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Ausführliche Sitzungsberichte
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Montag, 16. Juni 2008 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Erklärungen des Präsidenten
 3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 4. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll
 5. Parlamentarische Immunität: siehe Protokoll
 6. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen: siehe Protokoll
 7. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll
 8. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 9. Erklärung der finanziellen Interessen: siehe Protokoll
 10. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll
 11. Mittelübertragungen: siehe Protokoll
 12. Petitionen: siehe Protokoll
 13. Weiterbehandlung der Standpunkte und Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
 14. Ausschussbefassung: siehe Protokoll
 15. Änderung der Nummer eines interinstitutionellen Dossiers: siehe Protokoll
 16. Beschluss über die Dringlichkeit: siehe Protokoll
 17. Arbeitsplan
 18. Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung
 19. Revision der Rahmenrichtlinie über Abfälle (Aussprache)
 20. Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik (Aussprache)
 21. Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Europäischen Union(Aussprache)
 22. 1. Juli 2008: Vierzig Jahre Zollunion
 23. Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (Aussprache)
 24. Änderung der Tagesordnung: siehe Protokoll
 25. Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (Fortsetzung der Aussprache)
 26. Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Eingliederung schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen (Aussprache)
 27. Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung und Auswirkungen der Ausbeutung bestimmter biologischer Rohstoffe durch die EU auf die Entwicklung in Westafrika (Aussprache)
 28. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 29. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

(Die Sitzung wird um 17.00 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
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  Der Präsident. − Ich erkläre die am Donnerstag, dem 5. Juni 2008, unterbrochene Sitzungsperiode für wieder aufgenommen.

 

2. Erklärungen des Präsidenten
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  Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei Erklärungen abgeben. Die zweite Erklärung gebe ich im Auftrag und auf Aufforderung der Konferenz der Präsidenten ab.

Das Ergebnis der Abstimmung vom 12. Juni 2008 in Irland führt die Europäische Union zu einer der schwierigsten Herausforderungen ihrer Geschichte. Der Reformvertrag von Lissabon, entstanden aus dem Verfassungsvertrag, der von einem öffentlich tagenden Konvent erarbeitet wurde, der sich aus nationalen und europäischen Abgeordneten zusammensetzte, ermöglicht der Europäischen Union mehr Demokratie, mehr Handlungsfähigkeit, mehr Transparenz. Er stärkt das Europäische Parlament, gibt den nationalen Parlamenten mehr Verantwortung bei der Gestaltung der Europapolitik, ermöglicht Initiativen der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union gegenüber den europäischen Institutionen und gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung.

Der Vertrag von Lissabon ist die Antwort auf kritische Beurteilungen von Bürgerinnen und Bürgern im Hinblick auf Defizite der Europäischen Union. Dieser Vertrag bringt die Europäische Union näher zu ihren Bürgern. Wir dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass die Verwirklichung des Reformvertrags eine absolute Notwendigkeit ist, damit die Europäische Union ihre Werte und Interessen im 21. Jahrhundert verteidigen kann. Ohne die durch den Vertrag von Lissabon ermöglichten Reformen ist der Beitritt weiterer Länder zur Europäischen Union kaum denkbar.

Wir fordern den EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel auf, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um den Reformvertrag zu verwirklichen. Der Ratifizierungsprozess muss uneingeschränkt fortgeführt werden. Wir ersuchen die irische Regierung, ihrerseits Vorschläge zu unterbreiten, wie wir gemeinsam diese schwierige Phase europäischer Politik überwinden können.

Das Europäische Parlament wird sich mit aller Kraft und großem Engagement für die Bewältigung dieser Herausforderungen einsetzen. Wir erwarten dieses auch von der Europäischen Kommission und von allen Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Wir erwarten ebenso, dass das Europäische Parlament umfassend in die Arbeiten einbezogen wird. Unser Ziel bleibt es, den Vertrag von Lissabon bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 in Kraft zu setzen. Diese Grundsätze werde ich – Ihre Zustimmung vorausgesetzt – vor dem Europäischen Rat am 19. und 20. Juni in Brüssel mit Entschlossenheit vertreten.

(Beifall)

Die Debatte findet am Mittwochmorgen mit Rat und Kommission statt. Es ist nicht daran gedacht, jetzt darüber zu diskutieren, sondern am Mittwochmorgen ist die Debatte über die Vorbereitung des Europäischen Rates, und es ist sinnvoll, dass wir dann mit den Spitzen von Rat und Kommission darüber beraten.

Wir müssen eine sehr strukturierte Debatte führen, und dieses waren meine Überzeugungen zu dieser Debatte. Ich habe sie auch deswegen vorgetragen, weil die frühere Präsidentin des Europäischen Parlaments, Simone Veil, die am Mittwoch in Spanien eine hohe Auszeichnung entgegennimmt, mich persönlich gebeten hat, die Laudatio zu halten. Ich durfte mich dieser Aufforderung nicht entziehen, und mein Anliegen war es, dass Sie auch meine persönliche Meinung zu den Ereignissen in Dublin und den Herausforderungen, vor denen wir stehen, kennen.

Die Konferenz der Präsidenten hat mich gebeten, eine Erklärung zum Nahen Osten abzugeben. Eine vierzehnköpfige Delegation unserer Nahost-Arbeitsgruppe besuchte vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2008 unter Leitung von Veronique De Keyser und Annemie Neyts-Uyttebroeck Israel und Palästina. Vor Ort wurde die konkrete Umsetzung der vor sechs Monaten bei der Konferenz von Annapolis von allen Parteien gemeinsam öffentlich bekannt gemachten Ziele beurteilt, die eine Zwei-Staaten-Lösung bis Ende dieses Jahres zum Ziel hat. Kernaspekte waren die Stärkung der Sicherheitskräfte durch die Palästinenser selbst, die Frage des Ausbaus der Siedlungen, insbesondere um Jerusalem, die wirtschaftliche Entwicklung, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Westjordanland und schließlich die humanitäre Situation im isolierten und von den internationalen Sanktionen betroffenen Gazastreifen.

Der einstimmig verabschiedete Delegationsbericht – und die Delegation war auch repräsentativ zusammengesetzt –, der letzte Woche in Anwesenheit des Rates und der Kommission vorgestellt und dann der Konferenz der Präsidenten übermittelt wurde, ist bedrückend. Es wurden zwar einige ermutigende Fortschritte erzielt, doch leider erweisen sich diese als sektoral und begrenzt. Die Gesamtentwicklung gibt keinen Anlass, optimistisch zu sein. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sind die ehrgeizigen Ziele von Annapolis kaum zu verwirklichen.

Einhellig vertritt die Delegation die Meinung, der sich auch die Konferenz der Präsidenten anschließt, dass die Blockade des Gazastreifens aufgehoben, der kontrollierte Grenzverkehr von Waren und Personen wieder ermöglicht und der Gewalt Einhalt geboten werden muss.

Auch im Westjordanland ist ein neuer Kurs zu verfolgen: Die Glaubwürdigkeit der Palästinensischen Behörde ist zu fördern, und die Bedingungen für eine dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung sind nachhaltig zu verwirklichen. Der von Israel angewandten Politik ständiger Teilungen und räumlicher Trennungen ist entgegenzutreten. Übereinstimmend mit der amerikanischen Regierung, die dieses gestern durch Außenministerin Condoleezza Rice erklärte, wird gefordert, die Ausbreitung der Siedlungen, insbesondere in Ostjerusalem, zu beenden.

Wir sind der Meinung, keiner hat das Recht, sich den in Annapolis vereinbarten Verpflichtungen zu entziehen. Israelis und Palästinenser haben sich in gutem Glauben und im Geiste der Versöhnung zu Verhandlungen verpflichtet. Dieser Weg ist mit Ernsthaftigkeit wieder aufzunehmen. Mut und Kraft zur politischen Erneuerung sind gefordert. Es liegt an uns Europäern, unsere Partner in diesem Prozess zu begleiten und zu unterstützen. Das Europäische Parlament wird seine Verantwortung mit Entschlossenheit wahrnehmen.

Die Beziehungen der Europäischen Union zu Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde sind so zu entwickeln, dass sie den Friedensprozess insgesamt fördern. Der Barcelona-Prozess – Union für das Mittelmeer – könnte ein zusätzliches Element der Friedensförderung sein. Das Europäische Parlament erwartet, im Rahmen der europäischen Bemühungen für den Frieden im Nahen Osten angemessen konsultiert zu werden.

Während wir hier tagen, lassen die Fischer im Gazastreifen ihre Boote zu Wasser. Aufgrund der Blockade grassiert eine ungeheuerliche Umweltverschmutzung, die die Lebensgrundlage der Fischer bedroht und gegen die sie protestieren. Sie demonstrieren für ihre Rechte auf Fischfang, auf Leben, auf Freiheit und auf Frieden. Unsere Delegation hat den Fischern Unterstützung versprochen. In unser aller Namen möchte ich daher diesen Fischern die Solidarität des Europäischen Parlaments aussprechen.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch dafür, dass Sie diese Erklärung angehört haben, zu der mich die Konferenz der Präsidenten aufgefordert hat.

 

3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

4. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll

5. Parlamentarische Immunität: siehe Protokoll

6. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen: siehe Protokoll

7. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll

8. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

9. Erklärung der finanziellen Interessen: siehe Protokoll

10. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll

11. Mittelübertragungen: siehe Protokoll

12. Petitionen: siehe Protokoll

13. Weiterbehandlung der Standpunkte und Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll

14. Ausschussbefassung: siehe Protokoll

15. Änderung der Nummer eines interinstitutionellen Dossiers: siehe Protokoll

16. Beschluss über die Dringlichkeit: siehe Protokoll

17. Arbeitsplan
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  Der Präsident. − Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:

Montag/ Donnerstag:

Keine Änderung.

Mittwoch:

Die IND/DEM-Fraktion hat beantragt, die Aussprache über die Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates wie folgt zu benennen: „Vorbereitung des Europäischen Rates nach dem Referendum in Irland“(1).

 
  
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  Gerard Batten, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte vorschlagen, den Titel „Vorbereitung des Europäischen Rates“ wie folgt zu erweitern: „Vorbereitung des Europäischen Rates nach dem Referendum in Irland“.

 
  
  

(Das Parlament billigt den Antrag.)

 
  
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  Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Wir haben ja soeben den Titel der Debatte geändert, und angesichts der Tragweite – auch wenn es unterschiedliche Sichtweisen dazu gibt – der Entscheidung in Irland wäre es vernünftig, dass dieses Haus einigermaßen Zeit hat, um über diese Probleme zu diskutieren. Daher beantragen wir die Verschiebung des zweiten Tagesordnungspunktes des Vormittags auf den Nachmittag. Nun weiß ich, dass die Zeit am Nachmittag sehr knapp wird, aber dennoch ist diese Verschiebung angesichts der Dringlichkeit und der Bedeutung dieses Rates sinnvoll. Wir hätten nichts dagegen, wenn der eine oder andere Tagesordnungspunkt auf eine spätere Sitzung verschoben wird, aber jedenfalls beantragen wir jetzt, dass wir am Vormittag nur über den so geänderten Titel und seine Inhalte diskutieren, damit dafür genügend Zeit ist.

 
  
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  Richard Corbett (PSE).(EN) Herr Präsident! Als Berichterstatter zum Vertrag von Lissabon möchte ich diesen Vorschlag unterstützen. Wir müssen eine breite Debatte führen und zeigen, dass wir sowohl den Standpunkt des irischen Volkes anhören als auch den aller anderer Mitgliedstaaten, die größtenteils, wenn nicht gar alle, diesen Vertrag voranbringen möchten.

 
  
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  Carmen Fraga Estévez , im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Der Vertrag von Lissabon und die Ereignisse in Irland sind sehr wichtig, doch sie sollten nicht die Diskussion über ein Thema wie die Fischerei beeinträchtigen.

Ich muss sagen, dass viele Abgeordnete kein großes Interesse an der Fischerei haben. Wenn jedoch die Fischerei jemals eine wirkliche Krise durchlebt hat, dann ist es diese, mit der wir es jetzt zu tun haben.

Am 23. Juni wird der Rat „Landwirtschaft und Fischerei“ der Europäischen Union eine Reihe von Beschlüssen zur Krise im Fischereisektor fassen, die konjunktureller und struktureller Natur ist. Meiner Ansicht nach hätte der Fischereisektor der Europäischen Union kein Verständnis, wenn sich das Parlament nicht die Zeit nähme, um diese Angelegenheit zu prüfen und Stellung zu beziehen.

Aus diesem Grund bitte ich die Fraktionen, sich einigermaßen aufgeschlossen zu zeigen und ein für alle Mal zu einer fruchtbringenden Aussprache über die Krise im Fischereisektor beizutragen.

 
  
  

(Das Parlament billigt den Antrag.)

 
  
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  Francis Wurtz , im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Ich möchte zwei Fragen stellen.

Die erste Frage ist dieselbe, die Herr Swoboda aufwarf, indem er mehr Zeit für die Aussprache über den Europäischen Rat und das Thema Referendum forderte.

Die zweite Frage ist, ob wir die Aussprache über die Ölpreise von der über die Fischerei trennen oder eine einzige Aussprache über beide Themen abhalten sollten.

Es handelt sich hier um zwei getrennte Fragen. Ich schlage vor, zunächst die Frage der Redezeit für die Aussprache über den Europäischen Rat zu klären und erst dann die Frage über die Fischerei.

 
  
  

(Das Parlament billigt den ersten Antrag und lehnt den zweiten Antrag ab.)

(Der Arbeitsplan ist somit angenommen.)

 
  

(1)Weitere Änderungen des Arbeitsplans: siehe Protokoll.


18. Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung
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  Der Präsident. - Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politische Fragen.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Ich habe ihre Stellungnahme zum irischen „Nein“ aufmerksam verfolgt und schließe mich ihrem Hinweis darauf, dass der Ratifizierungsprozess fortgesetzt werden muss, uneingeschränkt an.

Es ist in der Tat verwirrend, dass die Iren den Vertrag zu einem Zeitpunkt abgelehnt haben, da die EU immer demokratischer, transparenter und effizienter wird. Doch wir müssen die Botschaft aus den Faktoren, die zu diesem „Nein“ geführt haben, richtig entziffern. Die irischen Bürger haben entschieden und ihr demokratisches Recht wahrgenommen; dieses „Nein“ verlangt allerdings auch von uns, dass wir konstruktive Selbstkritik üben. Ich schlage vor, dass wir uns mit dieser Selbstkritik auf zwei Punkte konzentrieren: Die Kommission bombardiert uns förmlich mit ihrer Regulierungswut; wir, das Europäische Parlament, können uns nicht mit jedem Detail dieser Rechtsfragen und Überregulierung befassen.

Herr Präsident, ich weiß, wie sehr Ihnen das europäische Projekt am Herzen liegt, und ich fordere das Europäische Parlament auf, sich in dieser Situation als politisches Gremium, als „Corps politique“ zu erweisen, das als Sammelpunkt für die gewünschte Richtung dient, in die sich das europäische Einigungswerk bewegen soll.

 
  
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  Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Papastamkos, für die Ermutigung, ich bitte Sie aber auch, sich an die Zeit zu halten, denn für diese Stimmerklärung ist eine Minute vorgesehen. Mir war auch ein anderes Thema angegeben worden, zu dem Sie sprechen wollten.

 
  
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  Teresa Riera Madurell (PSE).(ES) Herr Präsident! Obwohl in der letzten Sitzung keine Zeit für meine Rede blieb und seither ein Monat vergangen ist, sollte ich meines Erachtens dennoch daran erinnern, dass der 12. Mai der Internationale Tag für Fibromyalgie und Chronisches Erschöpfungssyndrom war, zwei Erkrankungen, von denen hauptsächlich Frauen betroffen sind.

Bei beiden handelt es sich um geschlechtsspezifische Krankheiten, die schwer zu diagnostizieren sind und für deren Erforschung und Behandlung nur geringe Mittel zur Verfügung stehen. In der Regel verursachen sie Probleme am Arbeitsplatz, da die Menschen nicht verstehen, wie sie die Fähigkeiten der Erkrankten mindern und zur Arbeitsunfähigkeit führen.

Wir sollten diese Situation ernst nehmen und dringend versuchen, die Ursachen für diese Erkrankungen zu finden, eine intensivere Behandlung vorzusehen, die Ergebnisse zu vergleichen, und gleichzeitig das gesellschaftliche Bewusstsein stärken sowie umfassender über ihre sozialen, rechtlichen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen informieren.

Die Betroffenen dürfen nicht das Gefühl haben, ohne Schutz zu sein. Das schulden wir unseren Bürgerinnen und Bürgern.

 
  
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  Metin Kazak (ALDE).(BG) Die bevorstehende französische Präsidentschaft der Europäischen Union kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt für den europäischen Integrationsprozess auf dem Alten Kontinent. Themen wie die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, das europäische Einwanderungsabkommen, das Europa der Verteidigung und die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik sind für Europa von grundlegender Bedeutung. Doch im Mittelpunkt steht nun die Frage, wie wir im Anschluss an die Ablehnung des Vertrags von Lissabon durch Irland die Reform der Union fortsetzen und den Integrationsprozess vertiefen wollen.

Mit der irischen Ablehnung wurde wieder einmal der gemeinsame Wille der Europäer auf die Probe gestellt, die Herausforderungen der Globalisierung Hand in Hand zu bewältigen. Es ist nun Aufgabe Frankreichs als Gründungsstaat der Europäischen Union und seines Präsidenten Nicolas Sarkozy, alle siebenundzwanzig Mitgliedstaaten wieder in ihren Bemühungen zu einen und eine Rechtsformel sowie einen Aktionsplan zu erarbeiten, die einen Ausweg aus der Lissabon-Krise weisen, denn wenn wir diese Krise nicht überwinden, laufen wir Gefahr, dass separatistische und nationalistische Gefühle Oberhand gewinnen und den Erweiterungsprozess der Europäischen Union in Zukunft lähmen. Dieser Gefahren müssen wir uns an diesem Wendepunkt bewusst sein, und wir müssen unserer Verantwortung sowie den Erwartungen einer Mehrheit der Unionsbürger gerecht werden, für die die Ode an die Freude bereits zu einer zweiten Nationalhymne geworden ist.

 
  
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  Hanna Foltyn-Kubicka (UEN).(PL) Herr Präsident! Ich möchte heute von einem Fall sprechen, der sich kürzlich in Warschau zugetragen hat. Eine Person aus dem engeren Umfeld der chinesischen Botschaft in Polen hat eine Frau angegriffen, die die oppositionelle Zeitschrift „The Epoch Times“ verteilt hatte. Ähnliche Zwischenfälle waren seit einiger Zeit in New York zu beobachten, wo Anhänger von Falun Gong und Menschen, die friedlich für Tibet demonstrieren, von Gruppen angegriffen wurden, die das chinesische Konsulat organisiert hatte.

Sollten sich derartige Vorfälle auch in anderen Ländern wiederholen, werden wir mit einem offenen Bruch des 1961 angenommenen Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen konfrontiert sein. Und obwohl das chinesische Regime alle Anstrengungen unternimmt, um sich während der Olympischen Spiele von seiner positiven Seite zu zeigen, verfolgt es nach wie vor alle Gruppen, die nicht die kommunistische Ideologie vertreten. China geht sogar noch weiter, indem es seine Anstrengungen verdoppelt und diese Aktivitäten bis auf das Territorium westlicher demokratischer Länder verlagert.

Deshalb rufe ich die Behörden der EU und der Mitgliedstaaten dazu auf, die Situation wachsam zu verfolgen und entschlossen zu reagieren, falls sich die von mir beschriebenen Vorfälle wiederholen sollten.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident! Heute tagt der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“. Mir sind die Ergebnisse noch nicht bekannt, doch neben vielen Themen geht es um den Vorschlag, die Beziehungen zwischen Israel und der EU auszubauen.

Ferner demonstrieren die Fischer des Gaza-Streifens heute gegen die unmenschlichen Maßnahmen, die die israelische Regierung gegen sie verhängt hat. Israel untersagt ihnen zum einen die Fischerei in ihrem offenen Meeresgewässer, zum anderen verwehrt es ihnen aber auch den erforderlichen Kraftstoff, sodass sie im seichten Gewässer fischen müssen, in das unbehandelte Abwässer unkontrolliert eingeleitet werden. Diese Situation könnte innerhalb kürzester Zeit zu Epidemien führen, was beunruhigend ist.

Herr Präsident, ich übermittle Ihnen die Forderung dieser Fischer, dass die EU unter diesen Umständen einen Ausbau der Beziehungen mit Israel nicht in Betracht ziehen sollte.

Ein weiterer Grund, diesen Ausbau derzeit nicht zu erwägen, liegt besonders für uns Abgeordnete des Europäischen Parlaments darin, dass Israel jüngst einmal mehr unter Beweis gestellt hat, dass es nicht einmal unsere Menschenrechte achtet. Die nationalen Streitkräfte haben friedliche Demonstranten gewaltsam daran gehindert, gegen den Bau des rassistischen Schutzzauns zu protestieren, und Demonstranten verletzt, darunter unsere Kollegin Luisa Morgantini.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI).(BG) In diesem Hohen Haus, innerhalb der Kommission und in Bulgarien ist die Bekämpfung der Korruption auf höchster Regierungsebene ein wichtiges Thema. Doch Korruption ist nicht einfach ein leeres Konzept. Es stecken echte Menschen dahinter. Ich möchte Sie mit dem Gesicht der staatlichen Korruption auf höchster bulgarischer Regierungsebene vertraut machen.

Gestern veröffentlichte die größte bulgarische Tageszeitung Fotografien des Vorsitzenden der Partei der türkischen Minderheit, BRF, Ahmed Dogan, dem vor drei Jahren das Mandat zur Bildung der bulgarischen Regierung erteilt wurde. Auf diesen schockierenden Bildern ist zu sehen, dass Herr Dogan in einem riesigen Serail residiert, der als Vier-Sterne-Hotel eingetragen ist, und dort dem Luxus frönt. Genau dieser Mann, Dogan, hat einmal geäußert, dass seine Partei von einem Kreis von Unternehmen umgeben und der Stimmenkauf in Europa an der Tagesordnung sei. Er berichtete der Tageszeitung „Trud“, dass er sich hauptsächlich mit der Führung seines Unternehmens befasst habe, wozu er als Abgeordneter des bulgarischen Parlaments nicht berechtigt ist.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, werte Kommissionsmitglieder! Dogan gehört zu den Köpfen der Schlange der Korruption in Bulgarien. Um dieses Monstrum zu bekämpfen, müssen wir zunächst den Kreis der Unternehmen und die Geschäftstätigkeiten von Ahmed Dogan genauer unter die Lupe nehmen.

Herr Präsident, ich werde Ihnen die Zeitung vorlegen, damit Sie den Artikel selbst lesen können.

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Ich möchte den 862 415 Iren gratulieren, die am vergangenen Dienstag im Referendum gegen den Vertrag von Lissabon gestimmt haben. Sie stimmten damit für Freiheit, Demokratie und gesunden Menschenverstand. Wäre dem britischen Volk ein Referendum erlaubt gewesen, hätten sie zweifellos in noch größerer Zahl als die Iren mit „Nein“ gestimmt. Gäbe man ihnen die Gelegenheit würden auch viele andere europäische Nationen „Nein“ sagen, wie es 2005 die Franzosen und die Niederländer ja bewiesen haben.

Die politische Elite Europas versucht mit atemberaubender Arroganz und unter Missachtung der Demokratie die Ratifizierung des Vertrags zu forcieren. Der Vertrag ist tot, und doch weigert sich die EU, ihn zu begraben. Diese anhaltende Liebesaffäre zwischen EU und Vertrag ist politische Nekrophilie. Doch die Leiche beginnt bereits zu stinken, und je länger wir die Bestattung hinauszögern, desto schlimmer wird der Gestank. Wir müssen den Vertrag begraben. Er verdirbt die politische Atmosphäre.

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Batten, die Vergleiche, die Sie angestellt haben, sind absolut unangemessen. Das erlaube ich mir, als Kommentar zu sagen. Sie sind hier in einem sehr lebendigen Parlament. Wenn das Parlament nicht reden würde, hätten Sie als lebende Persönlichkeit hier gar nicht sprechen können.

(Beifall)

 
  
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  Pál Schmitt (PPE-DE).(HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich werde ungarisch sprechen. Das slowakische Parlament hat ein neues Bildungsgesetz verabschiedet, und damit es in Kraft treten kann, ist nur noch die Unterschrift des Präsidenten der Republik erforderlich. Gemäß dem Gesetz müssen die Ortsbezeichnungen und Namen historischer Persönlichkeiten in Geschichtsbüchern für Schüler, deren Muttersprache Ungarisch ist, von nun an den slowakischen Rechtschreiberegeln entsprechen, womit unsere jahrhundertealten geschichtlichen und linguistischen Traditionen ignoriert werden. Das neue Gesetz ist eine schwer wiegende Verletzung der Rechte der in der Slowakei lebenden ungarischen Gemeinschaft auf Gebrauch ihrer Sprache. Die Slowakische Republik hat 2001 die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen unterzeichnet. Selbst Kommissar Leonard Orban vertritt die Auffassung, dass der Erhalt der Muttersprache nationaler Minderheiten von strategischer Bedeutung ist. In diesem Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs ist es bedauerlich und inakzeptabel, dass die Slowakei entgegen der europäischen Praxis handelt. Statt die Rechte der Minderheiten zu erweitern, tut sie das Gegenteil und beschneidet diese. Im Ergebnis des Vertrages von Trianon befinden sich mehrere Tausend Ansiedlungen ungarischsprachiger Bürger außerhalb der Landesgrenzen, und wir haben das Recht, ungarische Namen für diese Orte zu verwenden. Die Sprachenvielfalt ist Bestandteil des europäischen kulturellen Erbes und ein wertvolles Gut, für dessen Bewahrung wir alle Verantwortung tragen. Vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, hier zu sprechen.

 
  
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  Inés Ayala Sender (PSE).(ES) Herr Präsident! Am frühen Morgen des 8. Juni verübte die Terrorgruppe ETA einen Anschlag auf die Büros der Tageszeitung „El Correo“, während sich 50 Mitarbeiter im Gebäude aufhielten und die Sonntagsausgabe vorbereiteten. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, doch es entstand erheblicher Sachschaden.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie eine Solidaritätserklärung abgeben würden. Doch ich möchte in diesem Haus auch – und ich bitte, dies ins Protokoll aufzunehmen – auf die dringende Notwendigkeit hinweisen, der terroristischen Gewalt der ETA gegen die Medien ein Ende zu bereiten und die volle Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu garantieren. Dies ist ein gewichtiger Grund für die Europäer, den Vertrag von Lissabon zu unterstützen, der die Möglichkeit bieten wird, gemeinsame Maßnahmen für die Justiz, Sicherheit und Bekämpfung des Terrorismus durchzuführen und nicht ausschließlich von einer bilateralen und zwischenstaatlichen Zusammenarbeit abhängig zu sein. Unsere Solidarität sollte sich daher auch auf die Unterstützung der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon richten.

 
  
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  Der Präsident. − Frau Kollegin! Da Sie mich persönlich angesprochen haben: Wir sind eine Solidargemeinschaft, und diese Solidarität gilt immer, auch in diesem Fall. Vielen Dank, dass sie es zur Kenntnis genommen haben.

 
  
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  Viktória Mohácsi (ALDE).(HU) Meine Damen und Herren Abgeordneten! In der vorangegangenen Plenarsitzung wandte sich der Vorsitzende unserer Fraktion, Graham Watson, in einer Ausführung von einer Minute an das Parlament, in der er sich zu den romafeindlichen Vorfällen in Italien äußerte. Und heute muss ich Ihnen leider mitteilen, dass auch in meinem Heimatland Ungarn ähnliche Vorfälle zu verzeichnen sind. Vor einigen Wochen warfen drei Mitglieder einer Bürgerwehr in Pátka, einem Dorf etwa 70 Kilometer von Budapest entfernt, ein Dutzend Molotow-Cocktails auf drei Häuser, in denen Roma lebten. Am 16. April bewarfen Unbekannte in Fadd, einem Dorf im Komitat Tolna, zwei Häuser mit Molotow-Cocktails. Vor einer Woche wurde mein Kollege in Nyíregyházá von Extremisten mit den Worten angegriffen: „Dreckiger Zigeuner, verschwinde aus unserem Land!“ Die Einwohner von Pátka behaupten mehrheitlich, dass die Mitglieder der Bürgerwehr unschuldig seien, obwohl einer der Verdächtigen seine Beteiligung zugegeben hat. Dennoch trafen sich am Freitag etwa 150 uniformierte Personen zu einer Demonstration und riefen Naziparolen. Später unternahmen dann mehrere unbekannte vermummte Personen trotz Anwesenheit einer Einsatztruppe von 100 Polizisten einen weiteren Angriffsversuch. Ich habe den Vorfall mit eigenen Augen verfolgt. Die Polizei verschwieg die Identität des Opfers des Vorfalls von Pátka. In Italien leben unsere EU-Mitbürger in für Flüchtlinge vorgesehenen Gefängnissen, auch sie sind natürlich Roma. Kommissar Barrot, ich hoffe, dass auch wir Roma nach der Bildung Ihres Kabinetts die auf den demokratischen Strukturen der Europäischen Union beruhende Sicherheit genießen können und die Definition der Unionsbürgerschaft für mich und meine Kinder ebenso gilt wie für meine Mitbürger, die nicht dem Volk der Roma angehören. Vielen Dank.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Herr Präsident! Selbst wenn eine Sachfrage noch so klar ist, sollten die Lösungen so gewählt werden, dass darin der Kontext und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Zielen berücksichtigt werden. Ebenso gilt es, die Relevanz der betreffenden Sachfrage und die zur Erreichung der Ziele zu erwartenden Kosten einzubeziehen. Bei jedem Problem, insbesondere wenn davon, wie im Fall des Klimawandels, Milliarden Menschen betroffen sind, gilt es bei der Suche nach Lösungen angemessen, vernünftig und mit einem Grundmaß an Gerechtigkeit vorzugehen.

Im Vorschlag zur Verringerung der CO2-Emissionen kann ich keine Gerechtigkeit erkennen. Besonders tadelnswert sind dabei zwei Lösungen: Hoch entwickelte Länder, die die bisherigen CO2-Emissionen und andere Verschmutzungen zu einem Großteil mitverschuldet haben, aber über höhere technologische Möglichkeiten verfügen, werden genauso behandelt wie Länder mit niedrigem Entwicklungsniveau, vor allem wie die Länder, deren Wirtschaft von der Kohle abhängig ist. Zweitens werden Hersteller großer Fahrzeuge, die eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 % eher bewerkstelligen können, genauso behandelt wie Hersteller von Fahrzeugen mit kleinen Motoren und geringer Emission, für die durch die Reduzierung höhere Kosten anfallen. Es hat den Anschein, dass es hier nicht um Klimawandel, sondern nur um wirtschaftliche Interessen geht.

 
  
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  James Nicholson (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Europas Bienen werden innerhalb eines Jahrzehnts aussterben. In Amerika ist bereits ein Drittel der Bienenvölker Krankheiten und Viren zum Opfer gefallen; dies droht nun auch unseren Bienen. Die Situation in den USA zeigt eine gefährliche Momentaufnahme dessen, was Europa möglicherweise bevorsteht, wenn wir jetzt nicht handeln. Mindestens 70 für die Gesamtwirtschaft relevante Kulturpflanzen sind unmittelbar von der Bestäubung durch Bienen abhängig.

In den USA müssen inzwischen Bienen importiert werden, um die Verluste auszugleichen. Im aktuellen Klima stellen sich ernstliche Fragen, ob die EU in der Lage ist, die Nahrungsmittelnachfrage mit eigener Produktion zu decken. Die Auswirkungen ähnlicher Entwicklungen hier wären verheerend.

Bienenzüchter in Europa wissen bereits von der Bedrohung durch Varroamilben, die die Bienenvölker dezimieren. Außerdem haben sie mit massenhaftem Bienensterben durch Colony Collapse Disorder zu kämpfen, bei dem Stöcke systematisch verlassen werden und die Bienen quasi von der Erdoberfläche verschwinden.

Auf diesem Gebiet sind Fördermittel und wissenschaftliche Forschung vonnöten. Die britische Regierung stellt derzeit lediglich 250 000 Pfund Sterling für die Bienenforschung bereit. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein für solch eine wichtige Frage. Bienen sind ein wesentlicher Teil der Nahrungskette: ihr Verschwinden beeinträchtigt nicht nur die Imkerei, sondern auch den Getreide-, den Obst- und den Nussanbau.

 
  
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  Gérard Onesta (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Aus der Tagesordnung ersehe ich, dass wir eine kodifizierte Fassung der Richtlinie über die statische Prüfung von Umsturzschutzvorrichtungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern erörtern werden. Ich habe das Gefühl, dass uns das Dubliner Votum gebietet, andere, dringendere Fragen zu erörtern. Wir können ein Thema wie den Vertrag von Lissabon nicht allein dem Europäischen Rat überlassen. Wir Mitglieder des Europäischen Parlaments können uns ganz legitim einbringen, insbesondere, wenn wir die Zutaten für die Lösungen kennen.

Erstens müssen die Schlüsselfragen sich auf einige wenige wesentliche institutionelle Aspekte beziehen und dürfen nicht mehrere hundert Seiten einnehmen. Wir brauchen die Bestätigung durch ein europäisches Referendum, mit einer Opt-out-Regelung für Länder, die diesen Weg nicht gehen möchten, und schließlich, wie der Präsident sagte, brauchen wir einen sehr straffen Zeitplan – 2009 –, ansonsten wird der Wahlkampf unmöglich. Mir soll keiner sagen, dass ein solches Szenario unmöglich ist. Es ist nicht unwahrscheinlicher als das, an der die Justizministerien derzeit arbeiten. Ich für meinen Teil bin jedenfalls bereit.

 
  
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  Richard Corbett (PSE).(EN) Herr Präsident! Die Kommission prüft derzeit Beschwerden von bestimmten Privatunternehmen in Spanien, Frankreich und Italien gegen Genossenschaften und das Genossenschaftswesen hinsichtlich Statuten und steuerlicher Behandlung.

Ich möchte die Kommission dringend bitten, bei der Prüfung dieser Beschwerden die besonderen Bedürfnisse und Merkmale von Genossenschaften zur Kenntnis zu nehmen. Es handelt sich dabei nicht um gewinnbringende Aktionärsunternehmen. Eine Genossenschaft gehört ihren Mitgliedern und die Gewinne werden gleichmäßig verteilt und nicht einfach an Aktionäre ausgezahlt.

Die Europäische Union hat den besonderen Charakter der Genossenschaftsbewegung 2003 anerkannt, indem sie die Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft erließ. Ich möchte die Kommission dringend auffordern, das entsprechend zu berücksichtigen und dadurch die Dankbarkeit von 55 Millionen Beschäftigten in Genossenschaften in Europa und weiteren 163 Millionen Mitgliedern zu gewinnen.

 
  
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  Milan Horáček (Verts/ALE). - Herr Präsident! Vergangene Woche hat China ein Ende der Tibet-Proteste als Voraussetzung für weitere Gespräche mit Vertretern des Dalai Lama gefordert. Laut dem chinesischen Außenminister müssten die Tibeter die Versuche, die olympischen Spiele zu ruinieren, einstellen.

Es kann aber doch nicht sein, dass die Niederschlagung der Proteste der Tibeter im März von diesen wortlos hingenommen werden soll. Die chinesische Regierung hat die Möglichkeit, die Situation in Tibet grundlegend zu verändern. Mit einem aufrichtigen Dialog ohne Vorbedingungen wird sich das tibetische Volk an einem konstruktiven Wandel beteiligen. Zuerst muss ein klares Zeichen gesetzt werden, nicht zuletzt dadurch, dass ausländische Beobachter ins Land gelassen werden, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.

 
  
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  Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Kollege Horáček! Im Übrigen gilt unsere Entschließung vom 10. April, in der wir gesagt haben, dass wir fordern, dass sich keine Politikerin und kein Politiker der Europäischen Union an der Eröffnungsfeier am 8. August beteiligt, sofern die Rechte der Tibeter nicht gewährleistet werden. Und diese Erklärung vom 10. April empfehle ich allen noch einmal.

 
  
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  László Tőkés (Verts/ALE).(HU) Herr Präsident! Wenn Papst Benedikt XVI. vor den ungarischen Bischöfen vom schweren Erbe der langen Ära der kommunistischen Herrschaft sprach, so waren seine Worte nur allzu treffend. Besonders heute, da sich die Hinrichtung des Ministerpräsidenten und Märtyrers Imre Nagy zum 50. Mal jährt und wir den 60. Jahrestag des Beginns der brutalen religiösen Verfolgungen und der Inhaftierung von Kardinal József Mindszenthy begehen, sind seine Worte von größter Aktualität. Der böse Geist dieser schmerzhaften Epoche, in der staatliche Gewalt mit militantem und antireligiösem Gedankengut einherging, wurde von Magda Kósáné Kovács, postkommunistische Abgeordnete in diesem Hohen Haus, in ihren jüngsten Ausführungen hier im Plenum, mit denen sie die europäischen Werte gegenüber Papst Benedikt oder vielmehr der katholischen Kirche zu verteidigen suchte, wiederbelebt. Vor einigen Jahren stellte die frühere Parteivorsitzende Frau Kósáné Kovács die diffamierende Behauptung auf, dass der Vatikan, damals unter seinem Oberhaupt Papst Johannes Paul, alles daran setze, um Gesamteuropa unter seinen Einfluss und seine Kontrolle zu bringen. Als Bischof der Reformierten Kirche weiß ich, dass die christlichen Kirchen selbst einen Beitrag zur Gestaltung der europäischen Werte in dieser Europäischen Union geleistet haben, die ihre Wurzeln in der christlich demokratischen Bewegung hat, und ich verurteile somit jegliche antireligiöse Ideologie und Intoleranz. Laden wir Papst Benedikt in das Europäische Parlament ein.

 
  
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  József Szájer (PPE-DE).(HU) Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Heute vor 50 Jahren, am 16. Juni 1958, wurde in Ungarn Imre Nagy, Ministerpräsident während des ungarischen Aufstands von 1956 und während des Freiheitskampfes, nach einem Schauverfahren zusammen mit Verteidigungsminister Pál Maléter und seinen Mitstreitern Miklós Gémes und Jószef Szilágyi verurteilt und hingerichtet. Géza Losonczi war ja bereits während der Inhaftierung umgebracht worden. Die mit Draht zusammengebundenen und in Papier eingewickelten Körper wurden mit dem Gesicht nach unten begraben. Ihr Prozess war eines der schändlichsten Ereignisse und größten Rechtsverletzungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Imre Nagy war leidenschaftlicher Kommunist, dennoch wollte er sein Land nicht im sowjetischen Lager belassen, sondern in das freie Europa zurückführen. Dadurch wurde er zum Nationalhelden, zum Märtyrer der Revolution und zum Politiker europäischen Ranges. Seine moralische Haltung ließ ihn zu einem Sinnbild der Freiheit und eines europäischen Ungarns werden. Die Umbettung, die Imre Nagy verdient hat, erfolgte erst am 16. Juni 1989, als das kommunistische Regime bereits gescheitert war und Ungarn in die Familie der freien europäischen Nationen zurückkehren konnte. Diese Ereignisse vermitteln die klare Botschaft: Freiheit und nationale Unabhängigkeit waren das, wonach sich Ungarn nach der Überwindung des Kommunismus sehnte. Dafür gaben die Menschen, die vor fünfzig Jahren starben, ihr Leben. Ihr Opfer war nicht umsonst.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Herr Präsident! Ich habe dem Vorredner von Herrn Szájer aufmerksam zugehört, der hier meine Kollegin Magda Kovács in einer völlig unangemessenen Art und Weise attackiert hat.

Frau Kovács ist im Vorsitz der Sozialdemokratischen Fraktion meine Stellvertreterin. Sie ist nicht anwesend, kann sich insofern gegen diese Attacke auch nicht selbst wehren. Ich weiß, dass Frau Kovács eine überzeugte Demokratin und eine sehr engagierte Kämpferin für die europäische Einheit ist. Sie hat es absolut nicht verdient, dass irgendwelche Kollegen dieses Haus missbrauchen, um irgendwelche Rechnungen, die sie in Ungarn intern auch immer haben mögen, hier aufzumachen. Ich halte das für eine völlig unangemessene und für die Persönlichkeit von Magda Kovács tief ehrenrührige Äußerung, die ich mit wirklichem Abscheu zurückweise.

 
  
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  Brigitte Fouré (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Zunächst möchte ich die Initiative der Kommission zur Gewährung einer Dringlichkeitshilfe für Fischer begrüßen. Auch wenn diese Hilfe sicherlich nicht ausreicht, um die Probleme des Sektors zu lösen, erscheint sie mir zumindest aber momentan erforderlich. Die derzeitige Lage ist in der Tat kritisch: Innerhalb eines Jahres ist der Preis für Dieselöl von 35 auf 73 Cent pro Liter angestiegen. Die für den Ölpreisanstieg zu zahlende Rechnung ist also sehr hoch, und in meinem Wahlkreis Baie de Somme sind die Berufsfischer sehr besorgt und verbittert. Neben der Frage des Ölpreises ist den Fischern vor allem wichtig, dass sie ihren Fisch zu einem angemessenen Preis verkaufen können, und sie klagen über die ungerechtfertigten Gewinnspannen der Zwischenhändler. Dies ist mehr als eine Krise; es handelt sich für den Fischereisektor um eine strukturelle Frage, die wir auf europäischer Ebene lösen müssen. Wie wir gesehen haben, hat die Protestbewegung eine europäische Dimension angenommen. Das ist logisch, wenn man bedenkt, dass die Fischereipolitik eine der ältesten EU-Politiken ist. Wir müssen dem Fischereisektor bei seiner Modernisierung helfen, damit er sich selbst von den Zwängen befreien kann, die ihm durch den Dieselölpreis auferlegt werden, und dabei unserer Verpflichtung gerecht wird, die Umwelt zu schützen und verantwortungsvoll mit den Fischereiressourcen umzugehen. In Anbetracht dessen hoffe ich, dass die für Mittwoch vorgesehene Aussprache zu einer Entschließung führen wird, die dem jetzt gefährdeten europäischen Fischereisektor von Nutzen sein wird.

 
  
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  István Szent-Iványi (ALDE).(EN) Herr Präsident! Chee Soon Juan wurde vor zwei Tagen aus dem Queenstown-Gefängnis in Singapur entlassen. Er wurde in den vergangenen Jahren mehrfach verurteilt und inhaftiert. Chee Soon Juan ist kein Verbrecher. Sein „Verbrechen“ besteht ganz einfach darin, dass er einer der Führer der demokratischen Opposition ist. Er kämpft unablässig für Freiheit und Demokratie in seinem Land.

Seit seiner letzten Entlassung haben die staatlich kontrollierten Medien in Singapur begonnen, ihn durch grundlose Angriffe auf seine Person und Rufmord zu diskreditieren und seine Glaubwürdigkeit zu zerstören. Wir empfinden für Herrn Chee Soon Juan und seine Anhänger tiefe Solidarität, denn sie kämpfen für Demokratie und Menschenrechte in Singapur.

Wir fordern die Behörden Singapurs auf, die Unterdrückung der demokratischen Opposition und die Verletzungen der Menschenrechte zu beenden und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu respektieren. Wir hoffen, dass Singapur unserem dringenden Wunsch nachkommt, die Grundrechte zu achten.

 
  
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  Eoin Ryan (UEN).(EN) Herr Präsident! In der vergangenen Woche hat das irische Volk eine demokratische Entscheidung zum Vertrag von Lissabon getroffen, die absolut respektiert werden muss. Obwohl viele von uns, die für ein „Ja“ gearbeitet oder gestimmt haben, von dem Ergebnis enttäuscht sind, halte ich es für wichtig, dass wir über dieses Ergebnis nachdenken.

Als Antwort auf Herrn Battens Bemerkung möchte ich betonen, dass Irland nicht antieuropäisch ist. Irland steht nach wie vor voll und ganz hinter der europäischen Idee. Es ist uns vollkommen bewusst, dass Irland eines von 27 Mitgliedstaaten ist, aber das ist nicht nur ein irisches Problem. Es ist ein Problem aller Mitgliedstaaten. Europa stand in der Vergangenheit bereits vor zahlreichen Bewährungsproben, doch es hat sie dank reifer und weiser Führung bestanden. Ich möchte darum bitten, bei diesem Problem und den gegenwärtigen Herausforderungen wiederum genau diese Qualitäten zu zeigen. Wir befinden uns in unbekannten Gewässern und ich halte es für wichtig, dass wir uns vor reflexartigen Reaktionen und übereilten Entscheidungen hüten. Um der aktuellen Situation erfolgreich begegnen zu können, müssen wir gut nachdenken und die Erkenntnisse reifen lassen. Nur so können wir Europa wieder auf den richtigen Kurs bringen und unserer Verantwortung gegenüber den Bürgern voll und ganz gerecht werden.

 
  
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  Manolis Mavrommatis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Die Büros des Europäischen Parlaments in den Mitgliedstaaten bilden die Kommunikationslinie zwischen Parlament und Bürgern. Eine der Hauptaufgaben dieser Büros ist es, die Öffentlichkeit durch verschiedene Aktivitäten über die Ereignisse im Europäischen Parlament zu informieren. Dazu gehört es auch, Journalisten nach Straßburg einzuladen, um über Plenardebatten zu berichten.

Am 24. Januar 2008 habe ich an das Europäische Parlament eine Anfrage zu der Entscheidung gerichtet, die Finanzmittel für Presseeinladungen zu kürzen. Fünf Monate später habe ich noch immer keine Antwort erhalten. Ähnliches geschieht auch in anderen Ausschüssen; berechtigte Fragen der Parlamentsabgeordneten werden nicht beantwortet. Ich frage mich, ob diese Strategie zu einer Zeit, da in der EU ein reibungsloser Ablauf der in ihren Rechtsvorschriften verankerten Verfahren benötigt wird, von Vorteil für die Arbeitsweise der parlamentarischen Institutionen und der zuständigen Stellen ist.

