Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission über Zwangsprostitution und Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Anna Záborská im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter an die Kommission (O-0062/2008 – B6-0160/2008).
Corien Wortmann-Kool, Verfasserin. − (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Mit diesen mündlichen Anfragen möchte der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter erneut auf die enorme Problematik des Frauenhandels und der Zwangsprostitution in der Europäischen Union aufmerksam machen. Zwar liegen keine genauen Zahlen vor, groben Schätzungen zufolge werden jedoch jährlich Hunderttausende Frauen und Mädchen Opfer von Menschenhandel durch kriminelle Banden und enden danach in unseren Mitgliedstaaten in der Zwangsprostitution. Dies ist menschenunwürdig, und leider ist das Vorgehen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten praktisch wirkungslos.
Großveranstaltungen wie beispielsweise wichtige Fußballmeisterschaften locken bekanntlich kriminelle Banden an, die solche menschenverachtenden Praktiken betreiben, und deshalb initiierte der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2006 eine Kampagne zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Notwendigkeit, während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 den illegalen Frauenhandel und die Zwangsprostitution zu verhindern und zu bekämpfen. Diese Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ war ein großer Erfolg und hat nicht nur unter Zuschauern und Fans, sondern in der Gesellschaft insgesamt das Verständnis dafür gefördert, dass Frauenhandel und Zwangsprostitution aktiv bekämpft werden müssen. Leider jedoch sind die von der Europäischen Kommission und den meisten Mitgliedstaaten erzielten Ergebnisse immer noch enttäuschend. Daher möchten wir erneut auf dieses Problem hinweisen und die Zuschauer und die Gesellschaft insgesamt während der Fußball-Europameisterschaft 2008 in diesem Monat daran erinnern, dass diese Art von Gewalt gegen Frauen und Mädchen inakzeptabel ist.
Im Jahr 2005 verabschiedeten die Kommission und der Rat einen ausführlichen Aktionsplan über den Austausch bewährter Vorgehensweisen, Normen und Verfahren zur Bekämpfung und Verhütung des Frauenhandels. Dieser Aktionsplan muss von den Mitgliedstaaten unverzüglich umgesetzt werden. Darauf bezieht sich auch eine unserer Fragen. Vonnöten sind nämlich abgestimmte Maßnahmen in betroffenen Bereichen, z. B. geschlechtsspezifische Präventionsstrategien, auch in den Ländern, aus denen diese Frauen und Mädchen kommen, sowie Sensibilisierungsmaßnahmen und die Bewertung ihrer Wirksamkeit. Kann die Kommission daher die folgenden Fragen beantworten?
Ist der Aktionsplan in Bezug auf den illegalen Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung umgesetzt worden, mit welchem Ergebnis und welcher Wirksamkeit? Welche konkreten Maßnahmen wurden von den Mitgliedstaaten gemeldet, um den illegalen Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu bekämpfen? Inwieweit haben die Mitgliedstaaten die Richtlinie 204/81/EG ordnungsgemäß umgesetzt und durchgeführt? Welche Maßnahmen hat die Kommission in den Fällen getroffen, in denen dies nicht erfolgt ist? Liegt die vom Ausschuss des Europäischen Parlaments für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter seit Januar 2006 angeforderte Studie über die Zusammenhänge zwischen den Prostitutionsgesetzen und dem Ausmaß des illegalen Frauen- und Mädchenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung mittlerweile vor? Kann die Kommission mitteilen, ob und wie sie die Mitgliedstaaten darin zu bestärken gedenkt, eine grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des illegalen Menschenhandels und der Zwangsprostitution zu entwickeln und weiter auszubauen? Wie kann die Kommission die Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ des Ausschusses unterstützen? Ist das zuständige Kommissionsmitglied außerdem bereit, sich mit einem Schreiben an die Regierungen Österreichs und der Schweiz zu wenden und sie darin zu ersuchen, Frauenhandel und Zwangsprostitution während der kommenden Fußball-Europameisterschaft 2008 zu bekämpfen und unsere „Rote-Karte“-Kampagne zu unterstützen?
Frau Präsidentin, wie allgemein bekannt, sind wichtige Fußballmeisterschaften eine Quelle der Freude und des Vergnügens für die Öffentlichkeit und die Fans. Hier geht es jedoch um ein Problem, das eine Schattenseite der Veranstaltungen bildet und dem Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, und zwar nicht nur in Worten, denn – um ein bekanntes niederländisches Fußball-Lied zu zitieren – „geen woorden maar daden“ (keine Worte, sondern Taten). Hoffentlich wird sich der Kommissar auch dafür einsetzen.
László Kovács, Mitglied der Kommission. – (EN) Frau Präsidentin! Obgleich die Frage nicht in meinen Geschäftsbereich fällt, empfinde ich es als Ehre, stellvertretend für meinen geschätzten Freund und Kollegen Jacques Barrot dieser Aussprache beizuwohnen, denn nach meinem Dafürhalten handelt es sich um ein sehr bedeutsames Thema.
Ich möchte Ihnen versichern, dass sich die Kommission voll und ganz der Bekämpfung des Menschenhandels als brutale Verletzung der Menschenrechte und schwerwiegende Straftat verschrieben hat, wobei der Schwerpunkt im Besonderen auf der Bekämpfung der Zwangsprostitution liegt.
Bei der Beantwortung der äußerst treffenden Fragen, die alle Aspekte dieses komplexen Problems berühren, möchte ich mit Frage 1 beginnen. Der vom Rat ins Leben gerufene Aktionsplan der EU aus dem Jahr 2005 über gemeinsame Normen, bewährte Verfahren und gemeinsame Mechanismen enthält eine ganze Reihe höchst ehrgeiziger Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels. Auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Angaben haben wir den Eindruck, dass die Lage trotz einiger Ergebnisse weiterhin sowohl im Bereich der Strafverfolgung als auch bei der Opferhilfe, die beide von besonderer Wichtigkeit sind, unbefriedigend ist.
