Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Verfahren : 2007/2256(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0184/2008

Eingereichte Texte :

A6-0184/2008

Aussprachen :

PV 04/06/2008 - 27
CRE 04/06/2008 - 27

Abstimmungen :

PV 05/06/2008 - 6.7
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2008)0247

Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 4. Juni 2008 - Brüssel Ausgabe im ABl.

27. Effiziente Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften und -verfahren im Dienste der Handelspolitik (Aussprache)
Protokoll
MPphoto
 
 

  Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Jean-Pierre Audy im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über effiziente Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften und -verfahren im Dienste der Handelspolitik (2007/2256(INI)) (A6-0184/2008).

 
  
MPphoto
 
 

  Jean-Pierre Audy, Berichterstatter. − (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die Zollunion, die 2008 ihr vierzigjähriges Bestehen feiert, war eine der ersten Etappen der europäischen Integration. Sie hat zur Abschaffung aller Einfuhr- und Ausfuhrzölle zwischen den Mitgliedstaaten und zur Annahme eines gemeinsamen Außenzolltarifs geführt. Sie ist von entscheidender Bedeutung für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die ordnungsgemäße Anwendung der Handelsabkommen der Union. Innerhalb der Zollunion ist die Effizienz der Einfuhr- und Ausfuhrverfahren eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Union und den Schutz ihrer Bürger.

Herr Kommissar, Sie haben kürzlich die Zollstatistiken für 2007 veröffentlicht, die, ich zitiere, „neue und alarmierende Tendenzen“ erkennen lassen. Sie erklärten, dass Fälschungen weiterhin unsere Gesundheit, unsere Sicherheit und unsere Wirtschaft bedrohen. Im Bereich Verbraucherschutz bestehen zahlreiche Bedenken, und mein Bericht enthält Vorschläge im Hinblick auf die Einhaltung europäischer Standards vor allem bei Gesundheit und Sicherheit.

Ein weiteres Beispiel ist die Frage des Zigarettenschmuggels, die im vergangenen September im Parlament behandelt wurde und zu der ich Berichterstatter für meine Fraktion war. Dabei wurde das Ausmaß des Problems unterstrichen und die Schwäche unseres gemeinschaftlichen Versandverfahrens aufgedeckt. Daher zweifelt der Ausschuss für internationalen Handel an der Qualität unseres Zollsystems und an seiner Fähigkeit, die Herausforderungen der Globalisierung des Handels zu bewältigen; und das in einer Situation, in der unsere Bürger von der Union Schutz erwarten. Zumindest besagt dies der Vertrag von Lissabon, der derzeit in den Mitgliedstaaten ratifiziert wird. Dort heißt es in Artikel 1 Absatz 4, dass die Union in ihren Beziehungen zur übrigen Welt zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger beiträgt.

Auf internationaler Ebene ist der größte Unsicherheitsfaktor der Ausgang der Verhandlungen der Doha-Runde, die von der Welthandelsorganisation geführt werden und bei der eine Einigung in weiter Ferne zu liegen scheint. Wir alle wissen, dass es im Falle eines Scheiterns der multilateralen Handelsverhandlungen zu einem bilateralen Wettbewerb kommen wird, bei dem bekanntlich das Gesetz des Stärkeren gilt. Also werden wir eine starke und leistungsfähige Zollunion brauchen. Auch innerhalb der Weltzollorganisation sind geringere Fortschritte in Richtung Effektivierung und Harmonisierung der Zollverfahren zu beobachten, was eine Folge der Sicherheitsbedenken in den USA seit den Ereignissen vom 11. September ist.

Was den internationalen Handel anbelangt, wird im Bericht dennoch darauf hingewiesen, dass allzu strikte Ein- und Ausfuhrbestimmungen ein nichttarifäres Handelshemmnis darstellen können. Ich fordere die Kommission auf, sich insbesondere auf die kleinen und mittleren Unternehmen zu konzentrieren, denen zufolge zu umständliche Zollbestimmungen und -verfahren eines der Haupthindernisse im internationalen Handel sind. Das Zollsystem muss genutzt werden, um den Handel zu erleichtern. Im Bericht wird vorgeschlagen, diese Frage in einem internationalen Abkommen zu behandeln, das getrennt von der Doha-Agenda ausgehandelt wird.