 
  
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  Hélène Flautre (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Ich möchte die Aufmerksamkeit der Mitglieder des Europäischen Parlaments auf die am 3. Juni erfolgte Ausweisung von Sami Essid aus Italien lenken, die in krassem Widerspruch zu den Verpflichtungen steht, die Italien im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention und insbesondere von Artikel 3 dieser Konvention eingegangenen ist. Weshalb? Weil Herr Essid terroristischer Aktivitäten beschuldigt wird und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zweifelsfrei festgestellt hat, dass ausnahmslos jede terroristischer Aktivitäten beschuldigte Person in Tunesien gefoltert wird.

Aus diesem Grund forderte der Europäische Gerichtshof Italien auf, die Ausweisungsmaßnahme auszusetzen. Nichtsdestotrotz wies Italien ihn am 3. Juni unter völliger Missachtung seiner Verpflichtungen aus. Ich fordere, dass Italien an seine Pflichten als Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention und als Mitgliedstaat der Europäischen Union erinnert wird und dass dafür gesorgt wird, dass Herr Essid, der nun nach Tunesien abgeschoben wurde, dort keine unmenschliche und erniedrigende Behandlung erleiden muss.

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: MECHTILD ROTHE
Vizepräsidentin

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL).(GA) Frau Präsidentin! Die irische Ablehnung des Vertrags von Lissabon am vergangenen Donnerstag war nicht gegen Europa gerichtet. Irlands Platz ist in der Europäischen Union, die dem Land aufgrund seiner Mitgliedschaft sowohl im Norden als auch im Süden soziale und wirtschaftliche Vorteile beschert hat.

Die Menschen sind besorgt darüber, dass die Stimme Irlands und anderer kleiner Staaten in der Europäischen Union nicht mehr erhört wird; außerdem sorgen sie sich um Themen wie Neutralität und militärische Angelegenheiten, die Rechte der Arbeitnehmer und öffentliche Dienstleistungen. Diese Bedenken wurden nicht nur auf der Straße geäußert, sie kamen auch in den im Verlauf der Kampagne veröffentlichten Meinungsumfragen zum Ausdruck. Eine weitere wichtige Frage ist ihr automatisches Recht auf ein Referendum zu künftigen grundlegenden Veränderungen.

Einige dieser Fragen wurden bereits in Frankreich und in den Niederlanden aufgeworfen. Wir müssen diese Sorgen ernst nehmen.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE).(HU) Frau Präsidentin! Ich wende mich als Abgeordneter eines Landes an Sie, dessen Parlament mit Unterstützung aller Parteien den Vertrag über eine Verfassung für Europa als zweites und den Vertrag von Lissabon als erstes Land ratifiziert hat. In dieser Eigenschaft möchte ich Sie daran erinnern, dass nationaler Egoismus oder Nationalismus heute die größte Gefahr in Europa darstellt. Wir müssen uns fragen, ob wir diejenigen, die ständig weitere Forderungen stellen, noch belohnen oder stattdessen ein solches Verhalten ahnden sollten. Die Wahrung der nationalen Interessen ist eine grundlegende Pflicht der Regierung eines jeden Landes und ihrer Abgeordneten im Europäischen Parlament, aber die Europäische Union ist nicht funktionsfähig, wenn keine tragfähigen Kompromisse bei den nationalen Interessen erreicht werden und ihre Mitgliedstaaten und Völker keine solidarische Haltung zeigen. Deshalb bitte ich unsere polnischen Freunde inständig, sich den anderen sechsundzwanzig Mitgliedstaaten anzuschließen und die Gründung des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie in Budapest zu unterstützen. Bei der europäischen Agentur Frontex, die letztendlich ihr Hauptquartier in Warschau bezog, schien auch Ungarn eine Weile mit im Rennen zu sein, dennoch hat das Land von seinem Vetorecht keinen Gebrauch gemacht. Deshalb wäre es unfair, wenn unsere polnischen Freunde nicht mit einer ähnlichen Geste reagieren würden. Ungarn und Polen sind befreundete Nationen, und es gibt einen schönen Spruch: „Der Ungar und der Pole sind zwei Brüder so fein; sie kämpfen im Verein und trinken gemeinsam Wein.“

 
  
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  Die Präsidentin. − Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.

 

19. Revision der Rahmenrichtlinie über Abfälle (Aussprache)
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung von Caroline Jackson im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (11406/4/2007 – C6-0056/2008 – 2005/0281(COD)) (A6-0162/2008).

 
  
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  Caroline Jackson, Berichterstatterin. (EN) Frau Präsidentin! Nach Ihrem Hinweis, dass keine Zeit für Verfahrensfragen ist, werde ich mit meinen Ausführungen zur Rahmenrichtlinie über Abfälle fortfahren. Angesichts dieses Hintergrunds ist das zwar etwas schwierig, aber ich werde mich daran halten.

Da in der britischen Presse unlängst bestimmte Kommentare zu diesem Thema erschienen sind, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit nochmals auf meine Interessenerklärung richten, die ich zu Protokoll gegeben habe und in der ich meine Mitarbeit im Environmental Advisory Board von Shanks plc offengelegt habe. Dieses Unternehmen bringt sowohl in Großbritannien als auch auf dem europäischen Festland eine breite Palette von Abfalltechnologien zum Einsatz, und die vorrangige Aufgabe seines Environmental Advisory Board besteht darin, in den Anlagen unabhängige Audits durchzuführen.

Auch der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Ausschusses „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ der EU sowie ein Mitglied der Grünen Allianz gehören diesem Gremium an.

Wie viele Abgeordnete weiß ich diese Möglichkeit des Sammelns von Erfahrungen zu schätzen, da ich durch diese Tätigkeit direkt mit den Fragen und Problemen der Branche und ihrer Beschäftigten konfrontiert werde.

Was nun die Richtlinie anbetrifft, so war es ein langer und qualvoller Weg bis zu dieser zweiten Lesung, und ich gratuliere all meinen Kolleginnen und Kolleginnen, die mich bis zum Ende begleitet haben. Das Thema verdient allerhöchste Aufmerksamkeit. So waren verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs bezüglich des Status von Abfällen zu bewerten, die zur Energiegewinnung in Abfallbehandlungsanlagen bestimmt sind. Begriffe mussten neu definiert werden. Die beiden bestehenden Richtlinien für gefährliche Abfälle und Altöl wurden aufgehoben und ihre Bestimmungen auf die Rahmenrichtlinie über Abfälle übertragen. Gleichwohl gab sich der Ausschuss mit diesen ursprünglichen Entwürfen nicht zufrieden und verlieh der Richtlinie, die eher ein technisches Dokument darstellte, einen kämpferischen Charakter. Ich gratuliere meinen Kolleginnen und Kollegen zu diesem Ergebnis.

Ich muss hinzufügen, dass die Stimmung im Rat recht düster war, was möglicherweise auf unsere wirtschaftliche Lage zurückzuführen ist. Es gab viel Widerstand gegen unsere Pläne, und der Rat stellte sehr konkrete Forderungen, aber wir haben das Folgende erreicht:

Erstens haben wir den Text durch Recyclingziele ergänzt. Das ist ein sehr signifikantes Ergebnis, da diese in der ursprünglichen Fassung nicht enthalten waren und Recyclingziele für Haushaltsabfälle nunmehr Eingang in die Rechtsvorschriften der Europäischen Union gefunden haben. Das ist einzig und allein das Verdienst des Parlaments.

Der neue Artikel 8a fordert die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit bis zum Jahr 2020 eine Wiederverwertungsrate von insgesamt 50 % für Papier, Metall, Kunststoff und Glas aus Haushalts- und ähnlichen Abfällen erreicht werden kann. Für einige Mitgliedstaaten wie Deutschland ist dies ein konservatives Ziel, für viele andere Länder ist diese Quote jedoch eine echte Herausforderung, und das müssen wir auch in Betracht ziehen.

Der gleiche Artikel sieht ferner vor, dass bis zum Jahr 2020 70 % der Bau- und Abbruchabfälle recycelt werden. Die Grünen und ihre Anhänger behaupten, diese Ziele seien nicht erzwingbar. Vielleicht glauben sie das sogar, aber – unverständlicherweise – lehnen sie damit ihren eigenen Erfolg ab. Die Kommission hat eine Erklärung abgegeben, um ihnen zu helfen, und Herr Dimas wird das bestätigen. Werden die Zielvorgaben 2020 nicht erreicht, so macht die Erklärung deutlich, dass die Kommission dies als deutlichen Hinweis darauf wertet, dass der jeweilige Mitgliedstaat die für das Erreichen dieser Ziele notwendigen Maßnahmen nicht ergriffen hat. Unterstützt durch die Schlussfolgerungen in den dreijährlichen Fortschrittsberichten kann die Kommission gegen die betreffenden Mitgliedstaaten Klage wegen Nichterfüllung der Forderungen der Richtlinie einreichen.

Es mag zum Wesen der Grünen zu gehören, dass sie nie zufrieden sind, da sie einen endlosen Kampf führen, aber sie sollten auch den Aussagen der Kommission in ihrer Erklärung Gehör schenken.

Zweitens haben wir Artikel 8a durch neue Bestimmungen für die Abfallvermeidung ergänzt. Das bedeutet, dass die Kommission im Jahr 2011 über die Entwicklung der Abfallerzeugung in der EU und den Umfang der Abfallvermeidung berichten und bis 2014 Vorschläge für die Abfallvermeidung sowie die Entkoppelungsziele unterbreiten muss. Es ist uns nicht gelungen, den Rat oder die Kommission dazu zu bewegen, der Festlegung quantitativer Zielvorgaben für die Abfallvermeidung in dieser Richtlinie zuzustimmen, was zum Teil auf das Fehlen der erforderlichen Ausgangsdaten für diese Ziele zurückzuführen ist. Mit seinen Änderungsanträgen hat das Parlament jedoch den Weg für eine künftige Politik geebnet, die Zielvorgaben für die Abfallverhinderung umfassen kann.

Somit ist der neue Artikel ein signifikanter Erfolg, auf dem unsere Nachfolger aufbauen können. Wir können mit dieser Richtlinie nicht alles erreichen, vielmehr müssen wir die in Angriff genommenen Themenbereiche unseren Nachfolgern zur Weiterverfolgung im nächsten Jahrzehnt übergeben.

Drittens haben wir die bekannte Abfallhierarchie der Europäischen Union erstmalig im EU-Recht verankert. Zwar debattieren wir darüber schon seit vielen Jahren, aber wenn wir die Gesetzgebung der EU betrachten, ist noch nichts passiert. Das wird aber bald geschehen, und wir können insofern einen kleinen Erfolg verbuchen, dass wir den Rat zu der Zustimmung bewegt haben, dass die Hierarchie bei den Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Abfallverhinderung und –wirtschaft „einer nach Prioritäten geordneten Rangfolge“ zu entsprechen hat.

Viertens haben wir darüber Einigkeit erzielt, dass der Bewirtschaftung gefährlicher Abfälle größere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, was dem Wunsch mehrerer Kollegen entspricht.

Fünftens haben wir auch dafür gesorgt, dass der Aufbereitung von Altöl weiterhin Vorrang eingeräumt wird, wenn auch eine Maßnahme, die alle Mitgliedstaaten zur Aufbereitung zwingen würde und von einigen Kollegen gewünscht wurde, keine Unterstützung fand. Der von Frau Hennicot-Schoepges und Kollegen eingebrachte Änderungsantrag, der den KMU die Verwendung des Abfallkatalogs erleichtern soll, fand die Unterstützung des Rates, ebenso wurde unser Vorschlag für einen neuen Artikel über Bioabfälle angenommen.

Schließlich werden in der Richtlinie die Energieeffizienzkriterien für die Verbrennung definiert und die Energierückgewinnung als Verwertung und nicht als Beseitigung eingestuft. Mehr konnte nicht erreicht werden. Alle, die meinen, wir hätten in einem Konzertierungsverfahren mehr erreichen können, machen sich etwas vor. Hier gilt der bekannte Ausspruch von Jack Nicholson: „This is as good as it gets“ oder „Besser geht es nicht“.

 
  
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  Stavros Dimas , Mitglied der Kommission. − (EL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin Frau Jackson meinen Dank und meine Anerkennung für ihren hervorragenden Beitrag zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie und den Schattenberichterstattern sowie dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit für ihre positive und konstruktive Zuarbeit danken.

Mit dieser Richtlinie unternimmt die Gemeinschaft den ersten grundlegenden Schritt zur Schaffung einer Recycling-Gesellschaft. Sie führt einen zeitgemäßen Ansatz für die Abfallbewirtschaftung ein, der Abfall als verwertbaren Rohstoff betrachtet und zugleich eindeutigere Definitionen, vereinfachte Vorschriften und neue, ehrgeizige Zielsetzungen umfasst.

Dank der Eingliederung der Vorschriften aus den Richtlinien für gefährliche Abfälle und Altöl fügt sich diese Richtlinie in die umfassenderen Bemühungen um die Verbesserung der Rechtsetzung und die Vereinfachung des gemeinschaftlichen Besitzstands ein. Der nächste Schritt wird natürlich die erfolgreiche Umsetzung sein.

Die massiven Bemühungen und die Beharrlichkeit des Parlaments haben sich ausgezahlt. Es war nicht leicht, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, die neuen Recyclingziele zu akzeptieren und den Zielen für die Abfallvermeidung zuzustimmen. Doch dieses Ziel haben wir voll und ganz erreicht.

Es wurden bereits Zweifel laut, ob die Mitgliedstaaten diese Zielsetzungen umsetzen werden. Ich möchte hervorheben, dass die Kommission angesichts der vorliegenden quantitativen Ziele über die Möglichkeit und den politischen Willen verfügt, die Mitgliedstaaten vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, wenn sie nicht die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um diese Recyclingziele umzusetzen.

Das Parlament hat zahlreiche weitere wichtige Punkte in den Text der Richtlinie eingearbeitet. Dazu gehören die Fünf-Stufen-Hierarchie der Abfallbewirtschaftung, neue Vorschriften für die getrennte Sammlung von Bioabfällen und gefährlichen Abfällen sowie viele nützliche Erläuterungen. Dies alles trägt zu einer Bereicherung des Kommissionsvorschlags sowie zu einer Verbesserung des Textes bei, aus dem somit ein ehrgeiziges Rechtsinstrument für künftige Generationen wird. Besonders zufrieden stellend ist es natürlich, dass in zweiter Lesung eine Einigung erzielt werden konnte. Ich möchte erneut die konstruktive Rolle des Europäischen Parlaments in diesem Prozess hervorheben.

Diese Richtlinie schafft einen neuen Rahmen für die Abfallbewirtschaftung und eine solide Grundlage für andere politische Initiativen der Gemeinschaft. Die Europäische Kommission kann das Kompromisspaket unterstützen, um in zweiter Lesung eine Einigung zu ermöglichen.

 
  
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  John Bowis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Caroline Jackson hat einen Ausspruch von, ich glaube, Jack Nicholson zitiert. Da ich ihr Golftalent kenne, dachte ich, er könnte auch von Jack Nicklaus sein, aber zweifelsohne würden auch Golfspieler sagen „Besser geht es eigentlich nicht“. Das ist ein großes Kompliment für unsere Berichterstatterin, und ich beglückwünsche sie im Namen unserer Fraktion.

Sie bedarf unserer Unterstützung und unseres Handels. Wir haben nicht das erreicht, was wir uns einmal vorgestellt hatten. Aber wir haben große Fortschritte zu verzeichnen. Herr Kommissar, es ist nun an Ihnen, für die Umsetzung zu sorgen und den nachträglich eingebrachten Anträgen für die Abfallvermeidung mit Ihrem Ziel für 2014 zum Tragen zu verhelfen. Ich weiß, Sie werden diesen Prozess in Gang setzen, und das ist auch wichtig.

Das ist insofern wichtig, als dass wir solange, wie ich in diesem Parlament vertreten bin, schon eine ganze Menge Vorschläge zur Abfallthematik erörtert haben: Wir haben uns mit Kraftfahrzeugen, elektrischen und elektronischen Geräten, Batterien, Verpackungen und anderen Erzeugniskategorien befasst. Dennoch nehmen die anfallenden Abfallmengen zu, und zwar mit einem Tempo, das unser Wirtschaftswachstum übersteigt. Am schnellsten wachsen die Abfälle in einigen Bereichen wie den Siedlungsabfällen, und deshalb müssen wir etwas unternehmen.

Mein Land liefert eines der schlechtesten Beispiele im Abfallsektor. Unsere Hochachtung gilt den Niederlanden, die führend auf diesem Gebiet sind. Aber wir haben alle Nachholbedarf. Wir alle müssen verstärkt recyceln, um die Bedingungen der Hierarchie zu erfüllen: Wir müssen den Vorgaben für das Recycling und die Vermeidung wie auch weiteren Aufgabenstellungen gerecht werden. Das dürfte uns im Vergleich zur Vergangenheit, die von unserer abfallintensiven Wirtschaft, abfallintensiven Gesellschaft und von abfallintensiven politischen Maßnahmen geprägt war, zumindest zu einem besseren Erscheinungsbild verhelfen.

 
  
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  Guido Sacconi, im Namen der PSE-Fraktion. (IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich profitiere davon, dass Frau Jackson und Kommissar Dimas die wichtigsten Elemente dieses auch von mir unterstützten Kompromisses so ausführlich dargelegt haben. Lassen Sie mich deshalb einige hauptsächlich politische Überlegungen anstellen.

Ich bin ein Verhandlungsführer und wäge stets ab, ob ein erzielter Kompromiss auch wirklich tragfähig ist. Deshalb habe ich mir nach den nächtlichen Verhandlungen die Texte noch einmal mit kühlem Kopf durchgelesen. Weiß der Himmel, warum Verhandlungen immer nachts enden müssen. Ist eine Einigung, die morgens zustande kommt, etwa weniger bedeutsam? Auch das wäre eine Überlegung wert. Doch ganz im Ernst – und ich sage das zu unseren Freunden von den Grünen und von der GUE, aber auch zu Karl-Heinz Florenz, der, wie ich gesehen habe, erneut einen Änderungsantrag des Umweltausschusses eingereicht hat, der meine Unterschrift trug und dem ich folglich meine Unterstützung nicht versagen kann –, ganz ehrlich, wenn wir uns sowohl den Kompromisstext als auch die Texte des Umweltausschusses anschauen, haben wir – und das ist hauptsächlich Ihr Verdienst, Frau Jackson – ein wirklich erstaunliches Ergebnis erreicht.

Sind wir uns dessen wirklich bewusst, dass der Kommissionsvorschlag und anschließend der Gemeinsame Standpunkt nichts zum Recycling enthielten? Nichts, einmal abgesehen von einer Erwägung, in der die „Recycling-Gesellschaft“ erwähnt wurde, ohne jedoch genauer definiert zu werden. Sie enthielten gar nichts zu diesem Thema! Nun haben wir konkrete Zielvorgaben; wir haben eine Überprüfung bis 2014, wobei auch andere, bisher nicht erfasste Materialien mit aufgenommen werden können; wir haben die Sicherheit, die soeben von Kommissar Dimas bestätigt wurde, dass gegen Staaten, die die zur Erreichung dieser Ziele geplanten Maßnahmen nicht umsetzen, gerichtlich vorgegangen werden kann.

Das scheint mir ein sehr wichtiger Punkt zu sein. Ebenfalls sehr wichtig ist, dass endlich ein politisches und juristisches Verfahren in Gang gesetzt wurde, um die Mitgliedstaaten zu verpflichten, echte Abfallvermeidungsprogramme aufzustellen, und dass endlich eine umweltgerechte Abfallhierarchie in eine verbindliche europäische Rechtsnorm aufgenommen wurde, sodass Abfall vom Problem zur Ressource wird.

Ganz ehrlich und im vollen Bewusstsein unserer Verantwortung glaube ich, dass eine Ablehnung dieses Kompromisses und die Einleitung eines riskanten Vermittlungsverfahrens nicht im Interesse der europäischen Bürger läge, sondern die Erreichung und Festlegung dieser Ziele, die hier klar und unumstößlich gesetzt wurden, in eine Art Russisches Roulette verwandeln würde.

 
  
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  Mojca Drčar Murko, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Mit dieser Richtlinie hoffen wir, die Tendenz, dass mehr Abfälle erzeugt als recycelt werden, umkehren zu können. Dieses Papier ist das Ergebnis einer mehrere Jahre währenden Debatte unter Berücksichtigung der realen Existenz von zwei großen Gruppen von Mitgliedstaaten bei den Abfallbewirtschaftungssystemen: den recycelnden Staaten und den deponierenden Staaten.

Der erzielte Kompromiss ist in diesem Licht zu betrachten. Erstmalig nehmen die Vermeidung und das Recyceln von Abfällen einen zentralen Platz in der Richtlinie ein. Außerdem weist der Text die erforderliche Dynamik auf, um sowohl höhergesteckten Zielen als auch Zielvorgaben für neue Abfallströme gerecht zu werden. Es handelt sich um einen recht ausgewogenen Kompromiss, der erreichbar und realistisch ist. Was die Änderungsanträge anbetrifft, so stellen sie unseres Erachtens insgesamt keine Gefahr für den erzielten allgemeinen Konsens dar.

Hinsichtlich der Nebenprodukte – der Artikel im Hauptteil der Richtlinie und der Artikel betreffend das Abfallende – befürchten die Kritiker zumeist eine Scheinverwertung. In Ermangelung eines internationalen Abkommens ist die Gefahr durchaus gegeben. Deshalb muss hervorgehoben werden, dass die Kommission dies mit Hilfe der Leitlinien vom Februar 2007 verhindern wird.

Es wäre sehr schön, wenn uns Herr Dimas heute versichern könnte, dass Stoffe oder Gegenstände nur dann als Nebenprodukte grenzüberschreitend in ein Drittland verbracht werden, wenn die Bedingungen in Artikel 4 Absatz 1 in der Gemeinschaft eingehalten werden.

Dies gilt analog für das Abfallende. Sind bestimmte Abfälle nicht mehr als Abfälle anzusehen, dürfen die entstandenen Stoffe oder Gegenstände nur dann in ein Drittland verbracht werden, wenn die Bedingungen von Artikel 5 in der Gemeinschaft eingehalten werden. Das würde es vielen Abgeordneten leichter machen, für den Kompromiss zu stimmen.

Abschließend möchte ich der Berichterstatterin wie auch den Schattenberichterstattern meinen aufrichtigen Dank für die effiziente Zusammenarbeit zum Nutzen der Bürger Europas aussprechen.

 
  
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  Jill Evans, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Ich schließe mich dem Dank an Frau Jackson an, denn die Debatte hätte durchaus enden können, ohne dass eine Einigung zu den Steuern erzielt worden wäre. Aber ich meine, die Diskussionen waren ohne jeden Zweifel durch eine ausgezeichnete Zusammenarbeit geprägt, auch wenn wir heute nicht glücklich sind – ich wünschte, wir wären es, und ich möchte hier einige der Gründe anführen, weshalb wir mit dem Kompromiss nicht zufrieden sind.

Wir haben 30 Kompromissanträge unterstützt und weitere gestellt, um nach einem Kompromiss bei den gefährlichen Abfällen, dem Abfallende, den Nebenprodukten und der getrennten Sammlung von Bioabfällen zu suchen und diesen zu untermauern. Von Anfang an waren die wesentlichen Fragen für uns jedoch die Annahme verbindlicher Ziele für die Verringerung der Abfälle und das Recycling wie auch der Widerspruch gegen die Neueinstufung der Verbrennung als Methode der Energierückgewinnung. Der endgültige Kompromiss umfasst kein rechtsverbindliches Ziel für die Verringerung der Abfälle. Eine Untersuchung zur Abfallvermeidung ist keine Alternative zu Stabilisierungsmaßnahmen; die kontinuierliche Zunahme der Abfallmengen ist keine nachhaltige Entwicklung, und ohne diese Maßnahme wird ein weiterer Anstieg zu verzeichnen sein.

Auch wenn die Zielvorgaben für Recycling und Wiederverwendung auf 50 % bzw. 70 % festgelegt wurden und die Mitgliedstaaten gesetzlich verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Ziele erreicht werden können, sind die definierten Vorgaben selbst nicht verbindlich. Ich bin Herrn Dimas dankbar für seine Erläuterung, aber warum wurde um den Wortlaut so ausgiebig gestritten? Es sollte wohl verhindert werden, dass diese Ziele verbindlichen Charakter erhalten.

Abfälle aus Herstellungsprozessen und Industrieabfälle, die ein großes Wiederverwendungs- und Recyclingpotenzial besitzen, wurden ganz und gar weggelassen. Die Verbrennung kann nicht als eine dem Recycling und der Wiederverwendung gleichwertige Option der Bewirtschaftung von Abfällen betrachtet werden; das würde nur zu weiteren Investitionen in Verbrennungsanlagen führen und die Abfallhierarchie direkt untergraben. Wird dieser nicht zufriedenstellende Kompromiss angenommen, haben wir die Chance verpasst, dass die EU wirklich etwas unternimmt und in der Abfallpolitik eine Vorreiterrolle übernimmt, was unbedingt erforderlich wäre.

 
  
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  Bairbre de Brún, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (GA) Frau Präsidentin! Ich möchte Frau Jackson für ihre Arbeit danken. Wir haben uns alle gemeinsam um eine Verbesserung des ursprünglichen Kommissionsvorschlags bemüht, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren.

Vielen Menschen in der gesamten Union wird der Vorschlag, Verbrennungsanlagen neuerdings als Verwertungsanlagen einzustufen, Sorge bereiten, sofern sie bestimmten Effizienzkriterien gerecht werden. Wir sind nach wie vor gegen diese Neueinstufung der Verbrennungsanlagen und haben einen Änderungsantrag vorgelegt, um diesen Punkt zu streichen.

Im Bereich des Recyclings enthält der zuletzt vorgelegte Konsens Zielsetzungen, deren Umsetzung Schwierigkeiten bereiten könnten, weil darin nur vage formuliert wird, dass Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen sollten, um die Recyclingziele zu verwirklichen.

Gute Rechtsetzung erfordert eine präzisere Formulierung der Zielsetzungen und erlaubt keinen Interpretationsspielraum für den Europäischen Gerichtshof. Wir setzen uns daher dafür ein, die vom Ausschuss verabschiedete Wortwahl beizubehalten.

Die Vorschläge zur Abfallvermeidung wurden so stark abgeschwächt, dass ihr Einfluss nicht mehr maßgeblich genug sein wird und sie den Mitgliedstaaten keine Unterstützung bei der Stabilisierung und Reduzierung ihres Abfallaufkommens bieten werden. Der unklare Verweis auf die Vermeidungsziele führt dazu, dass eine harmonisierte Vermeidungsinitiative sowie Indikatoren noch nicht im Rechtstext verankert sind.

Wir können daher einem Teil unserer gemeinsamen Arbeit zustimmen. Was jedoch andere Aspekte betrifft, so müssen wir meines Erachtens Änderungsanträge vorlegen. Ich möchte erneut Frau Jackson für ihren offenen und umfassenden Umgang mit den Schattenberichterstattern danken.

(Beifall)

 
  
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  Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit hat als Empfehlung für die zweite Lesung einen ganz vortrefflichen Bericht vorgelegt. Ich denke speziell an die herausragende Stellung der Abfallhierarchie, die Streichung der Kategorie Nebenprodukte, den klugen Umgang mit dem Ende der Abfalleigenschaft, die Schutzvorkehrungen für gefährliche Abfälle sowie die Abfallvermeidungs-, Wiederverwendungs- und Recyclingziele.

Einziges Manko in dem Bericht des Umweltausschusses war der Änderungsantrag zur Förderung der Abfallverbrennung durch ihre Einstufung als Verwertung, wenn ausreichend Energie zurückgewonnen wird.

In dem nach zwei Monaten erzielten Verhandlungsergebnis findet sich nicht mehr allzu viel von der Empfehlung des Umweltausschusses, und das liegt nicht etwa an der Berichterstatterin, sondern an der starren Haltung des Rates.

Der Artikel über Nebenprodukte wurde nicht geändert, und die Mitgliedstaaten können auf eigene Faust entscheiden, wann Abfälle nicht mehr als Abfälle anzusehen sind, mit allen damit verbundenen Störungen des Wettbewerbs. Außerdem wurden für die Abfallvermeidung keine Ziele festgelegt sowie die Wiederverwendungs- und Recyclingziele erheblich abgeschwächt. Aus diesem Grund habe ich dem Kompromisspaket meine Zustimmung versagt. Gleichwohl erhoffe ich mir von der morgigen Abstimmung, dass wir die besseren Elemente des Umweltausschusses nachträglich übernehmen, und damit meine ich vor allem die Änderungsanträge der GUE/NGL-Fraktion und der Grünen. Die Umwelt verdient es, dass wir ein weiteres Vermittlungsverfahren durchlaufen, in dem wir den Rat dazu bringen, die nötigen Verbesserungen vorzunehmen. Wenn wir als Parlament dabei Überzeugungskraft an den Tag legen, sollte es uns unter Leitung von Frau Jackson möglich sein, mehr herauszuholen, als es derzeit der Fall ist. Mein Dank gebührt Frau Jackson und den anderen Schattenberichterstattern für die konstruktive Zusammenarbeit, und ich hoffe morgen auf einen positiven Ausgang der Abstimmung.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI).(IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße und unterstütze alle Änderungsanträge, mit denen die Einführung von Zielen angestrebt wird, die für die Abfallvermeidung im Hinblick auf ein verbessertes Recycling unverzichtbar sind. Selbstverständlich unterstütze ich auch das Beharren auf einer eindeutig definierten und klar strukturierten Abfallhierarchie. Ebenso unerlässlich ist es, sich auf sichere und vergleichbare statistische Daten zu stützen, um weitere Fortschritte bei der Abfallvermeidung und beim Recycling von Industrieabfällen erzielen zu können.

Meine Damen und Herren, meines Erachtens müssen insbesondere wir im Parlament die Anwendung der Hierarchie als „allgemeine Regel“ und nicht nur, wie vom Rat bevorzugt, als „Leitprinzip“ entschlossen unterstützen. Die Richtlinie muss deutlich machen, welche Kriterien für eventuelle Abweichungen zugrunde zu legen sind, wobei Letztere meiner Ansicht nach unbedingt Teil eines geordneten Prozesses sein müssen, sodass es keine Unklarheiten in Bezug auf die Begriffe „Verwertung“ und „Beseitigung“ von Abfall gibt.

Ich stimme mit der Ansicht der Berichterstatterin überein, dass Energie aus Abfallverwertungsanlagen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Restmüll spielen kann und dass wir heute diesbezüglich vor einer wichtigen Weichenstellung stehen, wenn wir die Abhängigkeit der Europäischen Union von unsicheren Energieeinfuhren aus vielen anderen Teilen der Welt berücksichtigen. Abschließend möchte ich betonen, dass ich außerdem die Änderungsanträge zur Altölaufbereitung begrüße, die zunächst gestrichen worden waren.

 
  
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  Karl-Heinz Florenz (PPE-DE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar, liebe Caroline Jackson! Ich bin unzufrieden mit dem Kompromiss, aber ich bin nicht unzufrieden, weil die Kollegin Jackson falsch verhandelt hat, sondern ich bin ausnahmsweise, lieber Stavros Dimas, mit der Kommission unzufrieden.

Bei Flugzeugen, Industrie und Autos ist die Kommission außergewöhnlich streng und feilscht bei der CO2-Reduzierung um jedes Gramm, was auch richtig ist. Bei der Abfallpolitik aber spielt CO2 überhaupt keine Rolle. 100 Millionen Tonnen können wir nachweislich an CO2 einsparen. Das ist eine riesengroße Chance, die in diesem Dokument vertan wurde.

Das zweite, was ich bedaure, ist, dass wir so eine Art Betonunternehmen geworden sind. Wir betonieren die Ungleichheiten in Europa ein, nehmen keine Harmonisierung ins Visier. Wir beschreiben zwar Ziele, aber diese Ziele sind unverbindlich. In den nächsten 20 Jahren werden wir in Europa keine echten harmonisierten Ziele bekommen. Das ist das, was mich an diesem Bericht stört. 20 Jahre – das ist fast eine halbe Generation. Da hätten wir viel innovativer sein sollen, und das wäre auch möglich gewesen.

Ich glaube, Herr Kommissar, da gibt es nur ein großes Problem: Das ist der Artikel 14. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dazu noch etwas sagen würden. Das mag in einem föderalen Staat sehr kompliziert sein. Es geht um die Frage der gemischten oder eben nicht gemischten Abfälle und wie sie unter dem Prinzip der Autarchie behandelt werden. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, zu dieser Frage in Ihren Erläuterungen noch einmal Stellung zu nehmen.

Natürlich gibt es im Moment den einen oder anderen, der sagt: wir werden da eine große Mehrheit bekommen. Aber wenn diese Fragen nicht geklärt sind, werden sich einige große Länder sehr wohl schwer tun. Bitte denken Sie daran, wir haben ja nicht nur die morgige Lesung, wir haben auch noch eine dritte Lesung – und 64 Änderungsanträge in einem Vermittlungsverfahren sind relativ viel.

Also wenn Sie die Chance wahrnehmen, Herr Kommissar, zu diesen offenen Fragen das eine oder andere zu erklären, dann könnte ich mir vorstellen, dass wir am Ende zu einem guten Ergebnis kommen.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE). - (EN) Frau Präsidentin! Derzeit recyceln wir in Europa nur 27 % unserer Abfälle, und fast die Hälfte der anfallenden Menge wird auf Deponien verbracht. Das macht deutlich, dass unsere Abfallbewirtschaftung tiefgreifender Veränderungen bedarf. Dabei geht es in erster Linie darum, die Abfallvermeidung zu unterstützen, die Wiederverwendung und das Recycling stärker in den Mittelpunkt zu rücken und die Menge der auf Deponien verbrachten Abfälle zu minimieren. Deshalb begrüße ich die Tatsache, dass die Abfallhierarchie trotz einiger Debatten ihren Platz im neuen Kompromisstext behaupten konnte.

Was die Vermeidung, das eigentliche Ziel der Gesetzgebung betrifft, so vermisse ich in der aktuellen Fassung die Zielvorgaben für die Abfallstabilisierung, auf die wir uns in der ersten Lesung bereits geeinigt hatten. Während eine Person in den neuen Mitgliedstaaten jährlich 300 bis 350 kg Haushaltsabfälle produziert, verzeichnen die alten Mitgliedstaaten nahezu die doppelte Menge, nämlich 570 kg pro Jahr. Also sollten zuerst die reichen Länder damit beginnen, ihre Abfallproduktion zu vermindern.

Europaweit werden immer mehr Abfälle erzeugt. Deshalb reichen die im Kompromiss vorgesehenen Maßnahmen nicht aus: Wir müssen verbindliche Ziele festlegen, um der Zunahme der Abfallmengen Einhalt zu gebieten. Deshalb möchte ich den Änderungsantrag 48 unterstützen, der die Wiedereinführung einer Zielvorgabe für die Abfallstabilisierung vorsieht. Ich begrüße die vorgesehenen Vorgaben für die Wiederverwendung und das Recycling von Abfällen, aber ich befürchte, dass die neue Textversion, in der es heißt, dass die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen treffen“, um sicherzustellen, dass die Vorgaben eingehalten werden, nicht ausreicht. Was wir brauchen, sind konkrete, durchsetzbare und verbindliche Zielvorgaben, sowohl für die Haushalts- als auch die Industrieabfälle. Deshalb empfehle ich, den Änderungsantrag 82 zu unterstützen, um die Umsetzung der Zielvorgaben für das Recycling zu gewährleisten.

Nachdem ich diese Anmerkungen gemacht habe, erlaube ich mir abschließend, den Bericht zu begrüßen und Frau Jackson, meinem Kollegen, Guido Sacconi, und den anderen Kollegen für ihre Arbeit zu danken.

 
  
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  Chris Davies (ALDE). - (EN) Frau Präsidentin! Die erzielte Einigung entspricht dem, was möglich war, stellt die Berichterstatterin fest, und für das erreichte Ergebnis gebührt ihr Anerkennung. Manchmal kann in einer Konzertierungssitzung um 3.00 Uhr morgens ein Ergebnis erzielt werden, das zu einem anderen Zeitpunkt während des Verhandlungsprozesses nicht denkbar gewesen wäre.

Wir alle sind uns der Tatsache bewusst, dass unsere Abfallberge abnehmen müssen. Ein britischer Lebensmittelmarkt hat unlängst verkündet, dass er seine Verpackungsmaterialmengen bis 2012 um 25 % und den Einsatz von Tragetaschen um 33 % reduzieren will. Ferner will er sicherstellen, dass Lebensmittelabfälle durch anaeroben mikrobiellen Abbau in Energie umgewandelt werden. Auch soll die Anzahl der verwendeten Verpackungsmaterialien auf vier Arten reduziert werden, die sich leicht recyceln oder kompostieren lassen, und alle Verpackungen sollen mit leicht verständlichen Symbolen versehen werden, die den Kunden das Recyceln oder Kompostieren ihrer Abfälle erleichtern.

Das alles ist jedoch eine Frage des politischen Willens. Die Reduzierung der Abfälle hängt vom politischen Willen ab, und dieser Wille kann durch EU-Recht untermauert werden.

Ich meine, dass wir den Rat hätten zumindest dazu bewegen können, den Termin für die Vorlage der Vorschläge zur Abfallreduzierung von 2014 um ein paar Jahre vorzuverlegen. Das Parlament hat gute Arbeit geleistet, obgleich möglicherweise noch mehr erreichbar gewesen wäre.

 
  
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  Hiltrud Breyer (Verts/ALE). - Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorschlag ist eine Enttäuschung. Er ist geradezu ein Versagen vor der Notwendigkeit, mehr für den Klimaschutz und die Ressourcenschonung zu tun. Wir wissen, dass die Europäische Umweltagentur einen Anstieg der Abfallmengen bis 2020 um 50 % prognostiziert hat. Von daher ist es ein ganz klares Einknicken und Versagen, wenn es nicht gelungen ist, verbindliche Stabilisierungswerte festzuschreiben oder verbindliche Recyclingziele, die ja dem Druck der Mitgliedstaaten geopfert worden sind. Das ist eine ganz klare Verwässerung und ein Einknicken vor dem, was notwendig gewesen wäre.

Es ist auch enttäuschend, dass die Müllverbrennung immer mehr zur ultima ratio wird und die Müllvermeidung in den Hintergrund gedrängt wird. Daher hätten wir genau diese Recyclingquoten und die Müllstabilisierung gebraucht, um diese Schieflage wieder zurechtzurücken. Ich hoffe, dass wir durch die Annahme von Änderungsanträgen noch etwas an diesem Entwurf verbessern können und wirklich das tun, was notwendig wäre: nämlich eine ambitionierte Abfallpolitik gestalten, wie wir sie in der Europäischen Union bräuchten.

 
  
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  Roberto Musacchio (GUE/NGL).(IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir leid, doch ich habe einige Kompromisse zu beanstanden, die das, was das Parlament völlig zu Recht in erster Lesung angenommen hatte, zumindest teilweise zu untergraben drohen.

Es tut mir auch leid, weil diese Verschlechterungen vom Rat durchgesetzt wurden und weil sie falsch und gefährlich sind. Ich sage das von meinem persönlichen Standpunkt aus, denn ich lebe in Italien. In diesem Fall ist Italien leider ein negatives Beispiel für die Abfallwirtschaft, denn es hat gegen Geist und Buchstaben des europäischen Rechts, in dessen Rahmen eine vorbildliche, von der Verringerung bis zum Recycling reichende Hierarchie seit langem gefestigt ist, verstoßen.

Diese Hierarchie muss durch sichere quantitative Zielvorgaben – eben zur Verringerung und zum Recycling – auch für Industrieabfälle verschärft und nicht etwa gelockert werden, wie es in manchen Fällen geschieht, sodass Abfallbeseitigungsmaßnahmen das Feld überlassen wird, die den ihr zugrunde liegenden Ansatz unterminieren. Italien hat beispielsweise in den letzten Jahren die Müllverbrennung mit Milliarden von Euro gefördert, mit Ergebnissen, die alle vor Augen haben und die keineswegs als Erfolg betrachtet werden können.

 
  
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  Jim Allister (NI). - (EN) Frau Präsidentin! Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben mit den in die Höhe schnellenden Energiepreisen zu kämpfen. Deshalb meine ich, dass es sowohl vernünftig als auch notwendig ist, Abfall als einen potenziell bedeutsamen Brennstoff zu betrachten. Das würde ganz sicher beiden Seiten nutzen– zum einen dürften dann unsere enormen Abfallberge verschwinden, und zum anderen hätten wir eine alternative Energiequelle, insbesondere angesichts der derzeitigen Energiekrise und der zunehmenden Abhängigkeit von unsicheren Öllieferungen aus dem Ausland.

Deshalb verstehe ich die Zurückhaltung einiger Kollegen nicht, wenn es um den unverkennbaren Nutzen der Energieerzeugung aus Abfällen geht. Ich fürchte, einigen Kollegen sind ihre Recycling- und verbrennungsfeindlichen Dogmen so sehr ans Herz gewachsen, dass sie dafür die Möglichkeit der Erzeugung von Wärme und Strom aus Abfällen opfern. Ich glaube, hier unterliegen sie einem großen Irrtum.

Außerdem möchte ich hier feststellen, dass ich mich sehr für eine möglichst breitgefasste Definition des Begriffs „Verwertung“ in der Richtlinie ausspreche, die keinen Zweifel daran lässt, dass es sich bei der Erzeugung von Energie aus Abfällen um Verwertung und keine Beseitigung handelt. Diese Auslegung sollte insbesondere in der Landwirtschaft Anwendung finden, wo ein großes diesbezügliches Potenzial vorhanden ist.

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE).(FR) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich unserer Berichterstatterin Caroline Jackson ganz herzlich zu ihrer hervorragenden Arbeit gratulieren, die ihre umfassende Sachkenntnis in dieser schwierigen Frage der Abfallbewirtschaftung widerspiegelt. Ich gratuliere ihr auch dazu, dass sie sich während des gesamten Verhandlungsprozesses als aufmerksame Zuhörerin erwiesen hat, wodurch es möglich war, diesen schwierigen Kompromiss mit dem Rat und der Kommission zu erzielen.

Wir haben eine neue Richtlinie, mit der einige Punkte geklärt werden sollen. Wir begrüßen die Abfallbewirtschaftung und -hierarchie und das für die Mitgliedstaaten festgelegte ehrgeizige Ziel, bis 2020 50 % des Hausmülls wiederzuverwerten. Die Abfallbewirtschaftung muss aus Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling, Verwertung und, als letzte Möglichkeit, Beseitigung bestehen, und diese Abfallhierarchie muss als Leitsatz dienen. Wichtig ist auch, dass, wie im Text erläutert, Verbrennungsanlagen bestimmte Energieeffizienzkriterien erfüllen müssen, wobei natürlich nur dann auf die Verbrennung zurückgegriffen werden darf, wenn keine andere Methode durchführbar ist.

In Anbetracht dessen halte ich es für sehr positiv, dass der Text auch sehr strenge Kontrollen für gefährliche Abfälle und strengere Maßnahmen für die Rückverfolgbarkeit vorsieht.

Es handelt sich natürlich um einen Kompromiss, und wir wären bei einigen Punkten gerne viel weiter gegangen, beispielsweise durch die Aufnahme von Umweltkriterien in die Definition von Verwertung und die Festlegung strengerer Bedingungen für Abweichungen von der Abfallhierarchie. Des Weiteren stellt sich die Frage der Nebenprodukte, deren Definition Probleme bereitet. Nichtsdestotrotz müssen wir diesen Kompromiss unbedingt unterstützen, da wir nur zu gut wissen, wie schwer er zu erreichen war und dass ein Schlichtungsverfahren das Risiko des Scheiterns birgt und wir die Angelegenheit dadurch enorm verzögern würden. Wir müssen uns bewusst machen, dass es angesichts des bisherigen Versagens unserer europäischen Abfallpolitik weitaus besser ist, einer vernünftig scheinenden Lösung zuzustimmen, wobei die Europäische Kommission sehr sorgfältig über die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie wachen muss. Wir werden sehen, ob wir in ein paar Jahren weiter gehen können.

 
  
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  Anne Ferreira (PSE).(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Ich für meinen Teil bin weder mit der Form noch mit dem Inhalt dieses Kompromisstextes zufrieden.

Was die Form betrifft, finde ich, dass wir unsere Arbeit nicht richtig machen können, wenn nach zweijähriger Arbeit an einem Text die endgültigen Entscheidungen – die mehr als nur Anpassungen sind – stillschweigend getroffen werden, weit über das im Umweltausschuss Angenommene hinausgehen und erst ein paar Stunden vor der Abstimmung auf den Tischen der Abgeordneten landen.

Was den Inhalt betrifft, ist dieser Kompromisstext ein Text des Verzichts, der keine klare Definition für Verwertung enthält, nicht mehr die Eindämmung des Abfallvolumens anstrebt, keine ehrgeizige Recycling-Ziele mehr festlegt und leider das Unvermögen der Kommission und des Rates widerspiegelt, die auf europäischer und internationaler Ebene abgegebenen äußerst ehrgeizigen Erklärungen in die Tat umzusetzen.

Nein, ich bin nicht zufrieden, ich bin vielmehr besorgt über unser politisches Unvermögen, echte Maßnahmen für den Umweltschutz oder zur Verbesserung unserer Gesundheit zu ergreifen, was auch der Grund ist, weshalb ich gegen den Text gestimmt habe.

 
  
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  Anne Laperrouze (ALDE).(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich die Arbeit unserer Berichterstatterin Caroline Jackson und der Berichterstatterin für die ALDE-Fraktion, Mojca Drčar Murko, würdigen.

