vorschlag im Sinne der Vereinfachung nur eine neue Art von Inspektion ein und verlangt in keiner Weise von den Mitgliedstaaten, dass sie ihr administratives System ändern.
Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. − (PT) Da Agrarbeihilfen öffentliche Mittel sind, muss unbedingt sichergestellt werden, dass sie auf der Grundlage objektiver Kriterien gerecht verteilt werden. Wir stimmen daher zu, dass Erhebungen notwendig sind, um die Bedingungen in den Landwirtschaftsbetrieben zu bestimmen. Die Anwendung dieser Prinzipien darf jedoch nicht bedeuten, dass den Landwirten, insbesondere denen, die kleine oder mittlere Betriebe bewirtschaften und die nur über geringe oder über keine Ressourcen verfügen, zusätzliche bürokratische Lasten aufgebürdet werden. Ebenso wenig darf sie dazu führen, dass Landwirte aufgrund technischer oder anderer Fehler, von denen sie nichts wissen, nicht die Hilfe erhalten, auf die sie Anspruch haben, wie dies in Portugal bei der Satellitenortung und -identifizierung zuweilen passiert ist.
Wir begrüßen deshalb, dass der Bericht anerkennt, dass es in vielen Mitgliedstaaten erhebliche methodologische und technische Schwierigkeiten gibt, und auch, dass er die Notwendigkeit hervorhebt, dass die Kommission ihnen die notwendige technische Unterstützung und Beratung in Bezug auf die Satellitenortung landwirtschaftlicher Betriebe gewährt. In diesem Zusammenhang möchten wir nochmals auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zu den bei der Satellitenortung gesammelten Daten und deren Verwendung allein für die vorgesehenen Zwecke ermöglichen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meiner rumänischen Kollegin Silvia-Adriana Ţicău über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers gestimmt.
Die vorherige Richtlinie 96/26/CE über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers und die dazugehörigen vier Verordnungen über den Zugang zum Kraftverkehrsmarkt einschließlich der Deregulierung der Preise im internationalen Straßentransport, die einige Jahre zuvor verabschiedet wurden, haben den Binnenmarkt für den Straßengüterverkehr geprägt, jedoch nur ein Minimum an Qualität im Straßentransport gewährleistet, während die Öffnung des Marktes auf der Grundlage der Verordnungen zu mehr Wettbewerb geführt hat.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Maßnahmen falsch oder unterschiedlich angewandt werden, da sie nicht eindeutig oder unvollständig sind bzw. der Entwicklung des Sektors nicht mehr Rechnung tragen. Die Kontrolle und Überwachung der Unternehmen wird von den Mitgliedstaaten nach wie vor unterschiedlich gehandhabt, wobei es im Hinblick auf die berufliche Qualifikation und die Solvenz gravierende Unterschiede gibt. Daher bestand dringender Bedarf an einer gesetzlichen Regelung zur Festlegung entsprechender Anforderungen in Bezug auf Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung sowie zur gegenseitigen Anerkennung der für die Berufszulassung erforderlichen Dokumente.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Neben der Kritik an einigen Aspekten dieses Verordnungsvorschlags sollte man dessen Inhalt nicht bewerten, ohne die „Rolle“ zu berücksichtigen, die er bei der wachsenden Liberalisierung des internationalen Güter- und Personenkraftverkehrs spielt, die von der Europäischen Kommission und den Organen der Europäischen Union mit Mitentscheidungsbefugnis, also vom Europäischen Parlament und vom Rat, vorangetrieben wird.
In der Tat lautet ein zentraler Gedanke im Vorschlag der Europäischen Kommission wie folgt: „Die Richtlinie 96/26/EG über den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und die vier Verordnungen über den Zugang zum Kraftverkehrsmarkt haben in Verbindung mit der einige Jahre zuvor erfolgten Preisregulierung im grenzüberschreitenden Kraftverkehr den Kraftverkehrsbinnenmarkt maßgeblich geprägt“. Mit anderen Worten, es wurden „gemeinsame Regeln für den Zugang zum Beruf“ festgelegt, „während die durch die Verordnungen besorgte Marktöffnung zu mehr Wettbewerb geführt hat“.
Wie wir auch zum Vorschlag für eine Verordnung über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs erklärt haben, zielt dieser Vorschlag auf eine stärkere Liberalisierung des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs ab, indem der Wettbewerb zwischen den Unternehmen in einem Sektor gefördert werden soll, in dem den Mitarbeitern das Wasser wegen der hohen Kosten schon jetzt bis zum Hals steht.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Eine Harmonisierung der diesbezüglichen bisherigen Regelungen ist wichtig, um den Kraftverkehr in der Europäischen Union zu optimieren. Zudem ist eine Verordnung in diesem Kontext zielführender als eine Richtlinie.
Die Regelungen zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers müssen dabei genau festgelegten Kriterien entsprechen, um ein höchstmögliches Maß an Sicherheit auf den Straßen zu erreichen. Diese enthalten sowohl die Voraussetzungen als auch die Sanktionsmaßnahmen.
Zentral ist die Überwachung und Überprüfung von Daten, wobei der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet sein muss. Eine Vernetzung der einzelstaatlichen elektronischen Register, welche die Daten enthalten, ist überaus wichtig, um den Nutzen der Verordnung zu sichern, indem eine Vergleichbarkeit der Daten möglich ist.
Ich lehne Änderungsantrag 7 und 102, welcher auf eine Verschlechterung der 6-Tage-Regelung abzielt, entschieden ab. Eine Wiedereinführung der bereits abgelehnten 12-Tage-Regelung kann sinngemäß nicht Inhalt dieses Berichtes sein.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Der Bericht von Frau Ţicău reiht sich ein in ein Maßnahmenpaket, das zusammen mit zwei weiteren Berichten darauf abzielt, die Straßenverkehrstätigkeit zu regulieren.
Diese Tätigkeit ist für den Europäischen Wirtschaftsraum von höchster Bedeutung, da sie den offenen und wettbewerbsfähigen Markt ermöglicht, auf den wir heute so stolz sind.
Diesem neuen Vorschlag zufolge müssen die Unternehmen einen Verkehrsleiter mit zertifizierter Ausbildung einstellen, der für die Leitung der Verkehrstätigkeit des Unternehmens verantwortlich ist. Die bereits festgelegten Bedingungen für den Zugang zum Beruf, vor allem Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung, werden beibehalten.
Durch diese Neufassung sollen die bestehenden Vorschriften verständlicher und – was die Sicherheit und Effizienz bei dieser Art von Unternehmenstätigkeit betrifft – anspruchsvoller werden.
Deshalb begrüße ich die Arbeit der Berichterstatterin zur Erhöhung der Verantwortung in Bezug auf die Sicherheit und Leistungsgarantien in diesem Sektor und auch die Maßnahmen in Bezug auf die fachliche Eignung, die eine qualifizierte Ausbildung und die gegenseitige Anerkennung von Bescheinigungen und anderen Dokumenten beinhalten.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines geschätzten Kollegen Mathieu Grosch über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs gestimmt, mit dem die Vorschriften für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs und zum Kabotagemarkt, für die derzeit die vorhergehenden Verordnungen und Richtlinien gelten, zusammengefasst werden sollen. Im Binnenmarkt ist der grenzüberschreitende Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vollständig liberalisiert, für die Kabotage bestehen jedoch weiterhin gewisse Beschränkungen. Ich begrüße diese Präzisierungen und Vereinfachungen wie auch die Stärkung des Sanktionsrahmens für Straftaten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem Niederlassungsmitgliedstaat verübt werden.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Dies ist nur ein weiterer Schritt (und neues Instrument) zu einer stärkeren Liberalisierung des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs, indem der Wettbewerb zwischen den Unternehmern in einem Sektor gefördert werden soll, in dem den Mitarbeitern das Wasser wegen der hohen Kosten schon jetzt bis zum Hals steht.
Unter anderem geht es darum, Mittel und Wege zu finden, um die Freigabe der „Kabotage“-Fahrten im Güterkraftverkehr zu erleichtern – mit anderen Worten, die Durchführung von bis zu drei Beförderungen innerhalb von sieben Tagen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung – und dies auf einem Markt, der schon so stark liberalisiert ist, dass dies tief greifende Auswirkungen auf die finanzielle Bilanz und das Überleben der nationalen Unternehmer haben wird.
Diese Entscheidung wird für die Arbeitnehmer im Straßengüterverkehr negative Folgen haben. Das sieht man zum Beispiel an dem von diesem Haus mehrheitlich unterstützten Vorschlag, die Bezugnahme auf die „Arbeitszeit“ zu streichen und nur noch von „Lenkzeit“ und „Ruhezeiten“ zu sprechen, was nichts anderes bedeutet, als dass längere Arbeitszeiten ermöglicht werden. Die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit am Arbeitsplatz werden darunter leiden. Und wenn wir an die jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofes denken, dann wird auch die Bezugnahme auf die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern die Rechte vieler Arbeitnehmer in diesem Sektor nicht schützen.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich habe für die Annahme des Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (Neufassung) (KOM(2007)0265 – C6-0146/2007 – 2007/0099 (COD)) gestimmt.
Ich stimme dem Berichterstatter zu, dass die Annahme des Vorschlags der Kommission dazu führt, die für den Güterkraftverkehr geltenden Regelungen einfacher und klarer zu gestalten.
Ich unterstütze den Bericht von Mathieu Grosch, der darauf abzielt, benachbarten Mitgliedstaaten Möglichkeiten zur weiteren Öffnung ihrer Märkte für die Kabotage zu geben.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für den Bericht über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt von Mathieu Grosch. Durch eine Zusammenlegung der derzeitigen Verordnungen und der Richtlinie 2006/94/EG wird der Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt vereinfacht und verbessert.
Ich schließe mich dem Berichterstatter an, dass die Beschränkungen für Kabotagebeförderungen gelockert und dem grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr im Binnenmarkt angepasst werden müssen. Dafür ist eine klare Definition von Kabotage wichtig, um eine einheitliche Vorgangsweise zu gewährleisten.
Zwar sollen Leerfahrten im Sinne der Umwelt und der Effizienz vermieden werden und eine Kabotage unter den im Bericht genannten Einschränkungen ist auch auf dem Rückweg zu unterstützen, jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dies gleichzeitig auch eine Schwächung der Bahn bedeutet.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Wir stimmen gegen den Bericht über den Zugang zum Güterkraftverkehr. Er liberalisiert den gemeinschaftlichen Markt für den Güterkraftverkehr und öffnet das nationale Transportwesen für internationale Speditionsunternehmen. Damit wird der internationale und inländische Güter- und Personenverkehr den Monopolen ausgeliefert. Die Folgen für die kleinen und mittleren Speditionsunternehmen und vor allem für die Arbeitnehmer und Fahrer, die von den Monopolgruppen noch schärfer ausgebeutet werden, sind verheerend.
Der Vorschlag des Europäischen Parlaments folgt einem noch reaktionäreren Kurs als der der Kommission. Er schiebt sogar die vorgeschlagenen Mindestanforderungen beiseite und verlangt die uneingeschränkte Liberalisierung des internationalen und inländischen Speditionsmarktes.
Die Möglichkeit unbegrenzter Belade- und Umladevorgänge innerhalb der Mitgliedstaaten und unbegrenzte Einsatzzeiten für Fahrzeuge und Personal in anderen Mitgliedstaaten nach rein internationalen Transporten zielen darauf ab, die Arbeitskosten zu verringern. Der lohn-, arbeits- und versicherungsrechtliche Schutz der Werktätigen im internationalen Transportwesen wird mit Füßen getreten, und die Konzentration in den Händen großer multinationaler Konzerne, die die Branche ungehemmt ausbeuten und die Qualität der Dienstleistungen verschlechtern werden, wird unterstützt.
Die Klassenbewegung der Werktätigen muss durch Ungehorsam gegenüber der arbeiter- und volksfeindlichen Politik der EU energisch Widerstand leisten.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Dieser Vorschlag ist Teil eines Maßnahmenpakets im Straßenverkehrssektor. Bei diesem Vorschlag geht es speziell darum, die Kohärenz der Gemeinschaftsvorschriften im Bereich des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs zu verbessern, indem zwei bestehende Verordnungen verschmolzen werden. Auf diese Weise soll für mehr Effizienz bei der Anwendung der Bestimmungen gesorgt und die Anwendung des Kabotagekonzepts klargestellt und erleichtert werden. Ferner werden Maßnahmen zur Vereinfachung und Standardisierung der Gemeinschaftslizenz und der Fahrerbescheinigung festgelegt, um die Verwaltungskosten und -fristen zu reduzieren, insbesondere bei Straßenkontrollen.
Außerdem werden die Mitgliedstaaten in der Lage sein, ihre Kommunikationssysteme zu verbessern, was bei der Meldung von Straftaten eines Kraftverkehrsunternehmers an den Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, hilfreich sein wird. Ich halte diesen Text für enorm wichtig für die Entwicklung dieses Sektors im europäischen Markt und glaube, dass er ihm die Effizienz, Regulierung und Struktur geben wird, die ein offener, regulierter und gerechter Markt braucht.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meiner britischen Kollegin Fiona Hall gestimmt, die eine ausgezeichnete Arbeit geleistet und in erster Lesung des Verfahrens der Mitentscheidung den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Auswahl und Genehmigung von Systemen, die Satellitenmobilfunkdienste (Satellitenmobilfunkdienste) erbringen, abgeändert hat. Als Berichterstatter für meine Fraktion, die PPE-DE-Fraktion, habe ich mich für eine optimale geografische Abdeckung der Dienste auf dem Gebiet der Europäischen Union eingesetzt. Ich freue mich, dass ich dazu beitragen konnte durchzusetzen, dass die Anträge eine Verpflichtungserklärung umfassen müssen, wonach das vorgeschlagene System ab dem Beginn des Satellitenmobilfunkdienstes einen Dienst in mindestens 60 % der Gesamtfläche der Mitgliedstaaten erbringt. Außerdem muss der vorgeschlagene Dienst zu dem vom Antragsteller angegebenen Zeitpunkt, spätestens jedoch sieben Jahre nach Veröffentlichung des Textes in allen Mitgliedstaaten für mindestens 50 % der Bevölkerung und auf mindestens 60 % der Gesamtfläche jedes Mitgliedstaats verfügbar sein.
Schließlich müssen die Anträge eine Verpflichtungserklärung des Antragstellers umfassen, wonach er zulässt, dass das geplante Satellitenmobilfunksystem für Dienste des Schutzes der Öffentlichkeit und des Katastrophenschutzes verfügbar gemacht wird.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) In diesem Bericht sind positive Punkte enthalten, die wir begrüßen, darunter die Feststellung, dass es zur Überwindung der digitalen Kluft wichtig ist, dass Satellitenmobilfunkdienste Gebiete außerhalb der wichtigen Großstadtgebiete der Mitgliedstaaten abdecken und eine möglichst hohe Dienstqualität erreichen, und auch das Argument, dass die geografische Abdeckung der geplanten Satellitenmobilfunksysteme ab der Bereitstellung der ersten Dienste ausreichend sein muss, sodass die Abdeckung dieser Systeme größer wird.
Wir können jedoch nicht ignorieren, in welchem Kontext diese Vorschläge gemacht werden: dem der Liberalisierung und Weiterentwicklung des Telekommunikationsbinnenmarktes. Deshalb mussten wir gegen diesen Bericht stimmen.
Ebenso sind wir nicht damit einverstanden, dass die Mitgliedstaaten auf ihr Recht auf Zuteilung von Funkfrequenzen verzichten sollen, weil die großflächige geografische Abdeckung durch Satellitenmobilfunkdienste die Vermeidung von Überlagerungen zwischen den Grenzen schwer macht. In der Tat hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom Februar 2007 den Mitgliedstaaten das Recht auf Genehmigung des Betriebs von Bodenstationen auf ihrem Hoheitsgebiet belassen.
Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) In dem Bericht über die Auswahl und Genehmigung von Systemen, die Satellitenmobilfunkdienste erbringen, geht es um die Bereitstellung eines gemeinsamen europäischen Systems von Satellitenmobilfunkdiensten als wichtigen Faktor zur Stärkung der weiteren Wettbewerbsfähigkeit Europas in den Bereichen Hochtechnologieforschung und Industrie. Der Bericht ist gut und konzentriert sich auf die Verbesserung dieser Arbeit. Allerdings ist die entscheidende Frage des Umfangs der Erbringung dieses Dienstes aus schwedischer Sicht problematisch, da der Kompromiss 60 % der Gesamtfläche der EU vorsieht. Das bedeutet, dass Teile Schwedens nicht abgedeckt werden, was für die Entwicklung von Technik und Forschung negativ ist. Aus diesem Grund habe ich mich der Stimme enthalten.
Dominique Vlasto (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Die Annahme dieser Entscheidung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Stärkung des Binnenmarkts für elektronische Kommunikation.
Das Ziel ist einfach: Es geht darum, allen den Hochgeschwindigkeits-Internetzugang zu ermöglichen sowie mobile multimediale Dienste und Dienste für den Schutz der Öffentlichkeit und den Katastrophenschutz bereitzustellen.
Die eingesetzten Mittel entsprechen insbesondere in Bezug auf den Internetzugang den Erwartungen unserer Mitbürger: Die Bereitstellung des Dienstes für mindestens 50 % der Bevölkerung und auf mindestens 60 % der Fläche jedes Mitgliedstaates ist ein wirksames Instrument zur Überbrückung der digitalen Kluft, das auch in den ländlichen Gebiete genutzt werden kann.
Diese Entscheidung ist umso mehr ein Erfolg, als sie zu einer stärkeren Harmonisierung der Verwaltung des Funkfrequenzspektrums auf europäischer Ebene beiträgt, das – daran muss wohl nicht erinnert werden – eine immer knapper werdende Ressource ist.
Sie ist außerdem von dem Wunsch aller Mitgliedstaaten getragen, die Telekommunikationsbranche mit entsprechenden Instrumenten für den Aufbau eines europäischen Dienstleistungsmarktes auszustatten, der bislang zu sehr zersplittert war.
Schließlich sollen die Satellitenmobilfunkdienste (MSS) ein wirtschaftlicher Erfolg werden und auch zur Förderung der kulturellen Vielfalt und des Medienpluralismus beitragen.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meines deutschen Kollegen Klaus-Heiner Lehne über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung gestimmt, der eine Reaktion auf die Mitteilung der Europäischen Kommission zum selben Thema darstellt.
Wie meine Kolleginnen und Kollegen begrüße ich das allgemeine Ziel der Europäischen Kommission, den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen in Europa zu verringern. Das darf jedoch nicht um den Preis der Rechtsunsicherheit oder von Unklarheiten im Bereich der Rechnungslegung zu einem Zeitpunkt geschehen, da kleine und mittlere Unternehmen beginnen, auf dem Binnenmarkt Fuß zu fassen. Ich freue mich, dass das Parlament den Vorschlag, die in der Mitteilung genannten Schwellenwerte für Kleinstunternehmen zu erhöhen, unterhalb derer diese Unternehmen von der europarechtlichen Verpflichtung zur Rechnungslegung, Jahresabschlussprüfung und Veröffentlichung befreit sind, abgelehnt hat. Ebenso freut es mich, dass das Parlament für einen Änderungsantrag gestimmt hat, den ich im Ausschuss vorgeschlagen hatte, der dort aber nicht angenommen wurde. Darin werden Konsultationen empfohlen, um die Notwendigkeit und Möglichkeit der Schaffung einer europäischen Regulierungsbehörde für Rechnungswesen und Rechnungsprüfung zu erörtern.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den Bericht von Klaus-Heiner Lehne über ein „vereinfachtes Unternehmensumfeld“ gestimmt, weil ich von der Notwendigkeit „neuer“ Reformen in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung überzeugt bin. Das Gesellschaftsrecht wird inzwischen stark und, meiner Meinung nach, positiv durch das europäische Recht beeinflusst. Wir müssen vermeiden, dass dies unnötige und übertriebene bürokratische Verpflichtungen mit sich bringt, und verhindern, dass diese zu den Belastungen, die bereits durch nationale Vorschriften entstehen, hinzukommen.
Diese Reformen müssen darauf abzielen, die Auslegung der geltenden Vorschriften zu vereinfachen und die bürokratischen Lasten und den Verwaltungsaufwand, namentlich im Bereich der Rechnungslegung, zu verringern. Die Vereinfachung wird von großem Nutzen für die Unternehmen sein, insbesondere für die KMU, die normalerweise keine großen Rechts- und Rechnungslegungsabteilungen besitzen. Ich bin davon überzeugt, dass verständliche und leicht anwendbare Regeln vor allem die Befolgung der Vorschriften begünstigen. Zugleich wird durch klare und leicht verständliche Bestimmungen die Schaffung eines positiven, aktiven wirtschaftlichen Umfelds gefördert.
Nach meinem Dafürhalten hat die Arbeit des federführenden Ausschusses und des Berichterstatters, Herrn Lehne, einen fairen Kompromiss zwischen den Erfordernissen der Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes und der Aufstellung eines abgestimmten Vorgehens der Mitgliedstaaten ermöglicht, die sich gemeinsam um die Vereinfachung des Gesellschaftsrechts auf europäischer Ebene bemühen.
Wir müssen es vermeiden, bürokratische Hürden zu errichten, die die Dynamik und das Unternehmertum zügeln, bis sie es schließlich ersticken.
Sharon Bowles (ALDE), schriftlich. − (EN) In Änderungsantrag 11d wird die Streichung von Ziffer 26 gefordert. Ziffer 26 lässt sich in zweifacher Weise auslegen. Einige befürchten, dass darin der Grundsatz „eine Aktie, eine Stimme“(„one share, one vote“) eingefordert wird und haben deswegen für die Streichung dieser Ziffer gestimmt. Ich interpretiere das aber anders. In dem Text ist explizit von „privatautonomen Hindernissen für die Kapitalverkehrsfreiheit“ die Rede, und dabei bezieht man sich auf ein bestimmtes Urteil gegen Volkswagen. Meine Interpretation dieser Ziffer geht dahin, dass die Kommission aufgefordert wird, besondere und extreme protektionistische Aktionen zu unterbinden. Aus diesem Grund habe ich gegen den Änderungsantrag gestimmt und für die Beibehaltung von Ziffer 26, weil hier Stellung bezogen wird gegen Protektionismus.
Sylwester Chruszcz (NI), schriftlich. – (PL) Ich bin für die Vereinfachung der Berichtsverfahren und Kommunikationsmethoden zwischen den öffentlichen Behörden und den Unternehmern. Zurzeit sind die den Unternehmern auferlegten Verfahren unnötig kompliziert und bürokratisch. Der Bericht dient einer besseren Kommunikation und empfiehlt die Einführung des XBRL-Standards. Dabei handelt es sich um einen offenen Standard, der daher auch für die kleinsten Unternehmen ohne weiteres zugänglich ist.
Daher habe ich beschlossen, diesem Bericht zuzustimmen.
Jonathan Evans (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Meine Kollegen von den britischen Konservativen und ich wollen klarstellen, dass wir Ziffer 23 dieses Berichts strikt ablehnen, in der die Schaffung einer „gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ in der EU favorisiert wird.
Wir haben unsere politische Linie zu diesem Thema jedoch bereits bei zahlreichen Gelegenheiten deutlich gemacht; den Tenor des restlichen Berichts, d. h. die Schaffung eines vereinfachten Unternehmensumfelds, unterstützen wir vorbehaltlich der erwähnten Klarstellung.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Der Bericht zielt allgemein auf eine Vereinfachung und Reduzierung der Gemeinschaftsvorschriften ab, da dies insbesondere den KMU zugute kommt. Es stimmt, dass diese Vereinfachung ihre positiven Seiten hat, und in der Regel unterstützen wir Maßnahmen zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts, wenn dadurch Bürokratie abgebaut wird. Wir können jedoch nicht für einen Bericht stimmen, der einerseits für Vereinfachung und andererseits für die Schaffung neuer Gemeinschaftsrechtsrahmen plädiert.
Die folgenden Vorschläge in dem Bericht haben wegen ihrer zweifelhaften und negativen Natur dazu geführt, dass wir uns der Stimme enthielten: Abstimmung zwischen den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten, um die Informationen zu harmonisieren, die von den Unternehmen gefordert werden; Überarbeitung des Statuts der Europäischen Aktiengesellschaft hin zu einer einheitlicheren Gemeinschaftsrechtsform; Schaffung neuer rechtlicher Rahmenbedingungen für Unternehmen; Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, da diese das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft nützlicher und wirksamer machen würde.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE), schriftlich. – (PL) Die Mitteilung der Kommission über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung beinhaltet Maßnahmen, die darauf abzielen, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen in Europa zu verringern und sie in die Lage zu versetzen, effektiv am globalen Wettbewerb teilzunehmen. Die Mitgliedstaaten nutzen die optionalen Entbürokratisierungsmaßnahmen oftmals nicht und satteln auf bestehende EU-Vorgaben sogar nationale, strengere Regeln auf, sodass die laut Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vereinfachungsmöglichkeiten nicht an die Unternehmen weitergegeben werden.
Die Kommission sollte sich daher darauf konzentrieren, die Mitgliedstaaten zu ermuntern, die Untergliederung von Berichtspflichten hinsichtlich Finanzinformationen zu harmonisieren, und sich für den Einsatz neuer Technologien zu verwenden, um die Kosten zu senken. Außerdem würde eine mit der Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage verbundene Lösung das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft nützlicher und wirksamer machen. Zu begrüßen ist auch der Vorschlag, „Kleinstbetriebe“ von der Anwendung der Richtlinien über die Rechnungslegung auszunehmen. In der Praxis bedeutete dies, dass sie von der europarechtlichen Verpflichtung zur Rechnungslegung, Jahresabschlussprüfung und Veröffentlichung befreit würden.
Die vorgeschlagenen Änderungen sind sicher empfehlenswert. Wenn die europäischen Unternehmen auf dem immer anspruchsvolleren globalen Markt Erfolg haben sollen, sind jedoch eine weitere Vereinfachung des Besitzstandes der EU im Bereich des Gesellschaftsrechts und dessen effiziente Umsetzung in den Mitgliedstaaten unabdingbar.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe für Herrn Lehnes Bericht über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld gestimmt. Die EU hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Unternehmen in einem stark wettbewerbsorientierten Umfeld arbeiten können. Dennoch werden Firmen und Mitgliedstaaten derzeit häufig durch übermäßig komplexe Vorschriften behindert. Vorstöße zur Vereinfachung des Geschäftsumfelds sind daher zu begrüßen.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, bin aber der Ansicht, dass wir ein umfangreicheres Maßnahmenpaket zur Gewährleistung eines vereinfachten europäischen Unternehmensumfeldes in die Tat umsetzen müssen.
Insbesondere möchte ich mich die Probleme ansprechen, die bei der Gründung eines Unternehmens auftreten. Eurostat zeigt, dass der Zeitraum, der nötig ist, den verwaltungstechnischen Formalitäten im Zusammenhang mit der Gründung eines Unternehmens gerecht zu werden, in den EU-Mitgliedstaaten zwischen einem Tag und mehreren Monaten variiert. Darüber hinaus nehmen einige Mitgliedstaaten in einem Ranking, das beschreibt, wie einfach Geschäftstätigkeit in verschiedenen Ländern der Welt ist, einen Platz weit unter dem OECD-Durchschnitt ein. Und zu guter Letzt verhindern unterschiedliche Regelungen zum Gesellschaftsrecht in den 27 Mitgliedstaaten den länderübergreifenden Kapitalverkehr und die Gründung neuer Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsland.
Ich glaube, dass diese beiden Faktoren für die Verwirklichung des im Vertrag von Lissabon festgelegten Zieles für das Wirtschaftswachstum unumgänglich sind, und folglich sollten sie von der europäischen Unternehmensgesetzgebung stärker gefördert werden.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Die Europäische Union wird nicht als Raum empfunden, in dem die Bestimmungen zur Unternehmensführung besonders unkompliziert und daher leicht anwendbar wären. In der Tat herrscht der allgemeine Eindruck, dass es hier eine Überregulierung durch globale Standards gibt, was vor allem die kleinen Unternehmen vor Probleme stellt. Deshalb ist jeder Schritt zur Vereinfachung der Bestimmungen, wie er in der Mitteilung der Kommission vom 10. Juli 2007 angekündigt ist, zu begrüßen. Die wichtigste und wünschenswerteste Wirkung der Vereinfachung sollte darin bestehen, dass die kleinen Unternehmen ermutigt werden, auf dem gemeinsamen europäischen Markt tätig zu werden. Bislang war dieser Markt den neuen Unternehmen aus Mittel- und Osteuropa nicht optimal zugänglich.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die nationalen Vorschriften harmonisiert und unnötige Bestimmungen gemäß den beiden von der Kommission vorgeschlagenen Optionen aufgehoben werden. Dies verlangt jedoch keine Steuerharmonisierung, wie sie in Ziffer 23 des Berichts Lehne vorgeschlagen wurde – die so genannte leichte Konsolidierungsformel der Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. Der Berichterstatter favorisiert die zweite der von der Kommission vorgeschlagenen Optionen, die weniger weit reichend ist. Vor dem Hintergrund der jetzigen Regulierungswut der Europäischen Union würde diese jedoch mit Sicherheit auf ein Umschlagen der ungünstigen Entwicklung hinauslaufen, die eindeutig die Möglichkeiten für europäische Firmen beschränkt, auf dem globalen Markt im Wettbewerb zu stehen.
Marianne Thyssen (PPE-DE), schriftlich. − (NL) Die Mitteilung der Kommission wirft grundlegende Fragen auf, die die europäische Politik in Sachen Gesellschaftsrecht und Rechnungslegung bestimmen werden. Der Bericht Lehne liefert gute Antworten auf diese Fragen, die auch ich billige. Problematisch finde ich es jedoch dort, wo die Kommission die Einführung der Kategorie „Kleinstbetriebe“ vorschlägt. Dabei handelt es sich um kleinere Unternehmen unter einer bestimmten Schwelle, die von der europarechtlichen Verpflichtung zur Rechnungslegung und Jahresabschlussprüfung ausgenommen werden sollen. Der Bericht Lehne befürwortet diesen Ansatz und schlägt sogar eine Erhöhung der Schwellenwerte vor. In Belgien wären 75 % der Unternehmen von der bestehenden Transparenzverpflichtung befreit. Die Abschaffung der Rechnungslegung für kleine Unternehmen scheint auf den ersten Blick eine erhebliche Vereinfachung der Bürokratie zu sein, könnte jedoch angesichts der Bedeutung der Finanzinformationen für alle Beteiligten (beispielsweise Kreditgeber) einem vermehrten bürokratischen Verwaltungsaufwand und höheren Kosten Tür und Tor öffnen. In Ermangelung einer allgemein anerkannten Finanzberichterstattung wird man von den Unternehmen verlangen, die Zahlen à la carte auf unterschiedliche Art und Weise vorzulegen. Außerdem berauben sie sich selbst eines nützlichen Instruments für die interne Betriebskontrolle, was für KMU zweifelsohne wichtig ist. Deshalb habe ich mich bei der Schlussabstimmung der Stimme enthalten.
Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Der Zugang zur Hochschulbildung hat sich verbessert und immer mehr Frauen erwerben einen Hochschulabschluss. Dennoch sind die Frauen auf den höchsten Ebenen der akademischen Welt immer noch unterrepräsentiert. Während die meisten Lektoren (über 50 %) Frauen sind, haben sie in der Regel weniger hohe Ämter inne.
Ich bin für die Förderung familienfreundlicher Maßnahmen durch Einführung flexibler Arbeitszeiten und einer besseren Kinderbetreuung. Ich unterstütze auch den Zugang zur Sozialversicherung im Ausland und die Einführung von Elternurlaub unter Bedingungen, die Mann und Frau Entscheidungsfreiheit gibt. Die Unterbrechungszeiten, die von Frauen in wissenschaftlichen Laufbahnen aus familiären Gründen genommen werden, dürfen sich nicht negativ auf ihre Aufstiegsmöglichkeiten auswirken, und ihren männlichen Kollegen dürfen dadurch keine unredlichen Vorteile für ihre künftige wissenschaftliche Laufbahn entstehen.
Ich habe dem Bericht von Frau Britta Thomsen zugestimmt, da ich der Meinung bin, dass er mit Recht Probleme anpackt, die mit Geschlechterklischees zu tun haben. Letztere findet man noch immer in vielen EU-Mitgliedstaaten vor.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für Britta Thomsens Bericht über das Thema „Frauen und Wissenschaft“ gestimmt, weil ich es für äußerst wichtig halte, den gleichberechtigten Zugang beider Geschlechter zu wissenschaftlichen Laufbahnen zu fördern. Faktoren wie klischeehafte Vorstellungen in Verbindung mit den Naturwissenschaften oder die Hürden, die sich daraus ergeben, dass es so schwer ist, das Privat- und Familienleben mit dem Berufsleben zu vereinbaren, führen zu zahlreichen Nachteilen und Problemen für Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen, weshalb viele Frauen von der wissenschaftlichen Forschung ausgeschlossen sind.
Die Unterschiede bei der Präsenz von Männern und Frauen in den Führungspositionen im Hochschulbereich und der Wissenschaft, bei den Gehältern und bei den Anforderungen des Privatlebens machen Maßnahmen erforderlich, um den Geschlechterstereotypen in der Wissenschaft entgegenzuwirken, wissenschaftliche Laufbahnen für Frauen attraktiv zu machen und die bestehenden Ungleichheiten zu beseitigen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir wissen, dass mehr junge Frauen als Männer studieren, aber wenn es darum geht, sich für die wissenschaftliche Laufbahn zu entscheiden, sind die Frauen noch immer zahlenmäßig unterlegen. Die enorme Zunahme der Teilhabe der Frauen an der Hochschulbildung hat weder zu einer entsprechenden Erhöhung des Frauenanteils in bestimmten Studienfächern oder Berufen geführt, noch hat sie das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern beseitigt.
Wie die Berichterstatterin hervorhebt, sind Forscherinnen im Staatssektor und im Hochschulsektor mit 35 % (EU-Durchschnitt) nach wie vor in der Minderheit. In allen Ländern ist der Anteil der Forscherinnen im Staatssektor und im Hochschulsektor dennoch höher als im Unternehmensbereich, in dem auf Frauen im EU-Durchschnitt nur 18 % entfallen, wenn auch von Land zu Land erhebliche Unterschiede bestehen. Die Länder, in denen die geringste Zahl von Frauen in der Wirtschaftsforschung tätig ist, sind Deutschland (11,8 %), Österreich (10,4 %) und die Niederlande (8,7 %), während der Anteil in Lettland, Bulgarien und Rumänien mehr als 40 % beträgt. Auch die Verteilung der Forscher und Forscherinnen auf die verschiedenen Wissenschaftsbereiche ergibt für Frauen und Männer ein unterschiedliches Bild. Forscher im Hochschulsektor arbeiten zu 54 % in den Naturwissenschaften oder in technischen Sparten, während die Frauen in diesen Bereichen auf einen Anteil von nur 37 % kommen.
Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Ein besserer Zugang von Frauen zum Bereich der Wissenschaft ist, wie die Berichterstatterin hervorhebt, von grundlegender Bedeutung. Wie wir das aber in jedem einzelnen Land erreichen, ist allerdings je nach Kultur und sonstigen Besonderheiten der Länder anders geartet. Dieses Problem sieht in den 27 EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich aus, und somit müssen auch die Lösungen verschieden sein. Man kann die Situation der Frauen in den 27 Mitgliedstaaten nicht verallgemeinern. Die Juniliste ist überzeugt davon, dass der Weg zu echter Gleichstellung auf einzelstaatlicher Ebene festgelegt werden muss.
Aus diesen Gründen haben wir gegen den Bericht gestimmt.
