Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Vorbereitungen für den EU-Russland-Gipfel (26.-27. Juni 2008).
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) Ich freue mich sehr, die Vorbereitung des 21. EU-Russland-Gipfels vorzustellen, der Ende dieses Monats, am 26. und 27. Juni, im westsibirischen Khanty-Mansiysk stattfinden wird.
Die Präsidentschaft ist der Ansicht, dass der bevorstehende Gipfel beiden Seiten die Gelegenheit bietet, ein neues Kapitel in den gegenseitigen Beziehungen aufzuschlagen. Vor allem sollten wir bereit sein, die potenziellen positiven Impulse zu nutzen, die durch die kürzlich erfolgte Wahl des russischen Präsidenten Medwedew für die Beziehungen zwischen der EU und Russland entstehen könnten.
Hauptziel des Gipfels ist ganz klar, Verhandlungen über das neue Rahmenabkommen mit Russland zu beginnen. Wir sind sehr froh, dass der Rat am 26. Mai das EU-Verhandlungsmandat für die neue Vereinbarung beschlossen hat. In den letzten Monaten hat sich die Präsidentschaft zusammen mit der Kommission auf höchster Ebene intensiv bemüht, die restlichen Hindernisse auf Seiten der EU zu überwinden.
Bei den Verhandlungen über ein neues Abkommen wird sich die EU nach Kräften bemühen, die Zusammenarbeit mit Russland in Bereichen von allgemeinem Interesse zu vertiefen und gleichzeitig die Themen, bei denen unsere Positionen möglicherweise auseinander gehen, effektiver aufzuarbeiten. Wie üblich wird das Gipfeltreffen auch Gelegenheit zu einer Bestandsaufnahme bezüglich des Fortschritts der Umsetzung der vier Gemeinsamen Räume bieten. Gestatten Sie mir, kurz deren wichtigste Merkmale zu skizzieren.
Was den ersten Gemeinsamen Raum, den Gemeinsamen Wirtschaftsraum, angeht, wird der Gipfel auf einen Frühwarnmechanismus im Energiebereich drängen, da wir alle hier zu Gebote stehenden Möglichkeiten in vollem Umfang nutzen wollen. Wir werden die Vordringlichkeit vorhersehbarer und fester Regeln für ausländische Investitionen in Russland neu formulieren. Darüber hinaus beabsichtigt die EU erneut zu bekräftigen, dass offizielle Verhandlungen über ein tief greifendes und umfassendes Freihandelsabkommen beginnen können, sobald Russland seinen WTO-Beitritt abgeschlossen hat.
Was das langjährige Problem der Überfluggebühren für Sibirien angeht, so wird die EU weiterhin auf die Unterzeichnung des bestehenden Abkommens hinwirken.
Hinsichtlich des zweiten Gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts will die EU ihre Besorgnis über die Situation der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Russland zum Ausdruck bringen, insbesondere im Zusammenhang mit den Wahlen, die vor kurzem stattgefunden haben. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass diese Bedenken sowohl von der Präsidentschaft als auch vom Europäischen Parlament geteilt werden. Der Gipfel wird darüber hinaus Gelegenheit bieten, die bisherige Umsetzung von Visumerleichterungen und Rückübernahmeabkommen zu bewerten.
Was den dritten Gemeinsamen Raum, den der äußeren Sicherheit, betrifft, wird die EU unterstreichen, dass mehr konkrete Maßnahmen für die künftige Zusammenarbeit mit den gemeinsamen Nachbarn erforderlich sind. Vor allem werden wir versuchen, deutlich zu machen, dass sich Russland ernsthaft um eine Lösung des Konflikts in Transnistrien und Georgien bemühen muss. Außerdem sollten wir Russlands Teilnahme an der Operation EUFOR im Tschad begrüßen und eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) vereinbaren.
Im Zusammenhang mit dem vierten Gemeinsamen Raum, dem Raum der Forschung, Bildung und Kultur, wird der Gipfel den ersten Ständigen Partnerschaftsrat im Bereich Forschung begrüßen, der im Mai in Slowenien abgehalten wurde. Zu guter Letzt wird das Gipfeltreffen auch eine Gelegenheit zur Beratung über internationale Themen sein, beispielsweise über „eingefrorene Konflikte“, den Nahen Osten, den Iran, Afghanistan usw.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Abschluss noch folgende Bemerkung: Ein besonderes Anliegen werden auf dem Gipfel die Bemühungen beider Seiten sein, die stabile und demokratische Entwicklung von Ländern in der gemeinsamen Nachbarschaft sicherzustellen. Eine konkrete Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland im Rahmen der gemeinsamen Nachbarschaft ist unerlässlich bei Problemen, die beide Seiten betreffen und beunruhigen, ganz besonders im Bereich der „eingefrorenen Konflikte“.
Damit möchte ich schließen. Ich werde nun mit großem Interesse Ihre Beiträge verfolgen.
(Beifall)
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Angesichts eines neuen russischen Präsidenten – darauf wurde soeben hingewiesen – und unseres nunmehr bestehenden Mandats, ein neues Abkommen mit Russland auszuhandeln, haben wir meines Erachtens die Möglichkeit, diese wichtige Partnerschaft mit unserem größten Nachbarn auf Grundlage einiger gemeinsamer Interessen neu zu definieren. Die Schaffung gut funktionierender Beziehungen zwischen der EU und Russland gehört zu den bedeutendsten Aufgaben der europäischen Außenpolitik, das ist uns allen bekannt.
Die Aufnahme von Verhandlungen wird der zentrale Aspekt des ersten Gipfeltreffens EU-Russland mit Präsident Medwedew in Khanty-Mansiysk Ende Juni sein. Gleich im Anschluss daran werden die Verhandlungen in die erste Runde gehen.
Das neue Abkommen zwischen der EU und Russland gibt uns die Möglichkeit, den rechtlichen Rahmen zu erneuern und unsere Beziehungen auf eine Weise zu stärken, die den bedeutenden Änderungen in Russland und der Europäischen Union Rechnung trägt. Denn seit das derzeit gültige Partnerschafts- und Kooperationsabkommen in den 1990er Jahren ausgehandelt wurde, haben auf beiden Seiten umfangreiche Änderungen stattgefunden. Ich bin überzeugt, dass es uns außerdem helfen wird, das immense Potenzial unserer Beziehungen zu erschließen und die Interessen der Mitgliedstaaten entschlossener zu verfolgen.
Das neue Abkommen sollte durch folgende Merkmale gekennzeichnet sein: ergebnisorientierte Kooperation, tiefgehende wirtschaftliche Integration, gleiche Ausgangsbedingungen für unsere energiepolitischen Beziehungen, die mindestens den Prinzipien unserer Energiecharta entsprechen, eine immer größere Annäherung in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit sowie eine fortschreitende Öffnung unserer jeweiligen Bildungs- und Wissenschaftssysteme.
Gleichzeitig sollten wir unsere Zusammenarbeit mit Russland in den vom Ratspräsidenten soeben erwähnten vier gemeinsamen Räumen und den entsprechenden Fahrplänen fortsetzen. Diese sehen einen in der Tat umfangreichen Maßnahmenkatalog vor, der konkreter Ausdruck dieser strategischen Partnerschaft ist.
Das neue Abkommen sollte auch für sie ein in der Zukunft tragfähiges rechtliches Rahmenwerk bieten.
Der Gipfel ist ferner eine Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, wo Präsident Medwedew die Prioritäten Russlands in Bezug auf die Europäische Union sieht. Ich denke, wir sollten stets im Auge behalten, was er gesagt hat, z. B. in einem wichtigen Interview mit der „Financial Times“. Hier äußerte er sich dahingehend, dass er mehr Rechtsstaatlichkeit in Russland und eine weitergehende Modernisierung der Wirtschaft Russlands wünsche. Natürlich werden wir ihn nach seinen Taten beurteilen.
Zu Beginn ist mit Sicherheit eine starke Kontinuität der russischen Politik zu erwarten. Aber der neue Präsident hat sein Engagement für Rechtsstaatlichkeit und Modernisierung der russischen Wirtschaft betont. Ich denke, wir sollten ihn ermutigen, dass er seine Worte in deutliche Taten umsetzt, und diese Taten sollten bald erfolgen.
Wenn wir unsere mit Russland gemeinsamen Interessen verfolgen, sollten wir stets Klarheit und Festigkeit in Fragen der Demokratie und Menschenrechte an den Tag legen. Wir werden Russland weiterhin an die Verpflichtungen erinnern, die wir beiderseits eingegangen sind, beispielsweise und insbesondere über den Europarat und die OSZE.
Bei internationalen Herausforderungen ist Russland oft ein enger Partner, z. B. als Mitglied des Nahost-Quartetts, das höchstwahrscheinlich nächste Woche in Berlin zusammenkommen wird. Aber wir müssen auch, wie unser Kollege sagte, darauf bestehen, dass Russland mit seinen anderen Nachbarn eine positive Agenda verfolgt. Wir sind in der Tat besorgt, dass die kürzlich erfolgten Schritte Russlands in Georgien die Stabilität in der Region gefährden könnten. Daher habe ich während meines Besuchs in Moskau vor etwa zehn Tagen ein ausführliches Gespräch mit Außenminister Lawrow geführt, in dem dieser wichtige Punkt zur Sprache kam.
Wir sollten mit Russland schrittweise einen ständigen, nicht konfrontativen Dialog auf hoher Ebene einrichten, bei dem es um alle Aspekte der Konfliktlösung, einschließlich Friedenserhaltung und Friedensmechanismen geht. Denn Russland bleibt eindeutig ein wichtiger Akteur bei jeglichen Friedensbemühungen in den festgefahrenen Konfliktsituationen
Andererseits ist Tiflis natürlich ernsthaft besorgt um seine territoriale Integrität, und bei den Gipfelgesprächen über die festgefahrenen Konflikte werden wir mit Sicherheit deutlich hervorheben, dass die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens und der Ukraine respektiert werden müssen. Ich denke allerdings, dass wir auch pragmatisch und realistisch sein müssen und vonseiten Georgiens einen integrativen Ansatz brauchen.
