Der Präsident. - Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in China nach dem Erdbeben und im Vorfeld der Olympischen Spiele.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! China ist ein strategisch wichtiger Partner der Europäischen Union. Unsere politischen und kommerziellen Beziehungen sind besonders intensiv; ich möchte darauf hinweisen, dass die Europäische Union Chinas größter Handelspartner ist.
Die Mitwirkung Chinas auf internationaler Ebene, beispielsweise bei der Lösung der großen regionalen und weltweiten Probleme, ist für die EU von enormer Wichtigkeit. Ein weiteres Ziel der Union besteht in der Förderung der Entwicklung Chinas und der dortigen Reformen, und zwar im Interesse nicht nur des Landes selbst, sondern – angesichts seiner Größe – auch des gesamten Planeten; vor diesem Hintergrund haben wir die Folgen des Erdbebens in der Provinz Sichuan im Mai dieses Jahres mit ernster Besorgnis verfolgt und vermochten wir das Ausmaß dieser Katastrophe zu ermessen, bei der es über 70 000 Tote und 18 000 Vermisste gab und deren endgültige Zahl an Todesopfer leider 80 000 wohl überschreiten wird. Außerdem sind mehr als 5 Millionen Menschen obdachlos. Das Erdbeben sowie seine gewaltigen menschlichen und materiellen Verluste haben China veranlasst, wochenlang seinen gesamten Staatsapparat zu mobilisieren, und die von China unternommenen Anstrengungen, rasch und wirksam auf die Katastrophe zu reagieren, fanden die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft.
Die Europäische Union hat zügige humanitäre Hilfe geleistet; der Zivilschutzmechanismus der Gemeinschaft ist am 13. Mai zur Koordinierung der Beiträge der Mitgliedstaaten in Nahrungsmittel unverzüglich aktiviert worden; eine Hilfe der EU, einschließlich der Mitgliedstaaten, in Höhe von 25 Millionen Euro, von denen 2,2 Millionen Euro von der Kommission beigesteuert wurden, ist über das Rote Kreuz zugeleitet worden.
Unseres Erachtens hat China bei den Hilfsaktionen allgemeinen eine durch Effizienz gekennzeichnete Rolle gespielt und unternimmt nun mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft gewaltige Anstrengungen, um die Folgen der Katastrophe zu mildern. Die chinesischen Behörden zeigten sich ausländischer Hilfe und der Berichterstattung über dieses Ereignis in den Medien gegenüber sehr aufgeschlossen; für ihre außergewöhnlichen Hilfs- und Wiederaufbaubemühungen zollen wir ihnen daher Anerkennung.
Andererseits haben wir alle, wie Sie wissen, die Vorkommnisse in Tibet aufmerksam und mit einiger Besorgnis verfolgt, und wir werden die weiteren Entwicklungen in dieser Region wachsam verfolgen. In der Erklärung des slowenischen Vorsitzes vom 17. März im Namen der Europäischen Union äußerte sich die EU zutiefst besorgt über die ihr zugehenden Berichte über Unruhen in Tibet und brachte den Familienangehörigen der Opfer ihr tief empfundenes Mitgefühl sowie ihr Beileid zum Ausdruck. Sie forderte alle Seiten zur Zurückhaltung auf; an die chinesischen Behörden richtete sie den eindringlichen Appell, keine Gewalt anzuwenden, und von den Demonstranten forderte sie ebenfalls den Verzicht auf Gewalt.
In unseren Botschaften an die chinesischen Behörden ersuchten wir um die Aufnahme eines Dialogs mit dem Dalai Lama zwecks Erörterung der wesentlichen Fragen wie der Erhaltung der tibetischen Kultur, Religion und Traditionen. Des Weiteren haben wir mit Nachdruck Transparenz der Informationen sowie die Möglichkeit des freien Zugangs der Medien, Diplomaten, Touristen und UNO-Agenturen nach Tibet verlangt. Seit Mitte Juni ist Tibet für Touristen wieder geöffnet.
Ferner haben wir die informelle Begegnung vom 4. Mai zwischen den chinesischen Behörden und den Gesandten des Dalai Lama, die wir für einen Schritt in die richtige Richtung halten, begrüßt und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sie zu einer weiteren Runde konstruktiver Gespräche mit dem Dalai Lama führen wird. Die chinesischen Behörden und die Vertreter des Dalai Lama sind erneut am 1., 2. und 3. Juli in Peking zusammengekommen. Selbstverständlich ist es noch zu früh, um zu dieser Gesprächsrunde Stellung zu nehmen, wir hoffen aber auf eine konstruktive Vorgehensweise beider Seiten.
Die chinesischen Behörden haben bestätigt, dass die Zentralregierung in Peking und der Vertreter des Dalai Lama eine Fortsetzung ihrer Kontakte und Konsultationen vereinbart haben; desgleichen brachten sie ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Öffnung Tibets für Touristen und sonstige Personen in naher Zukunft, nach Wiederherstellung der Ordnung in der Provinz, möglich sein werde.
Was die Anwesenheit bei der Eröffnungsfeier anbelangt, so wird jeder Mitgliedstaat entscheiden, auf welcher Ebene er vertreten sein wird. Gestatten Sie mir hierzu den Hinweis darauf, dass China mehrfach betont hat, alle führenden Persönlichkeiten der EU seien herzlich willkommen.
Nach Konsultation aller seiner Amtskollegen im Europäischen Rat hat der Präsident der Republik seine Absicht angekündigt, an den Eröffnungsfeierlichkeiten in seiner doppelten Eigenschaft als Präsident der französischen Republik und als amtierender Ratsvorsitzender teilzunehmen.
Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, damit sind die Informationen, die ich Ihnen heute zur Kenntnis bringen wollte, beendet.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich bin überzeugt, dass die strategischen Beziehungen zwischen der EU und China für die Europäische Union und, wie ich glaube, auch für China und den Rest der Welt von entscheidender Bedeutung sind.
Im Rückblick war dieser Frühling ein Prüfstein für die Beziehungen zwischen der EU und China. Die Unruhen in Tibet haben in Europa zu einer Welle des Protestes und zu Störungen des olympischen Fackellaufs in verschiedenen europäischen Hauptstädten geführt. Letzteres wiederum hat ein Anschwellen nationalistischer Emotionen in China und antieuropäische Ressentiments ausgelöst, die in Boykottkampagnen gegen europäische Interessen in China umschlugen. Im Ergebnis stieg die Beunruhigung über die größer werdende Distanz zwischen der öffentlichen Meinung in Europa und in China und der wechselseitigen Wahrnehmung.
Glücklicherweise erwiesen sich diese Entwicklungen als eher kurzlebig. Für die Umkehrung des sich herausbildenden Trends waren zwei Ereignisse entscheidend. Eines war der Kommissionsbesuch in Peking vom 24. bis 26. April, an dem ich mit Präsident Barroso teilgenommen habe, das andere war die Folge des furchtbaren Erdbebens im Mai in der Provinz Sichuan.
Ich möchte mich jedem dieser Ereignisse gesondert zuwenden. Erstens lag der Fokus unseres Besuchs Ende April auf nachhaltiger Entwicklung und Klimawandel, Der Besuch bot jedoch auch Gelegenheit, die Bedenken der EU zur Lage in Tibet direkt gegenüber der chinesischen Führung anzusprechen. Sie werden sich erinnern, dass ich in meiner Rede hier im Parlament am 26. März einen Neubeginn von Gesprächen zwischen den Vertretern des Dalai Lama und der chinesischen Regierung gefordert habe. Präsident Hu Jintao teilte uns während der Gespräche im April mit, dass China in Kürze wieder Gespräche mit den Vertretern des Dalai Lama aufnehmen würde. Das war eine Schlüsselforderung der Europäischen Union.