Im Bericht werden ferner zahlreiche Fragen in Zusammenhang mit der Tarifierung, dem Wert und dem (Präferenz- oder Nichtpräferenz-) Ursprung von Waren in der Hoffnung untersucht, dass die Kommission die Forderungen der betroffenen Wirtschaftsbereiche berücksichtigt.

Abschließend möchte ich hervorheben, dass das weiterhin bestehende Harmonisierungsdefizit meines Erachtens zweifellos Grund für die Schwächung des europäischen Zollsystems ist. Ich verstehe, Herr Kommissar, dass die Reform des gemeinschaftlichen Zollkodex Priorität für die Kommission hat und dass dies auch schon ohne die gleichzeitige Reform der Institutionen eine ausreichend komplexe Aufgabe ist. Dennoch möchte ich eine Diskussion einleiten, indem ich vorschlage, die Möglichkeit einer Integration und Koordinierung der nationalen Zollverwaltungen zu prüfen, und zwar mit Blick auf die Schaffung einer gemeinschaftlichen Verwaltung für die Zollunion. Durch die zunehmend harmonisierungsfreundlichen Zollregeln nimmt der Zoll in der gesamten Union de facto ohnehin einheitliche Züge an.

Angesichts der langen Zeiträume, die die Gemeinschaft für Entwicklungen benötigt, vor allem wenn dabei Vorrechte der Mitgliedstaaten betroffen sind, ist meines Erachtens die Zeit gekommen, diese Frage aufs Tapet zu bringen. Sie ist hat symbolischen Charakter, da sie der krönende Abschluss von 40 Jahren zunehmender Zollintegration ist. Zugleich hat sie pragmatischen Charakter, denn sie reflektiert die Notwendigkeit einer effizienteren Zollorganisation in einer zunehmend komplexen, sich rasch verändernden Welt, die nicht auf uns wartet.

 
  
MPphoto
 
 

  László Kovács, Mitglied der Kommission. – (EN) Frau Präsidentin! Es freut mich, dass ich zu dem von Jean-Pierre Audy ausgearbeiteten und vom Ausschuss für internationalen Handel am 6. Mai einstimmig angenommenen Bericht Stellung nehmen darf. Meine Glückwünsche gehen an den Berichterstatter, der auf vorbildliche Weise den entscheidenden Beitrag hervorgehoben hat, den Zollgesetze und Zolldienstleistungen zur effizienten Umsetzung unserer gemeinsamen Handelspolitik leisten und der darüber hinaus die wichtigen Herausforderungen herausgearbeitet hat, vor denen die Union in dieser Frage steht.

Meine Dienste bemühen sich nach besten Kräften, um zu gewährleisten, dass die mit Zollkonzepten und -verfahren verbundenen Chancen, aber auch die damit einhergehenden erforderlichen Einschränkungen in internationalen Handelsvorschriften bzw. -abkommen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus verteidigen sie aktiv die Interessen der EU in internationalen Organisationen, die sich mit Zollfragen beschäftigen, insbesondere in der Weltzollorganisation und der Welthandelsorganisation.

Dies gilt vor allem für die Regeln über den präferenziellen wie auch über den nichtpräferenziellen Ursprung von Waren. Am 27. Mai wurde der Ausschuss für internationalen Handel über den aktuellen Stand der Reform der Ursprungsregeln des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) informiert. Ich bin zuversichtlich, dass die Kommission auf der Grundlage der verschiedenen Zuarbeiten in der Lage sein wird, die Unterstützung der Mitgliedstaaten zu gewinnen, um den Reformprozess zum Abschluss zu bringen.

