Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt eine Aussprache über:
– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Monica Frassoni im Namen der Verts/ALE-Fraktion (O-0076/2008 – B6-0170/2008),
– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Giusto Catania im Namen der GUE/NGL-Fraktion (O-0078/2008 – B6-0452/2008),
– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Jan Marinus Wiersma, Claudio Fava, Kristian Vigenin, Gianni Pittella, Adrian Severin und Katalin Lévai im Namen der PSE-Fraktion (O-0078/2008 – B6-0452/2008),
– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Viktória Mohácsi, Marco Cappato, Alexander Alvaro, Sophia in 't Veld, Sarah Ludford, Jeanine Hennis-Plasschaert, Ignasi Guardans Cambó, Adina-Ioana Vălean, Renate Weber und Gérard Deprez im Namen der ALDE-Fraktion (O-0080/2008 – B6-0453/2008).
Monica Frassoni, Verfasserin. − (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Minister Maroni hat diese Debatte als grotesk bezeichnet, die Realität ist jedoch, dass er heute aufgehört hat, sich wie ein Cowboy aufzuführen, und versucht, seine europäischen Kollegen davon zu überzeugen, dass allein die Medien und die Linke die Schuld tragen und dass sein einziges Ziel darin besteht, das Richtige für die armen Zigeuner zu tun, die in furchtbaren Lagern eingesperrt sind. Mit dieser Erstellung ethnischer Profile werde es dann möglich sein, alle Roma-Kinder in die Schule zu schicken und sei es nicht nötig – und auch nicht sein Wunsch –, alle Nichtsesshaften zu kriminalisieren. Diese Debatte sei also grotesk.
Ich stimme jedoch nicht zu. Diese Aussprache ist wichtig, genauso wie die Aufmerksamkeit, die wir zusammen mit zahlreichen Nichtregierungsorganisationen, zahlreichen Mitgliedern unterschiedlicher Nationalitäten – denn dies ist nicht nur ein Problem Italiens – und den zahlreichen Menschen, die einfach besorgt über die Situation der Rechte sind, auf dieses Thema lenken konnten. Die Aussprache ist deswegen wichtig, weil wir sie hier, in Europa, führen und weil es um Rechte und um Bürger geht. Und daher ist auch sie ein kleiner Beitrag in einer Situation, die als Bedeutungskrise in Europa wahrgenommen wird.
Europa hat einen Sinn: Es hat die Aufgabe, Cowboy-Gebaren und politische Entscheidungen zu kontrollieren, die grausam und vor allem ineffektiv sind. Es hat die Aufgabe, mit Hilfe der Gesetze und bestehenden Verträge, die auf Grundlage einer blutigen Historie entstanden sind, gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen. Diese Debatte hat den Sinn zu bekräftigen, dass in Europa kein Platz für die Erstellung ethnischer Profile ist. Und das trifft so weit zu, dass die Regierung anscheinend in diesem Punkt eine Kehrtwende macht. Falls das der Fall sein sollte, so begrüßen wir es. Diese Aussprache hat ferner den Sinn, öffentlich und berechtigterweise die Frage zu stellen, warum eine Industrienation mit 58 Millionen Einwohnern, eine Industrienation, in der eine Mafia 120 Milliarden Euro und ganze Gebiete kontrolliert und einen riesigen Umsatz verzeichnet, eine Industrienation, in der eine der reichsten Provinzen in der Geschichte Europas im Müll erstickt, einen zwölfmonatigen Notzustand erklärt, der einem Tsunami oder einem Erdbeben angemessen wäre, und zwar aufgrund der Präsenz von 160 000 Nichtsesshaften, von denen die Hälfte italienische Staatsbürger sind.
Wir glauben, dass diese Aussprache wichtig ist, da unsere Sicherheit durch die Erstellung ethnischer Profile und die ständige Kriminalisierung der Roma und Sinti bedroht ist. Die Bemühungen derjenigen, die mit den Roma und Sinti arbeiten, um sie aus ihrer marginalisierten Situation, die durch Armut und Gewalt gegen Frauen und Kinder geprägt ist – dies ist eine Tatsache, eine Realität, die weder ich noch ein anderer von uns leugnen möchte – stecken in einer Sackgasse. Es gibt schlichtweg keinen Ausweg, wenn die Situation so bleibt, wie sie sich heute darstellt.
Herr Präsident, heute diskutieren wir zum dritten Mal innerhalb von wenigen Monaten über diese Probleme. Ich hoffe, dass positiver, freundlicher und konstruktiver Druck, wie er auch mit dieser Debatte zum Ausdruck kam, meine Landsleute und andere europäische Bürger davon überzeugt, dass der Versuch, Menschen aus dem Land zu vertreiben und einen durch Gewalt gekennzeichneten, simplizistischen und rassistischen Ansatz für ein Problem anzuwenden, das in Wahrheit ein Problem der Ausgrenzung, ein wirtschaftliches und auch ein kulturelles Problem unseres Landes und unseres Kontinents ist, nicht der richtige Weg ist.
Ich fordere Sie daher auf, Herr Kommissar, der Arbeit der Kommission, unserer parlamentarischen Arbeit und auch den Geldern, die für positive Zwecke dieser Art ausgegeben werden, große Bedeutung beizumessen. Diese Arbeit ist bislang wenig bekannt, sie findet nicht öffentlich statt und wird mit Vorurteilen betrachtet, die nicht nur in Italien, sondern auch in Europa ihre Wurzeln haben.
Jan Marinus Wiersma, Verfasser. − (NL) Auch wir sind bestürzt über die Maßnahmen, die die italienische Regierung jüngst zur Lösung des so genannten Roma-Problems in Italien ankündigte. Es ist eine große Schande, dass wir hier und heute eine solche Aussprache führen müssen. Ich selbst war jahrelang Berichterstatter für den Beitritt der Slowakei und stark in die Roma-Thematik involviert. Ich pflegte immer zu sagen: Diskriminierung ist nicht statthaft, sie ist schlechthin verboten, das besagen die Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union. Die Registrierung der Roma riecht stark nach Diskriminierung, und in der Slowakei geschah das nicht. Es ist ein Skandal, dass ich jetzt gezwungen bin, diese Debatte anlässlich des Vorgehens der Regierung eines derzeitigen Mitgliedstaates zu führen.
Das jüngst von dem italienischen Innenminister Roberto Maroni angekündigte Paket, mit dem er gegen den „Roma-Notstand“, wie ihn die Regierung mittlerweile bezeichnet, vorgehen will, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Die Einrichtung einer Datenbank mit den Fingerabdrücken von Roma-Kindern ist in keiner Weise mit den EU-Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Gleichheit vor dem Gesetz und des Minderheitenschutzes vereinbar.
Die Ankündigung dieser Maßnahme kommt zu einem Zeitpunkt, da die Europäische Kommission ihre Beurteilung eines früheren italienischen Maßnahmenpakets noch nicht abgeschlossen hat. Im Mai dieses Jahres erhielten die Präfekten von Großstädten Sonderbefugnisse, um gegen illegale Einwanderer und Roma vorzugehen, Befugnisse, die uns schon damals die Stirn runzeln ließen. Deshalb möchte ich die italienische Regierung zu großer Zurückhaltung mahnen, um die Grenze des Zulässigen in Europa nicht zu überschreiten. Streichen Sie die Maßnahme! Sie hat in der Europäischen Union nichts verloren.
Die Europäische Kommission befindet sich hier in einer meines Wissens noch nie dagewesenen Situation. Wir fordern sie deshalb auf, die Maßnahme genau unter die Lupe zu nehmen. Die Kommission sollte eine objektive Haltung einnehmen, nach den Buchstaben des Vertrags urteilen und sich nicht von politischen Erwägungen leiten lassen. Dieses Vorgehen und das Italiens bewegen sich am Rand des EU-Vertrags, und die Kommission sollte in aller Deutlichkeit sagen, wo die Grenze liegt.
Allerdings geht es nicht nur um Italien – das muss ganz deutlich gesagt werden. Diese jüngste Episode hat einmal mehr gezeigt, dass eine erheblich aktivere Politik notwendig ist, um die soziale und wirtschaftliche Isolation der Roma zu durchbrechen und ihre Diskriminierung zu bekämpfen.
Am vergangenen Mittwoch gab die Kommission einen Überblick darüber, was jetzt schon mit europäischen Instrumenten möglich ist. Dafür danke ich der Kommission. Der Kommission zufolge könnten die Mitgliedstaten die verfügbaren Instrumente stärker und besser nutzen, um die Integration der Roma zu fördern. Allerdings erwarte ich von der Kommission nun auch konkrete Pläne, die vergangene Woche noch fehlten. In mehreren Entschließungen, zuletzt im Januar dieses Jahres, erging dazu auch eine Forderung des Parlaments.
Eines ist klar geworden: Wir können es nicht länger aufschieben, die Roma und die Lage der Roma in Europa wirklich ernst zu nehmen. Die Roma sind eine ganz besondere Minderheit, die nicht als traditionelle Minderheit betrachtet werden kann. Das Problem betrifft ganz Europa, vor allem seit den letzten Erweiterungsrunden, in deren Folge sehr viele Roma EU-Bürger wurden. Letztendlich wird eine Repressionspolitik weder die Probleme der Roma, noch die Probleme und Spannungen, die sie mitunter in unserer Gesellschaft verursachen, beseitigen. Es ist ein integrierter Ansatz notwendig, und nach meinem Dafürhalten ist der Ansatz der italienischen Regierung inakzeptabel.
