Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Olle Schmidt im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über den Jahresbericht der EZB für 2007 (2008/2107(INI) (A6-0241/2007).
Olle Schmidt, Berichterstatter. − (SV) Herr Präsident! Herr Trichet! Herr Juncker! Alle Augen sind auf die Europäische Zentralbank gerichtet. In der gegenwärtigen unsicheren wirtschaftlichen Situation mit großen Turbulenzen auf den Finanzmärkten steht die EZB unter erheblichem Druck. Ich bin überzeugt davon, dass die Zinserhöhung der vergangenen Woche eine richtige Entscheidung war. Die Inflation ist eine Geißel, die die Vermögenswerte ungerecht verteilt. Europas politische Führung sollte dankbar sein, dass sie eine unabhängige Zentralbank hat, die bereit ist zu agieren, damit Europa nicht in einen Sog aus Stagflation, Wachstumsrückgang und steigender Inflation gerät.
Zehn Jahre nach seiner Einführung ist der Euro eine Weltwährung. Von der Sicherheit und Stabilität, die er der Eurozone und der Union als Ganzes, einschließlich meines eigenen Landes, gebracht hat, hätte sicherlich niemand auch nur zu träumen gewagt. Irlands „Nein“ in der Volksabstimmung hatte keine Auswirkungen auf die Stärke des Euro. Eine asymmetrische Entwicklung der Wirtschaften der Euro-Länder könnte eine Gefahr darstellen, der jedoch begegnet wird, indem an den Forderungen des Stabilitätspaktes nach gesunden Staatsfinanzen und einem fortgesetzten Strukturwandel in den Mitgliedstaaten festgehalten wird.
Gleichzeitig macht es Sinn, nach 10 Jahren die Arbeitsweise der EZB zu überprüfen, denn Offenheit, Transparenz, Entscheidungsfindung sowie die internationale Rolle des Euro könnten verbessert werden. Darum schlägt der Ausschuss vor, die EZB solle einen neuen Vorschlag für eine transparentere und effektivere Entscheidungsfindung in einer größer werdenden Eurogruppe unterbreiten. Ferner sollte die EZB zur Stärkung von Transparenz und Vorhersehbarkeit die Diskussionen zwischen den Mitgliedern des Gouverneursrates bei Beschlüssen über die Leitzinsen veröffentlichen. Die Rolle des Präsidenten der Eurogruppe sollte gestärkt werden, um die Bedeutung des Euro auch in internationalem Zusammenhang widerzuspiegeln.
Eine bessere Information des Marktes über Zinsbeschlüsse der EZB ist schon seit langem eine zentrale Frage für das Parlament, ebenso wie die Veröffentlichung von Protokollen und Abstimmungsergebnissen. Das hat die EZB jedoch abgelehnt und darauf verwiesen, dass dies eine nationale Zersplitterung im EZB-Rat zur Folge hätte.
Herr Trichet, wir haben ihren Standpunkt zur Kenntnis genommen, und der Ausschuss unterbreitet jetzt einen geänderten Vorschlag. Die nach einer Zinsentscheidung veröffentlichten Informationen der EZB müssen deutlicher werden, das heißt es muss klar ersichtlich sein, ob Einigkeit ohne eine Diskussion erzielt wurde, oder ob es schwierig war, einen gemeinsamen Standpunkt zu erarbeiten. Das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verbesserung des Dialogs zwischen dem Markt, uns Politikern und der EZB.
Die Inflation ist auf ein Rekordniveau gestiegen und liegt jetzt bei etwa 4 %, also deutlich über dem mittelfristigen Inflationsziel von zirka 2 %. Nicht nur der Dollar, sondern auch andere Währungen haben gegenüber dem Euro erheblich an Wert verloren, wodurch die Wechselkursdiskussionen erneut aufgeflammt sind. Durch die Erweiterung des Euroraums erlangt der Währungsbereich größeres Gewicht, doch zugleich steigen die Anforderungen, weil die Entscheidungsfindung aufwändiger wird und die Unterschiede im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau der Mitglieder zunehmen.
Die Krise auf dem Hypothekenmarkt hat deutlich gezeigt, dass finanzielle Stabilität eine globale Angelegenheit ist, da Krisensituationen nicht mehr auf ein Land oder eine Region beschränkt bleiben. Die mit der Federal Reserve und der Bank of England abgestimmten Bemühungen haben weitgehend dazu beigetragen, das Finanzsystem über Wasser zu halten, aber die Krise nicht gelöst. Gezeigt hat sich auch die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und anderen Institutionen. Angesichts der Tatsache, dass die EZB wie auch die FED ohne größeren Erfolg vor einer Unterschätzung der Folgen der Hypothekenkrise gewarnt hatten, zeigt sich die zunehmende Anfälligkeit der internationalen Finanzmärkte. Hier gibt es Anlass zu Maßnahmen, welche jetzt auch das Parlament ergreift, unter anderem durch die Überarbeitung des Lamfalussy-Verfahrens mit dem Ziel einer Modernisierung des europäischen Aufsichtssystems.
Die gemeinsame Geldpolitik der EZB steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Ich bin überzeugt davon, dass die Führung der EU und der EZB sich dabei bewähren wird. Gleichzeitig müssen jedoch alle führenden Politiker der Europäischen Union verstehen, dass Preisstabilität und gesunde Staatsfinanzen die Grundpfeiler für Wachstum und Beschäftigung sind. Es ist daher äußerst verwunderlich, dass der französische Präsident, nicht zuletzt in seiner gegenwärtigen Rolle als Ratsvorsitzender, die Stabilitätsziele der EZB infrage stellt. Meiner Ansicht nach sollte Europas Führung stattdessen in einem offenen Dialog mit ihren Bürgern Zweck und Ziel der Geldpolitik erklären. Rapide Preissteigerungen und ausgleichende Lohnerhöhungen sind die schlimmsten Feinde des Wohlstandes.
Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank. – (FR) Herr Präsident, Herr Berichterstatter, meine Damen und Herren! Es ist mir eine Ehre, Ihnen, wie im Vertrag vorgesehen, den Jahresbericht 2007 der Europäischen Zentralbank vorzulegen. Unsere Beziehungen gehen weit über die vertraglichen Verpflichtungen hinaus, und die Europäische Zentralbank weiß das sehr enge Verhältnis, das sie zum Parlament besitzt, zu schätzen.
Dies ist das vierte Mal, dass ich in diesem Jahr zu Ihnen spreche. Meine Kollegen im Direktorium standen ebenfalls in engem Kontakt mit dem Europäischen Parlament, insbesondere bei solchen Themen wie der Erweiterung der Eurozone, den Zahlungssystemen sowie dem zehnten Jahrestag der Wirtschafts- und Währungsunion.
Ich werde Ihnen zunächst einen kurzen Überblick über die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Jahren 2007/2008 geben und die geldpolitischen Maßnahmen der EZB erläutern. Danach möchte ich einige Anmerkungen zu Punkten und Vorschlägen machen, die Sie in Ihrem Entwurf einer Entschließung zum Jahresbericht 2007 der EZB vorgebracht haben.
(EN) Die EZB arbeitete im Jahr 2007 in einem schwierigen, durch steigende und stark schwankende Rohstoffpreise geprägten Marktumfeld, das, wie schon vom Berichterstatter erwähnt worden ist, ab dem zweiten Halbjahr 2007 durch erhöhte, aus der anhaltenden Korrektur an den Weltfinanzmärkten herrührende, Unsicherheit geprägt war. Trotz dieser Entwicklung setzte sich 2007 das stabile Wirtschaftswachstum in der Eurozone mit einem jährlichen realen BIP-Wachstum von 2,7 % fort.
Im ersten Halbjahr 2008 setzte sich das moderate Wachstum des realen BIP fort, obwohl die quartalsweise Darstellung vermutlich eine auf temporäre, teilweise wetterbedingte Faktoren zurückzuführende signifikante Volatilität ausweisen wird. Daher sollte die Einschätzung der Wachstumsentwicklung auf den mittelfristigen Trend fokussiert werden.
Außenwirtschaftlich ist in den Schwellenländern für die nahe Zukunft weiterhin kräftiges Wachstum zu erwarten, was die Auslandsnachfrage im Euroraum stützen wird. Binnenwirtschaftlich bleiben die wirtschaftlichen Eckdaten des Euroraums solide, und der Euroraum leidet unter keinen größeren Ungleichgewichten. Beschäftigungszahlen und Erwerbsbeteiligung erhöhten sich in den letzten Jahren stark, und die Arbeitslosenquoten sind auf einen Stand gefallen, wie er seit 25 Jahren nicht mehr registriert wurde.
Gleichzeitig bleibt aber die sich auf diese Wachstumsprognose beziehende Unsicherheit hoch, mit Abwärtsrisiken, die vor allem mit einer weiteren unerwarteten Verteuerung der Rohstoffpreise, mit möglichen weiteren Auswirkungen anhaltender Spannungen an den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft und mit zunehmenden protektionistischen Tendenzen im Zusammenhang stehen.
Was die Preisentwicklungen betrifft, so überschritt die durchschnittliche jährliche Teuerungsrate 2007 nach dem HVPI im Euroraum mit 2,1 % knapp die Preisstabilitätsdefinition der EZB. Erhebliche Steigerungen der internationalen Öl- und Nahrungsmittelpreise ließen die Inflation am Jahresende aber auf Werte von deutlich über 2 % steigen. Seither hat die Inflation im Eurogebiet weiter zugenommen und im Gefolge erneuter steiler Anstiege der Rohstoffpreise Mitte 2008 Besorgnis erregende Werte von etwa 4 % erreicht. In der Vorausschau ist anzunehmen, dass die jährliche Teuerungsrate nach dem HVPI weiterhin das der Preisstabilität entsprechende Niveau erheblich überschreiten und 2009 nur allmählich sinken wird.
Mittelfristig blieb es 2007 deutlich bei Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität, die sich in den letzten Monaten verstärkt haben. Zu diesen Risiken gehören der mögliche weitere Anstieg der Rohstoffpreise und eine unerwartete Erhöhung der indirekten Steuern und der administrierten Preise. Außerdem befürchtet der EZB-Rat sehr stark, dass sich aus dem Preis- und Lohnfestsetzungsverhalten zusätzlicher Inflationsdruck durch breit angelegte Zweitrundeneffekte ergeben könnte. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits in einigen Regionen der Eurozone. In diesem Zusammenhang sind Regelungen mit einer Indexbindung der Nominallöhne besonders beunruhigend und sollten vermieden werden.
Die monetäre Analyse bestätigt im ersten Halbjahr 2008, wie schon 2007, mittel- und langfristig weiterhin das Vorherrschen von Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität. Entsprechend unserer geldpolitischen Strategie sind wir der Ansicht, dass die nachhaltige grundlegende Stärke des Geld- und Kreditmengenwachstums im Euro-Währungsgebiet während der letzten Jahre Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität verursacht hat.
Im März und Juni 2007 passte der EZB-Rat die Geldpolitik weiter an, um die vorherrschenden mittelfristigen Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität aufzufangen. Nach einer Periode ungewöhnlich hoher Unsicherheit im Zusammenhang mit der Korrektur an den Finanzmärkten hob der EZB-Rat im Juli 2008 den Mindestbietungssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems auf 4,25 % an. Dieses Vorgehen unterstreicht die Entschlossenheit des Rates, Zweitrundeneffekte zu verhindern und weiterhin längerfristige Inflationserwartungen fest mit Preisstabilität zu verknüpfen. Damit trägt die Geldpolitik der EZB zur mittelfristigen Aufrechterhaltung der Kaufkraft und zur Unterstützung von nachhaltigem Wachstum und Beschäftigung im Eurogebiet bei.
Nach der in der vorigen Woche vom EZB-Rat getroffenen Entscheidung, die Zinsen zu erhöhen, wird seine Geldpolitik nach der derzeitigen Beurteilung des EZB-Rates mittelfristig zur Erreichung von Preisstabilität beitragen. Auch in Zukunft werden wir alle Entwicklungen genau verfolgen.
Im Entschließungsentwurf werfen Sie einige für die EZB wichtige Punkte auf. Ich darf Ihnen versichern, dass wir die soeben von Ihnen geäußerten Meinungen und alle im Entschließungsantrag enthaltenen Hinweise mit großer Sorgfalt in Erwägung ziehen und Ihnen anschließend entsprechend Bericht erstatten werden.
Lassen Sie mich doch ganz kurz zu einigen dieser Punkte Stellung nehmen. In Bezug auf die geldpolitische Strategie möchte ich zunächst die positive Bewertung dieser geldpolitischen Strategie der EZB durch den Ausschuss für Wirtschaft und Währung begrüßen. Unsere aus zwei Säulen bestehende Struktur sichert, dass alle für die Bewertung von Preisstabilitätsrisiken relevanten Informationen bei geldpolitischen Entscheidungen schlüssig und systematisch mit einbezogen werden.
Um seine geldpolitische Analyse weiter zu verbessern – was auch im Entschließungsantrag zur weiteren Verbesserung der analytischen Infrastruktur der EZB vorgeschlagen wird – hat der EZB-Rat 2007 im Eurosystem eine Forschungsagenda auf den Weg gebracht.
Zur Frage der Transparenz möchte ich auch begrüßen, dass der Ausschuss akzeptiert, dass es nicht unbedingt ratsam wäre, die Protokolle der Sitzung des EZB-Rates öffentlich zugänglich zu machen. Das würde nur die Aufmerksamkeit auf einzelne Positionen lenken, obwohl in einem aus 15 und schon sehr bald aus 16 Ländern bestehenden Euro-Währungsgebiet nur die Position des kollektiven Entscheidungsträgers, des EZB-Rates, als Kollegium zählt. Es könnte auch zu Versuchen führen, Druck auf Mitglieder des Rates auszuüben, bei geldpolitischen Entscheidungen ihre notwendigerweise auf die Eurozone gerichtete Sichtweise aufzugeben.
Schon in der Vergangenheit habe ich betont, dass ich die „Einleitenden Bemerkungen“, die ich im Namen des EZB-Rates auf der monatlichen Pressekonferenz mache, als Äquivalent zum „Kurzbericht“ anderer Zentralbanken betrachte. Die „Einleitenden Bemerkungen“ vermitteln in Kombination mit der nachfolgenden Frage-und-Antwort-Runde in Echtzeit einen umfassenden Überblick über die aktuelle geldpolitische Position des EZB-Rates. Dieses Kommunikationsmittel hat sich bei der Steuerung der Finanzmarkterwartungen bewährt.
Bezüglich der Finanzpolitik teilt die EZB die geäußerte Ansicht, dass alle Mitgliedstaaten den Stabilitäts- und Wachstumspakt vollumfänglich einhalten müssen. Für 2008 wird ein erneuter Anstieg für die Kennzahl des kumulierten Haushaltsdefizits in der Eurozone prognostiziert. Es besteht ein deutliches Risiko, dass einige Staaten die Bestimmungen der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht einhalten werden. Unserer Meinung nach besteht der bestmögliche Beitrag der Finanzpolitik zur makroökonomischen Stabilität darin, eine solide und nachhaltige Haushaltslage zu erreichen und zu gewährleisten, dass die automatischen Stabilisatoren auf dieser Grundlage ungehindert wirksam werden können.
Der Entschließungsentwurf nimmt auch auf die durch ökonomische Ungleichgewichte zwischen den Staaten des Euroraums bedingten Risiken Bezug, die zu einem gewissen Grad strukturelle Verkrustungen und/oder eine unangemessene nationale Politik reflektieren. Selbstverständlich können wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen Staaten der Eurozone nicht durch die Geldpolitik angegangen werden.
Um eine längere Phase sowohl geringen Wachstums als auch hoher Arbeitslosigkeit oder einer Überhitzung als Reaktion eines Landes auf asymmetrische Schocks zu vermeiden, sollten auf nationaler Ebene Reformen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen derartige Schocks durchgeführt werden. Dazu gehören gut durchdachte Strukturreformen zur Steigerung von Wettbewerb, Produktivität und Arbeitsmarktflexibilität.
Lassen Sie mich noch einmal betonen, dass es notwendig ist, Entwicklungen bei der nationalen Wettbewerbsfähigkeit, einschließlich Lohnstückkosten, vorausschauend zu verfolgen, da es sehr schwierig ist, eingebüßte Wettbewerbsfähigkeit wieder wettzumachen. Diesbezüglich unterstützen wir die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer verantwortungsbewussten Lohn- und Preispolitik.
Ich werde mich nun den Problemen zuwenden, die durch die Korrektur am Finanzmarkt für Krisenprävention und Krisenmanagement deutlich wurden und denen auch in der Analyse des Parlaments großer Stellenwert beigemessen wird.
Was die Krisenprävention angeht, so hat die Korrektur an den Märkten gezeigt, dass sowohl für Aufsichtsbehörden als auch für Zentralbanken Handlungsbedarf besteht. Aufsichtsbehörden sollten sich stärker um grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Informationsaustausch bemühen. Von entscheidendem Stellenwert ist es, das Potenzial des Lamfalussy-Rahmens noch stärker zu nutzen. Der Ecofin-Rat hat sich zu diesem Zweck auf bestimmte Maßnahmen geeinigt, und die Aufmerksamkeit sollte sich jetzt auf die Umsetzung dieser Orientierungen richten.
Unserer Ansicht nach hat die Marktkorrektur keine überzeugenden Belege für eine Reformierung des gegenwärtigen Aufsichtsrahmes, z. B. durch die Schaffung einer neuen EU-Aufsichtsbehörde, geliefert. Die Zentralbanken, einschließlich der EZB, waren bei der Ermittlung der Schwachstellen und Risiken des Finanzsystems, die im Zuge der Unruhen an den Märkten zutage traten, in hohem Umfang effektiv. Ich führe dies hier nicht weiter aus.
Betrachtet man die für das Krisenmanagement zu ziehenden Lehren, so kristallisierte sich während der Marktunruhen vor allem der zum Zeitpunkt der Entstehung einer Krise entstehende Bedarf an einem reibungslosen Informationsfluss zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden heraus. Damit Zentralbanken ihre Aufgaben bei der Krisenbewältigung wirksam erfüllen, können sich Informationen durch die Aufsichtsbehörden für sie als erforderlich erweisen. Dies trifft für das Eurosystem genauso wie für alle Zentralbanken zu. Die Aufsichtsbehörden ihrerseits können von Informationen der Zentralbanken profitieren. Daher unterstützt die EZB in höchstem Grade die vorgesehene Verstärkung der EU-Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden.
Lassen Sie mich mit einigen Bemerkungen zur Integration der Zahlungssysteme in Europa abschließen. Wir haben mit Befriedigung die positive Bewertung von SEPA und TARGET 2 im Entschließungsentwurf zur Kenntnis genommen. In Bezug auf die TARGET 2-Securities-Initiative wird der EZB-Rat in den nächsten Wochen über die Fortsetzung des T2S-Projekts entscheiden. Es ist wichtig anzumerken, dass alle bedeutenden Zentralverwahrer von Wertpapieren (CSD) positiv auf unsere Initiative reagiert haben.
Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Eurogruppe und Mitglied des Europäischen Rates. − (FR) Herr Präsident, Herr Berichterstatter, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihrem Berichterstatter für das hohe Niveau seiner Arbeit Anerkennung zollen. Es ist ein ausgezeichneter Bericht, der alle wesentlichen Punkte beinhaltet.
Den Arbeiten Ihres Ausschusses und dem Bericht Ihres Berichterstatters entnehme ich erfreut, dass sich die Ansichten Ihres Parlaments weitgehend mit den mehrfach von der Eurogruppe, deren Vorsitzender zu sein ich die Ehre habe, geäußerten Standpunkten decken. Dieser Konsens, diese breite Übereinstimmung bezieht sich vor allem auf die Operationen und Tätigkeiten der Zentralbank, die, wie immer, von Ihrem Parlament und den Regierungen, die ich hier vertrete, mit Komplimenten überschüttet wird.
Diese Bemerkung ist von besonderer Bedeutung vor dem Hintergrund der vielfältigen Kritik, die in den letzten Wochen und Monaten, als angesichts der weltweiten Finanzkrise ein ganzes Arsenal aufgeboten werden musste, gegen die Zentralbank erhoben wurde. Mit Befriedigung konnte die zunächst als überaktiv gescholtene Europäische Zentralbank feststellen, dass ihre Instrumente und Methoden von allen anderen wichtigen Währungsbehörden übernommen wurden.
Des Weiteren gehen wir mit dem Berichterstatter konform, wenn er uns – die Eurogruppe, den ECOFIN-Rat allgemein und unsere Bank – auffordert, aus den zurückliegenden Krisen die richtigen finanziellen Konsequenzen zu ziehen, namentlich in Bezug auf die unseren gegenwärtigen Mechanismen noch hinzuzufügende Aufsicht auf die Finanzmärkte und die Transparenz.
Die Inflationsbekämpfung ist das Hauptanliegen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Alle aktuellen Meinungsumfragen belegen, dass der Kaufkraftverlust und die Angst vor den tatsächlich eintretenden Gefahren des Kaufkraftverlustes die Menschen weiter beunruhigen. Daher ist es das Recht und die Pflicht der Zentralbank, die Preisstabilität zu gewährleisten, wie es dem ihr durch den Gründungsvertrag von Maastricht zugewiesenen Ziel entspricht.
Lassen Sie mich hinzufügen, dass wir uns nicht der einfachen Vorstellung hingeben dürfen, die Zentralbank trage in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörde die alleinige Verantwortung für die Preisstabilität und die Bekämpfung der Inflation. Inflation und Inflationsbekämpfung sind ebenso eine Besorgnis und Verpflichtung der Regierungen der Eurozone. Auch ihnen obliegen in Ergänzung zur Währungspolitik der Zentralbank geeignete politische Maßnahmen als Stütze der Preisstabilität.
So haben sich die Regierungen der Eurogruppe im Rahmen der erforderlichen Lohnzurückhaltung zunächst einmal verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit es bei den Löhnen und im öffentlichen Sektor zu keinen Entgleisungen kommt. Daher sind wir fest entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um nicht notwendige Erhöhungen indirekter Steuern, Mehrwertsteuer ebenso wie Verbrauchsteuern, zu vermeiden. Wir sind die entschiedene Verpflichtung eingegangen, alle denkbaren Schritte zu unternehmen, damit die Preise nicht die Grenzen des gesunden Menschenverstands überschreiten.
Niemand kann von Inflation und Preisstabilität sprechen, ohne die Unabhängigkeit der Zentralbank zu erwähnen, wie es Ihr Berichterstatter sowohl in seinem schriftlichen als auch mündlichen Bericht tat.
Ich wollte nochmals darauf hinweisen, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank ein Grundprinzip der Wirtschafts- und Währungsunion ist, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank Bestandteil des Paktes bildet, auf dem die WWU beruht, dass bei den Arbeiten, die zum Verfassungsvertrag und danach zum Reformvertrag von Lissabon geführt haben, keine Regierung auch nur geringfügige Änderungen des allgemeinen Auftrags der Zentralbank, der sich auf die Preisstabilität konzentriert, vorgeschlagen hat. Infolgedessen sollte meines Erachtens einer unersprießlichen, zwecklosen Debatte, die nichts mit der tatsächlichen Situation zu tun hat, eines Tages ein Ende gesetzt werden. Das heißt nicht, dass wir nicht alle an der Bank Kritik üben, ihr bei ihrem vortrefflichen Wirken mit Rat und Tat beiseite stehen dürfen, ihre Unabhängigkeit jedoch ist ein absolutes Tabu.
Im Übrigen möchte ich betonen, dass die Währungspolitik nicht mit Aufgaben überlastet werden darf. Nach dem Vertrag besteht das Ziel der Zentralbank in der Gewährleistung der Preisstabilität. Wir dürfen ihrem Mandat nicht noch eine ganze Reihe wirtschaftlicher Ziele hinzufügen, sondern müssen uns an den Grundsatz der Kohärenz halten, aufgrund dessen es nicht unser Bestreben sein darf, dass von der Bank zu viele politische Ziele verfolgt werden. Sie verfügt über ein Aktionsinstrument, nämlich die Währungspolitik; sie handelt mit Gewandtheit und Entschlossenheit.
Was die Wechselkurspolitik anbelangt, so habe ich in dem Bericht von Herrn Schmidt insofern eine leichte Ungenauigkeit festgestellt, als darin der Eindruck erweckt wird, die Währungspolitik sei der einzige, wenn nicht ausschließliche Aufgabenbereich der Zentralbank. So sehr ich es begrüße, wenn die Zentralbank in allen Bereichen, in denen es um Wechselkurse geht, eine führende Rolle spielt, möchte ich Sie gleichwohl auf die Vertragsbestimmungen hinweisen, wonach die Bank und die Regierungen gemeinsam für die Wechselkurspolitik zuständig sind. Im Übrigen führen wir auf dem Gebiet sowohl der Wechselkurs- und der Währungspolitik als auch der Strukturpolitiken mit der Bank einen ständigen, fruchtbaren Dialog, zu dem jeder seinen Beitrag leistet.
So sind im Rahmen dieses regelmäßigen Dialogs Herr Trichet und ich im November letzten Jahres nach China gereist, um mit den chinesischen Behörden über die Wechselkurspolitik zu diskutieren, und wir werden in der zweiten Hälfte dieses Jahres erneut Gespräche mit ihnen führen.
Eine kleine Ungenauigkeit, die mir in dem Bericht Ihres Ausschusses aufgefallen ist, betrifft die Außenvertretung der Eurozone. Auch hier ist, im Gegensatz zu den Andeutungen des Berichts die Zentralbank nicht allein für die zur Stärkung der internationalen Rolle der Eurozone erforderlichen Schritte zuständig. Auf diesem Gebiet werden die Befugnisse ebenfalls gemeinsam ausgeübt.
Thomas Mann, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Bienvenus les deux Jean-Claude, les Présidents Trichet et Juncker!
Am 2. Juni gab es bei uns in Frankfurt am Main, der Stadt der Einführung der D-Mark und des Euro, eine große Feierstunde — zehn Jahre Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Es ist das Verdienst der EZB, dass sich der Euro international etabliert hat und dass von der Preisstabilität als oberstem Ziel zu keiner Zeit abgewichen wurde. Es war konsequent, dass die EZB vor wenigen Tagen ihre schärfste Waffe nutzte, den Leitzins zu beeinflussen und ihn um ein Viertelprozent anzuheben. Das Ziel war und ist, Inflationsgefahren einzudämmen, die durch hohe Lebenshaltungskosten entstanden sind, durch explodierende Preise bei Benzin und Öl.
Diesmal kündigte die EZB ihre Maßnahmen bereits Wochen vorher an. Anders handelte sie im Vorjahr, innerhalb von wenigen Stunden massiv und effektiv. Das Vorgehen wurde im Bericht von Olle Schmidt — einem vorzüglichen Bericht, bei dem wir gut zusammengearbeitet haben — ausdrücklich begrüßt. In der zweiten Jahreshälfte 2007 brach der Immobilienmarkt zusammen, durch die Subprime-Krise gerieten Banken und Versicherungen, die sich verzockt hatten, in eine Schieflage. In kürzester Zeit stellte die EZB ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung und verhinderte damit einen grenzüberschreitenden Zusammenbruch.
Diese Schnelligkeit und Wirksamkeit sind ein Beweis für Handlungsstärke, die auf Kompetenz und auf gewachsenem Vertrauen in ihrem Gremium beruht. Generell halte ich die Entscheidungen der EZB für transparent, basierend auf gutem Informationsfluss und offenen Zielsetzungen. Im monetären Dialog legt die EZB vor uns, dem Wirtschafts- und Währungsausschuss, regelmäßig Rechenschaft über finanzpolitische Beschlüsse ab.
Die oft geforderte Veröffentlichung von Protokollen der Präsidiumssitzungen halte ich für wenig zielführend. Nationale Einflussnahmen müssen verhindert werden. Die uneingeschränkte Unabhängigkeit muss gesichert werden. Normalerweise, Herr Präsident, haben wir Abgeordnete viel Gelegenheit zu kritisieren, heute darf ich einmal denen ausgesprochen viel Lob aussprechen, bei denen die Unternehmen und die Bürger in guten Händen sind, zum einen Präsident Trichet und Ihrem Haus, der EZB in Frankfurt am Main, und zum anderen natürlich dem exzellenten Jean-Claude Juncker.
Manuel António dos Santos, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Juncker, Herr Trichet! Ich möchte zunächst feststellen, dass das Hauptziel dieses Berichts darin bestand, die Tätigkeit der Europäischen Zentralbank im Jahre 2007 zu analysieren. Offensichtlich kam man jedoch bei der Diskussion im Währungsausschuss nicht umhin, die künftigen Herausforderungen anzusprechen, vor denen die Währungspolitik der Europäischen Union und deren Regulierungsmechanismen stehen.
Mit Blick auf den Aufgabenbereich der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen der Verträge verdient deren Tätigkeit im Jahre 2007 Anerkennung. Obwohl es ihr nicht gelang, die Währungsturbulenzen und den damit einhergehenden derzeitigen wirtschaftlichen Abschwung zu verhindern, konnte sie eine Vielzahl negativer Folgen der gegenwärtigen Situation mildern. Meiner Meinung nach geht es weiterhin hauptsächlich darum, ob es uns mit den derzeitigen Politiken und Instrumenten der Europäischen Union gelingt, die tiefe Krise der Weltwirtschaft und deren Folgen für Europa definitiv zu überwinden.
Eine Krise ist nicht unbedingt eine Katastrophe. Wir können jedoch die Entwicklung einer Krise hin zu einer Katastrophe nur aufhalten, wenn wir uns geeignete Zielvorstellungen für die künftige Entwicklung zu Eigen machen, die frei von überholten Betrachtungsweisen sind und sich auf das Wesentliche der vor uns stehenden neuen Erscheinungen konzentrieren, denen wir entgegentreten müssen. So ist es beispielsweise nicht hinnehmbar, dass man der Nichteinhaltung geltender Regeln das Wort redet, wobei unser Beitrag zur politischen Debatte darin bestehen muss, Vorschläge zu erarbeiten, die geeignet sind, die gegenwärtige Lage zum Positiven zu wenden.
Im Bericht von Herrn Schmidt werden einige Lösungswege angesprochen, wie beispielsweise die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken und Regulierungsbehörden beim Streben nach Vereinheitlichung der Deregulierung und Regulierung des Finanzsektors, die Schaffung eines Rahmens für das Finanzmanagement der EZB, die verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Eurogruppe, der Kommission und der EZB, die Erhöhung der Transparenz bei Entscheidungsprozessen und insbesondere die Bereitstellung von Informationen, mit denen die Öffentlichkeit in die Lage versetzt wird, Maßnahmen der EZB nachzuvollziehen, die weitere Reform der Verwaltungsstrukturen der Bank, eine sehr sorgfältige Zinspolitik, das Abgehen von spekulativen Interventionen und verfehlten Marktnachlässen, all dies mit dem Ziel, die Investitionspolitik, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Strukturreform und das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden. Das ist bereits sehr viel, aber unabhängig davon müssen wir zu der Einsicht gelangen, dass wir vor einer schwierigen Wirtschafts- und Gesellschaftskrise stehen, deren Ausmaß noch nicht abzusehen ist. Wir wissen jedoch eines: Bevor es wieder aufwärts geht, wird es zunächst zu einer erheblichen Verschlechterung der Lage kommen.
Wir geben uns im Hinblick auf die uns zur Verfügung stehenden Mittel zur Bewältigung der derzeitigen Probleme keinen Illusionen hin. Das Erkennen der Situation hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun, sondern entspricht einfach dem gesunden Menschenverstand. Möglicherweise stehen wir kurz davor, politische Lösungen für unsere Probleme zu benennen, die sicherlich nicht den Weltuntergang und noch weniger das Ende der Geschichte bedeuten. Wir können nur an die EZB appellieren, ihren Aufgabenbereich im Geiste der Zusammenarbeit sowie mit Sachkenntnis, Transparenz und Flexibilität in Angriff zu nehmen und ihre Kompetenzen zu keinem Zeitpunkt zu überschreiten.
Wolf Klinz, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten, liebe Kollegen! Ich darf mich dem Kompliment meiner Vorredner anschließen. Die EZB hat in der Tat schon zu Beginn der Finanzkrise schnell und kompetent gehandelt, und ohne diese Entschlossenheit wäre die Finanzkrise wahrscheinlich sehr viel schlimmer ausgefallen. Noch ist sie nicht vorüber, aber durch ihre Entschlossenheit hat sie nicht nur ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis gestellt, sondern sie ist zu einer Art Vorbild für kompetentes Zentralbankhandeln geworden und zu einer Art Leitbild für andere Zentralbanken.
Die schwierigste Phase, fürchte ich, liegt aber noch vor der Zentralbank. Die nächsten achtzehn Monate werden der wirklich kritische Test werden, ob die Bank ihre Glaubwürdigkeit auch dann noch bewahren kann. Ich hoffe es! Wir haben galoppierende Öl- und Rohstoffpreise, wir haben ausufernde Lebensmittelpreisentwicklungen und wir haben eine Inflation. Präsident Trichet hat von 4 % im Euroraum gesprochen, in manchen Mitgliedsländern sind es sogar fast 6 %, und wir haben einen unglaublich starken Euro.
Die Gefahr einer Stagflation ist deshalb sehr real. Es geht darum, sicherzustellen, dass wir hier tatsächlich diese Gefahr schon frühzeitig bannen. Deshalb und vor diesem Hintergrund begrüße ich, dass die Zentralbank durch ihre Zinsentscheidungen der letzten Woche unter Beweis gestellt hat: Jawohl, die Inflation zu bekämpfen, ist und bleibt unsere Hauptaufgabe.