Gleiches gilt für die WHO-Verhandlungen über die Erleichterung des Welthandels. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt vertritt die Kommission weiterhin die Überzeugung, eine Einigung über Handelserleichterungen sollte ein Pfeiler des Abschlusses der Doha-Runde bleiben und nicht aus den Verhandlungen ausgeklammert werden. Natürlich sollten die bislang erzielten Ergebnisse der diesbezüglichen Verhandlungen keinesfalls verloren gehen.

Wichtige Schritte sind unternommen worden, um auf die mit Produktfälschungen, Markenpiraterie und gefährlichen Erzeugnissen verbundenen Gefahren zu reagieren. Neue Verfahren sind in Zollgesetze eingearbeitet worden, um Schutz und Sicherheit zu garantieren. Der heute veröffentlichte modernisierte Zollkodex der Gemeinschaften sowie die Entscheidung über elektronische Zölle, die im Januar veröffentlicht wurde, stellen wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einem dauerhaften, aber dynamischen Beitrag der Zollgesetze zum Schutz der europäischen Bürger und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft durch Erleichterung seriöser Handelsaktivitäten dar. Sie sind Beispiele der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Institutionen.

Im Bericht wird zu Recht auch die Notwendigkeit der weiteren Harmonisierung und einheitlichen Umsetzung der Zollvorschriften sowie der Verbesserung der Organisation und Arbeitsweise unserer Zollverwaltungen betont.

Meiner Auffassung nach kann eine weitere Harmonisierung bei der Umsetzung der Zollgesetze durch folgende Initiativen erreicht werden: die aktuellen Bemühungen um die Umsetzung des modernisierten Zollkodexes und die „e-Zoll“-Entscheidung, ein neues Programm für die gezielte Kontrolle der korrekten und einheitlichen Anwendung der Zollgesetze und eine – in Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten vorzunehmende – Beurteilung des Bedarfs und der Möglichkeiten, Zollvergehen und -strafen anzugleichen. Das Aktionsprogramm für das Zollwesen in der Gemeinschaft (Zoll 2013) stellt ebenfalls ein wichtiges Werkzeug in dieser Hinsicht dar.

Abschließend möchte ich auf die im Bericht enthaltenen Punkte zur Initiative der USA eingehen, sämtliche Container mit Bestimmungsort USA ab 2012 zu scannen. Die Kommission nutzt alle verfügbaren Kanäle, um den amerikanischen Behörden begreiflich zu machen, dass sie damit den falschen Weg eingeschlagen haben, um die Lieferkette zu sichern. Im April hat die Kommission der US-Regierung einen stichhaltigen Bericht vorlegt, der mit Unterstützung der Mitgliedstaaten erstellt wurde und die negativen Auswirkungen dieser Maßnahme für europäische Häfen, den internationalen Handel und den Seeverkehr beleuchtet.

 
  
MPphoto
 
 

  Zuzana Roithová, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (CS) Frau Präsidentin! Ich begrüße den Initiativbericht meines Kollegen Jean-Pierre Audy, der einen Blick auf die Frage wirft, wie wichtig die strenge Anwendung von Zollverfahren für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes ist. Bedauerlicherweise kommt es bei uns aufgrund illegaler Einfuhren von Waren aus Drittländern in zunehmendem Maße zu Marktverzerrungen. Dabei geht es nicht nur um Schmuggel, Fälschungen und die Umgehung von Zöllen; unser Markt wird auch von Waren überschwemmt, die nicht den europäischen Sicherheitsanforderungen entsprechen, obwohl sie oftmals entsprechend gekennzeichnet sind. Leider stehen den Zollbehörden nicht genügend Ressourcen für ausreichende Grenzkontrollen zur Verfügung. Unser Ausschuss hat in Antwerpen selbst erlebt, dass pro Tag gerade einmal 0,5 % aller Container kontrolliert werden. All das höhlt das Vertrauen in den Binnenmarkt aus und schadet den Verbrauchern genauso wie den europäischen Produzenten, die aus eigener Kraft nicht mit der unfairen Konkurrenz Schritt halten können. Obwohl unsere Zollunion mittlerweile etwa vierzig Jahre besteht, wenden die Mitgliedstaaten die Zollvorschriften noch immer nicht in ausreichend einheitlichem Maße an. So bestehen zum Beispiel erhebliche Unterschiede bei den Vorschriften über die Tarifierung, den Wert und den (Präferenz- oder Nichtpräferenz-)Ursprung von Waren. Ich bin ebenso wie der Berichterstatter der Meinung, dass eine stärkere Harmonisierung zu einer Verbesserung der Situation führen würde. Die Kommission sollte auch auf die berechtigten Einwände im Hinblick auf die einheitliche Anwendung des Kriteriums des Mehrwerts reagieren, die beispielsweise von der Textilindustrie erhoben werden. Ein zu strenges und komplexes Zollrecht erschwert insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum internationalen Handel. Der europäischen Wettbewerbsfähigkeit würde eine Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der für die Ein- und Ausfuhr von Waren geltenden Vorschriften und Verfahren zweifellos nutzen.