Viktória Mohácsi, Verfasserin der Stellungnahme. − (HU) Herr Präsident! Herr Kommissar Špidla! Sehr verehrte Damen und Herren! Ende Juni haben unser Vorsitzender Graham Watson und ich einen gemeinsamen Brief an die Kommission geschickt, in dem wir sie aufgefordert haben, die Besorgnis erregende Lage in Italien zu untersuchen und geeignete Schritte zu ergreifen, um diese zu verurteilen, wenn dadurch die Grundsätze oder Zusicherungen der Europäischen Union verletzt werden.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Italien werden uns mehrere meiner Kolleginnen und Kollegen an das Unrecht erinnern, das geschehen ist, wie u. a. die Abnahme von Fingerabdrücken. Ich würde viel lieber auf alternative Lösungsansätze drängen, wie auch mein Kollege Herr Wiersma sagte.
Die kürzlich von der Kommission veröffentlichte Mitteilung erfüllt mich mit großer Freude. Aber mehr noch freut mich, dass sie die Problematik der Roma und die europäische Integration der Roma als Minderheit als schwer wiegendes und darüber hinaus dringendes Problem betrachtet.
Ich kann gar nicht sagen, wie freudig mich die Schaffung der neuen horizontalen Richtlinie stimmt. Meiner Ansicht nach muss die horizontale Richtlinie jene Elemente vereinen, durch die eine Korrektur der aktuellen Gesetzgebung möglich ist.
Ich kann in meinen Redebeiträgen nicht genug betonen, wie wichtig es ist, die Segregation in Schulen als Diskriminierung in der Gesetzgebung gemäß der Richtlinie 2000/43 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu erklären, obgleich die Richtlinie lediglich besagt, dass die Diskriminierung in Schulen von Kindern, die einer anderen Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, verboten ist.
In der Richtlinie wird nicht festgeschrieben, dass Segregation und die Trennung im Bildungswesen Formen der Diskriminierung darstellen. Dafür liegen jedoch viele Beweise vor. Nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen, die Europäische Kommission und verschiedene Standpunkte des Europäischen Parlaments haben dies bestätigt, sondern selbst die ungarische Legislative hat bekräftigt, dass es sich um Diskriminierung handelt. Es wäre äußerst wichtig, diesen entscheidenden Aspekt und die Empfehlungen der Initiative „Jahrzehnt der Integration der Roma“, an der fünf Mitgliedstaaten beteiligt sind, bei der Ausarbeitung der neuen horizontalen Richtlinie als Entwicklung einer europäischen Roma-Strategie mit abzuwägen. Aus Sicht der Integration der europäischen Roma wäre dies sinnvoll. Vielen Dank.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (CS) Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich bei Frau Mohácsi und Frau Frassoni, Herrn Wiersma, Herrn Catania und allen Abgeordneten für ihre Fragen. Zum vierten Mal haben wir im Parlament die Chance, uns über die Lage der Roma in Italien auszutauschen. Ich denke, jeder in diesem Hause pflichtet mir unabhängig seiner oder ihrer Parteizugehörigkeit bei, dass durch sofortige und geeignete Maßnahmen eine Lösung für die Situation der Roma gefunden werden muss, um einen Ausweg aus der sozialen, wirtschaftlichen und humanitären Krise zu finden. Die Kommission hat mit Beunruhigung in der Presse gelesen, dass die italienischen Behörden die Fingerabdrücke von Menschen nehmen, die in „Nomadenlagern“ leben, um eine Datenbank einzurichten.
In der Zwischenzeit hat der italienische Staat der Kommission Informationen zum allgemeinen rechtlichen Kontext zur Verfügung gestellt. Offenbar waren die Bürgermeister von Rom, Neapel und Mailand unter den Bedingungen des am 23. Mai ausgerufenen Ausnahmezustands durch eine Anordnung vom 30. Mai berechtigt, bestimmte Maßnahmen durchzusetzen. Dazu gehörte die Identifizierung und Zählung von Menschen, einschließlich Minderjähriger, die in Nomadenlagern aufhältig sind. Gleichzeitig wird darin erklärt, die von den Bürgermeistern durchgesetzten Schritte müssen den allgemeinen Grundsätzen der EU-Gesetze und -Richtlinien entsprechen. Die italienischen Behörden verlautbaren, die Maßnahmen seien im Interesse der in den Lagern lebenden Menschen angewendet worden, vor allem damit diese unter menschenwürdigen Bedingungen leben können.
Die Kommission weiß die Bereitschaft des italienischen Staates zur Zusammenarbeit zu würdigen. Diese Angaben sind hilfreich, aber dennoch mangelt es noch an Klarheit, was die Art und eigentliche Wirkung der von den Bürgermeistern unternommenen Schritte betrifft. Fingerabdrücke können nur in einem Rechtsrahmen unter strikter Beachtung der EU-Vorschriften und Grundrechte abgenommen und dann in einer Datenbank gespeichert werden. In diesem Zusammenhang hat die Kommission eine Klärung des Zwecks dieses Vorgehens gefordert und darauf hingewiesen, dass die Durchführung den Prinzipien der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Um feststellen zu können, ob diese Grundsätze Beachtung finden, ist entscheidend, wie die italienischen Maßnahmen wirklich umgesetzt werden.
Damit sich die Kommission eine genauere Vorstellung von dem rechtlichen Rahmen verschaffen kann, in dem die betreffenden Maßnahmen angewendet werden, hat sie entschieden, sich schriftlich an die italienischen Behörden zu wenden, um zusätzliche diesbezügliche Informationen einzufordern. Am 7. Juli haben die Italiener der Kommission weitere Informationen übermittelt, die genau ausgewertet werden.
Die Kommission ist sich der sozialen Spannungen in Italien bewusst. Im Mai haben wir in dieser Runde über die Lage der Roma in Italien und anderen Ländern debattiert. Zu jener Zeit hat die Kommission betont, dass es unmöglich ist, die realen Probleme der Armut und sozialen Ausgrenzung zu ignorieren, denen die Roma in Italien und anderswo ausgesetzt sind. Gleichzeitig unterstrich sie, dass diese Lage menschliches Leid und soziale Spannung verursache.
Um auf diese Situation zu reagieren, müssen die Kriminalität bekämpft und wirkliche Lösungen für die Probleme der Roma gefunden werden, vor allem für Roma-Kinder, die die ersten Opfer von Armut und sozialer Ausgrenzung sind. Den Roma muss geholfen werden, statt sie zu stigmatisieren. Aus diesem Grund hat die Kommission in ihrem in der vergangenen Woche angenommenen Bericht hervorgehoben, dass die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die Zivilgesellschaft ihre Kräfte bündeln müssen, um die wirksame Koordinierung ihrer Anstrengungen zu garantieren.
Abschließend sei noch Folgendes gesagt: Die Kommission, allen voran Vizepräsident Jacques Barrot, steht weiter in regelmäßigem Kontakt mit den italienischen Behörden, die bis Ende Juli einen vollständigen Bericht zur Sachlage zur Verfügung stellen wollen. Außerdem wird die Kommission weiterhin prüfen, wie die Mitgliedstaaten die Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 in nationale Gesetze übertragen haben und diese in der Praxis anwenden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die italienische Regierung bereit ist, eine Politik der sozialen Eingliederung umzusetzen und gleichzeitig die Grundrechte und das Gemeinschaftsrecht zu achten.
Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kommissar! Verehrte Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei und meiner Kollegin Frau Járóka, die leider verhindert ist, möchte ich Folgendes sagen: Seit Jahrzehnten haben zivilgesellschaftliche Organisationen und Soziologen versucht, auf die außerordentlich schwierigen Lebensbedingungen der in der Europäischen Union lebenden Roma aufmerksam zu machen, deren Zahl und Anteil seit der Erweiterungsrunde 2007 gestiegen ist.
Um eine Lösung für diese Situation zu finden, ist keine Einwanderungspolitik, sondern sind vielmehr Programme für die Förderung der sozialen Eingliederung erforderlich. Die Diskriminierung und soziale Ausgrenzung, unter denen die Roma leiden, müssen unbedingt auf die Tagesordnung gesetzt werden. In der Tat ist es unannehmbar, dass die von den europäischen Roma in Folge jahrhundertelanger Ausgrenzung, Marginalisierung und Ablehnung durch die politische Elite aller Zeiten erlittene Unterdrückung wieder zu einem Werkzeug im parteipolitischen Kampf wird.
Dies steht im Widerspruch zu den Interessen der Roma, der Nicht-Roma und Europas und untergräbt in großem Maße die Autorität des Europäischen Parlaments, wenn es seine Stellungnahmen auf der Grundlage unbestätigter Gerüchte und Annahmen annimmt.
Seit vielen Monaten ist die Lage in Italien problematisch und statt auf wirkliche Maßnahmen zu drängen, verbreiten die Parteien Hysterie und benutzen das Roma-Problem für ihre eigenen kurzfristigen, eigennützigen Interessen. Für sie ist dies ein Leichtes, da die zivilgesellschaftlichen Organisationen der Roma zu schwach sind, um dagegen zu protestieren oder eine Gegenposition zu beziehen. Als der Innenminister der Regierung Prodi, Giuliano Amato, ausdrücklich über den Roma-Notstand sprach, haben meine geschätzten sozialdemokratischen und liberalen Kolleginnen und Kollegen bedauerlicherweise keinen Protest eingelegt.