Das Thema gefährliche Abfälle wirft wesentliche Fragen der Rückverfolgbarkeit, des Verdünnungsverbots, der einheitlichen Archivierung der Informationen zur Abfallbewegung über einen langen Zeitraum – fünf Jahre für alle Beteiligten des Abfallkette – auf. All diese Fragen wurden jedoch eher oberflächlich behandelt, was mehr als bedauerlich im Hinblick auf die Gesundheit und die Umwelt ist.

Was die Nebenprodukte angeht, bin ich äußerst enttäuscht. Ich bin nicht gegen das Konzept der Nebenprodukte. Ganz im Gegenteil, ich erkenne deren Bedeutung an, aber ich denke, dass die im Gemeinsamen Standpunkt des Rates gegebene Definition keine ausreichenden Garantien bietet und dass sie letztendlich aufgrund der möglichen Missbräuche das eigentliche Konzept zu zerstören droht.

Andere Fragen wie das Ende der Abfalleigenschaft und die Verwertung von Abfällen scheinen mir zugunsten einer Einigung in zweiter Lesung geopfert worden zu sein.

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE). - Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Kollegin Jackson! Wir werden fraktionsübergreifend einen Änderungsantrag einbringen, der schon in der ersten Lesung die Mehrheit des hohen Hauses gefunden hat. Es geht um folgendes Problem: Es kommt in der EU in vielen Ländern immer wieder zu unkontrollierter Verfütterung bzw. zu einem wilden Deponieren von unbehandelten, nicht sterilisierten Speiseresten. Dieses Verhalten bringt immer wieder die Gefahr von Krankheiten, wie z. B. Maul- und Klauenseuche, mit sich. Es ist deshalb notwendig, dass diese Speisereste durch geeignete Verfahren von zugelassenen Unternehmen sterilisiert und unschädlich beseitigt werden. Eine Verwendung in Futtermitteln für Schweine darf von den Mitgliedstaaten nur genehmigt werden, wenn eine Sterilisierung von 133 °C bei einem Druck von 3 bar während einer Dauer von 20 Minuten vorgenommen wurde und alle weiteren Bestimmungen der Verordnung 1774/2002 lückenlos eingehalten werden. Ich bin überzeugt, dass der Rat bei Annahme des Änderungsantrags durch das Parlament diese Regelung mit in den Kompromiss übernehmen wird.

 
  
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  Umberto Guidoni (GUE/NGL).(IT) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kompromiss, der erzielt worden ist, stellt im Vergleich zu dem im Umweltausschuss angenommenen Text einen Rückschritt dar.

Im ursprünglichen Text stand, dass das Abfallaufkommen ab 2012 auf das Niveau von 2009 gesenkt werden sollte, womit eine echte Abfallvermeidungspolitik mit zeitlich gestaffelten Maßnahmen eingeführt worden wäre. Dieses Ziel wurde mit dem Kompromiss aufgegeben und alles im Unklaren gelassen. Der Umweltausschuss hatte Minimalziele für das Recycling von Haushalts- und Industrieabfällen festgelegt, die zu klaren – wenn auch weit entfernt liegenden – Terminen erreicht werden sollten. Diese Ziele wurden ebenfalls abgeschwächt, indem sie lediglich auf einige Materialarten beschränkt und die Industrieabfälle ausgeschlossen wurden.

Ein anderer negativer Aspekt ist die Förderung von Verbrennungsanlagen über eine bestimmte Effizienz von Beseitigungs- und Verwertungsanlagen hinaus. Diese Richtlinie scheint sich dem Willen starker Interessengruppen zu beugen. Das Ergebnis des irischen Referendums hat gezeigt, dass man sich entweder auf die Seite der Bürger und ihrer Anliegen stellt oder aber Gefahr läuft, dass der Europagedanke abgelehnt und der Integrationsprozess gelähmt werden.

Das Parlament muss die Tausende von E-Mails europäischer Bürger, die größere Verpflichtungen und verbindliche Ziele fordern, ernst nehmen, sonst riskieren wir, eine weitere große Chance zur Stärkung der Glaubwürdigkeit der Europäischen Organe zu verpassen.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE).(HU) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich begrüße das Kompromisspaket, möchte aber zugleich auch betonen, dass es sich um einen äußerst zerbrechlichen Kompromiss handelt. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass alle Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden und nicht nach Schlupflöchern suchen, die möglicherweise in den Rechtsvorschriften verblieben sind. In Ungarn macht die getrennte Sammlung von Abfällen derzeit 2 % der Gesamtabfallmenge aus. So kann ich nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Richtlinie schließlich dazu beitragen wird, diese unbefriedigende Situation zu verbessern. In Osteuropa wird in den letzten Jahren verstärkt in die Abfallbewirtschaftung investiert, wobei zumeist Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen des strukturpolitischen Instruments zur Vorbereitung auf den Beitritt (ISPA) und der Kohäsionsfonds genutzt werden. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört die Errichtung von Deponien, doch in vielen Gemeinden wurden schon Programme zur Abfalltrennung ins Leben gerufen, dazu gehören u. a. auch Einzelmaßnahmen, die auf die separate Sammlung organischer Abfälle gerichtet sind. Jedoch ist andererseits auch festzustellen, dass überhaupt keine wirksamen Maßnahmen zur Abfallverringerung eingeleitet wurden und auch keine diesbezüglichen Investitionen erfolgt sind, darüber hinaus fehlt es noch an einer typischen Industrie für die Verarbeitung recycelbarer Abfälle. Deshalb kommt den von der Europäischen Union vorgesehenen Richtlinien große Bedeutung zu, nicht zuletzt auch für Ungarn. Statistischen Angaben zufolge könnte jede Gemeinde die von ihr erzeugten Abfälle im Grunde genommen um die Hälfte reduzieren, sobald trockene Abfälle recycelt und organische Abfälle der Haushalte zur Abholung gesammelt werden. Bei der Entscheidung über neue Verpflichtungen sind aber auch deren Durchsetzbarkeit sowie die damit verbundenen Kosten zu berücksichtigen. Können zum Beispiel zusätzliche Investitionen in die gleichen Bereiche erfolgen, in denen bereits Projekte im Rahmen des ISPA-Instruments laufen? Können die ursprünglichen Verträge abgeändert werden? Ist dies nicht der Fall, spielt es kaum eine Rolle, ob Bedarf an der Erweiterung der Abfalltrennung besteht oder ob es Rechtsvorschriften für die Reduzierung der auf Deponien verbrachten Abfälle gibt; bei Verträgen mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren müssen die gesammelten Abfälle auf den errichteten Deponien entsorgt werden. Neben der Annahme dieser Richtlinie sollten wir deshalb unverzüglich nach Möglichkeiten für die Abänderung der bestehenden Verträge suchen. Ich gratuliere der Berichterstatterin zu ihrer ausgezeichneten Arbeit. Vielen Dank.

 
  
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  Horst Schnellhardt (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich glaube, wir können der Berichterstatterin gratulieren. Sie hat doch ein ordentliches Ergebnis mit dem Rat erzielen können. Insbesondere möchte ich hervorheben, dass die abweichende Hierarchie umgesetzt werden konnte.

Es gibt aber auch negative Punkte, die eigentlich unverständlich sind und vom Rat in dieses Dokument eingebracht wurden. Dies betrifft einerseits die tierischen Nebenprodukte. Bisher hatten wir im Ausschuss festgelegt, dass tierische Nebenprodukte aus dieser Abfallrahmenrichtlinie herausfallen. Was der Rat jetzt gemacht hat, ist eine solche bürokratische Hürde, die einen Landwirt eigentlich auf die Barrikade treiben müsste. Da wird festgelegt, dass Gülle, die zu Biogas verarbeitet wird, plötzlich Abfall ist. Wissen Sie, was das bedeutet? Das bedeutet, dass der Landwirt eine Genehmigung zur Verarbeitung von Abfall einholen muss, dass er genau darlegen muss, um welche Menge und um welche Art von Abfall es geht, und er muss den Standort angeben.

In der Richtlinie für Nebenprodukte ist es genau festgelegt, dass es für Gülle Ausnahmen gibt. Wenn der Bauer die Gülle also auf den Acker bringt, dann hat er es einfacher als wenn er sie zu Biogas verarbeitet. Eine Methode, wie wir eigentlich fördern wollen, belegen wir jetzt mit bürokratischen Hürden.

Der zweite Punkt ist die Frage des Altöls. Bisher war in der Altöl-Rahmenrichtlinie – die ja jetzt aufgehoben wird – festgelegt, dass Altöl verarbeitet wird und wieder gewonnen werden soll. Es sind große Mengen, die da umgesetzt werden. Natürlich stand schon fest, dass dies nicht gelten soll, wenn es wirtschaftlich nicht sinnvoll und technisch nicht umsetzbar ist. Jetzt wurde festgelegt, dass die Mitgliedstaaten entscheiden sollen. Ja, sind wir nun eine Europäische Union oder sind wir wieder Mitgliedstaaten? Wir brechen also hier ganz klar den Markt wieder auf. Ich halte das für sehr bedenklich. Nun zur Frage der Autarchieausweitung. Die Kommunen bestimmen nun, wer, wann, was entsorgt. Natürlich war der Druck der Kommunen, die die Verbrennungsanlagen nicht auslasten sehr stark. Aber das ist der falsche Weg. So kann es nicht gehen, und diese Ausweitung bremst die Marktwirtschaft in dieser Frage völlig aus.

 
  
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  Frieda Brepoels (PPE-DE).(NL) Frau Präsidentin! Mit diesem Kompromiss sind wir meines Erachtens im europäischen Umweltrecht zweifellos einen guten Schritt vorangekommen. Dennoch bin ich mit dem Kompromiss nicht rundherum zufrieden. Weshalb nicht? Meine Heimatregion, Flandern, praktiziert beispielsweise gemeinsam mit den Niederlanden die beste Abfallpolitik und ist Meister im Sortieren und Recyceln. Deshalb halten wir die vorgeschlagenen Recycling- und Abfallvermeidungsziele für völlig unzureichend. Wir sehen darin im Grunde keinerlei Anreiz, um künftig noch besser zu werden.

Vollends glücklich sind wir auch nicht über die Möglichkeit, Verbrennungsanlagen für Siedlungsabfälle auf der Grundlage der Energieeffizienzformel als Verwertung einzustufen, die unserer Meinung nach in der Praxis große Verwirrung stiften kann. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass sich das Gesamtergebnis sehen lassen kann, und daher möchte ich Frau Jackson für ihr enormes Engagement meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Wir werden den Kompromiss mittragen.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE).(HU) Frau Präsidentin! Leider ist es so, dass die Abfallrahmenrichtlinie in ihrer jetzigen Form eine Gefahr für die Erweiterung der Biogasnutzung darstellt. Ich stimme unserem Kollegen, Herrn Schnellhardt, von der PPE-DE-Fraktion, voll und ganz zu, dass das vorliegende Schriftstück in Bezug auf die Biogasproduktion wie auch in Bezug auf die Verwendung von Gülle oder von Siedlungsabfällen unzureichend ist. In ihrer derzeitigen Form gefährdet die Abfallrichtlinie leider die Erweiterung der Nutzung von Biogas. Damit wird der Bericht von Frau Jackson in Frage gestellt. Die in der Abfallrichtlinie erfolgte Klassifizierung des zu Biogas verarbeiteten Dungs als Abfall ist nicht eindeutig. Soll die Richtlinie den Dung umfassen, würde die Erzeugung von Biogas aus tierischem Dung unmöglich gemacht, und das, obwohl diese aus Sicht der Energiewirtschaft, des Umwelt- und Klimaschutzes deutliche Vorteile mit sich bringt. Diese Unstimmigkeit ist zu klären und sobald als möglich die Übereinstimmung der Rechtsvorschriften zu sichern. Deshalb müssen wir den das Biogas betreffenden Standpunkt der Kommission zur Richtlinie annehmen.

 
  
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  Adam Gierek (PSE).(PL) Frau Präsidentin! Meinen Glückwunsch an die Berichterstatterin für ihre realistische Einschätzung des wachsenden Abfallproblems. Die Grundannahme der vorgeschlagenen Verordnungen ist die Abfallvermeidung und das Werkstoffrecycling. Die energetische Verwertung ist zwar einfacher, sie sollte aber das aufwändigere Werkstoffrecycling nicht verdrängen.

Deshalb ist es notwendig, Bedingungen für das Werkstoffrecycling zu schaffen und in den Gesetzen genauer zu unterscheiden, ab wann z. B. Metallschrott nicht mehr Abfall sondern Rohstoff ist. Es bedarf besserer und günstigerer Technologien des Werkstoffrecyclings. Die Erzeugnisse sollten so konzipiert sein, dass das Recycling einfacher wird. Wir brauchen getrennte Sammlungen, die so an den Markt angepasst werden, dass sowohl die Haushalte als auch potenzielle Nutzer von Sekundärwertstoffen davon profitieren können.

Geschieht das nicht, drohen uns erneut Situationen wie derzeit in Neapel, wo sich die Abfallverbrennung leider als einzige Möglichkeit erweist.

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich danke allen, die sich in dieser Diskussion zu Wort gemeldet haben, für ihre positiven Beiträge.

Auf der Grundlage des angenommenen Texts haben die Mitgliedstaaten nun eine Reihe von Maßnahmen einzuleiten, um ihre Abfallbewirtschaftung zu verbessern. Die Richtlinie enthält klare Definitionen und Grundsätze für die Abfallbewirtschaftung, die, so hoffe ich, die derzeitigen Probleme bezüglich der Interpretation lösen, die Zahl der Gerichtsverfahren reduzieren und eine solide Rechtsgrundlage für die Funktion des Abfallbehandlungssektors liefern werden.

Das vorgeschlagene Kompromisspaket umfasst insgesamt eine Reihe wesentlicher Elemente. Auf die wichtigsten werde ich nun eingehen.

Erstens ist das ehrgeizige ökologische Ziel der Richtlinie nunmehr unmissverständlich definiert. Das Umweltschutzniveau wurde nicht nur beibehalten, in einigen Fällen wie bei den gefährlichen Abfällen ist sogar ein höheres Maß vorgesehen.

Die Mitgesetzgeber haben eine Reihe von Eckdefinitionen vereinbart einschließlich klarer und verständlicher Definitionen der Begriffe Abfall, Vermeidung, Recycling und Verwertung. Ferner wurden in die Richtlinie die Regelungen zweier weiterer Richtlinien erfolgreich eingebaut, wodurch der Zugang zu den Rechtsvorschriften verbessert und gleichzeitig das hohe Maß an Umweltschutz beibehalten wird.

Es ist eine klare Unterscheidung zwischen Verwertung und Beseitigung getroffen worden, und die Kommission hat die Möglichkeit, bei Bedarf eine weitere Abgrenzung vorzunehmen.

Die festgelegte fünfstufige „Abfallhierarchie“ fördert die Abfallvermeidung und sieht die Beseitigung von Abfällen nur dann vor, wenn keine andere Möglichkeit besteht. Gleichzeitig räumt sie ein entsprechendes Maß an Flexibilität ein, das durch vernünftige Überlegungen zum Lebenszyklus gerechtfertigt ist.

Ich verweise auf die Bedeutung, die das Parlament während der Verhandlungen der Stärkung der oberen Ebenen der „Abfallhierarchie“ durch die Einführung von Zielvorgaben für das Recycling beigemessen hat. Werden diese Zielvorgaben 2020 nicht erreicht, kann die Kommission Gerichtsverfahren wegen Nichterfüllung der Forderungen der Richtlinie gegen die Mitgliedstaaten einleiten. Ferner soll mit der vorliegenden Textfassung ein regelmäßigerer und gründlicher Prozess der Überwachung der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen eingeleitet werden, der dem vorzeitigen Erreichen der Ziele dient, und 2020, wenn die Abfallbewirtschaftungssysteme bereits in Kraft sind, nicht einfach nur die Einhaltung überprüft werden. Mit diesem frühzeitigen Umsetzungsprozess lassen sich 2020 unangenehme Überraschungen vermeiden.

Schließlich wird mit der Richtlinie eine völlig neue Dimension der Abfallvermeidung eingeführt, an der die Kommission nach ihrer Annahme und Umsetzung unbedingt festhalten will. Die Mitgliedstaaten haben nun ihre nationalen Abfallbewirtschaftungspläne zu erarbeiten und die dafür erforderlichen Netzwerke zu errichten, die den in der überarbeiteten Richtlinie verankerten Grundsätzen und neuen Pflichten entsprechen müssen.

Artikel 14 der Abfallrahmenrichtlinie schreibt weder vor, dass sich private oder öffentliche Einrichtungen an der Errichtung und dem Betrieb solcher Netze beteiligen sollen, noch wirkt er sich auf irgendeine Art und Weise auf die Eigentumsverhältnisse der Abfallbewirtschaftungsunternehmen – ob öffentlich oder privat – und der zugehörigen Infrastruktur aus. Die Aufgabenverteilung zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor ist eine interne Angelegenheit der Mitgliedstaaten und unterliegt ihrem alleinigen Ermessen. Ist bereits ein entsprechendes Netz an Beseitigungs- und Verwertungseinrichtungen vorhanden – sei es in privater oder öffentlicher oder auch in kombinierter Form –, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.

Hinsichtlich der Bedenken wegen einer fehlenden Zielvorgabe für das Recycling von Abfällen aus Herstellungsprozessen und Industrieabfällen wird meine Dienststelle die Möglichkeit der Festlegung eines solchen Ziel als vorrangige Aufgabe im Rahmen der Überprüfung im Jahr 2014, die in Artikel 8a (Punkt 4) vorgesehen ist, prüfen.

Was die Fütterung von Tieren mit tierischen Nebenprodukten wie Küchen- und Speiseabfällen anbetrifft, so ist dies in der Verordnung für tierische Nebenprodukte geregelt, die gegenwärtig überarbeitet wird. Dies soll auch so bleiben, da die Abfallrahmenrichtlinie nicht die geeignete Rechtsvorschrift für die Regelung der Verwendung von Küchen- und Speiseabfällen ist.

Die Frage, ob die Anforderungen an Nebenprodukte und Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft in der Europäischen Union vor dem Verbringen in Drittländer erfüllt sein müssen, wird von der Kommission bejaht.

Hinsichtlich der Frage, ob Dung aus der Rahmenrichtlinie auszuschließen ist, wird festgestellt, dass Dung nicht als Abfall gilt, wenn er als Düngemittel eingesetzt wird. Er stellt jedoch Abfall dar, wenn er zur weiteren Behandlung oder Beseitigung, zum Beispiel durch Verbrennung, zur Erzeugung von Biogas, Kompostierung oder Deponierung vorgesehen ist. Würde der Dung in den Rechtsvorschriften für Abfälle nicht erfasst, entstünde eine ernsthafte Lücke im Umweltrecht, da es dann keine Rechtsmittel für die Regelung solcher Fragen wie die Luft- und Wasseremissionen, die Anforderungen an die Verbringung auf Deponien, Lärm- und Geruchsentwicklung und weiterer Aspekte geben würde.

Schließlich ist festzustellen, dass die Europäische Union die Herstellung von Biogas und die Kompostierung von Abfällen fördern sollte. Allerdings sind Biogas und Kompostieranlagen nicht umweltneutral. Sie erzeugen Luft- und Wasseremissionen und können zu Belästigungen führen, zum Beispiel in Form von Geruchs- und Lärmentwicklungen. Wäre für die Biogaserzeugung oder für Kompostieranlagen bestimmter Dung von der Abfallrahmenrichtlinie ausgenommen, würden solche Anlagen nicht unter die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC) fallen.

Abschließend möchte ich Frau Jackson noch einmal gratulieren und ihr für die ausgezeichnete Arbeit danken. Die Kommission ist mit dem Ergebnis der Verhandlungen sehr zufrieden und kann den vorgeschlagenen Änderungsanträgen, die einen Kompromiss darstellen, voll und ganz zustimmen.

 
  
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  Caroline Jackson, Berichterstatterin. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich nur kurz bei allen Kolleginnen und Kolleginnen bedanken, die sich an der Aussprache beteiligt haben. Antworten werde ich nur auf den Beitrag eines Kollegen, und zwar Herrn Davies – nunmehr auch als „Chris ‘Newsnight’ Davies“ bekannt, benannt nach der Sendung, in der er gerne auftreten möchte. Herr Davis meinte, ich hätte dem Rat zu schnell nachgegeben. Ich hoffe, dass mir meine Kolleginnen und Kollegen zustimmen, wenn ich sage, dass ich nicht zu schnell nachgegeben habe und auch in keiner Sache leicht nachgebe. Frau Laperrouze wird für den Wassersektor bestätigen, dass die Verhandlungen mit dem Rat zunehmend schwierig werden. Angesichts der um sich greifenden Rezession ist der Rat sich dessen bewusst, dass diese Rechtsvorschriften Kosten verursachen werden und stimmt deshalb den Änderungsanträgen des Parlaments nur zögerlich zu.

Wir haben uns morgen Vormittag zu entscheiden. Wir können dem vor uns liegenden Paket von Änderungsanträgen zustimmen, und ich hoffe sehr, dass dies auch geschieht. Wir könnten einige wichtige Änderungsanträge durchbringen, zum Beispiel zu Nebenprodukten, was bedeuten würde, dass das Paket zum Scheitern verurteilt ist und wir alle in ein Konzertierungsverfahren gehen. Oh, wäre das lustig! Oder wir einigen uns, vielleicht über Nacht, auf einen weniger bedeutsamen Änderungsantrag oder einen Antrag, der von seinen Antragstellern als weniger bedeutsam bezeichnet wird wie zum Beispiel den Änderungsantrag 88, zu dem ich die Stellungnahme der Kommission erwarte.

Ich meine, es ist nicht klar, ob der Rat überhaupt Änderungsanträgen zustimmt, wie unbedeutend diese auch sein mögen. Deshalb unterstütze ich das Paket, so wie es vorliegt, ohne Änderungen. Schließlich muss das Paket doch bedeutsam sein, hätte der Rat sonst so heftig darüber gestritten? Es handelt sich keinesfalls um einen bedeutungslosen Kompromiss, wie die Grünen versuchen, ihn darzustellen, sondern vielmehr um ein Paket, das Zähne hat.

Abschließend möchte ich den Schattenberichterstattern für ihre Mitarbeit danken – Caroline Jackson und die Schatten, das klingt wie der Name einer Band aus den 60er Jahren –, wobei ich mir trotz der guten Zusammenarbeit nicht wünsche, dass wir uns im Konzertierungsverfahren wieder und wieder begegnen müssen. Ich meine, wir sollten versuchen, dieses Thema morgen Vormittag zum Abschluss zu bringen.

 
  
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  Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen, Dienstag, dem 17. Juni, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE), schriftlich. Mit der neuen Abfallrahmenrichtlinie hat das Parlament nun die Festlegung hoher und verpflichtender Recyclingquoten durchgesetzt. Dies war auch dringend notwendig und ich sehe jetzt mit Zuversicht in die Zukunft, in der Mülltrennung und Recycling europaweit immer mehr praktiziert werden wird. 50 Prozent Recyclinganteil bei Hausmüll und 70 Prozent bei Bau- und Abbruchabfällen bis 2020 halte ich für ein sehr gutes Ziel, das den Weg in eine funktionierende, umwelt- und klimagerechte Abfallbewirtschaftung in ganz Europa ebnet. Gerade weil die Österreicher jetzt schon vorbildlich Müll trennen und recyceln, freut es mich sehr, dass sich nun auch alle anderen Mitgliedstaaten daran beteiligen werden und wir dem effizienten Umweltschutz wieder einen Schritt näher kommen. Denn wir sollten nicht vergessen, dass Abfälle ebenso Rohstoffe sind, deren effizientere Nutzung auch im Kampf gegen den Klimawandel helfen kann.

Nun heißt es, den konkreten Vorschlag der Kommission, wie wir vermeiden können, dass Wirtschaftswachstum gleichzeitig Abfallwachstum bedeutet, abzuwarten.

 

20. Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik (Aussprache)
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die Empfehlung für die zweite Lesung von Anne Laperrouze im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit betreffend den gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 20. Dezember 2007 im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik und zur Änderung der Richtlinien 82/176/EWG, 83/513/EWG, 84/156/EWG, 84/491/EWG, 86/280/EWG und 2000/60/EG (11486/3/2007 – C6-0055/2008 – 2006/0129(COD)) (A6-0192/2008).

 
  
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  Anne Laperrouze, Berichterstatterin. (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht, den wir heute in zweiter Lesung vorstellen, ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit, dank derer wir mit dem slowenischen Vorsitz und der Europäischen Kommission eine Einigung erzielt haben. Für mich war es eine wahre Freude, mit meinen Ko-Berichterstattern aus den verschiedenen Fraktionen einen Kompromiss zu erarbeiten. Ich hatte das Glück, kompetente und erfahrene Kollegen zu haben, die gut zuhörten und bei den Verhandlungen stets anwesend waren. Ich möchte ihnen herzlich danken, und auch dem Sekretariat des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, den Beratern der Fraktionen und meinem Assistenten, Sylvain Maréchal, möchte ich meinen Dank aussprechen.

Ich wähle den Begriff Gemeinschaftsarbeit, weil wir sowohl mit den Vertretern des slowenischen Vorsitzes, die die Empfehlungen des Parlaments berücksichtigten, als auch mit den Vertretern der Europäischen Kommission, die uns Antworten gaben, durch die wir diesen Richtlinienvorschlag leichter verstehen konnten, hervorragend zusammengearbeitet haben. Ich denke, dass die Ergebnisse unserer Zusammenarbeit in den Kompromissänderungsanträgen, die morgen zur Abstimmung stehen, für alle erkennbar sind. Ich bedanke mich also bei allen, die mir bei meiner Arbeit als Berichterstatterin für dieses spezifische Thema geholfen haben.

Ich komme nun zum Inhalt. Die Wasserrahmenrichtlinie sieht eine Strategie zur Bekämpfung der chemischen Verschmutzung von Wasser vor. Dieser Vorschlag für eine Tochterrichtlinie zielt darauf ab, durch die Festlegung von Umweltqualitätsnormen einen hohen Schutz vor den Risiken zu gewährleisten, die einige Stoffe für die aquatische Umwelt darstellen.

Gestatten Sie, dass ich die wesentlichen Fortschritte dieses Kompromisstextes darlege. Wir haben zwei Hauptgrundsätze eingeführt: das Verursacherprinzip und den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen vorrangig an ihrem Ursprung zu bekämpfen. Die bedeutendsten Aspekte sind konkreter Art. Ein Beispiel bilden die – in Durchmischungsbereiche umbenannten – Übergangszonen der Überschreitungen, die nicht mehr nur einfach festgestellt werden, sondern nun als Instrument zur Hervorhebung eines Problems dienen, woraus sich ergibt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Abhilfemaßnahmen festzulegen haben.

Das Hauptanliegen dieser Richtlinie war die Harmonisierung der Normen auf Gemeinschaftsebene. Es verstand sich daher von selbst, dass die Kommission die Leitlinien für die Harmonisierung der Bestandsaufnahmen, Emissionen, Einleitungen und Durchmischungsbereiche festlegt. Das haben wir erreicht. Wir konnten auch sicherstellen, dass der Zustand der grenzüberschreitenden Oberflächengewässer zwischen Mitgliedstaaten, oder auch von Drittländern stammend, stärker berücksichtigt wird.

Das Parlament hatte gehofft, zahlreiche weitere Stoffe aufzunehmen. Die Kommission wählte im Vorfeld 13 Stoffe aus, die sie als gefährlich einstuft. Der Kompromiss sieht eindeutig vor, dass die Kommission 24 Monate Zeit haben wird, auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten über die endgültige Einstufung zu befinden und entsprechende Grenzwerte vorzuschlagen. Das ist ein ziemlich großer Fortschritt, da es sich bei diesen Stoffen in der Hauptsache um PCB, freies Zyanid, EDTA, Dioxine und Bisphenole handelt.

Was die heikle Frage der Sedimente und Biota angeht, so sieht der Kompromiss in Ermangelung eines wissenschaftlichen Konsenses vor, dass die Mitgliedstaaten sie überwachen müssen, um die langfristigen Trends in Bezug auf die sich dort ansammelnden Stoffe zu bewerten.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments waren überrascht, dass der Vorschlag keine neuen Maßnahmen zur Überwachung der Emissionen enthielt, und erreichten den in Artikel 7 festgelegten Kompromiss, nach dem die Kommission auf der Grundlage von Berichten der Mitgliedstaaten die Wirksamkeit der bestehenden Rechtsvorschriften und die Fortschritte bei der Verringerung der Ausdehnung der Durchmischungsbereiche prüft und dann Änderungen vornimmt oder entsprechende Rechtsvorschriften vorschlägt.

In Anbetracht dieser Fortschritte möchte ich die Mitglieder auffordern, dieses Kompromisspaket zu unterstützen.

 
  
  

VORSITZ: ADAM BIELAN
Vizepräsident

 
  
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  Stavros Dimas , Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Heute geht es um eine der wichtigsten Aufgaben der Umweltpolitik: den Schutz unserer Wasserressourcen zu unserem eigenen Nutzen und zum Nutzen künftiger Generationen.

Eingangs möchte ich der Berichterstatterin Frau Laperrouze und dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit zu ihrer hervorragenden Arbeit und zu ihrer Kooperation bei der Ausarbeitung dieser Richtlinie gratulieren.

Wie Sie sich sicher erinnern, wurden in der Wasserrahmenrichtlinie, dem wichtigsten EU-Rechtsinstrument für den Wasserschutz, weitere Rechtsvorschriften in zwei Bereichen als notwendig erachtet: EU-Qualitätsstandards für Grundwasser und EU-Qualitätsstandards für prioritäre Stoffe in Oberflächengewässern.

Die Grundwasserrichtlinie wurde Ende 2006 im Vermittlungsverfahren angenommen. Heute muss das Europäische Parlament in zweiter Lesung über den Vorschlag für eine Richtlinie über Umweltqualitätsnormen für prioritäre Stoffe in Oberflächengewässern befinden. In der Richtlinie werden harmonisierte Qualitätsstandards für 33 aufgeführte Stoffe festgelegt, womit das Konzept der guten Wasserqualität in feste Zahlenwerte umgesetzt wird, die sich auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und Kenntnisse stützen. Auf diese Weise wird die Richtlinie zu einem hohen Schutzniveau für die aquatische Umwelt und die menschliche Gesundheit beitragen. Dies ist darüber hinaus auch Zweck der Wasserrahmenrichtlinie.

Die Kommission ist entschlossen, die Umsetzung der Grundwasserrichtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie streng zu überwachen. Sie will zudem Informationen über das Vorhandensein und die Auswirkungen von Stoffen erfassen und auswerten, die nicht in der Prioritätenliste oder in der Liste prioritärer gefährlicher Stoffe aufgeführt sind. Sie beabsichtigt, gegebenenfalls Vorschläge für die Annahme weiterer erforderlicher Maßnahmen anzunehmen.

Im Verlauf der Verhandlungen haben die Interventionen des Parlaments zu zahlreichen wichtigen Themen dazu beigetragen, die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen ehrgeizigen Zielvorgaben zu sichern. Dies trifft insbesondere auf einige zentrale Punkte zu: die vorgesehene Überarbeitung der Liste prioritärer Stoffe, die nun direkt an Umweltqualitätsstandards gebunden ist und innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie vorgelegt wird; die Liste der nach Änderung der bestehenden Liste zu prüfenden Kandidatenstoffe und die Kriterien für die Bestandsaufnahme der Emissionen, Einleitungen und Verluste und für Mischungszonen.

Zudem möchte ich kurz auf das Thema Schadstoffemissionskontrolle eingehen. Wie Sie wissen, sieht die Wasserrahmenrichtlinie die Verknüpfung von Emissionskontrollen mit Umweltqualitätsstandards vor. Emissionskontrollen werden größtenteils von bestehenden Gemeinschaftsvorschriften abgedeckt. Neben Emissionskontrollen gemäß den Richtlinien zur Behandlung kommunaler Abwässer, zur Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen und zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung – diese Richtlinien waren bei der Verabschiedung der Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 bereits in Kraft – hat die Kommission in der Zwischenzeit mehr als 30 gemeinschaftliche Rechtsinstrumente verabschiedet oder vorgeschlagen. Ich möchte einige davon beispielhaft nennen: die REACH-Verordnung, die Verordnung über persistente organische Schadstoffe, die Bergbauabfall-Richtlinie sowie Beschränkungen für den Einsatz von Stoffen gemäß der Pestizid-Richtlinie und die Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe.

Wir sind der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten über ausreichende Rechtsinstrumente verfügen, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen.

Darüber hinaus wird die Kommission die Notwendigkeit für zusätzliche Kontrollmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene prüfen und falls erforderlich im Rahmen der Überarbeitung der Liste prioritärer Stoffe Vorschläge vorlegen. Sie wird zudem das Erfordernis einer Einstufung bestimmter prioritärer Stoffe als prioritäre gefährliche Stoffe abwägen und dabei die neuesten Erkenntnisse sowie die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der REACH-Verordnung in Betracht ziehen.

Abschließend möchte ich erneut meine Zufriedenheit über die gemeinsame und insbesondere die von der Berichterstatterin geleistete Arbeit zum Ausdruck bringen. Ich möchte nochmals bekräftigen, dass das Kompromisspaket mit Maßnahmen, das zu diesem sehr wichtigen Rechtsinstrument in zweiter Lesung angenommen wurde, die volle Unterstützung der Kommission genießt.

 
  
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  Robert Sturdy, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich möchte Frau Laperrouze gratulieren. Sie ist eine ausgezeichnete Berichterstatterin, und ich habe sehr gerne mit ihr zusammengearbeitet. Ich bin froh, dass die Kommission ihre Zustimmung zum Bericht erklärt hat.

Ich werde die grundlegenden Ausführungen von Frau Laperrouze nicht wiederholen und möchte lediglich einige Anmerkungen machen. Der Entwurf der Richtlinie, bei der es sich um eine Tochterrichtlinie der Wasserrahmenrichtlinie handelt, ist der letzte Mosaikstein auf dem Weg zu einem Rechtsakt, der eine gute Wasserqualität für die einzelnen Mitgliedstaaten sichert. Zusammen mit der Berichterstatterin, dem Rat und der Kommission haben wir eine Vielzahl von Gesprächen geführt, und ich meine, wir haben uns schließlich auf ein Kompromisspaket geeinigt, dem wir alle zustimmen können. Wie schon die Berichterstatterin bitte ich alle nachdrücklich, für dieses Paket zu stimmen, denn ich halte es für ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis: Die Umwelt wird geschützt, die Wasserqualität für unsere Bürger verbessert und die Belastung der Wirtschaft ist erträglich, was, so meine ich, auch entscheidend ist. Im Rahmen der Verhandlungen haben wir zahlreiche Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen und der Industrie geführt und davon ausgehend einen Entwurf erarbeitet, der ausgezeichnet ist.

Der Entwurf begrenzt die Konzentration chemischer Stoffe, gefährlicher Stoffgruppen einschließlich Schwermetalle, einiger Pestizide und sonstiger gefährlicher chemischer Stoffe in Oberflächengewässern. Er beruht weitestgehend auf dem Grundsatz der Vorbeugung. Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten Durchmischungsbereiche ausweisen können, in denen die Chemikalienkonzentrationen unter bestimmten Umständen die jeweiligen Umweltqualitätsnormen überschreiten dürfen, aber das muss selbstverständlich ordnungsgemäß geregelt und sorgfältig überwacht werden. Wir haben Zonen in grenzüberschreitenden Gewässern, die als Durchmischungsbereiche ausgewiesen werden können – ein ausgezeichneter Rechtsakt. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Daten zu erfassen einschließlich von Karten. Möglicherweise erweist sich die Beschaffung der Karten als schwierig, aber wir werden das klären. Vorgesehen sind die Erstellung eines Bewirtschaftungsplans für die Flussgebietseinheit, Baggerarbeiten und Schiffsverkehr, aber auch das ist mit Einleitungen und Emissionen verbunden. Es kann nun zu Verlusten von prioritären Stoffen kommen, vorausgesetzt, der Entwurf reicht an die Wasserrahmenrichtlinie heran.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend einen letzten Gedanken äußern. Wasser ist die wichtigste Lebensgrundlage – diese Richtlinie ist so bedeutsam. Selbst auf dem Mars ist es die wichtigste Lebensgrundlage.

 
  
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  Marie-Noëlle Lienemann, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie, dass auch ich Frau Laperrouze und sämtlichen Schattenberichterstattern sowie dem slowenischen Vorsitz für ihre geleistete Arbeit danke.

Dies ist die letzte Tochterrichtlinie der Wasserrahmenrichtlinie, und es war uns sehr wichtig, einen Kompromiss zu erzielen, der einen echten Fortschritt im Hinblick auf unser Ziel, die Verschmutzung und insbesondere die chemische Verschmutzung von Wasser zu bekämpfen, darstellt. Aus den täglichen Nachrichten geht klar hervor, wie sehr PCB den Wasserressourcen der Gemeinschaft schadet.

Frau Laperrouze hat all die Punkte aufgezählt, bei denen wir Fortschritte erzielt haben. Natürlich hätten wir – wie immer bei Kompromissen – gerne mehr erreicht, aber ich denke, dass wir eine gute Grundlage geschaffen haben. Wir werden einfach wachsam bleiben, denn viel wird nun von der Kommission abhängen, und wir hoffen, dass sie bei ihren Maßnahmen zur Unterstützung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Sachverständigen sehr ehrgeizig sein wird, was die Einstufung künftiger prioritärer Stoffe und gefährlicher prioritärer Stoffe, der berühmten 13 Stoffe, die in sehr naher Zukunft eingestuft werden sollen, anbelangt. Wir werden auch darauf achten, dass die derzeitige wissenschaftliche Unsicherheit im Hinblick auf Sedimente und Biota nicht zu einer dauerhaften Unbestimmtheit führt, die die Europäische Union auf lange Sicht von der Verpflichtung entbindet, diese Biota und Sedimente besser zu verstehen und deren Qualität zu verbessern.

Des Weiteren müssen die Durchmischungsbereiche, die Kenntnisse über Schadstoffe und Verschmutzungsquellen sowie die Überwachung der Emissionen verbessert werden. Wir werden dafür sorgen, dass das Parlament wachsam bleibt, und ich danke dem Kommissar für seine Aussage, dass die Kommission neben den Bestimmungen des Kompromisses, über den wir abstimmen werden, Informationen über die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bereitstellen will und, falls erforderlich und falls es in den Mitgliedstaaten zu Verzögerungen kommt oder Zweifel aufkommen sollten, ergänzende Maßnahmen vorlegen wird, um zu gewährleisten, dass wir im Einklang mit unserem im Jahr 2000 abgegebenen Votum tatsächlich bis 2015 einen akzeptablen ökologischen Zustand der Gewässer erreichen.

 
  
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  Chris Davies, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Da die Berichterstatterin meiner Fraktion angehört und ich eng mit ihr zusammenarbeite, werden Sie sicherlich Verständnis dafür aufbringen, dass ich die von ihr erzielte Übereinkunft verteidige. Vielleicht hätten wir mehr erreichen können, möglicherweise hätte hier und da noch ein chemischer Stoff in das Paket aufgenommen werden können, aber die wissenschaftliche Meinung ist geteilt; der politische Wille ist nicht immer stark genug. Mit den Worten der vorherigen Berichterstatterin lässt sich das durchaus mit den Worten „Besser geht es nicht“ zusammenfassen.

Ich meine, die Wasserpolitik gehört zu den Erfolgen der europäischen Umweltpolitik. Wir sollten die von der Kommission über viele Jahre geleistete Arbeit und insbesondere den Beitrag von Frau Lienemann zur Wasserrahmenrichtlinie vor sieben Jahren entsprechend würdigen. Auch wenn die grenzüberschreitenden Aspekte nicht berücksichtigt wurden, hat die kollektive Entschlossenheit, das Problem der Umweltverschmutzung sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart in Angriff zu nehmen, zu auf die Verbesserung der Wasserqualität gerichteten Investitionen in einem Umfang geführt, der weit über das hinausgeht, was die Mitgliedstaaten erreicht hätten, wenn jeder für sich allein gehandelt hätte. Die von uns verabschiedeten Rechtsakte sprechen eine klare Sprache. Umweltverschmutzung ist erkennbar und messbar. Die Forderungen für ihre Vermeidung sind durchsetzbar, und diese Rechtsvorschriften bringen uns einen Schritt weiter, indem sie den Einsatz verschiedener chemischer Stoffe, Pestizide und Schadstoffe verbieten, die eine Gefahr für die im Wasser lebenden Organismen und auch das menschliche Leben darstellen.

Dennoch liegen uns auch Berichte der Europäischen Umweltagentur vor, die zeigen, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen in vielen Fällen nicht so effizient und umfassend umsetzen, wie das der Fall sein sollte. Angesichts der übereinstimmenden Meinung dieses Hauses über das Wesen der Rechtsakte und der positiven Entwicklungsrichtung Europas bei der Wasserqualität sollten wir uns auch mit den folgenden Worten an die Kommission wenden: „Sie verfügen über die Möglichkeiten zur Untersuchung, Handlung und Durchsetzung – bitte machen Sie davon Gebrauch“.

 
  
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  Margrete Auken , im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Auch ich möchte Frau Laperrouze für ihre freundliche, zuvorkommende Zusammenarbeit danken. Es war in der Tat möglich, ungeachtet aller Widrigkeiten einen kleinen Teil des positiven Resultats der ersten Lesung zu erhalten, doch nichtsdestotrotz wird uns heute eine jämmerliche Veranstaltung geboten. Die meisten Errungenschaften gingen durch Lobbyarbeit der agrochemischen Industrie und durch Einflussnahme der öffentlichen Regulierungsbehörden mit der geringsten Leistungsfähigkeit verloren. Heute reden wir über die traurigen Überreste.

Unser vorrangiges Ziel muss die schrittweise Verbesserung der Wasserqualität europäischer Flüsse und Seen sein. Dem reichlichen Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und der Einleitung giftiger Industrieabwässer muss Einhalt geboten werden, und es bedarf strenger Auflagen bezüglich der in Wasser zulässigen Menge prioritärer Stoffe oder prioritärer gefährlicher Stoffe. Die Schwäche des vorliegenden Berichts liegt darin, dass es am politischen Willen fehlt, weitere Stoffe zu prüfen. Es ist bereits klar geworden, dass das gegenwärtige System, nach dem in der Liste aufgeführte Stoffe zu prüfen sind und neue aufgenommen werden, im besten Falle zu schwerfällig ist. Würde das Vorsorgeprinzip gelten, müssten zahlreiche weitere Stoffe geprüft werden, doch diese Möglichkeit lassen wir uns entgehen.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, wann ein Stoff als so gefährlich gilt, dass er völlig verboten wird. Wir stehen nun mit zahlreichen Stoffen da, die aller Voraussicht nach extrem gefährlich sind, doch die Kommission schreckt davor zurück, sie endgültig zu verbieten. Dies ist inakzeptabel: ein Stoff ist gefährlich und Punkt. Wir müssen kontrollieren, ob die Kommission die Prüfung dieser Stoffe vorantreibt oder eine Entscheidung weiter hinauszögert und dies mit einer unzureichenden Datenlage rechtfertigt. Sollte dies der Fall sein, dann muss sie die Daten eben beschaffen.

Es sind einige Verbesserungen zu verbuchen. So müssen die Länder nun Verschmutzungsquellen sowie Konzentrationen in Sedimenten und Biota erfassen. Außerdem ist es der Kommission nicht gestattet, wie gewünscht bis zum Jahr 2025 zu warten, um die Lage zu prüfen, sondern sie muss eine solche Überprüfung bereits 2018 vorlegen.

Ja, wir werden für diesen Bericht stimmen. Nach dem Rückschritt im Anschluss an die erste Lesung wollen wir auch mit wenig zufrieden sein.

 
  
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  Wiesław Stefan Kuc, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Es gibt Tausende Verursacher für die Verschmutzung der Oberflächengewässer und des Grundwassers, nicht nur die Landwirtschaft und die Agrar- und Lebensmittelindustrie, der Bergbau oder die Chemiebetriebe, sondern auch die Haushalte.

Überall, wo es keine Kläranlage gibt, leiten wir immer größere Mengen an Giften in unsere knappen Wasservorräte ein. Mülldeponien sind Quellen vieler giftiger Stoffe, und die biologischen Klärwerke werden mit den Abwässern daraus nicht fertig, weil die Bakterien ebenfalls vergiftet werden. Auf dem Grund von Seen und künstlichen Gewässern lagern sich ebenfalls giftige Stoffe ab. Wie lassen sie sich klären – das ist das Problem. Wenn sie in die Meere und Ozeane gelangen, vergiften sie die ganze Erde, und genau das wird mit der Zeit geschehen. Die Gewässer von diesen Ablagerungen zu reinigen wird sehr teuer, und es fehlt die Technologie dafür.

Bei der Gelegenheit möchte ich nochmals auf die Tausende Tonnen veralteter Pestizide hinweisen, die unser Wasser systematisch vergiften und bereits bis 1 000 Meter tief in die Erde gelangt sind. Deshalb ist unsere Fraktion der Ansicht, dass die Richtlinie ungeachtet der Kosten ein größeres Augenmerk auf den Wasserschutz legen sollte.