Als Deutschland sich vor mehreren Jahrzehnten in der Stagflation befand, hat der damalige Kanzler Schmidt gesagt: Mir sind 5 % Inflation lieber als 5 % Arbeitslosigkeit. Er stand damit im direkten Gegensatz zur Bundesbank. Es hat sich herausgestellt, dass die Politik der Bundesbank richtig war, die Inflation sofort und entschieden zu bekämpfen. Und Deutschland ist früher aus der Stagflation herausgekommen als viele andere Länder.
Ich habe der Zentralbank keine Ratschläge zu erteilen. Sie weiß selbst am besten, was sie zu tun hat. Ich habe drei Wünsche. Auf zwei davon ist schon eingegangen worden. Ich würde mir wünschen, dass der Dialog zwischen der Zentralbank und der Eurogruppe und dem Präsidenten der Eurogruppe, Herrn Juncker, unverkrampft vor sich geht. Ich glaube, das ist inzwischen der Fall. Ich würde mir wünschen, dass die Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Zentralbanken, sondern auch zwischen der Zentralbank und den Aufsichtsbehörden vertieft wird. Auch das ist schon angedeutet worden.
Schließlich würde ich mir wünschen – da habe ich leider eine negative Antwort von Präsident Trichet –, dass wir mehr Informationen über die Entscheidungsfindung erhalten. Wir wollen keine Namen wissen, aber wir wollen wissen, ob es eine knappe Entscheidung war, ob es eine eindeutige Entscheidung war und ob es viele Diskussionen gegeben hat oder wenige.
Claude Turmes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich bin kein großer Experte in Währungsfragen, versuche aber, die Hintergründe der gegenwärtigen Energie- und Lebensmittelkrise zu begreifen. und komme dabei zu dem Schluss, dass für uns ein neues Zeitalter anbricht.
Wir treten in eine Epoche der Ressourcenknappheit des Planeten ein. Weshalb? Weil bei uns noch ein aus dem 20. Jahrhundert stammendes Wirtschaftsmodell vorherrscht, konzipiert und praktiziert von einer Milliarde Bürger aus den Mittelschichten in Europa, den USA und Japan sowie von kleinen Eliten in anderen Teilen der Welt. Das war die Welt des 20. Jahrhunderts.
In der Welt des 21. Jahrhunderts wird es in China, Indien, Indonesien, Südafrika, Nigeria, Mexiko, Brasilien und anderen Ländern Hunderte von Millionen mehr Menschen, die der Mittelschicht angehören, geben. Unser derzeit vorherrschendes Wirtschaftsmodell ist folglich mit einem Systemfehler behaftet. Dass die Ressourcen begrenzt sind, wurde bei dem System nämlich nicht bedacht. Wo sollen wir denn noch Fisch finden, wenn die Chinesen so viel Fisch essen wie die Japaner? Wo sollen wir noch Erdöl finden, wenn die Inder allesamt Tatamobile fahren? Wo werden wir Kohle für die Stahlwerke in der ganzen Welt finden, wenn sich die Entwicklung der Schwellenländer auf der Grundlage der bestehenden Technologien vollzieht? Darin liegt die tiefere Ursache der Krise.
Ich habe also drei konkrete Fragen. Erstens: Die Spekulation. Die Spekulation ist zwar nicht die Wurzel des Übels, doch was soll für die Bürger unternommen werden, die durch steigende Preise erdrückt werden, während die Aktionäre von Total und E.ON sowie andere Spekulanten von ihren Gewinnen erdrückt werden? Herr Juncker, Sie haben eine Spekulationssteuer vorgeschlagen. Gibt es Fortschritte hinsichtlich dieses Vorschlags, denn ich denke, die Bürger wollen, dass wir als Politiker aktiv werden.
Zweite Frage: Welche Sofortmaßnahmen sind im Hinblick auf eine Verringerung der Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von importiertem Erdöl und Erdgas und deren Preise möglich? Könnten wir nicht ein umfassendes Investitionsprogramm, das mithilfe der Europäischen Investitionsbank aufzulegen wäre, für die Modernisierung von Gebäuden, von öffentlichen Verkehrsmitteln sowie beispielsweise auch für den Einbau von Elektromotoren und anderer Systeme in Klein- und Mittelunternehmen in Betracht ziehen? Das erscheint mir der einzige Weg zur Drosselung des Verbrauchs, denn bei uns gibt es keine Preisbindung.
Meine dritte Bemerkung betrifft das Lohnindexierungssystem. Herr Trichet, Sie und ich beziehen genügend hohe Gehälter, um von den Energie- und Nahrungsmittelpreisen nicht zu stark in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Sie verdienen zweifellos mehr als ich, zugleich fordern Sie aber die Abschaffung der nationalen Indexierungssysteme, wie wir sie in Luxemburg und Belgien haben. Herr Juncker, besteht hier nicht für die Bürger die einzige Möglichkeit, zu einer Zeit explodierender Preise über zusätzliches Einkommen zu verfügen? Mir ist wirklich unbegreiflich, weshalb Sie vehement gegen Indexierungssysteme sind.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Vielen Dank, Herr Präsident. Auch Herrn Trichet, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, und Herrn Juncker möchte ich willkommen heißen.
Zunächst darf ich Herrn Trichet zu seinem soeben präsentierten Jahresbericht beglückwünschen. Wir sollten keinen Hehl daraus machen, dass die weiteren Aussichten für den Euroraum ungünstig sind. Ich befürchte, in den nächsten Jahren werden sich viele der beim Start des Euro laut gewordenen Zweifel bewahrheiten. Nach einigen Jahren des Wohlstands wird sich nun zeigen, ob die Europäische Zentralbank die Inflation auf einem niedrigen Stand halten kann.
Im Euroraum wird eine gemeinsame Währungspolitik betrieben, aber jedes seiner sechzehn Länder verfolgt eine eigene Wirtschaftspolitik. Sechzehn Länder, jeweils mit eigenem HVPI und eigenen Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung. Die letzte Anhebung des Leitzinses durch die EZB führt bei einer Inflation im Euroraum von 4 % zu einem Realzins von 0,25 %. Dieser Zinssatz genügt jedoch nicht, um der steigenden Inflation und einer drohenden Rezession in jedem Mitgliedstaat entgegenzuwirken.
Ich möchte Herrn Trichet um eine Einschätzung bitten, inwieweit die vorhandenen Instrumente in den nächsten Jahren ausreichen werden.
Sergej Kozlík (NI). – (SK) Ich teile die Ansicht, dass die Einführung des Euro, die allmähliche Erweiterung des Euroraums und die Anwendung einer konsequenten Wirtschaftspolitik, in Verbindung mit dem umsichtigen Vorgehen der Europäischen Zentralbank, zu der gegenwärtig recht stabilen wirtschaftlichen Entwicklung in den Ländern der Europäischen Union geführt haben.
Unbestreitbar ist auch, dass, aufgrund des dynamischen Wachstums im Hinblick auf Anzahl und Vielfalt der Finanzmarktoperationen, diese Operationen zunehmend an Transparenz verlieren. Dies führt dann im Ergebnis zu vermehrten Risiken, die nicht nur Unternehmer- und Verbrauchergruppen, sondern auch den Volkswirtschaften ganzer Nationen potenziell schaden können. Folglich muss in der EU einen breiter angelegter Rahmen für die Finanzaufsicht geschaffen werden, und die Europäische Zentralbank ist stärker in diese Aufsicht einzubinden, um jeglichen Problemen im Finanzsystem zu begegnen.
Ich stimme dem Berichterstatter, Herrn Schmidt, zu, dass eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken und einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden unverzichtbar sein wird. Das Ziel besteht darin, die Stabilität der Finanzmärkte aufrechtzuerhalten, insbesondere in Anbetracht der immer stärker integrierten Finanzsysteme. Was in der heutigen Zeit für die Ökologie gilt, gilt auch für die Finanzmärkte. Ohne die Beteiligung anderer großer Akteure, wie etwa USA, Russland, Japan, China, Indien und andere, wird es nicht möglich sein, im weltweiten Kontext ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen.
José Manuel García-Margallo y Marfil (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Herr Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, und Herr Juncker, der Präsident der Eurogroup, stellen übereinstimmend fest, dass die Rollenverteilung der einzelnen Politikbereiche seit nunmehr zehn Jahren feststeht. Die Zentralbank und die Währungspolitik sichern die Preisstabilität, der öffentliche Haushalt erfordert mittelfristig einen Ausgleich, und die sonstigen Politikbereiche müssen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum schaffen.
Laufen die Dinge aus dem Ruder, fangen wir an, dieses Modell in Frage zu stellen. Wir laden unsere eigene Verantwortung auf den Schultern der europäischen Institutionen ab. Einige schieben die Schuld Herrn Trichet zu, andere Herrn Juncker. Verschlimmert sich die Lage noch weiter, ist schließlich Herr Pöttering der Schuldige.
In der heutigen Zeit, so denke ich, ist es ganz wichtig, dass ein stabiler Kurs gefahren wird — und Herr Trichet ist ein guter Navigator — und das Modell, das uns so weit gebracht wird, bestehen bleibt.
Ich möchte einige Anmerkungen zur Preisproblematik machen. Es stimmt, was Herr Juncker gesagt hat, dass wir nämlich alle Verantwortung tragen und die Regierungen handeln müssen. Diese Situation muss analysiert werden, wenn wir die Marktflexibilität in Angriff nehmen, wenn wir die Post-Lissabon-Strategie ausarbeiten.
In einer Sache muss die Zentralbank jedoch die Führung übernehmen. Die Menschen meinen, die Preissteigerung sei zu einem gewissen Grad auf Preisspekulationen zurückzuführen, wenn mir auch keine genauen Zahlen vorliegen; diese Situation ist zum Teil durch Währungsverlagerungen vom Subprime- und variablen Zinsmarkt auf den Terminmarkt entstanden, und wir müssen da gemeinsam etwas unternehmen.
Hinsichtlich der institutionellen Architektur stimme ich dem Berichterstatter, Herrn Schmidt, zu, dass jetzt wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt für die Veröffentlichung der vollständigen Protokolle der Präsidiumssitzungen ist. Dennoch meine ich, dass die Veröffentlichung einer Zusammenfassung der Protokolle sinnvoll wäre, und, was noch wichtiger ist, die Zentralbank sollte uns sagen, welches relative Gewicht sie den beiden Säulen beimisst, auf denen ihre Strategie beruht, wenn Entscheidungen zur Verbesserung der Transparenz und der Marktwahrnehmung getroffen werden.
Auch glaube ich, dass eine bessere ökonomische Führungstätigkeit einen Gegenpol erfordert, einen Ausgleich: aber dafür kann nicht Herr Trichet verantwortlich gemacht werden. Der Fehler liegt bei uns, denn wir haben dem Lissabon-Vertrag nicht zugestimmt, und ich wünsche mir, dass dieser Fehler behoben wird.
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Trichet, Herr Juncker! Zunächst möchte ich unserem Berichterstatter für seine hervorragende Arbeit danken. Die Beiträge, die von allen geleistet wurden, haben zu einem Ergebnis geführt, durch das, denke ich, Klarheit geschaffen wird; die Botschaft mag zwar etwas vage sein, beinhaltet nach meinem Dafürhalten jedoch nützliche Elemente.
Herr Trichet, von Ihren Reden im Laufe des Sommers 2007 waren alle beeindruckt. Dass Sie dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung umgehend Bericht erstattet haben, findet unsere Anerkennung. Jetzt haben Sie jedoch in einem Klima, in dem nach allgemeiner Ansicht die Krise noch nicht überwunden ist und die schlechten Nachrichten, einschließlich derjenigen der großen europäischen Banken, noch bevorstehen, die Leitzinsen erhöht.
Als wir Sie im Dezember letzten Jahres sahen, sprachen Sie davon, dass Sie 2008 eine Inflation von 3 % erwarten und sich die Dinge anschließend beruhigen würden. Heute haben wir eine Inflation von 4 %, und Sie erklären uns, Sie hätten die Zinssätze um einen Viertel Punkt angehoben, das sei alles. Wenn die von Ihnen verfolgte Strategie tatsächlich darin besteht, in der Frage der Preisstabilität weiterhin höchste Wachsamkeit walten zu lassen, werden Sie dann aber bei einer importierten Inflation an diesem Kurs kurz- und mittelfristig festhalten können, was ja bekanntlich für das Wirtschaftswachstum und mithin die Beschäftigung nicht ohne Risiken sein wird?
Das von Claude Turmes genannte Phänomen, das sich als Eintritt der Europäischen Union in die zweite Phase der Globalisierung beschreiben ließe, führt uns meiner Ansicht nach zu einer Neubewertung des Instrumentariums, das uns zur Bewältigung der ersten Phase zu Gebote stand. Diese erste Phase beförderte die Preisstabilität oder jedenfalls einen Rückgang der Preise für Konsumgüter, bedingt insbesondere durch Produktionsverlagerungen.
Die jetzige neue Phase ist durch ein neuartiges Gleichgewicht und ein neuartiges Modell gekennzeichnet, bei dem die vormaligen Schwellenländer, auch was ihren Zugang zu Rohstoffen anbelangt, nunmehr voll etabliert sind, mit den bekannten sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Preise.
Betrifft unter diesen Umständen – und ich wende mich hier sowohl an Herrn Trichet als auch an Herrn Juncker, denn Herr Juncker weist zu Recht auf die Zuständigkeiten hin, die die Eurogruppe und der ECOFIN-Rat auf diesem Gebiet besitzen, die aber nie in diesen Ausschuss oder in unser Parlament kommen – die derzeit grundlegende Frage daher nicht das Wechselkursverhältnis, den Kauf der Erdöllieferungen in Euro und die Fähigkeit der Europäischen Union, vor allem ihrer Eurozone, mit einer Stimme zu sprechen, damit wir zehn Jahre nach der Umstellung auf den Euro endlich zu einem koordinierten und verantwortungsbewussten Dialog zwischen den wichtigsten Weltwährungen beitragen können, um den für unser Wirtschaftswachstum günstigsten Wechselkurs sicherzustellen?
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Ich möchte darauf hinweisen, dass die Europäische Zentralbank, die anfangs doch nur eine von vielen war, dank ihrer beeindruckenden Arbeit im Laufe unserer Wahlperiode zu der weltweit führenden Zentralbank aufgestiegen ist. Derzeit steht sie vor der neuen Aufgabe, ihre zunehmend wichtige Rolle in der globalisierten Welt zu etablieren.
Wir würden uns wünschen, dass die EZB ihre Funktion der Prognostizierung und des Managements von Makroökonomie und finanzieller Stabilität weiter ausbaut, da es angesichts der Tatsache, dass die meisten Krisen heutzutage ihre Ursachen in Drittländern haben, durchaus gerechtfertigt wäre festzustellen, dass die Europäische Zentralbank versäumt hat, eine exakte Prognose der Tragweite der Krise und ihrer eventuellen Auswirkungen zu erstellen. Was kann nun getan werden, um die Situation zu verbessern? Zunächst einmal halte ich eine wirksamere Koordinierung zwischen Wirtschafts- und Geldmarktpolitik für erforderlich. Die Dritte Welt tritt nun in die Phase der Preisliberalisierung ein, die mir als Vertreterin Litauens wohl bekannt ist. Dies könnte sich hinziehen, und damit würde Europa bezüglich der Preissituation unter starken Druck geraten. Dieser Druck könnte jedoch mit Hilfe unserer Geldmarktpolitik überwunden werden, was mit einer stärkeren Belastung unserer Wirtschaft verbunden wäre. Alternativ könnten wir anbieten, den Entwicklungsländern dabei zu helfen, ihre Finanzpolitik in Ordnung zu bringen und die Preise zu stabilisieren. Dies könnte über eine intensivere Beteiligung der EU am Internationalen Währungsfonds und durch Kommunikation mit der Weltbank geschehen. Das wäre eine Möglichkeit, die Inflation in den Entwicklungsländern einzudämmen und die Weltbank im Hinblick auf die Anpassung der Geldmarktpolitik zu entlasten.
Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der mir Sorgen macht, und zwar ist das das europäische Abwicklungssystem. Trotz des beträchtlichen Einsatzes der Europäischen Zentralbank für die Umsetzung der SEPA-Initiative und die Entwicklung des Target 2-Sicherheitssystems ist das Problem noch weit komplexer.
Ryszard Czarnecki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Wie es scheint, spiegelt der Jahresbericht der Europäischen Zentralbank nicht die Tendenz wider, die sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat. Während man bisher von der EZB in Frankfurt sagen konnte, sie agiere wirklich unabhängig, beobachten wir in jüngster Zeit Versuche seitens der größten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Druck auf die EZB auszuüben und ihre Entscheidungen zu beeinflussen.
Das ist ein Besorgnis erregender Trend, denn dies bedeutet in der Praxis eine Spaltung der EU in Länder, die gleich sind, und solche, die gleicher sind als andere. Das könnte dazu führen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Ländern wie Frankreich und Deutschland wird das Recht gewährt, Druck auf die EZB auszuüben. Aber wenn es um die kleineren Länder geht, dann wird streng am Prinzip der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank von den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten festgehalten. Ich spreche dieses Problem an, weil es hier um eine beunruhigende Entwicklung geht.
Man kann schließlich nicht behaupten, Europa habe ein angemessenes und stabiles Finanzsystem. Es befindet sich noch in einem Entwicklungsprozess. Das lässt sich am paradoxen Beispiel Londons verdeutlichen. Die Stadt ist das wichtigste Finanzzentrum der Europäischen Union, obgleich sie Hauptstadt eines Landes ist, das nicht zum Euro-Währungsgebiet gehört.
Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Euro-Gebiet leidet unter Energiepreisen, die weder die EZB noch die Union oder die Regierungen imstande sind zu kontrollieren. Der deutsche Finanzminister, Peer Steinbrück, hat Ihnen das dargelegt, Herr Trichet, und vor diesem Hintergrund hat die EZB angekündigt, dass sie den in Schwierigkeiten geratenen Banken helfen wolle. Ich frage mich nun, wann die EZB ankündigen wird, dass sie den Bürgern, die mit ihrem Einkommen nicht bis zum Monatsende hinkommen, unter die Arme greifen will, indem sie vielleicht die Zinssätze senkt und die Banken zwingt, Hypothekenzinsen zu verlangen, die nicht so wucherisch wie die derzeit geltenden sind?
Wachstum zu gewährleisten ist wichtiger als die Währung auf hohem Kurs zu halten. Das ist die Dollar-Politik, der die EZB keine wirksame Antwort entgegensetzt. Herr Schmidt strebt eine Stärkung der Rolle und der Autorität der EZB an, während ich zu denjenigen gehöre, die die Unabhängigkeit der EZB nach wie vor in Frage stellen. Die Einführung des Euro hat zweifellos manche Vorteile gebracht: Einige von denen, die Herr Schmidt angeführt hat, sind sicherlich unstrittig, doch wurden mit keinem Wort die greifbaren Beeinträchtigungen für alle Bürger des Euro-Gebiets erwähnt, die eine tatsächliche Inflation erlebten, die deutlich über den amtlichen Zahlen lag. Grund dafür war die weit verbreitete Spekulation, die mit der Einführung der Währung einherging und von der EZB und den Institutionen zu wenig überwacht wurde.
Herr Schmidt schreibt, die EZB verdanke ihre öffentliche Akzeptanz der Tatsache, dass sie sich für Ziele wie Preisstabilität und Wirtschaftswachstum engagiert, und aus diesem Grund hält er die Transparenz für weniger bedeutsam; zudem schlägt er die Abkehr vom Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor und möchte lieber dem Direktoium mehr Macht verleihen. Herr Schmidt befürchtet, die Regierungen könnten ihre jeweiligen Zentralbankpräsidenten unter Druck setzen, mit anderen Worten, er befürchtet, die Politik könnte die Oberhand über das Finanzwesen gewinnen. Ich glaube allerdings, das Gegenteil trifft zu.
Herr Schmidt, Herr Trichet, ich kann diesen Vorschlägen unter keinen Umständen zustimmen.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Schmidt für seinen sehr guten Bericht danken.
Lassen Sie mich eingangs erwähnen, dass einige Mitgliedstaaten sich in oder kurz vor einer Rezession befinden und dass wir uns fragen müssen, was das Wichtigste ist, das wir unter diesen Umständen tun können. Ich denke, dass es unter diesen Umständen das Wichtigste ist, Arbeitsplätze zu sichern und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Betrachten wir die Situation in der heutigen Eurozone in den Jahren zwischen 1990 und 1998 – damals wurden fünf Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Aber in den zehn Jahren zwischen 1998 und 2008, als der Euro eingeführt war und Herr Trichet und seine Vorgänger ihre Politik umsetzten, entstanden fast 16 Millionen Arbeitsplätze!
Dies sollten wir uns einmal durch den Kopf gehen lassen. Es ist eine Erfolgsgeschichte, und der Beitrag der durch die Zentralbank verfolgten Politik dazu muss anerkannt werden. Ehre, wem Ehre gebührt.
Aber wird diese Einsicht auch publik gemacht? Die Gründe des Erfolgs bestehen im Großen und Ganzen eindeutig in niedrigen Zinssätzen, aber insbesondere in der niedrigen Inflation. Ich meine, dass Herrn Trichets ständiger Spruch dazu die Sache genau trifft.
Besteht aber ein Bedarf, die Zinssätze stetig zu erhöhen? Es ist an der Zeit, sich tiefgründiger damit zu befassen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage fordert ein maßvolles und umsichtiges Handeln. Genau dafür haben wir eine unabhängige Zentralbank.
Ich möchte aber eine Anmerkung zur Stärke des Euro machen, die die auf Export ausgerichteten Volkswirtschaften belastet. Der Wechselkurs des Euro zum Dollar und zum Pfund Sterling ermäßigt sich nicht, und dies ist aufgrund der Divergenz der US- und Euro-Zinssätze auch in Zukunft wohl nicht zu erwarten. Die Zinserhöhung, die sich einerseits gegen die Inflation richtet, kann andererseits weitere Risiken für den Wechselkurs des Euro mit sich bringen und in einer Zeit der wirtschaftlichen Ungewissheit das ökonomische Wachstumspotenzial behindern.
In der mir verbleibenden Zeit möchte ich erwähnen, dass ich im vergangenen Jahr Berichterstatter über den Jahresbericht der EZB war und damals aufzeigte, dass 223 Milliarden Euro in 500-Euro-Stückelung im Umlauf waren – das sind 446 Millionen Scheine! Ich habe um Prüfung gebeten, besonders, weil ich es für wahrscheinlich halte, dass diese Scheine für kriminelle Zwecke verwendet werden. Ich würde begrüßen, wenn sich Herr Trichet in seiner Antwort dazu äußern könnte, was zu den von mir damals angesprochenen Punkten geschehen ist.
Ieke van den Burg (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich den Komplimenten und Glückwünschen an die Adresse der EZB für ihr Handeln im letzten Jahr während der Finanzkrise anschließen. Die Rolle der EZB als letzte Instanz sowohl für die Liquiditätssicherung als auch für die Marktgestaltung wurde in dem Bericht hervorgehoben; ich teile diese Ansicht. Ich denke, sie ist dieser Rolle auch wirklich gerecht geworden.
Herr Trichet, ich halte es in diesem Zusammenhang für richtig, dass Sie das Bedürfnis nach besserem Zugang zu Informationen und Informationsaustausch betont haben, wobei die EZB meiner Ansicht nach eine Führungsrolle übernehmen könnte. Dies wurde von uns auch im Ausschuss für Wirtschaft und Währung in einem Bericht an das Parlament über die Reform des Aufsichtssystems so dargestellt, den wir in der nächsten Woche diskutieren werden. Ich halte es für sehr maßgeblich, zwischen den mikroprudentiellen Informationen, über die Markt- und Bankaufsichten verfügen, und den Informationen der EZB eine bessere Verknüpfung herzustellen. Ich denke, dass die EZB dabei eine führende Rolle spielen kann.
Ihrer Meinung nach ist eine Überholung der Aufsichtssysteme nicht erforderlich – was unseren Vorschlägen widerspricht –, meiner Ansicht nach sollte es aber auch in Ihrem Interesse sein, bei diesem Informationsaustausch nicht zu sehr von der freiwilligen Kooperation der Mitgliedstaaten und deren Aufsichtsbehörden abhängig zu sein. Daher ist es wichtig, mehr unabhängige Akteure auf diesem Gebiet zu bekommen und auf europäischer Ebene ein stärkeres System und eine belastbarere Struktur zu schaffen.
Ein anderes Element sind die Zahlungs- und Abwicklungssysteme. Es freut mich, dass der durch die EZB und andere Zentralbanken ausgearbeitete TARGET2-Securities-Vorschlag durch die CSD nun positiv aufgenommen wurde. Dieser könnte meiner Ansicht nach eine wichtige Grundlage für die weitere Verbesserung dieses Systems bilden. Ich wäre auch an Ihrer Meinung zu den Schritten interessiert, die nun im Bereich Derivate und im Freiverkehrsmarkt, auch marktseitig, unternommen werden, um dort mehr zentrale Kontrahenten und ein besseres Aufsichtssystem zu schaffen.
Meine letzte Bemerkung ist eine Parallele zur gestrigen Rede von Herrn Bernanke, ich werde dazu aber nicht ins Detail gehen.
Daniel Dăianu (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! Die Arbeit des Berichterstatters verdient großes Lob.
Ein Jahresbericht kann über das Erreichte und auch über die Schwierigkeiten in den Vorgehensweisen und bei der gegenseitigen Abstimmung Bände sprechen. Die derzeitigen Inflationsraten in Europa belasten Entscheidungsträger sowie Bürger. Die Europäische Zentralbank hat ihre Glaubwürdigkeit durch konsequentes, einheitliches Vorgehen aufgebaut. Dieses Verhalten wurde durch den Inflationsimport im Zuge der Globalisierung und des wirtschaftlichen Aufstiegs Asiens noch verstärkt.
Leider verkehrt sich die Lage derzeit wegen der enormen Steigerungen der Energie- und Nahrungsmittelpreise, die die zunehmende Knappheit der verfügbaren Ressourcen widerspiegeln, in ihr Gegenteil. Der Kostendruck belastet die Märkte weltweit. Die Teuerungsrate im Euro-Währungsgebiet hat ihr höchstes Niveau seit zehn Jahren erreicht. Das ist sehr beunruhigend, eine Stagflation scheint bevorzustehen.
Zusätzlich wird die Aufgabe der Europäischen Zentralbank durch die Finanzkrise beträchtlich erschwert. Die EZB muss die Inflation beharrlich bekämpfen, dabei ist die Verankerung der Inflationserwartung maßgebend. Aber die Risiken sind hoch. Es ist unklar, wie lange der Kostendruck von außen anhalten wird. Es ist entscheidend, dass eine Lohn-Preis-Spirale vermieden wird. So wie wir uns im vergangenen Jahrzehnt mit der Inflationsdämpfung befasst haben, so sollten wir uns in Zukunft um eine Abschwächung der Dynamik von Preisen und Löhnen bemühen.
Höhere wirtschaftliche Divergenz in der Eurozone würde kein gutes Klima für das Handeln der Europäischen Zentralbank schaffen. Zusätzlich ist in einer Zeit immer stärker globalisierter Märkte alles, was die Europäische Zentralbank tut, im Zusammenhang mit der Tätigkeit der wichtigsten anderen Zentralbanken zu betrachten. Hierbei geht es um Unterschiede bei den Zinssätzen und dem politischen Gesamtansatz.
Abschließend möchte ich bemerken, dass die schwer wiegenden systemischen Risiken, mit denen die Finanzmärkte heute behaftet sind, bessere Aufsichtsstrukturen, eine bessere Koordination zwischen der EZB, der FED und anderen großen Zentralbanken erforderlich machen. In diesem Zusammenhang müssen die Gefahren einer Politik des zu leicht zugänglichen Geldes betont werden.
Othmar Karas (PPE-DE). - Frau Präsidentin, meine Herren Präsidenten, meine Damen und Herren! Ich habe die große Hoffnung, dass die Hauptbotschaften dieser Debatte die Bürgerinnen und Bürger Europas erreichen. Die erste Hauptbotschaft dieser Debatte ist für mich, dass die EZB und der Euro nicht die Ursachen für die Sorgen und Probleme sind, die wir haben, sondern ein Teil der Lösung. Die zweite Hauptbotschaft ist: Der Euro nützt und schützt. Er nützt den Bürgerinnen und Bürgern der gesamten Europäischen Union, nicht nur der Eurozone, dem politischen Projekt der Europäischen Union und der Wachstums- und Beschäftigungspolitik der Europäischen Union.
Der Euro ist neben dem Binnenmarkt die erfolgreichste Antwort auf die Globalisierung. Der Euro und die Europäische Zentralbank machen uns von globalen Einflüssen zwar nicht unabhängig, aber sie machen uns gegenüber diesen handlungsfähiger.
Ich möchte mich daher bei der Europäischen Zentralbank für die Politik der ruhigen Hand und der Besonnenheit bedanken, weil sie in Zeiten des Vertrauensverlustes zweifelsohne zu den Gewinnern an Vertrauen gehört.
Aus aktuellem Anlass möchte ich aber auch allen Staats- und Regierungschefs sagen: Finger weg vom Stabilitäts- und Wachstumspakt, Finger weg von der Europäischen Zentralbank! Wenn man interne Probleme hat und Hausaufgaben nicht macht, ist es zu einfach zu sagen, andere seien Schuld. Und aus diesem Grund müssen wir alles tun, um das Bewusstsein zu verbessern und die Informationsdefizite zu beseitigen. Es gibt kein allgemeines Bewusstsein über den Zusammenhang von Inflation, Zinsraten und Preisstabilität. Danke Jean-Claude Juncker, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass man die indirekten Steuern nicht erhöhen darf, sondern wenn möglich senken sollte.
Wir müssen kommunizieren, dass nicht der Euro an den gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen Schuld ist. Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank, der Kommission und der Finanzdienstleistungsbranche zum erfolgreichen Start von SEPA, dem grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr beigetragen hat. Nutzen wir die Sensibilität, auch die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen, Antworten zu geben und aufzuklären und schwingen wir hier nicht nur Lobesreden!
Benoît Hamon (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Euro ist eine Währung, die im Verhältnis zu der unserer wichtigsten Partner und Wettbewerber immer teurer wird. Dies gilt insbesondere gegenüber dem Dollar. Durch die Politik der systematischen Anhebung der Leitzinsen der Europäischen Zentralbank zusammen mit der umgekehrten Politik der FED, der US-Notenbank, wird das Problem natürlich nur noch verschärft. Zu dieser der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft abträglichen Wechselkursentwicklung gab es zahlreiche Statements, namentlich seitens sehr prominenter europäischer Führungspersönlichkeiten.
Nach der insbesondere in diesem Hohen Hause vorherrschenden Meinung besitzt die EZB die ausschließliche und absolute Zuständigkeit für die Wechselkursentwicklung. Die EZB selbst lehnt durch ihren Präsidenten – von einigen vagen internationalen Erklärungen abgesehen – jegliche Stellungnahme zu diesem Thema ab. Eine solche Situation ist nicht nur nicht transparent und undemokratisch, sie steht vor allen Dingen im Widerspruch zum Vertrag. Artikel 11 des Vertrags lautet, ich zitiere: „Besteht gegenüber einer oder mehreren Drittlandswährungen kein Wechselkurssystem [...], so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit entweder auf Empfehlung der Kommission und nach Anhörung der EZB oder auf Empfehlung der EZB allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik gegenüber diesen Währungen aufstellen“. Ich wiederhole: „kann allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik aufstellen“.
Mit anderen Worten, das Euro-Währungsgebiet hat sich tatsächlich mit dem Instrumentarium für eine demokratische Entscheidungsfindung hinsichtlich seiner Wechselkurspolitik ausgestattet. Meine Frage ist einfach und richtet sich an die Staats- und Regierungschefs: Worauf warten die Regierungen der Union denn noch, um zu handeln, anstatt zu lamentieren?
Cornelis Visser (PPE-DE). – (NL) Zunächst einmal gratuliere ich Herrn Schmidt zu seinem Bericht. Als Vertreter Schwedens, das dem Euroraum nicht angehört, hat er einen sehr fundierten, sehr anschaulichen Bericht verfasst. Für meine Begriffe hat er im Namen Schwedens die Beitrittskriterien erfüllt.
Vergangene Woche hob die Europäische Zentralbank den Leitzins an. Offenbar nehmen die Europäische Zentralbank und ihr Präsident, Herr Trichet, das Mandat der Bank und die Maastricht-Kriterien ernst. Ich freue mich über die Unabhängigkeit der EZB. Die EZB muss vor Einflussnahmen vonseiten der Politik, beispielsweise nationaler Stellen, geschützt werden, und es stimmt mich froh, dass Herr Juncker dies im Namen der Eurogruppe bestätigt.
Die Europäische Zentralbank hat auf die Finanzkrise angemessen reagiert. Im rechten Moment sicherte sie die Liquidität der Märkte. Dadurch stabilisierten sich fürs Erste die Zinssätze. Die Krise im Bankensektor hat uns wachgerüttelt. Die undurchsichtigen finanziellen Risiken bei den Institutionen werden möglicherweise für kräftige Verluste sorgen. Daher wird im Europäischen Parlament derzeit über die Finanzaufsicht diskutiert. Die Europäische Zentralbank kann hier eine gewichtige Aufgabe wahrnehmen, da sie von den nationalen Zentralbanken gut informiert wird.