Ich möchte darauf verweisen, dass das, was gegenwärtig in Italien geschieht, keine ethnische Frage ist und wir gegen Unrecht vorgehen müssen, egal, wer es begeht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Präsident. – Bevor ich Herrn Pitella das Wort erteile, muss ich die Mitglieder, die T-Shirts zeigen – und ich betone: nicht „tragen“, sondern „zeigen“, so wie man Flagge zeigt oder Banner – bitten, diese zu entfernen. Die Geschäftsordnung ist hier eindeutig: Anlage XVI zu Artikel 146 sieht ausdrücklich vor, dass dies nicht geduldet werden kann. Ich fordere sie auf, die T-Shirts zu entfernen. Anderenfalls bin ich gezwungen, sie durch die Amtsdiener entfernen zu lassen oder sogar die Sitzung aufzuheben. Ich fordere daher die Mitglieder auf, die T-Shirts umgehend zu entfernen, da sie wie Poster ausgestellt sind. Das gilt auch für Herrn Ferrari.
Gianni Pittella, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ein Innenminister eines europäischen Landes darf eine Aussprache im Europäischen Parlament nicht als grotesk bezeichnen. Dies ist eine Aussage, die die Würde des Europäischen Parlaments untergräbt. Wir sind nicht glücklich darüber, dass eine Maßnahme der italienischen Regierung in diesem Haus beurteilt werden muss. Aus unserer Sicht soll Europa nicht als Sündenbock für alle nationalen Probleme, noch als Polizei herhalten, die den Premierminister Italiens im Auge behalten muss.
Wir halten es für richtig, die vernünftigen Entscheidungen, die Italien trifft, auf internationaler Ebene aufrechtzuerhalten und zu verteidigen, selbst wenn wir uns in unserem Land in der Opposition befinden. Die italienische Regierung und der Innenminister hätten jedoch erstens nach anderen Mitteln suchen müssen, die sich im Einklang mit europäischen Standards befinden, und zweitens die Europäische Kommission im Voraus informieren müssen, und nicht spät am selben Tag.
Wir bemühen uns seit Jahren um eine Lösung des Roma-Problems, zu dem Ausbeutung Minderjähriger, Betteln, Kleinkriminalität, Raubüberfälle und andere sozial inkompatible Phänomene gehören. Die Lösung liegt jedoch nicht in einer ethnischen Registrierung, sondern in einer speziellen Politik, die die drei Säulen Bürgertum, Zivilisation und Sicherheit zusammenbringt. Die Identifizierung von Roma-Kindern – und nicht nur von ihnen – ist eine Sicherheitsgrundlage für die Beteiligten und wichtig für die Bekämpfung von Kleinkriminalität und Handel mit Minderjährigen. Aber dies kann nicht aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit mit Mitteln wie Fingerabdrücken geschehen, die in die Privatsphäre eingreifen.
Wir sind Kommissar Špidla dankbar für sein Engagement, eine europäische Antwort auf ein größeres europäisches Problem zu finden, und wir bitten ihn, klare Worte für die von der italienischen Regierung getroffenen Maßnahmen zu finden und dem Europäischen Parlament zu berichten. Es ist erstaunlich, dass wir im 3. Jahrtausend, in dem wir eine neue Ära für die Bürgerrechte hätten begrüßen sollen, tatsächlich eine kulturelle Regression erleben. Die Europäische Institution selbst sollte sich gegen ungezügelten Opportunismus einsetzen und die Werte der Zivilisation verteidigen, die Europa in der Welt repräsentiert.
Marco Cappato, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wie bereits erwähnt wurde, wird die italienische Regierung die vollständigen Einzelheiten zu den Maßnahmen bis zum Monatsende übersenden. Zuvor jedoch gibt es einen weiteren Punkt zu bedenken, und zwar den Notstand: Die europäischen Institutionen müssen sich mit diesem Punkt befassen. Erstens muss in Fällen wie diesen, in denen ein Staat den Notstand erklärt, zuerst der Europarat informiert werden. Das scheint nicht geschehen zu sein. Wir fragen Sie, ob Sie informiert worden sind.
Die Erklärung eines Notstands ist bei Naturkatastrophen oder anderen Katastrophen dieser Größenordnung gerechtfertigt. Man kann derartige Fälle definieren – Frau Bauer erwähnte vorhin „von Minister Amato zuvor vorgeschlagene Fälle“. Aber eines ist sicherlich wahr; um es klar auszudrücken: Missmanagement in der Roma-Frage kennzeichnet nicht nur das Vorgehen der Berlusconi-Regierung. Es handelt sich um ein seit Jahren verschlepptes Problem und um jahrzehntelanges Missmanagement. Aus diesem Grund ist die Erklärung des Notstands undenkbar, nicht akzeptabel. Der Notstand, den wir heutzutage erleben, ist, wenn Sie so wollen, die Abwesenheit von Rechtmäßigkeit und Demokratie in einem Land, das am häufigsten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde. Dies ist der Notstand. Ein „Roma-Notstand“ kann nicht erklärt werden, da ein solcher Notstand nicht existiert.
Es gibt ein Problem, das gelöst werden muss. Es muss durch Akzeptanz, Integration und die Investition von Mitteln gelöst werden, nicht durch ihre Verschwendung, wie dies derzeit geschieht, wenn europäische Mittel nicht verwendet werden. Der Einsatz biometrischer Technologie ist keine Lösung, sondern scheint es nur zu sein, und soll die Unfähigkeit der Regierung verstecken, mit diesem Problem fertig zu werden.
Elly de Groen-Kouwenhoven, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Digitale Fingerabdrücke sind eine moderne Variante von Nazi-Methoden, um Zigeuner von anderen Bürgern zu unterscheiden. Die Datenbank mit digitalen Fingerabdrücken ist die brutalste Wiederauferstehung des Rassismus seit 1940/45, denn die Fingerabdrücke sind ein staatlich zugelassener erster Schritt zur Erleichterung von Massenvertreibungen einer ethnischen Gruppe. Die meisten Roma, die die Grenzen eines zunehmend grenzenlosen Europas legal passieren, sind arm und schlecht ausgebildet. Was sie im Wesentlichen benötigen, ist ein Ort, an dem sie bleiben können. Gegen Armut muss vor Ort vorgegangen werden, und nicht durch Vertreibungen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Roma die größte Minderheit in Europa darstellen – nicht weniger als 19 Mitgliedstaaten haben eine Bevölkerung, die kleiner ist als die europäische Gemeinschaft der Roma.
Zur Zeit des Kommunismus hatten die Roma Arbeit und freien Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem. Nach dem Ende des Kommunismus hat sich ihr Lebensstandard verschlechtert. Armut war ein fruchtbarer Boden für Geldbeschaffung. Die Zigeuner-Industrie hat sich entwickelt; Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam und CARE haben als Projektausführende viel Geld verdient. Die Roma jedoch haben kaum davon profitiert und sind, sobald es ihnen möglich war, gen Westen gezogen. Auf Betreiben des Ministerrats hin, die Politiken zu prüfen, um die Integration der Roma zu verbessern, räumt die Kommission in einem Dokument vom 2. Juli die Dringlichkeit dieser Angelegenheit ein. Sie bezieht sich auf die Entschließung des Europäischen Parlaments für eine europäische Rahmenstrategie und erkennt ihre Rolle als Koordinator an – endlich! In dem Dokument mit der Überschrift „Lessons learned“ heißt es, dass für eine wirksame Integration der Roma die vollständige Einbeziehung der Zivilgesellschaft und insbesondere der NRO der Roma Erfolgsfaktoren sind. Die Roma sind Partner geworden! Ich hoffe, dass wir bald sehen werden, wie dies in einer Struktur der Kommission selbst umsetzbar sein wird.
In der Zwischenzeit rate ich der Kommission sehr, den Aktionsplan der OSZE zu lesen. Warum sollten wir das Rad neu erfinden? Zum Schluss möchte ich die Kommission noch auffordern, der italienischen Regierung klarzumachen, dass faschistische Bestimmungen gegen das EU-Recht verstoßen und dass die Opfer unter den Roma, die ihr Eigentum verloren haben, entschädigt werden sollten. Früher hat Italien einmal Mode exportiert, heute exportiert es Rassismus.
Roberta Angelilli, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Aussprache verschafft mir die Möglichkeit, einige Fragen an die Linke zu richten, die die kluge Idee hatte, das Europäische Parlament zu nutzen, um zum x-ten Male in einer völlig unangemessenen, fadenscheinigen und vorschnellen Weise die Anwendung eines italienischen Gesetzes, das sich noch in Vorbereitung befindet, zu verurteilen.
Die erste Frage lautet also: Wo war die Linke, die Jahrzehnte lang die Regierung stellte, als diese illegalen Lager eingerichtet wurden und sich unter Bedingungen ausbreiteten, die von einem absoluten Mangel an elementarsten Hygiene- und Sicherheitsstandards gekennzeichnet waren? Ich möchte Sie ferner fragen, ob Ihr Schweigen während all dieser Jahre Sie nicht wie eine Gefangenenkette aus Gleichgültigkeit und Scheinheiligkeit herunterzieht, weil Sie offensichtlich keine Augen dafür hatten, oder kein politisches Interesse, dass alljährlich Dutzende Kinder an Erkältung starben oder an Verbrennungen aufgrund von mangelnder Sicherheit in diesen Barackensiedlungen.