 
  
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  Jens Holm, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung von Umweltqualitätsnormen für eine Reihe gefährlicher chemischer Stoffe, um so Wasserläufe vor Chemikalien und anderen gefährlichen Substanzen zu schützen. Leider waren die Lobbyisten sehr geschickt bei ihrer Einflussnahme auf die Europäische Kommission und den Ministerrat. Nun, da diese Frage zur zweiten Lesung vorliegt, sind die guten Absichten leider in erheblichem Maße verwässert worden. Ein Beispiel dafür ist, dass lediglich 11 der 29 chemischen Stoffe, die das Parlament kontrollieren wollte, jetzt als gefährliche Stoffe eingestuft sind. Es gibt keine konkreten Forderungen an die Mitgliedstaaten zur Erfüllung von Reduzierungszielen. Dennoch ist dieser Kompromiss besser als der ursprüngliche Vorschlag der Kommission und wird daher von der GUE/NGL-Fraktion unterstützt. Seien Sie jedoch versichert, dass wir diese Frage weiter verfolgen werden, um sicherzustellen, dass die Wasserläufe in Zukunft besser geschützt werden. Wir hoffen auf eine weitere Verschärfung, wenn die Zeit für eine Überarbeitung kommt. Ich habe eine Frage an Kommissar Dimas, der heute Abend hier ist: Was halten Sie davon, wenn einzelne Mitgliedstaaten schneller voranschreiten wollen und weiter gehende Maßnahmen als die in dieser Richtlinie festgelegten anstreben? Würden Sie es akzeptieren, wenn einzelne Mitgliedstaaten mehr Stoffe als die in diesem Kompromiss aufgeführten Stoffe als gefährlich einstufen und somit strengere Rechtsvorschriften einführen wollten?

 
  
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  Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zunächst darf ich der Berichterstatterin, Frau Laperrouze, für das von ihr in den Verhandlungen mit dem Rat vollbrachte Werk danken.

Uns liegt, wie ich meine, ein sehr solides Kompromisspaket für Wasserqualitätsnormen vor. Froh stimmt mich insbesondere, dass das Konzept der Durchmischungsbereiche erhalten bleibt. Kommissar Dimas möchte ich dazu eine Frage stellen.

Unter dem Gesichtspunkt der Durchführbarkeit ist dieses Konzept von Bedeutung, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass die Umwelt nicht nennenswert darunter leidet. In der Wasserrahmenrichtlinie wird gefordert, den für die Trinkwassergewinnung erforderlichen Umfang der Aufbereitung zu verringern. Trinkwassernormen sind strenger als Wasserqualitätsnormen. Die Oberflächengewässer umfassen mehrere Trinkwasserentnahmestellen, und in der Praxis kann es passieren, dass sich die Entnahmestellen ziemlich nahe einer Punktquelle befinden, die Verschmutzung verursacht, so dass eine Entnahmestelle möglicherweise in einem Durchmischungsbereich liegt und der Umfang der Aufbereitung für die Wasseraufbereitungsunternehmen geradewegs zunimmt. Kann mir Kommissar Dimas zusichern, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, um zu verhindern, dass Durchmischungsbereiche Probleme für die Trinkwasserentnahmestellen darstellen?

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). - Herr Präsident! Auch ich möchte mich bei der Berichterstatterin und auch bei der Kommission für die sehr konstruktive Arbeit, die geleistet wurde, bedanken.

Ich möchte daran erinnern, dass es sich um ein Kompromisspaket handelt. Es ist ein sehr guter Kompromiss, der hier ausgehandelt wurde, und es ist ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zu einer ausgezeichneten Wasserqualität in Europa. Ich möchte schon betonen, dass Europa der Kontinent oder das politische Gebilde ist, wo wir sehr auf unsere Umwelt achten und sehr hohe Standards setzen. Es mag sein, dass man ihn schneller erreichen könnte, aber wenn man ihn mit anderen Regionen in der Welt vergleicht, können wir behaupten, einen Standard erreicht zu haben, der sehr hoch ist. Und den gilt es, weiter zu bewahren und noch zu verbessern.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Kommission auch daran erinnern, dass wir diese Erfolge, die wir unbestritten in der europäischen Umweltpolitik, insbesondere in der Wasserpolitik, erreicht haben, dementsprechend verkaufen sollten. Insbesondere das irische Referendum zeigt doch, dass es uns nicht gelungen ist, diese Erfolge auch an den Mann zu bringen. Europa ist hier sehr erfolgreich, aber es wird den wenigsten Bürgern bewusst, dass die EU hier eine tragende Rolle spielt. Es mag auch sein, dass Lobbygruppen teilweise den Kompromiss verwässert haben. Aber es sind auch andere Lobbygruppen aufgetreten, die dazu beigetragen haben, dass der Kompromiss sehr wohl bedeutet, dass Industrie, Landwirtschaft und andere Verschmutzer sehr große Anstrengungen unternehmen müssen.

In diesem Zusammenhang darf ich auch daran erinnern, dass Wasser sicher eines der Elemente wird, das uns in Zukunft politisch vermehrt beschäftigen wird. Hier darf ich den Herrn Kommissar bitten, sein Augenmerk auf diese zukünftige Wasserpolitik zu richten, weil gerade im Rahmen des Klimaschutzes einiges auf uns zukommen und das Element Wasser eben sowohl in der Wirtschaft als auch für das Leben der Menschen sehr an Bedeutung gewinnen wird.

Insgesamt ist der Kompromiss ausgewogen und ich darf alle Kollegen bitten, dem zuzustimmen. Mehr ist nicht möglich gewesen.

 
  
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  Dorette Corbey (PSE).(NL) Herr Präsident! Mein Dank gebührt der Berichterstatterin, Frau Laperrouze, für ihre Arbeit, die in zweiter Lesung eine zufriedenstellende Vereinbarung hervorgebracht hat. Saubere Oberflächengewässer sind selbstverständlich von immenser Bedeutung. Laufend erreichen uns Meldungen von zu viel Quecksilber und anderen Schadstoffen in Fischen. Das ist der Gesundheit von Mensch und Umwelt nicht eben zuträglich, und mithin müssen wir auf jeden Fall etwas dagegen unternehmen. Das nunmehr vorliegende Ergebnis gewährleistet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umweltschutz einerseits und Kostenwirksamkeit für Unternehmen, Wasserwirtschaftsämtern und Verwaltungen andererseits. Das Europäische Parlament hat mit Erfolg auf einige Verbesserungen bestanden. So müssen an Einleitungspunkte angrenzende Durchmischungsbereiche, in denen eine höhere Verschmutzung zulässig ist, deutlich ausgewiesen werden, und die Mitgliedstaaten müssen darlegen, wie die Durchmischungsbereiche künftig in ihrer Ausdehnung beschnitten werden können.

Das Parlament verfolgt zudem eine zukunftsweisende Politik: die Stoffe, die möglicherweise gefährlich sind, müssen zur genaueren Prüfung in eine gesonderte Liste aufgenommen werden. Das findet meine uneingeschränkte Zustimmung.

Ansonsten schließe ich mich Herrn Bloklands Frage an Kommissar Dimas zu den Einleitungspunkten und Trinkwasserentnahmestellen in den Durchmischungsbereichen an.

Unser Augenmerk sollte zudem einer Reihe von an den Quellen ansetzenden Maßnahmen, speziell in der Nähe von Krankenhäusern, sowie Arzneimittelrückständen gelten. Diesen wichtigen Punkt sollten wir in Zukunft auch nicht außer Acht lassen.

 
  
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  Hiltrud Breyer (Verts/ALE). - Herr Präsident! Wir wissen, Wasser ist die kostbarste Ressource und wir dürfen uns das Wasser nicht dadurch selbst abgraben, indem wir auf eine ambitionierte Wasserpolitik verzichten. Es ist sehr bedauerlich, dass der Rückenwind, den das Europäische Parlament in der ersten Lesung dem Wasserschutz gegeben hat durch die Verdoppelung der Liste der zu kontrollierenden Schadstoffe und die Verpflichtung für EU-Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Reduzierung der Schafstoffemission zu treffen, leider verpufft ist. Das Ergebnis ist daher eine vertane Chance, mehr für Wasserschutz zu tun. Es ist für den Wasserschutz wichtig, eine Kohärenz der verschiedenen Gesetzgebungsbereiche herzustellen. Wir brauchen das Verbot von CMR-Pestiziden und endokrinen Substanzen. Daher finde ich es bedauerlich, dass die Kommission ständig auf Kosten der Gesundheit und der Umwelt ein Verschiebebahnhof-Spiel veranstaltet. Die Kommission hat 2006 gesagt, sie will im Vorschlag für Umweltqualität, keine Vorschläge zur Reduktion und Schadstoffbegrenzung der prioritären gefährlichen Stoffe machen. Die sollen unter REACH und im Rahmen der Pestizidgesetzgebung erfolgen. Aber was ist geschehen? Es war gerade ein Bericht, unser Vorschlag hier im Parlament, der die Kohärenz zur Wasserrahmenrichtlinie und zu Schadstoffen hergestellt hat. Das Parlament hat sie hergestellt, und nicht die Kommission, wie sie versprochen hatte, es zu tun.

Also, wir fordern: keine Zulassung von Pestiziden, die auf der Liste der prioritären gefährlichen Stoffe stehen. Die einfachste Lösung, ist diese gefährlichen Stoffe erst gar nicht ins Wasser gelangen zu lassen.

 
  
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  Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte Frau Laperrouze beglückwünschen. Sie hat zusammen mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion und mit dem Parlament insgesamt eine gewaltige Arbeit geleistet, um zu einer Einigung zu kommen und einen Konsens zu finden.

Ich freue mich sehr über diese Richtlinie, die mehrere wichtige Fragen behandelt. Zunächst ist, wie Frau Lienemann sagte, die Nachhaltigkeit ein Prozess, und die Wasseraufbereitung, die Verbesserung der Wasserqualität sowie die Wasserpolitik sind Teil eines Prozesses, der vor vielen Jahren seinen Anfang nahm. Dieser Prozess muss vor allem realistisch sein, denn er muss in die Praxis umgesetzt werden.

Es ist viel leichter, Gesetze zu verabschieden, als sie auszuführen. Es ist viel billiger, Gesetze zu schaffen, als sie durchzusetzen. Es kostet nichts, etwas zu verbieten. Doch die Anwendung bedeutet, dass Unternehmen, Landwirte und kommunale Verwaltungen die Maßnahmen in die Praxis einführen müssen, was nicht immer leicht ist.

Meiner Ansicht nach ist dies ein wichtiger Schritt vorwärts, doch es gilt, realistisch zu bleiben, denn wie wir beispielsweise gestern beim Referendum gesehen haben, ist es bisweilen nicht einfach, Europäer zu sein. Es kostet Geld und Mühe, und genau das investieren wir im Moment, besonders wenn wir bedenken, dass es hier um eine Politik geht, die europaweit Geltung hat.

Die gesamte Wasserpolitik muss überall in Europa umgesetzt werden, und deshalb haben wir es mit äußerst komplexen Situationen und vielen Elementen zu tun, auch mit überaus wichtigen geophysikalischen Faktoren.

Ich möchte zwei weitere Aspekte dieser Richtlinie nennen, die meines Erachtens einen Fortschritt darstellen. Erstens fordert sie von den Regierungen viel mehr Transparenz. Das Wasser war immer eher ein undurchsichtiges Thema. Auf dem Europäischen Wasserforum ist eine unserer Zielsetzungen die Transparenz in der Information der Öffentlichkeit, und wir befassen uns jetzt ernsthaft mit unserer Verpflichtung zur Transparenz in der Information der Öffentlichkeit.

Das Gleiche betrifft die Indikatoren, einschließlich der Mollusken, und ich möchte die Bedeutung der Wasseranalyse für die Gesundheit unterstreichen.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE).(LT) Ich möchte der Berichterstatterin gratulieren und ihren Gedanken uneingeschränkt unterstützen, dass wir strengere Vorschriften für die Qualität der Oberflächengewässer und die Wirksamkeit der Bewertung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften benötigen.

Die kleinen Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen befinden sich angesichts von Wasserverschmutzungen durch EU-Nachbarstaaten in einer schwierigen Lage. Es ist weder der Wunsch noch die Absicht der EU, sich in ökologischen und anderen Angelegenheiten hinter einem „Eisernen Vorhang“ zu verstecken. Es ist daher genauso wichtig, die Verschmutzung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten wie auch in ihren Nachbarstaaten abzubauen. In Änderungsantrag 26 wird auf die Verpflichtung der Kommission verwiesen, ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie einen ausführlichen Bericht über die von Drittstaaten ausgehende Verschmutzung vorzulegen. Die Kommission sollte sich in ihren Verhandlungen mit Nachbarstaaten nachdrücklicher für die weitere Durchsetzung von Umweltvorschriften einsetzen. Diese Frage ist für Länder, die über grenzübergreifende Einzugsgebiete von Flüssen mit EU-Nachbarstaaten verfügen, von größter Bedeutung.

 
  
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  Christa Klaß (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! „Wasser ist Leben“ oder „Wasser, wertvoll wie Diamanten“, das waren die Schlagzeilen und auch die Motivation, als wir die Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 auf den Weg gebracht haben. Die Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik ist nun der letzte wichtige Rechtsakt im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie. Es geht darum, Umweltqualitätsnormen für prioritäre Stoffe und Schadstoffe festzusetzen, die gewährleisten, dass unser Wasser als Lebenselixier einen hochgradigen Schutz vor Risiken erfährt – ja, ich will sagen: den höchstmöglichen Schutz. Den Schutz, der nach dem Stand der Wissenschaft nötig und möglich ist.

Für mich bedeutet dies aber auch, dass der Schutz des Wassers eine Daueraufgabe ist. Ständig und laufend werden wir die wissenschaftlichen Untersuchungen und Ergebnisse auch politisch begleiten müssen, um neue Erkenntnisse aufzunehmen und entsprechend den aktuellen Gegebenheiten immer nach dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik den Schutz des Wassers zu garantieren. Es darf künftig nicht mehr vorkommen, dass – so wie jetzt geschehen – die Kommission ihrem Auftrag nicht gerecht wird und die Zeit untätig verstreichen lässt. Die Liste der prioritär gefährlichen Stoffe muss laufend und zeitnah unter Bewertung und Kontrolle stehen. Das Nichttätigwerden der Kommission hat uns als Parlament veranlasst, aktiv zu werden und eine zweite Liste vorzuschlagen. Eine Liste, auf der die Stoffe stehen, die nach neuesten Erkenntnissen geprüft werden müssen. Diese Liste sollte keine Voreinstufung oder Vorverurteilung sein. Sie sollte auch die Chance sein, Stoffe von Verdachten zu befreien. Natürlich darf eine solche Liste nicht frei nach Lust und Laune aufgestellt werden. Die EVP-ED-Fraktion hat eine schnellere und vorrangigere Behandlung der Stoffe gefordert, von denen bereits heute Daten vorliegen, die erhöhte Risiken aufweisen. Uns erschienen sechs Monate ausreichend.

Ich hoffe nun sehr, Herr Kommissar, dass die jetzt vorgesehenen Fristen von 24 Monaten nicht ganz ausgeschöpft werden, damit Sicherheitserkenntnisse immer zeitnah umgesetzt werden können. Wir werden den Kompromiss, den Frau Laperrouze gefunden hat, gemeinsam unterstützen.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE).(HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Die Mehrzahl der europäischen Flüsse hat mehrere Anrainerländer, von denen die Ressourcen des Flusses genutzt und die damit verbundene Verantwortung gemeinsam getragen werden. Die Wasserqualität, die ein Mitgliedstaat erhält, wird von dem flussaufwärts gelegenen Land bestimmt. So durchfließt die Donau zum Beispiel sieben Länder, die Drau sechs und der Rhein und die Theiß jeweils fünf. Daraus erwächst uns eine schwierige Aufgabe, deren Bewältigung eine umfangreiche Zusammenarbeit verlangt. Es bleibt zu hoffen, dass die Annahme dieser Rechtsvorschrift die Schaumkrone verschwinden lässt, die seit nunmehr sieben Jahren das Bild der Raab bestimmt. Gegenwärtig kann das Baden in Ungarns einziger natürlicher Flussauenlandschaft nur mit der Badebekleidung empfohlen werden, die auf den Bildern zu sehen sind, die unter den Abgeordneten dieses Hauses verteilt wurden und auch auf Prospekten und Plakaten abgebildet sind. Die Raab ist dabei nur eine Art Lackmuspapier und zeigt an, dass etwas mit den geltenden Rechtsvorschriften nicht stimmt, denn, wenn jeder alle gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte einhält und dennoch dicker Schaum auf dem Fluss schwimmt, muss der Fehler einfach beim geltenden Recht liegen. Deshalb sind Änderungen erforderlich, und ich bitte Sie alle, morgen mit Ihrer Stimme das Kompromisspaket zu unterstützen.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE).(HU) Meine Kollegen haben schon festgestellt, dass Frischwasser möglicherweise die wertvollste Ressource des 21. Jahrhunderts ist, und dem ist nichts entgegenzusetzen. Auch ist es in der Tat so, dass die Lage in Europa im Grunde genommen recht gut ist, sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität des Frischwassers. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jedoch auf einen Aspekt richten, der bisher noch nicht angesprochen wurde, nämlich die Tatsache, dass die Niederschlagskurve und mit ihr die Verteilungskurve des daraus gewonnenen Frischwassers infolge des Klimawandels einen zunehmend extremen Verlauf zeigen. Das bedeutet, dass wir in ganz Europa lange, heiße Sommer und sintflutartige Regengüsse verzeichnen. Neben den von uns erörterten Fragen des Umweltschutzes mangelt es uns auch an einem System für die Bewirtschaftung der Wasserressourcen, das dieses Wasser auffängt – was bei dem derzeitigen System nicht der Fall ist – und das eine Speicherung zwecks Verwendung in Trockenperioden ermöglicht. Dieses Konzept muss von der Europäischen Union auch unbedingt in politische Maßnahmen umgesetzt werden, da wir auf diesem Wege die Frischwasserquantität in Europa sichern können, während Rechtsvorschriften die Qualität gewährleisten sollen. Vielen Dank.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE). - (EN) Herr Präsident! Wasserverschmutzungen treten in Flüssen, Seen und im Boden auf, Wasser kann aber auch während des Transports verunreinigt werden. Diese Gefahr hat in jüngster Zeit zugenommen, da angesichts der Dürren in Südeuropa heute viele Öltanker für den Transport von Trinkwasser umgebaut werden. In diesem Bereich mangelt es möglicherweise an technischem Fachwissen. Ich bitte den Kommissar, dafür Sorge zu tragen, dass diese Transporte vollkommen sicher und ohne jegliche Verunreinigungen durch aromatische Kohlenwasserstoffe erfolgen, die, wie wir alle wissen, bei Mensch und Tier schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen können.

 
  
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  Stavros Dimas , Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Neben den Punkten, auf die ich in meiner einleitenden Rede eingegangen bin, trägt die vorgeschlagene Richtlinie auch dazu bei, das Gemeinschaftsrecht für den Bereich Wasser zu vereinfachen.

Sie werden sich daran erinnern, dass die Wasserrahmenrichtlinie bereits die Aufhebung von sieben bestehenden Rechtsvorschriften aus den 1970er- und 1980er-Jahren vorsieht. Mit der vorliegenden Richtlinie werden fünf weitere Richtlinien aufgehoben, und zugleich wird die Vorlage von Gewässerberichten im Rahmen von WISE, dem neuen Wasserinformationssystem für Europa, vereinfacht. Auf diese Weise werden wir unsere Entscheidungen auf politischer und technischer Ebene auf fundiertere Kenntnisse stützen können.

Außerdem haben Sie sicher nicht vergessen, dass das Parlament dem Ziel der Beseitigung bzw. stufenweisen Zurückziehung bestimmter in der Wasserrahmenrichtlinie aufgeführter Stoffe besondere Bedeutung beigemessen hat. Die vorgesehene Bestandsaufnahme, die auch Karten umfassen wird, soll allen als notwendige Informationsquelle dienen. Sie wird der Kommission als Bewertungsinstrument von Nutzen sein, wenn sie überprüft, ob das Umweltziel der allmählichen Reduzierung oder schrittweisen Beseitigung eingehalten wird.

Mit der Wasserrahmenrichtlinie und ihrer Tochterrichtlinie verfügen wir über eine stabile, verlässliche und langfristige Grundlage für die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen, von der Ebene der Flusseinzugsgebiete und der lokalen Ebene bis hin zur europäischen Ebene. Dies ist für die Erstellung der Bewirtschaftungspläne für Einzugsgebiete und der Maßnahmenprogramme, die im Dezember 2009 vorgelegt werden sollen, besonders wichtig. Im vergangenen Jahr hat die Kommission ihren ersten Bericht über die Durchführung der Wasserrahmenrichtlinie unterbreitet. Der Bericht umfasste auch eine Bewertung der Erfolge und Misserfolge. Nun ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, ihre Verpflichtungen fristgemäß zu erfüllen.

Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass EU-Finanzhilfe im Rahmen der Regionalentwicklung, der Kohäsionspolitik und der Maßnahmen für ländliche Entwicklung zur Verfügung steht. Es ist das Recht und auch die Aufgabe der Mitgliedstaaten, ihre Prioritäten und Projekte zu bestimmen.

In Artikel 7 der Wasserrahmenrichtlinie wurden die Vorschriften für Trinkwasser bereits festgelegt, und durch diesen Kompromiss ändern sich die einschlägigen Verfahren und Bestimmungen nicht.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Mitgliedstaaten über ihre Übereinstimmung mit Artikel 15 der Wasserrahmenrichtlinie, über ihre Maßnahmen zur Eindämmung von Mischungszonen und über die internationale Koordinierung bei der Definition von Mischungszonen Bericht erstatten müssen. Die Kommission wird darüber hinaus keinerlei Einwände haben, wenn ein Mitgliedstaat strengere Umweltstandards einführen möchte.

Abschließend möchte ich sagen, dass sich die Kommission in der glücklichen Lage befindet, dem Kompromisspaket ihre uneingeschränkte Unterstützung erteilen zu können, um in zweiter Lesung eine Einigung zu dieser Richtlinie zu erzielen. An diesem Punkt möchte ich erneut der Berichterstatterin für ihre hervorragende Arbeit danken.

Was das von Herrn Matsakis angesprochene Problem des Wassertransports nach Zypern betrifft, so ist mir dieses Problem bekannt, und ich werde diese Frage später beantworten.

 
  
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  Anne Laperrouze, Berichterstatterin. (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihren Beitrag zu dieser Aussprache. Welches sind nun also die Ziele, die wir mit dieser Richtlinie verfolgen? Natürlich soll die Qualität der Oberflächengewässer verbessert werden. Wir wollen in unseren Gewässern kein Blei, Kadmium, Nickel, Quecksilber, keine Lösungsmittel oder andere hoch giftige und krebserregende Stoffe wie PCB mehr finden. Frau Lienemann bezog sich auf einen Pressebericht von vor vierzehn Tagen, der zeigte, dass sich PCB in Fischen ansammelt, die der Mensch dann isst. Wir können solche Zustände nicht länger hinnehmen, und ich kann mir vorstellen, dass die Bürger Europas von Europa auch erwarten, dass es ein starkes Zeichen für den Schutz unserer Umwelt und unserer Gesundheit setzt. Ich denke, dass wir diese europäische Botschaft vermitteln können, wenn wir diese Wasserrahmenrichtlinie und deren Tochterrichtlinien einhalten.

Einige Mitglieder bemängelten, dass nicht genug Stoffe eingestuft worden seien, dass das Parlament gegenüber der ersten Lesung Abstriche gemacht hätte. In erster Lesung hatten wir 33 + 28 Stoffe insgesamt vorgeschlagen, d. h. 61 analysierte Stoffe. In zweiter Lesung haben wir 33 + 13, d. h. insgesamt 46 Stoffe, aber es ist zu betonen, dass es sich hier um besonders besorgniserregende gefährliche Stoffe handelt, die künftig in Flüssen nicht mehr auftauchen dürfen. Der andere Vorzug dieser Richtlinie ist, dass sie uns ermöglicht, die Einhaltung der europäischen Rechtsvorschriften zu überprüfen – ich denke hier an die Umsetzung der REACH-Verordnung und der IVU-Richtlinie. Wir verfügen jetzt über ein Instrument, um dies zu überprüfen.

Herr Kommissar, Sie haben gehört, wie meine Kollegen feststellten, dass im Falle einer Zustimmung durch den Rat und das Parlament die Kommission am Zug ist. Sie hat enorme Arbeit zu leisten, eine große Anzahl von Analysen und Bestandsaufnahmen durchzuführen. Ich wünsche Ihr viel Erfolg. Wir werden in jedem Fall weiterhin über die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften wachen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 17. Juni 2008, statt.

 

21. Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Europäischen Union(Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Stärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Europäischen Union.

 
  
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  Stavros Dimas , Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Dank des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz konnte die EU im vergangenen Jahr massenhaft mobil machen, um die von den verheerenden Waldbränden betroffenen Mitgliedstaaten zu unterstützen.

Wir haben bestimmte Punkte herausgearbeitet, die unverzügliches Handeln erfordern, damit ähnliche Katastrophen künftig verhindert werden können.

Erstens müssen wir den Mangel an verfügbaren technischen Mitteln für die Katastrophenhilfe wettmachen. Dies wurde bei den Einsätzen im Jahr 2007 ersichtlich.

Zweitens bedarf es eines integrierten Ansatzes für den Umgang mit Waldbränden sowie für Prävention, Bereitschaft und Reaktionsfähigkeit.

Drittens ist die Einsatzbereitschaft des Überwachungs- und Informationszentrums der Europäischen Kommission zu stärken.

Die Kommission hat bereits einige praktische operationelle Maßnahmen eingeleitet, darunter vor allem:

- die Schaffung und Schulung eines Netzwerks von Waldbrandexperten;

- Interoperabilitätstraining für nationale Feuerwehrteams;

- eine groß angelegte Übung im April in Sardinien mit Beteiligung von Einheiten aus fünf Mitgliedstaaten;

- die Einrichtung von drei Katastrophenschutzeinheiten für die Waldbrandbekämpfung aus der Luft.

Es wurden bereits Mittel für den Transport von Hilfsgeräten sichergestellt. Ferner bemühen wir uns im Rahmen des Pilotprogramms für die Waldbrandbekämpfung 2008 gemeinsam mit den Mitgliedstaaten darum, taktische Reserven zu schaffen, die bei Katastrophenfällen in Europa einsatzbereit stehen können.

Ferner werden zwischen 2007 und 2013 aus den Programmen im Rahmen der Kohäsionspolitik etwa 5,8 Milliarden Euro für Risikovorsorge und Reaktionsfähigkeit auf verschiedene Katastrophen einschließlich Waldbrände zur Verfügung stehen.

Weitere 1,6 Milliarden Euro stammen aus dem Fonds für ländliche Entwicklung zur Erneuerung der Waldressourcen und zur Durchführung von Präventivmaßnahmen.

Und schließlich halten wir bei besonders verheerenden Naturkatastrophen an der Möglichkeit fest, Unterstützung aus den Mitteln des Europäischen Solidaritätsfonds zu gewähren.

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom März die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes für Katastrophenmanagement betont, der Vorsorge, Bereitschaft, Reaktionsfähigkeit und Wiederherstellung umfassen muss. Sie hat alle Formen von Naturkatastrophen und vom Menschen verursachten Katastrophen innerhalb und außerhalb der EU sowie alle für Katastrophenhilfe zur Verfügung stehenden Gemeinschaftsmittel geprüft.

Neben dem Zivilschutz wurden in der Mitteilung drei weitere Bereiche untersucht, in denen die Gemeinschaft tätig ist:

- der Ausbau der europäischen humanitären Hilfe;

- die Verbesserung der Koordination von Eingreiffähigkeiten zur Abwehr von Katastrophen;

- die Förderung der interinstitutionellen Zusammenarbeit, beispielsweise zwischen europäischen Agenturen oder Institutionen.

Ferner erarbeiten wir einen Aktionsplan, der im Sommer fertig sein und neben den in der Mitteilung genannten zahlreiche spezifische Initiativen beinhalten wird, darunter:

- eine Mängelanalyse in Bezug auf die Fähigkeit zur materiellen und technischen Unterstützung sowohl für humanitäre Maßnahmen als auch für den Katastrophenschutz. Auf diese Weise werden wir ermitteln können, welche besonderen Mittel zur Verfügung stehen, welche davon besonders notwendig und welche besonders kosteneffizient sind;

- die Förderung von Initiativen zur Begrenzung des Katastrophenrisikos in Drittstaaten;

- eine engere Zusammenarbeit mit der UNO, der Weltbank und zahlreichen NRO, um die Katastrophenreaktionsfähigkeit weltweit zu stärken;

- eine bessere Nutzung von Wissenschaft, Technologie und Innovation;

- eine Stärkung der Rolle unserer Agenturen bei der weltweiten Katastrophenabwehr;

- eine wirksamere Beurteilung von Katastrophenschäden.

Im Bereich Katastrophenvorsorge gibt es derzeit keinen integrierten europäischen Ansatz. Aus diesem Grund erarbeitet die Kommission eine Mitteilung, um den zusätzlichen Nutzen der Schaffung eines gemeinschaftlichen Katastrophenabwehrmechanismus zu prüfen. Die Kommission wird daher konkrete Möglichkeiten mit folgender Zielsetzung vorschlagen:

- unser Wissen über Katastrophen und ihre Folgen zu verbessern;

- die Verknüpfung einander nahe stehender Politikbereiche, so beispielsweise zwischen Raumplanung und Katastrophenabwehr, zu fördern;

- den Einsatz von Gemeinschaftsmitteln optimieren.

Neben dieser Initiative, die sich auf die EU konzentrieren wird, entwickelt die Kommission eine Strategie für die Reduzierung des Katastrophenrisikos in den Entwicklungsländern.

Abschließend hat die Kommission zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Eingreiffähigkeit der EU in Katastrophenfällen innerhalb Europas auszudehnen. In erster Linie soll das Überwachungs- und Informationszentrum der Kommission gestärkt werden. Da uns keine umfassenden Analysen der Mängel und Schwächen der Reaktionsfähigkeit im Falle schwerer Katastrophen vorliegen, werten wir gegenwärtig Katastrophenszenarien und neuartige Regelungen aus. Auf diese Weise können Mittel für den Zivilschutz und Kapazitäten für europaweite Einsätze freigegeben werden. Die Kommission wird bis Mitte 2009 auch Vorschläge für ein europäisches Ausbildungsnetz im Bereich Katastrophenschutz vorlegen.

Zum Abschluss möchte ich dem Parlament für seine kontinuierliche Unterstützung bei der Stärkung der Reaktionsfähigkeit der Gemeinschaft im Katastrophenfall danken. Diese Unterstützung geht erneut aus dem Entschließungsentwurf hervor, über den im Plenum abgestimmt werden soll.

 
  
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  Antonios Trakatellis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! In jüngster Zeit wurden zahlreiche EU-Mitgliedstaaten von Naturkatastrophen wie Bränden, Überschwemmungen und Erdbeben heimgesucht, und der Umwelt wurden verheerende Schäden zugefügt, die erst in vielen Jahren wieder beseitigt werden können.

Einer der Hauptgrundsätze der Gründerväter der Gemeinschaft war die Solidarität. Das heißt, dass die EU in der Lage sein sollte, den von einer Naturkatastrophe betroffenen Regionen nicht nur koordinierte technische Unterstützung, sondern im Rahmen des Europäischen Solidaritätsfonds auch Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Mit Interesse bin ich den Ausführungen des Kommissars zu allen Möglichkeiten der Vorsorge und des koordinierten Eingreifens gefolgt, und wir erwarten nun entsprechende Maßnahmen vonseiten der Europäischen Kommission.

Ich möchte die Aufmerksamkeit auf eine Frage im Zusammenhang mit dem Europäischen Solidaritätsfonds lenken. Es ist meines Erachtens nicht gerechtfertigt, dass im Beschluss des Rates nicht die Verordnung zum Europäischen Solidaritätsfonds angenommen wird, und dieser Beschluss sollte daher geändert werden.

Mit der Neuorganisation des Europäischen Fonds wird ein wichtiger Beitrag geleistet, denn erstens wird der EU ein besseres und flexibleres Management im Falle von Naturkatastrophen ermöglicht und zweitens werden Unionsbürger, die nach einer Katastrophe kein Dach über dem Kopf haben und in Unsicherheit leben, unverzüglich die europäische Solidarität zu spüren bekommen. Sie werden begreifen, was es heißt, nicht nur Bürger eines Landes, sondern auch der EU zu sein.

Diese Strategien und Maßnahmen erwarten die Unionsbürger von uns, und ich hoffe, die Verordnung zum Europäischen Solidaritätsfonds wird unverzüglich verabschiedet.

 
  
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  Edite Estrela , im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist so ein jährlich wiederkehrendes Ritual, entweder vor oder nach dem Sommer: Waldbrände bestimmen die politische Tagesordnung. Dieses Thema gewinnt allerdings immer mehr an Bedeutung, denn Naturkatastrophen und Klimawandel lassen sich nicht voneinander trennen. Und da sich extreme Wetterereignisse immer weiter zuspitzen, warnen Wissenschaftler davor, dass Naturkatastrophen immer öfter und heftiger auftreten werden, es also häufigere und ausgeprägtere Dürreperioden, schwerere und immer zerstörerische Überschwemmungen, öfter auftretende extreme Hitzewellen sowie heftigere und größere Waldbrände geben wird, die immer schwerer zu bekämpfen sein werden.

Im Jahr 2006 hat das Europäische Parlament drei Berichte zu diesem Thema angenommen. In einem dieser Berichte schlug der Verfasser der Stellungnahme des Umweltausschusses vor, dass die Kommission eine Richtlinie zu Waldbränden vorlegt. Daher möchte ich die Kommission fragen, ob sie nicht der Auffassung ist, dass angesichts der geschilderten Umstände und ausgehend davon, dass ein integrativer Ansatz vonnöten ist – mit anderen Worten, dass sich Politik gegen den Klimawandel nicht von Katastrophenschutzpolitik trennen lässt –, eine Richtlinie zu Waldbränden gerechtfertigt wäre?

Im Übrigen findet die Aussprache vor dem Hintergrund der Energie-, der Lebensmittel- und weiterer Krisen, die alle miteinander verknüpft sind, also zu einem ganz entscheidenden Zeitpunkt, statt. Beispielsweise sollte Biomasse aus den Wäldern verwertet werden, um diese sauber zu halten und damit Waldbrände zu verhindern sowie zugleich aus Biomasse Energie zu erzeugen. Ein weiterer Vorteil davon wäre, dass man Getreide nicht mehr zur Herstellung von Biokraftstoffen benötigen würde.

 
  
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  Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! In den Erwägungen A und D wie auch in Ziffer 4 dieser Entschließung wird die Bedeutung vorbeugender Maßnahmen unterstrichen. Das ist sehr klug, denn bekanntermaßen ist es immer besser – viel besser – vorzubeugen, als später heilen zu müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine bestimmte Art vermeidbarer Massenkatastrophen eingehen: den Einsturz von Gebäuden. Der Anlass dazu ist ein Einsturz, der sich erst unlängst in Zypern ereignet hat. Am vergangenen Mittwoch ist das Stahldach des städtischen Theaters in Nicosia mit 1 100 Sitzen plötzlich und ohne Vorwarnung eingestürzt. Durch das Gewicht der herunterfallenden Träger und der Trümmer sind die darunter gelegenen Sitze zertrümmert worden. Glücklicherweise war das Theater zum Zeitpunkt des Einsturzes leer, sonst wären Hunderte Menschen ums Leben gekommen oder hätten Verletzungen erlitten. In den Tagen davor war das Theater gerammelt voll mit Kindern, als mehrere Schulveranstaltungen im Haus stattfanden. Zwei Wochen vorher gastierte das Ballet des Bolschoi-Theaters in einem ausverkauften Haus, und erst vor ein paar Monaten weilte Präsident Barroso zusammen mit weiteren führenden Vertretern der EU, Abgeordneten, dem Präsidenten Zyperns, Ministern, Parlamentsmitgliedern und vielen anderen Persönlichkeiten in diesem Theater. Sie alle nahmen an der Festveranstaltung aus Anlass des Beitritts Zyperns zur Euro-Zone teil, die im gleichen Theater stattfand. Es grenzt an ein Wunder, dass es nicht zu einer Massenkatastrophe erheblichen Ausmaßes gekommen ist.

Erst vor drei Jahren wurden Renovierungsarbeiten am Gebäude durchgeführt, die etwa 6 Millionen Euro kosteten, aber offensichtlich hat keiner der verantwortlichen, hochgeschätzten und hochbezahlten Architekten, Ingenieure, Vertreter staatlicher Behörden und sonstiger Stellen festgestellt, dass das 50 Jahre alte Stahldach nicht mehr sicher ist. Es wird vermutet, dass auch andere öffentliche Gebäude in Zypern gefährliche bauliche Mängel aufweisen, aber aufgrund von offensichtlicher Nachlässigkeit oder Ignoranz oder Korruption der zuständigen Behörden oder Abteilungen oder privater Unternehmen werden keine Reparaturmaßnahmen durchgeführt. Andere Mitgliedstaaten der EU befinden sich möglicherweise in einer ähnlichen Situation. Im Übrigen unterliegen die meisten öffentlichen Gebäude in Zypern im Gegensatz zu privaten Gebäuden nicht den Rechtsvorschriften für erdbebensicheres Bauen. Ich appelliere an die Kommission, mit dieser Entschließung dafür Sorge zu tragen, dass die Gebäude in der EU auf ihre Sicherheit überprüft werden.

 
  
  

VORSITZ: MAREK SIWIEC
Vizepräsident

 
  
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  Dimitrios Papadimoulis , im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir alle können bezeugen, dass die Zahl der Naturkatastrophen zunimmt, weil sie sowohl auf den Klimawandel als auch auf die Flächennutzung zurückzuführen sind.

In der von mir vorgelegten Entschließung, die, wie ich hoffe, am Donnerstag im Plenum, wie auch im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, nahezu einstimmig angenommen wird, wird die Kommission aufgefordert, ihre Verzögerungstaktik aufzugeben und ihren Worten Taten folgen zu lassen.

Meine Frage an Sie, Herr Kommissar: Wollen Sie sich in der Kommission dafür einsetzen, dass der Vorschlag von Herrn Barnier zur Einrichtung einer europäischen Katastrophenschutztruppe angenommen wird, wie es das Europäische Parlament in seinen Entschließungen wiederholt gefordert hat?

Wollen Sie Maßnahmen ergreifen, um den Solidaritätsfonds flexibler und unbürokratischer zu gestalten?

Wollen Sie sich um eine Schließung der gravierenden Lücken in der Rechtsprechung und den politischen Strategien bemühen, die darauf abzielen, dass Europa die Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Falle von Naturkatastrophen, durch die Eigentum zerstört wird und Menschen ihre Leben verlieren, umfassender und wirksamer unterstützt?

Wir haben uns im Umweltausschuss auf eine Reihe von Fragen an die Kommission geeinigt, und heute sagen Sie uns, dass Sie Mitte 2009, also in einem Jahr, Vorschläge vorlegen wollen. Unsere Frage lautet: Wann wird die Kommission diese Angelegenheit endlich ernsthaft prüfen und auf den Vorschlag des Europäischen Parlaments eingehen?

Welchen Vorschlägen können Sie zustimmen, und wann werden Sie sie ausführen? Welche Vorschläge finden nicht Ihre Zustimmung, und weshalb nicht? Falls Sie vom Rat zurückgehalten werden, der Ihnen nicht die nötige Finanzierung erteilen will, oder falls Sie von bestimmten Personen in der Kommission behindert werden, Herr Dimas, dann sollten Sie uns dies mitteilen, damit wir Ihnen helfen können. Wir wollen nicht nur große Worte hören, wir wollen Taten sehen, damit wir in diesem Sommer nicht neue Opfer verheerender Naturkatastrophen beklagen müssen.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI).(BG) Zu Beginn des Abends habe ich das Parlament über Ahmed Dogan aufgeklärt, das Gesicht der Korruption auf höchster bulgarischer Ebene, und über die Partei Bewegung für Rechte und Freiheiten, deren Vorsitzender er ist. Jetzt möchte ich einige spezifische Informationen zum Thema Waldbrände liefern.

In Bulgarien ist es ein offenes Geheimnis, dass der von Dogan selbst so bezeichnete Kreis von Unternehmen, der seine Partei umgibt, seit nunmehr acht Jahren die bulgarischen Wälder abholzt. Dieses Verbrechen lässt sich am einfachsten durch Waldbrände vertuschen, sodass in Bulgarien Sommer für Sommer Tausende Hektar Wald den Flammen zum Opfer fallen. Einstmals ein rein bulgarisches Problem, stellt es sich heute auch auf europäischer Ebene, denn Bulgarien erhält umfangreiche Finanzspritzen für die Katastrophenabwehr in den Wäldern. Doch welchen Weg nehmen diese Finanzmittel? Sie werden an das Ministerium für Katastrophenschutz überwiesen, das von Dogans Stellvertreterin Emel Etem geleitet wird. In diesem Ministerium sind nach den Überschwemmungen in Bulgarien zig Millionen Euro aus dem Europäischen Solidaritätsfonds verschwunden. Und ich fordere Sie auf, Herr Kommissar, und alle Abgeordneten, nach Bulgarien zu kommen, um selbst zu sehen, welche Form der Solidarität Emel Etem für ihren eigenen Wahlkreis und die BRF für ihre Wähler, die muslimischen Bulgaren, an den Tag legt, die in Notlagern, in ungeeigneten Wohnwagen leben, während das Geld aus dem Europäischen Solidaritätsfonds irgendwo in den Tiefen des von der BRF geleiteten Ministeriums versunken ist.

Darum habe ich dieses Thema angesprochen. Dies ist ein schweres Verbrechen gegen die bulgarische Umwelt und die Europäische Union, die buchstäblich ihrer Finanzmittel beraubt wird. Welche Katastrophe in Zukunft auch über Bulgarien hereinbrechen mag, die Partei Bewegung für Rechte und Freiheiten wird immer die schlimmste Katastrophe bleiben.

 
  
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  Gerardo Galeote (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ich begrüße die Initiative des Umweltausschusses, die wir einer langen Liste des Ausschusses für regionale Entwicklung in dieser Legislaturperiode hinzufügen können, auch wenn diese Initiativen nicht immer richtig verstanden werden. Doch in Wirklichkeit zeigen einige Entwicklungen, auch so manche Beschlüsse im Rechtsbereich, dass unsere Sorgen vollkommen berechtigt waren.

Allerdings macht es traurig zu sehen, dass der Rat so unsensibel und so wenig empfänglich ist. Paradox ist auch, dass Fragen in Verbindung mit der Umwelt, der Regionalpolitik und der Landwirtschaft den Finanzministern unterstehen.

Die nationalen Regierungen sollten über die störrische Weigerung nachdenken, den überholten Solidaritätsfonds zu reformieren, trotz der Bemühungen des Parlaments und der Kommission und der klaren Forderung der Öffentlichkeit nach einer solchen Reform. Ich hoffe, dass wir in diesem Sommer nicht, wie in anderen Jahren, von Bränden, Dürren und Überschwemmungen heimgesucht werden. Ich hoffe, der Rat wird nicht wieder gezwungen sein, leere Solidaritätserklärungen zu veröffentlichen, anstatt koordinierte Zivilschutzmechanismen und Mittel zur Hilfe für die Menschen zu bieten, während wir uns dann über die Gleichgültigkeit und das Desinteresse der Bürger an der Arbeit unserer Institutionen beklagen.

Einige Mitglieder des Ausschusses für regionale Entwicklung haben Änderungsanträge eingereicht, um die Aufmerksamkeit des Rates auf die Notwendigkeit von Reformen und Initiativen zu lenken. Wir werden sehen, ob der Rat, der heute durch Abwesenheit glänzt, in der Lage ist, eine Antwort zu geben.

 
  
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  Iratxe García Pérez (PSE).(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich die Initiative des Parlaments zur Verstärkung der Katastrophenabwehrkapazitäten der Europäischen Union begrüßen, da solche Tragödien leider immer häufiger auftreten. Deshalb gilt es, sie zu einer Hauptaufgabe unserer politischen Initiative und der Fähigkeit zum raschen Handeln zu machen.

Wir müssen einen umfassenden Ansatz für den Umgang mit Katastrophen, ihre Prävention und die Folgenbewältigung finden; daher ist es wichtig, die Kommission aufzufordern, Vorschläge zum Katastrophenschutz in der Europäischen Union zu unterbreiten.

Ebenso ist zu beachten, dass der spezifische Charakter der Naturkatastrophen infolge von Dürren und Bränden im Mittelmeerraum anerkannt werden muss und unsere Instrumente im Rahmen der Prävention, der Forschung, des Risikomanagements, des Katastrophenschutzes und der Solidarität entsprechend anzupassen sind.

Wir wissen, dass die Mittel der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Waldbränden, insbesondere aus der Luft, bisweilen begrenzt sind. Daher fordern wir die Kommission auf, Maßnahmen einzuleiten, um Gemeinschaftsteams zu finanzieren und so die Kapazitäten zu erhöhen und die nationalen Ressourcen zu ergänzen.

Diese Entschließung muss auch die konsequente Forderung an den Rat stellen, einen Beschluss zur vorgeschlagenen Verordnung über den Solidaritätsfonds zu fassen, um schneller und wirksamer auf Katastrophen zu reagieren, die von den Mitgliedstaaten nicht allein bekämpft werden können. Und nicht zu vergessen sind die Opfer dieser Tragödien, die sofortige Hilfe und Unterstützung brauchen.

Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben angesichts dieser Situation, von der viele Regionen der Europäischen Union Jahr für Jahr und Sommer für Sommer heimgesucht werden. Wir müssen in der Lage sein, entschlossen auf diese Tragödien zu reagieren und jenen Menschen zu helfen, die unter ihnen leiden. Die Zukunft ist ungewiss, und wir in der Europäischen Union müssen tätig werden.

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Es ist wirklich bedauerlich, dass wir wieder einmal kurz vor den Ferien zusammentreffen, um über dasselbe Problem zu diskutieren. Das ruft den Eindruck hervor, dass wir von einem Jahr aufs andere keine Fortschritte machen. Zu einer Zeit, da die meisten unserer Mitbürger Zweifel an der Effektivität Europas hegen, ist es dringend erforderlich, ihnen zu zeigen, dass Europa reagieren kann, wenn Naturkatastrophen, seien es Brände, Hochwasser oder sogar Epidemien, das Leben und den Besitz der Menschen gefährden, und dass sie, allgemein wenn sie in Not sind, Europa brauchen und dass Europa für sie da ist.