Im Vertrag findet sich hierzu allerdings nichts. Nach meinem Dafürhalten bedarf es einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, den Finanzmärkten und den Regulierungsbehörden. Die Europäische Zentralbank sollte an der Aufsicht stärker beteiligt sein. Sie ist imstande, den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zu organisieren, vor allem, wenn es um die Finanzstabilität geht. Die EZB hat ihr Existenzrecht unter Beweis gestellt. Wir sollten uns ihre Autorität zunutze machen und die Finanzaufsicht verstärken.
Christoph Konrad (PPE-DE). - Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die aktuelle Debatte kann man sagen, dass die EZB so eine Art Fels in der Brandung ist. Das ist erfreulich. Das Thema Preisstabilität hat natürlich bei der wirtschaftlichen Rangordnung auf Platz eins zu stehen. Wenn dies, Herr Präsident, in der Zukunft auch so bleibt, kann das nur positiv sein.
Wir haben die durchschnittlichen Inflationsraten von 4 % im Euroraum zur Kenntnis genommen, in einigen Ländern der Eurozone liegen sie, wie mit 5,8 % in Belgien und 5,1 % in Spanien, noch höher. Das sind schlechte Nachrichten. Deshalb war das Signal – die Entscheidung der Europäischen Zentralbank –, das in dieser Woche ausgestrahlt wurde, wichtig. Wir müssen einfach mal zur Kenntnis nehmen, auch hier im Haus, dass die EZB natürlich nichts gegen inflationäre Ölpreise ausrichten kann. Aber die Zweitrundeneffekte, die im Euroraum entstehen werden, etwa über höhere Löhne – das sind die Forderungen der Gewerkschaften – und gleichzeitig höhere Preise – was dann über die Unternehmen läuft –, bergen eine Gefahr und führen letztendlich zu einem Teufelskreis.
Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen zu dem Thema Politisierung der Europäischen Zentralbank machen. Wir erleben das immer wieder im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, und auch bei dieser Debatte ist es deutlich geworden. Die Frage z. B. nach der Transparenz der Entscheidungsprozesse ist ja schon ein Signal in diese Richtung, das Bestreben, immer mehr zu erfahren und auch immer stärker auf die Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen. Mehr Transparenz – da bin ich mal vorsichtig. Ich glaube, dass die Bank für sich entscheiden muss und dies natürlich auch im Dialog mit dem Parlament und mit den Vertretern des Euroraums tut. Aber eine Begründung für Entscheidungen – das geht zu weit.
Wir sollten – und das wird sicherlich bei der nächsten Runde eine Rolle spielen – bei der Erweiterung des Euroraums noch einmal sehr deutlich darüber nachdenken, ob wir diese Politik so fortführen können. Die Slowakei war für mich ein warnendes Signal. Wir sollten in Zukunft doch weniger Politik machen und mehr auf die Kriterien achten.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Meine Damen und Herren! Die Auswirkungen der amerikanischen Finanzkrise auf die Weltwirtschaft waren ein unerwartetes und unerwünschtes Geschenk zum 10. Jahrestag der Wirtschafts- und Währungsunion. Steigende Inflationsraten sind ein weiteres aktuelles Problem. Die EZB hat das Chaos auf den Finanzmärkten der Welt perfekt gemanagt, dem Markt zusätzliche Liquidität in Höhe von 95 Milliarden Euro zugeführt und weitere Feinsteuerungsoperationen ausgeführt, um die sehr kurzfristigen Zinssätze zu stabilisieren. Dadurch wurde einmal mehr unter Beweis gestellt, welche Vorzüge die gemeinsame Währungspolitik der Europäischen Union in Zeiten der Instabilität sowohl für die europäische Wirtschaft als auch für den einzelnen Bürger bietet. Gemäß Artikel 105 des EG-Vertrags unterstützt die EZB auch die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft. Jetzt muss die EZB die Herausforderungen meistern, die sich durch steigende Inflationsraten auf der einen und eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf der anderen Seite ergeben. Das ist nicht nur eine Herausforderung, sondern eine wirkliche Prüfung der Unabhängigkeit der EZB und des Europäischen Systems der Zentralbanken.
Mit dem Vertrag von Lissabon wird die EZB zu einem Organ mit Rechtspersönlichkeit und einem klar festgelegten Unabhängigkeitsstatus. Auf der anderen Seite erfordert die kontinuierliche Integration der Finanzsysteme eine engere Zusammenarbeit mit den Zentralbanken der einzelnen Mitgliedstaaten. Es gibt Stimmen, die davor warnen, dass die Unabhängigkeit der EZB gefährdet sei, wobei als ein Grund dafür angeführt wird, dass die informellen Treffen der Finanzminister der Eurozone mit dem Vertrag von Lissabon einen offiziellen Status erhalten sollen. Schon jetzt gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, ob denn die Minister in der Lage seien, über die Richtigkeit des Inflationsziels zu debattieren.
Ich halte es für äußerst wichtig, zwischen fachlichen und politischen Argumenten, die in einer demokratischen Gesellschaft ihren Platz haben, und einer echten Einmischung in die Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank zu unterscheiden. In Anbetracht der Schwierigkeiten um den Vertrag von Lissabon ist diese Unterscheidung eine äußerst wichtige Aufgabe, und zwar sowohl für uns Parlamentsabgeordnete als auch natürlich für die Medien. Zum Abschluss möchte ich den Berichterstattern meinen Dank aussprechen für den ausgewogenen und hoch professionellen Bericht zur Bewertung des Jahresberichts der EZB.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich habe den Reden des Präsidenten der Zentralbank und von Jean-Claude Juncker, vor dem ich beachtlichen Respekt habe, sehr aufmerksam zugehört.
Wir stehen zweifellos vor einer großen, in den letzten Jahrzehnten beispiellosen Wirtschaftskrise. Der erschreckende Anstieg des Ölpreises und der Preise für viele andere Produkte, die hohe Arbeitslosenquote, die weit verbreitete Armut und die geringen Wachstumsraten tragen allesamt zu diesem krassen Bild bei.
Es gab eine längere Diskussion über die geäußerte Kritik. Ich bin der Meinung, dass diese Kritik, die ebenfalls von offiziellen Quellen kam, sämtlich das gleiche Ziel, und zwar die Betonung des Ernstes der Situation, verfolgte. Ferner müssen wir als Politiker die Kritik suchen, da wir uns nur durch Kritik verbessern, die Probleme deutlicher erkennen und somit Lösungen erzielen können, die für die Gemeinschaft von Nutzen sind.
Schließlich möchte ich dem Berichterstatter zu seinem wirklich außergewöhnlichen Bericht gratulieren.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL). – (PT) Frau Präsidentin! Aus unserer Aussprache wird deutlich, dass sich die angebliche Bekämpfung der Inflation auf die Beschneidung von Lohnerhöhungen beschränkt. Zur Rechtfertigung der neunten Erhöhung des Leitzinses der Europäischen Zentralbank innerhalb von zweieinhalb Jahren fällt den Währungshütern der Europäischen Union nichts weiter ein, als die Notwendigkeit der Lohnzurückhaltung zu betonen, wobei sie vor den skandalösen Gewinnsteigerungen von Großunternehmen sowie Wirtschafts- und Finanzkonzernen in Höhe von etwa 30 % pro Jahr die Augen verschließen, während in einigen Ländern die erzielten Lohnsteigerungen nicht einmal die Inflationsrate wettmachen. Dies trifft beispielsweise auf Portugal zu, wo die Mehrzahl der Beschäftigten und Rentner schwere Einbußen bei der Kaufkraft hinnehmen musste und wo Löhne und Renten zu den niedrigsten in der Europäischen Union gehören.
Infolge dieser Währungspolitik ohne jede soziale Komponente and angesichts hoher Zinsen und eines überbewerteten Euro verschärfen sich die sozialen und territorialen Unterschiede, die insbesondere in den wirtschaftlich schwächsten Ländern mit steigender Armut und immer neuen Schwierigkeiten für Klein- und Kleinstbetriebe einhergehen. Diese Politik muss daher einem grundlegenden Richtungswandel unterzogen werden, und in ihrem Mittelpunkt müssen Ziele wie Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, Beseitigung von Armut und Förderung von sozialem Fortschritt und gesellschaftlicher Entwicklung stehen.
Theodor Dumitru Stolojan (PPE-DE). – (RO) Die Tätigkeit der Europäischen Zentralbank hat den Erhalt der Preisstabilität unter äußerst unsicheren Bedingungen und inflationärem Druck zum Ziel.
Noch wissen wir nicht, ob die gesamte Preisstruktur von dem derzeitigen Niveau der Energie- und Lebensmittelpreise abhängen wird; ebenso wenig wissen wir, welche öffentlichen Maßnahmen die Mitgliedstaaten einleiten werden, um die Anpassung der Unternehmen, Spareinlagen und privaten Haushalte ihrer Bevölkerung an die neue Preisstruktur zu erleichtern. Zudem ist in der Finanzkrise das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.
Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments schätze ich die Kompetenz und Integrität der Währungspolitik der Europäischen Zentralbank und die Entschlossenheit ihres Präsidenten, das Inflationsziel beizubehalten, das als Maß für Preisstabilität dient.
Ich möchte mein Vertrauen in das gute Urteilsvermögen der Europäischen Zentralbank, in die Integrität und Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und darauf zum Ausdruck bringen, dass sich die Politiker bezüglich einer Einmischung in die Entscheidungen dieser Bank zurückhalten werden.
Margaritis Schinas (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Die Eurogruppe gestaltet die Wirtschaftspolitik, die Europäische Zentralbank gestaltet die Geldpolitik, und wir im Europäischen Parlament machen hier lediglich Politik ohne jegliche anderen zusätzlichen Definitionen, und dies verpflichtet uns, für das ganze Spektrum der Entscheidungen verantwortlich zu sein, die im Euro-Währungsgebiet getroffen werden.
Als Neuling in der Politik, der die Unabhängigkeit der Zentralbank im vollen Maße respektiert, glaube ich, dass ich einen Rat geben kann. Meiner Meinung nach kann der importierten Inflation, die unser größtes Problem darstellt, allerdings nicht vollständig entgegengewirkt werden, wenn das einzige Gegenmittel, das wir einsetzen, Zinssätze sind.
Wir müssen etwas gegen die Ursachen der Inflation unternehmen. Wir müssen gegen die Ölkartelle kämpfen, wir müssen gegen Rohstoff-Profiteure kämpfen, wir benötigen Lebensmittel auf dem Markt und, wenn wir das Übel nicht an der Wurzel packen, befürchte ich, dass wir weiterhin ähnliche Debatten führen werden, die eine in Brüssel und Straßburg verstandene Logik haben, denen es jedoch in den Augen der Öffentlichkeit an politischer Rechtfertigung mangelt.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Es ist durchaus erstaunlich, wie die EZB den Hauptpunkt ihres Mandats, die Preisstabilität, verwirklicht hat. Betrachten wir die Periode der D-Mark von 1948 bis 1998, so übertreffen die bisherigen Erfolge der EZB in puncto Preisstabilität sogar noch die der D-Mark, die früher der globale Maßstab war. Ich denke, dass Sie an dieser Front ein hervorragendes Ergebnis erzielt haben. Aber ich bin genauso froh, dass Sie, Herr Präsident Trichet, die Finanzstabilität erwähnt haben. Diese gehört auch zum Vertragsmandat der EZB, und ich meine, dass die Rolle der EZB bei der Finanzaufsicht gestärkt werden sollte.
Das „Zwei Spitzen“-Modell von Tommaso Padoa-Schioppa ist bezaubernd, und ich denke, dass es jetzt an den Mitgliedstaaten und dem Rat ist, dieses Modell aufzugreifen und der Aufsicht über die Finanzstabilität in der EZB größeren Stellenwert einzuräumen. Im Europäischen Parlament wird dazu gerade der Bericht van den Burg-Dăianu erstellt. Er enthält viele richtige Punkte, die Sie bei Ihrer Arbeit im Rahmen unserer gemeinsamen Bemühungen um eine bessere Aufsicht über die Finanzstabilität einsetzen können.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion schafft reale Stabilität für Wachstum. Hierbei spielt die Europäische Zentralbank, deren vorrangiges Ziel die Festlegung der Geldpolitik ist, eine grundlegende Rolle. Die Mitgliedstaaten und ihre Regierungen sind für die Wirtschaftspolitik und die Schaffung neuer Arbeitsplätze verantwortlich.
Dennoch ergeben sich Fragen, ob die EZB einwandfrei funktioniert und welchen Einfluss sie auf Wirtschaftsprozesse hat. Sollte die Zentralbank offensiver agieren wie etwa in den USA? Angesichts der globalen Nahrungsmittelkrise und der Preissteigerungen für Energie und Kraftstoffe wird eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Erstens, wie kann eine weitere Verschärfung der Krise verhindert werden? Zweitens, wie kann Wachstum in armen Ländern unterstützt werden? Drittens, wie sollte die Überwachung der Finanzmärkte erfolgen, damit sich die Krise auf dem Hypothekenmarkt nicht wiederholen kann?
Nicht zuletzt sollte bei der Gelegenheit auch deutlich gesagt werden, dass die Einhaltung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindlich sein muss.
Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank. – (EN) Frau Präsidentin! Ich empfinde große Hochachtung für die Ausführungen sowohl in dem bemerkenswerten Bericht des Berichterstatters als auch in der sehr großen Zahl von Beiträgen, die auf die Unabhängigkeit der Bank Bezug nehmen, so wie das Herr Jean-Claude Juncker persönlich sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Meiner Meinung nach ist das enorm wichtig, und ich muss sagen, dass das auch nirgendwo in Frage gestellt wird. Es macht einen wesentlichen Teil der Glaubwürdigkeit der Institution aus, und eben weil wir über diese deutlich sichtbare Unabhängigkeit und dieses Primärmandat verfügen – das in puncto Preisstabilität eindeutig ist – eben deshalb sind wir bis jetzt bei der Verankerung der Inflationserwartungen erfolgreich gewesen.
Ich habe nachdrücklich betont, dass es ganz und gar entscheidend ist, die Inflationserwartungen zu verankern, weil es uns dadurch bei den mittel- und langfristigen Marktsätzen weiterhin gelingt, diese Inflationserwartungen mittel- und langfristig zu integrieren. Einige europäische Regierungen nehmen Kredite über eine Laufzeit von 50 Jahren auf. Diese Kredite über eine Laufzeit von 50 Jahren werden zu Sätzen aufgenommen, in denen die Glaubwürdigkeit der Zentralbank eingepreist ist, die Preisstabilität zu sichern, und zwar nicht nur für zwei oder fünf oder zehn oder zwanzig Jahre, sondern sogar für viel längere Zeit. Unsere vollständige Fokussierung auf das Verankern, auf die Aufrechterhaltung der soliden Verankerung der Inflationserwartungen ist der Grund, aus dem wir die erwähnte Entscheidung getroffen haben.
Im Verständnis des EZB-Rates – und, wie ich es sehe, in der Entscheidung, die die europäischen Demokratien mit der Schaffung der EZB, des Eurosystems und des Euro-Währungsgebiets getroffen haben – existiert kein Widerspruch zwischen der Preisstabilität und der soliden Verankerung der Preisstabilitätserwartungen, sowie zwischen Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen.
Ich muss konstatieren, dass sich auf globaler Ebene die Perspektive dahin gehend verschoben hat, dass die Grundlagen für nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Preisstabilität und glaubwürdige langfristige Preisstabilität geschaffen werden. Die erwähnten seit Einführung des Euro entstandenen fast 16 Millionen Arbeitsplätze mögen als Illustration meiner Ausführungen dienen.
Daneben möchte ich auch das wiederholen, was viele Abgeordnete zum Punkt der Schaffung von Preisstabilität sagten, nämlich, dass wir hierfür auf die Mitwirkung anderer Entscheidungsträger, Behörden und der privaten Wirtschaft angewiesen waren. Deshalb sind unsere Botschaften so deutlich, wobei wir keinesfalls unsere Unabhängigkeit und die Unabhängigkeit dieser Entscheidungsträger vergessen. Wir bestehen aber stets auf dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, da eine Überfrachtung der Geldpolitik durch eine zu lockere Fiskalpolitik stets eine Gefahr darstellt.
Wir rufen auch alle diejenigen, die Preise festsetzen – Unternehmen, den Produktionssektor, den Handel – auf, dabei den Fakt mit einzukalkulieren, dass wir mittelfristig Preisstabilität erreichen werden, damit es auf diesem Gebiet nicht zu Zweitrundeneffekten kommt.
Das zu den an der Preisbildung beteiligten Seiten. Ich erwähne natürlich auch die Sozialpartner, und das ist der Grund, warum wir uns nicht nur mit Nachdruck an diejenigen wenden, die die Preise festsetzen, sondern auch die Sozialpartner dringend bitten, den Fakt, dass wir unserer Definition entsprechende Preisstabilität mittelfristig herstellen, in ihre Entscheidungen einzubeziehen.
Der Ölpreis, die Rohstoffpreise bzw. die Rohstoffknappheit, die die Preise hoch treiben, erschweren die Situation natürlich. Wir sollten uns erinnern, was 1973-1974 geschah. Es liegt auf der Hand, dass die Wirtschaften, die bei den Zweitrundeneffekten die Zügel schießen ließen und dauerhaft Inflation zuließen, sowohl unter Inflation als auch unter sehr niedrigem Wachstum litten. Das war der Beginn der Massenarbeitslosigkeit in einer großen Anzahl von europäischen Volkswirtschaften, die wir immer noch bekämpfen und demnächst beseitigen werden. Das ist der Grund, warum auf diesem Gebiet so viel auf dem Spiel steht – das ist von entscheidender Bedeutung.
Ich darf an dieser Stelle auch erwähnen, was meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Element darstellt: Es sind die schutzbedürftigsten und ärmsten unserer Mitbürger, die in Zeiten einer dauerhaft hohen Inflation am meisten leiden. Wenn wir uns also um das Erreichen mittelfristiger Preisstabilität bemühen, respektieren wir nicht nur den Vertrag, respektieren wir nicht nur das Mandat – das nicht von uns selbst stammt, sondern uns von den europäischen Demokratien erteilt wurde – nein, wir tun das, was für die schutzbedürftigsten unserer Mitbürger das Beste ist.
Zur Frage der Öl-, Rohstoff- und Energiepreise und zur Frage der Nahrungsmittelpreise und überhaupt aller steigenden Preise: Es handelt sich meines Erachtens um ein Dreieck. Wie es einige Abgeordnete sehr gewandt ausgedrückt haben, liegt mit Sicherheit ein nachfragegesteuertes Phänomen vor; auf globaler Ebene wird durch die großen Schwellenländer ein neues Element der Nachfragebelebung ihrer Wirtschaft eingeführt – dies muss man sich klar vor Augen führen.
Das Angebot ist zweifellos die zweite Seite des Dreiecks – und auf der Angebotsseite haben wir viele Verantwortlichkeiten. Kartelle sind negativ, und es ist offensichtlich, dass Kartelle in einigen Bereichen am Werke sind. Abgesehen von den Kartellen verursachen auch einige Staaten und Wirtschaften Knappheit, indem sie Ölbohrungen, Exploration und den Bau von Raffinerien verhindern. Auch darauf möchte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken. Wir müssen schauen, ob wir auf der Angebotsseite alle unsere Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen.
Nachfrageseitig sind sämtliche Einsparungen, alle Energieeinsparungen von höchstem Stellenwert und Teil der Beherrschung der Nachfrageseite; wie auch die Beachtung der realen Preise und das Vermeiden künstlicher Preise für Öl und Energie, die weitere Nachfragebelebung ermöglichen würden.
Die dritte Seite des Dreiecks bildet die Kapitalumschichtung auf globaler Ebene hin zu den Rohstoffen. Dies funktioniert im Fall von Öl, anderen Energieträgern oder Rohstoffen aller Art nicht auf identische Weise. Aber es gibt dieses Phänomen, und dieses Phänomen spielt ganz offensichtlich eine Rolle, und dass müssen wir anerkennen. Wir müssen uns für Märkte einsetzen, die so transparent wie möglich sind, die also absolut transparent funktionieren. So möchte ich dieses Phänomen erklären – und ich würde sagen, dass wir, genau wie bei bestimmten Krankheiten, die auf multidimensionaler Grundlage zu behandeln sind, an allen drei Seiten des Dreiecks alle nur möglichen Anstrengungen unternehmen müssen.
Viele Abgeordnete haben die Bankenaufsicht und den Bedarf für Verbesserungen dabei angesprochen; ich bin hier auf jeden Fall mit vielen Abgeordneten einer Meinung. Es herrscht eine Situation, die verbessert werden muss – das ist vollkommen klar. Seit Einrichtung der EZB war es unser Mantra, alle Behörden zu so enger Kooperation wie möglich aufzufordern. Wir haben auch erklärt, dass wir eine sehr enge Beziehung zwischen den Zentralbanken und den Aufsichtsbehörden befürworten. Seit Beginn der Marktunruhe im August 2007 haben die jüngsten Ereignisse bewiesen, dass diese Doktrin richtig war: Eine sehr enge Beziehung zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden ist notwendig.
Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich zum Ausdruck bringen, dass wir die vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung auf Konsensbasis beibehaltene Orientierung voll unterstützen. Wir denken, dass es viele Workshops gibt und dass wir in dieser Richtung so schnell und so effizient wie möglich vorankommen sollten. Mir ist bekannt, dass im Parlament vielleicht noch mutigere Vorgehensweisen erwogen werden. Von unserer Seite aus würden wir gern die Implementierung des schon Beschlossenen sehen – damit niemand eine zweite Stufe des Entscheidungsprozesses zum Vorwand nehmen kann, nicht umzusetzen, was schon beschlossen wurde. Weiterhin sollten wir die vorliegenden Vorschläge sehr sorgfältig studieren, da wir denken, dass es auf jeden Fall umso besser für Europa ist, je enger – und zwar enger als das heute der Fall ist – wir kooperieren. Was ich für Europa sage, trifft unserer Meinung nach auch für alle anderen Bestandteile des globalen Finanzsystems zu.
Als Letztes möchte ich mich zum Wechselkurs äußern, den einige Abgeordnete angesprochen haben. Meiner Ansicht nach befürwortet der EZB-Rat die vollständige Implementierung des Vertrags in seiner jetzigen Form. Wie Jean-Claude Juncker sagte, scheint mir, wir tun das Richtige, wenn wir in China oder bei den G7 sind, wo Jean-Claude und ich das G7-Kommuniqué unterzeichnen – und wenn ich selbst hier sehr vorsichtig bin – es wurde ja erwähnt, dass ich mich zu den Wechselkursen sehr besonnen und vorsichtig äußere – dann aufgrund dessen, dass wir uns hier in einem besonders sensiblen Bereich bewegen, einem Bereich, in dem die Orientierung, auf die wir uns geeinigt haben, vollständig respektiert werden muss. Deshalb muss ich noch einmal sagen, dass wir uns beim heutigen Stand mit allen G7-Partnern über die Botschaft an China einig sind. Es gibt hier keinerlei Mehrdeutigkeiten, was wir im letzten Kommuniqué der G7 sehr deutlich gemacht haben. Unserer Ansicht nach sollten wir die möglichen nachteiligen Wirkungen exzessiver Schwankungen sowohl auf die finanzielle Stabilität als auch auf das Wachstum sehr genau betrachten.
Ich muss auch betonen, dass es sehr wichtig ist, dass die US-Behörden immer wieder deutlich machen: Ein starker Dollar liegt im Interesse der USA.
Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Eurogruppe und Mitglied des Europäischen Rates. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich werde nicht auf das, was der Zentralbankpräsident in unserer Aussprache ausgeführt hat, zurückkommen. Besser ist es, nicht zu wiederholen, was er gesagt hat, denn es war alles richtig, und die Stellungnahme, die ich zu dem Thema abzugeben hätte, könnte unter Umständen als ein Versuch gewertet werden, seine Äußerungen nuancieren zu wollen, wozu keine Veranlassung besteht.
Frau Präsidentin! Ich spreche Deutsch, um Herrn Trichet zu zeigen, dass ich dieser Sprache auch mächtig bin, wie er inzwischen auch. Ja, man muss einen Franzosen, der mehr als überbeschäftigt ist, sehr loben, dass er sich die Zeit nimmt, weil er in Frankfurt wohnt, die Sprache der Menschen zu lernen, mit denen er zusammenlebt. Das tun nicht alle Franzosen.
(Beifall)
Damit er mich besser versteht, werde ich Deutsch sprechen. Ich möchte gern zwei oder drei Schlussbemerkungen machen, weil sich doch manchmal durch die Debatte hier im Hause so etwas wie Nostalgie der 70er und 80er Jahre zieht. Man fordert die Eurogruppe auf, die Wirtschaftspolitik der Euromitgliedstaaten besser zu koordinieren. Wir geben uns alle Mühe, dies zu tun, und wir haben uns inzwischen in vielen Bereichen der praktischen Wirtschaftspolitik einen Verhaltenskodex an die Hand gegeben, an den zu halten wir uns bemühen. Man kann aber nicht einerseits Koordinierung der Wirtschaftspolitik einklagen und andererseits bedauern, wenn diese derart koordinierte Wirtschaftspolitik dann auch zum praktischen Vollzug gebracht wird.
Ich gebe einige Beispiele: Wir haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt im Jahre 2005 reformiert. Substanzteil der Reformvorschläge von 2005 war es, den präventiven Arm des Stabilitätspakts zu stärken, da er unterentwickelt und schwach war. Zu dieser Stärkung des präventiven Teils des Stabilitätspaktes gehört es zwingend, dass Regierungen an der Haushaltskonsolidierung festhalten und ihre Konsolidierungsbemühungen verdoppeln, wenn es der Wirtschaft gut geht, um so Rücklagen für schlechtere Jahre zu bilden, die in der normalen zyklischen Entwicklung unserer Wirtschaftssysteme immer wieder auftreten werden.
Jetzt sind wir in schlechteren Zeiten. Wir sind nicht mehr in guten Zeiten. Die Regierungen, die konsolidiert haben, verfügen über Haushaltsmargen in genügender Breite, um die automatischen Stabilisatoren in einem Moment rückläufiger Staatseinnahmen wirken zu lassen. Die Regierungen, die in guten Zeiten konsolidierungsschwach waren, sind natürlich auch reaktionslos in schlechten Zeiten.
Wenn wir uns in der Eurogruppe darauf verständigen, dass die Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Finanzziel erreicht haben, jetzt auch angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Rückentwicklung und gestiegener Öl- und Lebensmittelpreise handeln können, dann können sie dies nur, weil sie sich in der Vergangenheit die Haushaltsmargen erarbeitet haben, die man braucht, um in Krisenzeiten nicht geschwächt und reaktionslos dazustehen.
Wir haben keinen Lohnstopp dekretiert, weder Zentralbank noch Eurogruppe haben jemals einen Lohnstopp in der Eurozone dekretiert. Was wir sagen, dass die Löhne nicht automatisch mit der Inflation anwachsen dürfen, sondern dass die Lohnentwicklung Rücksicht nehmen muss auf die Produktivitätsgewinne, die in der Wirtschaft erzielt werden und die Löhne dementsprechend auch inflationslos angehoben werden können.
Wir haben ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass wir es überhaupt nicht mögen, die arbeitenden Menschen in Europa dauernd zur Lohnmäßigung aufrufen, während Manager und andere Kapitaleigner überzogene und maßlose Löhne und Gehälter beziehen. Das haben wir mehrfach zum Ausdruck gebracht.
(Beifall)
Das, was in einzelnen Chefetagen europäischer Betriebe — auch und vor allem im Finanzsektor — gezahlt wird, hat mit den Produktivitätsgewinnen, die dort erzielt werden, überhaupt nichts zu tun. Es wird nur abkassiert und nicht wirtschaftskonform und sozialverträglich agiert.
(Beifall)
Wir haben — weil wir keinen Lohnstopp verfügt haben, weil ich mehr als andere vielleicht auch sehr darum bemüht bin, die Sozialverträglichkeit europäischen Tuns immer wieder im Blick zu haben — doch sehr darauf gedrängt, dass, anstatt die Betriebe zahlen zu lassen, man angesichts gestiegener Rohstoff- und Ölpreise überlegen muss, was denn die Staaten im Bereich der sozialen Begleitung und infolge abgeschwächter Kaufkraft für die weniger bemittelten Teile der Bevölkerung tun könnten.
Es ist doch einfach so, dass die Staaten, die ihre Haushaltslage konsolidiert haben, jetzt über die erforderlichen Haushaltsmittel verfügen, um soziale Begleitprogramme für die einkommensschwächeren Kategorien in unserer Bevölkerung finanzieren zu können. Es gibt doch Staaten, die Teuerungszulagen eingeführt haben die Heizkostenzuschüsse und Mietzuschüsse eingeführt haben, und die sich dies auch aufgrund vergangener Konsolidierungsleistungen erlauben können. Es gibt auch Staaten, die ihre Steuersysteme systematisch so umstellen, dass die weniger bemittelten Teile der Bevölkerung Nettogewinne aus Steuersenkungen erzielen können, anstatt dass Steuersenkungen nur denjenigen zum Nutzen geraten, die zu den einkommensstärkeren Teilen der Bevölkerung zählen.
Insofern finde ich die Gesamtpolitik wenn nicht fehlerfrei, so doch schlüssig. Wir wollen und wir dürfen die Fehler der 70er und 80er Jahre nicht wiederholen, auch wenn dies kurzfristig etwas einfacher wäre. Wir müssen gegen Inflationsexpansion antreten. Wir haben in den 70er und 80er Jahren die Inflation galoppieren lassen. Wir haben in den 70er und 80er Jahren akzeptiert, dass die staatliche Verschuldung sich dauernd nach oben bewegt. Wir haben in den 70er und 80er Jahren öffentliche Defizite akzeptiert, indem wir ihre Auswirkungen verniedlicht haben. Resultat davon war: Wir hatten eine Massenarbeitslosigkeit in Europa, die wir mit und dank des Euro jetzt auf 7,2 % zurückgeführt haben.
Resultat davon war, dass wir überzogene Sozialabgaben in fast allen unseren Ländern haben, die vielen von uns noch immer zu hoch erscheinen, und dies hat nichts mit einer Absage an soziale Solidarität zu tun, sondern mit vernünftiger Finanzierung unserer Sozialsysteme. Wir hatten doch eine Überbesteuerung des Faktors Arbeit und eine Unterbesteuerung des Faktors Kapital. Das waren die Ergebnisse der falschen Politik der 70er und 80er Jahre.
Wir sind gegen Inflation, weil wir gegen Arbeitslosigkeit sind und weil wir für Wachstum sind. Es ist kein antonymisches Paar, das Paar Wachstum und Inflationsbekämpfung. Wir brauchen inflationsfreies Wachstum, damit es den Menschen morgen besser geht. Heute Geschenke austeilen, den Menschen vermeintlich Gutes tun und sich dafür feiern lassen, dass man sich von der sozialen Seite her sehr gönnerhaft benimmt, ist die falsche Politik. Wer heute Erfolg haben möchte, muss an die Generationen von morgen denken, und nicht umgekehrt.
(Beifall)
Olle Schmidt, Berichterstatter. − (SV) Frau Präsidentin! Vielen Dank für eine außerordentlich interessante und anregende Aussprache. Sie zeigt, dass die von uns im Bericht dargestellten Gedanken und Schlussfolgerungen breite Unterstützung finden. Ich möchte auch den Herren Juncker und Trichet für ihre guten Antworten danken. Sie haben in einer Art und Weise reagiert, die den Schluss zulässt, dass Sie die hier vorgebrachten Ansichten und Ideen mitnehmen werden.
Lassen Sie mich abschließend noch meine eigenen Erfahrungen als Politiker in dem etwas kleineren Land Schweden hoch im Norden beitragen. Ich war in den 1990er Jahren Mitglied des Finanzausschusses des Schwedischen Reichstags, als Schweden sich in einer tiefen Wirtschaftskrise befand. Erfahrungen in der Politik sind sehr lehrreich, meine Freunde. Wer von Ihnen glaubt, Inflation und eine instabile Geldpolitik helfen den Menschen, die unsere Unterstützung am meisten brauchen, hat Unrecht. Sie sind auf dem Holzweg! Als Mitglied des Finanzausschusses war ich dabei, als die schwedischen Zinsen Höhen erreichten, die sich niemand hätte vorstellen können: bis zu 500 %. Genau wie Herr Juncker sagte, hatten wir in den 1990er Jahren Massenarbeitslosigkeit, steigende Inflation und Stagflation. Daran erinnere ich mich noch sehr gut, und aufgrund dieser Erfahrungen hoffe ich, dass mein Heimatland, Schweden, Mitglied des Euroraums werden und in vollem Umfang an der europäischen Zusammenarbeit teilnehmen wird.
Wie unsere Kollegin Kauppi sagte und Herr Trichet mehrmals wiederholt hat, hat niemand daran geglaubt, dass der Euro zu dem Erfolg werden würde, der er heute ist. Das unterstreicht meines Erachtens den Wert der europäischen Zusammenarbeit.