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Als Professorin mit vielen Jahren Berufserfahrung an einer polnischen Universität bin ich mir der Größenordnung der Probleme bewusst und gebe daher dem Bericht von Britta Thomsen meine Zustimmung. Der Bericht wählt einen interessanten Ansatz für das Problem der Geschlechterdiskriminierung in der wissenschaftlichen Welt, indem er die sozialen, kulturellen und finanziellen Hindernisse benennt, die bewirken, dass die Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind.
Es gibt nur wenige von uns im staatlichen Hochschulsektor, gerade mal 35 %, im privaten Sektor sind es nur 18 %. Wie sollen wir ohne Teilhabe der Frauen an der Wissenschaft die Wissensgesellschaft aufbauen, Europas Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln, die Herausforderungen der Strategie von Lissabon meistern und die Erwartungen Europas an der Schwelle des 21. Jahrhunderts erfüllen? Wir müssen Bedingungen schaffen, die den Frauen die Möglichkeit geben, sich stärker in die wissenschaftliche Welt einzubringen, und die ihnen die Türen der Hochschullaboratorien öffnen. Die höchsten akademischen Ämter müssen auch Frauen zugänglich sein. Die Promotion in der wissenschaftlichen Welt hängt von den Leistungen ab, die man vorweisen kann, und bei einer Frau ist die Chance, auf einen Lehrstuhl berufen zu werden, dreimal geringer als bei einem Mann. Das ist bedauerlich und lässt sich nicht allein dadurch erklären, dass die Frauen familiär stärker belastet sind.
In den Entscheidungsgremien der europäischen Hochschuleinrichtungen sitzen ganz wenige Frauen, sodass es schwer ist, Gleichstellungspolitik in diesen Einrichtungen durchzusetzen. Ich nenne nur das beschämende Beispiel des wissenschaftlichen Beirats des Europäischen Forschungsrats. Von seinen 22 Mitgliedern sind lediglich fünf Frauen!
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt nimmt überall in der Europäischen Union zu. Polen ist da keine Ausnahme, wenn auch die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt in Polen unter dem Durchschnitt der Union liegt. Lassen Sie mich jedoch hervorheben, dass die polnischen Frauen mehr verantwortungsvolle Positionen bekleiden als ihre westeuropäischen Kolleginnen.
Ich halte die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen für ein wichtiges Thema. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, über die Lage von Wissenschaftlerinnen nachzudenken, da sie vergleichbar ist mit der Lage aller Frauen, die mit der Notwendigkeit konfrontiert sind, berufliche Pflichten und Familienleben in Einklang zu bringen.
Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass Paritätsvorschriften das richtige Mittel wären, um den Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Für Einstellungsentscheidungen sollten vor allem durch eine geeignete Aus- und Weiterbildung erworbene Qualifikationen und Kompetenzen maßgebend sein. Dafür erscheint der Vorschlag, die Transparenz der Einstellungsverfahren, der Auswahl von Mitbewerbern für Führungspositionen und der Vergabe von Forschungsstipendien zu erhöhen, sinnvoll. Allerdings müssten diese Veränderungen mit Arbeitsmarktreformen einhergehen.
Die Wissenschaft der Europäischen Union braucht Unterstützung. Angesichts der Bedeutung der Wissenschaft für die wirtschaftliche Entwicklung sollten wissenschaftliche und technische Kurse als attraktive Studiengänge für beide Geschlechter gefördert werden. Wir sollten daher junge Menschen ermutigen, solche Studiengänge zu belegen.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für den Bericht von Britta Thomsen über „Frauen und Wissenschaft“, da Frauen in der Wissenschaft nach wie vor unterrepräsentiert sind. Der Bericht enthält wichtige Ansätze für ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern im akademischen Bereich.
Die Förderung von akademischen Karrieren der Frauen muss dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Bedeutend hierbei ist die Überwindung von Gender-Stereotypen. Die derzeitige Zuweisung von weiblichen und männlichen Attributen bei den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen verhindert ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis.
Mithilfe neuer Programme und Einstellungsverfahren kann erreicht werden, dass die Kompetenzen eines Bewerbers im Mittelpunkt stehen, nicht das Geschlecht. Dasselbe muss für die Aufstiegsmöglichkeiten und die Entlohnung einer Person gelten. Ein nicht verbindliches Ziel von mindestens 40 % Frauen und 40 % Männern ist ein Weg, die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern im wissenschaftlichen Bereich zu mindern, wobei die Kompetenzen eines Bewerbers immer im Mittelpunkt stehen müssen.
Rovana Plumb (PSE), schriftlich. – (RO) Ich habe für den Bericht zur Lage der Frauen in der Wissenschaft gestimmt, der meiner Meinung nach entscheidend für die Verwirklichung der Wachstums- und Beschäftigungsziele des Vertrags von Lissabon ist.
Im Vergleich zu den westlichen Ländern, wo er etwa bei 11 % liegt, beträgt der Anteil weiblicher Forscher in den neuen Mitgliedstaaten ungefähr 40 %, aber leider ist ein hoher Prozentsatz davon in Bereichen tätig, in denen Forschungs- und Entwicklungskosten zu den niedrigsten gehören.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, wie wichtig der Passus zur Integration des Aspekts der Familie durch die Möglichkeit flexibler Arbeitszeiten und die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen, um Familie und berufliche Entwicklung miteinander zu vereinbaren, ist.
Ich meine, dass mit der schnellen Umsetzung der Bestimmungen dieses Berichts ein entscheidendes Hilfsmittel geliefert wird, um bis 2010 zu erreichen, dass 25 % der in der Forschung arbeitenden Frauen Führungspositionen innehaben werden. Ich gratuliere Frau Britta Thomsen zu ihrem Bericht.
Teresa Riera Madurell (PSE), schriftlich. − (ES) Da es mir aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war, an der Aussprache teilzunehmen, möchte ich meine Unterstützung für den Bericht begründen. Er ist eine hervorragende Arbeit, der alle wichtigen Fragen aufgreift und so eine ausgewogene Darstellung der Frauen und Männer in den Bereichen Wissenschaft und Technologie gibt.
Er kommt auch genau zum richtigen Zeitpunkt, da die EU 700 000 Forscher mehr benötigt, um ihre Zielsetzungen bis 2010 zu erfüllen, es ist der richtige Zeitpunkt für die Kommission und die Mitgliedstaaten, die konkreten Maßnahmen umzusetzen, die im Bericht zur Behebung dieses Missverhältnisses aufgeführt sind.
Die Qualifikationen und Leistungen sind zwischen Männern und Freuen gleich verteilt. Mehr noch, zurzeit sind die Frauen den Männern an den Universitäten zahlenmäßig überlegen und erreichen auch bessere Ergebnisse. Für dies alles liegen objektive Daten vor.
Darüber hinaus sollten die Regierungen die Präsenz von mehr Frauen in den Bereichen Wissenschaft und Technologie fördern, da es weder klug noch effizient ist, nur die Hälfte der Gehirne zu nutzen.
Ich freue mich, dass das Parlament endlich mit einer gründlichen Prüfung dieses Themas begonnen hat.
Lydia Schenardi (NI), schriftlich. – (FR) Falsche Wahrheiten, irrige Behauptungen, sexistische Äußerungen, die in erster Linie die Männer stigmatisieren: Das ist – in wenigen ungeschminkten Worten ausgedrückt – die Substanz dieses Berichts.
Die Gleichstellung von Männern und Frauen und eine bessere Integration der Frauen in das Berufsleben lassen sich nicht auf autoritäre und repressive Weise erreichen. Das kann nur zu negativen und kontraproduktiven Resultaten führen.
Sicherlich sind der verspätete Eintritt ins Berufsleben, das Lohngefälle oder fehlende berufliche Profile ein altbekanntes Phänomen bei Frauen, und das gilt insbesondere für den Bereich Wissenschaft und Forschung.
Hier sind es jedoch einmal mehr der Dialog und Fördermaßnahmen, mit denen Mädchen zur Aufnahme eines Studiums, auch in wissenschaftlichen Fächern, ermutigt werden sollen, sowie die aktive Unterstützung der Frauen während ihres gesamten beruflichen Werdegangs, die sie letztendlich in der Gesellschaft voranbringen.
Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) In Britta Thomsens Bericht wird festgestellt, dass Forscherinnen in der EU eine Minderheit darstellen. Sie haben eine schlechtere finanzielle Absicherung und werden in ihrer beruflichen Laufbahn immer stärker wegen ihrer familiären Verpflichtungen benachteiligt. Das ist ein ernstes Problem, sowohl aus prinzipiellen Erwägungen heraus als auch wegen der praktischen Folgen. Moderne Volkswirtschaften – und Demokratien – können sich eine negative Sonderbehandlung von akademisch hervorragenden Personen nicht leisten. Darum habe ich für den Bericht gestimmt.
Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass der Bericht Passagen enthält, die nicht zur Abstimmung gelangt sind, was für mich nur schwer nachvollziehbar ist. In Ziffer 7 wird gefordert, dass das Alter als Kriterium für außerordentliche Leistungsfähigkeit ebenso wie die familiäre Situation einschließlich der Anzahl der vom Forscher zu betreuenden Personen berücksichtigt wird. Das halte ich für praktisch kaum durchführbar und möglicherweise sogar für kontraproduktiv. Es ist immer riskant, Geschlechterrollen zu vereinfachen und von „Qualitäten, die eher bei Wissenschaftlerinnen gegeben sind“ zu sprechen oder verschiedene absolute Maßstäbe für die Leistung von Forschern zu schaffen.
Allerdings unterstütze ich rückhaltlos die Empfehlung zur Einführung eines nicht verbindlichen Ziels von mindestens 40 Prozent Frauen und mindestens 40 Prozent Männern in verschiedenen Arten von Gremien. Außerdem schließe ich mich der Kritik an, dass die EU ihre Ziele im Bereich der Gleichstellung teilweise zu niedrig ansetzt. Die Politik der Präsenz sollte nicht unterschätzt werden – auch wenn sie nicht zu einer Religion gemacht werden sollte.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Frauen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaft. Ein gutes Beispiel dafür ist die polnische Nobelpreisgewinnerin für Physik und Chemie, Marie Skłodowska-Curie. Nach dieser berühmten Wissenschaftlerin wurden Straßen, Krankenhäuser und eine Universität benannt.
Für Frauen ist die wissenschaftliche Laufbahn eine größere Herausforderung als für Männer. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie es sind, die die Kinder zur Welt bringen und in der Familie großziehen. Wissenschaftlerinnen brauchen daher Unterstützung durch die Entwicklung von günstigen Bedingungen für den Mutterschaftsurlaub und durch spezielle Zuschüsse für Frauen, die Kinder großziehen und zugleich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen.
Im Gegensatz zu der Empfehlung, die in dem uns heute hier vorliegenden Entschließungsentwurf gegeben wird, ist es allerdings nicht sinnvoll, zur Sicherstellung der Gleichberechtigung Frauenquoten für den Lehrkörper oder für die unterschiedlichen Ausschüsse vorzuschreiben. Entscheidungen über Arbeitsplätze und Laufbahnen in der Wissenschaft sollten nicht ausgehend vom Geschlecht getroffen werden, sondern auf der Grundlage der individuellen Entscheidung und der Kenntnisse und Fähigkeiten der betreffenden Person.
Anna Záborská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Ich danke Frau Thomsen für ihren Bericht, der auf eine bestimmte Art der Diskriminierung von Frauen in Wissenschaft und Forschung hinweist. Obgleich mehr als 50 % der Studenten in der Europäischen Union weiblich sind, haben die Frauen nur 15 % der leitenden akademischen Positionen in Wissenschaft und Forschung inne.
Einer akademischen Ausbildung folgt nur selten eine Tätigkeit, die dem in diese Ausbildung investierten enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand entspricht. Nach vielen Jahren des Studiums opfern Frauen oftmals ihr privates oder berufliches Leben, oder sie müssen beide Aufgabenbereiche unter einen Hut bringen. Es dürfte im Interesse der Gesellschaft liegen, wenn sie mit den Bürgern zusammenarbeitet, die über ein hohes geistiges Potenzial verfügen, und diese unterstützt, damit sie einen Beitrag zum kulturellen, geistigen, historischen und wissenschaftlichen Erbe der Nation leisten können. Insbesondere die Mutterschaft wirkt sich nachteilig auf die berufliche Laufbahn von Frauen aus und bestraft sie paradoxerweise, indem sie ihnen Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs, der persönlichen Entfaltung und gerechten Entlohnung verbaut. Ferner erhalten sie keine angemessene Entschädigung für die Investition in die Gesellschaft in Form der Geburt und Erziehung der Kinder, denen die Verantwortung für die Zukunft übertragen wird.
Ich bin der Meinung, dass sich dieses Problem durch eine Reform der Studienbedingungen für junge Frauen lösen ließe, ferner durch die Möglichkeit des berufsbegleitenden Fernstudiums und des lebenslangen Lernens sowie auch dadurch, dass Väter ermutigt werden, Mütter zu unterstützen, die sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden möchten. Auch der Staat trägt Verantwortung für die Unterstützung der auf wissenschaftlichem Gebiet tätigen Frauen; er sollte sie während ihres Studiums unterstützen, ihnen dabei behilflich sein, Familie und Berufsleben in Einklang zu bringen und für ihre Arbeit gerecht entlohnt zu werden, er sollte direkte Unterstützung in Form von Sozialleistungen gewähren und sie möglichst unkompliziert bei der Kinderbetreuung unterstützen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Die Abwrackung von Schiffen hat nach wie vor große soziale und ökologische Auswirkungen, was zum Teil daran liegt, dass die Abwrackung nicht immer umweltgerecht erfolgt, und zum Teil daran, dass die Zahl der in Bau befindlichen Schiffe seit Jahren steigt. Dies erklärt auch die anhaltend große Bedeutung europäischer Innovations- und Entwicklungstätigkeit im Schiffbau mit dem Ziel, bessere und weniger umweltbelastende Schiffe zu erreichen.
Seit 2005 arbeitet die Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) an bindenden internationalen Vorschriften für die umweltgerechte Abwrackung von Schiffen. Derzeit laufen Verhandlungen über ein Abwrackungsübereinkommen, das 2009 angenommen werden, aber erst einige Jahre danach in Kraft treten soll.
Im derzeit vorliegenden Entwurf eines Übereinkommens sind Kriegsschiffe und andere staatseigene Schiffe ausgenommen. Noch keine Einigung besteht über Normen außerhalb des IMO-Rahmens, grundlegende Normen für Recycling-Betriebe, die Berichterstattungspflicht (unter anderem die Benachrichtigung unter den Staaten) sowie die Durchsetzungsinstrumente.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich begrüße den Bericht Blokland über das Grünbuch zur Abwrackung von Schiffen. Das Abwracken von Schiffen ist ein gefährliches Geschäft, das sowohl für die Menschen als auch für die Umwelt hohe Belastungen mit sich bringt. Es ist untragbar für die EU, stillschweigend darüber hinwegzusehen, dass Schiffe zur Abwrackung in Entwicklungsländer verbracht werden. Diese Schiffe sind eigentlich Sondermüll, und die EU hat dafür Sorge zu tragen, dass solche Exporte verhindert werden. Ich begrüße die Unterstützung des Parlaments für die Änderungsanträge meiner Fraktion, durch die die Dringlichkeit von Maßnahmen in diesem Bereich unterstrichen wird.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Johannes Bloklands Bericht über das Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen strebt eine ökologisch und sozial nachhaltige Abwrackung von Schiffen an. Der Bericht zielt darauf ab, Lösungen für die aktuellen Probleme in diesem Sektor zu finden, insbesondere im Hinblick auf die großen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für die Werftarbeiter in Bangladesch und Indien. Daher habe ich für die Empfehlungen des Berichts gestimmt.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die europäische Besorgnis über die Umwelt- und Arbeitsbedingungen in den Drittländern verdient unser grundsätzliches Einverständnis. Die Ausfuhr von Not, ob im Bereich der Umwelt oder der Arbeit oder in welchem Bereich auch immer, kann nie und nimmer Teil unserer Vision von weltweitem Handel und Austausch sein. Dabei ist jedoch wichtig, dass wir nicht eine derart absolute und moderne Vision von unseren Werten verteidigen, dass das große Ganze verloren geht, weil wir uns auf einen kleinen Teil kapriziert haben.
Die Annahme drastischer Maßnahmen zur Beendigung von Praktiken, die eigentlich Sozial- oder Umweltdumping sind, Maßnahmen, die aber auch zur Zerstörung eines Wirtschaftssektors in einem Drittland und damit zu einer noch größeren Notlage eines extrem sensiblen Teils der Bevölkerung führen würden, kann nicht in unserem Sinne sein. Allmähliche Reformen und die Einführung maßgeschneiderter Standards, um die Entwicklung voranzutreiben, wären die bessere, effizientere Lösung. Wie können wir Schluss machen mit Not und Erniedrigung, wenn wir als Alternative nur Not und Erniedrigung anzubieten haben?
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Zwischenbericht meines deutschen Kollegen Karl-Heinz Florenz über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels gestimmt, der im Nichtständigen Ausschuss des Parlaments erörtert wurde.
Der wissenschaftliche Konsens bezüglich der Entstehung und der Ursachen des Klimawandels ist durchaus fundiert und weltweit anerkannt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus allen Kontinenten und den meisten Ozeanen zeigen, dass viele natürliche Systeme auf allen Kontinenten und in den meisten Ozeanen bereits wegen historischer Kohlenstoffemissionen der Industriestaaten von regionalen Klimaänderungen betroffen sind. Es ist unter anderem wissenschaftlich nachgewiesen worden, dass die Erderwärmung überwiegend anthropogene Ursachen hat.
Ich begrüße es, dass in dem Bericht die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen und Forschungen über die Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise seine Auswirkungen auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Energiekosten und die soziale Entwicklung in Europa, die Rolle der Flächennutzung, der Wälder und der Abholzung von Waldflächen, die Rolle der Meeresumwelt und die Berechnung der durch den Klimawandel bedingten externen Kosten für die Industrie und vor allem den Verkehr, einschließlich einer Quantifizierung der Auswirkungen der vom Luftverkehr ausgehenden Schadstoffbelastung, betont wird.
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Die jüngste zwischenstaatliche Konferenz über den Klimawandel und die verschiedenen Konferenzen der Vertragsparteien des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über den Klimawandel (UNFCCC) haben gezeigt, dass die vom Menschen erzeugten Treibhausgase Ursache des Klimawandels sind und dass der Anstieg der globalen Temperatur um +2 °C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden muss.
Ich stimme daher mit dem Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel und mit dem Berichterstatter überein, wenn sie energischere und umfangreichere Untersuchungen über die Folgen des Klimawandels fordern, um Erscheinungen wie Wüstenbildung, Abschmelzen von Gletschern, Veränderungen der Meeresumwelt, Unwetterkatastrophen usw. zu überwachen. Die letzten Berichte der Europäischen Umweltagentur verdeutlichen die Notwendigkeit, wesentlich mehr für die Einhaltung der Kyoto-Ziele sowie der anderen, im März 2007 vom Rat der EU festgelegten Reduktionsziele zu tun.
In Anbetracht des Energie- und des Klimapakets sowie der Mitteilung „Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius“ halte ich es allerdings für möglich, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die „Energieeffizienz“ zu verbessern, mit deren Hilfe erhebliche Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen erzielt werden könnten. Dies könnte auch ein System zur Etikettierung einschließen, in dessen Rahmen Angaben zur Treibhausgasbilanz erfolgen. Meiner Ansicht nach sollten die einzelnen Personen, die europäischen Bürger und die Bevölkerung von Drittländern direkter einbezogen werden, um das Bewusstsein zu schärfen und die aktive Teilhabe am Kampf gegen den Klimawandel durch kleine Schritte der Energieeinsparung zu fördern
Daniel Caspary (PPE-DE), schriftlich. − Der Klimawandel ist ein ernstes Thema und eine große Herausforderung für die Menschheit. Vollkommen unklar ist jedoch der tatsächliche menschliche Anteil am Klimawandel. Die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse – die zweifelsohne noch nicht als gesichert gelten können und noch sehr stark im Fluss sind – sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Zudem werden im Bericht einige angebliche Fakten genannt, die tatsächlich falsch sind.
Auf Basis von Mutmaßungen und falschen Behauptungen kann man jedoch keine seriösen, wirksamen, bezahlbaren und sozial verträglichen Maßnahmen entwickeln. Daher habe ich gegen den Bericht gestimmt.
Charlotte Cederschiöld, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Wir haben heute für den Zwischenbericht über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels gestimmt. Es erfordert großen Rückhalt und Entschlossenheit, um bei der Bewältigung der politischen Herausforderungen des Klimawandels die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Wir wollen in diesem Zusammenhang unterstreichen, wie wichtig es ist, die Freiheit der Forschung zu gewährleisten und dass Kritik und ein kritischer Geist Voraussetzungen für den Fortschritt und die Entwicklung jeder Forschung sind. Eine Begrenzung dieser Möglichkeiten stellt nicht nur eine Begrenzung der Forschung an sich dar, sondern auch eine Einschränkung des Rechts jedes Menschen, seiner Meinung Ausdruck zu geben.
Armut ist der größte Umweltverschmutzer und das Ziel, den Klimawandel aufzuhalten, bildet keinen Gegensatz zu Wachstum und Modernisierung. Eine notwendige Bedingung für den Weg armer Länder zu Wohlstand und damit auch für die Entwicklung von Ressourcen und Möglichkeiten für Investitionen in modernere und sauberere Technik ist die Möglichkeit dieser Länder, frei mit ihren Waren Handel zu treiben. Vor diesem Hintergrund sind eventuelle CO2-Abgaben oder Ähnliches für Importe eine unpassende Lösung, bei der die Gefahr besteht, dass sie ihrem Zweck zuwider läuft.
Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Zwischenbericht des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen gestimmt, weil ich überzeugt bin, dass der breite wissenschaftliche Konsens über die anthropogenen Ursachen des Klimawandels es dringend erforderlich macht, dass die politisch Verantwortlichen verstärkt tätig werden, mit besonderem Augenmerk auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und ein künftiges weltweites Klimaschutzabkommen.
Die Vertiefung und Verbreitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel wird dazu führen, dass die Menschen sich stärker der Notwendigkeit bewusst werden, ihre Lebensweise zu ändern, und dass die Entscheidungsprozesse verantwortungsvoller, informierter und effektiver werden. Die Ermutigung der Forschung zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Klimawandels muss eine Priorität sein.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Dies ist noch so ein Bericht, der, obwohl er von einigen richtigen Feststellungen über die gegenwärtige Lage ausgeht, keine oder so gut wie keine Fortschritte bei den notwendigen Lösungen ermöglicht. Er bleibt unklar, was die empfohlenen Maßnahmen anbelangt, und beschränkt sich auf die Auflistung einiger vager Vorschläge und Rechtfertigungen. Er scheint mehr darauf abzuzielen, neuen Unternehmen den Weg zu bereiten, auf Kosten des Klimaschutzes noch größere Profite mit neuen Aktivitäten in den Bereichen Umwelt und Energie zu erzielen.
Lassen Sie mich deshalb sagen, dass es gut wäre, wenn die gleichen Anstrengungen und die gleiche Hartnäckigkeit – und auch die gleiche Besorgnis – anderen globalen Problemen gelten würden, die im Grunde ignoriert wurden oder allenfalls mit auf einer Liste chronischer Probleme stehen: Beseitigung heilbarer Krankheiten, Schutz des Bodens und der Lebensräume, Erschöpfung der endlichen Ressourcen wie Kohlenwasserstoffe usw.
Abschließend betrachtet der Berichterstatter die wissenschaftlichen Grundlagen im Zusammenhang mit den Klimawandel als hinreichend gefestigt und empfiehlt, dass der Nichtständige Ausschuss des Europäischen Parlaments seine Tätigkeiten fortführt und zum Ende des Mandats dem Parlament einen Bericht vorlegt, der gegebenenfalls Empfehlungen für Maßnahmen oder Initiativen im Rahmen der künftigen integrierten EU-Politik zum Klimawandel enthält. Wir werden auf diesen künftigen Bericht warten.
Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die in diesem Bericht aufgeführten wissenschaftlichen Tatsachen wurden auf den Zusammenkünften des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel ausführlich mit internationalen Sachverständigen diskutiert und können daher nicht einfach in Frage gestellt werden.
Wie der Florenz-Bericht begrüße ich den vierten Sachstandsberichts des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) als umfangreichste Untersuchung über den Klimawandel, und stimme zu, dass es unbedingt notwendig ist, den weltweiten Temperaturanstieg auf weniger als 2°C zu begrenzen, um die katastrophalsten Szenarien zu verhindern, was dafür spricht, dass die anspruchsvollen Ziele der EU für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen beibehalten werden müssen.
Als glaubwürdigstes Kompendium der gegenwärtig verfügbaren Informationen, das die ständig wiederkehrenden Ideen vereinzelter Extremisten, die immer noch infrage stellen, dass die menschliche Tätigkeit die Hauptursache für die globale Erwärmung ist, von Grund auf widerlegt, sendet der Florenz-Bericht das klare Signal aus, dass das Europäische Parlament beim Kampf gegen den Klimawandel an seiner rigorosen und ehrgeizigen Position festhält.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) In den 1960er-Jahren hat das französische Parlament, eingedenk der Vorteile der Planung, jedes Jahr eine Wirtschaftswachstumsrate festgelegt, die die Grundlage für seine Entscheidungen bilden sollte, da das tatsächliche Wachstum – wie sich herausstellte – mehrere Jahre in Folge genau den Vorgaben des Parlaments entsprach. Beim Lesen des Berichts von Herrn Florenz habe ich denselben Eindruck, nämlich dass dieses Parlament über die Welttemperatur abstimmen will.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich kritisiere hier nicht, dass der Mensch seine Umwelt schützen, die enorme Vielfalt der Natur erhalten oder Mittel zur Verfügung haben muss, um die natürlichen Ressourcen besser zu nutzen und sie so zu erhalten. Es geht mir vielmehr um das rituelle Opfer an die neue Religion des Klimas und ihre neuen Gurus, diese parteiischen Wissenschaftler, die all jene verdammen, deren Wirken im Widerspruch zu ihren unantastbaren Schlussfolgerungen stehen.
Ich meine die systematische Stigmatisierung des Menschen – und ganz besonders der westlichen und europäischen Spezies – als ein böses Wesen. Das ist institutionalisierte Reue. Das ist der industrielle und wirtschaftliche Selbstmord Europas auf dem Altar der so genannten globalen Erwärmung, ohne jeden Nutzen für die globale Umwelt, aber mit den schlimmsten Folgen für die Menschen und die Gesellschaft in Europa. Deshalb habe ich gegen diesen Bericht gestimmt.
Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht Florenz über den Klimawandel gestimmt und denke, es ist richtig, dass wir als Parlament dieses Thema so ernst nehmen. Die Bekämpfung des Klimawandels erfordert Maßnahmen auf allen Ebenen, und sowohl die EU-Institutionen als auch die Länder Europas müssen alle zusammenarbeiten, um den Übergang zur einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu bewerkstelligen.
Die heutige Abstimmung über diesen Bericht fällt zusammen mit einer sehr wichtigen Energiekonferenz in Aberdeen. Die schottische Regierung hat die Absicht signalisiert, Schottland zur grünen Energiekapitale Europas zu entwickeln. Diese Regierung steht voll und ganz hinter den EU-Zielen bezüglich erneuerbarer Energien und setzt sich für ein kernenergiefreies Schottland ein, das bis 2020 50 % des einheimischen Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen deckt soll. Ich hoffe, dass andere Länder in ganz Europa, was die Bekämpfung des Klimawandels angeht, in Schottland ein nachahmenswertes Beispiel sehen werden.
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Wissenschaftliche Erkenntnisse beweisen die anthropogenen Ursachen der gegenwärtigen Erderwärmungstendenz, und der Bericht von Herrn Florenz bekräftigt diese Ergebnisse. Wir brauchen dringend Maßnahmen auf EU-Ebene, um den Klimawandel zu bekämpfen und den weltweiten Temperaturanstieg auf nicht mehr als 2 °C über den vor der Industrialisierung üblichen Niveaus zu begrenzen. Im Gegensatz zu manchen konservativen Parlamentariern stehe ich zu diesen Tatsachen und habe daher für den Bericht von Herrn Florenz „Über die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen“ gestimmt.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Wenn wir hier in Europa – zwar kostenintensiv – in neueste umweltfreundliche Technologie und erneuerbare Energie investieren, während etwa in China gleichzeitig jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht, dann bleibt alles, was wir hier tun, nur Peanuts.
Wir haben die skurrile Situation, dass jene Nationen, die durch schrankenlose Industrialisierung und Raubbau an der Natur den Klimawandel beschleunigen und nicht bereit sind, hier Abhilfe zu schaffen, wenn sie Opfer von Katastrophen werden, dann auch noch Hilfe vom Westen, insbesondere aus Europa, erwarten. Wir sollen die Umwelt schonen, häufig zum Nachteil unserer Industrie und unserer Importwirtschaft, und dann den Umweltsündern im Katastrophenfall auch noch mit humanitärer Hilfe zur Seite stehen.
Wenn wir global gesehen nicht wollen, dass jede Verbesserung nur ein frommer Wunsch bleibt, müssen wir den Druck auf jene sechs Länder, die für fast 50 % der weltweiten Treibhausgasproduktion verantwortlich sind, erheblich erhöhen.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Zwischenbericht des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel enthält keine neuen für die Völker Europas nützlichen Ideen, Aspekte oder Empfehlungen für den Umweltschutz. Er setzt die wohlbekannte volksfeindliche Politik der EU fort, die Überakkumulation des Kapitals mit „grünen“ Argumenten zu rechtfertigen. Er beschränkt sich darauf, die Erkenntnisse des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen zu wiederholen.
Der Bericht betrachtet die Obergrenze von 2˚C für die globale Erwärmung als „strategisches Ziel“ der EU, räumt aber zugleich ein, dass „schon dieses Erwärmungsniveau unsere gesamtgesellschaftlichen und individuellen Lebensweisen erheblich beeinträchtigen“ würde. Er schweigt zur Verantwortung des Kapitals für die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, und anstatt Maßnahmen zu fordern, um die Monopole wenigstens einer stärkeren Kontrolle zu unterziehen, übernimmt er uneingeschränkt die Propaganda der multinationalen Konzerne, wonach „wir alle“ an der Verschärfung der klimatischen Phänomene „schuld“ seien, und hebt hervor, „dass individuelle Änderungen der Lebensweise notwendig sind“.
Die in Kyoto, Bali usw. erzielten Übereinkommen haben sich als ineffizient erwiesen. Ihr Hauptziel ist nicht der Schutz der Umwelt, sondern der Schutz des Kapitals und seiner Profite. Sie machen die Umwelt zu einem kommerziellen Gut und entwickeln einen neuen, profitträchtigen Sektor: die grüne Wirtschaft. Für eine Lösung der Umweltprobleme werden nicht die multinationalen Konzerne und Monopole sorgen, die für die heutige Lage verantwortlich sind, sondern die Völker, die die Folgen zu erdulden haben.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), – (PL) Die Geschichte hat uns gelehrt, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse bisweilen beweisen, dass eine Theorie, die vorher alle für richtig hielten, nicht den Tatsachen entspricht. Meiner Ansicht nach ist die Theorie des Klimawandels durch globale Erwärmung wissenschaftlich noch nicht ausreichend untermauert. Jedenfalls reichen die Beweise nicht aus, um guten Gewissens Rechtsvorschriften vorschlagen zu können, die den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestimmte Verhaltensweisen aufzwingen.
Wir beobachten in der Tat, dass sich die mittlere Temperatur der Atmosphäre weltweit erhöht. Doch auf die Frage, inwieweit dies auf die Tätigkeit des Menschen zurückzuführen ist, gibt es noch keine Antwort.
Die wissenschaftliche Welt ist dazu geteilt. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass große Klimaänderungen eine natürliche, zyklische Erscheinung sind, mit der die Welt seit Millionen von Jahren leben muss. Sie erklären, dass die Wissenschaftler, die vor den Auswirkungen des Menschen auf den Klimawandel warnten, dies nur täten, um sich Forschungsgelder zu sichern und die Bevölkerung in Schach zu halten.
Andere Wissenschaftler vertreten die Auffassung, dass der Mensch nur sehr begrenzt in der Lage ist, Klimaänderungen langfristig vorauszusagen. Sie meinen, dass sich der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) von der Politik und nicht von der Wissenschaft leiten lasse. Außerdem ist nicht sicher, dass die meisten Wissenschaftler die These unterstützen, dass der Klimawandel vom Menschen gemacht ist.
Die hier genannten Gegenargumente sind ohne weiteres zugänglich und lassen sich nicht widerlegen, sodass Zweifel daran aufkommt, ob sich Kohäsionspolitik auf unsichere wissenschaftliche Argumente stützen darf, die von Lobbygruppen vorgetragen werden.
Lydie Polfer (ALDE), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Florenz im Namen des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel findet meine Unterstützung, weil darin die durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Anzeichen und Auswirkungen des Klimawandels analysiert werden.
Die Feststellung, dass sich die Kosten des Klimawandels im Jahr 2050 auf 5 bis 20 % des Bruttoinlandsprodukts belaufen werden, falls keine drastischen Maßnahmen ergriffen werden, sollte uns Anlass zur Sorge sein.
Selbst wenn alle Mitgliedstaaten inzwischen deutliche Fortschritte gemacht haben, müssen wir bei der Reduzierung der Emissionen ambitionierter vorgehen.
Zum anderen müssen wir aufmerksam verfolgen, welche verhängnisvollen Auswirkungen die Förderung von Biotreibstoffen auf das weltweite Angebot an Nahrungsmitteln wie auch auf die Entwaldung haben kann.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Wissenschaftliche Diskussionen dürfen keine Glaubensdebatten sein, und Zweifel an der Richtigkeit der mehrheitlich vertretenen Meinung nicht als Negativhaltung oder politisch motiviert ausgelegt werden. Auch haben uns in letzter Zeit Dinge wie die Debatte über die ungewollten oder unerwarteten Implikationen der Förderung der Biodieselproduktion ganz klar gezeigt, dass der Zweifel die einzige wissenschaftliche Gewissheit ist, der wir blind vertrauen können.
Geht es dagegen um die Frage, welche Optionen uns angesichts der wissenschaftlichen Tatsachen offen stehen, so befinden wir uns eindeutig im Bereich der politischen Entscheidung. Was das eine anbelangt, so halte mich nicht für wissenschaftlich kompetent genug, um mich dazu zu äußern. Was jedoch die zweite Frage betrifft, so betrachte ich es als meine Pflicht. Ich habe schon erklärt und bekräftige dies noch einmal, dass wir angesichts des vorhersagbaren Anstiegs des Verbrauchs (vor allem von Energie) durch unsere gewaltige Bevölkerung infolge der positiven Effekte der Globalisierung wissenschaftliche Antworten und technologische Lösungen finden müssen. Individuelle und kollektive Verhaltensänderungen sind natürlich auch zu begrüßen. Aber die grundlegenden Lösungen, die wir brauchen, werden wir in der Wissenschaft finden.
Thomas Ulmer (PPE-DE), schriftlich. − Ich habe in der Endabstimmung gegen diesen Bericht gestimmt, weil ich den Klimaschutz ernst nehme und nicht apodiktische und apokalyptische Formulierungen mittragen kann, mit denen wir den Bürgern Europas Angst machen. Hier werden wissenschaftliche Erkenntnisse mit einer Wahrscheinlichkeit von 60–70 % als Wahrheiten dargestellt.
In der Offenbarung des Johannes sitze ich bei den Reitern lieber auf dem weißen als auf dem blassen Pferd. Klimaschutz ist ein sensibles Thema, das nicht in Schlagworten abgehandelt werden kann.
Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe mich zum Initiativbericht meiner niederländischen Kollegin Ria Oomen-Ruijten zum Fortschrittsbericht über die Türkei 2007 auf dem Weg zum Beitritt der Stimme enthalten, auch wenn ich wie unser Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten die von Premierminister Erdogan gegebene Zusage begrüße, 2008 zu einem Jahr der Reformen und die Türkei zu einer modernen und wohlhabenden Demokratie zu machen, die sich auf einen säkularen Staat und eine pluralistische Gesellschaft gründet.
Es muss aber auch an die Verpflichtung der Türkei zu gutnachbarlichen Beziehungen zu Griechenland und Bulgarien und die Notwendigkeit erinnert werden, zu einer umfassenden Lösung der Zypern-Frage auf der Grundlage der Prinzipien zu gelangen, auf denen die Europäische Union fußt.
Im Übrigen kommt die Türkei der Aufforderung, die Wirtschaftsblockade gegen Armenien zu beenden und einen Prozess der Versöhnung mit diesem Land einzuleiten, der eine ehrliche und offene Diskussion über Ereignisse in der Vergangenheit ermöglicht, nicht nach. Diese Verhandlungen sind für die EU und die Türkei wichtig, da dieses Land den gemeinschaftlichen Besitzstand übernehmen wird. Die Verhandlungen dürfen jedoch keinesfalls die endgültige politische Entscheidung über den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union vorwegnehmen.
Colm Burke, Jim Higgins, Mairead McGuinness und Gay Mitchell (PPE-DE), schriftlich. − (EN) Die Fine-Gael-Delegation in der PPE-DE-Fraktion hat zugunsten des umfassenden Berichts Oomen-Ruijten über den Fortschrittsbericht über die Türkei 2007 abgestimmt. Wir befürworten die Reformen der Türkei in Richtung Demokratie, verantwortungsvolle Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit. Dies sind sowohl für die Türkei selbst als auch für die EU positive Schritte, und wir unterstützen die Bemühungen der Türkei um Erneuerung.
Dennoch haben wir, die Unterzeichneten, gegen Änderungsantrag 14 gestimmt, der sich auf Ziffer 16 des Berichts bezieht, wo von „sexuellen und reproduktiven Rechten” die Rede ist. Die Gründe, aus denen wir gegen diesen Abschnitt gestimmt haben, wurden bereits in unserer Gemeinsamen Erklärung an das Parlament in der Plenarversammlung am 13. März 2008 erläutert.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. − (EN) Ich habe für den Bericht Oomen-Ruijten über den Fortschritt der Türkei 2007 auf dem Weg zum EU-Beitritt gestimmt. Ich bin davon überzeugt, dass die Türkei eines Tages in der Lage sein wird, der EU beizutreten. Momentan gibt es noch Schwierigkeiten in den Bereichen Gewerkschafts- und Menschenrechte sowie Minderheitenrechte, beispielsweise der Kurden und Christen. Aber Fortschritte, wenn auch langsame, sind vorhanden und sollten anerkannt werden.
Ich habe auch die Änderungsanträge im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Armeniern befürwortet. Zwar ist das lange her, aber eine Nation muss sich ihrer Geschichte stellen, und bis jetzt hat die Türkei dieses blutige Kapitel ihrer Geschichte nicht aufgearbeitet. Vielleicht ist dieser Punkt am Ende kein Hindernis für eine Mitgliedschaft in der EU, aber wir können das Thema auch auf keinen Fall unter einen allzu bequemen türkischen Teppich kehren.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Die Feststellungen im Bericht von Frau Oomen-Ruijten über die Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt zeigen – sofern es hier überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte –, dass die Türkei, was ihre Zivilisation, die Mentalität der Menschen dort und ihre Traditionen anbelangt, die selbstverständlich vollkommen achtenswert sind, kein europäisches Land ist. Außerdem sollten die Ursachen für die enormen Schwierigkeiten in den Beitrittsverhandlungen nicht woanders gesucht werden.
Die französische Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt, könnte eine Chance sein, den grundsätzlichen Irrtum, nämlich die im Vertrag von 1963 verankerte Vorstellung von einer europäischen Ausrichtung der Türkei, zu thematisieren. Herr Sarkozy bricht seine Wahlversprechen und befürwortet nun die Fortführung der Verhandlungen und sogar neue Verhandlungen in Bereichen, die „nicht direkt mit dem Beitritt im Zusammenhang stehen“, und das auf eine ebenso demagogische wie scheinheilige Weise, die nicht dazu angetan ist, auch nur irgendeines der Probleme zu lösen. Wer soll da noch glauben, dass es in den Debatten nur um einen „Beinahe-Beitritt“ geht?
Ich fürchte, dass die Beibehaltung der in der französischen Verfassung vorgeschriebenen Volksbefragung zu jedem neuen EU-Beitritt einzig und allein dem Ziel dient, den Bürgern die alleinige Verantwortung für 45 Jahre politischer und diplomatischer Feigheit aufzubürden, die nicht der Türkei selbst, sondern allein ihren Regierungen zuzuschreiben ist.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Trotz gewisser Widersprüche ist es eine Tatsache, dass die Türkei für die Ambitionen der EU strategisch wichtig ist, insbesondere angesichts der sich vertiefenden aktuellen Krise des kapitalistischen Systems.
Während noch nicht sicher ist, ob die Türkei am Ende Vollmitglied der EU oder einer zukünftigen Mittelmeerunion sein wird, scheint klar zu sein, dass die EU versucht, die Lösungen zu finden, die den Interessen der wichtigen Wirtschafts- und Finanzgruppen in den wichtigsten Ländern, vor allem in Deutschland, am besten dienen.
Die Türkei bietet einen riesigen Markt, der Appetit macht. Es ist ein großes Land mit einer enormen billigen Arbeitskraft und Unmengen von Verbrauchern, denen allerdings nicht erlaubt ist, den 1. Mai zu feiern, wie wir kürzlich gesehen haben, als Gewerkschaftsmitglieder und Demonstranten von türkischen Sicherheitskräften brutal zusammengeschlagen wurden. Es ist ein großes Land mit einer wichtigen geostrategischen Lage zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten, das eine zentrale Rolle bei der Debatte über die Frage spielt, wem die Energieressourcen Zentralasiens (wie das Nabucco-Projekt) gehören und wer Zugang dazu hat, und dem eine Schlüsselrolle in der Partnerschaft zwischen USA, NATO und EU zukommt.
Die Türkei ist ferner ein Land, dessen Behörden militärisch und ungesetzlich einen Teil des Hoheitsgebiets eines EU-Mitgliedstaates – Zyperns – besetzt halten.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL), schriftlich. – (CS) Obgleich im Entwurf der Entschließung des Europäischen Parlaments auf mehrere Dokumente verwiesen wird, fehlt die wesentliche Information. Das Land ist seit 1963 Beitrittskandidat, und Bedingungen für die Aufnahme der Verhandlungen werden seitdem erörtert. Die 1993 festgelegten Kriterien von Kopenhagen sind in den einleitenden Präambeln des Berichts nicht zu finden.
Wenn wir uns mit dem Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission über die Türkei 2007 näher befassen, gelangen wir zu dem Schluss, dass zwar bestimmte Fortschritte zu verzeichnen sind, die in Bezug auf die nationalen Minderheiten verabschiedeten Rechtsvorschriften jedoch hoch nicht ausreichend umgesetzt worden sind. Die Tatsache, dass etwa 10 % der arbeitsfähigen Bevölkerung der Türkei in EU-Ländern beschäftigt sind, ist Ausdruck der langjährigen engen Beziehungen zwischen der Türkei und der EU. Was uns überrascht, ist der Stand bei der Umsetzung der Verordnungen auf wirtschaftlichem Gebiet, die bisher eher zweifelhaft ist. Obgleich diese Verordnungen formell in Rechtsvorschriften der Türkei eingeflossen sind, ist in Einzelfällen oftmals ein äußerst „uneuropäischer“ Ansatz erkennbar.
Zwar hat das Land durchaus beachtliche Fortschritte zu verzeichnen, aber in vielen Bereichen sind die Unterschiede zwischen der Türkei und der Mehrzahl der EU-Länder (einschließlich der Balkanländer) nach wie vor erheblich. Die augenfälligsten Merkmale der türkischen Gesellschaft, die sie von den EU-Ländern unterscheiden, sind der Einfluss der Armee auf das politische System des Landes und die einflussreiche Position des sunnitischen Islam. Im Bericht wird die derzeitige Situation der Gesellschaft recht präzise beschrieben. Obgleich uns Ziffer 12 der Entschließung nicht ausgewogen erscheint, wird die GUE/NGL-Fraktion nicht dagegen stimmen.
Carl Lang (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Frau Oomen-Ruijten veranschaulicht die Blindheit der politisch Verantwortlichen des Brüsseler Europas, die eine offensichtliche Tatsache negieren: Die Türkei ist ein asiatisches Land.
Diese Blindheit lässt sie die absehbaren Folgen eines solchen Beitritts negieren. Mit über 100 Millionen Einwohnern wird die Türkei im Jahr 2020 der bevölkerungsreichste Staat der Europäischen Union und somit der wichtigste Staat in den europäischen Institutionen sein. Es besteht also die Gefahr, dass unser Parlament dann nicht mehr von der PPE-DE-Fraktion oder der Sozialdemokratischen Fraktion dominiert wird, sondern von den Islamisten der AKP. Die Türkei wird auch das Land sein, das die meiste Unterstützung erhält. Die Regionen dieses Landes werden den größten Teil der Strukturfondsmittel absorbieren, und seine zehn Millionen Landwirte werden die Gemeinsame Agrarpolitik zunichte machen.
Mit ihrer Weigerung, die Realität zu akzeptieren, missachten unsere Regierungen den Willen der Völker Europas. So ist Herr Sarkozy, nachdem er den Franzosen den europäischen Verfassungsvertrag aufgezwungen hat, den sie 2005 abgelehnt hatten, im Begriff, Artikel 88.5 der Verfassung abzuschaffen, wonach vor dem Beitritt eines neuen Staates zur Europäischen Union ein Volksentscheid durchzuführen ist.
Wenn es Brüssel gelingen sollte, den Beitritt der Türkei durchzusetzen, müssten wir unseren Völkern nahelegen, dieses Gebilde, das nur noch dem Namen nach europäisch ist, zu verlassen, um ein anderes Europa aufzubauen – ein europäisches Europa: ein Europa der Nationen.
Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich. − Ich habe dem Bericht zum Fortschrittsbericht über die Türkei 2007 zugestimmt.
Ich muss aber meinem Entsetzen darüber Ausdruck geben, was ich in einer Tageszeitung Deutschlands, „Die Welt“, gelesen habe, nämlich dass die Türkei, die gern als Land des gemäßigten Islams dargestellt wird, ein Gesetz erlassen hat, das den Kauf und das offene Ausschenken von Wein im Glas verbietet.
Wein ist ein europäisches Kulturgut, das legal in der Mehrheit der Mitgliedstaaten hergestellt und in allen Mitgliedstaaten der EU verkauft und konsumiert werden darf.
Ein solches Gesetz ist unvereinbar mit einer Vollmitgliedschaft in der EU. Alle legal hergestellten Produkte, und dazu gehört Wein, sind Waren, deren Freizügigkeit im Binnenmarkt zu gewährleisten ist. Ein solches Verbot verstößt auch gegen die Antidiskriminierungs-Regeln der EU. Ein Land, das die Freizügigkeit einer legal hergestellten Ware aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, kann nicht Vollmitglied der EU werden.
Ministerpräsident Erdogan hat zugesagt, dass 2008 das Jahr der Reformen wird, um aus der Türkei eine moderne Demokratie zu machen, die sich auf einen säkularen Staat und eine pluralistische Gesellschaft gründet.
Angesichts des Verbots der Türken, Wein zu kaufen und im Glas zu konsumieren, muss ich fragen: „Words, idle words?“
David Martin (PSE), schriftlich. − (EN) Der Fortschrittsbericht über die Türkei 2007 von Ria Oomen-Ruijten ist eine umfassende und ermutigende Analyse der Entwicklung, die das Land in Richtung EU-Beitritt durchlaufen hat. Die Türkei hat augenscheinlich Fortschritte in solchen Bereichen wie Redefreiheit und Justizreform gemacht. Die Regierungsvorschläge zu einer Reform von Artikel 301, der eine Hürde auf dem Weg zur demokratischen Freiheit des Landes darstellt, sind ebenfalls zu begrüßen. Dennoch sind selbstverständlich in Bereichen, die mit Minderheitenrechten zu tun haben, weitere Anstrengungen vonnöten, und der aktuell vor dem Verfassungsgerichtshof anhängige Fall gibt Anlass zu Bedenken. Ich unterstütze die Empfehlungen des Berichts und habe dafür gestimmt.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Ich begrüße den von meiner Kollegin, Frau Omen-Ruijten, vorgelegten Fortschrittsbericht über die Türkei 2007, in dem die türkische Regierung aufgefordert wird, ihre Versprechen hinsichtlich der Durchführung von Reformen und der Modernisierung des Landes zu erfüllen. Gleichzeitig verweise ich auf meine schon seit langem vertretene Ansicht, die von der überwiegenden Mehrheit der Europäer geteilt wird, dass die Europäische Union der Türkei keine Vollmitgliedschaft in der EU in Aussicht stellen sollte. Sowohl geografisch, als auch kulturell und in geistiger Hinsicht liegt die Türkei außerhalb des Rahmens der europäischen Identität. Zudem ist der Haushalt der Europäischen Union nicht in der Lage und wird es auch künftig nicht sein, die mit einer Vollmitgliedschaft der Türkei verbundenen Belastungen zu tragen. Angesichts dessen unterstütze ich die Vision einer engen Zusammenarbeit, der so genannten strategischen Partnerschaft zwischen der EU und der Türkei. Die Bedeutung des Berichts liegt meines Erachtens in diesem Verständnis begründet.
Ich begrüße die Tatsache, dass die Türkei im Jahr 2007 in mehreren Bereichen Fortschritte erreicht hat. Dennoch bleibt die Menschenrechtssituation nach wie vor bedrückend. Im Rahmen dieses Berichts sollten wir mit Nachdruck eine Verbesserung der Lage der nationalen Minderheiten (namentlich der kurdischen Minderheit) sowie die Einführung der vollständigen Rede- und Religionsfreiheit fordern. Ferner unterstütze ich die Forderung, Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches abzuschaffen und das griechisch-orthodoxe Priesterseminar auf Halki unverzüglich wiederzueröffnen. Ebenso müssen wir von der Türkei die Aufarbeitung ihrer Geschichte und die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern sowie der Unrechtmäßigkeit ihrer militärischen Einmischung in Zypern fordern.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Immer wieder beweist die Türkei ihre EU-Unreife, mit Menschenrechtsverletzungen, in der Unterdrückung ihrer Minderheiten, mit Luftangriffen gegen ein Nachbarland oder jüngst, indem die Leiterin der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos anscheinend wegen Türkei-kritischer Aussagen aus ihrem familiären Umfeld abgelehnt wurde. Die kosmetischen Korrekturen am Türkentum-Paragraphen verstellen Brüssel den Blick auf rohe Gewalt gegen Demonstranten und militärische Aggressionen gegen den Nordirak.
Angesichts der nicht vorhandenen EU-Reife der Türkei ist der einzig mögliche Weg ein sofortiger Abbruch der Beitrittsverhandlungen, als Alternative können Gespräche über eine privilegierte Partnerschaft geführt werden.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Jeder Bericht über die Türkei ist Ausdruck der von imperialistischer Rivalität geprägten Absichten der EU gegenüber diesem Land. Der jetzige Bericht unterstützt die türkische Regierung, indem er die Fortschritte, die die Türkei in verschiedenen Bereichen gemacht habe, wahrheitswidrig übertreibt. Wie üblich singt er das hohe Lied der demokratischen Rechte, obwohl die autoritäre, repressive Politik der türkischen Regierung wohlbekannt ist und sich erst neulich in der brutalen Unterdrückung der Maidemonstrationen manifestierte. Der Bericht zeigt zudem Toleranz für die kurdenfeindliche Politik der Türkei.
Der Bericht unterstützt indirekt die türkischen Angriffe auf irakisches Hoheitsgebiet. Während er die „Gewalt“ der PKK und „anderer terroristischer Gruppen“ verurteilt, empfiehlt er der türkischen Armee lediglich, „keinerlei unverhältnismäßige Militäraktionen zu unternehmen“. Der Bericht verharmlost die anhaltende türkische Besatzung Zyperns und vermeidet es, kategorisch den bedingungslosen Abzug der türkischen Streitkräfte zu fordern.
Der Bericht begrüßt die aktive Beteiligung der Türkei an imperialistischen Missionen und Interventionen der EU und der NATO. Im Bewusstsein der Stellung der Türkei im imperialistischen System und der konkurrierenden Interessen in der Region sucht die EU den Beitrittsprozess zu ihrem Vorteil auszunutzen, um die Kontrolle über die Energie- und geostrategischen Ressourcen der Region zu erlangen.
Aus diesen Gründen stimmen wir gegen den Bericht.
Lydie Polfer (ALDE), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Frau Oomen-Ruijten ist sehr ausgewogen: Zum einen werden darin die Gesetzesinitiativen der türkischen Behörden zur Fortführung des Reformprozesses begrüßt, zum anderen wird die Türkei aber auch nachdrücklich aufgefordert, die Reformen zu beschleunigen, um die Einhaltung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.
Daher muss die Kurdenfrage einschließlich ihres kulturellen und wirtschaftlichen Aspekts gelöst werden.
Ebenso gilt es, die Chancengleichheit der Frauen im Entwurf der neuen Verfassung zu verankern.
Die türkische Regierung wird auch aufgefordert, den Pluralismus und die Vielfalt der Religionen in einer säkularen und demokratischen Türkei hochzuhalten.
Nur wenn die Türkei die Prinzipien und Werte der Europäischen Union anerkennt, können die Beitrittsverhandlungen wieder aufgenommen werden.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die Fortschritte, die in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik gemacht wurden, sind gute Gründe für die Feststellung, dass der Wunsch, der Europäischen Union beizutreten, in Ländern, in denen diese Möglichkeit besteht, zu wichtigen Reformen führen kann. Da dies bei der Türkei der Fall ist und die Verhandlungen immer offen angelegt waren, besteht keine Notwendigkeit hervorzuheben, wie wichtig es ist, diese Gelegenheit zu nutzen, um unabhängig von Verhandlungsergebnis umfassende, wichtige Reformen in der Türkei voranzutreiben.
Bei aller in diesem Bericht – und auch in den Erklärungen wichtiger Führungspersönlichkeiten der EU und insbesondere durch den Kommissionspräsidenten – zum Ausdruck gebrachten Anerkennung müssen wir aber auch unsere Besorgnis über die gegen die AK-Partei eingeleiteten Gerichtsverfahren äußern. Es hat zwar erfreulicherweise kein militärisches Eingreifen gegeben, aber wir bedauern dennoch diesen Versuch, durch Gerichte zu erreichen, was durch Wahlen nicht erreicht werden konnte. Auf der anderen Seite machen natürlich auch die immer noch vorhandenen Zweifel bezüglich der wahren Absichten der AK-Partei Sorgen. Der Schutz der Religionsfreiheit, wie wir sie in der Europäischen Union verstehen, verdient unsere Zustimmung. Es wäre inakzeptabel, wenn der ganzen Gesellschaft eine Glaubensrichtung aufgezwungen würde.
Toomas Savi (ALDE), schriftlich. − (EN) Nachdem ich nunmehr für diesen Bericht gestimmt habe, möchte ich daran erinnern, dass mein erster Beitrag vor dieser Kammer am 13. Dezember 2004 die Fortschritte der Türkei im Hinblick auf einen EU-Beitritt betraf. Damals habe ich mich dafür stark gemacht, dass die Türkei, bevor sie eine Mitgliedschaft auch nur in Betracht ziehen kann, zuerst einmal die rechtmäßige zyprische Regierung anerkennen, den Genozid an den Armeniern im Jahr 1915 eingestehen und die Situation der größten staatenlosen Nation, nämlich der Kurden, verbessern muss.
In den darauf folgenden vier Jahren ist keine dieser Aufgaben erfüllt worden. Es gab keinen erkennbaren Fortschritt in den Beziehungen der Türkei zu Zypern und auch kein Zeichen der Bereitschaft, in der Vergangenheit verübte Verbrechen einzugestehen. Stattdessen verübt das türkische Militär mit dem Segen des türkischen Parlaments Völkermord an den Kurden. Die Europäische Union muss gegenüber der Türkei einen konsequenteren Standpunkt vertreten und die Verhandlungen so lange aussetzen, bis die genannten Probleme gelöst sind.
Jacques Toubon (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Indem sie gegen den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zur Lage in der Türkei gestimmt hat, will die französische UMP-Delegation zu verstehen geben, dass die Kommission, die Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament einen Fehler machen, wenn sie die Illusion eines Beitritts der Türkei weiter nähren.
Die UMP ist nicht gegen den Bericht von Ria Oomen-Ruijten, der von hoher Qualität zeugt, sondern gegen die Weigerung, die Realitäten der Türkei und ihrer Politik zu berücksichtigen, die in Widerspruch zu unserem Projekt der europäischen Integration stehen.
Dominique Vlasto (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe gegen diesen Bericht und den Entschließungsantrag gestimmt, um einmal mehr meine Ablehnung des Beitritts der Türkei zur Europäischen Union zum Ausdruck zu bringen. Die Europäische Kommission, die Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament machen einen Fehler, wenn sie diese Illusion, die die türkischen wie auch die europäischen Bürger täuscht, weiter nähren. Ich weigere mich, mich einem politischen Konzept anzuschließen, das die Realitäten der Türkei und ihrer Politik, die im Widerspruch zu unserem Projekt der europäischen Integration stehen, außer Acht lässt.
Wenn Europa ein Raum der gemeinsamen Werte ist, dürfen wir unsere Augen nicht vor den beunruhigenden Tendenzen in der Türkei im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Grundlagen, die Meinungs- und Gedankenfreiheit oder die Achtung der Rechte der Minderheiten verschließen. Mit den türkischen Behörden in Bezug auf ihre Verantwortung Nachsicht zu üben, ist ein strategischer Fehler, da sie so in ihrem Bemühen um Fortschritte gebremst werden, die nicht für den Beitritt zur Europäischen Union erzielt werden sollen, sondern damit das türkische Volk in den Genuss seiner Grundrechte kommt und von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung seines Landes profitiert.
Mit einer privilegierten Partnerschaft mit der Türkei können diese Ziele – unter Achtung der Integrität beider Seiten – erreicht werden.
8. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um13.50 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: DIANA WALLIS Vizepräsidentin
9. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
10. Tragödie in Birma (Aussprache)
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgen Erklärungen des Rates und der Kommission zur Tragödie in Birma.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Wir sind noch immer von dem menschlichen Leid erschüttert, das der zerstörerische Zyklon der armen und unterdrückten Bevölkerung von Birma bzw. Myanmar zugefügt hat.
In zahlreichen nach dem Unglück veröffentlichten Stellungnahmen haben wir die tiefe Anteilnahme der Europäischen Union zum Ausdruck gebracht. Zudem hat die Europäische Union unverzüglich Soforthilfe zugunsten humanitärer Belange zugesichert. Bisher wurden von der Union mehr als 60 Millionen Euro bereitgestellt. Gleichzeitig sollte unterstrichen werden, dass der zugesagte Betrag die bereits vonseiten der Europäischen Union zur Verfügung gestellte Hilfe aufstocken wird, bei es sich ebenfalls um eine beträchtliche Summe handelt.
Trotzdem sind der Zugang zu den betroffenen Gebieten und die schnelle Verteilung der Hilfe weiterhin die Hauptprobleme. Vorigen Dienstag wurde vom Vorsitz in Zusammenarbeit mit Kommissar Louis Michel eine außerordentliche Sitzung des Rates der Europäischen Union einberufen. Bei diesem Anlass kamen die Entwicklungsminister überein, dass die Gefahr einer noch größeren Tragödie besteht, wenn die birmanische Staatsführung nicht zu einer besseren Zusammenarbeit bereit ist.
Die Situation ist immer noch kritisch. Deshalb hat der Europäische Rat die birmanische Staatsführung dringend ersucht, schnellstmöglich Maßnahmen einzuleiten, die den Not leidenden Menschen den Zugriff auf Hilfe ermöglichen. Der Rat begrüßte die von Kommissar Michel unternommenen Anstrengungen, um die Staatsführung in Birma/Myanmar davon zu überzeugen, dass humanitäre Hilfe dringlich und neutral ist. Gleichzeitig bedauern wir, dass die birmanische Staatsführung nicht bereit war, alle Hilfsleistungen in Anspruch zu nehmen, die die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft zur Verfügung stellen wollen.
Außerdem hat der Rat dem UN-Generalsekretär und allen von den Organen der Vereinten Nationen aufgeführten Initiativen, die helfen können, den humanitären Bedarf zu decken, seine volle Unterstützung zugesagt. Wir begrüßen ebenfalls den für morgen geplanten Besuch des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, in Birma.
Der Rat hat die Lage in Birma bei allen politischen Treffen, die kürzlich mit seinen asiatischen Partnern stattgefunden haben, zur Sprache gebracht. Die asiatischen Länder wurden dazu aufgefordert, Einfluss auf die birmanische Staatsführung zu nehmen und sie davon zu überzeugen, dass die internationale humanitäre Hilfe neutral und unparteiisch ist.
Am 19. Mai fand ein Treffen der Außenminister der ASEAN-Mitgliedstaaten in Singapur statt. Zuvor hatte die Europäische Union den Ministern eine Demarche überreicht, in der die Länder der Region ersucht werden, ihren Einfluss auf die birmanische Staatsführung dahingehend geltend zu machen, dass diese die Grenzen für humanitäre Hilfe und für Mitarbeiter humanitärer Organisationen öffnet.
Am Montag, dem 26. Mai, wird der Rat Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen über die humanitäre Lage in Birma debattieren, über die Weigerung, speziell ausgebildeten Mitarbeitern humanitärer Organisationen Zugang zu gewähren Hilfsgüter in die betroffenen Gebiete zu liefern.
Wegen der politischen Lage im Land wird Birma bzw. Myanmar weiterhin ein Hauptthema der Debatten des Rates sein. Die Tatsache, dass die Militärjunta, ungeachtet des riesigen Ausmaßes der humanitären Katastrophe, das nationale Referendum nicht abgesagt hat, gibt Anlass zur Sorge. Wir glauben, dass das zu Unregelmäßigkeiten beim Verfahren zur Annahme der neuen Verfassung führen kann.
Sorge bereiten uns ferner Berichte, denen zufolge es zu eskalierenden Einschüchterungen im Vorfeld des Referendums gekommen ist. Ich möchte betonen, dass die Europäische Union auch darüber enttäuscht ist, dass die Staatsführung den Aufrufen der Vereinten Nationen, den Übergang zur Demokratie integrativer und legitimer zu gestalten, keinerlei Beachtung geschenkt hat. Ich möchte bekräftigen, dass die Europäische Union weiterhin die Bestrebungen der Vereinten Nationen unterstützen wird.
Zum Schluss möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Europäische Union am 29. April den im November 2007 angenommenen Gemeinsamen Standpunkt überarbeitet hat. Von jetzt an enthält dieser Standpunkt, der als Antwort auf die Unterdrückung friedlicher Proteste angenommen wurde, erweiterte restriktive Maßnahmen gegenüber Birma.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. − (FR) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zuallererst gestatten Sie mir, Ihnen dafür zu danken, dass Sie Birma auf die Tagesordnung dieser Sitzung gesetzt haben.
Angesichts des Ausmaßes der vom Wirbelsturm Nargis am 2. Mai dieses Jahres verursachten Katastrophe haben wir dem Vorsitz vorgeschlagen, eine außerordentliche Tagung des Rates der Außenminister der Europäischen Union einzuberufen. Diese Ratstagung wurde durch den slowenischen Vorsitz ohne unnötige Verzögerung einberufen, wofür ich mich bedanken möchte, und sie fand am 12. Mai statt.
Auf dieser Tagung rief die EU zu einer verstärkten Zusammenarbeit der Behörden Birmas auf, um den Zugriff auf die internationale humanitäre Hilfe sowie deren Verteilung zu erleichtern. Ich beschloss, direkt auf diesen Aufruf zu reagieren, indem ich persönlich am 15. und 16. Mai nach Birma reiste. Während meiner Reise, die ich eindeutig als rein humanitär und unpolitisch deklarierte, hatte ich die Möglichkeit, mich mit birmanischen Behörden und Vertretern humanitärer Organisationen in Birma zu treffen, und ich konnte den Katastrophengebieten um Yangon einen Arbeitsbesuch abstatten. Während zweieinhalb Stunden hatte ich recht angespannte Unterredungen und Gespräche mit dem Minister für Planung, dem Minister für soziale Wohlfahrt und dem Gesundheitsminister – wobei der Minister für Planung von den drei Ministern, mit denen ich zusammengetroffen bin, ganz offensichtlich die meisten Befugnisse besaß und sicher der autoritärste unter diesen war.
Meine Reise hat deutlich gezeigt, dass die birmanischen Behörden nur sehr widerstrebend bereit sind, die normalerweise notwendigen praktischen Modalitäten für eine den Bedürfnissen vor Ort entsprechende internationale humanitäre Antwort zu schaffen. Es ist jedoch meiner Meinung nach genauso klar, dass ein Herangehen, das darauf abzielt, den birmanischen Behörden die internationale humanitäre Hilfe aufzuzwingen, in Anbetracht der uns heute zur Verfügung stehenden Mittel zum Scheitern verurteilt und womöglich sogar kontraproduktiv ist. Alle humanitären Organisationen vor Ort haben mir das gesagt und bestätigt, dass das Problem offensichtlich nicht der Mangel an Organisationen vor Ort und erst recht nicht der Mangel an Geld ist – da fehlende Mittel natürlich auch mit dem Zugang internationaler Experten und internationaler Fachleute zu tun haben –, sondern eben der fehlende Zugang.
Meine Reise hat sicherlich in bescheidenem Maße dazu beigetragen, eine ganz kleine Öffnung zu erzielen, über die sich nach und nach ein minimaler humanitärer Raum für internationale humanitäre Hilfe schaffen lässt. Die birmanischen Behörden gingen teilweise auf unterschiedliche konkrete Forderungen ein: So wurden zum Beispiel die Visa für die Sachverständigen der Kommission um zwei Wochen verlängert. Diese hatten Visa für drei Tage erhalten, die dann um zwei Wochen verlängert wurden. Wir hatten einen Monat beantragt.
Wir haben außerdem eine Situation geklärt, die sich als wirklich bedenklich erwies. Und zwar ging es darum, dass an einigen Orten die einheimischen Behörden selbst vom örtlichen Personal, also sogar von den Technikern, die für unsere Agenturen, für die Vereinten Nationen oder für die Nichtregierungsorganisationen arbeiten, eine Erlaubnis, also eine schriftliche Genehmigung forderten, was in den meisten Fällen natürlich unmöglich war. Das wurde geklärt, und ganz offensichtlich ist nun für das örtliche Personal keine Genehmigung erforderlich. Es ist auch keine mehr erforderlich, um in die Katastrophengebiete und insbesondere auf den Flughafen von Pathein zu gelangen. Ich habe außerdem gefordert, dass ein zweiter Flughafen, also der Flughafen von Pathein, bei dem es sich um einen Militärflughafen handelt, geöffnet wird, um die Landung von Flugzeugen mit materiellen Gütern an Bord zu ermöglichen. Mir wurde geantwortet, dass dies unmöglich sei, da die technischen Normen des Kontrollturms nicht den internationalen Normen entsprächen, und dass dies in keiner Weise die Arbeit erleichtern würde, da die Verkehrswege zwischen Rangun und dem Delta, der am meisten betroffenen Region, besser befahrbar und einfacher zu benutzen seien. Leider hatte ich keine Genehmigung, um diese Sachlage mit eigenen Augen prüfen zu können.
Ich meine, dass es wichtig ist, weiterhin einen starken internationalen Druck aufrechtzuerhalten, sowohl seitens der Länder der Region als auch seitens der gesamten internationalen Gemeinschaft. Ich möchte erwähnen, dass ich in dem Gespräch mit den Behörden außerdem ausdrücklich forderte – ich stellte fünf ganz konkrete Forderungen, die ich Ihnen gleich etwas genauer erläutern werde –, dass sie den Ärzten und dem medizinischen Personal aus den Ländern der Region erlauben, in den am meisten zerstörten Gebieten tätig zu werden, und am Tag meiner Abreise erhielten sie die Genehmigung. Es gibt demnach 140 Ärzte, die dorthin gegangen sind, sowie medizinisches Personal aus Laos, aus Kambodscha, Indien, Bangladesch und Thailand. Sie konnten also in die am ärgsten betroffenen Gebiete fahren. Die Länder der Region werden eine entscheidende Rolle spielen, und ich hatte, nebenbei bemerkt, Gelegenheit, mich ziemlich eingehend mit Generalsekretär Ban Ki-moon zu unterhalten, während ich auf mein Flugzeug für den Rückflug nach Bangkok wartete. Ich habe ihm all diese Nachrichten übermittelt und ihm gesagt, welchen Eindruck ich hatte, und vor allem, wie meine Reise abgelaufen ist.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen teilte diese Analyse, legte aber auch selbst zwei konkrete Vorschläge vor: die Entsendung eines gemeinsamen Koordinators der Vereinten Nationen und der ASEAN-Länder für humanitäre Aktionen und die alsbaldige Abhaltung einer Geberkonferenz unter dem gemeinsamen Vorsitz der Vereinten Nationen und der ASEAN-Länder am 24. und 25. Mai diesen Jahres in Bangkok. Nachdem der UN-Koordinator für humanitäre Aktionen, John Holmes, in den letzten Tagen in Birma weilte, wird der Generalsekretär Ban Ki-moon morgen dorthin reisen, um die Weiterleitung der internationalen Hilfe zu besprechen.
Was die konkreten Bedürfnisse betrifft, bleibt die humanitäre Lage im Land dramatisch, und es besteht die Gefahr, dass zu der ersten, durch den Zyklon verursachten Katastrophe noch eine zweite humanitäre Katastrophe hinzukommt: die Gefahr einer Hungersnot, weil die Ernten zerstört sind, sowie Seuchengefahr unter den Überlebenden, deren Lebensbedingungen erbärmlich sind. Es besteht Seuchengefahr. Zu dem Zeitpunkt, als wir dort waren, sah die Weltgesundheitsorganisation nicht die Gefahr des Ausbruchs von Cholera, aber es gab enorm viele Kinder, die an Durchfall usw. litten. Es bestand also eine Seuchengefahr aufgrund der Verschmutzung des Wassers. Und es besteht die Gefahr einer Hungersnot. Die dortige Region ist die Reiskammer, und sämtliche Lebensmittelvorräte wurden vernichtet.
Es gibt da ein praktisches Problem: Diese Böden müssten bepflanzt werden, um die Oktoberernte zu sichern. Dafür bleibt ein Zeitraum von maximal drei bis vier Wochen. Nun ist es so, dass einige der Menschen, die in, wie sie sagen, zeitweilige Camps, gezogen sind, aus allen möglichen Gründen nicht auf ihren Grund und Boden zurückkehren möchten, und dass andere dorthin zurückkehren möchten, aber besondere Samenarten benötigen, da sämtliche Böden eine Versalzung erlitten und nun kräftigere Pflanzen und auch Düngemittel erforderlich sind. Ich habe daraufhin versucht, zu diesem Thema mit den Behörden einen konstruktiven und praxisbezogenen Dialog in Gang zu bringen. Es war angedacht gewesen, dass das Micro Credit Scheme des UNDP als Finanzkanal dienen könnte. Gegenwärtig sind wir damit beschäftigt, darüber zu diskutieren. Das geht nicht so schnell, muss ich Ihnen sagen.