Tatsächlich dränge ich bei meinen regulären Kontakten mit Georgien und Russland darauf, pragmatisch vorzugehen und aufzuhören, sich gegenseitig ausschließende Bedingungen zu stellen: Diese führen nicht weiter.
Lassen Sie mich abschließend noch darauf hinweisen, dass das EU-Russland-Gipfeltreffen eine Chance ist, konstruktive Beziehungen mit der neuen Regierung aufzunehmen, unsere Werte zu verteidigen und unsere gemeinsamen Interessen zu fördern. Ich freue mich auf Ihre Beiträge und Diskussionen hier im Parlament.
(Beifall)
Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die europäisch-russischen Beziehungen gehören zu den wichtigsten Aufgaben der EU. Innerhalb des Parlaments geht die Meinung darüber weit auseinander, ob es besser ist, im Umgang mit Russland unter seinem neuen Präsidenten Medwedew – dessen Name im Russischen recht passend „Bär“ bedeutet – die Peitsche zu schwingen und auf Konfrontation mit dem Bären zu gehen oder mit sanfter Stimme eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche zu verfolgen.
Nichtsdestoweniger müssen wir, was seine hilfreichen Kommentare zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und zur Korruptionsbekämpfung angeht, im Zweifelsfall zu seinen Gunsten entscheiden – angesichts des stärkeren Engagements der EU in der strategischen Partnerschaft und des neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit dem Land, das immer noch das weltweit größte ist und jetzt aufgrund seiner von fossilen Brennstoffen getragenen Billionen-Dollar-Wirtschaft ein neuerliches Selbstvertrauen ausstrahlt.
Zu den Prioritäten des Gipfeltreffens muss das Thema Sicherheit im Energiebereich gehören – Russland muss ein verlässlicher Handelspartner für Erdöl und Erdgas sein. In Anbetracht des bevorstehenden Beitritts Russlands zur Welthandelsorganisation ist Rechtssicherheit für westliche Rohstoffunternehmen hinsichtlich ihrer ausländischen Direktinvestitionen in Russland ein weiterer wichtiger Punkt.
Russland muss dahingehend unter Druck gesetzt werden, dass es die Souveränität und territoriale Integrität seiner unmittelbaren Nachbarn respektiert und dass es in der UNO zur Lösung von Problemen im Nahen Osten und in der Frage der Nuklearrüstung im Iran und in Nordkorea beiträgt.
Russland spielt eine Schlüsselrolle in den westlichen Balkanstaaten, einschließlich bei der Lösung der Kosovo-Frage. Es sollte eine Erweiterung der NATO um die Ukraine und Georgien nicht fürchten und könnte sogar helfen, das repressive politische Klima im Nachbarstaat Belarus zu verbessern.
Beim Gipfeltreffen in Khanty-Mansiysk gibt es viel zu besprechen. Es ist zu hoffen, dass das neue Doppelgespann Putin-Medwedew im Geiste echter Gesprächsbereitschaft mit der europäischen Union kommt und nicht in der Hoffnung, dass das „Nein“ der Iren das Ende der gemeinsamen Haltung der 27 Mitgliedstaaten gegenüber Russland bedeutet.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte auf die Äußerungen des amtierenden Ratspräsidenten und der Kommissarin eingehen. Auch wir hoffen, dass mit dem neuen Präsidenten Russlands und dem endlich erteilten Verhandlungsmandat für ein neues Abkommen mit Russland jetzt eine positivere Phase der Zusammenarbeit mit Russland beginnt.
In den vergangenen zehn Jahren sind die gegenseitigen Abhängigkeiten der Europäischen Union und Russlands enorm gewachsen. Aus diesem Grund halte ich es für gut, mit Russland auf der Grundlage eines klaren Mandats zusammenzuarbeiten, um konkret festzulegen, an welchen Aufgaben in den vier gemeinsamen Räumen – gemäß unserer in den vergangenen Jahren entwickelten Vorstellungen – wir arbeiten möchten. Natürlich sind wir auch daran interessiert, die neuen Möglichkeiten unserer Partnerschaft auf internationalen Gebieten fortzusetzen und möglicherweise auszubauen.
Außerdem müssen wir an der Schaffung eines sicheren und transparenten Rahmenwerks für unsere Beziehungen im Energiebereich arbeiten, selbstverständlich einschließlich des Handels, aber auch an der Verbesserung des Investitionsklimas in Russland. Hier könnten die Aufnahme und der Beitritt in die Welthandelsorganisation sehr nützlich sein.
Ich denke ferner, dass wir zusammenarbeiten müssen, damit wir in der Lage sind, an den Problemen in der gemeinsamen Nachbarschaft zu arbeiten. Wir haben bereits über Transnistrien und den Kaukasus gesprochen, aber wir müssen auch Wege finden, in naher Zukunft zu einem Kompromiss in der Kosovo-Frage zu kommen.
Außerdem müssen wir notwendige und effektive Mechanismen schaffen, um mit Menschenrechtsverletzungen umzugehen und – um es positiver auszudrücken – um die Rechtsstaatlichkeit in Russland zu fördern.
Lassen Sie mich zwei abschließende Bemerkungen machen. Ich möchte hervorheben, dass es für den Erfolg dieser Verhandlungen von unserer Seite wichtig ist, dass wir mit einer Stimme sprechen, so wie wir es bereits oft getan haben. Außerdem möchte ich nochmals betonen, dass wir pragmatisch bleiben müssen. Unser Einfluss ist begrenzt: Russland ist kein Bewerberland, es möchte nicht Mitglied der Europäischen Union werden, es folgt seinem eigenen Kurs. Es möchte kooperieren, es möchte sich nicht integrieren. Ich denke, das sollten wir bei unseren Gesprächen und Verhandlungen in den kommenden Jahren berücksichtigen.
Janusz Onyszkiewicz, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Auf dem bevorstehenden EU-Russland-Gipfel werden die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten erstmalig mit den nach den jüngsten Wahlen neu besetzten russischen Behörden zusammentreffen. Somit bietet der Gipfel die ausgezeichnete Gelegenheit, Näheres über die Orientierung der russischen Politik und ihre mögliche Umsetzung zu erfahren.
Einige Informationen darüber, in welche Richtung diese Politik gehen könnte, sind aus der Rede von Präsident Medwedew in Berlin zu entnehmen. Sie enthält eine Reihe hoffnungsvoller Hinweise auf die Korruptionsbekämpfung und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Allerdings hat Präsident Putin, Herrn Medwedews Vorgänger, bei seinem Amtsantritt im Wesentlichen das Gleiche verkündet; wir alle wissen aber, wie sich die Dinge entwickelt haben und wie die derzeitige Situation ausschaut. Die Rede lässt aber auch eine Sicht auf die Welt erkennen, die sich leider von dem unterscheidet, was wir uns erhofft hatten. In dem von Herrn Medwedew dargelegten Konzept reduziert sich die Rolle der Europäischen Union oder genauer, ihrer Mitgliedstaaten, auf die reiner Wirtschaftspartner Russlands, während es politisches Handeln in einem wesentlich breiter gefassten Areal von Vancouver bis Wladiwostok vorsieht.
Erwähnt werden sollte auch ein zweiter Aspekt. Es handelt sich hierbei um eine ganz spezielle, aber sehr dringliche Angelegenheit, und zwar geht es um die Beziehungen zwischen Russland und Georgien. Gemäß einer Vereinbarung von 1994 sind russische Truppen mit dem Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, dem Zusammenschluss ehemaliger Sowjetrepubliken, in Abchasien stationiert. Abchasien gehört zu Georgien. Es gibt ausreichend Hinweise darauf, dass diese Truppen keine friedenserhaltende Rolle spielen und sie in der Tat eine Konfliktpartei in den Auseinandersetzungen zwischen abchasischen Separatisten und der Regierung Georgiens sind, was der Abschuss eines unbemannten georgischen Flugzeugs durch ein russisches zeigt. Auf einen unlängst erfolgten einseitigen Beschluss der russischen Behörden werden diese Kräfte erheblich verstärkt.
Die Situation wäre eine andere, würde die Europäische Union als eine vertrauenswürdige und zuverlässige Institution in die Lösung dieses Konflikts einbezogen.
Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich bin etwas irritiert darüber, dass in den Präsentationen der Verhandlungen, der bevorstehenden Gespräche, nicht stärker darauf eingegangen worden ist, dass Europa bei diesen meiner Meinung nach ziemlich entscheidenden Gesprächen mit dem neu gewählten Präsidenten Medwedew zu vielen Themen ja gar nicht einstimmig oder geeint auftreten kann. Das gilt als erstes für den gesamten Bereich der Energiepolitik. Es ist ein großes Problem, dass wir zwar viel über die Abhängigkeit von Importen von sowohl Gas als auch Öl aus Russland diskutieren, dass wir aber überhaupt nicht wirklich zu einer gemeinsamen Strategie bei diesen Importen kommen, sondern dass nach wie vor die großen Mitgliedstaaten, einzelne Mitgliedstaaten, ihre eigenen Strategien verfolgen und es bisher überhaupt noch nicht zu einer wirklich gemeinsamen europäischen Strategie zur Versorgungssicherheit – was die Verträge mit Russland angeht –gekommen ist.
Dasselbe gilt in einem anderen, sehr sensiblen Themenbereich. Ich finde es ganz gut, dass außer dem Thema Georgien jetzt auch noch die Einzelkonflikte angesprochen worden sind, dass wir, wenn wir Georgien sagen, auch von Abchasien und Ossetien sprechen. Mir fehlt in der Einleitung von Rat und Kommission einfach eine Aussage dazu, wie man nach der Entscheidung zum Kosovo jetzt über diese so genannten frozen conflicts mit Russland verhandeln will. Wir als Parlament sollten darüber etwas mehr wissen, und als Mitglied der Delegation, die zuletzt in Moskau war, hätte ich das sehr große Interesse, dass Sie für die Nichtregierungsorganisationen in Russland, die sehr unter einem furchtbaren Gesetz leiden, etwas tun und das auch bei Ihren Gesprächen zum Thema machen.