Wo stehen wir heute? Wieder einmal sprechen wir darüber, dass Solidarität erforderlich ist und dass wir natürlich einen verbindlichen Rahmen brauchen. Wir müssen die Mitgliedstaaten unbedingt von der Notwendigkeit einer echten einsatzfähigen Katastrophenschutztruppe überzeugen, die mit finanziellen Reserven, Hilfsmechanismen und zusätzlichen europäischen Ressourcen ausgestattet ist. Natürlich müssen wir die humanitäre Hilfe stärken, indem wir die im Hinblick auf die Gewährung dieser Hilfe bestehenden Lücken schließen, und die weltweite Katastrophenabwehrfähigkeit ausbauen. Wir brauchen ein Ausbildungsnetz. Wie der Kommissar sagte, müssen unbedingt Experten auf dem Gebiet der Nothilfe für den Katastrophenfall ausgebildet werden, wobei die Erfahrungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Katastrophenschutzausbildung zu nutzen sind. Vor allem aber müssen wir Vorsorgemaßnahmen ergreifen, und um dies zu tun, brauchen wir eine echte Boden-, Land- und Forstpolitik. Wir müssen Vorsorgemaßnahmen treffen, und erst dann können wir uns auf Katastrophen vorbereiten, Abhilfemaßnahmen treffen und Frühwarnsysteme einrichten, was unabdingbar ist.

Wie steht es mit dem Vorschlag des Barnier-Berichts? Ich würde gerne konkrete Ergebnisse auf diesen Vorschlag hin sehen.

 
  
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  Stavros Lambrinidis (PSE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Im vergangenen Jahr haben viele Politiker die Opfer der Brände beklagt, doch nur wenige sind angesichts der Tatsache, dass diese Brände nicht verhindert werden konnten und so verheerende Folgen hatten, auf ihre persönliche Verantwortung eingegangen. Jetzt sollten die Politiker Verantwortung übernehmen. Aus diesem Grund hat die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament vor der Sommerpause und dem Ausbruch der Brände in ihrer mündlichen Anfrage gefordert, im Plenum gemeinsam mit der Kommission eine Aussprache über die Möglichkeiten der Brandvermeidung zu führen.

Herr Kommissar, Sie haben erklärt, dass im Zeitraum 2009-2013 für die Brandverhütung 5,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Wie viel haben Sie heute, im Jahr 2008, dafür bereitgestellt? Wie viele und welche Regierungen haben diese Mittel genutzt?

Die griechische Regierung musste in ihrem Bericht an die Kommission leider einräumen, dass es im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit den schwersten Bränden an Koordination zwischen den Agenturen und an Vermeidungsplänen gemangelt hat. Haben Sie sich in der Zwischenzeit darüber informiert, was in Griechenland gegen diese Probleme unternommen worden ist, oder verteilen Sie lediglich Mittel an Regierungen, die diese höchstwahrscheinlich vergeuden?

 
  
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  Rolf Berend (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Mitunterzeichner einiger Änderungsanträge im Namen der EVP-ED-Fraktion möchte ich die Gelegenheit als Mitglied und auch als Vizepräsident des Regionalausschusses ergreifen und Ihnen meine Sichtweise auf den Solidaritätsfonds und dessen Überarbeitung als Berichterstatter des Europäischen Parlaments darlegen.

Seit Annahme des Berichts zum Entwurf der Kommission über den neuen Solidaritätsfonds durch das Parlament mit überwältigender Mehrheit im Mai 2006 ruht dieser Entwurf im Rat. Dort lehnt eine Mehrheit der Mitgliedstaaten den neuen Fonds in seiner geänderten Form ab. Keine der bisherigen Ratspräsidentschaften hat den neuen Solidaritätsfonds in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen. Im Gegenteil! Die überarbeitete Version wird im Rat von den Finanzministern blockiert. Somit ist der neue Fonds, der für die Periode 2007-2013 konzipiert ist, nicht in Kraft. Es gilt bis auf Weiteres leider nur der alte Fonds, wie er in seiner Form seit September 2002 besteht, und damals mit heißer Nadel gestrickt worden ist. Unter zähen und harten Verhandlungen ist es uns 2006 gelungen, hier im Parlament Kompromisse auszuhandeln, die dieses Soforthilfeinstrument Solidaritätsfonds schneller, effektiver und vor allem klar definiert zum Einsatz bringen sollen. Nun will der Rat diese überarbeitete Version endgültig begraben.

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie wir als Solidargemeinschaft einem Notfallinstrument, das den Begriff Solidarität im Namen trägt, aus Befindlichkeiten einiger Mitgliedstaaten heraus eine derartige Absage erteilen. Wir haben dieses Instrument verbessert. Wir haben es erweitert. Ich kann nicht begreifen, wie diejenigen, die bereits von diesem Fonds profitiert haben, sich jetzt einer Zustimmung verweigern. Deshalb geht mein eindringlicher Appell an den Rat und seine Entscheidung, das zu überdenken und die überarbeitete Version endlich aufzunehmen. Wir sind eine Solidargemeinschaft, Herr Präsident, und niemand weiß, wann und wo sich die nächste Katastrophe ereignen wird. Es ist dann auch Ihre Verantwortung ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Margaritis Schinas (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Es versteht sich von selbst, dass alle Maßnahmen der EU zum Naturkatastrophenmanagement eine wirksame Vorbeugung, Reaktion und Schadensbehebung beinhalten müssen. Allerdings wird hier eine Beteiligung der EU an der Vorbeugung abgeblockt, was sicherlich auf vorgefasste Meinungen oder eine gewisse Fixierung zurückzuführen ist. Die Reaktion innerhalb der Kommission, aber auch in gewissen Reihen hier bei uns ist ziemlich offensichtlich: einige sind der Meinung, dass sich die EU nicht in diese Angelegenheit einmischen sollte.

Dieser Auffassung möchte ich mich in aller Deutlichkeit widersetzen. Ohne Vorbeugung werden wir nichts erreichen. Die Solidarität der EU sollte nicht allein darin bestehen, dass Präsident Barroso am Ende mit einem Hubschrauber anreist und einen Scheck vom Solidaritätsfonds überreicht. Gelebte Solidarität beinhaltet einen umfassenden Reaktionsmechanismus. Herr Barnier hat einen solchen entwickelt, der allerdings nach wie vor im tiefen Labyrinth der Bürokratie verschwunden ist. Wir haben eine klare Diagnose gestellt und schreiben nun das Rezept.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE).(HU) Unter dem vorherigen Tagesordnungspunkt wurde darauf hingewiesen, dass die meisten Naturkatastrophen in Europa auf bestimmte Weise mit Wasser verbunden sind: Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände. Eine der Ursachen des Problems sind die herkömmlichen Hochwasserschutzmethoden und konkret der Umstand, dass wir in einem Überschwemmungsfall alles daran setzen, damit das Wasser möglichst schnell abfließen kann. Nur wenige Monate später, in Dürreperioden oder bei Waldbränden, stellen wir dann plötzlich fest, wie sinnvoll doch entsprechende Speichereinrichtungen wären, die bei Überschwemmungen oder extrem hohen Niederschlagsmengen das Niederschlagswasser auffangen könnten. Deshalb hängt jetzt viel davon ab, ob es uns gelingt, die Wasserwirtschaft insgesamt neu auf den Grundsatz auszurichten, dass jeder Wassertropfen ein wertvolles Gut darstellt, den es gilt, für kritische Trockenperioden zu speichern, und im bestimmten Umfang könnte es eine Lösung der genannten Probleme sein – das heißt, mit dazu beitragen, diese zu verhindern. Es muss sichergestellt werden, vor allem in den neuen Mitgliedstaaten, dass diese Aufgabenstellung Eingang in die gemeinschaftliche Politik findet, sodass wir sie als politische Maßnahme der Gemeinschaft unter Nutzung ihrer finanziellen Möglichkeiten entwickeln und dadurch den durch Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände verursachten Schaden reduzieren können.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE).(CS) Obgleich ich mich als Abgeordnete eines Landes zu Wort melde, das erst dann ernst zu nehmende Schwierigkeiten mit Bränden haben wird, wenn wir das volle Ausmaß des Klimawandels zu spüren bekommen, ist mir der Stellenwert der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bewusst. Nach zahlreichen Aussprachen zu diesem Thema bin ich als ehemalige Geschäftsführerin zu der festen Überzeugung gelangt, dass es höchste Zeit für eine gemeinsame Strategie für die Prävention von und die Hilfe bei Katastrophen ist. Dafür benötigen wir Kapazitäten und ein zielbewusstes Management sowie zielgerichtete Hilfe, die nicht nur finanzieller Natur sein muss. Ich fordere zudem den Rat, alle Präsidentschaften und natürlich die Kommission auf, alles dafür zu unternehmen, dass wir in diesem Hohen Haus nicht mit leeren Händen dastehen und darüber abstimmen können, ob wir heute oder in einer Woche Hilfe leisten und ob die Katastrophe verheerend oder weniger verheerend ist.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Ich gehöre auch zu den fünf Personen, die nach dem „Catch the eye“-Verfahren aufgerufen wurden. Ich wollte sagen, dass es zwei Dinge gibt, die wir gegen Naturkatastrophen tun können. Wir können ihnen zum Teil vorbeugen so gut es geht, beispielsweise Hochwasser. Wenn diese Katastrophen aber bereits eingetreten sind, müssen wir uns um die Menschen kümmern, die davon betroffen sind. Eine der Maßnahmen ist psychologischer Beistand. Wir können uns Menschen vorstellen, die ihr ganzes Hab und Gut durch Hochwasser verloren haben, ihr Haus, was auch immer; sie leben weiter, sind aber mittellos, und sie müssen ungeheure Verluste erleiden. Aus Erfahrung weiß ich, dass in solchen Momenten die Arbeit von Psychologen sehr wichtig ist, und ich meine, in solchen Katastrophenhilfegruppen muss dafür gesorgt werden, wofür wir auch finanzielle Mittel brauchen, dass Psychologen unverzüglich zur Tat schreiten können, um diesen Menschen zu helfen.

 
  
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  Stavros Dimas , Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Ich möchte allen Rednern für ihre ausgesprochen positiven Beiträge danken.

Es ist das erklärte Ziel der Kommission, die Reaktionsfähigkeit der Union im Katastrophenfall deutlich zu verbessern. Mit ihrer Mitteilung vom März und Maßnahmen, die sich derzeit in Vorbereitung befinden, will die Kommission einen integrierten Ansatz verfolgen.

Erstens beleuchten wir alle Aspekte von Katastrophen: Vorbeugung, Vorbereitung, Bereitschaft, Sofortreaktion und langfristige Schadensbehebung.

Zweitens befassen wir uns mit allen Formen von Natur- wie auch vom Menschen verursachten Katastrophen innerhalb und außerhalb der EU.

Drittens wollen wir alle Gemeinschaftsmittel durch eine verbesserte Koordination zwischen den EU-Agenturen integrieren.

Was die angesprochenen Punkte anbelangt, sind sich das Parlament und die Europäische Kommission zunächst einig, den Solidaritätsfonds zu reformieren. Leider lehnt der Rat diese Reform ab. Die Kommission ist dennoch nicht gewillt, ihren Vorschlag zurückzuziehen, und setzt große Hoffnungen darin, den Rat überzeugen zu können.

Im Zusammenhang mit der Waldbrandrichtlinie erarbeiten meine Dienststellen eine Mitteilung zur Katastrophenvorbeugung, und spezifische Rechtsvorschriften zu Waldbränden wären eine Möglichkeit, die es zu prüfen gilt.

Die Kommission war die wichtigste treibende Kraft bei der Annahme der Eurocodes für Gebäudesicherheit. Dabei handelt es sich um die europäischen Standards für die Erdbebensicherheit von Gebäuden; sie werden nun in nationales Recht übernommen und entsprechend umgesetzt.

Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger der Vorschläge von Herrn Barnier. Allerdings möchte ich Sie daran erinnern, dass die einstimmige Zustimmung des Rates erforderlich ist. Wir alle wissen, dass derzeit keine Einstimmigkeit zwischen den Mitgliedstaaten besteht. Aus diesem Grund erfordert die Vorbereitung unserer Vorschläge mehr Zeit als wir uns wünschen würden. Ich möchte Ihnen lediglich in Erinnerung rufen, dass gemäß dem Vertrag von Lissabon eine qualifizierte Mehrheit im Rat ausreichen würde.

Wir haben bereits Programme des Roten Kreuzes für psychologische Betreuung finanziert, und weitere Programme werden auf technischer Ebene vorbereitet.

Abschließend stellt die Kommission fest, dass im Europäischen Parlament ein starkes Interesse an einer tragenden Rolle im Bereich des Katastrophenmanagements besteht. Ich freue mich darauf, mit dem Parlament und dem Rat bei der Festlegung der Grenzen der Subsidiarität gewinnbringend zusammenzuarbeiten, um die europäische Dimension im Katastrophenmanagement zu fördern und weiterzuentwickeln.

 
  
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  Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurde gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung ein Entschließungsantrag(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 19. Juni 2008, statt.

Schriftliche Erklärungen (Art. 142)

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (PSE), schriftlich. – (RO) Die Waldbrände in Griechenland, Italien und Spanien im Sommer 2007 sowie die Überschwemmungen in Rumänien und Großbritannien haben zu vermehrten Forderungen nach Verbesserung der Effizienz der Reaktionsfähigkeit der Union im Katastrophenfall geführt. Mit dem Klimawandel zusammenhängende Katastrophen werden immer häufiger und daher bedarf es multilateraler und koordinierter Reaktionen, um alle verfügbaren Ressourcen unter Berücksichtigung von Aspekten wie Schnelligkeit, Effizienz und Geldertrag zu mobilisieren.

Die Stärkung des Beobachtungs- und Informationszentrums (MIC), die Verbesserung der Reaktionsfähigkeit des Europäischen Katastrophenschutzes und eine bessere Koordination zwischen der UNO und dem Roten Kreuz im Hinblick auf die Bereitstellung humanitärer Hilfe gehören zu den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen, die zur Erhöhung der Reaktionsfähigkeit der EU im Katastrophenfall beitragen werden. Beabsichtigt ist ebenfalls, ein europäisches Netz für die Katastrophenhilfeschulung aufzubauen, Frühwarnsysteme einzurichten sowie den Gebrauch der europäischen Notrufnummer 112, die nicht in allen Mitgliedstaaten hinreichend bekannt ist, sicherzustellen. In Rumänien wissen nur 30 % der Bevölkerung, dass man in Notfällen diese Nummer in jedem beliebigen EU-Land wählen kann. Die nationalen Behörden müssen ihre Anstrengungen zur Verbreitung dieser Nummer fortsetzen, um nicht nur auf Probleme des Klimawandels schnell reagieren zu können.

 
  

(1)Siehe Protokoll.


22. 1. Juli 2008: Vierzig Jahre Zollunion
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zu den Feierlichkeiten anlässlich des vierzigsten Jahrestages der Zollunion am 1. Juli 2008.

 
  
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  László Kovács, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wenn wir über den internationalen Handel oder die europäische Integration sprechen, dürfen wir den Zoll nicht außer Acht lassen, der an den Außengrenzen der Europäischen Union für die ordnungsgemäße Umsetzung aller Maßnahmen verantwortlich ist und damit heute eine doppelte Funktion wahrnimmt: Erleichterung des Handels und gleichzeitiger Schutz der europäischen Bürger und der Umwelt.

In den vergangenen 40 Jahren haben die europäischen Zollbehörden große Anstrengungen unternommen, um effizient wie eine einheitliche Behörde zusammenzuarbeiten. Sie haben oftmals eine Vorreiterrolle in der europäischen Integration gespielt. Es ist schon beachtlich, dass es einer Politik, die kaum in den Schlagzeilen zu finden ist, dennoch gelungen ist, durch das Beschreiten neuer Wege sowohl in der wirtschaftlichen Entwicklung als auch der Integration der Gemeinschaft eine Pionierrolle zu übernehmen.

Heute hat der Zoll eine nicht weniger wichtige und schwierige Aufgabe zu erfüllen, die bedauerlicherweise von der Öffentlichkeit nicht so geschätzt wird wie es eigentlich sein sollte. Gleichwohl ist die ordnungsgemäße Arbeit der Zollbehörden die Grundlage für den Erfolg unseres Binnenmarktes und den freien Verkehr von Waren, Personen, Kapital und Dienstleistungen. Die Funktionen des Zolls berühren den eigentlichen Kern der Tätigkeit der Gemeinschaft und haben Auswirkungen auf das tägliche Leben unserer Bürger, wenn sich die Menschen dessen auch oftmals nicht bewusst sind.

Um das Bewusstsein unserer Bürger für die wichtige Rolle des Zolls zu erhöhen, habe ich aus Anlass des 40. Jahrestages der Zollunion eine EU-weite Kommunikationskampagne ins Leben gerufen. Die Zollbehörden der Mitgliedstaaten haben diese Idee begrüßt.

In der vergangenen Woche habe ich drei wichtige Wareneinfuhrstellen an den Außengrenzen der EU – den Hafen von Rotterdam, den Flughafen in Frankfurt und die ungarisch-serbische Grenzübergangsstelle Röszke – besucht mit dem Ziel, der täglichen Arbeit und der hohen Motivation unserer Zollbeamten Anerkennung zu zollen. Das ist auch Gegenstand eines Informationspakets, das den Medien nun zur Verfügung steht, damit sie die Öffentlichkeit in den kommenden Monaten darüber informieren.

Lassen Sie mich auf die Kernfragen und darauf zurückkommen, dass der Zoll heute fünf strategische Aufgaben zu erfüllen hat:

Dies ist erstens der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und ihrer Mitglieder. 2007 belief sich der Gesamtbetrag der in den EU-Haushalt eingeflossenen Zölle auf 16,6 Milliarden Euro, das sind 16 % des Haushalts der Gemeinschaft.

Die zweite Aufgabe ist die Erleichterung des rechtmäßigen Handels und die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen: die Modernisierung des Zollkodex der Gemeinschaft und die Einführung des elektronischen Zolls sind zwei Instrumente, die diesem Zweck dienen. Die jüngste konkrete Maßnahme war die Einführung des Konzepts des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten per 1. Januar 2008.

Drittens hat der Zoll durch die Kontrolle der für den internationalen Warenverkehr verwendeten Versorgungsketten den Schutz unserer Bürger vor Terroristen, Drogen und gefälschten Produkten und Produktpiraterie zu gewährleisten, die auch eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben unserer Menschen darstellen können.

Die vierte Aufgabe ist die Fortführung, Entwicklung und Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden der Mitgliedstaaten, zwischen dem Zoll und den anderen staatlichen Strafverfolgungsbehörden sowie zwischen dem Zoll und der Wirtschaft.

Der fünfte Aufgabenbereich ist die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Drittländern – die Zusammenarbeit mit anderen Zielländern im Bereich der Produktpiraterie und des Terrorismus wie mit den USA.

Unser Ansatz beruht auf Informationsaustausch, Zusammenarbeit bei der Risikoanalyse und beim Risikomanagement, der gegenseitigen Anerkennung von Sicherheitsmaßnahmen, den Ergebnissen von Sicherheitskontrollen und der Zoll-Handels-Partnerschaft, parallel dazu jedoch auch auf der Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern gefälschter Produkte und der Produktpiraterie wie China, denn von dort stammen 60 % der Erzeugnisfälschungen. Im Jahr 2005 haben wir ein Abkommen über die Zusammenarbeit der Zollbehörden unterzeichnet und einen Gemischten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollbereich geschaffen, der jährlich zusammentrifft. Im vergangenen Jahr haben wurde ein Politprojekt über Intelligente und Sichere Handelswege zwischen europäischen und chinesischen Häfen gestartet, und erst unlängst haben wir mit der Erarbeitung eines Aktionsprogramms begonnen, dass auf dem EU-China-Gipfel im Dezember unterzeichnet werden soll. Eine solche Zusammenarbeit ist auch mit Indien, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen Ländern erforderlich.

Seit 1993 kann eine Lieferung frei zwischen allen Mitgliedstaaten bewegt werden, sobald sie von der nationalen Zollbehörde freigegeben wurde. Das bedeutet, dass der Zoll nur einmalig die Möglichkeit hat, die Waren zu kontrollieren und illegal eingeführte Lieferungen zu beschlagnahmen. Damit ist die Zollunion so stark wie ihr schwächstes Glied. Das heißt, dass es für Händler ein Leichtes wäre, herauszufinden, an welchen Übergangsstellen die Kontrollen weniger genau oder intensiv erfolgen, und illegale Lieferungen dann entsprechend umzuleiten. Das verdeutlicht die besondere Verantwortung der Zollbehörden der Mitgliedstaaten, die über Außengrenzen verfügen.

Angesichts des stetig zunehmenden internationalen Handels und der Verantwortung bei der Bekämpfung von Fälschungen wird der Zoll weiterhin viel leisten müssen. Die folgenden Zahlen sollen den Umfang der Tätigkeit im Jahr 2007 verdeutlichen: Es wurden 183 Millionen Zollanmeldungen, das entspricht 5,5 Anmeldungen pro Sekunde, 1 545 Millionen Tonnen Seefracht und 3 Millionen Tonnen Luftfracht bearbeitet, es wurden 43 Fälle von Warenfälschungen festgestellt und die jeweiligen Lieferungen beschlagnahmt, das sind 79 Millionen gefälschte und nachgeahmte Erzeugnisse, und die Tendenz ist zunehmend.

Wir können der doppelten Funktion, die der Zoll heute wahrnehmen muss, nur gerecht werden, wenn wir unsere Arbeitsmethoden überdenken. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir vom derzeitigen transaktionsbasierten Verfahren der Erledigung der Zollformalitäten und Kontrollen zu einem systemgestützten Verfahren übergehen müssen, in dessen Mittelpunkt die internen Kontrollsysteme und die Versorgungsketten der Wirtschaftsbeteiligten stehen.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass auf die Kontrolle einzelner Lieferungen verzichtet wird, vielmehr werden diese Kontrollen auf einer Risikoanalyse beruhen. Ein solcher neuer Ansatz stützt sich auf neue Arbeits- und Kontrollmethoden und eine gemeinsame Strategie des Risikomanagements für alle Zollbehörden der EU. Zudem bietet er den Mitgliedstaaten eine Plattform für die Erarbeitung einer geeigneten operativen Struktur, die nach ihrer Einrichtung ein effizientes Funktionieren der Zollunion gewährleisten soll.

Zu den neuen Arbeitsmethoden gehört ferner, dass alle nationalen Zollbehörden mit qualifiziertem Personal arbeiten und mit den erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet werden, die es ihnen ermöglichen, ihre Effizienz und Effektivität beizubehalten und zu verbessern.

Um diese Ziele zu erreichen, empfahl die Kommission in ihrer Mitteilung zu einer Strategie für die weitere Entwicklung der Zollunion die Erarbeitung eines strategischen Plans. Diese langfristige Planung dürfte die nationalen Behörden in die Lage versetzen, ihren Bedarf an Ressourcen, Qualifizierung und Ausrüstungen vorauszuplanen, damit die Entwicklung in allen 27 Mitgliedstaaten auf eine abgestimmte und harmonisierte Weise erfolgen kann. Dieser beständige Kommunikationskanal wird ferner eine zeitgleiche Umsetzung der neuen Maßnahmen ermöglichen.

Am Vorabend des 40. Jahrestages der Zollunion bitte ich Sie, um politische Unterstützung der Initiative der Kommission für eine Strategie zur weiteren Entwicklung der Zollunion. Ich bin froh, dass die Entschließung, über die am Donnerstag abgestimmt werden soll, die Vorstellungen der Kommission über die Hauptachsen der Entwicklung der Zollunion zur Vertiefung der Zusammenarbeit mehrheitlich berücksichtigt und auf Aspekte der Sicherheit und Verbesserung der Effizienz, Effektivität und des Nutzens für den Binnenmarkt eingeht.

Ich möchte meinen Beitrag jedoch nicht beenden, ohne dem Europäischen Parlament dafür zu danken, dass es den Zoll all die Jahre stets unterstützt hat.

 
  
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  Malcolm Harbour, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Im Namen meiner Fraktion möchte ich dem Kommissar zunächst meine Anerkennung dafür aussprechen, dass er sich in der Kommission so engagiert für das Zollwesen einsetzt. Ferner möchte ich betonen, dass wir heute Abend nicht nur die großartige Gelegenheit haben, die, wie er festgestellt hat, beachtlichen Erfolge der Kommission und auch aller Zollbehörden der Mitgliedstaaten aus Anlass dieses 40. Jahrestages zu würdigen, sondern diesen Anlass auch nutzen sollten, um nach vorn zu blicken. Ich kann ihm versichern, dass die von ihm genannte Strategie von unserer Seite dieses Hohen Hauses volle Unterstützung erhält. Aus der Entschließung ist ersichtlich, dass wir die Mitgliedstaaten insbesondere aufgefordert haben, ihre Unterstützung zu erklären und für dieses äußerst wichtige Projekt die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

Der Kommissar hat in seiner Rede darauf hingewiesen, dass die Zollbehörden mit ihren Dienstleistungen die stillen Helden des Binnenmarktes sind, aber im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz werden sie mit Sicherheit nicht vergessen. Wie ihm bekannt sein dürfte, zeigen wir großes Interesse an den Dossiers, aber damit nicht genug: Wie auch er in der vergangenen Woche, besuchen wir regelmäßig bei unseren Missionen in der Europäischen Union und nunmehr auch an anderen Orten, insbesondere erst unlängst in China, die Zollbehörden, um ein Verständnis für Ihre Prioritäten und die Probleme zu entwickeln, die sie vor Ort zu klären haben, sodass wir mit der Thematik bestens vertraut sind.

Ich möchte auf einige Aspekte hinweisen, die wir beachten sollten. Ich meine, dass eine unserer gemeinsamen Aufgaben darin besteht, beim Kampf gegen Produktfälschungen und illegale Produkte eine engere Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und dem Zoll zu gewährleisten. Der Zoll benötigt Informationen, damit er Lieferungen aufhalten kann. Die Mitarbeiter des Zolls bedürfen informativer Unterstützung. Ich glaube, die Unternehmen sind sich der Bedeutung der Übermittlung solcher Informationen nicht ausreichend bewusst.

Zweitens müssen wir die Mitgliedstaaten angesichts des zunehmenden Handelsumfangs, insbesondere mit Ländern wie China, bitten, ernsthaft zu prüfen, ob sie über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um sehr umfangreiche Wareneingangsströme zu bearbeiten und Produktfälschungen und Produkte, die das Zollsystem umgehen sollen, zu prüfen und zu erkennen. Vielen Dank, Herr Kommissar, für alles, was Sie in diesem Bereich unternehmen.

 
  
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  Evelyne Gebhardt, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Da wir heute merken, dass die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union immer skeptischer gegenüberstehen, ist es besonders wichtig, dass wir solche Tage feiern, die symbolhaft sind. Und gerade diese 40 Jahre Zollunion sind ja ein bemerkenswertes Datum. Sie haben es ja selbst gesagt, Herr Kommissar: bemerkenswert, weil tatsächlich schon vor vierzig Jahren die Schritte zur Integration, zur Grundlage für den Binnenmarkt und für die freie Bewegung von Menschen, Waren und Dienstleistungen auf den Weg gebracht worden sind. Ich denke, es ist wichtig, dass wir das den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder sagen, ihnen klar machen, was sie von der Europäischen Union haben, was wir damals in diesem Zusammenhang erreicht haben.

Deswegen möchte ich auch noch einmal ganz positiv darüber reden, was da geschehen ist, weil das wirklich etwas Gutes ist. Die Arbeit, die Sie auch mit China und Staaten der Europäischen Union machen, die Sie erwähnt haben, das sind wichtige Schritte für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere Verbraucher und Verbraucherinnen in der Europäischen Union. Denn wir wollen ja sichere Produkte und sichere Dienstleistungen haben, die wir voranbringen können. Und das ist von großer Wichtigkeit. Wir haben jetzt in unseren letzten Richtlinien die wir für die Zollunion gestaltet haben, auch die Moderne eingebracht, indem wir den elektronischen Zoll eingeführt haben. Ich denke, das ist auch zukunftsweisend. Wenn es uns gelingt, solche positiven Aspekte der Politik in der Europäischen Union nach außen zu tragen, den Bürgerinnen und Bürgern klar zu machen, was sie von der Europäischen Union haben, dann werden wir sie auch wieder hin zur Europäischen Union führen können. Das ist das, was wir gemeinsam machen sollten. Herr Kommissar, ich bedanke mich recht herzlich für die Arbeit, die Sie in diesem Zusammenhang in der Europäischen Kommission leisten!

 
  
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  Janelly Fourtou, im Namen der ALDE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zu einer Zeit, da Europa Schwierigkeiten zu überwinden hat, da die Zweifel zunehmen und die Begeisterung abnimmt, stehen wir vor der Feier eines unbestreitbaren Erfolgs, des 40. Jahrestages der Zollunion.

Zwischen 1968 und 2008 diente der Zoll als Beispiel für Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit. Sie erinnern sich wahrscheinlich an die Schließung der Grenzkontrollstellen zwischen den Mitgliedstaaten im Jahr 1993. Die Zollbehörden konnten den Einsatz ihrer Arbeitskräfte auf moderne Weise neu organisieren. Sie haben eine komplexe Rolle zu spielen, weil sie auf globale Herausforderungen reagieren müssen. Während sie dafür sorgen, dass die Europäische Union und deren Bürger sicher sind und dass die Logistikkette sicher ist, müssen sie auch die richtige Balance finden zwischen Kontrollen einerseits und der Erleichterung des legalen Handels zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Europas andererseits.

Um diese Aufgaben bewältigen zu können, wurden die Zollbehörden dank eines neuen Zollkodexes radikal umstrukturiert, der sowohl einfacher als auch umfassender ist, da er sich auf neue Technologien, die ein papierloses Arbeitsumfeld ermöglichen, und auf Zusammenarbeit stützt. Diese der Zollunion zugrunde liegende Zusammenarbeit muss sowohl für internationale Organisationen wie die WTO und die WCO als auch für neue Verwaltungen und Unternehmen gelten.

Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit werden besonders bei der Beschlagnahme von Fälschungen deutlich. Leider sind der internationalen Zusammenarbeit Grenzen gesetzt, und zurzeit können wir die einseitige Entscheidung des US-Kongresses über das hundertprozentige Scannen von Containerladungen in EU-Häfen nur bedauern.

Die Zollverwaltungen brauchen unsere Unterstützung, um realistische Diskussionen beginnen zu können. Wir müssen den in der Strategie für die Zukunft der Zollunion angekündigten Initiativen unsere Aufmerksamkeit schenken und bereit sein, jegliche Maßnahme zu unterstützen, die sie effizienter macht, insbesondere bei der Bekämpfung von Fälschung und organisierter Kriminalität.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Vierzig Jahre Zollunion, Frau Gebhardt hat es angesprochen, sind ein Element, das den Bürgern klarmacht, dass die Europäische Union ein Stück von dem eingelöst hat, was sie vor vierzig Jahren versprochen hat. Sie hat in diesen Jahren, und meine Fraktion, Herr Kommissar, hat es in den vergangenen Monaten bei allen Gesetzgebungsvorschlägen, die Sie ins Europäische Parlament eingebracht haben, unterstützt, die finanziellen Interessen der Europäischen Union und ihre Mitgliedstaaten erheblich besser geschützt als die Mitgliedstaaten dies alleine hätten tun können. Sie hat Investitionen von einem in den anderen Mitgliedstaat erleichtert, wie es die Mitgliedstaaten allein nicht hinbekommen hätten. Wir haben über die Modernisierung des Zollkodex und den elektronischen Zoll, den Sie angesprochen haben, hier erheblich dazu beitragen können, dass diese Investitionstätigkeit in Zukunft noch stärker vereinfacht wird. Hinzugesagt werden muss allerdings, dass die Kosten für diese Umstellung unerfreulicherweise bei den Unternehmen geblieben sind. Der Zoll, so meine ich, hat in den nächsten Jahren erhebliche Herausforderungen vor sich. Deswegen, lieber Herr Kommissar, glaube ich, dass es wichtig ist, dass Ihre Strategie diese neuen Herausforderungen effizient und effektiv ansteuert und Antworten gibt.

In meinen Wahlkreis, – Sie wissen das – gibt es ein Problem mit der Verzollung an der Grenze zur Schweiz. Ich hoffe, dass wir die vielen kleinen Detailfragen, die sich da Tag für Tag für die Unternehmen stellen, auch in Zukunft so konstruktiv lösen können, wie wir das in der Vergangenheit haben tun können.

Der Zoll wird in den nächsten Jahren – und das ist die Herausforderung auf die Ihre Strategie Antwort geben muss – die Sicherheitsinteressen der Europäischen Union noch viel stärker berücksichtigen müssen als in der Vergangenheit. Natürlich zählt dazu auch der Schutz vor gefälschten Produkten und Produktpiraterie, aber es kommt zunehmend auch darauf an, in dieser Frage Aspekte des globalen Terrorismus noch stärker mit den Aufgaben des Zolls zu verknüpfen. Der globale Handel, Frau Fortou hat darauf hingewiesen, wird zunehmend erfordern, dass auch auf der Ebene der WTO darüber verhandelt wird, wie sich der Zoll bei dem Schutz der Außengrenzen effektiv einbringen kann.

Mein letzter Punkt, die Frage des transatlantischen Binnenmarktes lässt aus unserer Sicht ein hundertprozentiges Scanning nicht als sinnvoll erscheinen. Ihnen weiterhin viel Erfolg.

 
  
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  Arlene McCarthy (PSE). - (EN) Herr Präsident! Als Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, in dessen Zuständigkeit auch die Zollpolitik fällt, freue ich mich sehr über die Möglichkeit, in dieser Debatte zum 40. Jahrestag der Zollunion sprechen zu können. Wie bereits betont, misst der IMCO-Ausschuss unserer Tätigkeit im Zollbereich große Bedeutung bei, da sie die pragmatische und praktische Seite der Tätigkeit der Europäischen Union verkörpert. Die Zollunion trägt ohne jeden Zweifel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bei, indem sie die Vorschriften für Unternehmen und rechtmäßige Händler vereinfacht und unnötige Regeln abschafft. Jährlich werden 175 Millionen Zollanmeldungen bearbeitet, und eine durchschnittliche Zollabfertigung dauert nur zwei Minuten.

Aber es bleibt noch viel zu tun. Die KMU müssen stärker unterstützt werden, um die mit dem Handel in Europa verbundenen Schwierigkeiten für sie zu minimieren. Ein papierloses Arbeitsumfeld für den Zoll, eine zentrale Abfertigung und eine einheitliche Anlaufstelle erleichtern den KMU die Arbeit und unterstützen sie; diese Forderungen müssen von den Mitgliedstaaten jedoch rigoros umgesetzt werden, wenn wir Erfolg haben wollen.

Das ist zudem eine Möglichkeit, unseren Kampf gegen den Zustrom und die Flut von Produktfälschungen und Produktpiraterie aufzunehmen und zu intensivieren. Gefälschte Produkte und gefälschte Medikamente schaden nicht nur den europäischen Unternehmen, sie stellen vielmehr eine ernst zu nehmende und andauernde Gefahr für das Leben und die Sicherheit unserer Verbraucher dar. Das ist ein Thema, das dem Ausschuss für Verbraucherschutz große Sorgen bereitet.

Indem wir also mit Drittländern und insbesondere China zusammenarbeiten, wollen wir sicherstellen, dass gefährliche und illegale Waren zunehmend abgefangen werden, aber letztendlich müssen wir dafür sorgen, dass unsere Zollunion besser funktioniert. Die Mitgliedstaaten werden heute Abend aufgerufen, ihrer Verantwortung für die Umsetzung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften besser nachzukommen und dafür entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen.

Herr Kommissar, seien Sie versichert, dass wir im IMCO-Ausschuss weiterhin mit Ihnen an der Verbesserung der Zollunion als ein Eckstein des Binnenmarktes und selbstverständlich als zentrales Element des ordnungsgemäßen Funktionierens und des Erfolgs der EU-Wirtschaft arbeiten werden. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere 27 Mitgliedstaaten enger zusammenarbeiten: dass sie miteinander in Verbindung stehen, Informationen austauschen und ein Europa schaffen, in dem rechtmäßige Unternehmen besser und reibungsloser agieren können, und dass wir angesichts des ernst zu nehmenden Problems der gefälschten Artikel und der Produktpiraterie, die heute zunehmend auf unseren Markt gelangen, hart durchgreifen.

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Die Zollunion ist ein unverzichtbarer Teil des Binnenmarktes der Europäischen Union, der nicht richtig funktionieren kann, solange die gemeinsamen Prinzipien nicht auf die Außengrenzen der EU angewandt werden. Die Zollunion hat nicht nur die selbstverständliche Funktion, Zölle zu erheben, sondern übernimmt auch eine wichtige Aufgabe beim Schutz der Gesundheit und der Sicherheit unserer Bürger.

In den vergangenen Monaten haben wir viel Zeit im Parlament damit verbracht, über Themen wie Produktsicherheit, vor allem über die Sicherheit von Spielzeug, und Produktfälschung zu diskutieren. Uns allen liegt sehr viel an Waren, die die gesetzten Anforderungen erfüllen und insbesondere keine Gefahr für unsere Gesundheit darstellen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass nicht nur, wie allgemein angenommen, exklusive und teure Waren von Produktfälscherei betroffen sind, sondern auch Autoteile und alltägliche Produkte wie Lebensmittel oder Medikamente.

Viele solcher Erzeugnisse gelangen aus Drittländern auf den europäischen Binnenmarkt. Das Ausmaß dieses Problems belegen die Statistiken. 2007 haben die Zollbehörden etwa 128 Millionen gefälschte Produkte beschlagnahmt. Das waren 70 % mehr verglichen mit dem Jahr 2005. Bei Medikamenten war es ein Anstieg um 380 %. Selbstverständlich kann dieser Anstieg verschiedene Ursachen haben. Es kann daran liegen, dass größere Mengen an Fälschungen in die EU gelangen, aber auch daran, dass die Zollbehörden bessere Aufdeckungsarbeit leisten.

Vergessen wir aber nicht, dass Standards allein nicht genügen, wenn es an unseren Grenzen keine wirksamen Kontrollen gibt, vor allem wenn die Kontrollen nicht an jeder Stelle unserer Außengrenzen einheitlich durchgeführt werden. Wenn wir den Zustrom an gefälschten Waren in die EU wirksam bekämpfen wollen, brauchen wir eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden und den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten, aber auch eine bessere Zusammenarbeit mit den Zollbehörden in Drittländern. Diese verbesserte Zusammenarbeit muss mit technologischem Wandel einhergehen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Zollbehörden in der gesamten Europäischen Union über entsprechende Ausrüstungen verfügen, mit denen sie ihre Aufgaben wirksam erfüllen können.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE).(CS) Vor vierzig Jahren war die Zollunion der Schlüssel zum europäischen Wohlstand, weil er die Möglichkeit zur Errichtung des Binnenmarktes bot. Heute sind wir angesichts der Liberalisierung des Handels mit neuen Problemen konfrontiert. Uns ist bekannt, dass lediglich 0,5 % der umfangreichen ausländischen Einfuhren in europäischen Häfen kontrolliert werden können und dass sich in jedem dritten Container nachgeahmte Waren befinden. Eine weitere Gefahr geht von Waren aus, die unsere technischen und Sicherheitsnormen nicht erfüllen.

Ich möchte betonen, dass wir die europäischen Verbraucher besser vor derartigen Waren schützen müssen. Für eine wirksamere Abstimmung bedarf es der strengen Umsetzung neuer, zeitgemäßer Rechtsvorschriften, die unser großes Geschenk angesichts des Jahrestages der Zollunion sind (bzw. waren). Darüber hinaus haben wir in unseren Rechtsvorschriften das Recht auf Beseitigung gefährlicher Güter sowie nachgeahmter Waren verankert. Dies wird den Zollbeamten viel Arbeit bescheren, es ist also ein großartiges Geschenk. Es müssen aber noch viele andere Möglichkeiten sondiert werden: engere Zusammenarbeit mit Unternehmen, wirksamere Koordinierung zwischen Mitgliedstaaten über E-Zoll und die neueste Option der Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Darüber hinaus hoffen wir, dass es uns gelungen ist, die Bedingungen für kleine und mittlere Unternehmen ein wenig zu verbessern.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE).(PL) Herr Präsident! Die am 1. Juli 1968 geschaffene Zollunion war der erste Schritt zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Integration der damals sechs Mitgliedstaaten. Wir können sie als Erfolg in der Geschichte der europäischen Integration würdigen. Wenn wir den vierzigsten Jahrestag des Bestehens der Zollunion begehen, sollten wir erwähnen, dass sie beispielhaft belegt, dass in einer Gemeinschaft mit 27 Mitgliedstaaten eine wirksame Zusammenarbeit möglich ist, denn schließlich gibt es ja für die Europäische Union nicht nur eine Zollbehörde, sondern 20 einzelstaatliche Zollbehörden mit unterschiedlichen Kompetenzbereichen und verschiedenen Organisationsformen, die auf der Grundlage der gemeinsamen europäischen Politik und innerhalb des rechtlichen Rahmens, der die geltenden Regelungen und Verfahren vorgibt, zusammenarbeiten. Die Zollverwaltungen der 27 Mitgliedstaaten müssen als eine Zollverwaltung arbeiten.

Vor vierzig Jahren war es das Ziel der Zollunion, die Zölle an den Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten abzuschaffen und die Idee des gemeinsamen Marktes zu verwirklichen. Heute schützen die Zollbehörden gemeinsam die Außengrenzen der Europäischen Union und ergreifen Maßnahmen, um Schmuggel zu bekämpfen, gefährliche gefälschte Waren zu beschlagnahmen und andere Aufgaben zu erfüllen, die die Europäische Kommission auch – und an dieser Stelle möchte ich dem Kommissar gratulieren – in ihrer im April 2008 vorgestellten Strategie für die weitere Entwicklung der Zollunion berücksichtigt hat.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE). - (EN) Herr Präsident! Die Zollunion ist eine wunderbare Sache, noch schöner wäre es aber, wenn sich alle beteiligten Länder an sie halten würden. Ich denke dabei in erster Linie an die Türkei, die trotz des großen Drucks, den die EU auf das Land ausübt, das Ankara-Protokoll weiterhin nicht auf Zypern anwendet bzw. nicht ratifiziert, wodurch der gesamte Schiffs- und Luftverkehr mit Zypern praktisch einem Embargo unterliegt.

Ich frage Sie, weshalb lässt die EU zu, dass die Türkei unsere Regeln und Bestimmungen zur Farce macht? Weshalb wird dieses inakzeptable Verhalten der Türkei toleriert? Weshalb stellt die Kommission die Türkei nicht vor die Alternative, entweder die Zollunion umfassend umzusetzen oder von ihr ausgeschlossen zu werden? Wie lange lassen wir uns dieses respektlose und unsinnige Verhalten von einem Land gefallen, das in die Europäische Union aufgenommen werden und glauben möchte, es sei europäisch?

 
  
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  Jean-Pierre Audy (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich Ihre Arbeit und die Ihrer Verwaltung zu diesem Thema würdigen, denn sie gereicht der Europäischen Union zur Ehre. Ich danke auch meinen Kolleginnen und Kollegen sowie meiner Fraktion für die Unterstützung eines von mir vorgebrachten Änderungsantrags über die Notwendigkeit, die KMU zu berücksichtigen, die die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Einfuhr- und Ausfuhrverfahren als eines der größten nichttariflichen Handelshemmnisse ansehen.

Ich denke jedoch, dass wir über die in der Entschließung vorgeschlagene Zusammenarbeit hinausgehen müssen. Zu einer Zeit, da der Vertrag von Lissabon den Schutz der Bürger als eines der Ziele der Union vorschlägt und die WTO große Schwierigkeiten hat, müssen wir weiter gehen, da die Zollstatistiken, wie der Kommissar bereits sagte, alarmierend sind und Produktfälschungen weiterhin unsere Gesundheit, Sicherheit und Wirtschaft gefährden. Es ist an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen und einen Zusammenschluss der Zollbehörden in Betracht zu ziehen, der weit über die zerzeitige Zusammenarbeit hinausgeht, deren Grenzen heute klar zutage treten.

 
  
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  László Kovács, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Gestatten Sie mir zunächst, mich bei Ihnen für die eben stattgefundene sehr interessante Debatte zu bedanken. Ich habe mir Ihre Anmerkungen genau notiert, denn sie sind für mich und die Kommission – und auch die Zolldienststellen – äußerst nützlich, da sie die vom Europäischen Parlament definierten politischen Prioritäten berücksichtigen.

Ihre ausdrückliche Würdigung und Unterstützung der Tätigkeit der Zollunion hat mich sehr beeindruckt; ich kann Ihnen versichern, dass diese fortgesetzt werden wird. Welche Garantien gibt es? Die Garantien sind, dass wir über die Instrumente, die Strategie und die rechtliche Grundlage verfügen, den modernisierten Zollkodex der Gemeinschaft einschließlich der Vorschriften und Verfahren, die den rechtmäßigen Handel erleichtern sowie den Schutz des Binnenmarktes, der Sicherheit, Gesundheit und des Lebens unserer Bürger garantieren.