Die Kommission reagierte sehr rasch mit einem schon am 5. Mai angenommenen ersten Nothilfebeschluss über zwei Millionen Euro. Sie wissen, dass ich eigentlich das Recht habe, sofort und ohne irgendeine Instanz zu durchlaufen, drei Millionen Euro bereitzustellen. Da wir dann aber über keine formale Erfassung verfügten, begannen wir mit der Bereitstellung von zwei Millionen. Danach entschieden wir nochmals über Geldmittel in Höhe von fünf Millionen Euro für die Nahrungsmittelhilfe sowie eine zusätzliche Dringlichkeitsmaßnahme über zehn Millionen Euro. Natürlich sind wir bereit, auf der Grundlage von Bedarfsbewertungen und von Zusicherungen in Bezug auf die Überwachung der Hilfeleistung noch mehr zu machen.
Als ich mich nach dem zweieinhalbstündigen Gespräch mit den Behörden verabschiedete, ließ ich ihnen ein Schreiben mit meinen konkreten Bitten übermitteln. Mein erster Wunsch betraf die Verlängerung der Visa für das vorübergehend mit dieser Aufgabe betraute Personal, die Mitarbeiter der Kommission. Hier erhielten wir eine Verlängerung um zwei Wochen.
Ich habe außerdem gebeten, dass sie definitiv klären und unseren örtlichen Behörden mitteilen, dass das in unseren Agenturen arbeitende birmanische Personal sowie andere Techniker nicht länger eine offizielle Erlaubnis oder eine Reisegenehmigung vorweisen müssen. Dieser Punkt wurde offenbar geklärt.
Ich bat um Visa für Mehrfacheinreisen mit einer Gültigkeit von sechs Monaten, um den von der EU finanzierten Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit zu bieten, ihr internationales Personal zu verdreifachen. Als ich das Land verließ, gab es um die hundert Visumanträge für Einrichtungen der Vereinten Nationen und ein wenig mehr als hundert für die NRO. Ich bat darum, dass wir regelmäßig informiert werden. Es gibt einige, die seitdem ausgestellt wurden, aber wir sind noch weit davon entfernt, was wir gefordert hatten.
Ich beantragte auch Visa und Reisegenehmigungen für Fahrten in das Delta, und um zu sichern, dass eine genügende Anzahl von Technikern mobilisiert werden kann. Schließlich bat ich, wie schon gesagt, um die rasche Erteilung der Genehmigungen für die Ärzte vor Ort und für das medizinische Personal der Region. Diesbezüglich, scheint es, wurden wir perfekt verstanden.
In Bezug auf den Flughafen von Pathein, der in gewisser Weise als Dreh- und Angelpunkt für die Verteilung der mit Flugzeugen der internationalen Gemeinschaft eintreffenden Erzeugnisse hätte dienen können, gab es ein klares Nein, das einerseits, ihrer Argumentation zufolge, durch die Tatsache gerechtfertigt war, dass die Kontrollmittel und –ausrüstungen nicht den internationalen Normen entsprächen, und dass es andererseits ihrer Meinung nach effektiver sei, über Rangun zu gehen – was ich bezweifle –, weil Rangun, zu dem Zeitpunkt, als ich mich dort befand, bereits überlastet war und mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen hatte, die nach und nach ein wenig geklärt wurden. Ich bin mir nicht sicher, ob es vielleicht dank meiner Intervention zu dieser Lockerung kam, oder ob sie selbst einfach nicht mehr wussten, wie sie den Flughafen von Rangun beherrschen sollten. Und ich habe den Eindruck, dass Trägheit auf institutioneller Ebene der Grund dafür war, dass dies auf diese Weise geregelt wurde.
Alles in allem muss ich Ihnen sagen, dass die Reise äußerst frustrierend verlief. Ich habe das Gefühl, dass gegenüber der internationalen Gemeinschaft totales Misstrauen herrscht. Es gibt in diesem Land Apriori, die sehr tief verankert sind. Ganz offensichtlich entsteht manchmal der Eindruck, dass man von niemandem erhört wird. Es ist äußerst schwierig, die Auffassung und die Gedankenwelt desjenigen, der vor einem steht, zu berühren. Die Gespräche verliefen gut, in den zweieinhalb Stunden wurde echt debattiert, zwar sehr höflich, aber auch in sehr strengem Ton, weil es da nämlich noch eine quälende Frage gibt: Warum werden internationale Techniker zurückgewiesen, die doch so sehr bei diesen Aktionen gebraucht werden?
Ich habe im Übrigen an die Pflicht zu schützen erinnert, insbesondere auf diese Weise, was aber trotz allem ein grundsätzliches Problem aufwarf. Man hat mir darauf geantwortet, dass es Fragen gibt, die sich nicht beantworten lassen. So sind die Dinge abgelaufen. Ich war natürlich enttäuscht darüber, dass ich nicht mehr konkrete Dinge in Gang bringen konnte, aber ich verschweige Ihnen gegenüber auch nicht, dass ich dann doch sehr froh war, nach Europa zurückzukehren.
Hartmut Nassauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Herr Kommissar hat überzeugend und plastisch geschildert, wie in Burma die herrschende Militärregierung die eigene Bevölkerung zynisch und brutal im Stich lässt.
Ich will mich hier an die ASEAN-Organisation und an die ASEAN-Mitgliedstaaten wenden. Das Europäische Parlament unterhält mit den Parlamentariern der ASEAN-Staaten seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen. Die ASEAN hat vor nicht allzu langer Zeit eine neue Charta unterzeichnet, in der die Geltung der Menschenrechte ausdrücklich beschworen wird. Es liegt auf der Hand, dass die ASEAN für ihren Mitgliedstaat Burma eine Mitverantwortung trägt und dass das Ansehen der ASEAN-Staaten in der Welt in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn sie die burmesische Militärclique weiter so agieren lassen, wie das im Augenblick geschieht.
Ich appelliere an die ASEAN-Staaten, auch im Namen der guten und freundschaftlichen Beziehungen zur Europäischen Union, das ihnen Mögliche zu tun, um die burmesische Militärjunta davon zu überzeugen, dass man ihrer Bevölkerung helfen können muss. Das liegt wie gesagt auch in der Verantwortung und der Möglichkeit der ASEAN-Staaten. Sie werden zu dieser Verantwortung befragt werden, und es wird unsere Beziehungen zur ASEAN beeinflussen, ob sie ihre Möglichkeiten hier geltend machen oder nicht. Das muss nicht in öffentlichen Appellen geschehen. Da gibt es andere Möglichkeiten. Aber die Europäische Union erwartet, dass insbesondere die Nachbarstaaten von Burma das ihnen Mögliche tun, um die Haltung dieses Regimes dort zu verändern.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Zunächst möchte ich dem Kommissar auch im Namen meiner Fraktion ein Kompliment machen. Heute gab er deutlich zu verstehen, er werde sich unter sehr schwierigen Bedingungen nach Kräften bemühen. Er selbst sprach von einem Dialog unter Tauben. Wir müssen feststellen, dass die Lage in Birma bizarre Formen annimmt. Nun sind fast drei Wochen vergangen, seitdem der Zyklon über das Land raste, und die Regierung lässt noch immer kaum Hilfe von außen zu. Die Behörden selbst scheinen eher in Passivität zu verharren. Das Land ist seit Wochen für Helfer, Experten und Medien gesperrt. Nahezu kafkaesk mutet es an, dass die Junta ein Referendum, das ihre eigene Machtposition festigen sollte, vor anderthalb Wochen abhielt.
Einigen Quellen zufolge beläuft sich die offizielle Zahl der Todesopfer auf etwa achtzigtausend. Zig Tausende werden noch vermisst, und mehr als zwei Millionen sind obdachlos. Allmählich nimmt es Pol-Pot-artige Dimensionen an, nehmen wir zumindest an, denn ebenso wenige Informationen dringen aus dem Land wie Hilfe hineingelangt. Die Weigerung, Hilfe in das Land zu lassen, bezeichnete der ehemalige UN-Koordinator Jan Egeland Anfang dieser Woche als Mord. Die birmanische Regierung lässt ihre Verantwortung zum Schutz zur Farce geraten. Der Unterschied zu China, das vorige Woche tragischerweise von einem schweren Erdbeben getroffen wurde, ist frappierend. Die enorme Verwüstung wurde nicht vertuscht und war überall, auch in China selbst, im Fernsehen zu sehen, und die chinesische Regierung richtete einen Hilfsappell an die internationale Gemeinschaft.
Das Image der birmanischen Regierung kann nicht mehr großen Schaden nehmen. Es hat mehr oder weniger ein Allzeit-Tief erreicht. China kann viel mehr tun und die birmanische Staatsführung dazu bewegen, internationale Hilfe zu akzeptieren. Gleiches gilt für Russland und Indien, die entweder in der UNO oder in der ASEAN Druck auf die Junta ausüben müssen. Ich schließe mich Herrn Nassauers Bemerkung in diesem Punkt an.
Am vergangenen Montag wurde in der ASEAN eine Einigung über internationale Hilfe für Birma erzielt. Sämtliche Hilfsbemühungen werden von der ASEAN koordiniert. Das ist ein Schritt nach vorn. Direkte Hilfe aus dem Westen jedoch ist nach wie vor ausgeschlossen. Eine Geberkonferenz soll nächste Woche stattfinden. Ich appelliere an Europa, freigiebig und großherzig dazu beizutragen. Das ist aber nur dann möglich, wenn garantiert ist, dass unser Beitrag tatsächlich am rechten Ort ankommt und dass auch Journalisten in das Land gelassen werden, damit wir uns wirklich ein Bild von der dortigen Lage machen können.
Jules Maaten, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Wie oft haben wir nun schon hier gestanden und über Birma diskutiert? Mehrmals im Jahr kommen wir hier zusammen, und noch immer ist der Fall hoffnungslos.
Allerdings hat sich die Lage in Birma, seitdem wir das letzte Mal darüber sprachen, sogar verschlimmert. 1,4 Millionen Opfer warten noch auf Hilfe. 30 000 Kinder leiden an akuter Unterernährung. Hunderttausenden Obdachlosen drohen Cholera, Lungenentzündung und andere Infektionskrankheiten. Dem Vernehmen nach erhielten heute Morgen sage und schreibe acht ausländische Ärzte von Ärzte ohne Grenzen Zugang zum Katastrophengebiet.
Auf jeden Fall möchte ich mich Herrn Nassauers Appell an die ASEAN anschließen. Sie müssen jetzt endlich Rückgrat zeigen, denn es ist klar, dass die Junta eher am Fortbestand ihres eigenen Regimes durch das Referendum, das diesen Namen nicht verdient – Herr Wiersma nennt es „kafkaesk“ –, als am Überleben des eigenen Volkes interessiert ist. Die Generale denken, Ausländer, die in das Land kommen, würden ihr Militärregime in seiner Existenz bedrohen.
Es ist jedoch klar, dass Ärzte ohne Grenzen, Oxfam, die britischen, französischen und US-amerikanischen Schiffe Hilfsgüter bringen, keinen Regimewechsel, ganz egal, wie sehr ich mir das vielleicht wünsche. Offensichtlich können wir die Junta aber nicht davon überzeugen. Daher müssen wir nach Alternativen suchen. Die beste Alternative ist, wie ich meine, der Sicherheitsrat. Europa und die USA müssen darauf dringen, dass die Lage in Birma auf die Tagesordnung gesetzt wird. Alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben die beiden folgenden Prinzipien unterschrieben: die Übernahme der Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung und, wenn ein Land dazu nicht mehr in der Lage oder willens ist, das Recht zur Intervention der internationalen Gemeinschaft in Katastrophenfällen.
Die Vereinten Nationen müssen handeln. Ich verstehe die Probleme und bin stolz auf Kommissar Michel, der, anstatt die Hände zu ringen und Arbeitsgruppen einzuberufen, nach dem Motto „Taten statt Worte“ einfach zugepackt hat. Das imponiert mir. Auch die von der Europäischen Union zugesagte Hilfe finde ich vorbildlich. Meines Erachtens hat der französische Minister, Herr Kouchner, Recht, wenn er sagt, die Junta mache sich eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig. Ich frage mich, weshalb wir, die übrigen 26 EU-Mitgliedstaaten, nicht intensiv zuhören.
Herr Präsident, der birmanischen Bevölkerung muss Hilfe geleistet werden, mit oder ohne Zustimmung der Junta. Das Vorenthalten der notwendigen Unterstützung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich wünsche mir, dass die Europäische Union die Initiative ergreift und die Vereinten Nationen und den Sicherheitsrat dazu drängt, diesen Fall an den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu verweisen. Genug ist genug, unsere Geduld hat ein Ende. Ich würde sagen, zerren wir die Junta vor den Internationalen Strafgerichtshof. Darum geht es uns. So wie sich die Lage derzeit darstellt, gehören sie hinter Gitter und nicht die Dissidenten in Birma!
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Fraktion Verts/ALE. – (FR) Frau Präsidentin! Meiner Meinung nach sollten wir in der Art, wie wir von dieser Frage sprechen, ruhig etwas konkreter werden, zum Beispiel, was den Begriff der Neutralität betrifft. Wir sind nicht neutral. Wenn wir für die Bevölkerung Birmas sind, dann sind wir also gegen die Militärjunta. Da die Militärjunta der Bevölkerung Birmas nicht helfen will, sind wir gegen die Militärjunta. Wir dürfen sie nicht unterstützen – doch genau so wird es verstanden, was wir tun.
Louis Michel hatte eine zweieinhalbstündige Unterredung. Diese Geschichte hat etwas Surrealistisches an sich: Er sagt uns, dass er dorthin gereist ist, zweieinhalb Stunden mit ihnen gesprochen hat. Ihm wird erzählt, dass der Flughafen „soundso“ nicht innerhalb von 24 Stunden einsatzbereit gemacht werden kann – in Sarajevo wurden technische Anlagen für die Öffnung eines Flughafens bereitgestellt – das ist also nicht wirklich ein Problem.
Wir haben momentan ganz offensichtlich einen äußerst kritischen Zeitpunkt erreicht, und ich stimme zu: Die Verpflichtung zum Schutz bringt die Militärjunta dazu, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen ihre eigene Bevölkerung, zu begehen. So sind die Tatsachen. In künftigen öffentlichen Aussprachen wird sich zeigen, was daraus wird. Aber es stimmt allerdings, dass der Internationale Gerichtshof in diesem offenkundigen Fall angerufen werden muss. Das Interessanteste daran ist, dass wir, wenn wir dies tun, uns an den Sicherheitsrat wenden, und dass Birmas Beschützer – die Chinesen – wirklich eine ziemlich unverständliche Sprache sprechen.
Man kann also sagen, dass China in gewisser Weise richtig daran getan hat, seine Grenzen zu öffnen, dass es aber gleichzeitig weiterhin Birma schützt, dass es nach wie vor eine Regierung schützt, die ihr eigenes Volk niedermetzelt.
Ich denke deshalb, in dieser Situation wird deutlich, dass niemand weiß, wie man die Nahrungsmittelhilfe an den Mann bringen soll. Aber wir müssen dennoch Druck ausüben, so viel Druck wie möglich. Selbst die eventuelle Möglichkeit des Transports von Hilfsgütern manu militari, also mit militärischer Gewalt, bietet uns – wie auch asiatischen Ländern – in gewisser Weise die Möglichkeit, Druck auf Birma auszuüben. Momentan ist meiner Ansicht nach das eindeutig, was Louis Michel gerade auf seine Weise zum Ausdruck gebracht hat – rede nur, meine Liebe, ich höre dir zu, aber es kümmert mich einen Dreck. Das ist es, was er uns auf seine diplomatische Art und Weise, vor der ich große Hochachtung empfinde, gesagt hat.
Aber die Regierung von Birma ist gegenwärtig taub. Sie will nicht hören, sie ist, – das wurde gesagt – nicht an einem Verfassungsreferendum interessiert. Das heißt, alle Welt wird verspottet. Folglich sollten davon ausgehend die Druckmaßnahmen so hart wie möglich sein, und wir sollten danach fordern, dass die Konsequenzen auf der Ebene des Sicherheitsrates und auf der Ebene des Internationalen Strafgerichtshofs von Den Haag gezogen werden.
Brian Crowley (UEN). – (GA) Herr Präsident! Vor nahezu drei Wochen hat der Wirbelsturm Nargis Burma heimgesucht und Häfen und das Irrawaddy-Delta zerstört. Dem Wirbelsturm zum Opfer fielen auch Häuser und Städte, Tausende Menschen verloren ihr Leben, und Tausende wurden obdachlos.
(EN) Aus der Geschichte weiß man, dass sich das Leiden der Menschen um Größenordnungen vervielfacht, die unser Vorstellungsvermögen übersteigen, wenn nicht sofort auf ihre Not reagiert wird.
Das Versagen des birmanischen Regimes spiegelt in vielerlei Hinsicht das wider, was wir in diesem Parlament in den letzten Jahren über die Militärjunta gesagt haben, die gegenwärtig in Birma an der Macht ist. Wir müssen jedoch trotz unserer Vorbehalte gegen diese Militärjunta – auf welche Weise auch immer – Wege finden, damit unsere Hilfe die Bevölkerung direkt erreicht. Ich begrüße die Tatsache – und ich hatte nicht erwartet, dass ich dies heute sagen kann –, dass die Militärjunta nun fünf Hubschrauber der Vereinten Nationen zur Verteilung von Nahrungsmitteln ins Land gelassen hat, obwohl ein Schiff der französischen Marine und Schiffe der amerikanischen Marine vor der Küste liegen und nur darauf warten, die Menschen mit Nahrung und medizinischer Hilfe zu versorgen.
Es ist unser aller Pflicht sicherzustellen, dass die größtmöglichen Anstrengungen unternommen werden können, um Menschen zu helfen, wenn sie in Not sind. So könnte Birma von seinen großen Fürsprechern, den Chinesen, bezüglich der Art und Weise, in der diese bei ihrer letzten großen Naturkatastrophe reagiert und sich mit der Bitte um internationale Hilfe und Beistand an Japan und andere Länder gewandt haben, etwas lernen. Es ist zu hoffen, dass es uns gelingen wird, innerhalb dieser verschiedenen Allianzen Bedingungen zu schaffen, unter denen Hilfe und Beistand geleistet werden können.
Die Problematik im Zusammenhang mit dem Internationalen Strafgerichtshof muss zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden. Ganz wie Louis Michel schon gesagt hat, besteht unsere vordringlichste Aufgabe darin, die für die Bereitstellung der Hilfsgüter erforderlichen Mechanismen zu schaffen, die Infrastruktur und Wohnstätten wieder aufzubauen, und vor allem die anhaltende Not der birmanischen Bevölkerung zu beenden.
Jim Allister (NI). – (EN) Frau Präsidentin! Ein Regime, das aufgrund seines xenophoben Verfolgungswahns die eigenen Bürger bewusst unnötig leiden lässt, ist nicht nur unmoralisch, sondern bösartig. Leider regiert eine solche Junta in Birma. Ungerührt durch die Not ihres Volkes, wird sie sich kaum von dem beeindrucken lassen, was im Europäischen Parlament gesagt wird; dennoch müssen wir im Namen der Menschlichkeit Stellung beziehen.
Es geht uns nicht darum, Birma zu bevormunden, wir versuchen nur, dem Volk zu helfen, obwohl sich in Wirklichkeit langfristig ohne einen Regimewechsel für die Birmanen kaum etwas bessern wird. Ja, wir müssen ein Maximum an humanitärer Hilfe leisten, wobei der Abwurf von Nahrungsmitteln und Hilfsgütern als eine notwendige taktische Maßnahme zu betrachten ist – aber letztlich ist die Wiederherstellung der Demokratie der Weg, auf dem dieses vormals blühende Land seine Stellung zurückgewinnen und die Bedürfnisse des Volkes über den Fortbestand der Junta stellen wird.
Urszula Gacek (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Lassen Sie mich eingangs allen Menschen in Birma, die durch die Auswirkungen des Zyklons „Nargis“ Angehörige verloren haben oder verletzt worden sind, mein tiefes Mitgefühl aussprechen. Viele Europäer sind mit ihren Gedanken und Gebeten bei den Menschen in Birma. Unser Beileid zu bekunden reicht aber nicht aus. Wir müssen praktische Maßnahmen diskutieren und Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung finden, damit wir das Leid der Überlebenden lindern können.
Viele Staaten und internationale Organisationen sind sowohl willens als auch in der Lage, sofortige humanitäre Hilfe zu leisten – und das schon seit Wochen. Leider stellen die regierenden Militärmachthaber den Erhalt ihrer eigenen Macht über alles andere – das Leiden ihres Volkes scheint für sie wenig zu zählen. Sie fürchten jede Art Engagement des Auslands in Birma, selbst wenn es sich um Mitarbeiter von Hilfsorganisationen handelt. Der persönliche Bericht des Kommissars über seine Gespräche mit den birmanischen Militärmachthabern ist ernüchternd, und es gibt wenig Hoffnung, dass die birmanischen Machthaber ihre Haltung ändern werden. Während wir also hier reden und verzweifelt die Hände ringen angesichts der Unmöglichkeit, die birmanischen Behörden zur Annahme von Hilfe zu bewegen, und der Machtlosigkeit der ASEAN, sind hunderttausende von Menschen in großer Not.
Der UNO-Sicherheitsrat kann und sollte sich auf seinen Grundsatz berufen, wonach er zu Schutz- und Hilfeleistung ohne die Zustimmung der birmanischen Machthaber verpflichtet ist. Ich möchte die Regierung des Vereinigten Königreichs, das gegenwärtig den Vorsitz im Sicherheitsrat innehat, nachdrücklich auffordern, den sofortigen Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft zu gestatten. Die birmanischen Machthaber tragen die Verantwortung für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wir allerdings dürfen nicht tatenlos zuschauen und damit zulassen, dass sie es fortsetzen. Zwar teile ich die Ansicht, dass Abwürfe aus der Luft keine ideale Methode sind, um Hilfe in ein Land zu bringen, denn wir würden natürlich lieber ausgebildete Helfer die Hilfsgüter verteilen lassen, aber sie sind besser als nichts. Lassen Sie uns also bitte wenigstens etwas Hilfe ins Land bringen, und lassen Sie uns das jetzt tun!
Libor Rouček (PSE). – (CS) Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Äußerungen derjenigen an, die ihr tief empfundenes Mitgefühl mit den leidgeprüften Familien Zehntausender Opfer des tödlichen Wirbelsturms Nargis in Birma (Myanmar) bekundet haben. Auch möchte ich meine umfassende Solidarität mit den Hunderttausenden Menschen zum Ausdruck bringen, die durch diese Naturkatastrophe ihre Existenzgrundlage und das Dach über dem Kopf verloren haben. Es freut mich, dass die Europäische Kommission so rasch humanitäre Hilfe angeboten und Kommissar Michel zügig gehandelt hat. Leider ist die Reaktion der birmanischen Regierung und der Behörden Birmas nicht nachvollziehbar. Es ist als inhuman und grausam zu bewerten, wenn sie ihr eigenes Volk, die Opfer dieser schrecklichen Katastrophe, daran hindern, humanitäre Hilfe aus dem Ausland anzunehmen. Deshalb rufe ich die birmanische Regierung und alle leitenden Beamten auf, ihre Grenzen für die Hilfe aus dem Ausland zu öffnen und den Hilfsgütern wie auch den Mitarbeitern internationaler humanitärer Organisationen den Zugang zum Land nicht zu verwehren. Zudem appelliere ich an China, Indien, Singapur und weitere Länder in der Region einschließlich der ASEAN-Staaten, ihren Einfluss geltend zu machen und Birma zu bewegen, die Ländergrenzen für ausländische Hilfe zu öffnen. Kein Land der Welt ist in der Lage, die Folgen von Naturkatastrophen dieses Ausmaßes aus eigenen Kräften zu bewältigen.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Die Lage in Birma nach dem katastrophalen Wirbelsturm, der sich dort vor kurzem ereignet hat, ist verheerend und verschlimmert sich mit jedem Tag. Den Zivilpersonen, die den eigentlichen Zyklon überlebt haben, drohen jetzt Krankheiten und Tod durch Hunger, Obdachlosigkeit und fehlende medizinische Hilfe. Dennoch bleiben die in Birma herrschenden Militärdiktatoren gegenüber dem dringenden Erfordernis, den Opfern wirksame Hilfe zukommen zu lassen, weitgehend gleichgültig.
Diese herzlosen Generäle sind viel mehr an der Erhaltung ihrer Macht und weit weniger am Schicksal der Überlebenden der Katastrophe interessiert. Die Art und Weise, in der das birmanische Regime gehandelt hat und weiterhin handelt, ist inakzeptabel und kriminell. Die internationale Gemeinschaft und die EU – vor allem in Person von Kommissar Michel – haben alles getan, um die Junta von Birma dazu zu bringen, auf die Stimme der Vernunft zu hören – aber leider ohne die erwünschte Wirkung.
Meiner Meinung nach bleibt jetzt kein anderer Weg, als zu einer Form von erzwungenen Hilfslieferungen in die betroffene Region überzugehen. Solch ein Vorgehen wäre möglich mit vordringlicher Zustimmung der UNO und der Bereitstellung der erforderlichen Logistik durch geeignete militärische Verteilungssysteme in enger Abstimmung mit anderen Staaten, zum Beispiel den USA.
Das ist allerdings eine Maßnahme, die nur als letztes Mittel und im äußersten Fall in Frage kommt, aber meiner Meinung nach unbedingt erforderlich ist, um das Leben tausender Unschuldiger zu retten. Wir können einfach nicht passiv bleiben und noch länger dem Leiden und Sterben der Menschen in Birma zuschauen.
Frithjof Schmidt (Verts/ALE). – Frau Präsidentin! Das Ausmaß der Krise in Birma ist tragisch: Wir haben über 100 000 Tote, 200 000 Vermisste und über 2 Millionen obdachlose Menschen bei 54 Millionen Einwohnern insgesamt. Das Irrawaddy-Delta gilt als Reisschüssel des Landes, es ist zentral für die Nahrungsmittelproduktion. Die Flutwelle ging 35 km tief ins Land hinein, hat Felder überflutet, in der Folge wird ein großer Teil dieser Felder versalzen. Das heißt, zu der aktuellen humanitären Katastrophe kommt mittelfristig jetzt noch eine Krise der Nahrungsmittelproduktion im Irrawaddy-Delta hinzu.
Die Menschen in Birma brauchen dringend aktuelle und auch langfristige Hilfe der internationalen Gemeinschaft. Die muss leider gegen die Generäle durchgesetzt werden – unter allen Umständen. Die Blockade der Nothilfe durch eine Regierung ist ein einmaliger Skandal in der internationalen Geschichte. Die Zyklonopfer werden hier zu Geiseln einer paranoiden und mörderischen Soldateska genommen, die seit einigen Jahrzehnten dort herrscht.
Im September letzten Jahres wurde die Demokratiebewegung des Volkes und der Mönche blutig niedergeschlagen, Tausende wurden getötet und verschleppt, jetzt sterben Zigtausende durch die Verweigerung der Hilfe für die Bevölkerung. Sie werden umgebracht durch die Verweigerung der Hilfe. Dieses Regime gehört ganz oben auf eine schwarze Liste der Vereinten Nationen als mörderisches Regime, und die Mitglieder der Junta gehören vor den Internationalen Strafgerichtshof.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Die Menschheit hat noch nicht gelernt, wie die tragischen Folgen von Naturkatastrophen zu vermeiden sind. Diese Folgen sind bei Ländern, die von Diktatoren regiert werden, besonders dramatisch. Ein Beispiel dafür ist die Misere der birmanischen Nation. Das Volk Birmas hat doppelt gelitten, einmal wegen des Zyklons und einmal wegen des Verhaltens des Militärregimes, das dort an der Macht ist. Es wurde deutlich, wie herzlos die herrschenden birmanischen Generäle waren, als sie internationale Hilfe zur Rettung birmanischer Menschen ablehnten, obschon die Generäle selbst sie nicht retten konnten. Diese Entscheidung kommt einem vorsätzlich begangenen Verbrechen gegenüber der ganzen Nation gleich. Trotz flächendeckender internationaler Verurteilung bleiben die birmanischen Generäle bei ihrem kriminellen Handeln. Die humanitäre Hilfe landet entweder in den Händen der Militärs und ihrer Familien oder sie wird verkauft. Zugleich wird sie aufgrund der Verbreitung von Hunger und Krankheiten immer dringender benötigt.
Ganz besondere Aufmerksamkeit gebührt der Lage der burmesischen Waisen. Es verdichten sich die Hinweise, dass Menschenhändler aus diesen Waisen Sexsklaven für Bordelle überall in der Welt machen wollen.
Achtung der Menschenrechte bedeutet nicht nur, dass die nationalen Behörden nicht foltern, töten und verhaften dürfen. Unterlassene Hilfe für Katastrophenopfer oder absichtliche Behinderung der Hilfe kommt Völkermord gleich.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich danke dem Kommissar für seine bisher in dieser Angelegenheit geleistete Arbeit. Man weiß jetzt, dass durch den Zyklon, der am 2. und 3. Mai die südlichen Regionen Birmas heimsuchte, mehr als 125 000 Menschen umgekommen sind. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind über 2,4 Millionen Menschen direkt von dieser Tragödie betroffen. Viele sind schwer verletzt, und es ist wahrscheinlich, dass es aufgrund des Mangels an Nahrung und sauberem Wasser zum Ausbruch von Seuchen kommt, was möglicherweise bereits passiert ist.
Die Politik der Militärjunta, humanitären Helfern den Zugang zu den betroffenen Gebieten zu verwehren, ist ohne Beispiel. Diese Helfer und die Organisationen, für die sie tätig sind, besitzen das Know-how zur Durchführung einer umfassenden Hilfsoperation, mit der in kurzer Zeit einer großen Anzahl von Menschen Beistand geleistet werden könnte. Müssen erst noch einmal ähnlich viele Menschen sterben, ehe das Militärregime die Hilfsorganisationen ins Land lässt?
Die gemeinsamen Anstrengungen der EU, Chinas, Indiens, aller südostasiatischen Nationen und der UNO können die Aufhebung der Restriktionen durch die birmanischen Machthaber bewirken. Nur in Zusammenarbeit können wir die Haltung dieser korrupten Regierung ändern. Vor allem müssen wir China und Indien mit ins Boot holen, um die Veränderungen zu erzwingen.
Es sind nun bereits 18 Tage vergangen, seitdem der Zyklon die Region verwüstete. Die internationale Gemeinschaft muss sich weiterhin dafür einsetzen, dass alle durch die Katastrophe betroffenen Menschen Nahrung, sauberes Wasser, die erforderliche medizinische Hilfe und Unterkunft erhalten. Lassen Sie uns weiter Druck auf die Führung Birmas ausüben und sie zwingen, die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen zu gestatten. Jedes einzelne Land der EU und die EU insgesamt sollten weiterhin diplomatischen Druck ausüben. Hier besteht unverzüglicher Handlungsbedarf. Wir dürfen nicht noch einmal 18 Tage verstreichen lassen, ehe gehandelt wird. Die Restriktionen müssen jetzt aufgehoben werden.
Thijs Berman (PSE). – (NL) Zwei Wochen nach der Katastrophe bekam ein Teil der birmanischen Bevölkerung endlich Reis, Bohnen und Medikamente, aber diese Hilfe erreicht noch nicht ein Viertel der Opfer und kommt durch Zutun der Junta kriminell spät. Dem UN-Welternährungsprogramm zufolge konnten 212 000 der 750 000 am schlimmsten betroffenen Menschen mit Reis und Bohnen versorgt werden. Daher ist ein spezieller UNO-Hilfsfonds vonnöten, wie ihn auch die Sozialdemokraten verlangen. Ich danke der Kommission für all ihre unschätzbaren Anstrengungen sowohl in Birma als auch von Brüssel aus.
Allerdings sind Millionen Menschen Hunger, Durst und Krankheit ausgesetzt. Das ist eine Form der Folter, das ist Mord und eine völlige Unterlassung der Schutzpflicht. Diese Praktiken grenzen an Völkermord. Das Militär ist daher verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Für unsere Fraktion und morgen für dieses Parlament ist dies ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof. Der Sicherheitsrat muss eine Untersuchung der Verbrechen dieses Regimes auf den Weg bringen. Wie denkt die Kommission darüber?
Als Berichterstatter über Birma frage ich mich, wann die Grenze für die Achtung der Souveränität eines Landes erreicht ist. Beim Irak lag diese Grenze doch etwas näher. Wann wird die Achtung der grundlegenden Menschenrechte für eben diese internationale Gemeinschaft unantastbar? Derzeit leidet die Glaubwürdigkeit der Menschenrechte weltweit infolge der Weigerung, insbesondere der Nachbarländer, mit dem birmanischen Regime zu verhandeln und infolge des Widerwillens, der Bevölkerung ohne Zustimmung der Generale zu Hilfe zu eilen. Souveränität verleiht nicht das Recht, die eigene Bevölkerung in den Würgegriff zu nehmen.
Deshalb die Aufforderung an den Rat der Europäischen Union und insbesondere an das Vereinigte Königreich als amtierenden Präsidenten des Sicherheitsrates, die Lage in Birma erneut auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates zu setzen. China und Russland müssen begreifen, dass die Situation dort jetzt noch krimineller, noch ernster als kurz nach dem Zyklon ist.
Thomas Mann (PPE-DE). – Frau Präsidentin! 130.000 Tote, über zwei Millionen Obdachlose: Das ist die bittere Realität in Burma. Und eine große Hungersnot droht. Durch Überschwemmungen breiten sich Durchfallerreger, wie Salmonellen, rasant aus. Krankheiten wie Typhus und Cholera drohen, Malaria, das Dengue-Fieber. Besonders gefährdet sind Kinder, die ein schwächeres Immunsystem haben und deren Körper schneller austrocknen. Die Betroffenen der Katastrophe brauchen sauberes Trinkwasser, das erst durch gute Aufbereitungsanlagen dauerhaft gewonnen werden kann. Sie brauchen Notunterkünfte, auch um die Ausbreitung von Atemwegserkrankungen zu verhindern.
Nach wie vor ist die Militärjunta nicht bereit, westliche Helfer zu akzeptieren. Kommissar Michel hat das eben gerade eindrucksvoll bestätigt. Damit setzt sie die Existenz Zehntausender aufs Spiel. Wie lässt sich verantwortungsvoll handeln? Druck ausüben durch den Gang zum Strafgerichtshof in Den Haag? Unbedingt! Aber auch eine Veränderung des Völkerrechts, mit eingeschränkter Staatssouveränität angesichts einer humanitären Krise? Das ist schwer durchsetzbar, dem würden die Chinesen im Weltsicherheitsrat eine klare Absage erteilen.
Sie sind einer der wenigen Verbündeten der burmesischen Diktatoren. Sie müssen aber alles daran setzen, genauso wie die Staaten der ASEAN-Gemeinschaft – Hartmut Nassauer hat darauf hingewiesen – dass die längst bestehenden internationalen Expertengruppierungen und Hilfsgüter in das Land kommen. Offenbar blockt Myanmar auch deshalb die vielen Hilfsaktionen der Wertegemeinschaft ab, um die Geberkonferenz zu beeinflussen, um Millionensummen zu erhalten und darüber eigenmächtig zu verfügen.
Es ist wie beim Aufstand der buddhistischen Mönche im September 2007, als das burmesische Regime menschenverachtend und brutal gegen friedliche Demonstranten vorging und danach eine monatelange Nachrichtensperre verhängte, totalitär und gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung gerichtet. Diese angebliche Staatssouveränität ist völlig unsouverän und völlig inhuman.