Herr Juncker, Sie haben erklärt, die EZB agiere mit Eleganz und Entschlossenheit. Ich finde, dass ist ein guter Ausdruck. Ich möchte allen für eine gelungene Aussprache danken, sowie dafür, dass ich als jemand von außerhalb des Euroraums den Auftrag zur Erarbeitung dieses Berichts erhalten habe.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Sebastian Valentin Bodu (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, so bleiben die Wirtschaftseckdaten des Euro-Währungsgebiets aufgrund des Investitionswachstums und verbesserter Beschäftigungszahlen und Erwerbsbeteiligung stark. Obwohl das Wachstum der Weltwirtschaft nachlässt, wird erwartet, dass es sich elastisch fortsetzt und besonders vom fortgesetzten starken Wachstum in den Schwellenländern profitiert. In der Preisentwicklung verharrte die jährliche Teuerungsrate nach dem HVPI seit Herbst vorigen Jahres deutlich über dem mit Preisstabilität zu vereinbarenden Niveau und erreichte im Mai 2008 einen Wert von 3,7 % und im Juni – nach Vorausschätzung von Eurostat – von 4,0 %. Dieses beunruhigende Niveau der Teuerungsraten geht hauptsächlich auf steile Anstiege bei den weltweiten Energie- und Nahrungsmittelpreisen in den vergangenen Monaten zurück. Die diese Aussichten der Wirtschaft begleitende Unsicherheit bleibt hoch und es überwiegen Abwärtsrisiken. Die Risiken lassen sich besonders auf die dämpfende Wirkung zurückführen, die weitere unvorhergesehene Steigerungen der Energie- und Nahrungsmittelpreise auf Konsum und Investitionen haben. Außerdem verbinden sich die Abwärtsrisiken weiterhin mit dem Potenzial für die derzeitigen Spannungen am Finanzmarkt und beeinflussen die Realwirtschaft negativer als erwartet. Unter diesen Umständen ist die zu lobende Entscheidung der EZB, den Mindestbietungssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems um 25 Basispunkte auf 4,25 % anzuheben, sehr willkommen.
3. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Modalitäten für die Durchführung – Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Anhang XI – Systeme der sozialen Sicherheit: Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
- den Bericht von Jean Lambert im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (KOM(2006)0016 – C6-0037/2006 – 2006/0006(COD)) (A6-0251/2008);
- den Bericht von Emine Bozkurt im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts von Anhang XI (KOM(2006)0007 – C6-0029/2006 – 2006/0008(COD)) (A6-0229/2008); und
- den Bericht von Jean Lambert im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen (KOM(2007)0439 – C6-0289/2007 – 2007/0152(CNS)) (A6-0209/2008).
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle vier zur Diskussion stehenden legislativen Entschließungsanträge haben Themen zum Gegenstand, die sich unmittelbar auf das tägliche Leben der EU-Bürger auswirken. Das Recht von Menschen, die innerhalb Europas zu- und abwandern, auf Absicherung durch Systeme der sozialen Sicherheit ist untrennbarer Bestandteil des Rechts auf Freizügigkeit in der Europäischen Union.
Die Vorschläge der Kommission haben ein gemeinsames Ziel, und das ist die Modernisierung und Vereinfachung der Koordinierung von nationalen Systemen der sozialen Sicherheit.
Ziel ist es, Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen Institutionen sowie Verfahren festzulegen, die die Berechnung von Sozialleistungen und ihre Auszahlung an die Empfänger vereinfachen und beschleunigen. Dabei geht es um Familienleistungen, Renten, Arbeitslosenunterstützung usw., mit anderen Worten, um eine ganze Bandbreite von Sozialleistungen, die für das Leben der Bürger in der Europäischen Union sehr wichtig sind.
Ich möchte den Abgeordneten und den Berichterstatterinnen für die Arbeit danken, die sie in den letzten Monaten bei der Erstellung dieser wichtigen Entwürfe geleistet haben.
Die Durchführungsverordnung legt dar, wie die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die wir als Basisverordnung bezeichnen, funktionieren soll. Sie erstreckt sich auf all jene, die die Koordinierung nationaler Systeme der sozialen Sicherheit nutzen: Bürger, Sozialleistungsträger der Mitgliedstaaten, Erbringer von Gesundheitsleistungen und Arbeitgeber.
Ziel der Verordnung ist die Erarbeitung möglichst klarer Verfahren, auf deren Grundlage Versicherte in grenzüberschreitenden Situationen Sozialleistungen erhalten. An wen muss ich mich wenden, damit mir Familienleistungen gewährt werden? Welche Schritte hat ein Arbeitgeber zu unternehmen, wenn er mich vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsenden möchte? Mein Berufsleben neigt sich dem Ende zu, und da ich in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig war, muss ich nun wissen, wie meine Rente berechnet wird und was ich tun muss, um sie zu bekommen.
Die in der genannten Verordnung dargelegten Verfahren sollen Empfängern von Sozialleistungen dabei behilflich sein, über die Kooperation zwischen den verschiedenen Trägern geeignete Antworten zu erhalten.
Wir haben bei unseren Bemühungen um eine effiziente Gestaltung dieser Kooperation und um eine möglichst rasche Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bürger erkannt, wie wichtig die elektronische Verarbeitung und der Austausch von Daten zwischen den Trägern in den verschiedenen Mitgliedstaaten sind.
Das EESSI-Netz (Elektronischer Austausch von Informationen über soziale Sicherheit) soll einen raschen und sicheren Datenaustausch gewährleisten und die Antwort- und Bearbeitungszeiten verkürzen, die die Sozialleistungsträger bei grenzüberschreitenden Situationen benötigen.
Wenn die Durchführungsverordnung in Kürze verabschiedet wird, werden die Bürger von der durch Koordinierung erzielten Vereinfachung und Modernisierung profitieren können. Darüber hinaus können sie dann auch von den neuen Rechten Gebrauch machen, die bis jetzt noch nicht umgesetzt werden konnten, obwohl sie in der Basisverordnung enthalten sind. Die Vorteile, die das neue Koordinierungskonzept für die EU-Bürger hat, werden erst dann wirklich zum Tragen kommen, wenn die Durchführungsverordnung und die Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verabschiedet sind.
Zwei weitere Entschließungsentwürfe beziehen sich auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und deren Anhänge. Sie zielen auf eine Änderung der Basisverordnung ab, damit Gesetzesänderungen in den Mitgliedstaaten mitberücksichtigt werden können, insbesondere derjenigen Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union nach dem 29. April 2004, dem Datum der Verabschiedung der Basisverordnung, beigetreten sind.
Durch diese Entschließungen ändern sich auch die Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Basisverordnung leer gelassen worden waren.
Trotz des eher technischen Charakters dieser Entwürfe ist und bleibt die Zielsetzung dieselbe, nämlich die Gewährleistung der Transparenz von Mechanismen und Verfahren, die auf Personen angewandt werden, die innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandern. Zum Beispiel enthält Anhang XI eine spezielle Bestimmung, die den Besonderheiten des einzelstaatlichen Rechts Rechnung trägt. Die Anhänge sind daher unerlässlich für die Gewährleistung von Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf nationale Verordnungen, die ebenfalls ziemlich umfänglich sind.
Die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten, zu der Sie in Ihrer Funktion als Ko-Gesetzgeber beitragen, stellt sicher, dass die beiden Grundprinzipien der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots für diejenigen europäischen Bürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, in vollem Umfang gelten.
Die Durchführungsverordnung verfolgt ebenfalls das Ziel, die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 auf Drittstaatsangehörige auszudehnen, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen. Das Ziel dieser Verordnung ist sicherzustellen, dass Drittstaatsangehörige, die rechtmäßig in der Gemeinschaft wohnhaft und in einer Situation mit grenzüberschreitenden Bezügen sind, von der modernisierten und vereinfachten Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit profitieren können.
Es ist in der Tat unbedingt notwendig, eine einzige und einheitliche Koordinierungsregel in Verwaltungsangelegenheiten anzuwenden, um eine Vereinfachung zu erreichen.
Ein Konsens in Bezug auf diese Verordnungen würde einen erheblichen Fortschritt für all jene bedeuten, die von den Verordnungen Gebrauch machen, und stellt einen besseren Service für Bürger sicher, die innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandern.
Dies würde zeigen, dass die Verordnungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit den neuen Aufgaben des 21. Jahrhunderts bezüglich Mobilität gewachsen sind. Ich möchte noch ergänzen, dass diese Arbeit das Ergebnis einer beispielhaften Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist und dass der Wille, Lösungen für die Bürger zu finden, dazu beigetragen hat, die Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen und die Komplexität dieses Bereichs zu überwinden.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir hinzuzufügen, dass die Kommission ausdrücklich die Änderungsanträge 2 und 161 unterstützt, die die Nutzung elektronischer Datenverarbeitungssysteme ermöglichen sollen, was besonders wichtig ist in Bezug auf die Führung eines elektronischen Datenregisters und die elektronische Bearbeitung grenzüberschreitender Fälle. Die Kommission unterstützt darüber hinaus insbesondere Änderungsantrag 90, in dem es um die Gewährung von Leistungen bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit geht. Diese beiden Änderungsanträge stärken die Rechte der Bürger innerhalb des gesamten Systems erheblich.
Jean Lambert, Berichterstatterin. – (EN) Frau Präsidentin! In dem mir für meine Präsentation vor dem Hohen Haus zur Verfügung stehenden luxuriösen Zeitfonds möchte ich meine beiden Berichte gemeinsam unterbringen.
Ich möchte eingangs den Abgeordneten, dem Rat und der Kommission für die bisherige gute Zusammenarbeit an einem Dossier danken, das recht kompliziert wirkt – aber das ist ja stets der Fall, wenn man das eigene praktische Handeln schriftlich so niederzulegen versucht, dass es sich zumindest Praktikern und denen erschließt, die das System verstehen müssen.
Wie der Kommissar schon sagte, betrifft die Grundverordnung ((EG) Nr. 883/2004) die Koordinierung, aber nicht die Harmonisierung – das möchte ich klarstellen – der Systeme der sozialen Sicherheit zwischen Mitgliedstaaten für Menschen, die in einem anderen Mitgliedstaat leben oder arbeiten oder einfach nur dorthin reisen. Sie kann nicht in Kraft treten, bevor in einem Mitentscheidungsverfahren zwischen Parlament und Rat, das im Rat der Einstimmigkeit bedarf, über diese Durchführungsverordnung erzielt Einigung worden ist – was von allen vorhandenen Komplexitäten nicht die geringste ist.
Die Durchführungsverordnung gestaltet die administrative Architektur und legt dar, wie dies funktionieren soll. Sie bestimmt die Regeln, nach denen jeder Mitgliedstaat und jede zuständige Behörde die verschiedenen Dimensionen der Sozialversicherung in Bezug auf grenzüberschreitende Angelegenheiten behandeln werden. Dieser Austausch elektronischer Daten ist im Hinblick auf eine größere Geschwindigkeit und auch Genauigkeit der Kommunikation von grundlegender Bedeutung für die neue Grundverordnung und die Durchführungsverordnung.
Dies wird hoffentlich unter anderem die Situation beenden, in der tausende Blatt Papier auf dem Schreibtisch eines Beamten landen: Rezepte, die in der natürlich immer hervorragend leserlichen Handschrift zahlloser Ärzte ausgefüllt sind, und andere Ansprüche aus der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung – oder wenigstens die Bearbeitungszeit verkürzen. Indem wir dies einfacher und klarer gestalten, können wir hoffentlich auch das Ausmaß der Betrügereien senken, die das System gegenwärtig plagen. So wird z. B. die gegenwärtig entstehende Trägheit durch Manipulation des Rückerstattungssystems der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung ausgenutzt. Genauso könnte dies auch dafür sorgen, dass mehr Anbieter und Einzelpersonen Ansprüche geltend machen, wenn sie die Hoffnung haben ausgezahlt zu werden – anstatt die Ansprüche auf ihre Erben übergehen zu lassen.
In den Artikeln 78 und 79 der Grundverordnung wird die Rolle der Kommission bei der Unterstützung der Entwicklung des elektronischen Datenaustausches, einschließlich der möglichen Finanzierung dargelegt – daher bin ich ein wenig erstaunt und enttäuscht über den Vorschlag, die Änderungsanträge 2 und 161 zu löschen, die sich auf die Implementierung dieser entscheidenden Entwicklung beziehen. Als wir über den Punkt des Datenaustauschs diskutiert haben, war der Ausschuss der Meinung, dass das Parlament die Sicherungsmechanismen und die Notwendigkeit einer angemessenen Datenerhebung sehr explizit gestalten sollte. Folglich haben wir in unseren Vorschlägen die Anforderungen an den Datenschutz verstärkt.
In der Grundverordnung werden auch Gesichtspunkte des Zugangs zu Sachleistungen für die Gesundheitsversorgung von Menschen, die sich, beispielsweise zum Urlaub, in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, oder für die reguläre Behandlungsleistungen aus medizinischen Gründen – und nicht aufgrund eigener Entscheidung – notwendig werden. Die vor kurzem erfolgte Veröffentlichung der Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung steht im Zusammenhang mit dieser Grundverordnung. Das Parlament muss sicherstellen, dass es zwischen den beiden Rechtsetzungsakten keinen Konflikt gibt.
Der Ausschuss nahm auch die vorgeschlagene Ausweitung der Gleichstellungsrichtlinien vorweg und schlug zwei Maßnahmen vor, die sich speziell auf Menschen mit Behinderungen beziehen – erstens eine bereichsübergreifende Maßnahme, die sichern soll, dass die Bedürfnisse von Menschen mit bestimmten Behinderungen von den Mitgliedstaaten bei der Kommunikation mit ihnen berücksichtigt werden, und zweitens eine Maßnahme zur Kostenübernahme für die Begleitperson eines behinderten Menschen, der im Ausland schnelle medizinische Hilfe benötigt. Wir sind uns bewusst, dass diese Frage einer weiteren Diskussion mit dem Rat bedarf.
Die Durchführungsverordnung bezieht sich auch auf einige Fristen. Mir ist bewusst, dass dazu verschiedene Meinungen vorliegen, was in einigen der heute erörterten Änderungsanträge zum Ausdruck kommt. Der Ausschuss hat sich weiterhin dafür entschieden, betreffend der Begutachtung und Auszahlung von Geldleistungen für die Langzeitpflege und der größeren Klarheit in Bezug auf Menschen, die grenzüberschreitend tätig sind und arbeitslos werden, ein geändertes Programm zu unterstützen. Ich hoffe, dass das Parlament diese Änderungsanträge aus dem Ausschuss unterstützen wird.
In Bezug auf den anderen Bericht über die Rechte Drittstaatsangehöriger, die innerhalb der Europäischen Union reisen, liegt schon eine Verordnung vor, die sich rechtmäßig und grenzüberschreitend in einem Mitgliedstaat aufhaltende Personen mit der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verbindet. Diese muss jetzt aktualisiert werden: Da wir die übergreifende Verordnung aktualisieren, muss auch die verbindende Verordnung aktualisiert werden.
Der neue Vorschlag ist in seiner Substanz mit der bestehenden Regelung identisch. Er sorgt wiederum für mehr Klarheit zum Geltungsbereich und garantiert die Rechte, über die die Menschen schon verfügen. Es werden keine neuen Rechte eingeführt, und der Vorschlag wird mit der weiteren Entwicklung der gemeinsamen Einwanderungspolitik der Europäischen Union einen noch höheren Stellenwert gewinnen. Der Vorschlag einer so genannten Blue Card wird ebenfalls von dieser Neufassung der Verordnung profitieren. Auch hier hoffe ich, dass das Parlament die Änderungsanträge des Ausschusses zu diesem Gegenstand unterstützen kann. Wir möchten eine klare Grundsatzerklärung erreichen, und aus diesem Grund empfehle ich, was der Ausschuss auch schon getan hat, dass wir die Änderungsanträge bezüglich der Anfügung von Anhängen nicht unterstützen.
(Beifall)
VORSITZ: MARTINE ROURE Vizepräsidentin
Emine Bozkurt, Berichterstatterin. − (NL) Sehr geehrte Damen und Herren! Heute stimmen wir über eine klarere und flexiblere Koordinierung der sozialen Sicherheit in Europa und insofern für eine Präzisierung des Anhangs ab.
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben darauf hingewirkt, den Vorschlag derart zu vereinfachen, dass die Europäer einen besseren Einblick in die komplexen Regeln für die Koordinierung der sozialen Sicherheit erlangen.
Zunächst einmal gebührt mein Dank den Schattenberichterstattern, mit denen ich in den vergangenen Monaten und Jahren das Vergnügen hatte, an diesem Papier zu arbeiten. Selbstverständlich Jean Lambert, die, so wie ich als Schattenberichterstatterin für ihren Bericht fungierte, im Namen der Grünen Schattenberichterstatterin für meinen Bericht war, Ria Oomen-Ruijten von der PPE-DE-Fraktion, Bilyana Raeva von der ALDE-Fraktion, Dimitrios Papadimoulis von der GUE/NGL-Fraktion und Eva Tomaszewska von der UEN-Fraktion sowie allen anderen Kolleginnen und Kollegen, die einen wertvollen Beitrag zu dieser Diskussion geleistet haben.
Zudem möchte ich herausstellen, dass die Gespräche mit der Kommission und dem Rat sehr erfolgreich verliefen. Mein besonderer Dank gilt hier Hélène Michard und Rob Cornelissen von der Europäischen Kommission. Was die Zusammenarbeit mit dem Rat betrifft, so hatten wir mit mehreren Ratspräsidentschaften die Ehre. Da sich die Abstimmung über die Koordinierung der sozialen Sicherheit über einige Jahre hinzog, hatten wir die Freude, mit Finnland, Deutschland, Portugal, Slowenien und Frankreich zusammenzuarbeiten.
Meine Damen und Herren, das Verfahren war zwar langwierig, aber von Erfolg gekrönt. Uns liegt nunmehr ein tragfähiger Kompromiss vor, den alle Mitgliedstaaten und alle EU-Institutionen, einschließlich des Europäischen Parlaments, umsetzen können. Bei der Berücksichtigung der Änderungsanträge haben wir uns stets von der Überzeugung leiten lassen, dass Änderungen im derzeitigen Koordinierungssystem unter keinen Umständen zu weniger Rechten für die Bürger führen sollten.
Die Streichung von Anhang III verdeutlicht das recht anschaulich, da Anhang III den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bietet, die Rechte ihrer Bürger einzuschränken. Mit diesem Bericht haben wir uns für ein Europa stark gemacht, das seinen Bürgern mehr Rechte in möglichst vielen Bereichen einräumt. Das Gute an europäischer Zusammenarbeit ist, dass die europäischen Länder gemeinsam für ihre Bürger sorgen können. Soziale Gerechtigkeit ist dabei wesentlicher Bestandteil und macht nicht an den Grenzen Halt. Die Bürger müssen auf den Schutz ihrer sozialen Rechte vertrauen können, auch über die Grenzen ihres Landes hinweg.
Der Binnenmarkt ermöglicht es den Bürgern, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen. Und das wollen wir auch fördern. Die Menschen können dann darauf zählen, dass ihre soziale Sicherheit mit ihnen auf die Reise geht, dass ihre Renten geregelt sind, ganz egal, wo sie leben oder arbeiten, und dass eine angemessene Versorgung gewährleistet ist, überall in Europa und nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familien. Das ist europäische Zusammenarbeit, wie sie sein sollte.
Zuzana Roithová, Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. − (CS) Meine Damen und Herren! Als Verfasserin der Stellungnahme zu diesem Bericht bedauere ich, dass der zuständige Ausschuss meine wichtigsten Vorschläge nicht angenommen hat. Einmal mehr hat er stattdessen die Chance vertan, klare Regeln für die Gewährung von Sozialleistungen aufzustellen, die für alle Familienmitglieder, die innerhalb der gesamten EU in allen Mitgliedstaaten zu- und abwandern, gleichermaßen gelten, und zwar bezüglich der Erstattung nicht notfallmäßiger Gesundheitskosten in Übereinstimmung mit Urteilen des Europäischen Gerichtshofs. Infolgedessen müssen wir nach wie vor verdeutlichen, dass der erstattungsfähige Betrag für geplante ärztliche Behandlungen im Ausland mindestens den Kosten für eine vergleichbare Behandlung in dem Land entsprechen sollte, in dem der Patient versichert ist. Ein Bürger, der stationäre Behandlung in Anspruch nehmen will, muss dafür zuvor eine Genehmigung einholen, kann aber im Falle der Ablehnung seines Antrags Einspruch einlegen. Bei ambulanten Behandlungen ist eine vorherige Benachrichtigung nicht obligatorisch. Die Bürger müssen nun die neue Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung abwarten, obwohl die Kostenerstattung Teil dieser Verordnung ist. Darüber hinaus wird die Richtlinie im Bereich der Subsidiarität in der Gesundheitsversorgung keinen nennenswerten Beitrag leisten, die Verabschiedung der Strategie kann sich jedoch möglicherweise um Jahre verzögern. Ich bedauere, dass der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten diesen Aspekt unterschätzt hat. Abgesehen davon ist der Bericht sehr gut, und ich werde ihn unterstützen.
Gabriele Stauner, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich möchte etwas sagen zum Bericht Lambert über die Durchführung der Verordnung, in dem es um die Einzelheiten der Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme geht.
Diese Verordnung dient – so hat die Berichterstatterin gesagt – der Koordinierung, nicht der Harmonisierung, für die wir in der EU auch gar keine Rechtsgrundlage hätten. Im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sind aber leider einige Änderungsanträge verabschiedet worden, die über die Koordinierung hinausgehen und neue Zuständigkeiten und Leistungen begründen. So ist es unseres Erachtens für eine Koordinierung nicht notwendig, dass die Kommission die Befugnis erhält, eine eigene, neutrale, zentrale Datenbank einzurichten und selbstständig zu verwalten, um eine schnelle Leistungsauszahlung an die Bürger zu gewährleisten. Das ist eine originäre Aufgabe der Mitgliedstaaten, die diese auch bisher schon wahrgenommen haben, und die zudem jetzt eine Verbindungsstelle dafür benennen müssen. Auch für den Rat suchenden Bürger ist es sach- und ortsnäher, sich an die Behörden seines Mitgliedstaates zu wenden und nicht an eine weit entfernte anonyme Datenbank der Kommission. Ich möchte also ausdrücklich dem Herrn Kommissar in diesem Punkt widersprechen.
Wir halten es auch nicht für sachgerecht, dass jede behinderte versicherte Person Anspruch auf Reise- und Aufenthaltskosten für eine Begleitperson haben soll. Die Übernahme der Reisekosten für eine Begleitperson soll vielmehr an den Begriff der Schwerbehinderung anknüpfen, der in den Mitgliedstaaten überwiegend rechtlich auch einwandfrei definiert ist.
Wir sind auch der Meinung, dass ein Arbeitsloser, der im Beschäftigungsland Pflichten verletzt hat, insbesondere nicht alle dort vorgeschriebenen Schritte zur Arbeitssuche unternommen hat, im Wohnsitzland keine Leistungen in Anspruch nehmen können soll, so als hätte er sich immer rechtstreu verhalten. Das ist nicht richtig.
Die restlichen drei Änderungsanträge meiner Fraktion beschäftigen sich mit Fristen, die wir mit einheitlich sechs Monaten für ausreichend halten. Sie sollten nicht zwischen 12 und 18 Monaten variieren.
Jan Cremers, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Im Namen der PSE-Fraktion möchte ich ein Wort des Dankes an die Berichterstatter, die Dienststellen der Kommission und die slowenische Präsidentschaft richten.
Dieses Dossier hat eine lange Vorgeschichte. Die frühere Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zählt schließlich zu den ersten Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Europa. Die vorgeschlagene Vereinfachung soll einen schnelleren Service für die europäischen Bürger, die Ansprüche geltend machen, und zugleich eine bessere Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Ansprüche sicherstellen. Große Bedeutung kommt dabei der Zusammenarbeit zwischen den Trägern und einem verbesserten Datenaustausch zu. Die Durchführungsbestimmungen sollen zudem Lücken bei Grenzgängern und anderen Anspruchsberechtigten verhindern.
In der zweiten Lesung gibt es nach Ansicht unserer Fraktion noch drei Punkte, die möglicherweise einer genaueren Prüfung bedürfen. Erstens, nach wie vor wird nach zwei verschiedenen Regelungen bestimmt, ob jemand abhängig beschäftigt ist oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt. Im Bereich der sozialen Sicherheit wird die im Herkunftsland geltende Definition angewendet, während im Kontext der Beschäftigung bei Entsendung die Definition des Beschäftigungslandes zugrunde gelegt wird. Solange es uns nicht möglich ist, zu einer präzisen europäischen Definition des Begriffs „selbstständige Erwerbstätigkeit“ zu kommen, wird uns dieses Thema im Parlament immer wieder beschäftigen.
Ein zweiter Punkt betrifft die Information der Anspruchsberechtigten. In dem inzwischen geänderten Kommissionstext waren die Angaben, wann und zu welchen Themen Anspruchsberechtigte Informationen von den zuständigen Stellen erhalten, noch zu sehr über mehrere Artikel verstreut. Eine übersichtliche Zusammenfassung des Informationsrechts an zentraler Stelle in dieser Rechtsvorschrift würde die Eindeutigkeit für die Anspruchsberechtigten erheblich verstärken.
Ein dritter Punkt, der Sorge bereitet, ist die Kontrolle der Einhaltung. Von der vorigen Verordnung her wissen wir, dass die Erfassung in den Mitgliedstaaten sowie die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den zuständigen Trägern mitunter schlecht funktionierten. Es wäre zu begrüßen, wenn das Parlament künftig über die weitere Durchführung der betreffenden Vorschriften auf dem Laufenden gehalten wird.
Ona Juknevičienė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Zunächst einmal möchte ich der Berichterstatterin, Frau Lambert, gratulieren und ihr für ihre Kooperation bei der Erstellung dieses Dokuments danken.
Die Verordnung legt die Rangfolge von Rechtsvorschriften fest und löst Probleme der alltäglichen Praxis. Sie zielt nicht auf eine Vereinheitlichung der Sozialsysteme ab. Vielmehr geht es um eine Methode der Umsetzung, die die gleichzeitige Existenz unterschiedlicher Systeme der sozialen Sicherheit in den Mitgliedstaaten zulässt. Dennoch sorgt die Verordnung dafür, dass Menschen auf das, was ihnen zusteht, nicht verzichten müssen.
Vor einem Jahr hat Präsident Sarkozy vor diesem Parlament eine Rede gehalten, in der er sagte, die Franzosen seien der Meinung, die EU kümmere sich nicht um sie und biete keinerlei soziale Sicherheit. Die irischen Bürger wissen wahrscheinlich ebenfalls nicht, was sie von der EU erwarten können.
Heute hat Frankreich und haben wir alle die Möglichkeit, den Menschen zu beweisen, dass ihre Alltagsprobleme eben doch auf EU-Ebene gelöst werden.
Leider ist meines Wissens nicht jeder im Rat bereit, die festgelegten Zeiträume zu akzeptieren, die die Kommission für den Ausgleich der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten vorgeschlagen hat. Die Berichterstatterin fordert uns auf, nichts zu überstürzen.
Meine Fraktion begrüßt die Vorschläge und Änderungsanträge, denen zufolge die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet wären, die offenen Fragen bezüglich Zahlungsmodalitäten und Kompatibilität innerhalb von sechs Monaten zu klären, anstatt sie eineinhalb Jahre in die Länge zu ziehen. Die Bürger sollten nicht die Leidtragenden der Untätigkeit und der schleppenden Entscheidungsfindung der Institutionen sein.
Mit dieser Verordnung könnte die EU beweisen, wie wichtig es ihr ist, das Vertrauen ihrer Bürger zu gewinnen.
Daher rufe ich meine Kollegen dazu auf, für diese Änderungsanträge zu stimmen. Sie betreffen praktische und nachvollziehbare Hilfe für jeden Bürger der EU. Wir wurden gewählt, um das Volk zu vertreten, nicht Regierungen oder Institutionen.
Ewa Tomaszewska, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Jedes Land der Europäischen Union hat sein eigenes System der sozialen Sicherheit, das sich von den Systemen anderer Länder unterscheidet. Entscheidend dafür sind langjährige Traditionen und die finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Landes. Diese Systeme unterliegen nicht der Harmonisierung. Durch das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer zur Aufnahme einer Beschäftigung in anderen Ländern ist es notwendig geworden, die Systeme der sozialen Sicherheit zu koordinieren. Die heute dafür geltenden Bestimmungen müssen vereinfacht werden.
Durch Einführung des elektronischen Datenaustauschs im polnischen Rentensystem ist die Zahl der Übertragungsfehler von Versicherungsdaten zwischen Institutionen wesentlich reduziert worden.
Darüber hinaus ist es notwendig, die Bürger vor Beschneidungen ihrer Versicherungsrechte zu schützen. Die Arbeiter sollten verstehen können, welches System zur Berechnung ihrer Ansprüche herangezogen wird. Sie haben ein Recht zu erfahren, wie ihre Beiträge errechnet werden und welche Ansprüche daraus resultieren. Aus diesem Grunde scheint es dringend geboten, die Verordnungen und Verfahren zur Koordinierung der Systeme, die naturgemäß ziemlich kompliziert sind, im Rahmen der Möglichkeiten zu vereinfachen. Des Weiteren sollten sie sich nicht rückwirkend zum Nachteil der Versicherten auswirken.
Dimitrios Papadimoulis, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich den Berichterstatterinnen Frau Lambert und Frau Bozkurt für ihre ausführliche und sorgfältige Arbeit sowie für ihre herausragende Zusammenarbeit mit allen Schattenberichterstattern und für ihre Bemühungen danken, unsere Vorschläge und unseren Beitrag sinnvoll zu nutzen.
Dies sind außerordentlich schwierige Berichte, die eine Menge komplexer technischer Details enthalten, die jedoch auch außerordentlich wertvoll für die Bürger Europas sind.
Die Bürger haben jede Gelegenheit einschließlich des jüngsten Referendums in Irland ergriffen, um gegen das in der Politik des Rates und der Kommission erkannte enorme soziale Defizit zu protestieren. Sie sind auf der Suche nach einer Europäischen Union, die ihre Rechte sichert. Und nun diskutieren wir hier die Verordnung 883/2004, die dank des Rats und der Kommission, nicht des Parlaments, jahrelang auf Eis lag und auf die Verabschiedung der Durchführungsverordnungen für die Anhänge wartete.
Dies führt zu Bürokratie, Informationsmangel, Verwirrung, einer Gefährdung der grundlegenden sozialen Sicherheit und sozialen Rechte der Arbeitnehmer, die zwischen den Stühlen sitzen; einem „Europa à la carte“, wie es die Neoliberalen und die großen Unternehmen wollen, mit einer einheitlichen Währung, aber ohne Koordinierung oder Harmonisierung der sozialen Rechte und der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer. Inmitten dieser Gesetzgebungslücke legt die Kommission nun ihren Vorschlag für eine „Bolkestein-Richtlinie durch die Hintertür“ für Gesundheitsdienste vor.
Die vorliegenden Berichte zeigen einen anderen Weg auf. Wir benötigen keine Bolkestein-Richtlinie für Gesundheitsdienste; wir brauchen eine verbesserte Verordnung 883/2004, mit der entsprechend den Berichten sämtliche auftretenden Fragen beantwortet werden können, wobei die Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Familien geschützt und gleichzeitig die erforderliche Mobilität gefördert wird.
Aus diesem Grund bitte ich Sie, Herr Kommissar, beenden Sie die Bolkestein-Experimente mit Gesundheitsdiensten und setzen Sie zusammen mit dem Rat unverzüglich die Verfahren für die Bearbeitung der übrigen Kapitel und Anhänge der Verordnung 883/2004 fort, sodass diese sobald als möglich in Kraft treten kann.
Ich bitte Sie eindringlich, nicht für Änderungsanträge zu stimmen, die den Inhalt der Berichte von Frau Lambert und Frau Bozkurt abschwächen.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Im Änderungsantrag 4 des Berichts A6-0251/2008 wird „Mobilität für Arbeitslose“ erwähnt. Soll das bedeuten, dass Arbeitslose auf Kosten des Steuerzahlers zur Arbeitssuche durch die EU gekarrt werden? Der jeweilige Mitgliedstaat haftet für Sozialversicherungszahlungen an Personen, die dort gearbeitet hatten, aber in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen und dann arbeitslos geworden sind.
Änderungsantrag 148 sieht vor, dass der Steuerzahler durch ein Erstattungssystem zwischen den Mitgliedstaaten, zweifellos nach einer komplizierten EU-Formel, für Reisekosten zu einer medizinischen Untersuchung in einem anderen Mitgliedstaat aufkommen soll. Mitgliedstaaten können eine Behinderung feststellen, Entscheidungen, die für andere Mitgliedstaaten bindend sind, obwohl dies durch den Grad der Behinderung noch komplizierter gemacht wird, aber sie können Regelungen gegen Überschneidungen von Leistungen treffen.
Die Regelungen werden alle EU-Bürger betreffen, die aus irgendeinem beliebigen Grund in der EU unterwegs sind. Dazu gehören auch Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten und in mehr als einem Mitgliedstaat gearbeitet haben, und bald auch staatenlose Personen und Flüchtlinge. Diese Berichte nehmen in einigen Passagen für sich in Anspruch, die Verordnungen zu vereinfachen und die bestehende Gesetzgebung für Sozialversicherungsbehörden, Arbeitgeber und Bürger zu modernisieren, und gleichzeitig sehr inklusiv zu sein. Anscheinend wird es keine Auswirkungen auf den Haushalt der Gemeinschaft geben. Es wird behauptet, dass die finanziellen und administrativen Belastungen durch die Koordinierungsregeln vermindert werden, die nur auf EU-Ebene Anwendung finden können, aber dass es sich nicht um eine Harmonisierung handelt. Wie kann es einerseits Rückerstattung, von der EU festgelegte Formeln, eine Regelung über jeglichen grenzüberschreitenden Verkehr und Koordinierungsregeln geben, ohne dass es sich um Harmonisierung handelt? Insgesamt stellen diese Berichte ein Sammelsurium sich widersprechender Behauptungen dar. Im Falle ihrer Annahme werden sie sehr große administrative Anstrengungen erfordern und Geld kosten, obwohl im Bericht behauptet wird, dass dies nicht der Fall sei.
Lassen Sie mich abschließend bemerken, dass die Familie hier an einer Identitätskrise leidet. Geburts- und Adoptionszuwendungen sind offenbar keine Leistungen für die Familie! Wann ist denn eine Familie bitte keine Familie, und was ist denn bitte ein adoptiertes Kind nun genau?
Auch ich persönlich würde gern eine Identitätskrise vermeiden. Ein „Grenzgänger“ ist eine Person, die in einem Mitgliedstaat arbeitet, aber in einem anderen wohnt, vorausgesetzt, sie kehrt einmal die Woche nach Hause zurück. Tja, wir befinden uns hier in Frankreich, und morgen fahre ich nach Hause. Bin ich also ein Grenzgänger, obwohl ich mitten in England wohne?
Jim Allister (NI). – (EN) Frau Präsidentin! Es wird vorausgesetzt, dass die Freizügigkeit der Arbeitskräfte ein Grundmerkmal der EU und der Lissabon-Strategie ist, aber ich erhalte als Abgeordneter des Europäischen Parlaments, so wie auch andere MdEP, regelmäßig Beschwerden über fehlende Krankenversicherung, nicht ausreichende Sozialversicherung und, was vielleicht am frustrierendsten ist, über sich widersprechende Ratschläge durch unterschiedliche staatliche Stellen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Arbeitnehmer aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat im Auftrag einer Firma arbeitet, die ihren Sitz in einem dritten Mitgliedstaat hat – hier scheint das wirkliche Problem für viele Menschen zu liegen, was zu Schwierigkeiten führt, wo und wie für sie Versicherungsschutz besteht. Ganz in unserer Nähe haben wir dasselbe Problem bei den parlamentarischen Assistenten, und es besteht – trotz des Einsatzes der Assistentenvereinigung EPAA – weiterhin. Ich finde es skandalös, dass wir in dieser Angelegenheit nicht einmal in der Lage sind in unserem eigenen Haus Ordnung zu schaffen, aber trotzdem für andere Gesetze beschließen.
Mir geht es hauptsächlich um sinnvoll beschäftigte Menschen, nicht um Sozialleistungstouristen. Alle möglichen Lücken dieser Rechtsvorschrift, die sich Sozialleistungstouristen zunutze machen könnten, müssen sorgfältig und wirklich fest geschlossen werden.
Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Ich möchte allen Berichterstattern für ihre hervorragende Arbeit danken, denn das war nicht eben einfach. Frau Präsidentin, wir brauchen vernünftige Vorschriften für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in Europa, Vorschriften, die sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen, nicht zwischen den Stühlen sitzen. Das wird nunmehr in der neuen Koordinierungsverordnung verankert. Diese Koordinierungsverordnung ist notwendig geworden, weil die alte nicht mehr ausreichte und die Koordinierung vereinfacht werden konnte.
Ich frage mich, ob wir mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Ist alles nun wirklich einfacher geworden? Ich habe meine Zweifel. Wir koordinieren zwar die soziale Sicherheit, die steuerliche Behandlung von Leistungen koordinieren wir jedoch nicht, obgleich doch immer mehr fiskalisiert wird. Darüber, so meine ich, sollten wir einmal nachdenken.
Und dann wäre da noch ein weiterer Punkt. Die Koordinierung findet stets im Nachhinein statt. Die nationalen Gesetzgeber sollten weitaus stärker den Auswirkungen von Systemänderungen auf Menschen Rechnung tragen, die mobil sind, also Menschen, die in dem einem Land leben und in dem anderen arbeiten.
Überdies sei noch ein Hinweis auf die Änderung des Anhangs gestattet. Diese Änderung kommt niederländischen Rentnern sehr zugute, die in den Niederlanden weiterhin ihre Sozialversicherungsbeiträge zahlen und im Ausland wohnen, aber bis dato in den Niederlanden keine Leistungen beanspruchen konnten, obwohl sie in das dortige System eingezahlt haben. Also Niederländer, die in Belgien oder Deutschland oder noch weiter fort in Frankreich, la belle France, oder in Spanien leben, haben jetzt Anspruch auf Behandlung. Ein Dankeschön dafür auch an den Gesundheitsminister, der für diese Änderung war.
Jan Andersson (PSE). - (SV) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Ich möchte den Berichterstattern meinen Dank aussprechen. Frau Lambert hat sich, solange ich mich erinnern kann, mit dieser Frage beschäftigt und große Erfahrungen auf diesem Gebiet. Frau Bozkurt kam etwas später, aber beide haben eine fantastische Arbeit geleistet und vor allem hervorragend mit den Schattenberichterstattern der verschiedenen Parteien zusammengearbeitet.
Zunächst einige allgemeine Anmerkungen, die durchaus einer Wiederholung wert sind. Es geht hier nicht um eine Harmonisierung, denn wir wissen, dass sich die Systeme der sozialen Sicherheit in der EU voneinander unterscheiden. Es geht hier um die Bürger, um das Recht der Bürger, den Binnenmarkt für die Arbeitsuche und den Aufenthalt in anderen Staaten zu nutzen. Dabei ist eine Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen Mitgliedstaaten von größter Bedeutung, ebenso wie eine Koordinierung der Rentenansprüche. Es ist wichtig, dass Arbeitslose den Binnenmarkt nutzen und Kranke sich in anderen Ländern behandeln lassen können. Diese Dinge sind entscheidend für den Binnenmarkt, denn ohne eine Koordinierung würde er nicht zufrieden stellend funktionieren.
Eine solche Koordinierung gab es bereits, aber sie war mangelhaft. Jetzt werden Verbesserungen eingeführt, einerseits dadurch, dass der Kreis der berechtigten Personen erweitert wird, und sich nicht nur auf die Erwerbstätigen beschränkt, und zum anderen durch die Einbeziehung weiterer Bereiche, wie Vorruhestandsgelder, was wir als positive Entwicklung betrachten.
Lassen Sie mich einige Punkte aufgreifen, die unsere Berichterstatter genannt haben. Frau Lambert hat den elektronischen Datenaustausch erwähnt, dem sie positiv gegenübersteht, da er zahlreiche Verbesserungen beinhaltet. Allerdings darf bei einem solchen Informationsaustausch der Schutz der Privatsphäre nicht außer acht gelassen werden. Wir werden daher den Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten folgen.
Was Drittstaatsangehörige betrifft, ist es wichtig, auch diese Frage aufzugreifen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der geplanten „Blue-Card“. Zum Bericht Bozkurt möchte ich nur sagen, dass es durch die neue Verordnung nicht weniger, sondern mehr Rechte geben muss. Das ist außerordentlich wichtig. Ich möchte noch einmal den Berichterstattern danken, und hoffe wir können in naher Zukunft einen endgültigen Beschluss fassen.
Siiri Oviir (ALDE). – (ET) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Berichterstatterin und dem Ausschuss, die in hervorragender Weise diese komplexen Bestimmungen vereinfacht und auf den neuesten Stand gebracht haben. Das Thema, über das wir heute beraten, liegt unmittelbar im Interesse unserer Bürger. Was ist wichtig für die Bürger, für die diese Bestimmungen schließlich gedacht sind? Erstens der Schutz ihrer Rechte und, angesichts der heutigen Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Gewissheit, überall Sozialschutz zu genießen. Zweitens sollte das Dokument verständlich für sie sein. Drittens sollte der Leistungsmechanismus möglichst bald greifen.
Was erreichen wir mit diesen Verordnungen? Das oberste Anliegen unserer Bürger – das Recht auf Sozialversicherung – ist bestens geschützt. Ihr zweites Anliegen, Verständlichkeit, haben wir noch nicht vollständig erfüllt. Ich mache hier niemandem einen Vorwurf: Dieses Thema ist sehr komplex, sehr fachspezifisch und kein großes literarisches Werk. Das dritte Anliegen, der Zeitpunkt, zu dem die Bürger die Leistungen erhalten werden, hängt von unserer heutigen Abstimmung ab.
Sozialversicherungsleistungen sind nicht mit den Gewinnen von Geschäftsleuten oder mit Bankdividenden zu vergleichen. Die Antragsteller sind Personen, die sich in einer schwierigen Lage befinden und für die diese Leistungen im Allgemeinen die einzige Einnahmequelle darstellen. Ich bitte Sie daher, die Vorschläge für eine sechsmonatige Zahlungsfrist zu unterstützen. Um die Ausübung und den Schutz der Bürgerrechte zu gewährleisten, muss der Abwicklungszeitraum bei allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gleich sein, das heißt sechs Monate, insbesondere angesichts der Tatsache, dass ein elektronisches Verfahren zum Einsatz kommen würde. Ein 18-monatiger Abwicklungszeitraum für Sozialleistungen ist im 21. Jahrhundert nicht angemessen.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die Schaffung eines koordinierten Systems der sozialen Sicherheit ist eine sehr schwierige Aufgabe. Aus diesem Grunde sollten wir der Berichterstatterin unsere Anerkennung aussprechen. Ich möchte jedoch an dieser Stelle die Aufmerksamkeit auf die Problematik der Zahlung von Unterstützungsleistungen für Familien von Zuwanderern von außerhalb Europas lenken. Natürlich sollten diejenigen, die sich legal hier aufhalten, unterstützt werden, und illegalen Zuwanderern sollte humanitäre Hilfe zuteil werden, aber die Gewährung unbegrenzter Sozialleistungen an Familien, für die diese Leistungen zur permanenten und einzigen Einkommensquelle werden, ist ein Missverständnis. Derzeit gibt es viele Familien, die eine breite Palette von Unterstützungsleistungen erhalten, aber nicht die Absicht haben zu arbeiten, da sie ihren Lebensstandard als zufrieden stellend empfinden. Das ist sowohl für die Wirtschaft als auch für die Traditionen und die Arbeitskultur in Europa ein sehr demoralisierender Zustand. Verstärkt wird diese Erscheinung noch dadurch, dass die Lebensweise dieser Familien der Integration in die Kultur und die Traditionen des Landes, in dem sie sich niederlassen, zuwiderläuft.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Wir sehen den Bericht von Frau Lambert aus technischer Sicht als positiv an, da er auf dem Gebiet der Koordinierung der sozialen Sicherheit Fortschritte erzielt. Er ermöglicht es EU-Bürgern, die Zeiträume, in denen sie in anderen Mitgliedstaaten unter dem System der sozialen Sicherheit zur jener Zeit gelebt oder gearbeitet haben, zusammenzurechnen, um ihre Rente vom Staat zu ermitteln oder andere Ansprüche zu begründen. Somit trägt er zur einfacheren und reibungsloseren Zu- und Abwanderung von Bürgern innerhalb der Union bei.
Ich muss jedoch betonen, dass wir die Tatsache nicht übersehen dürfen, dass trotz einiger Einwände, die in dem Bericht erhoben werden, ein elektronischer Austausch von Informationen und personenbezogenen Daten stattfinden wird, mit dem wir nicht vollkommen einverstanden sind.
Nun möchte ich noch eine andere Notwendigkeit ansprechen, über die wir zurzeit in der Europäischen Union oft hinwegsehen. Es ist nicht entscheidend, Maßnahmen zur Vereinfachung der Zu- und Abwanderung nur deshalb zu ergreifen, um überhaupt tätig zu werden. Dies stellt keine Priorität für Arbeitnehmer dar; was sie suchen und fordern, ist die Achtung ihrer Grundrechte. Die Auswanderung aus einem Land und die Einwanderung in ein anderes Land aufgrund von Arbeitslosigkeit oder schlechten Arbeitsbedingungen in seinem Herkunftsland stellt keine soziale Notwendigkeit dar. Die soziale Notwendigkeit besteht darin, die Gewissheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und somit im Familienleben aller Bürger zu gewährleisten. Auswanderung aus finanziellen und sozialen Gründen sollte nicht das Ziel sein; ganz im Gegenteil.
Der Kurs, den die Europäische Union heute wählt – wobei dem freien Kapitalverkehr anstatt den selbstverständlichen Arbeitnehmerrechten mehr Bedeutung beigemessen wird, wie an einer Reihe von Fällen zu sehen ist, die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angehört werden – deutet darauf hin, dass wir uns nicht mit dem Recht auf Übertragung der Rentenansprüche zufrieden geben können, um zu zeigen, dass die Freizügigkeit von Personen angeblich verwirklicht wurde.
Wir müssen für Vollbeschäftigung mit umfassender sozialer Sicherheit kämpfen im Gegensatz zur gegenwärtigen Praxis, die unter dem Vorwand von Bevölkerungsrückgang zu der Logik ungewisser Beschäftigung führt und die Bedeutung von Tarifverhandlungen in verschiedenen Ländern untergräbt.
Edit Bauer (PPE-DE). – (SK) Zunächst möchte ich den Berichterstatterinnen, Frau Lambert und Frau Bozkurt, für ihre hervorragende und anspruchsvolle Arbeit danken.
Die Berichterstatterinnen, die Abgeordneten dieses Hohen Hauses und der Rat sowie die Kommission haben ihre Kräfte vereint, und aus diesem Grund liegt uns heute endlich die lang erwartete neue Verordnung vor, die die Durchführung von Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ermöglichen wird. Sie wird die schwerfällige Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ersetzen. Gemeinsam vereinfachen diese Dokumente den Zugang der Bürger zu Leistungen und Dienstleistungen, wie viele Kolleginnen und Kollegen und der Kommissar bereits angemerkt haben. Der Zugang zu diesen Leistungen und Dienstleistungen, die die einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Systeme der sozialen Sicherheit gewähren, hat sich in anderen Mitgliedstaaten als dem eigenen bislang für anspruchsberechtigte Personen schwierig gestaltet. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass diese Dokumente gemeinsam dazu beitragen werden, den grenzüberschreitenden Verkehr zu Arbeitszwecken zu vereinfachen. Das wird im Ergebnis zu einer besseren Nutzung und einem besseren Funktionieren des einheitlichen Arbeitsmarktes führen.
Als Schattenberichterstatterin des anderen von Frau Lambert verfassten Berichts möchte ich die erweiterte Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung durch Ausweitung der Bestimmungen der Verordnung auf Drittstaatsangehörige hervorheben. Ich meine, wie die Aussprache zeigt, können wir nicht davon ausgehen, dass dieses Gesetz alle unsere Probleme lösen wird. Es löst noch nicht einmal alle unsere gegenwärtigen Probleme, geschweige denn die künftigen.
Es ist offensichtlich, dass viele Schritte unternommen und viel dafür getan werden muss, Nachhaltigkeit zu erreichen und sich an die neuen Herausforderungen anzupassen. Dazu gehört auch weitere Koordinierung.
Gabriela Creţu (PSE). – (RO) Wir haben schon häufig über den rein technischen Charakter dieser Verordnung gesprochen. Tatsächlich handelte es sich bei ihr um eine irrige Vision, die den Blick auf einen zutiefst politischen Umstand versperrt hat. In der Europäischen Union haben wir zwar einen Binnenmarkt, aber 27 verschiedene Systeme der sozialen Sicherheit. Millionen Bürger arbeiten in einem anderen als ihrem Heimatland und sollten von den sozialen Rechten profitieren, die ihnen und ihren Familien zustehen. Die zuständigen Einrichtungen sollten diese Situation bewältigen und die Erbringer der Leistungen sollten diese miteinander verrechnen.
Die Regeln, nach denen die Probleme in diesem Bereich heutzutage gelöst werden, stammen aus der Zeit vor der Internet-Ära, als die Union sechs Mitgliedstaaten hatte, die von sesshaften Bürgern bewohnt wurden. Heute gibt es 27 Mitgliedstaaten, und ihre Einwohner verlegen ihren Wohnsitz häufig ins europäische Ausland. Die Modernisierung, Vereinfachung und Anpassung dieser Regeln an die neue Realität war zwingend notwendig. Das ist das Ziel von Verordnung 883/2004, die ohne entsprechende Verfahren noch immer nicht anwendbar ist.
Mittlerweile befinden wir uns im Jahr 2008 –seit vier Jahren zieht sich dieser Prozess also nun schon hin, zum Nachteil der Arbeitnehmer, die ihre Rechte einfordern, und der Effizienz der beteiligten Firmen und Institutionen.
Ein Sprichwort besagt, der Teufel stecke im Detail. Heute müssen wir die Berichterstatterinnen Jean Lambert und Emine Bozkurt beglückwünschen, denn indem sie die Detailfragen geklärt haben, können wir nun einen flüssigeren Informationsfluss erwarten, in der Gewissheit bestehender Datensicherheit und wirksamerer Koordinierung.
Die neue soziale Agenda beinhaltet Vorschläge für Verbesserungen, die angesichts der gewaltigen Versäumnisse gering erscheinen. Die Verschärfung der Verordnung Nr. 883 ist eine gute Nachricht. Sie mindert jedoch kaum den Eindruck, dass sich die europäische soziale Agenda in den vergangenen Jahren in einem Zustand der Stagnation befunden hat.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die Verordnung Nr. 883/2004 gilt nicht nur für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, sondern auch für alle anderen Personen, die durch die Systeme der sozialen Sicherheit erfasst werden. Die Koordinierung dieser Systeme wird durch die Verordnung erweitert. Es gibt auch andere wichtige Neuerungen, wie z. B im Hinblick auf die Berechnung von Rentenansprüchen, finanziellen Leistungen und sonstigen Leistungsansprüchen. Wie wirksam diese Koordinierung sein wird, hängt vom Inhalt der neuen Durchführungsverordnung und der Effizienz des elektronischen Datenaustauschs sowie einer guten Kommunikation ab. Begrüßenswert ist auch, dass die Verordnung Drittstaaten einbezieht und an der weiteren Verbesserung dieser Verordnung gearbeitet wird.
Wir sollten der Arbeit und den Vorschlägen der Berichterstatterin unsere Anerkennung aussprechen. Mehr kann von ihr nicht erwartet werden, da der Rat und die Kommission ihre Hausaufgaben noch nicht erledigt haben und die endgültigen Inhalte der Anhänge bisher nicht vorgelegt haben. Die Arbeit läuft, aber auch Leistungsempfänger müssen – frustriert wie sie sind – infolge des Versagens der Bürokratie und der langen Wartezeiten auf Erstattungen weiter auf die Zahlung der vollen Leistungen warten.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Diese Verordnungen bestätigen die allgemeine Richtung der europäischen Politik und beziehen sich auf die Lösung praktischer Probleme der sozialen Sicherheit für europäische Bürger sowie für all jene, die in EU-Mitgliedstaaten leben und arbeiten.
Wenn sie in Kraft treten, sobald die Durchführungsverordnung angenommen wurde, die derzeit im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens überprüft wird, werden sie die Mobilität der Arbeitnehmer stärken und ihren Familien das Leben sowohl im Berufsleben als auch im Ruhestand erleichtern.
Laut den Berichterstattern, denen ich hiermit gratulieren möchte, werden die Grundsätze für die Vereinfachung der Verordnungen das aktuelle Koordinierungssystem ändern, ohne dass dies zu weniger Rechten für die Bürger führen würde, wie dies bei der Harmonisierung der Fall gewesen wäre.
Die nötige Leistungsfähigkeit und schnelle Lösungen werden durch Vereinfachung bürokratischer Verfahren und durch die Lösung zwischenstaatlicher Verwaltungsangelegenheiten erreicht. Eine der wichtigsten Maßnahmen für die Mitgliedstaaten ist es, Kooperationsbehörden und spezielle Verbindungsorganisationen zu bestimmen, um die verschiedenen Aspekte der sozialen Sicherheit bei grenzübergreifenden Beziehungen abzudecken.
Einer dieser Aspekte ist die Langzeitpflege, ein Thema, das auf Vorschlag des Parlaments in sehr komplexer Weise gelöst wurde. Wir hoffen, dass ein einfacherer Weg gefunden werden wird, um das chronische Problem eines alternden Europas zu lösen.
Die Zahlungssysteme, die Beilegung von Streitfällen, die Erstattung gezahlter Beträge und die Schwierigkeiten, die die Bürger beim Geltendmachen von Ansprüchen aus Beschäftigungszeiten in anderen Mitgliedstaaten haben, stellen derzeit große Hindernisse dar. Wir hoffen, dass wir diese innerhalb eines festgelegten Zeitraums durch die Koordinierung, die die neue Grundverordnung sowie die Durchführungsverordnung wiederaufleben lassen möchte, überwunden werden.
Die individuellen Merkmale der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit werden bei den besonderen Bestimmungen für die Umsetzung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften in Anhang XI berücksichtigt. Die Verordnung beinhaltet ebenso die Rechte ausländischer Arbeitnehmer.
Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Wenn wir dieses Thema diskutieren, bleiben Bemerkungen der extremen Rechten nie aus, Bemerkungen wie „Sozialleistungstouristen“. Niemals hören wir sie von „Steuertouristen“ oder von „Staatsbeihilfetouristen“ sprechen. Es sind immer die Armen und die weniger Wohlhabenden, die auf diese Weise angegriffen werden.
Ich möchte die beiden Berichterstatter zu diesen Berichten beglückwünschen. Leider wird ihre positive Arbeit wahrscheinlich wenig Aufmerksamkeit in den Medien der Mitgliedstaaten finden, die im Allgemeinen mehr an negativen Themen interessiert sind. Es handelt sich um komplexe Entschließungsanträge zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten, die auch in sich komplex aufgebaut sind, da sie einer Vielzahl von individuellen Lebensumständen gerecht zu werden versuchen. Diese Verordnungen sind für unsere Bürger und Einwohner von herausragender Bedeutung, besonders für diejenigen, die in Grenznähe leben, und oft in einem Mitgliedstaat arbeiten und in einem anderen leben. Es ist wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass Menschen, die auf diese Weise arbeiten und leben, gegen unvorhergesehene Arbeitslosigkeit, Krankheit und Unfälle, und, nicht zu vergessen, für ihren späteren Ruhestand versichert sind. Wenn wir Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union sicherstellen wollen, dann brauchen diese Menschen Sicherheit.
Ich möchte mich aber noch zu einem besonderen Problem äußern, das in diesen Verordnungen ausgespart bleibt und meist auch nicht durch die Mitgliedstaaten abgedeckt wird. Es handelt sich um die Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen, die oft persönliche Hilfe benötigen, um sich frei bewegen zu können.
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – (RO) Die Regelungen zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme stehen in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Freizügigkeit von Personen und sollten den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen derjenigen Bürger verbessern, die ihren Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat haben, der nicht ihr Heimatland ist.
Die durch die Berichterstatterinnen geänderte Fassung der geltenden Verordnung vereinfacht all diese Verfahren und weitet den Anwendungsbereich der Verordnung auf alle Bürgergruppen aus, sowohl die erwerbstätigen, als auch die erwerbslosen.
Die europäischen Bürger sollten von Rentenansprüchen profitieren können, deren Höhe sich nach der Dauer ihrer Erwerbstätigkeit richtet. Wenn sie sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niederlassen, sollten sie dort ein Verwaltungssystem vorfinden, das in der Lage ist, alle Informationen über frühere Beschäftigungsverhältnisse sowie über die aus der Berufstätigkeit erwachsenden finanziellen Ansprüche abzurufen.
Deswegen hätte ich im Vorschlag der Kommission gerne Lösungen vorgefunden, die so genau wie möglich beschreiben, wie die Mitgliedstaaten effizient Informationen über soziale Rechte austauschen können. Darüber hinaus ist die geltende Verordnung aus meiner Sicht ganz wesentlich für die Mobilität der Arbeitskräfte in Europa.
Eine Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass mehr als 50 % der Bürger sich durch die soziale Unsicherheit entmutigt fühlen, die sie erwartet, wenn sie ihren Arbeitsplatz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen. Aus diesem Grund leben zurzeit nur 2 % der europäischen Bürger in einem Mitgliedstaat, der nicht ihr Heimatland ist.
Wenn wir erreichen möchten, dass die Mobilität zu einem echten Motor der europäischen Wirtschaft wird, müssen wir alle bürokratischen Hindernisse aus dem Weg räumen, die die Übertragbarkeit der sozialen Rechte betreffen.
Joel Hasse Ferreira (PSE). – (PT) Kommissar Špidla, meine Damen und Herren! Es geht bei unserer Aussprache letztendlich um die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in ganz Europa. Zunächst möchte ich die Arbeit der beiden Berichterstatterinnen Emine Bozkurt und Jean Lambert begrüßen. Zweitens möchte ich folgenden Punkt unterstreichen: Es ist unbedingt erforderlich, die Vereinbarkeit zwischen den eigenstaatlichen Systemen im privaten und genossenschaftlichen Bereich sowie im öffentlichen Bereich zu gewährleisten. Eine solche Vereinbarkeit führt zu mehr Mobilität und ermöglicht es Arbeitnehmern, sich in ganz Europa zu betätigen.
Herr Präsident! In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, bei der Berücksichtigung der abgezogenen Sozialversicherungsbeiträge in verschiedenen Mitgliedstaaten Fortschritte zu erzielen, wobei gleichzeitig garantiert werden muss, dass mit der Koordinierung der Sozialversicherungssysteme die Rechte der Bürger gestärkt und keinesfalls eingeschränkt werden. Ebenso wichtig ist es, geltende Regeln zu vereinfachen, damit die Bürger die Grundsätze und die Sprache der Organe der Europäischen Union verstehen und spüren, dass Europa mit einer Stimme spricht.
Wir sind uns bewusst, dass die Führung von Sozialversicherungssystemen nicht einfach ist, jedoch ist es unerlässlich, dass die EU-Bürger die von uns gewählten Kriterien nachvollziehen können. Ich würde sogar noch weiter gehen und die Meinung vertreten, dass uns eine solche Koordinierung helfen wird, zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Sozialversicherungssysteme zu kommen. Wir brauchen mehr soziale Sicherheit für alle Europäer und benötigen ein Sozialversicherungssystem, das die besten Praktiken aus den verschienen Systemen in sich vereint, wobei es darum geht, die derzeitige Koordinierung und eine mögliche künftige Harmonisierung weiter voranzubringen.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Der Binnenmarkt, in dem die vier Grundfreiheiten vereint sind, ist einer der bedeutendsten Erfolge der Europäischen Union. Die Annahme der Richtlinie über freie Dienstleistungen und die Freizügigkeit von Personen bringt den Bürgern der Europäischen Union Vorteile.
Andererseits wenden sich Bürger an uns, wenn sie Hilfe im gesundheitlichen oder sozialen Bereich benötigen und dabei auf Probleme stoßen. Die einzelnen Mitgliedstaaten haben ihre eigenen, spezifischen Sozialversicherungssysteme. Ich bin überzeugt, dass die Koordinierung dieser Systeme, Transparenz, Bürokratieabbau und das elektronische Datenaustauschsystem zum Nutzen aller EU-Bürger sein werden.
Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die interessante heutige Aussprache bedanken, und bei den Berichterstatterinnen für ihre anspruchsvolle Arbeit.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. − (CS) Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die ausführliche Debatte, die meiner Meinung nach die hohe Qualität des betreffenden Berichts belegt. Inzwischen haben wir einen gewissen Stand erreicht, was unsere Arbeit an der neuen Verordnung angeht. Zwar konnten bis jetzt nicht alle Probleme gelöst werden, aber – wie die Aussprache ja auch gezeigt hat – wir haben in jedem Bereich Erfolge erzielt. Das europäische System koordiniert Systeme der sozialen Sicherheit. Das bedeutet jedoch nicht, dass es neue Rechte definiert. Auf dieser Ebene definieren wir keine neuen Rechte. Wir verbessern vielmehr die praktische Anwendung von Rechten für Bürger, die innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandern. Das sind immerhin zig Millionen Menschen, zig Millionen Einzelfälle. Gestatten Sie mir daher noch einmal zu betonen, wie wichtig diese Debatte ist, da es wirklich um ganz praktische Dinge geht und fast jeder Bürger in der Europäischen Union betroffen ist. Darüber hinaus mache ich Sie darauf aufmerksam, dass die technischen Vorschläge ebenfalls eine gewisse politische Intention haben, denn Freizügigkeit und die Möglichkeit, die eigenen Rechte wahrzunehmen, gehören meines Erachtens zu den Prinzipien, die die Grundlage der Europäischen Union bilden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz auf eine Äußerung antworten, die wir bezüglich neuer geplanter Richtlinien über die Freizügigkeit für Patienten gehört haben. Ich lege Wert darauf, dass es hier nicht um die Freizügigkeit von Dienstleistungen geht, mit anderen Worten: Sämtliche Parallelen zu irgendwelchen vorhergehenden Richtlinien sind unzutreffend. Ich bin außerdem der Ansicht, dass die umfassende Aussprache im Parlament beweisen wird, dass diese Vorschläge einen Fortschritt für die EU-Bürger darstellen.
Jean Lambert, Berichterstatterin. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte allen Abgeordneten danken, die sich an der Aussprache beteiligt haben.
Einige Menschen scheinen offenbar ein sehr kompliziertes Leben zu führen. In Wahrheit aber kann die Situation ganz einfach sein, wenn die Grenze vielleicht nur bis zu zehn Kilometer von ihrem Zuhause entfernt verläuft und sie Arbeit suchen oder andere Dinge benötigen.
Aus einigen Redebeiträgen, die wir hier im Parlament hörten, wird auf jeden Fall deutlich, dass das derzeitige System weder in den Behörden einiger Mitgliedstaaten noch im Parlament selbst richtig begriffen wird. Die Koordinierung der sozialen Sicherheitssysteme existiert schon, sie ist nichts Neues. Bezweckt wird nun die Aktualisierung, Umsetzung und Vereinfachung. Diejenigen von Ihnen, die eine europäische Krankenversicherungskarte bei sich tragen – die Sie natürlich alle besitzen – wissen, dass wir schon unter dem bestehenden System Vereinfachungen erreichen können.
Demjenigen, der sich nicht sicher war, ob er Grenzgänger ist oder nicht, lege ich Änderungsantrag 30 zu Artikel 11 Absatz 1 ans Herz.
Mit der Durchführungsverordnung sollen auch die Rechte, die die Bürger haben, klar dargelegt werden. Dieses Ziel verfolgen Änderungsantrag 34 und Änderungsantrag 125, der eine Klarstellung beinhaltet und der Menschen, die in zwei Mitgliedstaaten Arbeit suchen, keine neuen Rechte gibt.
Ich möchte alle noch einmal bitten, den Text des Ausschusses bezüglich der Datenbank zu unterstützen. Wenn sie nicht reibungslos läuft – und dabei handelt es sich doch hierbei um etwas, was sich auch die Behörden der Mitgliedstaaten wünschen –, dann wird es sehr schwierig, auch nur eine Frist einzuhalten, die das Parlament heute festlegt.
Ich empfehle dem Parlament die Stellungnahme des Ausschusses zu beiden Berichten und freue mich auf die in wenigen Minuten stattfindende Abstimmung.
Emine Bozkurt, Berichterstatterin. − (NL) Ich habe dem wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Ein Dankeschön an alle, die zu dieser Aussprache beigetragen haben. Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung und sehe der Abstimmung, die gleich stattfinden wird, mit Interesse entgegen.
Robert Goebbels (PSE). - (FR) Frau Präsidentin. Am Montagabend hatten wir uns über den Besuch von Minister Jouyet und die Bedeutung, die der französische Vorsitz damit den Arbeiten dieses Parlaments beizumessen schien, gefreut.
Bei unserer heutigen Aussprache über die soziale Sicherheit indes blieb die Präsidentschaftsbank hoffnungslos leer. Hoffentlich ist dies kein Zeichen für ein mangelndes Interesse der französischen Unionspräsidentschaft an einem so wichtigen Thema wie der sozialen Sicherheit.
Die Präsidentin. - Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
VORSITZ: Edward McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
4. Beschluss über die Dringlichkeit
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung einer befristeten Sonderregelung zur Förderung der Umstrukturierung der von der Wirtschaftskrise betroffenen Fischereiflotten der Europäischen Union (KOM(2008)0454 – C6-0270/2008 – 2008/0144(CNS))
Philippe Morillon, Vorsitzender des Fischereiausschusses. – (FR) Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir wurden in der Tat mit diesem Antrag auf Beratung im Dringlichkeitsverfahren befasst, der vom Fischereiausschuss auf seiner heute hier um 10.00 Uhr abgehaltenen Sondersitzung geprüft wurde. Der Fischereiausschuss sprach sich einstimmig für die Dringlichkeit aus, und ich danke ihm für seine rasche Beschlussfassung.
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.
(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll.)
5.1. Jährliche Aktionsprogramme 2008 für Brasilien und Argentinien (B6-0336/2008) (Abstimmung)
5.2. Prioritäten der EU für die 63. Sitzung der UN-Generalversammlung (A6-0265/2008, Alexander Graf Lambsdorff) (Abstimmung)
5.3. Änderung der Richtlinie 2004/49/EG über die Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (A6-0223/2008, Paolo Costa) (Abstimmung)
5.4. Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur (Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004) (A6-0210/2008, Paolo Costa) (Abstimmung)
5.5. Gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) (A6-0264/2008, Arūnas Degutis) (Abstimmung)
5.6. Programm zur Modernisierung der europäischen Unternehmens- und Handelsstatistik (MEETS) (A6-0240/2008, Christoph Konrad) (Abstimmung)
− Vor der Abstimmung:
Christoph Konrad, Berichterstatter. − Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige wenige Bemerkungen zu diesem Bericht machen, der letztlich natürlich auch ein Beitrag zum Prozess der Deregulierung und Entbürokratisierung ist.
In diesem Bericht ist eine Berichtspflicht der Kommission gegenüber dem Parlament mit vorgesehen, eine Berichtspflicht, die jährlich sicherstellen soll, dass eine Erfolgsmeldung, hoffentlich eine Erfolgsmeldung, gegeben wird, wie dieser Prozess der Entbürokratisierung und Deregulierung voranschreitet. Aber wir können uns als Parlament noch sehr viel stärker an diesem Prozess beteiligen. Deswegen hoffe und wünsche ich, dass wir uns neben dieser Berichtspflicht der Kommission selbst auch ganz aktiv und sehr viel stärker etwa im Bereich der Ausschussarbeit, an diesem Prozess beteiligen. Insbesondere der Wirtschaftsausschuss kann hier federführend eine Rolle übernehmen, auch im Dialog mit Kommissar Verheugen und mit der Stoiber-Gruppe.