Wir verfügen über die ID-Technologie für den elektronischen Zoll, und uns steht zudem ein sehr umfangreiches Netzwerk für die Zusammenarbeit zur Verfügung: für die Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden der Mitgliedstaaten, die Zusammenarbeit mit anderen Strafverfolgungsbehörden und die Zusammenarbeit mit Unternehmen – und Bezug nehmend auf den Beitrag von Herrn Harbour möchte ich sagen, dass ich in der vergangenen Woche in Frankfurt die Möglichkeit hatte, Informationen über das MediFake-Projekt zu erhalten, in dessen Mittelpunkt gefälschte Medikamente stehen. Wenn man nun die verschiedenen Kategorien von Produktfälschungen nach ihrer Bedeutung einstuft, sind die gefälschten Medikamente zweifelsohne die gefährlichsten.

So freut es mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Zollbehörden und der Verband der pharmazeutischen Unternehmen in Ungarn, dem Land, in dem ich mich am besten auskenne, erst vor wenigen Tagen eine Vereinbarung über die Verhinderung des Zugangs gefälschter Pharmazeutika zum Markt getroffen haben.

Ferner arbeiten wir mit internationalen Organisationen und mit Drittländern wie China zusammen, und nachdem wir nun schon länger als drei Jahre an diesem Portfolio arbeiten und regelmäßige Beratungen mit den chinesischen Behörden stattfinden, kann ich sagen, dass durchaus Verbesserungen in der chinesischen Haltung zu verzeichnen sind. Unsere chinesischen Partner sind heute konkreter und sachlicher, sie zeigen ein kooperativeres und konstruktiveres Verhalten.

Das ist für sie wahrscheinlich zunehmend eine Frage des politischen Prestiges. China spielt eine immer wichtigere Rolle, nicht nur im internationalen Handel, sondern auch in der Weltpolitik, und kann es sich nicht leisten, als wichtigste Quelle, als Herkunftsland von Produktfälschungen zu gelten, die Sicherheit, Gesundheit und selbst das Leben der Bürger anderer Länder gefährden.

Diese Entwicklung ist aber auch darin begründet, dass China zunehmend zum Zielland wird und nicht mehr ausschließlich als Herkunftsland betrachtet werden kann, wofür es zahlreiche Beweise gibt.

Von mindestens zwei Sprechern wurde die 100 %ige Scanning-Initiative des US-Kongresses erwähnt: Ich kann Ihnen sagen, dass wir wirklich versuchen, Druck auf die US-Regierung und indirekt auch auf die Gesetzgebung der USA auszuüben, da wir absolut sicher sind, und wir sagen das immer wieder, dass diese Initiative den internationalen Seefrachtverkehr stören würde. Sie würde ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln und die Aufmerksamkeit und Ressourcen von den echten Problemen ablenken. Wir hoffen, letztendlich Erfolg zu haben.

Mit Ihrer Unterstützung, mit der Unterstützung des Parlaments und mit Unterstützung von Gremien wie dem IMCO- und INTA-Ausschuss, von denen die Zollunion große Unterstützung erfährt, ist, so meine ich, eine erfolgreiche Tätigkeit der Zollunion im nächsten, im vierten Jahr ihres Bestehens garantiert.

Vielen Dank für Ihre Beiträge und Ihre Unterstützung.

 
  
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  Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurde gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung ein Entschließungsantrag(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 19. Juni 2008, statt.

Schriftliche Erklärungen (Art. 142)

 
  
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  Sirpa Pietikäinen (PPE-DE) , schriftlich. (EN) Es gibt viele Gründe, den 40. Jahrestag der Zollunion zu würdigen. Die weitgehende Abschaffung der Zollformalitäten zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehört ohne jeden Zweifel zu den wichtigsten Errungenschaften der Union und stellt einen großen Gewinn sowohl für die Unternehmen als auch die Verbraucher in Europa dar.

Den Zollkontrolleuren an den Außengrenzen der Europäischen Union wurde große Verantwortung übertragen. Produktfälschungen, illegaler Handel mit Drogen und anderen gefährlichen Stoffen sowie der Schmuggel gefährdeter Arten oder Produkte stellen Herausforderungen für den Binnenmarkt dar, denen trotz immer weniger interner Grenzkontrollen begegnet werden muss. Europa hat weltweit einen der größten Märkte für gefälschte Produkte. Die Existenz und das Handelsvolumen dieser Produkte stellt eine schwerwiegende Verletzung geistiger Eigentumsrechte dar. Um dieser Entwicklung ein Ende zu setzen, sind weitere rigorose Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen.

Wollen wir uns dieser Herausforderung stellen, ist primär eine stärker harmonisierte und entschlossenere Zusammenarbeit der Zollbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich. Insgesamt ist die Schaffung des europäischen Binnenmarktes jedoch ein unbestrittener Erfolg und verdient es, als ein entscheidender Faktor gewürdigt zu werden, der zum Wohlstand der gesamten Europäischen Union beiträgt.

 
  

(1)Siehe Protokoll.


23. Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Marie Panayotopoulos-Cassiotou im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010) (KOM(2007)0797 – C6-0469/2007 – 2007/0278(COD)) (A6-0173/2008).

 
  
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  Vladimír Špidla , Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Panayotopoulos-Cassiotou, und dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie der Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, Frau Geringer, für ihre hervorragende Arbeit danken.

Das Europäische Jahr 2010 wird eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines sozialen Europa spielen. Der gewählte Ansatz, also ein Jahr, in dem zentrale und dezentrale Methoden miteinander kombiniert werden, sollte sich besonders dazu eignen, den politischen Zusammenhalt zwischen den Bürgern und den verschiedenen Entscheidungsebenen zu gewährleisten, und ein gewisses Maß an Flexibilität mit Blick auf die spezifische Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglichen.

Mit dem Europäischen Jahr 2010 bietet sich der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten die Gelegenheit, ihr politisches Engagement zu bekräftigen, und es wird deutlich gemacht, dass Armut und soziale Ausgrenzung ihren Niederschlag in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Union finden und die Würde unserer Bürger verletzen. Das Europäische Jahr 2010 soll zeigen, dass Armut erfolgreich bekämpft werden kann.

Außerdem wird sich mit dem Europäischen Jahr 2010 eine Plattform für die Aussprache über europäische Werte und deren Achtung bieten, die im Mittelpunkt der Entwicklung der öffentlichen Politik auf Ebene der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten steht. Es wird dazu beitragen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen in einem anderen Licht zu sehen.

Die Kommission hat sich immer dafür eingesetzt, dass dieses Konzept und dieser Ansatz im Text erhalten bleiben. Meines Erachtens weisen die meisten der Änderungsanträge des Europäischen Parlaments in diese Richtung.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou , Berichterstatterin. − (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemäß dem Gemeinsamen Bericht über Sozialschutz und soziale Eingliederung für 2008 leben 16 % der Gemeinschaftsbevölkerung nach wie vor unter der Armutsgrenze und 19 % der Kinder sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Und dies trotz all der Zusagen der Mitgliedstaaten aus dem Jahre 2000, die Armut bis 2010 deutlich zu mindern.

Armut betrifft nicht nur Frauen, Kinder und bestimmte stets besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen. Sie ist noch lange nicht aus der Welt geschafft und wird gegenwärtig durch internationale Entwicklungen im Energie- und Lebensmittelsektor sowie durch interne Ungleichheiten in weniger wohlhabenden Regionen verschärft. Diese Regionen in äußerster Randlage, Inseln, deindustrialisierte und andere Regionen haben mit chronischen strukturellen Nachteilen zu kämpfen.

Armut und soziale Ausgrenzung stellen eine Gefahr für die Entwicklung, die Wettbewerbsfähigkeit und das Sozialmodell dar und sind eine Menschenrechtsverletzung in einem Europa, das als gutes Beispiel für die Achtung der Menschenwürde und die Förderung der Chancengleichheit für alle vorangehen möchte.

Mit dem Kommissionsvorschlag für ein Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010, das im Vergleich zu den bisherigen Europäischen Jahren über eine höhere Mittelausstattung verfügt, wird ein wichtiger Beitrag zur Förderung von Solidarität, sozialer Gerechtigkeit und einem besseren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt geleistet.

Es ist unser Ziel, bis zum Jahr 2010 das Bewusstsein für die Vielgestaltigkeit von Armut und sozialer Ausgrenzung deutlich zu erhöhen. Dabei geht es nicht nur um materielle Armut, sondern auch um den Zugang zu medizinischer Versorgung, Wohnraum, Sozialschutz, Bildung, Ausbildung, Beschäftigung und um Lebensqualität. Wir müssen begreifen, dass Menschen, die in Armut leben, ein Recht auf ein Leben in Würde und auf eine Beteiligung am sozialen und wirtschaftlichen Leben haben. Wir müssen bekräftigen, dass die europäischen Agenturen der Mitgliedstaaten und die Sozialpartner sowie alle Bürger für die Verbesserung des sozialen Zusammenhalts verantwortlich sind. Im Jahr 2010 wird der Grundstein für wirksame Strukturen der gemeinsamen Verantwortung und für eine gerechte Umverteilung des Wohlstands gelegt.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten hat sich an vorderster Front für die Vorschläge eingesetzt und Änderungen angenommen, um die Zusammenarbeit aller Fraktionen im Europäischen Parlament zu ermöglichen. So haben wir den Kommissionsvorschlag verbessert, indem wir die Definition von gefährdeten Personengruppen ausgedehnt, Aspekte wie die Bedürfnisse von Familien mit spezifischen Problemen, allein erziehenden Eltern und Großfamilien sowie die besonderen Probleme von Menschen mit Behinderungen und Obdachlosen berücksichtigt und die aktive Einbindung und den Zugang zu Kultur und Freizeitaktivitäten gefördert haben.

Dies soll natürlich nicht von unserem Hauptziel ablenken, die finanzielle Situation von Einzelpersonen und Familien durch den Zugang zu einer angemessenen und unbefristeten Beschäftigung zu verbessern. Mit einer guten Beschäftigung ist die Genugtuung verbunden, sich zu beteiligen, und die notwendige Eigenständigkeit, um den Bedürfnissen der am stärksten gefährdeten Mitglieder unserer Gesellschaft, wie Kindern und alten Menschen, gerecht zu werden.

Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben wir die ordnungsgemäße Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften zur Chancengleichheit streng überwacht. Wir waren an der Ausarbeitung und Durchführung integrierter, koordinierter politischer Strategien auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene beteiligt, die von öffentlichen und privaten Einrichtungen unter Einbeziehung der Betroffenen entwickelt wurden, um den Grundsätzen der verantwortungsvollen Staatsführung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden.

Zu den Faktoren, die für den Erfolg des Jahres zur Bekämpfung von Armut notwendig sind, gehören die Stärkung der offenen Methode der Koordinierung, die Abstimmung von Maßnahmen der bestehenden Gemeinschaftsprogramme und der Ergebnisse der bisherigen Europäischen Jahre sowie eine korrekte Evaluierung der Vorschläge und Ergebnisse durch die Europäische Kommission.

Die Frage, ob NRO beteiligt und wie viele Mittel für ihre Aktionen zur Verfügung gestellt werden sollen, wurde im Vermittlungsausschuss des Rates und des Parlaments erörtert. Es freut uns, dass der Rat dem Vorschlag zugestimmt hat, dem Beschluss einen Anhang mit einer zusätzlichen Stellungnahme der Kommission hinzuzufügen, in der die Beteiligung kleiner und mittelgroßer NRO sowie die Möglichkeit einer vollständigen Finanzierung ihrer Aktionen durch nationale Agenturen befürwortet wird.

Ich möchte den zuständigen Bediensteten, den Kolleginnen und Kollegen und den Abgeordneten für ihre Unterstützung bei der Ausarbeitung des Beschlusses danken.

 
  
  

VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS
Vizepräsident

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (PL) Herr Präsident! Die Lebensqualität der Bürger der Mitgliedstaaten der Union zu verbessern, ist ein Grundanliegen der europäischen Integration. Dessen ungeachtet zeigen die Statistiken, dass derzeit in der Union 78 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, die meisten von ihnen Kinder, Frauen und Ältere. Das bedeutet, dass die Europäische Union neben ihren wirtschaftlichen Maßnahmen auch gesellschaftliche Initiativen ergreifen muss, und darauf hat das Europäische Parlament wiederholt hingewiesen. In seiner Entschließung vom 15. November 2007 hat das Parlament betont, dass die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und die Beseitigung von Armut und sozialer Ausgrenzung für die Europäische Union eine politische Priorität werden müssen. Die Initiative der Kommission, 2010 zum Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auszurufen, fügt sich vorzüglich in diesen Kontext ein und kann bedeutend dazu beitragen, die politische Aufmerksamkeit zu bündeln und alle Betroffenen mobilisieren, um so den Sozialschutz und die soziale Eingliederung voranzutreiben.

Das für diese Initiative veranschlagte Budget – 17 Millionen Euro – ist so hoch wie nie zuvor, aber es kommt ganz wesentlich auf die Umsetzung der Projekte auf nationaler Ebene an, damit diese Initiative ein Erfolg wird. Deshalb gilt es an die Mitgliedstaaten zu appellieren, sich aktiv an dieser Initiative zu beteiligen und für diesen Zweck entsprechend personelle und finanzielle Ressourcen bereitzustellen.

 

24. Änderung der Tagesordnung: siehe Protokoll

25. Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (Fortsetzung der Aussprache)
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  Der Präsident. − Wir setzen die Aussprache über das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung fort und kommen nun zu den Reden im Namen der Fraktionen.

 
  
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  Thomas Mann, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Vor lauter Exportzuwächsen und Globalisierungsgewinnen scheinen sie übersehen worden zu sein: die Menschen in Armut. 78 Millionen in der EU, darunter 19 Millionen Kinder: ein Gewöhnungsprozess? Ein klares Nein!

Junge Menschen, welche die Schule nicht schaffen und sie abbrechen, gehören genauso dazu wie ältere, die trotz jahrzehntelanger Arbeit kleine Renten haben, die gerade einmal zum Nötigsten reichen. Sie fühlen sich subjektiv ausgegrenzt und sind objektiv oft allein gelassen. Die Folge ist ein Alltag, der psychisch wie physisch extrem belastet: ungesicherte Wohnverhältnisse, Problemstadtteile, Verschuldungsgefahr, Alkohol und Drogen – ein Leben, in dem Würde und Selbstbewusstsein nicht anzutreffen sind. Die jährlichen Armutsberichte in unseren Mitgliedstaaten senden Alarmsignale.

Im letzten Jahr verfolgte ich auf der Zuschauertribüne des Deutschen Bundestages eine Debatte, das Schlagwort hieß: Unterschicht. Es führte zu wochenlangen kontroversen öffentlichen Debatten. Das ist es, was die Betroffenen brauchen: dass man sie wahrnimmt, dass man sie ernst nimmt, dass man Wege aus der Armut aufzeigt. Der sehr gute Bericht von Maria Panayotopoulos-Cassiotou – das darf ich im Auftrag der EVP-ED-Fraktion und sehr persönlich sagen, liebe Maria – gibt uns grünes Licht für das Jahr 2010 als Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Wenn nicht nur Analysen zur Lage herauskommen, sondern die gefährdeten Zielgruppen aktiv einbezogen werden und Raum erhalten, sich Gehör zu verschaffen, wenn Institutionen konkrete Erfolge vorstellen statt nur schöne Absichten, wenn Bildungsexperten motivierenden Unterricht aufzeigen, der zu Schulabschlüssen geführt hat, und wenn soziale Transferleistungen sichtbar werden, die nachweislich und nachhaltig das Armutsrisiko abgesenkt haben, dann dürften viele, die sich heute noch an den Rand gedrängt fühlen, endlich spüren, dass sie ein Recht auf Teilhabe an unserer Gesellschaft haben.

 
  
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  Richard Falbr, im Namen der PSE-Fraktion. – (CS) Zuallererst möchte ich meiner Kollegin, Frau Panayotopoulos-Cassiotou, für ihren ausgezeichneten Bericht und die angenehme Zusammenarbeit danken. Ich will auf zwei Aspekte eingehen.

In vielen unserer Dokumente finden sich die Begriffe „menschenwürdige Arbeit“ und „angemessene Arbeitsplätze“. Tatsache ist jedoch, dass es sich bei immer mehr Arbeitsplätzen um niedere Tätigkeiten handelt, mit anderen Worten also um schlecht bezahlte Hilfsarbeiten. Die Zahl der in Armut oder in Armut trotz Erwerbstätigkeit lebenden Menschen geht nicht zurück, was ein Beweis dafür ist, dass immer mehr Arbeitgeber Menschen illegal beschäftigen. Mit der Annahme des Entwurfs der Arbeitszeitrichtlinie ist ein weiterer Rückschritt verbunden, denn sie ermöglicht es, Arbeitnehmer unter Bedingungen wie in einigen chinesischen Industriegebieten zu beschäftigen, was ohne Zweifel einen Anstieg der Zahl der Armen mit sich bringen wird.

Außerdem müssen wir uns meines Erachtens endlich der Tatsache bewusst werden, dass die Privatisierung der öffentlichen und sozialen Dienste in einigen Ländern der Union unbemerkt voranschreitet. Diese Privatisierung wird auch einen Anstieg der Zahl der in Armut lebenden Menschen mit sich bringen. Leider werden meine Änderungsanträge, die auf diesen Sachverhalt hinweisen, regelmäßig abgelehnt. Ich möchte, dass wir endlich etwas dagegen unternehmen, anstatt immer mehr Papier zu beschreiben und Fristen zu setzen.

 
  
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  Sepp Kusstatscher, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Zunächst möchte ich betonen, dass ich es sehr gut finde, wenn 2010 europaweit ein besonderer Schwerpunkt der Politik gegen Armut und soziale Ausgrenzung gesetzt wird.

Lassen Sie mich hier aber trotzdem eine paar kritische Anmerkungen machen. Die Art und Weise, wie Verbesserungsvorschläge abgewimmelt worden sind, – vor allem auf Druck des Rates, – nur damit in erster Lesung eine Einigung erreicht wird, hat mich stark gestört. Ich habe für diese wichtige Initiative mehr Geldmittel im Haushalt von 2010 verlangt, ist doch die Bekämpfung der Armut ein klares Ziel der Agenda von Lissabon, das leider überhaupt nicht erreicht worden ist.

Auch wollte ich, dass die vielen Geldmittel, die die EU-Kommission ausschüttet, gerade im Hinblick auf 2010 einmal genauer angeschaut werden, ob diese ein Instrument zu einem gerechteren Ausgleich sind oder ob sie möglicherweise sogar mithelfen, dass die Reichen reicher werden, wobei die Armen kaum erreicht werden.

Auch hätte ich eine Diskussion zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens innerhalb der EU-Institutionen gewünscht. Vor allem aus dem Blickwinkel, ob dies ein geeignetes Instrument zur Armutsbekämpfung und gegen die soziale Ausgrenzung wäre. Ich bedauere sehr, dass diese Vorschläge sofort versenkt worden sind. Ich bin für die Initiative eines europäischen Jahres. Allerdings ist mir alles zu unverbindlich und hat zu wenig sozialpolitischen Konsequenzen.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! 2010 zum Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auszurufen ist eine sehr gute Initiative des Rates. Wir müssen unsere Bürger daran erinnern, dass der Kampf gegen die Armut eines der Hauptziele der Europäischen Union ist. Das stärkt zweifelsohne das Vertrauen der Menschen in unsere europäischen Institutionen, und dabei denke ich insbesondere an die neuen Mitgliedstaaten.

In meinem Heimatland Polen verbinden viele Bürger den Beitritt zur Union im Jahr 2004 leider noch immer mit einer Zunahme der Armut, das trifft vor allem für Menschen auf dem Lande und in Kleinstädten zu. Das hat sich in der geringen Wahlbeteiligung und in den Ergebnissen der Wahlen zum Europäischen Parlament widergespiegelt. Das Europäische Jahr zur Bekämpfung der Armut gibt Gelegenheit dazu, die Lage zu überdenken und die Mitgliedstaaten dazu anzuregen, konkrete Maßnahmen im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung zu ergreifen. Wenn wir uns die Gesellschaft oberflächlich betrachten, so scheint es, dass sich die Lebensqualität vieler Personen und Familien sowohl in der alten als auch in der neuen EU in der letzten Zeit deutlich verändert hat, und zwar leider zum Schlechten. Es wird beispielsweise immer schwieriger, Wohnraum zu finden. Diesbezüglich brauchen wir neue und aktuelle statistische Angaben.

In einer immer stärker globalisierten und immer schwerer kontrollierbaren Welt sollte der Staat größere Verantwortung für die Bürger übernehmen. Der Staat sollte dafür sorgen, dass sich die Bürger sicher fühlen, zumindest auf einem gewissen Grundniveau. Mit diesem Europäischen Jahr wird es uns meiner Meinung nach vor allem gelingen, die Menschen darüber zu informieren, dass dieses Problem existiert, das Bewusstsein zu schärfen und die Solidarität, auch in finanzieller Hinsicht, mit armen und ausgegrenzten Menschen zu stärken.

 
  
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  Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Die Linksfraktion im Europäischen Parlament unterstützt den Bericht, den unsere Kollegin vorgelegt hat, und damit auch die Zielrichtung zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Die Tragweite, die Armut und soziale Ausgrenzung sowohl als gesellschaftliches Problem, aber eben auch gerade für die von Armut betroffenen Menschen persönlich haben, sind sehr deutlich gemacht worden. Es wurde auch bereits mehrfach auf die 78 Millionen Menschen verwiesen, wovon 19 Millionen Kinder sind, die innerhalb der EU in Armut leben.

Um Armut aber ernsthaft zu bekämpfen und als gesellschaftliches Problem auszumerzen, sind konkrete, verbindliche Politikstrategien erforderlich. Politische Zielstellungen und die Garantie individueller Rechte auf ein Leben ohne Armut und soziale Ausgrenzung stehen auf der Tagesordnung. Genau das sieht aber die Europäische Union nicht vor. Die wichtigsten Politikstrategien der Europäischen Union sind nicht mit der Bekämpfung von Armut verbunden. Wirtschaftswachstum und Jobwachstum wirken sich nicht Armut senkend aus. Selbst die reichsten Mitgliedstaaten der Europäischen Union verzeichnen ein Anwachsen der Zahl von Menschen, die in Armut oder auch unterhalb der Armutsrisikoschwelle leben. Gerade in Deutschland sind in den letzten Jahren die Niedrigeinkommen gesunken, die Zahl der Niedriglohnbezieher allerdings gestiegen.

Beschäftigung in der EU führt also nicht per se zur Verhinderung von Armut, und diesen Erkenntnissen innerhalb der Europäischen Kommission und auch der Mitgliedstaaten folgt eben leider kein konkreter Maßnahmenplan, der beispielsweise auch die Durchsetzung von Mindestlöhnen oberhalb der Armutsrisikoschwelle innerhalb der Europäischen Union mit bezwecken würde oder auch das vom Kollegen Kusstatscher angesprochene Problem sozialer Grundsicherung lösen würde.

 
  
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  Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Frau Panayotopoulos-Cassiotou gratulieren. Ich glaube, dass wir uns dringend um das Problem der Kinderarmut kümmern müssen.

Im Zusammenhang mit den Statistiken über die Zahl der von Armut bedrohten Kinder – 19 Millionen in Europa – muss die herausragende Bedeutung der Familie und damit die Absicherung des Familienlebens noch viel stärker betont werden. Die Institution „Familie“ verdient uneingeschränkten Respekt und Schutz. Sie ist die natürliche Umgebung von Kindern. Wir stellen fest, dass in entwickelten Ländern Armut zunehmend eher ein familiäres und als ein regionales Phänomen ist. Der wirtschaftliche Status eines Kindes ist eng mit dem seiner Eltern verknüpft. Somit ist die Arbeitslosigkeit der Eltern eine Ursache für Kinderarmut.

In Irland können Hypotheken, Gesundheitsvorsorge und Abzahlungen für Autos den Großteil eines oft sogar recht annehmbaren Familieneinkommens derartig aufzehren, dass nur wenig für die Kinder bleibt. Dazu kommen weitere Aspekte, wie Suchtprobleme der Eltern, sodass das Geld nicht für eine sichere Kindheit ausreicht. Auch die finanzielle Belastung durch Trennung und Scheidung schadet den Kindern. Es ist zwingend erforderlich, dass Familien wirtschaftlich und sozial effizient unterstützt werden, um die beschämende Realität der Kinderarmut im heutigen Europa zu lindern.

 
  
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  José Albino Silva Peneda (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich stelle fest, dass es in dem uns heute vorliegenden Bericht ausdrücklich um die Beseitigung und nicht, wie eigentlich vorgeschlagen, nur um die Bekämpfung der Armut geht. Es freut mich daher, dass mein Einwand erhört wurde, und ich möchte der Berichterstatterin, Frau Panayotopoulos-Cassiotou, dafür danken.

Die Europäische Union ist es gewohnt, schnell und ausgesprochen solidarisch zu reagieren, um beispielsweise den Opfern von Naturkatastrophen in der ganzen Welt zu helfen, doch sie sucht nach wie vor nach zahlreichen Ausflüchten, wenn es darum geht, die Opfer von wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen innerhalb der EU selbst zu unterstützen.

Ich spreche diesen Punkt an, weil ich nur schwer verstehen kann, dass in einem Bericht, der sich mit der Frage der Armut befasst, mit keinem Wort auf den Anstieg der Lebensmittelpreise eingegangen wird. Das schockiert mich, denn wir alle wissen, je ärmer eine Familie ist, desto höher ist auch der Anteil von Lebensmitteln an ihren Haushaltsausgaben. Daher wäre es meines Erachtens sinnvoll, beispielsweise einen Hinweis auf die aktuelle Mitteilung der Kommission zum Anstieg der Lebensmittelpreise aufzunehmen.

Zudem bin ich der Auffassung, dass wir unterdessen Armut nicht nur im Hoheitsgebiet der EU bekämpfen sollten. Dieser Kampf kennt keine Grenzen, denn es geht um Werte, die ein wesentliches Element der Menschenwürde bilden.

Im Verlauf seiner Geschichte ist Europa immer stärker durch seine weltweite Expansionspolitik als durch seine eigene Identität geprägt gewesen. Im 21. Jahrhundert könnte die EU zwar auf vielerlei Weise zum Wohle der Menschheit beitragen, doch die Armutsbeseitigung ist wohl die edelste Aufgabe, die sie dabei erfüllen kann. Daher hoffe ich, dass dieses Thema 2010 große Unterstützung finden möge.

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Vielen Dank, Herr Präsident, Herr Kommissar. Lassen Sie mich zunächst Frau Panayotopoulos-Cassiotou für eine ausgezeichnete Arbeit danken. Ich möchte außerdem unterstreichen, dass ich die Initiative, 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu erklären, für ausgezeichnet halte.

Dieses Jahr kann, genau wie Herr Špidla sagte, das Bewusstsein und das Wissen über die gegenwärtigen Strukturen erhöhen, was aber noch nicht ausreicht. Dem müssen auch Taten folgen, wie es einige meiner Vorredner zum Ausdruck gebracht haben. Generell ist die Lage in der EU recht gut, aber die Armut verringert sich auch nicht, sondern nimmt eher zu, und viele der Betroffenen sind Frauen und Kinder, was auch schon einige meiner Vorredner betont haben. Die notwendige Herangehensweise ist die offene Koordinierungsmethode, wir brauchen jedoch Maßnahmen auf einer Vielzahl von Gebieten, nicht nur auf einigen wenigen. Natürlich ist Beschäftigung sehr wichtig, aber auch Bildung, Systeme der sozialen Sicherheit und die Regionalpolitik, die die Aufmerksamkeit auf vernachlässigte Gebiete lenkt, sind von großer Bedeutung. Wir brauchen gezielte Maßnahmen für bestimmte Gruppen wie beispielsweise Menschen mit Behinderungen und Menschen aus anderen Teilen der Welt, die in stärkerem Maße von Armut betroffen sind als andere. Ich hoffe, dass dieses Europäische Jahr nicht nur das Wissen und das Bewusstsein erhöht, sondern auch ein Ausgangspunkt für konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut in der EU sein wird.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Herr Präsident! Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung wird der Höhepunkt der sozialpolitischen Agenda 2005-2010 sein. Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hat eine Reihe von gemeinsamen Indikatoren für den Prozess des Sozialschutzes und der Eingliederung angenommen, durch die die Daten vergleichbar werden.

Obwohl sich die Europäische Union des Problems der Armut bewusst ist und den Stellenwert der Maßnahmen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts zu schätzen weiß, sind Einkommensunterschiede in den Ländern der EU nach wie vor Begleiterscheinungen des Wirtschaftswachstums. Dadurch profitieren die Armen wenig von diesem Wachstum. Letztlich führt das zu einem Rückgang des Niveaus des sozialen Zusammenhalts. Daneben gibt es auch noch andere Faktoren, die ebenfalls negative Folgen haben: Fast jedes fünfte Kind in der Europäischen Union ist von Armut bedroht. In Zeiten des Bevölkerungsschwunds sollten wir uns ganz besonders um die Kinder kümmern, insbesondere um die Kinder aus kinderreichen Familien, die es am schwersten haben. Doch gerade diese Familien werden durch den hohen Mehrwertsteuersatz auf Kinderprodukte diskriminiert.

Ich gratuliere der Berichterstatterin insbesondere dafür, dass sie auf das Problem der Bekämpfung der Armut aufmerksam gemacht hat.

 
  
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  Edit Bauer (PPE-DE).(SK) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich begrüße den Bericht von Maria Panayotopoulos-Cassiotou wie auch die Entschlossenheit der Kommission, den Kampf gegen die Armut fortzusetzen.

Die weite Verbreitung von Armut ist wahrscheinlich einer der krassesten Widersprüche im prosperierenden Europa. Nicht zufällig haben alle anderen Kollegen die hohen Zahlen, die Millionen von Menschen erwähnt, die mit einem Armutsrisiko leben; am eklatantesten ist jedoch, dass sehr viele Kinder mit einem Armutsrisiko geboren werden und leben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass diese Kinder frühzeitig die Schule verlassen, dass die Zahl der Schulabbrecher erschreckend hoch ist. Auffallend ist auch die sehr hohe, in die Hunderttausende gehende Zahl der Kinder, die auf der Straße oder in Einrichtungen leben.

Das Problem besteht darin, dass Armut wie auch soziale Ausgrenzung vererbt werden. Damit bleiben die Chancen auf Bildung und Teilnahme am Prozess des lebenslangen Lernens für die sozial ausgegrenzten Personen ein unerreichbares Ziel.

Hoffen wir, dass das Jahr zur Bekämpfung von Armut ausreichend Impulse für die Stärkung des Solidaritätsprinzips in den nationalen Politiken gibt. Wenn es um künftige Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur geht, wird die Verwirklichung dieses Prinzips jedoch weitaus komplizierter. Die Analyse einiger öffentlicher Ausgaben- und Versicherungssysteme lässt erkennen, dass diese in einigen Mitgliedstaaten finanzielle oder sogar soziale Risiken in sich bergen und zu einer weiteren Verbreitung von Armut führen können.

Der derzeitige rasante Anstieg der Öl- und Lebensmittelpreise wird die Haushalte der untersten Einkommensgruppen ohne Zweifel belasten. Es gibt also mehr als genug Gründe dafür, dass das Jahr zur Bekämpfung von Armut nicht nur auf Armut aufmerksam macht, sondern in den einzelnen Staaten zur Schaffung spezieller rechenschaftspflichtiger Organe beiträgt, die die Koordinierung der verschiedenen Politiken im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung unterstützen können.

 
  
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  Alejandro Cercas (PSE).(ES) Herr Präsident! Auch ich möchte der Kommission und natürlich der Berichterstatterin gratulieren, denn sie hat uns die Möglichkeit gegeben, diese Aussprache zu führen und die ersten Schritte zu gehen, damit 2010 ein wichtiges Jahr im Kampf gegen die Armut wird.

Wie wir in Lissabon diskutiert haben, besteht darin eine der Zielsetzungen der Europäischen Union, und wir und viele Ratstagungen haben bekräftigt, dass 2010 eine spürbare Reduzierung der Armut erreicht werden muss, doch leider gibt es dafür bislang keine Anzeichen. Daher müssen wir zusätzliche Anstrengungen unternehmen und diese Gelegenheit nutzen, um immer wieder deutlich zu machen, dass der wachsende Wohlstand nicht uns allen gleichermaßen zugute kommt.

Einige Sektoren der Bevölkerung sind besonders anfällig und benötigen Schutz vor der Armut, denn ist man erst in Armut geraten, ist es sehr schwierig, ihr zu entkommen.

Deshalb benötigen wir eine horizontale Politik, die annehmbare Arbeitsplätze und Bildungschancen bietet, nicht nur als Teil dieses Programms, sondern aller Programme der Europäischen Union, sodass auch künftig die Solidarität das Kernstück der Union bildet und nicht nur Gegenstand der Wirtschaftspolitik ist.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (UEN).(PT) Herr Präsident! Man könnte sagen, die Daten, die wir erfasst haben, verringern in gewisser Weise tatsächlich das Ausmaß des Problems. Denn sie beziehen sich auf die Armut in der Europäischen Union in der Zeit vor dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens. Nach dem Beitritt dieser beiden doch recht armen Länder ist das Armutsniveau in der EU deutlich gestiegen. Das dürfen wir nicht verschweigen. Außerdem lebt nicht nur jeder siebte Bürger der Mitgliedstaaten der EU unterhalb der Armutsgrenze, sondern es sind in Wahrheit deutlich über 16 %, eigentlich sogar über 20 %.

Deshalb möchte ich dringend dazu aufrufen, dass die Europäische Union alle Projekte, über die wir diskutiert haben, mit mehr als 50 % finanzieren sollte. Das ist besonders aus Sicht der ärmeren Länder wichtig. Wenn wir die Summe auf 50 % begrenzen, beschließen wir praktisch, den realen Kampf gegen die Armut einzuschränken.

(Beifall)

 
  
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  Joel Hasse Ferreira (PSE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Es steht außer Frage, dass die unveräußerlichen Rechte der sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen anerkannt werden müssen, und die praktische Anerkennung dieser Rechte wird einen starken Einsatz der öffentlichen und privaten Interessenvertreter in der Gesellschaft erforderlich machen.

Es ist Aufgabe der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die vielfältigen Dimensionen des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu bewahren, indem sie sich mit konkreten Maßnahmen auf allen möglichen Ebenen für die Armutsbeseitigung und die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung einsetzen.

Es bedarf zudem einer umfassenden und sachgerechten Kontrolle von Armut und sozialer Ausgrenzung, Herr Kommissar, wir benötigen also dringend verlässliche und vergleichbare Indikatoren, aus denen die Entwicklung der verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen dieses Phänomens hervorgeht.

Arme Frauen und allein Erziehende sind besonders von Armut und Ausgrenzung gefährdet und müssen daher besondere Aufmerksamkeit und entsprechende Unterstützung erhalten.

Abschließend, Herr Präsident, möchte ich der Berichterstatterin danken und darauf hinweisen, dass 2010 ein besonders erfolgreiches Jahr im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung sein muss; und dieser Kampf muss zudem noch stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN).(PL) Herr Präsident! Ich möchte auf drei Probleme in dieser Aussprache hinweisen. Erstens: Dem jüngsten Bericht der Europäischen Kommission zufolge mussten im Jahr 2004 etwa 100 Millionen EU-Bürger, also 20 % der gesamten Bevölkerung, mit weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens in der EU auskommen, das heißt, sie hatten weniger als 15 Euro pro Tag zur Verfügung. In den neuen Mitgliedstaaten wie Polen, Litauen, Lettland und der Slowakei trifft das auf fast 80 % der Bevölkerung zu.

Zweitens: In den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Praktiken der EU-Länder sollten keine Lösungen zur Anwendungen kommen, wie sie oft von liberalen Ökonomen vorgebracht werden, wonach deutliche Einkommensunterschiede wichtig für wirtschaftliches Wachstum sind. 2006 waren Dänemark, Schweden, Finnland, Slowenien und die Tschechische Republik die Länder mit den geringsten Einkommensunterschieden, und diese Länder können seit Jahren auf einen stabilen jährlichen Zuwachs des BIP verweisen, wohingegen es in den Ländern mit den größten Einkommensunterschieden genau anders ist, und dazu gehören Lettland, Litauen, Portugal und Griechenland und auch leider mein Heimatland Polen.

Drittens: Ich habe die Hoffnung, dass 2010 als das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung allen Entscheidungsträgern ins Bewusstsein ruft, dass Armut und soziale Ausgrenzung verheerende Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die gesellschaftliche Entwicklung haben.

(Beifall)

 
  
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  Gabriela Creţu (PSE).(RO) Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns sehr wohl dessen bewusst, woran uns die Kommission erinnert: Sehr, sehr viele Europäer leben in Armut, und zwar auch in extremer Armut. Diejenigen, die das nicht wissen, sollten die Schuld dafür auf sich nehmen, dass eine reiche Gesellschaft, die wie die unsrige auf Grundsätzen der Gerechtigkeit und Solidarität beruht, so funktioniert, dass ein Land armer Europäer mehr Sitze in diesem Parlament haben würde als Deutschland. Armut ist keine Abstraktion; sie ist eine Daseinsweise, von der besonders Frauen und Kinder betroffen sind. Angesichts der strukturellen Einkommenskluft, der Tatsache, dass sehr viele Frauen in schlecht bezahlten, gewerkschaftlich wenig organisierten Bereichen und in der Schattenwirtschaft arbeiten sowie besonders häufig allein erziehend sind, sind sie, wie auch erwerbstätige Frauen, erhöhten Risiken ausgesetzt. Armut wird vererbt. Wegen des eingeschränkten Zugangs zu Bildung begünstigt die wirtschaftliche Armut der Eltern die kulturelle Armut der Kinder, wegen geringer Beteiligung an oder durch den Ausschluss von Entscheidungsfindungsprozessen begünstigt sie deren politische Armut und durch geringe Teilnahme an staatsbürgerlichen Aktivitäten und Isolation begünstigt sie die soziale Armut der Kinder. Armut produziert größere Unterschiede als die, die aus Kaufkraftunterschieden herrühren. Die geringe Übereinstimmung zwischen Reden und Handeln zwingt uns dazu, mehr zu tun, als nur die Bürger dafür zu sensibilisieren. Politische Entscheidungen müssen gefällt werden, um Abhilfe zu schaffen. Wir können in der Union nicht von fehlenden Mitteln sprechen, aber manchmal über deren unfaire Verteilung, über Rechtsvorschriften, die dazu führen, dass Ausgrenzung fortbesteht. Es ist eine gemeinsame Verantwortung, die auch Unternehmen einschließt, deren Verantwortungsbewusstsein in ihrem eigenen Interesse über ein Stadium hinausgehen sollte, in dem die Finanzierung einer Stiftung zum Schutz streunender Hunde in der Nachbarschaft der einzige Ausdruck sozialer Verpflichtungen ist.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN).(PL) Herr Präsident! Mit der Ausrufung des Jahres 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung werden die Probleme der 80 Millionen Bürger in der Europäischen Union, die unterhalb der Armutsgrenze leben, nicht gelöst. Von der Einsetzung eines Ausschusses und von immer mehr Bürokratie, Treffen und Sitzungen bekommen diese Menschen auch nichts zu essen.

Wenn wir Armut bekämpfen wollen, müssen wir das Thema Schaffung und Verteilung von Wohlstand anders angehen. Es muss klar gesagt werden, dass die Globalisierung für einige übermäßigen Reichtum bringt und für andere zur raschen Verarmung führt. Und Letztere werden leider immer mehr. Das Problem der Armut in der Union wird aus mehreren Gründen weiter zunehmen, und dazu gehören unter anderem die ungerechte Wohlstandsverteilung, Schwierigkeiten bei der Verteilung der Nahrungsmittel und die steigenden Nahrungsmittelpreise, allgemein steigende Kosten für den Unterhalt einer Familie, die demografische Lage in Europa und in der Welt, anhaltende Ungleichheiten, die Rückständigkeit bestimmter Regionen aus historischen Gründen und das Unvermögen, ein richtiges Modell zu erarbeiten, mit dem den Bedürftigen geholfen wird.

Und schließlich, da wir nicht in der Lage sind, das Problem der Armut als Ganzes zu lösen, sollten wir wenigstens Kindern und Jugendlichen kostenlose Bildung und nach Bedarf zusätzliche Verpflegung ermöglichen.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte einen speziellen Aspekt hervorheben und werde auf Polnisch sprechen:

(PL) Herr Präsident! Wir versuchen, den armen Ländern in Afrika und Lateinamerika zu helfen, was kaum Wirkung zeigt, aber es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass es nicht gelingt, den Armen in der Europäischen Union zu helfen. Es gibt Gegenden, in denen die Menschen sehr arm sind, vor allem Kinder. Ich möchte auf ein Thema hinweisen, das in Zukunft schlimme Folgen haben wird, und zwar das Phänomen der Eurowaisen. Das sind Kinder von Migranten, die von einem Land in der EU in ein anderes abwandern und ihre Kinder dabei oft deren Schicksal überlassen. Meiner Meinung nach werden wir in der Zukunft für die psychischen Folgen dieses Problems teuer bezahlen müssen. Deshalb sollten wir alles daransetzen, dieses Problem jetzt zu bewältigen.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE).(RO) Herr Präsident! Die Beseitigung von Armut und sozialer Ausgrenzung gilt als eines der Hauptziele der Europäischen Union. Aus diesem Grund sollte das Jahr 2010 bei der Umsetzung der europäischen Strategie in diesem Bereich entscheidend sein. Von den 78 Millionen von Armut bedrohten Menschen sind 19 Millionen Kinder. Leider gibt es bis jetzt noch keine europäischen Programme und Fonds zur Verbesserung der Lage von Kindern. Die Europäische Union hat zwar finanzielle Mittel für Obst und Milchprodukte in Schulen bzw. Gelder für die Bildung von Schülern zur Verfügung gestellt, aber meiner Ansicht nach benötigen wir eine kohärente Strategie und konkrete Programme, die speziell für Kinder aus armen Familien konzipiert sind. Gleichzeitig sollten wir unser Augenmerk auf andere Gruppen Benachteiligter, insbesondere auf junge Menschen, richten, für die wir Strategien entwickeln und beträchtliche Geldbeträge aus den Strukturfonds bereitstellen müssen. Zudem geht es darum, dass wir ohne die nötigen finanziellen Mittel die Voraussetzungen für eine nachhaltige soziale Entwicklung nicht schaffen können. Meines Erachtens reicht der bereitgestellte Betrag in Höhe von 17 Millionen Euro nicht aus, wenn man die gegenwärtig in Europa bestehenden Erfordernisse hinsichtlich der sozialen Eingliederung und der Armutsbekämpfung betrachtet. Und nicht zuletzt sollte der Kampf gegen Armut und gegen soziale Ausgrenzung ja an die existierenden Programme anknüpfen. Sowohl der Europäische Sozialfonds als auch die zu PROGRESS gehörenden europäischen Programme müssten zur Finanzierung der Prioritäten des Europäischen Jahres zur Bekämpfung der Armut herangezogen werden.

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich gratuliere Ihnen zu diesem hervorragenden Vorschlag. Ich danke auch Frau Panayotopoulos-Cassiotou für ihren sehr guten Bericht. Ich bin sicher, wir werden die Entschließung einstimmig annehmen.

Aber ich stelle mir auch Fragen. Jetzt haben wir also ein weiteres Europäisches Jahr, dieses Mal gegen extreme Armut. Seit 20 Jahren begeht die internationale Gemeinschaft am 17. Oktober den Internationalen Tag der Armutsbekämpfung. Als ich mich jedoch am 17. Oktober anlässlich dieses Internationalen Tages auf dem Vorplatz des Europäischen Parlaments in Brüssel umblicke, sehe ich mich selbst und meinen Kollegen Iñigo Méndez de Vigo, der die Arbeitsgruppe „Vierte Welt“ dieses Parlaments leitet.

Ich nutze die Gelegenheit meines Beitrages heute, um Sie zu bitten, dieses Datum in ihren Kalender einzutragen. Ich hoffe, dass die Europäischen Institutionen am 17. Oktober ihre starke Verbundenheit mit dem Motto dieses Tages zum Ausdruck bringen: „Wo immer Menschen dazu verurteilt sind, im Elend zu leben, werden die Menschenrechte verletzt. Sich mit vereinten Kräften für ihre Achtung einzusetzen, ist unsere heilige Pflicht.“

 
  
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  Vladimír Maňka (PSE).(SK) In der Europäischen Union leben insgesamt 78 Millionen Menschen mit einem Armutsrisiko. Steigende Preise für Rohstoffe, Energie und Lebensmittel vervielfachen zudem das Risiko für die schutzbedürftigsten Gruppen.

Eine qualitativ ansprechende Beschäftigung verringert die Armutsgefährdung erheblich. In vielen Fällen sind jedoch auch Beschäftigte von Armut bedroht.

Die neue Lissabon-Strategie fördert Chancengleichheit für alle als Weg zu sozialer und generationenübergreifender Solidarität und zur Schaffung einer von Armut freien Gesellschaft. Deshalb unterstütze ich die Initiative, das Armutsproblem sichtbarer zu machen, und das Bemühen um ein einheitliches koordiniertes Vorgehen.

Die Kampagne zur Bekämpfung von Armut soll die Öffentlichkeit sensibilisieren und zu langfristigen Anstrengungen im Kampf gegen das Phänomen Armut führen. In dieser Hinsicht können wir eine Menge von den skandinavischen Ländern lernen, die bewiesen haben, dass eine aktive Arbeitsmarktpolitik verbunden mit der Schaffung würdiger Arbeitsbedingungen und einer starken sozialen Absicherung eines der wirksamsten Mittel zur Armutsbekämpfung ist.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE).(LT) Ich begrüße den Vorschlag der Kommission, 2010 als Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auszurufen. Armut ist nicht nur in der EU, sondern auch weltweit ein Problem.

Lassen Sie mich auf einige dringliche Aspekte der Armut und der sozialen Ausgrenzung eingehen, mit denen wir uns weitaus eingehender als bisher befassen sollten.

Erstens wären wir schon mit der Beseitigung von Kinderarmut in der Lage, den Teufelskreis zu durchbrechen, der Generationen von Menschen zu einem Leben in Armut und sozialer Ausgrenzung verdammt.