 
  
MPphoto
 
 

  Francisco Assis, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich Herrn Audy zu seinem in überragender Qualität dargebotenen Bericht beglückwünschen, überragend sowohl im Hinblick auf die darin enthaltenen Überlegungen als auch im Hinblick auf die unterbreiteten Vorschläge.

Tatsächlich ist der Zoll, wie es in dem Bericht ausdrücklich heißt, heute ein Instrument mit vielen Funktionen. Er hat eine steuerliche Funktion, was seine ursprüngliche Funktion ist, aber auch wirtschaftliche Funktionen und in wachsendem Maße sicherheitspolitische Funktionen, indem er zum Schutz der europäischen Unternehmen und der europäischen Verbraucher beiträgt.

Was den wirtschaftlichen Aspekt angeht, so soll er natürlich den internationalen Handel erleichtern, und die Europäische Union hat jedes erdenkliche Interesse daran, dass das auch geschieht. Aber er muss sich auch auf seine Sicherheitsaufgaben konzentrieren – Sicherheit im Sinne der Vereitelung und Bekämpfung von Fälschung und Piraterie, der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, der einigen europäischen Unternehmen insbesondere in schwächeren Sektoren die Grundlage entzieht; Sicherheit im Sinne des Schutzes der Umwelt und der Volksgesundheit, beides Güter, die unsere Gesellschaft immer mehr zu schätzen weiß. Aus diesem Grunde müssen wir größere Fortschritte machen.

Wir halten den Vorschlag des Berichterstatters für gut, da er in Richtung Förderung der Harmonisierung des Zollsystems geht. Es gibt eine gemeinsame Handelspolitik und eine gemeinsame Zollpolitik, es gibt aber auch eine Reihe nationaler Verwaltungen, die nicht immer optimal zusammenarbeiten. Um den Schutz der Interessen der europäischen Produzenten und Verbraucher zu gewährleisten, wären schnellere Fortschritte in Richtung Harmonisierung wünschenswert. Fortschritte durch neue Verfahrensweisen, durch eine bessere Koordinierung und durch die Schaffung der Voraussetzungen für eine effektive Harmonisierung der Zollverfahren auf Gemeinschaftsebene. Daher werden wir den Bürgern Europas einen guten Dienst erweisen, sei es aus Sicht der Produzenten oder aus Sicht der Verbraucher.

Es gibt eine Frage, die mir sehr wichtig erscheint und die die kleinen und mittleren Unternehmen betrifft; sie wurde auch in dem Bericht und von meiner Vorrednerin angesprochen. Unsere kleinen und mittleren Unternehmen sind besonders verletzlich gegenüber unlauterem Wettbewerb, und unser Zollsystem ist nicht immer in der Lage, diese Gefahren erfolgreich abzuwehren. Daher müssen wir in diesem Bereich stark investieren und die Koordinierung mit den kleinen und mittleren Unternehmen verbessern. Sie verfügen nicht immer über tiefgehende Kenntnisse der Regeln und Verfahren und sind deshalb beim Zugang zum internationalen Handel benachteiligt.