Ana Maria Gomes (PSE). – (PT) Über 63 000 Tote und Vermisste und eine halbe Million Obdachlose – das ist das Ergebnis des Zyklons und der Grausamkeit der Junta, die Burma schlecht verwaltet und es unterdrückt und die verhindert hat, dass die internationale Hilfe zu denen wirklich Bedürftigen gelangte. Welcher Unterschied zur Offenheit von China und zu der Schnelligkeit, mit der den Überlebenden in Sichuan geholfen wurde!
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kann nicht mehr umhin, die burmesische Militärjunta als für den Schutz ihres Volkes verantwortlich zu erklären, indem internationalen humanitären NRO und Agenturen gestattet wird, in das Land einzureisen, um der verlassenen Bevölkerung des Irrawaddy-Deltas zu helfen. Der UN-Sicherheitsrat kann auch nicht länger umhin, die burmesische Militärjunta wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.
Dieses Parlament hofft, dass die europäischen Regierungen umgehend Druck auf den UN-Sicherheitsrat ausüben. Es ist an der Zeit, dass alle Mitglieder des Rates, darunter auch China, das die burmesische Diktatur unterstützt hat, ihre Verantwortung gegenüber dem geopferten Volk von Burma akzeptieren.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (LT) Wir sprechen heute über die Tragödie in Birma nach dem Wirbelsturm, der zu Beginn dieses Monats über das Land hinweggefegt ist. Die katastrophalen Folgen dieses Unglücks sind Hunderttausende von Toten, Verletzten, Kranken und Vermissten, außerdem haben viele Menschen kein Dach mehr über dem Kopf und brauchen dringend Nahrungsmittel und Wasser. Jeden Tag sehen wir im Fernsehen verstörende Szenen aus einem Land, das von diesem Wirbelsturm verwüstet wurde; da ist es unmöglich, gleichgültig zu bleiben.
Es stimmt natürlich, dass die Menschheit nach wie vor angesichts solcher Naturkatastrophen machtlos ist, vor allem, wenn sie ohne Vorwarnung passieren. Trotzdem stellt sich die aktuelle Lage in Birma anders dar, denn wie wir wissen, hat die indische Regierung die birmanische Führung zwei Tage, bevor der drohende Wirbelsturm das Land erreichte, gewarnt. Also war man durchaus informiert.
Dennoch traf die Katastrophe die Bewohner des Landes mit voller Wucht, weil die Macht habenden Generäle es nicht für nötig hielten, die Bevölkerung vor dem bevorstehenden Unheil zu warnen. Eine solche Regierung verdient es, geächtet zu werden; mit ihren jüngsten Maßnahmen demonstriert sie absolute Unfähigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber ihren Bürgern, was einen ganz offensichtlichen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt. Die verantwortlichen Generäle haben Schuld auf sich geladen, denn mit ihrem Segen konnte sich die Naturkatastrophe zu einem Unglück dieses Ausmaßes entwickeln.
Zu den kriminellen Handlungen, die Birmas Machthaber begangen haben und die in die Geschichte eingehen werden, zählt auch die Tatsache, dass internationalen Hilfsdiensten die Einreise verweigert wurde. Es wurde verboten, Bedürftige zu unterstützen, und die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, das Leid zu lindern, wurden vollkommen missachtet. Die beschämenden Versuche der Generäle, unter solchen Bedingungen ein Referendum über die Verfassung abzuhalten, sind ein weiteres Beispiel für das menschenverachtende Vorgehen dieses Regimes.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Europäische Union jeden möglichen Weg – ich wiederhole: jeden möglichen Weg – der Zusammenarbeit mit den Regierungen Indiens, Chinas und anderer asiatischer Länder verfolgen und alle Institutionen im Netzwerk der Vereinten Nationen nutzen muss, um sicherzustellen, dass Birma die größtmögliche Hilfe erhält.
Józef Pinior (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! In der heutigen Debatte möchte ich mich zu drei Punkten äußern. Der erste betrifft eine neue Verfassung. Die Junta in Myanmar hat verkündet, dass in dem Referendum, das trotz weit verbreiteter Kritik und einer nationalen Tragödie abgehalten wurde, eine für das Militär vorteilhafte Verfassung überwältigende Unterstützung erhalten habe. Menschenrechtsgruppen haben die Abstimmung als Farce abgelehnt. Die Glaubwürdigkeit eines unter den gegebenen Bedingungen durchgeführten Referendums ist zwangsläufig fragwürdig. Vermutlich wird es in den meisten Gebieten des Irrawaddy-Deltas unmöglich sein, die zweite Abstimmungsrunde am 24. Mai durchzuführen.
Zweitens gibt es bezüglich von Sanktionen, speziell von EU-Sanktionen, ein generelleres Problem. Funktionieren sie wirklich? Es ist die breite Bevölkerung, die am stärksten betroffen ist. Einige Beobachter – erfahrene Journalisten, Diplomaten, ehemalige EU-Botschafter in Südostasien – meinen, dass es wenig hilfreich ist, Birma auf diese Weise zu isolieren.
Drittens und last but not least: Es ist jetzt an der Zeit, dass der UN-Sicherheitsrat handelt. Der UN-Sicherheitsrat sollte darauf bestehen, dass Hilfslieferungen und humanitäre Hilfskräfte ungehindert nach Birma gelangen können. Die EU-Staaten, die Hilfe leisten, sollten energisch auf Kontrollmöglichkeiten dringen, um sicherzustellen, dass die Hilfe die bedürftigsten Zyklonopfer erreicht.
Alessandro Battilocchio (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den wenigen mir zur Verfügung stehenden Sekunden möchte ich die Aufmerksamkeit dieses Hohen Hauses auf den Hilferuf lenken, der mich von den Freiwilligen der internationalen Organisation „Save the children“ erreichte, die uns über die bevorstehende Gefahr einer Tragödie innerhalb der Tragödie informiert.
Die Helfer haben berichtet, dass im Sumpfgebiet am Irrawaddy-Delta über 30 000 Kinder an Entbehrungen sterben, Kinder, die den Zyklon Nargis und vielfach auch ihre Eltern überlebten und nun Hunger und Durst zum Opfer fallen, an Ruhr erkranken und durch Regen und Kälte entkräftet werden.
Herr Kommissar, vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung der Hilfen durch das Regime von Than Shwe und seine militärischen Helfershelfer reiner Wahnsinn. Es gilt keine Zeit zu verlieren! Angesichts ihrer bereits bestehenden Unterernährung, des Trinkwassermangels, der drohenden Krankheiten und fehlender Hilfe werden diese Kinder nicht lange überleben: Entweder wir greifen sofort ein oder aber wir werden objektiv dafür verantwortlich sein, nicht genug getan zu haben!
Neena Gill (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Kommissar Michel für sein lobenswertes Handeln danken. Wir haben heute erfahren, dass Zyklon „Nargis“ die Lebensgrundlage von zweieinhalb Millionen Menschen in Birma zerstört hat. Wie der Kommissar sagte, hat die starrsinnige Ablehnung ausländischer Hilfe durch das Regime die Situation soweit verschlimmert, dass nur ein Viertel der Menschen, die dringender Hilfe bedürfen, diese auch erhalten haben. Das ist unglaublich, und dem birmanischen Volk wird damit auf grausame Weise das elementarste Menschenrecht verweigert. Gleichzeitig grenzt ein solches Verhalten an kriminelle Fahrlässigkeit.
In letzter Zeit war von einer gewissen Flexibilität der Junta zu hören. Ich bitte Kommission und Rat aber dringend, diese Nachgiebigkeit mit Skepsis zu behandeln, da ebendieses Regime die Demokratiebewegung im Land skrupellos unterdrückt hat. Ich möchte betonen, dass der Druck auf die Junta unbedingt aufrechterhalten werden muss, damit alle UN-Organisationen Zugang erhalten, die Erfahrung und logistisches Know-how für den Umgang mit der Situation besitzen. Besondere Sorge bereitet mir die Tatsache, dass es, wie der Kommissar betonte, die Kinder sind, die am meisten leiden. Daher muss UNICEF ins Land gelassen werden, um drohenden Hunger und drohende Unterernährung abzuwenden.
Schließlich rufe ich alle auf, die in Birma Einfluss besitzen, also die Nachbarn und EU-Partner – Indien, China und die ASEAN-Staaten –, die Junta zu drängen, Hilfe von außen anzunehmen. Weiterhin appelliere ich an die Kommission und andere, Schritte zu unternehmen, die der Junta klar machen, dass Demokratie und Kontakte zur Außenwelt die einzigen gangbaren Wege aus der Krise darstellen. Ich hoffe, Kommissar Michel kann uns Antwort geben auf die Fragen: ‚Welche Richtung werden wir einschlagen?’ und ‚Wie werden wir dabei vorgehen?’
Mario Mauro (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade das Scheitern der von Kommissar Michel beschriebenen Mission, dem ich gleichwohl für seine unverhohlene Ehrlichkeit danke, macht uns begreiflich, dass wir uns in diesem Augenblick auf die Lehre des humanitären Eingreifens konzentrieren sollten, um nicht nur die Beziehungen zu den burmesischen, sondern vor allem zu den chinesischen Behörden zu fördern, die gegenwärtig in Anbetracht der ernsten Unglücke und Katastrophen, von denen ihr Land heimgesucht wurde, eine ganz andere Sensibilität an den Tag legen.
Die Konzentration auf die Beziehungen zu den Chinesen kann helfen, das Land für humanitäre Hilfen zu öffnen, die von der Einrichtung einer Flugverbotszone im Gebiet des Irrawaddy für den direkten Abwurf von Hilfsgütern bis hin zur Schaffung eines echten humanitären Korridors reichen können.
Ich habe eine Frage an den Rat: Die Europäische Union hatte einen Beauftragten für Birma eingesetzt. Ich danke Kommissar Michel für seinen Einsatz und für seinen Besuch in einem Gebiet, das ihn, wie er sagte, frustriert hat, und frage ihn, welche Aufgabe hat der Beauftragte? Was soll er erreichen?
Tunne Kelam (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Es gibt nur eine menschliche Priorität: den Millionen von Birmanen internationale Hilfe zu leisten, für die es ums nackte Überleben geht. Wir haben es hier mit einer Militärjunta zu tun, die die Verantwortung dafür trägt, dass erstens ihre Bevölkerung nicht rechtzeitig vor dem herannahenden Zyklon gewarnt wurde und zweitens humanitäre Hilfe nicht ins Land gelassen wird.
Ich denke, es ist an der Zeit, diese Bande, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt hat, vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen, aber dazu bedarf es konzentrierter internationaler Anstrengungen. Inzwischen sollte auf die Regierenden in Birma und ihre Verbündeten, einschließlich Chinas, so viel Druck wie möglich ausgeübt werden, damit sie sich zunächst an der Phase der humanitären Hilfe beteiligen, bevor sie mit der selbst ausgerufenen Wiederaufbauphase beginnen.
Glyn Ford (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Die Weigerung der Militärjunta, Hilfslieferungen und -maßnahmen zuzulassen, hat die Tragödie in Birma weiter verschlimmert. Jede umfangreichere Hilfe durch einen in Okinawa stationierten US-Militärverband, der sich zufällig vor der thailändischen Küste befand, wurde abgelehnt. Während bei der ursprünglichen Katastrophe Hunderttausende ums Leben kamen, kann diese Zahl durch die Weigerung, Hilfe zu akzeptieren und damit den Ausbruch von Seuchen zu verhindern, nur noch massiv in die Höhe getrieben werden. Oxfam schätzt, dass unter den jetzigen Umständen bis zu knapp 700 000 Menschen bedroht sein könnten.
Wir müssen alle – die Chinesen, die Europäische Union, andere Nachbarn – aufrufen, möglichst großen Druck auf das Regime auszuüben, damit es seine Haltung mäßigt und Hilfe und Helfer ins Land lässt, die gegenwärtig in Bangkok und Thailand in Bereitschaft stehen.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte mich bei allen, die an dieser Aussprache teilgenommen haben, bedanken. Es war eine Aussprache, die mich daran glauben lässt, dass in diesem Parlament ein breiter Konsens in Bezug auf einige wesentliche Elemente herrscht, die auch essenzielle Bestandteile des Herangehens des Rates an die Lage in Birma darstellen.
Wir sind außerordentlich besorgt, und zwar erstens wegen der humanitären Lage in Birma und zweitens wegen der Verantwortung, die die birmanische Staatsführung für die Maßnahmen gegen die Auswirkungen des verheerenden Zyklons trägt, und in diesem Zusammenhang wegen ihrer Verantwortung für die Sicherung des Zugangs für Hilfskräfte, damit die humanitäre Hilfe diejenigen erreichen kann, die sie brauchen.
Ich möchte betonen, dass der Europäische Rat entschlossen ist, seine Anstrengungen fortzuführen und sicherzustellen, dass die humanitäre Hilfe bei den Bedürftigen ankommt. Und zu diesem Zweck wird er alle Mittel, alle ihm zur Verfügung stehenden möglichen Mechanismen nutzen. In erster Linie unsere eigenen; im Namen des Rates möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals die von Herrn Kommissar Michel gemachten Anstrengungen würdigen und unterstützen.
Andererseits wird die Europäische Union ihre Bemühungen innerhalb der Vereinten Nationen und der regionalen Organisationen, wie z. B. der ASEAN, fortführen. Ich möchte hervorheben, dass vor dem vorgestrigen Treffen der Außenminister der ASEAN-Mitgliedstaaten die Europäische Union den ASEAN-Staaten eine Demarche übermittelt hat, in der sie ihre Erwartungen und Vorschläge bezüglich der Situation in Birma darlegt. Und am 19. Mai, nach dem ASEAN-Treffen in Singapur, ging eine Stellungnahme ein, die einige ermutigende Elemente enthält. Ich möchte nur einige davon aufzählen.
Erstens sind die Außenminister der ASEAN-Staaten übereingekommen, einen humanitären Koordinationsmechanismus unter der Schirmherrschaft des ASEAN einzurichten. Zweitens hat die Staatsführung von Birma, d. h. Myanmar, zugestimmt, Hilfe in Form von medizinischen Teams aus anderen ASEAN-Ländern anzunehmen. Und drittens hat sich die Staatsführung von Birma bzw. Myanmar bereiterklärt, die Expertenhilfe der internationalen und regionalen Agenturen zur Bekämpfung der Folgen dieser Katastrophe zu akzeptieren.
Ich möchte ebenfalls den gemeinsamen Beschluss der ASEAN-Länder und der Vereinten Nationen erwähnen, zu einer Geberkonferenz aufzurufen, die am Sonntag, dem 25. Mai, in Rangun stattfinden soll.
Zum Abschluss möchte ich meine Dankbarkeit für die während dieser Aussprache gehörten Meinungen zum Ausdruck bringen. Ich versichere Ihnen, dass sie bei unseren Vorbereitungen für die Aussprache, die voraussichtlich während der Sitzung des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am Montag stattfinden wird, sehr nützlich sein werden.
Vielen Dank.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich verstehe natürlich und teile voll und ganz das allgemeine Gefühl, das hier zum Ausdruck kam, und das ganz offensichtlich ein Gefühl der Kritik und der Frustration zugleich ist.
Nahezu alle Redner haben die Möglichkeit angesprochen, den Sicherheitsrat einzuschalten, haben sich auf die Schutzpflicht berufen, also in gewisser Weise auf das Recht auf Einmischung, sie sprachen über die Grenzen staatlicher Souveränität und allgemein über Sanktionen. Denn darum geht es eigentlich. Ich möchte noch den Gedanken an die Mittel hinzufügen, die der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung stehen, um all das zu machen, was Sie gesagt haben, und um zu erreichen, dass all diese Prinzipien eingehalten werden. Das ist schon eine etwas schwierigere Sache, weil hier im Grunde genommen die schwerwiegende Frage der Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufgeworfen wird. Und die Europäische Kommission und das Parlament haben bereits beschlossen, dieses Thema im September an präzisen Beispielen zu behandeln. Es besteht folglich ein breiter Konsens in Bezug auf die Analyse: Wir sind alle einer Meinung, dass es inakzeptabel ist, wir sind alle der Meinung, dass es inhuman ist, und wir sind z. B. alle einer Meinung, dass ein besserer Zugriff notwendig ist.
Trotzdem möchte ich anregen – hierbei handelt es sich natürlich um meine persönliche Meinung –, dass wir im Augenblick versuchen sollten, aus der Geberkonferenz Kapital zu schlagen oder zumindest so viel wie möglich aus ihr herauszuholen. Zu ihr sind auf Initiative des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon die Geber, also die Europäische Union und die ASEAN-Länder, geladen. Und wir sollten im Rahmen dieser Initiative bzw. dieses Vorschlags einen gemeinsamen Koordinator der Europäischen Union und der ASEAN-Länder benennen. Das muss sehr kurzfristig geschehen.
Es liegt auf der Hand, dass dies schwierig sein wird. Wenn die internationale Gemeinschaft in gewissem Maße kohärent auftreten möchte, dann wird es, falls diese beiden Initiativen zu keinem Ergebnis führen, schwierig sein, so zu tun, als könne man nichts anderes machen, und dann sollte sich die internationale Gemeinschaft, unabhängig davon, ob auf Ebene der Vereinten Nationen oder auf anderen Ebenen, wohl darauf konzentrieren, über etwas andere Mittel nachzudenken.
Ich sage dies – und damit will ich zum Schluss kommen –, weil das, was von allen Dingen in gewissem Grade am meisten enttäuscht, was ein schlechtes Licht auf die moralische Einmischungspflicht sowie auf das Konzept der Schutzverpflichtung an sich bzw. auf seine Anwendung wirft oder auf jeden Fall schwächt, die Tatsache ist, dass uns – einmal abgesehen von den Grundsatzerklärungen, von denen wir uns alle leiten lassen, weil das eindeutig unserem Gefühl entspricht, weil das unsere Kultur ist, weil das unserem Sinn für Demokratie und Menschenrechte entspricht – Mittel zur Verfügung stehen, oder anders gesagt, dass es Mittel gibt, die wir politisch in der Lage sind umzusetzen.
So sieht also die Wahrheit aus. Diesen politischen Mut gilt es anzustreben. Denn es ist zu einfach, wenn wir nur sagen: „Wir müssen etwas tun, wir müssen dies versenden, wir müssen sie zwingen, wir müssen dies und jenes tun“. Ja, einverstanden, aber mit welchen Mitteln? Sind unsere Länder politisch fähig und auch bereit, die letzten Konsequenzen mitzutragen – gegebenenfalls unter Anwendung von Zwang – sind wir zu einer solchen Handlungsweise fähig? Das ist hier die eigentliche Frage.
Ich bin mit all dem hier Gesagten einverstanden, aber aus unseren noblen Standpunkten müssen Schlussfolgerungen gezogen werden. Und deshalb möchte ich erklären, weshalb meiner Meinung nach die Debatte aus zwei Teilen besteht. Wir haben die allgemeine Diskussion, über die wir uns alle einig sind, und wir haben diese Dringlichkeitsfrage. Ich meine, diese Frage besteht darin, einen Generalsekretär voll und ganz zu unterstützen und für ihn die besten Bedingungen zu schaffen, damit der Dialog doch noch Sinn macht und damit er den bestmöglichen Nutzen aus seinen beiden Initiativen herausholen kann. Das ist es mehr oder weniger, was ich anregen möchte.
Ich bezweifle, dass Erklärungen, Drohungen oder eine sehr harte Sprache hier und jetzt – selbst, wenn dies notwendig ist – die Dinge verändern können. Ich glaube es nicht, leider. Ich bin der Meinung, dass wir die beiden Initiativen von Generalsekretär Ban Ki-moon aus vollstem Herzen mittragen und unterstützen sollten.
VORSITZ: LUISA MORGANTINI Vizepräsidentin
Die Präsidentin. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Die schreckliche Tragödie, die das birmanische Volk erfahren musste, hat mich zutiefst erschüttert. Es ist ein Ausdruck von Menschenverachtung, wenn die Generäle, die das Land fest in ihrer Gewalt haben, angesichts der enormen Zahl von Opfern des zerstörerischen Zyklons Nargis, die infolge des Mangels an Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Hilfe noch steigen kann, nicht einlenken. Mir fehlt das Verständnis für diesen Menschentyp, die das über ihr Volk hereingebrochene unermessliche Leid ignorieren und Birma in völliger Isolation belassen, obwohl kein Zweifel daran besteht, dass das Land die Lage aus eigenen Mitteln nicht bewältigen kann. Die Arroganz der Mächtigen kennt wahrscheinlich keine Grenzen. In einer solchen außerordentlichen Krisensituation ist die Überbetonung der staatlichen Souveränität eine völlig inhumane Auffassung.
Die humanitäre Hilfsorganisation Oxfam hat davor gewarnt, dass die Zahl der Opfer leicht auf 1,5 Millionen ansteigen kann, sofern die von der Katastrophe betroffenen Menschen nicht schnell Hilfe erreicht. Laut Angaben der UNO benötigen etwa 2 Millionen Menschen Hilfe. Das sind alarmierende Zahlen, und wir müssen unverzüglich eine klare Position beziehen. Wir können nicht weiter untätig warten und hilflos zusehen, wie noch mehr Menschen dem Hunger zum Opfer fallen.
Ich werde für die Resolution des Europäischen Parlaments zur tragischen Situation in Birma stimmen. Ich bin der Auffassung, dass die Europäische Union nicht neutral bleiben darf. Sie muss alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen und dem burmesischen Volk helfen. Angesichts des enormen Ausmaßes der Katastrophe muss die EU auch zu Zwangsmaßnahmen greifen, da die „nationalen Behörden offensichtlich nicht in der Lage sind, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschheit zu schützen“.
Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Naturkatastrophe in China.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Nach dem verheerenden Erdbeben, das einen großen Teil des Landes, insbesondere die Provinz Sichuan, zerstört hat, verfolgen wir mit großer Sorge die Entwicklungen in China.
Schätzungen zufolge waren etwa 10 Millionen Menschen von dem Erdbeben betroffen. Die Zahl der Todesopfer wächst stündlich, während die Hoffnung, Überlebende aus den Trümmern zu retten, immer kleiner wird. Nach aktuellen Schätzungen ist die Zahl der Todesopfer auf fast 50 000 Menschen angewachsen. Das ist eine furchtbare Katastrophe. Vielleicht wäre es möglich, mehr Leben zu retten, wenn die Rettungsmannschaften in die betroffenen Gebieten gelangen könnten, aber objektive Schwierigkeiten sowie ein Mangel an geeigneter Ausrüstung verhindern dies.
Die Lage wird dadurch erschwert, dass das Erdbeben an einigen Staudämmen Schäden verursacht hat, sodass den Überlebenden der Provinz Sichuan jetzt eine Überflutung droht. Die chinesische Regierung hat um für die Rettungsmaßnahmen benötigte Grundausrüstung gebeten.
Das chinesische Gesundheitsministerium rechnet zudem mit einem größeren Bedarf an Medikamenten und moderner medizinischer Ausrüstung, weil die Überlebenden entsprechend medizinisch versorgt werden müssen.
Der gegenwärtige Umfang der Hilfsaktivitäten ist außergewöhnlich groß. Zwölf Tonnen Hilfsgüter sind bereits aus der Luft abgeworfen worden, um die Not in dem betroffenen Gebiet zu lindern. Retter und Hilfe werden von zahlreichen Hubschraubern eingeflogen. Vertreter der örtlichen Behörden gaben an, dass sie im Moment Decken, Zelte, Nahrungsmittel und Satellitentelefone am dringendsten benötigten.
Wie Sie wissen und wie heute schon erwähnt, wurde am vorigen Dienstag eine außerordentliche Tagung des Rates einberufen. Wir haben dem chinesischen Volk unser tief empfundenes Beileid für die große Anzahl von Todesopfern und für die Zerstörung im betroffenen Gebiet ausgesprochen. In unserem Schreiben haben wir auch unser tiefes Mitgefühl mit den Menschen ausgedrückt, die ihre nächsten Angehörigen in dieser Katastrophe verloren haben, sowie mit denen, die selbst Verletzungen erlitten oder den Verlust von Hab und Gut zu beklagen haben.
Die internationale Gemeinschaft hat schnell gehandelt und China Hilfsangebote unterbreitet. China hat dies in vom Außenhandelsministerium übermittelten Schreiben offiziell begrüßt. Viele ausländische Teams, z. B. aus Japan, Taiwan, Korea und Australien, sind bereits vor Ort oder bereiten ihre Abreise nach China vor.
Die Europäische Union möchte der betroffenen Bevölkerung helfen. Sowohl die Europäische Kommission als auch die meisten Mitgliedstaaten haben großzügig auf die Not der betroffenen Bevölkerung reagiert und sind bereit, auch in Zukunft Hilfe zu leisten.
Vielen Dank.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin! Ich möchte Ihnen auch dafür danken, dass Sie eine Aussprache über die humanitäre Lage in der chinesischen Provinz Sichuan nach dem Erdbeben vom 12. Mai dieses Jahres auf die Tagesordnung gesetzt haben. Präsident Barroso, Frau Ferrero-Waldner und ich haben unser Mitgefühl zum Ausdruck gebracht und den Willen des europäischen Volkes unterstrichen, dem chinesischen Volk zu Hilfe zu eilen.
Die Mobilisierung seitens der chinesischen Behörden und insbesondere der Armee erfolgte schnell und großräumig. Man muss sagen, dass das Krisenmanagement effizient war, und wir sollten die Behörden dazu beglückwünschen. Angesichts des Ausmaßes der Schäden und angesichts ihrer Not rief die chinesische Regierung am 13. Mai zu internationaler Hilfe auf, und die Europäische Union reagierte sehr schnell auf diesen Hilferuf. Die Kommission entsandte einen Sachverständigen der Generaldirektion Humanitäre Hilfe (ECHO) für eine Woche in das betroffene Gebiet. Auf der Grundlage eines Berichts dieses Sachverständigen fasste die Kommission am 16. Mai einen ersten Nothilfebeschluss über zwei Millionen Euro. Dies wird es dem Roten Kreuz ermöglichen, Zelte, Decken, Trinkwasser und grundlegende Bedarfsgüter zu liefern.
Das Koordinierungs- und Bewertungsteam für das Gemeinschaftsverfahren der Kommission für den Katastrophenschutz ist ebenfalls in Chengdu vor Ort. Es steht mit den örtlichen Behörden in Verbindung, damit die europäische Hilfe schneller bei denen anlangt, die sie benötigen. Auch die Mitgliedstaaten haben rasch auf den Notruf der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften reagiert, indem sie Erste-Hilfe-Ausrüstung schickten und den Such- und Rettungsmannschaften Hilfe leisteten. Alles in allem beläuft sich der Beitrag der EU bereits auf mehr als zehn Millionen Euro. Die Europäische Kommission, das Beobachtungs- und Informationszentrum und die Krisenplattform der GD Außenbeziehungen arbeiten zusammen und halten sowohl die Mitgliedstaaten als auch China in Bezug auf die Hilfe der Europäischen Union auf dem Laufenden. Man darf nicht vergessen, dass die chinesischen Behörden die Zutrittsgenehmigungen der internationalen Mannschaften für das Gebiet streng kontrollieren.
Ausgehend von unseren Einschätzungen sind Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Behelfsunterkünfte, lebensnotwendige Lebensmittel, Medikamente und medizinische Ausrüstung die Dinge, die am dringendsten benötigt werden. Starke Nachbeben stören die Rettungsaktionen leider ganz erheblich. Die Hauptsorge besteht nun darin, dass die lebensnotwendigen Infrastrukturbauten, wie Staudämme, Deiche oder Kraftwerke, brechen oder einstürzen und somit eine zweite humanitäre Katastrophe hervorrufen könnten.
Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, lieber Vertreter des Rates, sehr geehrter Herr Kommissar, liebe Kollegen! Meine Fraktion teilt mit Rat und Kommission die Trauer und Anteilnahme mit dem chinesischen Volk hinsichtlich dieses dramatischen Erdbebens am 12. Mai dieses Jahres. Wir möchten all denjenigen unser tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken, die Verwandte durch das Erdbeben verloren haben bzw. selbst Verletzungen erlitten haben.
Wir begrüßen auch, dass die chinesischen Behörden schnelle Rettungsmaßnahmen eingeleitet haben, und wir begrüßen die Bereitschaft der chinesischen Regierung, ausländische Hilfe anzunehmen. Ich füge hinzu, dass wir hoffen, dass sie dies auch in Zukunft tun wird, und zwar effektiv an Ort und Stelle.
Wir begrüßen außerdem, dass die chinesische Regierung in diesem Fall eine detaillierte Berichterstattung über das Erdbeben auch durch ausländische Medien zugelassen hat, und wir hoffen, dass die chinesische Regierung auch bei der Wiederaufbauarbeit in den betroffenen Gebieten eine ausländische Berichterstattung zulassen wird.
Wir bedauern besonders, dass so viele Schüler durch das Einstürzen öffentlicher Schulen zu Tode gekommen sind, und wir unterstützen die Erklärung der chinesischen Behörden, den Ursachen eventuell nicht erdbebensicherer Bauweisen von Schulen nachzugehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Wir sind vor allen Dingen aber bereit, dem chinesischen Volk die Unterstützung zukommen zu lassen, die es braucht. Sie brauchen kein großes Geld, denn sie haben die größten Währungsreserven der Welt. Was sie brauchen, ist praktische Hilfe, und diese praktische Hilfe können wir Europäer und die Mitgliedstaaten anbieten, und wir bedanken uns bei dem Herrn Kommissar für die von ihm bereits eingeleiteten Hilfsmaßnahmen.
Wir werden alle Aktivitäten unterstützen, um den Menschen in den Katastrophengebieten zu helfen und sie beim Wiederaufbau ihrer Dörfer zu unterstützen. Manche müssen vielleicht in andere Gebiete umgesiedelt werden. Hier sollten wir die Hilfe leisten, die erforderlich ist. Es ist eine wirklich große menschliche Tragödie, und wir fühlen mit der Bevölkerung und dem ganzen chinesischen Volk.
Libor Rouček, im Namen der PSE-Fraktion. – (CS) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Lenarčič, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion all jenen anschließen, die ihr tief empfundenes Mitgefühl mit den leidgeprüften Familien Zehntausender Opfer des schrecklichen Erdbebens in der Provinz Sichuan zum Ausdruck gebracht haben. Auch möchte ich meine uneingeschränkte Solidarität mit den Hunderttausenden Menschen bekunden, die das Dach über dem Kopf verloren haben oder nach dieser Katastrophe gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen.
Eben erst haben wir uns mit der Situation in Birma befasst und das völlig unakzeptable Verhalten der birmanischen Junta kritisiert. Ganz im Gegensatz zu Birma ist der chinesischen Regierung Lob zu zollen. China hat die internationale Gemeinschaft unverzüglich um Hilfe gebeten und seine Grenzen für ausländische Hilfsleistungen geöffnet. Ebenso wie meine Kollegen begrüße ich die Offenheit der chinesischen Behörden, sowohl auf nationaler Ebene als auch in der Provinz Sichuan. Würdigung verdient außerdem die Art und Weise, wie sie die Rettungsarbeiten organisiert und die Öffentlichkeit, sowohl im Land als auch im Ausland, über die Katastrophe informiert haben. Zu dieser offenen Berichterstattung gehörte auch das Eingeständnis, dass abgesehen von den Zehntausenden Opfern zweiunddreißig radioaktive Strahlungsquellen unter den Trümmern begraben sind.
Sowohl der Kommissar als auch Herr Lenarčič haben uns über den Umfang der von der Europäischen Union angebotenen und geleisteten humanitären Hilfe für China informiert. Ich danke ihnen beiden für die schnelle Reaktion der Kommission und des Rates, und ich appelliere an sie, auch in Zukunft dafür zu sorgen, dass die Europäische Union schnell auf mögliche weitere Hilfsanforderungen unserer chinesischen Partner reagiert, nicht nur in Bezug auf humanitäre Hilfe, sondern auch beim Wiederaufbau der betroffenen Gebiete, wenn um solche Hilfe gebeten wird.
Dirk Sterckx, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Zunächst darf ich auch im Namen unserer Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa allen Opfern meine Anteilnahme bekunden. Ich begrüße zudem die von der chinesischen Regierung angekündigte Staatstrauer. Am Montag habe ich mich, bevor ich nach Straßburg reiste, im Namen der Delegation für die Beziehungen zu China und, wie ich annehme, auch im Namen des gesamten Parlaments in der EU-Vertretung in Brüssel in das Kondolenzbuch eingetragen. Vergangene Woche hatte das Präsidium der Delegation ein Treffen mit dem chinesischen Botschafter, der mir versicherte, wie sehr er die Solidarität des Europäischen Parlaments schätze.
Wir stehen vor einer gewaltigen schweren Katastrophe. Zehntausende Menschen sind tot oder werden noch vermisst, Millionen sind obdachlos, Sachschäden in einem Ausmaß, das sich derzeit kaum abschätzen lässt. In China haben wir nicht das erlebt, was wir in der vorangegangenen Aussprache über Birma erfahren haben. Hier sehen wir ein Land, in dem ein jeder, von der obersten bis zur untersten Ebene, alles daransetzt, um Hilfe zu leisten und dafür zu sorgen, dass gerettet wird, was noch zu retten ist. Ich sehe zudem ein Land, das ganz offen berichtet hat, und weiterhin berichtet, über den Schmerz und die Verzweiflung der Menschen in Sichuan, über die Probleme, auf die die Rettungsmannschaften stoßen, Rettungsmannschaften, die sogar einige Todesopfer zu beklagen haben. Ich sehe ein Land, das selbst für die Kritik offen ist, die die Opfer der Katastrophe an den Hilfsbemühungen übten, ein Bild, mit dem auch wir nur allzu gut vertraut sind, wenn hier etwas ähnliches passiert.
Wir müssen in die Zukunft blicken, Frau Präsidentin. Ich denke, China hat uns um ganz spezielle Hilfe gebeten. Ich sehe, dass wir solidarisch sind, und ich danke der Kommission und auch dem Rat für ihre Anstrengungen. Ich fordere sie eindringlich auf, weiterhin Hilfe zu leisten, wenn die Chinesen darum bitten.
Wenn die Rettungsaktionen abgeschlossen sind, muss der Wiederaufbau beginnen, und auch dort sollten wir so viel wie möglich helfen können. Längerfristig möchte ich darum bitten zu prüfen, wie wir technische Hilfe bei den Bauvorschriften und -techniken leisten können, damit die Gebäude derartigen Ereignissen besser widerstehen. Möglicherweise ist es auch eine Aufgabe für die internationale Gemeinschaft, darüber nachzudenken, inwieweit wir eine Art Frühwarnsystem errichten können, ein System, das die Menschen vor diesen Katastrophen warnt. Wir müssen uns zumindest um deren Entwicklung bemühen. Meines Erachtens gibt es in der Welt etliche Regionen, die daraus Nutzen ziehen könnten. Auf jeden Fall halte ich es für wichtig, dass wir im Europäischen Parlament in dieser Aussprache gegenüber den Chinesen unsere Solidarität zum Ausdruck gebracht haben.
Hélène Flautre, im Namen der Fraktion Verts/ALE. – (FR) Frau Präsidentin! Nach diesem schrecklichen Erdbeben, das China und zugleich die ganze Welt in Trauer versetzte, haben die Behörden zum ersten Mal Transparenz bewiesen und mit einem massiven Hilfsaufgebot, das von der Europäischen Union und der gesamten internationalen Gemeinschaft so gut wie möglich unterstützt wurde, auf die Tragödie reagiert.