Deswegen haben wir als Parlament hier noch unsere Hausarbeiten zu machen, und ich möchte dies zum Anlass nehmen, dies an dieser Stelle auch zu unterstreichen.
5.7. Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren (A6-0244/2008, Johannes Blokland) (Abstimmung)
5.8. Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (A6-0135/2008, Miroslav Ouzký) (Abstimmung)
5.9. Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen (A6-0253/2008, Atanas Paparizov) (Abstimmung)
5.10. Erdgasbinnenmarkt (A6-0257/2008, Romano Maria La Russa) (Abstimmung)
− Vor der Abstimmung:
Romano Maria La Russa, Berichterstatter. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wegen der knapp bemessenen Zeit war es mir gestern entgegen meinem Wunsch nicht möglich, all jenen, die mit mir zusammengearbeitet haben, zu danken. Das war eine komplizierte Richtlinie, und es fanden sehr lange Debatten statt, doch am Ende sind wir meiner Auffassung zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.
Ich möchte insbesondere all meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie für ihre Mitarbeit danken, speziell den Schattenberichterstattern, Herr Reul, Herrn Swoboda, Herrn Manders, Herrn Turmes und Herrn Seppänen, und natürlich Kommissar Pielbalgs – ich hoffe, dass ich niemanden vergesse – und ebenso Herrn Vidal-Quadras für seine Kooperation. Mein Dank gilt außerdem dem gesamten Sekretariat, meinem Team und meinen Mitarbeitern.
Geben Sie mir nur drei Sekunden. Das ist eine Richtlinie, die von Interesse und von höchster Bedeutung ist. Das ist eine Richtlinie – bitte, geben Sie mir drei Sekunden. Das ist eine Richtlinie – wir verlieren so viel Zeit in diesem Parlament! –, die meines Erachtens alle Europäer betrifft, die Betreiber, die leider oft Monopole darstellen, ebenso wie die Verbraucher.
Nach meinem Dafürhalten haben wir mit unserer Arbeit versucht, weder die Erzeuger noch die Verbraucher zu benachteiligen, sondern wir wollten uns – danke für Ihren Beifall, aber ich werde trotzdem fortfahren – für alle Bürger Europas einsetzen, in dem Sinne.... Nun gut, Sie haben es eilig, lassen Sie uns schnellstens zum Schluss kommen. Das ist, und dafür danke ich Ihnen, ein höchst erfreulicher Ausdruck von parlamentarischer Demokratie in Europa.
(Beifall)
5.11. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Modalitäten für die Durchführung (A6-0251/2008, Jean Lambert) (Abstimmung)
− Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 79:
Jan Cremers (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte vorschlagen, die Abstimmungsreihenfolge umzudrehen. Änderungsantrag 79 ist umfassender, und Änderungsantrag 163 schränkt Änderungsantrag 79 ein, womit Änderungsantrag 79 den weitesten Geltungsbereich hat. Deswegen hätten wir ihn gern zuerst.
Der Präsident. – Diese Reihenfolge wurde gewählt, da im Änderungsantrag 163 das Wort „severe“ hinzugefügt wurde.
Jean Lambert, Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte gern die durch die PSE-Fraktion vorgeschlagene Umkehr der Reihenfolge unterstützen.
5.12. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Anhang XI (A6-0229/2008, Emine Bozkurt) (Abstimmung)
5.13. Systeme der sozialen Sicherheit: Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen (A6-0209/2008, Jean Lambert) (Abstimmung)
5.14. Änderung von Artikel 29 der Geschäftsordnung: Bildung der Fraktionen (A6-0206/2008, Richard Corbett) (Abstimmung)
− Vor der Abstimmung:
Bruno Gollnisch (NI). - (FR) Herr Präsident! Da ein Änderungsantrag ja offensichtlich in keinem direkten Zusammenhang mit dem ursprünglichen Text des Berichts stünde, möchte ich, anstatt mich auf Artikel 151 unserer Geschäftsordnung über die Zulässigkeit der Änderungsanträge zu berufen, diesem Haus vielmehr die Rücküberweisung des Textes an den Ausschuss vorschlagen.
Lassen Sie mich diesen Vorschlag kurz erläutern. Das Hauptziel des Berichts Corbett besteht, sogar nach Ansicht von Herrn Corbett selbst, darin, die Möglichkeit der Bildung einer Fraktion durch Mitglieder, die in Bezug auf die Verteidigung der nationalen Identität, der Souveränität und der Unabhängigkeit die gleichen Standpunkte vertreten, zu verhindern.
Ich möchte jedoch auf die gefährlichen Auswirkungen dieses Berichts hinweisen. In der nächsten Legislaturperiode könnte dies zur Folge haben, dass es eine Vielzahl fraktionsloser Mitglieder gibt, die nach Feststellung der zwischen ihnen bestehenden Berührungspunkte die Bildung einer Fraktion beschließen, die zwar nicht der politischen Korrektheit entspräche, in Wirklichkeit aber noch mehr Mitglieder zählen würde, als von Ihnen befürchtet.
Ich folge daher der völlig antidemokratischen, parteiischen und sektiererischen Denkweise von Herrn Corbett und der Initiatoren dieses Vorhabens und mache sie auf die schlimmen Folgen derartiger Texte aufmerksam. Ich empfehle, dass über die möglichen Konsequenzen einer solchen Bestimmung im Ausschuss nachgedacht wird.
Der Präsident. – Herr Gollnisch, ich hatte den Vorsitz inne, als Ihre Fraktion aufgelöst wurde.
Daniel Hannan (NI). – (EN) Herr Präsident! Der denkbar schlechteste Grund für eine Änderung der Geschäftsordnung ist, wenn sich diese gegen eine bestimmte Person oder eine bestimmte Personengruppe richtet. Darin besteht der Unterschied zwischen Rechtsstaatlichkeit und Willkürherrschaft. Auf jeden Fall halte ich diesen Bericht in seiner jetzigen Form für unzulässig, da in seiner ursprünglichen Form im Ausschuss gegen ihn gestimmt wurde. Die dem Parlament jetzt vorliegende geänderte Fassung ähnelt der ursprünglichen, die im Ausschuss abgelehnt wurde, so wenig, dass wir – wenn wir unsere eigenen parlamentarischen Gepflogenheiten befolgen – keine andere Wahl haben, als sie entweder an den Ausschuss zurückzuverweisen oder an die Juristischen Dienste zur Schlichtung zu verweisen.
Jo Leinen, Vorsitzender des Ausschusses für konstitutionelle Angelegenheiten. – Herr Präsident! Es gibt keinen einzigen Grund, der dafür spricht, diesen Bericht zurückzuverweisen. Wenn Herr Gollnisch seine Argumente hätte vorbringen wollen, hätte er in den Ausschuss kommen können, aber er war nicht da.
Wir haben das alles diskutiert, und ich möchte die Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass dieses Parlament nach der großen Erweiterung von 626 Mitgliedern auf jetzt 785 und demnächst 732 bis 751 anwächst und bei der Reform des Parlaments natürlich auch die Größe der Fraktionen angepasst werden muss. Das haben wir in der Vergangenheit immer gemacht, und das machen wir jetzt auch. Die Änderungsanträge, die hier vorliegen, sind ja auch Kompromissanträge.
Deshalb, Herr Präsident, bin ich dafür, dass wir heute abstimmen und die Debatte nicht noch einmal zurückverweisen. Es wird nichts Besseres dabei herauskommen.
(Der Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuss wird abgelehnt.)
- Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 3:
Hanne Dahl, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Ich möchte kurz die Gründe für meinen mündlichen Änderungsantrag vorbringen, und sie betreffen eigentlich sowohl Herrn Corbett als auch Herrn Leinen, die beide die Größe des Parlaments als Argument für diese Änderung angeführt haben. Der vorliegende mündliche Änderungsantrag, den ich im Namen meiner Fraktion einbringe, ist eine natürliche Erweiterung der Änderungsanträge, die 2002 mit Herrn Corbett als Berichterstatter angenommen wurden. Ich halte mich deshalb eng an seine Argumentation, die von der Erweiterung der EU von 15 auf 25 Länder ausging. Wendet man dieselben Verhältniszahlen auf eine nunmehr aus 27 Ländern bestehende EU an, gelangt man zu einem Wert von 3 %, der ein Fünftel dieser Nationen repräsentieren muss, was zu einer Mindestanzahl von 22 Mitgliedern führt. Hoffentlich wird mein Änderungsantrag als das angesehen, was er ist, nämlich ein Kompromisstext. Die Verhandlungen des gestrigen Tages haben uns veranlasst, nach einem Kompromiss zu suchen, dessen Text voll und ganz in Einklang steht mit der von Herrn Corbett 2002 verwendeten Argumentation. Der mündliche Änderungsantrag lautet wie folgt. Ich werde ihn in Englisch vorlesen, da ich nur die englische Fassung habe, die unter den Mitgliedern heute verteilt worden ist.
(EN) “Einer Fraktion müssen Mitglieder angehören, die in mindestens einem Fünftel der Mitgliedstaaten gewählt wurden. Zur Bildung einer Fraktion bedarf es mindestens 3 % der Gesamtzahl der Mitglieder.“
(DA) Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen eindringlich bitten, für diesen mündlichen Änderungsantrag zu stimmen, da er ein Kompromiss wäre, mit dem wir trotz Ablehnung des ursprünglichen Vorschlags doch der Logik von Herrn Corbett treu blieben.
(Der mündliche Änderungsantrag wird abgelehnt.)
5.15. Rolle des einzelstaatlichen Richters im europäischen Rechtsgefüge (A6-0224/2008, Diana Wallis) (Abstimmung)
5.16. WTO-Streitfälle Airbus/Boeing (Abstimmung)
5.17. Europäischer Strategieplan für Energietechnologie (A6-0255/2008, Jerzy Buzek) (Abstimmung)
6. Erklärung des Jahres 2011 zum Europäischen Jahr des freiwilligen Engagements (schriftliche Erklärung): siehe Protokoll
7. Stimmerklärungen
Mündliche Erklärungen zur Abstimmung
- Empfehlung für die zweite Lesung: Arūnas Degutis (A6-0264/2008)
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (LT) Heute haben wir im Europäischen Parlament die Entschließung über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft in zweiter Lesung angenommen.
Wir ändern damit die seit 1992 geltende Verordnung, und ich möchte nochmals auf die Änderungsanträge aufmerksam machen, die von größter Bedeutung für unsere Bürger sind, insbesondere für Passagiere und Besatzung. Ich spreche von den aktuell diskutierten Maßnahmen, die uns in die Lage versetzen würden, mehr Transparenz bei den Flugpreisen zu erreichen und aktiver gegen irreführende Werbung und unredlichen Wettbewerb im Bereich des Luftverkehrs vorzugehen.
Mit den Änderungsanträgen soll sichergestellt werden, dass den Flugsicherheitsstandards sowie Sozialgarantien für Besatzungsmitglieder mehr Beachtung geschenkt wird. Es scheint, als wären alle Meinungsverschiedenheiten zwischen der Kommission und dem Rat beigelegt, so dass die Verordnung Ende dieses Jahres in Kraft treten müsste.
Ich hoffe sehr auf eine entsprechende Umsetzung der geänderten Verordnung in allen EU-Mitgliedstaaten.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Meine Damen und Herren! Heute, nach 16 Jahren konnten wir endlich grünes Licht geben für eine Vereinfachung und Vereinheitlichung und andererseits für strengere Auflagen in Bezug auf die Erteilung und Entziehung von Genehmigungen für Luftverkehrsdienste. Ich hoffe, dass die Verordnung nicht zur Auflösung kleiner Sportvereine führen wird. Ich habe für die Verordnung gestimmt. Ich glaube, dass diese Regelung es tatsächlich ermöglichen wird, die Betriebsgenehmigungen solcher Fluggesellschaften zu widerrufen, die Kunden betrügen, indem sie ihnen nur die Tarife ohne Steuern, Gebühren oder Kerosinzuschläge nennen, nicht aber den vollen Preis von Flugtickets. Ich hoffe, dass die Aufsichtsbehörde auch auf die wohnortabhängige Preisdiskriminierung achten wird. Meines Erachtens wird die geänderte Verordnung für mehr Sicherheit bei der Durchführung von Luftverkehrsdiensten sorgen, und zwar insbesondere durch die Vereinheitlichung der Bedingungen, die für das Leasing von Luftfahrzeugen mit Besatzung in der EU sowie aus Drittländern gelten.
Gyula Hegyi (PSE). – (HU) Vielen Dank, Herr Präsident! In meiner Eigenschaft als Sozialdemokrat und Zuständiger in dieser Frage habe ich die von Herrn Ouzký vermittelten Kompromissempfehlungen unterstützt. Ich werte es für das Parlaments und ebenso für die Sozialdemokratische Fraktion als Erfolg, dass nunmehr auch der Rat akzeptiert hat, dass wir die Verwendung der beiden Glykollösungsmittel weiter einschränken sollten, um die Gesundheit unserer Bürger wirksamer schützen zu können.
Die Substanz DEGME ist gesundheitsschädlich, wenn sie über die Haut aufgenommen wird. Darüber hinaus ist bekannt, dass sie die Fortpflanzungsfähigkeit herabsetzt. Somit ist es ein großer Erfolg, dass wir die Verwendung dieses Stoffes nicht nur in Farben, sondern auch in Reinigungsmitteln und Fußbodenpflegemitteln verboten haben. Ursprünglich wollte die Kommission DEGME nur in Farben verbieten lassen, doch durch die Zusammenarbeit aller Parteien konnten wir auch strengere Auflagen für Reinigungsmittel durchsetzen.
Das Einatmen des Lösungsmittels DEGME schädigt die menschliche Gesundheit. Gemäß dem Bericht der Europäischen Kommission wäre es nur in Spritzfarben verboten worden, aber aufgrund einer Empfehlung der Sozialdemokraten wurde die zulässige Konzentration auch für Reinigungssprays eingeschränkt. Da in diesem Fall keine Plenardebatte stattgefunden hat, wollte ich das Wesentliche der Kompromissempfehlungen hier zur Sprache bringen.
John Attard-Montalto (PSE). – (MT) Wichtig ist, dass das Europäische Parlament sich über die Situation der Wasser- und Strompreise in meinem Land, Malta, im Klaren ist und ebenso über die Auswirkungen der heutigen Entscheidung in Bezug darauf. Daher möchte ich mein Abstimmungsverhalten erläutern. Seitdem die Regierung den Ölpreis erhöht hat, erhöht sie durch die Erhebung eines Aufschlags auch die Kundenrechnungen. Diesen Monat wurde eine Steigerung auf 96 % angekündigt. Dadurch entsteht neue Armut; eine Armut, die als Energiearmut bezeichnet werden wird. Gleichzeitig gibt es von Seiten der Regierung keinerlei kurz- oder langfristige Lösungsvorschläge. Eine Politik hinsichtlich alternativer Energieträger existiert nicht, obwohl Malta über viel Sonne und Wind verfügt, auch nicht in Bezug auf sauberere Energiearten wie Erdgas; die Regierung hat nicht einmal begonnen, dies auch nur in Erwägung zu ziehen. Deswegen habe ich auf diese Weise abgestimmt, und deshalb ist das, was wir heute getan haben, ein so bedeutsamer, wenn nicht gar historischer Schritt.
Oldřich Vlasák (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mein Abstimmungsverhalten bezüglich des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/55/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt erläutern. Kernpunkt der Richtlinie ist zweifellos der Vorschlag einer eigentumsrechtlichen Entflechtung, die es vertikal integrierten Unternehmen ausdrücklich verbieten würde, Beteiligungen sowohl an einem Erdgasversorgungs- als auch an einem Fernleitungsunternehmen zu halten. Ich habe für den geänderten Kompromissvorschlag gestimmt, weil ich davon überzeugt bin, dass die Bedenken von Ländern, die eine volle eigentumsrechtliche Entflechtung ablehnen, berücksichtigt werden müssen. Ich stimme der Kommission zu, dass der europäische Erdgasmarkt unter einem Mangel an Investitionen in die Übertragungsinfrastrukturen und einer unzureichenden Koordination zwischen den einzelnen Fernleitungsnetzbetreibern leidet. Meiner Ansicht nach müssen wir dennoch die Strukturunterschiede zwischen Gas- und Elektrizitätsmarkt in Rechnung stellen und entsprechend differenziert vorgehen. Die Liberalisierung des Erdgasbinnenmarktes muss stufenweise und ausgewogen erfolgen. Dabei ist es erforderlich, sich insbesondere auf die Angleichung des Grades der Marktöffnung in den Mitgliedstaaten zu konzentrieren.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, Ich habe mich bei der Endabstimmung enthalten und gegen den Vorschlag einer so genannten dritten Option für die Entflechtung der Versorgungs- von den Netztätigkeiten auf dem Gasmarkt gestimmt, weil wir eine große Chance zur Durchsetzung des Grundsatzes des freien Wettbewerbs auf dem Erdgasmarkt verpasst haben. Wir hätten befolgen sollen, was auf dem Elektrizitätsmarkt geschah; dagegen bietet diese dritte Option praktisch vor allem Monopolen und ehemaligen Monopolen in Europa eine Garantie; unsere nationalen Märkte werden deshalb weiterhin unterschiedlich gestaltet sein, so dass jede Perspektive eines echten europäischen Energiemarktes weiter in die Ferne rückt.
Noch schlimmer ist, dass diese ambivalente dritte Option in Wahrheit bedeutet, dass ehemalige Monopole noch mehr ermutigt und unterstützt werden, Verträge nach dem Muster desjenigen mit dem russischen Gasriesen Gasprom einzugehen.
Hubert Pirker (PPE-DE). - Herr Präsident! Wir haben, wie Sie alle wissen, seit 2004 eine EU-Verordnung zur Harmonisierung der europäischen Sozialsysteme, aber leider keine Durchführungsverordnung. Mit dem Beschluss des Europäischen Parlaments haben wir endlich auch Durchführungsbestimmungen zur Verfügung, das heißt, wir haben ein Instrument, das die Mobilität in der Europäischen Union fördert, ohne dass soziale Sicherheit verloren geht.
Wir haben durch die Einrichtung von Verbindungsstellen auch die Möglichkeit, denen praktische Hilfestellungen zu geben, die über die Grenzen hinweg arbeiten, etwa Fragen zu beantworten, wie und wo eine Rente beantragt wird. Das heißt, damit haben wir konkrete Hilfestellungen in sozialen Angelegenheiten durch das Europäische Parlament sichergestellt.
Frank Vanhecke (NI). - (NL) Bei der Abstimmung über den Bericht Bozkurt habe ich mich der Stimme enthalten, obgleich ich gegen eine begrenzte Form der Koordinierung ihrer einzelnen Systeme der sozialen Sicherheit durch die EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich nichts einzuwenden habe, vor allem dann nicht, wenn dies den europäischen Bürgern zum Vorteil gereicht, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem eigenen leben.
Allerdings möchte ich einmal mehr vor der Harmonisierung oder, noch schlimmer, der Vereinheitlichung der verschiedenen Systeme der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten warnen. Als Flame bin ich sozusagen ein privilegierter Zeuge dessen, wie in Belgien ein einheitliches System der sozialen Sicherheit für gerade einmal zwei Bevölkerungsgruppen, Flamen und Wallonen, völlig ungeeignet ist und dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Lassen Sie also in Gottes Namen jeden einzelnen Mitgliedstaat seine eigene soziale Sicherheit organisieren und auch selbst finanzieren, denn sonst bekommen wir so oder so ein schlechteres, teureres und weniger effizientes System mit einer hohen Missbrauchsrate, und das wird letzten Endes eher zu weniger als zu mehr Solidarität zwischen den Völkern Europas führen.
Hubert Pirker (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich wollte hier auch erklären, dass ich für diesen Bericht gestimmt habe, weil hier eine neue Verordnung die alte Verordnung ersetzt und damit Systeme der sozialen Sicherheit besser als bisher durch die neue Verordnung koordiniert werden können, weil diese Rechtsvorschriften vereinfacht und modifiziert werden und wir damit auch im Zusammenhang mit dem Bericht Lambert das erreichen, was wir wollen, nämlich einen weiteren Beitrag zur Erhöhung der Mobilität in der Europäischen Union und zur Möglichkeit der Mitnahme sozialer Leistungen bei Arbeiten über die Grenzen hinweg.
Das ist ein Beitrag zur sozialen Sicherheit in der Europäischen Union.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Vielen Dank, Herr Präsident. Damit sind wir heute also in die zweite Phase von Herrn Corbetts Bemühungen eingetreten, mit denen er das Parlament noch besser zum Schoßhund der politisch korrekten Eurokratenkaste umerziehen will.
Gestern wurde beschlossen, dass wir als MdEP kaum noch parlamentarische Anfragen einreichen dürfen, einschließlich eines Systems der Selbstzensur durch den Parlamentspräsidenten. Heute wird die Bildung von Fraktionen erschwert. Und der Berichterstatter bestätigt ausdrücklich, und in gewissem Maße ehrlich, dass diese Maßnahme in erster Linie die euroskeptischen Rechten im Parlament treffen soll. Hier schließt sich der Kreis. Die euroskeptische Stimme im Parlament, vor allem die der Rechten, soll zum Schweigen gebracht werden. Die euroskeptische Stimme in den Referenden in Irland, den Niederlanden und Frankreich wird wie gewohnt einfach ignoriert, als gebe es sie nicht. Das ist eine Art Mugabe-Demokratie in der europäischen Version. Tolle Demokratie!
Bruno Gollnisch (NI). - (FR) Herr Präsident! Der Berichterstatter, Herr Corbett, hat sich außerhalb des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die politische Familie, der ich in diesem Hause als einer ihrer Vertreter angehöre, tatsächlich beleidigend ausgelassen, wodurch seine Unparteilichkeit eindeutig ernsthaft in Zweifel zu ziehen ist.
Der Bericht ist höchst fragwürdig, und im Ausschuss wurde er inhaltlich drastisch zusammengestutzt; übrig geblieben sind lediglich Bestimmungen zur Sicherstellung des Überlebens politisch korrekter Fraktionen, deren Gesamtzahl an Mitgliedern unter die vorgeschriebene Schwelle zurückgehen würde, und es wurde ein Änderungsantrag speziell zu dem Zweck eingereicht, zu verhindern, dass unsere politische Gruppe eine Fraktion bildet. Die angeführten Gründe sind völlig fadenscheinig; ein Blick auf die Anlage zum Bericht genügt, um festzustellen, dass es kein nationales Parlament gibt, in dem die für die Bildung einer Fraktion erforderliche Mindestzahl höher ist als 20 Mitglieder. Häufig ist diese Zahl weitaus niedriger: Zur Bildung einer Fraktion reichen 15, 10 oder 8 Mitglieder und bisweilen eine einzige Person aus.
Der Bericht Corbett schadet mithin der Demokratie und verstößt schlicht und einfach gegen die Grundregeln des Fairplay.
Philip Claeys (NI). – (NL) Dieser Bericht Corbett verfolgt nur ein einziges Ziel, und das besteht darin, die rechten nationalen Kräfte im Europäischen Parlament mundtot zu machen. Herrn Corbetts Fraktionsvorsitzender macht daraus keinen Hehl. Als sich die ITS-Fraktion im Januar 2007 bildete, erklärte er ganz unverhohlen, die Geschäftsordnung werde speziell deshalb geändert, um die Bildung rechter Fraktionen künftig zu vereiteln.
Zweifellos werden andere Fraktionen einen Kollateralschaden erleiden, aber deswegen wird sich Herr Corbett keine grauen Haare wachsen lassen. Wahrscheinlich zielt sein Vorschlag auf eine euroskeptische Fraktion ab. Offensichtlich ist es den Sozialdemokraten im Parlament ein Gräuel, dass Fraktionen aller politischen Couleur dieselben Mittel und politischen Rechte haben. Diese Mugabe-Philosophie ist fester Bestandteil des demokratischen Defizits in Europa, genauso wie das demokratische Urteil der Wähler in Frankreich, in den Niederlanden und in Irland unentwegt ignoriert wird. Sie dürfen damit rechnen, Herr Präsident, dass wir dies im nächsten Jahr in Flandern zum Wahlkampfthema machen.
Daniel Hannan (NI). – (EN) Herr Präsident! Allein damit, dass wir darüber heute überhaupt abgestimmt haben, verstoßen wir, wie es mir scheint, gegen die Geschäftsordnung des Parlaments. Der Ausschuss hat den Bericht in seiner Abstimmung abgelehnt, weil der Vorsitzende meiner Meinung nach falsch eingeschätzt hatte, wer sich gerade im Raum befand – und dann hat er einfach die Geschäftsordnung beiseite gelassen und mit einer geänderten Fassung weitergemacht.
Warum sind wir so weit gegangen? Was ist eigentlich so wichtig, dass es uns zwingt, unser Regelwerk in dieser Art und Weise über Bord zu werfen? Nun ja, wie wir wissen, lautet die Antwort natürlich – und der Berichterstatter hat sich dazu deutlich ausgedrückt – um die Euroskeptiker an der Bildung einer Fraktion zu hindern.
Wovor haben Sie eigentlich so große Angst? Was macht Sie so nervös? Wir sind nur 50, maximal 60 Abgeordnete von den 785 Abgeordneten des Europaparlaments. Sind es vielleicht Ihre eigenen Wähler, vor denen Sie wirklich Angst haben, und wäre es möglich, dass Sie die Verachtung und die Furcht, die Sie für die europäischen Wähler empfinden, die jedes Mal mit „Nein“ stimmen, wenn sie die Chance dazu bekommen, sublimieren und auf uns projizieren. Und kann es vielleicht sein, dass Sie an uns, ihren sichtbaren Sprechern in diesem Parlament, das auslassen, was sie sich über die Menschen, die Sie in diese Position wählen, nicht zu sagen getrauen.
Wenn ich Unrecht haben sollte, dann beweisen Sie es mir: Halten Sie die Referenden ab, die Sie einmal versprochen haben. Pactio Olisipiensis censenda est!
Bogdan Pęk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich habe gegen den Bericht von Richard Corbett gestimmt, da ich ihn für ein Symptom extremer Diskriminierung des angeblich demokratischen Europäischen Parlaments halte. Hier wird versucht, administrative Verfahren einzusetzen, um die Bildung von Fraktionen zu verhindern, die nicht so denken und handeln, wie von der Mehrheit als politisch korrekt erachtet. Das ist eine zweifache Diskriminierung, weil zum einen administrative Methoden eingesetzt werden, um die Fraktionsbildung zu behindern und zum anderen aber gleichzeitig erkleckliche Beträge für die zusätzliche finanzielle Unterstützung organisierter Fraktionen bereitgestellt werden, wodurch sie einen weiteren Vorteil genießen. Diese Diskriminierung richtet sich gegen die Grundlagen der EU und das Fundament, auf dem sie errichtet werden soll. Ich protestiere energisch gegen diesen Schritt. Sie sollten sich keinen Illusionen hingeben, denn selbst wenn Sie in der Lage sein sollten, dieses Vorhaben durchzuboxen, werden Sie keine Chance bei den Nationen Europas haben, die absolut dagegen sind.
Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe selten solchen Unsinn gehört, wie jetzt vom Vlaams Blok, der Front national und Dan Hannan. Niemand wird durch diesen Bericht zensiert, noch würde diese Änderung der Geschäftsordnung dazu führen, dass irgendjemand sein Stimmrecht, sein Rederecht und sein Recht, als Mitglied des Europäischen Parlaments zu handeln, einbüßt.
Bei dieser Änderung der Geschäftsordnung geht es darum, wie der Schwellenwert festgelegt wird, ab dem Abgeordnete eine Fraktion bilden können und damit Zugang zum Geld der Steuerzahler und zu zusätzlichen Ressourcen für die Durchführung politischer Aktivitäten erhalten. Jedes nationale Parlament mit einem Fraktionssystem legt einen derartigen Schwellenwert fest. Wir hatten einen besonders niedrigen – als Prozentsatz genommen, niedriger als fast jedes nationale Parlament. Es ist völlig in Ordnung, wenn wir einen Schritt zurücktreten und ihn überprüfen.
Ich stelle fest, dass am Ende fast alle Fraktionen den Kompromiss unterstützten – große Fraktionen und kleine Fraktionen. Ich stelle fest, dass der Sprecher der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie – der euroskeptischen IND/DEM-Fraktion – alternativ eine Zahl von 3 % vorgeschlagen hat: 22 Abgeordnete. Sie erkennen also selbst an, dass unser derzeitiger Wert erhöht werden muss, dass er derzeit zu niedrig ist. Mal ehrlich – ist der Unterschied zwischen ihrer Zahl von 22 und der Zahl von 25, die beschlossen wurde, wirklich ein Angriff auf die Demokratie? Nun machen Sie aber mal halblang!
Leopold Józef Rutowicz (UEN). – (PL) Herr Präsident! Der Bericht von Jerzy Buzek enthält eine detaillierte Einschätzung aller strategischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Energietechnologie. Leider mussten wir unsere Forschung aufgrund fehlender Mittel für eine umfassende Finanzierung aller notwendigen Forschungen sowie des plötzlichen Anstiegs der Gas- und Ölpreise auf Themen richten, die mit der Reduzierung des Einsatzes dieser Energieträger für Zwecke der Energieerzeugung verbunden sind. Diese Priorität wird auch zu einer Senkung der CO2-Emissionen führen und sollte in den Strategieplan aufgenommen werden. Ich halte es für ein zentrales Anliegen, die Forschung im Bereich des Baus sicherer und moderner Kernkraftwerke sowie modernster Fusionskraftwerke auf der Grundlage von Helium und Wasserstoff sowie der dritten Generation von Biokraftstoffen, die lokal produziert werden können, zu fördern und damit die überzogenen Brennstoffkosten zu senken. Bei der Abstimmung habe ich die Änderungen unterstützt, die diese Prioritäten zum Inhalt haben.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben den wichtigen Bericht von Professor Jerzy Buzek angenommen. Die immer größer werdende Abhängigkeit der Europäischen Union von Energieimporten, die im Jahre 2030 voraussichtlich 65 % erreichen werden, hat uns gezwungen, Schritte zur Sicherung der Rohstofflieferungen für die Energieerzeugung auf der Grundlage des Solidaritätsprinzips einzuleiten. Darüber hinaus sollen weitere Instrumente zur Reduzierung der Risiken, die durch die anhaltende Liberalisierung des Energiesektors für die Energieversorgungssicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten entstehen, geschaffen werden. Um die Ziele der EU im Bereich der erneuerbaren Energien und der Senkung der Treibhausgasemissionen zu erreichen, müssen wir die Entwicklung neuer Technologien fördern, vor allem der Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und –lagerung. Es ist unbedingt erforderlich, die sauberen Kohletechnologien zu unterstützen und unsere Aktivitäten auf dem Gebiet der Biokraftstoffe der zweiten und dritten Generation zu intensivieren und die Forschung im Bereich der Kerntechnik zu verstärken. Den Arbeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz und der Energieeinsparungen kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung
- Entschließungsantrag (B6-0336/2008) – Jährliche Aktionsprogramme für 2008 für Brasilien und für Argentinien
Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, ich stimme für diesen Entschließungsantrag. Ich bin Berichterstatter des Entwicklungsausschusses für das Erasmus-Mundus-Programm, und mein Bericht wurde vor kurzem einstimmig angenommen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, den endgültigen Text auf der September-Tagung anzunehmen, sodass das neue Programm im Januar 2009 starten kann.
Ziel ist es, die Exzellenz unseres Hochschulsystems über die Grenzen der Union hinaus zu tragen, indem ausländische Studenten in die Lage versetzt werden, an unseren Fakultäten zu studieren, zugleich aber EU-Studenten durch eine entsprechende Unterstützung die Gelegenheit geboten wird, Erfahrungen in einem Nicht-EU-Land zu sammeln. Ich halte Erasmus Mundus für ein Schlüsselinstrument der nachhaltigen Entwicklung, soll es doch, wie in meinem Bericht betont wird, die Rückkehr der Studierenden in ihre Herkunftsländer fördern und dank des erworbenen Gedankenguts, des Wissens und der internationalen Kontakte zum Wirtschaftswachstum ihrer Länder beitragen.
Ein wesentlicher Teil der Mittel für Aktion 2 stammt aus den Mittelzuweisungen für Entwicklung. Aus meiner Sicht muss sichergestellt werden, dass die speziell zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung und des Wohlergehens gedachten Mittel, die für die jährlichen Aktionsprogramme für Argentinien und Brasilien 2008 bereitgestellt werden, wirklich sowohl für Bildung als auch für konkrete Maßnahmen vor Ort verwendet werden und dass damit Infrastrukturen und Produktionsmittel für eine nachhaltige Entwicklung schaffen werden.
- Bericht Alexander Graf Lambsdorff (A6-0265/2008)
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Da es nicht möglich ist, alle wichtigen Punkte des Berichts zu erwähnen, möchte ich hervorheben, dass dieses Parlament selbst nach dem entschiedenen NEIN des irischen Volkes zum Vertrag von Lissabon weiterhin so tut und handelt, als wäre nichts geschehen.