Zweitens lernen fast 10 % der Arbeitnehmer aufgrund niedriger Löhne, Teilzeitbeschäftigung und niedrigen Qualifikationen Armut selbst kennen. Es bedarf daher dringend des Ausbaus qualifizierter Arbeitsplätze durch Schulung der Arbeitskräfte.

Drittens ist es eine Grundvoraussetzung, die Solidarität innerhalb der Gesellschaft zu fördern und alle Menschen für Fragen der Armut und sozialen Ausgrenzung zu sensibilisieren.

Ich möchte alle Gemeinschaftsinstitutionen und die Mitgliedstaaten ermutigen, ihre Bürger genauer über den Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung zu informieren, damit ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung entstehen und das Vorurteil der finanziellen Belastung der Gesellschaft aus der Welt geschafft werden kann.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Armut ist ein sehr komplexes Problem. Sie kann in den unterschiedlichsten Formen auftreten und ist in jedem Land anders. Das Problem in Europa sind nicht etwa Menschen, die vor Hunger sterben, sondern die größten Probleme sind vor allem niedrige Einkommen, miserable Wohnbedingungen, schlechte Gesundheit, häufig Alkoholismus, ein Gefühl der Entfremdung oder fehlende Perspektiven.

Armut ist ein gefährliches Phänomen, vor allem Kinderarmut, denn häufig wird sie weitervererbt. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben eine schwierigere Entwicklung, und ohne Hilfe von außen sind sie zum Scheitern verurteilt und müssen das Schicksal ihrer Eltern teilen.

Deshalb ist es wichtig, alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Kreislauf der Armut, die von einer Generation zur nächsten übertragen wird, zu unterbrechen. Die Stärkung der gesellschaftlichen Eingliederung, die Verringerung der Armut und die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sind einige der Herausforderungen, vor denen die Europäische Union steht, besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel, womit ich das Altern der Bevölkerung und den Einwandererzustrom meine.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Es reicht nicht aus, ein Europäisches Jahr zur Bekämpfung der Armut auszurufen, wenn nahezu 20 % der Unionsbürger von Armut bedroht sind. Die Entwicklung, die durch soziale Ungleichheiten, die Zunahme schlecht bezahlter und unsicherer Arbeitsplätze, einen Anstieg der Zahl der Armen und steigende Kraftstoff- und Lebensmittelpreise noch verschärft wird, erfordert andere Strategien, um Kinder, Frauen und Familien in die Gesellschaft zu integrieren.

Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um Arbeit attraktiver zu machen, Beschäftigung mit Rechten zu fördern und anspruchsvolle öffentliche Dienstleistungen, menschenwürdiges Wohnen sowie ein öffentliches und allgemeines System der sozialen Sicherheit zu garantieren.

Als Ersatz für die neoliberale Politik der Strategie von Lissabon und des Stabilitätspakts muss daher unverzüglich eine Europäische Strategie der Solidarität und des sozialen Fortschritts angenommen werden, damit die Zahl der Armen bis 2010 nicht noch weiter steigt.

 
  
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  Juan Andrés Naranjo Escobar (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich unsere Berichterstatterin und den Kommissar zu dieser Initiative beglückwünschen.

Die soziale Ausgrenzung und die Armut bilden zwei Seiten ein- und derselben Medaille und sind Merkmale einer Gesellschaft mit sehr bedürftigen Menschen, einer Gesellschaft ohne sozialen Zusammenhalt. Letztendlich, meine Damen und Herren, ist Fortschritt eine Frage der Ethik.

2010 ist das Jahr zur Bekämpfung der Armut. Wir wissen schon, dass die Beseitigung der sozialen Ausgrenzung und Armut eine langwierige und komplizierte Aufgabe sein wird, doch wenn wir aus jedem in dieses Programm investierten Euro das Beste machen, wenn wir in der Lage sind, die Gruppen zu erreichen, die besonders hilfsbedürftig sind, wenn es uns gelingt, das Gewissen der Öffentlichkeit zu wecken, wird eine neue europäische Bürgerschaft entstehen. Das ist die große Aufgabe.

In der vergangenen Woche haben die Bürgerinnen und Bürger Irlands den Vertrag von Lissabon abgelehnt. Eine demagogische Propaganda, die sich eine große Bandbreite von Meinungen zu Eigen machte, hat in der irischen Gesellschaft verheerenden Schaden angerichtet, denn sie führte zu unbegründeten Ängsten vor der Globalisierung und einer gewissen Verwirrung über den Aufbau unseres gemeinsamen Hauses.

Deshalb muss für uns 2010 das Jahr zur Bekämpfung der Armut, aber auch das Jahr der europäischen Bürgerschaft werden.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen für diese eingehende Aussprache danken, bei der viele Aspekte der Armut zur Sprache gebracht worden sind. Meines Erachtens geht aus dem Vorschlag selbst deutlich hervor, dass die Kommission der Armutsproblematik nicht gleichgültig gegenübersteht und schrittweise die politischen Voraussetzungen für eine effizientere Armutsbekämpfung schaffen will. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Kommission mit dem Problem der Armut in all seiner Vielschichtigkeit befasst. Obgleich in einigen Dokumenten zur Armutsproblematik und insbesondere in unserer jüngsten Mitteilung über die aktive Einbeziehung die Bedeutung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze betont wird, was letztlich dem Ziel der Strategie von Lissabon entspricht, mehr und qualitativ bessere Arbeitsplätze zu schaffen, ist uns dennoch bewusst, dass dem komplexen Problem der Armut nicht nur mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen begegnet werden kann. Ganz zu schweigen von der Kinderarmut, die eindeutig mit der Qualität der Bildungssysteme verknüpft ist. Zudem gibt es das Thema der Altersarmut, dem wir ebenfalls nicht mit Arbeitsmarktmaßnahmen Herr werden können.

Erlauben Sie mir, auf einige weitere Themen einzugehen, die ich für wichtig halte. Die Kommission schlägt eine Finanzierung in Höhe von insgesamt 17 Millionen Euro vor, und im Verlauf der Aussprache wurde die Auffassung vertreten, dass vor allem in einigen Ländern die Finanzmittel für nationale Projekte erhöht werden sollten. Die Kommission kann sich dieser Meinung nicht anschließen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir möglichst viel finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellen wollen, um unsere Maßnahmen so wirksam wie möglich zu gestalten. Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut ist ein klassisches Beispiel für ein politisches Routineverfahren in einer Demokratie. Für einen Durchbruch und eine Änderung des politischen Klimas benötigen wir eine umfassende und zielgerichtete Debatte zu diesem Thema, und dieses Ziel verfolgen wir mit dem Europäischen Jahr.

Ich möchte nun auf einzelne Änderungsanträge eingehen. Ich stimme den Anträgen zur Änderung der Titel der Ziele in Artikel 2 und in der Liste der Prioritäten für das Europäische Jahr zu, und ich bin ebenfalls für die Änderungsanträge zum Thema Gleichstellung der Geschlechter. Darüber hinaus möchte ich dem Parlament angesichts der Vielzahl von Änderungsanträgen eine genaue Liste der Änderungsanträge vorlegen, anstatt sie wörtlich zu zitieren.

Lediglich auf zwei Artikel, und zwar Artikel 37 und Artikel 52, möchte ich in meiner Wortmeldung gesondert eingehen. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich den Wortlaut dieser beiden Artikel verlesen.

Die Kommission misst der Erleichterung und Förderung einer breiten Beteiligung auf allen Ebenen an Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 als praktische Möglichkeit für die Gewährleistung einer positiven und langfristigen Wirkung größte Bedeutung bei.

Gemäß dem Beschluss zum Europäischen Jahr wird die Kommission gemeinsame Leitlinien im Strategischen Rahmenpapier erarbeiten, die Schlüsselprioritäten für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Jahres einschließlich Mindeststandards für die Beteiligung an nationalen Gremien und Aktionen beinhalten.

Das Strategische Rahmenpapier richtet sich an die nationalen Durchführungsstellen, die für die Ausarbeitung der nationalen Programme im Rahmen des Europäischen Jahres und für die Auswahl einzelner Maßnahmen, für die eine Gemeinschaftsfinanzierung beantragt wird, verantwortlich zeichnen, sowie an weitere beteiligte Akteure.

In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Bedeutung einer Beteiligung aller NRO einschließlich kleiner und mittlerer Organisationen betonen. Um einen größtmöglichen Zugang zu gewährleisten, können die nationalen Durchführungsstellen beschließen, keine Kofinanzierung zu beantragen und stattdessen einige Aktionen vollständig zu finanzieren.

So viel zum Wortlaut. Ich möchte noch auf eine weitere Wortmeldung von Herrn Falbr eingehen, der sich ausgesprochen realitätsfern mit dem Thema Arbeitszeitrichtlinie befasst hat. Ich will in aller Deutlichkeit sagen, dass sich das Ergebnis des vom Rat erzielten Kompromisses ganz einfach wie folgt zusammenfassen lässt: „An der 48-Stunden-Arbeitswoche wird festgehalten, und die Möglichkeit einer Vereinbarung über die Nichtanwendung dieser Arbeitszeit wurde von 78 Wochenstunden auf 60 oder 65 Stunden gesenkt“. Dies ist einer der Hauptpunkte des Kompromisses, und da das Thema im Verlauf der Aussprache angesprochen wurde, hielt ich es für sinnvoll, darauf einzugehen.

Abschließend möchte ich Ihnen für diese Aussprache danken, in der die Vielschichtigkeit der Armut zur Sprache gekommen ist und die meines Erachtens ausgesprochen fundiert war. Leider ist es mir im Moment nicht möglich, auf alle Ihre Wortmeldungen einzugehen, ungeachtet dessen, dass ein Großteil Ihrer Ansichten im vorliegenden Bericht Erwähnung findet. Ich möchte der Berichterstatterin erneut für diesen Bericht danken.

Bericht Panayotopoulos-Cassiotou (A6-0173/2008)

Uneingeschränkt akzeptieren kann die Kommission folgende Änderungsanträge: 6, 7, 12, 13, 16, 17, 19, 20, 21, 22, 23, 27, 28, 29, 31, 33, 34, 35, 36, 38, 39, 41, 42, 46, 47, 48, 49, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62 und 63.

Folgende Änderungsanträge kann die Kommission nur grundsätzlich, teilweise, sinngemäß oder vorbehaltlich einer Neuformulierung akzeptieren: 1, 2, 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11, 14, 15, 18, 24, 25, 26, 30, 32, 37, 43, 44, 45, 50, 51, 52, 64 und 66.

Schließlich muss die Kommission die Änderungsanträge 40 und 65 ablehnen. Was speziell die Änderungsanträge 37 und 52 über die Beteiligung kleinerer und mittelgroßer Organisationen und die Möglichkeit der Kofinanzierung in Höhe von bis zu 100 Prozent der Projektkosten angeht, schlägt die Kommission – als Kompromisslösung – vor, eine Erklärung in dieser Hinsicht abzugeben, die ich Ihnen verlesen werde und in der sie sich verpflichtet, den Geist dieser beiden Änderungsanträge in das Rahmenstrategiepapier aufzunehmen, das die Kommission zur Festlegung der Tätigkeitsschwerpunkte für das Europäische Jahr ausarbeiten wird.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou , Berichterstatterin. − (EL) Herr Präsident! Ich möchte dem Kommissar für seine Stellungnahme danken. Hoffen wir, dass die die gemeinsamen Leitlinien im Strategischen Rahmenpapier den nationalen Ausschüssen tatsächlich eine Hilfe bei der Planung effektiver Maßnahmen sein werden. Die Kommission selbst hat betont, dass unser Hauptziel darin bestehen muss, jetzt und auch in Zukunft alle Menschen, die von Armut betroffen sind, zu berücksichtigen.

Ich persönlich denke, dass sich Armut nicht ein für alle Mal beseitigen lässt, weil sie nach einer Naturkatastrophe wiederkehren kann. Wir haben über die Flut- oder Brandkatastrophen in Griechenland und anderen Ländern gesprochen: dadurch oder durch internationale Entwicklungen kann erneut Armut entstehen. Wir müssen daher immer auf der Hut sein. Aus diesem Grund messen wir der Vorbeugung besondere Bedeutung bei; daher auch der Tag zur Bekämpfung der Armut am 17. Oktober, auf den Frau Záborská hingewiesen hat. Dieser Termin wird in unserem Bericht genannt.

Es handelt sich also nicht um mehr oder weniger verpflichtende Maßnahmen. Wir wollen, dass sie allen nationalen Bedürfnissen gerecht werden, und sind der Auffassung, dass der Kampf gegen die Armut ein Kampf gegen den größten Feind von Frieden und Wohlstand in jeder Gemeinschaft ist. Der Kommissar ist ohne Zweifel historisch bewandert und weiß, dass sich der Kaiser von Byzanz, einem Reich in Europa, das 1 000 Jahre überdauern konnte, in jeder seiner Reden für die Bekämpfung der Armut eingesetzt hat. Nach den zahlreichen Feinden, die er an den Grenzen seines Reichs bekämpfte, bezeichnete er die Armut als den größten Staatsfeind.

Auch wir in der EU müssen die Armut innerhalb und außerhalb unserer Grenzen bekämpfen. Wir müssen die viel zitierten Millenniumsziele verwirklichen, damit wir uns auch der Problematik der Wirtschaftsmigranten und der illegalen Einwanderer widmen können, die zu uns kommen, weil sie ihre eigene Situation mit der unseren vergleichen.

Wenn wir gut planen, werden wir auf diese Weise zweifellos Erfolg haben, und ich möchte Ihnen allen für Ihre herausragenden Beiträge danken.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Adam Bielan (UEN) , schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Frau Panayotopoulos-Cassiotou zu ihrem ausgezeichneten Bericht gratulieren, ganz besonders dazu, dass sie das Thema Verhinderung von Armut angesprochen hat. Ich begrüße es, dass 2010 zum Europäischen Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen wird. In der Diskussion über den Bericht möchte ich darauf hinweisen, wie wichtig es ist, konkrete Maßnahmen für den Ausweg aus der Armut zu finden, und nicht nur darüber zu reden. In Europa leben 78 Millionen Menschen in Armut, unter ihnen 19 Millionen Kinder. Wir dürfen nicht vergessen, wie wichtig die Familie ist, die Schutz und soziale und wirtschaftliche Unterstützung verdient, um die riesige Kinderarmut in Europa zu beseitigen.

An dieser Stelle sollte vielleicht die Ursache der Armut genannt werden. Armut wird durch den deutlichen Anstieg der Nahrungsmittel- und Energiepreise verursacht, wovon besonders kinderreiche Familien und ältere Menschen betroffen sind. Nach Angaben der Kommission leben etwa 14 % der dauerhaft erwerbstätigen Polen, Griechen und Portugiesen in Armut.

 
  
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  Corina Creţu (PSE), schriftlich.(RO) Ich danke der Berichterstatterin für den Geist der Zusammenarbeit bei der Erarbeitung dieses Berichts. In Europa lebt jeder Sechste unterhalb der Armutsgrenze. In dieser Zahl sind die statistischen Angaben für Rumänien und Bulgarien nicht enthalten.

Obwohl in den meisten Mitgliedstaaten der Unterschied zwischen Männern und Frauen im Hinblick auf Armut nach und nach geringer wird und in Bezug auf Armut und dauerhafter Armutsgefährdung im Durchschnitt bei 2 % liegt, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Realität in den neuen Mitgliedstaaten lenken. In Rumänien und Bulgarien sind zehn Prozent mehr Frauen als Männer von Armut bedroht. Außerdem sind Frauen in viel stärkerem Maße sozialer Ausgrenzung ausgesetzt.

Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Ausmerzung von Armut Herausforderungen sind, die nicht nur die Länder in der Europäischen Union, sondern auch ihr Engagement auf globaler wirtschaftlicher und politischer Ebene betreffen.

Daher würde ich es begrüßen, wenn der Aspekt des geschlechtsspezifischen Unterschieds im endgültigen Text in einem gesonderten Artikel berücksichtigt werden würde. Ferner halte ich es für wichtig, dass das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und die Millenniums-Entwicklungsziele sowie insbesondere der Internationale Tag zur Bekämpfung der Armut miteinander in Beziehung stehen.

 
  
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  Zita Gurmai (PSE), schriftlich. – (HU) Armut ist ein komplexes, relatives und facettenreiches Problem, das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Fragen aufwirft. Dennoch sind Maßnahmen zur Armutsbekämpfung erforderlich, lebten doch 2006 nicht weniger als 16 % (78 Millionen) der Gesamtbevölkerung der fünfundzwanzig Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter der Armutsgrenze. Als die Lissabon-Strategie im März 2000 auf den Weg gebracht wurde, forderte der Rat der Europäischen Union die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Maßnahmen zu ergreifen, um bis 2010 die Beseitigung der Armut entscheidend voranzubringen. Es ist ein bedeutsamer Schritt, dass wir nunmehr über ein Maß der Armut verfügen, da zunächst der genaue Umfang zu bestimmen ist, bevor die Bekämpfung des Problems in Angriff genommen werden kann. Ich begrüße die Entscheidung, das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu erklären. Ich bin sicher, dass dieses Jahr den Austausch bewährter Verfahren fördern und neue Initiativen in jedem Bereich hervorbringen wird, besonders in Verbindung mit der Vermeidung von Armut, der Beobachtung, der Finanzmechanismen und der Bekämpfung von Kinderarmut.

Zudem ist besonders zu betonen, dass Frauen erfahrungsgemäß stärker von Armut bedroht sind als Männer, und das trifft vor allem auf mehrfach benachteiligte Frauen zu. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Grundsatz der Gleichberechtigung auch bei der Armutsbekämpfung und somit im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Berücksichtigung findet. Eine echte Gleichberechtigung der Geschlechter ist eine entscheidende Voraussetzung für die Verringerung des Armutsrisikos, da Frauen, die einer angemessenen und entsprechend vergüteten Tätigkeit nachgehen, die sich mit ihren familiären Pflichten vereinbaren lässt, weniger von Armut bedroht sind.

 
  
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  Rovana Plumb (PSE), schriftlich.(RO) In der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation ist festgehalten: „Armut, wo immer sie besteht, gefährdet den Wohlstand aller.“ Deshalb möchte ich die Bedeutung des Änderungsantrags bezüglich der Verhinderung und Bekämpfung von Armut durch sektorübergreifende politische Maßnahmen auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene, die die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am öffentlichen Leben und am Arbeitsmarkt garantieren würden, unterstreichen.

Die Reformen im Bereich Sozialschutz und die Maßnahmen zur aktiven Eingliederung haben entscheidend zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen in Europa beigetragen. Im ersten Quartal 2008 war das Wirtschaftswachstum in Rumänien mit einer Rate von 8,2 % eines der größten in der EU (während Eurostat zufolge der europäische Durchschnitt bei 2,5 % liegt), nichtsdestoweniger sind Menschen mit geringem Bildungsniveau, ohne Ausbildung, insbesondere aus ländlichen Gebieten, Kinder, Jugendliche, Menschen mit Behinderungen und die Roma einem erheblichen Armutsrisiko ausgesetzt.

Ich beglückwünsche die Berichterstatterin zu ihrer geleisteten Arbeit und meine, dass die im Ergebnis europäischer Empfehlungen von den Mitgliedstaaten entworfenen Strategien darauf abzielen müssen, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und das soziale Wohl der Bürger zu deren Nutzen miteinander in Einklang zu bringen.

 

26. Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Eingliederung schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen (Aussprache)
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über den Bericht von Gábor Harangozó im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung zu den Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Eingliederung schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen (2007/2191(INI)) (A6-0212/2008).

 
  
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  Gábor Harangozó, Berichterstatter. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Kommissarin Hübner, meine Damen und Herren Abgeordneten! Es gibt Regionen, und in diesen Regionen leben Menschen, die nicht in der Lage sind, die Möglichkeiten zu nutzen, die wir ihnen aus Mitteln der Gemeinschaft bieten, damit sie möglichst schnell das Durchschnittsniveau der Europäischen Union erreichen und die Armut, in der sie leben, überwinden.

Mit diesem Bericht wollte ich aufzeigen, weshalb es uns nicht gelungen ist, diese Regionen zu entwickeln, und Empfehlungen geben, wie sich diese Lage verändern und überwinden lässt. Aus dem Vierten Zwischenbericht der Europäischen Kommission über den Zusammenhalt geht hervor, dass die Kohäsionspolitik auf nationaler Ebene in einigen Ländern recht erfolgreich ist. Konkret heißt das, dass in diesen Ländern, die der Europäischen Union beigetreten sind und Mittel aus dem Kohäsionsfonds erhalten, dynamischere Entwicklungen und echte Fortschritte im Hinblick auf den Zusammenhalt zu verzeichnen sind. Bei Betrachtung der etwas darunter liegenden territorialen Ebenen ist jedoch erkennbar, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen nicht im gleichen Maße abgebaut werden. Als Beispiel möchte ich Ungarn anführen: In diesem Land hat das Pro-Kopf-BIP in der zentralen Region 110 % des Durchschnittswertes der Europäischen Union erreicht, wohingegen es in vier der sieben Regionen Ungarns unter 45 % des EU-Durchschnitts liegt. In diesen Regionen nehmen die Unterschiede immerhin nicht weiter zu. Aus dem Vierten Bericht über den Zusammenhalt geht indes auch hervor, dass die territorialen Unterschiede innerhalb der Regionen oftmals weiterhin zunehmen.

Was könnten die Ursachen dafür sein, dass es einigen Regionen gelingt, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu ihrem Vorteil zu nutzen, während andere dazu nicht in der Lage sind? Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass diese Entwicklung sehr schwer wiegende strukturelle Ursachen hat, das heißt strukturelle Ursachen auf territorialer Ebene. In Territorien, die nur eine schwache Entwicklung aufzuweisen haben, fehlt es eindeutig an Humankapazitäten zur Schaffung entsprechender Projekte, ist die für die Gewinnung von Investitionen in diese Territorien erforderliche Infrastruktur nicht vorhanden und mangelt es an angemessenen Bildungs- und sachgemäßen medizinischen Versorgungseinrichtungen für die Bürger. Es gibt beispielsweise in Ungarn mehrere Mikroregionen, in denen die Lebenserwartung der Männer um mehr als fünfzehn Jahre unter dem Landesdurchschnitt liegt.

Was können wir dagegen unternehmen? Da wir es hier mit einem Problem von äußerst komplexer Natur zu tun haben, das sich ganz offensichtlich auf bestimmte Mikroterritorien und Mikroregionen konzentriert, müssen wir nach meinem Dafürhalten darüber nachdenken, ob es denn richtig ist, dass die Kohäsionspolitik nur auf interregionaler Ebene, also auf der Ebene der Regionen, analysiert wird. Wäre es nicht eher angebracht zu prüfen, ob denn nicht stärker fokussierte und zielgerichtete Maßnahmen auf der Ebene der Mikroregionen erforderlich sind, wo die Probleme am deutlichsten zutage treten? Als ersten Schritt sollten wir uns die Statistiken ansehen, auf die wir als Ausgangsbasis für den Entscheidungsprozess zurückgreifen. Mir war dieses Problem bei der Erarbeitung des Berichts bekannt, ich kann Ihnen aber keine konkrete Grundlage für einen statistischen Vergleich liefern, da es in der gesamten EU an vergleichbaren statistischen Daten für die Mikroregionen fehlt. Wir müssen von nun an prüfen, ob es richtig ist, ländliche Kohäsion in die Agrarpolitik einzubinden, auch wenn es sich zumeist um ländliche Gebiete handelt. Wäre es nicht viel besser, die Probleme der ländlichen Gebiete im Rahmen der Kohäsionspolitik zu behandeln und die Instrumente der Kohäsionspolitik zu nutzen, sodass die Maßnahmen der Agrarpolitik lediglich eine reinweg ergänzende Funktion haben?

An dieser Stelle möchte ich den Schattenberichterstattern für ihr äußerst konstruktives Engagement bei der Erarbeitung dieses Berichts danken. Zugleich möchte ich darauf verweisen, dass die PPE-DE-Fraktion nach mehrwöchigen Verhandlungen und nachdem ich ihren Bericht mit einem ganz maßgeblichen Änderungsantrag zu einem wichtigen Punkt des Berichts angenommen hatte, beschloss, gegen den von ihr selbst vorgebrachten Punkt zu stimmen. Für mich stellt sich nun die Frage, was wollen wir eigentlich? Soll lediglich festgestellt werden, dass es ein Problem gibt, ohne etwas dagegen zu unternehmen, oder wollen wir uns dem Problem stellen und Empfehlungen für die Änderung unserer Politik abgeben und uns mehr auf die Bestimmung von Bereichen konzentrieren, in denen wir wirklich etwas unternehmen können, um das Problem zu lösen? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Harangozó für seinen Bericht danken sowie für seine Bemühungen um einen einvernehmlichen Standpunkt seines Ausschusses zum schwierigen Thema der schutzbedürftigen Gemeinschaften und Gruppen. Um zu verhindern, dass Wirtschaftswachstum einhergeht mit sozialer Polarisierung innerhalb unserer Gesellschaft, richtet sich die Kohäsionspolitik gegen die soziale Ausgrenzung und zielt insbesondere auf die Integration schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen. Dies wird auch in der Zukunft ein wichtiges Ziel der Kohäsionspolitik bleiben.

Darüber hinaus ist es eine Tatsache, dass die im Bericht benannten Probleme an der Schnittstelle zwischen territorialem Zusammenhalt einerseits und sozialem Zusammenhalt andererseits liegen. Somit werden Probleme der sozialen Polarisierung und der sozialen Ausgrenzung, wenn sie in bestimmten Gebieten konzentriert auftreten, zu Problemen des territorialen Zusammenhalts.

Wir sehen uns sozialer Ausgrenzung in den ärmsten Gebieten der Europäischen Union gegenüber, aber wir finden sie auch in Form von Inseln sozialer Isolation in den reichsten Städten der EU. Im Bericht wird die Kommission ersucht, im Rahmen des kommenden Grünbuchs über den territorialen Zusammenhalt eine umfassende Definition des territorialen Zusammenhalts vorzulegen, und ich kann versichern, dass das für Ende September dieses Jahres zu erwartende Grünbuch zu einem Fortschritt im unionsweiten gemeinsamen Verständnis des Konzepts der territorialen Kohäsion beitragen wird.

Im Bericht wird außerdem anerkannt, dass der Begriff der schutzbedürftigen Gruppen und Gemeinschaften als solcher ganz sicher kein ganz einfacher ist und nicht allein auf Roma-Gemeinschaften beschränkt werden sollte. Auf der anderen Seite ist es weithin anerkannt, dass die Situation der Roma-Gemeinschaften in Europa besonderes Augenmerk verdient. Um den vielschichtigen Problemen der Ausgrenzung der Roma zu begegnen, brauchen wir einen integrierten Ansatz. Das Parlament hat darüber im Zusammenhang mit seiner Entschließung zu einer europäischen Strategie für die Roma im Januar ausgiebig diskutiert. Im Paket zur erneuerten Sozialagenda wird die Kommission Anfang Juli ihr Arbeitspapier zu gemeinschaftlichen Instrumenten und Maßnahmen zur Integration der Roma vorstellen.

Ich teile die im Bericht geäußerte Meinung, dass wir die Synergien und Komplementaritäten der europäischen Maßnahmen und der verschiedenen verfügbaren Finanzierungsinstrumente besser nutzen müssen. Die Kommission hat darauf großes Augenmerk gerichtet, als sie die operationellen Programme der Kohäsionspolitik mit den nationalen und regionalen Behörden verhandelte.

Auch hinsichtlich des Anliegens, vergleichbare intraregionale Daten für alle Regionen der Europäischen Union unter besonderer Berücksichtigung sozialer Indikatoren verfügbar zu machen, teile ich die Meinung des Berichts: Auch wenn dies essenziell erscheint, ist das Problem komplexerer Natur. Wie den Mitgliedern bewusst ist, erhebt Eurostat keine Daten, sondern verwaltet die von den nationalen statistischen Systemen gelieferten Informationen.

Wir haben soeben das zweite Städteaudit für den Zeitraum bis 2004 abgeschlossen, und wir sehen deutlich, wie wenige territoriale Daten unterhalb der klassischen regionalen NUTS 2-Ebene vorliegen. Um diese schwierige Aufgabe zu lösen und auch den Kontext der Grünbuchvorbereitungen zum territorialen Zusammenhalt zu nutzen, hat die Generaldirektion Regionalpolitik Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Forschung zu regionaler Politik einschließlich der statistischen Grundlagen erarbeitet. Im Ergebnis dessen werden nun die Ausgaben 2000-2006 auf die Ebene NUTS 3 heruntergebrochen, auf 20 Ausgabenkategorien auf dieser Ebene, und zwar für Ziel-I-Regionen, Ziel-II-Regionen, die Programme Urban und Interreg sowie den Kohäsionsfonds.

Die Durchführung von Audits für ländliche Regionen ist eine Aufgabe, die noch vor uns liegt. Leider muss ich eingestehen, dass uns heute noch keine verlässlichen Daten dazu vorliegen, wo ausgeschlossene Gruppen vermehrt vorkommen. Daher ist es unmöglich, unsere neuen Informationen, wo und wofür Ressourcen der Kohäsionspolitik eingesetzt werden, mit der örtlichen Konzentration dieser Gruppen abzugleichen So wie sich das Problem heute darstellt, glaube ich, dass wir in diesem Bereich noch Spielraum für Fortschritt haben, besonders bei der konkreten Forschung mithilfe qualitativer Analysen.

Ich möchte dem Parlament noch einmal dafür danken, dass Sie diese wichtigen Punkte angesprochen haben und freue mich auf die heutige Debatte.

 
  
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  Ilda Figueiredo, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. – (PT) Als Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung möchte ich erneut die Notwendigkeit betonen, ländliche Gebiete sowie Bergregionen zu unterstützen, in denen Frauen eine zentrale Rolle übernehmen. Wir müssen ihre Arbeit würdigen und ihnen ein angemessenes Einkommen garantieren.

Es bedarf gut bezahlter Produktionstätigkeiten und hochwertiger öffentlicher Dienste, um junge Menschen zu halten und Landflucht zu verhindern. Bei der gegenwärtigen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik muss Familienbetrieben sowie kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, damit eben diese Politik gerechter wird, Landflucht bekämpft und landwirtschaftliche Erzeugnisse gefördert werden können.

Besonders hervorheben möchte ich auch, dass es notwendig ist, die benachteiligten Regionen, die strukturell dauerhaft benachteiligten Gegenden, die Gebiete in äußerster Randlage und die Gegenden, die von industriellen Umstrukturierungen, Abwanderung oder Betriebsschließungen betroffen waren, zu unterstützen, um den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die soziale Integration schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen zu stärken.

 
  
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  Maria Petre, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (RO) Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte ich mich bei dem Berichterstatter für seine Arbeit und für die von ihm unternommenen Anstrengungen, verschiedene Gesichtspunkte miteinander in Einklang zu bringen, bedanken. Wir sind alle der Meinung, dass schutzbedürftige Gruppen und Gemeinschaften in ihrer Entwicklung mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und dass sie im Rahmen der Kohäsionspolitik besonderer Aufmerksamkeit sowie der anderen zur Verfügung stehenden finanziellen Hilfsinstrumente bedürfen.

Während aller Arbeitsphasen habe ich die Notwendigkeit unterstützt, den Bericht in zwei voneinander getrennte Teile zu gliedern: Ein Teil bezieht sich aus Sicht der ethnischen Zugehörigkeit auf schutzbedürftige Gemeinschaften, und der zweite Teil befasst sich mit schutzbedürftigen Gemeinschaften, die durch gewisse geografisch bedingte Benachteiligungen geprägt sind. Leider spiegelt sich unsere Bitte in der gegenwärtigen Form des Berichts nicht wider. Unsere Fraktion hat drei Änderungsvorschläge eingebracht, von deren Annahme unser Stimmverhalten abhängt, nämlich die Streichung von Erwägung Ee, deren Inhalt identisch ist mit dem Inhalt von Erwägung I, der Erklärung des Konzepts eines schutzbedürftigen Gebiets oder einer schutzbedürftigen Zone durch deren Aufzählung sowie die Streichung von Ziffer 17. Wir hoffen, dass uns der Berichterstatter in dieser Beziehung zustimmen wird.

Schließlich möchte ich noch zwei weitere Gedanken hervorheben: Die Probleme schutzbedürftiger Gemeinschaften, ganz gleich unter welchem Gesichtspunkt, dem ethnischen und/oder dem geografischen, könnten effizienter behandelt werden, wenn es in diesem Bereich eine Zusammenarbeit zwischen lokalen, regionalen, einzelstaatlichen und europäischen Behörden gäbe. Gleichzeitig ist die Rolle des Bildungssystems sowie der öffentlichen, der sozialen und der Verkehrsinfrastruktur für die Integration schutzbedürftiger Gruppen und Gemeinschaften unentbehrlich.

Zum Schluss möchte ich ausführen, dass, wie ich bereits erwähnte, unser endgültiger Standpunkt von der Annahme der drei Änderungsanträge abhängt, insbesondere von der Streichung von Ziffer 17, über die in der Kommission abgestimmt wurde. Im Falle der Annahme dieser Änderungsanträge werden wir den Bericht selbstverständlich unterstützen.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Zu Beginn möchte ich dem Berichterstatter für seine Arbeit an dem Bericht danken, der uns heute vorgelegt wurde. Ich bin wie der Berichterstatter der Ansicht, dass es dringend erforderlich ist, einen mikroregionalen Ansatz zu finden, der auf intraregionale Disparitäten und auf besonders schutzbedürftige Gebiete ausgerichtet ist.

Intraregionale Disparitäten spielen in bestimmten Fällen sogar eine größere Rolle als Unterschiede zwischen den Regionen. Vergessen wir nicht, dass es das Ziel und die Grundannahme der europäischen Regionalpolitik ist, Unterschiede in der Entwicklung zwischen einzelnen Regionen zu verringern, und das Phänomen der territorialen Ausgrenzung wurde noch nicht in den politischen Instrumenten berücksichtigt. In den neuen Mitgliedstaaten treten gesellschaftliche Segregation und mangelnde Chancengleichheit am häufigsten in ländlichen Gebieten auf, wirtschaftliche und soziale Initiativen in den Regionen konzentrieren sich dagegen auf dynamische Zentren, vorrangig auf städtische Zentren.

Die Mittel zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sind von Land zu Land verschieden; um aber eine Europäische Union des territorialen und sozialen Zusammenhalts zu schaffen, gilt es zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, mit denen das Potenzial entfaltet wird, das in den wirtschaftlich unterentwickelten Regionen schlummert.

 
  
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  Ramona Nicole Mănescu, im Namen der ALDE-Fraktion. – (RO) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich dem Berichterstatter für seine Arbeit danken.

Für die Gemeinschaften in den unterentwickelten Regionen und Teilregionen ist die Kohäsionspolitik lebenswichtig. Wirtschaftliche und soziale Aspekte, wie z. B. Armut, mangelnde Infrastruktur und Verwaltungskapazitäten, Deindustrialisierung, niedriges Bildungs- und Ausbildungsniveau, hohe Arbeitslosenquoten, schlechte Lebensbedingungen und beschränkter Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse machen diese Gemeinschaften zu schutzbedürftigen Gruppen. Diese stellen eine immer größere Herausforderung für den territorialen Zusammenhalt der Europäischen Union dar. So entsteht eine wechselseitige Beziehung zwischen der Notwendigkeit, die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den Regionen zu reduzieren und der Notwendigkeit, schutzbedürftige Gruppen in die Gesellschaft zu integrieren, eine Beziehung, die selbstverständlich zu einem konstruktiven Prozess führen sollte, der ein territoriales Herangehen sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene mit sich bringt.

Herr Präsident, meiner Ansicht nach beweisen das Fehlen statistischer Angaben hinsichtlich der Verteilung dieser Gruppen und des Grades ihrer sozialen Ausgrenzung sowie auch die Tatsache, dass die Indikatoren zur Messung der Ungleichheiten zwischen den Regionen keine verlässlichen Daten liefern können, einmal mehr, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission enger zusammenarbeiten müssen, damit sie sich ein reelles Bild von der Lage schutzbedürftiger Regionen und Gruppen machen und konkrete Programme und Strategien zur territorialen Entwicklung und zur Überwindung sozialer Ausgrenzung entwickeln können.

Ich bin auch der Meinung, dass der erste Schritt der Mitgliedstaaten darin bestehen sollte, diese schutzbedürftigen Gruppen zu ermitteln und ihre Priorität in den nationalen strategischen Plänen festzulegen und im Anschluss daran Mechanismen zur Auswertung und Beobachtung zu entwickeln. Wir sollten nicht vergessen, dass Migration meistens eine Folge von Armut ist und dass das Phänomen der Migration selbst Instabilität und Konflikte hervorruft. Aus diesem Grund, sehr verehrter Herr Präsident, sollten unserer Meinung nach schutzbedürftige Gruppen von der sozialen Hilfe aller Mitgliedstaaten, von der Chancengleichheit und, darüber hinaus, von besonderen Programmen zur Entwicklung ihrer Herkunftsregionen profitieren.

 
  
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  Mieczysław Edmund Janowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Harangozó dafür danken, sich mit diesem schwierigen Thema befasst zu haben, auch wenn der Bericht nicht auf alle Aspekte eingeht, die sich auf Situationen, Personen oder Umfelder beziehen, die ausgegrenzt oder bedroht werden.

Obwohl ein erheblicher Teil des Haushalts der Europäischen Union für die Umsetzung ihrer Kohäsionspolitik bestimmt ist, gibt es nach wie vor gravierende Ungleichheiten. Betrachten wir nur einmal das BIP pro Kopf: In den reichsten Gegenden liegt es fast zehnmal höher als in den ärmsten Regionen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch innerhalb der Regionen wesentliche Unterschiede gibt. In großen Ballungsgebieten gibt es auch verarmte Stadtbezirke. Das ist zudem auch in vielen ländlichen Gebieten ein erhebliches Problem. Diese Armut wird teilweise von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

Schützen wir deshalb die Kinder und Familien vor diesem Phänomen. In erster Linie muss hier Chancengleichheit geschaffen werden, insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheitsfürsorge und Wohnraum. Damit stellen wir den sozialen und territorialen Zusammenhalt unter Beweis, den wir bislang noch nicht richtig definiert haben. Die Zukunftsaussichten von Menschen, die in räumlicher, kultureller und kommunikationstechnischer Hinsicht isoliert leben, sind deutlich schlechter. Das betrifft die technische wie auch die soziale Infrastruktur, ebenso wie Arbeitsplätze und die Schaffung eines Klimas der inneren Aktivität in diesen Gesellschaften.

Helfen wir unseren Mitbürgern, die auf die eine oder andere Weise diskriminiert werden, damit sie wieder an ihre Chance glauben können, der niedrigen gesellschaftlichen Stellung zu entkommen. Wir müssen auch mit den Klischees brechen, die diese Gruppen unterbewerten. Das betrifft sehr viele behinderte oder obdachlose Menschen, auch die Gesellschaften der Roma, über die hier gesprochen wurde. Diese Art von Segregation steht im Widerspruch zu unserer gemeinsamen Solidarität und ist ein Zeichen von mangelnder Achtung der Würde des Menschen. Denken wir daran, wie oft wir es in diesen Kreisen mit kinderreichen Familien oder mit Einwandererfamilien zu tun haben.

Außerdem brauchen wir eine gemeinsame Politik, um Gleichheit auf verschiedenen Ebenen zu schaffen: auf regionaler, nationaler und auf EU-Ebene. Wir benötigen auch Freiwillige, und wir brauchen Nichtregierungsorganisationen.

 
  
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  Lambert van Nistelrooij (PPE-DE).(NL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich danke Herrn Harangozó für die Aufmerksamkeit, die er den schutzbedürftigen Gruppen entgegenbringt. Die Kohäsionspolitik leistet schon seit Langem einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lage der schutzbedürftigen Gruppen. Nehmen wir beispielsweise Irland, einst ein Land mit sehr schutzbedürftigen Gruppen: immens hohe Jugendarbeitslosigkeit, heruntergekommene Städte, rückständige Provinz, nahezu chancenlos. Auch in etlichen anderen Ländern muss an die Stelle sozialer Ausgrenzung Beschäftigung, Bildung und Beteiligung treten. Das ist der Weg, den wir beschreiten und der auch überaus erfolgreich ist.

Ein zweiter Gesichtspunkt. Wie ich bemerkt habe, heißt es vor allem, wir wüssten zu wenig, hätten zu wenig Informationen. Ich stimme zu, dass das vor allem seitens der Mitgliedstaaten, der Regionen und der Städte selbst verbessert werden könnte. Herr Harangozó ist erstaunt, weshalb die Lebenserwartung der Ungarn 15 % unter der durchschnittlichen Lebenserwartung in der EU liegt. Den Grund dafür kenne auch ich nicht, allerdings habe ich Krankenhäuser besucht. Die Ess- und Trinkgewohnheiten sind extrem ungesund, und dagegen kann die Europäische Gemeinschaft nichts tun. Eigenverantwortung der Menschen in den Regionen zählt, wie ich meine, zu den wesentlichen Grundlagen unserer Politik.

Und was ist schließlich der eigentliche Grund, weshalb die PPE-DE NUTS 4 ablehnt? Wir sind dagegen, weil wir uns 2004 für die Stärkung der Politik bis 2013, für mehr Substanz, einen stärkeren Fokus entschieden haben. Wir haben sogar beschlossen, die gesamte Außengrenze als solche in die Politik für die Interreg-Gebiete an den Außengrenzen einzubeziehen. Tendenziell führt dies zur Zersplitterung, Verzettelung bei unseren Bemühungen, und diesen Weg sollten wir künftig auf diesem Gebiet nicht einschlagen. Das wäre ein Fehler. Deshalb fordere ich Sie nochmals zur Streichung des betreffenden Artikels auf. Im Übrigen nehme ich gern die auch vom Berichterstatter formulierte Herausforderung an, im nächsten Halbjahr einmal eingehend über den territorialen Zusammenhalt zu diskutieren.

 
  
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  Iratxe García Pérez (PSE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte ebenfalls mit einem Dank an den Berichterstatter dafür beginnen, dass er die Initiative für die Erarbeitung eines Berichts ergriffen hat, in dem erklärt wird, dass eines der Hauptziele der Europäischen Union in der Verringerung der sozialen, wirtschaftlichen und regionalen Ungleichheiten besteht.

Die Kohäsionspolitik hat einen wirksamen Beitrag zum Abbau dieser Ungleichheiten geleistet, doch bleibt noch viel zu tun, wie im vierten Kohäsionsbericht erklärt wird.

In allen Regionen, selbst in den wohlhabendsten, leben schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen, die Gefahr laufen, in die soziale Ausgrenzung und völlige Armut abzugleiten. Ein integrierter Ansatz ist notwendig, wenn es um mangelnde Chancengleichheit geht. Die Mitgliedstaaten und regionalen Verwaltungen brauchen Strategien, um die schutzbedürftigen Gebiete wiederzubeleben, ihre Infrastruktur zu entwickeln und echte Entwicklungsmöglichkeiten entsprechend ihrem spezifischen Wirtschaftspotenzial zu fördern und dabei die Dienste von allgemeinem Interesse über die Stärkung der lokalen Verwaltungen durch die Dezentralisierung des öffentlichen Sektors aufrechtzuerhalten.

 
  
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  Emmanouil Angelakas (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Bericht von Herrn Harangozó stellt aufgrund seiner Zielgerichtetheit und spezifischen Thematik einen äußerst wichtigen Schritt des Europäischen Parlaments dar, sich den schutzbedürftigen Gemeinschaften und Gruppen zu widmen und sie im Rahmen einer europäischen Kohäsionspolitik schrittweise zu integrieren. Als Initiative erhält dies meine volle Zustimmung, und ich gratuliere dem Berichterstatter zu seinen Bemühungen, doch wenn es mir erlaubt ist, möchte ich der Herangehensweise an das Thema widersprechen. Einigen Aspekten des Berichts fehlt es trotz der gründlichen Arbeit meines Kollegen noch an Substanz.

Bei einigen dieser Aspekte geht es um schutzbedürftige Gemeinschaften und Gruppen, die ein breites Spektrum der Gesellschaft und von Mikrogemeinschaften, und nicht nur die Roma repräsentieren. Das Europäische Parlament hat auf diese Kategorie bereits in einem spezifischen Bericht verwiesen, der neben anderen auch die sozialen und geografischen Aspekte hätte umfassen müssen. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten hat betont, dass ein solcher umfassenderer Ansatz sinnvoll sei, doch ihrem Rat ist man nicht gefolgt. Der Bericht ist nach wie vor einseitig und beinhaltet oft einen kurzsichtigen Umgang mit der Thematik.

Ich denke ganz besonders an die Berg- und Inselregionen, deren Schutzbedürftigkeit niemand in Frage stellen kann. Sie finden an keiner Stelle des Berichts Erwähnung. Mir missfällt, dass fortwährend Definitionen oder spezifische Verweise auf Sachen und Situationen vermieden werden. Außerdem möchte ich hervorheben, dass es schutzbedürftige Gemeinschaften und Gruppen nicht nur auf überregionaler, sondern auch auf regionaler Ebene gibt. Sie benötigen materielle und technische Unterstützung, technologisches und wissenschaftliches Know-how, Bildung, Ausbildung und eine administrative Basis. Besonderes Augenmerk sollte auf die Dezentralisierung des öffentlichen Sektors und den Ausbau der Verkehrsnetze gelegt werden. Auch in diesem Fall und in diesen Gruppen kann die ehrenamtliche Tätigkeit eine wichtige Rolle spielen und zur Aktivierung und Integration beitragen.