Ich ende, wie ich begonnen habe, indem ich den Verfasser dieses Berichts beglückwünsche, von dem ich meine, dass er Europa in diesem spezifischen und sehr wichtigen Bereich der Zollpolitik einen guten Dienst erwiesen hat.

 
  
MPphoto
 
 

  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Ich ergreife in dieser Aussprache im Namen der UEN-Fraktion das Wort und möchte auf folgende drei Punkte eingehen.

Erstens: Viele in die Erleichterung des internationalen Handels einbezogene Länder, selbst diejenigen, die WTO-Mitglieder sind, halten Sozial- und Umweltstandards nicht ein; dadurch erreichen sie eine deutliche Senkung ihrer Herstellkosten, verhindern aber gleichzeitig einen fairen Wettbewerb. Bei der Verbesserung des Zugangs zum europäischen Markt für Waren aus solchen Ländern muss diesem Umstand Rechnung getragen werden, weil andernfalls viele Produktionsbereiche in Europa verdrängt werden.

Zweitens: Die zunehmende Öffnung des europäischen Marktes für Agrarerzeugnisse aus Drittländern als Gegenleistung für die Öffnung dieser Länder für Ausfuhren europäischer Industriegüter und Dienstleistungen stellt im Grunde die Umsetzung der Vorstellung von Kommissar Mandelson dar, dass die Europäische Union anderen Ländern gegenüber Zugeständnisse im Rahmen der WTO-Gespräche machen muss, weil die EU an den Exporten von Industriegütern mehr verdient als an der schwachen Verteidigung der Landwirtschaft, doch leider bedeutet das eine weitere Schwächung des landwirtschaftlichen Potenzials Europas.

Drittens und letztens: Die Europäische Kommission muss wesentlich schneller als bisher auf Verstöße von Exporteuren aus Drittländern gegen Abmachungen über den Zugang zum europäischen Markt reagieren. Immer dann, wenn Ausfuhren aus diesen Ländern die Produktion in Europa schwächen, muss die Kommission unverzüglich und nicht erst Monate später handeln.

 
  
MPphoto
 
 

  Jean-Claude Martinez (NI).(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Dies ist heute sozusagen eine Nacht des Zolls, mit dem Bericht von Herrn Markov zum APS und dem Bericht von Herrn Audy zu den nichttarifären Hindernissen, mit anderen Worten, mit den Einfuhr- und Ausfuhrbestimmungen und Verfahren, die wir als administrativen Protektionismus oder selbstgerechte Zollhemmnisse bezeichnen. Auch wenn die WTO viel über die Senkung der GATT-Zölle spricht, haben wir doch auch einen subtilen Protektionismus in Form von Quoten, Spitzenzollsätzen – in Europa gibt es mehr als 110 Spitzenzollsätze, Kanada hat allerdings 430 –, und gestaffelten Einfuhrzöllen, die kleine Länder daran hindern, Industrienationen zu werden, ganz zu schweigen von einer Liste empfindlicher Erzeugnisse und einem APS, das die Wahrung der Menschenrechte zum Kriterium macht, ferner die subjektiven Zollbestimmungen zum Ursprung, zum Wert oder zu den Tariflinien. Europa hat mehr als 5000 Tariflinien. Allein in der Landwirtschaft gibt es 2726 Tariflinien. In Japan gibt es allerdings 1890 und in den USA 1779. Was tun wir also mit Waren, wenn es um die Tariflinien geht? Wie klassifizieren wir beispielsweise eine Mumie, die aus Ägypten für eine Ausstellung hierher kommt? Wir klassifizieren sie als Trockenfisch!

In Herrn Audys Bericht werden alle diese Probleme behandelt und es wird eingeräumt, dass die USA mit der Hexenjagd im Sicherheitsbereich zu einem McCarthyismus im Zollbereich zurückgekehrt ist. Die Ära des pazifistischen Ansatzes von Papst Johannes Paul II. mit seiner berühmten Moralpredigt von 1978 („Öffnet die Grenzen der Staaten, der politischen und wirtschaftlichen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts Seiner rettenden Macht. Habt keine Angst!“) ist zu Ende. Deshalb die Doha-Runde, die zehn Jahre nach ihrer Eröffnung immer noch andauert, wohingegen die Uruguay-Runde, wenn ich mich das zu sagen erdreisten darf, nur acht Jahre dauerte.