Ganz im Gegenteil, wie aus dem schamlosen Anspruch dieses Berichts hervorgeht. So vertritt die Mehrheit des Europäischen Parlaments unter anderem beispielsweise die Auffassung, dass:
- der Standpunkt, d. h., die Außenpolitik, eines jeden Landes auf einer von der EU geschaffenen verbindlichen politischen Plattform beruhen sollte;
- die EU im Hinblick auf die „größeren Vollmachten und Verantwortlichkeiten, die die Vertreter der EU nach der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon erhalten werden“, eine Umstrukturierung und Vergrößerung ihrer Büros bei der UNO ins Auge fassen sollte;
- der Rat „möglichst rasch den operationellen Status eines Beobachters“ festlegen sollte;
- die Mitgliedstaaten „in der Frage der Reform des UN-Sicherheitsrats einen noch kohärenteren gemeinsamen Standpunkt“ vereinbaren sollten, „bei dem das letztendliche Ziel eines ständigen Sitzes für die Europäische Union in der reformierten Vereinten Nationen bestehen bleibt, aber inzwischen das Anliegen verfolgt wird, der Union mehr Gewicht zu verleihen“.
Das ist Föderalismus unter der Fuchtel der Großmächte mit Deutschland an der Spitze in einer seiner ambitioniertesten und deutlichsten Formen...
Richard Howitt (PSE), schriftlich. – (EN) Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament begrüßt diesen Bericht, und zwar ganz besonders die nachdrückliche Aufforderung an die EU-Mitgliedstaaten, ihr Engagement für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele zu konzentrieren und zu verstärken. Wir pflichten energisch der Auffassung bei, dass der Fokus auf der Einhaltung der gegebenen Versprechen und der Ausweitung der bestehenden Vorgehensweisen liegen muss.
Die sozialdemokratischen Euroabgeordneten sind aber nicht mit der Empfehlung eines ständigen Sitzes für die Europäische Union im UNO-Sicherheitsrat einverstanden und können diese Empfehlung nicht unterstützen. Wir denken nicht, dass dies für den Umfang der Repräsentation Europas vorteilhaft wäre. Nach Artikel 19 vertreten die europäischen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates im Rat nicht ausdrücklich EU-Positionen. Außerdem schreibt die UNO-Charta selbst vor, dass dies nicht sein kann. Sowohl in New York als auch in einem weiteren Rahmen ist aber ein vernünftiger informeller Koordinierungsprozess im Gange, und genau dieser Prozess muss eben gestärkt werden.
Alexander Graf Lambsdorff (ALDE), schriftlich. − (IT) Die Verts/ALE-Fraktion war schon immer der Auffassung, dass die Europäische Union einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben sollte, wie es im Lambsdorff-Bericht steht. Unsere Fraktion nimmt es jedoch nicht hin, dass der als „allumfassender Prozess“ bezeichneten Initiative Vorrang eingeräumt wurde, in deren Rahmen die Zahl der ständigen nationalen Mitglieder erhöht werden soll und die aus unserer Sicht lediglich als eine Initiative unter vielen betrachtet werden muss.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße den Bericht von Herrn Lambsdorff zu den Prioritäten der EU für die 63. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Besonders unterstütze ich die Fortsetzung der Bemühungen um eine ehrgeizige Verpflichtung im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele auf dem Gipfel. Die EU-Agenda zu den Millenniums-Entwicklungszielen sollte weltweit ein Beispiel setzen, damit ihm die übrige internationale Gemeinschaft bei der UNO-Generalversammlung im September folgt. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Erik Meijer (GUE/NGL), schriftlich. – (EN) Heute wurde der Vorschlag von Herrn Lambsdorff für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zu den Prioritäten der EU für die 63. Sitzung der UNO-Generalversammlung ohne Abstimmung im Plenum angenommen. Dieses Vorgehen, das durch Artikel 90 der Geschäftsordnung ermöglicht wird, ist nicht nur sehr zweifelhaft, es schafft auch den falschen Eindruck, dass das ganze Europäische Parlament dem Inhalt des Berichts zustimmt, was mit Sicherheit nicht zutrifft. Wir weisen ganz entschieden die Empfehlung zurück, dass der derzeitige Status des Vertrags von Lissabon es erforderlich macht‚ im Hinblick auf die zusätzlichen Befugnisse und Zuständigkeiten, die die Vertreter der Europäischen Union nach der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon erhalten werden, „eine Umstrukturierung und Vergrößerung ihrer Büros in New York und Genf ins Auge zu fassen“. Dies ist nicht nur eine Beleidigung der irischen Wähler, die den Vertrag von Lissabon mit großer Mehrheit abgelehnt haben, sondern auch ein Versuch, den Vertrag von Lissabon auf eine Weise auszulegen, die „der EU Rechtspersönlichkeit verleiht“ und sie so zu einem Superstaat werden lassen würde.
Cristiana Muscardini (UEN), schriftlich. − (IT) Der Lambsdorff-Bericht (und die entsprechende Empfehlung) setzt ein klares politisches Signal für die stärkere Profilierung der Europäischen Union in den Vereinten Nationen; Kommission und Mitgliedstaaten zusammengenommen, stellt die Union über 40 % der VN-Mittel bereit, doch sie hat im Gegenzug noch kein politisches Gewicht und keine Einflussmöglichkeiten gewonnen.
Allerdings ist ein Passus des Textes irreführend und schädlich für die derzeitigen Beratungen in New York über die Reform des Sicherheitsrates. Während das letztendliche Ziel eines ständigen Sitzes für die EU als solches bekräftigt wird, findet in der Empfehlung von den verschiedenen Verhandlungsinitiativen nur der so genannte allumfassende Prozess Erwähnung, eine Initiative, die von jenen Ländern angeführt wurde, die um die Unterstützung lediglich eines der auf dem Tisch liegenden Vorschläge bemüht sind, nämlich jenes zur Erhöhung der Zahl der ständigen nationalen Mitglieder. Dieser Vorschlag, der von weniger als einem Drittel der Mitglieder unterstützt worden ist, erschien von Anfang an polarisierend und unausgewogen, wie selbst vom Präsidenten der Generalversammlung hervorgehoben wurde.
Wir möchten bekräftigen, dass wir es wirklich begrüßen, wenn das Europäische Parlament das politische Augenmerk hauptsächlich auf die allseitige Stärkung des Profils der Europäischen Union in den Vereinten Nationen richtet, halten es jedoch für erforderlich, unsere Bedenken und Vorbehalte gegen jenen Teil der Empfehlung zu Protokoll zu geben, der sich auf den „allumfassenden Prozess“ bezieht.
Pasqualina Napoletano (PSE), schriftlich. − (IT) Ich möchte meine Zustimmung zu dem Bericht Lambsdorff zum Ausdruck bringen, in dem einmal mehr das Engagement des Europäischen Parlaments für die Stärkung des Profils der Europäischen Union in den Vereinten Nationen verdeutlicht wird.
Gleichwohl möchte ich hervorheben, dass in dem Bericht zur Frage der Reform des Sicherheitsrates ein Werturteil abgegeben wird, das die noch laufenden Beratungen in New York beeinträchtigt.
Im Besonderen wird von den verschiedenen auf dem Tisch liegenden Reformoptionen der so genannte „allumfassende Prozess“ (Ziffer q) erwähnt, ein Vorschlag zur Erhöhung der Zahl der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
Dieser Vorschlag wurde bisher von weniger als einem Drittel der Mitgliedstaaten der Generalversammlung der Vereinten Nationen unterstützt.
Ich möchte Sie deshalb bitten, meinen Vorbehalt gegen diesen Passus der Empfehlung zu Protokoll zu nehmen.
Gianni Pittella (PSE), schriftlich. − (IT) Der Bericht Lambsdorff setzt ein klares politisches Signal für die stärkere Profilierung der Europäischen Union in den Vereinten Nationen; Kommission und Mitgliedstaaten zusammengenommen, stellt die Union über 40 % der VN-Mittel bereit, doch sie hat im Gegenzug noch kein politisches Gewicht und keine Einflussmöglichkeiten gewonnen.
Ein Passus des Textes irreführend und schädlich für die derzeitigen Beratungen in New York über die Reform des Sicherheitsrates. Während das letztendliche Ziel eines ständigen Sitzes für die EU als solches bekräftigt wird, findet in der Empfehlung von den verschiedenen Verhandlungsinitiativen nur der so genannte allumfassende Prozess Erwähnung, der von jenen Ländern unterstützt wird, die lediglich einen der auf dem Tisch liegenden Vorschläge möchten, nämlich jenen zur Erhöhung der Zahl der ständigen nationalen Mitglieder. Dieser Vorschlag, der von weniger als einem Drittel der Mitglieder unterstützt worden ist, erschien von Anfang an polarisierend und unausgewogen, wie selbst vom Präsidenten der Generalversammlung hervorgehoben wurde.
Ich möchte bekräftigen, dass ich es wirklich begrüße, wenn das Europäische Parlament das politische Augenmerk hauptsächlich auf die allseitige Stärkung des Profils der Europäischen Union in den Vereinten Nationen richtet, halte es jedoch für erforderlich, meine Bedenken und Vorbehalte gegen jenen Teil der Empfehlung zu Protokoll zu geben, der sich auf den „allumfassenden Prozess“ bezieht.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Es ist Besorgnis erregend, dass die Frage der Reform der Vereinten Nationen in regelmäßigen Abständen immer wieder auf der Tagesordnung steht. Die Notwendigkeit der Reform wird seit Jahren erkannt, ebenso wird aber auch erkannt, dass derartige Reformen nicht durchführbar sind. Diese ausweglose Lage birgt aus zwei Gründen große Gefahren in sich. Erstens verschärfen sich dadurch die zahlreichen Faktoren, die für das Versagen der Organisation verantwortlich sind, und zweitens entwickelt sich damit ein Diskurs, der mit dem Argument der Suche nach Alternativen am Leben gehalten und gerechtfertigt wird.
Verstärkte Zusammenarbeit zwischen demokratischen Systemen ist eindeutig ein lobenswertes Ziel, das Unterstützung verdient, selbst wenn damit das Projekt „Liga der Demokratien“ nicht vollständig umgesetzt werden kann. Klugerweise sollte man jedoch realistisch bleiben. Genau aus diesem Grund tut die UNO gut daran, sich auf die realen Machtverhältnisse einzustellen, und zwar nicht so sehr aus Gründen der Legitimität, sondern eher aus Gründen der Lebensfähigkeit.
Im Hinblick auf die Rolle der Europäischen Union müssen wir erkennen, dass keines der Länder mit Sitz im Sicherheitsrat oder mit Ausblick auf einen solchen Sitz sein Einverständnis dazu geben wird, durch einen einzigen EU-Sitz ersetzt zu werden.
Schließlich müssen wir feststellen, dass der neu geschaffene UN-Menschenrechtsrat noch weit davon entfernt ist, die Schwächen seiner Vorgängerin zu überwinden.
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE), schriftlich. − (ES) Bezüglich der Empfehlung an die 63. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September in New York sieht Artikel 90 Absatz 4 der Geschäftsordnung vor, dass eine im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erfolgte Empfehlung, über die im Ausschuss abgestimmt wurde, als angenommen und in die Tagesordnung der Plenarsitzung aufgenommen gilt, ohne dass das Plenum den Text genehmigen muss und ohne jede Aussprache und ohne Änderungsverfahren.
Da meine Fraktion mit Ausnahme einer Ziffer dem Dokument zustimmen kann, möchten wir uns bei dem Absatz, der sich mit der sexuellen und reproduktiven Gesundheit befasst, der Stimme enthalten. Das etwas verschwommene Konzept beinhaltet Fragen, die im hohen Maße eine Frage des Gewissens und der Moral des Einzelnen sind, und wir sind der Meinung, dass sie NICHT Gegenstand von Erklärungen dieses Parlaments sein sollten, insbesondere in Bezug auf die bevorstehende Sitzung der Vereinten Nationen. Unsere Fraktion hat eine gesonderte Abstimmung im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten gefordert und aus den genannten Gründen dagegen gestimmt.
Konrad Szymański (UEN), schriftlich. – (EN) Der Bericht und die Empfehlung von Herrn Lambsdorff besitzen insofern hohe politische Bedeutung, als sie die Stärkung der Europäischen Union innerhalb der Vereinten Nationen fördern. Man möge sich daran erinnern, dass Wirkungsmöglichkeiten und Einfluss der EU in den Vereinten Nationen immer noch wesentlich schwächer sind als zu wünschen wäre, obwohl die Kommission und die Mitgliedstaaten mehr als 40 % des UNO-Budgets zur Verfügung stellen.
Der Text enthält aber eine irreführende Passage zu den Gesprächen, die derzeit in New York zur Reform des Sicherheitsrates stattfinden. Neben der Bestätigung des Fernziels eines ständigen Sitzes für die EU wird in der Empfehlung neben vielen anderen nur einer der verschiedenen zur Debatte stehenden Vorschläge genannt, der so genannte allumfassende Prozess. Es ist wohlbekannt, dass dieser Vorschlag sehr umstritten war und ihm weniger als ein Drittel der UNO-Mitglieder zugestimmt haben, wie der Präsident der Generalversammlung betonte.
Daher halte ich es für nötig, trotz meiner hohen Wertschätzung für den Gesamtinhalt und den Aufbau dieser Empfehlung des Europäischen Parlaments, unsere ausdrücklichen Vorbehalte und Einwendungen gegen die Passage zu betonen, die den „allumfassenden Prozess“ behandelt.
Marcello Vernola (PPE-DE), schriftlich. − (IT) Der Bericht Lambsdorff (und die entsprechende Empfehlung) setzt ein klares politisches Signal für die stärkere Profilierung der Europäischen Union in den Vereinten Nationen; Kommission und Mitgliedstaaten zusammengenommen, stellt die Union über 40% der VN-Mittel bereit, doch sie hat im Gegenzug noch kein politisches Gewicht und keine Einflussmöglichkeiten gewonnen.
Allerdings ist ein Passus des Textes irreführend und schädlich für die derzeitigen Beratungen in New York über die Reform des Sicherheitsrates. Während das letztendliche Ziel eines ständigen Sitzes für die EU als solches bekräftigt wird, findet in der Empfehlung von den verschiedenen Verhandlungsinitiativen nur der so genannte allumfassende Prozess Erwähnung, eine Initiative, die von jenen Ländern angeführt wurde, die um die Unterstützung lediglich eines der auf dem Tisch liegenden Vorschläge bemüht sind, nämlich jenes zur Erhöhung der Zahl der ständigen nationalen Mitglieder. Dieser Vorschlag, der von weniger als einem Drittel der Mitglieder unterstützt worden ist, erschien von Anfang an polarisierend und unausgewogen, wie selbst vom Präsidenten der Generalversammlung hervorgehoben wurde.
Wir möchten bekräftigen, dass wir es wirklich begrüßen, wenn das Europäische Parlament das politische Augenmerk hauptsächlich auf die allseitige Stärkung des Profils der Europäischen Union in den Vereinten Nationen richtet, halten es jedoch für erforderlich, unsere Bedenken und Vorbehalte gegen jenen Teil der Empfehlung zu Protokoll zu geben, der sich auf den „allumfassenden Prozess“ bezieht.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Ich freue mich, dass sich das Europäische Parlament heute mit der Frage der Prioritäten der EU für die kommende Sitzung der UN-Generalversammlung beschäftigt hat. Im Vorschlag des Berichterstatters wird die Tatsache erwähnt, dass die UN „die Einrichtung neuer Gremien, eine durchgreifende Erneuerung bestehender Gremien, die Umgestaltung des Managements der Basistätigkeit, die Neuorganisation der Hilfeleistung und eine grundlegende Reformierung des Sekretariats” vorsieht. Das ist außerordentlich bedeutsam.
Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass der Mensch und die Menschenrechte Ziel aller dieser auf der Menschenwürde basierenden Maßnahmen sind. Papst Johannes Paul II. hat darüber vor einigen Jahren auf einem Forum der Vereinten Nationen gesprochen: Es sagte dabei, dass die erste Art einer systematischen Bedrohung der Menschenrechte mit der Verteilung der materiellen Güter zusammenhängt, die oft ungerecht ist; dass die zweite Art einer systematischen Bedrohung die verschiedenen Formen von Ungerechtigkeit im geistigen Bereich sind und dass man den Menschen tatsächlich auch in seiner inneren Beziehung zur Wahrheit verletzen kann, in seinem Gewissen, in seinen persönlichen Überzeugungen, im Bereich der so genannten bürgerlichen Freiheiten, für die die Gleichheit der Rechte entscheidend ist, ohne Diskriminierung aufgrund von Abstammung, Rasse, Geschlecht, Nationalität, Konfession oder politischer Überzeugung. Meines Erachtens sollten seine Worte ein Wegweiser für die Aktivitäten der Vereinten Nationen sein.
- Empfehlung für die zweite Lesung: Paolo Costa (A6-0223/2008)
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Der jetzige Vorschlag ist Teil eines Pakets (zusammen mit dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Interoperabilität und dem Vorschlag zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur) zur „Erleichterung des freien Verkehrs für Schienenfahrzeuge in der EU“ als Teil der Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs in der EU.
Vor allen anderen Überlegungen müssen wir daher betonen, dass das Hauptziel dieser Richtlinie darin besteht, alle Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, die sich der Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs entgegenstellen, indem die Gesetzgebung der einzelnen Länder zur Eisenbahnsicherheit harmonisiert wird.
Zweifellos geht es darum, die fortgeschrittensten Bestimmungen zur Eisenbahnsicherheit aus jedem Land aufzunehmen und anzuwenden. Jedoch sollten wir im Auge behalten, dass in einigen Ländern, etwa im Vereinigten Königreich, die Liberalisierung und Privatisierung der Eisenbahnen in Frage gestellt wurden, nachdem es infolge der Verschlechterung der Servicequalität und weiterer negativer Entwicklungen zu einem Umdenken bei diesem Angriff auf diese öffentliche Versorgungsleistung gekommen ist.
Ich möchte nochmals unterstreichen, dass durch die Harmonisierung der Gesetzgebung zur Eisenbahnsicherheit die fortgeschrittensten Gesetze in den einzelnen Ländern nicht beeinträchtigt werden dürfen und keinem Land das Recht streitig gemacht werden darf, derartige Gesetze beizubehalten.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für den Bericht von Paolo Costa zur Änderung der Richtlinie 2004/49/EG über die Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft.
Die Sicherheit auf den europäischen Schienen kann nur über gemeinsame Maßnahmen und Ziele gewährleistet werden, weshalb ich das Eisenbahnpaket sehr begrüße. Ein zentraler Aspekt hierbei ist das Zulassungsverfahren für Triebfahrzeuge, hier sind die Anforderungen der zuständigen Behörden laut Hersteller und Eisenbahnunternehmen aus technischer Sicht kaum zu rechtfertigen. Auch die Richtlinien über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems müssen konsolidiert und zusammengeführt werden.
Positiv ist weiters, dass die Verantwortlichkeit für die Instandhaltung von Fahrzeugen mit dem neuen Gesetzesvorschlag klar geregelt ist. Der nächste Schritt ist somit eine Festlegung auf ein verbindliches Regelungssystem für die Instandhaltung seitens der Kommission.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Ich unterstütze mit meiner Stimme den Bericht Costa über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft. Die Empfehlungen des Berichterstatters werden zur Vereinfachung der Gesetzgebung beitragen und die ungehinderte Fahrt von Zügen innerhalb der EU erleichtern. Diese Empfehlungen werden unnütze Bürokratie abbauen und die Entwicklung des Eisenbahntransports in Europa vorantreiben.
Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Es kommt jetzt darauf an, die nationalen Sicherheitsverfahren in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Diese Problematik zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, auf Investitionen im Eisenbahntransport zu dringen. Wenn wir eine nachhaltige Entwicklung des europäischen Verkehrssystems auf den Weg bringen wollen, wenn wir unsere Ziele erreichen und unsere Zusagen einhalten wollen, die wir in den letzten Jahren gegenüber den Bürgern und auch auf internationaler Ebene abgegeben haben, müssen wir in den Eisenbahnverkehr investieren und die Interoperabilität des europäischen Eisenbahnsystems gewährleisten.
Hauptpunkte des uns vorliegenden Berichts sind Maßnahmen zur Vereinfachung sowie die Einführung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung. Ein weiteres sehr wichtiges Thema ist die Gestaltung strengerer Schulungs- und Zertifizierungsmaßnahmen für alle interessierten und verantwortlichen Seiten des Eisenbahnmarktes der Gemeinschaft, von Eisenbahnunternehmen bis hin zu Leitern von Infrastrukturprojekten.
Ich denke, dass dieser Bericht einen weiteren positiven Schritt in unserem Streben nach Multimodalität als Hauptachse der europäischen Verkehrspolitik darstellt.
Peter Skinner (PSE), schriftlich. – (EN) Ich habe dafür gestimmt, Nostalgieeisenbahnen aus dem Geltungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen. Damit bekunde ich weiter mein Interesse an dem ganz besonderen Fall, den diese Firmen darstellen. Hätten sie den Regelungen der Richtlinie nachkommen müssen, hätte dies zu einer erdrückenden Last von Kosten bei den größtenteils durch Freiwillige und Spenden unterhaltenen Organisationen geführt. Solche Eisenbahnen wie die Romney, Hythe and Dymchurch Railway und die Kent and East Sussex Light Railway (deren Mitglied auf Lebenszeit ich bin) sind Teil des historischen Gewebes des Fremdenverkehrsgewerbes im Südosten Englands und in der ganzen EU. Es ist eine Schande, dass einige Mitglieder dieses Hohen Hauses, die sich gern als „national“ ausgerichtet bezeichnen, diese Freistellung nicht unterstützen konnten.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Die Schaffung eines gemeinsamen Eisenbahnmarktes für Verkehrsleistungen erfordert Änderungen an den bestehenden Vorschriften. Die Mitgliedstaaten haben auf der Basis ihrer innerstaatlichen Technik- und Betriebskonzepte eigene Sicherheitsstandards entwickelt, vor allem für das eigene Schienennetz. Dabei gewinnen die Schaffung harmonisierter Regulierungsstrukturen in den Mitgliedstaaten sowie gleiche Inhalte der Sicherheitsvorschriften, einheitliche Sicherheitszertifikate für Eisenbahnunternehmen, ähnliche Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten für Sicherheitsbehörden und Verfahren zur Untersuchung von Eisenbahnunfällen immer mehr an Bedeutung.
In allen Mitgliedstaaten sollten unabhängige Agenturen für die Regulierung und Überwachung der Eisenbahnsicherheit eingerichtet werden. Um eine fehlerfreie Zusammenarbeit zwischen diesen Stellen auf EU-Ebene zu gewährleisten, sollte ihnen der gleiche Mindestumfang an Aufgaben und Verantwortlichkeiten übertragen werden.
Der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der auch die Wahrung der Ordnung in den für die öffentliche Nutzung bestimmten Verkehrsmitteln der Eisenbahn einschließt, sollte zu den grundlegenden Aufgaben gehören, die in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen.
- Empfehlung für die zweite Lesung: Paolo Costa (A6-0210/2008)
Glyn Ford (PSE), schriftlich. – (EN) Ich unterstütze alle Änderungsanträge zum Bericht des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur.
Im Vereinigten Königreich konnten wir ein Wachstum der Passagierzahlen in den Zügen um mehr als ein Fünftel beobachten. Kurzfristig hat dies zu großen Schwierigkeiten geführt, da überfüllte Züge große Stauungen verursacht haben und Reisende in bestimmten Regionen – einschließlich meiner eigenen, dem Südwesten Englands – über die Bewegung des rollenden Materials durchs Land erbost waren und dagegen protestierten. Gleichzeitig werden Kampagnen, wie die Kampagne in Radstock, Somerset, gestartet, seit langem geschlossene Bahnhöfe und Strecken wieder zu eröffnen, um die Nachfrage abzudecken und erforderliche Reduktionen bei den Kohlendioxid-Emissionen zu erreichen.
Langfristig werden neue Bestellungen von rollendem Material die Krise mildern. Wenn aber die Eisenbahnen Europas weiter florieren sollen, dann ist doch bestimmtes strategisches Denken vonnöten, das eine gestärkte Europäische Eisenbahnagentur hoffentlich liefern kann.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Der jetzige Vorschlag ist Teil eines Pakets (zusammen mit den Richtlinienvorschlägen über die Interoperabilität und die Sicherheit) zur Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs in der EU, bei der die „Agentur“ die zentrale Rolle einer „Regulierungsbehörde“ übernimmt.
Eine solche Politik führt zum allmählichen Abbau des Eisenbahnverkehrs als öffentlicher Versorgungsleistung, wobei die gewinnträchtigeren Strecken über den Weg der Privatisierung (öffentlich-private Partnerschaften) zu Lasten des Steuerzahlers und unter Missachtung der Belange und Erfordernisse jedes Landes und ihrer Bevölkerung an Privatunternehmen übergeben werden.
In Portugal trat im Laufe der Zeit offen zutage, dass die Umsetzung dieser Politik zum Abbau öffentlicher Dienstleistungen, zur Einschränkung der Mobilität und zu Fahrpreiserhöhungen führt. Diese Politik hatte die Stilllegung hunderter Kilometer von Eisenbahnstrecken, die Schließung von Bahnhöfen, ein Absinken der Reisendenzahlen und der Servicequalität, die Reduzierung der im Eisenbahnsektor Beschäftigten sowie einen Angriff auf deren Löhne und gewerkschaftliche Rechte zur Folge.
Der Eisenbahnsektor ist für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von strategischer Bedeutung. Was wir brauchen, ist eine Politik zur Entwicklung und zum Ausbau des öffentlichen Eisenbahnverkehrs in unseren Ländern.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für den Bericht von Paolo Costa zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur.
Die Verbesserung des technischen Rechtsrahmens für die Eisenbahn im Zuge des dritten Eisenbahnpakets ist eine notwendige und begrüßenswerte Entwicklung, die auch eine Stärkung der Europäischen Eisenbahnagentur mit einbezieht. Die Agentur muss als zentrale Stelle für eine europaweit einheitliche Linie sorgen. Wichtig ist hierbei besonders die Weiterentwicklung des European Railway Transport Management Systems, dessen Interoperabilität und Kompatibilität unbedingt gewährleistet sein muss.
Die Schaffung von EG-Prüfverfahren ist ein geeignetes Mittel dafür, dessen Effektivität eine funktionierende und starke Europäische Eisenbahnagentur voraussetzt. Deshalb bin ich für eine Weiterentwicklung der Agentur wie vom Berichterstatter vorgeschlagen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Im Bericht Costa zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur wird deutlich die Forderung nach einem Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) unterstützt, das aus der höchstentwickelten Eisenbahnsicherheitstechnologie besteht. Ich unterstütze diese Initiative, die gemeinsam mit dem Bericht „Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft“ einen besseren Zusammenhalt des europäischen Eisenbahnnetzes ermöglichen wird. Ich stimme für den Bericht.
Robert Navarro (PSE), schriftlich. – (FR) Die Frage der Interoperabilität des Eisenbahnsystems ist für die Entwicklung und den Erfolg der europäischen Eisenbahnen von entscheidender Bedeutung. Daher freut es mich sehr, dass im Interesse der Verbesserung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet ein Kompromiss erzielt werden konnte. Auch wenn ich für die Vorschläge des Berichterstatters, Paolo Costa, gestimmt habe, bin ich mir der Grenzen, die diesem Kompromiss gesetzt sind, gleichwohl bewusst. Zehn Jahre für die Zertifizierung aller Schienenfahrzeugtypen sind eine lange Zeit. Die Rolle, die die Eisenbahnagentur insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung und die Durchführung des Europäischen Eisenbahnleitsystems (ERTMS) spielt, hätte weitaus umfassender sein können. Die Mitgliedstaaten haben eine andere Entscheidung getroffen, aus Furcht, die – allerdings neugeschaffenen – Eisenbahnagenturen und sonstigen nationalen Stellen würden dadurch überholt. Wenn wir jetzt an diesen Punkt gelangt sind, so jedoch deswegen, weil sie bereits 2004 nicht den Mut aufbrachten, den Eisenbahnen einen wahrhaft europäischen Impuls zu verleihen. So verläuft eben die europäische Integration, nämlich ruckweise und in kleinen Schritten. Bei einer solch behutsamen Vorgehensweise laufen wir allerdings Gefahr, manche Gelegenheiten zu verpassen, weshalb ich hoffe, dass sich die Mitgliedstaaten an die Spielregeln halten und strikt umsetzen, was sie selbst vorgeschlagen haben.
- Empfehlung für die zweite Lesung: Arūnas Degutis (A6-0264/2008)
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) In Bekräftigung unserer Kritik am Hauptanliegen der EU, nämlich an der Liberalisierung des Luftverkehrs als öffentlicher Versorgungsleistung in der EU, möchten wir Sie an die von uns vor einem Jahr vorgebrachten Punkte erinnern. Und zwar wird hier versucht,
- zu verschleiern, dass sich die Liberalisierung nachteilig auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen ausgewirkt hat. Die entsprechenden Folgen für die Sicherheit und Wartung von qualitativ hochwertigen Flotten müssen ausgewertet werden;
- die umfassende Achtung der Rechte der Arbeitnehmer zu unterlaufen und nicht darauf hinzuweisen, dass:
a) Arbeitsverträge und Arbeitsbedingungen des Kabinenpersonals durch die Rechtsvorschriften, Tarifvereinbarungen und verwandten Rechte des Landes bestimmt werden, in dem Arbeitnehmer normalerweise ihrer Arbeit nachgehen oder von dem aus sie zur Arbeit gehen und in das sie nach der Arbeit zurückkehren, selbst wenn sie vorübergehend in einem anderen Land eingesetzt werden;
b) Beschäftigte eines „gemeinschaftlichen“ Luftfahrtunternehmens, das seine Leistungen von einem Standort außerhalb des Territoriums der Mitgliedstaaten aus erbringt, der Sozialgesetzgebung und den Tarifvereinbarungen des Landes unterliegen, in dem der Betreiber seinen Hauptgeschäftssitz hat;
c) Die Mitwirkung von repräsentativen Arbeitnehmerorganisationen bei Entscheidungen im Bereich des Luftverkehrs ist zu gewährleisten.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Die vom europäischen Parlament angenommene Verordnung verändert die Rechtsvorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft zum Nutzen sowohl der Fluggesellschaften als auch der Fluggäste. Diese Verordnung ist für eine effektive Arbeitsweise des Binnenmarktes wichtig. Sie schafft bessere Wettbewerbsbedingungen für die Arbeit der europäischen Fluggesellschaften, die sich so mit ihren internationalen Wettbewerbern messen können.
Auf diesem Wege werden die gleichen Bedingungen für die Gewährung und Widerrufung von Betriebsgenehmigungen geschaffen, was die derzeit auf dem Markt anzutreffenden Wettbewerbsverzerrungen beseitigen sollte, die u. a. auf die unterschiedlichen Vorschriften in Bezug auf die Anforderungen an Betriebsgenehmigungen, Diskriminierung bestimmter EU-Fluggesellschaften aufgrund ihrer Nationalität oder auch aufgrund von Diskriminierung der angeflogenen Strecken in Drittländer zurückzuführen sind.
Am stärksten werden jedoch die Verbraucher von den eingeführten Veränderungen profitieren. Da obligatorisch vorgeschrieben wird, sämtliche Steuern und Zusatzkosten in den Flugticketpreis aufzunehmen, wird eine größere Preistransparenz erreicht und das Prinzip der freiwilligen Zuzahlungen gestärkt. Damit müssen die Verbraucher keine überhöhten Preise mehr zahlen, und sie werden somit in die Lage versetzt, fundierte Entscheidungen treffen zu können. Des Weiteren besteht für die Fluggäste aufgrund der Ausschaltung von finanziell angeschlagenen Fluggesellschaften kein finanzielles Risiko mehr, das ansonsten im Falle eines Bankrotts ihrer Fluggesellschaft bestünde.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für den Bericht von Arunas Degutis über Gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft.
Die Stärkung und Verbesserung der bestehenden Rechtsvorschriften ist zu befürworten, besonders die Preistransparenz bei Flugtickets ist hervorzuheben. Die Passagiere haben das Recht auf eine umfassende Aufschlüsselung des Flugpreises. Mit der neuen Vorschrift werden die Preise transparenter und nachvollziehbarer. Somit tritt die Europäische Union falschen Lockangeboten entgegen und schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen, welche auf Qualität aufgebaut sind, nicht auf scheinbar günstigen Angeboten, besonders über das Internet.
Auch die Sicherstellung der Einhaltung der Sozialvorschriften ist eine Verbesserung durch die neue Vorschrift. Die Beschäftigten erhalten somit eine bessere Absicherung und einheitlichere Arbeitsbedingungen. Die Gemeinsamen Vorschriften sichern Rechte von Konsumenten und Angestellten und garantieren die notwendige Transparenz und Information in den Luftverkehrsdiensten der Gemeinschaft.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich unterstütze die Auffassung des Berichterstatters im Hinblick auf die Bestätigung des Gemeinsamen Standpunkts des Rates ohne weitere Änderungen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass diese Verordnung die bestehenden Rechtsvorschriften bezüglich der Aufsicht über die Betriebserlaubnisse, des Leasings von Luftfahrzeugen, der Verkehrsaufteilung und der transparenten Preisgestaltung stärkt und verbessert.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Der Bericht von Arūnas Degutis über Gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft wird dafür sorgen, dass der Flugpreis, den Sie sehen, auch der tatsächlich von Ihnen zu zahlende Preis ist. Endpreise für Flüge müssen jetzt Flugpreis, Steuern, Flughafengebühren und andere Gebühren enthalten. Das ist ein positiver Schritt hin zu größerer Transparenz im Luftfahrtsektor und zu mehr Verbraucherschutz. Gemäß den Vorschlägen im Bericht werden Beschäftigte im Luftverkehrsdienst-Sektor eine größere soziale Absicherung erhalten. Ich habe daher für die Empfehlungen des Berichts gestimmt.
