Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über:
– die mündliche Anfrage an den Rat über palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen (O-0040/2008 – B6-0166/2008);
– die mündliche Anfrage an die Kommission über palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen (O-0041/2008 – B6-0167/2008).
Luisa Morgantini, Verfasserin. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, d. h. 47 Mitglieder verschiedener Fraktionen, haben eine einfache Frage gestellt: Was gedenken Rat und Kommission wegen der Verstöße der israelischen Behörden gegen internationale Übereinkommen in Bezug auf palästinensische Gefangene zu unternehmen? Die meisten Häftlinge werden auf israelischem Territorium gefangen gehalten, was gegen Artikel 76 der Genfer Konvention verstößt: willkürliche Verhaftungen, Razzien, Verwaltungshaft, Folter und Misshandlungen bei den Verhören in den Hafteinrichtungen. Männer, Frauen, Heranwachsende, Studierende, Parlamentsmitglieder und Bürgermeister, etwa 10 000 Inhaftierte von einer 3,5 Millionen zählenden Bevölkerung; Personen im Alter zwischen 16 und 35 Jahren dürfen keinen Besuch empfangen, sodass es Gefangene gibt, die ihre Brüder, Schwestern, Mütter und Väter seit Jahren nicht gesehen haben.
All das wurde durch internationale Organisationen wie Amnesty International und die Vereinten Nationen, durch anerkennenswerte israelische Organisationen wie B’Tselem und Hamoked oder palästinensische Organisationen wie Addameer und Defence the Children International dokumentiert. Und trotzdem wird kein Druck auf die israelischen Behörden ausgeübt, damit sie die Übereinkommen und die Regeln, die sie selbst und die auch wir unterzeichnet haben, einhalten.
Ich möchte Ihnen einen Erfahrungsbericht, einen Appell einer Mutter vorlesen: „Ich bin die Mutter des Häftlings Said Al Atabeh aus Nablus. Mein Sohn ist seit 1977 in Haft, und ich bin 78 Jahre alt und leide an Bluthochdruck und Diabetes; ich verliere allmählich mein Augenlicht und kann nicht einmal mehr in meiner Wohnung richtig laufen. Sie werden vielleicht überrascht sein, doch mein einziger Wunsch in diesem Leben ist es, meinen Sohn zu sehen und ihn innig zu umarmen, bevor ich sterbe. Alle meine Kinder, Söhne und Töchter, sind nun erwachsen, sie sind verheiratet und haben mein Haus verlassen. Said wurde alles genommen, und ich kann ihn nicht besuchen, nicht etwa, weil ich alt und krank wäre, sondern weil mir die israelischen Behörden – aus Sicherheitsgründen, wie sie behaupten – keine Besuchserlaubnis erteilen wollen. Es war mir nur ein einziges Mal vergönnt, Said zu sehen, als ich von einem israelischen Krankenwagen in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz befördert wurde, und das ist acht Jahre her, nachdem er 29 Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Das war das erste und letzte Mal, dass ich meinen geliebten Sohn in die Arme schloss. Er umarmte mich fest und sagte: ‚Mama, ich fühle mich so, als würde ich noch einmal in dieses Leben geboren’. Das waren die schönsten Minuten für mich und für ihn, doch der Moment, als wir voneinander getrennt wurden, war der härteste und schlimmste.“ Diese Mutter sendet einen Appell aus: „Ich möchte ihn noch einmal sehen“.
Können wir das zulassen? Können wir es zulassen, dass ein Mann, der seit 32 Jahren im Gefängnis sitzt, nicht einmal seine Mutter sehen darf? Wo sind die internationalen Regeln? Wo ist die Menschlichkeit, frage ich mich? Ich denke, dass wir als Rat, als Kommission, als Parlament, standhaft bleiben müssen und so energisch wie wir können sagen müssen, dass die internationalen Regeln geachtet werden müssen, dass die palästinensischen Häftlinge, und das sind, wie ich bereits sagte, 10 000, freikommen müssen, um den Weg zum Frieden zwischen Palästinensern und Israelis zu ebnen.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Frau Vizepräsidentin, Frau Morgantini, meine Damen und Herren! Sie haben die beiden Themen israelische Gefängnis- und Verwaltungshaft von Palästinensern, einschließlich Minderjähriger, sowie deren Behandlung in den besetzten Gebieten und in Israel angesprochen.
Bei Strafmaßnahmen und Strafverfahren müssen nach Auffassung des Rates unter allen Umständen die völkerrechtlich verankerten Grundprinzipien der Menschenrechte, insbesondere die der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, geachtet werden.
Jegliche als willkürlich zu bezeichnende Inhaftierung muss verboten werden, zumal wenn die inhaftierte Person nicht über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen informiert worden ist. Das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor einem unparteiischen und unabhängigen Gericht ist ein rechtsstaatliches Grundprinzip, und Sondergerichte dürfen nur in ganz wenigen, genau definierten Fällen eingesetzt werden.
Des Weiteren muss die Verpflichtung zur korrekten Behandlung inhaftierter Personen unbedingt eingehalten werden, und Folter sowie sonstige grausame, inhumane und entwürdigende Behandlungen von Gefangenen sind selbstverständlich strikt zu untersagen und zu unterbinden.
Der Rat erkennt an, dass die Menschenrechtslage im Nahen Osten besorgniserregend ist. Er ist jedoch sehr erfreut, dass alle diese Fragen, einschließlich der Situation in den Palästinensergebieten, im Rahmen des Dialogs zwischen der Europäischen Union und Israel besprochen werden. Genauer gesagt, die Frage der Menschenrechte ist nach wie vor ein in den politischen Kontakten zwischen der EU und Israel auf allen Ebenen ständig diskutiertes Thema.