Andererseits konnte jeder die sehr rege Kritik vernehmen, die in China in Bezug auf die schlechte Qualität der Bauwerke, insbesondere der in jüngster Zeit errichteten, sowie die der öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Schulen, laut wurde, die dazu führte, dass tausende von Schülern verschüttet wurden, von denen nur sehr wenige gerettet wurden. Dieses schwere Unglück bringt die schlechte Qualität der Bauten in diesem Land ans Tageslicht. Und es handelt sich hierbei für China um ein äußerst heikles Thema, wo doch Millionen von Menschen in Vorbereitung von bedeutsamen Ereignissen, wie den Olympischen Spielen, in den großen Ballungsräumen enteignet wurden.
Es türmen sich noch weitere beängstigende Fragen – es wurde schon angesprochen – hinter dieser Tragödie: die Stabilität der Wasserbauanlagen, insbesondere der Betonstaumauer von Zipingpu, die uns für die 600 000 Menschen, die zehn Kilometer abwärts leben, das Schlimmste befürchten lässt. Das Erdbeben hat schon 391 Stauseen beschädigt. Die Plutoniumanreicherungsanlagen im Nordosten der Provinz Sichuan, über die es trotz ihrer Nähe zum Epizentrum bisher noch kaum Informationen gibt, rufen ebenfalls äußerste Besorgnis hervor.
Wäre es nicht angebracht, über derart entscheidende Themen eine unabhängige internationale Begutachtung durchzuführen, einen objektiven Sachstand zu ermitteln, gerade weil die chinesischen Behörden in gewisser Weise unzugänglich bleiben und alle offiziellen Erklärungen nur beschwichtigen sollen?
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Europa sollte China – aus humanitären wie auch aus politischen Gründen – so viel Unterstützung wie möglich anbieten. Ich gehöre zu den sehr vielen Mitgliedern dieses Parlaments, die sich nachdrücklich gegen Chinas barbarische Politik gegenüber Tibet und gegenüber den Christen aussprechen. Ich denke, wir sollten wirklich sehr heftig auf jedes Beispiel von Aggression gegenüber Taiwan reagieren.
Auf der anderen Seite müssen wir jede Gelegenheit nutzen, um den chinesischen Menschen zu zeigen, dass unsere Forderungen an ihre Führer nicht von Gefühlen der Feindseligkeit gegenüber ihrem Land und seinen Traditionen motiviert sind. Wir müssen beweisen, dass eine freundliche Partnerschaft möglich ist, und dafür bietet sich jetzt eine hervorragende Gelegenheit. Wir sollten den Opfern umfassende Hilfe zuteil werden lassen und uns dann beim Wiederaufbau nach der Katastrophe aus ganzem Herzen einbringen. Diese Chance der Bildung von Vertrauen zwischen Europa und China auszulassen wäre ein großer Fehler.
Patrick Louis, im Namen der Faktion IND/DEM. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Naturkatastrophen machen uns traurig, ganz besonders, wenn sie so viele Opfer wie kürzlich in China und Birma fordern. Sie erinnern uns einerseits an den Wert jeden menschlichen Lebens und andererseits daran, dass wir die Natur nicht bezähmen können. Wir möchten unser Mitgefühl gegenüber jenen zum Ausdruck bringen, die unter Naturkatastrophen und politischen Katastrophen leiden.
Eines der Ziele von Politikern besteht darin, ihr Volk davor zu bewahren, dass ihm öffentliches Leid widerfährt. Und wenn es schon nicht möglich ist, Naturkatastrophen zu vermeiden, so kann man doch versuchen, sie vorherzusehen, die Bevölkerung zu warnen, vor allem aber müssen die Politiker Gefahren durch verantwortungsbewusste Präventionsstrategien auf ein Mindestmaß reduzieren. Als Beispiel hierfür nenne ich die himmelstürmenden Infrastrukturen Chinas, also die riesigen Staudämme und die Kernkraftwerke, die standgehalten haben. Aber wie lange können sie noch halten? Wäre es nicht besser, mehr kleinere Bauwerke zu errichten, um die Gefahren mehr zu verteilen, und die Öffentlichkeit mehr über die vorhandenen Risiken zu informieren?
Am tragischsten ist jedoch für das chinesische Volk immer noch die Lage in Bezug auf politische Katastrophen. Obgleich wir die bewundernswerte Eigenheit dieses arbeitsamen und klugen Volkes und seine feinfühlige Kultur anerkennen, können wir auch politische Maßnahmen bewerten, ohne uns allzu sehr in innenpolitische Fragen zu vertiefen. Die katastrophale Einzelkindpolitik ist ein wesentlicher Punkt. Sie betrifft die Kinder, die vielen Bauernfamilien, die dazu gebracht werden, ihre Töchter, eine geringe Einnahmequelle, die weder den Fortbestand des Hofes noch die Rente sichern, oder das zweite Kind, das auf Kreons Befehl nicht das Recht hat zu leben, zu beseitigen. Welch eine Missachtung der Menschenrechte ist es, wenn ein politischer Befehl Eltern verbietet, so viele Kinder zu haben, wie sie möchten. Hier wird wieder einmal nicht der wahre Wert des Lebens geachtet, sondern nur das Leben in einer vom Nutzen bestimmten Funktion. Allerdings fallen hier Naturkatastrophe und politische Katastrophe zusammen, wenn nämlich das Dach einer Schule einfällt, das einzige Kind erdrückt wird und die verzweifelten Eltern zurückbleiben.
Wenn die in Peking für die Olympischen Spiele erwarteten 30 000 Journalisten dort eintreffen, sollten sie sich bemühen, jenseits des äußeren Eindrucks die Realität dieses Landes zu erforschen, das bei seinem vorrangigen Streben nach Macht und Effizienz jede Achtung gegenüber dem menschlichen Wesen, der echten Grundlage der politischen Ordnung, zu verlieren droht.
Karsten Friedrich Hoppenstedt (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den landesweit verfügten öffentlichen Schweigeminuten erhoben sich die Menschen, die Leute auf den Straßen, in den Bussen und in den Geschäften, und ihre Mienen ließen keinen Zweifel daran, dass sie das ganz anders als bei den üblichen kollektiven Verordnungen mit innerer Anteilnahme taten. Warum ist das so? Weil über die Erschütterung ob des unvorstellbaren Leids der Menschen in den Krisenregionen im Programm des staatlichen Fernsehens rund um die Uhr berichtet werden konnte. Dies hat das Zusammengehörigkeitsgefühl in China verändert. Die Wertschätzung für den einzelnen Menschen ist wieder sichtbar geworden – sogar durch die Staatsführung.
Bis jetzt gab es als große nationale Bezugspunkte nur die Wirtschaftsentwicklung und im Augenblick die Olympischen Spiele, aber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Katastrophe kommt dieser Horizont vielen nachgerade irreal vor. Was sollte die internationale Staatengemeinschaft tun? Es wurde teilweise schon erwähnt: Neben der Entsendung von Hilfsgütern, Katastrophenplänen und natürlich technischen Geräten sollte man die Erfahrungen, die wir mit den großen Erdbeben in Armenien – über 100 000 Tote, 1 beschädigtes Kernkraftwerk –, in der Türkei mit zigtausend Toten, 1976 in China mit einigen hunderttausend Toten – bündeln und dann die beste Praxis für die internationale Staatengemeinschaft daraus entwickeln und für China einsetzen.
Es ist ja schon erwähnt worden, dass gerade das, was mit den Staudämmen passieren könnte, uns dazu veranlassen sollte, Untersuchungen über die Erdbebensicherheit öffentlicher Bauten, Krankenhäuser und Schulen durchzuführen. Hier kann man vieles tun und entsprechende Hinweise geben, welche Regeln für erdbebensichere Bauweisen gelten sollten.
Als Mitglied der China-Delegation schließe ich mich natürlich den Kondolenzbezeugungen meiner Vorredner an.
Edite Estrela (PSE). – (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Wir alle sind entsetzt über die Katastrophe, die den Süden Chinas verwüstet hat. Über 50 000 Menschen fanden den Tod und 4,8 Millionen sind nun obdachlos. Wir alle halten solidarisch zu den betroffenen Familien.
Die Europäische Union hat gehandelt, wie sie handeln musste, indem sie den Katastrophenschutzmechanismus aktiviert und die chinesischen Behörden unterstützt hat. Nie zuvor gab es gegenüber China so viele Solidaritätsbezeugungen und Angebote spürbarer Hilfe, weil die chinesischen Behörden diesmal nicht versuchten, die Größe der Tragödie zu verbergen. Sie haben ganz im Gegenteil die notwendigen Informationen bereitgestellt, den internationalen Medien den Zugang gestattet und insgesamt transparent und effizient agiert – anders, als es in Burma der Fall war.
Schuld an der Zunahme der Naturkatastrophen ist der Klimawandel. Es ist unser aller Pflicht und Schuldigkeit, die Überhitzung unseres Planeten zu verhindern. Deshalb muss auch China einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten, indem es die Europäische Union bei ihren Bemühungen unterstützt, bis zur Konferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 ein internationales Übereinkommen zu erreichen.
Bastiaan Belder (IND/DEM). – (NL) In bislang ungekannter Offenheit haben die chinesischen Massenmedien über die schrecklichen Folgen des schweren Erdbebens berichtet, das die Provinz Sichuan vor mehr als einer Woche erschütterte. Innerhalb des Landes führte diese Offenheit der Behörden zu einer noch nie dagewesenen Solidarität mit den Opfern. Die harmonische Gesellschaft trat in den Vordergrund. Zehntausende Freiwillige meldeten sich. Aus allen Provinzen strömten Rettungseinheiten in das Katastrophengebiet. Die materielle Hilfe erreicht in China eine Rekordhöhe. Kurzum, Offenheit von offizieller Seite zahlt sich aus.
An diese ungekannte Offenheit müssen die europäischen Institutionen die chinesischen Stellen auch in Zukunft erinnern. Dazu passt zweifellos die in China bereits aufgekommene kritische Frage, weshalb so viele Schulgebäude eingestürzt sind. Chinas Offenheit gilt gleichermaßen dem Rest der Welt. Peking nahm beispielsweise das Angebot Japans zur Entsendung eines Rettungsteams an. Mittlerweile hat Taiwan Hilfe für die Erdbebenopfer in Höhe von 42 Millionen Euro zugesichert. Ich hoffe aufrichtig, diese Anteilnahme führt zu der notwendigen Normalisierung der Beziehungen zwischen China und Taiwan.
Ich kann mich voll und ganz den Kolleginnen und Kollegen anschließen, die ihre tief empfundene Anteilnahme am unsagbaren Leid des chinesischen Volkes bekundet haben, und ich bin Herrn Sterckx besonders dankbar, dass er sich in der chinesischen Vertretung in Brüssel in unser aller Namen in das Kondolenzbuch eingetragen hat. Das findet meine uneingeschränkte Billigung.
Cornelis Visser (PPE-DE). – (NL) Zunächst möchte ich den Hinterbliebenen der zahlreichen Opfer der Naturkatastrophe am 12. Mai in der Provinz Sichuan meine Anteilnahme bekunden. Die chinesischen Behörden haben nach der Katastrophe erfreulicherweise unverzüglich gehandelt. Die Reaktion der Europäischen Union finde ich ebenfalls begrüßens- und lobenswert. Daher befürworte ich die bislang von den europäischen Institutionen, der Kommission und dem Rat, gewählte Vorgehensweise. China hat, nachdem es zunächst Hilfe aus dem Ausland abgelehnt hatte, seine Grenzen geöffnet. Die chinesischen Behörden selbst haben erklärt, sie können jegliche Unterstützung zur Bewältigung dieser enormen Katastrophe gebrauchen. Japanische, südkoreanische und russische Rettungsmannschaften befinden sich bereits in dem betroffenen Gebiet. Dies und die Tatsache, dass auch die Nachbarländer Singapur und Taiwan Hilfe leisten, ist sehr ermutigend. Dies kann die politischen Beziehungen mit den Nachbarländern, um die es nicht immer zum Besten bestellt ist, verbessern.
Nationale und internationale Medien widmen der Katastrophe große Aufmerksamkeit. Ich bin froh, dass die Presse Zugang zu dem betroffenen Gebiet hat, frei schreiben und so den Rest des Landes und die Welt informieren kann. Transparenz ist wichtig, um ein klares Bild von der Katastrophe zu erhalten und sicherzustellen, dass vor Ort die richtige Hilfe geleistet wird. Das ermöglicht eine stärkere Beteiligung der übrigen Bevölkerung. Freie Presse und verantwortungsvolle Staatsführung gehen in der Regel Hand in Hand. Eine freie Presse kann politische Fehler rechtzeitig melden, und die Politik kann dann korrigiert werden.
Diskutiert werden muss auch über den Bausektor und die staatliche Überwachung auf diesem Gebiet. Es können Schlussfolgerungen für künftige Bauvorhaben gezogen und Empfehlungen für eine bessere Verwaltung und eine bessere amtliche Organisation gegeben werden.
Die Verhütung von Naturkatastrophen bzw. die Vorbereitung darauf zählen zu den primären staatlichen Aufgaben. Auch in zahlreichen europäischen Ländern wurde dies erst in den letzten Jahren richtig organisiert. Abschließend möchte ich die Europäische Kommission und den Rat auffordern, China notfalls darin zu unterstützen, die Verwaltung und die Dienststellen in der Aufstellung von Plänen zur Bewältigung von Krisen und Katastrophen auszubilden.
Alexandra Dobolyi (PSE). – (HU) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Jeden anständigen Mensch hat die Naturkatastrophe, die letzte Woche den Fernen Osten heimsuchte, zutiefst erschüttert. Es versteht sich von selbst, dass die Welt in einem solchen Fall ihre Aufmerksamkeit auf die betroffenen Länder richtet.
China steht zurzeit mehr denn je im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit: Die im Sommer stattfindenden Olympischen Spiele, der Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Taiwan, die Ereignisse in Tibet, die Reise des Dalai Lama durch mehrere europäische Länder und wie diese aufgenommen wurde, der Besuch der Europäischen Kommission in China; all diese Ereignisse haben dazu beigetragen, dass die Aufmerksamkeit auf China gerichtet ist. Dies ist jedoch nicht der passende Moment, um über Boykott oder Tibet zu sprechen.
Bei dem Erdbeben der Stärke von 8,0, das die Sichuan-Ebene in Schutt und Asche legte, verloren 50 000 Menschen ihr Leben, und Millionen Überlebende wurden obdachlos, ganz zu schweigen von dem entstandenen wirtschaftlichen Schaden. Ich bitte alle Institutionen der Europäischen Union, den von der Katastrophe betroffenen Menschen die uns mögliche menschliche Unterstützung und humanitäre Hilfe zuteil werden zu lassen, und zwar so lange wie diese benötigt wird.
Wir danken den Rettungsteams und Hilfsorganisationen für ihre Hilfe; sie waren rund um die Uhr im Einsatz, um die Lage für die in der Region lebenden Menschen zu verbessern. Versichern wir das chinesische Volk unserer bedingungslosen Solidarität und unseres Mitgefühls. Vielen Dank.
Glyn Ford (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Ein Erdbeben der Stärke 7,8 mit Epizentrum in der Nähe von Chengdu in Sichuan hat am 12. Mai über 100 000 Menschenleben gefordert. Allen, die Familienmitglieder verloren haben, können wir nur unser Beileid aussprechen, ganz besonders den Eltern, die Kinder verloren haben. Ganz anders als bei der Tragödie, die sich zur gleichen Zeit in Birma ereignete und bei der manche meinten, dass die Schutzverantwortung zu direkter internationaler Intervention führen sollte, haben aber die Chinesen außer Soldaten und medizinischem Personal auch umfangreiche Notstandsressourcen zum Einsatz gebracht. China hat die Hilfe des Auslands begrüßt, einschließlich der japanischen Rettungskräfte, die gegenwärtig in dem Gebiet tätig sind, und hat auch den chinesischen und ausländischen Medien die Berichterstattung über die Katastrophe und deren Folgen gestattet.
Wie Kommissar Michel sagte, hat die Europäische Union schon Hilfe in Höhe von 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Wir bitten Rat und Kommission eindringlich, in den nächsten Monaten und Jahren die betroffene Region durch weitere Soforthilfe, technische Hilfe und Wiederaufbauhilfe zu unterstützen.
Józef Pinior (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! In diesen Tagen gilt China unsere Solidarität und unser Mitgefühl. Wir haben in diesen tragischen Tagen viele Opfer gesehen und wurden Zeuge einer großen gesellschaftlichen Tragödie in China.
Ich bin beeindruckt von der Art und Weise, in der sich die chinesischen Behörden – Staatsführung, Regierungsstellen unterschiedlicher Ebenen, die Parteiführung – verhalten haben. Die Reaktion des chinesischen Staates war vernünftig, und das ist in einem solchen Moment positiv zu bewerten.
Als Menschenrechtspolitiker muss ich dem Parlament jedoch gleichzeitig berichten, dass nach Informationen des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie am 14. Mai 55 Nonnen verhaftet wurden. Auch das ist in diesen Tagen Realität in China. Das Erdbeben darf kein Alibi für Menschenrechtsverletzungen werden.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Frau Präsidentin! Die schrecklichen Tragödien des Erdbebens in China und des Wirbelsturms, der kurz zuvor Birma heimsuchte, haben die Menschen weltweit erschüttert. Die Reaktion der einzelnen Länder war beispielhaft, von Japan bis zu den USA, von Russland bis Jordanien wurde Hilfsleistungen von mehr als 2 Milliarden Dollar bereitgestellt.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben unverzüglich reagiert, und auch die Kommission hat konkrete Maßnahmen eingeleitet, indem sie China Katastrophenhilfe in Höhe von 2 Millionen Euro gewährt und Rettungsmaßnahmen durch Entsendung mobiler Krankenhauseinheiten, Lieferung von Medikamenten, Rettungsausrüstungen und Geräten zur Schuttberäumung unterstützt hat. Besondere Anerkennung verdient die Entscheidung der tibetischen Exilregierung in Indien, ihre Anhänger zur vorübergehenden Einstellung der antichinesischen Demonstrationen und zu Spenden für die Erdbebenopfer aufzufordern.
Die ursprünglich für Birma bestimmten Hilfsgelder Ungarns wurden aufgrund der Abwehrhaltung der birmanischen Militärdiktatur nach China umgeleitet. Anders als das Regime in Myanmar war die chinesische Führung klug genug, die Auslandshilfe anzunehmen. Auch die verantwortungsvolle Haltung der chinesischen Regierung gegenüber der Öffentlichkeit war sehr positiv, was darauf schließen lässt, dass deutliche Fortschritte bei der Entfaltung der Demokratie zu verzeichnen sind. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Die Natur hat uns erneut gezeigt, wie hilflos der Mensch gegenüber Naturkatastrophen ist. China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde, seine Wirtschaft boomt, und es bereitet sich voller Elan auf die kommenden Olympischen Spiele vor. Aber es wurde von dem tragischen Erdbeben verwüstet, das sich unlängst ereignete.
Die Chinesen vergleichen diese Katastrophe mit anderen Unglücken, die in früherer Zeit die großen historischen Veränderungen im Land begleitet haben. Ich glaube nicht, dass man dieses furchtbare Ereignis so sehen sollte. Ich bin mir aber gewiss, dass wir in einer solchen Zeit unsere Solidarität mit den Zehntausenden von einfachen Menschen, Männern, Frauen und Kindern, die heldenhaft diese persönliche und nationale Tragödie erdulden, zum Ausdruck bringen müssen. Darum ist es gut, wenn das Europäische Parlament heute ein klares Signal an die chinesischen Menschen aussendet, das ihnen zeigt, dass die Mitglieder dieses Hauses Schulter an Schulter mit ihnen stehen, dass wir ihr Leid verstehen und dass wir helfen wollen. Schließlich gehört das Solidaritätsprinzip mit zu den wichtigsten Grundwerten der Union.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Man darf China gratulieren zu der Art und Weise, wie es auf diese Katastrophe reagiert hat. Ich möchte auch der Europäischen Kommission und dem Rat für ihr Vorgehen bei der Bewältigung dieser Katastrophe danken. Es ist zu begrüßen, dass China das Gebiet allen geöffnet hat, die Hilfe zu leisten vermögen. Hoffentlich wird das Land dies zukünftig auch in Bezug auf andere Bereiche so halten. Den internationalen Medien Zugang zu den erforderlichen Informationen zu verschaffen, das ist der richtige Schritt nach vorn. Auch die Medien sind dafür zu loben, dass sie in ihrer Berichterstattung das Ausmaß der Katastrophe und den Bedarf an Hilfeleistung hervorgehoben haben.
Bleibt zu hoffen, dass China selbst erkennt, wie es seinen Einfluss geltend machen und Druck auf andere Regime, insbesondere das in Birma, ausüben kann, damit diese einsehen, dass auch sie die Hilfe der Weltgemeinschaft benötigen. Die Rettung von Menschenleben hat in China den Vorrang. Andere, wie die Junta in Birma, sollten davon lernen.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Ich möchte allen, die in China gelitten und ihnen nahe stehende Menschen verloren haben, mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Ich möchte mein tief empfundenes Mitgefühl mit allen ausdrücken, die ihr Kind, ihre Ehefrau oder ihren Ehemann verloren haben. Ich war letzte Woche selbst in China, als das schreckliche Unglück passierte. Ich war in Peking und Schanghai und habe das Parlament bei der Eröffnung der Lebensmittelmesse in Schanghai vertreten. Die Katastrophe passierte am Montag, als ich gerade ankam. Ich habe umgehend Beileidsschreiben an die chinesischen Botschafter in Polen und Brüssel gesandt. Ich konnte selbst Berichte über die Tragödie im Fernsehen sehen und wurde mir dabei bewusst, wie viel menschliches Leid sie verursacht hat. Ich habe auch gesehen, wie für die Opfer umfassende Soforthilfe geleistet wurde, durch ganz normale Menschen, die Regierung und die Armee. In diesem Umfang hat es so etwas noch nicht gegeben.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und der EU und allen Mitgliedstaaten für die erwiesene Hilfe danken. Ich danke auch diesem Hause für seine Geste der Solidarität in Form der heutigen Aussprache. Ich bin sicher, dass auch weiterhin noch Hilfe benötigt wird.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (PL) Ich glaube, dass es für uns zwei verschiedene Ansätze für China gibt. Der eine ist, dem Land nach dem Unglück, das es vor kurzem ereilt hat, zu helfen. Wir können nicht anders. Es ist unsere moralische Pflicht zu helfen. Dass es uns finanziell und wirtschaftlich besser geht, ist erst recht ein Grund, unsere Hilfe anzubieten. Es ist einfach ein Muss.
Der zweite Ansatz ist damit verbunden, uns immer dessen bewusst zu bleiben, dass wir China auch in normalen Zeiten helfen müssen. Damit meine ich, dass wir in den Zeiten, in denen das Land nicht von Katastrophen heimgesucht wird, den Menschen in China helfen sollten, indem wir ihre Führer an die Rechte ihre Bürger erinnern. Wir müssen das sehr einfühlsam tun. Wir müssen auf beide Situationen richtig reagieren. Somit wird alles sehr klar werden. Meines Erachtens wird das chinesische Volk unsere Anstrengungen anerkennen und uns dafür danken.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich halte den Beschluss des Europäischen Parlaments, die heutige Aussprache der Naturkatastrophe in China zu widmen, für sehr wichtig, und zwar hauptsächlich, um China gegenüber ein Zeichen zu setzen. Einerseits übermittelt die Europäische Union China ihr Beileid, und andererseits bekundet sie, wie Frau Grabowska sagte, ihre Solidarität mit China und seinem Volk.
Der Unterschied wird auch offensichtlich im Ton der in diesem Zusammenhang geführten Aussprache im Vergleich zu der zum unmittelbar vorangegangenen Thema. Und das liegt natürlich auch darin begründet, wie die chinesische Führung vorgegangen ist. Wir können wirklich feststellen, dass sie schnell und effizient auf dieses schreckliche Unglück reagiert hat, dass sie beträchtliche nationale Mittel zur Verfügung gestellt und den Premierminister persönlich zum Koordinator der Hilfsmaßnahmen ernannt hat. Zur effektiven Überwindung solcher Schwierigkeiten braucht man gute Koordination, und die war offensichtlich vorhanden.
Die Medien haben sowohl die nationale als auch die internationale Öffentlichkeit regelmäßig über die Entwicklungen informiert. Ausländische Journalisten und auch einige ausländische Sachverständige, unseren Information zufolge unter anderem aus Japan, durften in die betroffenen Gebiete reisen.
Deshalb glaube ich, dass wir mit der sehr guten Organisation, die die chinesischen Behörden angesichts dieser großen Katastrophe und bei der Bereitstellung von Hilfe für die Bevölkerung bewiesen haben, zufrieden sein können und vor allem damit, dass sie gewillt sind, ausländische Hilfe, einschließlich unserer, anzunehmen. Und ich kann Ihnen versichern, dass der Rat weiterhin bereit ist, Hilfe zur Verfügung zu stellen.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin! Sie können sicher sein, dass ich Ihre Bemerkungen gebührend berücksichtigen werde, und ich möchte Ihnen ganz kurz darauf antworten, dass wir natürlich weiterhin bereit sein werden, über unsere bisherigen Verpflichtungen hinaus noch zusätzliche, auf einer Bedarfsanalyse beruhende, Hilfe zu leisten.
Außerdem bin ich der Meinung, dass jeder die Reaktion Chinas sowie die der Behörden in Bezug auf Zugang und Transparenz begrüßt. Ich denke hier insbesondere an den Zugang der Presse.
Ich werde vielleicht auch noch auf einen Gedanken zurückkommen, der von Frau Flautre zum Ausdruck gebracht wurde, und zwar betrifft der den Vorschlag, internationale Experten zur Bewertung von Kollateralschäden und -gefahren, vor allem in Verbindung mit den nuklearen Infrastrukturen, bereitzustellen. Ich glaube, es wird eine gute Sache sein, diese Nachricht weiterzugeben. Wir müssen es ja nicht tun, aber ich denke, es wird auf jeden Fall nützlich sein, hierüber mit den chinesischen Behörden zu reden.
Die Präsidentin. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.
12. Weltweites Abkommen über ein Verbot von Uranwaffen (Aussprache)
Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt eine Aussprache über
die mündliche Anfrage an den Rat über ein Weltweites Abkommen über ein Verbot von Uranwaffen von Elly de Groen-Kouwenhoven, Angelika Beer und Carolina Lucas im Namen der Verts/ALE-Fraktion, Luisa Morgantini im Namen der GUE/NGL-Fraktion, Annemie Neyts-Uyttebroeck im Namen der ALDE-Fraktion, Ana Maria Gomes im Namen der PSE-Fraktion, Ģirts Valdis Kristovskis im Namen der UEN-Fraktion, Karl von Wogau und Stefano Zappalà im Namen der PPE-DE-Fraktion (O-0029/2008/rev – B6-0153/2008)
und
die mündliche Anfrage an die Kommission über ein Weltweites Abkommen über ein Verbot von Uranwaffen von Elly de Groen-Kouwenhoven, Angelika Beer und Carolina Lucas im Namen der Verts/ALE-Fraktion, Luisa Morgantini im Namen der GUE/NGL-Fraktion, Annemie Neyts-Uyttebroeck im Namen der ALDE-Fraktion, Ana Maria Gomes im Namen der PSE-Fraktion, Ģirts Valdis Kristovskis im Namen der UEN-Fraktion, Karl von Wogau und Stefano Zappalà im Namen der PPE-DE-Fraktion (O-0030/2008/rev – B6-0154/2008).
Elly de Groen-Kouwenhoven, Verfasserin. − (EN) Frau Präsidentin! Im Dezember 2007 hat die UN-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Uranwaffen auf Zivilisten und Soldaten gefordert wurden.
Wir beglückwünschen Deutschland, Irland und Italien als die einzigen NATO-Länder, die die UN-Resolution unterstützt haben. Der Grund für diese Unterstützung liegt sicher darin, dass viele ihrer Soldaten mit tödlichen Krankheiten zurückgekehrt sind und/oder später Kinder mit schweren Fehlbildungen hatten. Wir appellieren deshalb an die anderen EU-Länder, ihrem Beispiel zu folgen und entsprechend der Forderung der Vereinten Nationen Gesundheitsberichte vorzulegen.
Depleted Uranium oder abgereichertes Uran ist auf dem Balkan, im Irak und in Afghanistan zum Einsatz gekommen. Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt, aus dem man sehr billig Waffen herstellen kann. Die weltweiten Bestände werden auf 1,3 Millionen Tonnen geschätzt. Schon weit weniger als ein Mikrogramm im Körper kann tödlich sein. Neben der Strahlungsbelastung ist abgereichertes Uran auch chemisch toxisch. Niemand informiert die Truppen oder die Bevölkerung der Länder, in denen DU-Waffen eingesetzt werden. Die letzten Gutachten der Experten der Weltgesundheitsorganisation zu den schädlichen Wirkungen von abgereichertem Uran wurden zensiert.
Wir verlangen, dass die EU ihre Bürger und die Bevölkerung der betroffenen Länder informiert. Wir rufen die Kommission und den Rat auf sicherzustellen, dass möglichst bald ein weltweites Abkommen geschlossen wird.
Um genaue Erkenntnisse zu dieser Angelegenheit zu gewinnen, ist es für die Kommission und den Rat höchste Zeit, Zugang zu allen vorhandenen Berichten zu gewähren und weitere Untersuchungen in die Wege zu leiten, wie es das Parlament seit 2001 fordert. Inzwischen bekräftigen wir unseren Aufruf, den Einsatz von abgereichertem Uran gemäß dem Vorsorgeprinzip zu verbieten.
Annemie Neyts-Uyttebroeck, Verfasserin. − (NL) Der Kampf für ein weltweites Verbot von Waffen und Munition, die abgereichertes Uran enthalten, ist Teil unseres allgemeinen Kampfes für Rüstungskontrolle und Abrüstung. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt Waffen und Munition, die für die Zivilbevölkerung äußerst gefährlich und schädlich sind und von denen auch lange nach dem Ende des Konflikts eine Gefahr ausgeht, wie zum Beispiel Landminen, Streubomben und Waffen mit abgereichertem Uran. Ich weiß, es mag ein wenig ironisch klingen, wenn ich von Waffen spreche, die gefährlicher und schädlicher sind als andere, aber so ist es nun einmal. Deshalb konzentrieren wir uns auf jene mit den schlimmsten Folgen für die unschuldigen Zivilbevölkerungen.
Im November 2006 forderte unser Parlament ein Moratorium für diesen Waffentyp, sprich Waffen, die abgereichertes Uran enthalten. Mein Heimatland, Belgien, verabschiedete im vergangenen Jahr nicht nur ein Gesetz über ein solches Moratorium, sondern auch über ein tatsächliches Verbot jedweder Verwendung von Uranwaffen, und ich denke, darauf kann ich ein wenig stolz sein. Nunmehr möchte ich von der Kommission und dem Rat wissen, was sie zu tun gedenken, um dieses Moratorium zu verallgemeinern und ein generelles Verbot zu unterstützen.
Darüber hinaus, und meine Vorrednerin ist ausführlich darauf eingegangen, scheinen Uranwaffen auch schädliche Folgen für die Soldaten zu haben, die sie verwenden oder ihrer Verwendung ausgesetzt sind. Selbst wenn es noch nicht vollkommen sicher sein mag, ist der Rat trotzdem gut beraten, dafür Sorge zu tragen, dass die an den Operationen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligten Soldaten und anderen Mitarbeiter derartigen Risiken nicht ausgesetzt sind. Deshalb darf ich den Rat fragen, welche konkreten Maßnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass die an solchen Operationen teilnehmenden Soldaten und Mitarbeiter derlei Gefahren nicht ausgesetzt sind und dass die Bevölkerung in den Gebieten, in denen solche Einsätze stattfinden, damit ebenso wenig in Berührung kommt. Für eine Antwort wäre ich Ihnen dankbar.
Ana Maria Gomes, Verfasserin. − (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! In einem kürzlich an The Times in London gerichteten Brief haben neun ehemalige Militärkommandeure die Regierung des Vereinigten Königreichs aufgefordert, sich auf die Seite derer zu stellen, die für ein Verbot von Streumunition kämpfen. Sie argumentierten dabei wie in Bezug auf Antipersonenminen: Wie nützlich eine Waffe kurzfristig auch sein mag, in der militärischen Logik rechtfertigt allein Tatsache, dass sie längerfristig wahllos Schaden anrichtet, dass sie von verantwortungsvollen Streitkräften nicht mehr eingesetzt wird.
Dieselbe Logik gilt für Munition mit abgereichertem Uran. Die Europäische Organisation der Militärverbände (EUROMIL) befasst sich intensiv mit diesem Thema, und ihr Standpunkt, der auf den Informationen von Militärpersonal aus ganz Europa beruht, ist kategorisch: DU-Munition gehört möglichst rasch abgeschafft.
Das Europäische Parlament hat sich bereits für ein vollständiges Verbot dieser Waffen ausgesprochen, und die im Dezember letzten Jahres verabschiedete UNO-Resolution, mit der das Thema DU-Waffen und –Munition auf die Tagesordnung der 63. Sitzung der UN-Vollversammlung gesetzt wurde, hat bekräftigt, dass das Europäische Parlament das Recht hat, bei dieser Debatte über Abrüstung und humanitäres Recht eine Vorreiterrolle zu übernehmen und den Rat gleichfalls dazu aufzufordern.
Die „Gegenargumente“ der Skeptiker unter uns ziehen nicht. Allein aus Gründen der Vorsicht ist die Ächtung dieser Waffen schon geboten, bevor die umfangreichen Indizien für ihre wahllos schädigende und krebserzeugende Wirkung durch unwiderlegbare wissenschaftliche Beweise ersetzt werden.
Was werden uns die Menschen (darunter auch die, die heute skeptisch sind) in zehn Jahren sagen, wenn die schädlichen Wirkungen dieser Waffen, ganz klar feststehen, wir aber in der Zwischenzeit nichts getan haben, um sie aus dem Verkehr zu ziehen? Wohl dasselbe, was sie heute bei den Antipersonenminen sagen, nämlich: „Wie konnten Sie bloß solange warten?“
Ģirts Valdis Kristovskis, Verfasser. – (LV) Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich betonen, dass ich mein Land – Lettland – aufrufe, die UNO-Resolution vom Dezember 2007 zu unterzeichnen. Zweitens fordere ich den Hohen Vertreter auf, eine begründete Stellungnahme zu der in dieser Resolution enthaltenen Initiative vorzulegen. Drittens fordere ich die Europäische Union auf sicherzustellen, dass zwischen den Mitgliedstaaten Informationen über die Arten von Munition weitergegeben werden, die bei Operationen zum Einsatz kommen können.
Ich habe meine eigenen Erfahrungen mit abgereichertem Uran gemacht, denn ich war fünfeinhalb Jahre lang lettischer Verteidigungsminister. Während meiner Amtszeit trat Lettland der Koalition der USA im Irakkrieg bei. Damals kam bei mehreren Gelegenheiten der Verdacht auf, dass im Irak abgereichertes Uran eingesetzt wurde. Die internationale Gemeinschaft hat scharf darauf reagiert. Die lettischen Truppen haben keine AU-Munition eingesetzt. Von mir wurde jedoch in Lettland einige Monate lang gefordert, als einer der Minister der Koalition die politische Verantwortung für diese Ereignisse zu übernehmen. Leider war ich als Koalitionsminister nicht über den Einsatz von abgereichertem Uran informiert. So etwas ist nicht akzeptabel. Zum einen müssen sich die EU-Mitgliedstaaten ernsthaft mit der Frage befassen, ob sie diese Art von Munition in ihren Waffenarsenalen brauchen. Darüber hinaus muss die Europäische Union dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten zum Austausch von Informationen über einen möglichen Einsatz von abgereichertem Uran bei Operationen verpflichtet sind. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Die Präsidentin. − Herr Kristovskis, ich habe Sie nicht unterbrochen, weil Ihr Bericht als Minister Lettlands äußerst wichtig war, doch mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Sie Ihre Redezeit deutlich überschritten haben.