Vielleicht interessiert es Sie nicht einmal, dass in Rom mit seinen fast 7 000 Roma-Kindern Millionen Euro für Schulzwecke vorgesehen sind: verschwendete Gelder, da letztes Jahr nur 25 % dieser Kinder regelmäßig in die Schule gingen. Wer weiß, ob Sie wissen oder vorgeben, nicht zu wissen, dass diese Schulprojekte fast wie ein Monopol an einige Organisationen vergeben wurden, die nicht so sehr von den Interessen der Minderjährigen, sondern vom Interesse an öffentlichen Geldern geleitet waren.
Ich halte das Recht der Roma auf eine Volkszählung aufrecht, wie sie regelmäßig für alle Bürger Italiens durchgeführt wird. Denn eine Volkszählung ist eine Garantie für das Recht auf Gesundheit, soziale Teilhabe und Integration in das Schulsystem. Ich halte ferner das Recht der Roma-Gemeinschaft auf Identitätsprüfung aufrecht. Es existieren offensichtlich keine Pläne für breite Maßnahmen: Niemand, der sich im Besitz ordentlicher Papiere befindet, wird geprüft. Aber ein Kind, das bei der Geburt nicht registriert wird und keine nachweisbare Identität hat, wird unsichtbar und ist leicht ein Opfer für jegliche Form der Ausbeutung: Organhandel, illegale Adoption, sexuelle Ausbeutung und Kinderarbeit. Dies trifft auf alle Kinder zu, die in Italien leben: italienische und EU-Staatsbürger und Nicht-EU-Staatsbürger.
Abschließend ein paar Worte zum Titel Ihrer mündlichen Anfragen. Im Gesetz werden weder ethnische Gruppen erwähnt, noch existieren Pläne für spezielle Datenbanken, z. B. Fingerabdruck-Datenbanken für Roma. Natürlich sind bessere Vorschläge immer willkommen: Wir sind für konstruktive Vorschläge offen. Wir lassen uns jedoch von niemandem belehren, der Jahr für Jahr keinen Finger gerührt hat, um einem ernsthaften sozialen Notstand abzuhelfen.
Vittorio Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist jetzt genau 70 Jahre her, dass das faschistische Regime in Italien am 14. Juli 1938 die Rassengesetze in Kraft setzte, die den deutschen Rassengesetzen entsprachen. Wir kennen unsere Geschichte: Mehr als 500 000 Roma wurden in Todeslagern umgebracht. Auch damals fing alles mit einer Volkszählung an.
Wir sind in Italien Zeugen einer umfassenden Erstellung ethnischer Profile aller Roma, einschließlich Kinder und Bürger der Europäischen Gemeinschaft und selbst italienischer Staatsbürger. Ihnen werden Fingerabdrücke abgenommen, obwohl bereits Daten über sie registriert sind. Zu der Befragung, die in Neapel durchgeführt wird, Frau Angelilli, gehören Fragen zur Religion und zur ethnischen Herkunft. Sie ähnelt sehr der Befragung, die das Vichy-Regime unter der Nazi-Okkupation verwendete. In Mailand wurde ein Datensatz über einen alten Roma erstellt, einem italienischen Staatsbürger und Überlebenden der Deportation in ein Nazi-Konzentrationslager. Wofür werden diese Daten verwendet?
Im italienischen Parlament hat Alessandra Mussolini, die Enkelin des Duce, den Vorsitz über das Kinderkomitee – das Schweigen dazu ist ein Zeichen für eine totale Gleichgültigkeit. Das ist eine Koinzidenz, die die symbolische Verbindung zwischen der Gegenwart und einer Vergangenheit zeigt, von der wir dachten, sie sei in Italien und Europa tot und begraben. Und doch erhebt sie heute wieder ihr hässliches Antlitz.
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber es besteht kein Zweifel daran, dass die italienische Regierung rassistische Verfahren eingeleitet hat, die eindeutig gegen die Richtlinien 2000/43/EG und 2004/38/EG verstoßen. Ich appelliere an das Parlament, diese Entschließung zu verabschieden und die italienische Regierung zu verurteilen, und ich appelliere an die Kommission, als dringliche Angelegenheit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten.
Stefano Zappalà (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es besteht kein Zweifel daran, dass die italienische Ultralinke jetzt faktisch dieses Parlament lenkt. Gemäß einer schlechten Praxis, die sich nun etabliert hat, nutzen die Parlamentarier des ultralinken Flügels sowie die Grünen den Plenarsaal in Straßburg als Mittel, um die italienische Regierung zu attackieren.
Die Sozialisten und Liberalen wurden durch die Volksabstimmung letzten April von der politischen Bühne gefegt und finden hier noch bessere Möglichkeiten für die Verbreitung ihrer nationalen Lügen. Gemeinsam greifen sie die legitime Regierung eines großen und eindeutig pro-europäischen Mitgliedstaats an, die von 60 % der italienischen Bevölkerung gewählt wurde und unterstützt wird. Und dann wundern wir uns über die Ergebnisse in Irland!
Diese gesamte Frage, Herr Präsident, Herr Kommissar Špidla, ist eine nationale Angelegenheit, die nicht in den Kompetenzbereich der EU fällt. Nichtsdestoweniger hat die italienische Regierung der Kommission zu jeder Zeit jegliche an sie vermittelte Erklärungen bereitgestellt. Ich bitte Sie, Herr Kommissar, dringend, den Zeitungen weniger Aufmerksamkeit zu schenken und stattdessen die Dokumente zu beachten, die die italienische Regierung offiziell weiterleitet.
Die Anordnungen beziehen sich weder auf die Roma noch auf die Erhebung von Fingerabdrücken, sondern auf Nicht-EU-Bürger und Nichtsesshafte, von denen manche seit einiger Zeit aufgrund von Kriminalität polizeilich erfasst sind. Wir müssen uns hinsichtlich der Identität von Menschen Klarheit verschaffen, damit wir ihnen Zugang zu Schulen, Sozialhilfe, zur Gesundheitsversorgung und zu Unterkünften geben können. Diese Anordnungen haben keinen Bezug zur ethnischen Herkunft, ihre Gültigkeit ist nicht unbegrenzt und sie betreffen nicht das gesamte Gebiet Italiens, sondern nur bestimmte Fälle.
Selbst der Kommissar für Menschenrechte des Europarats hat am 19. und 20. Juni das ernste Problem angesprochen, das mangelnde Identitätsdokumente darstellen. Unser Ziel ist es, Identifikationsübersichten durchzuführen, wie sie in vielen Staaten und in ganz Europa im Hinblick auf Reisepapiere und Aufenthaltsgenehmigungen genehmigt und erforderlich sind, und zu diesem Zweck beschreibende, fotografische und anthropometrische Systeme einzusetzen. Diese Maßnahmen – insbesondere jene, die sich auf Minderjährige beziehen – genießen die Unterstützung durch die italienische Justiz und werden in Zusammenarbeit mit dem italienischen Roten Kreuz und anderen umgesetzt.
Ich könnte hier fortfahren, aber ich möchte an dieser Stelle meiner Kollegin sagen, dass ich es mir nicht hätte träumen lassen, dass ich im Zusammenhang mit ihrem Land von Rassismus sprechen würde. Ich möchte sie daran erinnern, dass Italien seit 3 000 Jahren Kultur exportiert und dies auch weiterhin tun wird. In diesem Zeitraum wurde in Italien außerdem eine fortschrittliche Zivilisation gegründet, in der wir auch heute noch leben, während die Menschen in vielen anderen Ländern noch unter primitiven Bedingungen lebten.
Adrian Severin (PSE). – (EN) Herr Präsident! Wir sprechen nun schon zum vierten Mal innerhalb weniger Monate über dasselbe Thema. Die Ergebnisse sind bescheiden, so bescheiden wie die Anwesenheit in diesem Parlament heute Abend. Vielleicht ist das per se schon schockierend und Anlass zur Sorge.
Das Volk der Roma ist eine pan-europäische, ethnokulturelle Gemeinschaft, die keinen Nationalstaat hat. Roma hat es in Europa schon gegeben, als die europäischen Nationalstaaten gegründet wurden. Diese Staaten haben sie immer im Elend gehalten, wenn nicht gar in Sklaverei, oder sie in Konzentrationslager geschickt.
Die EU-Erweiterung war die letzte Handlung zur Befreiung der Roma. Heute sind Roma Bürger Europas. Vielleicht sind sie absolut gesehen die wahrsten europäischen Bürger, denn sie sind nur Europäer. Ihre kulturelle, soziale und wirtschaftliche Integration ist eine Herausforderung für Europa.
Aus diesem Grund müssen wir die Roma-Politik unter Gemeinschaftsrecht stellen. Eine Strategie, die den Staaten lediglich Empfehlungen gibt, ihnen jedoch die endgültige Entscheidung und die endgültige Verantwortung überlässt, funktioniert schlicht und einfach nicht.
Andererseits ist das, was wir heute in Italien erleben, die hässlichste Seite des gefährlichen Phänomens der Renationalisierung Europas. Es ist der nationale, populistische Ausdruck dieses Phänomens. Die Italiener haben in der Tat das Recht, sich nicht fürchten zu müssen, doch ist die derzeitige rassistische Politik der Regierung für einen italienischen Bürger wohl außerordentlich beängstigend.
Heute Fingerabdrücke, morgen Zwangsarbeit, übermorgen Konzentrationslager – und dann nicht nur für die Roma, sondern für jede beliebige andere Gemeinschaft.