So hat die Europäische Union in ihrer zum Abschluss des Assoziationsrates EU-Israel veröffentlichten Erklärung vom 16. Juni 2008 gefordert, dass anstelle der informellen Arbeitsgruppe für Menschenrechte ein ständiger Unterausschuss für Menschenrechte eingerichtet wird.
Der Rat ist sich des von den EP-Abgeordneten, speziell der Vizepräsidentin, geschilderten und insbesondere in dem letzten Bericht des UN-Sonderberichterstatters John Dugard über die Menschenrechtslage in den Palästinensergebieten sowie von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen dargelegten Sachverhalts bewusst.
Der Rat hatte Gelegenheit, seiner Besorgnis Ausdruck zu verleihen, und er hat mehrfach die Freilassung palästinensischer Gefangener in großem Umfang gefordert. Im Übrigen bekräftigt er erneut seinen Standpunkt, dass der im November 2007 in Annapolis eingeleitete politische Prozess, der mit vertrauensbildenden Maßnahmen vor Ort einhergehen muss, die einzige Möglichkeit darstellt, zu einer Verhandlungslösung zwischen den Parteien zu gelangen, die auf der friedlichen Koexistenz zweier Staaten beruht, nämlich eines unabhängigen demokratischen und lebensfähigen Palästinenserstaates nebst einem innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen fortbestehenden Staates Israel.
Vor diesem Hintergrund fordert der Rat im Hinblick auf die Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den Parteien und die Beteiligung der Zivilbevölkerungen an dem in Gang befindlichen politischen Prozess Israel zu entsprechenden Gesten auf, namentlich zur vordringlichen Freilassung der in Gefängnissen inhaftierten oder in Verwaltungshaft befindlichen palästinensischen Kinder, Frauen und gewählten Vertreter.
(Beifall)
Hinsichtlich der von Frau Morgantini erwähnten Berufung auf die völkerrechtlichen Instrumente bleibt der Rat bei seiner Position, nämlich dass das Völkerrecht, wie in der vom Rat im Dezember 2003 angenommenen Europäischen Sicherheitsstrategie festgelegt, geschützt und weiterentwickelt werden muss.
Ich möchte hervorheben, dass der Vorsitz die Unterzeichnung des Austauschabkommens zwischen Israel und der Hisbollah, von der wir am Montag erfahren haben, im Namen der Europäischen Union sehr begrüßt. Dieses Abkommen sieht die Übergabe der sterblichen Überreste von Hisbollah-Kämpfern und die Freilassung palästinensischer Gefangener im Austausch gegen die sterblichen Überreste der im Jahr 2006 gefangengenommen israelischen Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev vor.
Wir hoffen, dass dieser Austausch vereinbarungsgemäß vonstatten geht, doch wird daran zugleich für die Zukunft deutlich, wie komplex das Problem der „Gefangenen“ im Nahost-Konflikt und wie wichtig die Lösung dieses Problems ist.
Der Rat weist darauf hin, dass der in der Roadmap festgelegte politische Prozess der einzig Weg zur einer Verhandlungslösung zwischen den Parteien sowie zu der mir erwähnten Koexistenz zweier Staaten, deren Modalitäten ich genannt habe, ist.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich Frau Morgantini sagen, dass mir ihre heutige Anfrage sehr nahe geht. Im Februar vorigen Jahres hatte auch ich – in Begleitung von Fadwa Barghouti, der Frau des inhaftierten Marwan Barghouti – eine Begegnung mit dem für die Angelegenheiten von Gefangenen zuständigen palästinensischen Minister. Ich habe ihnen sehr aufmerksam zugehört. Ihr Bericht über die Lage der Gefangenen stimmt mit den Berichten überein, aus denen Sie, Frau Morgantini, gemeinsam mit den anderen Abgeordneten in Ihrer Anfrage zitieren.
Deshalb möchte ich betonen, dass mich die Menschenrechtsverletzungen sehr beunruhigen und ich mit den palästinensischen Gefangenen mitfühle, die in israelischen Gefängnissen leiden müssen.
Die Kommission ist sich der Verantwortung Israels als Besatzungsmacht und der Verstöße gegen das Völkerrecht, die diese Zustände verdeutlichen, sehr wohl bewusst. Darum sprechen wir zum Beispiel das Thema Verwaltungshaft regelmäßig bei unseren israelischen Amtskollegen an, sowohl im informellen als auch im offiziellen Rahmen. Der eine Fall, den Sie heute geschildert haben, berührt mich sehr, und wenn ich die entsprechenden Unterlagen haben kann, dann werde ich persönlich alles versuchen, was in meiner Macht steht. Vielleicht besteht ja die Chance, dass diese Mutter ihren Sohn wiedersehen kann.
Die Europäische Union hat zudem mehrfach die sofortige Freilassung der palästinensischen Abgeordneten gefordert, die von Israel gefangen gehalten werden. Der Kommission ist auch bekannt, dass palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen und Gefangenenlagern inhaftiert sind. Das ist ein Verstoß gegen die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes, der zufolge das Mündigkeitsalter bei 18 Jahren liegt, und auch gegen die Vierte Genfer Konvention, wonach Personen im besetzten Gebiet gefangen gehalten werden müssen. Diese inhaftierten Kinder sind besonders schutzlos. Wir wissen das. Es muss dafür gesorgt werden, dass sie unter Einhaltung des Völkerrechts behandelt werden.