Wo liegen die Wurzeln des Problems? Das Problem rührt daher, dass Zölle 2000 Jahre alt sind und bis ins alte Rom zurückreichen, zu den Abgaben an den Toren Roms. Doch wir leben im 21. Jahrhundert, und daher brauchen wir eine neue Zolltechnologie, Herr Kommissar. Glücklicherweise wurde diese neue Zolltechnologie von Wissenschaftlern erfunden, es geht dabei um abzugsfähige Zölle, die entsprechend den Unterschieden in den Produktionskosten angepasst werden können, Zölle, die erstattungsfähig sind, die an einer Börse gehandelt und die modifiziert werden können, um Entwicklungsländern zu helfen.

Dies, Herr Kommissar, sollten Sie bei den WTO-Verhandlungen auf den Tisch legen, diese neue Zolltechnologie, damit wir unser archaisches Zollsystem abschaffen können.

 
  
MPphoto
 
 

  Marusya Ivanova Lubcheva (PSE).(BG) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erörtern heute einen außerordentlich wichtigen Bericht. Die effiziente Handelspolitik ist ein Instrument zur Erreichung der regionalen oder umfassenderen Integration.

Auf verlässlichen Vorschriften und Verfahren beruhende Einfuhren und Ausfuhren versetzen uns in die Lage, den europäischen Binnenwirtschaftsraum zu schützen. Der Bericht ist objektiv und kritisch, zugleich aber auch konstruktiv. Im Mittelpunkt stehen mehrere Aspekte, d. h. die bilateralen, regionalen und multilateralen gegenseitigen Vorteile, die gemeinsamen regionalen Chancen und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union durch marktgestützte Instrumente, um die Verdrängung europäischer Produkte vom Markt zu verhindern.

Der Handel beeinflusst in erheblichem Maße das Wirtschaftswachstum einiger Länder. So gesehen kommt Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften eine überragende Bedeutung zu. Besonders wichtig ist deren Anwendung und Kontrolle, gerade für einige neue Mitgliedstaaten wie Bulgarien, wo höhere Ausfuhrmengen ausschlaggebend für die Entstehung eines Handelsbilanzdefizits sind.

In diesem Fall ist der Zugang zu Drittmärkten ganz entscheidend. Die Platzierung von Waren aus den neuen Ländern auf externen Märkten, die sich sogar dann mühsam gestaltet, wenn diese Produkte sämtlichen Anforderungen entsprechen, führt zu Unterschieden in der Behandlung. Und genau deswegen brauchen wir bei den Rechtsvorschriften und den dazugehörigen Durchführungsbestimmungen absolute Übereinstimmung.

Der Arbeit der nationalen Zollbehörden kommt entscheidende Bedeutung für das reibungslose Funktionieren eines effizienten Handelssystems zu, insbesondere angesichts ihrer erweiterten Aufgaben bei der Bekämpfung von Fälschungen und Betrug sowie im Bereich des Schutzes der Rechte am geistigen Eigentum und der Verbraucher.

Die Zollbehörden der Mitgliedstaaten müssen ihre Zusammenarbeit gut organisieren. Gleichermaßen wichtig sind Maßnahmen zur richtigen Motivation der Zollbehörden im Rahmen von administrativen Lösungen jedes Mitgliedstaates wie auch zum Schutz und zur Unterstützung des Auftrags der Zollbehörden.

Man könnte die Einrichtung spezialisierter Zentren in für den Handel mit Drittstaaten bzw. Regionen besonders wichtigen Ländern in Erwägung ziehen. Dies wäre hilfreich für die Förderung einer effizienten Handelspolitik der Europäischen Union.