Die Kommission wird Ende des Jahres einen Bericht über die Umsetzung des Aktionsplans vorlegen. Diese Bestandsaufnahme könnte das Fundament für eine Entscheidung darüber bilden, welche Aktivitäten in der näheren Zukunft in welcher Form weiterverfolgt werden sollten.
Frage 2: Der Schutz der Opfer von Menschenhandel ist eine Menschenrechtspflicht. Des Weiteren ist es eine Grundbedingung für die erfolgreiche Verfolgung von Menschenhändlern, da die Aussage des Opfers als Beweismittel gegen den Täter von größter Bedeutung ist. Die Richtlinie 2004/81/EG schließt sich diesem Ansatz an, indem Opfern eine Bedenkzeit zugestanden wird, in der sie sich erholen und dem Einfluss der Täter entziehen können und ein Aufenthaltstitel erteilt wird.
Alle durch die obige Richtlinie gebundenen Mitgliedstaaten, ausgenommen Spanien und Luxemburg, haben die Kommission offiziell über die vollständige Umsetzung dieses Rechtsinstruments benachrichtigt. Die Kommission hat entschieden, die beiden anderen Mitgliedstaaten vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen.
Zum Zwecke der Analyse der maßgeblichen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht sowie ihrer Durchführung hat die Kommission im Januar 2007 eine Studie angestoßen, um die Umsetzung von 10 Richtlinien, einschließlich dieser, im Bereich Asyl und Zuwanderung zu evaluieren.
Die endgültigen Ergebnisse der Studie, die der Kommission in Kürze zur Verfügung stehen werden, bilden die Grundlage für eine systematische Überwachung des bestehenden Gemeinschaftsrechts auf diesem Gebiet in Übereinstimmung mit Artikel 226 des EG-Vertrags.
Frage 3: Die Kommission hat darüber hinaus eine Untersuchung eingeleitet, um die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sowie die Lage im Bereich des Menschenhandels zu bewerten. Die Ergebnisse der Studie sollen Ende Februar 2009 vorgelegt werden.
Frage 4: Zwangsprostitution und Menschenhandel stellen eine Verletzung der Grundrechte dar und sind eine Form des organisierten Verbrechens. Bestrebungen zur Bekämpfung krimineller Netze müssen notwendigerweise transnationaler Natur sein. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Polizeikräften der Mitgliedstaaten erfolgt vorzugsweise über Europol. Darüber hinaus stellt der Kampf gegen den Menschenhandel auch einen Schwerpunkt im Rahmen des spezifischen Programms „Kriminalprävention und Kriminalitätsbekämpfung“ zur Förderung von länderübergreifenden Kooperationsprojekten für Strafverfolgungsbehörden sowie NRO dar.
Zum Schluss Frage 5: Die Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“, die aus Anlass der Fußballweltmeisterschaft 2006 gestartet wurde, hat einen positiven Beitrag zu Schärfung des Bewusstseins für Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung geleistet. Obgleich die von Deutschland durchgeführte Auswertung gezeigt hat, dass die Angst vor einem Anstieg von Zwangsprostitution und Menschenhandel im Jahr 2006 unbegründet war, begrüßen wir alle Initiativen, die darauf abstellen, die Öffentlichkeit zu informieren, ihr Bewusstsein zu schärfen, solch abscheuliche Verbrechen zu verhindern und den Opfern zu helfen.
Manolis Mavrommatis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Nächsten Samstag beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz. Das ist nach der Weltmeisterschaft die zweitgrößte Sportveranstaltung. Es wird damit gerechnet, dass etwa 2,5 Millionen Sportbegeisterte aus ganz Europa die Spiele in den Stadien verfolgen werden. Dem Vernehmen nach werden, wie bei Großereignissen dieser Art üblich, sehr viele Frauen, d. h. schätzungsweise 25 000, aus aller Welt in die Städte reisen, in denen die Spiele ausgetragen werden – leider aber nicht nur, um ihre Mannschaften anzufeuern, sondern weil sie zur Prostitution gezwungen werden. Ich bin mir sicher, dass das die internationale Gemeinschaft und insbesondere die EU und das Europäische Parlament nicht kalt lassen wird.
Frau Präsidentin, Herr Kommissar, wie wir vernommen haben, zeitigte das Eingreifen des Europäischen Parlaments bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland im Jahre 2006 positive Ergebnisse. Seinerzeit sollen Berichten zufolge 40 000 bis 60 000 Frauen zur Prostitution gezwungen worden sein. Es dürfte sich für uns also durchaus lohnen, auch dieses Mal dagegen vorzugehen, so wie 2006 nach einer mündlichen Anfrage von Frau Wortmann-Kool. Ich würde vorschlagen, dass der Präsident des Europäischen Parlaments und das zuständige Mitglied der Kommission ein Schreiben in der Art des Briefes aufsetzen, den Herr Frattini 2006 an Angela Merkel geschrieben hatte. Das Schreiben sollte sowohl an das Organisationskomitee als auch an die UEFA gerichtet werden; darin sollten wir unsere Besorgnis über das drohende Abgleiten eines Sportereignisses in eine ungezügelte Unterhaltungsveranstaltung mit Frauen als Opfer zum Ausdruck bringen.
Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wenn wir uns einig sind und auf unser Anliegen aufmerksam machen können, wird es uns nach meiner Überzeugung gelingen, Gefahren abzuwehren, die weder uns noch der Gesellschaft zur Ehre gereichen, sondern vielmehr der Ausnutzung von menschlichem Leid den Weg bereiten.
Lissy Gröner, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Wenige Tage vor Anpfiff der Fußball-Europameisterschaft zeigt der Frauenausschuss – und ich hoffe das gesamte Europäische Parlament – der Zwangsprostitution wieder die rote Karte. Bis zu 800 000 Frauen werden weltweit jährlich Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Das ist eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen der heutigen Zeit und gerade bei sportlichen Großereignissen ist der schnelle Sex am Rande der Spiele auch mit dieser modernen Art des Sklavenhandels verbunden.
Wir hatten vor zwei Jahren bei den Fußballweltmeisterschaften in Deutschland hier im Parlament eine breite Debatte angestoßen und eine Kampagne gestartet, die dafür gesorgt hat, dass die von Fachleuten zunächst befürchtete große Welle der Zwangsprostitution und die entsprechenden Auswüchse mit Unterstützung der Fans durch die eingestellte Öffentlichkeit verhindert werden konnten. Aber dann ist das Thema wieder aus dem Blickfeld geraten.
Wir haben rechtliche Initiativen angestoßen und mit den Erfahrungen, die wir aus der deutschen Kampagne hatten, die von den Frauenorganisationen sehr breit mitunterstützt wurde, ist es gelungen, Maßnahmen zum Opferschutz zu setzen und die Zwangslage der Frauen, die meistens aus Mittel- und Osteuropa kommen, darzustellen. Sie sind in einer Zwangslage, zum einen als Täterinnen, da sie ja keine Aufenthaltsgenehmigungen haben, andererseits aber als Opfer, weil sie von den Menschenhändlern gnadenlos ausgenutzt werden.
Bei den Maßnahmen zum Opferschutz, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der rechtlichen Erteilung von Aufenthaltstiteln sind wir einen Schritt weiter gekommen. Wir wollen jetzt auch in Österreich und in der Schweiz die Öffentlichkeit der Spiele nutzen, um das Thema wieder in den Vordergrund zu stellen. In Deutschland hat die sozialdemokratische Justizministerin drakonische Strafen für Freier von Zwangsprostituierten angekündigt.
Es gibt allerdings noch viele Lücken und das Parlament muss dafür sorgen, dass diese Lücken geschlossen werden. Ich bitte die Kommission, uns dabei zu unterstützen.
Siiri Oviir, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ET) Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Es hat offenbar symbolische Bedeutung, dass wir lichtempfindliche Themen mitten in der Nacht diskutieren. Jedes Jahr werden in der europäischen Sexindustrie Hunderttausende Frauen missbraucht. Diese Industrie verzeichnet einen rapiden Zuwachs und vereint in sich neue Technologien, Kriminalität, Drogen und das große Geld, obwohl sie sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen lässt: Gewalt.
Es ist allgemein bekannt, dass sich die meisten Frauen aufgrund schlechter sozialer Bedingungen – vor allem Armut und Arbeitslosigkeit – in das Sexgeschäft locken lassen. Die meisten Prostituierten kommen aus eben jenen Gegenden, in denen die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist, im Falle der Europäischen Union also aus den ärmeren osteuropäischen Ländern. Das beweist, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten vor allem dafür sorgen müssen, dass Frauen aus gefährdeten Gruppen bessere berufliche Qualifikationen erlangen, und dass sie diesbezüglich aktive Arbeitsmarktmaßnahmen ergreifen müssen.
Es besteht kein Zweifel daran, dass Kampagnen zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die Problematik der Prostitution – wie beispielsweise die Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ – wichtig sind und die Gesellschaft eine gewisse Zeit lang stärker für dieses Problem empfänglich machen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass die Bekämpfung der Zwangsprostitution und der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Frauen ständig im Mittelpunkt der gesellschaftlichen und öffentlichen Aufmerksamkeit stehen muss. Meines Erachtens ist es für die Gesellschaft häufig viel effektiver und kostengünstiger, Präventivmaßnahmen zu finanzieren, als sich ständig mit den Folgen des Problems auseinandersetzen zu müssen.
Zusätzlich zu Präventivmaßnahmen kommt es darauf an, die Effektivität der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu steigern, vor allem im Schengen-Raum. Ich fordere die Kommission und die hier vertretenen Fraktionen auf, entschlossen zu handeln, sich für die Abschaffung der Prostitution zu engagieren sowie dafür einzutreten, dass es in den Heimatländern der Prostituierten verboten wird, ihre Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Wenn die Nachfrage ausbleibt, werden wir letztendlich unser Ziel erreichen. Abschließend muss auch betont werden, dass es in der gesamten Europäischen Union eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Prostitution und Menschenhandel geben muss. Wir sollten anfangen, Entscheidungen zu treffen und zu handeln.
Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Wir wissen, Frauenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung muss weltweit geächtet und bekämpft werden. Es ist ein Skandal der eines Europas der Werte und der Menschenrechte nicht würdig ist! Wir wissen auch: Frauenhandel macht nicht mehr vor Grenzen halt. Deshalb brauchen wir eine europäische, eine globale Antwort auf das Problem, die aber weit mehr sein muss als nur Grenzkontrollen und Repression.
Grundsätzlich positiv ist, dass dieses Thema seit rund zehn Jahren auf der Agenda steht, aber der Fokus liegt zu einseitig auf Grenzkontrollen – Prävention und Opferschutz werden leider zu sehr vernachlässigt. Es gibt auch keine Entwarnung. Immer mehr Menschen – Mädchen und Frauen – werden Opfer sexueller Ausbeutung, obwohl, wie Frau Gröner bereits erwähnt hat, der befürchtete Anstieg bei der WM 2006 nicht zu verzeichnen war. Wir wissen aber, dass die Dunkelziffer hoch ist. Es gibt zu wenige Razzien gegen Menschenhändler und zu wenig Verfahren gegen die skrupellosen Kriminellen. Das hat auch die EU-Kommission auf eine parlamentarische Anfrage von mir bestätigt.
Wir setzen auf verbesserten Opferschutz nicht nur in Deutschland, sondern in Europa. In Bezug darauf finde ich es etwas bedauerlich, dass die Kommission offensichtlich nur schöne Worte findet und die Verbesserung für Opfer nicht wirklicht voranbringt. Es ist nicht transparent, wie sich die Kommission für die Umsetzung der Opferschutzrichtlinie in den Mitgliedstaaten stark macht, wie deren Umsetzung kontrolliert wird. Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Kommission auch auf meine zweite parlamentarische Anfrage hin, wie die Opferschutzrichtlinie in Deutschland umgesetzt ist, lediglich auf eine Studie verweist.
Ich fordere die Kommission ganz klar auf, endlich Stellung zu beziehen, ob die EU-Opferschutzrichtlinie korrekt umgesetzt worden ist, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Es kann doch nicht sein, dass die Kommission nicht weiß, ob ihr eigenes Gesetz richtig umgesetzt worden ist! Das wäre ein Armutszeugnis.
Bei der Migration müssen wir nicht nur den Familiennachzug sehen, sondern auch die Möglichkeiten, wie Frauen legal migrieren können, damit sie sich nicht in die Hände von Menschenhändlern begeben müssen.
Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin! Hunderttausende Frauen und Kinder werden in der EU wie Waren transportiert. Sie werden sexuell ausgebeutet, misshandelt, bedroht, ausgenutzt und jeglicher Menschenwürde beraubt. Was haben sie verbrochen, dass sie zu einer solchen Existenz verurteilt sind? Nun, ihr Verbrechen sind Armut und fehlende soziale Rechte und der Umstand, dass es Männer gibt, die glauben, ihr Geld gäbe ihnen das Recht, Frauen und Kinder wie Waren zu benutzen. Oft werden junge Mädchen mit falschen Versprechungen von Arbeit und gutem Geld angelockt, aber dann beginnt der Albtraum.
Es ist eine Schande für die EU und die Mitgliedstaten, dass dieser Handel weiter laufen und sogar noch zunehmen kann. Niemand kann sich damit herausreden, er habe nichts gewusst. Wir wissen es, aber es wird zu wenig getan. Darum brauchen wir jetzt von der Kommission eine Antwort auf unsere Frage im Zusammenhang mit der Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“.
Ich bleibe dabei, dass Sexsklavenhandel eine Form des Terrorismus ist. Die EU und die Mitgliedstaaten sind sehr effektiv beim Beschließen von mehr oder weniger guten Anti-Terror-Maßnahmen. Aber dieser andere Terrorismus, der Frauen und Kinder trifft, genießt nicht die gleiche Priorität, weder in der EU noch in den Mitgliedstaaten.
Außerdem müssen wir erkennen, dass immer mehr Männer in diesen tragischen Handel verstrickt sind. Die Männer müssen nicht nur selbst auf den Kauf sexueller Dienstleistungen verzichten. Sie müssen auch anderen Männern zeigen, dass es nicht in Ordnung ist, den Körper von Frauen zu kaufen. Es liegt bei den Männern, dafür zu sorgen, dass die Nachfrage und damit auch der Handel mit den Körpern von Frauen eingedämmt wird. So lange es eine Nachfrage und einen Markt mit großen finanziellen Gewinnen gibt, wird der Handel weitergehen. Ich wiederhole: Frauen sind nicht verkäuflich. Wir müssen dem ein Ende setzen.
Ivo Belet (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Entschließung über die Zukunft des Profifußballs, die wir auf diesen gleichen Bänken im vergangenen Jahr angenommenen haben, fordern wir den Rat ausdrücklich auf, Maßnahmen zur Bekämpfung krimineller Aktivitäten im Profifußball zu ergreifen, wozu auch die Zwangsprostitution gehört. So stand es wortwörtlich in jenem Text. Um es klarzustellen: Das Auftreten dieser Phänomene am Rande wichtiger Turniere ist nicht die Schuld der Fußballinstanzen. Sie sind gleichsam für alle internationalen Großveranstaltungen kennzeichnend. Der Sport hat jedoch selbstverständlich alles Interesse daran, dass dieses Problem wirksam und energisch angegangen wird, denn es macht wenig Sinn, meine Damen und Herren, dass wir für mehr Fair Play in den Stadien eintreten und den Rassismus mit Worten und Taten bekämpfen, wenn in und um Stadien Fälle von Sklaverei toleriert werden. Die Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ hat während der Fußball-WM 2006 in Deutschland hervorragend funktioniert. An dieser Präventionskampagne hatten sich rund 1000 lokale und regionale Aktionsgruppen und Verbände beteiligt, was auf die Menschenhändler und andere kriminelle Netze eindeutig eine abschreckende Wirkung hatte. Das Ergebnis – worauf der Kommissar bereits verwiesen hat – war, dass die Zwangsprostitution während der WM 2006 in Deutschland auf ein paar Dutzend Fälle beschränkt blieb, und diese standen in der Regel in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft.
Sensibilisierungs- und Präventionskampagnen haben demnach offensichtlich Erfolg. Sie sind äußerst wirkungsvoll, weshalb erneuter Gebrauch davon gemacht werden muss, auch während der kommenden Europameisterschaft, die diese Woche beginnt. Deshalb, Herr Kommissar, fordern wir die Europäische Kommission auf, an die zuständigen Regierungen, nämlich die von Österreich und der Schweiz, ein entsprechendes Schreiben zu richten, wie Frau Wortmann-Kool soeben ganz richtig empfohlen hatte. Ich wiederhole unsere Frage: Können Sie unserem Ersuchen nachkommen und hier und jetzt bestätigen, dass Sie diese Initiative unterstützen werden?
Gestatten Sie mir noch eine weitere Bemerkung: Prävention allein wird nicht ausreichen. Die Mitgliedstaaten kamen 2005 überein, dass der Menschenhandel verhütet und bekämpft werden muss, doch der von Ihnen, Herr Kommissar, angesprochene Aktionsplan ist auf nationaler Ebene mehr denn je toter Buchstabe geblieben. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, die Behörden an diesen Aktionsplan zu erinnern. Schon vor zwei Jahren forderte der damalige Kommissar Frattini, die Rolle von Europol und Eurojust müsse in diesem Zusammenhang gestärkt werden, und das Parlament hatte in seiner Entschließung ausdrücklich dieselbe Forderung gestellt. Wir vertrauen infolgedessen darauf, Herr Kommissar, dass angesichts der bevorstehenden Meisterschaft die Kommission und der Rat größere Anstrengungen denn je unternehmen werden, um diese Zusagen zu erfüllen.
Christa Prets (PSE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Menschenhandel, wie wir gehört haben, ist ein Verbrechen an der Menschheit, speziell an den Frauen – eine neue Form der Sklaverei und ein sehr gewinnträchtiges Geschäft, vielfältig ausgeprägt mit 44 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr laut OSZE. Es ist es wert, länger darüber zu diskutieren und auch die verschiedensten Facetten aufzuzeigen.
Wir beschäftigen uns heute mit dem Frauenhandel bzw. der Zwangsprostitution anschließend an die Aktion, die wir bereits bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hatten. Es gab auch einen Bericht hier im Haus, den ich verfassen konnte, in dem es um Zwangsprostitution ging und in dem wir von der Kommission verschiedene Maßnahmen gefordert haben. Reaktion war der Aktionsplan. Die Frage nach der Umsetzung wurde heute schon mehrfach gestellt, und ich möchte es unterstreichen: Es geht um Aufenthaltsgenehmigungen für Opfer, es geht um Ausbildungsoffensiven bei Polizeischulen, Sozialakademien und dergleichen und es geht auch um die Aufklärung in den Herkunftsländern und Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für die Frauen vor Ort sowie auch für die jungen Männer. Auch die sind immer mehr davon betroffen.
Sichtbar ist der 18. Oktober als Internationaler Tag gegen Frauenhandel, den wir vergangenes Jahr das erste Mal durchführen konnten. Ansonsten kann ich von der Aktion noch nicht sehr viel sehen. Die Aufmerksamkeit für dieses Thema ist auch nach der Rote-Karte-Aktion und nach der WM rückläufig geworden und daher wollen wir wieder einen neuen Ankick geben. Es geht dabei nicht um das Verbot der Prostitution oder um die Diskriminierung der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Im Gegenteil! Es geht um die Bewusstseinsbildung und gefragt ist auch hier, Stigmatisierung abzulehnen und ein soziales Netz aufzubauen, um die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter auch in ihrem Beruf zu schützen.
Vehement ist die Verurteilung der Zwangsprostitution. Die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und in der Schweiz gibt uns die Möglichkeit, darauf aufmerksam zu machen. Ich kann Ihnen garantieren, dass die österreichischen Behörden die entsprechenden Maßnahmen setzen, und darf sie herzlichst zu einer schönen Europameisterschaft einladen und wünsche dort fair play und fair sex.
Milan Horáček (Verts/ALE). – Frau Präsidentin! Viele freuen sich auf die Fußball-Europameisterschaft im Juni 2008. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass abseits der Spiele Menschenhandel, Zwangsprostitution von Frauen und Kindesmissbrauch ansteigen und die Kriminalität der Menschenhändler alle Grenzen überwindet.
Die Spiele werden in Österreich und in der Schweiz stattfinden, damit wird die Rolle der angrenzenden mitteleuropäischen Staaten als Transitländer für das äußerst lukrative verbrecherische Geschäft verstärkt. Hier ist die EU gefragt, Präventivmaßnahmen, die grenzüberschreitende Überwachung und die Strafverfolgung müssen besser organisiert und koordiniert werden. Die europäischen Mechanismen für gemeinsame Ermittlungen müssen verbessert werden. Jeder Mitgliedstaat ist aufgefordert, die Opfer besser zu schützen und diese Instrumente aktiv zu nutzen. Nur so kann es uns gelingen, die Täter ins Abseits zu stellen und ihnen die rote Karte zu zeigen!
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Es ist extrem wichtig, dass wir die Europameisterschaft 2008 nutzen, um die Öffentlichkeit erneut darauf hinzuweisen, dass die Prostitution und der äußerst lukrative Handel mit Frauen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung nicht hinnehmbar sind, da es sich um Formen der Gewalt gegenüber Frauen, Mädchen und Kindern handelt.
Deshalb kommt es darauf an, Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung dieses Handels zu ergreifen und gleichzeitig die Opfer in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu unterstützen; außerdem muss über die Ergebnisse der durchgeführten Aktionen berichtet werden.
Wir dürfen aber auch nicht die Verschärfung der Ungleichheiten, die prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnisse, die Arbeitslosigkeit und die Armut aus den Augen verlieren, die Tausende von Frauen und jungen Mädchen in die Prostitution treiben und den Menschenhändlern das Leben erleichtern. Deshalb stellt sich eine weitere Frage: Was werden die Verantwortlichen in der EU unternehmen, um die eigentlichen Ursachen dieser schweren Verstöße gegen die Menschenrechte von Hunderttausenden Frauen und jungen Mädchen zu bekämpfen und dieser modernen Sklaverei ein Ende zu setzen?
Emine Bozkurt (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde auch auf die Notwendigkeit einer Helpline für die Opfer des Frauenhandels und der Zwangsprostitution hingewiesen. In der Türkei beispielsweise ist schon seit Jahren eine Helpline in Betrieb, die von Frauen angerufen werden kann, um Fälle von Frauenhandel zu melden. Das Europäische Parlament hatte bereits 2006 die Einrichtung einer mehrsprachigen Helpline als Anlaufstelle und Ratgeber für Opfer von Menschenhandel gefordert. Allerdings gibt es sie heute, zwei Jahre danach, immer noch nicht.
Vor zwei Wochen war ich dabei, als Kommissarin Kuneva den Startschuss für eine Helpline für enttäuschte Verbraucher während der EURO 2008 gab. Welch glänzende Idee, eine einheitliche Telefonnummer einzurichten. Es ist also durchaus machbar; weshalb aber wird Verbrauchern Hilfe geleistet, nicht jedoch den Opfern des Frauenhandels? Diese neue Verbraucher-Hotline zeigt, wie schnell gehandelt werden kann und mit welch geringem Aufwand dies möglich ist. Diese Initiativen gilt es jetzt zu kombinieren und den Opfern des Frauenhandels ein Mittel an die Hand zu geben, um Hilfe ersuchen zu können. Um die Worte Barack Obamas zu gebrauchen: „We can do it, yes we can“.
Anna Hedh (PSE). – (SV) Frau Präsidentin! Am Sonntag ist Anstoß zur Fußball-Europameisterschaft und die Party kann beginnen. Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite. Bei Sportveranstaltungen dieser Größenordnung nimmt auch immer der illegale Handel mit Frauen und jungen Mädchen zu Zwecken der Prostitution zu. Darum ist es wichtig, dass wir reagieren und handeln, genau wie wir es vor zwei Jahren mit der „Rote Karte für Zwangsprostitution“-Kampagne getan haben. Wir müssen uns unbedingt in der EU zusammenschließen und gemeinsam für Nulltoleranz gegenüber Menschenhandel eintreten. Deshalb appelliere ich an alle Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die das noch nicht getan haben, den 2005 von der EU aufgestellten Aktionsplan zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels unverzüglich umzusetzen.
Ich wünschte, mehr Länder hätten Gesetze in Bezug auf den Kauf sexueller Dienstleistungen, denn das hat eindeutig eine vorbeugende Wirkung für die Eindämmung des Sexsklavenhandels. Außerdem sehe ich dem Bericht entgegen, den die Kommission zu den Mustern der Prostitution in den Mitgliedstaaten vorlegen wird, und hoffe, dass wir ihn bald lesen können.
Die Fußball-EM sollte sowohl auf dem Rasen als auch außerhalb von den Werten der Sportbewegung geprägt sein: Kameradschaft, Gesundheit und Fairness. Wer den widerwärtigen Menschenhandel nicht verurteilt, unterstützt ihn indirekt.
Gabriela Creţu (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Der Menschelhandel mag ein illegaler Markt sein, aber nichtsdestotrotz ist es ein Markt mit Angebot und Nachfrage. Ein Land, in dem eine hohe Nachfrage besteht, spielt eine genauso aktive Rolle beim Menschenhandel wie ein Herkunftsland. Abgesehen davon, dass es sich um ein Überbleibsel der Sklaverei in unserer Zeit handelt, stellt der Menschenhandel eine fortdauernde Missachtung und Verletzung des Rechts dar und steht mit anderen kriminellen Praktiken in Verbindung wie Geldwäsche, Gewalt, Schmuggel, Prostitution, Steuerhinterziehung, Betrug und Zwangsarbeit.
Der Menschenhandel erzeugt eine gefährliche Umkehrung der Werteordnung unserer Gesellschaft, indem alte Ungleichheiten aufrechterhalten werden – Frauen und Kinder werden als Ware betrachtet – und neue daraus entstehen. Das von Menschenhändlern verdiente Geld untergräbt den Glauben an den Wert von Arbeit und ehrlicher Wirtschaftstätigkeit.
Alle Mitgliedstaaten müssen dringend die Konvention des Europarates gegen den Menschenhandel ratifizieren und die vereinbarten Maßnahmen umsetzen, wobei zunächst die Grundursache des Menschenhandels zum Zwecke der Prostitution beseitigt werden muss, nämlich die männliche Nachfrage nach Frauen und Mädchen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Die nahende Fußball-Europameisterschaft 2008, die am kommenden Samstag in Österreich und der Schweiz beginnt, erinnert uns wieder an das Thema Zwangsprostitution. Diejenigen, die guten Fußball schätzen, werden sicherlich eine tolle Zeit haben. Leider aber bieten diese Sportereignisse auch einen fruchtbaren Boden für Mafia-Aktivitäten und bergen eine erhöhte Gefahr, dass verstärkt Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung betrieben wird.
Ich teile die Ansicht der anderen Redner, dass die so genannte Rote-Karte-für-Zwangsprostitution-Kampagne, die im März 2006 vom Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter initiiert wurde, erfolgreich war, weil sie eine der brisantesten sozialen Fragen an die Öffentlichkeit brachte.
Ich bin überzeugt, dass nur eine während der Europameisterschaft 2008 durchgeführte gute Informationskampagne über die unbedingte Vermeidung des Frauenhandels und der Zwangsprostitution den Menschen die Augen öffnen und diese fürchterliche Art von Gewalt gegen Mädchen und Frauen ans Tageslicht bringen wird.
Britta Thomsen (PSE). – (DA) Frau Präsidentin! Ich möchte mich mit meiner Frage, welche konkreten Initiativen eingeleitet wurden, um den Frauenhandel im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz zu unterbinden, direkt an die Kommission wenden. Schließlich haben wir heute Abend hier vernommen – und Erfahrungen aus der Vergangenheit haben uns gelehrt –, dass Frauenhandel im Umfeld von sportlichen Großereignissen dieser Art stattfindet. Ich habe folgende Fragen. Erstens: Wurde Kontakt zu den Regierungen der beiden Länder aufgenommen und wurden sie ersucht, die „Rote Karte für Zwangsprostitution“-Kampagne des Parlaments zu unterstützen? Zweitens: Wurden sie darauf hingewiesen, dass die Polizeiarbeit während der Europameisterschaft intensiviert werden muss? Wurden drittens und letztens die beiden Regierungen aufgefordert, Maßnahmen zur Unterstützung der Opfer zu ergreifen?
László Kovács, Mitglied der Kommission. – (EN) Frau Präsidentin! Wie viele Rednerinnen und Redner bereits angemerkt haben und wie auch ich schon sagte, wurden vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland ähnliche Initiativen und Vorschläge vom Parlament und von der Kommission vorgelegt und entsprechende Maßnahmen beschlossen. Zum Glück haben sich die Befürchtungen und Ängste der deutschen Behörden und der europäischen Institutionen nicht bewahrheitet.
Allerdings ist das sicherlich kein Grund, zu dem Schluss zu gelangen, man müsse nichts unternehmen und könne Däumchen drehen. Diese Aussprache ist mehr als begründet, denn es ist mit Sicherheit besser, auf der sicheren Seite und besser als nötig gewappnet zu sein. Außerdem ist es vernünftig, diese Chance zu nutzen, um eine Bestandsaufnahme der eingeleiteten Maßnahmen vorzunehmen und das Parlament in die Lage zu versetzen, der Kommission Vorschläge zu unterbreiten. Darüber hinaus bietet sich damit eine hervorragende Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.
Ich kann sehr wohl die Unzufriedenheit einiger Rednerinnen und Redner nachvollziehen. In meinen einführenden Worten habe ich dargelegt, wie viele konkrete Berichte die Kommission in Arbeit hat. Wir harren nun der Ergebnisse und der zu ziehenden Schlussfolgerungen, auf die sich weitere Maßnahmen und Aktionsprogramme stützen können.
Frau Bozkurt hat das Thema der Hotlines genannt. Nach meinem Dafürhalten ist das eine gute Idee, wenngleich sie nicht einfach umzusetzen ist. Die Hotline für den Verbraucherschutz ist etwas ganz anderes. Darum bin ich der Meinung, dass die von meiner Kollegin, Frau Kommissarin Kuneva, eingerichtete und eingeführte Hotline beispielsweise für den Schutz von Opfern nicht genutzt werden kann, denn es geht dabei um eine völlig andere Sache, die wesentlich komplizierter ist.
Frau Breyer ist ebenfalls auf den Opferschutz eingegangen, der meiner Ansicht nach eine wichtige Schlüsselfrage darstellt. Ich möchte gern darauf hinweisen, dass der Bericht zur Bewertung und Überwachung des Aktionsplans ein gesondertes Kapitel zum Thema Opferhilfe enthalten wird. Der betreffende Bericht wird im Oktober oder November 2008 vorliegen. Wir werden darin die echte Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von Opfern bewerten.
Am ersten europäischen Tag gegen Menschenhandel, der am 18. Oktober 2007 stattfand, veröffentlichte GLS Empfehlungen in Bezug auf Dienste zur Identifizierung von Opfern des Menschenhandels und ihre Verweisung an entsprechende Stellen. Ich versichere Ihnen, dass wir fest entschlossen sind, für eine angemessene Nachuntersuchung zusorgen. Zudem möchte ich den Abgeordneten versprechen, dass die Kommission bereit ist, den Kampf gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution und das dahinter stehende organisierte Verbrechen zu verschärfen.
Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am Donnerstag, um 11.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Urszula Gacek (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Zu einem Zeitpunkt, da Fußballfans in ganz Europa die Eröffnung der Euro 2008 herbeisehnen, ist es notwendig, über die Gefahren für Frauen, vor allem aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, nachzudenken, die Opfer des Menschenhandels sind und der Qual der Zwangsprostitution unterworfen werden, um der Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen am Rande der Fußballarenen gerecht zu werden.
Was für viele Menschen eine stimmungsvolle Feier der besten europäischen Traditionen im Sport ist, stellt sich für jene unglückseligen jungen Frauen, die in ihrer Naivität glauben, die ihnen im Gastgewerbe angebotenen Jobs beschränkten sich auf Kellnern oder Barbetreuung, als eine Zeit körperlichen und psychischen Leidens dar.
Es ist an der Zeit, die restlichen 17 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die bislang die Konvention des Europarates gegen Menschenhandel noch nicht ratifiziert haben, aufzurufen, dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen.
EU-Mitglieder, die Verfechter der Menschenrechte sind, haben keine Entschuldigung für die Nichtannahme der Konvention, die vor über drei Jahren in Warschau verabschiedet worden ist.
Neena Gill (PSE), schriftlich. – (EN) Könnte die Kommission gegenüber dem Parlament verdeutlichen, welche Fortschritte bei der Umsetzung des 2005 verabschiedeten Plans zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels in Europa erzielt worden sind?
Da mich der Verzug bei der Umsetzung des Plans seitens der Mitgliedstaaten mit Sorge erfüllt, fordere ich die Kommission auf darzulegen, welche Folgen damit für die Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ in den Mitgliedstaaten verbunden sind. Könnte sie uns auch darüber informieren, mittels welcher Kampagne sie das Bewusstsein für das Problem des Menschenhandels zum Zwecke der Prostitution während der Fußballeuropameisterschaft 2008 zu schärfen gedenkt?
Ich bin tief besorgt, dass Sportveranstaltungen, die Millionen von Menschen weltweit Freude bereiten, gleichzeitig skrupellos als Möglichkeit benutzt werden, Frauen und Mädchen auszubeuten.
Es schockiert mich, dass jährlich etwa 100 000 Frauen Opfer von Menschenhandel in Europa werden. Was ich am schärfsten verurteile, ist die Tatsache, dass sogar Mädchen im zarten Alter von 14 Jahren betroffen sind.
Wir können diese Form der modernen Sklaverei nicht länger hinnehmen. Sexuelle Ausbeutung ist nicht nur eine Straftat, sondern stellt auch eine grobe Verletzung der Menschenrechte dar.
Katalin Lévai (PSE), schriftlich. – (HU) Die Union ist verpflichtet, mit allen verfügbaren Mitteln sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel im Umfeld von Sportveranstaltungen, die auf ihrem Territorium organisiert werden, zu unterbinden. Die Fußball-Europameisterschaft 2008 ist ein sportliches Ereignis, bei dem eine beachtliche Zahl von Menschen zusammenkommt und die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen vorübergehend steigt. Daher müssen wir uns unbedingt selbst mit befristeten Kampagnen wie der von Frau Záborská 2006 anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft ins Rollen gebrachten Initiative schützen; es dürfte sich auch dieses Mal lohnen. Um mit der Initiative möglichst viele Menschen erreichen zu können, bedarf es aber meiner Meinung nach einer umfassenderen Aufklärung in den Medien (einschließlich der offiziellen Website für die Europameisterschaft) unter Einbeziehung von Politikern, Sportdirektoren, Sportlern und Fans (nach dem Vorbild des Programms „Jugend gegen Rassismus“).
Allerdings reicht eine zeitlich befristete Kampagne allein nicht aus. Um wirksam gegen Menschenhändler vorgehen zu können, müssen neue Richtlinien erarbeitet, vor allem jedoch bereits vorhandene Richtlinien schnellstmöglich eingehalten werden. Ich möchte die Kommission auf die Tatsache hinweisen, dass in vielen Ländern Defizite bei der Umsetzung und Auslegung von Richtlinien bestehen, so dass sich deren Anwendung weiter verzögert. Deswegen halte ich es für besonders wichtig, dass die Frage der Kollegin Záborská zur Richtlinie 2004/81/EG präzise beantwortet wird.
Selbst wenn Grenzkontrollen bei der Aufdeckung von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen in der Union eine wichtige Rolle spielen, werden wir das Ziel aus meiner Sicht nicht mit strengeren internen Grenzkontrollen erreichen; dazu müssen die Kontrollen an den Außengrenzen im Wege der Zusammenarbeit mit Grenzschützern verstärkt werden, wobei es eine geeignete Form für diese Kooperation zu finden gilt. Dadurch werden wir gesetzestreuen Bürgern die Teilnahme an europäischen Veranstaltungen nicht erschweren!
Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, auf die Frage der Kollegin Záborská zurückzukommen und Sie nochmals auf die Schutzlosigkeit von Roma-Frauen in den Bereichen Menschenhandel und Zwangsprostitution hinzuweisen. Soziale Ausgrenzung – und vielfach auch das Fehlen amtlicher Dokumente – führen dazu, dass Roma-Mädchen besonders häufig Opfer und eine „leichte Beute“ für diejenigen sind, die vom Menschenhandel profitieren. Ihre Lage wird zusätzlich verschärft durch die rassischen Vorurteile, die ihnen die gesamte Gesellschaft entgegenbringt, die in ihren eigenen Gemeinschaften bestehenden sexuellen Vorurteile und das allgemeine Misstrauen der Roma gegenüber Gerichten.
Es werden individuelle Programme gebraucht, um Opfern von Menschenhändlern und ihren Familien zu helfen und um zu verhindern, dass heranwachsende Mädchen gezwungen sind, in einem von Ausbeutung geprägten Milieu zu leben und zu arbeiten. Der Schaffung von mehr Beratungsnetzen und -zentren durch NRO und die Mitgliedstaaten kommt entscheidende Bedeutung zu; das gilt auch für die Erhebung und Auswertung verlässlicher Statistiken über die Verbindung zwischen Roma-Gemeinschaften und Menschenhändlern. Im letztgenannten Bereich können einige NRO und internationale Organisationen Ergebnisse vorweisen, doch müssen sich auch die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten stärker engagieren.
Der wichtigste Nährboden für Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung ist allerdings die Armut, die das menschliche Leben auf den täglichen Kampf ums Überleben reduziert, wobei die Gefahr illegaler Aktivitäten erheblich zunimmt, wenn finanzielle Möglichkeiten und Bildungschancen fehlen. Aus diesem Grund besteht unsere gemeinsame erste Pflicht darin, neben den Aufklärungsprogrammen und der Hilfe für diejenigen, die bereits Opfer geworden sind, der unmenschlichen Armut ein Ende zu bereiten.