Stefano Zappalà, Verfasser. − (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles wurde in der Vergangenheit zu diesem Thema gesagt, und leider muss meines Erachtens auch noch viel darüber gesagt werden, ehe eine endgültige Lösung gefunden wird; meine Kollegen haben bereits darauf hingewiesen und es sehr gut dargelegt.
Einige Mitgliedstaaten haben Maßnahmen erlassen, die die Herstellung und jegliche Verwendung dieser Waffenart zu kommerziellen oder kriegerischen Zwecken verbieten. Es gab mehrere Forderungen dieses Parlaments, es gibt Unterlagen in Form von Fotos und Zeugenaussagen, und es gibt handfeste Gründe für die Annahme, dass italienische Militärangehörige aufgrund der Exposition gegenüber solchen Waffen gestorben sind.
Es gibt eine UNO-Resolution, in der allgemeine Besorgnis zum Ausdruck gebracht wurde, und es wurden mehrere Forderungen nach gründlicheren Untersuchungen dieser Thematik erhoben. Es gilt das Vorsorgeprinzip, das, im Einklang mit dem EU-Recht, zur Verhängung eines allgemeinen Moratoriums führen müsste, das mindestens so lange gelten sollte, bis gesicherte wissenschaftliche Daten vorliegen.
Doch nichts von alledem hat bisher die erhofften Ergebnisse gebracht. Abgereichertes Uran wird weiterhin auf Kriegsschauplätzen in ländlicher und städtischer Umgebung eingesetzt. Es besteht kein Zweifel, dass die chemische Substanz durch den Boden in das Grundwasser und in die Feldfrüchte gelangt, und deshalb steht außer Frage, dass Partikel von abgereichertem Uran, die in Kontakt mit dem Boden kommen, sich im Untergrund verstreuen und Trinkwasser sowie Agrarerzeugnisse verseuchen, was offenkundig zur Verbreitung von Krankheiten unter der exponierten Bevölkerung und – wenngleich in abgeschwächter Form – durch den Wasserkreislauf und die Elemente, speziell in einem immer umfassenderen globalen Marktsystem, im Weltmaßstab führt.
Es liegen zugegebenermaßen noch keine endgültigen Studien als Beweis für diese Gefährlichkeit vor, doch lässt sich nicht leugnen, dass die uns heute bekannten Parameter die Existenz dieser Gefahr nicht ausschließen. Allein diese Erwägung muss die fortgeschrittenen Demokratien dazu veranlassen, das Thema eingehender zu untersuchen und Entscheidungen zu treffen.
Insbesondere die Europäische Union darf meines Erachtens nicht weiterhin untätig bleiben. Die Union hat klare Pflichten gegenüber ihren Mitgliedstaaten, sie hat klare Pflichten gegenüber der übrigen Welt, klare Pflichten gegenüber ihren Bürgern. Die Union verfügt über wirtschaftliche Ressourcen, die sie nutzen kann, und sie unterliegt keinen Beschränkungen in Bezug auf die Wissenschaft und die verfügbaren Labors. Nichts zu unternehmen ist zweifellos das Ergebnis einer Wahl, und nicht eines Mangels an Ressourcen und Mitteln.
In Anbetracht all dessen wird klar, dass sich Rat und Kommission verpflichten müssen, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Bürger, seien sie nun Zivilisten oder Militärangehörige, nicht in Gebiete der Welt geschickt werden, wo diese Art von Munition verwendet wird oder wurde, und dass sie darüber hinaus nicht umhin können, jede erdenkliche Initiative zu ergreifen, um vorerst ihre Herstellung und Verwendung anzupassen und dann, im Lichte der wissenschaftlichen Ergebnisse, ihre vollständige Ächtung und endgültige Vernichtung vorzubereiten.
Das ist es, was wir fordern, wobei wir hoffen, dass Rat und Kommission ihr Verantwortungsbewusstsein in der Praxis unter Beweis stellen, denn das ist kein schwammiges politisches Problem, sondern eine Frage der öffentlichen Gesundheit.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Im Namen des Rates möchte ich den Abgeordneten auch dafür danken, dass sie die Frage bezüglich des weltweiten Verbots bzw. des weltweiten Abkommens über ein Verbot von Uranwaffen aufgeworfen haben.
Natürlich dürfte den Abgeordneten bekannt sein, dass so ein Abkommen noch nicht existiert. Es gibt kein Abkommen, das auf internationaler Ebene den Umgang mit Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, regelt. Dass es dazu keine Einstimmigkeit innerhalb des Rates gibt, das ist auch bekannt.
Eine Debatte über die Auswirkungen von Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, fand vor kurzem bei den Vereinten Nationen statt, wo Ende letzten Jahres vom UN-Abrüstungskomitee eine Resolution mit dem Titel „Auswirkungen des Einsatzes von mit abgereichertem Uran gehärtetem Kriegsgerät und Munition” verabschiedet wurde. Wie bereits erwähnt, haben die EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich über diese Resolution abgestimmt. Ich würde sagen, sehr unterschiedlich: fünf stimmten dafür, vier dagegen, und alle anderen enthielten sich der Stimme. Meines Erachtens ist das eine ziemlich gute Illustration der gegenwärtigen Lage in der Welt.
Wenn Sie gestatten, werde ich jetzt versuchen, die gestellten Fragen kurz zu beantworten.
In Bezug auf die erste Frage im Zusammenhang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments bezüglich biologischer Waffen und einiger Arten konventioneller Waffen möchte ich darauf hinweisen, dass die Europäische Union bei ihren internationalen Bestrebungen, das Übereinkommen über biologische und Toxinwaffen (BWÜ) umzusetzen, schon immer sehr aktiv war, ist und sein wird. Unter anderem hat die EU bei der Überprüfungskonferenz im Jahr 2006 eine bedeutende Rolle gespielt, und sie wird auch für die Dauer des Experten-Programms bis zur nächsten, für 2011 geplanten Überprüfungskonferenz aktiv sein.
Was das Abkommen über konventionelle Waffen betrifft, so nehmen sowohl die Europäische Union als auch ihre Mitgliedstaaten aktiv an den gegenwärtigen Verhandlungen teil, die auch eine Debatte über die humanitären Folgen von Streubomben beinhalten. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, durch Verhandlungen bis Ende des Jahres ein rechtlich bindendes Instrument zu entwickeln, das alle Aspekte von Streubomben berücksichtigt.
Bezüglich der zweiten Frage möchte ich erklären, dass bis jetzt Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, nicht in der Strategie der Europäischen Union für Massenvernichtungswaffen enthalten sind. Im Moment ist eine Aussprache darüber im Gange, ob es überhaupt möglich ist, solche Munition in den Bereich der Massenvernichtungswaffen aufzunehmen. In der Tat sind einige der Meinung, dass abgereichertes Uran vom Übereinkommen über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) abgedeckt wird; andere glauben, dass Protokoll Nr. 3, das Teil des Übereinkommens ist, ergänzt werden sollte, um das Thema Projektile und Sprengköpfe, die abgereichertes Uran enthalten, mit einzubeziehen. Kurz gesagt, die Diskussionen dauern noch an.
Bezüglich der dritten Frage möchte ich klar feststellen, dass bei von der Europäischen Union durchgeführten Operationen die Wahl der Militärausrüstung, einschließlich Munition, innerhalb des Aufgabengebietes der Mitgliedstaaten liegt, und aufgrund der Tatsache, dass wir kein multilaterales Abkommen zu diesem Thema haben, kann ich Ihnen keine zusätzlichen Informationen zum Einsatz von abgereichertem Uran zur Verfügung stellen.
In Erwiderung auf die vierte Frage zu Sicherheitsvorkehrungen für an Operationen der Europäischen Union beteiligte Soldaten und Zivilisten möchte ich darauf hinweisen, dass es der Befehlshaber des Einsatzes ist, der im Rahmen des vom Europäischen Rat befürworteten operativen Planes die Verantwortung für Sicherheitsvorkehrungen trägt und der jede Maßnahme, die er für notwendig erachtet, durchführen muss. Gleichzeitig muss er natürlich operative Einschränkungen berücksichtigen.
Bei jeder zivilen Mission der Europäischen Union liegt diese Verantwortung beim Leiter der Mission, die unter Führung des Befehlshabers der zivilen Operation steht.
Und zur letzten Frage bezüglich des Dialogs zwischen dem Europäischen Rat und den USA, Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen kann ich nur sagen, dass bis jetzt das Thema weder im Dialog mit den Vereinigten Staaten aufgeworfen wurde – noch von Seiten der in der Frage erwähnten Parteien. Auf jeden Fall werde ich die weitere Debatte in dieser Angelegenheit mit Interesse verfolgen.
Vielen Dank.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die im November 2006 angenommene Entschließung des Parlaments fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, sich dazu zu verpflichten, den Geltungsbereich von Protokoll III des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen zu erweitern, um der Anwendung von Munition mit abgereichertem Uran ein Ende zu setzen. Ich möchte das Hohe Haus daran erinnern, dass das Parlament zu Maßnahmen aufruft, die, wie Ihnen sicher bekannt ist, die Zuständigkeiten der Kommission überschreiten, da ja die Gemeinschaft keine Unterzeichnerin des Übereinkommens ist. Außerdem verfügen die Organe der Gemeinschaft aufgrund der Verträge über keine Zuständigkeiten im militärischen Bereich. Ich möchte trotzdem nicht den Eindruck erwecken, dass die Kommission den Problemen in Verbindung mit der Herstellung, Lagerung und Verwendung der unter das VN-Waffenübereinkommen fallenden Waffen oder in Verbindung mit der Frage von inhumanen Waffen im Allgemeinen gleichgültig gegenüber steht, ganz im Gegenteil.
Die Kommission engagiert sich voll und ganz für die Umsetzung eines im Vorjahr vom Rat angenommenen Gemeinsamen Aktionsplans zugunsten der Allgemeingültigkeit des VN-Waffenübereinkommens und seiner Protokolle. In diesem Jahr fanden drei Seminare statt, eines im März in Santo Domingo für Lateinamerika und die Karibik und zwei weitere vor einem Monat in Lomé für die Länder Afrikas. Nach Abschluss dieser Seminare hat die Dominikanische Republik schon ihre Bereitschaft signalisiert, sehr bald das Übereinkommen zu ratifizieren, und Surinam erklärte sich bereit, die für die Ratifizierung notwendigen Schritte zu ergreifen. Darüber hinaus unterstützt die Kommission die Umsetzung des Übereinkommens über das Verbot von biologischen Waffen und arbeitet auch noch an der Weiterverfolgung von Initiativen zur Schaffung eines neuen Instruments als Reaktion auf die humanitären Bedenken, die durch Streubomben aufgeworfen werden, sowohl im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens als auch im Rahmen des Oslo-Friedensprozesses.
Die Kommission hat auch mit entsprechenden Maßnahmen auf die durch explosive Kampfmittel ausgelösten Probleme reagiert. So wurden zum Beispiel 2006 fünf Millionen Euro als Hilfe für die Beseitigung von explosivem Kriegsschrott im Libanon ausgegeben.
Was die zweite Frage betrifft, so lässt sich aufgrund der uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bestätigen, dass Munition aus abgereichertem Uran (DU) eine signifikante Gefahr für die Gesundheit der Zivilbevölkerung in den betroffenen Kriegsgebieten oder für Militärpersonal, das in diesen Gebieten gedient hat oder noch dient, darstellt. Diese Ansicht spiegelt sich in den Ergebnissen der Umfragen wider, die von der UNO, der WHO, der IAEA (Internationale Atomenergieorganisation) sowie von einer durch die Europäische Kommission gemäß Artikel 31 des Euratom-Vertrags aufgestellten Expertengruppe durchgeführt wurden und Folgendes aussagen – ich zitiere: „Aufgrund der verfügbaren Informationen wird geschlussfolgert, dass die Belastung mit abgereichertem Uran keine nachweisbaren Wirkungen auf die Gesundheit hervorrufen könnte, wie aus realistischen Hypothesen in Bezug auf die angeblich aufgenommenen Dosen hervorgeht“. Die Kommission ist bereit, die Frage erneut zu prüfen. Sie wird auch weiterhin die Gesundheit ihrer Mitarbeiter gewährleisten, und sie wird sich bei Einsätzen unter Bedingungen, die eine potenzielle Belastung mit abgereichertem Uran mit sich bringen, an die Richtlinien der WHO halten.
Was den Dialog mit EUROMIL betrifft, so ist die Kommission selbstverständlich bereit, mit allen Vertretern der Zivilgesellschaft zu reden.
Was schließlich die letzten drei Fragen betrifft, hat die Kommission bis heute nicht vor, sich in diesen Bereichen finanziell zu engagieren.
VORSITZ: ADAM BIELAN Vizepräsident
Jana Hybášková, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (CS) Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, stellen eine enorme Umweltbelastung dar. Das Argument, ihre schädliche Wirkung sei nicht nachgewiesen, ist für jeden, der die Folgen ihres verhängnisvollen Einsatzes mit eigenen Augen gesehen hat, völlig absurd. Schmutzige Bomben reißen die mehrere Zentimeter dicke Panzerung der meisten modernen Panzer in Stücke. Sie verfügen über eine gewaltige zerstörerische Kraft und sind gesundheitsschädigend. Sie töten gnadenlos. Der Handel mit diesen Waffen muss unbedingt eingestellt und ihre Produktion, ihr Einsatz und ihre Lagerung unterbunden werden. Das Parlament und die Europäische Union bauen die Europäischen Streitkräfte und die europäische Verteidigung schrittweise auf. Wir werden die künftigen Partner sowohl der NATO als auch der USA sein und müssen uns deshalb als glaubwürdig erweisen. Sich zu erheben und zu rufen „Ich fordere ein Moratorium für abgereichertes Uran“ ist einfach lachhaft. Gleichermaßen lächerlich ist die Forderung an den Rat, eine Wirkungsanalyse vorzubereiten. Erforderlich ist zunächst ein politischer Konsens zwischen den Mitgliedstaaten wie Frankreich, Großbritannien und vielleicht der Tschechischen Republik. Dann müssen wir Gespräche mit der UNO aufnehmen, um die Grundlage für ein internationales Abkommen über das Verbot von abgereichertem Uran zu schaffen. Hierzu gehört die Erarbeitung eines von allen Mitgliedstaaten akzeptierten Plans für das schrittweise Verbot der Herstellung wie auch der Lagerung und des Handels mit Uran und schließlich die Festlegung eines Datums, ab dem der Einsatz verboten sein soll. Der nächste Schritt ist die Durchführung einer Konferenz, auf der dieser Plan verabschiedet und der zum endgültigen Verbot dieser Waffen führende Prozess in Gang gebracht wird.
Erforderlich ist eine präzise analytische Untersuchung der Nebenwirkungen. Es geht aber zunächst um die politische Zusammenarbeit, die den schrittweisen Prozess der politischen Willensfindung und Sicherung der internationalen Anerkennung, der Konsens- und Entscheidungsfindung auslöst. Dieser Prozess wird Jahre dauern. Es wäre eine großartige Errungenschaft, wenn die Europäische Union Mitunterzeichner des neuen Vertrages über das Verbot jeglichen militärischen Einsatzes von abgereichertem Uran wäre. Deshalb müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass sinnloses Geschrei, fachliche Ignoranz und halbfertige Vorlagen die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union beeinträchtigen. Wir müssen uns weiterhin als Partner in diesem so bedeutungsvollen Spiel erweisen.
Elizabeth Lynne im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Im Vereinigten Königreich glauben Hunderte von Veteranen, dass sie sich durch den Kontakt mit abgereichertem Uran im ersten Golfkrieg chronische Erkrankungen und Behinderungen zugezogen haben. Auch gibt es Beweise dafür, dass nach dem Einsatz von abgereichertem Uran im Irak mehr Kinder mit nur einem Auge oder ohne Augen geboren wurden. Sieben der acht ohne Augen geborenen Babys waren im Irakkrieg 1991 abgereichertem Uran ausgesetzt.
Mindestens 17 Länder haben in ihrem Waffenarsenal noch immer Waffen mit abgereichertem Uran, darunter die drei EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Griechenland und Vereinigtes Königreich. Wir brauchen jetzt dringend ein weltweites Abkommen zur Einführung eines sofortigen Moratoriums über die Verwendung, Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Beförderung und das Testen von Waffen mit abgereichertem Uran sowie die Verwertung oder Zerstörung der vorhandenen Bestände. Ich hoffe, dass diese Entschließung von allen unterstützt wird.
Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Schon der Vorsicht halber ist es geboten, sich für die wirkliche Beseitigung der AU-Waffen einzusetzen. Sicher sollte die Arbeit an den Expertenstudien über die Auswirkungen des Einsatzes solcher Waffen auf die Menschen und die natürliche Umwelt beschleunigt werden. Es könnte jedoch sofort ein Moratorium für die Verwendung von Waffen dieser Art eingeführt werden, und das Thema könnte im Rahmen der neuen europäischen Sicherheitsstrategie behandelt werden. Vor uns liegt jetzt die schwierige Aufgabe, die Arbeit an einem internationalen Abkommen auf der Basis des Systems der Vereinten Nationen aufzunehmen, das die Verwendung, Produktion, Lagerung und Erprobung dieses Waffentyps regeln wird.
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Diese Debatte war überfällig. Es ist gut, dass wir sie heute führen. Depleted Uranium oder abgereichertes Uran wird von vielen und vor allem westlichen Staaten als Munition in ihren Kriegen benutzt, weil DU eine starke Durchschlagskraft vor allem gegen Panzer hat. Doch DU-Munition ist sowohl chemisch hochgiftig – also toxisch – als auch radioaktiv. DU-Munition ist auch ein Abfallprodukt der Atomindustrie, das bei der Anreicherung von Uran oder bei der Atomwaffenproduktion anfällt. Auch darin, in der Nutzung von Atomenergie, liegt das Problem.
DU-Munition hat Langzeitwirkung. DU wird bei hohen Temperaturen beim Auftreffen auf ein festes Ziel freigesetzt und verbrennt zu DU-Oxyd, und es entsteht feiner alpha-radioaktiver toxischer Staub, der leicht inhaliert und durch Wind und Wasser verbreitet werden kann. Dieser Staub ist aus der Umwelt schwer zu beseitigen und setzt sich bei Einatmung in den Lungen fest. Es gibt das Golfkrieg-Syndrom, das Balkan-Syndrom, und es ist immer wieder das gleiche Phänomen festzustellen, dass Soldaten offensichtlich Krebs bekommen, zum Beispiel Lungenkrebs. Es gibt auch eine Zunahme derartiger Krebsphänomene bei der Bevölkerung in den Gebieten, wo diese Waffen eingesetzt wurden.
Interessant ist, dass DU-Munition als solche eine sehr geringe militärische Effektivität hat, aber sehr viele nicht kalkulierbare Risiken aufweist. Die NATO hat im Angriffskrieg gegen Jugoslawien DU-Munition eingesetzt. Im Irak hat die US-Armee DU-Munition eingesetzt – insgesamt 300 Tonnen. Es gibt eine erhöhte Anzahl missgebildeter Kinder, insbesondere in Bagdad. Die Regierung von Afghanistan hat jetzt eine Untersuchung über den Einsatz von DU-Munition in Afghanistan gefordert, und sie sagt, dass das US-Militär sie nicht darüber informiert habe, dass DU-Munition vor allem im Osten Afghanistans eingesetzt wurde. Im Libanon-Krieg wurde DU-Munition insbesondere von Israel eingesetzt, und im ersten Golf-Krieg wurde DU-Munition auch sehr umfangreich eingesetzt. Es ist die Rede von 66.000 kontaminierten Soldaten.
Das Problem ist offensichtlich. Inzwischen bekommen die ersten Veteranen Kriegsrenten als Folge dieser DU-Munition, zum Beispiel Kenny Duncan aus Großbritannien. Wenn DU-Munition Kosmetik wäre oder etwa ein Stoff in Verbindung mit Nahrungsmitteln, so wäre sie schon längst verboten. Soldaten werden angewiesen, Schutzanzüge anzuziehen, wenn sie mit DU-Munition zu tun haben. Die Soldatenvereinigung EUROMIL fordert ein Verbot dieser Waffen. Belgien hat DU-Munition verboten. Gratulation hierzu! Bei der Abstimmung im Abrüstungsausschuss der Vereinten Nationen waren 122 Länder dafür, 35 Länder enthielten sich, 6 waren dagegen, darunter Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Tschechien. Was wir brauchen, ist ein Verbot des Einsatzes und der Produktion von DU-Munition.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verwendung von abgereichertem Uran zu Kriegszwecken steht im Widerspruch zum Völkerrecht, es liegen unstrittige Beweise für seine reale Toxizität sowohl für den Menschen als auch für die Umwelt vor. Ich stimme zu, dass das Problem als Teil der Europäischen Sicherheitsstrategie volle Berücksichtigung finden muss, und ich bin der Ansicht, dass diese Waffen in den Mitgliedstaaten der Union mit einem totalen und absoluten Verbot belegt werden müssen.
Die beiden Anfragen enthalten Bewertungen und legen fundierte gemeinsame Probleme dar, die weitgehend belegt wurden; ich möchte die Gelegenheit ergreifen, um an das Beispiel der auf dem Balkan eingesetzten italienischen Soldaten zu erinnern, die immer noch auf ihre gerechte Entschädigung warten, die sie, wie ich befürchte, wohl nie erhalten werden. Wenn die Union schon nicht in der Lage ist, die Schäden aus der Vergangenheit wieder gutzumachen, sollte sie wenigstens ein entschlossenes, deutliches Signal für die Zukunft setzen, indem sie die Herstellung, die Lagerung und den Verkauf solcher Waffen in den Mitgliedstaaten der Union verbietet.
Luisa Morgantini, Verfasserin. − (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte den Hinweis von Jana Hybášková auf die Realpolitik für unpassend und überaus zynisch. Trägheit oder Nachlässigkeit sind ebenso wie Staatsgeheimnisse unzulässig, wenn es um die Gesundheit der Bürger geht.
Die Verwendung von Uranwaffen hat verheerende und irreparable Folgen. Wenn Urangeschosse explodieren, setzen sie feinen Giftstaub frei; sie kontaminieren Luft, Boden und Wasser, dringen in das Atmungssystem ein und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Tumor- und Leukämieerkrankungen sowie von Missbildungen. Wer sie einsetzt, der verstößt eindeutig gegen das humanitäre Völkerrecht. Seit dem Golf-Krieg 1991 schätzte die Hilfsorganisation für Angehörige von Opfern des Militärpersonals die Zahl der Todesfälle allein in Italien auf 50. Vor kurzem sprach der Verteidigungsminister von 77 Toten, und bei den Kranken schwanken die Zahlen zwischen einigen Hundert und etwa 2 000.
Über 2 000 Tonnen abgereichertes Uran wurden zwischen 1991 und 2003 eingesetzt. 70 % des Gebiets des Irak sind verseucht, und bis heute ist die Höhe der schrecklichen Kosten an Menschenleben, die das abgereicherte Uran verursacht hat, noch nicht genau bekannt. Im Krankenhaus von Basra, im Irak, sah ich die Körper deformierter Kinder, sah ich die schrecklichen Verletzungen an ihren kleinen Körpern. Tausende von namenlosen Zivilisten lebten und starben weiterhin in den strahlenverseuchten Gebieten: im Irak, in Afghanistan, im Kosovo, in Bosnien und in Somalia, nicht ahnend, welches Schicksal sie ereilen würde.
Seit 2001 haben wir als Europäisches Parlament die Einführung eines Moratoriums gefordert. Wir haben dies 2006 mit der Annahme der Entschließung zu chemischen Waffen und unmenschlichen konventionellen Waffen bekräftigt. In der 2007 mit überwältigender Mehrheit angenommenen Resolution der Vereinten Nationen werden die UNO-Mitgliedstaaten aufgefordert, die gesundheitlichen Risiken zu prüfen. Sechs Länder stimmten dagegen – die USA und Israel – und leider auch einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Tschechische Republik und die Niederlande. Sie hätten stattdessen lieber dem Beispiel Belgiens folgen sollen, das im März 2007 als erstes Land ein vollständiges Verbot von abgereichertem Uran erließ, weil es so toxisch ist.
Zusammen mit anderen Kolleginnen – und ich bin froh, dies sagen zu können – aller politischen Richtungen habe ich energisch für diese Aussprache plädiert, denn es ist wichtig, gegen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des internationalen Umweltrechts vorzugehen und zu gewährleisten, dass Militärhierarchien, Staaten und Kriegsindustrie ihre Verantwortung vollständig übernehmen. Unterlassungen und Militärgeheimnisse, Versäumnisse bei der Umsetzung der Schutzvorschriften und des Vorsorgeprinzips können die Gefährlichkeit von Uran verwässern und die Möglichkeit, viele Todesfälle zu vermeiden, vereiteln.
Daher bekräftige ich die in unserem Entschließungsantrag enthaltenen Forderungen und ganz besonders die, wonach durch Angabe der kontaminierten Gebiete größtmögliche Transparenz gewährleistet und vor allem ein sofortiges Moratorium angestrebt werden sollen, um binnen kurzem zu einem vollständigen Verbot der abgereichertes Uran enthaltenen Waffen sowie der Streubomben, die weiterhin Opfer fordern, zu gelangen. Im Libanon beispielsweise schoss die israelische Armee wenige Stunden vor ihrem Abzug mehr als eine Million Splitterbomben auf Dörfer und Häuser ab.
Es besteht Handlungsbedarf. Ich danke dem Rat und der Kommission für ihre Antworten, aber ebenso für das, was sie unternehmen wollen, um uns trotz der von Kommissar Michel erwähnten Beschränkungen von Uranwaffen und Splitterbomben zu befreien.
Janusz Onyszkiewicz (ALDE). – (PL) Abgereichertes Uran ist um 70 % schwerer als Blei. Wegen seiner Bewegungsenergie kann sogar eine kleinkalibrige Rakete die Panzerplatte eines Panzers durchschlagen. Deshalb wird vom Militär abgereichertes Uran eingesetzt. Weltweit gibt es etwa anderthalb Millionen Tonnen abgereichertes Uran. Man kann die Versuchung, es zu nutzen, nur zu gut verstehen. Wie sich jedoch gezeigt hat, hat sich diese Art von Waffen längst nicht als so wirksam erwiesen, wie ursprünglich angenommen. 70 % der beschädigten irakischen Panzer wurden durch Waffen anderer Art beschädigt.
Bleibt natürlich immer noch die Frage nach den Folgen des Einsatzes solcher Waffen. Da sollte ganz klar gesagt werden, dass es noch keine endgültige Antwort gibt. Immerhin haben Tausende von Menschen jahrelang in Uranbergwerken gearbeitet, ohne Krankheitseffekte aufzuweisen. Aber es bestehen immer noch Zweifel. Deshalb muss ein Moratorium verkündet werden, um die Frage endgültig klären zu können.
Roberto Fiore (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Art und Ausmaß des durch die Verwendung von abgereichertem Uran verursachten Schadens sind dergestalt, dass es unangebracht erscheint, ihn als Kollateralschaden zu bezeichnen. Der Schaden wirkt in anschließenden Wellen auf die gegnerischen Truppen und auf das Personal, das diese Waffen anwendet: Man denke zum Beispiel an das Golfkriegsyndrom, das Balkansyndrom.
Den Preis dafür zahlt noch Jahrzehnte danach die in den Kriegsgebieten ansässige Zivilbevölkerung, die das abgereicherte Uran, das das Grundwasser und die Nahrungskette vergiftet, einatmet und aufnimmt und der Strahlenbelastung ausgesetzt ist. Den höchsten Preis an den uns allen bekannten, typischen Schäden, die durch die Exposition gegenüber Schwermetallstrahlungen verursacht werden, zahlen die Kinder, die im Wachstum befindlichen Organismen, und vor allem die ungeborenen Kinder. Der exponentielle Anstieg von genetischen Missbildungen und Krebserkrankungen bei Kindern in den Einsatzgebieten des Urans sind Beweis dafür.
Eine aktuelle Untersuchung der britischen BBC verdeutlichte, dass 24 Stunden nach der massiven Bombardierung des Balkans die bislang höchsten Spitzenwerte an atmosphärischer Radioaktivität in Nordengland gemessen wurden. Deshalb schlagen wir nicht nur ein Verbot von abgereichertem Uran, sondern auch die Strafverfolgung derjenigen vor, die Kriegsverbrechen begehen, indem sie es einsetzen, obwohl sie sich seiner Folgen wohl bewusst sind, und die dies tun, wenn ein Verbot gilt.
Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Da wir einmal beim Thema radioaktive Waffen sind – dieses Parlament war bemerkenswert still, als im Dezember 2006 in London ein britischer Bürger und damit EU-Bürger mit einer radioaktiven Waffe getötet wurde. Gemeint ist natürlich Herr Alexander Litwinenko, der in einem Akt von staatlich gefördertem Terrorismus mit Polonium-210 ermordet wurde.
Der Hauptverdächtige bei diesem Verbrechen ist Herr Andrej Lugowoj, der jetzt ein Mitglied des russischen Parlaments ist und gemäß der russischen Verfassung nicht ausgeliefert werden kann. Inzwischen verweigert man der Witwe von Herrn Litwinenko eine Untersuchung der Umstände des Todes ihres Ehemanns vor einem britischen Gericht, bei der in einer Gerichtsverhandlung gegen die des Verbrechens Verdächtigten die Indizien, die für seine Ermordung sprechen, unter die Lupe genommen werden könnten.
Diese Ermordung war ein kriegerischer Akt Russlands gegenüber dem Vereinigten Königreich. Die britische Regierung mag dieser Tatsache nicht ins Auge sehen. Aber wenn Sie über radioaktive Waffen diskutieren wollen, warum dann nicht eine Aussprache über die Ermordung von Herrn Litwinenko und ihre weit reichenden Folgen halten?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte mich ganz kurz für diese Aussprache bedanken und wiederholen, dass der Rat in Bezug auf Fragen zur externen Sicherheit in Übereinstimmung mit der EU-Strategie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sehr aktiv bleibt. Innerhalb dieser Strategien werden die Hauptziele des Rates immer wieder auf den neuesten Stand gebracht, neue Entwicklungen auf diesem Gebiet ständig berücksichtigt und dann in die neuen Dokumente integriert.
Ein Beispiel dafür ist die vom Rat zur Unterstützung der weltweiten Annahme des Übereinkommens über das Verbot und die Begrenzung bestimmter konventioneller Waffen beschlossene Maßnahme.
Interessanterweise besteht die Absicht von Protokoll Nr. 5 dieses Übereinkommens darin, die Erzeugung explosiver Kampfmittelrückstände so weit wie möglich zu reduzieren, sobald die militärischen Konflikte vorbei sind. Interessant ist ebenfalls, dass die größten Produzenten und Benutzer von Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, bereits Unterzeichner des o. g. Übereinkommens sind.
Für Vorhersagen jedweder Art ist es noch zu früh. Ich habe im Rat die offensichtliche Situation angesprochen, die sich aus den Abstimmungsergebnissen bezüglich der Resolution des UN-Abrüstungsausschusses der Generalversammlung ergeben hat und die heute mehrfach erwähnt wurde. Es ist zu hoffen, dass Aussprachen wie die heutige im Europäischen Parlament dazu beitragen werden, einen Konsens im Rat zu erzielen. Jedenfalls ist in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen
Vielen Dank.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Ich beeile mich natürlich, die hier unterbreiteten ausgezeichneten Überlegungen und konkreten Vorschläge gebührend zur Kenntnis zu nehmen und an meine Kollegin, Frau Benita Ferrero-Waldner, und an die Kommission weiterzuleiten.
Ich gebe diesem Hohen Haus allerdings zu bedenken, dass die Kommission in ihrem Handeln sehr eingeschränkt ist. Sie hat natürlich deklamatorische bzw. beschwörerische Fähigkeiten, sie kann Vorschläge unterbreiten, aber darüber hinaus hat sie keine Befugnisse. Ich möchte dies klarstellen.
Nachdem ich dies vorangestellt habe, halte ich als klare Botschaft fest, dass Transparenz gewährleistet werden muss, wie Frau Morgantini sagte. Ich teile diese Ansicht sehr wohl. Sie unterbreitet den Vorschlag eines Moratoriums. Ich werde ihn weiterleiten. Mir erscheint es als notwendig und als durchaus möglich, die bislang durchgeführten Umfragen nochmals zu aktualisieren. Es gibt keinen Grund dafür, diese Umfragen nicht erneut zu aktualisieren.
Sie sollten auf jeden Fall wissen, dass ich die ausgezeichneten Beiträge und Argumente, die ich hier vernommen habe, an die Kommission weiterleiten werde. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass rechtzeitig Initiativen ergriffen werden. Auf jeden Fall werden die Gedanken weitergeleitet, und der Wille wird da sein, glauben Sie mir, weil für alle anderen europäischen Länder das möglich sein sollte, wozu Belgien in der Lage war. Ich sage dies nicht nur, weil es sich eben um Belgien handelt. Aber ich bin natürlich froh festzustellen, dass mein Land so gehandelt hat. Das ist vielleicht ein wenig von dem, was Sie sich gewünscht hätten. Es gibt also zweifellos nützliche und interessante Quellen für Anregungen. Aber Sie sollten wissen, dass ich alle Vorschläge, Bemerkungen und Anträge, die hier mit aller Überzeugung und Aufrichtigkeit gemacht wurden, weiterleiten werde.
Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.
(Die Sitzung wird um 17.35 Uhr unterbrochen und um 18.00 Uhr wieder aufgenommen.
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0156/2008).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an den Rat.
Anfrage Nr. 1 von Manuel Medina Ortega (H-0267/08)
Betrifft: Diskriminierung bei Reisepässen der Europäischen Union
In einigen Staaten der Europäischen Union werden Reisepässe und andere Dokumente für den Grenzübertritt nicht nur für die Staatsangehörigen dieser Länder ausgestellt, sondern auch für Staatenlose, die ihren ständigen Wohnsitz in diesen Staaten haben. Beabsichtigt der Rat angesichts der Tatsache, dass die meisten dieser Personen einer ethnischen Minderheit angehören, Muster für Reisepässe oder ähnliche Dokumente zu beschließen bzw. vorzuschlagen, in denen negative Bezeichnungen wie „aliens“ nicht länger vorkommen, sodass eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verhindert wird?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Meine Antwort fällt eher kurz aus: Die Ausstellung von Reisepässen oder anderen Dokumenten für den Grenzübertritt für Staatenlose, die ihren ständigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, fällt nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft.
Daher sind weder die Europäische Kommission noch der Rat befugt, im Zusammenhang mit dieser Art von Reisepässen oder anderen Dokumenten für den Grenzübertritt Änderungen vorzuschlagen.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Herr Präsident! Die Antwort des Ratsvorsitzenden ist wirklich ganz eindeutig: Es wird wahrscheinlich keine Diskussion über ein solches Thema geben. Vielleicht sollte ich die Frage etwas anders stellen: Kann sich der Rat irgendeine Harmonisierung der Pässe oder Identifizierung von Pässen in der EU vorstellen, oder ist er der Ansicht, dass dieser Punkt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleibt?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Herr Medina Ortega, vielen Dank für Ihre Zusatzfrage.
Bisher wurden nur im Bereich Sicherheitsaspekte, Reisepässe oder andere Dokumente für den Grenzübertritt gemeinsame Normen oder Maßstäbe angenommen.
Ich persönlich könnte mir weitere Maßnahmen auf diesem Gebiet vorstellen. Was andere Bereiche anbelangt, so kann ich keine Vermutungen anstellen, ob es eine Übertragung von Zuständigkeiten geben wird.