Dieses Ergebnis unseres Besuchs in Peking hat bewiesen, dass der konsequente Einsatz der Kommission für ein konstruktives Engagement mit China zu praktischen Ergebnissen führte und das Vorgehen somit richtig war.
Das andere Ereignis, das einen Wendepunkt in den Beziehungen Chinas zum Rest der Welt markierte, war, wie der Herr Ratspräsident schon ausführte, das Erdbeben in Sichuan. Das Ausmaß der durch das Erdbeben ausgelösten humanitären Katastrophe und die Leiden der Menschen waren gewaltig: es wurden 70 000 Tote gemeldet, 10 Millionen Menschen mussten aus ihren Wohnorten fliehen.
Dies löste eine Welle internationaler Anteilnahme und Unterstützung für die Opfer aus. Noch wichtiger war die rasche und gut koordinierte Reaktion der chinesischen Regierung auf das Erdbeben, die über 130 000 Soldaten für Rettungsmaßnahmen einsetzte und der Presse freien Zugang zu den betroffenen Gebieten gewährte. Diese Reaktion setzte das heutige China in ein positiveres Licht.
Der Herr Ratspräsident erwähnte schon, welche Hilfen von uns insgesamt als Europäische Union zur Verfügung gestellt wurden; deshalb sind weitere Ausführungen meinerseits dazu nicht erforderlich. Lassen Sie mich direkt zur jetzigen Situation übergehen.
Aus chinesischer Sicht werden vom heutigen Tag bis zum Ende des Jahres drei Ereignisse entscheidend auf die Beziehungen EU-China einwirken, und ich denke, dass sich dies für uns ähnlich darstellt: die Olympiade in Peking, der vom 24.-25. Oktober in Peking stattfindende ASEM-Gipfel und der EU-China-Gipfel, der am 1. Dezember in Frankreich stattfinden soll. In dieser Zeit wird die chinesische Führung Meinungen aus dem Ausland besonders aufmerksam verfolgen. Wir müssen jetzt, und zwar mehr als je zuvor, jegliche Missverständnisse vermeiden und unsere Politik des konstruktiven Engagements fortsetzen.
In diesen Monaten wird die Lage in Tibet weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Heute lässt sich sagen, dass wir zu einer Situation zurückgekehrt sind, wie sie vor dem 14. März bestand, da die Gespräche zwischen der chinesischen Regierung und den Vertretern des Dalai Lama Anfang Mai wieder aufgenommen wurden und letzte Woche eine Gesprächsserie stattfand. Ich schließe mich aber der Meinung an, dass uns noch keine vollständige Bewertung vorliegt. Wir werden beide Seiten weiterhin darin bestärken, ihre Gespräche in einer fruchtbaren und ergebnisorientierten Weise fortzusetzen.
Im vergangenen Monat, am 24. Juni, unternahm China einen positiven Schritt und ermöglichte ausländischen Touristen wieder den Zugang nach Tibet. Obwohl seit März wieder Besuche von Diplomaten und ausländischen Journalisten unter Aufsicht stattfinden, fordern wir weiterhin von den Chinesen freien Zugang für ausländische Journalisten.
Was die Olympischen Spiele betrifft, so hoffen wir alle auf eine Chance für China und die Welt, näher aufeinander zuzugehen. Wir wünschen China dabei Erfolg.
Der ASEM-Gipfel im Oktober, an dem ich teilnehmen werde, wird eine gute Gelegenheit bieten, den Stellenwert unserer Beziehungen zu China zu unterstreichen, und auf diese Weise wichtige globale Fragen voranbringen.
Abschließend hoffe ich, dass wir besonders bei unserem nächsten EU-China-Gipfel konkrete Fortschritte bei einer Reihe von für beide Seiten wichtigen Fragen erreichen können, wie zum Beispiel Klimawandel, die laufenden Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und China, Menschenrechte sowie Wirtschafts- und Handelsfragen. Das sind unsere Ziele für den Zeitraum von heute bis zum 1. Dezember. Ich halte es für entscheidend, dass die strategische Partnerschaft EU-China kontinuierlich weiterentwickelt wird, wobei auch die vorhandenen Probleme berücksichtigt werden.
Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ratspräsident, verehrte Frau Kommissarin! Zunächst möchte meine Fraktion auf die mit großer Mehrheit angenommene Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Mai dieses Jahres zur Naturkatastrophe in China und zur Lage in Tibet verweisen.
Die EVP-ED-Fraktion begrüßt das große Engagement der chinesischen Regierung beim Wiederaufbau der vom Erdbeben betroffenen Gebiete. Wir erwarten aber auch, dass die chinesische Regierung sicherstellt, dass die neuen Häuser und Gebäude in jedem Fall erdbebensicher errichtet werden, denn wir müssen daran erinnern, dass es leider aufgrund von Baumängeln zum Einsturz vieler Schulen gekommen ist und viele Schüler zu Tode gekommen sind. Wir erwarten, dass diese Frage aufgeklärt wird und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Die EVP-ED-Fraktion beobachtet mit großer Sorge, dass die chinesische Regierung bisher die Ausrichtung der Olympischen Spiele nicht dazu genutzt hat, die Wahrung der universellen Menschenrechte in China zu verbessern. Im Gegenteil! Die Einschüchterungen von Bürgern und die Beschränkung von Medienvertretern vor den Olympischen Spielen scheinen noch zuzunehmen.
Daher fordern wir die chinesische Regierung auf, die universellen Bürgerrechte, insbesondere die Pressefreiheit, zu den Olympischen Spielen herzustellen und sie auch danach zu gewährleisten.
(Beifall)
Schließlich appelliert die EVP-ED-Fraktion an die chinesische Regierung, die laufenden Gespräche mit dem Dalai Lama ernsthaft zu führen und zu einem klaren Ergebnis auch für die kulturelle Autonomie Tibets zu führen. Es wäre für uns unakzeptabel, sollte die chinesische Regierung diese Gespräche nur nutzen, um über die Olympischen Spiele hinwegzukommen, um sie anschließend scheitern zu lassen.
Wir erwarten positive Ergebnisse für die kulturelle Autonomie und für die Menschenrechte in Tibet!
(Beifall)
Libor Rouček, im Namen der PSE-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meine Bewunderung dafür zum Ausdruck bringen, wie die chinesischen Behörden mit den Folgen des katastrophalen Erdbebens umgegangen sind, das die Provinz Sichuan erschüttert und nahezu 10 Millionen Menschen betroffen hat. Ich begrüße es sehr, dass China seine Grenzen unverzüglich für ausländische Helfer geöffnet hat, und ich kann im Namen der PSE-Fraktion zusichern, dass wir weiterhin alles tun werden, was in unserer Macht steht, damit die Hilfe aus Europa schnell und effizient an Ort und Stelle gelangt. Was Tibet betrifft, freue ich mich über die Wiederaufnahme der Kontakte und über die beiden Gesprächsrunden, die zwischen den chinesischen Behörden und den Gesandten des Dalai Lama stattgefunden haben. Ich halte das angesichts der Ereignisse im März für einen viel versprechenden Anfang, und ich glaube auch, dass diese Kontakte und Gespräche fortgesetzt werden, bis eine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden ist. Vor kurzem hat China Tibet für ausländische Touristen wieder geöffnet, und laut Meldungen der New York Times wurden bereits über 1 000 Tibeter, die nach den Märzunruhen verhaftet worden waren, wieder freigelassen. Dennoch möchte ich die chinesischen Behörden dazu auffordern, den Angehörigen der noch immer Inhaftierten zumindest Informationen über deren Aufenthaltsort zukommen zu lassen. In Bezug auf die Olympischen Spiele wünsche ich sowohl China als auch dem Olympischen Komitee angenehme und erfolgreiche Spiele, da ich überzeugt bin, dass diese Spiele, wenn sie gut organisiert sind, dazu beitragen können, die Menschenrechtssituation in China zu verbessern.