Wir müssen der Lage der von dieser Konfliktsituation betroffenen Kinder mehr Aufmerksamkeit widmen. Darum hat die Europäische Union Israel und das besetzte palästinensische Gebiet in die Liste der Länder aufgenommen, denen bei der Umsetzung der Leitlinien der EU über Kinder und bewaffnete Konflikte Priorität eingeräumt wird.
Gemäß diesen Leitlinien bezieht die Europäische Union außerdem alle Aspekte der Rechte und des Wohls der vom Konflikt betroffenen Kinder in den politischen Dialog mit Israel ein. Darüber hinaus arbeitet die Europäische Union eng mit UNO-Institutionen sowie mit palästinensischen und israelischen NRO zusammen, die die Beachtung der Rechte des Kindes aktiv beobachten, darüber berichten und für sie eintreten.
Die Achtung der Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts sind Grundwerte der Europäischen Union. Sie sind wesentliche Bestandteile unserer Außenpolitik. Folglich ist der Schutz der Menschenrechte von großer Bedeutung für unsere Beziehungen zu Israel. Unser Menschenrechtsdialog mit den israelischen Behörden auf verschiedenen Ebenen belegt das.
Die Kommission wird im Rahmen ihrer Treffen mit den israelischen Behörden – und ich persönlich werde im Rahmen meiner Treffen mit israelischen Entscheidungsträgern – Israel auf jeden Fall auch weiterhin drängen, das Völkerrecht und internationale Konventionen vollständig zu beachten. Die Europäische Union hat erst kürzlich auf der letzten Tagung des Assoziationsrates mit Israel den Wunsch geäußert, einen formalen Unterausschuss „Menschenrechte“ einzurichten. Das wäre dann ein wichtiger Schritt hin zu einer weiteren Formalisierung eines Dialogs zu diesem Thema.
Durch Artikel 2 des Assoziationsabkommens EU-Israel werden sowohl die Europäische Union als auch Israel nach wie vor daran erinnert, dass die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Grundsätze die Basis unserer bilateralen Beziehungen bildet. Wir sind der Meinung, dass der Dialog das beste Mittel ist, um Israel positiv zu beeinflussen. Wir scheuen nicht davor zurück, schwierige Themen wie das Thema der Anfrage der Abgeordneten anzusprechen.
Ich stimme dem Herrn Ratspräsidenten voll und ganz zu, der sagte, man müsse das Ganze im Kontext des Nahost-Konflikts betrachten, und ich glaube deshalb, dass eine Lösung dieses Konflikts letztendlich auch das Problem der Gefangenen entschärfen, wenn nicht sogar lösen würde.
Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Einmal mehr nutzen die antiisraelischen Kräfte in diesem Parlament jede Gelegenheit, den jüdischen Staat anzugreifen, und einmal mehr sind diejenigen von uns, die eine ausgewogene Debatte und echten Frieden im Nahen Osten wollen, dazu gezwungen, Israel zu verteidigen. Immerhin ist Israel ein demokratisches Land, das von Terroristen des Dschihad und ihren Anhängern – von genau jenen, die sich derzeit in israelischer Verwaltungshaft befinden – existenziell bedroht wird.
Was die Kinder betrifft, sei gesagt: Traurigerweise wurden Kinder von Terroristen in die Intifada hineingezogen und für die Intifada rekrutiert, sogar als potenzielle Selbstmordattentäter.
Insbesondere möchte ich die Notwendigkeit dieses Entschließungsantrags zu einer Zeit in Frage stellen, da es einen Waffenstillstand mit der Hamas gibt, die gerade aufgehört hat, ihre Raketen aus dem Gazastreifen auf Zivilisten zu feuern, und zu einer Zeit, da zwischen Israel und der Hisbollah ein Gefangenenaustausch stattfindet, in dessen Rahmen fünf inhaftierte Terroristen zu ihren Familien heimkehren durften, während zwei israelische Soldaten nur in Leichensäcken zurückkehren werden. Einer dieser Terroristen – Samir Kuntar – hat einen jungen israelischen Mann ertränkt und anschließend dessen Tochter gegen Felsen geschmettert und ihr mit einem Gewehrkolben den Schädel eingeschlagen. Außerdem hat er einen Polizisten getötet. Die palästinensischen Terroristen, die das Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ entführt hatten – und dabei einen älteren jüdischen Mann ermordeten und seine Leiche über Bord warfen –, sind diejenigen, die Kuntars Freilassung gefordert hatten.
Pakte mit Terroristen fordern von jeder Demokratie einen hohen Preis, doch im Falle Israels gleich einen doppelten. Samir Kuntar hat geschworen, den Dschihad gegen Israel wieder aufzunehmen, jetzt, da er frei ist.
Daher begrüße ich die mutige Entscheidung Israels. Ich hoffe, dass sie schließlich zu positiven Ergebnissen führen wird, auch wenn ich befürchte, dass das nicht der Fall sein wird, denn es ist ziemlich offensichtlich, dass jene, die Israel als Staat zerstören wollen, von Politikern wie Frau Morgantini gestärkt werden, die Entschließungsanträge wie diesen zu einem Zeitpunkt wie diesem einreichen.
Wenn sie schon einmal bei dem Thema ist, dann könnte sie doch auch gleich die von der britischen Presse erhobenen Vorwürfe der Folter untersuchen, die in den palästinensischen Gefängnissen gegen eigene Leute gang und gäbe sein soll – sowohl Folter durch die Hamas im Gazastreifen als auch, und das überrascht vielleicht mehr, durch die Palästinensische Autonomiebehörde selbst.