Hier geht es nicht darum, ob diese Angelegenheit wichtig ist oder nicht, sondern um die Zuständigkeit. Derzeit sind für die Ausstellung von Ausweisdokumenten für Staatenlose ausschließlich die Mitgliedstaaten zuständig, während Rat und Kommission hier keinerlei Befugnisse haben.
Ich danke Ihnen.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Ich möchte eine Frage zu einer Diskriminierung anderer Art stellen. Ihr Land Slowenien plant ab dem kommenden Juli Autobahnvignetten und will zwei Varianten ausgeben, für ein halbes Jahr und für ein Jahr. Das ist eine Diskriminierung von zig Millionen EU-Europäern auf dem Weg zum Sommerurlaub am Mittelmeer. Was gedenkt die slowenische Präsidentschaft der slowenischen Regierung in diesem Punkt vorzuschlagen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Herr Rack, ich danke Ihnen für diese Frage. Ich möchte Sie jedoch darauf hinweisen, dass diese Frage an den betreffenden Mitgliedstaat und nicht an den Rat gerichtet werden sollte, da dieser den Mitgliedstaat in dieser Angelegenheit nicht vertritt.
Da ich diesen Mitgliedstaat jedoch sehr gut kenne, möchte ich hinzufügen, dass diese Maßnahme nur vorübergehend und bis zur Einführung der Satellitenmaut in Kraft sein wird. Die jeweiligen Einrichtungen in der Europäischen Union wurden über sie informiert bzw. in Kenntnis gesetzt und haben sie nicht als diskriminierend empfunden.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 2 von Avril Doyle (H-0270/08)
Betrifft: Ratifizierung des Vertrags von Lissabon
Kann die slowenische Präsidentschaft über den aktuellen Stand des Verfahrens zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon informieren? Welche Schritte hat der Rat bisher unternommen, um ein positives Ergebnis des Ratifizierungsverfahrens sicherzustellen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich möchte Frau Doyle mitteilen, dass bis zum heutigen Tag, dem 21. Mai 2008, dreizehn Mitgliedstaaten den Vertrag von Lissabon ratifiziert haben.
Vielleicht sollte ich sie hier aufzählen: Ungarn hat ihn als erstes Land unterzeichnet, bereits im letzten Jahr; dann folgten Slowenien und Malta, Rumänien, Frankreich, Bulgarien, Polen, die Slowakei, Dänemark, Österreich, Lettland, Litauen und Portugal – also dreizehn Länder bzw. fast die Hälfte der Mitgliedstaaten.
Bereits während seines sechsmonatigen Ratsvorsitzes hat Slowenien seinen Wunsch bekräftigt, das Ratifizierungsverfahren während seiner Präsidentschaft reibungslos fortzusetzen und dann während des französischen Ratsvorsitzes ebenso effektiv weiterzumachen mit dem Ziel, dass der Vertrag von Lissabon planmäßig am 1. Januar 2009 in Kraft treten kann.
Ich muss jedoch betonen, dass für die Ratifizierung weder Präsidentschaft noch Rat, sondern die Mitgliedstaaten als Unterzeichner des Vertrags zuständig sind, die sich dabei jeweils nach ihren verfassungsmäßigen Vorschriften richten.
Vielen Dank.
Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Mein Dank gilt der Präsidentschaft. Ich freue mich, dass bislang 13 Mitgliedstaaten den Vertrag von Lissabon ratifiziert haben. Sie wissen natürlich, dass Irland ihn als einziges Land im Wege des Referendums ratifizieren wird.
Wir versuchen zuhause in unserem Land gerade, den verschiedenen Gruppen der Neinsager entgegenzutreten, und das ist gar nicht so leicht. Diese Gruppen verbreiten zum Lissabon-Vertrag gewollt oder ungewollt Angst und Verwirrung, oft in Verbindung mit Fragen, die zwar sehr wichtig sind, aber nichts mit dem Vertrag zu tun haben. Können Sie mir deshalb, Herr amtierender Ratpräsident, noch einmal bestätigen, dass das Recht Irlands, bei Vorschlägen, die künftige Direktsteuern betreffen, sein Veto einzulegen, durch die Ratifikation des Lissabon-Vertrags in keiner Weise beeinträchtigt wird und dass es keinerlei Verbindung zwischen den WTO-Verhandlungen und der Ratifikation des Lissabon-Vertrags gibt?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Frau Doyle, ich danke Ihnen für Ihre beiden Zusatzfragen.
Ich kann bestätigen, dass erstens alle steuerpolitischen Entscheidungen nach wie vor per Konsens getroffen werden. Mit anderen Worten, selbst wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt – sofern er von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wird –, haben Irland und alle anderen Mitgliedstaaten nach wie vor das Recht, in allen steuerpolitischen Angelegenheiten ein Veto einzulegen.
Was Ihre zweite Frage zu den aktuellen Verhandlungen innerhalb der Welthandelsorganisation betrifft, so kann ich ebenfalls bestätigen, dass sie in keinem direkten Zusammenhang zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon stehen.
Somit lautet die Antwort auf Ihre beiden Zusatzfragen „Ja“.
Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Minister gern eine Frage zu den Verträgen und zum derzeit laufenden Ratifikationsprozess in Irland stellen.
Zu den Argumenten, die zurzeit immer wieder zu hören sind, gehört, dass die Länder nach der Ratifikation des Vertrags von Lissabon ihr Vetorecht bei der Ratifizierung internationaler Handelsabkommen wie zum Beispiel der WTO-Vereinbarungen verlieren.
So wie die Dinge jetzt liegen, gibt es ein Veto, und die Neinsager behaupten steif und fest, dass dies nach Lissabon anders sein wird. Ich möchte, dass sich der slowenische Vorsitz dazu äußert, ob dies der Fall ist oder nicht.
Jim Allister (NI). – (EN) Mit dem Glück der Iren haben allein die irischen Wähler die Möglichkeit, über einen Vertrag zu entscheiden, der grundlegend über unser aller Zukunft bestimmt. Werden Sie im Namen des Rates dafür plädieren, ihre demokratische Entscheidung zu akzeptieren, oder werden sie wie die Wähler Frankreichs und der Niederlande geschmäht, wenn sie es wagen, mit „Nein“ zu stimmen, ganz in der schändlichen Tradition von „Croppy, lie down!“ und Nizza II?
Der Präsident. − Meine Damen und Herren! Leider kann ich keinem mehr das Wort erteilen, weil die Geschäftsordnung das nicht zulässt. Alle dürften wissen, dass wir derzeit eine Änderung der Fragestunde prüfen, damit sie flexibler wird und wir mehr davon haben. Ich arbeite selbst in der Arbeitsgruppe mit, und es wird sicher bald gute Nachrichten geben. Jetzt aber ist die Geschäftsordnung wie sie ist, und ich kann Herrn Higgins nicht das Wort erteilen, obwohl er darum gebeten hat, da er als Dritter darum gebeten hat.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Zunächst möchte ich auf die Frage von Frau Harkin eingehen.
Es wird Änderungen beim Abschluss von Übereinkünften mit Drittstaaten und internationalen Organisationen geben. Darauf wird auch in Artikel 207 des künftigen Vertrags von Lissabon eingegangen. Doch in genau diesem Artikel werden auch einige Bereiche aufgezählt, in denen das Vetorecht der Mitgliedstaaten erhalten bleibt, da es relativ viele Angelegenheiten und Bereiche sind, in denen der Rat bei der Beschlussfassung weiterhin das Konsensprinzip anwenden wird.
Es geht um den vierten Absatz von Artikel 207. Ich sollte erwähnen, dass er recht viele Bereiche umfasst, so den Bereich Dienstleistungen, Handelsaspekte des geistigen Eigentums, ausländische Direktinvestitionen, den Bereich der kulturellen und audiovisuellen Dienste, soziale Dienstleistungen, Bildung, Gesundheitsfürsorge u. a. In all diesen Bereichen wird auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon das Konsensprinzip gelten, wenn der Rat eine Entscheidung trifft, was also bedeutet, dass jeder einzelne Mitgliedstaat zustimmen muss.
Zu Herrn Allisters Frage möchte ich Folgendes sagen: Wie ich bereits in meiner ersten Antwort auf die betreffende Frage entgegnete, sind für die Ratifizierung des Vertrags über die Europäische Union die Mitgliedstaaten zuständig. Mit der Unterzeichnung dieses Vertrags im Dezember 2007 haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit der unterzeichnete Text auch entsprechend ihren internen Regelungen, ihrer Verfassung und ihren sonstigen rechtlichen Bestimmungen ratifiziert wird.
Hier spielt der Ratsvorsitz überhaupt keine Rolle. Ihm ist es allerdings zu verdanken, dass beispielsweise Slowenien, das zurzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, zu den ersten Ländern gehörte, die diese Aufgabe erfüllen konnten. Sollte die Ratifizierung fehlschlagen, was hoffentlich nicht der Fall sein wird, ist dafür einzig und allein das Land verantwortlich, das den Vertrag nicht ratifiziert hat, und nicht der Rat oder irgendjemand anderes.
Ich danke Ihnen.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 3 von Colm Burke (H-0272/08)
Betrifft: Verhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien bezüglich einer EU-Mitgliedschaft
Kann der Rat Auskunft über den derzeitigen Stand der Verhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien geben?
In welchen Bereichen sind nach Ansicht des Rates die meisten Fortschritte zu verzeichnen? In welchen Bereichen ist es am schwierigsten, bei den Verhandlungen voranzukommen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Da die Anfrage relativ umfangreich ist, wird meine Antwort ein wenig länger ausfallen.
Die Verhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien über ihre EU-Mitgliedschaft haben noch nicht begonnen. Bis sie der Europäischen Union beitritt, stellt das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen den primären Rahmen für die Beziehungen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zu Europa dar.
Entsprechend den im Rahmen der Beitrittspartnerschaft festgelegten prioritären Aufgaben wurden die Fortschritte des Landes im Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft im Fortschrittsbericht der Kommission beurteilt. Dieser Bericht wird in der Regel Ende Oktober oder Anfang November veröffentlicht. Der Rat sieht der bevorstehenden Beurteilung der Kommission im Herbst dieses Jahres erwartungsvoll entgegen.
In seinen Schlussfolgerungen vom 10. Dezember 2007 nahm der Europäische Rat die Fortschritte der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zur Kenntnis und bedauerte, dass sich die Durchführung der Reformen im Land verzögert hatte, was auf interne politische Spannungen zurückzuführen war. Das hatte zur Folge, dass sich die politischen Institutionen des Landes nicht vorrangig auf die prioritären Aufgaben der europäischen Integration konzentrieren konnten.
Jetzt können einige positive Beispiele genannt werden, die darauf hindeuten, dass die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien sich darum bemüht, derartige Verzögerungen künftig zu vermeiden. Was die politischen Kriterien betrifft, so hat das Land Fortschritte in den Bereichen Dezentralisierung, Antikorruptionspolitik, Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, interethnische Beziehungen und Umsetzung des Abkommens von Ohrid gemacht.
Nach der Veröffentlichung des Fortschrittsberichts der EU-Kommission im November hat das Land das Staatsanwaltsgesetz, das Gesetz über den Rat der Staatsanwälte und Rechtsvorschriften zur Behörde für interethnische Angelegenheiten verabschiedet und auch den freigewordenen Posten im Justizrat wieder besetzt. Darüber hinaus konnten Fortschritte im Hinblick auf die Sicherheit von Dokumenten, Grenzkontrollen und die Migration erzielt werden.
Der Rat wird weiterhin alle Parteien darin bestärken, ihren Dialog und ihre Zusammenarbeit sowie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen ethnischen Gruppen zu intensivieren, damit der Integrationsprozess des Landes weiter vorankommt.
Darüber hinaus wird der Rat auch beide Seiten ermutigen, ihre Bemühungen konstruktiv zu verstärken, damit bei den Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eine für beide Seiten akzeptable Lösung für die Namensfrage gefunden werden kann. Dies würde die regionale Zusammenarbeit verbessern und zu guten Beziehungen des Landes zu seinen Nachbarn beitragen.
Bei den wichtigsten Reformen, die das Land entsprechend den sich aus der Beitrittspartnerschaft ergebenden Empfehlungen noch durchführen muss, geht es um Folgendes:
– Im Einklang mit dem Abkommen von Ohrid muss die Dezentralisierung fortgesetzt werden: In zwei Dritteln der Gemeinden läuft bereits die zweite Phase der steuerlichen Dezentralisierung.
– Die ethnischen Minderheiten müssen in der öffentlichen Verwaltung gleichberechtigt vertreten sein, wofür die Innenpolitik ein gutes Beispiel ist.
Die nächsten anstehenden Reformen sind die Polizeireform, die Justizreform und die beiden noch immer ungelösten wichtigen Fragen des so genannten Mai-Abkommens, die einen umfassenderen politischen Konsens erfordern, nämlich das Sprachgesetz und das Abkommen zur Regelung des Status der Opfer der Konflikte im Jahr 2001.
Am 18. Februar 2008 nahm der Rat einen Beschluss über die Grundsätze, Prioritäten und Bedingungen der Beitrittspartnerschaft mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien an. Der Rat hat die bisherige Partnerschaft durch Festlegung neuer Prioritäten für künftige Maßnahmen anhand der Erkenntnisse aus dem Fortschrittsbericht 2007 der Kommission aktualisiert.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich frage mich nur: Sind Sie der Überzeugung, dass die Spannungen jetzt genug abgebaut wurden, damit wieder Fortschritte gemacht werden können? Und wenn sie genug abgebaut wurden, von welchen Zeiträumen reden Sie, wenn es um die volle Umsetzung der notwendigen Reformen geht, um den ganzen Verhandlungsprozess wieder auf Kurs zu bringen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Bekanntlich wurden in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien für den 1. Juni Wahlen ausgerufen. Wir hoffen, dass sich die Durchführung der notwendigen Reformen durch den Wahlkampf nicht verzögert. Ebenso hoffen wir, dass die Reformen vor und auch nach den Wahlen fortgesetzt werden.
Der Ratsvorsitz bemüht sich vor allem um Fortschritte bei der Integration der Länder des westlichen Balkans, wozu auch die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien auf ihrem Weg zur EU-Mitgliedschaft zählt.
Wir hoffen, dass diese Fortschritte so bald wie möglich erzielt werden und dass dem Land unter anderem ein Termin genannt werden kann, an dem die Verhandlungen über seine Mitgliedschaft beginnen können.
Dies hängt natürlich vor allem von der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien selbst ab sowie vom Ausmaß und der Qualität der Reformen, auf die ich in meiner Antwort eingegangen bin und die es noch abzuschließen gilt.
Der Präsident. − Da der Fragesteller nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 2 hinfällig.
Anfrage Nr. 5 von Gay Mitchell (H-0276/08)
Betrifft: Klimawandel und internationale Sicherheit
Javier Solanas kürzlich vorgelegter Bericht über „Klimawandel und internationale Sicherheit“ lenkt die Aufmerksamkeit des Rates auf einige wichtige Probleme, die mit dem Klimawandel zusammenhängen, und er widmet sich insbesondere den Auswirkungen von territorialen Ansprüchen, ausschließlichen Wirtschaftszonen und dem Zugang zu neuen Handelsrouten, die durch die Folgen des Klimawandels zustande kommen. Der Schwerpunkt auf Sicherheit und geopolitischen Machtfragen stellt eine Abkehr von der bisherigen Linie der EU zum Klimawandel dar, die auf eine Reduzierung der Emissionen und eine Verbesserung der Vorbereitung der EU und weltweit gerichtet ist. Arbeitet der Rat auf einen Standpunkt und eine Strategie in Bezug auf diese wichtigen Fragen hin?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Wie Sie alle wissen, hat der Europäische Rat im Juni 2007 seinen Generalsekretär, den Hohen Vertreter Javier Solana, und die Europäische Kommission aufgefordert, ein gemeinsames Dokument über die Auswirkungen des Klimawandels auf die internationale Sicherheit vorzulegen.
Der gemeinsame Bericht wurde auf der März-Tagung des Europäischen Rates vorgestellt. In ihm werden potenzielle Gefahren und Auseinandersetzungen dargestellt, zu denen es in verschiedenen Regionen der Welt infolge des Klimawandels kommen könnte.
Einige davon möchte ich als Beispiel nennen: Auseinandersetzungen aufgrund von Ressourcenknappheit, vor allem wenn der Zugang zu Ressourcen für politische Zwecke erfolgt; verstärkte Migration, woraufhin sich der Druck auf die Transit- und Zielländer noch weiter erhöhen wird, was zu politischen und ethnischen Spannungen führen könnte; und potenzielle politische Spannungen aufgrund von Veränderungen in den Küstengebieten, Verschwinden von Inseln oder Problemen bezüglich des Zugangs zu neuen Straßen und Ressourcen.
Darüber hinaus enthält der Bericht mehrere Empfehlungen, die weitere Untersuchungen erfordern. Deren Umsetzung müsste dann durch Aktionspläne der Europäischen Union weiterverfolgt werden.
Aus diesem Grund hat der Europäische Rat den Rat aufgefordert, sich mit dem gemeinsamen Dokument zu befassen und bis spätestens Dezember dieses Jahres seine eigenen Empfehlungen zu notwendigen weiteren Maßnahmen vorzulegen. Das Ziel dieser Maßnahmen bestünde unter anderem darin, die Zusammenarbeit mit Drittländern und Regionen im Hinblick auf den Klimawandel und die internationale Sicherheit zu stärken.
Ich sollte auch erwähnen, dass die Europäische Union sich nicht von dem bereits bekannten gemeinsamen Konzept zur Eindämmung des Klimawandels distanziert. Im Gegenteil: Mit diesem Dokument weist sie auf einen neuen und äußerst wichtigen Aspekt des Klimawandels hin, den wir in künftigen Diskussionen auf verschiedenen Ebenen nicht umgehen werden können.
Wie Herr Mitchell vermutlich weiß, hat der Europäische Rat bei seiner Frühjahrstagung 2007 den Zielen der Europäischen Union zur Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 zugestimmt. Dies sollte der Beitrag der Union zum weltweiten umfassenden Abkommen für die Zeit nach 2012 sein.
Der Europäische Rat hat auch betont, dass die Europäische Union entschlossen ist, Europa zu einer Volkswirtschaft mit hoher Energieeffizienz und geringen Treibhausgasemissionen umzugestalten. Er hat beschlossen, dass sich die Europäische Union bis zum Abschluss eines weltweiten umfassenden Abkommens für die Zeit nach 2012 bemühen wird, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 einseitig um mindestens 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken.
Im Rahmen des Klima- und Energiepakets diskutieren Parlament und Rat derzeit den Beitrag jedes einzelnen Mitgliedstaats, um das oben erwähnte Ziel der Gemeinschaft zu erreichen. Neben der Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels wird es bei den internationalen Verhandlungen über den Klimawandel auch um neue Technologien und die Beschaffung von Finanzmitteln gehen.
Im Juni 2007 hat die Europäische Kommission ihr Grünbuch mit dem Titel „Anpassung an den Klimawandel in Europa: Optionen für Maßnahmen der EU“ veröffentlicht. Dieses Jahr wird sie nach intensiven Konsultationen mit allen betroffenen Parteien ein Weißbuch über die Anpassung veröffentlichen, das als Grundlage für weitere Diskussionen über die EU-Politik in diesem Bereich dienen wird.
Ich danke Ihnen.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Ich danke dem Minister für seine Antwort, frage mich aber, ob sich die Institutionen hier nicht irgendwie missverstehen.
Einerseits schauen wir der Umweltkatastrophe ins Gesicht, und Europa und die Welt machen ganz normal weiter; andererseits versuchen wir, das Problem des Klimawandels in den Griff zu bekommen und die schwerwiegenden Entscheidungen zu treffen, auf die Generationen nach uns angewiesen sind.
Wie der Minister sagte, hat sich der Rat in seinen Schlussfolgerungen der Frühjahrstagung verpflichtet, das gravierende Problem des Klimawandels in Angriff zu nehmen und die notwendigen schwerwiegenden Entscheidungen zu treffen.
Aber singt Herr Solana eigentlich vom gleichen Notenblatt? Sein Lied klingt anders, spricht er doch von der Notwendigkeit der Rechte an der Suche nach fossilem Öl an einem der letzten unberührten Naturschauplätze auf der Erde und nennt das eine Chance. Stehen seine Worte nicht im krassen Widerspruch zu dem, was der Europäische Rat sagt? Sollten wir nicht lieber unsere Botschaften koordinieren?
Die Berichterstatterin zum Klimawandel, Frau Doyle, weilt unter uns und wird sich all das anhören.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich kann Ihnen versichern, dass der Generalsekretär des Rates – der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – definitiv denselben Standpunkt vertritt wie der Europäische Rat. Er hat seine Empfehlung im Namen des Rates verfasst. Der Rat hat den Bericht begrüßt und keine Unstimmigkeiten oder Widersprüche hinsichtlich der übrigen Entscheidungen oder Beschlüsse des Rates festgestellt, wozu auch Beschlüsse im Bereich des integrierten Klimaschutzes und der Energiepolitik zählen.
Ich bin also nicht der Ansicht, dass es Unstimmigkeiten zwischen den Tätigkeiten des Hohen Vertreters und den Entscheidungen oder Absichten des Rates gibt.
Carlos Carnero González (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte die Antwort des Rates auf die sachdienliche Anfrage unseres Kollegen zum Anlass nehmen, um anzuregen, speziell in den Mitgliedstaaten rund um das Mittelmeer das Problem des Klimawandels ebenfalls zu diskutieren.
Einer der Vorschläge in der Mitteilung der Kommission betrifft die Förderung der Initiative Horizont 2020 zum Abbau der Umweltverschmutzung in der Mittelmeeregion, die sowohl Opfer als auch Ursache des Klimawandels ist, und es besteht kein Zweifel, dass durch diesen Vorschlag eine sehr pragmatische Aktion in Gang gesetzt werden kann. Ist der Rat nicht der Ansicht, dass es sich um eine regionale Priorität im Kampf gegen den Klimawandel im Rahmen der globalen Agenda der EU handelt?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Vielen Dank für Ihre Zusatzfrage, Herr Carner González. Wir können dieser Initiative zustimmen. Tatsächlich ist eine der Regionen, auf die Herr Solana in seinem Bericht besonders hingewiesen hat, das Mittelmeer – eine Region, deren Lage sich aufgrund des Klimawandels, aber auch der Migration und ähnlicher Belastungen immer problematischer gestalten könnte.
Wir können ganz sicher davon ausgehen, dass Klima- und Umweltschutz generell zu den wichtigsten Themen im Rahmen des Barcelona-Prozesses gehören werden, der in Kürze anhand von Vorschlägen zur Schaffung einer Union für das Mittelmeer aktualisiert werden soll. Ich wiederhole: Es wird eine Aktualisierung des bestehenden Barcelona-Prozesses sein.
Wie Sie wissen, hat die Europäische Kommission in ihrem kürzlich veröffentlichten Dokument, in dem es um diese Fragen geht, eine Möglichkeit für ihre Inangriffnahme gefunden, – darauf ist der Herr Abgeordnete ja eingegangen – obwohl in dem Dokument bisher noch keine konkreten Projekte genannt werden. Wir können jedoch davon ausgehen, dass dies eines unserer Hauptthemen in unserem intensivierten Dialog mit den Ländern rund ums Mittelemeer sein wird.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 6 von Jim Higgins (H-0278/08)
Betrifft: Wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen
Kann der Rat mitteilen, welche Fortschritte im Hinblick auf einen wirksameren Schutz der Außengrenze der EU unter der gegenwärtigen Präsidentschaft erzielt wurden, und ob das Problem des Drogenschmuggels in Küstengegenden auf Ratsebene diskutiert wurde?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich bin davon überzeugt, dass Herr Higgins weiß, dass der Rat dem effizienten Schutz der Außengrenzen große Bedeutung beimisst. Aufgrund der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union kommt dem angemessenen Schutz und der korrekten Verwaltung der Außengrenzen wesentliche Bedeutung zu, um die innere Sicherheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und Terrorismus, illegale Einwanderung und Menschenhandel wirksam zu bekämpfen.
Zu diesem Zweck hat der Europäische Rat bisher zahlreiche wichtige Maßnahmen ausgearbeitet. Er hat unter anderem Rechtsinstrumente angenommen wie beispielsweise den Schengener Grenzkodex, den Außengrenzenfonds und die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union – kurz FRONTEX. Darüber hinaus hat er Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bildung der Soforteinsatzteams für die Grenzsicherung verabschiedet.
Ich möchte Sie auch auf drei Mitteilungen hinweisen, die die Kommission am 13. Februar dieses Jahres veröffentlicht hat. Diese Mitteilungen enthalten Vorschläge und Empfehlungen zu potenziellen Grenzverwaltungsmechanismen auf EU-Ebene, zur Weiterentwicklung von FRONTEX, zur potenziellen Einrichtung des Europäischen Grenzkontrollsystems namens EUROSUR und zum Einreise-/Ausreisesystem für die Außengrenzen.
Die Aussprache über die Vorschläge und Empfehlungen der Kommission in diesen Mitteilungen fand am 12. März auf der Ministerkonferenz in Slowenien statt. Es wird davon ausgegangen, dass der Rat Justiz und Inneres im Juni die Schlussfolgerungen des Rates über den Schutz der Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten annehmen wird. Diese Schlussfolgerungen sollten die kurz- und langfristigen Prioritäten für die Weiterentwicklung von FRONTEX, weitere Empfehlungen zur Arbeit der Europäischen Kommission bei der Nutzung hochmoderner Sicherheitstechnologie, eine besserer Verwaltung der Außengrenzen und Leitlinien für die Einrichtung von EUROSUR enthalten.
Darüber hinaus haben wir die Tätigkeiten von FRONTEX genauestens verfolgt, vor allem was die Durchführung gemeinsamer Einsätze, das europäische Küstenpatrouillennetz, die weitere Modernisierung und Nutzung von Ausrüstungsgegenständen, die zentral gelagert werden – im so genannten Zentralregister der verfügbaren technischen Ausrüstungsgegenstände (CRATE) – und die potenzielle Entsendung der Soforteinsatzteams für die Grenzsicherung betrifft.
Die Einrichtung des Maritimen Analyse- und Operationszentrums – Rauschgift (MAOC-N) im September letzten Jahres stellte für den Grenzschutz einen wichtigen Schritt nach vorn dar. Dieses Zentrum wurde von sieben Mitgliedstaaten gegründet – dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien, Irland, den Niederlanden, Italien und Portugal – und befasst sich mit der strafrechtlichen Verfolgung mit militärischer Unterstützung. Es steht auch allen anderen Mitgliedstaaten zu Verfügung.
Ziel des Zentrums ist die Bekämpfung des illegalen Handels mit verbotenen Stoffen auf dem Meer oder in der Luft, d. h. auf dem Weg über den Atlantik nach Europa und Westafrika.
Erreicht werden sollte dieses Ziel mithilfe einer intensivierten Erfassung bzw. eines verstärkten Austauschs und einer vermehrten Auswertung von Informationen und einer optimalen Nutzung der see- und luftgestützten Anlagen der Mitgliedstaaten.
Zu den prioritären Aufgaben des Rates sollten auch eine verstärkte Grenzkontrolle sowie die Erfassung und der Austausch vertraulicher Informationen über die Routen der Drogenschmuggler zählen.
Jim Higgins (PPE-DE). – (GA) Herr Präsident! Da der Drogenkonsum zunimmt und da immer mehr Drogen angeboten werden, wird deutlich, dass die Sicherheitskräfte die Drogenlieferungen, insbesondere aus Südamerika, nicht unterbinden können.
Herr Ratspräsident! Sie haben auf die Küstenpatrouille hingewiesen. Ist Ihnen bekannt, dass in den Häfen und Flughäfen an der Atlantikküste im Westen Irlands nur ein Gelegenheitsinspektor seinen Dienst versieht? Dort ist nur ein Boot verfügbar. Ferner ist nur allzu gut bekannt, dass Irland als Tor für den Export von Drogen in die anderen Mitgliedstaaten – Ihr eigenes Land und die anderen Länder der Europäischen Union – dient. Sind Sie und der Rat über diese Situation beunruhigt?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich danke Herrn Higgins für seine Zusatzfrage. Ich möchte betonen, dass der Europäische Rat in dieser Angelegenheit wirklich besorgt ist und es auch bleiben wird, solange Drogen geschmuggelt werden.
Was Irland betrifft, so möchte ich hervorheben, dass es, wie ich bereits sagte, zu den Ländern gehört, die im September 2007 das Maritime Analyse- und Operationszentrum – Rauschgift (MAOC–N) gegründet haben. Dessen Aufgabe ist eben jene Bekämpfung des illegalen Handels mit verbotenen Stoffen, der auf genau dieser Route – auf dem Meer oder in der Luft – über den Atlantik nach Europa oder Westafrika stattfindet.
Da dieses Zentrum erst vor Kurzem eingerichtet wurde, gehe ich davon aus, dass es künftig noch aktiver werden wird und dass der Ratsvorsitz diese Entwicklungen unterstützen und mit dem ihm zur Verfügung stehenden Einfluss fördern wird.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Minister, die Erweiterung des Schengen-Raums im Dezember vergangenen Jahres hat bei einer Reihe von Bürgern zu der Besorgnis geführt, dass sie durch die Verschiebung der Schengen-Grenzen nun nicht mehr jenes Ausmaß an Sicherheit genießen wie zuvor. Lässt sich nach dem Verschieben der Schengen-Grenze nach außen sagen, dass die Zusammenarbeit der Polizeibehörden der Mitgliedstaaten hier zu entsprechenden Erfolgen geführt hat?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Vielen Dank für diese Zusatzfrage, Herr Rack.
Uns muss klar sein, dass die Ausweitung des Schengen-Raums nicht automatisch oder aufgrund einer bestimmten Dynamik oder von allein erfolgt ist. Sie hat stattgefunden, als die umfangreichen Vorbereitungen in allen Mitgliedstaaten, die dem Schengen-Raum beitreten wollten, abgeschlossen waren. Sie hat stattgefunden, nachdem die zuständigen EU-Gremien und -Einrichtungen diese Vorbereitungen einer gründlichen Beurteilung unterzogen hatten.
Und erst als bestätigt war, dass eine angemessene Kontrolle für die künftigen Außengrenzen des erweiterten Schengen-Raums existiert, konnte diese Erweiterung stattfinden.
Besonders hervorheben möchte ich, dass wir, da wir die Bedenken der Bürger ernst nehmen, ihnen natürlich mitteilen müssen, dass es keine objektiven Gründe für ihre Besorgnis gibt.
Ich wiederhole: Die Erweiterung des Schengen-Raums hat nicht einfach so stattgefunden, sondern nach gründlichen Vorbereitungen und eingehender Prüfung, ob alle technischen und Sicherheitsbedingungen erfüllt sind. Da dies der Fall ist, können wir heute versichern, dass sich die Sicherheit der Außengrenzen des erweiterten Schengen-Raums in guten Händen befindet.
Der Präsident. − Anfrage Nr. 7 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0281/08)
Betrifft: Bekämpfung der Armut
Wie beurteilt der Rat die Entwicklung in Bezug auf die Sicherung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen bei produktiver Vollbeschäftigung für die europäischen Bürger und die in der Europäischen Union ansässigen Personen mit dem Ziel, die Armut und insbesondere die Kinderarmut zu bekämpfen?
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Vielen Dank für die Anfrage von Frau Panayotopoulos-Cassiotou.
Die Beschäftigung und die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zählen zu den größten Herausforderungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass sowohl für die Beschäftigungs- als auch für die Sozialpolitik die Mitgliedstaaten zuständig sind und die Europäische Union ihre Aktivitäten in diesen Bereichen lediglich unterstützt und ergänzt.
Aus diesem Grund müssen die Mitgliedstaaten die geeignetste Kombination politischer Konzepte entwickeln und dabei ihre wirtschaftliche, soziale und beschäftigungspolitische Lage berücksichtigen.
Lassen Sie mich einige EU-Maßnahmen in diesem Bereich nennen, die, wie ich bereits erwähnte, auf die Unterstützung und Ergänzung der Politiken abzielen, für die die Mitgliedstaaten, die sie durchführen, zuständig sind.
Erstens regeln die EU-Rechtsvorschriften zahlreiche Angelegenheiten im Bereich Beschäftigung wie beispielsweise die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Unterrichtung und Anhörung, Arbeitsbedingungen und Nichtdiskriminierungsmaßnahmen.
Zweitens regelt die EU Instrumente wie die beschäftigungspolitischen Leitlinien, integrierte Empfehlungen und gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz und leitet die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Durchführung ihrer Politiken politisch an.
Drittens haben die Mitgliedstaaten auch im Rahmen dieser offenen Form der Koordinierung starkes politisches Engagement für einen Informationsaustausch und das Voneinander-Lernen bewiesen. Die Methode der offenen Koordinierung hat durch die Schaffung gemeinsamer Indikatoren, die Förderung von Studien und gegenseitigen Untersuchungen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit auf EU-Ebene noch dazu beigetragen.
Was die Arbeitnehmerrechte und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen betrifft, so regeln die europäischen Rechtsvorschriften vor allem die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, das Recht auf Information und Anhörung, Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitszeiten, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Nichtdiskriminierungsmaßnahmen, die auch Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung umfassen. https://kontakte.web.de/adr_show/?cid=204840563&cat=1&ind=S&sortier=0&sid=00000058E0ADCBB28BEF3B16AA9C835B4A3B2C"
Gestatten Sie mir, darauf hinzuweisen, dass in Artikel 137 des EG-Vertrags steht, dass dieser Artikel nicht für das Arbeitsentgelt gilt. Das bedeutet, dass die Europäische Union nicht befugt ist, Mindestlöhne festzulegen und auch keine Anpassungen der Mindestlöhne der einzelnen Mitgliedstaaten vornehmen darf.
Im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung, die bereits erwähnt wurde, werden die Mitgliedstaaten ermutigt, angemessene Mindestnormen einzuführen. Die Entscheidung über die Normen – Art und Höhe der Ansprüche – trifft jeder Mitgliedstaat für sich ganz allein.
Da die Lage in jedem Mitgliedstaat anders ist, ist es unserer Ansicht nach nicht sinnvoll, einen gemeinsamen Standard vorzuschreiben. Wir dürfen nicht vergessen, dass in der Europäischen Union viele Mitgliedstaaten mit Problemen wie der Verfügbarkeit von Finanzmitteln, Verschuldung und der Nachhaltigkeit der Systeme der sozialen Sicherheit zu kämpfen haben, weswegen es bedenklich wäre, in diesen Bereichen gemeinsame Normen vorzuschreiben.
All dies deutet darauf hin, dass die Mitgliedstaaten die Frage der Mindestnormen genauestens erörtern und planen und auf diese Weise auch zur Armutsbekämpfung beitragen sollten.
Frau Panayotopoulos-Cassiotou ging in ihrer Anfrage vor allem auf die Kinderarmut ein. Kinder leiden dann unter Armut, wenn ihre Eltern arbeitslos sind, wenn die Arbeitslosenquote in ihrer Familie hoch und das Familieneinkommen zu gering ist oder die Einkommenshilfe nicht ausreicht, die Armut zu überwinden.
Daher leisten die Umsetzung ausgewogener und umfassender Strategien sowie auf eine aktive Integration abzielende Strategien zumindest in gewissem Maße einen echten Beitrag zur Förderung des Wohlergehens von Kindern und jungen Menschen.
Vielen Dank.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich danke dem Vertreter des Rates für seine Antwort auf meine Frage nach der Sicherung menschenwürdiger Arbeits- und Lebensbedingungen. Menschwürdige Arbeit ist das Ziel sowohl der weltweiten Gemeinschaft der UN als auch der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der EU. Wir haben übrigens eine Entschließung zu diesem Thema verabschiedet.
Wir gedenkt der Rat menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen für die Bürger und insbesondere die Kinder sicherzustellen?