Die Bemühungen des Berichterstatters stehen zwar außer Frage, doch ich halte die Gesamtstruktur des Berichts für unbefriedigend. Er ist gespickt mit Uneindeutigkeiten, und seine Absätze weisen keine klare Ordnung auf. Wenn wir wirklich dazu beitragen wollen, die Probleme schutzbedürftiger Gruppen zu lösen, müssen wir klare und eindeutige Texte verfassen, die einen Überblick über das Thema vermitteln.

 
  
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  Evgeni Kirilov (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte meinem Kollegen, Herrn Harangozó, zu seinem Initiativbericht gratulieren.

Im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik bedeutet besondere Aufmerksamkeit für schutzbedürftige Gruppen, dass wir nicht vergessen haben, dass der Schwerpunkt dieser Politik auf dem Beitrag der EU zum Wohlergehen unserer Bürger liegt.

Die regionale Dimension dieser Angelegenheit ist eindeutig. Gleichwohl ist es notwendig, die Entwicklungsstärke der kleinen Gebietseinheiten zu analysieren, um die besonderen Bedürfnisse und den Ort der schutzbedürftigen Gruppen zu bestimmen. Obwohl wir feststellen konnten, dass die Schutzbedürftigkeit ein Problem auf niedrigeren Ebenen ist – beispielsweise in den ärmsten Regionen – wirkt es sich auf das gesamte Gebiet aus und betrifft alle darin lebenden sozialen Gruppen. Daher müssen Politik, Strategie und Maßnahmen zu den Problemen der schutzbedürftigen Gruppen umfassend sein und auf einem gemeinsamen Ansatz der europäischen, nationalen und lokalen Institutionen beruhen.

 
  
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  Bernadette Bourzai (PSE).(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Gábor Harangozó zu der hervorragenden Arbeit, die er geleistet hat, und zu seinen Gedanken zu diesem komplexen und heiklen Thema beglückwünschen. Ich wollte mich aktiv an der Stellungnahme des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu diesem Bericht beteiligen, da die hilfsbedürftigsten Personen häufig in den am wenigsten entwickelten ländlichen Gebieten und in Regionen mit dauerhaften naturbedingten Nachteilen konzentriert sind, was bedeutet, dass die Agrarpolitik und die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums dort eine wichtige Rolle zu spielen haben.

Die Kohäsionspolitik muss meines Erachtens darauf abzielen, einkommensgenerierende landwirtschaftliche und nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten in den ländlichen Gebieten aufrechtzuerhalten, um eine Bevölkerung zu halten, die häufig in die Versuchung der Landflucht gerät, aber auch um neue Bewohner willkommen zu heißen. Familienbetriebe müssen gefördert werden, weil dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden, und gleicher Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen sowie die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen müssen gewährleistet sein, um den Bedürfnissen benachteiligter Familien, Gemeinschaften und gesellschaftlicher Gruppen gerecht zu werden. Kurz gesagt, müssen wir das ländliche Umfeld attraktiv und lebenswert machen. Dieses Ziel können wir erreichen, indem wir die verschiedenen Politiken, die in diesen Regionen und für diese benachteiligten Gruppen durchgeführt werden, miteinander verbinden und so stärker die Komplementarität der verschiedenen verfügbaren Finanzinstrumente nutzen.

 
  
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  Miloš Koterec (PSE).(SK) Ich danke Gábor Harangozó für den ausgezeichneten Bericht. Er berührt Fragen, die bisher noch nicht offenkundig sind, aber eine latente Quelle deutlich größerer Probleme darstellen. Insbesondere möchte ich auf zwei im Bericht enthaltene konkrete Bereiche eingehen: die Fortentwicklung der schutzbedürftigen Gemeinschaften, zu denen vor allem Menschen aus dem ländlichen Raum und den Randlagen der Städte gehören, und die Entwicklung der zurückgebliebenen Mikroregionen, die je nach den besonderen Gegebenheiten der einzelnen Länder verschieden verstreut sind und von der derzeitigen Statistik kaum erfasst werden.

Diese beiden Bereiche werden nicht genau ausgewiesen und deswegen auch vernachlässigt. Wir müssen eindeutig feststellen, welche wirtschaftlich und sozial schutzbedürftigen Gemeinschaften wir in der Europäischen Union haben, wir müssen analysieren, welche Arten von unterentwickelten Mikroregionen es in der EU gibt und wo sie lokalisiert sind, und wir müssen Lösungen für diese Probleme finden. Beide sind vor dem Hintergrund der umfassenden Erfolge der Kohäsionspolitik schwer zu erkennen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kohäsionspolitik einem Emmentaler Käse gleicht, der nach außen hin sehr kompakt aussieht.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE-DE).(SK) In dem vorgelegten Bericht wird ganz richtig auf den Zusammenhang zwischen der Lösung sozialer Fragen und der regionalen Entwicklung verwiesen. Hier muss sich Europa solidarisch zeigen und die Kohäsionspolitik umsetzen.

Ich selbst verwende einen großen Teil meiner Zeit für Fragen, die mit der Unterstützung zurückgebliebener Regionen, vor allem in der Slowakei, zu tun haben. Die Bewahrung eines starken und attraktiven ländlichen Raums in Europa ist sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus kulturellen und umweltpolitischen Gründen unabdingbar. Ich unterstütze die Forderung an die Kommission, die im vorbereiteten Grünbuch über den territorialen Zusammenhalt vorgesehenen Mittel für die Lösung regionaler Probleme aufzustocken. Dabei muss für eine aktive Beteiligung der Regionen gesorgt und auch mit den Nichtregierungsorganisationen eng zusammengearbeitet werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich besonders die soziale Tätigkeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften hervorheben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ihr Wirken zugunsten der armen Gesellschaftsgruppen und Regionen äußerst effektiv und oft unersetzlich sind. Wir sollten sie daher als untrennbaren Bestandteil des europäischen Bemühens um Hilfe für die schutzbedürftigen Gruppen ansehen und sie auf europäischer Ebene angemessen unterstützen.

 
  
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  Stavros Arnaoutakis (PSE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte darauf hinweisen, dass wir mit diesem Bericht unsere Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass mit der Kohäsionspolitik zwanzig Jahre nach ihrer Formulierung die Solidarität der Union auch in Zukunft nicht nur den am meisten benachteiligten europäischen Regionen und Ländern, sondern auch den besonders schutzbedürftigen Gemeinschaften und Gruppen unserer Bevölkerung demonstriert werden soll.

Wir müssen die Kohäsionspolitik nicht nur finanziell, sondern auch mit geeigneten Mechanismen und Verfahren stärken, die es ermöglichen, komplexe, vielschichtige soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten auf lokaler Ebene aufzudecken und zu bekämpfen.

Aufgrund der Schwierigkeiten, mit denen unserer Regionen gegenwärtig konfrontiert sind, dürfen wir nicht unsere Augen vor den Problemen der Armut und der sozialen und territorialen Ausgrenzung verschließen. Es bedarf koordinierter Maßnahmen auf allen Ebenen, eines integrierten Ansatzes sowie aufeinander abgestimmter Mittel und Strategien, um dieser Probleme Herr zu werden.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Derzeit konzentriert sich das Wirtschaftwachstum auf Hauptstädte und städtische Großräume. Die Entwicklung in den übrigen Regionen, darunter auch in ländlichen Gebieten, verläuft deutlich langsamer, und deshalb sind diese Regionen anfälliger für Probleme. Ziel der Kohäsionspolitik sollte es sein, diesen Regionen zu helfen und den territorialen Zusammenhalt zu unterstützen.

Deshalb kommt es ganz wesentlich darauf an, die Infrastruktur zu verbessern und die Attraktivität dieser Regionen für Investoren zu erhöhen, die öffentlichen Dienste aufrechtzuerhalten und die Wohn- und Lebensbedingungen zu verbessern. Für die Entwicklung der ländlichen Gebiete ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sehr wichtig, also vor allem Verkehrswege und Kläranlagen, weil das die notwendigen Bedingungen für den Investitionsfluss und die Entstehung neuer Arbeitsplätze schafft, was den Menschen die Möglichkeit gibt, weiter in den Regionen zu bleiben und dort menschenwürdig zu leben.

Der Schwerpunkt der Gemeinsamen Agrarpolitik lag bislang hauptsächlich auf der Qualität der Nahrungsmittel, der Ernährungssicherheit und dem Wettbewerb, mit der ländlichen Entwicklung abseits der Landwirtschaft hat sie sich aber weniger befasst. Deshalb müssen die Kohäsionspolitik, die Politik der ländlichen Entwicklung und die Beschäftigungspolitik besser miteinander koordiniert werden.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Herr Präsident! In Erwägung N des Berichts wird zu Recht unterstrichen, dass Armut und Ausgrenzung einen stark territorialen Charakter aufweisen. Unter Berücksichtigung des in der Europäischen Union allgemein respektierten Solidaritätsprinzips und des Inhalts der Erwägung N plädiere ich dafür, dass die Mittel der Europäischen Fonds zur Förderung der Integration wirtschaftlich benachteiligter Gebiete genutzt werden.

Leider wurde in meinem Land dieses Jahr gegen dieses Prinzip verstoßen. Die Mittel zur Verbesserung der Infrastruktur und andere Hilfsfonds gelangen überwiegend in wohlhabendere und bereits gut entwickelte Gebiete. Das liegt oft daran, dass die Personen, die sich um diese Mittel bewerben, besser vorbereitet sind. Ich hoffe, dass das vorliegende Dokument dazu beitragen wird, diese Unregelmäßigkeiten in der ganzen Europäischen Union zu beseitigen.

 
  
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  Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Meines Erachtens war dies eine gute Diskussion, und ich möchte allen danken, die an der Aussprache teilgenommen haben. Sie hat gezeigt, dass ein integrativer politischer Ansatz der beste Weg ist, um dem Problem unterschiedlicher schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen effizient zu begegnen. Besonders wichtig scheint dabei die Verknüpfung von Kohäsionspolitik und Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes.

Ich teile ebenfalls den Standpunkt der Abgeordneten, dass in Fällen territorialer Häufung der Probleme in Verbindung mit schutzbedürftigen Gruppen ein gebietsbezogener Politikansatz gerechtfertigt ist. Soziale Eingliederung sollte nicht von territorialem Zusammenhalt getrennt werden.

Ich danke den Abgeordneten auch für ihre Betonung der intraregionalen Unterschiede. Wie viele Abgeordnete herausgestellt haben, wäre die Entwicklung hochwertiger, verlässlicher intraregionaler Statistiken in diesem Kontext eine große Hilfe. Wie ich bereits in meinen einleitenden Worten gesagt habe, will die Kommission weiterhin in die Entwicklung einer entsprechenden Datenbank investieren. Derzeit erarbeiten wir ein Audit für ländliche Regionen, ähnlich den bisher bereits durchgeführten Städteaudits. Dabei spielt eine gute Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine entscheidende Rolle, und ich vertraue in diesem Zusammenhang stark auf die Unterstützung des Parlaments.

 
  
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  Gábor Harangozó, Berichterstatter. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Kommissarin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte zunächst Kommissarin Hübner danken, nicht nur für ihren Beitrag zu diesem Bericht und zur Debatte, sondern auch für ihre stetigen Bemühungen um Weiterentwicklung und effizientere Gestaltung dieser Politik. Ich weiß ihre Arbeit sehr zu schätzen und danke ihr auch für ihre Offenheit in Bezug auf meinen Bericht.

Ich möchte nun zu einigen der aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen. Wollen wir das Problem ernsthaft in Angriff nehmen, dann sollten wir meines Erachtens zunächst das tun, was wir auch getan haben, als wir die Notwendigkeit des Lissabon-Prozesses sowie die Bedeutung der Umsetzung dieses Prozesses in der Kohäsionspolitik mit allem Ernst erkannt hatten und daraufhin die Einführung eines Systems der Zuweisung von Kohäsionsfonds zur Unterstützung des Lissabon-Prozesses beschlossen. Auf die gleiche Art und Weise können wir Maßnahmen zur Bekämpfung der territorialen Konzentration der Armut ergreifen, wenn wir denn wollen. Wenn wir uns entschließen, dies zu tun.

Ferner möchte ich der PPE-DE-Fraktion und insbesondere Herrn van Nistelrooij sagen, dass die Streichung von Ziffer 17 aus dem Bericht bedeuten würde, dass wir akzeptieren, dass es Mikroregionen gibt, die nicht in der Lage sind, die ihnen gebotenen Möglichkeiten zu nutzen. Wir wissen, dass es sich dabei um Mikroregionen handelt, aber warum wollen wir genau die Ziffer aus dem Bericht streichen, in der wir die Kommission auffordern zu prüfen, ob es deshalb nicht sinnvoller ist, den betroffenen Regionen auf mikroregionaler Ebene Kohäsionsunterstützung zu gewähren? Ich verstehe immer noch nicht, weshalb wir das tun sollten.

Frau Petre möchte ich entgegnen, dass ich das vorgelegte Papier als einen Bericht über die Regionalpolitik und somit nicht als richtigen Ort für die Diskussion von Fragen ethnischer Gruppen betrachte. Ich verstehe nicht, weshalb wir hier die Problematik der ethnischen Gruppen überhaupt ansprechen sollen. Wenn wir die Angelegenheit in Rumänien aus ethnischer Sicht betrachten, welche Gruppen soll ich ihrer Meinung nach denn in den Bericht aufnehmen? Die Roma, die in bestimmten Gebieten in äußerster Armut leben? Die Csángó, die in einem bestimmten Gebiet ebenfalls unter miserablen Bedingungen leben? Oder die in den Gebirgsregionen lebenden Rumänen? Auf dieser Basis können wir keine Entscheidungen treffen; wir benötigen komplexe Indikatoren, einen komplexen Ansatz und eine integrierte Umsetzung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL), schriftlich.(GA) Ich möchte den vorliegenden Bericht von Herrn Harangozó über die Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Eingliederung schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen begrüßen. Die Forderungen werden immer lauter, etwas gegen die unsicheren Zukunftsaussichten von Stadtvierteln oder Landstrichen zu unternehmen, deren Bewohner nicht in die Entscheidungsfindung und die Wirtschaftsentwicklung eingebunden sind.

Aus meinem eigenen Wahlkreis kenne ich die Schwierigkeiten, mit denen nicht nur benachteiligte Stadtviertel, sondern auch Randgebiete in den Grenzbezirken Irlands konfrontiert sind. Diese ländlichen Gebiete sind häufig nicht in der Lage, Unternehmens- oder Infrastrukturinvestitionen zu sichern. Die Politiker sollten sich vor allem darauf konzentrieren, die im Bericht angesprochene Landflucht zu bekämpfen.

Herr Harangozó verweist zu Recht auf die Bedeutung der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe für den Erhalt der ländlichen Gemeinschaften. Ländliche Gemeinschaften sollten in der Kohäsionspolitik nicht zurückgestuft werden, und im Kampf gegen die soziale Ausgrenzung bedarf es einer stärkeren Verknüpfung zwischen ländlicher und regionaler Entwicklung.

Die Abgelegenheit von Kommunikations- und Verkehrsnetzen ist ein praktisches Problem, dem wir uns widmen müssen.

 
  
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  Bogdan Golik (PSE), schriftlich. – (PL) Die Kohäsionspolitik, für die etwa 33 % des EU-Haushalts verwendet werden, ist von größter Wichtigkeit für alle Länder der EU. Polen beteiligt sich gern an allen Maßnahmen, die einer vollen wirtschaftlichen Integration der europäischen Gesellschaft und einem Abbau der Disparitäten auf mikroregionaler Ebene dienen. Meines Erachtens sind die Maßnahmen im Rahmen der Kohäsionspolitik die Grundvoraussetzung, um nachhaltige Entwicklung zu fördern und Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung, die ernste soziale und wirtschaftliche Probleme in Europa darstellen, zu beseitigen. Die Zusammenarbeit zwischen allen europäischen Ländern und der Erfahrungsaustausch sind hier ganz besonders wichtig.

Die Probleme, die die nachhaltige Entwicklung in der EU hemmen, zu denen niedrige Einkommen, schwache Infrastruktur und geringe soziale Mobilität gehören, tauchen vornehmlich in ländlichen Gebieten auf. Die Situation wird von der zunehmenden Abwanderung der Menschen aus ländlichen Gebieten und der verstärkten sozialen Ausgrenzung in diesen Regionen noch verschärft. Darüber hinaus zählen auch externe Faktoren wie etwa die zunehmenden Entwicklungsunterschiede zwischen der Europäischen Union und den USA zu den Problemen, vor denen die europäische Kohäsionspolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht. In den Jahren 1995-2005 lag das Produktivitätswachstum in Europa deutlich unter dem in den Vereinigten Staaten oder in Japan. Das wirkt sich merklich auf die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Marktes aus.

Ich möchte Herrn Harangozó dafür danken, dass er uns diese Probleme verdeutlicht hat.

 
  
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  Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Im Interesse der Förderung von Beschäftigung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit muss die Europäische Union das ihr zur Verfügung stehende Unternehmens- und Arbeitskräftepotenzial so gut wie möglich nutzen. Da die Mehrzahl der nahezu zehn Millionen in Europa lebenden Roma von strukturbedingter und/oder absoluter Arbeitslosigkeit betroffen oder auf dem grauen Markt bzw. in der Schattenwirtschaft tätig ist, könnte die Integration der Roma erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis der Lissabon-Agenda und die Kohäsionspolitik haben. Im Bericht wird festgestellt, dass die Kohäsionspolitik den ärmsten Regionen dabei geholfen hat, den Rückstand bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu verringern. Gleichwohl sind weitere Anstrengungen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erforderlich. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten müssen darauf hinarbeiten, dass die verfügbaren finanziellen Ressourcen künftig koordiniert werden und sich gegenseitig ergänzen; und bis das dann so weit ist, muss mithilfe der Finanzinstrumente der Europäischen Union – hier seien vorrangig der Europäische Sozialfonds und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung genannt – eine Vielzahl von Einzelprogrammen unterstützt werden, und zwar von der Bereitstellung von Mikrokrediten für Unternehmen bis hin zu Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur. Damit diese Programme ein Erfolg und die Mittel auch für den vorgesehenen Zweck eingesetzt werden, müssen sowohl allgemeine als auch besondere Hindernisse erkannt und beseitigt werden. In ihrer Entwicklung zurückgebliebene Regionen, die mit komplexen Problemen zu kämpfen haben, können die Gegenwertmittel nicht aufbringen, die aber erforderlich sind, damit sie die Unterstützung der Gemeinschaft erhalten können, auf die sie Rechtsanspruch haben. Was das Volk der Roma anbetrifft, so haben sich die Benachteiligungen, die aus einem geringen Bildungsstand und Arbeitslosigkeit über mehrere Generationen resultieren, inzwischen vervielfacht.

 
  
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  Cătălin-Ioan Nechifor (PSE), schriftlich.(RO) Das Europäische Parlament hat den Entwurf einer Entschließung zu den Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Eingliederung schutzbedürftiger Gemeinschaften und Gruppen zur Diskussion gestellt und besteht darauf, dass in den ländlichen Gebieten bestimmte wirtschaftlich rentable Produktionstätigkeiten aufrechterhalten werden, wobei insbesondere auf Familienbetriebe, aber auch kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe zu achten ist.

Die Gemeinsame Agrarpolitik muss gerechter werden, damit es angesichts der für wahrscheinlich gehaltenen Lebensmittelkrise möglich wird, dass sich Menschen in vorwiegend landwirtschaftlich geprägten ländlichen Gebieten niederlassen können.

Ich glaube, dass nach der Verabschiedung dieser Entschließung Rumänien erhebliche Unterstützung im Kampf gegen die Armut in den ländlichen Gebieten gewährt werden wird. Dort leben 10 Millionen Menschen, und Phänomene wie soziale und territoriale Ausgrenzung gefährden die bloße Existenz des rumänischen Staates sowie die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit.

Durch Ausrichtung der rumänischen Landwirtschaft auf kleine landwirtschaftliche Betriebe, auf die Subsistenzlandwirtschaft und auf Landwirte, die mit ihren Familien kleine Flächen bewirtschaften, wird diese Landwirtschaft eine reelle Chance haben und somit den Beitrag dieses Sektors an der Erwirtschaftung des BIP erhöhen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Regierung Rumäniens ersuchen, alle nötigen Schritte zur Annahme dieser Entschließung zu ergreifen, um zu retten, was im Agrarsektor noch zu retten ist – also dort, wo die europäische Integration bisher noch nichts gebracht hat.

 

27. Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung und Auswirkungen der Ausbeutung bestimmter biologischer Rohstoffe durch die EU auf die Entwicklung in Westafrika (Aussprache)
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  Der Präsident. − Als nächster und letzter Punkt folgt die Aussprache über den Bericht von Frithjof Schmidt im Namen des Entwicklungsausschusses über Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung und die Auswirkungen der Ausbeutung bestimmter biologischer natürlicher Ressourcen durch die EU auf die Entwicklung in Westafrika (2007/2183(INI)) (A6-0137/2008).

 
  
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  Frithjof Schmidt, Berichterstatter. − Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin! Lassen Sie mich zuerst den Titel übersetzen. Wenn wir über einige natürliche biologische Ressourcen sprechen, dann sprechen wir über Holz und über Fisch. Holz und Fisch sind die Schlüsselressourcen für die soziale und ökonomische Entwicklung in der Region Westafrika. Wir sprechen dann auch über das Abholzen der Wälder.

Wir alle wissen, wie dramatisch diese Entwicklung ist. In Westafrika stehen von dem Wald, der dort vor fünfzig Jahren vorhanden war, noch etwa 13 %. Das heißt, 87 % des Waldes sind schon abgeholzt. Wir alle wissen, welche Auswirkungen das auf die Klimaentwicklung, auf Wüstenbildung hat.

Wir haben ebenso dramatische Zahlen darüber, wie die Überfischung in diesem Raum des Atlantiks vorangeht und welche großen Probleme dadurch entstehen. Wir alle kennen natürlich auch die Bilder überfüllter Kanus mit Migranten aus Westafrika, die auf den Kanarischen Inseln landen. Der Zusammenhang mit dieser Entwicklung und der verstärkten Migration aus Westafrika in die Europäische Union ist offenkundig und unabweisbar, und darüber wird politisch in unseren Gesellschaften ja auch diskutiert.

Die Europäische Union ist der Hauptabnehmer für Holz und Fisch. Wir selbst sagen, dass wir als Europäische Union rund 80 % von diesen Produkten abnehmen. Deshalb ist es notwendig und gut, dass wir die Kohärenz unserer Entwicklungspolitik, unserer Fischereipolitik und unserer Holzhandelspolitik in Bezug auf Westafrika dahingehend überprüfen, inwieweit sie positiv zusammenwirken oder inwieweit sie ihre Ziele auch konterkarieren.

Bei beiden Produkten geht es darum, den Raubbau zu verhindern und eine nachhaltige Bewirtschaftung durchzusetzen. Bei beiden Produkten geht es darum, den Vorrang der lokalen Wirtschaft und der lokalen Versorgung vor dem internationalen Handel sicherzustellen. Wenn wir das nicht erreichen, dann wird jede selbsttragende Entwicklung dort untergraben und der Erfolg jeder Entwicklungszusammenarbeit in Frage gestellt. Deswegen ist diese Kohärenzüberprüfung so wichtig, damit wir die Erfolge unserer Entwicklungspolitik nicht durch andere Politiken, die wir machen, in Frage stellen und untergraben.

Wir kennen die Instrumente, wie wir die Situation verbessern können. Wir brauchen eine bessere Überwachung der Bestände an Fisch und Holz, und wir brauchen eine bessere Überwachung der Aktivitäten der Holzwirtschaft und auch der Fischerei. Wir brauchen dazu den entsprechenden Aufbau einer Infrastruktur, im Bereich von Forschung über Bestandsentwicklung und im Bereich der Kontrolle und Überwachung der Wirtschaftsaktivitäten. Das wissen wir seit langem, und wir gehen ja politisch auch seit einiger Zeit in diese Richtung.

Wir müssen in diesem Zusammenhang vor allem die illegale Abholzung, die illegale Fischerei und den Handel mit illegalen Produkten bekämpfen. Das müssen wir vor Ort in Westafrika tun. Dazu müssen wir die westafrikanischen Partnerländer unterstützen, und zwar auch bei uns in der Europäischen Union, wenn es um Marktzugang geht. Wir müssen unsere Kontrollsysteme ausbauen. Es ist eine entscheidende Aufgabe der Entwicklungspolitik, umzusteuern und zu einer nachhaltigen, schonenden Methode beim Holzeinschlag, bei der Waldnutzung und beim Fischfang zu kommen.

Lassen Sie mich noch auf einen Punkt und einen Konflikt in Bezug auf den Bericht eingehen. Wir haben in diesem Bericht erklärt, dass wir die Rahmenbedingungen für Joint Ventures zwischen Firmen der Europäischen Union und afrikanischen Partnern verbessern müssen, dass wir Investitionssicherheit schaffen müssen. Ich finde das richtig, und es ist notwendig. Aber wir müssen darauf achten, dass das nicht zu neuen Überkapazitäten führt, die unsere anderen Maßnahmen, beispielsweise gegen Überfischung, konterkarieren.

Es ist absolut notwendig, dass wir diesen Konflikt lösen. Deswegen haben wir der Stellungnahme des Fischereiausschusses mit dieser Aussage einen Punkt hinzugefügt. Ich möchte, dass hinter dem prozeduralen Konflikt, den wir haben – wann wo wer was hinzufügen darf –, der Inhalt nicht zurücksteht. Ich finde es absolut wichtig, dass wir daran festhalten, dass hier keine neuen Überkapazitäten entstehen dürfen. Wir dürfen diesen Punkt, wie es ja beantragt war, nicht aus dem Bericht streichen.

 
  
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  Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst dem Berichterstatter, Herrn Schmidt, zu seinem Bericht gratulieren. Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung ist ein wichtiger Punkt, und lassen Sie mich Ihnen versichern, dass die Verringerung der negativen Auswirkungen und die vollständige Ausnutzung der Synergien zwischen europäischer Politik und Entwicklung integraler Bestandteil unserer Anstrengungen zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele sind.

Neben der Entwicklungspolitik können tatsächlich auch andere Politikbereiche einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung leisten, und sich somit natürlich direkt auf die Effizienz unserer Hilfeleistungen auswirken.

Wie Sie in Ihrem Bericht richtig feststellen, ist die Abholzung des Regenwaldes für uns alle ein Grund zur Besorgnis. Dabei sollte meiner Ansicht nach zwischen zwei Aspekten unterschieden werden: einerseits Abholzung und Klimawandel, andererseits der Kampf gegen die illegale Ausbeutung der Wälder.

Die internationale Gemeinschaft hat in Bali die Vernichtung von Wäldern klar als eine der Hauptursachen für den Klimawandel anerkannt. Im Geiste der UN-Konferenz zum Klimawandel will die Kommission im Jahr 2008 die Forest Carbon Partnership Facility der Weltbank mit 5 Millionen Euro unterstützen. Bis 2010 sind zusätzliche 60 Millionen Euro für die Finanzierung der Globalen Allianz gegen den Klimawandel vorgesehen, eine Initiative, die wir im vergangenen Jahr ins Leben gerufen haben, um die ärmsten Regionen bei ihrer Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.

Und schließlich haben mehrere Länder wie Ghana, Kamerun, Mali, Sierra Leone und Cote d’Ivoire in ihren nationalen Programmen für den 10. Europäischen Entwicklungsfonds Maßnahmen zur Verwaltung der natürlichen Ressourcen und der Steuerung dieses Sektors festgelegt.

Westafrika ist ebenfalls ein wichtiger Partner der Union im Kampf gegen die illegale Ausbeutung der Wälder, ebenso wie Kamerun, Ghana, Liberia und Cote d’Ivoire, die beträchtliche Holzmengen nach Europa exportieren.

Zwei dieser Länder, Kamerun und Ghana, schließen gegenwärtig ein freiwilliges FLEGT-Partnerschaftsabkommen mit der Union, und auch Liberia wird wohl bald mit ähnlichen Verhandlungen beginnen.

Bezüglich der Fischereipolitik haben, wie Sie ganz richtig betont haben, die neuen partnerschaftlichen Fischereiabkommen zu größerer Kohärenz zwischen der gemeinsamen Fischereipolitik und der Entwicklungspolitik geführt. Diese neuen Abkommen sind nicht länger darauf beschränkt, Fischereimöglichkeiten für die Schiffe der Gemeinschaft zu eröffnen, sondern ermöglichen auch den Dialog mit anderen Partnern, um sie bei der Einführung einer wirklich nachhaltigen und verantwortungsbewussten Fischereipolitik in ihren Gewässern zu unterstützen.

Die Fischereiabkommen gewährleisteten nicht nur einen finanziellen Ausgleich, der häufig einen deutlichen Beitrag zum Einkommen und somit zur makroökonomischen Stabilität unserer Partnerländer leistet, sondern bilden auch eine wichtige politische und rechtliche Grundlage. Diese ermöglicht der Gemeinschaft eine Entwicklung der eigenen Fischereipolitik auf der Basis des Dialogs und im Lichte der Prioritäten in der Fischereipolitik unserer Partner.

Worin ich allerdings nicht mit Ihnen übereinstimmen kann, ist die Aussage im Bericht, der zufolge Immigration und Fischereiabkommen zusammenhängen. Selbst die betroffenen Länder – beispielsweise der Senegal in Person von Staatsminister Djibo Ka – haben offen die Anschuldigung zurückgewiesen, die Anwesenheit von Schiffen aus der Gemeinschaft wirke sich deutlich auf die Ressourcen und auf den Rückgang der Rentabilität für nichtindustrielle Fischer aus – die Personen, die häufig am meisten von illegaler Migration betroffen sind.

Wir arbeiten schließlich mit Fischern, Nichtregierungsorganisationen und privaten Partnern in Europa und in diesen Ländern zusammen, gerade um möglichst viele negative Interaktionen und unfaire Wettbewerbssituationen zwischen unseren Fischern und den schutzbedürftigen Fischern in diesen Ländern abzubauen.

Es gibt derzeit keine europäische Flotte, die mit den nichtindustriellen Schiffen dieser Länder in Westafrika in Konkurrenz steht. Das kann von anderen ausländischen industriellen Flotten nicht gesagt werden.

 
  
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  Carmen Fraga Estévez, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Fischereiausschusses. (ES) In erster Linie bedauere ich die unannehmbare Haltung des Entwicklungsausschusses, der meint, sich nicht an die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments halten zu müssen. Er hat das in Artikel 47 festgelegte Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit umgangen und die Äußerungen des Fischereiausschusses zu Themen, die in dessen Zuständigkeitsbereich gehören, korrigiert. Er hat sich ferner von Beginn dieses Berichts an völlig unzuverlässig gezeigt, indem er hartnäckig versuchte, die Kompetenz des Fischereiausschusses in der Frage der partnerschaftlichen Fischereiabkommen an sich zu reißen. Während der Fischereiausschuss eine Stellungnahme abgegeben hat, die bewusst danach strebte, die Sensibilitäten voll und ganz zu respektieren, die dieses Thema bekanntlich beim Entwicklungsausschuss weckt, hat sich dieser, wie er von Anfang an beabsichtigte, in reine Angelegenheiten der Gemeinsamen Fischereipolitik eingemischt.

Herr Präsident, einige Ausschussvorsitzende haben die Tendenz zu glauben, dass sie alles richtig machen und dass die Geschäftsordnung für sie nicht gilt, obwohl sie ihre prominentesten Verteidiger sein sollten. Das Ergebnis ist eine unfruchtbare Konfrontation zwischen Ausschüssen, die der Glaubwürdigkeit der gesamten Institution schadet.

Ich hoffe, dass dieser Fall dazu dient, diese Versuche des Machtmissbrauchs im Keim zu ersticken, damit alle, die die Rolle der partnerschaftlichen Fischereiabkommen bei der Entwicklung der Dörfer und der nationalen Fischerei Westafrikas kennen lernen wollen, dies anhand einer Analyse tun können, die auf einem umfassenden und unzensierten Bericht basiert.

Mit der Einreichung dieses Änderungsantrags im Namen der PPE-DE-Fraktion möchte ich unseren Willen zum Ausdruck bringen, wieder zur normalen Arbeitsweise zurückzukehren, obwohl wir angekündigt haben, dass wir fordern werden, den Bericht an den federführenden Ausschuss zurückzuverweisen, wenn die anderen Fraktionen den Änderungsantrag nicht unterstützen.

 
  
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  Filip Kaczmarek, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Schmidt für seinen sehr gründlichen und detaillierten Bericht danken. Wenn unsere Entwicklungspolitik tatsächlich von Kohärenz geprägt sein soll, dann brauchen wir solche detaillierten Berichte zu Fragen, die sich auf verschiedene Aspekte der Entwicklungsarbeit beziehen. Selbstverständlich muss die Zusammenarbeit mit anderen Ausschüssen geregelt sein, doch wenn wir schon von Politikkohärenz sprechen, dann ist dabei zu klären, wie die einzelnen parlamentarischen Ausschüsse zusammenarbeiten sollen.

Mit ihrer Analyse der Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Westafrika liefert die Europäische Union eine realistische und keine halbherzige Einschätzung ihrer Rolle in dieser Region Afrikas. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass die Nutzung der natürlichen Ressourcen sehr konkrete und manchmal schmerzliche und komplexe soziale Folgen hat. In diesem Zusammenhang ist es sehr beunruhigend, dass die Fischbestände in Westafrika überfischt sind, was die lokale Entwicklung gefährden kann, da diese Bestände für die Ernährungssicherheit in dieser Region sorgen.

Es stimmt, dass sich afrikanische Staaten häufig gar nicht oder, wenn überhaupt, nur unzureichend um eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen kümmern. Deshalb sollten wir unsere Aktivitäten in der Region sowohl vom wirtschaftlichen als auch vom ethischen Standpunkt aus betrachten. Mir ist klar, dass viele Politiker die europäischen Fischer lieber an der afrikanischen Westküste als auf den Brüsseler Straßen sehen. Wir müssen uns aber vorsehen, um nicht in Heuchelei zu verfallen, denn ohne nachhaltige Fischereiwirtschaft in Westafrika können wir nicht von einer kohärenten Entwicklungspolitik sprechen.

Wir sollten auch nicht versuchen, unsere gesellschaftlichen Probleme zu exportieren, denn selbst wenn uns das gelänge, könnten sie in Form von Migrationsproblemen wieder auf uns zurückkommen. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass wir uns auch gewissermaßen selbst unter Druck setzen, wenn wir meinen, dass bei einem Rückzug unserer Flotten aus Westafrika andere Flotten an unsere Stelle treten, die dann mit sogar noch viel niedrigeren Standards als den derzeit geltenden arbeiten. Das ist eine gefährliche Denkweise, und wir sollten uns meines Erachtens nicht solcher Argumente bedienen.

 
  
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  Thijs Berman, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Wenn wir das Meer vor der Küste Mauretaniens leer fischen, dann kommen die Ärmsten der Armen als Migranten nach Europa, weil sie zu Hause keine Zukunft mehr sehen. Nicht die wohlhabenden, sondern unsere ärmsten Gebiete müssen damit fertig werden. Dann verliert Europa die Unterstützung seiner Wähler, speziell in den untersten Einkommensschichten. Auch deshalb sind kohärente Politiken ein absolutes Muss. In vielerlei Hinsicht ist es traurig, aber auch vollkommen verständlich, dass Irland den Vertrag von Lissabon abgelehnt hat.

Für die Entwicklungspolitik bedeutet der Vertag von Lissabon einen wahren Fortschritt. In diesem Dokument wurde die Kohärenz erstmals richtig verankert. Die Union darf den armen Ländern nicht mit einer Hand nehmen, was sie mit der anderen Hand gibt. Die Politik der EU in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei und Handel sollte die Entwicklungspolitik nicht konterkarieren. Selbstverständlich geht es um mehrere Politikfelder, aber Rivalität zwischen den Ausschüssen des Parlaments ist nicht im Spiel. Das ist nebensächlich.

Im Vertrag von Nizza hieß es lediglich, die Union solle sich in der Welt als kohärente Kraft präsentieren. Das hat sich als unzureichend erwiesen. Schamlos ließ es unsere Agrarpolitik zu, dass unsere Überschüsse wie Zucker und Getreide mit Ausfuhrsubventionen zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt angeboten wurden. Erfreulicherweise gehört das nun mehr oder weniger der Vergangenheit an.

Erst mit dem Vertrag von Lissabon wird den Unterstützern der armen Länder eine gesetzliche Grundlage gegeben, mit der sie Solidarität mit den Ärmsten in der Welt sicherstellen können. Irland stimmte dennoch dagegen. Vor allem die Menschen mit den niedrigsten Einkommen sagten Nein, weil sich die Ärmsten Europas mit dieser Europäischen Union nicht so recht identifizieren können. Zu viel Unsicherheit, zu viele Risiken lasten auf ihren Schultern, sie müssen die Folgen dieser inkohärenten und asozialen Politik erdulden.

Wie der Berichterstatter, Herr Schmidt, klipp und klar dargelegt hat, besteht die Aufgabe also darin, Solidarität mit allen Bürgern in Europa und in den Entwicklungsländern zu üben und gleichzeitig die Umwelt zu respektieren. Das ist kein leichtes Unterfangen. Die Versuchung ist groß, die eine Solidarität gegen die andere einzutauschen. Trotzdem ist da kein Widerspruch. Solidarität mit den Entwicklungsländern ist die Voraussetzung für wahre Solidarität mit den Menschen mit niedrigen Einkommen in Europa und in der übrigen Welt.

 
  
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  Hélène Goudin, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Wenn die europäischen Länder die natürlichen Ressourcen ärmerer Länder ausbeuten, hinterlassen sie große Spuren. Die Fischbestände in den westafrikanischen Fischereigewässern sind fast erschöpft, der illegale Holzhandel zerstört die Umwelt und die Ausbeutung anderer natürlicher Ressourcen hat sich in der armen und politisch instabilen Region als ungeheuer folgenreich erwiesen. Unser Handeln wirkt sich auf die einheimische Bevölkerung aus.

Der Bericht strebt eine stärkere Kohäsion zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und mehr Einfluss für das Europäische Parlament an. In diesem Parlament sind aber zahlreiche Sonderinteressen vertreten, wodurch eine europäische Entwicklungshilfepolitik zum Scheitern verurteilt ist. Die internationale Arbeit auf diesem Gebiet sollte durch die Vereinten Nationen und andere Organisationen geleistet werden. Wenn wir wirklich die Welt verändern wollen, wie wir es behaupten, brauchen wir andere Maßnahmen. Die EU sollte stattdessen ihre eigene Politik überprüfen und reformieren.

Die Europäische Union muss aufhören, die gescheiterte europäische Agrarpolitik zu subventionieren, den versteckten Protektionismus in der Handelspolitik beenden und ihre unmoralischen Fischereiabkommen fallen lassen.

 
  
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  Bogdan Golik (PSE).(PL) Herr Präsident! Den von der Europäischen Union angenommenen Entschließungen zufolge konzentrieren die meisten Mitgliedstaaten ihre Entwicklungshilfemaßnahmen auf die afrikanischen Länder südlich der Sahara, und dazu gehören auch die Staaten Westafrikas. In dieser Region wird Entwicklungshilfe am meisten benötigt. Polen vertritt ebenfalls den Standpunkt der Europäischen Union zur Entwicklungspolitik und unterstützt die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele in dieser Region. In Polen wächst die Unterstützung der Öffentlichkeit für die Hilfe für Entwicklungsländer. Sie lag letztes Jahr bei 77 %. Zugleich ist uns bewusst, dass die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Bemühungen intensivieren müssen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, und dass Kohärenz und Wirksamkeit der europäischen Entwicklungspolitik gestärkt werden müssen. Eine sehr wichtige Aufgabe ist es derzeit, dass die Europäische Union und das Parlament auch angesichts der hier bestehenden Differenzen einen gemeinsamen Standpunkt für die Konferenzen in Accra und Doha ausarbeiten.

Afrika hat als Region mit den meisten Entwicklungsländern kaum Erfahrungen im Schutz der eigenen biologischen Ressourcen. Andererseits ist für Europa der Zugang zu Afrikas mineralischen Rohstoffen sehr wichtig, und diese Politik betreibt die EU gemeinsam mit China und der Russischen Föderation. Für europäische Partner ist es ganz entscheidend, dass sich ihre wirtschaftliche Attraktivität verbessert und dass Entwicklungshilfe weniger von demokratischen Reformen in Afrika abhängig gemacht wird. Entscheidend für die Länder Afrikas ist vor allem der Zugang zum Nahrungsmittelmarkt der EU. Wir sollten ihnen diesen Zugang ermöglichen, noch vor Brasilien, den USA oder Australien. Deshalb müssen die Hilfsprogramme der EU und der einzelnen Mitgliedstaaten sich besser ergänzen und mehr auf Kohärenz und Zusammenarbeit ausgerichtet sein. Was die Nutzung der natürlichen Ressourcen in Westafrika anbelangt, brauchen wir unbedingt ein wirksames System, mit dem sich das Ausmaß der Nutzung beurteilen lässt, ebenso wie eine bessere Kontrolle der Nutzung.

Ich möchte Herrn Schmidt dafür danken, dass er auf all die Probleme aufmerksam gemacht hat.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Dem Bericht zufolge sind Holz und Fisch zwei der wichtigsten Ressourcen Westafrikas. Als Hauptabnehmer dieser Produkte ist es daher an uns, eine wichtige Rolle bei ihrer nachhaltigen Entwicklung zu spielen. Die EU zieht derzeit in Erwägung, Marokko einen weitergehenden Status einzuräumen, der bessere Handelsmöglichkeiten eröffnet, einen intensiveren politischen Dialog und die Zusammenarbeit in der Außenpolitik und in Sicherheitsfragen ermöglicht.

Im Prinzip sind wir nicht gegen dieses Abkommen unter der Voraussetzung, dass Marokko einwilligt, alle Menschenrechtsverletzungen im unrechtmäßig besetzten Westsahara-Gebiet zu beenden, dass Marokko einwilligt, der Bevölkerung in der Westsahara ein freies und faires Referendum zu ermöglichen, dass das partnerschaftliche Fischereiabkommen überarbeitet wird und der sahrauischen Bevölkerung der Westsahara gestattet wird, als den Marokkanern gleichwertige Bürger zu leben.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Marokko für einen weitergehenden Status nicht qualifiziert ist. Insbesondere wird die EU – kommt sie dem Wunsch nach weitergehendem Status nach – die illegale Besetzung durch Marokko stärken und den politischen Prozess zu einem freien und fairen Referendum erschweren. Darüber hinaus stünde es der UN-Mission zur Organisation eines Referendums zur Selbstbestimmung in der Westsahara entgegen, wenn die EU Marokko diesen weitergehenden Status gewähren würde.

 
  
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  Danuta Hübner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Diskussion zu dieser späten Stunde hat uns deutlich gezeigt, welche Bedeutung wir alle diesem Thema beimessen, und ich möchte daher dem Parlament noch einmal für den Bericht danken.

Wie richtigerweise festgestellt wurde, sind Holz und Fisch zwei Kernprodukte für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Westafrikas. Lassen Sie mich noch einmal ausdrücklich betonen, dass es für die EU und die Länder Westafrikas eine Priorität bleiben muss, dass die Nutzung dieser natürlichen Ressourcen in Übereinstimmung mit den Entwicklungszielen erfolgt.

So wie ich zu Beginn erläutert habe und nun wiederholen möchte, ist die Kommission diesem Ziel verpflicht ist. Die Entschließung, die das Parlament morgen annehmen will, wird ein wichtiger Beitrag zu unserer Arbeit sein.

 
  
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  Frithjof Schmidt, Berichterstatter. − Herr Präsident! Ich möchte mich zum einen – das mag nach der Intervention vielleicht überraschen – bei der Kollegin Fraga Estévez bedanken, denn wir haben persönlich sehr konstruktiv an dem Bericht zusammengearbeitet und auch viele Probleme gelöst. Das sollten wir davon trennen, dass es einen institutionellen Konflikt über die Interpretation der Geschäftsordnung zwischen Fischereiausschuss und Entwicklungsausschuss gibt. Das hat etwas damit zu tun, dass wir durch das ICEI eine neue Aufgabe zugewiesen bekommen haben, nämlich die Kohärenzüberprüfung. Der Rat hat ja beschlossen, dass für 12 Politikfelder die Kohärenz mit der Entwicklungspolitik überprüft werden soll. Diese Politikfelder fallen dann immer in den Zuständigkeitsbereich anderer Ausschüsse. Da gibt es dann natürlich immer institutionelle Konflikte. Das ist ein Problem, aber ich möchte mich trotzdem für die persönliche Zusammenarbeit, die in diesem Bereich gut war, bedanken.

Frau Kommissarin, ich glaube, dass die Kommission mit dem FLEGT-Prozess und auch mit den neuen Fischereipartnerschaftsabkommen seit 2002 auf dem richtigen Weg ist. Das ist ein richtiger Ansatzpunkt, aber ich möchte Sie ermutigen, diesen Weg radikal weiterzugehen in Richtung der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Da muss noch viel getan werden. Dieser richtige Ansatz muss weiterentwickelt werden. Dafür haben Sie mit Sicherheit die Unterstützung dieses Parlaments.

Ein letztes Wort zu der Frage des Zusammenhangs zwischen Migration und Überfischung. Natürlich gibt es hier keinen monokausalen Zusammenhang. Migration hat viele Ursachen. Aber es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang auch mit der Überfischung gibt. Und an der Überfischung ist auch – nicht nur – die Europäische Union beteiligt. Die Internationale Organisation für Migration hat das gerade für den Senegal sehr konkret belegt. Insofern ist der Präsident des Senegal sehr schlecht beraten, wenn er vor der Wirklichkeit in seinem eigenen Land und vor seinen eigenen Küsten so die Augen verschließt. Da sollten wir kritischer herangehen und dieses Problem gemeinsam angehen und lösen.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

28. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

29. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 23.05 Uhr geschlossen.)

 
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