 
  
MPphoto
 
 

  Zuzana Roithová (PPE-DE).(CS) Frau Präsidentin! Ein Punkt wurde bislang noch nicht angesprochen. Ich möchte Sie, Herr Kommissar, fragen, welche Schritte die Europäische Union bisher mit Blick auf die von den USA angewandten Vorschriften unternommen hat. Wie können Ihrer Meinung nach die Handelsabläufe im Rahmen der transatlantischen Beziehungen am besten koordiniert werden? Und sehen Sie eigentlich eine Möglichkeit, einen Ausgleich zwischen Sicherheitsmaßnahmen und der Notwendigkeit, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten flexibler zu gestalten, zu erzielen? Mir geht es bei dieser Frage um die für Container festgelegten Anforderungen, die der Kollege Audy in seinem Bericht ebenfalls erwähnt.

 
  
MPphoto
 
 

  László Kovács, Mitglied der Kommission. – (EN) Frau Präsidentin! Zu Beginn möchte ich mich für Ihr Interesse und Ihren Beitrag zur Verbesserung unserer Rechtsvorschriften und Praktiken im Zollbereich bedanken. Ich möchte zwei Rechtsdokumente in den Vordergrund rücken: den modernisierten Zollkodex und die „e-Zoll“-Entscheidung. Sie werden dazu beitragen, dass das Zollwesen der EU effizienter, schneller und sogar billiger wird. Selbstverständlich stehe ich dem Parlament zur Verfügung, um Sie über die wichtigsten Entwicklungen im Bereich der Zollvorschriften und ihrer Umsetzung auf dem Laufenden zu halten.

Am 1. April hat die Kommission eine neue Mitteilung über eine Strategie für die weitere Entwicklung der Zollunion verabschiedet, die durch eine Entschließung des Rates bekräftigt wurde. Die künftige Zollinitiative, die auf der Mitteilung fußt, stärkt die Zollbehörden, indem sie eine angemessene und ausgewogene Antwort auf die doppelte Herausforderung bietet, vor der diese stehen: einerseits durch Gewährleistung von Sicherheitskontrollen für Waren an den Außengrenzen und andererseits durch Erleichterung des Handels. Zu diesem Zweck sieht die Initiative vor, den gegenwärtigen transaktionsbasierten Ansatz bei Zollformalitäten und -kontrollen durch einen systemischen Ansatz zu ersetzen, bei dem der Schwerpunkt auf den internen Kontrollsystemen und der Lieferkette der Wirtschaftakteure liegt. Ein derartiger neuer Ansatz erfordert neue Arbeits- und Kontrollmethoden und eine künftige Zollrisikomanagementstrategie. Gleichzeitig bietet er eine Plattform für die Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der geeignetsten Betriebsstrukturen, die künftig eingesetzt werden sollten, um die effiziente Funktionsweise der Zollunion zu garantieren.

Zur Frage von Frau Roithová zur Initiative des amerikanischen Kongresses, sämtliche Container mit Bestimmungsort USA ab 2012 zu scannen: Schon vor der Verabschiedung durch den Kongress haben wir verschiedene Bemühungen unternommen, um den Vorschlag abzuändern, allerdings erfolglos. Die Regierung der Vereinigten Staaten zeigte sich sehr verständnisvoll, denn sie sah ein, dass die Einführung solcher Maßnahmen, einen einseitigen Schritt darstellt und damit unserem bi- und multilateralen Ansatz zuwiderlaufen würde. Die US-Administration hat begriffen, dass damit sicher keine Erhöhung der Sicherheit einhergeht, sondern man im Gegenteil ein falsches Gefühl der Sicherheit erzeugt, wodurch Ressourcen und Aufmerksamkeit von den wirklichen Sicherheitsmaßnahmen abgelenkt würden.

Unser Konzept liegt in der künftigen Anerkennung von Sicherheitsstandards, Sicherheitskontrollen, den Ergebnissen von Sicherheitskontrollen sowie der gegenseitigen Anerkennung der Zollhandelspartnerschaft – der C-TPAT auf amerikanischer Seite sowie der zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten auf Seiten der EU. Ich erwähne dies, weil es in Verbindung mit KMU einige Hinweise darauf gegeben hat, dass der zugelassene Wirtschaftsbeteiligte ein sehr sinnvolles System darstellt, kleinen und mittleren Unternehmen das Leben zu erleichtern.