Marco Cappato, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand hier würde die Bedeutung jeglicher Beziehungen zur chinesischen Regierung oder gar die Solidarität nach dem Erdbeben in Frage stellen. Gleichwohl wirft die Erklärung, die der amtierende Ratspräsident abgegeben hat, ein Problem auf. Diese Erklärung trifft überhaupt keine Aussage zu der Rolle, die diese Union bei der Durchsetzung der bürgerlichen und politischen Rechte aller auf chinesischem Territorium, in Tibet und nicht nur in Tibet, lebenden Menschen spielen kann und muss.
(Beifall)
Ich möchte gern etwas dazu sagen, weil sonst – wenn die Tatsache begrüßt wird, dass ausländische Touristen wieder zugelassen werden, ohne ein Wort über all die Geschehnisse, die Verurteilungen, die öffentlichen Prozesse, die Militarisierung Lhasas anlässlich des Durchzugs der Olympischen Fackel, die immer noch verwehrten Freiheiten oder die praktizierten Foltermethoden zu verlieren – das Problem ziemlich einseitig angegangen wird. Die Reaktion auf dieses einseitige Herangehen wird vielleicht als blauäugig, idealistisch und sinnlos verunglimpft, weil es Menschen gibt, die über ernsthafte Dinge nachdenken, über gute Beziehungen zu China, und dann gibt es Menschen, die über naive und unstimmige Dinge nachdenken, beispielsweise wir.
Das ist das Ergebnis einer Erklärung von der Art, wie Sie sie abgegeben haben: Sie haben das uighurische Volk nicht einmal erwähnt, einfach weil es keinen für Gewaltlosigkeit eintretenden transnationalen Führer wie den Dalai Lama hat, und ich halte das für besorgniserregend, wenn wir über China sprechen. Was für ein Europa ist ein Europa, das angesichts all dessen sagt: „Jeder Staatschef mag selbst entscheiden, ob er hinfährt oder nicht, und wir Franzosen haben unsere Partner konsultiert und werden als Vorsitz der Europäischen Union hinfahren.“ Welcher Vorsitz ist das? Welche Europäische Union ist das? Das ist das Europa der Nationen, und China hat Recht mit seiner Auffassung, wonach das Europa der Nationen nicht imstande ist zu einer Politik, die fähig wäre, es zur Achtung der Menschenrechte der chinesischen und der anderen Bürger zu zwingen.
(Beifall)
Der Präsident. - Es fällt einem sehr schwer, einen Redner aufzufordern, abzubrechen, vor allem, wenn er in vollem Redefluss ist, aber versuchen Sie bitte, sich an Ihre Redezeit zu halten.
Hanna Foltyn-Kubicka, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit gern noch einmal auf die unbestreitbar katastrophale politische Lage in Tibet lenken. Angesichts der näher rückenden Olympischen Spiele verstärken die Behörden in der Volksrepublik China ihre Politik gegenüber dieser Provinz. Es ist übliche Praxis, unter dem Vorwand der Suche nach Waffen und Terroristen die Armee in tibetische Klöster zu schicken. Im Ergebnis dieser Aktionen werden die an diesen Orten zusammengetragenen Kunstwerke beschlagnahmt, und dabei kommt es auch zur Zerstörung religiöser Gegenstände. Aus Informationen von unabhängigen Forschungsinstitute und Menschenrechtsorganisationen dringen auch Berichte über das jüngste derartige Ereignis zu uns, das sich im Kloster Tsendrok in der Provinz Amdo Maima abgespielt hat. Die Spiele beginnen in weniger als einem Monat. Jeder weitere Tag, der vergeht, zeigt, dass unsere Überzeugung, es gäbe aufgrund der Spiele Veränderungen in der chinesischen Innenpolitik, unbegründet war. Dennoch hoffe ich, dass Europas Interesse an dieser Problematik nicht zusammen mit dem Olympischen Feuer in Peking erlischt.
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Meine Glückwünsche dazu, dass Sie Heuchelei, Lüge und scheinheiliges Gerede zu einer Olympischen Veranstaltung gemacht haben. Genug ist genug! Sie verhalten sich so, wie sich Regierungen jahrelang dem sowjetkommunistischen Totalitarismus gegenüber verhalten haben. Es ist immer die gleiche alte Geschichte, und es sind stets dieselben Abenteuergeschichten, die Sie uns hier auftischen.
Sie sprechen über den Stand der Verhandlungen. Wenn Sie die Tibeter nach dem Verlauf der Verhandlungen fragen, werden sie Ihnen antworten, bei allen Gesprächen ständig erniedrigt und dauernd mit der Drohung erpresst worden zu sein „wenn Sie sich rühren, werden wir in die Menge schießen“, und in dieser Hinsicht wurden der Dalai Lama und seine Vertreter genau so behandelt wie Breschnew seinerzeit Dubček behandelt hatte. Das war der bei den Verhandlungen angeschlagene Ton, und jetzt wird der amtierende Ratspräsident, der Präsident der Französischen Republik, hingehen und sagen „Gut so, China! Sie zeigen uns, wie zu verfahren ist, wenn sich jemand rührt“. Es ist Chinas Überreaktion, so wie Sarkozy’s Äußerung „die Vorstädte seien mit dem Hochdruckreiniger zu säubern“ eine überzogene Reaktion war.
Das ist die Wahrheit; und dann behaupten Sie, dies sei ein Europa der Werte. Auf welcher Grundlage, wann und wie denn? Nun, da alle hier sind – und das ist der Schwarze Mittwoch für dieses Parlament –, möchte ich den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Fraktion und den Vorsitzenden der PPE-DE-Fraktion beglückwünschen, sie sind alle da. Um was genau zu sagen? Um heute hier was zu sagen? Jeder erzählt mir „mit den Olympischen Spielen werden sich die Dinge bessern“.
Im Jahr 2001 hieß es: „Mit der Vergabe der Olympischen Spiele an die Chinesen werden sich die Verhältnisse bessern“. Seit 2001 ist nichts geschehen und die Situation verschlechtert sich. Was aber erzählen Sie uns? Dass in vier Wochen eine Besserung eintreten wird? Weshalb soll es denn zu einer Besserung kommen? Die Chinesen sind dabei, sich zu behaupten. Die Kommunistische Partei Chinas ist dabei, sich zu behaupten. Je standhafter sie werden, desto mehr gehen Sie in die Knie. Je mehr Sie in die Knie gehen, desto mehr gewinnen sie die Oberhand.
Wieso soll sich dies Ihrer Ansicht nach ändern? Bei den Olympischen Spielen werden sie alles kontrollieren. Sie werden die Rundfunksender überwachen, sie werden die Fernsehnetze überwachen, aber Sarkozy werden sie nicht kontrollieren, das stimmt. Sie werden ihn zu einem Abendessen mit Stäbchen einladen. Das wird sehr amüsant sein. Sie werden alle vor ihm katzbuckeln und ihn hätscheln. Sarkozy wird daraufhin kundtun: „Das macht drei Kernkraftwerke, 36 Hochgeschwindigkeitszüge und was weiß ich noch“. Das ist widerlich. Das ist schändlich, und wenn Europa nicht aufwacht, wenn wir weiterhin dieses Bild von einem Europa der Händler, das außerstande ist, die elementarsten Rechte in Europa oder anderswo in der Welt zu schützen, an die Wand werfen, dann lohnt sich meines Erachtens nicht, dass wir Europa aufbauen, und das muss dem amtierenden Ratspräsidenten zu verstehen gegeben werden.