Véronique De Keyser, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich habe kürzlich an der Nahost-Sicherheitskonferenz in Berlin teilgenommen, auf der die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in den besetzten Gebieten das zentrale Thema bildete. Was für Palästina, ein im Entstehen begriffener Staat, gilt, ist erst recht für Israel gültig. Und in diesem Punkt ist das Schicksal der palästinensischen Gefangenen ein Paradebeispiel, geht es doch um das Schicksal von mehr als 8 500 palästinensischen Gefangenen sowie um die Gründe ihrer Haft und um ihre Haftbedingungen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass derzeit 48 gewählte Mitglieder des Palästinensischen Legislativrates inhaftiert sind; das ist inakzeptabel. Dass die überwältigende Mehrheit der Inhaftierten in israelische Gefängnisse verbracht wurde, womit gegen die Genfer Konvention, die die Deportation von Inhaftierten aus besetztem Gebiet in das Gebiet der Besatzungsmacht verbietet, verstoßen wird; das ist inakzeptabel. Dass das in den besetzten Gebieten angewandte Strafgesetzbuch nur für die Palästinenser und nicht für die Siedler gilt – im Klartext: was im Falle der einen Gruppe strafbar ist, gilt im Falle der anderen Gruppe nicht mehr als Straftat; das ist inakzeptabel. Dass zirka 100 Frauen gefangen gehalten werden und schwangere oder stillende Frauen nicht die ihrem Zustand entsprechende Betreuung erhalten; das ist inakzeptabel. Dass 310 Minderjährige unter denselben Bedingungen inhaftiert sind wie Erwachsene, obwohl Israel das Übereinkommen über die Rechte des Kindes unterzeichnet hat. Und man komme mir bloß nicht mit der Behauptung, wie ich sie schon gehört habe, nämlich dass diese kleinen Araber mit 15 Jahren bereits erwachsen und zu allem fähig seien.
Was ist denn schuld daran, Herr Tannock, wenn nicht die Besatzung, durch die sie ihrer Kindheit beraubt wurden? Und die Liste lässt sich fortsetzen: Folterungen, Misshandlung, keine Rechte auf Verteidigung, kein gerichtliches Verfahren usw. Diese Tatsachen sind sowohl durch israelische als auch durch internationale Quellen belegt. Das Europäische Parlament kann zwar ein Ende dieses Konflikts nicht herbeizaubern, aber es wird, seien Sie dessen versichert, die Menschenrechte in den Mittelpunkt der Revision des Status Israels stellen, worüber während dieses Jahres Gespräche geführt werden. In Artikel 2 des Assoziationsabkommens EU-Israel heißt es klar und deutlich, dass sich die Beziehungen zwischen den Parteien sowie die Bestimmungen des Abkommens selbst auf die Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie als Richtschnur ihrer internen und internationalen Politik stützen, was ein wesentliches Element dieses Abkommens darstellt.
Natürlich muss der Austausch stattfinden – der Austausch und die Freilassung von Gefangenen wie beispielsweise von Gilad Shalit auf der einen und Salah Hamouri auf der anderen Seite. Die Unterzeichnung des Austauschabkommens mit der Hisbollah wird von mir gewiss sehr begrüßt, doch möchte ich unsere israelischen Partner daran erinnern, dass in den Augen des Europäischen Parlaments Menschenrechte nicht verhandelbar sind. Und daher bin ich erfreut und beglückwünsche Sie, Herr Minister, in Ihrer Eigenschaft als Vertreter des Rates, sowie Sie, Frau Kommissarin, zu Ihren entschiedenen Worten, die uns die Gewissheit geben, dass unsere drei Institutionen tatsächlich eine einmütige Europäische Union bilden.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich zu diesem Thema persönlich äußern.
In Israel verfolgt eine Regierung nach der anderen eine Politik, mit der der Wunsch des palästinensischen Volkes, in seinem Land frei zu leben, unterdrückt werden soll. Dabei wird mit eiserner Hand und Waffengewalt regiert, es gibt willkürliche Festnahmen, Inhaftierungen, Folter und es werden Zivilisten, unter ihnen Frauen und Kinder, ermordet. Diese Politik ist äußerst unklug, da sie außer Acht lässt, dass sich die tatsächlichen Sicherheitsprobleme, die Israel zugegebenermaßen hat, nicht durch solche unmenschlichen Reaktionen lösen lassen. Im Gegenteil – diese Brutalität führt nur zu noch mehr Gewalt und lässt die bisherige internationale Unterstützung allmählich abflauen.
Es wird allerhöchste Zeit, dass die EU-Führungsspitze die regierenden jüdischen Politiker mutig warnt, dass sie, wenn sie sich weiter wie naziähnliche Militärführer verhalten und wenn sie weiterhin glauben, dass die Unterstützung der USA-Führungsspitze und derjenigen, die sie in Europa beeinflussen – und davon sind auch die MdEP nicht ausgenommen – ewig währt, ihren eigenen Staat traurigerweise, aber zwangsläufig und mit mathematischer Präzision auslöschen werden.
Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Obeida Assida ist ein palästinensischer Student. 2003 wurde er im Alter von 17 Jahren festgenommen, und er befindet sich derzeit in Verwaltungshaft in Israel, ohne Anklage und ohne ein gerichtliches Verfahren. Saed Yassine ist ein palästinensischer Menschenrechtsaktivist. Er ist 34 Jahre alt. Seit 2006 befindet er sich in Verwaltungshaft in Israel. Er steht nicht unter Anklage und es liegt nichts gegen ihn vor; seine Ehefrau und seine Kinder durften ihn nur dreimal besuchen. Noura al Hashlamoun ist eine 36-jährige Hausfrau und Mutter von sechs Kindern. Sie ist seit September 2006 in Verwaltungshaft, ohne Anklage und ohne Gerichtsverhandlung. Marwane Barghouti, Initiatior und Verfasser des „Gefangenen-Dokuments“, ist seit April 2002 in Israel inhaftiert. Im Übrigen möchte ich meine Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass ein Aufruf zu seiner Freilassung noch in Umlauf ist, und Ihre Unterschrift dazu ist jederzeit willkommen.
Wie Sie alle wissen, würde ich viel Redezeit benötigen, wollte ich die endlose Reihe der Tausenden palästinensischer Gefangener aufzählen, die derzeit unter eklatanter Verletzung des humanitären Völkerrechts in israelischen Gefängnissen einsitzen. Jeder von ihnen, jede ihrer Familien würde allerdings eine lange Rede verdienen. Nichts ist ihnen nämlich erspart geblieben – in unmenschlicher Art durchgeführte Verhöre, die bis zu 188 Tagen dauern können und bekanntlich Folter einschließen, Geständnisse und Urteile, die in Hebräisch zu unterschreiben sind, grundlose Inhaftierung in Israel, außerhalb ihres Gebietes, die willkürlich alle sechs Monate verlängert werden kann, die Unterwerfung unter die diskriminierende Gerichtsbarkeit von Ad-hoc-Militärgerichten, wofür keinerlei gesetzliche Rechtfertigung besteht, kein Zugang zu einem Anwalt in den ersten 90 Tagen ihrer Haft sowie praktisch nicht vorhandene Besuchsrechte.
Frau De Keyser hat Recht, dass genau dies von der EU nicht hingenommen werden kann, dass all das völlig inakzeptabel ist. Und Sie reden von diesem neuen Dialog, den Sie nutzen wollen. Weshalb sollten wir denn glauben, dass die Europäische Union, dass Sie, die Kommission und der Rat, künftig besser imstande sein werden, die Achtung der bereits in dem vorhandenen Abkommen enthaltenen Bestimmungen durchzusetzen, wenn morgen...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Während unserer vorherigen Plenarsitzung am 16. Juni in Straßburg äußerten Sie sich zur Lage in Palästina. Ihre Erklärung spiegelt die enttäuschenden Ergebnisse des Ad-hoc-Ausschusses wider, der auf Ihre Initiative hin Anfang Juni die Palästinensischen Gebiete besuchte und Zeuge der armseligen Lebensbedingungen der Palästinenser wurde, die von der Besetzung durch Israel herrühren.
Es ist nun an der Zeit, dass Rat und Kommission Antworten darauf geben, welche Maßnahmen sie zu ergreifen beabsichtigen, um sicherzustellen, dass der Besatzer, der Staat Israel, im Hinblick auf die Lage palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen das Völkerrecht einhält.
Wir, die Mitglieder des Europäischen Parlaments, fordern heute, dass der Rat und die Kommission die Tatsache erklären, dass sie am 16. Juni die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel intensiviert haben, zu einem Zeitpunkt, zu dem 11 000 Gefangene, darunter 376 Kinder, 118 Frauen und 44 Mitglieder des Palästinensischen Legislativrats, sowie 800 Verwaltungshäftlinge in israelischen Gefängnissen unter Verletzung des Völkerrechts festgehalten wurden.
Wir werden Palästina in zwei Monaten erneut besuchen. In der Zwischenzeit möchten wir Sie darum bitten, dass Sie im Namen des gesamten Parlaments die israelischen Behörden auffordern, unverzüglich alle in israelischen Gefängnissen festgehaltenen Kinder sowie jene Gefangene, bei deren Festnahme die normalen gesetzlichen Verfahren nicht eingehalten wurden, freizulassen.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Nickolay Mladenov (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich glaube, dass sowohl dieses Hohe Haus als auch die Kommission und der Rat und alle europäischen Politiker davon überzeugt sind, dass der Schutz der individuellen Menschenrechte in Zeiten von Krieg und Terror eine viel wichtigere Pflicht ist als in Zeiten von Frieden und Sicherheit. Ich glaube, wir sind da alle einer Meinung.
Diese Auffassung vertritt auch der Oberste Gerichtshof Israels. In mehreren Urteilen hat der Oberste Gerichtshof Israels die Rechte von palästinensischen Gefangenen und Antragstellern gegenüber den Maßnahmen der israelischen Verteidigungskräfte bzw. der israelischen Regierung verteidigt.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass 1991, als Israel einen Angriff mit chemischen und biologischen Waffen erwartete, sein Oberster Gerichtshof einer Petition stattgab, in der es hieß, die Kraft einer Gesellschaft, sich ihren Feinden zu widersetzen, beruhe auf der Einsicht der Gesellschaft, für Werte zu kämpfen, die schutzwürdig sind. Der beste Partner bei der Verteidigung der Rechte palästinensischer Gefangener in Israel ist der Oberste Gerichtshof Israels. Meines Erachtens sollten sich die Abgeordneten dieses Parlaments mit all ihren Problemen an diese rechtliche Instanz des demokratischen Staates Israel wenden.
Doch ich frage die Abgeordneten in diesem Plenum: Welches Abkommen schützt die Rechte derjenigen, die in den letzten Jahren entführt, terrorisiert oder getötet wurden? Welches Gericht erlaubte Alan Johnson, Einspruch gegen seine Entführung einzulegen? Welches Besuchsrecht wurde Gilad Shalit gewährt? Welche Rechte hatte der sechzehnjährige Ophir Rakhum? Welchen Rechtsschutz hatte er?
Ich fordere die Abgeordneten dieses Parlaments aufrichtig und von ganzem Herzen dazu auf, Farbe zu bekennen und den ausgewogenen Ansatz von Kommission und Rat im Hinblick auf diesen Konflikt und den Schutz derer zu unterstützen, deren Rechte beschnitten wurden. Wir sollten keine Meinung vertreten, die die Fähigkeit der Europäischen Union untergräbt, Stellung zu beziehen und den Friedensprozess im Nahen Osten so zu unterstützen, wie sie es gerade tut.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Herrn Ratspräsidenten sagen, dass nach Angaben von Amnesty International die 8 500 Palästinenser aus den besetzten palästinensischen Gebieten, die in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, gegen Artikel 76 der Genfer Konvention inhaftiert sind, und für viele dieser Gefangenen sind Besuche durch Verwandte aufgrund der beschränkten Reisegenehmigungen nicht möglich. Und die Kosten für die Besuche, die gestattet werden – obwohl Israel laut den internationalen Menschenrechtsnormen verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die palästinensischen Gefangenen Besuch empfangen können –, trägt die internationale Gemeinschaft über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Deshalb ist es richtig, dass wir als Europäisches Parlament vom Europäischen Rat fordern, Maßnahmen zu ergreifen.
Wie die Kommissarin Ferrero-Waldner habe auch ich Frau Barghouti getroffen, und auch ich möchte der Frau Kommissarin für ihren konkreten Bezug auf unsere Kolleginnen und Kollegen vom Palästinensischen Autonomierat, die sich unter den Gefangenen befinden, danken.
Auch wenn ich Herrn Mladenov und Herrn Tannock zustimme, dass die Entführung israelischer Staatsangehöriger und die ihnen verweigerte Erlaubnis, Familienbesuch zu empfangen, eine ebensolche Verletzung des Völkerrechts darstellen, so bedauere ich doch, dass Herr Tannock versuchte, Frau Morgantini, eine Mitverfasserin der Anfrage, als jemanden zu beschreiben, der Israel zerstören will, obwohl sie und ich für die Menschenrechte und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts eintreten.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Eigentlicher Inhalt unserer heutigen Debatte ist das äußerst schwierige Problem der Wahrung unserer demokratischen Werte beim Kampf gegen den Terrorismus. Leider verfüge ich nicht über die Zeit, um auf sämtliche Punkte einzugehen, die in den Texten unserer Kolleginnen und Kollegen, auch den schriftlich eingereichten, zur Sprache gebracht wurden, und ich werde nicht auf das zurückkommen, was der Kollege Mladenov zum israelischen Obersten Gerichtshof ausgeführt hat.
Ich will jedoch die Frage der Minderjährigen ansprechen. Ja, es befinden sich Minderjährige im Gefängnis, bei denen es sich größtenteils um Heranwachsende handelt, die von der Hamas manipuliert und mit Handgranaten oder Sprengstoffgürteln bewaffnet in den Tod geschickt werden. Sie und meine Kollegen haben das Völkerrecht erwähnt, wonach auch die Rekrutierung von Kindersoldaten unstatthaft ist. Jeder in einem Gefängnis sitzende Jugendliche bedeutet für jede Gesellschaft ein Versagen. Israel ist verpflichtet, sich dieser Herausforderung unter Achtung des Völkerrechts zu stellen. Die wirkliche Tragödie besteht allerdings darin, dass damit eine ganze Generation in Palästina für den Frieden verloren geht.
Kurz ein Wort zu Gilad Shalit. Es ist wohl richtig, wenn ich sage, er sei ein Gefangener, der sowohl israelischer als auch französischer Staatsbürger ist. Er verdient mehr als das schändliche Vergessen, dem er aufgrund der variablen Geometrie der Empörung mancher meiner Kolleginnen und Kollegen anheimgestellt wird. Ganz zu schweigen von dem allgemeinen politischen Hintergrund, wie er von dem Herrn Staatssekretär und der Frau Kommissarin angeführt wurde.
Herr Präsident, lassen Sie mich mit der an mehreren Fronten herrschenden zwar sehr fragilen, aber effektiven Waffenruhe schließen. Ich wollte lediglich noch sagen, dass ich ganz allgemein den Hang einiger hier beanstande, bei jeder Sitzung darüber zu diskutieren, wie ein demokratischer Staat organisiert sein soll.
Caroline Lucas (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Ich verliere langsam den Überblick, wie oft wir in diesem Hohen Haus die israelischen Behörden schon wegen ihres systematischen Missbrauchs der Menschenrechte der Palästinenser verurteilt haben.
Die Besatzung, die Trennungsmauer, die Belagerung des Gazastreifens – die Liste ließe sich fortsetzen. Heute konzentrieren wir uns auf die schreckliche Lage der palästinensischen Gefangenen, einschließlich der 44 Mitglieder des Autonomierates. Das sind unsere Kollegen, unsere Partner, die immer noch im Gefängnis schmachten – ohne Anklage und ohne Verfahren.
Meine Frage lautet: Wann wird der Europäische Rat handeln? Wie viele weitere Verstöße gegen das Völkerrecht braucht es noch? Wie viele weitere Palästinenser müssen noch verhaftet, inhaftiert und gefoltert werden, bis die EU endlich aufhört, nur über Menschenrechte zu reden und anfängt, Maßnahmen zu ihrer Verteidigung zu ergreifen?
Zu einer Zeit wie dieser an den Ausbau der Beziehungen EU-Israel zu denken, zeigt in höchstem Maße die haarsträubende Missachtung der Verantwortung, die wir für das palästinensische Volk tragen. Sich nicht auf Artikel 2 des Assoziationsabkommens zu berufen, ist Zeichen einer ganz erbärmlichen politischen Duckmäuserei.
Wir stehen nicht mit Israels Menschen im Konflikt, von denen viele so wie wir die israelische Regierung verurteilen. Hier und jetzt stehe ich noch nicht einmal mit Israel im Konflikt. Ich stehe im Konflikt mit dem Europäischen Rat und seinem grotesken Versagen im Bereich der politischen Führung.
Chris Davies (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich stimme Caroline Lucas völlig zu. Es ist paradox, dass es in unserer nächsten Aussprache um Simbabwe geht. Mugabe gefiel das Ergebnis einer Wahl nicht, und er hat das inzwischen geregelt; jetzt verhaftet er Abgeordnete, die versuchen, ein neues Gleichgewicht zu schaffen, und noch Schlimmeres. Wir werden ihn gänzlich verurteilen.
Der Vergleich hinkt natürlich, doch vor zweieinhalb Jahren haben wir die Wahlen in Palästina bezahlt. Israel gefiel das Ergebnis nicht, also haben wir uns geweigert, die neue Regierung anzuerkennen. Seitdem verhaftete Israel über vierzig Abgeordnete, Mitglieder der falschen Partei, Menschen, die statt Waffen die Wahlurne benutzt hatten.
Wir werden keine Sanktionen verhängen. Stattdessen bemühen wir uns um eine engere Partnerschaft mit Israel. Also liegen die Widersprüche, Frau Kommissarin und Herr Minister, auf der Hand. Sie sagten, Ihr Ansatz sei ausgewogen, doch wo ist der Beweis, dass unser Ansatz irgendetwas bewirkt?
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich werde Israel nicht aus seiner Verantwortung entlassen, doch es hilft dem Europäischen Parlament absolut nicht weiter, wenn eine Partei – Israel – aus einem komplexen Konflikt herausgegriffen wird, dessen Menschenrechtsverletzungen einen ausgewogenen Ansatz erfordern. Für eine Aussprache, die sich nur auf die Maßnahmen Israels konzentriert, ist jetzt außerdem ein sehr schlechter Zeitpunkt.
Haben wir denn vergessen, dass es unser vorrangiges Ziel ist, die Beteiligten zu einer friedlichen Zweistaatenlösung zu ermutigen? Nur, wenn unsere Kritik zutreffend und konstruktiv und unparteiisch ist, werden uns beide Parteien zuhören, und nur so werden wir bessere Aussichten auf eine Einflussnahme haben.
Ich finde, Human Rights Watch und Martin Scheinin von den Vereinten Nationen haben ein solches Niveau erreicht. Letzterer weist auf die Bedeutung der Urteile des Obersten Gerichtshofs Israels hin – das fehlt in den mündlichen Anfragen gänzlich. Selbst in dem Bericht von John Dugard heißt es, er sei tief besorgt und verurteile die von Palästinensern an Palästinensern und von Palästinensern an Israelis verübten Menschenrechtsverletzungen. Doch das wird mit keiner Silbe erwähnt.
Ich bedauere, dass Israel immer noch auf die von der britischen Kolonialmacht geerbten Emergency Regulations von 1945 zurückgreift, wobei aber anzumerken sei, dass diese sowohl auf jüdische Terroristen in Hebron als auch auf Palästinenser angewandt werden.
John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Hier geht es nicht um verhaftete, vor Gericht gestellte, verurteilte und inhaftierte Terroristen; hier geht es einfach um festgenommene und gefangen gehaltene Menschen. Und hier geht es insbesondere um Kinder, nicht um Kindersoldaten – einige Kinder haben Steine geworfen usw., das stimmt, aber es sind Kinder.
Stellen Sie sich dieses Plenum voller Kinder vor. Nehmen Sie die Hälfte von ihnen, stülpen Sie Säcke über ihre Köpfe, binden Sie ihnen die Hände auf dem Rücken zusammen, nehmen Sie sie mit, ohne ihren Eltern zu sagen, wohin Sie sie bringen, stecken Sie sie in Gefängnisse, in 1,5 m2 große Zellen ohne Fenster, knipsen Sie das Licht an, verwehren Sie ihnen jegliche medizinische Behandlung, gestatten Sie keinerlei Besuche von draußen usw., lassen Sie sie nicht die Kleidung wechseln. Darum geht es hier. Darum sollte es in der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes gehen.
Mein Appell an Israel lautet: Ihr macht euch mit diesem Verhalten beim besten Willen keine Freunde. Bitte, Israelis, ich appelliere an euch: Lasst die Kinder frei!
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Gerade weil einige von uns Israel für eine Demokratie – einen demokratischen Staat – halten und weil die Europäische Union Israel als solche behandelt, verlangen wir von ihm die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Wäre Israel kein demokratischer Staat, würden wir auch nicht versuchen, es für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit verantwortlich zu machen.
Für diejenigen, die sich außerhalb des gesamten Rechtssystems befinden, gibt es keinen obersten Gerichtshof. Wir wissen, was der Oberste Gerichtshof sagt, doch das betrifft nur diejenigen, die Zugang zum Obersten Gerichtshof haben. Wenn Sie in Verwaltungshaft sind und keinen Zugang zu Gerichten haben, dann gibt es für Sie auch keine Urteile des Obersten Gerichtshofs, die Sie schützen werden.
Der Konflikt darf nicht als Argument für solche Verletzungen verwendet werden. Es ist kein ausgewogener Ansatz, neutral zu bleiben und diese Menschen so zu behandeln, als würden Sie nicht existieren. Diese Menschen sind in Haft, ohne Garantie, ohne Verfahren; ihre Familien sind außer sich, und in vielen Fällen werden ihre Häuser und Familien zerstört und dafür bestraft, was sie getan haben oder wessen sie beschuldigt werden, und das hat eine Reaktion der Europäischen Union verdient.
Frieda Brepoels (PPE-DE). – (NL) Ich darf Herrn Tannock daran erinnern, dass der Antrag nicht nur von Frau Morgantini, sondern auch von zwei Vizepräsidenten des Parlaments und Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion, Herrn McMillan-Scott und Frau Kratsa-Tsagaropoulou, sowie von Herrn Bowis, Herrn Kasoulides und meiner Wenigkeit eingereicht wurde. Das nur zur Klarstellung vorab. Als Mitglied der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu dem Palästinensischen Legislativrat habe ich bereits mehrfach am eigenen Leib erfahren, was es heißt, die demokratisch gewählten Kolleginnen und Kollegen nicht treffen zu können, weil sie im Gefängnis sitzen.
Was soll man zu den zahlreichen Frauen und Kindern sagen, die über mehrere Gefängnisse außerhalb der Palästinensergebiete verstreut sind, was einen Besuch durch ihre Rechtsanwälte und Familienangehörigen geradezu unmöglich macht? Alle haben sich schon zu den Bedingungen des täglichen Lebens und der mangelnden medizinischen Versorgung geäußert. Wie lange werden die internationale Gemeinschaft und die Europäische Union dies noch tolerieren? Ich möchte an die Kommission und den Rat den eindringlichen Appell richten, dieser inakzeptablen Situation Schranken zu setzen.
Bernard Lehideux (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte lediglich zwei Bemerkungen machen.
Erstens, manche Probleme werden in diesem Parlament in recht seltsamer Weise wahrgenommen; es sind immer dieselben, die verurteilt werden, und es sind immer dieselben, über die gesprochen wird. Versuchen Sie einmal, hier die Verurteilung Kubas wegen der in seinen Gefängnissen einsitzenden politischen Gefangenen zu erwirken, und unterhalten wir uns dann darüber, wie die Menschenrechte im Europäischen Parlament behandelt werden.
Zweitens, um sicherzustellen, dass Israel endlich diejenigen freilässt, die freigelassen werden müssen, gibt es eine Lösung: Schluss mit den Attentaten, Schluss mit Bombardierungen israelischer Dörfer, Schluss mit dem Töten von Kindern, Schluss mit Anschlägen mit Bulldozern, Schluss mit dem Einsatz von Kindern, deren Taschen mit Sprengstoff gefüllt sind. Dann wird Israel seine Gefangenen freilassen!
Antonio López-Istúriz White (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Frau Morgantinis Worte sind sehr ergreifend, und wir müssen einfach unsere Solidarität mit diesen umfassend dokumentierten Fällen mutmaßlicher Verletzungen von Menschenrechten palästinensischer Häftlinge bekunden. Ich spreche bewusst von umfassend dokumentierten Fällen, da von einigen Abgeordneten des linken Flügels sehr schwer wiegende und nicht zu tolerierende Beschuldigungen gegen den Staat Israel erhoben werden. Wurden sie jemals beschuldigt, Frauen und Kinder ermordet oder wie Nazis gehandelt zu haben? Ist das der richtige Weg, um den Friedensprozess voran zu bringen?
Frau Morgantini, ich weiß, Ihre Initiative beruht auf einem konkreten und ergreifenden Fall, und Ihre Absichten sind lobenswert. Aber von einigen Ihrer Kollegen des linken Flügels wird dieser Fall für einen erneuten Versuch genutzt, das israelische Volk zu brandmarken und zu demütigen.
Wir müssen den sowjetischen Antisemitismus, der die Mentalität einiger Ihrer Kollegen hier im Parlament immer noch prägt, endlich überwinden.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen, da ich das Wesentliche in meiner Einführungsrede gesagt habe. Unsere heute geführte Aussprache war jedoch in mancher Hinsicht recht bewegend, und ich wollte Ihnen versichern, dass der geschilderte Sachverhalt dem Rat bekannt ist und der Rat weiterhin seiner Besorgnis Ausdruck verleihen und sich auf das völkerrechtliche Instrumentarium berufen wird.
Der Vorsitz wird dieses Thema auch in den weiteren während unserer Präsidentschaft stattfindenden politischen Kontakten zwischen der Europäischen Union und Israel ansprechen. Ferner weisen wir darauf hin, dass sich der in Gang befindliche politische Prozess nur fortentwickeln kann, wenn verstärkt vertrauensbildende Maßnahmen vor Ort ergriffen werden. Die fortgesetzten Siedlungsaktivitäten, die anhaltende Gewaltausübung und der Terrorismus sowie das Schicksal der palästinensischen Gefangenen behindern die Friedensbemühungen ebenso wie die Lage der von terroristischen Gruppen festgehaltenen israelischen Geiseln; ich denke insbesondere an Gilad Shalit.
Um mit einer optimistischen Anmerkung zu schließen, möchte ich dem Parlament bewusst machen, dass der Europäischen Union als Mitglied des Quartetts, als größter Geldgeber und aufgrund ihrer Maßnahmen zur Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie infolge ihrer Stellung als wichtiger Partner Israels eine Schlüsselrolle in diesem Prozess zufällt. Die EU hat stets das Recht Israels bekräftigt, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen und in Koexistenz mit Palästina zu leben, wie ich in meiner Einführung dargelegt habe.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der nächsten Sitzung im September 2008 statt.