Wir haben die Kommission gebeten, die Übereinstimmung der italienischen Gesetzgebung mit den EU-Standards zu prüfen. Nichts ist passiert. Die Prüfung wurde vertagt, um zunächst die Annahme der Vorschriften abzuwarten. Jetzt hat sich die Lage verschlechtert. Wir müssen handeln und die Instrumente, die uns durch die Verträge zur Verfügung gestellt werden, nutzen, um diese gefährlichen, rassistischen Entwicklungen in Italien zu stoppen und damit ähnliche Ansätze anderswo zu unterbinden.
Wir dürfen keinen weiteren Holocaust abwarten, bevor wir neue Referenden zur Unterstützung der europäischen Integration organisieren.
Adina-Ioana Vălean (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Heute führen wir im Parlament eine weitere Aussprache über den Umgang Italiens mit den Roma. Dieses Mal ist die derzeitige Nummer eins nichts weniger als der von der italienischen Regierung ausgerufene Notstand, die Volkszählung der Roma und die Abnahme von Fingerabdrücken vor ihrer Ausweisung.
Heute appelliere ich erneut an die Kommission und den Rat, zu handeln. Genug der Versprechen: Wir wollen jetzt sehen, dass der Rat und die Kommission konkrete Maßnahmen ergreifen, damit Italien sich an die Gesetze und Werte der EU hält. Wir brauchen eine Bewertung der Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie wie wir sie auch für die Freizügigkeitsrichtlinie durchführen. Wir müssen den integrierten Ansatz stärken und die Umsetzung der EU-Roma-Strategie beschleunigen.
Uns stehen alle Instrumente zur Verfügung, aber es scheint, als gäbe es bei ihrer Anwendung eine gewisse Scheu, wenn es um die Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten gegenüber der Sicherheit geht.
Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, seit Italien mit braunem Populismus gefärbte unangemessene und schockierende Sicherheitsmaßnahmen formuliert hat. Braun scheint jetzt schwarz zu werden.
Werden sie auf Italiens Straßen wirklich Roma jagen? Wird Europa weiter als schweigender Komplize zusehen?
Mario Borghezio (UEN) . – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine ernste Angelegenheit, dass wir aus Gründen, die allein mit der Politik Italiens zusammenhängen, nicht in der Lage sind, die erforderlichen Maßnahmen in Ruhe zu untersuchen. Es wurde gesagt, dass kein Notstand erklärt wurde. In der Tat scheint es mir so zu sein, dass die Regierung Prodi durch von Minister Amato vorbereitete Maßnahmen den Notstand und die Notwendigkeit erklärt hatte, Schritte in Bezug auf die Roma einzuleiten. Die gegenwärtige Regierung Italiens hat nichts dergleichen getan, sondern führt lediglich eine Volkszählung durch. Dies entspricht dem Inhalt der Briefe, die der Europäischen Kommission zugestellt und von ihr untersucht wurden. Diese konnte nicht mehr tun als ihren Wahrheitsgehalt anzuerkennen. Denn politische Spekulationen sind eine Sache, die Wahrheit eine andere, die mehr Substanz hat.
Die Maßnahmen gehen jeden etwas an. Möglicherweise gibt der ein oder andere vor, die Wahrheit nicht zu kennen, die da lautet, dass in den Lagern der Nichtsesshaften Minderjährige wie Phantome leben: Sie haben keine Identität – und ist Identität nicht ein Menschenrecht? Sie erhalten keine Impfungen, könnten selbst dann nicht in die Schule gehen, wenn sie es wollten, da sie daran gehindert werden, und so wird, wie wir alle nur zu gut wissen, stattdessen Handel mit ihnen betrieben.
Es wurde keine Datenbank eingerichtet. Es existieren klare und spezifische Regelungen darüber, dass Datenbanken nur entsprechend dem Datenschutz benutzt werden dürfen. Es geht nicht um Datensätze, auf die jeder Zugriff hat: Die Daten werden nur nach Maßgabe der Notwendigkeit gesammelt. Als die Richter die Daten der Minderjährigen notierten, wurde dies als Standardvorgang betrachtet.
Letztlich traf die Regierung die weise Entscheidung, das Gesetz durch das italienische Rote Kreuz umzusetzen. Nicht die SS geht in die Lager, sondern das italienische Rote Kreuz, das weltweit für seine Kompetenz und Sensibilität bei der Unterstützung marginalisierter und verfolgter Menschen in der ganzen Welt bekannt ist.
Umberto Guidoni (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Bei dem Vorschlag, Fingerabdrücke der Roma, auch der Kinder, zu sammeln, geht es grundsätzlich um eine Sache: die Erstellung ethnischer Profile eines Volkes.
Diese Initiative der italienischen Regierung weckt Erinnerungen an dunkle Zeiten und an die tragischen Ereignisse, die in der Vergangenheit in Europa stattgefunden haben und die wir am liebsten für immer der Geschichtsschreibung überlassen würden. Das Gesetz ist verabscheuungswürdig, es verletzt Menschenrechte und die fundamentalen Rechte, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind. Der Innenminister zeigt, dass er die europäischen Richtlinien nicht einmal kennt, wenn er verlangt, dass allen Nicht-EU-Bürgern Fingerabdrücke abgenommen werden müssen und gleichzeitig behauptet, er handele in Übereinstimmung mit Verordnung (EG) Nr. 380/2008. Die Roma, die in Italien leben – und insbesondere die Kinder – sind fast alle italienische oder zumindest EU-Staatsbürger.
Wenn das Problem, das es zu lösen gilt, also die unmenschlichen Bedingungen in den Lagern sind, weil z. B. die Kinder mit Ratten leben müssen, wie der Minister sagt, dann sollte er uns erklären, inwiefern die Abnahme von Fingerabdrücken eine Lösung dafür darstellen soll, wenn selbst der Präfekt von Rom das für unnötig hält. Wenn die italienische Regierung tatsächlich um die Lebensbedingungen Minderjähriger besorgt ist, dann sollte sie Maßnahmen für die Gesundheit der Lagerbewohner, Förderung der sozialen Teilhabe und Integration und Förderung des Schulbesuchs und des Eintritts in das Arbeitsleben ergreifen. Die Erstellung ethnischer Profile einer Minderheit begünstigt dagegen die Gefährdung der Zukunft von Minderjährigen, steht einer Aussicht auf Integration entgegen und führt paradoxerweise zu einer Kriminalisierung dieser Menschen.
Die extreme Linke sagt nicht das Gleiche wie ich. Ich schließe mit einem Zitat aus dem katholisch orientierten Wochenmagazin „Famiglia Cristiana“: „Heute zeigt der Polizeistaat mit der Erfassung von Fingerabdrücken den Roma-Kindern, die italienische Staatsbürger sind, seine härteste Seite. Warum zeigt er nicht die gleiche Entschlossenheit, wenn es um die Bekämpfung echter Kriminalität in großen Gebieten unseres Landes geht? Vielleicht, weil sich politisch daraus weniger Kapital schlagen lässt?“
Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). – (RO) Die Lage von Minderheiten in Rumänien war während der Beitrittsverhandlungen eines der am heftigsten diskutierten Themen.
So erarbeiteten die rumänischen Behörden eine von der Europäischen Kommission genehmigte und überwachte Integrationsstrategie für die Roma. Diese Strategie umfasst eine Reihe von Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Bildung und des Zugangs zum Arbeitsmarkt, die in jeder Hinsicht den europäischen Normen entsprechen.
Seit 2004 sind einige Roma gemäß dem Prinzip der Freizügigkeit in andere Länder der EU gereist. Ich bestreite nicht, dass manche von ihnen die Gesetze der Staaten, in die sie gefahren sind, verletzt haben. Für ihre Handlungen müssen sie sich vor dem Gesetz verantworten.
Dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Forderungen an Rumänien ab jetzt auch für andere EU-Mitglieder gelten sollten: kohärente Integrationsprogramme auf der Grundlage europäischer Prinzipien. Diese Programme sollten keinesfalls solche diskriminierenden Maßnahmen enthalten, wie die kürzlich von der italienischen Regierung gebilligte Entscheidung über die Abnahme von Fingerabdrücken oder Zwangsmaßnahmen gegen ehrliche Bürger.
Eine solche Haltung kann – und ich fürchte, das ist schon gesehen – ein negatives, unerwünschtes Bild von anderen EU-Bürgern erzeugen, die in Italien leben und arbeiten und die in den Gemeinden, in denen sie leben, geschätzt werden.
Ich fordere den französischen Vorsitz auf, alle diese Aspekte zu berücksichtigen und in seine Halbjahresagenda eine wirklich europäische Politik für die Integration der Roma aufzunehmen. Ich fordere die Kommission auf, systematisch Informationen über die Lage der Roma zu präsentieren, aus denen konkrete Schritte für die Integration, die soziale Eingliederung, Möglichkeiten, in denen europäische Mittel verwendet worden sind, sowie die erzielten Ergebnisse hervorgehen.
Aus diesem Anlass wende ich mich auch an die Nichtregierungsorganisationen, die das Volk der Roma vertreten und ersuche sie, die Bürger, deren Interessen sie verteidigen, zu informieren und anzuhalten, die bislang von der EU und den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Instrumente möglichst effizient zu nutzen.
Kristian Vigenin (PSE). - (BG) Herr Präsident! Herr Kommissar! Das gemeinsame Vorgehen verschiedener politischer Fraktionen zur Verteidigung der Menschenrechte und der Menschenwürde ist ein Beispiel für die Reife unseres Parlaments. Bedauerlicherweise hat sich die PPE-Fraktion nicht dem gemeinsamen Entschließungsentwurf angeschlossen, aber sie hat die Chance, ihn mit ihrer Stimme zu unterstützen. Wir dürfen nicht einfach zusehen, wie Grenzen, die nach dem zweiten Weltkrieg als unantastbar galten, überschritten werden.
Der Plan der italienischen Regierung, eine Datenbank mit biometrischen Daten für die Roma einzurichten, ist eine weitere provokatorische Maßnahme nach Berlusconis Rückkehr an die Macht. Ich möchte nur an seine Feststellung erinnern, Einwanderer seien eine Armee des Bösen, sowie an die Entscheidung, illegale Einwanderung zu kriminalisieren. Darin zeigt sich die absolute Unfähigkeit, das Problem zu begreifen, und die Orientierung in eine völlig falsche Richtung. Durch den Plan werden die Roma in einer Art und Weise behandelt, die Integration nicht fördert, sondern entsprechende Möglichkeiten zunichte macht. Praktisch wird dadurch eine Lösung in Isolation und Segregation gesucht; es werden romafeindliche Haltungen erzeugt und die Ängste der Öffentlichkeit geschürt. Und wir alle haben gesehen, wohin dies führt. Erinnern wir uns an die jüngsten Ereignisse in Rom und Neapel. Öl ins Feuer zu gießen, bedeutet, dass man entweder mit Absicht versucht, ein größeres Feuer zu entfachen, oder nicht weiß, was man anrichtet.
Die Roma bilden die größte Minderheit in Europa, die wahrscheinlich die stärkste Diskriminierung erfährt. In den meisten Fällen haben die Roma keinen Zugang zu ausreichender Gesundheitsversorgung, öffentlichen Dienstleistungen, Schulen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Lösungen für diese Probleme zu finden, ist eine europaweite Herausforderung, und bislang ist dies keinem Land im Alleingang gelungen. Auch Italien wird keinen Erfolg haben. Darum sollte eine Lösung in Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Behörden sowie durch Koordinierung und Unterstützung auf europäischer Ebene gesucht werden. Aus diesem Grund muss die Europäische Kommission eine klarer formulierte Politik für die Roma entwerfen, die mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet ist. Der Plan der italienischen Regierung verstößt gegen Grundprinzipien der Europäischen Union und steht im Widerspruch zu Artikel 12 und 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Als Hüterin der Verträge sollte die EU-Kommission im Falle der Verletzung durch einen Mitgliedstaat kompromisslos handeln.
Abschließend möchte ich nur daran erinnern, dass die Politik der Eingliederung der Roma eine der zentralen Fragen war, anhand derer die EU-Tauglichkeit meines Heimatlandes bewertet wurde. Herr Kommissar! Ich frage Sie, wie hätten Sie reagiert, wenn Bulgarien den italienischen Plan auf seine Roma angewendet hätte? Und wenn Sie heute die italienische Politik für annehmbar erklären, wie wird sich Ihrer Meinung nach Ihr Standpunkt auf die Einwanderungspolitik in Bulgarien auswirken?
Gianluca Susta (ALDE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte es ernsthaft vorgezogen, bei der Debatte heute Nachmittag nicht zugegen gewesen zu sein. Die verspätete Kehrtwende von Minister Maroni, der die Flammen des Rassismus in Italien schürt und gleichzeitig wie ein Amateur-Feuerwehrmann angesichts des verärgerten Kommissars Barrot versucht, sie in Europa zu löschen, ist die einzige wirklich groteske Situation, die wir momentan in Europa erleben.
Der Roma-Notstand in Italien, Frau Angelilli, richtet sich vor allem gegen die Roma in Rom, Neapel und auch in Mailand. Natürlich gibt es einen breiten Sicherheitsbedarf, da die Regierung – wie die anderer europäischer Länder auch – mit Kriminalität zu tun hat und nicht mit angemessenen Ressourcen wie Personal oder Richtlinien zur Verhinderung sozialer Missstände reagiert. Dadurch entsteht eine Situation, von der die Mafia und Kleinkriminelle profitieren.
Wir können nicht tolerieren, dass der in der Nachwahlkampfphase entstandene Bedarf, die unzufriedenen Ränder der Mehrheit zufrieden zu stellen, 60 Jahre konstitutioneller Freiheit bedroht. Europa kann und darf das nicht hinnehmen.
(Protest)
Der Präsident. – Entschuldigen Sie, Herr Susta, was geht hier vor? In diesem Haus sind keinerlei Einschüchterungen anderer Mitglieder gestattet. Bitte verlassen Sie den Saal.
Gianluca Susta (ALDE). – (IT) Europa kann und darf Diskriminierung gegen Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit nicht tolerieren. Daher müssen wir in Europa, in diesem Parlament, das als grotesk bezeichnet wurde, aufmerksam darüber wachen, dass die Gleichheit der Bürger garantiert ist und vielleicht sogar auch darüber, dass die gleichen Mittel für jeden in dieser bereits für nächstes Jahr geplanten Volkszählung angewendet werden. Insbesondere müssen wir dafür sorgen, dass Minderjährige und Arme unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Menschen oder Bürger das Recht auf Bildung, Gesundheit und Würde gewährt wird.
Reinhard Rack (PPE-DE). - Herr Präsident! Menschenrechte sind unteilbar. Die Zugehörigkeit zu einer Ethnie darf kein Grund für Diskriminierung sein, genauso wenig wie Hautfarbe, Geschlecht, Religion, sexuelle Präferenz und Ähnliches. Das ist eine wesentliche Errungenschaft unserer europäischen Rechtsgemeinschaft. Zum Selbstverständnis unserer europäischen Rechtsgemeinschaft gehört allerdings auch, dass wir die Gleichheit vor dem Gesetz ernst nehmen, und das heißt, dass wir für Fragen der sozialen Unterstützung, der Schulbildung, des Arbeitsmarktes, aber auch der Verbrechensbekämpfung allgemeine Gesetze haben und sie anwenden – ohne Diskriminierung. Die Identitätsfeststellung ist Voraussetzung für viele dieser Politiken. Auf diese rechtliche Seite des so genannten Roma-Problems hat Kommissar Špidla zu Recht verwiesen. Er hat auch gesagt, dass er nicht auf Zuruf der Presse agieren will, sondern von der italienischen Regierung Aufklärung verlangen wird. Das ist eine richtige Vorgangsweise.
Neben der rechtlichen Seite gibt es das menschliche Leid. Viele Roma und dort wiederum viele Kinder leben in bitterer Armut, sind nicht integriert, haben wenig oder keine Chancen in unserer Gesellschaft. Hier ist Hilfe angebracht. In meiner Heimatstadt Graz haben wir seit Jahren eine intensive Diskussion um Bettelei von Roma und eine Diskussion mit den Roma, wie man aus dieser schwierigen Situation herauskommen kann oder zumindest das Beste daraus machen kann. Eine der Lösungen: Wir Grazer Bürger finanzieren Arbeitsplätze in der Slowakei, in den Herkunftsländern dieser Roma, und wir schaffen es auf diese Weise, zumindest sehr viele Kinder von der Bettelei, von der Straße wegzubringen. Wir müssen mehr tun, wir werden mehr tun!
Es gibt ein letztes Problem beim Bereich der Roma. Das betrifft uns. Es gibt ein Problem der Politik. Mit dem Thema, mit diesen Menschen und ihrem Leid, kann man Politik machen, populistische Politik vor Ort und – wie unsere Debatte hier heute auch zeigt – leider auch europäischen Populismus.
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). - (ES) Herr Präsident! Die Zigeuner, eine der ältesten Volksgruppen in Europa, verdienen die Aufmerksamkeit der Europäischen Union, die sie bisher nicht erhalten haben. Was gegenwärtig in Italien geschieht, ist selbstverständlich nicht zu dulden. Wir lehnen dieses Vorgehen vehement ab, da es dabei um rassenbasierte Gesetze geht, die eine bestimmte ethnische Gruppe kriminalisieren.
Allerdings muss klar werden, dass es nicht ausreicht, diese Praxis zu unterbinden, als ob man das Problem lösen würde, indem man dem, was wir jetzt kritisieren, einen Riegel vorschiebt. Nein! Tatsache ist – und das müssen wir verurteilen –, dass dahinter gravierende soziale Probleme stecken, vor denen manche Regierungen und die Europäische Kommission selbst zu lange die Augen verschlossen haben, obgleich sie die Macht besaßen, etwas dagegen zu unternehmen.
Wir brauchen eine europäische Politik – in Verbindung mit Verpflichtungen, Ressourcen, Initiativen und Maßnahmen –, die den Problemen, mit denen wir hier zu tun haben, gewachsen ist. Die Kommission muss in der Frage der sozialen Eingliederung der Roma, der Zigeuner, proaktiv vorgehen. In ganz Europa gibt es positive Beispiele (in Spanien beispielsweise im Bildungsbereich). Ja, es gibt sie, aber dennoch haben wir Probleme, die gelöst werden müssen.
Wir haben stundenlang über die europäische Staatsbürgerschaft diskutiert. Es ist an der Zeit zu begreifen, dass diese für alle gilt, ungeachtet der Rasse.
Vito Bonsignore (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament wird gegenwärtig wie eine dritte Kammer des italienischen Parlaments für eine Debatte benutzt, die auf falschen Zeitungsnachrichten basiert. Die Kommission untersucht diese Angelegenheit noch und wird auf Initiative der Regierung bis zum Monatsende einen Bericht vorlegen.