Mit der Vorlage eines Berichts für Michael Chertoff und die amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde haben wir kürzlich der amerikanischen Regierung wichtige Informationen zur Verfügung gestellt. In dem Bericht wird dargelegt, welche Schwierigkeiten voraussichtlich mit der Einführung des Scannens sämtlicher Container mit Bestimmungsort USA verbunden sein werden: Handelsunterbrechungen, die Störung des Seeverkehrs sowie der bilateralen Handelsbeziehungen. Dazu nur eine Zahl: In einem Jahr empfangen die Vereinigten Staaten mehr als zehn Millionen Seecontainer. Die EU schickt etwa zwei Millionen Container. Wenn das System eingeführt wird, wären davon über 700 Häfen weltweit betroffen. Welche Probleme dies bereitet, können Sie sich ausmalen. Hoffentlich begreift nicht nur die US-Administration, sondern auch der Gesetzgeber allmählich, dass sich die Sicherheit damit nicht erhöht, sondern ernsthafte Probleme im bilateralen und multilateralen Handel entstehen.

Zum Abschluss Folgendes: Wie im Bericht betont wird, feiert die Zollunion 2008 ihr 40-jähriges Bestehen. Gleichzeitig markiert dieses Jahr einen neuen Anfang für die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten in diesem Bereich.

 
  
MPphoto
 
 

  Jean-Pierre Audy, Berichterstatter. − (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar Kovǎcs! Ich danke Ihnen für Ihre Antworten. Mein Dank gilt auch dem Personal der Kommission, mit dem ich zusammengearbeitet habe, sowie den Mitgliedern des Ausschusses für internationalen Handel, wie Herrn Musquar, und den Berichterstattern der Fraktionen, wie Herrn Assis. Ich freue mich auch, seine Kollegin, Frau Lyubcheva, heute hier zu sehen, mit der wir kürzlich bei einem anderen Thema zusammengearbeitet haben.

Sie hatten Recht, Frau Roithová, auf das Problem des 100%igen Durchleuchtens aufmerksam zu machen, und ich danke Ihnen, Herr Kommissar, für die Entschlossenheit, mit der Sie uns verteidigt haben. Die EU ist nicht zum ersten Mal bei diesen Fragen von den USA angegriffen worden, denn wir mussten unser Zollsystem auch in einem Fall verteidigen, der dem Streitbeilegungsgremium der WTO vorgelegt wurde und den wir gewonnen haben, zum Teil aufgrund der Bemühungen Ihrer Mitarbeiter, Herr Kommissar. Sie haben uns zu Recht verteidigt.

Herr Martinez hat uns seine Theorie der umgekehrten Zölle erläutert. Er hat sie mir bereits im Dezember 2005 erklärt, als wir zusammen in Hongkong waren. Ich verstehe sie immer noch nicht, aber ich lebe in der Hoffnung, dass ich eines Tages nachvollziehen kann, wie diese umgekehrten Zölle für Mumien und Trockenfisch gelten.

Ich möchte allen Fraktionen für die Unterstützung danken, die sie diesem Bericht zuteil werden ließen. Ich glaube, dass die Menschen nun erkennen, dass die Welt, die immer komplizierter und schnelllebiger wird, Konflikte in der Vergangenheit mit einem militärischen Krieg gelöst hätte. Heute haben wir es mit einem wirtschaftlichen und sozialen Krieg zu tun und nicht mit einem militärischen Krieg. Statt Tote gibt es Arbeitslose. Und wir wissen nicht mehr wirklich, wer der Gegner ist. In diesem Klima eines weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Krieges brauchen wir eine starke Zollunion sowie Ein- und Ausfuhrmechanismen, die unsere Wirtschaft, die Bürger und die Europäische Union im Allgemeinen schützen – und ich spreche von Schutz, nicht von Protektionismus.

 
  
MPphoto
 
 

  Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen