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Ausführliche Sitzungsberichte
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Montag, 7. Juli 2008 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Erklärung des Präsidenten
 3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 4. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
 5. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll
 6. Prüfung von Mandaten: siehe Protokoll
 7. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen: siehe Protokoll
 8. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll
 9. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 10. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll
 11. Petitionen: siehe Protokoll
 12. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
 13. Hinfällige schriftliche Erklärungen: siehe Protokoll
 14. Arbeitsplan
 15. Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung
 16. Haushaltsplan 2009: Erste Überlegungen zum Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 und Mandat für die Konzertierung (Aussprache)
 17. WTO-Streitfälle Airbus/Boeing (Aussprache)
 18. Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien (Aussprache)
 19. Einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und -aromen – Lebensmittelzusatzstoffe – Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften – Lebensmittelenzyme (Aussprache)
 20. Berichtigung (Artikel 204a der Geschäftsordnung): siehe Protokoll
 21. Änderung von Artikel 29 der Geschäftsordnung: Bildung der Fraktionen (Aussprache)
 22. Änderung der Geschäftsordnung im Lichte der Vorschläge der Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform betreffend die Arbeit des Plenums und Initiativberichte (Aussprache)
 23. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 24. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

(Die Sitzung wird um 17.00 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
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  Der Präsident. − Ich erkläre die am Dienstag, dem 24. Juni 2008, unterbrochene Sitzungsperiode für wieder aufgenommen.

 

2. Erklärung des Präsidenten
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  Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf vielerlei Bitten hin möchte ich eine kurze Erklärung zur Befreiung von Ingrid Betancourt und weiteren Gefangenen abgeben.

Ingrid Betancourt, Keith Stansell, Thomas Howes, Marc Gonsalves, Juan Carlos Bermeo, Raimundo Malagón, José Ricardo Marulanda, William Pérez, Erasmo Romero, José Miguel Arteaga, Armando Florez, Julio Buitrago, Armando Castellanos, Vianey Rodríguez und John Jairo Duran waren für viele Jahre von der kolumbianischen Terrororganisation FARC entführt und gefangen gehalten. Am Mittwoch, dem 2. Juli 2008, kamen sie dank einer erfolgreichen Militäroperation der kolumbianischen Armee endlich wieder frei.

Das Europäische Parlament freut sich mit Ingrid Betancourt und allen anderen, die freigekommen sind, und mit ihren Familien. Die Befreiung bedeutet das Ende einer qualvollen Zeit. Die Befreiung ist ein Signal dafür, dass man die Hoffnung nie aufgeben darf.

Ich habe letzten Donnerstag mit Präsident Uribe gesprochen und das kolumbianische Volk, seine Regierung und seine Armee zu dieser erfolgreichen Operation beglückwünscht. Erneut möchte ich betonen, dass die Demokratie dem Terrorismus nie nachgeben darf und dass es eine politische und moralische Verpflichtung ist, das Recht durchzusetzen.

Die Bemühungen zur Freilassung aller Geiseln müssen unermüdlich fortgesetzt werden. Ingrid Betancourt wurde am 23. Februar 2002 entführt. Seit dieser Zeit hat sich das Europäische Parlament immer wieder an Initiativen im Hinblick auf ihre Freilassung beteiligt. Im Jahre 2006 war sie zusammen mit der Stiftung „País Libre“ eine der drei Kandidaten für den Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das Europäische Parlament war und bleibt das Engagement von Ingrid Betancourt grundlegend für nachhaltigen Frieden in Kolumbien. Jetzt bleibt es unsere Pflicht, auf die dramatische Lage der noch festgehaltenen Geiseln in Kolumbien hinzuweisen und auf ihre Befreiung hinzuwirken.

Ich habe in der vergangenen Woche Ingrid Betancourt eingeladen, das Europäische Parlament zu besuchen — zu einem für sie günstigen Zeitpunkt und nachdem sie sich erholt hat. Ich möchte an dieser Stelle nachdrücklich an die FARC und alle anderen terroristischen Organisationen appellieren, ihre Waffen niederzulegen und die irrationale und sinnlose Gewalt aufzugeben. Wir werden uns dem Terrorismus niemals unterwerfen! Ich fordere auf, alle Geiseln freizulassen und das Angebot der kolumbianischen Regierung anzunehmen, gemeinsam nach einem friedlichen Ausgleich zu suchen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Europaminister Frankreichs und Vertreter der neuen Präsidentschaft, Jean-Pierre Jouyet, ganz herzlich im Plenum begrüßen. Das ist ein Novum, dass der Verantwortliche einer Regierung gleich zu Beginn unserer Arbeiten dabei ist. Herzlich Willkommen! Ich hoffe, dass wir unsere Arbeit, die ja schon hervorragend begonnen hat, dann auch so gut fortsetzen können.

(Beifall)

 

3. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

4. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll

5. Zusammensetzung der Fraktionen: siehe Protokoll

6. Prüfung von Mandaten: siehe Protokoll

7. Zusammensetzung der Ausschüsse und Delegationen: siehe Protokoll

8. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll

9. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

10. Anfragen zur mündlichen Beantwortung und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll

11. Petitionen: siehe Protokoll

12. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll

13. Hinfällige schriftliche Erklärungen: siehe Protokoll

14. Arbeitsplan
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  Der Präsident. − Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom Donnerstag, dem 3. Juni 2008, gemäß Artikel 130 und 131 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:

Montag/Dienstag/Mittwoch: Keine Änderung.

Donnerstag: Die Sozialdemokratische Fraktion hat beantragt, den ersten Unterpunkt in der Menschenrechtsdebatte am Nachmittag über die angebliche Existenz von Massengräbern im indisch verwalteten Teil Kaschmirs von der Tagesordnung zu streichen.

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende Martin Schulz, um den Antrag zu begründen.

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich hatte bereits in der Konferenz der Präsidenten die Kollegen Fraktionsvorsitzenden zu überzeugen versucht, dass dieser Debattenpunkt zum jetzigen Zeitpunkt wirklich unangebracht ist. Es handelt sich um eine Vermutung, die von Amnesty International aufgebracht worden ist. Es gibt bis dato – laut Aussage von Amnesty International selbst – die Vermutung, aber keine handfesten Beweise für die Existenz dieser Massengräber.

Die Vorsitzende des Unterausschusses Menschenrechte unseres Hauses, die Kollegien Flautre, hat daraufhin etwas sehr Kluges getan. Sie hat für den 16. Juli die Vertreter von Amnesty in den Ausschuss eingeladen, um die Vorhaltungen dort zu überprüfen und zu konkretisieren. Wir glauben, dass es deshalb sehr sinnvoll ist, dass zunächst diese Anhörung abgewartet wird und wir danach entscheiden, was wir mit diesem Tagesordnungspunkt machen.

Ich möchte darüber hinaus darauf hinweisen, dass es sich bei der Region nicht um irgendeine Region in dieser Welt handelt, sondern um eine Region, in der auch wir als Europäisches Parlament als ein Organ der internationalen Politik mit absoluter Sorgfalt vorgehen müssen und nicht auf der Grundlage irgendwelcher Vermutungen Beschlüsse fassen, die vielleicht das Gegenteil von dem auslösen, was wir eigentlich beabsichtigen, nämlich mehr Stabilität in dieser Region zu erreichen.

Wir bitten deshalb, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen.

 
  
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  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich hoffe, dass wir in unserer gegenwärtigen Aussprache eine unabhängige Untersuchung der Massengräber und der zu schützenden Stätten sowie ein Ende der Bedrohung jener Menschen, die diese Untersuchung durchführen, fordern werden. Meiner Meinung nach besteht überhaupt kein Widerspruch zwischen dem Antrag auf eine Dringlichkeitsdebatte in dieser Frage und der Anhörung, die Frau Flautre für den 16. Juli organisiert.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Herr Präsident! Wie kann denn eine namentliche Abstimmung zu einem Antrag von mir beantragt werden, den ich gerade erst gestellt habe?

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Schulz! Wenn Sie etwas vorhaben, spricht sich das natürlich schnell herum. So nehme ich an, dass alle davon schnell Kenntnis genommen haben. Aber ich bin der Meinung, wenn der Antrag hier vorliegt, muss ich doch darüber abstimmen lassen.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Herr Präsident! Ich halte das von der Geschäftsordnung her für völlig unmöglich. Meine Fraktion hat vor ungefähr 25 Minuten beschlossen, mich zu beauftragen, hier diesen Antrag zu stellen. Ich halte es deshalb für völlig unmöglich, dass in der Zwischenzeit ein Antrag auf namentliche Abstimmung über meinen gerade gestellten Antrag hier eingegangen sein kann. Wenn er eingegangen sein sollte, ist er nicht fristgerecht eingereicht worden, und dann ist es in Ihrem Ermessen, ihn zurückzuweisen.

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Schulz! Ich bin darüber informiert worden, dass dieser Antrag bereits eine Stunde vorher eingereicht wurde. Ich schließe daraus, dass das prophylaktisch gemacht wurde. Ich kann dies nur als Vermutung äußern, Herr Kollege Schulz. Warum ist es ein so großes Problem? Sie haben Ihre Überzeugung, andere haben ihre Überzeugung. Lassen Sie uns das doch festhalten. Wie ich hier informiert werde, ist vor einer Stunde – also fristgerecht – korrekt beantragt worden, dass darüber namentlich abgestimmt wird, wenn dies zur Entscheidung kommt.

(Zwischenruf)

Jeder kann seine Unterlagen mitbringen oder auch nicht, das liegt in der Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Herr Präsident! Ich beantrage die Unterbrechung der Sitzung für zwei Minuten, bis alle Kolleginnen und Kollegen sich ihre Abstimmkarte besorgt haben.

 
  
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  Der Präsident. − Wir machen eine kurze Unterbrechung, dann kann sich jeder seine Karte besorgen.

(Die Sitzung wird für einige Minuten unterbrochen.)

 
  
  

(Das Parlament lehnt den Antrag in namentlicher Abstimmung ab.)

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident! Sie haben zuerst erwähnt, dass es sehr erfreulich ist, dass Minister Jean-Pierre Jouyet anwesend ist, und in der Tat ist das sehr erfreulich. Würden Sie die zukünftigen Präsidentschaften auch auffordern, dem Beispiel des Ministers Jouyet zu folgen und bei künftigen Präsidentschaften bereits ab Montag im Parlament anwesend zu sein?

 
  
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  Stavros Lambrinidis (PSE). (EL) Herr Präsident! Eine ganz kurze Anmerkung zu unserer Tagesordnung für Donnerstag: Der französische Präsident, Nicolas Sarkozy, wird uns einen Besuch abstatten, um über die Zukunft Europas angesichts der tiefen Krise in Europa zu sprechen.

Die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament hat meines Wissens nur 18 Minuten Redezeit. Ich gehe davon aus, der Präsident erhält nur einige wenige Minuten und die anderen Redner sogar noch weniger.

Das Europäische Parlament ist der ideale Ort, an dem Abgeordnete des Europäischen Parlaments das Wort ergreifen und nationale Führungspersönlichkeiten ihnen Gehör schenken sollten. Mit der zugeteilten Zeit haben wir meiner Ansicht nach im Rahmen dieser Aussprache eine entscheidende Chance vergeben.

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Lambrinidis, es gibt ein bestimmtes Verfahren, wie die Minuten verteilt werden. Das ist am Donnerstag nicht anders als sonst, und es ist die Aufgabe Ihrer Fraktion, die Redezeit so zu verteilen, wie Ihre Fraktion das beabsichtigt. Alles andere geht nach d'Hondt, und für Donnerstag ist nichts anderes vorgesehen als das Übliche.

 

15. Ausführungen von einer Minute zu Fragen von politischer Bedeutung
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen.

 
  
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  Margaritis Schinas (PPE-DE). (EL) Herr Präsident! Die Wettbewerbspolitik unterliegt einzig und allein der Zuständigkeit der Europäischen Kommission. Daher kann man sich durchaus fragen, warum die Kommission angesichts der Tatsache, dass der Ölpreis seit Anfang des Jahres um 50 % gestiegen ist, diese ausschließliche Kompetenz nicht ausübt.

Aus zweierlei Gründen ist es um so beunruhigender, wenn die Kommission der Erfüllung dieser Verpflichtung nicht nachkommt: Extern, wo ein Ölkartell ganz deutlich seinen Part bei der Festlegung der Preise spielt, die für schutzbedürftigere Teile der europäischen Bevölkerung eine große Last darstellen, sowie intern, wo ein anderes Ölkartell ebenfalls an übertrieben hohen Preisen festhält, da die Gewinne der Ölunternehmen weiterhin deutlich überhöht sind.

Darum appelliere ich an die Wettbewerbskommissarin, ihren Pflichten in jenen besonderen Bereichen nachzukommen, wo die Bürger dies von ihr erwarten, nämlich in Fragen, die ihr tägliches Leben betreffen.

(Beifall)

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE). (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Allergien sind heute weit verbreitet und haben sich typischerweise seit dem Zweiten Weltkrieg in ganz Europa ausgebreitet. Heute leidet ein Drittel aller Kinder an einer Allergie, und wenn wir nichts dagegen unternehmen, wird bald die halbe Bevölkerung Europas von dieser Krankheit betroffen sein. Lebensmittel, die chemische Stoffe enthalten, und eine verschmutzte Umwelt sind Ursachen für Allergien. Allergiesymptome können jedoch auch durch natürliche und künstliche Lebensmittelzusatzstoffe, Gewürze, Pollen und andere natürliche Substanzen ausgelöst werden.

In Ungarn stellt das beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia) das größte Problem dar. Bedauerlicherweise verfügt die Europäische Union gegenwärtig über keine Allergiestrategie, wie die Kommission auf meine Anfrage hin bestätigt hat. Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für den Kampf gegen allergiebedingte Krankheiten einsetzen sowie Millionen betroffener Europäerinnen und Europäer erwarten von uns auch auf europäischer Ebene ein Vorgehen gegen Allergien sowie Präventionsmaßnahmen, um Auslöser zu hemmen und zu gewährleisten, dass entsprechende Krankheiten symptomfrei verlaufen. Maßnahmen gegen Allergien würden auch beweisen, dass der Europäischen Union die Gesundheit und die alltäglichen Sorgen der Bürger nicht gleich sind. Vielen Dank.

 
  
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  Toomas Savi (ALDE).(EN) Herr Präsident! In der letzten Woche hat der EU-Russland-Gipfel in Chanty-Mansijsk stattgefunden, auf dem die Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen angestoßen wurde.

Neben dieser wichtigen Entwicklung ist festzuhalten, dass die Präsidenten Toomas Hendrik Ilves und Dmitri Medwedew zum ersten offiziellen Treffen der Staatschefs dieser beiden Länder seit mehr als 14 Jahren zusammengekommen sind.

Dort wurde unter anderem auch über den Grenzvertrag zwischen der Republik Estland und der Russischen Föderation gesprochen. Präsident Ilves erklärte, die Präambel, die laut estnischem Parlament dem Dokument zwar hinzugefügt werden sollte, jedoch von der Staatsduma nicht ratifiziert wurde, sei unnötig.

Kommissar Siim Kallas erinnerte uns daran, dass die zusätzliche Präambel mit Bezug auf den Friedensvertrag von Tartu angesichts der gegenwärtigen Ereignisse lediglich eine innenpolitische Provokation sei.

Ich sehe keinen Grund, weshalb die Präambel nicht aus dem Grenzvertrag gestrichen werden sollte, wo doch der Friedensvertrag von Tartu noch immer ein gültiger internationaler Vertrag ist und im neuen Grenzvertrag lediglich die Kontrolllinie zwischen Estland und Russland, deren Grenze und die Außengrenze der Europäischen Union anerkannt werden.

 
  
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  Bogusław Rogalski (UEN).(PL) Herr Präsident! In der vorigen Woche hat die Europa-Abgeordnete der FDP, Frau Koch-Mehrin, vorgeschlagen, Polen sollte aus der EU ausgeschlossen werden, wenn das Land den Vertrag von Lissabon nicht ratifiziert.

Diese skandalöse Äußerung war eine Reaktion auf die Erklärung des polnischen Präsidenten zur Nichtunterzeichnung des Vertrages nach dem Fiasko der Volksabstimmung in Irland, da die Unterzeichnung damit ja hinfällig wäre. Nach EU-Recht ist in dieser Frage Einstimmigkeit von grundlegender Wichtigkeit.

Diese lächerliche Bemerkung einer Abgeordneten ist Teil einer unehrenhaften Tradition in diesem Haus, den Willen der europäischen Völker zu missachten, was eine große Bedrohung für die Fundamente der Demokratie darstellt. Mangelnder Respekt für das Ergebnis des irischen Referendums in Verbindung mit einem Aufruf, Polen aus der EU auszuschließen, belegt dies. Länder, die ihre Handlungen auf EU-Recht stützen, werden für die Einhaltung der entsprechenden Rechtsvorschriften schlichtweg bestraft. Das ist das wahre Gesicht der modernen EU. Damit ist man nur einen Schritt vom Totalitarismus entfernt.

Ich möchte alle meine Kolleginnen und Kollegen aufrufen, unseren Wählerinnen und Wählern mehr Achtung entgegenzubringen. Wir sollten diejenigen sein, die ihren Willen in Taten umsetzen – nicht andersherum. Das dürfen wir nicht vergessen!

 
  
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  Der Präsident. − Herr Kollege Rogalski, wir haben mit Freude gehört, dass Ihr Präsident erklärt hat, dass die Ratifizierung in Polen vorgenommen wird. Es ist ja auch von den Parlamenten so beschlossen worden.

 
  
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  László Tőkés (Verts/ALE). (HU) Herr Präsident! Im May dieses Jahres schickten die Spitzen der rumänischen Gemeinschaft in der Ukraine einen offenen Brief an den Präsidenten Rumäniens und sprachen sich in einer separaten Erklärung gegen die ukrainische Bildungspolitik aus, die diskriminierend ist und auf völlige Abschaffung des Rumänischunterrichts und Zwangsassimilierung der rumänischen Gemeinschaft abzielt.

Ungarn, die in den ukrainischen Subkarpaten leben, leiden unter derselben minderheitenfeindlichen Politik. Verordnung Nr. 461/2008 des Bildungsministeriums schreibt vor, dass die Schulbildung nationaler Minderheiten auf die Amtssprache der Ukraine umgestellt und der Bildungsweg vollständig ukrainisiert werden soll. Das europäische Parlament und die Mitgliedstaaten der EU, einschließlich Rumänien und Ungarn, verurteilen die systematischen Versuche der Ukraine, nationale Minderheiten zu assimilieren und rufen das Land auf, den im Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte eingegangenen internationalen Verpflichtungen vorbehaltlos nachzukommen sowie die Bestimmungen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die die Ukraine ebenfalls unterzeichnet hat, einzuhalten. Vielen Dank.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Herr Präsident! Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, um unsere Solidarität mit den Arbeitnehmern des Unternehmens Fapobol zum Ausdruck zu bringen, gegen die ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel angestrengt worden ist, sie zu entlassen, weil sie die Zahlung ihrer ausstehenden Löhne gefordert haben.

Im Anschluss an die Disziplinarverfahren hat die Geschäftsleitung von Fapobol Kündigungen an Arbeiter verschickt, von denen einige über 35 Jahre für das Unternehmen gearbeitet haben. Die gesamte Unternehmensstruktur ist betroffen, einschließlich Vertreter des Managements und der Gewerkschaft, die sich an einer Demonstration beteiligt hatten, um die Nachzahlung ausstehender Löhne und Gehälter zu fordern. Wir bekunden unsere Solidarität mit allen Mitarbeitern und Gewerkschaftlern, die wegen dieses repressiven Vorgehens in Konflikt geraten sind sowie mit der Gewerkschaft der Arbeiter und Angestellten in der chemischen, pharmazeutischen, Erdöl- und Erdgasindustrie in Nordportugal. Nach unserem Dafürhalten sollte man die Haltung des Unternehmens auf das Schärfste verurteilen, da die Firma versucht, Arbeiter und Gewerkschaftsmitglieder durch eine Einstellung einzuschüchtern, die an eine Hexenjagd erinnert, bei der man sich über Demokratie und Freiheit hinwegsetzt.

 
  
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  Slavi Binev (NI). - (BG) Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie mit einem Fall der Verletzung der Rechte von zwei bulgarischen Kindern und ihren Eltern in den Niederlanden vertraut machen. Im Juni 2006 nahm das Sozialamt der bulgarischen Staatsbürgerin Rumjana Iwanowa, die in den Niederlanden lebt, die Kinder weg, die vier und vierzehn Jahre alt sind. Das einzige genehmigte Treffen mit ihnen wurde beendet, weil die Mutter Bulgarisch sprach. Nach diesem Tag haben die Eltern ihre Kinder trotz unzähliger Bitten ein Jahr lang nicht gesehen. Die Kinder sind rechtswidrig voneinander getrennt. Das Mädchen befindet sich in einer Jugendanstalt für Problemkinder. Zum Aufenthaltsort des Jungen machen die Behörden keine Angaben. Selbst dem Botschafter wurde der Zugang verwehrt und keine Auskunft erteilt.

Die bulgarische Behörde für den Schutz des Kindes und andere Organisationen bemühen sich weiter darum, dass die Kinder gemäß Artikel 5, 9 und 20 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, die den Kontakt zu den Eltern, den Umgang und die Betreuung regeln, in ihrem Heimatland Bulgarien aufwachsen können. Bislang haben die niederländischen Behörden nicht Stellung genommen. Ich vertrete die Überzeugung, dass die bulgarische Öffentlichkeit, ja die europäische Öffentlichkeit, angesichts der Verletzung internationaler Konventionen nicht tatenlos zusehen sollte und ein zweites Libyen, nur diesmal im Herzen Europas, nicht geschehen darf.

Ich rufe Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen auf, gegenüber den niederländischen Behörden Ihre kategorische Haltung in dieser Frage zum Ausdruck zu bringen.

 
  
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  Nickolay Mladenov (PPE-DE). - (BG) Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Die Brücke ist ein Symbol der Verbundenheit, das auf jeder Banknote von 50 bis 5 Euro zu sehen ist. Allerdings gibt es in Europa eine Brücke, die zwar Brücke der Freundschaft heißt, Menschen aber noch immer voneinander trennt. Es handelt sich um die einzige Brücke zwischen Bulgarien und Rumänien entlang der 350 km langen Donaugrenze. Die Überquerung in beiden Richtungen kostet fast 17 Euro. Die Gebühr ist rechtswidrig und beeinträchtigt sowohl den Wirtschaftsverkehr als auch die Freizügigkeit. Zudem spiegelt sie den realen Aufwand für die Instandhaltung der Brücke nicht wider. Im Jahr 2007 wurden auf bulgarischer Seite 12 Millionen Euro eingenommen, aber nur 17.000 Euro in die Wartung gesteckt. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Europäische Gerichtshof, wenn er in dieser Frage angerufen wird, die Maut für unzulässig erklärt. Aber warum sollten die Bürger von Russe und Giurgiu so lange warten?

Ich appelliere an die bulgarischen und rumänischen Behörden, den Erwartungen der Bürger zu entsprechen und die Brückenmaut zwischen Russe und Giurgiu abzuschaffen. Darüber hinaus ersuche ich die Kommission, sich für eine Lösung dieses akuten öffentlichen Problems einzusetzen.

 
  
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  Katrin Saks (PSE). (ET) Mein Kollege Toomas Savi hat bereits Chanty-Mansijsk, eine kleine Stadt in Sibirien erwähnt, in der Ende vergangenen Monats der EU-Russland-Gipfel stattgefunden hat. Gleichzeitig war sie Veranstaltungsort für eine andere wichtige Tagung, nämlich den fünften finnisch-ugrischen Weltkongress, an dem die Präsidenten von vier Staaten – Russland, Ungarn, Finnland und Estland – teilgenommen haben. Eine fünfköpfige Delegation des EU-Parlaments nahm ebenfalls am Kongress teil, wobei unser Hauptziel darin bestand, die Aufmerksamkeit auf die kleinen finnisch-ugrischen Völker zu lenken, von denen 19 in der Russischen Föderation leben, sowie die Tatsache in den Vordergrund zu rücken, dass ihre Sprachen und Kulturen vom Untergang bedroht sind.

Hoffentlich wird die Menschenrechtslage, die in der Tat beklagenswert ist, durch das Übereinkommen, für das die Grundlagen auf dem EU-Russland-Gipfel von Chanty-Mansijsk gelegt wurden, Beachtung erfahren.

 
  
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  Milan Gaľa (PPE-DE).(SK) Ich begrüße die Tatsache, dass die Tagung der EU-Gesundheitsminister im Juni thematisch unter dem Motto einer Initiative mit dem Titel „Tag der Sensibilisierung für Antibiotikaresistenz (Antibiotic Awareness Day)“ stand.

Ziel ist es, die Bürger dafür zu sensibilisieren, Antibiotika verantwortungsbewusst und nur in angezeigten Fällen einzusetzen. Die falsche Anwendung stellt zunehmend eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Gesundheit dar. Die Resistenz von Bakterien steigt, was dazu führt, dass Antibiotika künftig nur noch sehr eingeschränkt verwendet werden können. Die Kampagne wird vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), den Institutionen der EU sowie der Weltgesundheitsorganisation durchgeführt und sollte durch eigenstaatliche Strategien ergänzt werden. Ein Fach-Workshop über Antibiotikaresistenz soll in Paris stattfinden, und der tschechische Vorsitz bereitet eine diesbezügliche Konferenz vor. Auch ein Logo wurde für die Kampagne entworfen.

 
  
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  Cristian Silviu Buşoi (ALDE). (RO) Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße die Initiative der Europäischen Kommission, die in der vergangenen Woche die Richtlinie über grenzübergreifende Gesundheitsversorgung verabschiedet hat.

Der Vorschlag zeichnet sich dadurch aus, dass er einen klaren Rechtsrahmen schafft, der die Regeln festlegt, nach denen den Bürgern Europas Gesundheitsleistungen in der Europäischen Union, d. h. in einem anderen Mitgliedstaat als dem zustehen, in dem sie Krankenkassenbeiträge zahlen. Und in ihm wird festgelegt, auf welche Art und Weise die Erstattung von Auslagen an Patienten erfolgen soll.

Der Vorschlag, der dem Europäischen Parlament und dem Rat schon vor langer Zeit zur Annahme hätte vorgelegt werden sollen, ist ein lang ersehnter und geeigneter Vorschlag, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Gesundheitsversorgung aus der Richtlinie zur Liberalisierung der Dienstleistungen ausgeklammert worden ist.

Bislang mussten sich die europäischen Bürger an den Europäischen Gerichtshof wenden, der das Recht der Bürger auf medizinische Behandlungen in allen Fällen anerkannt und die Mitgliedstaaten verpflichtet hat, die ihnen entstandenen Kosten zu erstatten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Initiative positiv auf den Gesundheitszustand der EU-Bürger auswirkt, die aus verschiedenen Gründen entsprechende Leistungen nicht in ihrem Heimatland in Anspruch nehmen können, und dass sie sich auch auf die Verbesserung der Qualität von medizinischen Verfahren in der EU auswirken wird.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (UEN).(PL) Herr Präsident! Uns polnischen Abgeordneten des Europaparlaments bereitet die Lage in Belarus, einem Land, das an die EU grenzt, große Sorge. Kürzlich hat das belarussische Parlament ein äußerst restriktives Gesetz über die Redefreiheit verabschiedet, das zur weiteren Beschneidung der bereits geringen Redefreiheit in Belarus führen könnte. Das Inkrafttreten hängt lediglich von der Unterschrift des Diktators Alexander Lukaschenko ab, was nicht mehr als eine Formalität ist. Der höchst repressive Charakter des Gesetzes wird vor allem Auswirkungen auf unabhängige Journalisten und Verleger haben. Damit wird die freie Presse in Belarus, die unabhängige öffentliche Meinung und eine gerade im Entstehen begriffene Zivilgesellschaft ziemlich offensichtlich geknebelt.

Angesichts dieser Situation muss das Europäische Parlament an die Grundnormen erinnern, die auf unserem Kontinent gelten, zu dem auch die Republik Belarus gehört. Die Verleihung des Sacharow-Preises durch das EU-Parlament an den belarussischen Journalistenverband vor drei Jahren ist Grund genug für diesen Schritt.

 
  
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  Milan Horáček (Verts/ALE). - Herr Präsident! Der Ort des EU-Russland-Gipfels war nicht zufällig gewählt. Chanty-Mansijsk ist das Zentrum der russischen Ölförderung.

Russland legt bei dem neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen den Schwerpunkt auf die Wirtschaft. Aus Sicht der EU müssen die Menschenrechte weiter in den Fokus rücken. Auch unter Dmitri Medwedjew sitzen Alexander Lebedjew und Michail Chodorkowski noch immer im Gefängnis. Beiden drohen seit einer Woche neue Anklagen mit einer möglichen Gefängnisstrafe bis zu über zwanzig Jahren. Hier wird auf Zeit gespielt, bis sich Medwedjew klar positioniert. Fortschritte und verbindliche Zusagen von Moskau sind dringend erforderlich, auch in der Aufklärung der politischen Morde und der eingeschränkten Presse- und Meinungsfreiheit.

Die EU muss in Zukunft geschlossen auftreten und gegenüber Moskau mit einer Stimme sprechen, um politischen Druck aufzubauen. Es geht um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der EU.

 
  
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  Kristian Vigenin (PSE). - (BG) Herr Präsident! In den letzten Wochen hat die Presse damit begonnen, Kommentare über die Haltung der Europäischen Kommission gegenüber verschiedenen Mitgliedstaaten als Beleg für ihre Doppelmoral zu veröffentlichen. Offenkundig werden bei jeder weiteren Erweiterungsrunde immer strengere Kriterien angelegt. So unterliegen Bulgarien und Rumänien beispielsweise im Bereich Justiz und Inneres einem beispiellosen Mechanismus der Kooperation und Überprüfung. Fraglos gibt es schwerwiegende Probleme, und beide Länder müssen ein hohes Reformtempo beibehalten. Aber wendet die Europäische Kommission bei allen die gleiche Messlatte an?

Es gibt Länder, in denen das organisierte Verbrechen tiefe Wurzeln geschlagen hat, und die Folgen sind unübersehbar: Missbrauch europäischer Mittel, Rückständigkeit und Straßenkriminalität, Ausländerfeindlichkeit. Allerdings ist mir bislang keine offizielle Äußerung bzw. ein Antrag für entsprechende Maßnahmen seitens der Kommission begegnet. Apropos Korruption in den Korridoren der Macht – ich kann mir gut vorstellen, wie die Kommission reagieren würde, wenn ein bulgarischer Ministerpräsident ein Gesetz vorlegen würde, das ihn vor Strafverfolgung schützt. Über derartige Maßnahmen wird jedoch stillschweigend hinweggegangen, wenn es um das Heimatland des ehemaligen Kommissars für Justiz, Freiheit und Sicherheit geht. Ich könnte eine Reihe anderer Beispiele aufzählen. Lassen Sie mich klare Worte sprechen: Ich fordere keine Zugeständnisse an Bulgarien oder Rumänien, sondern die faire und gleiche Behandlung aller Mitgliedstaaten.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE).(SK) Im März 2003, als das Castro-Regime 75 kubanische Dissidenten zu Unrecht verurteilte und inhaftierte, hat die Europäische Union Sanktionen gegen Kuba verhängt. Über 50 politische Gefangene, deren Familien wir durch eine Art Adoption seit langem unterstützen, werden auch unter unmenschlichen Bedingungen in kubanischen Gefängnissen festgehalten. Ihre schlechte Gesundheit erfüllt uns mit Sorge.

Haben sich die beteiligten Personen vor Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Kuba bei den Preisträgerinnen des Sacharow-Preises im Jahr 2005, den „Damen in Weiß“, erkundigt, ob sich die Lage, was Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten betrifft, seit der Machtübernahme durch Raul Castro verändert hat?

Herr Präsident! Vielen Dank für Ihr persönliches Engagement für die Freilassung politischer Gefangener in Kuba. Darf ich Sie bitten, den kubanischen Präsidenten im Namen des Europäischen Parlaments erneut dringend aufzufordern, alle kubanischen Dissidenten unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.

 
  
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  Jaromír Kohlíček (GUE/NGL).(CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Einer der grundlegenden gemeinsamen Werte der Europäischen Union ist ihre sprachliche und kulturelle Vielfalt. Eine ganze Reihe von Staaten hat neben ihren nationalen Gesetzen zur Förderung dieser Vielfalt die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen angenommen. Dazu gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte darauf hinweisen, dass die eingegangenen Verpflichtungen auch die finanzielle Unterstützung für kulturelle Institutionen von Minderheiten erforderlich machen. In Falle von Załožby za serbski lud (Stiftung für das sorbische Volk) sind Mittel über die Jahre Schritt für Schritt immer weiter beschnitten worden. Das ist kein gutes Beispiel für die Einhaltung der Bestimmungen der Charta. Wir rufen die deutsche Regierung auf, ihre Versprechen zu halten. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine weitere Nation von der europäischen Landkarte verschwindet.

 
  
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  Chris Davies (ALDE).(EN) Herr Präsident! Im vergangenen Monat konnte Mohammed Omer, ein junger palästinensischer Journalist aus Gaza, der für die Versöhnung und den Frieden mit den Israelis ist, mit Hilfe der niederländischen Regierung in die Europäische Union einreisen und eine Auszeichnung für seine journalistische Arbeit entgegennehmen. Bei seiner Rückkehr wurde er vom israelischen Geheimdienst inhaftiert, gedemütigt, geschlagen und gefoltert. Wie mir gesagt wurde, hat die niederländische Regierung ihre Bestürzung darüber zum Ausdruck gebracht. Doch dieses Verhalten Israels folgt einem bestimmten Muster.

Warum ziehen wir engere Beziehungen mit Israel in Betracht, wenn Vertreter dieser Regierung derartige Gewalttaten gegen Menschen begehen, deren Einsatz für Frieden und Versöhnung die Unterstützung einer großen Mehrheit der hier anwesenden Abgeordneten erfordert? Warum unterstützen wir derartige Schritte, wenn wir wissen, dass die Regierung absolut nichts tun wird, um das Verhalten ihrer Vertreter zu kritisieren oder zu verurteilen?

 
  
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  Jaroslav Zvěřina (PPE-DE).(CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freizügigkeit im Schengen-Raum ist zweifellos ein positiver europäischer Wert. Allerdings bedeutet dies auch Freizügigkeit für viele verschiedene Feinde der Gesellschaft. Dank Informationssystemen und den Anstrengungen von Europol und Interpol funktioniert die Verfolgung von Straftätern und entflohenen Strafgefangenen recht zufrieden stellend, aber ab und an stößt man auf Probleme bei der Durchsetzung von Abhilfemaßnahmen, die von Gerichten als Strafe verhängt werden. Dabei denke ich an Maßnahmen wie Verbote der Ausübung bestimmter Berufe, obligatorische psychiatrische oder sexologische Behandlung und das ganze Spektrum an Überwachungsmaßnahmen für Personen auf Bewährung. Fraglos besteht Bedarf, die Arbeit an einem europäischen Informationssystem zu beschleunigen und vor allem zu gewährleisten, dass nationale Institutionen verpflichtet werden, nicht nur zu einem solchen System beizutragen, sondern auch die erforderlichen Daten daraus zu ziehen.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). (RO) Vor dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union gab es viele Stimmen in diesem Parlament, die behaupteten, die Roma würden in Rumänien diskriminiert werden. Aus diesem Grund haben mehrere Nichtregierungsorganisationen Studien auf diesem Gebiet veröffentlicht.

Rumänien hat wiederholt dargelegt, dass die Roma den Behörden große Sorge bereiten, aber man kann nicht von Diskriminierung sprechen. Rumänien hat Programme für die Integration der Roma in die Gesellschaft umgesetzt, einschließlich Maßnahmen, die hauptsächlich auf Bildung und sogar positive Diskriminierung ausgerichtet sind.

Nach 2007 haben sich die nicht nur aus Rumänien, sondern auch aus östlichen Ländern stammenden Roma aus wirtschaftlichen Gründen in Europa ausgebreitet, vor allem jedoch aufgrund der nomadischen Traditionen dieses Volkes. Das war eine Chance für jene, die Ratschläge gegeben haben, diese nun auch umzusetzen.

Bedauerlicherweise sind die Geschehnisse in Italien keine europäische Lektion. Es ist unannehmbar, die Fingerabdrücke europäischer Bürger, insbesondere von Kindern, zu nehmen. Es ist nicht normal, Lager mit der stillschweigenden Zustimmung der Behörden in Brand zu stecken.

Meines Erachtens handelt es sich bei der Lage der Roma um eine Angelegenheit der Europäischen Gemeinschaft, und ich fordere alle Entscheidungsträger – europäische Institutionen, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen – auf, einen Beitrag zur Ausarbeitung einer gemeinsamen, kohärenten und auf europäische Grundsätze gestützten Politik für die Integration dieser Menschen zu leisten.

 
  
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  Neena Gill (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte unsere Solidarität mit den von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitern von Fujitsu in Birmingham zum Ausdruck bringen. Es gibt Pläne, Teile der Aktivitäten von Fujitsu in die USA zu verlagern, was für bis zu 140 Menschen den Verlust ihrer Arbeitsplätze bedeuten könnte. Die in diesen Fall involvierte Gewerkschaft ist die Communication Workers Union, deren Flexibilität bei ihren Verhandlungen mit der Geschäftsführung von Fujitsu bewundernswert war. Das Ein-Schicht-System, das sie Fujitsu vorgeschlagen hat, hätte 60 Arbeitsplätze gerettet, und dennoch hat der Vorstand in einer endgültigen Entscheidung am 30. Juni ohne jeden Hinweis darauf, dass er so schnell zu einer Entscheidung kommen würde, alternative Vorschläge abgelehnt. Ich möchte Fujitsu darum bitten, die Verlagerung zu überdenken, oder zumindest sicherzustellen, dass die verlorenen Arbeitsplätze freiwillig aufgegeben werden und dass jene, die weiterhin arbeiten möchten, dies auch tun können.

Die EU-Rechtsvorschriften sehen klar vor, dass ein Unternehmen ein Konsultationsverfahren mit seinen Mitarbeitern durchführen muss, und dennoch werden die Arbeitgeber immer wieder zu wenig und zu spät aktiv, um sich an diese Rechtsvorschriften zu halten.

 
  
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  Erna Hennicot-Schoepges (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Ich möchte eine verwaltungstechnische Frage das Parlament betreffend stellen. Seit über zwei Jahren ist die Stelle des Leiters des Informationsbüros des Parlaments in Luxemburg unbesetzt. Die Stelle wurde vor sechs Monaten einmal ausgeschrieben. Es wurden Bewerber ausgewählt, aber es wurde keine Entscheidung getroffen, nachdem ich die Verwaltung befragt hatte. Ihr Büro, Herr Präsident, konnte mir auch keine Antwort geben. Ich möchte gerne wissen, ob es bestimmte Gründe gibt, weshalb diese Stelle nicht besetzt wurde und weshalb keiner der ausgewählten Bewerber ernannt wurde.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (PSE). (RO) Das Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 umfasst neben strategischen Initiativen die Annahme eines Pakets für die Entwicklung des Verkehrs unter ökologischen Gesichtspunkten.

In diesem Herbst soll die Kommission einen Legislativvorschlag für die Revision der Richtlinie 2006/38 zur Eurovignette vorlegen. Ziel der Überprüfung ist die Gewährleistung einer effizienteren Nutzung der Verkehrsinfrastruktur sowie die Verringerung der negativen Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt auf der Grundlage des Verursacherprinzips.

Vor dem Hintergrund steigender Kraftstoffpreise nimmt die Bedeutung der Richtlinie zu. Die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der EU ist auch abhängig von der Entwicklung eines aus energetischer Sicht umweltfreundlicheren und effizienteren Verkehrswesens.

Ich fordere die Europäische Kommission auf, die durch den Verkehr verursachten externen Kosten in einem größere Kontext zu internalisieren, nämlich auch die in der EU geltenden niedrigen Mehrwertsteuersätze sowie die Richtlinie 2001/14 über die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Richtlinie 2003/96 über die Besteuerung von Energieerzeugnissen zu prüfen.

 
  
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  Jules Maaten (ALDE).(NL) Herr Präsident! Vor zehn Jahren starteten wir auf www.sayno.eu unsere Kampagne gegen Kindersextourismus. Jährlich reisen Tausende Männer aus Europa, den Vereinigten Staaten, Australien und Korea in die armen Länder Südostasiens, Afrikas und Lateinamerikas, um dort diese widerwärtige Form des Tourismus zu betreiben, und fast immer kommen sie ungeschoren davon. Mit dieser Bürgerinitiative wollen wir die Botschaft vermitteln, dass dies nicht länger hinnehmbar ist. Auch die Europäische Union kann nicht länger ihre Augen davor verschließen, und wir müssen beispielsweise die Rolle von Europol stärken.

Zu meiner Freude kann ich Ihnen mitteilen, dass wir in dieser kurzen Zeit bereits 14 000 Unterschriften gesammelt haben. Die Kampagne geht selbstverständlich weiter. Zudem möchte ich meinen Dank für die breite Unterstützung, auch aus den Reihen der Abgeordneten dieses Parlaments, zum Ausdruck bringen. Ich habe nicht nur die Mitglieder meiner Fraktion, der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, haben unterschrieben, auch die Namen von Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke und anderer auf der Liste gesehen, und das ist natürlich überaus begrüßenswert.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Anwesenheit der französischen Ratspräsidentschaft nutzen und der Regierung Frankreichs für die Initiativen danken, die sie diesbezüglich in der Vergangenheit ergriffen hat, nicht selten gegen den Widerstand anderer Mitgliedstaaten. Sie werden sich jedoch hoffentlich dadurch nicht entmutigen lassen und auch in diesem Halbjahr weitere Initiativen auf den Weg bringen.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN).(PL) Herr Präsident! Vor einigen Monaten führten wir in diesem Hause eine Aussprache über die Lage in der Gdansker Werft. Vertreter aller Fraktionen lenkten die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit eines wirklichen Wettbewerbs zwischen europäischen Werften und anderen Werften auf dem Weltmarkt, insbesondere der koreanischen Schiffbauindustrie. Sie betonten, die Schließung von zwei von drei Hellingen in der Danziger Werft bedeutete das Ende ihrer Wettbewerbsfähigkeit und besiegelte ihr Schicksal.

Wir tagen in Straßburg, einer Stadt, die die europäische Integration symbolisiert. Die Aufrechterhaltung dieses Symbols als Sitz des Europäischen Parlaments kostet jährlich hunderte Millionen Euro, aber dieses Symbol achten wir. Die Danziger Werft ist ein Symbol für den Sturz des Kommunismus und das Zusammenwachsen von West- und Mittel- und Osteuropa. Es würde sich lohnen, dieses Wahrzeichen als eine lebende Wirtschaftseinheit, einen Arbeitsplatz für tausende von Arbeitnehmern zu erhalten. Mit diesem Appell haben sich die Werftarbeiter, die kürzlich in Brüssel demonstrierten, an die Europäische Kommission gewandt.

 
  
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  Hélène Flautre (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Ereignisse lenken, die sich derzeit in Tunesien, im Phosphatabbaugebiet Gafsa, zutragen.

Seit einigen Wochen werden Proteste gegen die Armut in diesem Gebiet organisiert, das aufgrund seiner bedeutenden Phosphatvorkommen reich ist. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die lokale Bevölkerung von den Gewinnen nicht profitiert. Derzeit sind äußerst harte Repressionen durch die Polizei und das Militär zu beobachten, darunter Repressalien, Inhaftierungen, Festnahmen und die Abriegelung von Städten, insbesondere von Redeyef.

Ich ersuche hiermit den EU-Missionsleiter – über Ihre Vermittlung, denn ich halte das Einschreiten des Europäischen Parlaments für erforderlich –, diese Frage mit den tunesischen Behörden zu erörtern, dafür zu sorgen, dass die Leitlinien betreffend den Schutz von Menschenrechtsverteidigern eingehalten werden, da Gewerkschafter inhaftiert werden und es Berichte über Folterungen gibt, sowie dass die Missionsleiter den Gerichtsverhandlungen beiwohnen, mit Familienangehörigen sprechen und von den tunesischen Behörden eine Erklärung für die dort stattfindenden Repressionen fordern.

 
  
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  Mihaela Popa (PPE-DE). (RO) Die Meinungsfreiheit ist ein Grundprinzip der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Jedes Land muss Meinungsfreiheit garantieren, was auch die Gewährleistung von Bedingungen für unabhängige Medien einschließt.

Leider beklagt sich der Journalistenverband der Republik Moldau über gegen die Medien gerichtete Maßnahmen, die zwischen 2001 und 2008 von der Regierung in Chisinau ergriffen wurden. Die von den Journalisten angeführten Maßnahmen, mit denen die Regierung versucht, die öffentlichen Medien politisch zu kontrollieren, umfassen die Zensur von Informationen, Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen der Verbreitung von der staatlichen Politik zuwiderlaufenden Meinungen, Verleumdungen, Förderung unlauteren Wettbewerbs in der Presse, größtmögliche Einschränkung des Raumes für Diskussionen in den öffentlichen audiovisuellen Medien, die letztlich Auswirkungen auf den politischen Pluralismus und zugleich auch auf die Demokratie haben.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgehensweisen bin ich der Auffassung, die Europäische Union sollte die Achtung der Meinungsfreiheit in diesem Land genauer überwachen.

 
  
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  Viktória Mohácsi (ALDE). (HU) Ich möchte gern auf die Worte von András Léderer, des Vorsitzenden der ungarischen liberalen Partei „Neue Generation“, eingehen. Am Sonnabend begann in Budapest der ungarische „Marsch der Würde“. Wie in den Vorjahren wurde auch in diesem Jahr auf den Abbau von Vorurteilen gegenüber Homosexuellen aufmerksam gemacht, wenngleich auch nur für einen Tag. Nach den Ausschreitungen mit Molotow-Cocktails in den letzten Wochen nahmen mehrere hundert Bürger an der Demonstration teil, die mit Homosexuellen sympathisieren.

Der Zug wurde von bislang nicht da gewesener Gewalt begleitet. Viele Zivilisten, Polizisten und Demonstranten wurden verletzt, darunter auch das Präsidiumsmitglied des liberalen Bundes Freier Demokraten Ungarns, Gábor Horn, und die Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, Katalin Lévai. Seit der Gründung der „Ungarischen Garde“ haben mehrere rechtsextreme Neonazi-Portale fortwährend aggressive Angriffe organisiert – ob gegen ein jüdisches Kartenbüro, gegen Siedlungen der Roma oder jetzt gegen Homosexuelle – während die Regierung deutlich unfähig und die Kriminalpolizei nicht in der Lage ist, Ergebnisse vorzuzeigen. Vielen Dank.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). (EL) Herr Präsident! Ich möchte Sie und den französischen Ratsvorsitz auf die Thematik der Europäischen Schulen aufmerksam machen, die zwar einerseits als Maßstab und Modell für die europäische Bildung dienen, aber andererseits die Probleme von Schülern mit Lernbehinderungen (Lese- und Rechtschreibschwäche, Stottern) nicht berücksichtigen, sodass viele Kinder auf ihrem schulischen Entwicklungsweg und im späteren Berufsleben aufgrund dieser Schwierigkeiten ausgebremst werden.

Wir sind Zeugen des Versagens geworden und haben erlebt, dass Schulabbrecher ihren Eltern, die unsere Parlamentskolleginnen und -kollegen bzw. EU-Beamte sind, beträchtliche Sorgen bereiten. Sie sind gezwungen umzuziehen, damit ihre Kinder auf normale Schulen in den Mitgliedstaaten gehen können, die für die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Lernbehinderungen nach dem Gesetz und dem Gebot der Menschenwürde, vor allem in Anbetracht der Notwendigkeit des Schutzes der Kinder, sensibel sind.

Das Parlament wird weitere Gelegenheiten haben, sich den Problemen zu widmen, mit denen diese Kinder konfrontiert werden.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE).(EN) Herr Präsident! Was in Simbabwe vor sich geht, ist unsagbar traurig und unglaublich grausam. Herr Mugabe, ein früherer Kämpfer für die Befreiung aus der kolonialistischen Sklaverei, hat sich nun zu einem rücksichtslosen Diktator und einem barbarischen Unterdrücker der Gerechtigkeit und der Menschenrechte von Millionen seiner Landsleute entwickelt.

Die internationale Gemeinschaft – einschließlich der EU – hat bis zur Erschöpfung geredet, verurteilt und weitgehend unwirksame Sanktionen erlassen.

Es ist an der Zeit, Neuwahlen durchzuführen. Zu diesem Zweck sollte Herr Mugabe meiner Meinung nach vor ein internationales Strafgericht gestellt werden, das sich mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit befasst. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine solche Maßnahme völlig gerechtfertigt und realistisch ist und, da bin ich sicher, die gewünschte und dringend nötige Wirkung haben wird, nämlich den Menschen in Simbabwe dabei zu helfen, sich von einem totalitären Regime zu befreien, das das Land mit hohem Tempo in die Selbstzerstörung führt. Meiner Meinung nach sollte die EU eine entscheidende Rolle dabei spielen, Mugabe vor ein internationales Gericht zu bringen.

 
  
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  Ioannis Gklavakis (PPE-DE). (EL) Herr Präsident! Erneut möchte an diesem Ort, im Europäischen Parlament, ein Problem ansprechen, dass die Fischer in meinem Heimatland, die Fischer im Mittelmeer und all jene betrifft, denen die Umwelt am Herzen liegt.

Die griechischen und die europäischen Fischer im Allgemeinen unterliegen strengen Auflagen – und das zu Recht – wenn es um Fangmethoden, Fanggeräte, Fangzeiten usw. geht.

Drittstaaten jedoch – türkische Fischer sind ein typisches Beispiel – fischen wie und wann es ihnen beliebt und benutzen dabei Ausrüstungen ihrer Wahl, wodurch Fischbestände dezimiert und Meere verschmutzt werden sowie die Umwelt belastet wird.

Nach meinem Dafürhalten sollten wir gegenüber der Türkei Initiativen ergreifen, damit das Land ordnungsgemäße Fischereigepflogenheiten anwendet. Die Umwelt steht an erster Stelle und natürlich, wenn ich die Türkei erwähne, meine ich sämtliche Drittstaaten, die nicht normgerechte Methoden einsetzen.

 
  
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  Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Auch ich freue mich, den französischen Vorsitz, vertreten durch den französischen Minister Jean-Pierre Jouyet, hier begrüßen zu können. Es ist allerdings etwas ungewöhnlich, den Vorsitz an einem Montag und noch dazu während dieser Ausführungen von einer Minute hier zu sehen.

Ich will über den heutigen Einsatz der Polizei, der Bereitschaftspolizei, vor dem Parlament sprechen. Als ich vorhin ankam, musste ich zwei Polizeisperren passieren. Ich fragte mich, welche Bedrohung des Parlaments wohl den Einsatz einer solchen Masse von Bereitschaftspolizisten erforderlich machte. Zweimal musste ich mich ausweisen; ich wurde gefragt, weshalb ich mich im Umkreis des Europäischen Parlaments aufhielt. Ich war wirklich überrascht, Herr Jouyet, weil ich mich hier nicht bedroht fühle, sondern weil mich im Gegenteil eher all diese Sperren beklommen machen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Abriegeln des Hauses des europäischen Volkes mit Bereitschaftspolizei eine sonderbare Art ist, die französische Präsidentschaft zu beginnen, und ich möchte betonen, dass wir wollen, dass dieses Haus ein Haus des Volkes bleibt, das den Bürgern offen steht.

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE).(SK) Da wir vor dem 21. August, dem 40. Jahrestag der Besetzung der Tschechoslowakei durch Truppen des Warschauer Paktes, nicht mehr zusammenkommen werden, habe ich das Gefühl, es ist meine Pflicht, die Aufmerksamkeit auf diese dramatischen Ereignisse zu lenken.

Zu jener Zeit wurde ziemlich unmissverständlich deutlich, dass das kommunistische Regime ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war wie jedes andere totalitäre Regime auch. Nach dem August 1968 wurden wir in meinem Heimatland für weitere 20 Jahre Zeugen verschiedenster Formen von kommunistischer Gewalt und Terror seitens dieser organisierten Maschinerie des Bösen. Unsere Achtung sollte jenen gebühren, die sich nicht aufgegeben und ehrenvoll verhalten haben. Gestatten Sie mir, die Worte des slowakischen Priesters Anton Srholec, des Vorsitzenden des Verbandes slowakischer politischer Gefangener, frei wiederzugeben: „Wir dürfen niemals aufhören, Zeugnis abzulegen für die hunderttausenden ehrenhafter Menschen in der Slowakei, die einen Beitrag zur Erhaltung von Freiheit und Menschenrechten geleistet haben. Ihnen ist es zu verdanken, dass wir erneut auf der Seite von Demokratie, Recht und Freiheit stehen“.

 
  
  

VORSITZ: LUISA MORGANTINI
Vizepräsidentin

 
  
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  Csaba Sógor (PPE-DE). (HU) Vielen Dank. Die Stadt Chanty-Mansijsk im http://de.wikipedia.org/wiki/Autonomer_Kreis_der_Chanten_und_Mansen" \o "Autonomer Kreis der Chanten und Mansen"

, Jugra, in Sibirien ist Veranstaltungsort des EU-Russland-Gipfels und Tagungsort der finnisch-ugrischen Völker. In zwei Tagen wird hier der fünfte Weltkongress der finnisch-ugrischen Völker stattfinden. Die EU unterstützt die finnisch-ugrischen Volksgruppen auch finanziell im Kampf für die Wahrung ihrer Identität. In den Redebeiträgen der anwesenden EU-Delegation sowie der vier teilnehmenden Staats- und Regierungschefs, vor allem des ungarischen Staatsoberhauptes, ist hervorgehoben worden, wie wichtig es ist, dass bedrohte Völker nicht nur Tanzgruppen und Chöre haben, sondern auch Unterricht in ihrer Muttersprache und Selbstbestimmung.

Der Kongress hat zwei Botschaften an die EU. Erstens sollte das Jahr des Interkulturellen Dialogs nicht nur ein Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen großer Volksgruppen sein. Zweitens stehen wir vor einem unfassbaren Phänomen, wenn das Parlament eines europäischen Landes per Abstimmung beschließen will, dass in dem betreffenden Land nur eine Sprache offiziell gesprochen werden soll, obwohl es dort jedoch 75 Regionalsprachen gibt. Wenn es die EU und Russland für wichtig erachten, die Kulturen und Muttersprachen der Völker zu erhalten, die in ihrem Staatsgebiet leben, sollten diesem Beispiel auch die Mitgliedstaaten der EU folgen. Herzlichen Dank.

 
  
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  Hanna Foltyn-Kubicka (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen in Peking hat der einzige unabhängige Informationssender, New Tang Dynasty Television, den Sendebetrieb nach China eingestellt.

Obgleich die Situation seit mehreren Wochen unverändert ist, ist weder bekannt, wodurch der vom Satellitenbetreiber Eutel Communications angegebene Ausfall verursacht wurde, noch wann dieser behoben wird. Immerhin wissen wir, wer von diesem Ausfall profitiert und wem er schadet. Millionen Kunden von unabhängigen, gemeinnützigen Fernsehübertragungen auf Chinesisch und Englisch werden vom chinesischen Staat gezwungen, mit der Zensur von Informationen zu leben, aus denen sie hätten entnehmen können, wie wirksam die chinesischen Kräfte gegen tibetische Terroristen vorgehen. Sie werden nichts über Streiks, Unruhen und Probleme erfahren, die sich im Rahmen der Austragung der Spiele ereignen.

Wir Bürger und Vertreter der Europäischen Union behandeln China mit dem Respekt, der dem Land zweifellos als einer großen Nation gebührt, die einen beträchtlichen Beitrag zum Erbe der Menschheit geleistet hat. Bedauerlicherweise werden wir im Gegenzug für diese Achtung äußerst nachlässig von den Behörden in Peking behandelt. Die Einhaltung von Vereinbarungen und das Festhalten an den gleichen Prinzipien ist etwas, das wir sowohl von uns selbst als auch von unseren chinesischen Partnern einfordern müssen.

 
  
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  Emmanouil Angelakas (PPE-DE). (EL) Frau Präsidentin! Entsprechend dem Wortlaut eines Artikels, der vor einigen Tagen in der New York Times erschienen ist, steht die Einigung auf ein Abkommen zwischen der amerikanischen Regierung und der Europäischen Kommission kurz bevor, das europäischen Regierungen, Banken und Unternehmen mit Sitz in der EU gestattet, Informationen über EU-Bürger an US-Behörden weiterzugeben, wie etwa über Kreditkartentransaktionen, Einzelheiten zu absolvierten Reisen, E-Mails und Website-Besuche. Dies alles geschieht in dem Versuch, den Terrorismus zu bekämpfen.

Verhandlungen über die Möglichkeit für EU-Bürger, gegen die US-Administration rechtliche Schritte zu unternehmen, wenn ihrer Auffassung nach, ihre persönlichen Rechte aufgrund der Verwendung ihrer persönlichen Angaben verletzt worden sind, laufen.

Ich rufe den Präsidenten und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf, die Angelegenheit zu untersuchen, und ich appelliere an die Europäische Kommission, Zusammenhänge zu verdeutlichen, damit das Hohe Haus über Inhalt und Natur dieser Gespräche unterrichtet ist. Das EU-Parlament hat eine Pflicht, die persönlichen Rechte und die Privatsphäre der Bürger Europas zu schützen, wenn diese verletzt werden.

 
  
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  Eoin Ryan (UEN).(EN) Frau Präsidentin! Ich möchte die Frage des steigenden Ölpreises und insbesondere des Terminmarktes für Öl ansprechen. Es gibt vielerlei Gründe für den Anstieg auf den Ölmärkten. Einer ist die Nachfrage, der andere das Angebot und die jahrelangen unzureichenden Investitionen in die Infrastruktur für Öl. Experten aus der Ölbranche und Kenner des Ölmarkts sprechen zunehmend die Frage des lächerlich niedrigen Einschusssatzes für Termingeschäfte mit Rohöl an. Sie liegen zwischen 5 % und 7 %. Mit anderen Worten: Wenn Sie bei Öl-Termingeschäften im Wert von 10 Millionen Euro kaufen möchten, müssen Sie lediglich eine halbe Million Euro investieren.

TrimTabs Investment Research, ein führendes unabhängiges Forschungsinstitut aus den USA, hat Folgendes festgestellt: Wenn der Einschusssatz auf 25 % bis 50 % angehoben würde, was dem entspricht, was die meisten Menschen, die an der Börse investieren, zahlen, so hätte dies signifikante Auswirkungen auf eine Senkung des Ölpreises. Der geringe Einschusssatz im Markt bedeutet, dass der Markt offen ist für Manipulationen. Das steht völlig außer Frage. Ich habe kein Problem damit, dass Menschen in Termingeschäfte und Rohstoffe investieren, allerdings ist dieser Einschuss lächerlich niedrig.

Wir müssen dieser Frage nachgehen. Der Einschusssatz muss erhöht werden, weil die globalen wirtschaftlichen Auswirkungen gigantisch sind, und wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um den Ölpreis weltweit zu senken.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Der polnische Staatspräsident hat entschieden, seine Unterschrift nicht unter den Rechtsakt zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon zu setzen, weil der Vertrag nach der Ablehnung des Dokuments durch die Iren in einem Referendum seiner Ansicht nach keinen Bestand mehr hat. Der Präsident Polens hat damit ein grundsätzliches Prinzip, nach dem die EU arbeitet, wieder ins Gedächtnis gerufen, nämlich, dass Verträge nur dann in Kraft treten, wenn sie von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind. Die Anwendung dieses Grundsatzes war bisher offenkundig und galt nach der Ablehnung des Verfassungsvertrags durch die Franzosen und Niederländer. Als dies geschah, wurde – trotz der Fortführung des Ratifizierungsprozesses des Vertrags in vielen Ländern – anerkannt, dass der Verfassungsvertrag nichtsdestotrotz hinfällig war. Bedauerlicherweise wurden sowohl nach der Volksabstimmung in Irland als auch nach der Entscheidung des polnischen Präsidenten Stimmen in der EU laut, darunter auch von einigen prominenten Politikern, die die Ratifizierung dieses Aktes durch Polen forderten, was eine Absage an den Kern europäischer Demokratie ist. Ich möchte vehement gegen diese Äußerungen und den Druck sowie die besondere Art der Erpressung protestieren, die damit verbunden sind.

 
  
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  Die Präsidentin. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.

 

16. Haushaltsplan 2009: Erste Überlegungen zum Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 und Mandat für die Konzertierung (Aussprache)
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  Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Jutta Haug im Namen des Haushaltsausschusses zum Haushaltsplan 2009: Erste Überlegungen zum Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 und Mandat für die Konzertierung – Einzelplan III – Kommission (2008/2025) (A6-0262/2008).

 
  
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  Jutta Haug, Berichterstatterin. − Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Wie sollte und wie könnte der Haushalt der Europäischen Union für das Jahr 2009 aussehen? Darüber sprechen wir seit Beginn dieses Jahres, und nun stehen wir kurz vor dem zweiten Schritt des Europäischen Parlaments im diesjährigen Haushaltsverfahren, das ein bisschen anders aussieht als das der Jahre zuvor. Das ist der Tatsache geschuldet, dass wir uns schon jetzt ein wenig auf das veränderte Verfahren nach dem Reformvertrag vorbereiten wollten.

Nach der Entschließung zum Haushaltsrahmen und zu den Prioritäten für 2009 vom April folgt nun unsere Entschließung „Erste Überlegungen zum Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 und zum Konzertierungsmandat“. Diese Entschließung ist im Haushaltsausschuss einstimmig angenommen worden, und ich hoffe doch sehr, dass das Plenum in ebenso großer Einmütigkeit darüber befinden wird, zumal in dieser Resolution die Anregungen und Vorschläge der Fachausschüsse eingearbeitet wurden.

Worum geht es uns? Der Titel ist Programm. Wir bewerten das, was die Kommission uns als Haushaltsvorentwurf vorgelegt hat, und finden daran viel zu kritisieren. Wir sehen nicht, dass der Entwurf der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit entspricht, dass er transparent genug ist. Wir wissen schon, dass auch die Kommission im zu eng geschneiderten Outfit des mittelfristigen Finanzrahmens steckt. Das berechtigt aber doch nicht, verfügbare Margen mithilfe kreativer Haushaltsführung herzustellen.

Solche Kreationen haben wir aber — wie z. B. das Backloaden von Mehrjahresprogrammen, die Nichtberücksichtigung des bekannten und gut erkennbaren Finanzierungsbedarfs oder die Nichtbudgetierung des mit jährlich 200 Millionen Euro veranschlagten Garantiefonds. Wir sehen nicht, dass die Kommission in dem Vorentwurf die politischen Prioritäten, die sie selbst in ihrer jährlichen Strategieplanung formuliert hat, auch in Zahlen abbildet. Dabei hat das Parlament diese Prioritäten vehement unterstützt — als da sind: Kampf dem Klimawandel, Förderung der Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung in engem Zusammenhang mit der Förderung eines nachhaltigen Europas und natürlich auch die Verwirklichung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik.

Vor allen Dingen vermissen wir beim Kampf gegen den Klimawandel ein größeres Engagement. Zwar behauptet die Kommission, nicht ganz 14 Milliarden Euro seien im Haushalt für die Umwelt bestimmt. Schaut man aber genauer hin, so sieht man, dass von diesen 13,842 Milliarden Euro schon 13 Milliarden in den Fonds für ländliche Entwicklung, Kohäsion und Regionales stecken. Da muss also noch zugelegt werden.

Wir müssen auch mehr im Bereich Wettbewerbsfähigkeit unternehmen, und da vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere aber für die kleinen. Der erste Schritt ist mit dem Small Business Act getan. Wir sollten im Haushalt 2009 eine spezielle KMU-Fazilität vorsehen, die solchen KMU zur Verfügung steht, die ihre Außenstände erst einklagen müssen. Gesetze, die vorschreiben, dass der Rahmen von dreißig Tagen nicht überschritten werden darf, sind zwar fein, sind schön und gut — wie sollen die KMU das denn aber umsetzen? Solche Überbrückungsdarlehen können allerdings Pleiten und die Vernichtung von Arbeitsplätzen verhindern, und das ist auch in unserem Interesse.

Über den nicht hinreichend budgetierten Bedarf für die Nahrungsmittelhilfe, die Nahrungsmittelsicherheit, für Kosovo, für Palästina, für Afghanistan, ja, für die gesamte Kategorie 4 will ich jetzt nicht reden. Das werden gleich meine Kolleginnen und Kollegen tun.

Nur dem Rat, der jetzt leider nicht mehr da ist — ich kann das nicht begreifen, dass er bei den One Minute speeches anwesend ist, aber nicht wenn wir an die Haushaltsdiskussion gehen —, sei gesagt, dass das Parlament wild entschlossen ist, mit ihm in einen wirklichen politischen Dialog zu treten. Wir wollen die europäischen Prioritäten umsetzen, und dazu bedarf es eines ordentlichen Haushalts. Auch unser europäischer Haushalt ist nichts anderes als die in Zahlen gegossene Politik.

(Beifall)

 
  
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  Dalia Grybauskaitė, Mitglied der Kommission. – (LT) Heute haben wir die einmalige Chance, uns zu einem frühen Zeitpunkt mit den wichtigsten Prioritäten des Europäischen Parlaments für das kommende Jahr zu beschäftigen und zu erfahren, welche Bedenken die Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Hinblick auf das von der Kommission vorgeschlagene Projekt hegen. Ich möchte der Initiatorin dieser zeitigen Aussprache, der Berichterstatterin Frau Haug, danken.

Darf ich Ihnen versichern, dass die Europäische Kommission und ich dem nachhaltigen Finanzmanagement und strenger Finanzdisziplin große Beachtung schenken. Wir schätzen Ihre ständige Obacht und Ihr Interesse an diesen Themen, meine Damen und Herren.

Aus diesem Grund möchte ich, ohne Ihre Belange hintanzustellen, Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass der Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 von der Kommission innerhalb der Grenzen des Finanzrahmens 2007-2013 erarbeitet wurde, nachdem Prognosen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung gründlich geprüft und ein wohl begründeter, angemessener Spielraum für unvorhergesehene Herausforderungen vorgesehen wurde.

Bei der Ausarbeitung des Haushalts für das kommende Jahr versuchten wir sicherzustellen, dass die politischen Prioritäten Ausdruck in konkreten Finanzmitteln finden und Ziele auf einem substanziellen, soliden Haushalt beruhen. Daher ist der größte finanzielle Zuwachs durch Programme zu erwarten, die die wirtschaftliche Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit ankurbeln sowie jene, die Freiheit, Sicherheit und Recht fördern, die aus den jeweiligen Haushaltskategorien finanziert werden.

Mit dem Ziel, einen Haushaltsplan für 2009 vorzulegen, der die außenpolitischen Zielstellungen der Europäischen Union widerspiegelt sowie die uneingeschränkte Beteiligung der EU an internationalen Aktivitäten ermöglicht, wird die Kommission in nicht allzu ferner Zukunft einen Änderungsantrag zum Vorentwurf einreichen, der genaue Berechnungen der Mittel für Palästina und das Kosovo enthält. Noch vor Beginn der Vordiskussionen zum Vorentwurf für den Haushaltsplan 2009 im Parlament wird die Kommission Vorschläge für die ergänzende Finanzierung von kurzfristigen Maßnahmen in Entwicklungsländern unterbreiten, die mit den Auswirkungen steigender Lebensmittelpreise zu kämpfen haben. Wir sind bereit, einen „Lebensmittelfonds“ für Entwicklungsländer einzurichten.

Mir sind Ihre Bedenken hinsichtlich der Finanzaufwendungen, vor allem der nicht unter Rubrik 5 aufgeführten Ausgaben, nicht entgangen. Seien Sie versichert, dass der Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 diesbezüglich ausreichend detaillierte Angaben enthält und wir bereit sind, alle für Ihre Entschließung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Zum Schluss möchte ich der Berichterstatterin Frau Haug für Ihre Anstrengungen danken, aufgrund derer uns erstmalig in dieser frühen Phase eine Liste neuer Pilotvorhaben und vorbereitender Maßnahmen vorliegt. Dadurch wird die zeitnahe Prüfung ihrer Finanzierungsmöglichkeiten gefördert und die effiziente Umsetzung der vom Parlament gebilligten Vorhaben ermöglicht.

Bereits in der nächsten Woche – eigentlich noch in dieser Woche – findet ein Dreiertreffen und in der nächsten Woche die erste Vermittlungsrunde zur Vorbereitung der ersten Lesung im Rat statt.

Ich bin mir sicher, dass in diesem Jahr die Atmosphäre konstruktiver Zusammenarbeit erhalten bleibt, der wir uns jetzt bereits mehrere Jahre erfreuen, und dass wir Ende des Jahres eine Einigung erzielen werden.

 
  
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  Véronique De Keyser, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. (FR) Frau Präsidentin! Insgesamt bin ich mit der Rubrik 4 des Haushaltsvorentwurfs alles andere als zufrieden.

Erstens stelle ich wieder einmal fest, wie wenig Mittel für diese Rubrik bereitgestellt wurden. Dies steht in völligem Widerspruch zu den erklärten Zielen der Europäischen Union, eine Rolle als globaler Akteur zu spielen. Die Mittel für die Rubrik 4 wurden nicht nur lediglich um 1,8 % im Vergleich zum Haushalt 2008 angehoben, sondern diese Anhebung liegt auch noch unter der durchschnittlichen Gesamtsteigerungsrate von 3,1 % für den Gesamthaushaltsplan. Man kann also sagen, dass der Anteil für auswärtige Beziehungen und Entwicklung im Vorentwurf des Haushaltsplans verringert wurde.

Zweitens lehne ich den von der Kommission gewählten Ansatz ab, das Flexibilitätsinstrument und die Soforthilfereserven bereits für vorhersehbare und geplante Ausgaben einzusetzen. So werden die Mittelzuweisungen für den Nahen Osten, das Kosovo, die Nahrungsmittelhilfe und die Makrofinanzhilfe eindeutig nicht ausreichen.

Nehmen wir das Beispiel Palästina. Im Haushaltsvorentwurf dieses Jahres werden 171 Millionen an Verpflichtungsermächtigungen und 100 Millionen Euro an Zahlungsermächtigungen veranschlagt. Im Jahr 2007 gaben wir jedoch eine halbe Milliarde für die besetzten Gebiete aus. Jetzt, bis Juli 2008, haben wir bereits 365 Millionen Euro ausgegeben. Was werden wir nächstes Jahr tun? Das Flexibilitätsinstrument in Anspruch nehmen? Einen bereits kleinen Spielraum noch weiter verringern?

Drittens bin ich besorgt über die sich abzeichnende Nahrungsmittelkrise und die Auswirkungen des Klimawandels. Wenn es eine Priorität für die EU gibt, dann diese! Im Haushaltsvorentwurf 2009 ist für die Nahrungsmittelhilfe eine Aufstockung um gerade einmal 6,8 Millionen Euro, also die berühmten 3 %, vorgesehen, obwohl die Kommission Ende April 2008 eine zusätzlich Mittelübertragung in Höhe von 60 Millionen Euro und gerade jetzt noch einmal zusätzliche 40 Millionen Euro beantragt hat; das ist ein Witz! Ich begrüße die Schaffung einer Globalen Allianz gegen den Klimawandel und eines Globalen Dachfonds für Energieeffizienz und erneuerbare Energien, aber wir müssen die Finanzierung für diese Initiativen im Haushaltsplan 2009 zusätzlich zu den geplanten Mittelbindungen für die Entwicklungspolitik aufstocken.

Schließlich bin ich mir der Bedeutung bewusst, die die Europäische Nachbarschaftspolitik und unsere Zusammenarbeit mit den Mittelmeerländern für den Rat hat, aber ich lehne es angesichts des derzeitigen Ausstattungsstandes der Rubrik 4 ab, jegliche zusätzliche Kosten zu unterstützen, die durch die Union für den Mittelmeerraum entstehen würden. Die Außen- und Entwicklungspolitik der Europäischen Union wird an den langfristigen Verpflichtungen in Bereichen, in denen der Bedarf spürbar wird, gemessen. Ohne ausreichende Mittel entsteht durch die haushaltspolitische Flickschusterei in Rubrik 4 in ein äußerst schlechtes Bild von dieser Politik.

 
  
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  Maria Martens, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. − (NL) All das ist selbstverständlich außerordentlich wichtig, und es ist gut zu wissen, dass die Dinge bei Frau Haug in guten Händen sind. Ich kann Ihnen versichern, dass die Zusammenarbeit mit ihr überaus angenehm war. Ich spreche als Verfasserin der Stellungnahme für den Haushalt der Entwicklungszusammenarbeit und stimme denen zu, die sagen, dass eine Aufstockung in Rubrik 4 des Haushaltsplans dringend geboten ist.

Gleichwohl möchte ich zwei Themen herausgreifen, die aus dem Blickwinkel der Entwicklungszusammenarbeit wichtig sind. Zum einen die Nahrungsmittelkrise, und zum anderen die ergebnisorientierte Evaluierung.

Die Nahrungsmittelkrise ist, wie gesagt, ein gewaltiges Problem. Deshalb müssen wir über den Haushalt sowohl kurz- und mittelfristig als auch langfristig Lösungen finden. Kurzfristig wäre da die Nahrungsmittelhilfe. Ich begrüße die von der Europäischen Kommission dazu initiierten Maßnahmen. Auf längere Sicht verfügen wir über das Sonderprogramm für Ernährungssicherheit innerhalb des Finanzierungsinstruments für Entwicklungszusammenarbeit. Leider wurde das gerade erst auf den Weg gebracht, so dass es noch nicht voll funktionsfähig ist. Die größten Probleme tauchen also mittelfristig auf.

Der Ernährungssicherheit und der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern werden sowohl in den Ländern selbst als auch in der EU zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht. Es gibt zwar eine Entwicklung des ländlichen Raums, von dieser profitieren jedoch häufig Bereiche wie die Nahrungsmittelproduktion kaum, sondern eher Bereiche wie der Straßenbau.

Den Vorschlag der Europäischen Kommission, dafür nicht ausgeschöpfte Mittel der Landwirtschaft einzusetzen, kann ich nachvollziehen. Nicht nur haushaltstechnisch, sondern auch in anderer Hinsicht ist dies sehr kompliziert. Länder, die ihre Zusagen einhalten und 0,7 % ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe bereitstellen, werden sagen: Lasst doch andere Länder dasselbe tun, sollen sie doch auch ihr Versprechen erfüllen, dann können wir vielleicht noch mehr leisten. Sie haben ein gutes Argument, das es zu berücksichtigen gilt. Jedenfalls muss deutlich gemacht werden, dass die Mittel wirklich der Ernährungssicherheit, der Produktionssteigerung, der Hilfe für arme Landwirte in armen Ländern zugute kommen sollen.

Mein zweiter Punkt betrifft die ergebnisorientierte Evaluierung. In Europa wächst die Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit, sogar in Ländern, die der Entwicklung gegenüber stets großzügig und wohlwollend eingestellt waren. Frau Präsidentin, wir dürfen uns nicht mit guten Absichten zufrieden geben, sondern müssen eine ergebnisorientierte Evaluierung durchführen. Bessere Wirkung, bessere Ergebnisse. Dann können wir die Menschen überzeugen.

 
  
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  Göran Färm, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. − (SV) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich einen großen Dank an Frau Haug richten, die zahlreiche Kommentare des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie berücksichtigt hat. So hat sie beispielsweise einen Aspekt betont, den wir für sehr wichtig halten, nämlich eine gewisse Diskrepanz zwischen der Jährlichen Strategieplanung der Kommission und dem, was tatsächlich im Haushalt vorgeschlagen wurde, zum Beispiel in den Bereichen Klima und Energiepolitik.

Im vergangenen Jahr ging es in der Haushaltsdebatte im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vor allem um zwei große Themen, Galileo und das Europäische Innovations- und Technologieinstitut. Jetzt können wir feststellen, dass die Umsetzung auf diesen Gebieten gut begonnen hat, auch wenn wir sie natürlich weiterhin im Auge behalten werden. Darum können wir uns in diesem Jahr stärker auf die Energie- und Klimapolitik konzentrieren.

Dazu gab es im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie zahlreiche Ansichten. Vor allem beunruhigt uns der unzureichende Spielraum von 82 Millionen für die Haushaltslinie 1A, der für diese wichtigen Prioritäten keinesfalls ausreichend ist. Wir wissen, dass der Rat in Vorbereitung des Haushalts 2009 jetzt Anstrengungen unternimmt, um diese Obergrenze zu erhöhen, unter anderem durch eine Reihe von Kürzungen im Verwaltungsbereich. Das ist eine gute Sache – vorausgesetzt es führt nicht zu Problemen bei der Umsetzung des Siebten Rahmenprogramms –, dürfte aber nicht ausreichend sein.

Nur um einmal zu verdeutlichen, um welche Größenordnungen es sich hier handelt: der Kollege Buzek, Berichterstatter zum Europäischen Strategieplan für Energietechnologie, spricht von 2 Milliarden Euro jährlich ab 2009 für den SET-Plan. Ich weiß nicht, ob das realistisch ist, aber es zeigt, dass die Energie- und Klimapolitik neue Mittel in erheblichem Umfang erfordern.

Im Siebten Rahmenprogramm sowie im Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation sind umfangreiche Mittel für die Energie- und Klimapolitik veranschlagt, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Beträge bereits 2005 festgelegt wurden, das heißt lange bevor wir eine Vorstellung davon hatten, wie die Klima- und Energiepolitik des Jahres 2008 aussehen würde.

Wir sind außerdem dabei, verschiedene gemeinsame Unternehmen zu bilden, unter anderem für die Entwicklung von Brennstoffzellen und die Wasserstoffgas-Technik. Die Kommission schlägt jetzt eine erste Zuweisung von 30 Millionen dafür vor. Allerdings wird empfohlen, diese Mittel aus dem Programm Zusammenarbeit des Siebten Rahmenprogramms und seinem prioritären Themenbereich Energie zu nehmen. Damit handelt es sich nicht wirklich um neue Mittel, sondern lediglich um eine Umverteilung.

Wir brauchen ein zusammenhängendes Bild aller Finanzierungen im Bereich Energie- und Klimapolitik, was gegenwärtig so gut wie unmöglich ist. Außerdem müssen mit Sicherheit bereits 2009 neue Mittel bereitgestellt werden. Ferner sind wir überzeugt davon, dass der Bereich Klima und Energie das stärkste Argument für eine im nächsten Jahr beginnende umfassende Halbzeitüberprüfung der Finanziellen Vorausschau ist.

 
  
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  Eva Lichtenberger, Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. − Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann im Wesentlichen den Ausführungen unserer Berichterstatterin Haug hier nur Recht geben. Dasselbe zeichnet sich meines Erachtens auch am Haushalt ab, der für den Verkehr zur Verfügung steht. Der Anteil des Verkehrs am Haushalt ist ja zweifellos gewachsen. Das geht aber natürlich in erster Linie auf die Steigerungen bei Galileo zurück. Warum die zustande gekommen sind, ist eine endlose Geschichte und hat etwas mit Industriepolitiken in Europa zu tun.

Was ich aber am Haushaltsvorentwurf, so wie er uns jetzt vorliegt, zu kritisieren habe: Wir brauchen mehr Geld für Passagierrechte, hier geht es um Rechte europäischer Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen vor allem aber mehr Geld für Forschung und für neue Verkehrsstrategien, um endlich zu einer klimaverträglichen Mobilität zu kommen. Und die transeuropäischen Netze brauchen ein ganz strenges Monitoring, denn hier gibt es sehr viel Geld auszugeben.

 
  
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  Kyösti Virrankoski, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. – (FI) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich Frau Haug für ihren guten Bericht danken.

Direkte Beihilfen und marktbezogene Maßnahmen sind die wesentlichen Elemente des Agrarhaushalts, und sie haben ihre eigenen Obergrenzen in der Finanziellen Vorausschau. Die Ausgaben liegen um 2 027 000 000 Euro unter der Obergrenze von 42,8 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von fünf Prozent.

Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung geht davon aus, dass ein Teil dieser Marge für ein Programm zur Verteilung von Obst an Schüler verwendet werden könnte, um auf diese Weise gesunde Essgewohnheiten zu fördern. Fettleibigkeit ist ein stetig wachsendes Problem bei jungen Menschen.

Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung erwartet auch Maßnahmen zur Schaffung eines Umstrukturierungsfonds für den Milchsektor. Der Ausschuss ist besorgt über Pläne, die Marge für die Modernisierung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu verwenden. Dafür sollten Mittel aus Rubrik 4 („Externe Maßnahmen“) und nicht aus Rubrik 2 eingesetzt werden.

Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ist ebenfalls besorgt in Bezug auf die Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung. Im vergangenen Jahr sind 2,8 Milliarden Euro nicht verausgabt worden, weswegen das Parlament die Umsetzung der Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum eingehend überwachen wird.

 
  
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  László Surján, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (HU) Vielen Dank, dass ich das Wort ergreifen darf. Jutta Haugs Bericht, für den ich meine Wertschätzung und meinen Dank zum Ausdruck bringen möchte, fasst die Ansichten des Parlaments über den Vorentwurf des Haushaltsplans sehr genau zusammen. Als ich die Rede der Kommissarin verfolgt habe, hatte ich das Gefühl, die Berichterstatterin und die Kommissarin greifen wie zwei Zahnräder ineinander, was uns mit Begeisterung erfüllen könnte. Allerdings sehe ich dabei ein winziges Problem: Die Sätze von Frau Haug waren mit einem kritischen Unterton formuliert, während die Kommissarin zu beruhigen versuchte. Diese Absichten sind aus meiner Sicht erfreulich, aber ich würde auch gern die Zahlen in einem Format sehen, das diesen Intensionen entspricht.

Ich möchte nun zwei Gedanken in den Vordergrund stellen, die diesem komplexen Material entspringen. So wie wir ist auch der französische Vorsitz an einem starken Europa interessiert, aber ausgerechnet jetzt ist er leider nicht da, um es aufzubauen. Dazu bedarf es eines angemessenen Haushalts. Frankreich versteht Europa und hat viel für die EU getan. Hoffentlich findet die Rasenmähermethode bald ein Ende. Die Präsidentschaft muss sich der Tatsache bewusst sein, dass jeder für unterfinanzierte Programme ausgegebene Cent Geldverschwendung ist.

Nach dem Willen der Europäischen Volkspartei sollte Wert aus Haushaltsausgaben generiert werden, daher ist sie bereit, im Interesse größerer Effizienz oder, anders gesagt, gegen schlecht durchgeführte Programme, Korruption oder innenpolitisch veranlasste Ausgaben zu handeln.

Der Überschuss im Agrarhaushalt unterliegt aufgrund der Auswirkungen der globalen Märkte Schwankungen. Viele Ideen für Projekte, für die er ausgegeben werden sollte, sind entwickelt worden. Ich lehne allerdings alle spontanen, ungerechtfertigten Entscheidungen ab – ob für den Haushalt 2008 oder für den Haushaltsplan 2009. Außerdem hat die EU in diesem Bereich beträchtliche Schulden. Die zwölf neuen Mitgliedstaaten werden zehn Jahre warten müssen, bevor sie die gleiche Unterstützung erhalten wie die alten Mitglieder. Folglich wird es ein Jahrzehnt lang im Binnenmarkt Verzerrungen geben. Diese ungerechte Situation resultiert aus Geldknappheit. Wenn sich jetzt herausstellt, dass im Agrarhaushalt noch Geld da ist, besteht eine moralische Verpflichtung, diesen Wettbewerbsnachteil zu beseitigen.

Die Umlenkung von Landwirtschaftsgeldern in andere Bereiche ist ein Gedanke, der auch von einigen führenden Politikern der neuen Mitgliedstaaten unterstützt wird, doch sollte sich niemand durch den pathologischen Erfüllungszwang unter den postkommunistischen Führern hinters Licht führen lassen; sie erwarten nun nicht mehr von Moskau, sondern von Brüssel, dass man ihnen auf die Schulter klopft.

Zu stellen haben wir uns unter anderem auch den Problemen Afrikas, da die Hilfe im Rahmen des Agrarhaushalts, und zwar in Form von Saatgut und Düngemitteln, einen ernsthaften Hintergrund hat. Finanzhilfe kann wohl kaum die Lösung für den Mangel an Erzeugnissen sein.

Meine Fraktion wird den Dreier-Änderungsantrag zum Klimawandel unterstützen, und sie wird mit Interesse zur Kenntnis nehmen, was sich hinter dem überraschenden Absinken der Höhe der Zahlungen verbirgt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Catherine Guy-Quint, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Woche entscheidet das Parlament über die politischen Prioritäten für den Haushalt, und zwar unter sowohl schwierigen inneren als auch äußeren Umständen. Wir stehen vor zahlreichen Herausforderungen, und zugleich ist der Rahmen der Finanziellen Vorausschau sehr begrenzt. Ich begrüße daher besonders die mutige politische Arbeit unserer Berichterstatterin Jutta Haug. Sie hat es vermocht, den Etappen des Haushaltsverfahrens vorzugreifen, damit wir den Kurs unseres Parlaments festlegen können. Dieses neue Verfahren schafft für die Bürger mehr Klarheit und somit mehr Demokratie. Dadurch ist es möglich geworden, die Prioritäten der Parlamentsausschüsse und Parteien zu verstehen und zu diskutieren.

Leider muss ich wieder einmal den mangelnden Ehrgeiz des Rates beklagen sowie die systematischen Kürzungen, die er am Haushaltsvorentwurf der Kommission vorgenommen hat. Wir stellen fest, dass er bestrebt ist, an Verwaltungsausgaben zu sparen. Es geht dabei nicht um die Festlegung von politischen Prioritäten, sondern um technische Einsparungen, die häufig zur Verdoppelung des Spielraums in manchen Rubriken führen, wie Herr Färm bereits im Hinblick auf die Rubrik 1a bemerkte. Ebenso kann ich mir die linearen Kürzungen bei den Zahlungsermächtigungen nicht erklären: 1 Milliarde Euro weniger als im Haushaltsvorentwurf.

Was die Rubrik 2 anbelangt, sind die Dinge klar. Im Jahr 2008 ließen wir einen Spielraum in Höhe von über 3 Milliarden Euro ungenutzt. Für den Haushalt 2009 schlägt die Kommission einen Spielraum von über 2 Milliarden Euro vor, und der Rat geht noch weiter, indem er diesen Spielraum auf 2,4 Milliarden Euro erhöht. Und dies, obwohl in den Bereichen ländliche Entwicklung, Energie, Einwanderung, Klimawandel und internationale Solidarität ein beträchtlicher Bedarf besteht.

Zu einer Zeit, da die Frage der Ernährungssouveränität jeden Tag dringlicher wird und es so aussieht, als ob das Essen in Europa zum Luxus wird, wenn wir nichts unternehmen, hat der Rat beschlossen, die Landwirtschaftsausgaben zu kürzen. Auch wenn Sie die Haushaltslinien innerhalb unserer traditionellen Priorität nicht geändert haben, haben Sie vergessen, all diejenigen anzuheben, für die Sie Versprechungen gemacht haben. Ebenso frage ich mich, ob das kürzliche Scheitern des Referendums in Irland und der Referenden in Frankreich und in den Niederlanden vor zwei Jahren nicht zeigt, dass die Kommunikation mit den Bürgern und deren Information wichtige Tätigkeiten sind, die bedeutende Investitionen erfordern. Wenn wir diese dringende Notwendigkeit, die Bürger zu informieren, mit ihnen zu kommunizieren und ihnen zuzuhören, leugnen, werden wir die Ergebnisse dieser Selbstbezogenheit bei jeder Volksbefragung und Meinungsumfrage ernten.

Des Weiteren werde ich das Verhalten des Rates gegenüber der Rubrik 4 nie verstehen. Es ist eindeutig immer wieder dasselbe festzustellen. Diese Rubrik ist erheblich unterfinanziert, weshalb wir es nicht zulassen sollten, dass Versprechen gemacht werden, die nie eingehalten werden. Wie können wir hoffen, die Probleme im Zusammenhang mit der Entwicklung multilateraler Beziehungen, die Probleme des Hungers in der Welt oder die der Konsolidierung der Demokratie zu lösen, ohne Mittelaufstockungen vorzusehen? Sie schlagen sogar Kürzungen bei Politiken vor, die sich bewährt haben.

Es gibt nur eine Sache, die wir in den nächsten paar Wochen tun können: die Kontrolle und die Formulierung jeder einzelnen Haushaltslinie noch einmal durchgehen, aber auch sämtliche Möglichkeiten prüfen, um einen Haushaltsrahmen zu erreichen, der der Europäischen Union für 2009 einen realistischen und einigenden Haushalt verleiht.

 
  
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  Anne E. Jensen, im Namen der ALDE-Fraktion.(DA) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Zunächst möchte ich Frau Jutta Haug für die Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung dieses Berichts danken, den meine Fraktion unterstützt. Darüber hinaus können wir auch einige Änderungsanträge der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und der Europäischen Demokraten sowie der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz unterstützen. Der EU-Haushalt ist ein wichtiges politisches Instrument, selbst wenn er natürlich im Vergleich zur Gesamtwirtschaft bescheiden ist. Der Haushaltsplan für 2009 muss gewiss auch politische Prioritäten widerspiegeln. Ist dem so? Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten haben eine ehrgeizige energiepolitische Agenda verabschiedet. Finden sich diese Ambitionen im Haushalt wieder? Nein. Es gibt keine klaren neuen Prioritäten dieser Art. So haben die Staats- und Regierungschefs entschieden, 12 Pilotvorhaben für Kohlekraftwerke zu entwickeln, die CO2 erfassen und speichern, aber niemand weiß, woher die Mittel dafür kommen sollen. Sollten diese Pilotvorhaben nicht im EU-Haushaltsplan erscheinen? Ich frage ja nur.

Für den Herbst dieses Jahres planen die Staats- und Regierungschefs das Zustandekommen einer ehrgeizigen gemeinsamen Flüchtlingspolitik samt Verabschiedung eines Einwanderungspaktes. Aber was ist mit den Bestrebungen für Frontex, der Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, deren Aufgabe es ist, besonders schutzbedürftigen Ländern zu helfen, den Strom von Armutsflüchtlingen zu steuern? Verlautbarungen zufolge fehlt es an Mitteln, um diesbezügliche Ziele zu verwirklichen.

Die Außenpolitik ist chronisch unterfinanziert. Auch dieses Jahr zeigt sich dies erneut angesichts des unrealistischen Haushalts für Beihilfen für Palästina und das Kosovo. Die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament hat vorgeschlagen, Überschüsse aus dem Agrarhaushalt in Bereiche zu lenken, in denen der Haushaltsrahmen zu eng gefasst ist. Diese Lösung wurde auch für die Finanzierung des Galileo-Satellitennavigationssystems angewendet. Die Kommission hat andererseits den Vorschlag unterbreitet, Entwicklungshilfe aus dem Agrarbudget zu finanzieren. Nach meinem Dafürhalten ist das überhaupt keine gute Idee, sondern ein echter Kuddelmuddel.

Meine Fraktion kann nicht a priori hinnehmen, dass wir jetzt eine Prüfung der Vorausschau diskutieren. In erster Instanz müssen die Finanzminister der Mitgliedstaaten beweisen, wie sie gedenken, die politischen Ziele der Staats- und Regierungschefs mit den im Haushaltsrahmen festgelegten Obergrenzen zu vereinbaren.

 
  
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  Gérard Onesta, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin! Frau Haug tut recht daran, die Kommission mit Nachdruck auf mögliche Verbesserungen in ihrem Haushaltsentwurf hinzuweisen, indem sie Transparenz bei den Verwaltungsausgaben, insbesondere für die Agenturen, sowie eine bessere Finanzplanung und eine bessere Bewertung der Humanressourcen anmahnt.

Ich werde mich auf einen Punkt im Bericht Haug konzentrieren, der die mangelnde Übereinstimmung zwischen den Erfordernissen für den Kampf gegen den Klimawandel und dem EU-Haushalt aufzeigt. Unser Haushalt beläuft sich im Grunde auf 1 % des BIP Europas, was lächerlich ist, wenn man es mit den Vereinigten Staaten vergleicht, die 20 % ihres BIP auf Bundesebene einsetzen.

Die Kommission sagt uns, dass sie 10 % dieses winzigen Prozentsatzes für den Klimawandel verwendet – das heißt, 0,1 % des BIP –, während wir laut dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, dem Stern-Bericht, dem UNDP und der Weltbank 0,6 bis 1,6 % des BIP aufwenden müssten, wenn wir die Auswirkungen des Klimawandels wirklich bekämpfen wollen. Der Stern-Bericht spricht sogar von 2 % des BIP. Die Kommission liegt somit 500 % bis 2 000 % unterhalb dessen, was all diese internationalen Berichte uns empfehlen.

Und hier noch eine weitere interessante Zahl: Um den Entwicklungsländern zu helfen, sind – wieder nach den Einschätzung des Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen – etwa 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zur Finanzierung sämtlicher Projekte nötig. Die Kommission erklärt, dass dies interessant sei, dass sie eine Globale Allianz gegen den Klimawandel schaffen wolle und dafür drei Jahre lang 20 Millionen Euro pro Jahr bereitstellen werde. Es besteht also eine erhebliche Kluft zwischen dem Bedarf und den bereitgestellten Mitteln. Wenn ich Kluft sage, meine ich einen Abgrund, der tief genug ist, um sämtlichen Kohlenstoff der Atmosphäre dort lagern zu können.

Ich weiß, dass die Kommission wenig Spielraum hat: Die Ausgaben stehen fest, der Finanzrahmen jedes einzelnen Programms steht fest, die für jedes Programm zu finanzierenden Maßnahmen und die Bedingungen sind festgelegt, und darüber hinaus will der Rat sich nicht bewegen und nimmt bei den Ausgaben sogar noch Kürzungen vor. Glücklicherweise hat die Kommission das Initiativrecht – wenn sie es nur nutzen würde! Wir liegen unterhalb der Obergrenze der Finanziellen Vorausschau, wie Frau Guy-Quint bereits sagte. Wir verfügen über einen Spielraum von mindestens 2 Milliarden Euro. Wenn wir diesen 2-Millionen-Euro-Spielraum nicht nutzen, ist das nicht etwa ein verzeihlicher haushaltstechnischer Fehler, sondern unterlassene Hilfeleistung für ein gefährdetes europäisches Projekt, für einen gefährdeten Planeten.

(Beifall.)

 
  
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  Wiesław Stefan Kuc, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Zu Beginn unserer Amtszeit haben wir uns alle für eine Erhöhung der Mittel für die Umsetzung der Aufgaben der EU eingesetzt. Bedauerlicherweise hat der Rat bei der Billigung des mehrjährigen Finanzrahmens 2007-2013 keine Notwendigkeit gesehen, den EU-Haushalt zu vergrößern. Jetzt sind wir Zeugen der fatalen Folgen dieser Entscheidung.

Neben der Erledigung der aus der Lissabon-Strategie resultierenden Aufgaben haben wir in jüngster Zeit einen Anstieg der Zahl anderer gemeinsamer Aktionen erlebt. Lassen Sie mich einige wenige nennen: transeuropäische Verkehrsnetze, das Europäische Technologieinstitut, der Kampf gegen den Klimawandel. Schon bei der Finanzierung des Galileo-Programms sind Schwierigkeiten aufgetreten, und jetzt zeigen sich die nächsten Probleme in einem wesentlich größeren Rahmen. Warum sollten vornehme Ziele vorangetrieben werden, wenn bekanntermaßen die Mittel fehlen, um sie zu finanzieren? Mit der Kürzung von Finanzmitteln zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik und ihrer Verwendung für andere Aufgaben wird man nicht sehr weit kommen. Und was wird aus Programmen, die schon aufgelegt worden sind?

Meine Kollegin Frau Haug hatte eine unglaublich schwierige Aufgabe vor sich, wollte sie unsere Erwartungen überhaupt teilweise erfüllen. Darum gratuliere ich ihr von Herzen zur Erledigung dieser schwierigen Aufgabenstellung und hoffe, die Zahl der Änderungsanträge wird nicht zu hoch ausfallen.

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Der Haushalt der Kommission ist sehr karg.

Der Bericht von Frau Haug weist zu Recht auf die engen Margen in vielen Rubriken hin. Die geringste Flexibilität gibt es in Rubrik 4. Es ist offensichtlich, dass die Beträge, die 2009 für Palästina und das Kosovo bereitgestellt werden sollen, nicht in den Haushaltsrahmen passen. Prinzipiell ist fraglich, ob das Flexibilitätsinstrument für diese bereits bekannten Zwecke, die das Budget dieser Rubrik überschreiten, eingesetzt werden kann.

Unsere Fraktion unterstützt die Bekämpfung des Klimawandels, und wir hätten uns gewünscht, dass dieses Ziel im Haushalt deutlicher herausgearbeitet worden wäre. Stattdessen gehören die Beträge für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die der Militarisierung der EU dienen, nicht in den gemeinsamen Haushalt, obwohl der Rat dies vorschlagen würde, gerade jetzt, während der französischen Präsidentschaft.

Als Irland den EU-Verfassungsentwurf auf demokratische Weise abgelehnt hat, ist eine neue Situation entstanden, und das hat unvorhergesehene Auswirkungen auf den Entwurf des Haushaltsplans für 2009.

(Beifall)

 
  
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  Sergej Kozlík (NI).(SK) Das dritte Jahr in Folge vergrößert sich schrittweise die Kluft zwischen der langfristigen Haushaltsvorausschau und dem eigentlichen Haushalt.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten nutzen Haushaltsmittel nicht dynamisch genug, die folglich als eingefrorene Haushaltsmittel verschwinden. Die Beträge steigen von Jahr zu Jahr.

Andererseits nimmt die Tendenz einer Erhöhung der Zahlungen zum Halbjahr nicht nur im Verhältnis zum Bruttoinhaltsprodukt ab, sondern auch in absoluten Halbjahreszahlen. Durch Billigung dieses Ansatzes schafft das Parlament ein für die Regierungen der Mitgliedstaaten elastisches und weniger herausforderndes Umfeld. Künftig wird sich dies anhand einer geringeren Umsetzungsquote von wichtigen EU-Politiken zeigen. Diese Situation ist besorgniserregend. Zu Recht weist die Berichterstatterin Jutta Haug in mehrerer Hinsicht darauf hin.

Ich möchte die Aufmerksamkeit insbesondere auf den weiteren relativen und absoluten Rückgang von Ausgaben für die Wettbewerbs- und Kohäsionspolitik lenken, mit Hilfe derer wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung angekurbelt werden sollen. Durch eine solche Entwicklung wird das Vertrauen der Bürger in die EU-Politik nicht gestärkt. Vor dem Wahljahr 2009 sind das keine guten Nachrichten.

 
  
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  Reimer Böge (PPE-DE). - Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Mit dem Bericht Haug legen wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt unsere ersten Überlegungen zum Haushaltsvorentwurf vor und verbinden dies gleichzeitig mit einem Plenumsmandat für die am 17. Juli stattfindende Konzertierung.

Natürlich, ohne den Reformvertrag fehlen zunächst einmal wichtige Herzstücke zukunftsgerichteter Gemeinschaftspolitik, aber auch ohne den Vertrag gibt es vieles, was auf eine notwendige Überarbeitung des Haushaltsvorentwurfes hinausläuft: zwingende offenkundige Defizite, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik, in der Kategorie 4, EU als globaler Partner, aber auch auf der Grundlage zu erwartender Ergebnisse des G8-Gipfels und gleichzeitig unter Beachtung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19./20. Juni.

Denn in mindestens 13 Paragraphen hat der Europäische Rat eigentlich ein intensives Programm zu einer Revision der mehrjährigen Finanzplanung vorgelegt: Weiterentwicklung von FRONTEX, Europol, Stärkung von Eurojust, Maßnahmen der Katastrophenbewältigung, Pilotprojekte für Biokraftstoffe der zweiten Generation und für eine saubere Kohletechnologie, Fonds für Landwirtschaft in den Entwicklungsländern, Nahrungsmittelsicherheitshilfe und Stabilisierung, Steigerung der öffentlichen Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 des BSP, Handelshilfemittel für die Entwicklungsländer, Immigrationspolitik, neue Finanzressourcen zur Bewältigung des Klimawandels.

Ich bin sehr gespannt, wie die Finanzminister, mit denen wir ja zu verhandeln haben, dieses Innovationsprogramm der Staats- und Regierungschefs anpacken und mit welchen Zahlen und Vorschlägen sie diese politischen Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs begleiten werden.

Ich will mich auf zwei ergänzende Elemente konzentrieren — ich unterstütze ausdrücklich die großen Linien, die die Berichterstatterin hier durch intensive Zusammenarbeit, auch mit den Fachausschüssen, vorgelegt hat. Wenn die Kommission nun andenkt, eingesparte Agrarmittel für ein neues Programm zugunsten von Landwirten in den Entwicklungsländern vorzulegen, dann kann man über die Frage, wo das herkommt, gerne diskutieren. Aber es geht nicht an, über die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage ein solches Projekt einfach in die Kategorie 2 hineinzuschmuggeln! Wenn man es unter Beachtung eingegangener Verpflichtungen so finanzieren will, dann ist das eine Revision der Finanziellen Vorausschau und gehört in die Kategorie 4.

Zweitens, diese Mittel einfach den Vereinten Nationen oder auch der Weltbank zu geben, ohne dass wir Zugriff auf die internen Audits haben, ohne dass wir gewisse Garantien im Hinblick auf die richtigen politischen Prioritäten haben, ist eine Vorgehensweise, über die wir noch viel zu diskutieren haben werden. Angesichts der gemachten Erfahrungen ist das nicht so einfach!

Natürlich wissen wir, dass wir beispielsweise für Palästina 2008 schon dreimal so viel ausgegeben haben, wie im Haushaltsvorentwurf 2009 steht, und die alte Masche, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und neue Prioritäten zu Lasten der Entwicklungsländer in der Kategorie 4 zu finanzieren, ist angesichts der neuen Herausforderungen, angesichts der politischen Beschlüsse nicht mehr akzeptabel und wird von uns nicht hingenommen werden.

 
  
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  Costas Botopoulos (PSE). (EL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Der Haushalt ist ein politisches, kein buchhalterisches Instrument. Der vorliegende Bericht birgt nach meinem Dafürhalten einen großen Vorteil in sich, indem er über technische Aspekte hinausgeht und manche politische Aussage trifft.

Die beiden wichtigsten Punkte beinhalten erstens, dass der EU-Haushaltsplan nicht den Bedürfnissen und Zielen der EU entspricht und zweitens, dass der Haushalt nicht die vorrangigen politischen Vorhaben reflektiert, die von den anderen Agenturen der EU klar umrissen worden sind.

Was können wir im Hinblick auf den ersten Punkt unternehmen? Was steht im Bericht? Wir fordern eine Erhöhung der äußerst geringen Haushaltsmittel. Außerdem – und das ist von großer Bedeutung, weshalb ich es wiederhole, auch wenn es schon erwähnt worden ist – fordern wir die möglichst sinnvolle Verwendung der Margen. Anders gesagt: Wo immer man im Rahmen bestimmter Politiken Geldverschwendung vermeiden kann, damit die betreffenden Gelder für die EU-Politik verwendet werden können, muss dies unbedingt geschehen.

Zum zweiten Punkt: Wie bereits erwähnt, spiegelt der Haushalt die politischen Prioritäten nicht wider. Dabei möchte ich mich auf zwei Beispiele konzentrieren. Sie wurden schon von anderen Abgeordneten angeführt, aber ich werde sie erneut zur Sprache bringen.

Welches war im Verlauf des vergangenen politischen Jahres das dringendste Problem in der EU? Energiepolitik, Klimawandel, Nahrungsmittelversorgung. Die zur Bekämpfung dieses Spektrums an politischen Problembereichen bereitgestellten Beträge aus dem Haushalt waren ausgesprochen niedrig.

Das zweite Themenfeld ist, wie viele bereits sagten, die Außenpolitik. Jetzt, wo Europa sich öffnet und seine Flügel ausbreitet, kürzen wir erneut die Ausgaben.

Drittens und dies möchte ich besonders betonen – die Kommunikationspolitik. Sie sind Zeugen des Geschehens: die Schwierigkeiten, vor der die EU im Hinblick auf die institutionelle Krise steht, die sie gerade durchlebt. Wir brauchen politische Initiativen und dafür sind Kommunikationsmöglichkeiten und Finanzmittel vonnöten.

 
  
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  Jan Mulder (ALDE).(NL) Zunächst möchte auch ich Frau Haug und der Frau Kommissarin danken. Die französische Ratspräsidentschaft stand ebenfalls auf meinem Papier, aber bedauerlicherweise ist ihr Vertreter bereits entschwunden.

Ein für die Mitgliedstaaten interessanter Aspekt dieses Haushaltsplans ist der geringe Umfang an Zahlungsermächtigungen. 0,9 % ist, wie ich meine, einer der niedrigsten Anteile der letzten Jahre. Jetzt liegt es an uns zu prüfen, ob das realistisch ist oder nicht. Es ist nichts daran auszusetzen, wenn der Umfang gering gehalten wird, aber realistisch sollte er schon sein, und wie bereits zu vernehmen war, kommen vielleicht eine Vielzahl neuer Prioritäten auf uns zu.

Zu den Dingen, die wir in Angriff nehmen müssen – und darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen –, gehört Rubrik 4. Bei einem Blick auf diese Rubrik stellen wir fest, dass zu den wichtigsten Institutionen, an die Mittel fließen, die Vereinten Nationen gehören. Gerade bin ich von einer Visite des Haushaltskontrollausschusses im Kosovo zurückgekehrt. Was wir dort über die Vereinten Nationen hörten, stimmte uns nicht gerade optimistisch. Meines Erachtens muss sich die Kommission die Politik für diese Organisation noch einmal genau anschauen.

Ein weiterer Aspekt ist Rubrik 5 des Haushaltsplans. Ich glaube, die Marge liegt derzeit bei 121 oder 123 Millionen. Wie ist diese Marge angesichts der rapide ansteigenden Inflation zu bewerten? Vier bis fünf Prozent jährlich. Wie wirkt sich das auf die Ausgaben der Kommission im Bereich des Personals, der Gebäude und so weiter aus, und welche Schlüsse müssen wir daraus ziehen?

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN).(PL) Frau Präsidentin! Im Rahmen dieser Aussprache möchte ich sie gern auf vier Themenbereiche aufmerksam machen. Der Betrag für Mittel für Verpflichtungsermächtigungen im Haushaltsplan 2009 beträgt 1,04 % des Bruttonationaleinkommens (BNE). Für Zahlungsermächtigungen sind lediglich 0,9 % des BNE vorgesehen, was einem Rückgang von insgesamt 3,3 % im Vergleich zum Haushaltsplan 2008 entspricht. Mit einem so bescheidenen Haushalt wird es schwierig, die sowohl von der Europäischen Kommission als auch vom Parlament erarbeiteten vorrangigen Vorhaben umsetzen, vor allem da diese Prioritäten mit jedem Jahr, das verstreicht, deutlich steigen. Drittens verdienen die in Rubrik 4 mit dem aussagekräftigen Titel „Die EU als globaler Akteur“ aufgeführten Finanzmittel besondere Beachtung, da sie um ganze 1,8 % im Vergleich zu 2008 angehoben wurden, obgleich seit Jahren offensichtlich ist, dass dieser Bereich chronisch unterfinanziert ist. Viertens ist eine dermaßen geringe Steigerung der Mittel in Rubrik 4 umso verwunderlicher, da hier sicher die Mittel für EU-Nahrungsmittelhilfen für Entwicklungsländer angesiedelt sind und die Preise für agrarische Rohstoffe in den vergangenen 10 bis 15 Monaten um mehrere Dutzend Prozentpunkte angestiegen sind.

Abschließend möchte ich der Berichterstatterin Frau Haug zu ihrem äußerst gründlichen Bericht gratulieren, in dem zum wiederholten Male aufgezeigt wird, dass sowohl die Kommission als auch der Rat den Prozess des Haushaltsentwurfs leider in erster Linie aus einem buchhalterischen Blickwinkel betrachten.

 
  
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  Margaritis Schinas (PPE-DE). (EL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Wir sind gerade dabei, ein klares Verhandlungsmandat für die in der nächsten Woche mit dem Rat stattfindenden Aussprachen zu erteilen.

Mir ist klar, warum sich viele Kolleginnen und Kollegen, die das Wort ergriffen haben, für besondere, zusätzliche Anstrengungen im Hinblick auf Problemfelder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (auswärtige Beziehungen usw.) stark gemacht haben, aber meines Erachtens sollte dieses Mandat in diesem Jahr im Besonderen unter Berücksichtigung der Erwartungen der Bürger an den Haushalt, statt hinsichtlich der Erwartungen von vielen von uns aufgrund von Interessenschwerpunkten oder anderen Anliegen, erteilt werden.

Wir müssen uns auf die vier Themenbereiche konzentrieren, die nach meinem Dafürhalten für die Bürger Europas heute von oberster Dinglichkeit sind. Diese vier Felder umfassen: hohe Preise, Klimawandel, Wettbewerb und Umweltschutz.

Auf diese vier Ecksteine sollten wir das Mandat gründen: Meines Erachtens sind wir auf dem richtigen Weg, aber wir dürfen diesen roten Faden nicht aus den Augen verlieren.

Ich würde gern kurz auf die Idee eingehen, die Präsident Barroso gestern aus dem Hut gezaubert hat und dem G8-Gipfel zur Lebensmittelsicherheit, wenn ich mich nicht irre, heute oder morgen präsentieren will. Es lohnt sich, diesen Plan genauer unter die Lupe zu nehmen, allerdings aus der üblichen Perspektive des EU-Haushaltsentwurfs. Anders gesagt sollten wir diese Idee mit dem Rat als ein Haushaltsprinzip debattieren und entscheiden, ob sie als ein Vorschlag der EU in internationalen Foren vorgelegt wird.

Abschließend möchte ich einige Worte zur Einwanderung verlieren. Ich stamme aus einem Mitgliedstaat, dessen Außengrenzen, die EU-Außengrenzen darstellen, einem enormen Druck ausgesetzt sind, insbesondere die Seegrenzen. Meiner Ansicht nach sollten wir in diesem Jahr besondere Anstrengungen für Frontex unternehmen, vor allem für die Meeresdimension mit Einsätzen wie der Operation Poseidon in der Ägäis, die allein im vergangenen Jahr in den Sommermonaten in der Lage war, auf durchschnittlich 700-800 Fälle illegaler Einwanderung zu reagieren.

Wir brauchen diese Bemühungen ebenso wie man im Haushalt zumindest ein Zeichen setzen muss, weshalb ich mit anderen Abgeordneten in Kontakt stehe, um dieses Ziel zu erreichen, damit gewährleistet wird, dass es erstmals einen Mechanismus der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bei der Aufteilung der Verwaltungskosten und administrativen Lasten der Aufnahme von Einwanderern gibt.

Daran fehlt es bislang, aber ein solches Vorgehen ist notwendig. Dadurch wird auf manche Mitgliedstaaten großer Druck ausgeübt. Meiner Meinung nach tragen wir besondere Verantwortung dafür, dass das Ganze funktioniert.

Ich möchte enden, wie ich begonnen habe. Kein Haushalt kann von Erfolg gekrönt sein, wenn er nicht den Erwartungen der Bürger entspricht, sondern eher auf besondere Interessen und Lobby-Gruppen zugeschnitten ist.

 
  
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  Vladimír Maňka (PSE).(SK) Mein Dank gilt Frau Haug für ihren ausgezeichneten Bericht.

Der Vorentwurf des Haushaltsplan 2009 gestattet einerseits eine Konsolidierung von Programmen, die für den Finanzzeitraum 2007 bis 2013 genehmigt worden sind, und andererseits erfährt dadurch die Notwendigkeit der Lösung dringender Probleme und Herausforderungen neue Betonung. Im Rahmen der Regionalpolitik liegt es in unserem Interesse, die soziale und wirtschaftliche Lage von Bewohnern unterentwickelter Regionen zu verbessern. Unser Ziel ist es, die Ungleichheit zwischen europäischen Regionen zu verringern. Im Vergleich zum Jahr 2008 sind die Verpflichtungsermächtigungen unter der Ausgaben-Teilrubrik 1b um fast 14 % gesunken. Selbstverständlich ist es unser Wunsch, uns den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu stellen und gleichzeitig das Solidaritätsprinzip in der Gemeinschaft zu achten. Darum muss sichergestellt werden, dass die für die Kohäsionspolitik erforderlichen Mittel auch künftig weiter garantiert werden.

Um unseren Bürgern glaubhaft versichern zu können, dass ihre Finanzmittel verantwortungsbewusst ausgegeben werden, muss die wirksame Umsetzung von operationellen Programmen und Großprojekten gewährleistet werden. Die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Analysen und Folgemaßnahmen spielen daher eine Schlüsselrolle. Die Ergebnisse der Kohäsionspolitik für den Zeitraum von 2000 bis 2006 müssen unbedingt bewertet werden.

 
  
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  Nathalie Griesbeck (ALDE).(FR) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich Frau Haug Respekt zollen. Sie hat mit Leidenschaft einen Haushaltsbericht vorgestellt, der umfassend, anspruchsvoll und zugleich sehr mutig ist, der im Haushaltsausschuss einstimmig angenommen wurde und der darauf abzielt, das Bedürfnis des Parlaments nach Transparenz und Klarheit für die Vorbereitung des Haushalts 2009 herauszustellen.

Natürlich unterstreicht er die wesentlichen Forderungen des Parlaments – die Maßnahmen für Wettbewerbsfähigkeit, Regionalpolitik, Forschung und Entwicklung, Landwirtschaft und Nahrungsmittelsicherheit und in zweiter Linie die Forderungen im Hinblick auf die Außenpolitik und die Europäische Nachbarschaftspolitik, wie bereits erwähnt wurde.

In der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich jedoch betonen, wie wichtig es ist – und zwar mehr denn je –, dass wir Mittelkürzungen in der Rubrik 3b vermeiden. Im derzeitigen Klima, in dem es an öffentlichen Vertrauen in die EU mangelt und es Europa schwer fällt, seine Bürger mit Hoffnung zu erfüllen, scheint es wesentlich, durch Maßnahmen in den Bereichen Kultur, Jugend und Gesundheit eine echte Unionsbürgerschaft zu schaffen. Ich schließe mich Frau Haug an in dem Bedauern darüber, dass die Mittel für genau diese Tätigkeiten, die sichtbar machen, was Europa für seine Bürger tut, am wenigsten angehoben wurden.

Abschließend möchte ich den Rat und dessen Vorsitz auffordern – und auch ich bedauere, dass der Vertreter des Rates zu diesem wesentlichen Zeitpunkt der Aussprache nicht anwesend ist –, es zu unterlassen, im Haushaltsvorentwurf in erster Lesung Kürzungen vorzunehmen, wie sie es sich in den vergangenen Jahren angewöhnt haben. Hierfür müssen unsere Organe eng zusammenarbeiten, und das Europäische Parlament muss – selbstverständlich in seiner Rolle als Mitentscheider der EU-Politik, aber vor allem als Vertreter der Bürger – voll einbezogen werden im Rahmen des wesentlichen politischen Aktes der Annahme des Haushalts.

 
  
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  Valdis Dombrovskis (PPE-DE). (LV) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Diskussion über den von der EU-Kommission erarbeiteten Vorentwurf des Haushalts für 2009 sollten wir zuallererst zur Kenntnis nehmen, dass der Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigungen auf 134,4 Milliarden Euro gestiegen ist, was einem Anstieg von 3,1 % entspricht. Gleichzeitig ist die Summe der Zahlungsermächtigungen um 3,3 % gesunken, wobei der Betrag für Zahlungsermächtigungen für die EU-Kohäsionspolitik am dramatischsten, nämlich um 14 %, gefallen ist. Natürlich ist die Verringerung der Zahlungsermächtigungen für die Kohäsionspolitik der EU mit langwierigen programmbezogenen Problemen verknüpft, die die Mitgliedstaaten daran hindern, die EU-Mittel voll auszuschöpfen. Allerdings hätte sich die Europäische Kommission stärker auf die beginnende, erfolgreiche Verwendung der Mittel und eine Verringerung der Verwaltungslasten statt auf eine mechanische Reduzierung von Zahlungsermächtigungen konzentrieren sollen. Nach meinem Dafürhalten muss dieses Thema im Rahmen der Vermittlungsrunde erneut ernsthaft erörtert werden. Was Rubrik 4 des EU-Haushaltsplans hinsichtlich der Rolle der EU als globaler Akteur betrifft, so ist augenscheinlich, dass das Volumen der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Mittel nicht ausreicht. Der Entwurf von Rubrik 4 muss erneut erwogen werden, wobei die Verpflichtungen der EU im Kosovo, in Palästina und an anderen Orten der Welt berücksichtigt werden müssen, um zu realistischen Zahlen zu kommen. Die gegenwärtig für die Erreichung der neuen Prioritäten der EU – die gemeinsame Energiepolitik und die Bekämpfung des Klimawandels – im EU-Haushalt vorgesehenen Beträge sind eindeutig nicht ausreichend. Fraglos können erhebliche Änderungen der Struktur des EU-Haushaltsplans nur in Verbindung mit der Halbzeitüberprüfung der Finanziellen Vorausschau der Union vorgenommen werden, aber spezifische Änderungen können durchaus zu einem früheren Zeitraum erfolgen, indem man beispielsweise den neuen Mitgliedstaaten gestattet, einen größeren Teil der EU-Mittel in Energieeffizienzziele und Wohnungsheizprogramme zu lenken. Abschließend zu institutionellen Schwierigkeiten: Das Haushaltsverfahren 2009 begann basierend auf der Annahme, der Vertrag von Lissabon würde im nächsten Jahr in Kraft treten. Gegenwärtig ist unklar, was mit dem Vertrag von Lissabon geschieht. Es ist wichtig, sich darüber zu verständigen, welche Verfahrensänderungen damit für die Arbeit der Institutionen am EU-Haushalt relevant werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Gabriela Creţu (PSE). (RO) Der Binnenmarkt sollte völlig zu Recht gefördert werden, wenn sich durch sichere Waren und Dienstleistungen ein hoher Grad an Verbraucherzufriedenheit erreichen lässt und auftretende Probleme effizient gelöst werden können, vorausgesetzt fairer Wettbewerb ist gewährleistet.

Die vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz für den Haushaltsplan 2009 vorgelegten Vorschläge gehen ebenfalls in diese Richtung. Wir fordern zusätzliche Finanzmittel für das SOLVIT-Netz, das trotz gerechtfertigter Erwartungen noch nicht die geschätzte Effizienz bei der Lösung rechtlicher Probleme erreicht hat, mit denen Bürger im Binnenmarkt konfrontiert sind.

Zugleich unterstützen wir die weitere Finanzierung von Projekten für Verbraucher, Marktforschung, einschließlich der Preise, sowie Marktüberwachungsmaßnahmen.

Die gesammelten Daten erklären vielleicht die möglichen Verzerrungen und tragen dazu bei, angemessene Maßnahmen zur Berichtigung von Fehlentwicklungen zu finden. Man kann feststellen, dass die Mittel in den meisten besprochenen Rubriken ausreichend sind, aber mit Besorgnis weisen wir auf einen bestimmten Aspekt: Die gegenwärtige Struktur der Haushaltsausgaben ist absolut nicht transparent.

Damit wird die demokratische Kontrolle des Verwendungszwecks öffentlicher Gelder untergraben, ein Faktum, das vom Parlament entschieden abgelehnt wird.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). (RO) Aus dem ersten Bericht des Europäischen Parlaments über den Vorentwurf des Haushaltsplans 2009 sollten die gegenwärtigen vorrangigen politischen Vorhaben der Europäischen Union klar hervorgehen.

Folglich werden im Bericht meines Erachtens überwiegend die Unzulänglichkeiten des Haushalts im Kampf gegen die globale Erwärmung in den Vordergrund gerückt, aber es fehlt die ausreichende Betonung der Nahrungsmittelkrise, mit der die EU-Bürger zu schaffen haben. Die Preiskrise und die Ernährungsunsicherheit, mit der wir erstmals seit über 30 Jahren kämpfen, müssen Teil unserer Haushaltsprioritäten sein.

Nach meinem Dafürhalten stellt die Gemeinsame Agrarpolitik das einzige Instrument dar, mit dem wirksam auf die Lage reagiert werden kann. Nur dadurch kann die ausreichende Erzeugung von Nahrungsmitteln in Europa gewährleistet werden.

Aus diesem Grund lehne ich die Verwendung der Margen in Rubrik 2 des EU-Haushaltsplans für andere Bereiche außerhalb der Landwirtschaft ab. Zweitens erleben wir seit mehreren Jahren, wie mithilfe verschiedener Mittel Gelder im ersten Pfeiler, nämlich von Direktzahlungen an Landwirte, in Projekte für die ländliche Entwicklung im zweiten Pfeiler umgelenkt werden.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Projekte für die Entwicklung des ländlichen Raums nicht zu einem Produktionsanstieg in Europa und damit unbedingt zu einer Lösung der aktuellen Nahrungskrise führen werden.

Selbst wenn sich der Trend der Verwendung der jeweiligen Transferbeträge mithilfe des Instruments der Modulation seit mehreren Jahren fortsetzt, brauchen wir jetzt die erfolgreichsten Maßnahmen, die wiederum Teil der traditionellen Instrumente der GAP sind, um auf die gegenwärtigen Herausforderungen zu reagieren.

 
  
  

VORSITZ: Diana WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  Szabolcs Fazakas (PSE). (HU) Vielen Dank, dass ich das Wort ergreifen darf. Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Sehr verehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin Frau Jutta Haug für ihre bisherige ausgezeichnete Arbeit sowie den uns nun vorliegenden umfassenden Standpunkt danken, im Ergebnis dessen sie jetzt versucht, einen Haushaltsplan auf der Grundlage des beschränkten zur Verfügung stehenden Finanzrahmens zu entwerfen, der dazu beitragen kann, dass unsere vorrangigen Anliegen Früchte tragen und wir gleichzeitig auf die globalen Herausforderungen reagieren können, denen wir gegenüberstehen.

Angesicht der die EU bedrohenden Stagflation ist es ein wichtiger, begrüßenswerter Schritt, dass die größte Rubrik im Haushalt jetzt den Abschnitt umfasst, der sich mit Wachstum, Beschäftigung, Innovation und Kohäsion beschäftigt. Die Quellen für die Erreichung der Ziele des Klimawandels und einer sicheren, wettbewerbsfähigen Energieversorgung finden sich ebenfalls in diesen Zeilen. Noch besser wäre es, wenn es für diese Herausforderungen separate Rubriken gäbe, nämlich für die Verringerung von CO2-Emissionen, Energieeinsparung und erneuerbare Energie, d. h. für die Förderung der Entwicklung einer gemeinsamen, nachhaltigen europäischen Energiepolitik. Vielen Dank.

 
  
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  Brigitte Douay (PSE).(FR) Frau Präsidentin! Nach dem irischen Referendum besteht eine noch größere Notwendigkeit für die EU, mehr auf die Bürger zu hören und sie besser über die Fragen zu informieren, die ihr alltägliches Leben betreffen. Dies gilt insbesondere jetzt, weniger als ein Jahr vor den Europawahlen, wenn wir das Interesse der Wähler für die Themen der EU wecken und dafür sorgen wollen, dass zu deren Zielen und Maßnahmen ein allgemeiner Konsens erreicht wird.

Dies ist eine schwierige Zeit für den Haushalt 2009, zu dem Frau Haug einen hervorragenden Bericht vorgelegt hat, der einen neuen Ansatz für die wesentlichen Fragen bietet und der durch einen umfassenden Konsultationsprozess zustande gekommen ist. Mein Interesse gilt insbesondere den Punkten über die Unionsbürgerschaft und die Informationstätigkeit, die den verschiedenartigen Herausforderungen im Jahr 2009 gerecht werden müssen und bedeutende Mittel aus einer Rubrik erfordern, deren Spielraum leider gering ist.

Information ist ein wesentliches Werkzeug der Demokratie. Die Bürger müssen – ob sie in den alten oder in den neuen Mitgliedstaaten leben – besser über die Realitäten der EU und insbesondere deren Haushalt informiert werden. Zu diesem Zweck müssen sie klare, relevante und zwischen den wichtigsten Institutionen abgestimmte Botschaften erhalten. Daher erscheint mir die Forderung nach der Entwicklung eines Markenzeichen der Europäische Union, das überall in Europa erkennbar wäre und jeden ansprechen würde, ein wichtiger Faktor, um die Bürger stärker für das Projekt Europa zu gewinnen.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE).(PL) Frau Präsidentin! Jahresetats stellen eine Art Kompromiss zwischen der Umsetzung von in mehrjährigen Finanzrahmen festgeschriebenen strategischen Zielen und der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage sowie vor allem der Notwendigkeit dar, auf unvorhergesehene Ereignisse im Markt zu reagieren.

Vor dieser Situation stehen wir heute: Die Energiepreise, einschließlich der Preise für Kraftstoffe, sind stark angestiegen, und es gibt klare Anzeichen für eine weltweite Ernährungskrise, während gleichzeitig die Preise für Lebensmittel in die Höhe schnellen. Welche Aktionen plant die Kommission und welche Haushaltsbeträge können für die Lösung dieser schwierigen aktuellen Lage vorgesehen werden, um eine Verschlimmerung der Krise zu verhindern?

Jahrelang haben wir an einem Energie- und Klimapaket gestrickt, was von großer Bedeutung ist. Ist dieses Ziel jedoch in den Prioritäten für den Haushalt 2009 erkennbar? Im Jahr 2009 finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Dann werden wir Rechenschaft über die Verwendung von Steuergeldern sowie darüber ablegen müssen, in welchem Umfang diese Ausgaben mit den Zielen und den Bedürfnissen der EU und ihrer Bürger übereinstimmen.

 
  
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  Jutta Haug, Berichterstatterin. − Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die vielen guten Worte, dafür, dass Sie meine Arbeit schätzen, und selbstverständlich auch für die Unterstützung. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass diese Arbeit natürlich nur dann geleistet und ordentlich geleistet werden kann, wenn alle Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle mitmachen. Nur dann sind wir auch dem Rat gegenüber so stark, dass wir die Dinge, die wir unbedingt durchsetzen wollen, auch durchsetzen können.

Besonders gut gefallen hat mir das Bild, das László Surján von der Kommissarin und mir gezeichnet hat, indem er davon gesprochen hat, dass wir wie zwei Zahnräder ineinandergreifen. Das hat deshalb für mich einen Reiz, da etwas bewegt wird, wenn zwei Zahnräder ineinandergreifen. Das ist genau das, was wir wollen! Wir wollen etwas bewegen, wir wollen keinen statischen Haushalt, und wir wollen vor allen Dingen auch den Rat bewegen. Die Staats- und Regierungschefs können natürlich – so wie der Vorsitzende das gesagt hat – auf ihren jeweiligen Gipfeltreffen in dem Kommuniqué alle möglichen tollen Dinge ansprechen, aber am Ende müssen Kommission und Parlament gemeinsam die ganze Geschichte bewegen. Natürlich ist der Rat als der eine Arm der Haushaltsbehörde mit dabei, aber meistens habe ich den Eindruck, dass wir in dieser Bewegung den Rat immer mitziehen müssen und er dem Ganzen nicht von sich aus Drive verleiht.

Wir haben zu einem frühen Zeitpunkt – vor der Sommerpause – jetzt nochmals den Haushaltsvorentwurf analysiert, haben uns gegenseitig unsere Meinung gesagt und deutlich herausgearbeitet, was wir vom Haushalt der Europäischen Union im nächsten Jahr wollen. Damit haben wir eine gute Grundlage, um nach der Sommerpause in die Vorbereitungen zu unserer ersten Lesung zu gehen.

Ich hoffe, dass auch an dieser Stelle alle Kolleginnen und Kollegen so ordentlich unterstützen, wie sie das heute getan haben.

 
  
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  Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 8. Juli 2008, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Cătălin-Ioan Nechifor (PSE), schriftlich. – (RO) Der Haushaltsausschuss fordert echte Unterstützung für arme Regionen und einen größeren Haushalt als Ausdruck des Solidaritätsprinzips in Europa. Im Bericht von Jutta Haug geht es um den Haushaltsplan 2009. Er betont die aktuellen Prioritäten auf EU-Ebene, wozu die Bekämpfung des Klimawandels und die Solidarität für ärmere Regionen gehören.

Dieser neue Ansatz sollte ein tieferes Verständnis für die Schwierigkeiten und Bedürfnisse ärmerer Regionen beinhalten und die Bereitstellung umfangreicherer Finanzmittel gewährleisten, durch die eine Verringerung der Unterschiede sowie wirtschaftliche und soziale Kohäsion erreicht werden sollten, wobei Fortschritte bei der Entwicklung von den zuständigen europäischen Institutionen überwacht werden.

Für Rumänien wäre diese Haushaltsanpassung eine gute Nachricht, was die Bereitstellung von Geldern betrifft, da sechs von acht Entwicklungsregionen im Land zu den 15 ärmsten Gebieten der Europäischen Union zählen und die nordöstliche Entwicklungsregion auch in diesem Jahr das Schlusslicht bildet. Damit besteht für uns eine große Chance in unserem Kampf und im ständigen Bemühen um die Verringerung der beträchtlichen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und zivilisationstechnischen Unterschiede zu den Regionen in den westeuropäischen Ländern.

 

17. WTO-Streitfälle Airbus/Boeing (Aussprache)
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission über die WTO-Streitfälle bezüglich Airbus/Boeing von Helmuth Markov im Namen des Ausschusses für internationalen Handel (O-0033/2008 – B6-0155/2008).

 
  
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  Helmuth Markov, Verfasser. − Frau Präsidentin! Frau Kommissarin, liebe Kollegen! Der Handelsstreit zwischen der Europäischen Union und den USA über Großflugzeuge ist keine Kontroverse wie andere, die an die WTO zur Behandlung herangetragen werden. Es ist das bei Weitem größte und komplizierteste Verfahren, das bisher eröffnet wurde. Es geht hier um enorme Interessenskonflikte.

Die USA haben die Art und Weise kritisiert, mit der die EU und die am EADS-Konsortium beteiligten Mitgliedstaaten die Einführung neuer Großflugzeuge in den vergangenen zwanzig Jahren subventioniert haben. Die EU ihrerseits hat den USA versteckte Beihilfen vorgeworfen, die Boeing im Rahmen von Verteidigungs- und Raumfahrtprojekten erhalten hat, in die es eingebunden ist. Wir wissen noch nicht, zu welchem Ergebnis das WTO-Streitschlichtungsverfahren kommen wird. Ich nehme an, das Urteil wird sein, dass beiden Parteien Verstöße gegen geltende WTO-Regeln zugerechnet werden. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens kann man trotzdem einige Empfehlungen geben.

Erstens: Vielleicht ist es an der Zeit, dass beide Unternehmen sich viel mehr auf ihre Eigenmittel verlassen anstatt darauf, dass sie auf umfassende staatliche Beihilfen zurückgreifen können, sie als Unternehmen Unterstützung und Profit einstreichen, die Risiken aber vergesellschaften. Besseres Funktionieren und mehr Transparenz im Luftverkehrssektor würde sicherlich allen betroffenen Sparten sowie den Kunden nützen.

Dies bedeutet nicht, dass die großen Flugzeugproduzenten gar keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten sollten. Ich möchte einfach betonen, dass es eines ausgewogenen und angemessenen Systems bedarf, das nicht Interessen der Großunternehmen begünstigt, sondern auch andere wichtige Fragen, wie zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Schutz der Umwelt, berücksichtigt, ebenso wie die Verbesserung der Sicherheit der Passagiere.

Zweitens: In dieser Hinsicht ist es bezeichnend, dass im Jahr 2007 infolge einer aus meiner Sicht nicht erforderlichen Umstrukturierung Tausende Beschäftigte von Airbus ihren Arbeitsplatz verloren haben – nach Jahren enormer Gewinne für das europäische Konsortium. Dies ist kein angemessener betriebswirtschaftlicher Weg, Krisen zu lösen, umso weniger als nicht die Beschäftigten die Schuld daran trugen, sondern das Management gnadenlos versagte.

Drittens: Das Vorhandensein des WTO-Streitbeilegungspanels ist eine erhebliche Weiterentwicklung des internationalen Handelsregimes, da es bei Meinungsverschiedenheiten, die sich aus unterschiedlichen Auslegungen des Abkommens der Uruguay-Runde ergeben, zuverlässige Anleitungen liefert. Eine Entscheidung werden wir auch hier von ihm bekommen. Aber ist das schon eine Lösung?

Viertens: Es ist zu bedauern, dass das Flugzeugabkommen von 1992 nicht ausreichend war, um eine Verhandlungslösung statt eines Gerichtsentscheides zu erreichen.

Fünftens: Die Luftfahrtindustrie wird aktuell mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Die wirtschaftliche Krise und der Ölpreisanstieg haben derart immense Auswirkungen auf das Lufttransportsystem, wie wir es bisher nicht erlebt haben. Eine Antwort sollte schnell gefunden werden, und es ist vielleicht an der Zeit, über Kooperation statt Konfrontation nachzudenken.

Sechstens: Was die Fragen der öffentlichen Beschaffung betrifft, so bin ich persönlich der Auffassung, dass es richtiger wäre, diesen wichtigen Wirtschaftsbereich nicht vollständig ins WTO-System einzubeziehen. Öffentliches Auftragswesen ist in fast allen Volkswirtschaften ein wichtiger Katalysator für wirtschaftliche Entwicklung. In einigen gesellschaftsstrategisch wichtigen Bereichen muss Politik auch über gewisse Einflussmöglichkeiten verfügen.

Siebtens: Es ist an der Zeit, dass sich die Vereinigten Staaten und die EU darauf verständigen, dass Maßnahmen für politische Steuerung volkswirtschaftlicher Entwicklungen möglich bleiben müssen – eben auch die Vergabe öffentlicher Aufträge und finanzielle Unterstützung. Zudem bedarf es aber auch Transparenzmechanismen und demokratischer Kontrolle, die sicherstellt, dass alle die bestehenden Regeln einhalten.

Achtens: Der Fall Boeing zeigt uns, dass eine Regierung es vermeiden sollte, sich hinter dem Argument angeblicher nationaler Verteidigungsinteressen zu verschanzen, um ihre eigene nationale Industrie oder besser die Interessen einiger starker Lobbygruppen zu stützen, mit denen sie eng verbunden ist.

Neuntens: Diese Kontroverse stellt nicht nur einen Streit zwischen der EU und den USA dar. Dies ist erneut ein Fall, wo sich diejenigen, die sich sonst als große Verfechter des Freihandels gerieren, aus Eigeninteresse protektionistischen nationalen Versuchungen hingeben. Von beiden sollten wir Abstand nehmen, denn das führt nicht zu besseren Bedingungen für unsere Bürger, sondern nur zu Diskriminierung und Dumpingwettbewerb.

 
  
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  Dalia Grybauskaitė, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte auf die mündliche Anfrage im Namen von Kommissar Mandelson antworten, der heute nicht anwesend sein kann, da er an ausführlichen bilateralen Verhandlungen der Doha-Runde teilnimmt.

Das Verfahren der USA gegen die europäischen Beihilfen für Airbus und das Verfahren der Europäischen Union gegen amerikanische Subventionen für Boeing werden gegenwärtig vor dem WTO-Panel verhandelt, und die rechtliche Position der EU wurde verteidigt. Wir erwarten die Zwischenberichte der beiden Verfahren im Herbst oder Winter. Die nächsten Schritte hängen vom Ausgang des Streitfalls und den zu Grunde liegenden Interessen, die dazu geführt haben, ab.

Zu der Frage, wie die Fähigkeit der Industrie, in Wettbewerb zu treten, davon berührt wird, möchten wir anmerken, dass wir keinerlei Grund dafür sehen, weshalb die bei der WTO anhängigen EU- und USA-Streitfälle über die Beihilfen für Airbus und Boeing die Fähigkeit der EU-Industrie beeinträchtigen sollten, bei öffentlichen Vergabeverfahren mit den USA in fairen Wettbewerb zu treten.

Beim öffentlichen Beschaffungswesen geht es darum, bei der Beschaffung von Luftbetankungsflugzeugen die beste Ausrüstung zum besten Preis für die Steuerzahler bereitzustellen. Die US Air Force hat festgestellt, dass das von Northrop Grumman und EADS angebotene Flugzeug besser ist als das von Boeing, und dass es für ihre Bedürfnisse das am besten geeignetste Luftbetankungsflugzeug ist. Die Frage der Beihilfen für Airbus spielt bei dieser Beurteilung keine Rolle. Der WTO-Streitfall und die Beschaffung haben nichts miteinander zu tun.

Zu den Reaktionen des Government Accountability Office der USA möchten wir sagen, dass die von der US Air Force getroffene Wahl der Northrop Grumman KC-45 weiterhin gilt. Fälschlicherweise wird angenommen, dass Northrop Grumman und EADS North America irgendwie verloren haben oder dass der Zuschlag für Boeing rückgängig gemacht wurde. Northrop Grumman und EADS North America stehen weiter unter Vertrag, wenngleich unter einer Anordnung zur Einstellung der Arbeiten, durch die die vertraglichen Arbeiten zunächst ruhen.

Das US Government Accountability Office hat den Bewertungsprozess von Air Force geprüft, und nicht die Kapazitäten des Flugzeuges. Es liegt keinerlei Aufforderung oder Anweisung des Accountability Office vor, die frühere Auftragsvergabe neu auszuschreiben. Air Force und das Verteidigungsministerium haben darauf hingewiesen, dass das KC-45 die Anforderungen der USAF am besten erfüllt. Das Accountability Office hat die Air Force darum gebeten, innerhalb von 60 Tagen ab der Ankündigung vom 18. Juni über die Schritte, die sie zu ergreifen gedenkt, zu informieren.

Im Allgemeinen berücksichtigen die staatlichen Beihilfen für die Luftfahrt, dass einige Entwicklungen im Bereich der zivilen Großraumflugzeuge sehr hohe Investitionen erfordern. Aus Sicht der Kommission müssen staatliche Beihilfen für die Luftfahrt auf beiden Seiten des Atlantiks ausgewogen sein, um sicherzustellen, dass es zu keiner Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen kommt. Wenn das der Fall ist, kann eine solche Beihilfe zu Innovationen, einer Steigerung der Sicherheit und einer Verbesserung des Umweltverhaltens sowie der Effizienz des Luftverkehrs beitragen. Es liegt im Interesse der Fluggesellschaften, der Verbraucher und der Regierungen, einen hochgradig gesunden Wettbewerb auf dem Luftfahrtsektor zu erhalten.

Im Hinblick auf die bilateralen Abkommen von 1992 möchten wir Sie darüber informieren, dass trotz einiger wohlwollender Versuche in den letzten Jahren, den Streitfall gütlich beizulegen, sich die Differenzen zwischen beiden Seiten – den USA und der EU – als zu groß erwiesen haben. Die USA haben geleugnet, dass Boeing Subventionen erhalten habe, wogegen sie gleichzeitig gefordert haben, dass die EU den europäischen Beihilfen für Airbus ein Ende setzt. Auf dieser Grundlage war es bisher nicht möglich, eine faire und ausgewogene Basis für eine Beilegung des Streitfalls auf dem Verhandlungswege zu erreichen.

Boeing hat am 18. Oktober 2007 das Angebot von Airbus, eine gütliche Lösung zu erarbeiten, öffentlich abgelehnt. Ferner sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass es angesichts der gegenwärtigen Atmosphäre vor den Wahlen in den USA nicht leicht sein wird, zum jetzigen Zeitpunkt zu einer ausgewogenen Beilegung zu kommen. Aus diesem Grund erwarten wir nicht, dass der Streitfall in naher Zukunft beigelegt werden kann, bevor die WTO in den Fällen von Airbus und Boeing entschieden hat.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem Herrn Abgeordneten des Europäischen Parlaments für sein Interesse an und seine Unterstützung in dieser Angelegenheit zu danken, die er in der mündlichen Anfrage und der uns vorgelegten Entschließung zum Ausdruck gebracht hat.

 
  
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  Georgios Papastamkos, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EL) Frau Präsidentin! Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA spielen für beide Seiten eine außerordentlich wichtige Rolle. Sämtliche Wirtschaftsstreitfälle sollten durch transparente, ausgewogene Lösungen beigelegt werden.

In diesem Fall besteht das angestrebte Ziel darin, eine faire Anhörung beider Seiten zu gewährleisten sowie ein abgestimmtes Vorgehen für die Vergabe staatlicher Beihilfen für die Luftfahrtindustrie zu garantieren. Entsprechende finanzielle Hilfen haben besondere Bedeutung für die Förderung von Forschung, Innovation und Umweltmanagement und die Verbesserung der Sicherheit und Effizienz des Luftverkehrs.

Der einseitige Rücktritt der Vereinigten Staaten von dem 1992 geschlossenen bilateralen Abkommen ist Anlass zur Besorgnis, da europäische staatliche Beihilfen in völliger Übereinstimmung mit dem Wortlaut und Geist des Abkommens stehen.

Zu Recht betrachtet die europäische Seite die in Airbus investierten Finanzmittel als begrenzt, rückzahlbar und wettbewerbsunwirksam, wohingegen die amerikanischen Beihilfen unzulässig und auf dem Rechtsweg nicht rückzahlbar sind.

Bekanntermaßen hat sich die EU in beträchtlichem Umfang bemüht, in dieser Sache eine Einigung in gutem Glauben auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. Allerdings fehlt darauf bislang jede Reaktion. Aus diesem Grund ist die Europäische Kommission aufgerufen, in den Verhandlungen über eine langfristige Beilegung der Angelegenheit unter den Bedingungen des seriösen, ausgewogenen Wettbewerbs Standfestigkeit an den Tag zu legen.

Die Forderung der USA, Beihilfen für Airbus als Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen abzuschaffen, ist keine annehmbare Lösung, um die Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen.

 
  
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  Erika Mann, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir möchten heute Abend aus einem einzigen Grund eine Aussprache führen. Der Grund ist der, dass von amerikanischer Seite, sowohl von Boeing als auch von vielen Kollegen im Kongress, die Angriffe gegen die Vergabe an Northrop Grumman und EADS doch sehr heftig sind und sogar bis zu persönlichen Angriffen gegen einzelne Mitgliedstaaten reichen. Das ist der Grund, warum wir hier eine Aussprache haben und warum wir auch eine Entschließung haben werden, für die ich sehr dankbar bin, weil wir schon lange von Seiten des Ausschusses versucht haben, diese Entschließung zu Stande zu bringen.

Die Frustration richtet sich dagegen, dass Northrop Grumman/EADS ein besseres Angebot vorgelegt haben, das ja die US Air Force bei einer öffentlichen Ausschreibung dann gegenüber einem Boeing-Modell bevorzugt hat. Das ist das Natürlichste der Welt. Wir haben es hier mit NATO-Partnern und nicht mit Staaten zu tun, die nicht regelmäßig zusammenarbeiten. Wir haben die transatlantische Partnerschaft, die auf jedem Gipfeltreffen beschworen wird. Europa kauft in den drei genannten Bereichen viermal so viel auf amerikanischer Seite ein, insofern haben wir ohnehin eine sehr intensive gegenseitige „Partnerschaft“.

Es gibt überhaupt keinen Grund für eine Frustration auf amerikanischer Seite, und das ist das, was wir hier zum Ausdruck bringen wollen. Wir müssen nicht noch einmal in die Details gehen — ich bin der Kommissarin und auch dem Kollegen Papastamkos sehr dankbar, die das schon gemacht haben. Es ist im Wesentlichen ein politischer Protest, den wir heute zum Ausdruck bringen sollten und der im Übrigen auch immer wieder auf amerikanischer Seite die WTO-Diskussion mit beeinflusst, weil immer wieder Hinweise gegeben werden. Es kann doch nicht sein, dass die US Air Force einen Auftrag unter anderem an ein europäisches Konsortium vergibt, während gleichzeitig ein WTO-Fall läuft. Insofern sieht man, dass es eine politische Verzahnung der beiden Debatten gibt, aber die Kommissarin hat absolut Recht, wenn sie feststellt, dass es natürlich faktisch keine Verzahnung gibt.

Ich persönlich möchte mich bei der Kommission und auch bei den Mitgliedstaaten dafür bedanken, dass sie hier immer wieder Wert darauf gelegt haben, die Fakten geradezustellen. Ich möchte mich auch bei meinen Kollegen hier im Hause dafür bedanken, dass wir diese Diskussion endlich führen und auch die Entschließung vorlegen können. Ich hoffe, dass wir damit dann auch auf amerikanischer Seite das entsprechende Gehör finden werden.

 
  
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  Mieczysław Edmund Janowski, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Frau Präsidentin! Seit einigen Jahren gibt es einen quasi bipolaren Markt für die Fertigung großer Luftfahrzeuge. Airbus und Boeing haben das Sagen. In den vergangenen beiden Jahren sind wir Zeugen einer von der WTO durchgeführten Untersuchung des Streits zwischen EU und USA über Beihilfen für die beiden Konzernschwergewichte gewesen. Auf dem Spiel stehen dabei beträchtliche Geldbeträge sowie – was ja vielleicht noch wichtiger ist – Ambitionen, im Bereich modernster Technologie den Ton anzugeben.

Die Vereinigten Staaten beschuldigen Airbus, von umfangreichen Beihilfen und günstigen Krediten seitens der Regierungen von EU-Mitgliedstaaten zu profitieren. Gleichzeitig vernehmen wir auch von der europäischen Seite schwer wiegende Vorbehalte hinsichtlich umfangreicher staatlicher Beihilfen für Boeing in Form von Steuervergünstigungen durch die US-Bundesstaaten Illinois, Kansas und Washington sowie Hilfen von Armee und NASA im Rahmen der öffentlichen Vergabe.

Zu befürchten steht ein Pyrrhussieg in diesem Streitfall. Beiden Unternehmen kommen staatliche Beihilfen zugute, deren Rechtmäßigkeit fragwürdig ist. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass es sich hier um die einzigen Hersteller großer Passagierflugzeuge in der Welt handelt. Sie stehen miteinander im Wettbewerb, aber gleichzeitig müssen sie zusammenarbeiten, wenn sie die besten Lösungen in Gestaltungs- und Technikfragen nutzen wollen. All diese Aspekte müssen letztlich dem Fluggast zum Vorteil gereichen.

Meines Erachtens bedarf es in dieser Sache einer tieferen Partnerschaft und einvernehmlicher Verhandlungen, da sowohl für Airbus als auch Boeing Platz auf dem Weltmarkt ist. Meinen Berechnungen zufolge braucht die Welt in 15 Jahren etwa 36.000 moderne, sichere Flugzeuge, von denen vielleicht 1.500 Großraumflugzeuge sind. Es ist schwer zu sagen, wer in diesem Fall als Gewinner hervorgehen wird – Boeing oder Airbus – aber gleichzeitig sollte man im Hinterkopf behalten, dass Russland anfängt den Markt zu erobern, und auch die Russen vergeben staatliche Beihilfen.

 
  
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  Jacky Hénin, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin! Der WTO-Streitfall zwischen Airbus und Boeing ist nichts als ein schlechter Witz. Die Amerikaner versuchen mit allen Mitteln, sich der Überlegenheit von Airbus zu widersetzen und rufen dafür sogar die Gerichte an. Während Airbus rückzahlbare Darlehen erhielt, wird Boeing mit Geldern aus verschiedenen Ländern und insbesondere mit den riesigen Summen für militärische Forschung regelrecht überschüttet. Aus diesem Grund ist der Dreamliner das höchstsubventionierte Flugzeug der Welt.

Was wirklich hinter dem unfairen Wettbewerb in diesem Fall steckt, ist der schwache Dollar. Leider hat die USA diesbezüglich die Europäische Zentralbank zum Komplizen. Die wirkliche Frage ist also, ob Airbus seine Flugzeuge weiterhin in der Eurozone planen und herstellen wird oder nicht. Wenn ja, bedeutet das, dass die Europäische Zentralbank im Dienste der Industrie stehen muss, anstatt sich der Refinanzierung von Investmentbanken ohne Rückzahlungsgarantie zu widmen. Wenn ja, bedeutet das die Schaffung eines souveränen öffentlichen Fonds auf europäischer Ebene, der die privaten Aktionäre von EADS ersetzen würde, die sich unfähig gezeigt haben, eine angemessene Industriestrategie zu entwickeln, und es stattdessen vorzogen, ihre Dividenden zu schützen.

Die A320 durch ein Flugzeug zu ersetzen, das 20 % weniger Treibstoff brauchen würde, wird nur mit Investitionen möglich sein, zu denen die Aktionäre nicht bereit sind. Europa braucht ein starkes, zu 100 % staatliches EADS-Unternehmen, wenn es eine Industriepolitik will, die fähig ist, ihm einen umweltfreundlichen, energieeffizienten Luftverkehr zu bieten.

 
  
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  Syed Kamall (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Jeder unvoreingenommene Mensch, der die beiden WTO-Streitfälle verfolgt hat, käme wirklich zu dem Schluss – um eine englische Redewendung zu verwenden – „das ist gehupft wie gesprungen“. Beispielsweise erhält Boeing staatliche und bundesstaatliche Beihilfen, die über das Abkommen zwischen der EU und den USA von 1992 hinausgehen; Boeing erhält Subventionen aus Programmen der NASA und des Verteidigungsministeriums; Boeing profitiert von nicht wettbewerbsfähigen Militärverträgen zu überhöhten Preisen und Boeing profitiert von Ermäßigungen der Körperschaftssteuer aus Verkäufen ins Ausland, die gegen die WTO-Vorschriften verstoßen. Im Gegenzug dazu beklagen die USA, dass Airbus Startbeihilfen für F&E erhält, dass das Unternehmen Bürgschaften für Entwicklungs- und Produktionsstandorte erhält; dass es verbilligte Darlehen erhält; dass es Schuldennachlässe bezüglich der Herstellung ziviler Großraumflugzeuge und Entwicklungsfinanzierung erhält; dass es F&E-Darlehen erhält, von denen Airbus direkt profitiert, und sie beklagen, dass Airbus illegale Exportsubventionen erhält.

Positiv ist, dass viele EU-Fluggesellschaften weiterhin Boeing-Flugzeuge bestellen, und das US-Verteidigungsministerium hat den Zuschlag als erstes dem Luftbetankungsflugzeug von EADS, Northrop Grumman, erteilt. Das sind positive Signale. Obgleich beide Seiten Anlass zur Beschwerde haben, fürchte ich dennoch, dass hierbei purer Antiamerikanismus und eine engstirnige, kleingeistige europäische Mentalität eine Rolle spielen.

Airbus wird als engelsgleicher Retter des europäischen Himmels betrachtet, während Boeing das böse amerikanische Unternehmen ist, das versucht, die globale Luftfahrt auf unfaire Weise zu dominieren. Ich hoffe inständig, dass meine Fraktion, die EPP, diese Entschließung nicht unterstützen wird, weil das meine Fraktion wirklich von ihrer schlechtesten Seite zeigen würde: antiamerikanisch, protektionistisch und wettbewerbsfeindlich. Möglicherweise lassen wir uns zu sehr von der französischen Präsidentschaft beeinflussen, aber bitte lassen Sie nicht zu, dass EPP für Europäische Protektionistische Partei steht.

 
  
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  Kader Arif (PSE).(FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Entschließung, über die wir abstimmen werden, enthält eine Reihe von Empfehlungen an die Kommission, die – wie erinnert wird – im Namen der EU die Interessen der Mitgliedstaaten und des zivilen Großraumflugzeugsektors der EU vertritt.

Angesichts der Tatsache, dass der Kongress der Vereinigten Staaten Boeing bereits wiederholt unterstützt hat und dass die Infragestellung des Tankflugzeugvertrags die Stellung des europäischen Flugzeugherstellers untergräbt, ist die uneingeschränkte Unterstützung der gesamten Europäischen Union – der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Parlaments – wichtiger denn je. Das ist uns klar. EADS wurde scharf angegriffen, und es wurde sowohl seine Seriosität als auch seine Verlässlichkeit in Zweifel gestellt.

Die Kommission muss heute zwei Dinge bekräftigen: erstens, dass Boeings rechtliche Schritte im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren für den Tankflugzeugauftrag in keiner Weise die Qualität des Angebots für eine Partnerschaft EADS/Northrop Grumman in Frage stellen darf, da von Boeing lediglich das Auswahlverfahren angegriffen wurde. Zweitens wäre eine Rücknahme der Entscheidung der US-Luftwaffe inakzeptabel. Das muss die Kommission deutlich machen.

Die Kommission muss auch hervorheben, dass die im Rahmen der WTO gemachten Angriffe auf Airbus ungerechtfertigt sind. Erstens kann das System der rückzahlbaren Darlehen nicht angegriffen werden, da diese per definitionem zurückgezahlt werden, und zweitens ist die Haltung der Vereinigten Staaten um so überraschender, als die US-Beihilfen gegen die WTO-Regeln und die zwischen Europa und den Vereinigten Staaten bestehenden Abkommen verstoßen.

Um eine fruchtlose Konfrontation zu vermeiden, die zulasten der industriellen Interessen der betroffenen Parteien sowie der Beziehungen zwischen der EU und den USA, die wir verbessern müssen, gehen würde, muss eine Lösung für die Zukunft durch Verhandlungen herbeigeführt werden. Zuvor muss es jedoch eine vorbereitende Phase geben, damit beide Parteien ihren guten Willen zeigen können.

Eine letzte Frage: Beeinflusst die neue Situation die Entscheidung, die bei der Schlichtung dieses Streitfalls möglicherweise getroffen wird?

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich möchte zuerst meinen Kollegen Robert Sturdy entschuldigen, der leider aufgehalten wurde und nicht hier im Plenum sein kann.

Ich möchte vorausschicken, dass sowohl die USA als auch Europa – zumindest die meisten Mitgliedstaaten – NATO-Partner sind. Es ist ein Konflikt zwischen befreundeten Gruppen. Ich darf auch vorausschicken, dass 1992 ein Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Gemeinschaft im Bereich großer ziviler Luftfahrzeuge geschlossen wurde. Es hat eigentlich recht gut funktioniert, bis die USA 2004 durch dieses Anrufen des WTO-Panels eigentlich von diesem Abkommen abgewichen sind.

Wir wissen, dass gerade in diesem Markt für große kommerzielle als auch militärische Flugzeuge natürlich Staatsbeihilfen bis zu einem gewissen Ausmaß üblich sind. Trotzdem ist es wichtig, dass diese Staatsbeihilfen sehr strengen Kontrollen und Auflagen unterliegen. Die Europäische Gemeinschaft hält sich bis jetzt sehr strikt daran, und auch EADS Airbus hat ja die meisten dieser Beihilfen zurückbezahlt bzw. mehr zurückbezahlt als von der öffentlichen Hand gegeben wurde. Wir haben das sehr genau dokumentiert. Im Gegensatz dazu sind die USA bis jetzt diese Dokumentation schuldig geblieben, und es ist nicht genau nachvollziehbar, inwieweit Boeing diesen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Insgesamt möchte ich aber doch sagen, dass wir natürlich als Europäische Gemeinschaft für den Freihandel eintreten, aber diese Entschließung sollte nicht darin münden, dass wir zu antiamerikanischen Parolen aufrufen. Es ist wichtig, dass wir eine faire Behandlung beider Partner wünschen, und ich gehe davon aus, dass das WTO-Panel in dieser Hinsicht auch entscheiden wird.

Ein simpler Antiamerikanismus wäre hier zu kurz gegriffen, aber trotzdem müssen wir die USA aufrufen, sich auch an die gemeinsam vereinbarten Regeln zu halten.

 
  
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  Glyn Ford (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Ich werde diese Entschließung und die meisten der dazu eingereichten Änderungsanträge unterstützen, einschließlich der im Namen meiner Kollegin Erika Mann.

In meinem Wahlkreis hängen Tausende von Arbeitsplätzen direkt von Airbus ab, insbesondere in Filton in Bristol, und natürlich sind im gesamten Vereinigten Königreich und der Europäischen Union Zehntausende von Arbeitsplätzen vom Erfolg von Airbus abhängig.

Ich hätte Herrn Kamall von Angesicht zu Angesicht für seinen Ansatz kritisiert, der im Wesentlichen euroskeptisch und antieuropäisch ist, aber da er sich nach einer zweiminütigen Rede verdünnisiert hat, habe ich keine Gelegenheit, mich mit meiner Kritik direkt an ihn zu wenden. Ich hoffe, einer seiner Kollegen wird ihm davon berichten und wird ihm sagen, dass wir normalerweise bemüht sind, bis zum Ende der Aussprache zu bleiben, an der wir teilnehmen, anstatt uns einzuschalten, zu sprechen und dann davon zu laufen, um eine Pressemitteilung herauszugeben.

1992 wurde zwischen Boeing und Airbus – oder eher zwischen der Europäischen Union und den USA – ein Abkommen geschlossen, von gegenseitigen Klagen abzusehen, wenngleich dies zum Vorteil von Boeing war, das über die NASA und das Verteidigungsministerium direkte Subventionen von der US-Regierung erhält, wogegen Airbus lediglich Startdarlehen erhält, die mit Zinsen zurückzuzahlen sind. Sieben Milliarden Euro wurden bereits zurückgezahlt.

Als die Vereinigten Staaten 2004 die ganze Angelegenheit an die WTO verwiesen, haben sie gegen dieses Abkommen verstoßen. Die Gewerkschaft Unite und das Management im Vereinigten Königreich bestehen gemeinsam darauf, dass wir in dieser Angelegenheit so viel Druck wie irgend möglich auf die USA ausüben.

Wir müssen uns gegen die Kritik von Boeing und des Kongresses wehren – und zwar mit Nachdruck. Wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Airbus verlieren und Boeing so mit einer Monopolstellung allein in der Welt lassen, dann werden wir auch Verträge und Arbeitsplätze verlieren. Eine Beilegung auf dem Verhandlungswege ist eindeutig die beste Lösung und der beste Weg nach vorn – vielleicht 1992 plus. In Ermangelung dessen haben wir jedoch nur die Alternative, unseren Standpunkt und die Interessen der europäischen Wirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze mit aller Kraft zu verteidigen.

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
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  Der Präsident. – Gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung wurde ein Entschließungsantrag(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch, den 9. Juli 2008, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Christine De Veyrac (PPE-DE) , schriftlich. (FR) Nach unserer Aussprache über das Verfahren, das Boeing vor der WTO gegen Airbus angestrengt hat, und angesichts der Entschließung des US-Senats zur selben Frage freue ich mich, dass wir uns heute für eine Entschließung einsetzen, die die Unterstützung des Europäischen Parlaments für Airbus sicherstellen wird.

Boeings Beschwerde gegen Airbus scheint mehr mit kommerziellen Interessen als mit wirklichen Fragen zur Einhaltung von Wettbewerbsregeln zu tun zu haben.

Erst als Airbus eine Reihe von Flugzeugbestellungen für sich gewinnen konnte, legte Boeing Beschwerde bei der WTO ein. Der US-amerikanische Flugzeughersteller verstößt ferner gegen das bilaterale Abkommen von 1992, da er Subventionen erhielt, die gemäß diesem Abkommen untersagt sind.

Es stimmt, dass auch Airbus Subventionen erhalten hat, aber diese bestanden aus rückzahlbaren Darlehen, die nicht gegen die Regeln verstoßen. Airbus hat diese Darlehen nicht nur vollständig zurückgezahlt, sondern diese Rückzahlungen waren auch noch 40 % höher als die von den Regierungen der Mitgliedstaaten erhaltenen Zahlungen.

Ich unterstütze die Entschließung, über die wir morgen abstimmen werden. Das Europäische Parlament muss eine faire und rasche Beilegung des Streitfalls fordern und öffentlich seine Unterstützung für Airbus bekunden.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


18. Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt eine Aussprache über:

– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Monica Frassoni im Namen der Verts/ALE-Fraktion (O-0076/2008 – B6-0170/2008),

– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Giusto Catania im Namen der GUE/NGL-Fraktion (O-0078/2008 – B6-0452/2008),

– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Jan Marinus Wiersma, Claudio Fava, Kristian Vigenin, Gianni Pittella, Adrian Severin und Katalin Lévai im Namen der PSE-Fraktion (O-0078/2008 – B6-0452/2008),

– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien von Viktória Mohácsi, Marco Cappato, Alexander Alvaro, Sophia in 't Veld, Sarah Ludford, Jeanine Hennis-Plasschaert, Ignasi Guardans Cambó, Adina-Ioana Vălean, Renate Weber und Gérard Deprez im Namen der ALDE-Fraktion (O-0080/2008 – B6-0453/2008).

 
  
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  Monica Frassoni, Verfasserin. (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Minister Maroni hat diese Debatte als grotesk bezeichnet, die Realität ist jedoch, dass er heute aufgehört hat, sich wie ein Cowboy aufzuführen, und versucht, seine europäischen Kollegen davon zu überzeugen, dass allein die Medien und die Linke die Schuld tragen und dass sein einziges Ziel darin besteht, das Richtige für die armen Zigeuner zu tun, die in furchtbaren Lagern eingesperrt sind. Mit dieser Erstellung ethnischer Profile werde es dann möglich sein, alle Roma-Kinder in die Schule zu schicken und sei es nicht nötig – und auch nicht sein Wunsch –, alle Nichtsesshaften zu kriminalisieren. Diese Debatte sei also grotesk.

Ich stimme jedoch nicht zu. Diese Aussprache ist wichtig, genauso wie die Aufmerksamkeit, die wir zusammen mit zahlreichen Nichtregierungsorganisationen, zahlreichen Mitgliedern unterschiedlicher Nationalitäten – denn dies ist nicht nur ein Problem Italiens – und den zahlreichen Menschen, die einfach besorgt über die Situation der Rechte sind, auf dieses Thema lenken konnten. Die Aussprache ist deswegen wichtig, weil wir sie hier, in Europa, führen und weil es um Rechte und um Bürger geht. Und daher ist auch sie ein kleiner Beitrag in einer Situation, die als Bedeutungskrise in Europa wahrgenommen wird.

Europa hat einen Sinn: Es hat die Aufgabe, Cowboy-Gebaren und politische Entscheidungen zu kontrollieren, die grausam und vor allem ineffektiv sind. Es hat die Aufgabe, mit Hilfe der Gesetze und bestehenden Verträge, die auf Grundlage einer blutigen Historie entstanden sind, gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen. Diese Debatte hat den Sinn zu bekräftigen, dass in Europa kein Platz für die Erstellung ethnischer Profile ist. Und das trifft so weit zu, dass die Regierung anscheinend in diesem Punkt eine Kehrtwende macht. Falls das der Fall sein sollte, so begrüßen wir es. Diese Aussprache hat ferner den Sinn, öffentlich und berechtigterweise die Frage zu stellen, warum eine Industrienation mit 58 Millionen Einwohnern, eine Industrienation, in der eine Mafia 120 Milliarden Euro und ganze Gebiete kontrolliert und einen riesigen Umsatz verzeichnet, eine Industrienation, in der eine der reichsten Provinzen in der Geschichte Europas im Müll erstickt, einen zwölfmonatigen Notzustand erklärt, der einem Tsunami oder einem Erdbeben angemessen wäre, und zwar aufgrund der Präsenz von 160 000 Nichtsesshaften, von denen die Hälfte italienische Staatsbürger sind.

Wir glauben, dass diese Aussprache wichtig ist, da unsere Sicherheit durch die Erstellung ethnischer Profile und die ständige Kriminalisierung der Roma und Sinti bedroht ist. Die Bemühungen derjenigen, die mit den Roma und Sinti arbeiten, um sie aus ihrer marginalisierten Situation, die durch Armut und Gewalt gegen Frauen und Kinder geprägt ist – dies ist eine Tatsache, eine Realität, die weder ich noch ein anderer von uns leugnen möchte – stecken in einer Sackgasse. Es gibt schlichtweg keinen Ausweg, wenn die Situation so bleibt, wie sie sich heute darstellt.

Herr Präsident, heute diskutieren wir zum dritten Mal innerhalb von wenigen Monaten über diese Probleme. Ich hoffe, dass positiver, freundlicher und konstruktiver Druck, wie er auch mit dieser Debatte zum Ausdruck kam, meine Landsleute und andere europäische Bürger davon überzeugt, dass der Versuch, Menschen aus dem Land zu vertreiben und einen durch Gewalt gekennzeichneten, simplizistischen und rassistischen Ansatz für ein Problem anzuwenden, das in Wahrheit ein Problem der Ausgrenzung, ein wirtschaftliches und auch ein kulturelles Problem unseres Landes und unseres Kontinents ist, nicht der richtige Weg ist.

Ich fordere Sie daher auf, Herr Kommissar, der Arbeit der Kommission, unserer parlamentarischen Arbeit und auch den Geldern, die für positive Zwecke dieser Art ausgegeben werden, große Bedeutung beizumessen. Diese Arbeit ist bislang wenig bekannt, sie findet nicht öffentlich statt und wird mit Vorurteilen betrachtet, die nicht nur in Italien, sondern auch in Europa ihre Wurzeln haben.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma, Verfasser. − (NL) Auch wir sind bestürzt über die Maßnahmen, die die italienische Regierung jüngst zur Lösung des so genannten Roma-Problems in Italien ankündigte. Es ist eine große Schande, dass wir hier und heute eine solche Aussprache führen müssen. Ich selbst war jahrelang Berichterstatter für den Beitritt der Slowakei und stark in die Roma-Thematik involviert. Ich pflegte immer zu sagen: Diskriminierung ist nicht statthaft, sie ist schlechthin verboten, das besagen die Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union. Die Registrierung der Roma riecht stark nach Diskriminierung, und in der Slowakei geschah das nicht. Es ist ein Skandal, dass ich jetzt gezwungen bin, diese Debatte anlässlich des Vorgehens der Regierung eines derzeitigen Mitgliedstaates zu führen.

Das jüngst von dem italienischen Innenminister Roberto Maroni angekündigte Paket, mit dem er gegen den „Roma-Notstand“, wie ihn die Regierung mittlerweile bezeichnet, vorgehen will, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Die Einrichtung einer Datenbank mit den Fingerabdrücken von Roma-Kindern ist in keiner Weise mit den EU-Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Gleichheit vor dem Gesetz und des Minderheitenschutzes vereinbar.

Die Ankündigung dieser Maßnahme kommt zu einem Zeitpunkt, da die Europäische Kommission ihre Beurteilung eines früheren italienischen Maßnahmenpakets noch nicht abgeschlossen hat. Im Mai dieses Jahres erhielten die Präfekten von Großstädten Sonderbefugnisse, um gegen illegale Einwanderer und Roma vorzugehen, Befugnisse, die uns schon damals die Stirn runzeln ließen. Deshalb möchte ich die italienische Regierung zu großer Zurückhaltung mahnen, um die Grenze des Zulässigen in Europa nicht zu überschreiten. Streichen Sie die Maßnahme! Sie hat in der Europäischen Union nichts verloren.

Die Europäische Kommission befindet sich hier in einer meines Wissens noch nie dagewesenen Situation. Wir fordern sie deshalb auf, die Maßnahme genau unter die Lupe zu nehmen. Die Kommission sollte eine objektive Haltung einnehmen, nach den Buchstaben des Vertrags urteilen und sich nicht von politischen Erwägungen leiten lassen. Dieses Vorgehen und das Italiens bewegen sich am Rand des EU-Vertrags, und die Kommission sollte in aller Deutlichkeit sagen, wo die Grenze liegt.

Allerdings geht es nicht nur um Italien – das muss ganz deutlich gesagt werden. Diese jüngste Episode hat einmal mehr gezeigt, dass eine erheblich aktivere Politik notwendig ist, um die soziale und wirtschaftliche Isolation der Roma zu durchbrechen und ihre Diskriminierung zu bekämpfen.

Am vergangenen Mittwoch gab die Kommission einen Überblick darüber, was jetzt schon mit europäischen Instrumenten möglich ist. Dafür danke ich der Kommission. Der Kommission zufolge könnten die Mitgliedstaten die verfügbaren Instrumente stärker und besser nutzen, um die Integration der Roma zu fördern. Allerdings erwarte ich von der Kommission nun auch konkrete Pläne, die vergangene Woche noch fehlten. In mehreren Entschließungen, zuletzt im Januar dieses Jahres, erging dazu auch eine Forderung des Parlaments.

Eines ist klar geworden: Wir können es nicht länger aufschieben, die Roma und die Lage der Roma in Europa wirklich ernst zu nehmen. Die Roma sind eine ganz besondere Minderheit, die nicht als traditionelle Minderheit betrachtet werden kann. Das Problem betrifft ganz Europa, vor allem seit den letzten Erweiterungsrunden, in deren Folge sehr viele Roma EU-Bürger wurden. Letztendlich wird eine Repressionspolitik weder die Probleme der Roma, noch die Probleme und Spannungen, die sie mitunter in unserer Gesellschaft verursachen, beseitigen. Es ist ein integrierter Ansatz notwendig, und nach meinem Dafürhalten ist der Ansatz der italienischen Regierung inakzeptabel.

 
  
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  Viktória Mohácsi, Verfasserin der Stellungnahme. − (HU) Herr Präsident! Herr Kommissar Špidla! Sehr verehrte Damen und Herren! Ende Juni haben unser Vorsitzender Graham Watson und ich einen gemeinsamen Brief an die Kommission geschickt, in dem wir sie aufgefordert haben, die Besorgnis erregende Lage in Italien zu untersuchen und geeignete Schritte zu ergreifen, um diese zu verurteilen, wenn dadurch die Grundsätze oder Zusicherungen der Europäischen Union verletzt werden.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Italien werden uns mehrere meiner Kolleginnen und Kollegen an das Unrecht erinnern, das geschehen ist, wie u. a. die Abnahme von Fingerabdrücken. Ich würde viel lieber auf alternative Lösungsansätze drängen, wie auch mein Kollege Herr Wiersma sagte.

Die kürzlich von der Kommission veröffentlichte Mitteilung erfüllt mich mit großer Freude. Aber mehr noch freut mich, dass sie die Problematik der Roma und die europäische Integration der Roma als Minderheit als schwer wiegendes und darüber hinaus dringendes Problem betrachtet.

Ich kann gar nicht sagen, wie freudig mich die Schaffung der neuen horizontalen Richtlinie stimmt. Meiner Ansicht nach muss die horizontale Richtlinie jene Elemente vereinen, durch die eine Korrektur der aktuellen Gesetzgebung möglich ist.

Ich kann in meinen Redebeiträgen nicht genug betonen, wie wichtig es ist, die Segregation in Schulen als Diskriminierung in der Gesetzgebung gemäß der Richtlinie 2000/43 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu erklären, obgleich die Richtlinie lediglich besagt, dass die Diskriminierung in Schulen von Kindern, die einer anderen Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, verboten ist.

In der Richtlinie wird nicht festgeschrieben, dass Segregation und die Trennung im Bildungswesen Formen der Diskriminierung darstellen. Dafür liegen jedoch viele Beweise vor. Nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen, die Europäische Kommission und verschiedene Standpunkte des Europäischen Parlaments haben dies bestätigt, sondern selbst die ungarische Legislative hat bekräftigt, dass es sich um Diskriminierung handelt. Es wäre äußerst wichtig, diesen entscheidenden Aspekt und die Empfehlungen der Initiative „Jahrzehnt der Integration der Roma“, an der fünf Mitgliedstaaten beteiligt sind, bei der Ausarbeitung der neuen horizontalen Richtlinie als Entwicklung einer europäischen Roma-Strategie mit abzuwägen. Aus Sicht der Integration der europäischen Roma wäre dies sinnvoll. Vielen Dank.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.(CS) Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich bei Frau Mohácsi und Frau Frassoni, Herrn Wiersma, Herrn Catania und allen Abgeordneten für ihre Fragen. Zum vierten Mal haben wir im Parlament die Chance, uns über die Lage der Roma in Italien auszutauschen. Ich denke, jeder in diesem Hause pflichtet mir unabhängig seiner oder ihrer Parteizugehörigkeit bei, dass durch sofortige und geeignete Maßnahmen eine Lösung für die Situation der Roma gefunden werden muss, um einen Ausweg aus der sozialen, wirtschaftlichen und humanitären Krise zu finden. Die Kommission hat mit Beunruhigung in der Presse gelesen, dass die italienischen Behörden die Fingerabdrücke von Menschen nehmen, die in „Nomadenlagern“ leben, um eine Datenbank einzurichten.

In der Zwischenzeit hat der italienische Staat der Kommission Informationen zum allgemeinen rechtlichen Kontext zur Verfügung gestellt. Offenbar waren die Bürgermeister von Rom, Neapel und Mailand unter den Bedingungen des am 23. Mai ausgerufenen Ausnahmezustands durch eine Anordnung vom 30. Mai berechtigt, bestimmte Maßnahmen durchzusetzen. Dazu gehörte die Identifizierung und Zählung von Menschen, einschließlich Minderjähriger, die in Nomadenlagern aufhältig sind. Gleichzeitig wird darin erklärt, die von den Bürgermeistern durchgesetzten Schritte müssen den allgemeinen Grundsätzen der EU-Gesetze und -Richtlinien entsprechen. Die italienischen Behörden verlautbaren, die Maßnahmen seien im Interesse der in den Lagern lebenden Menschen angewendet worden, vor allem damit diese unter menschenwürdigen Bedingungen leben können.

Die Kommission weiß die Bereitschaft des italienischen Staates zur Zusammenarbeit zu würdigen. Diese Angaben sind hilfreich, aber dennoch mangelt es noch an Klarheit, was die Art und eigentliche Wirkung der von den Bürgermeistern unternommenen Schritte betrifft. Fingerabdrücke können nur in einem Rechtsrahmen unter strikter Beachtung der EU-Vorschriften und Grundrechte abgenommen und dann in einer Datenbank gespeichert werden. In diesem Zusammenhang hat die Kommission eine Klärung des Zwecks dieses Vorgehens gefordert und darauf hingewiesen, dass die Durchführung den Prinzipien der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Um feststellen zu können, ob diese Grundsätze Beachtung finden, ist entscheidend, wie die italienischen Maßnahmen wirklich umgesetzt werden.

Damit sich die Kommission eine genauere Vorstellung von dem rechtlichen Rahmen verschaffen kann, in dem die betreffenden Maßnahmen angewendet werden, hat sie entschieden, sich schriftlich an die italienischen Behörden zu wenden, um zusätzliche diesbezügliche Informationen einzufordern. Am 7. Juli haben die Italiener der Kommission weitere Informationen übermittelt, die genau ausgewertet werden.

Die Kommission ist sich der sozialen Spannungen in Italien bewusst. Im Mai haben wir in dieser Runde über die Lage der Roma in Italien und anderen Ländern debattiert. Zu jener Zeit hat die Kommission betont, dass es unmöglich ist, die realen Probleme der Armut und sozialen Ausgrenzung zu ignorieren, denen die Roma in Italien und anderswo ausgesetzt sind. Gleichzeitig unterstrich sie, dass diese Lage menschliches Leid und soziale Spannung verursache.

Um auf diese Situation zu reagieren, müssen die Kriminalität bekämpft und wirkliche Lösungen für die Probleme der Roma gefunden werden, vor allem für Roma-Kinder, die die ersten Opfer von Armut und sozialer Ausgrenzung sind. Den Roma muss geholfen werden, statt sie zu stigmatisieren. Aus diesem Grund hat die Kommission in ihrem in der vergangenen Woche angenommenen Bericht hervorgehoben, dass die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die Zivilgesellschaft ihre Kräfte bündeln müssen, um die wirksame Koordinierung ihrer Anstrengungen zu garantieren.

Abschließend sei noch Folgendes gesagt: Die Kommission, allen voran Vizepräsident Jacques Barrot, steht weiter in regelmäßigem Kontakt mit den italienischen Behörden, die bis Ende Juli einen vollständigen Bericht zur Sachlage zur Verfügung stellen wollen. Außerdem wird die Kommission weiterhin prüfen, wie die Mitgliedstaaten die Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 in nationale Gesetze übertragen haben und diese in der Praxis anwenden.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die italienische Regierung bereit ist, eine Politik der sozialen Eingliederung umzusetzen und gleichzeitig die Grundrechte und das Gemeinschaftsrecht zu achten.

 
  
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  Edit Bauer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kommissar! Verehrte Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei und meiner Kollegin Frau Járóka, die leider verhindert ist, möchte ich Folgendes sagen: Seit Jahrzehnten haben zivilgesellschaftliche Organisationen und Soziologen versucht, auf die außerordentlich schwierigen Lebensbedingungen der in der Europäischen Union lebenden Roma aufmerksam zu machen, deren Zahl und Anteil seit der Erweiterungsrunde 2007 gestiegen ist.

Um eine Lösung für diese Situation zu finden, ist keine Einwanderungspolitik, sondern sind vielmehr Programme für die Förderung der sozialen Eingliederung erforderlich. Die Diskriminierung und soziale Ausgrenzung, unter denen die Roma leiden, müssen unbedingt auf die Tagesordnung gesetzt werden. In der Tat ist es unannehmbar, dass die von den europäischen Roma in Folge jahrhundertelanger Ausgrenzung, Marginalisierung und Ablehnung durch die politische Elite aller Zeiten erlittene Unterdrückung wieder zu einem Werkzeug im parteipolitischen Kampf wird.

Dies steht im Widerspruch zu den Interessen der Roma, der Nicht-Roma und Europas und untergräbt in großem Maße die Autorität des Europäischen Parlaments, wenn es seine Stellungnahmen auf der Grundlage unbestätigter Gerüchte und Annahmen annimmt.

Seit vielen Monaten ist die Lage in Italien problematisch und statt auf wirkliche Maßnahmen zu drängen, verbreiten die Parteien Hysterie und benutzen das Roma-Problem für ihre eigenen kurzfristigen, eigennützigen Interessen. Für sie ist dies ein Leichtes, da die zivilgesellschaftlichen Organisationen der Roma zu schwach sind, um dagegen zu protestieren oder eine Gegenposition zu beziehen. Als der Innenminister der Regierung Prodi, Giuliano Amato, ausdrücklich über den Roma-Notstand sprach, haben meine geschätzten sozialdemokratischen und liberalen Kolleginnen und Kollegen bedauerlicherweise keinen Protest eingelegt.

Ich möchte darauf verweisen, dass das, was gegenwärtig in Italien geschieht, keine ethnische Frage ist und wir gegen Unrecht vorgehen müssen, egal, wer es begeht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Der Präsident. – Bevor ich Herrn Pitella das Wort erteile, muss ich die Mitglieder, die T-Shirts zeigen – und ich betone: nicht „tragen“, sondern „zeigen“, so wie man Flagge zeigt oder Banner – bitten, diese zu entfernen. Die Geschäftsordnung ist hier eindeutig: Anlage XVI zu Artikel 146 sieht ausdrücklich vor, dass dies nicht geduldet werden kann. Ich fordere sie auf, die T-Shirts zu entfernen. Anderenfalls bin ich gezwungen, sie durch die Amtsdiener entfernen zu lassen oder sogar die Sitzung aufzuheben. Ich fordere daher die Mitglieder auf, die T-Shirts umgehend zu entfernen, da sie wie Poster ausgestellt sind. Das gilt auch für Herrn Ferrari.

 
  
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  Gianni Pittella, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ein Innenminister eines europäischen Landes darf eine Aussprache im Europäischen Parlament nicht als grotesk bezeichnen. Dies ist eine Aussage, die die Würde des Europäischen Parlaments untergräbt. Wir sind nicht glücklich darüber, dass eine Maßnahme der italienischen Regierung in diesem Haus beurteilt werden muss. Aus unserer Sicht soll Europa nicht als Sündenbock für alle nationalen Probleme, noch als Polizei herhalten, die den Premierminister Italiens im Auge behalten muss.

Wir halten es für richtig, die vernünftigen Entscheidungen, die Italien trifft, auf internationaler Ebene aufrechtzuerhalten und zu verteidigen, selbst wenn wir uns in unserem Land in der Opposition befinden. Die italienische Regierung und der Innenminister hätten jedoch erstens nach anderen Mitteln suchen müssen, die sich im Einklang mit europäischen Standards befinden, und zweitens die Europäische Kommission im Voraus informieren müssen, und nicht spät am selben Tag.

Wir bemühen uns seit Jahren um eine Lösung des Roma-Problems, zu dem Ausbeutung Minderjähriger, Betteln, Kleinkriminalität, Raubüberfälle und andere sozial inkompatible Phänomene gehören. Die Lösung liegt jedoch nicht in einer ethnischen Registrierung, sondern in einer speziellen Politik, die die drei Säulen Bürgertum, Zivilisation und Sicherheit zusammenbringt. Die Identifizierung von Roma-Kindern – und nicht nur von ihnen – ist eine Sicherheitsgrundlage für die Beteiligten und wichtig für die Bekämpfung von Kleinkriminalität und Handel mit Minderjährigen. Aber dies kann nicht aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit mit Mitteln wie Fingerabdrücken geschehen, die in die Privatsphäre eingreifen.

Wir sind Kommissar Špidla dankbar für sein Engagement, eine europäische Antwort auf ein größeres europäisches Problem zu finden, und wir bitten ihn, klare Worte für die von der italienischen Regierung getroffenen Maßnahmen zu finden und dem Europäischen Parlament zu berichten. Es ist erstaunlich, dass wir im 3. Jahrtausend, in dem wir eine neue Ära für die Bürgerrechte hätten begrüßen sollen, tatsächlich eine kulturelle Regression erleben. Die Europäische Institution selbst sollte sich gegen ungezügelten Opportunismus einsetzen und die Werte der Zivilisation verteidigen, die Europa in der Welt repräsentiert.

 
  
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  Marco Cappato, im Namen der ALDE-Fraktion. (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wie bereits erwähnt wurde, wird die italienische Regierung die vollständigen Einzelheiten zu den Maßnahmen bis zum Monatsende übersenden. Zuvor jedoch gibt es einen weiteren Punkt zu bedenken, und zwar den Notstand: Die europäischen Institutionen müssen sich mit diesem Punkt befassen. Erstens muss in Fällen wie diesen, in denen ein Staat den Notstand erklärt, zuerst der Europarat informiert werden. Das scheint nicht geschehen zu sein. Wir fragen Sie, ob Sie informiert worden sind.

Die Erklärung eines Notstands ist bei Naturkatastrophen oder anderen Katastrophen dieser Größenordnung gerechtfertigt. Man kann derartige Fälle definieren – Frau Bauer erwähnte vorhin „von Minister Amato zuvor vorgeschlagene Fälle“. Aber eines ist sicherlich wahr; um es klar auszudrücken: Missmanagement in der Roma-Frage kennzeichnet nicht nur das Vorgehen der Berlusconi-Regierung. Es handelt sich um ein seit Jahren verschlepptes Problem und um jahrzehntelanges Missmanagement. Aus diesem Grund ist die Erklärung des Notstands undenkbar, nicht akzeptabel. Der Notstand, den wir heutzutage erleben, ist, wenn Sie so wollen, die Abwesenheit von Rechtmäßigkeit und Demokratie in einem Land, das am häufigsten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde. Dies ist der Notstand. Ein „Roma-Notstand“ kann nicht erklärt werden, da ein solcher Notstand nicht existiert.

Es gibt ein Problem, das gelöst werden muss. Es muss durch Akzeptanz, Integration und die Investition von Mitteln gelöst werden, nicht durch ihre Verschwendung, wie dies derzeit geschieht, wenn europäische Mittel nicht verwendet werden. Der Einsatz biometrischer Technologie ist keine Lösung, sondern scheint es nur zu sein, und soll die Unfähigkeit der Regierung verstecken, mit diesem Problem fertig zu werden.

 
  
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  Elly de Groen-Kouwenhoven, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Digitale Fingerabdrücke sind eine moderne Variante von Nazi-Methoden, um Zigeuner von anderen Bürgern zu unterscheiden. Die Datenbank mit digitalen Fingerabdrücken ist die brutalste Wiederauferstehung des Rassismus seit 1940/45, denn die Fingerabdrücke sind ein staatlich zugelassener erster Schritt zur Erleichterung von Massenvertreibungen einer ethnischen Gruppe. Die meisten Roma, die die Grenzen eines zunehmend grenzenlosen Europas legal passieren, sind arm und schlecht ausgebildet. Was sie im Wesentlichen benötigen, ist ein Ort, an dem sie bleiben können. Gegen Armut muss vor Ort vorgegangen werden, und nicht durch Vertreibungen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Roma die größte Minderheit in Europa darstellen – nicht weniger als 19 Mitgliedstaaten haben eine Bevölkerung, die kleiner ist als die europäische Gemeinschaft der Roma.

Zur Zeit des Kommunismus hatten die Roma Arbeit und freien Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem. Nach dem Ende des Kommunismus hat sich ihr Lebensstandard verschlechtert. Armut war ein fruchtbarer Boden für Geldbeschaffung. Die Zigeuner-Industrie hat sich entwickelt; Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam und CARE haben als Projektausführende viel Geld verdient. Die Roma jedoch haben kaum davon profitiert und sind, sobald es ihnen möglich war, gen Westen gezogen. Auf Betreiben des Ministerrats hin, die Politiken zu prüfen, um die Integration der Roma zu verbessern, räumt die Kommission in einem Dokument vom 2. Juli die Dringlichkeit dieser Angelegenheit ein. Sie bezieht sich auf die Entschließung des Europäischen Parlaments für eine europäische Rahmenstrategie und erkennt ihre Rolle als Koordinator an – endlich! In dem Dokument mit der Überschrift „Lessons learned“ heißt es, dass für eine wirksame Integration der Roma die vollständige Einbeziehung der Zivilgesellschaft und insbesondere der NRO der Roma Erfolgsfaktoren sind. Die Roma sind Partner geworden! Ich hoffe, dass wir bald sehen werden, wie dies in einer Struktur der Kommission selbst umsetzbar sein wird.

In der Zwischenzeit rate ich der Kommission sehr, den Aktionsplan der OSZE zu lesen. Warum sollten wir das Rad neu erfinden? Zum Schluss möchte ich die Kommission noch auffordern, der italienischen Regierung klarzumachen, dass faschistische Bestimmungen gegen das EU-Recht verstoßen und dass die Opfer unter den Roma, die ihr Eigentum verloren haben, entschädigt werden sollten. Früher hat Italien einmal Mode exportiert, heute exportiert es Rassismus.

 
  
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  Roberta Angelilli, im Namen der UEN-Fraktion. (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Aussprache verschafft mir die Möglichkeit, einige Fragen an die Linke zu richten, die die kluge Idee hatte, das Europäische Parlament zu nutzen, um zum x-ten Male in einer völlig unangemessenen, fadenscheinigen und vorschnellen Weise die Anwendung eines italienischen Gesetzes, das sich noch in Vorbereitung befindet, zu verurteilen.

Die erste Frage lautet also: Wo war die Linke, die Jahrzehnte lang die Regierung stellte, als diese illegalen Lager eingerichtet wurden und sich unter Bedingungen ausbreiteten, die von einem absoluten Mangel an elementarsten Hygiene- und Sicherheitsstandards gekennzeichnet waren? Ich möchte Sie ferner fragen, ob Ihr Schweigen während all dieser Jahre Sie nicht wie eine Gefangenenkette aus Gleichgültigkeit und Scheinheiligkeit herunterzieht, weil Sie offensichtlich keine Augen dafür hatten, oder kein politisches Interesse, dass alljährlich Dutzende Kinder an Erkältung starben oder an Verbrennungen aufgrund von mangelnder Sicherheit in diesen Barackensiedlungen.

Vielleicht interessiert es Sie nicht einmal, dass in Rom mit seinen fast 7 000 Roma-Kindern Millionen Euro für Schulzwecke vorgesehen sind: verschwendete Gelder, da letztes Jahr nur 25 % dieser Kinder regelmäßig in die Schule gingen. Wer weiß, ob Sie wissen oder vorgeben, nicht zu wissen, dass diese Schulprojekte fast wie ein Monopol an einige Organisationen vergeben wurden, die nicht so sehr von den Interessen der Minderjährigen, sondern vom Interesse an öffentlichen Geldern geleitet waren.

Ich halte das Recht der Roma auf eine Volkszählung aufrecht, wie sie regelmäßig für alle Bürger Italiens durchgeführt wird. Denn eine Volkszählung ist eine Garantie für das Recht auf Gesundheit, soziale Teilhabe und Integration in das Schulsystem. Ich halte ferner das Recht der Roma-Gemeinschaft auf Identitätsprüfung aufrecht. Es existieren offensichtlich keine Pläne für breite Maßnahmen: Niemand, der sich im Besitz ordentlicher Papiere befindet, wird geprüft. Aber ein Kind, das bei der Geburt nicht registriert wird und keine nachweisbare Identität hat, wird unsichtbar und ist leicht ein Opfer für jegliche Form der Ausbeutung: Organhandel, illegale Adoption, sexuelle Ausbeutung und Kinderarbeit. Dies trifft auf alle Kinder zu, die in Italien leben: italienische und EU-Staatsbürger und Nicht-EU-Staatsbürger.

Abschließend ein paar Worte zum Titel Ihrer mündlichen Anfragen. Im Gesetz werden weder ethnische Gruppen erwähnt, noch existieren Pläne für spezielle Datenbanken, z. B. Fingerabdruck-Datenbanken für Roma. Natürlich sind bessere Vorschläge immer willkommen: Wir sind für konstruktive Vorschläge offen. Wir lassen uns jedoch von niemandem belehren, der Jahr für Jahr keinen Finger gerührt hat, um einem ernsthaften sozialen Notstand abzuhelfen.

 
  
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  Vittorio Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist jetzt genau 70 Jahre her, dass das faschistische Regime in Italien am 14. Juli 1938 die Rassengesetze in Kraft setzte, die den deutschen Rassengesetzen entsprachen. Wir kennen unsere Geschichte: Mehr als 500 000 Roma wurden in Todeslagern umgebracht. Auch damals fing alles mit einer Volkszählung an.

Wir sind in Italien Zeugen einer umfassenden Erstellung ethnischer Profile aller Roma, einschließlich Kinder und Bürger der Europäischen Gemeinschaft und selbst italienischer Staatsbürger. Ihnen werden Fingerabdrücke abgenommen, obwohl bereits Daten über sie registriert sind. Zu der Befragung, die in Neapel durchgeführt wird, Frau Angelilli, gehören Fragen zur Religion und zur ethnischen Herkunft. Sie ähnelt sehr der Befragung, die das Vichy-Regime unter der Nazi-Okkupation verwendete. In Mailand wurde ein Datensatz über einen alten Roma erstellt, einem italienischen Staatsbürger und Überlebenden der Deportation in ein Nazi-Konzentrationslager. Wofür werden diese Daten verwendet?

Im italienischen Parlament hat Alessandra Mussolini, die Enkelin des Duce, den Vorsitz über das Kinderkomitee – das Schweigen dazu ist ein Zeichen für eine totale Gleichgültigkeit. Das ist eine Koinzidenz, die die symbolische Verbindung zwischen der Gegenwart und einer Vergangenheit zeigt, von der wir dachten, sie sei in Italien und Europa tot und begraben. Und doch erhebt sie heute wieder ihr hässliches Antlitz.

Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber es besteht kein Zweifel daran, dass die italienische Regierung rassistische Verfahren eingeleitet hat, die eindeutig gegen die Richtlinien 2000/43/EG und 2004/38/EG verstoßen. Ich appelliere an das Parlament, diese Entschließung zu verabschieden und die italienische Regierung zu verurteilen, und ich appelliere an die Kommission, als dringliche Angelegenheit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten.

 
  
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  Stefano Zappalà (PPE-DE) . (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es besteht kein Zweifel daran, dass die italienische Ultralinke jetzt faktisch dieses Parlament lenkt. Gemäß einer schlechten Praxis, die sich nun etabliert hat, nutzen die Parlamentarier des ultralinken Flügels sowie die Grünen den Plenarsaal in Straßburg als Mittel, um die italienische Regierung zu attackieren.

Die Sozialisten und Liberalen wurden durch die Volksabstimmung letzten April von der politischen Bühne gefegt und finden hier noch bessere Möglichkeiten für die Verbreitung ihrer nationalen Lügen. Gemeinsam greifen sie die legitime Regierung eines großen und eindeutig pro-europäischen Mitgliedstaats an, die von 60 % der italienischen Bevölkerung gewählt wurde und unterstützt wird. Und dann wundern wir uns über die Ergebnisse in Irland!

Diese gesamte Frage, Herr Präsident, Herr Kommissar Špidla, ist eine nationale Angelegenheit, die nicht in den Kompetenzbereich der EU fällt. Nichtsdestoweniger hat die italienische Regierung der Kommission zu jeder Zeit jegliche an sie vermittelte Erklärungen bereitgestellt. Ich bitte Sie, Herr Kommissar, dringend, den Zeitungen weniger Aufmerksamkeit zu schenken und stattdessen die Dokumente zu beachten, die die italienische Regierung offiziell weiterleitet.

Die Anordnungen beziehen sich weder auf die Roma noch auf die Erhebung von Fingerabdrücken, sondern auf Nicht-EU-Bürger und Nichtsesshafte, von denen manche seit einiger Zeit aufgrund von Kriminalität polizeilich erfasst sind. Wir müssen uns hinsichtlich der Identität von Menschen Klarheit verschaffen, damit wir ihnen Zugang zu Schulen, Sozialhilfe, zur Gesundheitsversorgung und zu Unterkünften geben können. Diese Anordnungen haben keinen Bezug zur ethnischen Herkunft, ihre Gültigkeit ist nicht unbegrenzt und sie betreffen nicht das gesamte Gebiet Italiens, sondern nur bestimmte Fälle.

Selbst der Kommissar für Menschenrechte des Europarats hat am 19. und 20. Juni das ernste Problem angesprochen, das mangelnde Identitätsdokumente darstellen. Unser Ziel ist es, Identifikationsübersichten durchzuführen, wie sie in vielen Staaten und in ganz Europa im Hinblick auf Reisepapiere und Aufenthaltsgenehmigungen genehmigt und erforderlich sind, und zu diesem Zweck beschreibende, fotografische und anthropometrische Systeme einzusetzen. Diese Maßnahmen – insbesondere jene, die sich auf Minderjährige beziehen – genießen die Unterstützung durch die italienische Justiz und werden in Zusammenarbeit mit dem italienischen Roten Kreuz und anderen umgesetzt.

Ich könnte hier fortfahren, aber ich möchte an dieser Stelle meiner Kollegin sagen, dass ich es mir nicht hätte träumen lassen, dass ich im Zusammenhang mit ihrem Land von Rassismus sprechen würde. Ich möchte sie daran erinnern, dass Italien seit 3 000 Jahren Kultur exportiert und dies auch weiterhin tun wird. In diesem Zeitraum wurde in Italien außerdem eine fortschrittliche Zivilisation gegründet, in der wir auch heute noch leben, während die Menschen in vielen anderen Ländern noch unter primitiven Bedingungen lebten.

 
  
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  Adrian Severin (PSE). (EN) Herr Präsident! Wir sprechen nun schon zum vierten Mal innerhalb weniger Monate über dasselbe Thema. Die Ergebnisse sind bescheiden, so bescheiden wie die Anwesenheit in diesem Parlament heute Abend. Vielleicht ist das per se schon schockierend und Anlass zur Sorge.

Das Volk der Roma ist eine pan-europäische, ethnokulturelle Gemeinschaft, die keinen Nationalstaat hat. Roma hat es in Europa schon gegeben, als die europäischen Nationalstaaten gegründet wurden. Diese Staaten haben sie immer im Elend gehalten, wenn nicht gar in Sklaverei, oder sie in Konzentrationslager geschickt.

Die EU-Erweiterung war die letzte Handlung zur Befreiung der Roma. Heute sind Roma Bürger Europas. Vielleicht sind sie absolut gesehen die wahrsten europäischen Bürger, denn sie sind nur Europäer. Ihre kulturelle, soziale und wirtschaftliche Integration ist eine Herausforderung für Europa.

Aus diesem Grund müssen wir die Roma-Politik unter Gemeinschaftsrecht stellen. Eine Strategie, die den Staaten lediglich Empfehlungen gibt, ihnen jedoch die endgültige Entscheidung und die endgültige Verantwortung überlässt, funktioniert schlicht und einfach nicht.

Andererseits ist das, was wir heute in Italien erleben, die hässlichste Seite des gefährlichen Phänomens der Renationalisierung Europas. Es ist der nationale, populistische Ausdruck dieses Phänomens. Die Italiener haben in der Tat das Recht, sich nicht fürchten zu müssen, doch ist die derzeitige rassistische Politik der Regierung für einen italienischen Bürger wohl außerordentlich beängstigend.

Heute Fingerabdrücke, morgen Zwangsarbeit, übermorgen Konzentrationslager – und dann nicht nur für die Roma, sondern für jede beliebige andere Gemeinschaft.

Wir haben die Kommission gebeten, die Übereinstimmung der italienischen Gesetzgebung mit den EU-Standards zu prüfen. Nichts ist passiert. Die Prüfung wurde vertagt, um zunächst die Annahme der Vorschriften abzuwarten. Jetzt hat sich die Lage verschlechtert. Wir müssen handeln und die Instrumente, die uns durch die Verträge zur Verfügung gestellt werden, nutzen, um diese gefährlichen, rassistischen Entwicklungen in Italien zu stoppen und damit ähnliche Ansätze anderswo zu unterbinden.

Wir dürfen keinen weiteren Holocaust abwarten, bevor wir neue Referenden zur Unterstützung der europäischen Integration organisieren.

 
  
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  Adina-Ioana Vălean (ALDE).(EN) Herr Präsident! Heute führen wir im Parlament eine weitere Aussprache über den Umgang Italiens mit den Roma. Dieses Mal ist die derzeitige Nummer eins nichts weniger als der von der italienischen Regierung ausgerufene Notstand, die Volkszählung der Roma und die Abnahme von Fingerabdrücken vor ihrer Ausweisung.

Heute appelliere ich erneut an die Kommission und den Rat, zu handeln. Genug der Versprechen: Wir wollen jetzt sehen, dass der Rat und die Kommission konkrete Maßnahmen ergreifen, damit Italien sich an die Gesetze und Werte der EU hält. Wir brauchen eine Bewertung der Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie wie wir sie auch für die Freizügigkeitsrichtlinie durchführen. Wir müssen den integrierten Ansatz stärken und die Umsetzung der EU-Roma-Strategie beschleunigen.

Uns stehen alle Instrumente zur Verfügung, aber es scheint, als gäbe es bei ihrer Anwendung eine gewisse Scheu, wenn es um die Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten gegenüber der Sicherheit geht.

Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, seit Italien mit braunem Populismus gefärbte unangemessene und schockierende Sicherheitsmaßnahmen formuliert hat. Braun scheint jetzt schwarz zu werden.

Werden sie auf Italiens Straßen wirklich Roma jagen? Wird Europa weiter als schweigender Komplize zusehen?

 
  
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  Mario Borghezio (UEN) . (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine ernste Angelegenheit, dass wir aus Gründen, die allein mit der Politik Italiens zusammenhängen, nicht in der Lage sind, die erforderlichen Maßnahmen in Ruhe zu untersuchen. Es wurde gesagt, dass kein Notstand erklärt wurde. In der Tat scheint es mir so zu sein, dass die Regierung Prodi durch von Minister Amato vorbereitete Maßnahmen den Notstand und die Notwendigkeit erklärt hatte, Schritte in Bezug auf die Roma einzuleiten. Die gegenwärtige Regierung Italiens hat nichts dergleichen getan, sondern führt lediglich eine Volkszählung durch. Dies entspricht dem Inhalt der Briefe, die der Europäischen Kommission zugestellt und von ihr untersucht wurden. Diese konnte nicht mehr tun als ihren Wahrheitsgehalt anzuerkennen. Denn politische Spekulationen sind eine Sache, die Wahrheit eine andere, die mehr Substanz hat.

Die Maßnahmen gehen jeden etwas an. Möglicherweise gibt der ein oder andere vor, die Wahrheit nicht zu kennen, die da lautet, dass in den Lagern der Nichtsesshaften Minderjährige wie Phantome leben: Sie haben keine Identität – und ist Identität nicht ein Menschenrecht? Sie erhalten keine Impfungen, könnten selbst dann nicht in die Schule gehen, wenn sie es wollten, da sie daran gehindert werden, und so wird, wie wir alle nur zu gut wissen, stattdessen Handel mit ihnen betrieben.

Es wurde keine Datenbank eingerichtet. Es existieren klare und spezifische Regelungen darüber, dass Datenbanken nur entsprechend dem Datenschutz benutzt werden dürfen. Es geht nicht um Datensätze, auf die jeder Zugriff hat: Die Daten werden nur nach Maßgabe der Notwendigkeit gesammelt. Als die Richter die Daten der Minderjährigen notierten, wurde dies als Standardvorgang betrachtet.

Letztlich traf die Regierung die weise Entscheidung, das Gesetz durch das italienische Rote Kreuz umzusetzen. Nicht die SS geht in die Lager, sondern das italienische Rote Kreuz, das weltweit für seine Kompetenz und Sensibilität bei der Unterstützung marginalisierter und verfolgter Menschen in der ganzen Welt bekannt ist.

 
  
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  Umberto Guidoni (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Bei dem Vorschlag, Fingerabdrücke der Roma, auch der Kinder, zu sammeln, geht es grundsätzlich um eine Sache: die Erstellung ethnischer Profile eines Volkes.

Diese Initiative der italienischen Regierung weckt Erinnerungen an dunkle Zeiten und an die tragischen Ereignisse, die in der Vergangenheit in Europa stattgefunden haben und die wir am liebsten für immer der Geschichtsschreibung überlassen würden. Das Gesetz ist verabscheuungswürdig, es verletzt Menschenrechte und die fundamentalen Rechte, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind. Der Innenminister zeigt, dass er die europäischen Richtlinien nicht einmal kennt, wenn er verlangt, dass allen Nicht-EU-Bürgern Fingerabdrücke abgenommen werden müssen und gleichzeitig behauptet, er handele in Übereinstimmung mit Verordnung (EG) Nr. 380/2008. Die Roma, die in Italien leben – und insbesondere die Kinder – sind fast alle italienische oder zumindest EU-Staatsbürger.

Wenn das Problem, das es zu lösen gilt, also die unmenschlichen Bedingungen in den Lagern sind, weil z. B. die Kinder mit Ratten leben müssen, wie der Minister sagt, dann sollte er uns erklären, inwiefern die Abnahme von Fingerabdrücken eine Lösung dafür darstellen soll, wenn selbst der Präfekt von Rom das für unnötig hält. Wenn die italienische Regierung tatsächlich um die Lebensbedingungen Minderjähriger besorgt ist, dann sollte sie Maßnahmen für die Gesundheit der Lagerbewohner, Förderung der sozialen Teilhabe und Integration und Förderung des Schulbesuchs und des Eintritts in das Arbeitsleben ergreifen. Die Erstellung ethnischer Profile einer Minderheit begünstigt dagegen die Gefährdung der Zukunft von Minderjährigen, steht einer Aussicht auf Integration entgegen und führt paradoxerweise zu einer Kriminalisierung dieser Menschen.

Die extreme Linke sagt nicht das Gleiche wie ich. Ich schließe mit einem Zitat aus dem katholisch orientierten Wochenmagazin „Famiglia Cristiana“: „Heute zeigt der Polizeistaat mit der Erfassung von Fingerabdrücken den Roma-Kindern, die italienische Staatsbürger sind, seine härteste Seite. Warum zeigt er nicht die gleiche Entschlossenheit, wenn es um die Bekämpfung echter Kriminalität in großen Gebieten unseres Landes geht? Vielleicht, weil sich politisch daraus weniger Kapital schlagen lässt?“

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE). (RO) Die Lage von Minderheiten in Rumänien war während der Beitrittsverhandlungen eines der am heftigsten diskutierten Themen.

So erarbeiteten die rumänischen Behörden eine von der Europäischen Kommission genehmigte und überwachte Integrationsstrategie für die Roma. Diese Strategie umfasst eine Reihe von Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Bildung und des Zugangs zum Arbeitsmarkt, die in jeder Hinsicht den europäischen Normen entsprechen.

Seit 2004 sind einige Roma gemäß dem Prinzip der Freizügigkeit in andere Länder der EU gereist. Ich bestreite nicht, dass manche von ihnen die Gesetze der Staaten, in die sie gefahren sind, verletzt haben. Für ihre Handlungen müssen sie sich vor dem Gesetz verantworten.

Dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Forderungen an Rumänien ab jetzt auch für andere EU-Mitglieder gelten sollten: kohärente Integrationsprogramme auf der Grundlage europäischer Prinzipien. Diese Programme sollten keinesfalls solche diskriminierenden Maßnahmen enthalten, wie die kürzlich von der italienischen Regierung gebilligte Entscheidung über die Abnahme von Fingerabdrücken oder Zwangsmaßnahmen gegen ehrliche Bürger.

Eine solche Haltung kann – und ich fürchte, das ist schon gesehen – ein negatives, unerwünschtes Bild von anderen EU-Bürgern erzeugen, die in Italien leben und arbeiten und die in den Gemeinden, in denen sie leben, geschätzt werden.

Ich fordere den französischen Vorsitz auf, alle diese Aspekte zu berücksichtigen und in seine Halbjahresagenda eine wirklich europäische Politik für die Integration der Roma aufzunehmen. Ich fordere die Kommission auf, systematisch Informationen über die Lage der Roma zu präsentieren, aus denen konkrete Schritte für die Integration, die soziale Eingliederung, Möglichkeiten, in denen europäische Mittel verwendet worden sind, sowie die erzielten Ergebnisse hervorgehen.

Aus diesem Anlass wende ich mich auch an die Nichtregierungsorganisationen, die das Volk der Roma vertreten und ersuche sie, die Bürger, deren Interessen sie verteidigen, zu informieren und anzuhalten, die bislang von der EU und den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Instrumente möglichst effizient zu nutzen.

 
  
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  Kristian Vigenin (PSE). - (BG) Herr Präsident! Herr Kommissar! Das gemeinsame Vorgehen verschiedener politischer Fraktionen zur Verteidigung der Menschenrechte und der Menschenwürde ist ein Beispiel für die Reife unseres Parlaments. Bedauerlicherweise hat sich die PPE-Fraktion nicht dem gemeinsamen Entschließungsentwurf angeschlossen, aber sie hat die Chance, ihn mit ihrer Stimme zu unterstützen. Wir dürfen nicht einfach zusehen, wie Grenzen, die nach dem zweiten Weltkrieg als unantastbar galten, überschritten werden.

Der Plan der italienischen Regierung, eine Datenbank mit biometrischen Daten für die Roma einzurichten, ist eine weitere provokatorische Maßnahme nach Berlusconis Rückkehr an die Macht. Ich möchte nur an seine Feststellung erinnern, Einwanderer seien eine Armee des Bösen, sowie an die Entscheidung, illegale Einwanderung zu kriminalisieren. Darin zeigt sich die absolute Unfähigkeit, das Problem zu begreifen, und die Orientierung in eine völlig falsche Richtung. Durch den Plan werden die Roma in einer Art und Weise behandelt, die Integration nicht fördert, sondern entsprechende Möglichkeiten zunichte macht. Praktisch wird dadurch eine Lösung in Isolation und Segregation gesucht; es werden romafeindliche Haltungen erzeugt und die Ängste der Öffentlichkeit geschürt. Und wir alle haben gesehen, wohin dies führt. Erinnern wir uns an die jüngsten Ereignisse in Rom und Neapel. Öl ins Feuer zu gießen, bedeutet, dass man entweder mit Absicht versucht, ein größeres Feuer zu entfachen, oder nicht weiß, was man anrichtet.

Die Roma bilden die größte Minderheit in Europa, die wahrscheinlich die stärkste Diskriminierung erfährt. In den meisten Fällen haben die Roma keinen Zugang zu ausreichender Gesundheitsversorgung, öffentlichen Dienstleistungen, Schulen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Lösungen für diese Probleme zu finden, ist eine europaweite Herausforderung, und bislang ist dies keinem Land im Alleingang gelungen. Auch Italien wird keinen Erfolg haben. Darum sollte eine Lösung in Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Behörden sowie durch Koordinierung und Unterstützung auf europäischer Ebene gesucht werden. Aus diesem Grund muss die Europäische Kommission eine klarer formulierte Politik für die Roma entwerfen, die mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet ist. Der Plan der italienischen Regierung verstößt gegen Grundprinzipien der Europäischen Union und steht im Widerspruch zu Artikel 12 und 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Als Hüterin der Verträge sollte die EU-Kommission im Falle der Verletzung durch einen Mitgliedstaat kompromisslos handeln.

Abschließend möchte ich nur daran erinnern, dass die Politik der Eingliederung der Roma eine der zentralen Fragen war, anhand derer die EU-Tauglichkeit meines Heimatlandes bewertet wurde. Herr Kommissar! Ich frage Sie, wie hätten Sie reagiert, wenn Bulgarien den italienischen Plan auf seine Roma angewendet hätte? Und wenn Sie heute die italienische Politik für annehmbar erklären, wie wird sich Ihrer Meinung nach Ihr Standpunkt auf die Einwanderungspolitik in Bulgarien auswirken?

 
  
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  Gianluca Susta (ALDE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte es ernsthaft vorgezogen, bei der Debatte heute Nachmittag nicht zugegen gewesen zu sein. Die verspätete Kehrtwende von Minister Maroni, der die Flammen des Rassismus in Italien schürt und gleichzeitig wie ein Amateur-Feuerwehrmann angesichts des verärgerten Kommissars Barrot versucht, sie in Europa zu löschen, ist die einzige wirklich groteske Situation, die wir momentan in Europa erleben.

Der Roma-Notstand in Italien, Frau Angelilli, richtet sich vor allem gegen die Roma in Rom, Neapel und auch in Mailand. Natürlich gibt es einen breiten Sicherheitsbedarf, da die Regierung – wie die anderer europäischer Länder auch – mit Kriminalität zu tun hat und nicht mit angemessenen Ressourcen wie Personal oder Richtlinien zur Verhinderung sozialer Missstände reagiert. Dadurch entsteht eine Situation, von der die Mafia und Kleinkriminelle profitieren.

Wir können nicht tolerieren, dass der in der Nachwahlkampfphase entstandene Bedarf, die unzufriedenen Ränder der Mehrheit zufrieden zu stellen, 60 Jahre konstitutioneller Freiheit bedroht. Europa kann und darf das nicht hinnehmen.

(Protest)

 
  
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  Der Präsident. – Entschuldigen Sie, Herr Susta, was geht hier vor? In diesem Haus sind keinerlei Einschüchterungen anderer Mitglieder gestattet. Bitte verlassen Sie den Saal.

 
  
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  Gianluca Susta (ALDE) . (IT) Europa kann und darf Diskriminierung gegen Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit nicht tolerieren. Daher müssen wir in Europa, in diesem Parlament, das als grotesk bezeichnet wurde, aufmerksam darüber wachen, dass die Gleichheit der Bürger garantiert ist und vielleicht sogar auch darüber, dass die gleichen Mittel für jeden in dieser bereits für nächstes Jahr geplanten Volkszählung angewendet werden. Insbesondere müssen wir dafür sorgen, dass Minderjährige und Arme unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Menschen oder Bürger das Recht auf Bildung, Gesundheit und Würde gewährt wird.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). - Herr Präsident! Menschenrechte sind unteilbar. Die Zugehörigkeit zu einer Ethnie darf kein Grund für Diskriminierung sein, genauso wenig wie Hautfarbe, Geschlecht, Religion, sexuelle Präferenz und Ähnliches. Das ist eine wesentliche Errungenschaft unserer europäischen Rechtsgemeinschaft. Zum Selbstverständnis unserer europäischen Rechtsgemeinschaft gehört allerdings auch, dass wir die Gleichheit vor dem Gesetz ernst nehmen, und das heißt, dass wir für Fragen der sozialen Unterstützung, der Schulbildung, des Arbeitsmarktes, aber auch der Verbrechensbekämpfung allgemeine Gesetze haben und sie anwenden – ohne Diskriminierung. Die Identitätsfeststellung ist Voraussetzung für viele dieser Politiken. Auf diese rechtliche Seite des so genannten Roma-Problems hat Kommissar Špidla zu Recht verwiesen. Er hat auch gesagt, dass er nicht auf Zuruf der Presse agieren will, sondern von der italienischen Regierung Aufklärung verlangen wird. Das ist eine richtige Vorgangsweise.

Neben der rechtlichen Seite gibt es das menschliche Leid. Viele Roma und dort wiederum viele Kinder leben in bitterer Armut, sind nicht integriert, haben wenig oder keine Chancen in unserer Gesellschaft. Hier ist Hilfe angebracht. In meiner Heimatstadt Graz haben wir seit Jahren eine intensive Diskussion um Bettelei von Roma und eine Diskussion mit den Roma, wie man aus dieser schwierigen Situation herauskommen kann oder zumindest das Beste daraus machen kann. Eine der Lösungen: Wir Grazer Bürger finanzieren Arbeitsplätze in der Slowakei, in den Herkunftsländern dieser Roma, und wir schaffen es auf diese Weise, zumindest sehr viele Kinder von der Bettelei, von der Straße wegzubringen. Wir müssen mehr tun, wir werden mehr tun!

Es gibt ein letztes Problem beim Bereich der Roma. Das betrifft uns. Es gibt ein Problem der Politik. Mit dem Thema, mit diesen Menschen und ihrem Leid, kann man Politik machen, populistische Politik vor Ort und – wie unsere Debatte hier heute auch zeigt – leider auch europäischen Populismus.

 
  
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  Ignasi Guardans Cambó (ALDE). - (ES) Herr Präsident! Die Zigeuner, eine der ältesten Volksgruppen in Europa, verdienen die Aufmerksamkeit der Europäischen Union, die sie bisher nicht erhalten haben. Was gegenwärtig in Italien geschieht, ist selbstverständlich nicht zu dulden. Wir lehnen dieses Vorgehen vehement ab, da es dabei um rassenbasierte Gesetze geht, die eine bestimmte ethnische Gruppe kriminalisieren.

Allerdings muss klar werden, dass es nicht ausreicht, diese Praxis zu unterbinden, als ob man das Problem lösen würde, indem man dem, was wir jetzt kritisieren, einen Riegel vorschiebt. Nein! Tatsache ist – und das müssen wir verurteilen –, dass dahinter gravierende soziale Probleme stecken, vor denen manche Regierungen und die Europäische Kommission selbst zu lange die Augen verschlossen haben, obgleich sie die Macht besaßen, etwas dagegen zu unternehmen.

Wir brauchen eine europäische Politik – in Verbindung mit Verpflichtungen, Ressourcen, Initiativen und Maßnahmen –, die den Problemen, mit denen wir hier zu tun haben, gewachsen ist. Die Kommission muss in der Frage der sozialen Eingliederung der Roma, der Zigeuner, proaktiv vorgehen. In ganz Europa gibt es positive Beispiele (in Spanien beispielsweise im Bildungsbereich). Ja, es gibt sie, aber dennoch haben wir Probleme, die gelöst werden müssen.

Wir haben stundenlang über die europäische Staatsbürgerschaft diskutiert. Es ist an der Zeit zu begreifen, dass diese für alle gilt, ungeachtet der Rasse.

 
  
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  Vito Bonsignore (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament wird gegenwärtig wie eine dritte Kammer des italienischen Parlaments für eine Debatte benutzt, die auf falschen Zeitungsnachrichten basiert. Die Kommission untersucht diese Angelegenheit noch und wird auf Initiative der Regierung bis zum Monatsende einen Bericht vorlegen.

Die italienische Regierung hat niemandes Rechte verletzt, insbesondere nicht die von Minderjährigen oder Kindern. Und Minister Maroni hat bereits mehrere Male gesagt und versichert, dass keine Datenbank eingerichtet wird und dass alle Daten in voller Übereinstimmung mit den Datenschutzgesetzen verarbeitet werden. Ferner handelt es sich um eine vorübergehende, auf einen kurzen Zeitraum beschränkte Maßnahme. Minister Maroni hat auch bekräftigt, dass die Volkszählung unter Nichtsesshaften und Minderjährigen, die in den Lagern der Nichtsesshaften leben, in vollständiger Übereinstimmung mit dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ausgeführt wird und dem Ziel dient, gemäß den Zivilschutzgesetzen Schul- und Integrationsprogramme für Kinder und Heranwachsende umzusetzen.

Ich bedauere zutiefst, dass die verschiedenen linken Kräfte wieder einmal eine Kontroverse vor das Europäische Parlament gebracht haben, die gänzlich in die Sphäre Italiens gehört. Ich bin davon überzeugt, dass in vielen Hinsichten verspätet gehandelt wurde. Die Herausforderung besteht. Der Notstand ist Tatsache und wurde von vielen Mitgliedern, die sich geäußert haben, anerkannt. Er wurde jedoch nicht von den Vorgänger-Regierungen der Berlusconi-Regierung und auch nicht von vielen großen Stadtverwaltungsbehörden anerkannt. Wenn der Bericht am Ende des Monats vorliegt, werden wir sehen, wie opportunistisch die Position der Linken ist. Freunde auf der Linken, ihr seid zu früh gestartet und habt eure Sache nicht gut gemacht, da ihr nicht ausreichend Informationen hattet.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE). (EN) Herr Präsident! Ich bin weder Italienerin noch bin ich links. Wenn ich also von Herr Zappalà und Frau Angelilli gebeten werde zu akzeptieren, mit der italienischen Notverordnung werde ein guter Zweck verfolgt, nämlich um sicherzustellen, dass die Gemeinschaft der Roma angemessene öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen kann, so habe ich meiner Meinung nach auch das Recht, das angesichts der populistischen und bösartigen Rhetorik, die diese Frage in den vergangenen Wochen begleitet hat, anzweifeln zu dürfen. Die Abnahme der Fingerabdrücke nur von Roma ist diskriminierend und mit Sicherheit illegal – haben wir die Nazi-Vergangenheit und die faschistische, rassistische Verfolgung vergessen?

Ich denke, Kommissar Špidla hat ein angemessenes Engagement für die Verfolgung diskriminierender Behandlungsweisen gezeigt und zieht das hoffentlich auch durch: Er würde den guten Ruf der Kommission angesichts des Beispiels von Franco Frattini, der uns erst vor wenigen Wochen ermahnt hat, über Gerechtigkeit und Gleichheit zu wachen und nun die Vorurteile verteidigt, wiederherstellen. Wir brauchen eine europäische Roma-Strategie, die über die Mittel verfügt, den Status, die Bildung und die Integration der Roma zu verbessern, anstatt sie zu marginalisieren und zu stigmatisieren. Wenn wir eine gemeinsame Agrarpolitik haben können, dann können wir doch sicher auch eine gemeinsame Politik für die Roma haben.

 
  
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  Carlo Casini (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die moderne Kultur der Menschenrechte stellt das Mensch-Sein im Vergleich zum Bürger-Sein heraus. Diesem Prinzip entspricht auch, dass Ausländer, staatenlose Personen oder Nichtsesshafte wie Bürger im Hinblick auf ihre fundamentale menschliche Würde behandelt werden. Dies setzt eine besondere Solidarität mit den Schwächsten, insbesondere den Kindern, voraus.

Diese Sensibilität kann jedoch nicht als gültige Entschuldigung dafür herhalten, dass das Europäische Parlament als Bühne für die absurdesten Anschuldigungen, nämlich des Rassismus, gegen die nationale Regierung verwendet wird. Diese erklärt – dies ist zumindest der Kontext der Dokumente, über die wir hier sprechen –, dass sie sich nicht nur um die öffentliche Ordnung kümmert, sondern auch um den Schutz von Kindern und zwar von Kindern, die in nomadischen Gemeinschaften leben und in Situationen, in denen dringender Handlungsbedarf besteht.

Die Antwort auf die eingereichten Anfragen kann ganz einfach gefunden werden: Es reicht, die durch die italienische Regierung verabschiedeten Gesetze zu lesen, die sich, wie bereits gesagt wurde, auf drei Gebiete von zwanzig beziehen. Es mag Sie überraschen, dass die Wörter „Roma“ und „Fingerabdrücke“ darin nicht erwähnt werden. Es ist nicht wahr, dass ausdrückliche Regelungen für die Registrierung aller Personen einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit existieren oder dass eine Volkszählung mit militärischem Charakter durchgeführt werden soll. Die Befugnisse, mit denen die Polizei ausgestattet ist, berücksichtigen humanitäre und Wohlfahrts-Aspekte und – zumindest ist dies die erklärte Absicht – zielen auf Förderung, Integration – insbesondere im Hinblick auf die Schulpflicht der Minderjährigen – ab.

Natürlich könnte sich der eine oder andere Sorgen machen, dass diese Maßnahmen mit Hilfe militärischer oder repressiver Mittel durchgesetzt werden könnten. Daher ist es richtig, darauf zu hoffen, dass die Priorität – und zwar im Geiste enger Zusammenarbeit – auf positiven Schritten und Schritten hin zu Unterstützung, Aufnahme, Integration – insbesondere im Hinblick auf Kinder – liegen wird, ungeachtet der Verpflichtung zur Durchsetzung der Gesetze, die für jegliche öffentliche Institution gilt. Es ist nicht vernünftig, mehr zu erwarten.

 
  
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  Fabio Ciani (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedauere die Vorgänge von vorhin. Ich hatte sicherlich nicht die Absicht, ein anderes Mitglied einzuschüchtern, und ich bitte um Entschuldigung. Sie behauptete jedoch, dass wir nicht wüssten, wovon wir redeten, und daher wollte ich ein Beispiel für eine Registrierungskarte geben, die ich hier vorlesen werde.

Dies ist die Registrierungskarte und keine Fälschung: „Polizeilicher Kommissar für den Nichtsesshaften-Notfall und die Nichtsesshaften-Siedlungen in der Region Kampanien: Volkszählung, Zentralstelle für Milch, Familie, Nachname, Vorname, Geburtsdatum, Religion, ethnische Herkunft“. „Religion“ und „ethnische Herkunft“ – das bedeutet Rassismus. Diese Punkte widersprechen allen Bestimmungen der Verordnung (EG) 2043. Wenn Identifikation durch Fingerabdruck mit Bezug auf Verordnung (EG) 380/2008 gerechtfertigt wird, dann möchte ich darauf hinweisen, dass sich diese Verordnung auf Angehörige von Drittstaaten bezieht. In den Roma-Siedlungen in Italien sind drei Viertel der Roma Rumänen und die anderen Roma und Sinti sind italienische Staatsbürger.

Wir müssen das Leben und die Zukunft der Roma und ihrer Kinder schützen, insbesondere derjenigen, die von Kriminalität und Aussetzung bedroht sind, statt ganze Gemeinschaften zu diskreditieren oder unter Generalverdacht zu stellen. Es besteht ein hohes Risiko in Italien, dass Vorurteile geschürt werden.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE-DE).(SK) Ich möchte mich nur kurz zur Lage der Roma äußern, über die wir diskutieren.

Ich stamme aus einem Land, der Slowakei, in dem wir kürzlich die Sprache der Roma zu einer kodifizierten Sprache, einer normalen Minderheitensprache, erklärt haben und in dem uneingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung und zum Bildungssystem besteht. Ob Roma-Kinder die Schule besuchen oder alle die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten umfassend nutzen, ist eine andere Frage.

Dank Sozialversicherungsleistungen entfaltet sich diese Minderheit dynamisch und stellt eine der zahlenmäßig sich am schnellsten entwickelnden Minderheiten in der Slowakei dar. Mit mehreren Millionen ausgestattete Integrationsprogramme und Programme für die Lösung von Wohnungsproblemen stehen zur Verfügung. Nach meinem Dafürhalten befindet sich die italienische Regierung in einer ähnlichen Situation und sucht Solidarität für die Armen, Kinder und Jugendlichen und möchte natürlich gleichzeitig die öffentliche Ordnung wahren, derer es bedarf, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Selbstverständlich überschreitet man mit der Abnahme von Fingerabdrücken meiner Ansicht nach die Grenzen des Erlaubten.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). - Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist viel Richtiges gesagt worden, meiner Meinung nach aber auch viel Falsches. Es gibt drei Dinge, die wir festhalten müssen: Erstens: Die willkürliche Auswahl einzelner Menschengruppen zur Erfassung von Daten ist rechtswidrig, auch nach der italienischen Verfassung. Daraus resultiert zweitens: Schutzmaßnahmen, die für Kinder, z. B. solche der Roma, ergriffen werden, müssen im Rahmen der gültigen Rechtsvorschriften der Europäischen Union und des italienischen Staates erfolgen. Drittens: Herr Außenminister Frattini hat mich vor einer Stunde angerufen, um mir mitzuteilen, dass er — zumindest meiner Fraktion — signalisieren will, dass Herr Minister Maroni den Kommissar Barrot in Cannes getroffen hat. Ich weiß, dass es hier auch ein Treffen mit Gérard Deprez, dem Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses, gegeben hat.

Die italienische Regierung hat durch das Telefonat von Herrn Frattini und durch die Aussagen von Herrn Minister Maroni zu erkennen gegeben, dass sie keine gesetzlichen Maßnahmen ergreifen will, die in irgendeiner Art und Weise europäischen Rechtsstandards widersprechen. Ich gehe deshalb davon aus, Herr Kommissar Špidla, dass Sie nach der Rückkehr von Herrn Barrot aus Cannes mit ihm Kontakt aufnehmen, und würde Sie bitten, unverzüglich dem Parlament Bericht darüber zu erstatten, weil ich denke, dass die italienische Regierung offensichtlich begriffen hat, dass die bisherigen Initiativen mit europäischen Rechtsvorschriften nicht kompatibel sind. Wenn sie jetzt daraus die richtigen Konsequenzen zieht, finde ich das sehr begrüßenswert.

(Beifall)

 
  
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  Gérard Deprez (ALDE).(FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres war ich heute Vormittag in Cannes, wo ein informelles Treffen des Rates „Justiz und Inneres“ (JI) stattfand. Während meines Aufenthaltes hatte ich die Gelegenheit, mit Herrn Maroni zu sprechen. Es war klar, dass wir unterschiedlicher Meinung waren, aber das ist nicht der Grund für meinen Redebeitrag. Ich möchte auf Äußerungen einiger meiner italienischen Kollegen hier im Parlament reagieren, die sagten, dass dies allein eine Sache Italiens sei und niemand anderen betreffe und dass wir die italienische Regierung ungerechtfertigt beschuldigten. Das ist nicht richtig.

Aus dem Gespräch mit Herrn Maroni ging ganz klar hervor, dass die Zielgruppe des neuen Instruments auch Unionsbürger einschließt, die das Recht auf Freizügigkeit haben. Das ist mein erster Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass das neue Instrument, das die Anwendung bestimmter italienischer Rechtsvorschriften aussetzen kann, dem EU-Recht und den europäischen Richtlinien unterworfen ist. Dies ist im italienischen Recht ausdrücklich vorgesehen, weshalb ich Herrn Maroni fragte: „Herr Minister, wären Sie einverstanden, dass eine Delegation des Europäischen Parlaments nach Italien reist, eine sachliche Einschätzung der Lage vornimmt, sämtliche Seiten anhört und dem Europäischen Parlament dann Bericht erstattet?“ Er hatte keine Einwände und war einverstanden.

Das heißt, der Versuch, die Behauptung glaubwürdig erscheinen zu lassen, es handele sich hier allein um eine italienische Angelegenheit, ist – entschuldigen Sie – etwas zu kurz gegriffen. Wenn alles in Ordnung ist, wovor haben Sie dann Angst?

(Beifall)

 
  
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  Monica Frassoni (Verts/ALE) . – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde nur kurz das Wort ergreifen, um auf die Reaktion von Kommissar Špidla auf unsere Anfrage einzugehen. Mir erschien seine Reaktion heute ein wenig allgemein, ausweichend und zu einem bestimmten Grad vielleicht ein wenig widersprüchlich – ich nehme an, dass er Neuigkeiten erhalten hat, die teilweise von den Mitgliedern, die zu meinen Vorrednern gehören, bestätigt wurden. Wenn dies der Fall sein sollte, dann möchte ich Sie, Herrn Kommissar, bitten, uns diese Neuigkeiten mitzuteilen und uns allen zu gestatten, sie zu lesen.

 
  
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  Roberto Fiore (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Öffentlichkeit in Italien sich der Situation in den Roma-Lagern sehr bewusst ist. Die Roma-Lager und –Gemeinschaften sind illegal und unmoralisch. In zivilisierten christlichen, europäischen Gemeinschaften gelten Frauen und Kinder als Personengruppen, die beschützt und verteidigt werden müssen. In den Roma-Gemeinschaften hingegen werden sie absichtlich ausgebeutet und in die Kriminalität und Prostitution geführt.

Die italienische Regierung hat daher die Pflicht, Maßnahmen zur Gewährleistung von Recht und Schutz für die Frauen und Kinder zu ergreifen, auch wenn ihre Ausweisung anhängig ist, und durch Volkszählung zu verhindern, dass die Kriminalität auf die gesamte Gemeinschaft übergreift und dass insbesondere Kinder verfolgt, Opfer von Pädophilie oder in die Kriminalität geführt werden.

 
  
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  Renate Weber (ALDE).(EN) Herr Präsident! Ich denke, es ist absolut inakzeptabel, in diesem Haus Nazi-Reden hinzunehmen!

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Die Abnahme von Fingerabdrücken von nur einer ethnischen Gruppe – ob direkt oder indirekt – ist vor dem Hintergrund des EU-Rechts eindeutig unannehmbar. In der Datenschutzrichtlinie werden einige äußerst strenge Regelungen festgeschrieben. Meines Erachtens hat die sehr facettenreiche und schwierige Aussprache gezeigt, dass sich die Lage sehr schnell verändert. Aus diesem Grund nehme ich selbstverständlich die Einladung einiger Parlamentsabgeordneter an. Nach dem Gespräch mit meinem Kollegen Jacques Barrot werde ich ihm empfehlen, das Parlament über die neusten Entwicklungen in dieser Sache direkt zu unterrichten.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag, den 10. Juli 2008, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Petru Filip (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Indem wir die Kontrolle über eine ethnische Minderheit erörtern, die in der EU lebt, übernehmen wir auf EU-Ebene eine große, aber notwendige Verantwortung.

Die Frage der Abnahme von Fingerabdrücken einer ethnischen Gruppe fällt in den Zuständigkeitsbereich des Europäischen Parlaments, und wir sollten klar bestimmen, dass die EU-Länder auf diesem Gebiet der EU-Gesetzgebung unterliegen.

Warum sollte die Abnahme von Fingerabdrücken der ethnischen Gruppe der Roma nicht zu einer Entscheidung über die Erfassung der Fingerabdrücke aller EU-Bürger führen? Damit erkennen wir die Notwendigkeiten der technischen und praktischen Ausarbeitung einer europäischen Staatsbürgerschaft in Form einer einzigartigen elektronischen europäischen Identität.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die Erfassung der Fingerabdrücke von Bürgern mit Roma-Herkunft entspricht weder dem EU-Recht noch einem beliebigen anderen Akt, der die Menschenrechte in Europa garantiert.

Um diese Maßnahme zu stützen, berief man sich auf die Richtlinie 380 vom 28. April 2008, nach der die Möglichkeit besteht, Drittstaatsangehörigen Fingerabdrücke abzunehmen. Nichtsdestotrotz möchte ich den Fakt hervorheben, dass sich dieser Rechtsakt nur auf Länder bezieht, die nicht der EU angehören, weshalb das Vorgehen damit nicht gerechtfertigt werden kann.

Grundsätzlich garantiert Richtlinie 2004/38 allen EU-Bürgern, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, das Recht auf Freizügigkeit. Folglich kann gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Die EU-Kommission sollte über die Unrechtmäßigkeit der Maßnahme gemäß dem italienischen Erlass über den Zivilschutz Mitteilung erstatten.

Bestimmte internationale Institutionen haben bereits ihre Standpunkte gegen die betreffenden Maßnahmen geäußert. Der Europarat hat die Fingerabdruck-Initiative klar verurteilt. Nach meinem Dafürhalten ist es an der Zeit, dass das EU-Parlament Stellung bezieht und entschieden auf die Situation reagiert.

 
  
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  Mihaela Popa (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Vor dem Hintergrund einer anderen Aussprache im Rahmen der Plenarsitzung des EU-Parlaments über die Lage der Roma in Italien möchte ich die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt richten, der meines Erachtens entscheidend für die Integration der Roma-Gemeinschaften ist.

Ich meine die Bildung, einen grenzüberschreitenden Bereich, der ein wesentlicher Punkt ist, wenn man sich die nomadische Natur des Volkes der Roma vor Augen hält.

Meine Erfahrung auf dem Gebiet der Bildung ist Beleg für die Tatsache, dass Bildungsmaßnahmen zu einem frühen Zeitpunkt die Mentalität, das Verhalten und die Einstellungen von Menschen verändern können.

In Italien sowie in anderen europäischen Ländern, in denen Roma leben, müssen lebenslange Bildungs- und Lernprogramme entwickelt werden, in denen die besonderen Bräuche, Traditionen und Handwerke dieser ethnischen Gruppe so gefördert werden, dass die Menschen stolz auf ihre Volkszugehörigkeit sind.

Von meiner Warte aus sollte die Bildung der Roma ein vorrangiges Anliegen der EU sein und den demokratischen Weg zur Integration dieser ethnischen Gruppe und vor allem der jungen Menschen darstellen.

 
  
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  Theodor Dumitru Stolojan (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Menschen mit Roma-Wurzeln müssen – egal wo sie sich in der EU aufhalten – mit der Achtung behandelt werden, die alle europäischen Bürger verdienen.

Die Kosten für mangelnde Schritte auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene bei der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Integration der Roma treten immer deutlicher zutage. Es ist an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und der Rat konkrete Eingliederungsprogramme verabschieden und umsetzen.

Ich lehne das Vorgehen der italienischen Regierung, nämlich die Erfassung von Fingerabdrücken von Menschen mit Roma-Herkunft, entschieden ab. Ich fordere das EU-Parlament, den Rat und die EU-Kommission auf, klar zu handeln, um diese rassistische Maßnahme zu verurteilen, und ich fordere ihre Aufhebung durch die italienische Regierung.

 

19. Einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und -aromen – Lebensmittelzusatzstoffe – Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften – Lebensmittelenzyme (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über die folgenden Empfehlungen für die zweite Lesung des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit:

–Einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und –aromen (16673/2/2007 – C6-0138/2008 – 2006/0143(COD)) (Berichterstatterin: Åsa Westlund) (A6-0179/2008);

–Lebensmittelzusatzstoffe (16675/2/2007 – C6-0141/2008 – 2006/0145(COD)) (Berichterstatterin: Åsa Westlund) (A6-0180/2008);

–Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln sowie zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1576/89 und 1601/91 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2232/96 und der Richtlinie 2000/13/EG (16677/3/2007 – C6-0139/2008 – 2006/0147(COD)) – (Berichterstatterin: Mojca Drčar Murko) (A6-0177/2008);

–Lebensmittelenzyme und zur Änderung der Richtlinie 83/417/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates, der Richtlinie 2000/13/EG und der Richtlinie 2001/112/EG des Rates (16676/1/2007 – C6-0140/2008 – 2006/0144(COD)) (Berichterstatterin: Avril Doyle) (A6-0176/2008).

 
  
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  Åsa Westlund, Berichterstatterin. − (SV) Herr Präsident! Ich möchte mich zunächst bei der Kommission, bei Kommissarin Vassiliou und ihren stets hilfsbereiten Mitarbeitern, der slowenischen Ratspräsidentschaft, dem Ministerrat sowie meinen Ko-Berichterstattern, Avril Doyle und Mojca Drčar Murko, und natürlich bei den Schattenberichterstattern aller Parteien für eine hervorragende Zusammenarbeit in den Jahren bedanken, in denen wir uns mit diesen Fragen beschäftigt haben.

Ich freue mich, dass wir jetzt einen Kompromiss gefunden haben, der sowohl Vereinfachungen für die Unternehmen bedeutet, als auch den Verbraucherschutz auf einer Reihe von Gebieten stärkt. Früher wurden beispielsweise Allergiker in der Gesetzgebung nicht einmal erwähnt. Das werden sie, wenn wir morgen den Kompromiss befürworten. Dann wird es auch leichter, zukünftig zu berücksichtigen, wie die Zusatzstoffe sich auf Allergiker auswirken.

Besonders stolz bin ich darauf, dass wir seitens des Parlaments drei entscheidende Änderungen der neuen Vorschriften durchbekommen haben. Die Erste betrifft so genannte Azofarbstoffe. Diese sind beispielsweise in alkoholfreien Getränken und Süßigkeiten vorhanden, obwohl wissenschaftlich bewiesen ist, dass Kinder durch bestimmte Azofarbstoffe hyperaktiv werden können. Darum war für mich und den Ausschuss des Parlaments für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit ein Verbot dieser Stoffe wichtig. Das haben wir jedoch nicht erreicht, da die Mitgliedstaaten sich sowohl einem Verbot als auch einer besonderen Kennzeichnung widersetzen. Trotz dieses Widerstands haben wir es zumindest erreicht, dass Lebensmittel, die diese Azofarbstoffe enthalten, obligatorisch mit einem deutlichen Warnaufdruck zu versehen sind.

Die zweite Änderung bezieht sich auf die Auswirkungen der Zusatzstoffe auf die Umwelt. Ein Beispiel für Zusatzstoffe, die die Umwelt beeinträchtigen können, ist der Süßstoff Sukralose. Es hat sich gezeigt, dass Sukralose direkt durch unseren Körper geht, und auch nicht in den Kläranlagen entfernt werden kann. Wird der Kompromiss angenommen, steht fest, dass bei Beschlüssen zu Zusatzstoffen auch die Umweltauswirkungen berücksichtigt werden müssen.

Bei der dritten Änderung geht es um die Nanotechnologie. Dem Kompromiss zufolge gilt ein bereits zugelassener Zusatzstoff, der mithilfe der Nanotechnologie verändert wurde, als neuer Zusatzstoff und muss ein neues Zulassungsverfahren durchlaufen.

Was die Verordnung zur Festlegung eines einheitlichen Zulassungsverfahrens betrifft, so begrüße ich erstens die Tatsache, dass wir jetzt ein solches einheitliches Verfahren erhalten. Zweitens war es wichtig für uns, sicherzustellen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ausreichend Zeit für ihre Gutachten zu den verschiedenen Substanzen erhält.

Die Fraktion der Grünen hat einen Änderungsantrag zum Verbot von Azofarbstoffen eingereicht, der damit dem Kompromiss mit dem Rat über Zusatzstoffe zuwiderläuft. Damit setzen sie alle genannten Verbesserungen aufs Spiel, einschließlich der Warnhinweise für Azofarbstoffe. Ich hätte auch gern ein Verbot gehabt, aber das ist im Ministerrat nicht durchzusetzen. Darum werde ich dagegen stimmen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass wir weder das Verbot noch den Warnhinweis erhalten, was wirklich nicht im Interesse unserer Kinder wäre.

Abschließend möchte ich alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause aufrufen, morgen den Kompromiss zu unterstützen und gegen alle anderen Änderungsanträge zu stimmen.

 
  
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  Mojca Drčar Murko, Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Aromen werden als Zusatz von Duft oder Geschmack zu Gerichten definiert und sind meist eine Mischung aus einer großen Anzahl von Aromazubereitungen.

Das Europäische Parlament hat mit Nachdruck auf Änderungsanträgen beharrt, die seiner Meinung nach die Grundlage für eine ausgewogene und durchsetzbare Verordnung bilden, die wissenschaftliche und technologische Entwicklungen berücksichtigt. Bekanntermaßen waren der Rat und das Parlament in der Frage der Kräuter und Gewürze unterschiedlicher Meinung. Das Parlament war der Auffassung, es sei bisher nicht ausreichend bewiesen, dass vorbereitete Lebensmittel, in denen bestimmte unerwünschte Stoffe natürlich vorhanden sind, das gleiche toxikologische Potenzial haben wie bestimmte natürliche Stoffe, wenn sie isoliert untersucht werden. Kräuter und Gewürze werden von jeher verwendet, ohne dass nachteilige Auswirkungen bekannt wären.

Als Berichterstatterin habe ich nicht nach vollständigen Ausnahmeregelungen für Kräuter und Gewürze von den in Anhang III dargelegten Einschränkungen gesucht. Es galt, nur dort geeignete Ausnahmen zu machen, wo noch keine vollständigen wissenschaftlichen Nachweise vorliegen, und aus diesem Grund ist es vielleicht noch nicht an der Zeit, eine Harmonisierung auf europäischer Ebene durchzuführen.

Der Kompromiss der zweiten Lesung bestand daher aus geeigneten Garantien für einige Kräuter und Gewürze, die sie von den Einschränkungen aus Anhang III ausnahmen. So können die vom Rat vorgeschlagenen Einschränkungen beibehalten werden: 4 von 11 aufbereiteten Wirkstoffen und in Bezug auf etwa 30 von 40 Lebensmittelkategorien. Mehr konnte nicht erreicht werden, und daher bitte ich das Europäische Parlament, dafür zu stimmen.

Als MdEP habe ich jedoch noch einige Bedenken, von denen ich hoffe, dass die Kommission sie in der Umsetzungsphase berücksichtigen wird. Der Kompromiss in der Fußnote gilt nicht, wenn Kräuter und Gewürze mit Aromen zusammen in zusammengesetzten Lebensmitteln auftreten. Die unbeabsichtigte Folge dessen könnte sein, dass die Lebensmittelindustrie sich von Kräutern und Gewürzen abwendet, weil Extrakte und Aromen weitaus einfacher standardisiert werden können. Aufgrund der unterschiedlichen Grade der Wirkstoffe in Kräutern und Gewürzen müssten Lebensmittelhersteller ihre Rezepturen je nach Charge ändern, was sehr kostenintensiv wäre. Die Kräuter- und Gewürzindustrie könnte sogar aus dem europäischen Markt vertrieben werden.

Das darf nicht passieren, denn zum einen wollen die europäischen Verbraucher keine solche Einschränkung ihres Rechts auf Auswahl und zum anderen hat das auch Auswirkungen auf die Volksgesundheit. Der Verbraucher würde in diesem Fall paradoxerweise mehr Aromen zu sich nehmen, die gemäß der so genannten Aufbereitungshierarchie näher bei unerwünschten Wirkstoffen liegen als Kräuter und Gewürze. Ich würde es begrüßen, wenn der Kommissar mir versichern könnte, dass eventuelle negative Entwicklungen entsprechend überwacht und, wenn nötig, eingestellt werden.

 
  
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  Pilar Ayuso, in Vertretung der Berichterstatterin. (ES) Herr Präsident! Ich ergreife im Namen der Berichterstatterin, Frau Avril Doyle, das Wort. Ich möchte mich an ihrer Statt für ihre Abwesenheit entschuldigen, da sie sich gerade auf dem Weg nach Straßburg befindet. Frau Doyle begrüßt den Kompromiss mit dem Rat über das Paket über Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln, das von so grundlegender Wichtigkeit ist.

Enzyme werden Lebensmittel zugesetzt, um verschiedenste technologische Funktionen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung von Nahrungsmitteln auszuführen. Am häufigsten werden sie beim Backen, Brauen, in der Käseherstellung sowie in der Produktion von Alkohol und anderen Getränken verwendet. Eine zunehmend wichtige Rolle spielen sie in der Nahrungsmittelproduktion. Sie können als Alternative zu chemischen Produkten eingesetzt werden, um die Konsistenz, das Aussehen, den Nährwert und den Geschmack von Lebensmitteln zu verbessern. Außerdem sind sie bei bestimmten Herstellungsverfahren von Nutzen.

Bei diesem Vorschlag handelt es sich faktisch um die erste spezifische EU-Gesetzgebung auf dem Gebiet der Lebensmittelenzyme. Momentan bestehen auf EU-Ebene keine harmonisierten Regelungen für die Kontrolle der Verwendung von Enzymen, wodurch nicht nur Handelshemmnisse und Rechtsunsicherheit, sondern auch unterschiedliche Verbraucherschutznormen in den 27 Mitgliedstaaten entstehen. Nur drei Mitgliedstaaten verfügen über eigene Risikobewertungsverfahren: das Vereinigte Königreich, Frankreich und Dänemark.

Nach der neuen Gesetzgebung, über die wir morgen abstimmen, werden in der Europäischen Union harmonisierte Vorschriften für die Prüfung, Genehmigung und Kontrolle der in Lebensmitteln verwendeten Enzyme festgeschrieben.

Nach Ansicht der Berichterstatterin ist dies alles von großer Wichtigkeit, da sich so die Lebensmittelsicherheit erhöht und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher ausgeweitet werden. Außerdem stehen den Konsumenten dann umfangreichere Informationen über die Inhaltsstoffe ihrer Nahrung zur Verfügung.

Im Besonderen begrüßt sie die Tatsache, dass der Rat der gleichzeitigen Durchführung der beiden Zulassungsverfahren für Stoffe, die aus genetisch veränderten Organismen gewonnen werden, zugestimmt hat, so dass eine doppelte Zulassung der betreffenden Erzeugnisse vermieden wird.

Außerdem ist sie sehr erfreut darüber, dass der Rat dem Wunsch des Parlaments gemäß dem von ihr in erster Lesung eingereichten Änderungsantrag entsprochen hat, auf eine einzige Rechtsgrundlage zu bauen, nämlich Artikel 95 des EG-Vertrags über den Binnenmarkt. Darüber hinaus ist es besonders hilfreich für die Industrie, dass der Rat eine Übergangsfrist von einem Jahr ab dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehen hat. Lebensmittel, die in diesem Zeitraum rechtmäßig vermarktet oder gekennzeichnet werden, dürfen bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft werden.

Zum Schluss möchte die Berichterstatterin ihren Kolleginnen und Kollegen für ihre Unterstützung und Mitwirkung danken, insbesondere Frau Westlund und Frau Drčar Murko sowie allen Schattenberichterstattern und dem slowenischen Vorsitz für ihre angestrengte Arbeit. Erfolgreich haben wir vier Gesetzesvorschläge koordiniert und werden daher den Binnenmarkt in diesem Bereich verbessern, der europäische Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit fördert und gleichzeitig ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit und Umweltschutz garantiert.

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Parlament und insbesondere den drei Berichterstatterinnen, Frau Drčar Murko, Frau Doyle und Frau Westlund, für ihre großen Anstrengungen und die Zeit danken, die sie diesem wichtigen Legislativpaket gewidmet haben. Ich begrüße insbesondere die Bemühungen, die Vorschläge als Paket zusammenzuhalten, um zu einem einheitlichen Ansatz in diesen Fällen, die einander sehr ähnlich sind, zu kommen.

Dieses Legislativpaket ist ein wichtiger Beitrag zum Vereinfachungsprogramm der Kommission. Es legt die Harmonisierung der entsprechenden Felder fest und dient der Konsistenz zwischen den drei Bereichen. Mit dem gemeinsamen Genehmigungsverfahren wird ein System der einheitlichen Prüfung und Zulassung von Zusatzstoffen, Enzymen und Aromen eingeführt werden.

Das ist für die Verbrauchersicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie von größter Bedeutung. Die Unternehmen würden insbesondere von den Vorteilen eines zentralisierten, transparenten und zeitlich begrenzten Verfahrens profitieren.

In Bezug auf den Vorschlag über Lebensmittelzusatzstoffe ist die Regulierung derartiger Substanzen wichtig, um die Sicherheit von Lebensmitteln zu gewährleisten und sicherzustellen, dass der Verbraucher nicht in die Irre geführt wird. Diese Kriterien sind ebenso wie der Nachweis der technologischen Notwendigkeit für die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen wichtige Voraussetzungen für eben diese Verwendung. Obgleich diese Prinzipien in der gegenwärtigen Gesetzgebung bereits festgeschrieben sind, begrüße ich die Änderungen und zusätzlichen Klarstellungen, die eingeführt wurden, um diesen wichtigen Aspekten mehr Gewicht zu verleihen. Ferner ist es erforderlich, dass die Rechtsvorschriften angesichts wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen immer auf dem neuesten Stand gehalten werden.

In dieser Hinsicht unterstütze ich insbesondere die Änderungsanträge, die nach der Bewertung der Ergebnisse der Southampton-Studie durch die EFSA eingereicht wurden. Sie schreiben die Kennzeichnung möglicher nachteiliger Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern vor, die mit einigen Lebensmittelfarben in Verbindung gebracht wurden. Mit dieser Kennzeichnung wird sichergestellt, dass der Verbraucher, der diese Farben umgehen möchte, angemessen informiert wird.

Während der Gespräche über diesen Vorschlag wurde auch die Besorgnis über mögliche allergische Reaktionen auf einige Lebensmittelfarben geäußert, die im Allgemeinen als „Azofarbstoffe“ bezeichnet werden. Für potenziell allergieauslösende Lebensmittel gelten besondere Verfahren und Rechtsvorschriften. Aus diesem Grund kann ich ganz klar sagen, dass die Kommission die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit auffordern wird, sich bei der Neubewertung dieser Lebensmittelzusatzstoffe explizit mit potenziellen allergischen Reaktionen auf Azofarbstoffe zu befassen. Wenn es im Ergebnis dieser Neubewertung erforderlich sein sollte, wird die Kommission entsprechende Maßnahmen ergreifen, um Anhang III, Teil A der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zu ändern, um den Verbrauchern, die unter Lebensmittelallergien leiden, entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen.

In Bezug auf Enzyme ist zu sagen, dass seit jeher Enzyme bei der Herstellung von Lebensmitteln wie Brot, Käse, Bier und Wein verwendet werden. Enzyme können die Beschaffenheit, das Aussehen und den Nährwert von Lebensmitteln verbessern und können als Alternativen zu einer auf chemischen Substanzen basierenden Technologie verwendet werden. Bisher sind die Rechtsvorschriften für Lebensmittelenzyme in der EU noch nicht vollständig harmonisiert worden, und so hat die mangelnde Harmonisierung zu Handelsbarrieren und einer Behinderung des Wachstums in diesem Bereich geführt.

Der erfolgreiche Abschluss dieser vorgeschlagenen Verordnung wird diese regulatorische Lücke überbrücken, indem harmonisierte Regeln für die wissenschaftliche Beurteilung, die Zulassung und die Verwendung von Lebensmittelenzymen in der Gemeinschaft geschaffen werden.

Ich begrüße darüber hinaus die Änderungen, die das Vorsorgeprinzip und das Kriterium, den Verbraucher nicht in die Irre zu führen, stärken. Diese wiederum sind grundlegende Prinzipien der vorgeschlagenen Verordnung. Ferner begrüße ich die Änderung, die das Zusammenspiel zwischen der Verordnung über Enzyme und den Rechtsvorschriften über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel besser klarstellt.

In Bezug auf Aromen bietet der Vorschlag einen hohen Schutz für den Verbraucher, während die Industrie gleichzeitig weiter neue Aromen und neue Anwendungen entwickeln kann, um der steigenden Nachfrage nach mehr Fertiggerichten nachzukommen. Mit diesem Rahmen kann die europäische Industrie ihre führende Position auf dem Weltmarkt beibehalten und festigen.

Aromen werden verwendet, um Lebensmittel zum Nutzen der Verbraucher mit Geruch bzw. Geschmack zu versehen oder diese zu ändern. Die Verwendung von Aromen sollte den Verbraucher aber nicht über die Art oder die Qualität der Lebensmittel täuschen. Die neuen Bestimmungen für die Kennzeichnung von Aromen werden den Verbraucher tatsächlich besser informieren und dazu beitragen, dass er nicht in die Irre geführt wird.

Während der Gespräche gab es unterschiedliche Ansichten dahingehend, ob es erforderlich ist, Gewürze und Kräuter in diese Verordnung aufzunehmen. Die Kommission begrüßt die getroffene Vereinbarung, die zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes beiträgt und gleichzeitig mögliche Auswirkungen auf traditionelle Verwendungen berücksichtigt.

Ich habe die Ausführungen von Frau Drčar Murko aufmerksam verfolgt und möchte ihr versichern und bestätigen, dass die Kommission mit dem Inkrafttreten der Verordnung die Entwicklung der entsprechenden Verwendung von Gewürzen und Kräutern und natürlichen Aromaextrakten anhand der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen aufmerksam beobachten wird. Mit diesen Informationen und unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen in Bezug auf toxikologische Bedenken und die Gefährdung der Verbraucher wird sie, sofern erforderlich, Änderungen des Anhangs III, Teil B vorschlagen.

 
  
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  Pilar Ayuso, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (ES) Herr Präsident! Herr Kommissar! Ich spreche jetzt in eigenem Namen und möchte zunächst der Berichterstatterin, Frau Drčar Murko, für ihre angestrengte Arbeit sowie den Schattenberichterstattern, dem slowenischen Vorsitz und der Kommission danken, die zu Verhandlungen bereit waren, um in zweiter Lesung eine Einigung über den vorliegenden Bericht zu erzielen. Außerdem möchte ich den Berichterstatterinnen der anderen Berichte dieses Pakets, Frau Westlund und Frau Doyle, sowie den Schattenberichterstattern für ihre Hilfe und ihre Mitwirkung bei der Suche nach Lösungen für die horizontalen Probleme danken, die in den Vorschlägen angesprochen werden.

Der im Vorschlag über Aromen thematisierte Bereich mit dem größten Konfliktpotential seit Beginn der Debatte umfasst die biologisch aktiven Wirkstoffe, die von Natur aus in Kräutern und Gewürzen vorkommen, was ein großes Problem für die Produzenten von Kräutern und Gewürzen darstellt, da sie festgestellt haben, dass es ihnen angesichts der besonderen Eigenschaften ihrer Produkte (unterschiedliche Ernteorte, Erntezeiten, Essgewohnheiten in verschiedenen Ländern usw.) nicht möglich ist, die Anforderungen des Vorschlags einzuhalten.

Im Hinblick auf diesen Aspekt möchte ich anmerken, dass die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten von Anfang an den Verbraucherschutz im Blick gehabt hat. Daher ist es meines Erachtens begrüßenswert, dass mit dem Rat und der Kommission eine Einigung dahingehend erzielt werden konnte, dass die Höchstgrenzen für bestimmte Stoffe nicht gelten, wenn ein zusammengesetztes Lebensmittel keine Geschmackszusätze enthält und es sich bei den einzigen Inhaltsstoffen mit aromatischen Eigenschaften um frische, getrocknete oder gefrorene Kräuter und Gewürze handelt.

Abschließend möchte ich die Tatsache begrüßen, dass morgen über die Gesetzesvorschläge für das Paket über Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln abgestimmt wird, denn dadurch werden bestehende Gesetze nicht nur auf den neuesten Stand gebracht, sondern es besteht dann auch die Möglichkeit, die Risiken der Vermarktung von Aromen zu untersuchen, wodurch den europäischen Verbrauchern ein weit gehender Schutz geboten wird.

 
  
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  Edite Estrela, im Namen der PSE-Fraktion. (PT) Herr Präsident! Herr Kommissar! Sehr verehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin im Namen der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament für Ihre Arbeit und für den Versuch danken, einen Konsens mit den Schattenberichterstatterinnen und -berichterstattern zu erzielen. Danke auch für ihre Bemühungen, die angestrebte Einigung zwischen den Parteien zu erreichen.

Ziel des Vorschlags für eine Verordnung über Aromen ist eine Verdeutlichung und Aktualisierung der Vorschriften für die Verwendung von Aromen und Inhaltsstoffen von Lebensmitteln mit aromatischen Eigenschaften, wobei technische und wissenschaftliche Fortschritte im Bereich der Aromatisierung, Entwicklungen im Lebensmittelrecht in der EU sowie zugleich auch Gesundheitsschutzanforderungen berücksichtigt werden.

In der Verordnung werden die allgemeinen Bedingungen für die Verwendung von Aromen oder Inhaltsstoffen mit Aromaeigenschaften festgeschrieben. Darüber hinaus enthält sie eine klare Definition von Aromen, allgemeine Bestimmungen für ihre Verwendung, Regeln für die Beschriftung und Höchstgrenzen für gesundheitsgefährdende Stoffe. Der in zweiter Lesung erzielte Kompromiss ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Kommission, Rat und Parlament. In mehreren Treffen wurden die kontroverseren Punkte ausgehandelt, wobei alle Seiten nachgegeben haben. Die Einigung spiegelt dennoch die Grundsätze verschiedener Änderungsanträge wider, die vom Parlament vorgelegt wurden, wobei zwei Schlüsselziele berücksichtigt wurden: Information von Kunden und Schutz ihrer Interessen sowie Schutz der öffentlichen Gesundheit.

Aromen und aromatische Stoffe müssen sicher und ihre Verwendung für den Verbraucher darf nicht irreführend sein. Dementsprechend werden in der neuen Rechtsvorschrift Höchstgrenzen für bestimmte in Aromen und Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften enthaltende Substanzen festgelegt, die potenziell toxisch sind bzw. eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, wobei die wissenschaftlichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Beachtung gefunden haben. Diese Höchstmengen gelten jedoch nicht für drei Stoffe: Estragol, Safrol und Methyleugenol, wenn sie in zusammengesetzten Lebensmitteln vorkommen, denen keine Aromen, sondern lediglich Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften in Form von Kräutern und/oder Gewürzen zugesetzt werden. Dennoch sollte diese Ausnahmeregelung geprüft werden, wenn wissenschaftliche Beweise bestätigen, dass ihr Verzehr die Gesundheit gefährdet.

Der Begriff „natürlich“ ist für Verbraucher noch immer verwirrend. Der neue Vorschlag für die Kennzeichnung von natürlichen Aromastoffen entspricht in größerem Maße den Erwartungen der Verbraucher, da sich die Verwendung des Begriffs auf Aromen beschränkt, die aus natürlichen Aromastoffen gewonnen werden, wobei der Aromaanteil zu mindestens 95 % natürlichen Ursprungs sein muss.

 
  
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  Mojca Drčar Murko, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Was die Verordnung über Zusatzstoffe angeht, hat meine Fraktion den Vorschlag, die europäische Rechtsprechung zu modernisieren und zu harmonisieren, begrüßt und die Berichterstatterin, Frau Westlund, in ihren Bemühungen unterstützt, einen nachhaltigen Schutz der Verbraucher und ihrer Gesundheit sicherzustellen, insbesondere mit Blick auf die schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen.

Es ist einfach Tatsache, dass Lebensmittelhersteller auf die wachsende Nachfrage durch die Entwicklung ständig neuer Produkte reagieren, deren Vielfalt meist durch Hinzufügen von Zusatzstoffen erreicht wird. Die Rechtsprechung zu Lebensmitteln muss angemessen und ausgewogen sein und gleichzeitig der Volksgesundheit dienen und den Lebensmittelherstellern gleiche Ausgangsbedingungen bieten.

Dieses Prinzip ist einfach, aber offensichtlich wird es ganz unterschiedlich ausgelegt. Wo können wir mit Blick auf die Volksgesundheit nachhaltige Vorteile erzielen, ohne die technologische Entwicklung der europäischen Lebensmittelherstellung zu behindern?

Meines Erachtens haben wir uns auf gute Änderungen geeinigt, die darauf abzielen, die Interessen der Verbraucher insbesondere durch eine exakte Kennzeichnung zu schützen, aber wir wollten auch zur Sensibilisierung der Verbraucher beitragen. Ich bin überzeugt, dass informierte, aufmerksame Verbraucher die Herstellung vorbereiteter Lebensmittel in der Europäischen Union stark beeinflussen können. Wir haben die Änderungsanträge unterstützt, die auf die Stärkung des Kommissionsvorschlags abzielen, und zwar insbesondere in drei Punkten: Einbindung in das Zulassungsverfahren für Zusatzstoffe, Transparenz des Zulassungsverfahrens und konkrete Zulassungsbedingungen.

 
  
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  Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Unsere Wähler wollen gute, sichere Lebensmittel, denen sie vertrauen können. Bekommen sie das mit diesen Verordnungen? Es ist dem Parlament gelungen, einige Verbesserungen durchzusetzen. Ich persönlich bin sehr erfreut darüber, dass es jetzt endlich eine Regelung für die Nanotechnologie gibt und diese in Zukunft nicht mehr ohne angemessene Kontrolle heimlich auf den Markt gebracht werden kann. Die Einbeziehung der Umwelt als ein Kriterium für die Zulassung von Zusatzstoffen ist eine Verbesserung, ebenso die Tatsache, dass Azofarbstoffe angegeben werden müssen. Es gibt also erfreuliche Dinge. Darüber hinaus konnte das Parlament in Bezug auf Aromen gewährleisten, dass Produkte mit natürlichen Aromen gegenüber Erzeugnissen der Aromaindustrie nicht völlig benachteiligt werden.

Dennoch bin ich verwundert, dass der Rat die Wünsche seiner Wähler missachtet. Wie können sich unsere Regierungen aktiv einem Text widersetzen, in dem erklärt wird, dass die Verbraucher nicht getäuscht werden dürfen, zu glauben, ein Nahrungsmittel enthalte andere Inhaltsstoffe als es tatsächlich enthält? Wie können sie dem aktiv entgegenstehen? Die Minister haben die Forderung abgelehnt, dass für die Verwendung von Farbstoffen in ansonsten farblosen Substanzen ein besonderer Grund vorliegen muss. Außerdem haben sie sich einem Verbot von Azofarbstoffen widersetzt. Der Ministerrat war ferner dagegen, die Verwendung von Pestiziden als Konservierungsmittel zu kennzeichnen und damit die Verbraucher darüber zu informieren.

Ich glaube, dass wir mit der Zustimmung zum Vorschlag der Grünen für ein Verbot von Azofarben in Produkten für Kinder den Rat zwingen, seine Position in der öffentlichen Diskussion zu verteidigen. Es ist nämlich leicht für den Rat, eine solche Position einzunehmen, wenn er mit uns hinter verschlossenen Türen verhandelt, aber welche Regierung will dastehen und Zusatzstoffe zulassen, von denen wir wissen, dass sie zu Hyperaktivität bei Kindern führen, und bei denen wir guten Grund zu der Annahme haben, dass sie Allergien bei Kindern auslösen? Ich frage mich, ob die Kommission sich nicht direkt für ein Verbot einsetzen könnte, denn schließlich sind Farbstoffe kaum notwendige und unersetzliche Zusatzstoffe. Außerdem gibt es andere Farben als Azofarbstoffe. Wenn wir das Vorsorgeprinzip anwenden wollen, sobald die EFSA Allergierisiken und ein erhöhtes Allergierisiko nachgewiesen hat, können wir nicht anders, als ein Verbot auszusprechen. Dann brauchen wir über Azofarbstoffe nicht weiter zu diskutieren.

 
  
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  Kartika Tamara Liotard, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Zuallererst möchte ich mich bei den Berichterstattern und den Schattenberichterstattern für die Zusammenarbeit bedanken – es war eine Mordsarbeit. Obgleich das Endergebnis nicht ganz dem entspricht, was ich mir gewünscht hätte, bin ich dennoch der Ansicht, dass wir unter den derzeitigen politischen Bedingungen das Bestmögliche erreicht haben.

Meiner Auffassung nach stehen bei all diesen Dossiers zwei Dinge ganz obenan: bestmöglicher Verbraucherschutz und völlige Transparenz. Für mich sind die wirtschaftlichen Interessen gegenüber diesen beiden Kernbegriffen völlig zweitrangig. Bestmöglicher Verbraucherschutz heißt systematische Anwendung des Vorsorgeprinzips. Wenn man nicht hundertprozentig weiß, dass etwas sicher ist, darf es nicht in Verkehr gebracht werden. Auch die Irreführung des Verbrauchers beim Kauf muss um jeden Preis ausgeschlossen werden. Völlige Transparenz heißt, dass wir dem Druck multinationaler Lebensmittelkonzerne, die ihre Formeln und Produktionsverfahren geheim halten wollen, nicht nachgeben. Die Verbraucher haben ein Recht darauf, genau zu wissen, was in ihren Lebensmitteln steckt und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden.

Wenn ich die vier Berichte anhand dieser zwei Prinzipien beurteile, stelle ich fest, dass sie, obwohl sie nicht immer perfekt sind, eine deutliche Verbesserung gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen darstellen. Sie kommen dem Verbraucherschutz und der Transparenz zugute, und deshalb werde ich die Kompromisse unterstützen. Zu meinem Leidwesen konnten wir die Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen nicht auch sofort regeln.

Ich möchte abschließend noch auf Folgendes hinweisen: Ich finde es äußerst merkwürdig, dass die Kommission in neuen Vorschlägen wie denen zu neuartigen Lebensmitteln das einheitliche Verfahren noch vor seiner Verabschiedung durch das Parlament einführt. Meiner Auffassung nach zeugt das, gelinde gesagt, nicht gerade von einem großen Respekt gegenüber der europäischen Demokratie.

 
  
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  Irena Belohorská (NI).(SK) Zunächst möchte ich die Arbeit von Frau Doyle erwähnen und ihr für den Versuch danken, ein ausgewogenes Schriftstück zu erarbeiten, das hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, die Gesundheit der Bürger zu schützen.

Viele Erzeugnisse, die täglich von allen Gesellschaftsschichten verzehrt werden, wie beispielsweise Brötchen und Brot, enthalten Lebensmittelenzyme. Darum muss ihre Herstellung unbedingt überwacht werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass sie keine Gefahr für die Gesundheit darstellen und entsprechende Kontrollen EU-weit harmonisiert werden.

Bei der Erarbeitung von europäischen Richtlinien ist es äußerst wichtig, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen, vor allem in einer Zeit, in der Europa vom Gammel-Käse-Skandal erschüttert wird. Um eine weitere derartige Situation zu verhindern, müssen wir uns nicht nur auf die Ausarbeitung einer Richtlinie konzentrieren, sondern vor allem auf die Überwachung ihrer Umsetzung in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Da bekanntlich bis zu 80 % aller Lebensmittelenzyme von vier Unternehmen hergestellt werden, sollte die Qualitätskontrolle der Produktion meines Erachtens kein Problem darstellen. Produktionsverfahren mögen jedoch zu einer Hürde werden, weshalb meiner Meinung nach im Bericht von Frau Doyle zu Recht auf dieses Schlüsselproblem hingewiesen wird.

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Zu einer Zeit, da in einigen EU-Mitgliedstaaten wieder einmal ein Lebensmittelskandal aufgedeckt wird – auch wenn dieser zweifellos auf Betrugsfälle größeren Ausmaßes zurückzuführen ist –, verwundert es nicht, dass die Verbraucher sich Fragen stellen und allem, was „künstlich“ erscheint, misstrauisch gegenüber stehen. Ein Europa, das Schutz bietet, gewährleistet auch die Sicherheit der Verbraucher und die öffentliche Gesundheit.

Lebensmittelzusatzstoffe, -aromen und -enzyme spielen bei der Herstellung unserer Lebensmittel eine wichtige Rolle. Daher brauchen wir klare, einheitliche Vorschriften über Sicherheit, Zulassung und Inverkehrbringen solcher Stoffe, um die Verbraucher zu schützen und vor allem das Vertrauen der Öffentlichkeit in die damit erzeugten Lebensmittel zu stärken. Es ist daher erforderlich, dass diese Vorschriften auf fundierten wissenschaftlichen Gutachten beruhen.

Wir müssen auch den rechtsfreien Raum füllen, der auf europäischer Ebene bei Enzymen besteht, die seit langem beispielsweise bei der Herstellung von Brot oder Milchprodukten verwendet werden. Ich freue mich, dass zusätzliche Garantien eingeführt wurden, um durch eine klare und verständliche Kennzeichnung Transparenz zu gewährleisten. Dies ist besonders wichtig, wenn es sich um Produkte handelt, die auch als „natürlich“ bezeichnet werden.

Ein Schlüsselelement des Verordnungsvorschlags ist die Festlegung eines einheitlichen Zulassungsverfahrens der Gemeinschaft für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und -aromen, das sich auf eine Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stützt, die für all diese Stoffe durchgeführt wird, deren Anwendung in der Lebensmittelindustrie mit Sicherheit zunehmen wird.

Natürlich wird das Parlament darauf sorgen, dass diese Stoffe überbewacht werden. Unter keinen Umständen dürfen Lebensmittelzusatzstoffe die Gesundheit der Verbraucher gefährden oder diese irreführen, da der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit unbedingt garantiert werden müssen und zugleich die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie zu schützen ist.

 
  
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  Linda McAvan (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Kommissar etwas zu einem der Berichte über Lebensmittelzusatzstoffe mitteilen, und zwar insbesondere zu den Lebensmittelfarben, die als Azofarbstoffe bekannt sind. Ich freue mich außerordentlich über einige sehr gute Neuigkeiten: Von nun an müssen sie auf allen Lebensmittelprodukten ausgewiesen werden. Ich möchte Åsa Westlund, die sehr hart daran gearbeitet hat, das zu erreichen, gratulieren. Als sie mit dieser Arbeit begann, hat niemand angenommen, dass ein solcher Fortschritt möglich sein könnte, und doch haben wir ihn erreicht. Das ist eine wirkliche Verbesserung des Status quo. Allerdings denke ich nicht, dass das weit genug geht.

Ich bin mir sicher, dass Sie die Studie der Southampton University vom letzten Herbst kennen, in der ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Kindern, denen ein Cocktail aus unterschiedlichen Süßigkeiten, Softdrinks und Azofarbstoffen verabreicht wurde, und deren Verhalten nachgewiesen wird. Das ist eine sehr seriöse Studie, die in „The Lancet“ veröffentlicht worden ist. Sie wird von Fachkollegen begutachtet und ist so ernst zu nehmen, dass das Vereinigte Königreich durch seine Standards Agency jetzt ein Verbot dieser Farbstoffe in Lebensmitteln gefordert hat. Viele Unternehmen in Europa sind ausgestiegen und verzichten schrittweise freiwillig auf diese Stoffe.

Der Binnenmarkt versagt in dieser Frage schon jetzt. Es ist bekannt, dass diese Produkte keinen diätetischen Wert haben, und dass es natürliche Aromen gibt. In einer unserer Zeitungen fand ich die folgende Frage: „Müssen wir den Smarties ein Ende setzen?“ (Das sind sehr kräftig gefärbte Süßigkeiten.) Es gibt absolut gute natürliche Alternativen zu diesen Farbstoffen. Wir brauchen diese Farbstoffe nicht.

Wir begrüßen, was heute geschehen ist, hoffen allerdings, dass Sie die Zusammenarbeit mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit fortsetzen werden, um deren Arbeit zur Prüfung dieser Substanzen zu beschleunigen. Ich glaube nicht, dass die Menschen in Europa diese künstlichen Farbstoffe wollen, und ich denke, wir sollten mehr darauf achten, welche Stoffe die Menschen in ihren Lebensmitteln benötigen, und nicht darauf, was die Unternehmen zusetzen wollen. Ich hoffe, Sie werden die EFSA antreiben, schneller zu arbeiten und eine Lösung für dieses Problem zu finden.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte über den Vorschlag über Lebensmittelenzyme sprechen, an dem ich als Schattenberichterstatter beteiligt war. In diesem Zusammenhang möchte ich Frau Doyle zu ihrem hervorragenden Bericht gratulieren – und ich hoffe sehr, dass Sie heute Abend sicher aus Irland hierher kommen wird.

Ferner möchte ich meinem Dank für die sehr gute Zusammenarbeit mit den Schattenberichterstattern Ausdruck verleihen. Es war eine Zusammenarbeit, die stets im Sinne der Verständigung und eines effektiven Austauschs politischer und entsprechender wissenschaftlicher Erkenntnisse geführt wurde.

Diese Zusammenarbeit war so gut, dass daraus ein von vielen sehr gewünschter Kompromiss hervorgegangen ist, der sich einer breiten Unterstützung der Fraktionen dieses Hauses erfreut, und der meiner Auffassung nach äußerst sinnvolle Parameter enthält, durch die der zur Diskussion stehende Rechtsakt wirksamer und leichter anwendbar wird.

Mit diesem Kompromisspaket im Hinterkopf kann meiner Meinung nach das Ziel der vorgeschlagenen Verordnung weitgehend erreicht werden, das, wie allseits bekannt ist, in der Harmonisierung der Rechtsprechung zur Kontrolle der Verwendung von Enzymen in der Lebensmittelverarbeitung in der EU besteht, und zwar mit dem primären Ziel, die Gesundheit der Menschen zu schützen, aber auch fairen Handel und Wettbewerb zu unterstützen.

Wir sind besonders erfreut darüber, dass das Vorsorgeprinzip, das nicht nur meiner Fraktion, sondern der großen Mehrzahl der Mitglieder des Parlaments generell heilig ist, in diesem Bericht eine bedeutende Rolle spielt. Damit sollten die europäischen Verbraucher spüren, dass in Bezug auf Enzyme in Lebensmitteln viel für den Schutz ihrer Gesundheit getan wird.

Außerdem wird ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet sicherzustellen, dass die Informationen für den Verbraucher präzise und nützlich sind.

Wie erwartet hat die Frage der Verwendung gentechnisch veränderter Organismen für einige Kontroverse gesorgt. Letztlich konnte aber ein hinreichender Kompromiss erzielt werden.

Abschließen möchte ich festhalten, dass dies ein guter Bericht ist, den meine Fraktion nachdrücklich unterstützen wird.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Wir haben sehr viel darüber gesprochen, wie Kinder geschützt werden können. Es gibt zahlreiche Belege, die zeigen, dass künstliche Aromen und Zusatzstoffe der Gesundheit von Kindern in vielerlei Hinsicht schaden. Zunächst können wir einen Anstieg der Anzahl von an Autismus erkrankten Kindern um 435 % in den letzten 15 Jahren und der an ADHS erkrankten Kinder, die gegenwärtig 3 % bis 5 % der Kinder ausmachen, feststellen. Dann können wir über die Symptome sprechen, die den zahlreichen Aromen zugesprochen werden. Aber lassen Sie uns das Beispiel Natriumglutamat nehmen, das in Süßigkeiten, Getränken, Snacks und Mahlzeiten für Kinder enthalten ist. Es gibt 92 Symptome, zu denen Hyperaktivität und Stimmungsschwankungen gehören.

Ich bin selbst Mutter und mir geht es bei Lebensmitteln in erster Linie um Sicherheit und Transparenz. Ich habe das Gefühl, dass wir Kinder und ihre Lernfähigkeit ernsthaft gefährden, wenn wir Cocktails aus Farbstoffen, Konservierungsstoffen und Zusatzstoffen in Lebensmitteln zulassen. Kinder brauchen gute, frische Lebensmittel, die in der Region und so natürlich wie möglich gewachsen sind. Lassen Sie uns deshalb wirklich beginnen, unsere Kinder zu schützen.

 
  
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  Anja Weisgerber (PPE-DE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank gilt allen Berichterstattern, insbesondere Frau Drčar Murko und auch Frau Ayuso für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das Paket über Lebensmittelzusatzstoffe wird dazu führen, dass in ganz Europa einheitliche, harmonisierte Regeln für die Verwendung von Zusatzstoffen gelten. Auch in Zukunft gilt bei der Verwendung von Zusatzstoffen, Enzymen und Aromen in Lebensmitteln ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Und das ist auch gut so!

Durch das Paket werden die aktuellen Vorschriften an die technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen auf dem Gebiet der Lebensmittelzusatzstoffe angepasst. Wo es wissenschaftlich fundierte Hinweise auf gesundheitliche Risiken gibt, müssen Grenzwerte gesetzt werden, um jegliche Gefahr auszuschließen.

Allerdings dürfen wir auch nicht in Hysterie und unbegründete Panikmache verfallen. Es gibt Lebensmittelzusatzstoffe, wie z. B. das Feuchthaltemittel Konjakwurzel oder das Trennmittel Bienenwachs, die seit Jahrhunderten bei der Zubereitung von Speisen und Getränken verwendet werden. Auch bestimmte Steinobstarten wie Kirschen, Pfirsiche oder Aprikosen enthalten beispielsweise von Natur aus Blausäure in geringen Mengen. Dennoch essen wir seit Jahrtausenden diese Obstsorten ohne Probleme. In ähnlicher Weise enthalten auch einige Kräuter und Gewürze von Natur aus bestimmte Stoffe, die in hohen Konzentrationen gesundheitliche Probleme auslösen können. Trotzdem verwenden wir seit eh und je Kräuter und Gewürze wie Basilikum, Estragon oder Muskatnuss ohne Probleme bei der Zubereitung unserer Nahrungsmittel, aber eben nur in geringen, ungefährlichen Dosen.

Daher begrüße ich den Kompromiss in der neuen Aromenverordnung. Dort, wo es unbedenklich ist, gibt es Ausnahmen von den Grenzwerten, allerdings nur dann, wenn für die Lebensmittelzubereitung ausschließlich frische oder getrocknete Kräuter zum Einsatz kommen. So fördern wir die Verwendung von Naturprodukten und natürlichen Zutaten, damit auch künftig jahrtausendealte Rezepturen wie z. B. die italienische Pesto-Sauce erhalten bleiben.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE). (HU) Ich begrüße die Tatsache, dass wir uns nach der REACH-Verordnung und der EU-Pestizid-Verordnung jetzt der Verordnung über die Verwendung häufig verurteilter chemischer Stoffe und Lebensmittelzusatzstoffe zuwenden.

Infolge der zunehmenden Zahl von Skandalen beschäftigt sich die europäische öffentliche Meinung mit diesen Substanzen kritischer, die Verbrauchern verdächtig vorkommen. Eine Durchschnittsperson konsumiert jährlich etwa 3 kg der ca. 2.600 verschiedenen Zusatzstoffe mit E-Nummern, ohne sich ihrer schädlichen Folgen völlig bewusst zu sein.

Im Hinblick auf einen nicht unbedeutenden Teil dieser Zusatzstoffe existieren bereits wohl begründete Verdachtsmomente. Zusatzstoffe vermitteln Verbrauchern einen falschen Eindruck und geben Lebensmitteln lebendige, bunte Farben, die in der Natur nicht vorkommen. Neben diesem Gesundheitsrisiko verursachen sie bei Kindern auch psychologische Schäden, die zu einer Zeit an unnatürliche Lebensmittel gewöhnt werden, da jungen Menschen und Erwachsenen gleichermaßen eine Rückkehr zu natürlicher Nahrung schmackhaft gemacht werden sollte.

Ich möchte Frau Westlund zu ihrem Bericht gratulieren. Ihr ist es im Rahmen der neuen Gesetzgebung gelungen, ein künftiges Verbot von Lebensmittelzusatzstoffen zu bewirken, die die menschliche Gesundheit und die Umwelt gefährden. Es ist wichtig, dass gefährliche Substanzen wie Azofarbstoffe, die in der Kindheit Hyperaktivität auslösen können, zumindest auf Lebensmitteln angegeben werden, obgleich ich auch die Auffassung meiner Kolleginnen und Kollegen teile, man hätte in diesem Bereich ein Verbot durchsetzen sollen.

Allerdings bedauere ich die Tatsache, dass es trotz der Empfehlung des Parlaments keine strengen Kennzeichnungsvorgaben für Zusatzstoffe gibt, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Ein großer Teil der europäischen Bevölkerung möchte keine Lebensmittel zu sich nehmen, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, und Umfragen zufolge wollen 90 % wissen, ob ein bestimmtes Lebensmittel GVO enthält. Wir dürfen die berechtigten Sorgen unserer Bürger und ihr Recht auf Information im entsprechenden Umfang nicht außer Acht lassen.

Übrigens protestieren einige meiner Kolleginnen und Kollegen und ich in einer Erklärung gegen die Absicht der Kommission, neue gentechnisch veränderte Pflanzen heimlich in Europa einzuführen. Wir müssen das Recht jedes Menschen auf natürliche gesunde Nahrungsmittel verteidigen.

 
  
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  Horst Schnellhardt (PPE-DE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Man kann der Berichterstatterin Frau Westlund danken. Sie hat sehr engagiert gearbeitet und war in ihrer Arbeit sehr kooperativ. Das möchte ich begrüßen und deswegen können wir auch mit dem Ergebnis zufrieden sein. Mit der neuen Verordnung über die Lebensmittelzusatzstoffe ist, so denke ich, sowohl aus Sicht der Hersteller als auch aus Sicht der Verbraucher ein zufrieden stellendes Ergebnis gelungen.

Die geltenden Vorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe sind fast zwanzig Jahre alt. Mit der Überführung von neuen Richtlinien und zwei Entscheidungen in zwei Verordnungen wurde der Text vereinfacht und den neuen technologischen und wissenschaftlichen Bedingungen angepasst. Es ist eine sehr gute Leistung, dass die Positivliste ganz klar sagt, welche Stoffe angewendet werden können. Das halte ich für positiv, und ich bin auch damit einverstanden, dass das Komitologieverfahren dann greift, wenn neue Stoffe zugeführt werden müssen. Hier sollten wir schnell handeln.

Ich bin mit den Regeln über Produkte der gentechnisch veränderten Organismen zufrieden. Wir brauchen beide Zulassungsverfahren, es wird geprüft, und ich habe deswegen auch kein Verständnis, warum hier nicht entsprechend verfahren werden soll, wie einige Kollegen es gesagt haben. Sicher, mit dem Blick auf die Azofarbstoffe — ja, es liegt das Ergebnis der Southampton-Studie vor — müssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Lebensmittelsicherheitsbehörde eine Studie entwickelt hat, eine erste Erkenntnis herausgegeben hat, in der sie ganz klar sagt: Es ist eben nicht so, dass die Studie der Southampton-Universität abgesichert ist. Sie ist eben nicht abgesichert. Wir dürfen hier nicht in Hysterie verfallen und so tun, als würden wir jetzt draufhauen müssen, weil jetzt ein Verfahren vorliegt.

Das Zulassungsverfahren über die Lebensmittelbehörde ist hervorragend, aber was mich stört — da möchte ich die Kommission bitten, doch einmal darüber nachzudenken — wir räumen der Lebensmittelsicherheitsbehörde neun Monate ein, damit die Zulassung oder die Risikoanalyse erfolgt. Die Kommission braucht auch neun Monate, um ein Risikomanagement zu machen. Ein Unternehmer muss also eineinhalb Jahre warten, ehe er die Erlaubnis bekommt, das Produkt in Verkehr zu bringen. Das hat mit Entbürokratisierung nichts mehr zu tun. Also, hier sollten wir doch noch einmal überlegen, ob das nicht schneller geht.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). (PL) Herr Präsident! Durch das Inkrafttreten der neuen Verordnungen über die Grundsätze der Verwendung von künstlichen Zusatzstoffen (Enzymen, Aromen) in Lebensmittelerzeugnissen werden die geltenden Rechtsvorschriften in diesem Bereich nicht nur vereinheitlicht, sondern auch der Gesundheitsschutz der Verbraucher erhöht und der Vertrieb von Nahrungsmitteln in der EU erleichtert. Die Harmonisierung der Verwendung von Enzymen in der EU wird von der europäischen Lebensmittelindustrie unterstützt, der nicht nur die Vereinheitlichung der Grundprinzipien am Herzen liegt, sondern vor allem, dass Verbraucher nicht das Vertrauen in ihre Produkte verlieren.

Als Konsument möchte ich sichergehen, dass die Nahrung, die ich kaufe, auch sicher ist. Die hunderte von künstlichen Zusatzstoffen und tausende von Aromen, die der Nahrung zugesetzt werden, dürfen unsere Gesundheit nicht gefährden. Durch Qualitätsanforderungen muss gewährleistet werden, dass die Sicherheit vollständig gewahrt bleibt. Lebensmittel müssen ihre natürlichen Eigenschaften unbedingt weitestgehend beibehalten.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). (PL) Herr Präsident! Im Rahmen dieser Aussprache stehen drei Themenbereiche im Vordergrund, auf die ich gern Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte.

Erstens muss die Europäische Kommission bei ihren Bemühungen unterstützt werden, die Zulassungsverfahren für die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen – Enzymen und Aromen – in der Europäischen Union zu vereinheitlichen und insbesondere die Transparenz dieser Verfahren zu erhöhen.

Zweitens müssen die Zulassungsverfahren auf den größtmöglichen Schutz der Gesundheit des Verbrauchers ausgerichtet sein. Der Verbraucher sollte darauf vertrauen können, dass sowohl europäische als auch einzelstaatliche Institutionen bereit sind, einen möglichst umfassenden Gesundheitsschutz zu gewährleisten und er oder sie dank ihrer Arbeit möglichst natürliche und sichere gesunde Lebensmittel erhält.

Drittens und letztens müssen die Grundsätze der ausführlichen Unterrichtung der Verbraucher über Lebensmittelzusatzstoffe eingehalten werden. Entsprechende Angaben müssen auf der Verpackung klar gekennzeichnet und auch in einer für Verbraucher unmissverständlichen Sprache verfasst werden.

 
  
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  Hiltrud Breyer (Verts/ALE). - Herr Präsident! Ich wünsche mir, dass Sie die Vorschläge der Grünen unterstützen, weil wir ein Verbot der Azofarben haben wollen. Ein Kennzeichen der europäischen Verbraucherpolitik ist Sicherheit, aber auch die Anwendung des Vorsorgeprinzips. Ohne ein Verbot würde das Vorsorgeprinzip mit Füßen getreten werden. Im Übrigen gibt es auch keine technologische Notwendigkeit für die Azofarben, denn es gibt ja auch Alternativen dazu, und es ist eine Verbrauchertäuschung. Hier wird ja etwas vorgegaukelt, was es in der Realität nicht gibt.

Ich kann noch einmal mit Nachdruck an Sie appellieren, diese alarmierende Studie ernst zu nehmen und das Vorsorgeprinzip, was wir ja in europäisches Recht gegossen haben, hier auch wirklich zum Ausdruck zu bringen. Ich kann auch noch einmal ermahnen – wir bemühen uns gerade, die Kennzeichnungslücke für tierische GVO-Produkte zu schließen, und es wäre geradezu aberwitzig, wenn wir hier nicht die Gelegenheit nutzten –, auch die Kennzeichnungslücke für gentechnisch hergestellte Zusatzstoffe zu schließen.

Was wir brauchen, ist eine wirklich runde Zulassung, wo genau dem Vorsorgeprinzip Rechnung getragen wird, wo es aber auch keine Lücken in der Kennzeichnung gibt und die Verbraucher das Recht haben, frei zu entscheiden, was sie essen wollen.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE-DE).(SK) Ich weiß die Anstrengungen der Berichterstatterin zu schätzen, ein größeres Maß an Transparenz bei der Zulassung von Lebensmittelzusatzstoffen, -aromen und -enzymen zu schaffen und den Verbraucherschutz zu stärken, insbesondere für Menschen, die auf bestimmte Stoffe allergisch reagieren.

Lebensmittelzusatzstoffe sollten auf der Basis sich verändernder Bedingungen ihrer Verwendung und neuer wissenschaftlicher Informationen ständig überwacht und überprüft werden. Viele werden aus chemischen Stoffen hergestellt und können sich langfristig nachteilig auf die Gesundheit auswirken. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, Erzeugnisse für Verbraucher klar und deutlich zu kennzeichnen. Das betrifft Konsumgüter. Die unzureichende oder fehlende Produktkennzeichnung kann Folgen nach sich ziehen.

Ich möchte auch meine Sicht der Dinge hervorheben: Beispielsweise sollten gentechnisch veränderte Lebensmittel eindeutig und klar lesbar gekennzeichnet werden, so wie zum Beispiel in Kanada, wo Gen-Rapsöl (Canola) oder Rapsöl verzehrt wird.

 
  
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  Androula Vassiliou, Mitglied der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ich begrüße den erfolgreichen Abschluss dieses Pakets von Vorschlägen und hoffe, dass das Parlament morgen den Kompromissvorschlag unterstützen wird. Wichtiger ist noch, dass dieses Paket den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit stärken wird. Mir sind vor allem einige der schwierigen Fragen aufgefallen, über die wir diskutiert haben, und ich begrüße das Streben nach einem Kompromiss. In diesem Zusammenhang möchte ich den drei Berichterstatterinnen noch einmal für ihre harte Arbeit und ihre sehr gute Zusammenarbeit mit der Kommission danken, durch die dieser Kompromissvorschlag erzielt werden konnte.

Mein besonderer Dank gilt Frau Westlund für Ihren Einsatz in Bezug auf die Farbstoffe. Sie weiß, dass die Kommission ihre Vorschläge unterstützt hat. Wir haben uns auf einen Kompromissvorschlag geeinigt, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir uns nicht selbstzufrieden zurücklehnen werden. Wir haben die EFSA bereits darum gebeten, alle von ihr zugelassenen Zusatzstoffe einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen, und wenn die Stellungnahme der EFSA in diese Richtung geht, werden wir nicht zögern, für die betreffenden Zusatzstoffe neue Regeln festzulegen.

Das möchte ich auch ganz allgemein sagen, denn die EFSA prüft, wie ich bereits gesagt habe, alle Stoffe. Wenn der Standpunkt der EFSA irgendwann darauf hindeutet, dass ein Risiko für die Gesundheit der Menschen besteht, werden wir nicht zögern, von unserem Vorrecht Gebrauch zu machen, und auf eine Änderung drängen.

Unter anderem wurde die Frage der Enzyme und der Verordnung über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel besprochen. Wird ein Enzym aus einem genetisch veränderten Organismus extrahiert, der unter die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel fällt, wird die genetisch veränderte Herkunft des Enzyms auf dem Etikett ausgewiesen. Allerdings schließt die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Lebensmittel aus, die aus Fermentierung unter Verwendung genetisch veränderter Mikroorganismen gewonnene Enzyme enthalten. Zweck dieses Vorschlags ist es, diese Enzyme einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen, allerdings bedarf es keiner besonderen Kennzeichnung einer gentechnischen Veränderung.

Außerdem wurde der Zeitraum von neun Monaten angesprochen, der der Kommission für ihre Risikobewertung eingeräumt wurde. Der Vorschlag sieht vor, dass die Kommission dem ständigen Ausschuss innerhalb von neuen Monaten einen Vorschlag zur Stellungnahme vorlegt. Das ist der längstmögliche Zeitraum, und selbstverständlich werden in vielen Fällen Vorschläge für eine Aktualisierung der Liste schneller vorgelegt werden. Allerdings gibt es auch Fälle, insbesondere bei Lebensmittelzusatzstoffen, in denen die Kommission neun Monate benötigen wird, um die Mitgliedstaaten und alle maßgeblichen Interessenvertreter zu verschiedenen Aspekten zu konsultieren. Das ist nur möglich, wenn die Interessenvertreter ausreichend Zeit für eine Antwort erhalten, sodass maximal neun Monate aus meiner Sicht nicht übertrieben lang sind.

Ich möchte Ihnen abschließend noch einmal für Ihre Zusammenarbeit danken. Ich freue mich auf die Annahme des Vorschlags in der morgigen Sitzung.

 
  
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  Åsa Westlund, Berichterstatterin. − (SV) Herr Präsident! Ich möchte noch einmal Kommissarin Vassiliou für Ihre Unterstützung in Bezug auf die Azofarbstoffe danken. Wir wissen es wirklich zu schätzen, dass dies eine der ersten Fragen war, derer Sie sich nach Antritt ihres Amtes angenommen haben. Das zeigt auch, dass die Kommission bereit ist, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, die nicht nur darin besteht, den Empfehlungen der EFSA zu folgen, sondern auch in einer unabhängigen Bewertung aller Aspekte der Rechtsvorschriften. Sie haben wirklich gezeigt, dass Sie bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen.

Ich glaube, die Aussprache am heutigen Abend hat gezeigt, dass das Europäische Parlament die Untersuchung der allergenen Wirkung der Azofarbstoffe durch die EFSA natürlich ebenso aufmerksam verfolgen wird, wie die Stellungnahme der Kommission zu diesem Gutachten. Es versteht sich von selbst, dass wir auch andere Studien zu den Auswirkungen von Azofarbstoffen auf das Verhalten von Kindern prüfen werden, um möglicherweise auf diese Frage noch einmal zurückzukommen.

Abschließend möchte ich noch betonen, dass das Beschließen von Rechtsvorschriften eine Sache ist, ihre Anwendung aber eine andere. Ich glaube, viele Verbraucher teilen meine Ansicht, dass man heutzutage in den Geschäften oft irregeführt wird. Ich würde mir wünschen – und ich glaube, das ist eine berechtigte Forderung –, die Mitgliedstaaten würden ihre Aufsicht verschärfen und gemeinsam mit der Kommission wirklich dafür sorgen, dass die Rechtsvorschriften, über die wir morgen abstimmen, auch tatsächlich eingehalten und erfüllt werden, damit die Verbraucher beispielsweise nicht mit einem Becher Fruchtjoghurt in dem Glauben nach Hause gehen, er enthalte viele Früchte und Beeren, um dann beim aufmerksamen Lesen der Verpackung zu entdecken, dass er nichts als Farbstoffe enthält.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI).(FR) Herr Präsident! In der Lebensmittelindustrie kommen 300 Lebensmittelzusatzstoffe, 2 600 natürliche oder künstliche Aromastoffe sowie Amylasen oder Enzyme und auch Azofarbstoffe zum Einsatz. Daher sollen unsere Rechtsvorschriften harmonisiert werden. Da dies eingelegtes Gänse- und Entenfleisch sowie Trüffel- und Schneckenkonserven betrifft, ist es doch verständlich, dass wir ein Dutzend Rechtsvorschriften und zusätzlich noch die vier vorgelegten Verordnungen für ein einheitliches Zulassungsverfahren mit Produktlisten benötigen.

Es stimmt, dass diese Zusatzstoffe die Gefahr teilweise gefährlicher Allergien vergrößern, aber vielleicht ist man mit dem Vorsorgeprinzip hier zu weit gegangen. Im Jahr 2008, da die Welt von einer Lebensmittelkrise heimgesucht wird, da, Herr Präsident, Italien uns dioxinverseuchten Mozzarella verkauft – ein Geschäft, das 10 Millionen Euro einbringt – kann ich nur schwer glauben, dass die 15 Millionen Arbeitslosen in Europa sich ernsthafte Sorgen um Enzyme und Aromastoffe machen. Aber es ist ja typisch für die Europäische Union, sich in einer unendlich großen Welt mit dem unendlich Kleinen zu beschäftigen.

 
  
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  Mojca Drčar Murko (ALDE). (EN) Herr Präsident! Zusätzlich zu dem, was heute schon gesagt wurde, möchte ich bekräftigen, dass Aromen einen beträchtlichen Marktwert haben. Bei der Harmonisierung nationaler Bestimmungen mit dem Ziel, die mikrobiologische Sicherheit vorbereiteter Lebensmittel zu gewährleisten, müssen sich die europäischen Gesetzgeber bewusst sein, dass es sich hier um einen sehr heiklen Bereich handelt. Sie müssen Marktverzerrungen vermeiden. Ich hoffe, dass dem so sein wird und danke Kommissarin Vassiliou für ihre heutige Stellungnahme.

Gemeinsam mit dem Rat und der Kommission haben wir einen langen Weg zurückgelegt und umstrittene Punkte geklärt, wobei wir so viele Zweideutigkeiten wie möglich ausgeschlossen und eine Einigung für die zweite Lesung erreicht haben.

Abgesehen von der Lebensmittelsicherheit und der Stärkung des Binnenmarktes mussten jedoch auch andere Interessen der Verbraucher berücksichtigt werden. Dazu gehörte vor allem der Wunsch nach möglichst natürlichen Lebensmitteln. Nicht alle Aromen sind aus toxikologischer Sicht unbedingt sicher und gleichzeitig für die Verbraucher von Nutzen. Das Parlament möchte insbesondere das Recht des Verbrauchers auf Auswahl hervorheben.

Im Zulassungsverfahren für Aromen steht beispielsweise die „hinreichende technische Notwendigkeit“ mit anderen gemeinschaftlichen Strategien im Widerspruch, wie die Bekämpfung der Fettleibigkeit, da durch die Hinzufügung von äußerst starken Aromen die schlechte Qualität von vorbereiteten Lebensmitteln verschleiert werden kann. Ich denke, dass das in den Erwägungen ausreichend verdeutlicht wurde.

Abschließend möchte ich allen danken, die am Verordnungspaket über Lebensmittelzusatzstoffe mitgewirkt haben und uns dabei geholfen haben, praktikable und durchsetzbare Verordnungen zu schaffen.

 
  
  

VORSITZ: LUIGI COCILOVO
Vizepräsident

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. – (EN) Zunächst möchte ich die Berichterstatterinnen dieser Berichte über Lebensmittelzusatzstoffe, Enzyme und Aromen beglückwünschen. Unser Parlament muss diesen Verordnungen unbedingt allergrößte Aufmerksamkeit widmen, weil sie große Auswirkungen auf die Volksgesundheit haben. Deshalb sollten wir sicherstellen, dass die Änderungsanträge, die wir in der ersten Lesung unterstützt haben, in die endgültige Fassung des Textes aufgenommen werden.

Der Schutz der Verbraucherinteressen und die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit müssen unsere oberste Priorität bleiben. Wir sollten – einhergehend mit dem Vorsorgeprinzip – die Verwendung bestimmter Zusammensetzungen vermeiden, für deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher keine verlässlichen Daten und keine unabhängigen wissenschaftlichen Bewertungen vorliegen. Wir sollten tatsächlich Qualität und sichere Lebensmittel für unsere Bürger gewährleisten und aus diesem Grund wirksame Verfahren für eine Auflistung und Überwachung der Auswirkungen potenziell gefährlicher Zusammensetzungen auf die Gesundheit der Verbraucher entwickeln.

Darüber hinaus müssen wir die Transparenz bei der Herstellung, der Kennzeichnung und den Zulassungsverfahren erhöhen und die Verordnungen für Zusatzstoffe, Enzyme und Aromen harmonisieren, um ein kohärentes Paket von Regeln festzulegen, mit dem ein besserer Verbraucherschutz und Volksgesundheit gewährleistet werden kann. Während wir den Verbraucherschutz sicherstellen, besteht die wahre Herausforderung darin, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen und die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte für sie zu gewährleisten.

 

20. Berichtigung (Artikel 204a der Geschäftsordnung): siehe Protokoll

21. Änderung von Artikel 29 der Geschäftsordnung: Bildung der Fraktionen (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Richard Corbett im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Änderung von Artikel 29 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments – Bildung der Fraktionen (2006/2201(REG)) (A6-0206/2008).

 
  
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  Richard Corbett, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihnen einen Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über unsere Geschäftsordnung vorstellen, in dem wir die Frage der Schwelle – der für die Bildung einer Fraktion in unserem Parlament erforderlichen Mindestschwelle – untersucht haben.

Natürlich haben alle Parlamente, in denen es Fraktionen gibt, eine Mindestschwelle. Normalerweise kann ein einzelner bzw. können zwei Abgeordnete keine Fraktion bilden; die Schwelle muss immer definiert werden. Da unser Parlament weiter wächst, ist es logisch, dass wir innehalten und darüber nachdenken, wie im nächsten Parlament die Schwelle für die Bildung einer Fraktion aussehen soll.

Wir haben diese Frage im Ausschuss für konstitutionelle Fragen ausführlich behandelt, wobei der Ausschuss geteilter Auffassung war. Als wir im Ausschuss abgestimmt haben, gab es eine Mehrheit von einer Stimme gegen eine Anhebung der Schwelle, obgleich uns diese Angelegenheit jetzt natürlich wieder in diesem Hohen Hause vorliegt.

Wir haben uns auch mit Fraktionen beschäftigt, die es bereits gibt, jedoch die Schwelle leicht unterschreiten, wenn ein oder zwei Fraktionsmitglieder ausscheiden. Und wir haben die Frage erörtert, ob es richtig ist, dass solche Fraktionen dann automatisch und umgehend nicht mehr existieren dürfen, oder ob wir es nicht unter bestimmten Umständen zulassen sollten, dass solche Fraktionen weiter bestehen. Hier hat der Ausschuss meinen Vorschlag angenommen, der auf einem Vorschlag von Herrn Bonde, dem früheren Co-Vorsitzenden der IND/DEM-Fraktion, beruhte. Er hatte mich darauf hingewiesen, mit welchen Schwierigkeiten er als Fraktionsvorsitzender gelegentlich konfrontiert war, wenn in einer Fraktion, die nur knapp über der Schwelle lag, ein, zwei oder drei Fraktionsmitglieder drohten, die Fraktion zu verlassen, wenn die eine oder andere Sache nicht nach ihrem Willen liefe, womit sie die Fraktion faktisch erpressten.

Auf sein Anraten hin hat der Ausschuss klugerweise meinen Vorschlag angenommen, der besagt, dass eine Fraktion, wenn sie eine gewisse Zeit existiert hat, wir den kleineren Fraktionen helfen und es ihnen unter solchen Umständen ermöglichen sollten – wir werden dem Präsidenten des Parlaments dabei einen gewissen Ermessensspielraum einräumen – für eine bestimmte Dauer, bis zur nächsten konstituierenden Sitzung des Parlaments weiterhin zu bestehen, selbst wenn sie die Schwelle unterschreiten, vorausgesetzt natürlich, die Anzahl ihrer Mitglieder bewegt sich noch in einem angemessenen Mindestrahmen: Fraktionen mit zwei oder drei Mitgliedern können wir nicht zulassen.

Die Idee bestand darin, ein Gleichgewicht zwischen einer angemessenen Schwelle und der Möglichkeit für kleinere Fraktionen zu finden sicherzustellen, dass sie nicht mit der düsteren Aussicht konfrontiert sind, von einer Minderheit von Mitgliedern ihrer Fraktion erpresst zu werden, die jederzeit den Stecker ziehen könnten.

Wie ich gesagt habe, hat der Ausschuss gezögert, die Schwelle anzuheben – es gab eine Mehrheit von einer Stimme. Jetzt liegt die Frage allerdings erneut auf unserem Tisch. Wenn Sie sich die Parlamente weltweit ansehen, so haben wir gegenwärtig eine der niedrigsten Schwellen für die Bildung einer Fraktion. Lediglich 2,5 % unserer Mitglieder können eine Fraktion bilden. Wenn Sie bedenken, dass Abgeordnete bei der Bildung einer Fraktion mehr Mittel erhalten als einfache Abgeordnete als Abgeordnete – mehr Mittel für eine Fraktion heißt finanzielle Mittel des Steuerzahlers, mehr Personal und Verfahrensvorteile – sollte uns das Anlass zum Nachdenken sein.

Wollen wir einer kleinen und unbedeutenden Anzahl von Abgeordneten, nämlich 2,55 %, derart große Ressourcen zur Verfügung stellen? Meiner Auffassung nach ist das eine sehr niedrige Schwelle: Sie birgt die Gefahr, dass wir sehr kleinen, möglicherweise unrepräsentativen oder gar extremen Fraktionen solche Mittel zur Verfügung stellen. Einige haben darauf hingewiesen, dass die extreme Rechte bei einer solch niedrigen Schwelle möglicherweise eine Fraktion bilden könnte, wenn sie nur einmal genügend Sitze gewonnen habe.

Es ist legitim, das zu fragen: Wo liegt die Mindestschwelle? Mein Vorschlag war, sie auf 4 % anzuheben, was verglichen mit anderen einzelstaatlichen Parlamenten in der EU immer noch eher niedrig ist und unter dem liegt, was in vielen nationalen Parlamenten die Norm ist. Aber vielleicht ist es ein angemessenes Gleichgewicht. Soviel ich weiß, sind einige kleinere Fraktionen, die sich anfänglich dieser Idee widersetzt haben, mittlerweile für einen Kompromiss zwischen den 30 Abgeordneten, die ich vorgeschlagen habe, und den 20 Abgeordneten der gegenwärtigen Regelung. Sie wären mit einem Kompromiss von 25 zufrieden.

Wenn ich nun meine andere Rolle einnehme und als Koordinator meiner Fraktion spreche, anstatt als Berichterstatter, kann ich den Kolleginnen und Kollegen mitteilen, dass meine Fraktion bereit ist, einen solchen Kompromiss mitzutragen – wenn es denn wirklich ein Kompromiss ist – und wir uns alle darauf einigen können. Wenn es kein Kompromiss ist – wenn das nicht akzeptabel ist – wird meine Fraktion weiterhin den Vorschlag 30 anstatt 25 unterstützen.

 
  
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  József Szájer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (HU) Herr Präsident! Meine Partei und ich gehören zu den Befürwortern der Schaffung eines Parlaments mit stärkerem Zusammenhalt im Falle der Erhöhung des Schwellenwertes, der bislang eine Bedingung für die Fraktionsbildung gewesen ist.

Meiner Ansicht nach wird das Parlament dadurch gestärkt, weil es meines Erachtens im Interesse des EU-Parlaments liegt, den Zusammenhalt zwischen politischen Parteien und politischen Gruppierungen und den Fraktionen im Parlament enger zu gestalten und die politischen Parteien auf europäischer Ebene zu stärken.

Wie Richard Corbett gerade erwähnte, ist die Schwelle gegenwärtig sehr niedrig, vor allem auch im Vergleich zu anderen Parlamenten. Aus genau diesem Grund haben wir im Namen der Europäischen Volkspartei die Empfehlung unterstützt und teilen die Sicht, der Schwellenwert sollte flexibel sein, obgleich ich anfügen möchte, dass ich im Hinblick auf besagte Flexibilität die Bildung von Fraktionen für einen kürzeren Zeitraum gestattet hätte.

Natürlich ist offensichtlich nicht jeder dieser Ansicht. Ich bin der Überzeugung, in einem europäischen Parlament, in dem viele verschiedene Farben, viele verschiedene politische Parteien und viele verschiedene politische Haltungen vertreten sind, müssten immer Anstrengungen unternommen werden, in dieser Frage einen Konsens zu erreichen. Daher hat es mich gefreut, dass es eine Chance für einen Kompromiss gegeben hat, im Rahmen dessen wir die Schwelle für die Bildung von Fraktionen im Vergleich zum heutigen Stand erhöhen, aber der ursprünglichen Planung entgegen niedriger ansetzen können.

Eine letzte Anmerkung: Ich hege die Überzeugung, dass es besser wäre, was die Zahl der Länder als auch die Mindestanzahl von Fraktionen betrifft, keine bestimmte Zahl festzusetzen, sondern einen Prozentsatz. Im entsprechenden Fall müssten die Verhältnisse nicht ständig angepasst werden, und vor allem da die Zukunft des Vertrags von Lissabon nun ungewiss ist, kann man nicht mit Sicherheit wissen, wie die Zahlen für das nächste Parlament im Jahr 2009 aussehen werden und ob wir diese Bestimmung nicht erneut ändern müssen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Die Volkspartei unterstützt die Empfehlung.

 
  
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  Jo Leinen, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte vor allen Dingen Richard Corbett danken, dass er diese Berichte ausgearbeitet hat. Es war von vornherein klar, dass bei diesem Thema nicht nur Zustimmung kommt, sondern dass das hochkontrovers diskutiert wird. Aber wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass dieses Parlament von 626 Abgeordneten auf 785 Abgeordnete gewachsen ist und – sollte der neue Vertrag in Kraft treten – sehr wahrscheinlich 751 Abgeordnete zählen wird. Da liegt es auf der Hand, dass wir auch die Regeln anpassen müssen, nach denen wir arbeiten.

Wir haben ja eine Arbeitsgruppe Reform des EP. Da geht es um vieles, bei dem das Parlament sich nach vorne bewegen muss und nicht statisch stehen bleiben darf, wie es vor Jahren der Fall war. Der Status quo ist immer das Leichteste. Wenn man den Besitzstand verteidigt, braucht man sich nicht zu modernisieren oder zu verändern, aber hier liegt es auf der Hand, dass jetzt auch das Thema Größe der Fraktionen im Parlament geregelt werden muss.

Richard Corbett hat schon gesagt, dass wir im Vergleich zu allen nationalen Parlamenten eine der niedrigsten Schwellen haben. Das kann man wollen, ja, warum nicht? Man kann aber auch wie Kollege Szájer sagen, wir brauchen irgendwie auch mehr Kohärenz in diesem Parlament. Wir sind von einer beratenden Versammlung zu einer gesetzgebenden Körperschaft geworden. Wir machen Gesetze für 500 Millionen Menschen. Dazu braucht man eine gewisse Kohärenz.

Ich wünsche mir deshalb in diesem Parlament politische Fraktionen und nicht nur technische Fraktionen, also Gruppen, die nur des Geldes wegen zusammengehen, aber politisch eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Der Vorschlag, der auf dem Tisch lag, von 20 auf 30 zu gehen, wäre immer noch moderat gewesen und keineswegs exzessiv. Gut, das ist im Ausschuss nicht durchgegangen, und da muss man dann kompromissbereit sein. Wenn jetzt der Vorschlag 25 lautet, dann ist das schon ein Fortschritt und das Mindeste, was man als nächsten Schritt akzeptieren kann.

Wir haben zehn politische Familien, die sich registriert haben – von ganz rechts bis ganz links. Der Bürger hat bei den nächsten Europawahlen ein großes Angebot an politischen Familien seiner Wahl, um zu sagen, welches Europa er will. Daher habe ich keinen Zweifel, wenn wir diese Reform machen. Die Vielfalt in diesem Parlament wird bleiben. Aber vielleicht tragen wir doch ein bisschen dazu bei, dass auch die Kohärenz verbessert wird, und das ist das Ziel der Übung. Dafür Danke an Richard Corbett.

 
  
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  Andrew Duff , im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wie wir alle wissen, versucht der Ausschuss, einen Konsens zu finden, jedoch ist der Konsens heute weggebrochen und ich habe sowohl aus prinzipiellen als auch aus praktischen Gründen starke Einwände gegen Herrn Corbetts Vorschlag.

Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass die Existenz von sieben Fraktionen im Parlament ein besonderes Problem der Effizienz sein soll. Das zeigen uns doch schon die Erfahrungen der einzelstaatlichen Parlamente. Hier sollten wir über die komplexere und weiter verbreitete Meinung der Bevölkerung aus 27 Ländern nachdenken. Es ist in der Tat wichtig, dass in dieser schwierigen Phase der Integration alle Arten von Minderheitenmeinungen sich selbst professionell organisieren können, um sich entsprechend artikulieren zu können. Fraktionen tragen zur Arbeit des Parlaments bei und behindern sie keinesfalls.

Herrn Corbetts Vorschlag und auch der Kompromiss hätten Auswirkungen auf die Schließung der UEN- und der IND/DEM-Fraktion. Nun, ich bin selten, vielleicht nie, mit diesen Fraktionen einer Meinung, jedoch haben sie das Recht, ihre Auffassungen darzulegen und sie vertreten mit Sicherheit einen bestimmten Teil der öffentlichen Meinung.

Wenn wir sie schließen würden, wären ihre Mitglieder gezwungen, sich einer größeren Fraktion anzuschließen, was die Dinge verkomplizieren und die Uneinigkeit in diesen Fraktionen erhöhen würde. Alternativ würden sie die Reihen der non-inscrits anwachsen lassen.

Abschließend möchte ich Sie im Interesse der Effizienz, des Pluralismus, der Kohärenz, der Fairness und des Liberalismus auffordern: Bitte unterstützen Sie die Position des Ausschusses und lehnen Sie die Änderungsanträge ab.

 
  
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  Johannes Voggenhuber, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal – nicht oft – kommt es vor, dass die großen Fraktionen in diesem Haus ein schlechtes Gewissen haben. Manchmal kann man das daran erkennen, dass eine Materie spätnachts an einem Montag in Straßburg behandelt wird.

Das ist heute der Fall. Denn sonst könnte sich die Öffentlichkeit dafür interessieren, warum ein Bericht, der im Ausschuss abgelehnt wurde, in dieses Plenum kommt. Und die Öffentlichkeit könnte sich dafür interessieren, warum ein Berichterstatter im Namen des Ausschusses einen Bericht vorstellt, der gar nicht das beinhaltet, was er vorstellt, und der auch nicht mit einer Stimme – wie Richard Corbett meinte – abgelehnt wurde, sondern mit der Mehrheit des Ausschusses, und zwar aus guten Gründen.

Die Öffentlichkeit könnte sich dafür interessieren, dass Sie diesen Antrag unter Bruch der Geschäftsordnung ins Plenum bringen, und zwar nicht, um über diesen Antrag abzustimmen, sondern um etwas ganz anderes zu tun.

Ich bin jetzt seit 1990 Parlamentarier. In dieser Zeit habe ich einen Konsens kennengelernt, was parlamentarische Kultur betrifft, dass nämlich die Mehrheit eines Parlaments ihre Stimme, ihr Gewicht nicht dazu verwendet, sich selbst in der Geschäftsordnung Machtpositionen und Privilegien zu Lasten anderer Fraktionen zu verschaffen. Das haben Sie hier getan. Dieses Tabu haben Sie hier gebrochen! Es ist unaufrichtig, was hier gesprochen wird.

Die großen Fraktionen wollen nichts anderes, als die Bildung kleinerer Fraktionen vermeiden und Druck auf Abgeordnete aus allen Ländern der Union ausüben, um ihren Fraktionen beizutreten, um die Abspaltung von nicht kohärenten Teilen ihrer eigenen Fraktion zu verhindern. Sie wollen diese Geschäftsordnung nach ihrem Geschmack und sich selbst nach Maß schneidern. Sie missachten dabei ein weiteres Tabu, dass man nicht bestehende Fraktionen, wie die IND/DEM, mit formalen Tricks aus der Welt schafft. Das ist demokratiepolitisch indiskutabel!

Es steht in einer Tradition, Richard Corbett. Ich habe mir die letzten zwei Jahre angeschaut, und wir werden vor der Wahl darauf zu sprechen kommen: Seit zwei Jahren bringen die großen Fraktionen dieses Hauses Serien von Geschäftsordnungsänderungen ein, die alle eine einzige Konsequenz haben: die Stärkung der Macht der großen Fraktionen, die Schmälerung der Vielfalt, die Schmälerung der Rechte der einzelnen Abgeordneten, die Schmälerung der Rechte kleinerer Fraktionen.

Wenn das der Weg ist, das Parlament populär zu machen, auf die Vertrauenskrise der Bürger zu antworten und sich für den Wahlkampf nächstes Jahr zu wappnen, dann werden Sie uns dort als sehr laute Gegner und Befürworter eines demokratischen Parlaments finden!

 
  
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  Ryszard Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Pluralismus und die Achtung unterschiedlicher Meinungen sind wichtige Werte des Europäischen Parlaments, weil die Europäische Union an sich Einheit in Vielfalt widerspiegeln muss. Aus diesem Grund sollte auch das Europäische Parlament die verschiedenen Farben auf der politischen Landkarte, die Mannigfaltigkeit seiner Ausrichtungen, nicht nur respektieren, sondern tatsächlich fördern.

Während wir die Rechte von ethnischen, religiösen und sexuellen Minderheiten verteidigen, dürfen wir auch politische Minderheiten nicht vergessen. Jegliche Manipulation oder politisch motivierte Änderung der Geschäftsordnung des EU-Parlaments beschneidet offen die Rolle des Parlaments als des Gremiums, das die Völker und Gemeinschaften EU-weit vertritt. Unserer Ansicht nach besteht kein Bedarf, an jenen Punkten der Geschäftsordnung herumzubasteln, in denen es um die Zahl von Ländern geht, deren Vertreter eine Fraktion bilden. Der aktuelle Stand der Dinge bedarf keiner Veränderung. Das Europäische Parlament arbeitet in seiner heutigen Ausprägung effizient oder wie ein chinesisches Sprichwort besagt: Man sollte es gut genug sein lassen. In diesem Zusammenhang sind sechs Staaten ausreichend. Die Zahl sollte nicht auf sieben erhöht werden. Dadurch wird nur die Anzahl fraktionsloser Abgeordneter ansteigen, die sich in ihren Auffassungen häufig völlig und extrem voneinander unterscheiden. Eine Änderung wie die Anhebung des Schwellenwertes für die Bildung einer Fraktion auf 30 kann unter Umständen Einfluss auf Pluralismus, Meinungsfreiheit, die Vertretungsfähigkeit der europäischen Institutionen und unserer Glaubwürdigkeit als MdEP haben.

Durch derartige Änderungen wird kein Bild der Autorität des EU-Parlaments in einem Wahljahr gezeichnet, das angesichts der Wahlbeteiligung bei diesen Wahlen nach meinem Dafürhalten besondere Bedeutung trägt. Die Anpassungen sollten weder 2009 noch zu einem anderen Zeitpunkt in Kraft treten. Ich sage dies als Vertreter einer Fraktion, die auch bei Einführung der genannten Veränderungen problemlos arbeiten könnte.

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Die Geschichte des europäischen Aufbauwerks, dessen beherrschende ideologische Strömungen, in einem halben Jahrhundert enger Zusammenarbeit innerhalb der Kommission, des Rates und des Parlaments entstandene Praktiken – all dies hat zu einer Art christdemokratisch-sozialdemokratischem Kondominium innerhalb der europäischen Institutionen geführt. Ich urteile hier nicht; ich stelle lediglich fest.

In diesem Parlament führt das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit für die Annahme einer Rechtsvorschrift im Mitentscheidungsverfahren zur ständigen Suche nach einem Konsens zwischen den zwei größten Fraktionen, was die Formulierung unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher Auffassungen noch weiter behindert. Die Frage ist daher einfach: Wollen wir diese Tendenz der Vermeidung von Konflikten durch die Verschärfung der Bedingungen für die Fraktionsbildung weiter verstärken und dies kurz vor den Wahlen, bei denen die Anzahl der MEP pro Land verringert wird und somit insbesondere in Ländern mit geringer Bevölkerungszahl die Minoritäten noch stärker benachteiligt werden? Wie glaubwürdig wären diese Glaubensbekenntnisse zugunsten des Pluralismus dann noch? Die Qualität der demokratischen Debatte wird durch das Anwachsen der Reihen fraktionsloser Mitglieder nicht verbessert werden.

Aus diesem Grund hat sich meine Fraktion einstimmig für die Beibehaltung der bestehenden Regelung zur Bildung von Fraktionen ausgesprochen, auch wenn wir geteilter Meinung sind, was die angesichts der Ablehnung unserer Forderung durch die beiden größten Fraktionen einzunehmende Haltung anbelangt: Zurkenntnisnahme der Uneinigkeit oder Eingehen eines Kompromisses. Die Mehrheit meiner Fraktion – mich eingeschlossen – hat sich nun für einen Kompromiss ausgesprochen, und zwar allein mit dem Zweck, die Meinungsvielfalt innerhalb dieses Parlaments aufrechtzuerhalten. Dabei respektieren wir aber voll und ganz unsere Kollegen, die anderer Meinung sind, da wir dieselben Grundsätze teilen, und diese haben einen Namen: nämlich Demokratie.

 
  
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  Hanne Dahl, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (DA) Herr Präsident! Die aktuelle Aussprache trägt surreale Züge. In der Tat ist sie genauso absurd wie ein kafkaesker Prozess. Ich möchte den Ablauf der Ereignisse schildern, um darzulegen, warum ich diesen Vergleich wähle, da er zugegebenermaßen recht plump ist.

Bei einer Zusammenkunft am 27. Mai hat sich der Ausschuss für konstitutionelle Fragen mit einem Berichtsentwurf beschäftigt, der darauf abzielte, die Fraktionsbildung zu erschweren. Richard Corbett, der Berichterstatter, wollte die Zahl der Mitglieder von 20 auf 30 erhöhen und gleichzeitig fordern, dass die Fraktion ein Viertel der Länder repräsentiert statt bisher ein Fünftel. Der Berichtsentwurf wurde abgelehnt, was in jedem anderen Zusammenhang bedeuten würde, der Bericht wird von der Tagesordnung gestrichen. Stattdessen gestattete der Ausschussvorsitzende Herr Leinen dem Ausschuss, weiter über Änderungsanträge zum ursprünglichen Wortlaut des Berichts abzustimmen, obgleich es keinen zu ändernden Bericht mehr gab. Durch dieses Manöver war es möglich, einen Bericht am Leben zu erhalten, der faktisch abgeschrieben war. Obgleich wohl alle Regeln und üblichen Verfahren verletzt worden sind, scheint das Herrn Corbett mit Rückendeckung vom Ausschussvorsitzenden nicht zu kümmern. Man muss sich fragen warum. Schließlich wurde 2004 die Schwelle aus dem Grund erhöht, dass das Europäische Parlament nun aus 25 statt 15 Ländern bestand. Zwei weitere Staaten sind seither dazugekommen, was aber eine so drastische Änderung der Bestimmungen nicht rechtfertigt. Man sagt, in vielen Fällen wäre der Schwellenwert in nationalen Parlamenten höher, aber dabei wird nicht erwähnt, dass das EU-Parlament einer zusätzlichen Beschränkung unterliegt – einer geografischen. Meines Wissens gibt es derartige Einschränkungen in keinem nationalen Parlament. Warum dann diese tief greifende Änderung der Regeln für die Fraktionsbildung? Sie erinnert insbesondere an eine unheilvolle Allianz zwischen den beiden größten Fraktionen im Parlament, um ein Zweiparteiensystem zu schaffen. Ja, wenn ich paranoid wäre, würde ich sagen, sie gleicht einem gottlosen Bündnis mit einem düsteren Hintergedanken, nämlich die Bildung von oppositionellen Fraktionen deutlich zu erschweren – Fraktionen wie die, der ich angehöre. Das Parlament hat kein Recht, über politische Ansichten zu urteilen. Dieses Recht steht nur den Wählern zu. Abgeordnete, die in rechtmäßigen demokratischen Wahlen gewählt worden sind, sind legitime Teilnehmer am politischen Prozess. Sie haben jede Berechtigung, sich zu beteiligen und weder der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament noch der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischen Demokraten steht es zu, die Ausübung ihres Mandats zu verkomplizieren.

Ich empfehle, dass sämtliche Abgeordneten gegen Änderungsanträge für nicht existente Berichte stimmen. Das ist mein Rat – heute und in Zukunft. Das geht sonst einfach zu weit, wenn wir jemals als gesetzgebende Versammlung ernst genommen werden wollen.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI).(NL) Der Berichterstatter hat im Grunde schon selbst gesagt, worum es in diesem Bericht geht: Das Europäische Parlament soll noch stärker als bisher eine Art Vertreter des eurokratischen Einheitsdenkens werden. Und das kleine bisschen Freiheit, deren sich die kleineren politischen Fraktionen erfreuten, soll abgeschafft werden. Die Rolle des Parlaments besteht nicht mehr darin, die politische Vielfalt unserer Völker zu vertreten, sondern den europäischen Mandarinen zu Diensten zu sein. Welch eine undemokratische Farce, in die sich Ihr Europa verwandelt!

Mit dem famosen Änderungsantrag 6 betreffend parlamentarische Anfragen werden unsere Rechte wiederum eingeschränkt. Darüber hinaus lesen wir als Grund für die Einführung dieser Regelung, dass die Europäische Kommission, ich zitiere: „[sich] nachdrücklich über die Zahl solcher Anfragen und über die Arbeitsbelastung beschwert [hat], die die Beantwortung der Anfragen ihren Verwaltungsdienststellen auferlegt“. Meiner Meinung nach sollten sich eher die Abgeordneten nachdrücklich beschweren, dass manche europäische Kommissare kaum auf unsere schriftlichen Anfragen antworten, und wenn überhaupt, dass sie dann am Thema vorbeireden, die Antworten unvollständig und mitunter mit einem kaum verhohlenen Widerstreben, uns wahrheitsgemäß zu informieren, gegeben werden.

Dienlicher wäre es, ein Disziplinarverfahren für die Kommissare vorzusehen, als dass sie es uns als Parlamentarier schwermachen, die Arbeit zu leisten, für die wir bezahlt werden.

 
  
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  Timothy Kirkhope (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! In dieser Aussprache geht es um die praktischen Details des Parlaments, und es ist unsere Pflicht zu fragen, ob die Vorschläge zu den Fraktionen praktikabel sind. Ich hatte sicherlich die Anwendbarkeit einer Mindestanzahl von 30 Abgeordneten im Hinterkopf, als ich meinen Änderungsantrag eingereicht habe – und ich denke, es war mein Änderungsantrag, Herr Corbett –, durch den es dem Präsidenten des Parlaments mit Zustimmung der Konferenz der Präsidenten möglich wird zuzulassen, dass eine Fraktion für einen begrenzten Zeitraum ihre Arbeit fortsetzen kann, wenn sie diese Schwelle unterschreitet.

Im Ausschuss war man sich im Allgemeinen einig, dass es eine gute Idee sei zu vermeiden, dass eine Fraktion von einem Fraktionsmitglied quasi als Geisel genommen wird, wenn dieses Mitglied droht, die Fraktion zu verlassen, und sie damit sofort aufgelöst wird. Deshalb finde ich diesen neuen Kompromiss, mit dem eine Begrenzung auf 25 Abgeordnete vorgeschlagen wird, interessant. Für mich ist das eine sinnvolle Idee, die eine der Schwierigkeiten aus dem Weg räumen würde, auf die ich mich bei der Erstellung meines Änderungsantrags bezogen habe.

Allerdings müssen wir uns stets vergegenwärtigen, dass wir gewählt wurden, um die Ansichten und Interessen unserer gesamten Wählerschaft zu vertreten. Tatsache ist, dass unser europäisches Wählerspektrum eine immer größere Bandbreite von Meinungen umfasst, was für die Demokratie gut ist. Nicht nur die Anzahl der Abgeordneten dieses Parlaments nimmt zu, sondern auch die Vielfalt der Ansichten, die sie einbringen. Wenn wir unser parlamentarisches Mandat erfolgreich ausüben wollen, müssen wir auch die Möglichkeit haben, die Ansichten unserer nationalen Wählerschaften vollständig wiederzugeben. Eine kleine Fraktion im Europäischen Parlament kann durchaus ein großes Spektrum von Meinungen in den Mitgliedstaaten vertreten. Wir müssen in der Lage sein, als Parlament konstruktiv zu arbeiten und, was noch wichtiger ist, im Einklang mit den Wünschen der Menschen, die wir vertreten. Das wiederum kommt in der Ausrichtung und Zusammensetzung unserer Fraktionen zum Ausdruck.

Zwar gefällt mir dieser mögliche Kompromiss, doch ich begrüße auch einen feinfühligen und pragmatischen Ansatz in dieser Angelegenheit. Ich hoffe, dass wir nicht fälschlicherweise annehmen werden, dass weniger Fraktionen zwangsläufig mehr Demokratie bedeuten.

 
  
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  Kristian Vigenin (PSE). (BG) Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach meinem Dafürhalten verdient der im Bericht von Richard Corbett enthaltene Antrag Aufmerksamkeit, und meines Erachtens kommt er zur rechten Zeit, denn mit seiner Billigung gerät keine der gegenwärtig im EU-Parlament vertretenen Fraktionen in Gefahr. Ich bin ein Befürworter eines effektiver arbeitenden Parlaments in der nächsten Legislaturperiode von 2009 bis 2014. Wir haben uns mit der Bedeutung dieser Änderungen wiederholt auseinandergesetzt, und von einer Beschneidung der Möglichkeiten von MEP, ihren Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, war nie die Rede. Da es sich bei unserem Parlament um das größte seiner Art, vielleicht um die größte demokratisch gewählte Volksvertretung der Welt handelt, besteht das EU-Parlament im Kern genau aus den Parlamentsfraktionen, den politischen Gruppierungen, die nicht die Länder der gewählten Mitglieder repräsentieren, sondern die politischen Strömungen, die die Abgeordneten vereinen. Das ist auch die Bedeutung der großen Gestaltungsmöglichkeiten, die sowohl die Fraktionen als auch ihre Vorsitzenden bei der Arbeit unseres Parlaments haben.

Darum wäre es falsch, jetzt die Sozialdemokraten oder Christdemokraten zu bezichtigen, dass sie undemokratisch vorgehen, Vielmehr ermöglichen wir damit meiner Ansicht nach ein wesentlich klareres Profil der Fraktionen, die in der nächsten Legislaturperiode des EU-Parlaments gebildet und tatsächlich tätig werden. Natürlich ist es meiner Meinung nach einfach, im Namen einer Fraktion zu sprechen, die nicht befürchten muss, im nächsten Parlament die erforderliche Abgeordnetenzahl zu verfehlen. In jedem Fall bin ich überzeugt, dass die heute vertretenen Fraktionen auch in der nächsten Legislaturperiode fortbestehen werden. Darüber hinaus verdanken wir unsere Präsenz in diesem Parlament vor allem dem politischen Gewicht der Parteien, die wir vertreten. Das eine sollte man nicht losgelöst vom anderen betrachten. Aus diesem Grund sollten wir weder glauben, dass das politische Leben Europas ausnahmslos in diesem Haus stattfindet und von zwei Fraktionen abhängt, noch sollten wir die Parteien vergessen, deren Vertreter wir sind. In diesem Sinne schlage ich vor, den vorgeschlagenen Kompromiss einzugehen und den Antrag von Herrn Corbett zu unterstützen.

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! In diesem Parlament wird häufig über Offenheit, Transparenz und Demokratie gesprochen, allerdings halten wir uns nicht immer daran.

In diesem Fall war der Berichterstatter, Herr Corbett, was seine Ziele angeht, sehr offen und transparent: Er möchte die Bildung und Arbeitsweise kleinerer Fraktionen erschweren. Er möchte Ihnen Ressourcen und Privilegien vorenthalten, auf die sie gegenwärtig ein Anrecht habe, was es ihnen ermöglicht, den Willen jener zu vertreten, die sie gewählt haben. Herr Corbett möchte Faktionen, die er nicht billigt, ausschließen, wenn er nur irgendwie kann. Das ist absolut undemokratisch. Warum sollte der Wille europäischer Wähler nicht durch Fraktionen ausgedrückt werden, die durch von ihnen gewählte Mitglieder gebildet werden, ganz gleich, wie klein diese Fraktionen sein mögen? Warum nicht? Weil Herr Corbett findet, dass es ihnen nicht gestattet werden sollte!

Diese Regeln würden, wenn sie verabschiedet würden, meine eigene Fraktion – die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie – lahmlegen. Die IND/DEM-Fraktion ist natürlich gebildet worden, um sich gegen die europäische Verfassung auszusprechen. Und wir waren sehr erfolgreich und haben beim französischen, niederländischen und erst kürzlich beim irischen Referendum in „Nein“-Kampagnen investiert. Deshalb versuchen Herr Corbett und andere Europhile alles, uns und ähnliche, nach 2009 gewählte Fraktionen, zu verdrängen. Seine absolut undemokratischen Absichten sind für alle durchschaubar.

 
  
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  Maria da Assunção Esteves (PPE-DE). (PT) Herr Präsident! Das Parlament muss Demokratie demokratisch auslegen. Das bedeutet, die Geschäftsordnung sollte nicht losgelöst betrachtet, sondern im Licht der moralischen Grundlage des Wahlrechts und des Grundsatzes der Vertretung als Zeichen der Selbstverwaltung und Autonomie der Bürger interpretiert werden. Aufbauend auf dieses Prinzip möchte ich Folgendes sagen: Aus meiner Sicht ist der von Herrn Corbett vorgeschlagene Änderungsantrag prinzipiell richtig, aber der Grund, warum eine Fraktion, die während einer Legislaturperiode unter den erforderlichen Schwellenwert rutscht, weiter bestehen sollte, liegt in der Tatsache, dass die demokratischen Entscheidungen der Wähler fast immer unter Berücksichtigung der EP-Fraktion gefällt werden, der Kandidaten angehören.

Wählern ist es nicht einerlei, ob ein Kandidat gewählt wird, um der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament oder der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischen Demokraten anzugehören. Daher vertrete ich die Überzeugung, der Änderungsantrag sollte statt einer Weisungsbefugnis für den Parlamentspräsidenten eine verbindliche Befugnis anstatt einer Erlaubnis enthalten, also eine Verpflichtung, und der Zeitraum für den Fortbestand der Fraktion kann, aus demokratischer Sicht, nur eben genau der Legislaturperiode entsprechen. Anderenfalls würden wir die Grundsätze der Freiheit untergraben, die uns zu dem machen, was wir sind.

Meine zweite Anmerkung betrifft die Versuchung, nationale Parlamente genau nachzuahmen. Die Parlamente der Mitgliedstaaten sind wirklich Vorbilder für uns, aber in diesem Fall müssen wir sie mit einem Körnchen Salz, mit Vorsicht kopieren, da die Zunahme der Anzahl von Fraktionen in der europäischen Demokratie den Mangel an Repräsentativität ausgleichen kann, der Europa von einer Krise in die nächste stürzt.

Ein deutlicher Anstieg kann vielleicht die ständige Kluft zwischen den europäischen Bürgern und ihren Vertretern wettmachen. Außerdem werden bei zunehmender Pluralität der Kampf und die intensiven politischen Aktivitäten deutlicher, die ja üblicherweise zu unseren Konsensen führen, da systematische Konsense hier auch durchaus kontrovers sind.

Eine große Anzahl an Fraktionen kann dem Parlament helfen, das bürokratische Europa zu politisieren, weil eine Demokratie eben eine Demokratie ist und keine Anordnung.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten Abgeordneten und Mandataren, die gegen Demokratie auf europäischer Ebene eintreten, keine zusätzlichen finanziellen Unterstützungen zukommen lassen.

 
  
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  Jim Allister (NI). (EN) Herr Präsident! Es ist ganz einfach, die Vorstellungen jener zu durchschauen, die auf eine größere Mindestgröße von Fraktionen in diesem Haus drängen. Das ist offenkundig ein himmelschreiender Versuch, die kleineren Fraktionen zu verdrängen, die häufiger wahrscheinlich weniger enthusiastisch sind – in der Tat sind es wahrscheinlich solche Fraktionen, die das wertvolle europäische Projekt in Frage stellen. Herr Corbett versucht mit aller Macht, die Holzhammermethode in der Politik durchzusetzen. Deshalb geht er heute auch so unbotmäßig vor unter Missachtung der demokratischen Entscheidung des Ausschusses.

Es heißt, dass ein Parlament, sein Wert und seine Integrität anhand dessen beurteilt werden kann, wie es mit Minderheiten umgeht. Diesem Bericht zufolge würde sich das Parlament durch Herrn Corbett weiter in die undemokratische Kabale großer Fraktionen zurückentwickeln, wo Entscheidungen nicht in diesem Haus getroffen werden, sondern in Absprachen zwischen den beiden großen Parteien.

 
  
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  Søren Bo Søndergaard (GUE/NGL). (DA) Herr Präsident! Ich möchte eine Grundprämisse zur Diskussion stellen, nämlich die Behauptung, durch Aufteilung in weniger Fraktionen entstünde mehr politische Kohärenz. Ich könnte mich der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament anschließen, aber dadurch würde der politische Zusammenhalt der Fraktion nicht steigen. Gleichfalls könnte ich zur Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischen Demokraten gehen, aber ich kann garantieren, dass die politische Kohärenz der Fraktion dadurch keinesfalls zunehmen würde. Daher geht es bei diesem Vorschlag auch nicht um politischen Zusammenhalt. Es geht um die Schaffung einer Vielzahl von freien Abgeordneten, die keiner der Fraktionen angehören wollen, die über ein ausreichendes Mandat für die Fraktionsbildung verfügen. Dies wiederum bedeutet, dass Millionen von Europäerinnen und Europäern nicht von einer Fraktion im Europäischen Parlament vertreten werden. Nach meinem Dafürhalten ist das keine begrüßenswerte Entwicklung. Darüber hinaus betrachte ich dies nicht als demokratische Entwicklung. Zum Abschluss möchte ich Herrn Corbett fragen – es geht jetzt um das Thema der politischen Kohärenz – ob der von ihm vorgelegte Vorschlag einstimmig von der PSE-Fraktion unterstützt wird oder ob die Fraktion hinsichtlich des Vorschlags tief gespalten ist?

 
  
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  Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Die Aussprache am heutigen Abend ist interessant, weil ich den Berichterstatter sagen hörte, sein Bericht sei von Herrn Bonde inspiriert, der wie Rodrigo Díaz de Vivar, El Cid Campeador, nach seinem Tod Kämpfe gewann. Dann kam Frau Dahl daher, die an die Stelle von Herrn Bonde getreten ist und verglich den Berichterstatter mit Kafka, was freilich ein wohlwollender Vergleich ist, das heißt, Frau Dahl dürfte mit Herrn Bonde nur bedingt übereinstimmen. Dann gab Herr Batten uns gegenüber zu, die Gelder der Parlamentsfraktion seien zur Einmischung in nationale Referenden verwendet worden. Ich kann mir vorstellen, dass die Quästoren dazu etwas zu sagen haben, Herr Batten, denn es ist untersagt, Mittel für solche Zwecke einzusetzen.

Und Herr Voggenhuber? Was kann ich zu Herrn Voggenhuber sagen, der aus dem Land kommt, das die Euro 2008, die für uns Spanier sehr erfreulich ausging, hervorragend organisiert hat. Herr Voggenhuber hat uns der Manipulation beschuldigt und den Kompromissantrag kritisiert, allerdings hat sich herausgestellt, dass er ihn unterzeichnet hat.

Kurz gesagt, Herr Präsident, wird die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten im Interesse der Konsistenz und in Übereinstimmung mit den Äußerungen von Herrn Szájer, Herrn Kirkhope, Frau Esteves und Herrn Rübig dafür stimmen.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). - Herr Präsident! „Lasst uns eine kühne Demokratie wagen“ lautete die Überschrift in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor zwei Wochen über einen großen Beitrag, den ich dort verfasst habe. Und es waren gerade sozialdemokratische Kreise, die auf mich zugekommen sind und gesagt haben: Genau! Nicht nur, weil das eine Alliteration an den großen Willy Brandt ist. Und was macht ihr hier jetzt, Richard und Jo? Ihr dreht das Ding doch genau in die Gegenrichtung, und ihr wisst, was ihr da anstellt!

Ich erinnere mich nämlich gut, als es um die letzte Anhebung dieser Zugangsbarriere für Fraktionen ging, wie da bei euch geredet wurde. Den Jo kenne ich ja noch — damals, als er noch ein aufrechter Demokrat war! Er soll doch einmal in sich gehen und überlegen, wessen Geschäft er da besorgt. Ihr seid doch mit dem, was ihr da macht, die Demokratiezerstörer. Ihr besorgt das Geschäft der Straches, der Haiders, der Linksaußen von einem Zuschnitt, wo Lafontaine ja noch fast wie ein mittiger Politiker aussieht. Schämt euch, geht in euch, nimmt diesen Antrag zurück für Europa. Seid nicht Ihr die Anti-Europäer!

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI).(FR) Herr Präsident! Wir haben einen einheitlichen Markt, eine einheitliche Währung; es würde also durchaus Sinn machen, eine einheitliche Fraktion zu haben, was in jedem Fall effizienter wäre. Es gäbe einen einzigen Sprecher, und die Dinge ließen sich leichter aufteilen. Herr Corbett schlägt vor, die Mindestzahl auf 30 anzuheben. Dies erscheint äußerst gefährlich, denn die Iren, die Franzosen und die Niederländer wären fähig, 31 zu schicken, und das würde uns dann echte Probleme bereiten. Ich persönlich denke, dass wir eine flexible Schwelle brauchen. Wir würden sie bei 30 belassen, aber der Präsident könnte sie nach Belieben auf 35 oder 40 anheben, wenn die Mitglieder, die beitreten möchten, nicht ganz ins Schema passen.

In der Vierten Republik wurde von einer Praxis mit dem Namen „Annullierung“ Gebrauch gemacht. Zu Beginn der Legislaturperiode entschied die Mehrheit, ob die Amtszeit eines bestimmten Parlamentsmitglieds verlängert oder annulliert werden sollte. Diese Methode ist perfekt. Herr Corbett könnte beispielsweise beauftragt werden, die Amtszeit derjenigen Mitglieder zu annullieren, die seine Ansichten nicht teilen. Wir könnten dies aber auch abändern: Diejenigen, die Herrn Corbetts Ansichten nicht teilen, würden ihm oder seiner Fraktion ihre Diäten überlassen. Wie dem auch sei – das hat alles keine Bedeutung. Die Iren haben gezeigt, dass es egal ist, welche Regeln Sie annehmen; was hier geschieht, ist nicht mehr maßgeblich, Herr Corbett.

 
  
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  Richard Corbett, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Mir hat diese Aussprache gefallen. Mir haben die wilden Behauptungen gefallen, die zu dieser Änderung aufgestellt worden sind, nämlich dass die Anhebung der Schwelle zur Bildung einer Fraktion in diesem Parlament von 20 auf 25 oder vielleicht 30 Mitglieder irgendwie das Ende der Demokratie und das Ende des Pluralismus im Parlament wäre. Was für ein ausgemachter Unfug! Dies ist ein bescheidener Vorschlag. Selbst 30 länge noch immer deutlich unter der Schwelle der meisten einzelstaatlichen Parlamente, die wir alle für absolut demokratisch halten. Warum also nicht hier?

Der Gedanke, es handle sich hier um einen Angriff auf existierende Fraktionen, ist Unsinn. Glücklicherweise hat der Sprecher der UEN-Fraktion festgestellt, dass seine Fraktion davon nicht betroffen wäre. Ich war überrascht darüber, dass Herr Batten annahm, seine Fraktion wäre davon betroffen. Ich dachte, er ginge davon aus, bei den nächsten Europawahlen Sitze zu gewinnen. Ich denke eher, sie werden Sitze verlieren und so zerschlagen werden, dass sie nicht einmal die gegenwärtige Schwelle erreichen werden. So wären Sie weder in dem einen noch im anderen Fall betroffen.

Und was die Meinung betrifft, dies ziele auf eine spezielle Ansicht wie beispielsweise die der Euroskeptiker ab, wie behauptet wurde – was für ein Unfug! Euroskeptiker waren in diesem Parlament immer vertreten, sogar gut vertreten und hatten fast immer eine Fraktion, und ich bin sicher, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird. Sie vertreten einen kleinen, aber bedeutenden Teil der öffentlichen Meinung und müssen natürlich an unseren Aussprachen teilnehmen. Das wird sich durch diesen Vorschlag nicht ändern.

Dieser Vorschlag ist nicht radikal. Es ist ein sinnvoller, vernünftiger und praktischer Vorschlag, mit dem geprüft werden soll, welche Schwelle zur Bildung einer Fraktion in einem vergrößerten Parlament geeignet ist.

Es ist kein radikaler Vorschlag, er richtet sich gegen niemanden. Ich bin froh darüber, dass viele Fraktionen einen Sinn darin sehen, einen Kompromiss zwischen den beiden Ansichten in dieser Angelegenheit zu erzielen und sich auf den bescheidenen Vorschlag von 25 zu einigen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch, den 9. Juli 2008, statt.

 

22. Änderung der Geschäftsordnung im Lichte der Vorschläge der Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform betreffend die Arbeit des Plenums und Initiativberichte (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Richard Corbett im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Änderung der Geschäftsordnung im Lichte der Vorschläge der Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform betreffend die Arbeit des Plenums und Initiativberichte (2007/2272(REG)) (A6-0197/2008).

 
  
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  Richard Corbett, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Ich hoffe, meine Kolleginnen und Kolleginnen ertragen es, wenn ich noch einmal das Wort zu den Änderungen der Geschäftsordnung ergreife, die offenbar immer an einem Montagabend besprochen werden.

Wie den Kolleginnen und Kollegen sicher bekannt ist, hat das Parlament eine Arbeitsgruppe unter dem sehr guten Vorsitz unserer Kollegin Dagmar Roth-Behrendt eingesetzt, die sich mit der Verbesserung der Arbeit unseres Parlaments befasst hat.

Wir haben uns von einer Quasselbude zu einem Mitgesetzgeber entwickelt. Was auch immer mit dem Vertrag von Lissabon passieren wird, diese Veränderung hat bereits stattgefunden. Aus diesem Grund ist es vernünftig und logisch, dass wir uns damit befassen, wie wir unsere Arbeit organisieren.

Ein bedeutender Punkt dabei ist die unvermeidbare und richtige Abwendung von Initiativberichten der Ausschüsse ohne legislative Auswirkung hin zu einem stärkeren Fokus auf die Rechtsprechung.

Das ist der erste und vielleicht wichtigste Teil des Pakets von Vorschlägen, das ich Ihnen heute vorgelegt habe. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe waren natürlich sehr weit gefasst: Nur wenige von ihnen machen eine Anpassung an unsere Geschäftsordnung erforderlich, aber dieser gehört dazu.

Die Idee hierbei ist, dass wir zwischen den Arten und der Bedeutung von Initiativberichten unterscheiden sollten. Einige bedürfen natürlich weiterhin einer umfassenden Aussprache und Abstimmung im Plenum, andere vielleicht aber wirklich nicht.

Wir sollten aus diesem Parlament keinen für Entwürfe zuständigen Ausschuss machen, der einen ausführlichen Initiativbericht über ein spezielles Thema von einem Fachausschuss Ziffer für Ziffer neu schreibt.

Ich wäre gern noch weiter gegangen und frage: Warum werden solche Berichte, also Initiativberichte, nicht als ein Bericht von einem Ausschuss betrachtet?

Berichte des britischen Oberhauses, über die wir alle sprechen, sind Berichte der Ausschüsse des Oberhauses: Über sie stimmt das Oberhaus weder ab, noch schreibt es sie neu. Es sind eigenständige Berichte – häufig sehr gute, ausführliche und analytische Berichte. Sie benutzen die Lords nicht als Instanz, die den Bericht Ziffer für Ziffer prüft. Das sollten wir bei solchen Initiativberichten auch nicht tun.

Mit dieser Änderung der Geschäftsordnung wird das möglich. Natürlich werden wir – das ist der Kompromiss – den Bericht auch weiterhin dem Hohen Haus vorlegen, damit es ihn bestätigt oder ablehnt. Ferner können Fraktionen, die nicht mit dem Bericht einverstanden sind, einen alternativen Entschließungsantrag einreichen, aber wir werden nicht stundenlang über jede einzelne Ziffer abstimmen, um einen solchen Bericht eines Ausschusses neu zu formulieren. Das ist meines Erachtens eine erste, sehr wichtige Änderung.

Eine weitere Änderung ganz anderer Art ist die Belebung unserer Aussprachen und die Frage, wie wir mit unserer Redezeit umgehen. Die Rolle des Berichterstatters wird gestärkt werden: Der Berichterstatter trägt den Bericht des Ausschusses vor, der eine Reaktion auf eine Gesetzesvorlage der Kommission ist, und erklärt so umgehend die Haltung des Parlaments zum Kommissionsvorschlag. Er schließt die Aussprache am Ende ab, vielleicht indem er auf die Punkte antwortet, die der eine oder andere Abgeordnete angesprochen hat, so wie ich es in der gerade stattgefundenen Aussprache versucht habe. Das sollte unsere Aussprachen beleben und lohnt sich durchaus.

Allerdings gibt es ein Detail, das für vielerlei Anmerkungen gesorgt hat: Dabei handelt es sich um den Vorschlag, Leitlinien für schriftliche Parlamentsanfragen ähnlich denen einzuführen, wie wir sie bereits für Anfragen in der Fragestunde für andere Organe haben.

Ich weiß nicht, was daran so dramatisch ist. Es ist kein Versuch, eine Zensur für Anfragen einzuführen. In den Leitlinien wird lediglich festgehalten, dass schriftliche Parlamentsanfragen, ebenso wie die Anfragen in der Fragestunde, in die Zuständigkeit des Organs fallen, das gebeten wird, auf die Frage zu antworten. Das scheint eine logische und vernünftige Lösung zu sein, die es gegenwärtig jedoch nicht gibt.

Die Tatsache, dass es sie nicht gibt, hat dazu geführt, dass ein Abgeordneter dieses Hauses mehr als Tausend schriftliche Parlamentsanfragen zu Themen eingereicht hat, die überhaupt nichts mit der Europäischen Union zu tun haben. Dadurch war das System überlastet und wir anderen mussten länger auf unsere Antworten warten. Das hat ein Vermögen gekostet, weil nämlich alle diese Anfragen in alle Sprachen übersetzt und an die Kommissare verteilt werden müssen, damit sie gemeinsam und kollegial antworten können. Das ist eine Verschwendung unserer Zeit und unserer Ressourcen. Das einfache Festlegen von Leitlinien, mit denen festgehalten wird, dass die Anfragen den Aufgabenbereich der Europäischen Union und der Organe betreffen müssen, erscheint mir vernünftig.

Und wer sollte das beurteilen? Mein Vorschlag sieht vor, dass unser Präsident, der Präsident des Parlaments dies beurteilen sollte. Wenn wir Leitlinien festlegen, überlassen wir die Beurteilung nicht der Kommission, die sagen könnte: „Nein, wir beantworten diese oder jene Anfrage nicht.“ Nein, wir entscheiden – und das ist etwas, womit wir die Abgeordneten schützen, was eine Garantie für die Abgeordneten sein sollte. Ich bin erstaunt darüber, dass einige Abgeordnete, die heute Abend nicht anwesend sind, es für nötig gehalten haben, diesen Vorschlag in einer E-Mail an alle Parlamentsmitglieder anzugreifen.

Es sind bescheidene, vernünftige Vorschläge einer aus Vizepräsidenten und Dagmar Roth-Behrendt bestehenden Arbeitsgruppe, die ich dem Haus empfehlen möchte.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. − (EN) Herr Präsident! Ein reformiertes Parlament, das sich für eine lebhaftere politische Debatte über die EU einsetzt, liegt doch im Interesse all unserer Bürger sowie aller Organe. Wir brauchen dynamischere Diskussionen über europäische Angelegenheiten, und ich gehöre zu jenen, die zutiefst davon überzeugt sind, dass Aussprachen das Lebenselixier einer funktionierenden Demokratie sind.

Ich möchte Herrn Corbett im Namen der Kommission zu seinem Bericht über die Arbeit des Plenums und die Einreichung schriftlicher Anfragen gratulieren. Im Laufe der Jahre hat es immer mehr Parlamentsanfragen gegeben. 2007 hat die Kommission mehr als 6 700 Anfragen beantwortet. Das ist ein Anstieg um 12 % gegenüber 2006 und um fast 35 % im Vergleich zu 2005. Die bisherige Tendenz lässt einen weiteren Anstieg vermuten.

Die Flut von Anfragen war gleichzeitig eine echte Herausforderung: Fast 25 % aller schriftlichen Anfragen wurden von nicht mehr als acht MdEP eingereicht. Ferner betrifft eine recht große Anzahl von Anfragen keine Fragen, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Ich kann Ihnen da gern einige Beispiele nennen.

Die Kommission ist sehr engagiert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Parlamentsanfragen äußerst sorgfältig zu beantworten. Die Verpflichtung dazu ergibt sich aus den Verträgen. Außerdem ist es ein zentrales Element unserer Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament. Die Kommission begrüßt die Einführung einiger Leitlinien und Zulassungskriterien für schriftliche Parlamentsanfragen, wie sie in dem Bericht vorgeschlagen werden. Gegenwärtig gibt es ein System von Leitlinien für mündliche Anfragen an die Kommission und an den Rat, und der Bericht Corbett schlägt ein Verfahren vor, das vom Parlament bereits angewandt wird und mit dem sowohl der Rat als auch die Kommission sehr vertraut sind. Die wirksame Umsetzung dieser Leitlinien wird die Chancen einzelner Abgeordneter erhöhen, Anfragen an die Kommission zu richten und zeitnah Antworten zu erhalten, wie der Berichterstatter ja bereits erläutert hat. Außerdem werden wir uns auf Anfragen konzentrieren können, die wirklich in die Zuständigkeit der Kommission fallen und von allgemeinem Interesse sind.

Lassen Sie mich noch auf eine weitere, in dem Bericht angesprochene Frage eingehen, und das betrifft die Reihenfolge der Redebeiträge in Plenartagungen. Die Kommission versteht die Logik und die Möglichkeit, Legislativdebatten mit der Stellungnahme der Berichterstatter zu eröffnen. Was allerdings die Reihenfolge der Redebeiträge und die Redezeit betrifft, möchte ich betonen, dass das Prinzip der Gleichbehandlung von Kommission und Rat beibehalten werden muss.

Lassen Sie mich abschließend noch daran erinnern, dass wir unlängst unseren Standpunkt zum zweiten Zwischenbericht geäußert haben, den die Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform angenommen hat, und wir freuen uns auf die Gelegenheit, mit dem Parlament über diese Fragen zu diskutieren, bevor Ihr Organ seinen endgültigen Standpunkt zum Reformpaket annehmen wird. Ich bin zuversichtlich, dass der Geist der guten Zusammenarbeit zwischen den Organen, den beide bisher bewiesen haben, durch den gesamten Reformprozess hindurch erhalten bleiben wird.

 
  
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  József Szájer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (HU) Herr Präsident! Erneut konnten wir Stimmen vernehmen, die die Auffassung vertreten, in der Empfehlung ginge es darum, die Aktivitäten bestimmter Abgeordneter des EU-Parlaments zu beschneiden. Ich möchte die Euroskeptiker unter den MdEP darauf aufmerksam machen, dass sie die Empfehlung lesen sollten, bevor sie sich so äußern.

Der Bericht und die Änderung der Geschäftsordnung wären schon vor langer Zeit vonnöten gewesen, da das Europäische Parlament seit langem über umfangreiche Rechtsetzungsbefugnisse verfügt. In der Zwischenzeit sollten wir uns mit dem Fakt beschäftigen, dass wir insgesamt 17,4 % unserer Zeit, der Zeit, die wir in Aussprachen im Plenum verbringen, mit Rechtsetzung zubringen. Der Rest geht für andere Aktivitäten drauf.

Vielmehr ermöglicht der Bericht dem Parlament, sich mit dem zu beschäftigen, wozu die Verträge es befugt haben. Anders gesagt können wir uns somit tatsächlich auf unsere gesetzgebende Funktion konzentrieren, was nicht bedeutet, dass wir die Eigeninitiativberichte abwerten, da auch sie äußerst wichtige Punkte enthalten, aber es muss uns dabei klar sein, dass ihre Wirkung im Vergleich zu dem, was wir mit Rechtsetzung erreichen können, deutlich eingeschränkt ist .

Wenn wir Rechtsvorschriften erlassen, sorgen wir für Veränderungen, die direkte Auswirkungen auf das Leben von 500 Millionen Menschen in den kommenden Jahren haben, während dieser Transfer bei Initiativberichten wesentlich länger dauert und in seiner Wirkung geringer ist. Folglich muss sich das Parlament wesentlich intensiver mit dem Erlassen von Rechtsvorschriften beschäftigen, was dieser Bericht möglich macht.

Es ist uns auch gelungen, Übereinstimmung beim Thema Anfragen zu erzielen, da es wichtig ist, dass auf Anfragen handfeste Antworten gegeben werden. Häufig erhalten wir Abgeordnete keine wirklichen Antworten von der Kommission, obgleich jedes einzelne Mitglied des EU-Parlaments, wie die Frau Kommissarin sagte, das Recht auf Beantwortung seiner bzw. ihrer Anfrage hat, aber die betreffenden Anfragen müssen natürlich auch in den Aufgabenbereich der EU und der Kommission fallen.

Es erfüllt mich auch mit Freude, dass die Kommission endlich die Begrenzung auf nur zwei Anfragen pro Monat aufgehoben hat. Das war eine weise Entscheidung, aber wir können in jedem Fall ein besseres Ergebnis erzielen und die neue Bestimmung leistet einen Beitrag dazu, Anfragen effizienter zu gestalten, deshalb gratuliere ich dem Berichterstatter Herrn Richard Corbett. Vielen Dank.

 
  
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  Jo Leinen, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Initiativberichte im Europäischen Parlament haben durchaus ihre Berechtigung. Wir sind ein Parlament von 27 Staaten und Völkern und da gibt es viele Fragen, die auf den Nägeln brennen, sowohl innerhalb der EU als auch in unseren Beziehungen zu anderen Teilen der Welt.

Aber ich schließe mich auch den Äußerungen an, dass sich dieses Parlament mehr und mehr von einer beratenden Versammlung zu einer gesetzgebenden Körperschaft entwickelt hat. Der Vertrag von Lissabon wird das ja noch einmal eine ganze Stufe nach vorne bringen. Ergo müssen wir Prioritäten setzen. Wenn ich höre, dass wir nur 17,4 % auf Legislativarbeit verwenden, dann ist das effektiv zu wenig. Wir sind unter Stress, unter Zeitdruck, wir wollen better legislation machen und da brauchen wir in diesem Bereich mehr Zeit und Prioritäten.

Es ist auch gut, dass wir jetzt sagen: Nicht jeder Bericht muss im Plenum noch einmal diskutiert werden. Man kann auch ohne Aussprache abstimmen, und die Kollegen können dann schriftliche Erklärungen abgeben, wenn sie sich zu dem Bericht äußern wollen. Das muss nicht mündlich im Plenum passieren.

Ich finde es richtig, Frau Vizepräsidentin, dass hier im Parlament der Berichterstatter sowohl das erste Wort als auch das letzte Wort hat, weil wir uns hier quasi als Kammer der Bürger am Anfang und am Ende einer Aussprache artikulieren müssen. Das ist eine gute Neuerung.

Zu guter Letzt zu den Anfragen: Es geht alles solange gut, bis es missbraucht wird. Wir hören hier die Zahlen, dass acht Mitglieder 25 % aller Anfragen stellen. Das sind also fast 1 700 Anfragen von acht Kollegen. Nun kann man sagen, dass sie sehr fleißig sind, aber es riecht doch danach, dass hier das EU-System wie in vielen anderen Fällen auch ganz sträflich von den Gegnern der EU missbraucht wird. Da müssen wir eine Regel einführen, und die Leitlinien sind ein Maßstab, ein Rahmen, nach dem wir arbeiten können.

Glückwunsch an Richard Corbett, dass er sich immer wieder an die Arbeit macht, dieses Parlament weiterzuentwickeln. Vielen Dank.

 
  
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  Andrew Duff, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Es freut mich, dass ich in diesem Redebeitrag eine zustimmendere Haltung einnehmen kann als zuvor. Die Fraktion der Liberalen unterstützt nachdrücklich den Tenor der Reformen, die in einer Reihe von Vorschlägen eingebettet sind, und zwar insbesondere zu den Parlamentsanfragen.

Ich denke, es ist richtig, dass wir den ersten Vorschlag des Berichterstatters, die Anzahl der möglichen Parlamentsanfragen zu deckeln oder zu begrenzen, haben fallen lassen.

Ehrlich gesagt möchte ich zwei weitere kleine Verbesserungen vorschlagen. Die erste besteht darin, das Verfahren weiter zu fassen, damit schlechte Ausschussberichte – und leider gibt es da einige – nicht mehr ohne Verbesserung durch das Plenum rutschen. Hier wäre es angemessen zuzulassen, dass der Ausschuss selbst, und nicht nur der Berichterstatter oder zwei Fraktionen oder 10 % der Mitglieder, Änderungsanträge einreicht.

Mein zweiter Vorschlag wäre, der neuen, vom Berichterstatter vorgeschlagenen kurzen Präsentation eine „catch the eye“-Phase hinzuzufügen. Ich denke, dass diese beiden Änderungen die Chancen für eine Parlamentsdebatte und einen Austausch durchaus vergrößern würden, während gleichzeitig der Zweck der Arbeitsgruppe, der natürlich darin besteht, die Abwicklung der Parlamentsarbeiten zu straffen und zu beleben, erhalten bliebe.

 
  
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  Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Mir geht es ähnlich wie dem Kollegen Duff. Im Unterschied zum vorherigen Bericht möchte ich hier signalisieren, dass wir den Bericht insgesamt als Fraktion unterstützen können, denn der Bericht spiegelt die Vorschläge wider, die die Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform eingebracht hat, und setzt sie um als Änderung der Geschäftsordnung.

Was wir nicht unterstützen können, darauf möchte ich auch kurz hinweisen, das ist der Vorschlag, bei Initiativberichten keine Änderungsanträge mehr zuzulassen. In meiner Fraktion ist man der Meinung, dass Änderungsanträge sehr wohl zur politischen Kultur, zur politischen Debatte gehören, und vor allem zum Recht der einzelnen Fraktionen, und dieses Recht der Fraktionen sollte man nicht beschneiden.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich die Anträge 13 und 15 der Grünen und der Liberalen unterstützenswert finde. Auch wenn wir keine langen ausführlichen Debatten zu einzelnen Berichten hier im Plenum haben müssen, sollten wir aber Diskussionen haben, und sie sollten kurz sein — entweder ein Redner pro Fraktion, wie das die Grünen vorschlagen, oder eben das Catch-the-eye-System. Aber ganz auf die Debatte zu verzichten, da leisten wir uns selbst keinen guten Dienst, denn wir nehmen uns ja nicht ernst, wenn wir keine Debatten zulassen. Das finde ich auch nicht gut.

 
  
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  Hanne Dahl, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (DA) Herr Präsident! Alle gesetzgebenden Körperschaften müssen jederzeit der Prüfung unterliegen und so wie wir bereit sein, sich selbst zu kontrollieren. Ich befürchte allerdings, dass die im vorliegenden Bericht empfohlene Selbstüberwachung zu weit geht. Ich würde so weit gehen und sie als Selbstzensur bezeichnen. Wenn der Bericht in seiner ursprünglichen Form angenommen wird, bedeutet dies, dass das Parlament selbst vorschlägt, das Recht seiner Abgeordneten zu beschränken, sachdienliche Anfragen an den Rat und die Kommission zu stellen. Natürlich macht das an sich Sinn, aber im Bericht heißt es auch, es obliege dem Präsidenten zu entscheiden, ob die betreffende Anfrage gestellt werden kann. Folglich muss der Parlamentspräsident entscheiden, welche Anfragen an die anderen EU-Institutionen gestellt werden können. So führen wir eine zusätzliche Selbstzensur ein. Zudem wird dem Parlamentspräsidenten erlaubt, zu zensieren.

Ich möchte das Hohe Haus daran erinnern, dass wir das einzige direkt gewählte Organ sind und damit eine besondere Verpflichtung haben. Unsere Aufgabe ist es, parlamentarische Kontrolle auszuüben. Folglich können wir uns auf keinen Fall Selbstzensur verordnen, die dem Missbrauch offen steht. Selbstverständlich haben wir alle eine moralische Pflicht, die Zeit der EU-Organe nicht mit irrelevanten Anfragen zu verschwenden, aber die Festlegung von objektiven Kriterien der Relevanz ist unannehmbar. In der Politik gibt es keine objektiven Kriterien, und wenn wir diese festschreiben, laufen wir Gefahr, dass sie missbraucht werden.

 
  
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  Jim Allister (NI) . – (EN) Herr Präsident! Dieser Bericht war in seiner ursprünglichen Fassung weitaus drakonischer und antidemokratischer als in seiner Endfassung. Unser eurofanatischer Berichterstatter hat mit dem Vorschlag, die Rechte der gewählten Mitglieder dieses Hauses einzuschränken und der ungewählten Kommission und dem Rat Fragen stellen zu dürfen, sein wahres Gesicht gezeigt. Ich meine seinen monströsen Vorschlag, drei Anfragen pro Abgeordneten und Monat zuzulassen.

Glücklicherweise musste er schnell einen Rückzieher machen, jedoch weist sein Bericht teilweise noch immer den repressiven Charakter auf, der auch dem Vorschlag zugrunde lag. So ist insbesondere nicht hinnehmbar, dass er dem Präsidenten ein Veto über den Inhalt einer Anfrage einräumen möchte. Und zwar umso mehr, als der gegenwärtige Präsident angesichts seiner Unfähigkeit, Widerspruch hinzunehmen, was in seinen Sanktionen gegen jene in diesem Haus deutlich wurde, die es gewagt haben, das Recht ihrer Wähler auf ein nationales Referendum über den Vertrag von Lissabon zu fordern, nicht das Vertrauen aller in diesem Haus genießt.

Der Präsident hat seine Intoleranz gezeigt, und ein Präsident, dem Zensurbefugnisse erteilt werden, die es ihm ermöglichen, Europas Elite gegen bohrende Anfragen von Abgeordneten zu schützen – ein solcher Präsident wird die Zensur mit Freude ausüben. Aus diesem Grund ist es töricht, ist es falsch und undemokratisch, Mitglieder dieses Hohen Hauses so zu binden und zu knebeln, wie es unser Berichterstatter wenig überraschend versucht.

 
  
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  Costas Botopoulos (PSE). (EL) Herr Präsident! Das parlamentarische Verfahren ist keine reine Formalität unserer Arbeit. Es ist der Kern der Arbeit jedes Parlaments, selbst eines Parlaments wie des unsrigen mit 780 Abgeordneten aus so vielen verschiedenen Ländern, das dem Auge der Öffentlichkeit weit entrückt ist und deshalb häufig an den für die Menschen interessanten Themen vorbeiarbeitet; ein Parlament mit bekannten Verfahren für Aussprachen, wobei die Aussprache im Plenum lediglich ein formales Verfahren im Verhältnis zur wirklichen Arbeit ist, die in den Ausschüssen geleistet wird.

Daher ist jede Anstrengung, die Plenumsarbeit des Parlaments auf der Grundlage bestimmter Prinzipien zu verbessern, zu begrüßen. Dazu gehören: Erstens der Grundsatz der Effizienz, sodass wir Debatten führen, um zu verschiedenen Optionen und letztlich Entscheidungen zu gelangen. Zweitens das Prinzip der Demokratie mit gleichen Voraussetzungen für alle, unabhängig der ihnen zustehenden Befugnisse, damit jeder angehört wird. Und drittens das Prinzip der „Lebensnähe“, wie ich es nennen würde, sodass unsere Äußerungen für die Öffentlichkeit von Interesse sind.

In welchem Maße ist diesen Grundprinzipien durch den Vorschlag in diesem konkreten Bericht gedient. Nach meinem Dafürhalten in befriedigendem Umfang, obwohl durchaus Raum für einige kleine Verbesserungen besteht, die ich im Folgenden darlegen möchte.

Ich teile die Ansicht hinsichtlich des Verfahrens der kurzen Darstellung. Es gibt einen Grund, warum eine Kurzdarstellung begrüßenswert ist: Genauer gesagt wird es damit keinen Bericht geben, über den nicht diskutiert wird. Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: Der äußerst interessante Bericht von Herrn Duff über Möglichkeiten der Kontrolle der Kommission, über den wir morgen abstimmen, wird nicht erörtert, obgleich dies eine sehr gute Chance wäre, das Verfahren der kurzen Darstellung anzuwenden.

Darum befürworte ich diesen Ansatz, aber darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen – und das erleben wir heute und immer wieder – wie spannend das „Catch-the-eye“-Verfahren ist und wie langweilig ein Aussprache ist, wenn sich nur der Berichterstatter bzw. die Berichterstatterin und die Kommission daran beteiligen, obgleich es reizvoll wäre, wenn auch andere das Wort ergreifen könnten.

Eine letzte Bemerkung: Was Anfragen betrifft, so sind wir nach meinem Dafürhalten auf dem richtigen Weg. Abschließend zu den Initiativberichten: Meines Erachtens sollten Änderungsanträge zu solchen Berichten diskutiert werden.

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM) . – (EN) Herr Präsident! Wenn ich diese kurzen Redebeiträge schreibe, kommt es mir so vor, als bedürfe es wirklich des Talents eines George Orwell, um diesen Berichten gerecht zu werden.

Dieser Bericht des ignoranten Satirikers und Humoristen, Herrn Corbett, ist ein typisches Beispiel dafür. Was für eine unglaublich undemokratische Arroganz ist es vorzuschlagen, dass Mitglieder dieses Parlaments ihre Anfragen an den Rat und die Kommission zensieren lassen sollen! Man sagt uns, dass so Beleidigungen von Rechts verhindert werden oder der Verwendung einer Anstoß erregenden Ausdrucksweise ein Ende gesetzt werden soll.

Vielleicht ist Herr Corbett darüber besorgt, dass wir Fragen über die Strafregister einiger Kommissare oder deren frühere Karrieren als Apparatschiks der osteuropäischen kommunistischen Regimes stellen könnten, oder vielleicht auch über die angeblichen Karrieren ehemaliger EU-Präsidenten als Agenten des KGB?

Der Präsident des Parlaments hat sich unlängst willkürliche Befugnisse angemaßt, um das Recht der MdEP, in diesem Saal sprechen zu dürfen, zu kontrollieren. Jetzt möchte Herr Corbett zensieren, was MdEP dem Rat und der Kommission im Namen ihrer Wähler mitteilen können.

Wenn ich auf Herrn Corbetts Anmerkung zu meinem Redebeitrag in der letzten Aussprache eingehen darf: Selbstverständlich habe ich mich auf die von ihm vorgeschlagenen Bestimmungen für die Bildung von Fraktionen mit Blick auf die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie in ihrer gegenwärtigen Konstellation bezogen. Es ist die Labour-Partei, die in Großbritannien vor der Auflösung steht. Ein Grund ist ihr europhiler Fanatismus, und ich kann ihm versichern, dass die britische Independence Party 2009 mit noch mehr MdEP hier vertreten sein wird.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). - Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Anfragen stellen genau das Spektrum dar, das die Bürger an Information von der EU erwarten. Nachdem heute Kommissarin Wallström hier ist, fordere ich sie auch auf, diese Anfragen durcharbeiten zu lassen und vielleicht eine Broschüre erstellen zu lassen, wo das Frage- und Antwortergebnis auch den Bürgern Europas zur Verfügung gestellt wird, sodass sie auch im Internet nachlesen können, wie die Fragen, die hier im Parlament von den Abgeordneten an die Kommission und an den Rat gestellt werden, beantwortet werden. Es wäre für Journalisten und für die Bürgerinnen und Bürger Europas großartig, wenn das noch vor den Wahlen möglich wäre.

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Verts/ALE). - Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich habe mich auf die Wortmeldung von Herrn Leinen gemeldet. Herr Leinen, wenn Sie einen Moment zuhören: Es geht um die Äußerungen zum Initiativbericht. Man kann über die Qualitäten der Initiativberichte streiten, die hier eingebracht und dann verabschiedet werden. Aber wenn Sie jetzt die Änderungsanträge nicht mehr zulassen, wie soll denn dann ein Initiativbericht verbessert werden? Ich möchte doch daran erinnern, dass wir als Parlament kein Initiativrecht zur legislativen Gesetzgebung haben. Da sind wir auf die Kommission angewiesen. Wie wollen wir denn der Kommission mitteilen, was wir an Initiativen gerne hätten, wenn wir die Initiativberichte beschneiden oder wenn wir sie nicht in eine Richtung bringen, die die Sache verbessert? Wenn ich richtig sehe, verfügen wir selbst nach dem Vertrag oder nach dem, was einmal Verfassung hieß, nicht über das Initiativrecht im legislativen Bereich. Also bleibt uns nur die Willenskundgebung im Initiativbericht. Ich finde es bedauerlich, wenn Sie das abwerten, weil wir uns einer Möglichkeit berauben. Ich meine, darüber sollten Sie noch einmal nachdenken, sowohl der Berichterstatter als auch Sie, Herr Leinen.

 
  
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  Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Der Berichterstatter braucht keine Verteidiger. Ich zweifle nicht daran, dass er sich selbst verteidigen kann, aber ich muss zugeben, ich habe um das Wort gebeten, weil einige Redebeiträge nach meinem Dafürhalten ausschweifend waren.

Meiner Meinung nach müssen wir in diesem Haus miteinander diskutieren und Argumente vorbringen. Ich habe mir gerade den Beitrag von Herrn Graefe zu Baringdorf angehört. Wir sind in diesem Punkt nie einer Meinung, aber meines Erachtens schaden einige der Beschreibungen, Beleidigungen und Spottbilder letztlich dieser Institution und vor allem jenen, die sich dafür verantwortlich zeichnen, Herr Präsident. Da wir in Frankreich sind, war es meines Wissens ein französischer Schriftsteller, der einmal sagte, allem, was übertrieben ist, fehle es an Wert. Heute gab es einige Redebeiträge, denen es an Wert mangelte.

Wir schätzen die Arbeit von Herrn Corbett, die schlicht widerspiegelt, was eine Gruppe von Vizepräsidenten in diesem Haus tut, in der alle Parlamentsfraktionen vertreten sind. Das zeigt sich auch in der Verordnung, über die wir mit ihm diskutiert haben. Wir schätzen die von ihm geleistete Arbeit sehr.

 
  
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  Richard Corbett, Berichterstatter. − (EN) Herr Präsident! Nach unserer letzten Aussprache freut es mich zu sehen, dass wir noch Freunde sind und einen breiteten Konsens in diesen Fragen erzielen können.

Lassen Sie mich nur einige Punkte klarstellen, die Anlass zu Kontroversen gegeben haben. Zu den Parlamentsanfragen: Wir schlagen keine Begrenzung der Anzahl der Parlamentsanfragen vor, wir sagen nur, dass die Leitlinien, die wir als Parlament bereits für Anfragen in der Fragestunde angenommen haben, auch für schriftliche Anfragen gelten sollten, nämlich dass sie in den Aufgabenbereich der Europäischen Union und des Organs fallen müssen, das sie beantworten soll.

Fragen zu Krankenhäusern in Großbritannien, die dem National Health Service unterstehen, und der Versetzung von Personal von einem Krankenhaus in ein anderes, die nichts mit der Europäischen Union zu tun haben, sollten nicht Gegenstand von Parlamentsanfragen sein, die auf europäischer Ebene sehr viel Geld kosten. Mir scheint, da sind wir uns alle einig: Nur die UKIP und ihre Anhänger können das als eine Art Konspiration oder Zensur beschreiben. Zensur? Für Kriterien, die wir selbst festlegen, über die unser Präsident entscheiden soll, nicht die Kommission oder der Rat? Wenn das Zensur ist, na du lieber Himmel.

Die zweite Frage, die für einige Kontroversen gesorgt hat, war die Redezeit. Vielleicht habe ich das vorhin nicht ausführlich genug erläutert. Wir werden die zwei Optionen beibehalten, die uns für die Organisation unserer Aussprachen bereits zur Verfügung stehen, und eine dritte hinzufügen. Gegenwärtig können wir eine ausführliche Debatte führen, die schon aus einer kurzen Aussprache mit einem Redner pro Fraktion bestehen kann. Und wir haben die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens, in dem der Berichterstatter zum Zeitpunkt der Abstimmung lediglich eine zweiminütige Stellungnahme abgibt: Das werden wir beibehalten.

Was wir vorschlagen ist, eine dritte Option hinzuzufügen: Die kurze Darstellung, in der der Bericht einen Konsens findet und auf eigene Initiative erfolgt, etc. und keine ausführliche Debatte erfordert, wobei Letztere immer eine Option bleibt. Im Rahmen des Verfahrens der kurzen Darstellung präsentiert der Berichterstatter die Schlussfolgerungen des Ausschusses, die Kommission antwortet und jeder, der möchte, kann schriftlich einen gesonderten Beitrag einreichen. So wird die Anzahl der dem Parlament zur Verfügung stehenden Optionen erhöht, die Rechte der Abgeordneten werden jedoch nicht eingeschränkt. Die Flexibilität, mit der wir diese Fragen angehen können, wird erhöht, und ich empfehle dies dem Haus noch einmal.

Schließlich eine Reihe kurzer Fragen. Herrn Rübig kann ich Folgendes sagen: Die Fragen und Antworten sind bereits online. Alle Abgeordneten können sie einsehen. Vielleicht sollten wir von dieser Möglichkeit öfter Gebrauch haben, aber sie sind da, dieses Instrument ist verfügbar. Herrn Baringsdorf würde ich gern mit „Ja“ antworten, der Bericht unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Initiativberichten. Die Art der Gesetzgebungsinitiative, auf die er sich bezogen hat, würde nicht unter dieses vereinfachte Verfahren fallen, das wir vorschlagen: Sie würde ein normales Verfahren durchlaufen, wie eine besondere Art der Gesetzgebungsinitiative es erfordert. Dafür haben wir also gesorgt.

Was die äußerst seltsamen Bemerkungen von Herrn Batten von der UKIP und seine Anspielung auf die nächsten Europawahlen angeht, so werden wir ja sehen. Ja, seine Partei hat so viele Sitze gewonnen wie die liberalen Demokraten in den letzten Europawahlen im Vereinigten Königreich, und ich glaube, sie haben zehnmal mehr ausgegeben – Herr Duff nickt, also nehme ich an, dass das stimmt. Wir werden sehen, wie viele Millionäre er dazu bringen kann, sich dieses Mal an seiner Kampagne zu beteiligen. Aber ich hoffe, dass das Bewusstsein für das, was es bedeutet, jemanden aus der UKIP in dieses Gremium zu wählen, angesichts ihrer Leistung im Europäischen Parlament in den vergangenen fünf Jahren gewachsen ist. Und wenn sich die Wählerschaft dessen bewusst ist, dann bin ich sicher, werden sie bei den nächsten Europawahlen nicht so gut abschneiden.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

 

23. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

24. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 23.15 Uhr geschlossen.)

 
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