Die italienische Regierung hat niemandes Rechte verletzt, insbesondere nicht die von Minderjährigen oder Kindern. Und Minister Maroni hat bereits mehrere Male gesagt und versichert, dass keine Datenbank eingerichtet wird und dass alle Daten in voller Übereinstimmung mit den Datenschutzgesetzen verarbeitet werden. Ferner handelt es sich um eine vorübergehende, auf einen kurzen Zeitraum beschränkte Maßnahme. Minister Maroni hat auch bekräftigt, dass die Volkszählung unter Nichtsesshaften und Minderjährigen, die in den Lagern der Nichtsesshaften leben, in vollständiger Übereinstimmung mit dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ausgeführt wird und dem Ziel dient, gemäß den Zivilschutzgesetzen Schul- und Integrationsprogramme für Kinder und Heranwachsende umzusetzen.
Ich bedauere zutiefst, dass die verschiedenen linken Kräfte wieder einmal eine Kontroverse vor das Europäische Parlament gebracht haben, die gänzlich in die Sphäre Italiens gehört. Ich bin davon überzeugt, dass in vielen Hinsichten verspätet gehandelt wurde. Die Herausforderung besteht. Der Notstand ist Tatsache und wurde von vielen Mitgliedern, die sich geäußert haben, anerkannt. Er wurde jedoch nicht von den Vorgänger-Regierungen der Berlusconi-Regierung und auch nicht von vielen großen Stadtverwaltungsbehörden anerkannt. Wenn der Bericht am Ende des Monats vorliegt, werden wir sehen, wie opportunistisch die Position der Linken ist. Freunde auf der Linken, ihr seid zu früh gestartet und habt eure Sache nicht gut gemacht, da ihr nicht ausreichend Informationen hattet.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich bin weder Italienerin noch bin ich links. Wenn ich also von Herr Zappalà und Frau Angelilli gebeten werde zu akzeptieren, mit der italienischen Notverordnung werde ein guter Zweck verfolgt, nämlich um sicherzustellen, dass die Gemeinschaft der Roma angemessene öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen kann, so habe ich meiner Meinung nach auch das Recht, das angesichts der populistischen und bösartigen Rhetorik, die diese Frage in den vergangenen Wochen begleitet hat, anzweifeln zu dürfen. Die Abnahme der Fingerabdrücke nur von Roma ist diskriminierend und mit Sicherheit illegal – haben wir die Nazi-Vergangenheit und die faschistische, rassistische Verfolgung vergessen?
Ich denke, Kommissar Špidla hat ein angemessenes Engagement für die Verfolgung diskriminierender Behandlungsweisen gezeigt und zieht das hoffentlich auch durch: Er würde den guten Ruf der Kommission angesichts des Beispiels von Franco Frattini, der uns erst vor wenigen Wochen ermahnt hat, über Gerechtigkeit und Gleichheit zu wachen und nun die Vorurteile verteidigt, wiederherstellen. Wir brauchen eine europäische Roma-Strategie, die über die Mittel verfügt, den Status, die Bildung und die Integration der Roma zu verbessern, anstatt sie zu marginalisieren und zu stigmatisieren. Wenn wir eine gemeinsame Agrarpolitik haben können, dann können wir doch sicher auch eine gemeinsame Politik für die Roma haben.
Carlo Casini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die moderne Kultur der Menschenrechte stellt das Mensch-Sein im Vergleich zum Bürger-Sein heraus. Diesem Prinzip entspricht auch, dass Ausländer, staatenlose Personen oder Nichtsesshafte wie Bürger im Hinblick auf ihre fundamentale menschliche Würde behandelt werden. Dies setzt eine besondere Solidarität mit den Schwächsten, insbesondere den Kindern, voraus.
Diese Sensibilität kann jedoch nicht als gültige Entschuldigung dafür herhalten, dass das Europäische Parlament als Bühne für die absurdesten Anschuldigungen, nämlich des Rassismus, gegen die nationale Regierung verwendet wird. Diese erklärt – dies ist zumindest der Kontext der Dokumente, über die wir hier sprechen –, dass sie sich nicht nur um die öffentliche Ordnung kümmert, sondern auch um den Schutz von Kindern und zwar von Kindern, die in nomadischen Gemeinschaften leben und in Situationen, in denen dringender Handlungsbedarf besteht.
Die Antwort auf die eingereichten Anfragen kann ganz einfach gefunden werden: Es reicht, die durch die italienische Regierung verabschiedeten Gesetze zu lesen, die sich, wie bereits gesagt wurde, auf drei Gebiete von zwanzig beziehen. Es mag Sie überraschen, dass die Wörter „Roma“ und „Fingerabdrücke“ darin nicht erwähnt werden. Es ist nicht wahr, dass ausdrückliche Regelungen für die Registrierung aller Personen einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit existieren oder dass eine Volkszählung mit militärischem Charakter durchgeführt werden soll. Die Befugnisse, mit denen die Polizei ausgestattet ist, berücksichtigen humanitäre und Wohlfahrts-Aspekte und – zumindest ist dies die erklärte Absicht – zielen auf Förderung, Integration – insbesondere im Hinblick auf die Schulpflicht der Minderjährigen – ab.
Natürlich könnte sich der eine oder andere Sorgen machen, dass diese Maßnahmen mit Hilfe militärischer oder repressiver Mittel durchgesetzt werden könnten. Daher ist es richtig, darauf zu hoffen, dass die Priorität – und zwar im Geiste enger Zusammenarbeit – auf positiven Schritten und Schritten hin zu Unterstützung, Aufnahme, Integration – insbesondere im Hinblick auf Kinder – liegen wird, ungeachtet der Verpflichtung zur Durchsetzung der Gesetze, die für jegliche öffentliche Institution gilt. Es ist nicht vernünftig, mehr zu erwarten.
Fabio Ciani (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedauere die Vorgänge von vorhin. Ich hatte sicherlich nicht die Absicht, ein anderes Mitglied einzuschüchtern, und ich bitte um Entschuldigung. Sie behauptete jedoch, dass wir nicht wüssten, wovon wir redeten, und daher wollte ich ein Beispiel für eine Registrierungskarte geben, die ich hier vorlesen werde.
Dies ist die Registrierungskarte und keine Fälschung: „Polizeilicher Kommissar für den Nichtsesshaften-Notfall und die Nichtsesshaften-Siedlungen in der Region Kampanien: Volkszählung, Zentralstelle für Milch, Familie, Nachname, Vorname, Geburtsdatum, Religion, ethnische Herkunft“. „Religion“ und „ethnische Herkunft“ – das bedeutet Rassismus. Diese Punkte widersprechen allen Bestimmungen der Verordnung (EG) 2043. Wenn Identifikation durch Fingerabdruck mit Bezug auf Verordnung (EG) 380/2008 gerechtfertigt wird, dann möchte ich darauf hinweisen, dass sich diese Verordnung auf Angehörige von Drittstaaten bezieht. In den Roma-Siedlungen in Italien sind drei Viertel der Roma Rumänen und die anderen Roma und Sinti sind italienische Staatsbürger.
Wir müssen das Leben und die Zukunft der Roma und ihrer Kinder schützen, insbesondere derjenigen, die von Kriminalität und Aussetzung bedroht sind, statt ganze Gemeinschaften zu diskreditieren oder unter Generalverdacht zu stellen. Es besteht ein hohes Risiko in Italien, dass Vorurteile geschürt werden.
Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Ich möchte mich nur kurz zur Lage der Roma äußern, über die wir diskutieren.
Ich stamme aus einem Land, der Slowakei, in dem wir kürzlich die Sprache der Roma zu einer kodifizierten Sprache, einer normalen Minderheitensprache, erklärt haben und in dem uneingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung und zum Bildungssystem besteht. Ob Roma-Kinder die Schule besuchen oder alle die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten umfassend nutzen, ist eine andere Frage.
Dank Sozialversicherungsleistungen entfaltet sich diese Minderheit dynamisch und stellt eine der zahlenmäßig sich am schnellsten entwickelnden Minderheiten in der Slowakei dar. Mit mehreren Millionen ausgestattete Integrationsprogramme und Programme für die Lösung von Wohnungsproblemen stehen zur Verfügung. Nach meinem Dafürhalten befindet sich die italienische Regierung in einer ähnlichen Situation und sucht Solidarität für die Armen, Kinder und Jugendlichen und möchte natürlich gleichzeitig die öffentliche Ordnung wahren, derer es bedarf, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Selbstverständlich überschreitet man mit der Abnahme von Fingerabdrücken meiner Ansicht nach die Grenzen des Erlaubten.
Martin Schulz (PSE). - Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist viel Richtiges gesagt worden, meiner Meinung nach aber auch viel Falsches. Es gibt drei Dinge, die wir festhalten müssen: Erstens: Die willkürliche Auswahl einzelner Menschengruppen zur Erfassung von Daten ist rechtswidrig, auch nach der italienischen Verfassung. Daraus resultiert zweitens: Schutzmaßnahmen, die für Kinder, z. B. solche der Roma, ergriffen werden, müssen im Rahmen der gültigen Rechtsvorschriften der Europäischen Union und des italienischen Staates erfolgen. Drittens: Herr Außenminister Frattini hat mich vor einer Stunde angerufen, um mir mitzuteilen, dass er — zumindest meiner Fraktion — signalisieren will, dass Herr Minister Maroni den Kommissar Barrot in Cannes getroffen hat. Ich weiß, dass es hier auch ein Treffen mit Gérard Deprez, dem Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses, gegeben hat.
Die italienische Regierung hat durch das Telefonat von Herrn Frattini und durch die Aussagen von Herrn Minister Maroni zu erkennen gegeben, dass sie keine gesetzlichen Maßnahmen ergreifen will, die in irgendeiner Art und Weise europäischen Rechtsstandards widersprechen. Ich gehe deshalb davon aus, Herr Kommissar Špidla, dass Sie nach der Rückkehr von Herrn Barrot aus Cannes mit ihm Kontakt aufnehmen, und würde Sie bitten, unverzüglich dem Parlament Bericht darüber zu erstatten, weil ich denke, dass die italienische Regierung offensichtlich begriffen hat, dass die bisherigen Initiativen mit europäischen Rechtsvorschriften nicht kompatibel sind. Wenn sie jetzt daraus die richtigen Konsequenzen zieht, finde ich das sehr begrüßenswert.
(Beifall)
Gérard Deprez (ALDE). – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres war ich heute Vormittag in Cannes, wo ein informelles Treffen des Rates „Justiz und Inneres“ (JI) stattfand. Während meines Aufenthaltes hatte ich die Gelegenheit, mit Herrn Maroni zu sprechen. Es war klar, dass wir unterschiedlicher Meinung waren, aber das ist nicht der Grund für meinen Redebeitrag. Ich möchte auf Äußerungen einiger meiner italienischen Kollegen hier im Parlament reagieren, die sagten, dass dies allein eine Sache Italiens sei und niemand anderen betreffe und dass wir die italienische Regierung ungerechtfertigt beschuldigten. Das ist nicht richtig.
Aus dem Gespräch mit Herrn Maroni ging ganz klar hervor, dass die Zielgruppe des neuen Instruments auch Unionsbürger einschließt, die das Recht auf Freizügigkeit haben. Das ist mein erster Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass das neue Instrument, das die Anwendung bestimmter italienischer Rechtsvorschriften aussetzen kann, dem EU-Recht und den europäischen Richtlinien unterworfen ist. Dies ist im italienischen Recht ausdrücklich vorgesehen, weshalb ich Herrn Maroni fragte: „Herr Minister, wären Sie einverstanden, dass eine Delegation des Europäischen Parlaments nach Italien reist, eine sachliche Einschätzung der Lage vornimmt, sämtliche Seiten anhört und dem Europäischen Parlament dann Bericht erstattet?“ Er hatte keine Einwände und war einverstanden.
Das heißt, der Versuch, die Behauptung glaubwürdig erscheinen zu lassen, es handele sich hier allein um eine italienische Angelegenheit, ist – entschuldigen Sie – etwas zu kurz gegriffen. Wenn alles in Ordnung ist, wovor haben Sie dann Angst?
(Beifall)
Monica Frassoni (Verts/ALE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde nur kurz das Wort ergreifen, um auf die Reaktion von Kommissar Špidla auf unsere Anfrage einzugehen. Mir erschien seine Reaktion heute ein wenig allgemein, ausweichend und zu einem bestimmten Grad vielleicht ein wenig widersprüchlich – ich nehme an, dass er Neuigkeiten erhalten hat, die teilweise von den Mitgliedern, die zu meinen Vorrednern gehören, bestätigt wurden. Wenn dies der Fall sein sollte, dann möchte ich Sie, Herrn Kommissar, bitten, uns diese Neuigkeiten mitzuteilen und uns allen zu gestatten, sie zu lesen.
Roberto Fiore (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Öffentlichkeit in Italien sich der Situation in den Roma-Lagern sehr bewusst ist. Die Roma-Lager und –Gemeinschaften sind illegal und unmoralisch. In zivilisierten christlichen, europäischen Gemeinschaften gelten Frauen und Kinder als Personengruppen, die beschützt und verteidigt werden müssen. In den Roma-Gemeinschaften hingegen werden sie absichtlich ausgebeutet und in die Kriminalität und Prostitution geführt.
Die italienische Regierung hat daher die Pflicht, Maßnahmen zur Gewährleistung von Recht und Schutz für die Frauen und Kinder zu ergreifen, auch wenn ihre Ausweisung anhängig ist, und durch Volkszählung zu verhindern, dass die Kriminalität auf die gesamte Gemeinschaft übergreift und dass insbesondere Kinder verfolgt, Opfer von Pädophilie oder in die Kriminalität geführt werden.
Renate Weber (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich denke, es ist absolut inakzeptabel, in diesem Haus Nazi-Reden hinzunehmen!
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. – (CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Die Abnahme von Fingerabdrücken von nur einer ethnischen Gruppe – ob direkt oder indirekt – ist vor dem Hintergrund des EU-Rechts eindeutig unannehmbar. In der Datenschutzrichtlinie werden einige äußerst strenge Regelungen festgeschrieben. Meines Erachtens hat die sehr facettenreiche und schwierige Aussprache gezeigt, dass sich die Lage sehr schnell verändert. Aus diesem Grund nehme ich selbstverständlich die Einladung einiger Parlamentsabgeordneter an. Nach dem Gespräch mit meinem Kollegen Jacques Barrot werde ich ihm empfehlen, das Parlament über die neusten Entwicklungen in dieser Sache direkt zu unterrichten.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 10. Juli 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Petru Filip (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Indem wir die Kontrolle über eine ethnische Minderheit erörtern, die in der EU lebt, übernehmen wir auf EU-Ebene eine große, aber notwendige Verantwortung.
Die Frage der Abnahme von Fingerabdrücken einer ethnischen Gruppe fällt in den Zuständigkeitsbereich des Europäischen Parlaments, und wir sollten klar bestimmen, dass die EU-Länder auf diesem Gebiet der EU-Gesetzgebung unterliegen.
Warum sollte die Abnahme von Fingerabdrücken der ethnischen Gruppe der Roma nicht zu einer Entscheidung über die Erfassung der Fingerabdrücke aller EU-Bürger führen? Damit erkennen wir die Notwendigkeiten der technischen und praktischen Ausarbeitung einer europäischen Staatsbürgerschaft in Form einer einzigartigen elektronischen europäischen Identität.
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Erfassung der Fingerabdrücke von Bürgern mit Roma-Herkunft entspricht weder dem EU-Recht noch einem beliebigen anderen Akt, der die Menschenrechte in Europa garantiert.
Um diese Maßnahme zu stützen, berief man sich auf die Richtlinie 380 vom 28. April 2008, nach der die Möglichkeit besteht, Drittstaatsangehörigen Fingerabdrücke abzunehmen. Nichtsdestotrotz möchte ich den Fakt hervorheben, dass sich dieser Rechtsakt nur auf Länder bezieht, die nicht der EU angehören, weshalb das Vorgehen damit nicht gerechtfertigt werden kann.
Grundsätzlich garantiert Richtlinie 2004/38 allen EU-Bürgern, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, das Recht auf Freizügigkeit. Folglich kann gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Die EU-Kommission sollte über die Unrechtmäßigkeit der Maßnahme gemäß dem italienischen Erlass über den Zivilschutz Mitteilung erstatten.
Bestimmte internationale Institutionen haben bereits ihre Standpunkte gegen die betreffenden Maßnahmen geäußert. Der Europarat hat die Fingerabdruck-Initiative klar verurteilt. Nach meinem Dafürhalten ist es an der Zeit, dass das EU-Parlament Stellung bezieht und entschieden auf die Situation reagiert.
Mihaela Popa (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Vor dem Hintergrund einer anderen Aussprache im Rahmen der Plenarsitzung des EU-Parlaments über die Lage der Roma in Italien möchte ich die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt richten, der meines Erachtens entscheidend für die Integration der Roma-Gemeinschaften ist.
Ich meine die Bildung, einen grenzüberschreitenden Bereich, der ein wesentlicher Punkt ist, wenn man sich die nomadische Natur des Volkes der Roma vor Augen hält.
Meine Erfahrung auf dem Gebiet der Bildung ist Beleg für die Tatsache, dass Bildungsmaßnahmen zu einem frühen Zeitpunkt die Mentalität, das Verhalten und die Einstellungen von Menschen verändern können.
In Italien sowie in anderen europäischen Ländern, in denen Roma leben, müssen lebenslange Bildungs- und Lernprogramme entwickelt werden, in denen die besonderen Bräuche, Traditionen und Handwerke dieser ethnischen Gruppe so gefördert werden, dass die Menschen stolz auf ihre Volkszugehörigkeit sind.
Von meiner Warte aus sollte die Bildung der Roma ein vorrangiges Anliegen der EU sein und den demokratischen Weg zur Integration dieser ethnischen Gruppe und vor allem der jungen Menschen darstellen.
Theodor Dumitru Stolojan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Menschen mit Roma-Wurzeln müssen – egal wo sie sich in der EU aufhalten – mit der Achtung behandelt werden, die alle europäischen Bürger verdienen.
Die Kosten für mangelnde Schritte auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene bei der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Integration der Roma treten immer deutlicher zutage. Es ist an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und der Rat konkrete Eingliederungsprogramme verabschieden und umsetzen.
Ich lehne das Vorgehen der italienischen Regierung, nämlich die Erfassung von Fingerabdrücken von Menschen mit Roma-Herkunft, entschieden ab. Ich fordere das EU-Parlament, den Rat und die EU-Kommission auf, klar zu handeln, um diese rassistische Maßnahme zu verurteilen, und ich fordere ihre Aufhebung durch die italienische Regierung.