Adam Bielan, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Seit geraumer Zeit stellen wir fest, dass das russische Unternehmen Gazprom eine Besorgnis erregende Vorliebe für ehemalige Führungspersönlichkeiten der Europäischen Union hat. Das beste Beispiel dafür ist der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schröder. Erst unterzeichnete Herr Schröder eine Vereinbarung mit Russland über den Bau der Nord-Stream-Gaspipeline, und dann übernahm er eine Funktion im Aufsichtsrat des Unternehmens. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich im südlichen Europa in Verbindung mit dem nächsten Projekt von Gazprom, der South-Stream-Gasleitung, ab. Ich weise darauf hin, dass kein westliches Energieunternehmen so eng mit seinem Staat verbunden ist wie Gazprom mit dem Kreml. Die Pläne des Unternehmens sind nichts anderes als eiskaltes politisches Kalkül. Die sonst üblichen Marktgrundsätze finden in diesem Fall schlicht und einfach keine Anwendung.
Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union dies erkennt und verhindert, dass ein vom Staat unterstütztes Unternehmen Gaspipelines nutzt, um politischen Druck auszuüben. Die Kontrolle Russlands über den Energiesektor wird unweigerlich zu einem weiteren Anstieg der Energiekosten in Europa führen. Ferner wird es Russland gelingen, als Gegenleistung für die Gas- und Öllieferungen noch größere politische Zugeständnisse zu erzwingen.
Selbstverständlich muss sich die Europäische Union um gute Beziehungen zu Russland bemühen. Um dabei Erfolg zu haben, muss sie jedoch Einigkeit zeigen, und daran fehlt es uns momentan. Ich hoffe sehr, dass der bevorstehende EU-Russland-Gipfel genutzt wird, um die Solidarität der Europäischen Union angesichts der hegemonistischen Bestrebungen Russlands im Energiesektor unter Beweis zu stellen.
Vladimír Remek, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Hindernisse, mit denen einige Mitgliedstaaten die Aufnahme der Gespräche mit Russland über das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen blockiert haben, endlich überwunden werden konnten. Nach 18 Monaten hat die Kommission letztlich am Vorabend des Gipfels das Verhandlungsmandat erhalten. Das kann für beide Seiten von Nutzen sein, aber wir sollten nicht zu optimistisch sein. Wenn wir so vielschichtige Probleme wie die Zusammenarbeit im Energiesektor, den Klimawandel oder Sicherheitsfragen aus fest verschanzten Positionen heraus verhandeln, aus denen wir uns gegenseitig lauthals mit den unterschiedlichsten, oft unrealisierbaren, praktisch ultimativen Forderungen angreifen, erreichen wir überhaupt nichts. Es gibt unter uns aber immer noch einige, die das nicht begreifen. Dann kommt es wie beim Schach zu einer Pattsituation. Wir brauchen aber eine neue, dem 21. Jahrhundert angemessene Ebene der Beziehungen, und die Chance dafür ist gegeben. Wenn wir sie ergreifen, dient das meines Erachtens den Interessen der Bürger der Europäischen Union am meisten.
Bernard Wojciechowski, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Churchill sagte einmal, dass Russland ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium, sei. Die Europäische Union ist sich einig, was sie von Russland will. Die Frage lautet: „Wie schnell?“
Die Energiepolitik macht Deutschland blind für die Forderungen Polens und Litauens. Nord Stream oder Depal – es sieht so aus, als führten alle Pipelines von Russland über die Staatschefs mitteleuropäischer Länder. „Diese Pipelines sind kein Hirngespinst“, wie Gorbatschow, der Mann der Perestroika, sagte. In „The Economist“ heißt es, die Ostsee-Pipeline sei im Geheimen konzipiert worden. Daher erscheinen die Forderungen Litauens nach eindeutigeren Bestimmungen im Energiebereich relevant. Viele Eurokraten schäumten vor Wut darüber, um die Wahrnehmung dieser Länder als neurotische postkommunistische Staaten zu stärken.
Andererseits droht der deutsche Wirtschaftsminister, dass sein Land sich keine Entscheidungen der EU Kommission, die in Brüsseler Hinterzimmern getroffen werden, aufzwingen lässt. Ich vermute, damit meinte er definitiv nicht die Menschenrechte.
Die von Polen und Schweden initiierte „Östliche Partnerschaft“ mag sensationell sein. Mut ist gut, Verstand jedoch besser.
Die Partnerschaft zwischen der EU und Russland weckt Unbehagen. Sie wäre erfolglos ohne Polen, das an Land, zu Wasser und in der Luft an Russland grenzt, und sein natürlicher Nachbar ist. Dies ist ein Aspekt, den alle Seiten selbstverständlich berücksichtigen müssen, insbesondere heute, da der Vertrag von Lissabon auseinandergebrochen ist und seine herunterfallenden Einzelteile alles zerstören könnten, was im Wege steht. Gute Entschließungen sind nutzlose Versuche, wenn sie souveränen Nationen in die Quere kommen.
„Vielleicht existiert ein Schlüssel zu Russland. Und das sind seine nationalen Interessen“ waren Churchills ungefähre Worte. Die Meinung, dass „nichts in Russland unmöglich ist außer Reformen“ scheint nicht länger zuzutreffen. Welcher Ansatz auch immer verfolgt wird – die EU muss mit Russland kooperieren und umgekehrt.
Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie mein Vorredner Herr Wojciechowski sagte, sind die Beziehungen zu Russland außerordentlich heikel und zwiespältig. Ich verstehe das Verhalten unserer Parlamentsmitglieder aus Mittel- und Osteuropa und insbesondere aus den baltischen Staaten, die unter der russischen Herrschaft in Form der sowjetischen Kontrolle und eines erbarmungslosen Unterdrückungssystems, das heute glücklicherweise nicht mehr existiert, schwer zu leiden hatten. Meines Erachtens sollte die Gelegenheit genutzt werden, um freundschaftlichere Beziehungen zu dem großen russischen Volk herzustellen, das unbestreitbar ein europäisches Volk und derzeit in gewissem Maße auch Wachposten Europas ist. denn Russland ist mit den gleichen Problemen wie wir konfrontiert – es sieht sich den Problemen der sinkenden Geburtenraten gegenüber, und der enorme Raum, den Sibirien darstellt, könnte auf die anderthalb Milliarden Chinesen, die der Ansicht sind, dass ihnen ein Teil ihres Territoriums weggenommen wurde, sehr anziehend wirken.
Meiner Ansicht nach haben auch wir die Missverständnisse, die mit Russland bestehen oder nach wie vor bestehen können und von denen wir hoffen, dass sie auf dem Gipfeltreffen vom 14. November ausgeräumt werden, teilweise mit zu verantworten. Wir haben unseren Karren an den der US-amerikanischen Politik gespannt, wir sind – und hier spreche ich für Frankreich – in die Organisation des Nordatlantikvertrags, die NATO, zurückgekehrt, die eine Antwort auf den Warschauer Pakt war. Nun, da der Warschauer Pakt verschwunden ist, bin ich der Meinung, dass Russland zu Recht Misstrauen hinsichtlich unserer Absichten hegt, und ich wünschte, dass diese Missverständnisse auf beiden Seiten abgebaut werden.
Elmar Brok (PPE-DE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Nachdem einige Kolleginnen und Kollegen, die gegen den Vertrag von Lissabon sind, eine einheitliche Politik gegenüber Russland eingefordert haben, möchte ich Sie daran erinnern, dass in Moskau nach dem Votum in Irland Champagnerflaschen geöffnet worden sind, weil die Schwäche Europas dadurch erneut unter Beweis gestellt wurde und sie wieder mit einzelnen Ländern allein fortfahren können.
Ich bin froh darüber, dass jetzt das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ausgehandelt werden kann, in dem wir eben die kritischen Fragen wie Energiesicherheit, für die wir erst durch den Vertrag von Lissabon die Kompetenz bekommen werden, wie auch Fragen der Menschenrechte behandeln können.
Ich bin sicher, dass die slowenische Ratspräsidentschaft bei dem Gipfel genauso wie Bundeskanzlerin Merkel europäische Interessen vertreten wird und auch Frau Merkel in Sotschi für Menschenrechte und die politischen Interessen eintreten wird. Ich glaube, dass dies gelingt, und wir müssen Herrn Medwedew daran erinnern, was er gesagt hat, nämlich dass ein Staat an der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemessen wird. Und was er gesagt hat, sollten wir ernst nehmen.
Wir sollten aber auch deutlich machen, dass wir gemeinsame Interessen mit Russland haben, nicht nur in Energiefragen, wo wir Sicherheit zustande bringen müssen. Russland ist nämlich Mitglied des Sicherheitsrates. Wie können wir die Verbreitung der Massenvernichtungswaffen stoppen, wenn wir nicht das Sicherheitsratmitglied Russland an unsere Seite kriegen, etwa in der Iran-Frage, im Nahen Osten und manchen anderen Bereichen? Deswegen sollten wir das klar machen. Aber gleichzeitig darf Russland über Gasprom nicht zu viel Macht bekommen. Da müssen sie sich genauso der Wettbewerbskontrolle unterwerfen!
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung: Wenn wir mit Russland gemeinsame Interessen im Rahmen einer strategischen Partnerschaft anstreben, muss klar sein, dass es Politik von Near Abroad und Einflusszonen nicht mehr geben kann. In einem Europa der unabhängigen Staaten muss jedes Land nach dem Abkommen von Helsinki das Recht haben, einem Bündnis beizutreten oder nicht. Kein anderes Land hat ein Vetorecht gegen eine unabhängige Entscheidung eines anderen Staates in Europa. Auch dies muss klargemacht werden.
Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident! Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, die aus Ländern kommen, die mit der Sowjetunion eine schlechte Erfahrung hatten. Die Frau Kommissarin und ich kommen aus einem Land, das sowohl schlechte als auch gute Erfahrungen mit der früheren Sowjetunion hatte. Das Russland von heute erinnert in manchen Dingen an die Vergangenheit der Sowjetunion, aber es ist auch ein neues Russland, und es hat ein neues Potential.
Es gilt nun, mit aller Kraft daran zu arbeiten, dass wir eben ein neues Russland bekommen, das nicht mehr an diese Vergangenheit der Sowjetunion erinnert. Dazu bedarf es zweier Dinge: einer klaren, eindeutigen Haltung und der Dialogbereitschaft mit diesem neuen Russland. Ob es um das Kosovo-Problem geht: Wir haben eine andere Haltung als Russland, aber dennoch müssen wir mit Russland darüber reden, um die Probleme lösen zu können. Ob es um die Nachbarschaft geht: Wir haben ein anderes Angebot an die Nachbarschaftsländer. Russland hat oft noch immer dieses imperialistische Gehabe gegenüber den Nachbarschaftsländern.
Wenn wir den Ländern helfen wollen, dann müssen wir zum Beispiel Georgien und alle anderen Länder klar unterstützen, aber gleichzeitig auch mit Russland darüber reden, wie wir zu einer friedlichen Lösung der Konflikte kommen – ob es nun um Abchasien oder um Südossetien geht.
Was die Energiefragen betrifft, müssen wir schauen, dass wir eigene Ressourcen bekommen, dass wir zum Beispiel eine Nabucco-Pipeline bekommen, damit wir auch in einer stärkeren Verhandlungsposition gegenüber Russland sind. Dennoch müssen wir mit Russland bezüglich Energie- und anderer Fragen verhandeln. Daher schließen meine Fraktion und ich nicht aus, dass wir beides brauchen – eine klare, eindeutige Haltung und eine eigenständige Politik – und trotzdem aus dieser starken Haltung heraus Verhandlungen und Gespräche mit Russland. Ich hoffe, dass wir da zum Ziel kommen.
VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident
Henrik Lax (ALDE). – (SV) Die Energiefrage wird eine wichtige Rolle auf dem Gipfel spielen. Die EU braucht Gas von Russland, und Russland braucht die Exporteinnahmen aus Europa. Das Gipfeltreffen kann ausschlaggebend für die Entscheidung darüber werden, ob die von Russland nach Deutschland durch die Ostsee führende Nord-Stream-Gaspipeline Wirklichkeit wird.
Dieses Projekt kann das empfindliche Ökosystem der Ostsee ernsthaft gefährden, aber die größte Gefahr für das Projekt geht von dem Mangel an Vertrauen zwischen Russland und den Ostsee-Anrainerstaaten aus. Wenn die Gaspipeline verwirklicht werden soll, sind deutliche vertrauensbildende Maßnahmen von zwei Seiten, von Russland und von Deutschland, erforderlich. Russland muss unter anderem das Übereinkommen von Espoo ratifizieren, das die Aufgabenverteilung bei transnationalen Projekten regelt, die voraussichtlich erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen in Nachbarländern haben. Ferner muss Russland das Gerede über die Beteiligung der russischen Marine und seines Militärs beim Bau der Pipeline beenden. Dafür wird es keine Zustimmung erhalten, zumindest nicht in Finnlands Territorialgewässern. Deutschland seinerseits muss zunächst einmal anerkennen, dass dieses Projekt alle EU-Mitgliedstaaten im Ostseeraum betrifft und eine gemeinsame EU-Angelegenheit ist. Außerdem muss Deutschland Solidarität mit Polen und den drei baltischen Staaten zeigen und diese davon überzeugen, dass sie aufgrund des Projekts nicht in ihrer Energieversorgung diskriminiert werden. Deutschland muss die von uns diskutierte Entschließung respektieren, in der die Europäische Union aufgefordert wird, bei bedeutenden Energie-Infrastrukturprojekten Russland gegenüber mit einer Stimme aufzutreten. Die Gaspipeline darf den europäischen Binnenmarkt nicht aufs Spiel setzen. Die Regeln für den Energiehandel auf dem Binnenmarkt müssen von der EU und nicht von der russischen Firma Gazprom aufgestellt werden.
Ģirts Valdis Kristovskis (UEN). – (LV) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Kommissarin Ferrero-Waldner verleitet uns zu der Annahme, die Entschließung des Parlaments sei ein vorzügliches Beispiel für politische Korrektheit, vielleicht sogar so etwas wie eine Verbeugung vor Russlands neuem Präsidenten Medwedew. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Ministerpräsident Putin, dass der Präsident und Herr Putin ein und dieselbe Person sind und dass seine Politik unter dem Motto „Teile und herrsche“ direkt gegen die Mitgliedstaaten der EU gerichtet ist. Unter diesen Umständen ist ein Erfolg des Partnerschaftsabkommens sehr wichtig. Die Europäische Union darf keine Schwächen zeigen. In den Gesprächen muss sie die Einheit der Mitgliedstaaten und ihre Solidarität als Macht unter Beweis stellen. Sie muss die bisher von Russland an den Tag gelegte Unbeständigkeit überwinden, den Binnenmarkt sowie den freien Zugang zur Infrastruktur und zu Investitionen in Russland fördern und Russland auffordern, die Vorgaben der Welthandelsorganisation einzuhalten. Wir müssen bei strategischen Fragen den einheitlichen Standpunkt der Europäischen Union gegenüber undemokratischen Regimen stärken. Die Europäische Union muss beweisen, dass sie auch weiterhin eine Hochburg von Demokratie und gemeinsamen Werten bleibt.
Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Das Treffen zwischen den Vertretern der Europäischen Union und Russlands in Sibirien sollte ein Treffen unter Freunden sein, die sich um echte Verständigung bemühen. Wenn wir eine Verbesserung der Beziehungen erreichen wollen, müssen wir unseren Partner auch ernst nehmen. Ich habe gehört, wie in diesem Haus gesagt wurde, dass die Europäische Union Russland die Regeln der Demokratie lehren sollte. Gleichwohl ist auch in Brüssel ein Demokratiedefizit zu verzeichnen. So habe ich ebenso vernommen, dass die Ergebnisse des Referendums in Irland in diesem unserem Hohen Haus in Frage gestellt wurden.
Auch haben Abgeordnete in diesem Parlament ihre Besorgnis über die Situation in Georgien geäußert. Ist das nicht Heuchelei höchsten Grades? Heute verletzen wir die territoriale Integrität Serbiens durch die Anerkennung des Kosovo, und morgen wird den Menschen in Abchasien die Chance der Unabhängigkeit verwehrt und ihnen zu verstehen gegeben, dass für ihr Land andere Regeln gelten. Meine Damen und Herren, Sie müssen verstehen, es war Stalin, der Abchasien die nationale Identität nahm und das Land Georgien einverleibte. Wir können uns heute nicht mit einer Welt befassen, für die uns das Verständnis fehlt. Ich meine, wenn wir uns mit den Russen befassen, müssen wir nicht nur ihre Geschichte verstehen, sondern auch ihre Mentalität. Russland wird heute ohne jeden Zweifel gut regiert. Das Leben verbessert sich für das russische Volk, und Russland entwickelt sich zu einem demokratischen Land. Es gibt nichts, was den belehrenden Ton der Beamten der Europäischen Union rechtfertigen könnte. Das ruft in Moskau nur ein irritiertes Lächeln hervor.
Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Frau Kommissarin! Nur durch die Kommunikation miteinander vermeidet man Missverständnisse. Intensive gemeinsame Gespräche werden jetzt stattfinden, da wir mit dem Start der Verhandlungen über das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen in den Dialog mit der russischen Föderation treten. Es ist begrüßenswert, dass die Unterhandlungen nun beginnen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich sowohl in Russland als auch in der Europäischen Union unglaublich viel verändert, aber unsere gegenseitige Abhängigkeit ist größer als je zuvor. Aus diesem Grund sind sinnvolle verbindliche Vereinbarungen zu Energiefragen, aber auch über den Klimawandel für beide Seiten notwendig. Herr Präsident! Im Rahmen dieser Vereinbarungen dürfen wir einige wichtige Grundsatzfragen nicht übersehen. Wenngleich manche Kolleginnen und Kollegen vielleicht Zweifel hegen, müssen wir uns gerade jetzt für gemeinsame Werte wie die Stärkung des Rechtsstaates, Korruptionsbekämpfung und die Hervorhebung der Bedeutung einer unabhängigen Sozialdebatte in Russland einsetzen.
Herr Präsident! Die Verhandlungen werden nicht einfach sein. Ein neues Abkommen muss meiner Ansicht nach keine Enzyklopädie werden, allerdings müssen darin mehrere grundlegende Elemente für beide Parteien verbindlich festgeschrieben werden.
Herr Präsident! Wir können nicht warten, bis die Einigung auf dem Tisch ist, weil in einigen anderen Punkten positive Signale aus dem Kreml kommen müssen. Bestimmte Entwicklungen beunruhigen mich zutiefst: Tschetschenien, der Fall TNK vs. BP und Abchasien. Ich würde gern vom Herrn Präsidenten wissen, was genau er mit „gemeinsamem Vorgehen“ gemeint hat.
Kristian Vigenin (PSE). – (BG) Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich sagen, dass sich die Welt stark verändert hat und die gegensätzlichen Blöcke der Vergangenheit angehören. Auch Russland hat sich sehr verändert. Russland im Juni 2008 unterscheidet sich z. B. stark von Russland im Juni 2000. Die Europäische Union steht vor der Herausforderung, eine neue, bisher beispiellose Art von Beziehungen auf- und auszubauen. Dabei müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass uns wesentlich mehr vereint als trennt. Es gibt viele Probleme, die wir nur gemeinsam mit Russland lösen können. Das betrifft globale Fragen wie Klimawandel, Kampf gegen Hunger, Pandemien und Terror. Es betrifft aber auch Themen regionalen Charakters, weil sie enorme Bedeutung für die Europäische Union haben: Energiesicherheit, Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, Beziehungen zu den gemeinsamen Nachbarn. Natürlich gibt es auch Dinge, die uns trennen: Menschenrechte, Meinungsfreiheit und unser Verständnis von Demokratie und demokratischen Systemen. Dennoch müssen wir pragmatisch denken und sollten beim Dialog nicht auf Konfrontation setzen, sondern unsere gemeinsamen Ziele im Auge haben.
Natürlich ist in den letzten Jahren Misstrauen aufgekommen, aber nun haben wir die Gelegenheit, mit dem neuen Kreml-Chef in Dialog zu treten. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Rolle Russlands auf dem westlichen Balkan lenken. Ich glaube, wir brauchen einen sehr aktiven Dialog, um Russland in die Lösung der Probleme in der Region einzubinden und davon zu überzeugen, die Bemühungen der Europäischen Union um langfristige Stabilität, einschließlich der EULEX-Mission im Kosovo, zu unterstützen. Ich wünsche mir, dass man sich auf dem kommenden Gipfel auch mit der Rolle Russlands in der Schwarzmeerregion auseinandersetzt und dabei betont wird, dass es an uns liegt, ob in der Politik das Motto „Teile und herrsche“ gilt oder nicht.
István Szent-Iványi (ALDE). – (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin! In seiner Antrittsrede hat Präsident Medwedew seine Loyalität gegenüber der Demokratie bekräftigt, indem er sagte, dass er die Wiederherstellung des Rechtsstaatsprinzips als seine erste Pflicht betrachte. Wenn das nicht nur leere Worte sind und er dieses Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen kann, dann besteht eine reelle Chance für eine maßgebliche Verbesserung der Beziehungen zu Russland. Unsere Erwartungen sind zwar bescheiden, aber wir sind offen und optimistisch. Es ist in unserem grundlegenden Interesse, in Russland einen festen und verlässlichen Partner bei der Lösung von festgefahrenen Konflikten und bei der Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen zu haben. Wir betrachten Russland als Partner, aber Russland muss sich ebenfalls entscheiden, ob es die EU als Partner betrachtet oder als eine Gruppe von Rivalen, die gegeneinander aufgehetzt und gegeneinander ausgespielt werden können. Wir begrüßen den Plan eines neuen Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Russland. Dieses sollte auf Energiefragen ausgedehnt werden und darüber hinaus die Grundsätze der Energiecharta enthalten. Europa muss eine entschlossene und geeinte Haltung bei den Verhandlungen einnehmen, wenn es echte Ergebnisse erzielen will.
Ich halte es für ein positives Zeichen, dass der Gipfel in Khanty-Mansiysk stattfindet. Der Weltkongress der finno-ugrischen Völker soll parallel dazu ebenfalls dort stattfinden. Ich hoffe, dass es sich hierbei nicht nur um eine einmalige Geste Russlands gegenüber den finno-ugrischen Völkern handelt, sondern dass die Russen ernsthaft daran interessiert sind, die Situation zu verbessern und die Rechte der finno-ugrischen Völker zu garantieren. An dieser Stelle möchte ich Sie, Frau Kommissarin Ferrero-Waldner, und die Kommission bitten, die Umsetzung der so genannten vorbereitenden Maßnahme zur Unterstützung der finno-ugrischen Völker zu beschleunigen, da wir den Eindruck haben, dass die Defizite in diesem Bereich enorm sind. Ich danke Ihnen.
Inese Vaidere (UEN). – (LV) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der russische Außenminister hat eine umfassende Strategie entwickelt, um mit Hilfe seiner Landsleute in der Europäischen Union, insbesondere in den baltischen Staaten, Russlands politischen und ökonomischen Einfluss zu steigern. Präsident Medwedew hat gerade ein Dekret unterzeichnet, dass die Einreisevisa nach Russland für alle „Nicht-Bürger“ Lettlands und Estlands abgeschafft werden und diese damit praktisch als russische Staatsbürger anerkannt werden. Damit werden diesen „Nicht-Bürgern“, die, um die Staatsbürgerschaft zu erlangen, nur ein wenig die Landessprache erlernen müssen, weit mehr Privilegien gewährt als unseren Staatsbürgern, und es gibt keinen Anreiz mehr, sich um die Staatsbürgerschaft zu bemühen. Dieses Gesetz – wie auch die Forderung, ihnen das Wahlrecht bei Kommunalwahlen zu geben – ist ein echtes Hindernis für die Integration der „Nicht-Bürger“. Russlands „verwaltete Demokratie“ hat weitere Einschränkungen der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit angekündigt. Russlands wahre Demokraten haben uns mehrmals um Unterstützung gebeten, sowohl durch Anfragen beim Unterausschuss für Menschenrechte als auch während des Besuchs in Moskau. Der geplante Pragmatismus der Entschließung lässt uns aber unsere Grundsätze vergessen, auch wenn das gesamte Wirtschaftswachstum in Russland eigentlich auf unseren Zahlungen für die Energieressourcen beruht.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Meine Damen und Herren! Die Europäische Union, und damit meine ich den Rat, sollte klar und deutlich darlegen, wie sie sich ihre Beziehungen zu Russland vorstellt. Es muss klar sein, ob die einzelnen Mitgliedstaaten getrennt verhandeln, zum Beispiel über Gaslieferungen, den Kosovo, Meinungsfreiheit und Menschenrechte, oder ob eine Chance besteht, einen Konsens, wenigstens auf grundsätzlicher Ebene, über einige gemeinsame Interessen zu erzielen. Ich denke, es ist im Interesse der Bürger, wenn die Union gegenüber Russland mit einer Stimme spricht, was leider nicht geschieht. Wir sollten auf die Schaffung eines stabileren unternehmerischen und politischen Klimas in Russland drängen, das weniger Importhindernisse beinhaltet und mehr Raum für Investoren aus der Union schafft. Die Mitgliedschaft Russlands in der Welthandelsorganisation kann dazu sicherlich beitragen. Natürlich müssen wir alle im Rahmen einer solchen Partnerschaft mit Nachdruck die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten einfordern. Die Union als starke Gemeinschaft und Russland als Supermacht sollten aufhören, sich wie zwei Städte zu verhalten, die nur durch eine enge Straße und eine Gaspipeline miteinander verbunden sind. Sie müssen beide eine stärkere wirtschaftliche Integration anstreben, und ihre Partnerschaft sollte eine Zweckehe, kein Bund der Liebe sein.
Tunne Kelam (PPE-DE) . – (EN) Herr Präsident! Wenn die EU die Äußerungen von Präsident Medwedew über die Bedeutung von Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit begrüßt, sollte sie absolut klarstellen, dass die Glaubwürdigkeit dieser Äußerungen nur daran gemessen werden kann, inwiefern vor allem die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte respektiert und welche Beiträge hier zu Reformen geleistet werden.
Der wichtigste Ausgangspunkt für bessere Beziehungen ist Einigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten. Wir heben insbesondere die Notwendigkeit hervor, die Priorität nicht auf mögliche kurzfristige Vorteile bilateraler Abkommen zu einzelnen Fragen, sondern auf die langfristigen Vorteile einer gemeinsamen Position zu legen.
Diese Priorität trifft insbesondere auf die Bereiche Wirtschaft und Energie zu. Hier sind die Grundsätze der Transparenz und Gegenseitigkeit, aber auch der jeweilige Zugang zu Märkten sowie Infrastrukturen und Investitionen als Basis für eine langfristige Kooperation unabdingbar.
Reino Paasilinna (PSE). – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar! Vor mir liegt eine Studie über russische Geschäftsleute aus diesem Jahr. Überraschenderweise haben diese ähnliche Gedanken wie wir. Was für ein Russland wünschen sie sich bis zum Jahr 2020? Fünfzig bis siebzig Prozent von ihnen wollen, dass die Russen frei, zweitens gut ausgebildet, drittens integriert, viertens gesetzestreu und fünftens gesund sind. Das alles sind keinesfalls schlechte Absichten. Lediglich 30 % der befragten Unternehmer hoffen, dass sie dann auch reich sind. Es geht also nicht mehr nur um die Frage dieser Oligarchien, die wir ja alle kennen.
Es ist die Absicht Russlands, sich zu modernisieren, und dieses Ziel ist den Führern des Landes und den Menschen gemeinsam. Die Sorgen der befragten Geschäftsleute sind uns vertraut: Siebzig Prozent von ihnen glauben – so wie wir auch –, dass die alternde Bevölkerung ein großes Problem darstellt. Was die Korruption in höheren Ämtern angeht, so ist diese hier eher gering, dort aber sehr weit verbreitet. Mehr als 50 % sind der Meinung, dass die Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechte wichtig sind. Anlass zur Sorge ist auch das niedrige Bildungsniveau. Bei der schlechten Infrastruktur und der starren Bürokratie können wir mit gutem Beispiel vorangehen und Unterstützung leisten. Aus diesem Grund glaube ich auch, dass wir eine Chance haben, jetzt, da wir von Russlands Energie abhängig sind, unser Know-how zur Förderung der angestrebten Modernisierung des Landes einzubringen.
Christopher Beazley (PPE-DE) . – (EN) Herr Präsident! Frau Kommissarin Ferrero-Waldner sprach über die Bedeutung gut funktionierender Beziehungen zwischen der EU und Russland.
Ein Bereich, der mir besonders wichtig zu sein scheint, ist die Zivilgesellschaft. Denkt sie dabei an die Möglichkeit, einige konkrete Programme oder Projekte, über die wir nachdenken sollten, wie Hochschul-, Kultur- und künstlerischen Austausch, aufzulegen, und wenn ja, welche?
Meiner Meinung nach sollten wir unsere Enttäuschung in diesem Zusammenhang erneut zum Ausdruck bringen Die Büros des British Council in St. Petersburg und Jekaterinburg wurden gegen alle gängige diplomatische Praxis geschlossen.
Außerdem lohnt es sich, über unsere Beziehungen im Energiebereich nachzudenken. Wir befinden uns als gute Kunden in einer starken Position. Gazprom ist es nicht gelungen, dieses Parlament im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie oder im Petitionsausschuss zu überzeugen. Russland sollte noch einmal nachdenken. Wir brauchen gute Beziehungen, solche, die nicht durch Naivität oder Wunschdenken auf unserer Seite und nicht durch Misstrauen, dem Gefühl der Bedrohung oder dem Gefühl, Aggressivität an den Tag legen zu müssen, auf russischer Seite gekennzeichnet sind.
Adrian Severin (PSE) . – (EN) Herr Präsident! Das nächste Gipfeltreffen EU-Russland wird zwischen einer erstarkenden Russischen Föderation – und sei es auch nur vorübergehend – und einer EU stattfinden, die nicht nur durch das „Nein“ Irlands zum Vertrag von Lissabon geschwächt ist, sondern auch durch das Fehlen einer klaren Vorstellung davon, wie sie aus dieser Krise herausfindet.
Russland selbst ist ein in der EU umstrittenes Thema. Tatsächlich sind wir in Ideologen einerseits und Pragmatiker andererseits, in auf Konfrontation setzende Geostrategen und Versöhnler, in alte Kämpfer aus den Zeiten des Kalten Krieges und neue utilitaristische Opportunisten gespalten.
Ein weiteres wesentliches Problem besteht darin, dass Russland keine Politik gegenüber der EU insgesamt verfolgt, sondern lieber separat mit den einzelnen Mitgliedern der Union verhandelt. Diese Situation können wir erst dann ändern, wenn wir eine wirklich gemeinsame europäische Politik gegenüber Russland verfolgen. Wir müssen Russland mitteilen, dass eine institutionelle und politische Interoperabilität benötigt wird, die die Trennung von Wirtschaftspolitik und geopolitischen Strategien garantiert, um gute wirtschaftliche Beziehungen zu uns aufzubauen und von der beiderseitigen Öffnung der Märkte zu profitieren.
Daher ist ein gemeinsamer Raum der Justiz, Freiheit und Sicherheit vonnöten, der von Transparenz, Berechenbarkeit und Offenheit geprägt ist.
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Russland sollte konstruktiv, aber auch fordernd sein. Das Land ist wie wir Mitglied des Europarats und hat dessen Prinzipien und Werte zu respektieren.
Ich begrüße die Tatsache, dass Präsident Medwedew unlängst die Bedeutung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit betonte.
Die Europäische Union und Russland haben das Potenzial zu einer festen Beziehung, und wir stehen nun vor der Aufgabe, das neue Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zu verhandeln, das uns die Möglichkeit bieten wird, zügigere Fortschritte bei den so genannten „vier gemeinsamen Räumen“ zu erzielen.
Ich möchte die Bedeutung eines dieser Räume hervorheben: die wirtschaftlichen Beziehungen. Russland wickelt mehr als die Hälfte seines Handels mit der Union ab. Die Errichtung eines integrierten Marktes mit transparenten und nichtdiskriminierenden Regelungen wird die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union verstärken. Bedeutung hat auch eine größere Rechtssicherheit in Russland.
Meine Damen und Herren, Moskau ist ein entscheidender Akteur auf der internationalen Bühne. Als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats ist seine Mitwirkung äußerst wichtig, um Frieden und Stabilität in Europa und der ganzen Welt zu erreichen.
Was die EU angeht, so müssen die 27 Mitgliedstaaten in ihren Beziehungen zu Russland eine einheitliche Haltung einnehmen. Alle Analysten, vor kurzem erst Mark Leonard in einer interessanten Studie, betonen, dass das Fehlen einer gemeinsamen Position der Union schadet...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Herr Präsident! Der bevorstehende Gipfel wird die seit über anderthalb Jahren andauernde Blockierung überwinden und hoffentlich zu einem echten Fortschritt in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland führen. Die Europäische Union braucht Russland, aber es besteht kein Zweifel daran, dass Russland Europa mindestens ebenso sehr braucht, und zwar als Wirtschaftspartner und als Energieverbraucher. Sowohl im Energiebereich als auch auf vielen anderen Gebieten sind wir aufeinander angewiesen. Aus diesem Grund glaube ich, dass Befürchtungen bezüglich einer Zunahme des russischen Einflusses übertrieben sind, obgleich zahlreiche Erklärungen russischer Politiker diese zu rechtfertigen scheinen. Im Interesse der zukünftigen Entwicklung strategischer Beziehungen zwischen der EU und Russland ist es unabdingbar, so bald wie möglich Regelungen für einen gegenseitigen visumfreien Reiseverkehr einzuführen. Dies ist ausschlaggebend für Fortschritte in den Beziehungen zwischen der EU und Russland. Abschließend möchte ich als Vorsitzender des finno-ugrischen Forums innerhalb des Europäischen Parlaments die Bitte meines Kollegen, Herrn Szent-Iványi, an die am Gipfeltreffen teilnehmenden EU-Staatschefs erneuern: Bitte unterstützen Sie die finno-ugrischen Völker. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Bernd Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Auch ich bin der Meinung, dass die Pipeline zwischen Deutschland und Russland nur gebaut werden soll, wenn die anderen EU-Mitgliedstaaten, die betroffen sind, dem zustimmen. Aber dann dürfen diese Mitgliedstaaten auch nicht mit einer anderen Macht, nämlich mit den USA, über Raketen oder über Visa verhandeln. Dieses Europa wird gegenüber den USA und gegenüber Russland nur dann eine starke Stellung haben, wenn es endlich geschlossen handelt.
Ich möchte ganz klar sagen, dass es unsere Aufgabe ist, den Russen zu sagen, dass es in ihrem existenziellen Interesse ist, mit uns eine gute Partnerschaft zu pflegen. Dazu gehört aber, dass sie andere Staaten nicht bevormunden, bloß weil sie sie einmal okkupiert hatten, wie die Ukraine oder Georgien, die souveräne Staaten sind, die souverän über ihr Schicksal zu entscheiden haben.
Wenn Herr Medwedew in Berlin erklärt hat, er will eine Verbesserung der Beziehungen, so kann er auf zwei Gebieten beginnen. Erstens, bei der Rechtsstaatlichkeit, das heißt z. B., etwas in Sachen der Jukos-Häftlinge zu tun. Und zweitens – ganz wesentlich: Hören Sie, Herr Medwedew, bitte auf mit der Blockade der größten Friedensmission in der Geschichte der EU, der Kosovo-Mission!
Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die vielschichtigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland erfordern überlegtes und geschlossenes diplomatisches Handeln. Das bevorstehende Gipfeltreffen der Europäischen Union und Russlands hat starke Emotionen geweckt, da Vereinbarungen verhandelt werden sollen, die sowohl für die Europäische Union als auch Russland von größter Bedeutung sind. So muss die Europäische Union unter anderem die Frage der Energiesicherheit für Europa zur Sprache bringen. Zu einer Zeit, da Treibstoff- und Energiepreise stetig steigen, ist die Energiesicherheit von strategischer Bedeutung für die Wirtschaft der gesamten Europäischen Union wie auch für die Volkswirtschaften ihrer Mitgliedstaaten.
Am Vorabend des EU-Russland-Gipfels muss uns bewusst werden, wie wichtig es für die künftige Entwicklung der Europäischen Union ist, auf der internationalen Bühne mit einer Stimme zu sprechen. In dieser Situation ist die Ungewissheit über das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages höchst bedauerlich, enthält er doch Bestimmungen, die die Europäische Union in die Position eines starken Partners in internationalen Beziehungen bringen. Ich bin froh, dass die Europäische Union Polen in seinem Streit mit Russland über die Ausfuhr unserer Erzeugnisse unterstützt hat. Ich bin sicher, dass Polen in den kommenden Jahren für eine positive Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union eintreten wird.
Josef Zieleniec (PPE-DE). – (CS) Dieser EU-Russland-Gipfel ist der erste für Präsident Dmitri Medwedew. Die Union sollte seinen Amtsantritt nutzen, um die gegenseitigen Beziehungen auf eine pragmatische und realistische strategische Partnerschaft auszurichten. Für Russland selbst hat diese Partnerschaft langfristig gesehen die größere Bedeutung. Präsident Medwedew macht die Prioritäten, wie er selbst sagt, beim Rechtsstaat und der Modernisierung der Wirtschaft fest. Dazu braucht er Europa. Auch in den internationalen und Handelsbeziehungen braucht Russland einen stabileren und solideren Partner, als es China oder der Iran sind. Von der Europäischen Union geht keine Gefahr für Russland aus. Im Gegenteil: Sie kann Russland helfen, seine Schlüsselstellung aufrechtzuerhalten, die es sonst infolge der einseitig orientierten Wirtschaft und Demokratie nach und nach verlieren würde. Eine strategische Partnerschaft kann indes nur auf einem symmetrischen Dialog unter Gleichen aufbauen. Die russische Seite muss in diesem Zusammenhang den Weg weisen, ihre kleinlichen Versuche einer Spaltung Europas einstellen und die Union als eine Einheit betrachten. Kurzsichtige Plänkeleien und Provokationen halten das Entstehen einer echten Partnerschaft mit der EU nur unnötig auf. In den Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU sollten Fragen von langfristiger Bedeutung erörtert werden.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Die strategische Partnerschaft EU-Russland ist ein wichtiger Faktor, wenn es um Diversifizierung und Sicherheit der Energieimporte in die EU geht. Zugleich muss deutlich gemacht werden, dass dieses Abkommen nicht nur für die EU, sondern auch für Russland von Bedeutung ist, gehen doch bis zu 60 % des russischen Erdöls in die EU.
Ich meine, die führenden europäischen Vertreter müssen Russland daran erinnern, dass es seine Energielieferungen weder gegenüber den Mitgliedstaaten der EU, noch gegenüber den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere der Ukraine, als politisches Druckmittel einsetzen sollte.
Derzeit verhandeln die Mitgliedstaaten die Öl- und Gaslieferungen aus Russland auf bilateraler Ebene. Bei meinem Besuch in der Staatsduma der Russischen Förderation im April 2007 konnte ich mich davon überzeugen, dass auch Russland äußerst interessiert daran ist, die Energieverhandlungen mit der EU als Ganzes zu führen.
Zum Abschluss möchte ich ähnlich wie mein Kollege Elmar Brok die Befürchtung äußern, dass die Stellung der EU als strategischer Partner nach dem erfolglosen irischen Referendum zum Lissabon-Vertrag geschwächt wird; immerhin sind ja gerade im Lissabon-Vertrag die Zuständigkeiten der EU auf dem Gebiet der gemeinsamen Energiepolitik verankert.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Ich hoffe, dass wir das Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland bald abschließen werden. Es ist wichtig, dass die EU und Russland geradlinige, praktikable und ehrliche Beziehungen zueinander pflegen. Die Partnerschaft muss gesund und für beide Seiten von Vorteil sein.
Trotz ihres pragmatischen Ansatzes sollte die EU die Menschenrechte nicht vergessen, was sie auch nicht getan hat, und sie sollte für einen aktiven Dialog mit Russland zu diesem Thema eintreten.
Die Sicherheit der Energieversorgung ist ein wichtiges Thema in ganz Europa, und wenn wir über Energie sprechen, dann sprechen wir in der Regel auch über Russland und die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland. Die EU hat ein Interesse daran, ihre Versorgungssicherheit zu wahren, zugleich aber auch ihre Abhängigkeit von externer Energie zu verringern. Ich hoffe, dass die Debatte bei dem Gipfeltreffen offen, ehrlich und vor allem fruchtbar sein wird.
Milan Horáček (Verts/ALE). - Herr Präsident! Als Herr Swoboda gesprochen hat, hat mich das daran erinnert, dass Swoboda auf Deutsch Freiheit heißt. Da kommt es mir in den Sinn, dass wir natürlich Freiheit brauchen. Menschenrechte und Freiheit sind die wichtigsten Säulen der EU, und wir brauchen das auch für den Dialog mit Russland.
Weil dieser nächste Dialog aber in Sibirien stattfindet, kam mir dann gleich auch in den Sinn, dass Tschita auch in Sibirien liegt und dass da die Jukos-Häftlinge Platon Lebedjew und Michail Chodorkowski und andere inhaftiert sind. Deshalb bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass sie freikommen. Aber nicht nur das, auch dass in Russland Meinungs- und Pressefreiheit herrscht und dass die NGO auch frei arbeiten können. Das alles ist für unsere gesamteuropäische Zukunft sehr wichtig.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Herr Präsident! Wir sind eine Gemeinschaft, die Rechtsstaatlichkeit als eines der Fundamente respektiert, auf denen unsere Identität beruht. Von unseren Partnern aus Wirtschaft und Politik dürfen wir Gleiches erwarten. Ich fordere die Vertreter der Europäischen Union auf dem Gipfeltreffen auf, die Frage der umfassenden Anerkennung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte durch Russland zur Sprache zu bringen.
Dieses Gericht wurde nicht als Scheininstitution geschaffen, deren Entscheidungen nur von denjenigen anerkannt werden, die kleinere oder auch zum Teil fragwürdige Verletzungen der Menschenrechte begangen haben. Es soll Folterern, Vergewaltigern und Mördern zeigen, dass sie den verhängten Strafen nicht entgehen können, und sie somit von weiteren Straftaten abhalten.
Deshalb muss die Russische Föderation eng mit dem Gerichtshof zusammenarbeiten und dessen Entscheidungen respektieren. Ein Land, das die von ihm eingegangenen Verpflichtungen nicht einhält, kann nun einmal nicht als zuverlässiger Partner betrachtet werden. Russlands Verhalten steht im krassen Widerspruch zu seinen Aussagen, dass es ein zuverlässiger Lieferant von Energiequellen ist. Das ist eine Behauptung, die von russischen Diplomaten sehr gern angeführt wird. Wenn sich Russland als so zuverlässig erweist, wie das bei Tschetschenien, Anna Politkowskaja oder Alexander Litwinenko der Fall war, würde die Europäische Union als die naivste Institution in die Geschichte eingehen, die jemals existiert hat.
Gerard Batten (IND/DEM) . – (EN) Herr Präsident! Ich möchte im Namen von Frau Marina Litwinenko, deren Ehemann, Alexander Litwinenko, im Dezember 2006 in London ermordet wurde, einen Sachverhalt ansprechen. Das Mordinstrument war Polonium 210, eine radioaktive Substanz, die zu 97 % in einem avantgardistischen Atomkomplex in Russland hergestellt wird. Die Ermordung trägt alle Anzeichen einer höchst ausgefeilten Tat, so wie sie vom russischen Geheimdienst begangen werden. Der Hauptverdächtige in diesem Fall, Andrej Lugowoi, ist Mitglied des russischen Parlaments und kann gemäß der russischen Verfassung nicht ausgeliefert werden.
Wenn ich mich direkt an Frau Kommissarin Ferrero-Waldner wenden darf: Frau Litwinenko bittet darum, dass der Rat und die Kommission während des Gipfels Präsident Medwedew gegenüber das Thema des Mords an Herrn Litwinenko ansprechen. Frau Litwinenko möchte, dass der Mord an ihrem Ehemann aufgeklärt wird und die Schuldigen vor Gericht gestellt werden. Das Gipfeltreffen ist eine ideale Gelegenheit, den Prozess voranzubringen. Bitte unterstützen Sie sie.
(Beifall)
Vytautas Landsbergis (PPE-DE) . – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich den Worten meines Vorredners anschließen. Die russische Regierung sollte alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu beweisen, dass sie nicht den Auftrag für den terroristischen Mord an einem britischen – also auch europäischen – Staatsbürger, Alexander Litwinenko, erteilt hat. Da die russische Regierung nicht beweisen konnte, dass sie nicht Auftraggeberin für den Mord ist, und sogar die angemessene Zusammenarbeit mit den britischen Untersuchungsbehörden verweigert, ist dies ein politischer Beweis für die offizielle Involvierung Russlands in den Mord.
Das neue Russland handelt, wie viele sagen, zum wiederholten Mal wie ein terroristischer Staat. Auf dem Gipfeltreffen in Khanty-Mansiysk muss die EU Präsident Medwedew auffordern, diese Praktiken zu beenden.
Es darf keine Verfahren gegen die Mütter von Beslan geben, die herausfinden möchten, wer den Auftrag für den Angriff auf die Schule und für den Einsatz von Panzerfäusten und schweren Maschinengewehren gegen jeden dort, auch gegen ihre Kinder, gab. Die EU muss zumindest denen beistehen, die schwächer sind als sie selbst – der britischen Regierung und den Müttern von Beslan.
Janez Lenarčič, amtierender Ratspräsident. − (SL) In Anbetracht der vorgerückten Stunde werde ich versuchen, mich sehr kurz zu fassen. Ich glaube, es war Herr Severin, der gesagt hat – ich zitiere das einmal auf Englisch: „Russia is a divisive issue in the European Union“. Trotzdem habe ich im Laufe der heutigen Aussprache in diesem Parlament den Eindruck gewonnen, dass es in zweierlei Hinsicht einen wirklich sehr breiten Konsens gibt.
Zum einen darüber, dass wir gute Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation brauchen. Dem kann ich natürlich nur zustimmen. Die Russische Föderation ist, wie bereits mehrfach geäußert wurde, eine Weltmacht, einer der Hauptakteure auf dem internationalen Parkett, wie Herr Millán Mon sagte, und darüber hinaus ist Russland unser Nachbar. Kurz gesagt, wir sind auf eine Koexistenz mit der Russischen Föderation angewiesen, aber diese Koexistenz wird nur dann hochwertig sein, wenn sie sich auf Partnerschaft und Kooperation gründet. Die jetzige Präsidentschaft ist entschlossen, den Dialog für eine Verbesserung dieser Partnerschaft und Kooperation zu pflegen, einen Dialog, der alle für beide Seiten interessanten Fragen umfasst, einschließlich jener, zu denen wir unterschiedliche Standpunkte vertreten und die ich in meinem Einführungsbeitrag angesprochen habe.
Das zweite Element, über das es meiner Wahrnehmung nach in diesem Saal einen sehr breiten Konsens gibt, ist die Bedeutung, die die Abgeordneten einer gemeinsamen Position der Europäischen Union beimessen. Dieser Auffassung schließe ich mich voll und ganz an. Der Bereich, für den dies ganz besonders und besonders häufig hervorgehoben wurde, ist der Energiebereich. Es ist ganz klar, dass kein einzelner Mitgliedstaat in separaten Gesprächen mit einem Lieferanten wie der Russischen Föderation jemals eine solche Vereinbarung erzielen könnte, wie die Union als Ganzes dies vermag. Daher ist es höchste Zeit für eine echte gemeinsame europäische Energiepolitik.
In diesem Zusammenhang war auch von Öl- und Gasleitungen die Rede. Dazu sage ich nur Folgendes: Wenn wir bisher in der Europäischen Union imstande gewesen wären, einen wirklichen, einen echten internen Energiemarkt zu etablieren, wäre es vollkommen unerheblich, wo die entsprechenden Gas- oder Erdölleitungen verlaufen.
Gestatten Sie mir zum Abschluss noch folgende Bemerkung: Die slowenische Präsidentschaft ist hocherfreut, dass ihre Präsidentschaft mit dem EU-Russland-Gipfel zu Ende geht, einem Gipfel, der dank verschiedener neuer Umstände, nämlich eines neuen russischen Präsidenten und des Mandats, das wir nach langwierigen Verhandlungen endlich bekommen haben, sehr vielversprechend ist. Ich hoffe, dass unsere Erwartungen erfüllt werden können.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich denke, der Schlüssel zu unseren Beziehungen ist die von vielen Rednern erwähnte gegenseitige Abhängigkeit. Andererseits liegt es in unserem Interesse, ein gutes Verhältnis zu Russland, einem strategischen Partner und Nachbarn, wie unser Präsident richtig sagte, zu haben. Es ist nichtsdestoweniger auch wichtig, dass Russland ein Partner bei der Lösung von Problemen und nicht ein Partner für Probleme ist, und dies ist der andere Aspekt dabei.
Ich habe sehr genau zugehört und alle Ihre Kommentare zur Kenntnis genommen. Ich kann jetzt nicht auf alle Fragen und Kommentare eingehen. Aber lassen Sie mich einige generelle und auch spezifischere Bemerkungen machen.
Erstens: Russland ist heutzutage ein äußerst wichtiger Partner im Energiebereich, und als Resultat des erteilten Verhandlungsmandats für das neue Abkommen haben wir bereits einen gemeinsamen EU-Standpunkt zu Energiefragen, da wir ein gemeinsames Mandat haben. Es war nicht leicht, das Mandat zu erhalten, aber jetzt haben wir es. Und das ist auch der Rahmen für unsere Verhandlungen. Es war sehr wichtig, das zu erhalten. Wie ich bereits sagte, möchten wir die Grundsätze der Energiecharta in das neue Abkommen aufnehmen. Darauf basieren die Beziehungen zwischen der EU und Russland, und das ist keine Einbahnstraße. Wir sind ein wichtiger Markt und Investor so wie andererseits Russland ein ganz wichtiger Lieferant für uns ist. Es existiert also eine gegenseitige Abhängigkeit, und wir brauchen die gleichen Grundsätze: Gegenseitigkeit, Transparenz und Nichtdiskriminierung.
Zu den Zielen der Energiepolitik der EU gehört die Diversifizierung von Lieferrouten und Energiequellen, um die Sicherheit und den Wettbewerb auf dem EU-Energiemarkt zu erhöhen. Es handelt sich hier nicht um eine anti-russische Politik. Ich denke, Russland wird ein Schlüssellieferant für uns bleiben. Aber jeder vernünftige Verbraucher streut die Risiken, insbesondere in Anbetracht der astronomisch steigenden Energiepreise. Angesichts unserer wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit bei Importen, und insbesondere Gasimporten, wird die Gasmenge, die wir aus Russland beziehen möchten, wahrscheinlich steigen. Wir benötigen daher eine klare Politik der Diversifizierung.
Lassen Sie mich auf den Handel im Allgemeinen zu sprechen kommen. Es ist von entscheidender Bedeutung – und zwar nicht nur für Russland, sondern auch für uns – dass Russland Mitglied der Welthandelsorganisation wird. Wir werden daher unsere aktive Arbeit in Genf fortsetzen und unsere bilateralen Bemühungen, um eine Einigung zu erzielen. Meines Erachtens braucht Russland die Mitgliedschaft in der WTO, um seine Wirtschaft zu modernisieren. Ich bin mir sicher, mit diesem Präsidenten ist das möglich – wie es auch mit Präsident Putin möglich war, der sich persönlich für dieses Thema einsetzte.
Lassen Sie mich auch kurz auf Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsprobleme zu sprechen kommen: Wir halten regelmäßigen Kontakt zu russischen NRO und bringen ihre Belange in unseren Gesprächen mit offiziellen russischen Stellen zur Sprache. Wir sind bereit, nötigenfalls konkrete Fälle anzusprechen und wir unterstützen sie weiterhin finanziell mit Hilfe unseres Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte.
Zur Frage der Menschenrechte im Allgemeinen: Diese sind Thema von Konsultationen mit Russland. Wir sprechen in der Tat über konkrete Fälle, Menschenrechtsaktivisten, und zuweilen über Rechtsfälle. Unsere besondere Besorgnis gilt der Situation im Nordkaukasus. Ich könnte viel über den Nordkaukasus, Georgien, Abchasien, Südossetien und auch über Berg-Karabach und die Republik Moldau sagen, aber ich habe nur fünf Minuten Zeit. Bitte denken Sie nicht, dass wir nicht Bescheid wüssten. Das ist und bleibt wichtig.
Ich möchte ferner zum Thema „British Council“ sagen, dass die EU die britische Regierung in ihrer Auseinandersetzung mit Russland über die Büros des British Council in St. Petersburg und Jekaterinburg unterstützt hat. Ich denke, wir befinden uns jetzt in einem guten Dialog über kulturelle Zusammenarbeit mit Russland, der, so hoffe ich, eine gute Gelegenheit darstellt, den Wert dieser Kontakte zu betonen. Wir werden auf jeden Fall darüber nachdenken, welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden können.
Im Hinblick auf die finno-ugrischen Minderheiten arbeiten wir, wie Sie wissen, an der Umsetzung der vorbereitenden Maßnahmen für die 2,5 Millionen Euro, die das Parlament in seinen diesjährigen Haushaltsplan eingestellt hat. In diesem Kontext sehen wir die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats, das auch von Russland unterzeichnet wurde. Ich bin der Ansicht, es sollte sich auch auf nationale Minderheiten in Russland beziehen.
Zum Hochschulaustausch: Ich schlage vor, dass wir einen derartigen Austausch mit Russland fördern und zwar über die Programme Erasmus Mundus und Tempus. In den kommenden Jahren werden wir unsere Zusammenarbeit bei diesen Programmen ausbauen. Außerdem hat Russland großes Interesse an einer Mitgliedschaft im Siebten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung bekundet. Dies könnte künftig ein wichtiges Zeichen für SIGMA sein. Es gibt ein Institut für Europastudien, und beide Seiten – Russland und die Europäische Union – werden wahrscheinlich weiter mit diesem Institut arbeiten und möglicherweise sogar die Mittel verdoppeln.
Ein letztes Wort, bevor ich zum Schluss komme: Der offizielle Abschluss des neuen Abkommens – und ich denke, da wird mir jeder hier zustimmen – ist eine äußerst wichtige Angelegenheit und eine Chance. Es besteht immenses Potenzial, und ich stimme absolut mit unserem Vorsitz darin überein, dass dies eine überaus wichtige Angelegenheit ist.
Wir wissen, dass die Verhandlungen nicht leicht sein werden. Sie sind zwangsläufig umfangreich und daher – und auch, weil wir ein umfassendes Mandat haben – werden sie komplex sein und einige Zeit in Anspruch nehmen. Nichtsdestoweniger zeigt dieses solide Mandat auch unsere Einigkeit. Die Einigkeit ist Tatsache. Sie war nicht leicht zu erzielen, aber lassen Sie uns jetzt, da sie vorliegt, vorangehen. Ich bitte Sie dabei dringend um Ihre Unterstützung.
Als Letztes: Die Beziehungen müssen, wie wir alle wissen, strategisch sein. Lassen Sie uns also einmal die täglichen Ärgernisse und Nachrichten etwas beiseite lassen und den größeren historischen Kontext Europas und Russlands wie auch die vielen gemeinsamen Interessen ins Auge fassen. Wir müssen Wege finden, unsere Meinungsverschiedenheiten in den Griff zu bekommen und gleichzeitig die Tür für Dialoge offen zu lassen. Es gibt eine Chance. Diese müssen wir ergreifen, und ich bin sicher, dass daraus eine solide Partnerschaft entsteht.
Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1)eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 19. Juni 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Ramona Nicole Mănescu (ALDE), schriftlich. – (RO) Der EU-Russland-Gipfel, der am 26. und 27. Juni im sibirischen Khanty-Mansiysk stattfinden soll, deutet auf einen doppelten Neubeginn hin: Einerseits kommt die Europäische Union zum ersten Mal mit dem neuen russischen Präsidenten, Dimitri Medwedew, in Kontakt, und andererseits ist beabsichtigt, über ein neues Partnerschaftsabkommen zu verhandeln, das den Rahmen für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland schaffen würde.
Da 40 % des von europäischen Unternehmen importierten Erdgases aus Russland kommen, muss Russland die EU-Investitionen durch Annahme einer transparenten Gesetzgebung und Öffnung seines Leitungssystems ermöglichen. Dies würde europäischen Unternehmen gestatten, Gas direkt von den zentralasiatischen Erzeugern zu kaufen.
Die Europäische Union darf dem Schicksal der in Konfliktregionen Ansässigen gegenüber nicht gleichgültig bleiben; zusammen mit Russland und den anderen beteiligten Akteuren müssen wir einen Weg finden, um sowohl „eingefrorene“ Konflikte als auch die Konflikte in Moldawien und im Kaukasus zu lösen.
Ich hoffe, dass das Partnerschaftsabkommen einen Rahmen bilden wird, in dem die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland gedeihen werden. Dessen ungeachtet sollten wir nicht vergessen, dass unser Ziel nicht darin besteht, ein Partnerschaftsabkommen zu unterzeichen, sondern darin, in dieses Abkommen Klauseln aufzunehmen, die zu Demokratie und Sicherheit und zu einer Erhöhung des Lebensstandards in Europa – vom Kaukasus bis zum Atlantik – führen könnten.
Katrin Saks (PSE), schriftlich. – (ET) Herr Präsident! In dieser Woche findet in Khanty-Mansiysk der EU-Russland-Gipfel statt. Ihm folgt der 5. Weltkongress der finno-ugrischen Völker am selben Ort. Zu den finno-ugrischen Völkern gehören die Ureinwohner dieser Region, die Rentierzüchter der Chanten und Mansen, die der Stadt inmitten der sibirischen Tundra ihren Namen gaben.
Am Weltkongress nimmt auch eine fünfköpfige Delegation der Europäischen Union teil, denn Ungarn, Finnen und Esten gehören zu den finno-ugrischen Völkern, deren ursprüngliche Heimat Sibirien ist. Ich hoffe, dass es uns damit gelingt, die Aufmerksamkeit auf die kleinen Nationen zu lenken, deren Sprachen zu verschwinden drohen und deren jahrtausendealte Kulturen immer mehr durch Firmenveranstaltungen ersetzt werden.
Die Europäische Union sollte ihren Werten treu bleiben und diese verteidigen, statt sich in einer Region blenden zu lassen, in der der Großteil der russischen Energieressourcen zu finden ist. Das sprudelnde Öl führt zu einem Konflikt zwischen dem traditionellen Leben der Ureinwohner und dem steigenden Ölbedarf der Menschheit.