(Lebhafter Beifall)
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Vielen Dank, Herr Präsident! Es ist stets schwerer, den Balken im eigenen Auge zu bemerken, als den Splitter im Auge eines anderen zu sehen. Als Erstes möchte ich den Opfern dieser großen Katastrophe mein Mitgefühl ausdrücken, aber auch, wie mein Kollege Herr Rouček, meine Bewunderung dafür, wie die chinesische Regierung reagiert hat, um den Opfern zu helfen. Darüber hinaus möchte ich der Kommission dafür danken, dass sie so ungewöhnlich schnell finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt hat, und feststellen, dass diese Hilfe sicher unbegrenzt sein wird. Ich denke, ich spreche für die Mehrheit der Abgeordneten, wenn ich sage, dass wir wollen, dass die Olympischen Spiele sicher und im Geiste des Fairplay durchgeführt werden, und das nicht nur innerhalb der Stadien. Natürlich respektieren wir die typischen Aspekte der chinesischen Geschichte und Kultur. Diese beiden Ereignisse bieten uns jedoch eine weitere Gelegenheit, einen noch intensiveren Dialog zu führen und konkrete Ergebnisse in Diskussionen mit unseren Partnern in der Volksrepublik China zu erzielen, und zwar sowohl hinsichtlich des Umweltschutzes als auch bezüglich der Menschenrechte.
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Am Mittwoch, dem 18. Juni, war ich nachmittags in einem Pekinger Hotel mit drei unbescholtenen, friedfertigen chinesischen Bürgern verabredet. Knapp eine Stunde vor unserem Treffen erfuhr ich, dass der Sicherheitsdienst zwei von ihnen aufgegriffen habe und der Dritte offiziell gewarnt worden sei, mit mir zu sprechen. Etwa 31 Stunden später kamen die beiden Festgenommenen wieder frei. Der offiziellen Lesart zufolge waren sie nicht festgenommen und mithin auch nicht freigelassen, sondern lediglich „befragt“ worden.
Wie dem auch sei, die chinesischen Behörden wollten offensichtlich jeglichen persönlichen Kontakt zwischen einem Mitglied des Europäischen Parlaments und diesen drei chinesischen Staatsbürgern unterbinden. Ich verstehe ihr schändliches Verhalten jedoch voll und ganz. Von drei führenden Vertretern der blühenden protestantischen Hauskirchen konnte Peking bestimmt keine gute Propaganda für die Olympischen Spiele erwarten. Gerade am Vorabend des bombastisch aufgezogenen Sportspektakels sind vor allem die Mitglieder offiziell nicht registrierter protestantischer Kirchen zunehmend brutaler Verfolgung ausgesetzt.
Über die grauenhaften Details dieser Repression hüllt sich Chinas fortschrittliche Führung lieber in Schweigen. Logisch. Was ist schon Besonderes daran, einen einfachen Prediger einer Pekinger Hauskirche zu Zwangsarbeit zu verurteilen? Drei Jahre lang musste er täglich zehn bis zwölf Stunden Fußbälle für die anstehenden Olympischen Spiele fertigen. Mehr brauche ich zu der chinesischen Form der Zwangsarbeit nicht zu sagen!
Und was soll man über chinesische Amtsträger denken, die Mitglieder der Hauskirchen festnehmen ließen, weil sie freiwillig und aus innerer Überzeugung den Opfern des schrecklichen Erdbebens in der Provinz Sichuan zu Hilfe geeilt waren? Das war wirklich völlig inakzeptabel. Herr Präsident, schon lange vor dem Beginn der Olympischen Spiele in China hat Peking mit seiner eklatanten Verletzung der Grundrechte die olympische Flamme meines Erachtens gelöscht!
Edward McMillan-Scott (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst den Familienangehörigen der Menschen, die ihr Leben durch das Erdbeben verloren haben, und denen, die vom Erdbeben betroffen waren, mein Beileid aussprechen.
Mit Verlaub möchte ich meine Ausführungen aber besonders an Herrn Jouyet wegen seiner heutigen Erklärung richten, dass Präsident Sarkozy, der morgen hier erscheint, den Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele beiwohnen wird.
Ich würde gern auf den Leitartikel in der heutigen Ausgabe der Lokalzeitung „Les Dernières Nouvelles d’Alsace“ verweisen: ‘L’Europe a capitulé’ – Europa hat kapituliert. Nicht nur, dass Präsident Sarkozy zu den Olympischen Spielen reist, sondern es wurden am 16. Juni mit Zustimmung der französischen Behörden auch die Übertragungen einer Gruppe unterbrochen, die über Eutelsat nach China sendet. Das geschieht nicht zum ersten Mal. Die aktuelle Unterbrechung betreffend möchte ich die französische Regierung bitten, NTDTV zu gestatten, ihre Sendungen wieder aufzunehmen.
Ich lege heute dem UN-Berichterstatter für Folter und Religionsfreiheit ein Dossier über die Menschen vor, mit denen ich vor zwei Jahren während meines Aufenthalts in Peking in Kontakt getreten war. Herr Cao Dong ist weiterhin in einem Gefängnis in Nordostchina der Folter ausgesetzt. Herr Niu Jinping wurde am 20. April 2008 erneut verhaftet und wird gefoltert. Seine Frau, Zhang Lianying, wurde viele Male gefoltert und vier Mal eingesperrt. Ich stelle ein Dossier mit den 50 Arten der Folter, die sie erleidet, auf meine Website. Herr Gao Zhisheng, ein mir bekannter christlicher Menschenrechtsanwalt, wurde Anfang dieses Jahres schwer misshandelt. Er steht weiterhin unter Hausarrest. Herr Hu Jia wurde verhaftet, nachdem er vor dem Unterausschuss Menschenrechte des Europäischen Parlaments als Zeuge ausgesagt hatte.
Wir haben es mit einem brutalen und paranoiden Willkürregime zu tun. Wir sollten die Politik aus dem Sport heraushalten, und wir sollten Herrn Sarkozy nicht nach Peking reisen lassen.
(Beifall)
Robert Evans (PSE). – (EN) Herr Präsident! Wie viele hier im Saal hatte ich vor sieben Jahren schwere Vorbehalte, als die Olympischen Spiele an China vergeben wurden. Die Vergabe erfolgte aber erst, nachdem eine Reihe von Zusicherungen durch die Regierung abgegeben worden waren – dass die Rechte der Minderheiten respektiert würden, dass Folter und Misshandlung ein Ende gesetzt würde und dass die genau dokumentierten Menschenrechtsverletzungen behandelt würden.
Wenn wir zeitlich zum heutigen Tag springen, dann wissen wir, dass unsere Besorgnis genau so groß ist wie zuvor, wenn nicht gar noch größer. Herr Cappato hat beeindruckende Worte zum Thema Tibet gefunden, und Herr Cohn-Bendit und andere haben auch dazu gesprochen. Die Verletzungen der Menschenrechte sind uns bekannt. China richtet jedes Jahr mehr Menschen hin als alle anderen Länder der Welt zusammen. Meines Erachtens wird es Europa im nächsten Monat zur Schande gereichen, wenn Präsident Sarkozy sowie eine Reihe von Regierungschefs, Präsidenten und gekrönten Häuptern der EU dastehen werden und die Hände der chinesischen Führung schütteln und ihr so eine unverdiente Glaubwürdigkeit verleihen und ihr grünes Licht geben, genauso weiterzumachen wie zuvor. Die Olympischen Spiele sollten von den olympischen Idealen getragen sein. Was derzeit in China vor sich geht, läuft dem zuwider.
Dirk Sterckx (ALDE). – (NL) Als Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu China stimme ich mit der Kommissarin überein, wenn sie erklärt, dass wir mit den Chinesen strategische Beziehungen unterhalten, die auch für beide Seiten von Bedeutung sind. Selbstverständlich streben wir wirtschaftliche Beziehungen an, doch nicht nur das. Ich meine, wir müssen das immer wieder betonen.
Zudem möchte ich zwei Dinge ansprechen, die mir wichtig sind: die individuellen Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Themen bringen wir im Rahmen der Kontakte zwischen der Delegation oder Mitgliedern der Delegation und unseren chinesischen Kolleginnen und Kollegen immer wieder zur Sprache. Wir sind zwar verschiedener Meinung, aber wir diskutieren darüber und sind bemüht, Ideen und Argumente auszutauschen. Das ist nicht eben einfach, mitunter sogar mühsam, aber das Parlament muss ohne Unterlass damit fortfahren.
Haben wir Fortschritte erzielt? Vielleicht zu wenige und zu langsam. Gleichwohl sind wir nach meinem Gefühl vorangekommen. Ich möchte das Europäische Parlament aufrufen, immer daran zu denken, dass wir den Kontakt zu den Chinesen aufrechterhalten und die Probleme immer wieder anschneiden müssen, wie schwierig, wie mühsam und wie frustrierend das mitunter auch sein mag. Aber meines Erachtens führt einzig und allein dieser Weg nach vorn. Denn nicht in diesem Saal wird über das Schicksal der Chinesen entschieden, sondern die Entscheidung fällt in China und durch die Chinesen selbst. Sie müssen wir überzeugen, nicht uns.
Thomas Mann (PPE-DE). - Herr Präsident! Weltweit gab es das Mitgefühl mit den Opfern des schweren Erdbebens vom 12. Mai in China. Es gab beachtliche internationale Hilfe von außen, doch im Innern wurden Unterschiede gemacht. Da sollte die Antiseparatismusarbeit Hand in Hand gehen mit der Katastrophenhilfe. Es ist doch völlig egal, ob man Angehöriger einer Mehrheit oder einer Minderheit ist. Man muss doch Hilfe bekommen. Man kann doch keine Unterschiede zelebrieren. Derartige Aufrufe müssen aufhören. China ist gut beraten, sich endlich zu öffnen. Dazu gehört der freie Zugang ausländischer Beobachter und Journalisten zu allen Regionen Chinas. Dem einzigen unzensierten Fernsehsender in China NTDTV muss umgehend die Wiederaufnahme des Sendebetriebs ermöglicht werden.
Noch sind viele Staats- und Regierungschefs der Empfehlung unseres Europäischen Parlaments nicht gefolgt und verzichten auf eine Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Wir unterstützen die Haltung von Angela Merkel aus Deutschland, des britischen Premiers Brown, unseres Präsidenten Pöttering und weiterer Persönlichkeiten, der Zeremonie am 8. August fernzubleiben. Frankreichs Staatspräsident Sarkozy hat gesagt, er will seine Haltung abhängig machen von dem Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Chinesen und den Vertretern des Dalai Lama. Es gibt keine Verhandlungserfolge, und das wird so bleiben — konsequenterweise muss er in Paris bleiben.
(Beifall)
Vor den Spielen möchte ich an die Lage der Tibeter erinnern. Mehr als 200 Tote nach den Aufständen vom 14. März, 5 000 in Gefangenschaft, meist ohne gerichtliche Beschlüsse, Tausende Verletzte durch physische Gewalt aufgrund der patriotischen Umerziehung. Das allen, Herr Präsident, ins Stammbuch, die immer noch willens sind, Richtung Peking zu starten!
(Beifall von der Verts/ALE-Fraktion)
Alexandra Dobolyi (PSE). – (HU) Danke, dass Sie mir das Wort erteilt haben, Herr Präsident! Die Organisation der Olympischen Spiele ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung, aber sie ist auch eine außergewöhnliche Gelegenheit für die Bürger Chinas, der Welt zu zeigen, dass sie die universellen Werte und den olympischen Geist verstanden haben. „Eine Welt, ein Traum“: Dieses Motto der Olympischen Spiele von Peking unterstreicht und repräsentiert voll und ganz die Grundprinzipien der Spiele. Ich bin sicher, dass die Olympischen Spiele eine hervorragende Gelegenheit bieten werden, unsere Zusammenarbeit und unseren Dialog mit China in vielen Bereichen zu vertiefen und auszubauen.
Wir dürfen jedoch das Erdbeben vom Mai und die Zerstörung nicht außer Acht lassen, die viele Zehntausende Menschenleben gefordert und Millionen von Menschen obdachlos gemacht haben. Wir müssen China unsere Unterstützung in schweren Zeiten zusagen, aber dabei nie vergessen, dass demokratische Reformen unabdingbar sind, und in vielen Bereichen konstruktive Kritik üben.
Ich gehöre zu jenen, die der Meinung sind, dass die Europäische Union den ergebnisorientierten Dialog über die Menschenrechte mit China weiterführen muss, aber wir müssen akzeptieren, dass die Ergebnisse nur schrittweise erreicht werden können. Sie sind aber bereits spürbar: Erst vor einigen Tagen wurde nach mehreren Jahrzehnten Unterbrechung wieder eine Direktflugverbindung zwischen China und Taiwan eingerichtet. Die Gespräche mit dem Dalai Lama sind wieder in Gang gekommen. Auch hier sind wir an einem ergebnisorientierten, pragmatischen Dialog interessiert, der die tibetischen und chinesischen Wertvorstellungen berücksichtigt und den Weg in die Zukunft weist. Ich danke Ihnen vielmals.
Cornelis Visser (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Die Olympischen Spiele in Peking werden am achten Tag des achten Monats im Jahr zweitausendacht eröffnet. Die Acht gilt in der chinesischen Kultur als Glückszahl und steht für Glück und Wohlstand. Ich hoffe, dieses Datum bringt der chinesischen Bevölkerung Glück. Auf wirtschaftlichem Gebiet ist China sehr erfolgreich. „Es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist – Hauptsache, sie fängt Mäuse“, soll Deng Xiaoping einmal gesagt haben. Er öffnete das Land für kapitalistische Unternehmen aus dem Ausland. Schritt für Schritt wird die chinesische Wirtschaft liberalisiert. Derzeit ist China ein solider Partner für die wirtschaftliche Entwicklung. Beispielsweise akzeptiert es, dass seine Währung nicht nur an den Dollar, sondern auch an den Euro und andere Währungen gekoppelt ist. China spielt in der Weltwirtschaft eine konstruktive Rolle.
Um die Menschenrechte ist es bedauerlicherweise nicht so gut bestellt, vor allem nicht um die Menschenrechte von Chinas eigener Bevölkerung. Ich bin enttäuscht, dass bei einem so festlichen Ereignis wie den Olympischen Spielen dem chinesischsprachigen Satellitensender, der aus dem Westen sendet, Beschränkungen auferlegt werden. Die chinesischen Behörden werden hoffentlich anlässlich der Spiele ihrer Bevölkerung zeigen, dass Spielregeln nicht nur in der Sportarena gelten, sondern vornehmlich dann, wenn es für das Beamtentum gilt, die Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu achten.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Infolge des Erdbebens vom 12. Mai 2008 haben 69 000 Menschen ihr Leben verloren, mehr als 18 000 werden vermisst und die Zahl der Verwundeten liegt bei über 37 000. Diese Katastrophe hat nicht nur die Chinesen erschüttert, sondern die ganze Welt. Ich war wahrscheinlich heute der Einzige in diesem Hohen Haus, der zum Zeitpunkt des Bebens vor Ort war. Ich war in Peking und Schanghai und habe die Solidarität der Menschen, der Chinesen, erlebt, die sich mit den Opfern und mit dieser Tragödie identifiziert haben.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den tausenden Mitgliedern von Rettungsteams und den freiwilligen Helfern aus aller Welt, aus Taiwan, Japan, Australien und vor allem aus China, meine Hochachtung auszusprechen. Die unter diesen tragischen Umständen gezeigte Solidarität und das Engagement dieser Menschen verdienen besondere Anerkennung. Auch die von der Europäischen Union eingeleiteten Maßnahmen sollten gewürdigt werden. Die chinesische Regierung hat mit Unterstützung der lokalen Behörden einen Betrag von 10 Milliarden Euro als Hilfe für die Opfer der Katastrophe zur Verfügung gestellt. Die gesamte Auslandshilfe für Peking betrug 5 Milliarden Euro. Die meisten Gelder kamen von der chinesischen Diaspora in unterschiedlichen Teilen der Welt.
Meines Erachtens sind Maßnahmen, die auf konkrete humanitäre Hilfeleistungen abzielen, nützlicher und ist Dialog erfolgreicher als Slogans und Rufe nach Boykott und Protesten.
Nirj Deva (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Dieses Parlament sollte sich um staatsmännisches Denken bemühen, was heute leider nicht der Fall ist.
Zehn Millionen Obdachlose stellen eine enorme Katastrophe dar – die schlimmste auf der ganzen Welt. Wir wurden Zeugen des aktiven Handelns einer an den Menschen orientierten, auf die Menschen konzentrierten chinesischen Regierung in einem Gebiet, das eine der zahlenmäßig stärksten Bevölkerung aufweist, zu der auch über eine Million Tibeter gehören. Im Gegensatz zu Birma, wo die Herrschenden sich gleichgültig verhielten und verhalten, setzt die chinesische Regierung sich deutlich erkennbar für ihr eigenes Volk ein. Jedem, der die Hilfsanstrengungen verfolgt hat, ist dies sonnenklar geworden.
Über die Menschenrechtslage in China können nicht andere Staaten, Mächte, Organisationen oder Menschen aus dem Rest der Welt entscheiden. Das können nur die 1,3 Milliarden Einwohner Chinas selbst tun. Wir wissen recht gut, dass diese Bevölkerung sehr deutlich werden, ihren Ärger demonstrieren und zeigen kann, und dass sie diesen Ärger wirklich zeigt, wenn etwas nicht stimmt.
Die Menschenrechtslage in China bessert sich und lässt sich noch weiter verbessern. Das Geschrei von Parlament und Kollegen darüber wird keine Änderung bewirken. Wir verfallen wieder einmal einem Trugschluss über unsere Einflussmöglichkeiten. Das chinesische Volk, das die Armut besiegt, wird selbst größere demokratische Äußerungsmöglichkeiten für sich einfordern. 400 Millionen Menschen wurden aus der Armut befreit – ein bemerkenswerter Erfolg. Aber die Chinesen haben Angst. Indem wir ihnen den Rücken kehren, wie in der Frage des Olympischen Fackellaufs, erzürnen wir nur die Chinesen, nicht aber ihre Regierung. Diese Unterscheidung ist wichtig und sollte verstanden werden.
Marianne Mikko (PSE). – (ET) Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon immer hat sich die olympische Bewegung um eine bessere Welt bemüht. Das bevorstehende Großereignis in Peking hat dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf Tibet und die Menschenrechte zu lenken. Der Dialog zwischen Peking und dem Dalai Lama muss unbedingt fortgesetzt werden. Als das Internationale Olympische Komitee China die Gelegenheit gab, dieses weltweite Sportereignis auszutragen, hat es dies mit der überaus deutlichen Auflage getan, dass China bis 2008 Zeit haben werde, die Menschenrechte umzusetzen. Wir wissen, dass dies nicht eingetreten ist.
Bei den Olympischen Spielen ging es noch nie ausschließlich um Sport. Die Grundsätze der Olympischen Charta geben zu einem großen Teil die der EU wieder. Ich beziehe mich dabei auf Grundrechte und Menschenrechte ohne Kompromiss. Die Charta besagt, dass das gastgebende Land die menschliche Würde achten muss und seine Bürger nicht aufgrund ihrer Nationalität oder ihres Glaubens unterdrücken darf. Daher teile ich auch die Meinung, dass Herrn Sarkozys Platz vor seinem Fernseher in Paris ist und nicht im Olympiastadion in Peking.
David Hammerstein (Verts/ALE). - (ES) Herr Präsident! Die Tatsache, dass die Olympischen Spiele in China stattfinden, hat uns eines gelehrt: Wer die Menschenrechte systematisch verletzen will, muss eine große, wirtschaftlich starke Nation hinter sich haben, kein Simbabwe oder Kuba. Und auch nicht Birma. Es muss ein Land sein, in dem Hunderte westliche Unternehmen ansässig sind, ein Land, in dem Millionen Menschen unter sklavereiähnlichen Bedingungen arbeiten. Dies muss ein Land mit einem grandiosen und aggressiven Stil sein, dann wird sich Europa verneigen und katzbuckeln.
José Ribeiro e Castro (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Ich spreche den Angehörigen der Erdbebenopfer mein Beileid aus, und ich möchte meine aufrichtige Trauer zum Ausdruck bringen. Es gibt jedoch noch andere Themen, über die gesprochen werden muss, und das sage ich speziell an die Adresse des Rates, denn ich erinnere mich an das, was Präsident Sarkozy anlässlich der Ereignisse in Tibet vor einigen Monaten gesagt hat.
Was wir soeben gehört haben, ist der Vorschlag, Sport in schäbige Politik und Politik in lächerlichen Sport umzuwandeln, und das kann nicht angehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Präsident Sarkozy die Europäische Union in Peking vertreten wird, ohne dort die politischen Häftlinge zu besuchen. Es wäre eine Schande, wenn sich unsere führenden Politiker nach Peking begeben und kein Wort über die harte Realität verlieren würden. Das wäre eine Blamage, und diese führenden Politiker könnten dann nicht mehr mit Würde vor den EU-Institutionen auftreten. Auf dieses Problem müssen wir im September unbedingt nochmals zu sprechen kommen.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Nur einen Monat vor den Olympischen Spielen in Peking leidet China noch immer unter den tragischen Auswirkungen des Erdbebens. Leider war erst ein Erdbeben nötig, bei dem Tausende ums Leben kamen und obdachlos wurden, damit die Regierung der Volksrepublik China erkannte, dass die Solidarität der Nationen, die ihre Hilfe anboten, von entscheidender Bedeutung war.
Doch dadurch China gezwungen, seine Grenzen zu öffnen und somit sämtlichen Massenmedien und humanitären Hilfsorganisationen Zugang zu Gebieten zu ermöglichen, auf die man bis dato noch nicht einmal als Besucher ein Auge werfen konnte.
Die Ereignisse, die auf das Erdbeben in China folgten, haben zu einer Besänftigung geführt, durch die die gesamte Welt nun an der friedlichen Koexistenz der Völker teilhat. Die Olympische Flagge und die heilige Flamme des alten Olympia nehmen die ideale Stellung ein sowohl zwischen den Dingen, die uns trennen, als auch und vor allem zwischen jenen Dingen, die uns vereinen.
Eva Lichtenberger (Verts/ALE). - Herr Präsident! Als Präsident Sarkozy nach den Unruhen in Tibet seine Stimme erhoben hat, hatte ich sehr viel Respekt vor Frankreich in seiner Rolle als Schützerin der Menschenrechte. Seither hat sich die Situation enorm verschlimmert, es waren noch nie so viele Menschen eingesperrt.
In Tibet war die Situation noch nie so angespannt. Die Medienzensur war noch nie so rigide wie jetzt. Und die Reaktion des Präsidenten ist aus meiner Sicht ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich für Menschenrechte einsetzt. Wir enttäuschen die Hoffnungen von all jenen in China, die hoffen, dass unser Druck ihnen hilft, Demokratie in China einzuführen.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Das Internationale Olympische Komitee hat seine Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an China damit gerechtfertigt, dass dies dazu führen würde, das Land für Verbesserungen in seiner Menschenrechtslage zu öffnen.
Die chinesischen Behörden haben aber internationale Aufrufe unbeachtet gelassen, ihre Verfolgungen nach den Unruhen vom 14. März 2008 in Tibet einzustellen. Die Teilnehmer der Proteste werden immer noch aufgespürt, festgenommen und willkürlich verhaftet, und ihre Familien erhalten keine Informationen zu ihrem Aufenthaltsort, obwohl das chinesische Recht dies vorschreibt.
Ich fordere China dazu auf, sich an seine öffentlichen Verpflichtungen zu halten, die Menschenrechte, Minderheitenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu achten. So war es mit dem IOC ursprünglich vereinbart, als dieses China die Ausrichtung der Spiele gestattete.
China erhält eine historische und einzigartige Chance, der Welt zu zeigen, dass es willens ist, die Menschenrechtslage zu verbessern – aber meiner Meinung nach erleben wir nicht genügend Fortschritte in dieser Hinsicht.
Ana Maria Gomes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich unterstütze die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Peking, aber ich rufe die europäischen Regierungen und Institutionen auch auf, von China die Einhaltung seiner die Menschenrechte betreffenden Verpflichtungen zu fordern, konkret der Verpflichtungen, die übernommen wurden, um die Olympischen Spiele nach Peking zu holen.
Das macht es erforderlich, dass die Repräsentanten aus Europa, die die Spiele besuchen – oder auch nicht besuchen werden – die Gelegenheit nutzen, um auf die sehr ernste Menschenrechtssituation in China aufmerksam zu machen. Viele sind in Gefängnissen eingesperrt, wie Hu Jia, der ins Gefängnis geworfen wurde, nachdem er in einer Videokonferenz zu uns hier im Europäischen Parlament gesprochen hatte. Wir können nicht hinnehmen, dass diese Menschen von den chinesischen Behörden weiterhin grundlos in Gefängnissen festgehalten werden.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Viele Länder und ihre Führungskräfte, einschließlich der in Europa, sind an guten Kontakten mit China interessiert, um lukrative Verträge oder Wirtschaftsabkommen abzuschließen. Sie schenken der fehlenden Demokratie und der Missachtung der Menschenrechte in China kaum Aufmerksamkeit. Die Weltmeinung, führende Staatsmänner und weltweit agierende Institutionen sollten zusammenarbeiten und unterschiedliche Arten von Druck ausüben, um Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen. Wenn wir geteilt sind, können wir nicht gemeinsam agieren und die Wirkung unserer Aktionen ist gering. Die Olympischen Spiele bieten eine gute Gelegenheit für solche Maßnahmen. Die internationale Gemeinschaft sollte handeln, um der Bevölkerung zu helfen, die infolge des tragischen Erdbebens sehr gelitten hat.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erstens, es war nicht die Europäische Union, die 2001 entschieden hat, dass die Olympischen Spiele in Peking ausgetragen werden sollen; es war das Internationale Olympische Komitee.
Zweitens, wie Sie gesagt haben, gibt es olympische Ideale, die allerdings nichts mit Politik, sondern mit Sport zu tun haben, wie vom Internationalen Olympischen Komitee immer wieder bekräftigt wird.
Drittens, ich weiß nicht, ob der beste Weg, für die Menschenrechte in China zu kämpfen und einen umfassenden Dialog zu führen, darin besteht, sein Gewissen zu erleichtern, indem man verkündet „Ich werde nicht hingehen, aber die Eröffnungsfeier im Fernsehen verfolgen“, wie eines der Mitglieder vorhin beteuerte. Das ist meines Erachtens nicht der eigentliche Kern des Problems. Im Übrigen sei bemerkt, dass sich mehrere Mitglieder Ihres Parlaments, die verschiedenen Fraktionen angehören und unterschiedliche Positionen vertreten, ebenfalls zu der Notwendigkeit von Gesprächen mit den chinesischen Behörden ausgelassen haben.
Ungeachtet der gegenwärtigen Schwierigkeiten müssen die Beziehungen der EU mit China weiterhin optimal genutzt werden. Nur bei einer starken Union werden beide Seiten über alle Fragen, selbst über die, die am heikelsten erscheinen, offen diskutieren können, wie von uns allen befürwortet wird; die Europäische Union hat nicht erst nach den Ereignissen in Tibet einen solchen Dialog in die Wege geleitet. Wir wollen mit China einen Gedankenaustausch über eine wachsende Zahl bilateral und international wichtiger Themen führen, bei denen es nicht nur um Handel geht – eine gegenteilige Behauptung wäre eine schwere Fehlinterpretation. Dies wurde auch von Frau Ferrero-Waldner hervorgehoben. Unser Dialog mit China muss umfassend sein, weil dieses Land in der internationalen Gemeinschaft eine wichtige Rolle zu spielen hat, und wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun – die Olympischen Spiele dienen ebenfalls als Mittel zu diesem Zweck –, um eine effektivere Integration Chinas in die Völkergemeinschaft zu gewährleisten.
Ferner werden wir einen strategischen Dialog mit China zu führen haben, insbesondere auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen, das unter dem französischen Vorsitz erfolgen wird. Der Termin dieses Gipfels ist nicht von der französischen Ratspräsidentschaft ausgesucht worden. Der Gipfel findet in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 statt. Uns obliegt es, dafür Sorge zu tragen, dass die Vorbereitungen unter bestmöglichen Bedingungen getroffen werden, und dieser Gipfel muss Gelegenheit für eine Ausweitung der Partnerschaft zwischen China und der Europäischen Union auf neue Themen bieten, die vor allen Dingen den Kampf gegen den Klimawandel sowie die Umwelt- und Sozialnormen betreffen – wie es viele von Ihnen gefordert haben.
Chinas Entschlossenheit zu einer bedeutsameren Rolle auf der Weltbühne muss mit neuen Verantwortungen auf dem Gebiet der Menschenrechte, im sozialen Bereich sowie in Bezug auf den Umweltschutz einhergehen. Wir sind uns dieser Notwendigkeit bewusst und bereit, auf dieses Ziel hinzuarbeiten, und die Europäische Union ist zweifellos der am besten geeignete Partner, China auf diesem Weg zu ermutigen.
In dieser Hinsicht übernimmt Präsident Sarkozy in seiner Eigenschaft als Präsident der Europäischen Union nach erfolgter Konsultation seiner Partner und Amtskollegen sowie nach Erhalt ihrer Zustimmung die Aufgabe der Einleitung einer umfassenden Debatte zwischen der Europäischen Union und China. Wenn China als gewichtigerer weltpolitischer Akteur auftreten möchte, muss es die daraus erwachsenden Verantwortungen auf sich nehmen. Es wurden zahlreiche Vergleiche angestellt, beispielsweise von Herrn Cohn-Bendit. Ich habe den Vergleich mit der UdSSR und Breschnew gehört. Wollen wir wirklich einen Konflikt zweier antagonistischer Blöcke? Hat es denn bei den Zwiegesprächen, die auch mit diesem großen Land geführt worden sind, keine Fortschritte gegeben? Bei der Erzielung solcher Fortschritte fiel uns eine Schlüsselrolle zu, und wie stets haben nicht zuletzt durch den Dialog und durch demokratische Entwicklungen unsere Werte obsiegt. Wir müssen eine anspruchsvolle Auseinandersetzung, bei der kein Thema tabu ist, mit China führen und es dazu anspornen, Verpflichtungen in allen Bereichen einzugehen, dem politischen, dem der Menschenrechte und dem sozialen Bereich.
Einige Abgeordnete haben die Todesstrafe erwähnt. Auch sie muss gegenüber China angesprochen werden, aber ebenso gegenüber all den anderen Ländern, und ich hoffe, dies möge durch dieselben konservativen Abgeordneten geschehen, die vorhin das Wort ergriffen haben. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass andere Länder, in denen die Todesstrafe in Kraft ist, mit der Europäischen Union Beziehungen unterhalten; wir brauchen jedoch diesen umfassenden Dialog. Des Weiteren müssen wir behutsam vorgehen, und ich gehe vollkommen konform mit dem, was die Kommission in Bezug auf den Rat ausgeführt hat, nämlich dass nationalistische Gefühle in China nicht zu einem Zeitpunkt geschürt werden sollten, in dem es Gastgeber eines Ereignisses von enormer Bedeutung für das gesamte Land ist, ein Land, dessen Ziel darin besteht, in die Weltpolitik eingebunden zu werden.
In diesem Geiste wird Präsident Sarkozy, der dabei sämtliche mit seiner Rolle verbundenen Aufgaben wahrnimmt und im vollen Bewusstsein der europäischen Werte handelt, in seiner neuen Funktion Peking besuchen, um diese Botschaft zu übermitteln und zugleich zu zeigen, dass wir auf die positive Entwicklung dieses großartigen Landes hinsichtlich seiner Integration in die internationale Gemeinschaft vertrauen. Deutliche Zeichen des Fortschritts haben wir bereits in Myanmar sowie bei der Lösung von Konflikten mit dem Iran und Nordkorea gesehen. All dies sind Bereiche, in denen wir ebenfalls auf Chinas Unterstützung angewiesen sind. Dabei geht es selbstverständlich um weit mehr als um rein kommerzielle Interessen.
Abschließend möchte ich Herrn Cappato darauf hinweisen, dass wir in allen unseren Beziehungen, sei es innerhalb der EU, gegenüber Minderheiten oder zwischen der Union und einigen ihrer Partner, dieselben Anforderungen stellen und uns davor hüten müssen, der ganzen Welt Moralpredigten zu halten.
VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich werde mich kurz fassen, da vieles schon gesagt wurde.
Ich möchte lediglich wiederholen, dass das Verhältnis zu China sehr vielschichtig ist. Das bedeutet, dass sich uns in dieser strategischen Beziehung ein weites Betätigungsfeld bietet. Neben Umwelt, Handel, Kultur – worauf unserer verschiedenen Sachgespräche und -dialoge auch immer gerichtet sein mögen – nehmen wir auch die Probleme im Hinblick auf die Menschenrechte, die heute hier besonders zur Sprache gekommen sind, sehr ernst. Wir nehmen sie ernst, ob es nun um Menschenrechtsaktivisten oder Petitionssteller, die inhaftiert sind, oder um die Anwendung der Todesstrafe geht. Es ist wahr, dass sehr viele Menschen hingerichtet werden. Wir haben dies und auch die berichteten Fälle von Folter und Misshandlung immer sehr deutlich angesprochen.
Wir führen diesen Menschenrechtsdialog. Es trifft zu, dass er mitunter nicht zufrieden stellend verläuft – wir verfügen aber über kein anderes Instrument. Wir müssen den Dialog mit China fortführen. Es gibt ein deutsches Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Das ist es, was wir erreichen wollen.
(Beifall)
Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung fünf Entschließungsanträge eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet wegen der Vorstellung des Programms der französischen Präsidentschaft ausnahmsweise morgen um 9.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Die Olympischen Spiele in Peking rücken näher, doch meinen Informationen zufolge hat sich die Menschenrechtslage in China nicht verbessert. Im Gegenteil, das chinesische Regime verhaftet stattdessen immer mehr Menschen, um mögliche Demonstrationen während der Olympischen Spiele zu verhindern.
Die Pressefreiheit ist von herausragender Bedeutung, denn es sind die unabhängigen Medien, die unzensierte Informationen über die Menschenrechtslage in China liefern. Daher ist es unerlässlich, dass unabhängige Fernsehsender, wie zum Beispiel NTDTV, auch übertragen dürfen. Dieser Fernsehsender sendet rund um die Uhr in chinesischer und englischer Sprache über Satelliten, die sich über Asien, Europa, Australien und Nordamerika befinden. Das französische Unternehmen Eutelsat, das die Sendungen von NTDTV überträgt, unterbrach am 16. Juni 2008 überraschend das Signal von NTDTV über Asien, angeblich wegen des von der Kommunistischen Partei Chinas ausgeübten Drucks.
Kommissarin Ferrero-Waldner, ich richte mich an Sie in der Hoffnung, dass Sie, im Namen der Kommission, alle Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen werden, damit NTDTV in Asien wieder ausgestrahlt wird. Ich rufe zudem den französischen Ratsvorsitz auf, im Namen des Rates die Beschränkungen der Redefreiheit in China zu unterbinden.
Ich fordere die chinesischen Behörden auf, der Welt zu beweisen, dass die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in China geführt hat. Ich glaube, dass die Öffnung Tibets für Touristen, Journalisten und alle Medien große Wirkung zeigen und unzensierte Informationen über die Lage in dieser Region ermöglichen wird.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Die Erweiterung ist eine der erfolgreichsten EU-Strategien und zugleich vielleicht eines der effektivsten außenpolitischen Instrumente, die es je gab. Bisher hat jede Erweiterung zu einer Stärkung der EU beigetragen und den jeweils beigetretenen Ländern zu einer Stabilisierung und allgemeinen Angleichung verholfen. In den vier Jahren, die seit der Erweiterung von 2004 vergangen sind, sind all die unbegründeten Ängste und irreführenden Informationen, die ihr vorausgingen, verstummt. Die Erweiterung ist ein überwältigender Erfolg, und sowohl die alten als auch die neuen Mitgliedstaaten haben sehr davon profitiert. Leider stellen einige Politiker – entweder bewusst oder aus purer Beschränktheit – den Erfolg der Erweiterung in Abrede und versuchen, Bürger in den alten Mitgliedstaaten irrezuführen. Daher ist es von überragender Bedeutung, die Gesellschaft über die Vorzüge und den Nutzen der Erweiterung zu informieren.
Die Ablehnung des Vertrags von Lissabon durch Irland ist in der Tat ein großes Hindernis für eine Fortsetzung der EU-Erweiterung. Ich vertraue immer noch darauf, dass die EU schnell eine Lösung finden wird, um den Vertrag von Lissabon zu retten. Die Zulassung Kroatiens sollte jedoch deswegen nicht hinausgezögert werden; der Beitritt Kroatiens ist auch dann legal möglich, wenn der Vertrag von Lissabon scheitern sollte. Kroatien könnte dann Ende 2009 oder Anfang 2010 Mitglied werden, je nachdem, wie sich die Beitrittsverhandlungen entwickeln.
Das Verhältnis zwischen der Erweiterungsstrategie und der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist eine komplizierte Frage. Im Grundsatz bin ich auch dafür, dass diejenigen unserer europäischen Nachbarstaaten, die bisher noch keine Aussicht auf Mitgliedschaft haben, entsprechend ihrer Fortschritte bei der Erfüllung messbarer Zielvorgaben von einer Kategorie zur nächsten aufsteigen sollten. Zugleich ist es wichtig, dass die Europäische Union in der Lage ist, ihren geopolitischen Freizügigkeitsbereich zu schützen, und hinsichtlich der Integrationsfähigkeit sollte sie sich in bestimmten Fällen entscheiden, welche Perspektiven sie ihren Partnern bieten möchte.