James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ich unterstütze uneingeschränkt diesen Bericht, der den unlauteren Praktiken von Fluggesellschaften, mit ihren Flugpreisen ohne Steuern, Abgaben und einer langen Reihe anderer Sondergebühren zu werben, einen Riegel vorschieben wird. Gegenwärtig kommen die Fluggesellschaften mit ihrer Werbung für irreführende Flugpreise durch, d. h. für Preise, die sich ganz einfach als falsch erweisen.
Das führt zu einem gravierenden Mangel an Preistransparenz bei Flugpreisen, was den Wettbewerb verzerrt und sich auf die Möglichkeiten des Verbrauchers auswirkt, eine bewusste Entscheidung in Kenntnis der Umstände zu treffen. In vielen Fällen bezahlen die Menschen am Ende viel mehr als sie ursprünglich erwartet hatten, da der beworbene Flugpreis kaum mehr Ähnlichkeit mit den Endkosten aufweist.
Kommission und Parlament sind gemeinsam tätig geworden, damit sich das ändert. Dieser Bericht wird dazu führen, dass Flugpreise einfach und klar, inklusive aller Steuern und Zusatzgebühren beworben werden müssen. Dass die Europäische Union mit diesen Praktiken Schluss macht, ist eine erfreuliche Nachricht für den Verbraucher.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Statistiken finden breite Anwendung, nicht nur seitens der Unternehmen oder Institutionen, die sich mit der Wirtschaft beschäftigen. Sie spielen auch bei der Planung oder Verfolgung von Markttrends eine wichtige Rolle. Aus diesem Grunde kommt es darauf an, dass die zu ihrer Erfassung herangezogenen Indikatoren zuverlässig sind und die Realität sowie Veränderungen des Marktes richtig widerspiegeln. Vorhandene Indikatoren sollen überprüft werden, aber gleichermaßen ist auch neuen Bereichen der Datenerfassung Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Notwendigkeit der Modernisierung unserer Statistiken resultiert auch aus der Existenz unterschiedlicher Statistiksysteme und statistischer Verfahren in den Mitgliedstaaten, was oftmals die Vergleichbarkeit der Daten in der gesamten Europäischen Union erschwert.
Natürlich dürfen Veränderungen auf diesem Gebiet nicht die Berichtspflichten für Unternehmen, vor allem für klein- und mittelständische Betriebe, erhöhen. Der im Programm zur Modernisierung der europäischen Unternehmens- und Handelsstatistik angewendete globale Ansatz soll die Rationalisierung und Koordinierung der Methoden fördern, die zur Erarbeitung von Statistiken aus unterschiedlichen Quellen genutzt werden, und was am wichtigsten ist, er bewirkt, dass die Unternehmen nicht mehr verpflichtet sind, die gleichen Daten an unterschiedliche, mit der Datenerfassung betraute Institutionen zu liefern.
Ich bin überzeugt, dass das Programm zur Modernisierung der europäischen Unternehmens- und Handelsstatistik ein guter Schritt in Richtung Verringerung der Verwaltungslasten für Unternehmen ist und dazu beitragen wird, das von der Europäischen Kommission gesetzte Ziel zu erreichen, die Verwaltungslasten für Unternehmen bis 2012 um 25 % zu reduzieren.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Ich unterstütze den Bericht Konrad über ein Programm zur Modernisierung der europäischen Unternehmens- und Handelsstatistik (MEETS). Der Bericht bemüht sich um die Bereitstellung von Investitionen zur Verbesserung der Effizienz der Erhebung und Verarbeitung von statistischen Daten, sodass neuen Anforderungen entsprochen und zugleich die Belastung der Unternehmen verringert werden kann. Ich habe für den Bericht gestimmt.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Ich unterstütze den Bericht. Batterien und Akkumulatoren, die der Richtlinie 2006/66/EG nicht entsprechen, sind wieder vom Markt zu nehmen und dürfen nicht in Verkehr gebracht werden. Die Kommission hat entschieden, dass Batterien, die geltenden Bestimmungen genügen und vor dem 26. September 2008 auf den Markt der Europäischen Union gebracht wurden, nicht vom Markt genommen werden müssen. Ich halte das für eine sehr sinnvolle Lösung.
Indem man Batterien vom Markt nimmt, die den Bestimmungen nicht entsprechen, erhöht man die Abfallmenge. Nach meinem Dafürhalten bestünde der einfachste und beste Weg im Umgang mit dieser Problematik darin, die betreffenden Batterien und Akkumulatoren mit Aufklebern zu versehen, aus denen ersichtlich ist, dass sie nicht den EU-Vorschriften entsprechen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Die Verwendung von zwei Stoffen – von 2-(2-Methoxyethoxy)ethanol (DEGME) und 2-(2-Butoxyethoxy)ethanol (DEGBE) – wird durch den Bericht Ouzký bei Produkten, die für den Verkauf an die Allgemeinheit bestimmt sind, stark eingeschränkt und in einigen Fällen verboten. Die Empfehlungen des Berichts stärken den Verbraucherschutz, und ich habe für den Bericht gestimmt.
Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. – (PL) Toxische Substanzen, die in Reinigungs-, Wasch- und Desinfektionsmitteln sowie in Farben und Lösungsmitteln enthalten sind, können eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, da sie Atemwegs- und Augenreizungen sowie Allergien verursachen können.
Durch eine Beschränkung des Inverkehrbringens der Produkte, die die festgesetzten Sicherheitskriterien nicht erfüllen, könnte ein wesentlicher Beitrag zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt geleistet werden. Die Mehrzahl dieser Produkte kann bei ihrer Verwendung schädliche Auswirkungen haben und verschiedene unangenehme Symptome hervorrufen. Wenn sie in das Ökosystem gelangen, können sie auch schädliche Folgen für die Umwelt haben. Bei der Verunreinigung von Böden oder Wasserquellen mit diesen Produkten ist es oft unmöglich, die damit verbundenen Folgen abzusehen.
Die Beschränkung des Methoxyethoxyethanol- bzw. Butoxyethoxyethanol-Gehalts in verschiedenen Wasch- und Reinigungsmitteln ist ein sehr positiver Schritt. Aus diesem Grunde bin ich überzeugt, dass die Europäische Union alle Anstrengungen unternehmen und mit vollem Engagement daran arbeiten sollte, diese gesundheitsschädlichen Stoffe aus unserem Leben und der Umwelt zu verbannen.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir haben diesen Bericht bei der Abstimmung abgelehnt, da er sich in das Paket zur Liberalisierung des Gasmarktes einfügt und weil darin ausdrücklich Schritte zur schnellstmöglichen Vollendung des Binnenmarktes unterstützt werden, selbst wenn die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Instrumente und Bestimmungen nicht vollinhaltlich gebilligt werden.
Interessant sind einige kritische Bemerkungen zu Punkten wie den vorgelegten Bewertungen der Auswirkungen, der gelegentlichen Nichteinhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes sowie der inkonsequenten Ausstattung mit Befugnissen innerhalb der Strukturen der Gemeinschaft.
Trotzdem ist festzustellen, dass der Bericht darauf abzielt, Unternehmen den Zugang zu den Erdgasnetzen zu erleichtern, d. h. der Privatisierung des verbleibenden Teils des öffentlichen Sektors den Weg zu bereiten und ihn der Strategie von Wirtschaftskonzernen unterzuordnen, die Zugang zum Markt suchen.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Der Bericht von Atanas Paparizov über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen wird die Integration des EU-Erdgasbinnenmarktes erleichtern. Der Bericht geht grenzübergreifende Probleme zwischen Mitgliedstaaten an und wird die Regulierungsaufsicht auf europäischer Ebene verbessern. Es ist für die EU sehr wichtig, auf einen Erdgasbinnenmarkt hinzuarbeiten, und ich habe für den Bericht gestimmt.
José Albino Silva Peneda (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Dieser Bericht verdient sowohl meine Zustimmung als auch die all meiner Kollegen, die die Auffassung vertreten, dass die Logik des 3. Energiepakets auf einer wirklichen und nicht nur kosmetischen Regulierung des Erdgashandels beruht.
Ich begrüße den Willen, Bedingungen für höhere Investitionen in Gasnetze zu schaffen. Dies allein wird es möglich machen, die Wettbewerbsfähigkeit und den Wettbewerb in diesem Bereich deutlich zu steigern.
Ich begrüße ebenfalls die Bemühungen im Hinblick auf eine wirksame Liberalisierung der nationalen Gasmärkte und den Netzzugang Dritter, da damit eine höhere Transparenz erzielt wird.
Schließlich begrüße ich die Tatsache, dass in diesem Dokument deutlich der Wille zum Ausdruck kommt, dem Wunsch der EU-Bürger nach einem transparenten Markt mit weniger Monopol Rechnung zu tragen.
Zur Verabschiedung des 3. Energiepakets benötigen wir die Billigung dieses Berichts, was auch für unsere Mitbürger in der Gemeinschaft gilt.
John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – (EN) Meine Stellungnahme spiegelt meine Haltung zur Bedeutung von Erdgas und seiner Verfügbarkeit für die Verbraucher zum niedrigstmöglichen Preis wider. Eine Gaspipeline wird Libyen und Sizilien verbinden. Sie wird ganz nah an Malta vorbeiführen, sodass mein Heimatland, um davon zu profitieren, sich entweder an der Pipeline beteiligen müsste oder aber, wie vorgeschlagen wurde, eine Pipeline von Sizilien nach Malta gebaut werden müsste. Malta verfügt über keinen großen Binnenmarkt, und sein Verbrauch schwankt zwischen 16 und 18 Millionen Einheiten im Jahr. Sollte sich der Einsatz von Erdgas stärker verbreiten, wird das zweifellos zu Änderungen in der Energiepolitik auf Malta und Gozo führen. Das wäre möglich, wenn Erdgas direkt zur Energieerzeugung eingesetzt wird. Vor etwa fünfzehn Jahren wies ich die damals von den Nationalisten geführte Regierung auf die Bedeutung der Errichtung gasbetriebener Kraftwerke hin.
Die Regierung nahm dies nicht zur Kenntnis und errichtete schließlich nur ein kleines gasbetriebenes Kraftwerk als zusätzliche Kapazität. Da die Entfernungen auf Malta gering sind, wäre auch der Einsatz von Erdgas für den Betrieb von privaten und kommerziell genutzten Fahrzeugen möglich. Die Umrüstung der Fahrzeugmotoren stellt kein Problem dar. Zusätzlich ist Erdgas viel billiger und viel sauberer als Benzin oder Diesel. Aber die Regierung und ihre Agentur, EneMalta, haben die für den Vertrieb von Erdgas notwendige Infrastruktur noch nicht einmal angedacht.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Vorschlag für eine Richtlinie über den Erdgasbinnenmarkt ist Teil des dritten Energiepakets, das die Privatisierung der Erdgasversorgung abschließt.
Ziel des Richtlinienvorschlags und des Berichts ist es, das hohe Maß an Zentralisierung zu beseitigen, das immer noch in manchen Ländern vorherrscht, um die Marktdurchdringung von EU-Monopolen zu vervollständigen und somit die Liberalisierung zu beschleunigen. Gleichzeitig sollen Sanktionen gegen jene Mitgliedstaaten verhängt werden, die diese noch nicht vollständig umgesetzt haben.
Das Paket beinhaltet zwei zentrale Punkte: die eigentumsrechtliche Entflechtung zwischen Gasversorgungsaktivitäten und Gastransport- bzw. Gasspeicherungsaktivitäten, sodass das Kapital die öffentliche Infrastruktur bestmöglich für die in den Mitgliedstaaten verbleibende Produktion, Speicherung und den Transport von Gas ausnutzen kann. Die Stärkung angeblich unabhängiger Regulierungsbehörden, deren Ziel es ist, zu verhindern, dass Mitgliedstaaten einzelstaatliche Anpassungen oder öffentliche Interventionen vornehmen, garantiert den Konzernen, die im Erdgassektor auf Jagd gehen werden, vollständige Immunität.
Diese EU-Politik wird dieselben furchtbaren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer haben wie die Privatisierung anderer Energiesektoren: Preissteigerungen und eine Verschlechterung bei der Leistungsqualität. Der Kampf gegen Monopolinteressen zur Beendigung dieser Politik ist der einzige Weg, um die aktuellen Bedürfnisse von Familien der Arbeiterklasse zu erfüllen.
José Albino Silva Peneda (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Diese Maßnahme bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass wir gemeinsam gewillt sind, das Ziel der Liberalisierung des Energiemarktes zu erreichen. Daher stimme ich zu.
Ich vertrete die Auffassung, dass dazu die Eigentumsentflechtung bei der Erdgasproduktion und bei den Erdgasfernleitungsnetzen erforderlich ist, jedoch per se nicht ausreicht.
Daher müssen die erforderlichen Bedingungen geschaffen werden, um transnationale Investitionen in die Netzinfrastruktur zu fördern.
Daher muss gefordert werden, dass Drittstaaten, die in den europäischen Energiemarkt investieren wollen, die gleiche Behandlung widerfährt.
Daher ist es erforderlich, die Abstimmung zwischen den Regulierungsbehörden der nationalen Energiesektoren zu verbessern.
Mit diesem Schritt erhöht sich die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes, weshalb er auch im Interesse der Verbraucher ist, die von den neuen Bedingungen eines stabileren, offeneren und transparenteren Energiemarktes profitieren.
Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. − (SV) Ich stimme für diesen Bericht, da er den Bürgern das Übersiedeln und Reisen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert, ohne dass Macht an die EU abgegeben wird.
Marian Zlotea (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Ich stimme für den Bericht von Jean Lambert, weil er eine Antwort auf die Bedürfnisse der Bürger liefert. Wir leben in einer Welt der Globalisierung, in der tausende Menschen in einem anderen als ihrem Wohnsitzland arbeiten, daher brauchen wir die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für alle Menschen, die von ihrem Recht, in einem anderen Land zu arbeiten, Gebrauch machen. So sichern und unterstützen wir die Mobilität, die ein Grundrecht der Europäischen Union darstellt.
Europa erlaubt uns die Freizügigkeit. Es sollte uns aber auch mehr soziale Rechte bieten, die nicht an den innerstaatlichen Grenzen enden dürfen.
In der Hoffnung, dass die EU-Bürger, aus Sicht der sozialen Sicherheit, von Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung profitieren können, unterstütze ich die Initiative zur Erleichterung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Wir müssen alle Hindernisse, die der Mobilität im Wege stehen, beseitigen.
Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. − (SV) Ich stimme gegen diesen Bericht, da er Vorschläge für eine detaillierte Regelung auf Gemeinschaftsebene enthält, unter anderem zu solchen Fragen wie der Auszahlung des schwedischen Elterngeldes, was individuelle Bewertungen erschwert und der EU zu viel Macht gibt.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Dieses Dokument zielt darauf ab, die Vorschriften der EU in Bezug auf die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten zu verbessern und wirksamer zu gestalten. Die darin enthaltenen Bestimmungen werden das Leben eines durchschnittlichen EU-Bürgers, der damit in den Genuss der Freizügigkeit in der Europäischen Union kommt, deutlich vereinfachen. Es ist dabei unerheblich, ob jemand Arbeitnehmer, Verwaltungsbeamter, Studierender, Rentner oder Geschäftsmann ist. Jeder kann seine erworbenen Ansprüche auf Zahlung von Sozialversicherungsleistungen nach einem Wohnortwechsel in ein anderes Land bewahren. Ich unterstütze ausdrücklich, dass damit wieder ein Hindernis für die Freizügigkeit von Personen in der EU aus dem Weg geräumt wird. Dieses Dokument ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Zum Bericht Lambert und zu der Verordnung habe ich zwei Bemerkungen zu machen.
1. Obwohl die Berichterstatterin dies bestreitet, wird in dem Verordnungsvorschlag unterstellt, dass Drittstaatsangehörige unionsweit Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und freien Zugang zum Arbeitsmarkt genießen, alles Dinge, die – wie in Erinnerung gebracht sei – Gott sei Dank noch keine Realität geworden sind. Wozu der Vorschlag führt, sind weitere Abstriche an den Vorrechten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Einwanderungspolitik, das heißt an ihrem souveränen Recht, sich die Ausländer, denen sie Zutritt zu ihrem Gebiet gewähren, auszuwählen und die Einreise, den Wohnsitz sowie den Umfang der Rechte dieser Ausländer zu überwachen.
2. Die Systeme der sozialen Sicherheit im Interesse der Bürger der EU-Mitgliedstaaten zu koordinieren und zu gewährleisten, dass der soziale Schutz, auf den sie (aufgrund ihrer Arbeit und ihrer Beitragszahlungen) Anspruch haben, nicht durch die „internationale“ Mobilität, zu der sie angespornt werden, beeinträchtigt wird, erscheint angemessen. Auf diesem Gebiet unter allen Umständen völlige Gleichbehandlung zwischen Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen herstellen zu wollen, verstärkt jedoch nur noch mehr den Anreiz zur Immigration, wie er in Form der außerordentlichen, undifferenzierten und selbstmörderischen Großzügigkeit unserer Systeme der sozialen Sicherheit bereits besteht.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Das Vertrauen der Menschen in die EU hängt unter anderem stark vom Vertrauen in die soziale Stabilität Europas ab. Und gerade da hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel geändert: In der Realität bleibt den europäischen Arbeitnehmern dank Teilzeitarbeit und neuen Arbeitsverhältnissen (Mac Jobs) oft unter dem Strich nicht viel mehr als manchem Arbeitslosen. Die Kehrseite ungebremsten Wirtschaftswachstums und kontinuierlicher Einsparungen in sozialen Systemen sind verstärkte Armut und soziale Ausgrenzung.
In der Europäischen Union, einem der reichsten Teile der Erde, lebten 2005 16 % unter der Armutsgrenze. Mit den gestiegenen Öl- und Lebensmittelpreisen sind nun noch mehr Menschen unter oder an die Armutsgrenze gerutscht. Die EU muss sich dringend der Armutsbekämpfung unter der eigenen Bevölkerung annehmen und soziale Systeme müssen in erster Linie für Europäer zur Verfügung stehen.
Catherine Boursier (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Corbett-Bericht über die Änderung von Artikel 29 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments betreffend die Bildung der Fraktionen, d. h. dass die Mitglieder einer Fraktion mindestens 1/4 der Mitgliedstaaten (anstatt 1/5) vertreten müssen und die Mindestzahl von MdEP 25 (an Stelle von 20) betragen muss, gestimmt, und zwar aus mehreren Gründen.
Erstens, weil ich diese Reform für absolut notwendig halte, damit unsere Institution effektiver funktionieren kann und ihre starke Fragmentierung mit all den ungeachtet der verschiedenen Erweiterungsrunden und der Tatsache, dass unsere Versammlung seit 2004 größer geworden ist, unverändert gebliebenen Bestimmungen beendet wird.
Ferner scheint mir die von meinem sozialdemokratischen Kollegen vorgeschlagene Lösung, dank dessen unermüdlichen Anstrengungen ein Kompromiss mit der Mehrheit der Fraktionen erzielt wurde, im Vergleich zu den nationalen Verfahrensweisen in der Europäischen Union sehr vernünftig.
Des Weiteren stellt angesichts der den Fraktionen zur Verfügung gestellten Human- wie finanziellen Ressourcen eine klare Repräsentativität meiner Ansicht nach ebenfalls eine ausreichende Begründung für diese Änderung dar.
Schlussendlich besteht das Ziel schlicht und einfach in der Beförderung einer gewissen Kohärenz der politischen Kräfte auf europäischer Ebene; unsere Demokratie kann daraus nur gestärkt hervorgehen.
Sylwester Chruszcz (NI), schriftlich. – (PL) Dieses Dokument ist ein weiterer Versuch seitens der Mehrheit, Kontrolle auf Kosten der Minderheit zu übernehmen. Die Arroganz der größten Fraktionen innerhalb des Europäischen Parlaments hat neue Höhen erreicht. Dieses Dokument zielt in erster Linie darauf ab, die für die Bildung einer Fraktion erforderliche Mindestzahl von MdEP von 21 auf 30 zu erhöhen. Für kleine Fraktionen, wie beispielsweise die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie, stellt eine derartige Bedingung eine ernste Bedrohung dar. Natürlich habe ich gegen dieses Dokument gestimmt.
Andrew Duff (ALDE), schriftlich. – (EN) Die ALDE-Fraktion hat aus den folgenden Gründen gegen eine Umgestaltung von Artikel 29 GO gestimmt:
– das Bestehen der derzeitigen sieben Fraktionen verursacht keine tatsächlichen Effizienzprobleme;
– Minderheitenmeinungen haben dasselbe Recht, sich professionell zu organisieren, wie Mehrheitsmeinungen;
– ein angemessenes Europäisches Parlament muss die breite Vielfalt politischer Meinungen widerspiegeln, die innerhalb der Union besteht: wir müssen nicht die nationalen Parlamente genau kopieren, deren Aufgabe darin besteht, eine Regierung zu bilden;
– durch die Auflösung kleinerer Fraktionen würden entweder die Abgeordneten, die sich dagegen sträuben, gezwungen, sich größeren Fraktionen anzuschließen und so zu deren Uneinheitlichkeit beitragen, oder die Gruppe der Fraktionslosen immer größer werden und so deren Ineffizienz zunehmen;
– die Abgeordnetenzahl des Parlaments soll ohnehin von 785 auf 751 (Lissabon) oder auf 736 (Nizza) verringert werden.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Unsere Ablehnung dieses Berichts und seines Anliegens ergibt sich aus unserem Eintreten für Pluralismus, Demokratie und die Achtung anders Denkender. Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass mit diesem Bericht die Bedingungen zur Fraktionsbildung geändert und der Bildung von Fraktionen im Europäischen Parlament nach den nächsten Wahlen neue Hindernisse in den Weg gelegt werden.
Bis dato konnten mindestens 20 Abgeordnete des Europäischen Parlaments aus sechs Mitgliedstaaten eine Fraktion bilden.
Nach dem jetzt vereinbarten Vorschlag sind zur Bildung einer Fraktion 25 Abgeordnete des Europäischen Parlaments aus sieben Mitgliedstaaten erforderlich. Das bedeutet, dass es künftig schwieriger sein wird, im Europäischen Parlament kleine Fraktionen zu bilden, was ein weiteres Hindernis für die Artikulierung von Meinungen darstellt, die sich von der vorherrschenden Ideologie in dieser immer mehr neoliberal, militaristisch und föderalistisch ausgerichteten Europäischen Union unterscheiden.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu dem Verfahren sagen, nach dem die Mehrheitsfraktionen der PPE-DE und der PSE vorgehen. Zunächst wurde von ihnen ein Vorschlag eingereicht, nach dem zur Bildung einer Fraktion 30 Abgeordnete benötigt werden. Dann wurden einige kleinere Fraktionen unter Druck gesetzt, um deren Unterstützung für einen so genannten Kompromissvorschlag zu erlangen, d. h. für den Vorschlag, der soeben verabschiedet worden ist. Wir als Europaabgeordnete der Portugiesischen Kommunistischen Partei haben von Anfang an eine klare Haltung gegen die Errichtung zusätzlicher Barrieren bei der Fraktionsbildung an den Tag gelegt.
Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE), schriftlich. − (ES) Ich habe mich bei der Abstimmung über diesen Bericht der Stimme enthalten, denn dass die Bildung von Fraktionen nach pragmatischen Regeln erfolgen muss, ist mir durchaus bewusst, aber die vorgeschlagene Zahl der Mitglieder und Mitgliedstaaten erscheint mir als zu hoch. Wenn dieses Parlament für Pluralität und Vielfalt eintritt, ist es besser, wenn die betreffenden Personen eine Fraktion bilden, als dass sie eine fraktionslose Gruppierung anwachsen lassen, die zunehmend heterogen und ineffizient werden würde.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE), schriftlich. – (FI) Die größeren Fraktionen hatten ursprünglich vorgeschlagen, dass 30 Mitglieder aus sieben Mitgliedstaaten erforderlich sein sollten, um eine Fraktion zu bilden. Zum Glück ist dieses Vorhaben im Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten in einer knappen Abstimmung im Mai mit 15 zu 14 Stimmen gescheitert.
Ich habe auch jetzt gegen die vorgeschlagenen Änderungen gestimmt, da die kleinen Fraktionen oftmals nur Zuschauer wären, wenn Entscheidungen getroffen werden. Es ist falsch, die Vielfalt der Meinungen zu beschränken oder den kleinen Fraktionen das Arbeiten noch schwieriger zu machen, als es ohnehin schon ist.
Das ist auch seltsam in Anbetracht dessen, dass die größten Meinungsunterschiede häufig innerhalb der Fraktionen bestehen. Die größte Fraktion, die der Konservativen, hat sich in vielen bedeutenden Fragen in zwei oder sogar drei Gruppen gespalten.
Timothy Kirkhope (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die konservativen MdEP stimmen gegen beide Änderungsanträge von Herrn Corbett zur Anhebung des Schwellenwertes zur Bildung von Fraktionen im Europäischen Parlament. Das richtige Verhältnis zwischen der effizienten Arbeit des Parlaments und dem Bedürfnis nach Anerkennung der Pluralität von Stimmen und Meinungen innerhalb des Parlaments ist mit viel Feingefühl zu finden. Das würde besser mit der Beibehaltung der derzeit geltenden Schwellenwerte für die Fraktionsbildung erreicht. Zwar erkennen wir an, dass die Erhöhung der Anzahl der zur Bildung einer Fraktion erforderlichen Abgeordneten Sinn macht, aber jede Erhöhung der Anforderungen an die Anzahl von Mitgliedstaaten würde kleine Fraktionen und Delegationen ungerechtfertigt und unnötig benachteiligen. Nach Prüfung des Berichts von Herrn Corbett empfahl der Ausschuss für konstitutionelle Fragen daher keinerlei Änderungen an den in Artikel 29 festgelegten Schwellenwerten.
Die konservativen MdEP haben aber für den einen ursprünglich von Herrn Kirkhope eingebrachten Änderungsantrag gestimmt, der vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen angenommen worden war. Dieser Änderungsantrag erlaubt ein pragmatischeres und vernünftigeres Herangehen an diese Frage, wenn eine Fraktion unter die erforderlichen Schwellenwerte absinken kann.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Ich befürworte den Bericht von Richard Corbett über die Änderung der Geschäftsordnung in Bezug auf die Bildung von Fraktionen. Bei 27 Mitgliedstaaten müssen die Regeln der EU zu dieser Frage neu gefasst werden. Das Europäische Parlament ist nicht berechtigt, Millionen von Euro aus Steuermitteln zur Finanzierung von Gruppierungen aus Parteien, ganz besonders von Faschisten, aufzuwenden, die sich lediglich aus Gründen des finanziellen Gewinns zusammenfinden.
Gegenüber fast allen anderen Parlamenten gilt im Europäischen Parlament der niedrigste Schwellenwert für die Fraktionsbildung. Es droht weder Gefahr für eine der bestehenden Fraktionen, noch stellt die Änderung der Geschäftsordnung einen Versuch dar, die Euroskeptiker auszumanövrieren, die mehr Abgeordnete als die neue Mindestzahl besitzen. Daher habe ich für den Bericht von Richard Corbett gestimmt.
Erik Meijer (GUE/NGL), schriftlich. − (NL) Die zwei größten Fraktionen bevorzugen ein Zweiparteiensystem. Das wesentliche Merkmal eines solchen Systems besteht darin, dass beide Parteien ein gemeinsames Interesse daran haben, eine zweite, dritte oder vierte Partei von der politischen Beschlussfassung fernzuhalten, damit sie so für die Wähler völlig bedeutungslos bleiben. Nur die größten Fraktionen zählen; Proteste und Alternativen müssen ausgegrenzt werden. Sollten ausnahmsweise doch einmal andere in das Parlament vordringen, weist man ihnen idealerweise den unattraktivsten Platz zu, als Einzelpersonen mit begrenzten Rechten.
Einige Mitglieder des Parlaments gehören keiner Fraktion an. Das ist nicht selten das Ergebnis des Drucks vonseiten anderer. Eben dieser Druck zwingt Mitglieder, sich einer Fraktion anzuschließen, deren Ansichten sie nicht voll und ganz teilen. Aus Eigennutz nehmen Fraktionen Mitglieder auf, von denen sie sogar wissen, dass deren Meinung erheblich von der Parteilinie abweicht. Der Grund ist der, dass man hier erst mit mindestens 20 mehr oder weniger Gleichgesinnten eine Fraktion bilden kann. Wenn alle in der Gesellschaft herrschenden Meinungen demokratisch vertreten sein sollen, ist es besser, diese Hürde abzuschaffen, anstatt sie auf 25 oder 30 anzuheben und starre Regeln gegen Abweichler einzuführen. Ich bin vollends dagegen.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Für die Anhebung der Mindestzahl von MdEP für die Bildung einer Fraktion, besteht meiner Meinung nach kein plausibler Grund. Die vom Berichterstatter ins Treffen geführten Argumente gehen bei näherer Betrachtung ins Leere, insbesondere sein Hinweis auf die angeblich höheren Schwellen zur Bildung einer Fraktion in den Parlamenten der Mitgliedstaaten. Dabei sind nämlich, wenn man einen korrekten Vergleich mit dem Europäischen Parlament herstellen will, nur die direkt gewählten Kammern heranzuziehen, da ja auch das Europäische Parlament direkt von den Unionsbürgern gewählt wird. Die zweiten Kammern werden in der Regel von den Bundesländern oder Regionen beschickt, weshalb sie für den Vergleich nicht heranziehbar sind. Der von den direkt gewählten nationalen Kammern praktizierte Durchschnittswert zur Bildung einer Fraktion ist mit dem Schwellenwert des Europäischen Parlaments nahezu identisch.
Der wahre Hintergrund zur Anhebung der Schlüsselzahl zur Bildung von Fraktionen ist offenbar ohnehin ein anderer. So hat der Berichterstatter im Ausschuss auf den negativen Umstand der Bildung der Fraktion „Identität–Tradition–Souveränität“ (ITS) hingewiesen und betont, dass es gilt, dies in Zukunft zu verhindern. Wegen dieses Anschlages auf Demokratie und Meinungsfreiheit sowie auf die in der Geschäftsordnung des Parlaments und im Vertrag festgeschriebene Gleichheit der MdEP habe ich natürlich gegen den Bericht gestimmt.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Bericht in der jetzt angenommenen Form ergänzt die inakzeptable Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments zur Steuerung und Unterdrückung der Befugnisse derer, die sich der EU nicht vollständig verschrieben haben. Dies ist eine neue undemokratische und autoritäre Entscheidung, die die Bildung von Fraktionen behindert. Das politische Ziel ist offensichtlich: Radikale Kräfte – insbesondere kommunistische – sollen ausgeschlossen werden, um alle Gegenstimmen zum Schweigen zu bringen und jede Form der Anzweifelung der EU und ihrer Politik im Keim zu ersticken.
Dieser undemokratische Vorgang ging einher mit der vermutlichen politischen Erpressung durch die Koalition der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten mit der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, um auch andere Kräfte dazu zu drängen, diese Erhöhung zu akzeptieren. Hätten diese nicht nachgegeben, so lautete die Drohung, würde man einem Vorschlag zustimmen, der eine noch höhere Zahl von MdEP, nämlich 30, erforderlich machen würde. Der Ablauf der Abstimmung zeigt, dass dieses Spiel durch die Kräfte der europäischen Einbahnstraße geregelt wurde, als Alibi für deren undemokratische Entscheidung.
Die MdEP von Nea-Dimokratia, PASOK und Synaspismos haben für diese verachtenswerte Änderung und die Entscheidung in all ihren Teilen gestimmt, was ein Beweis dafür ist, dass die Kräfte der europäischen Einbahnstraße bei Schlüsselfragen einen gemeinsamen Kurs verfolgen.
Wir, die MdEP der Kommunistischen Partei Griechenlands, haben gegen die Erhöhung der Zahl auf 25 und gegen den Bericht in all seinen Teilen gestimmt und verurteilen auf diese Weise die undemokratischen Machenschaften und politischen Spielchen.
José Ribeiro e Castro (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Übermäßige Beschränkungen und die Errichtung von Hindernissen bei der Bildung von Fraktionen stehen keinem Parlament gut zu Gesicht. Zur möglichen Einschätzung als Verletzung von Grundrechten kommt die Tatsache, dass derartige Schritte oft genau das Gegenteil dessen bewirken, was von deren Fürsprechern beabsichtigt war. Daher halte ich diese Reform für missraten.
Das Europäische Parlament muss sich sowohl in der Europäischen Union als auch weltweit als unerlässliche demokratische Plattform artikulieren. Das wird ihm nicht gelingen, wenn es nicht weiterhin beispielhaft vorangeht. Ich glaube nicht, dass der hier vorgeschlagene Weg richtig ist.
Dazu kommt, dass Europa mehr denn je und ständig das Vertrauen seiner Bürger, all seiner Bürger, in die EU-Organe bewahren muss. Alle Europäer müssen spüren, dass sie unabhängig von ihrer politischen Überzeugung vertreten werden. Daher bin ich der Meinung, dass diese Reform missraten ist und zum falschen Zeitpunkt kommt. Ich stimme dagegen.
Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. − (SV) Ich widersetze mich allen Versuchen, Demokratie und Meinungsvielfalt im Parlament einzuschränken, unter anderem durch die Änderung der zur Bildung einer Fraktion erforderlichen Anzahl von Abgeordneten und Mitgliedstaaten. Trotz dieser Ansicht habe ich für den Kompromissänderungsantrag zum Bericht Corbett gestimmt, und zwar aus einem pragmatischen Grund: es war die einzige Möglichkeit, einen aus demokratischer Sicht noch schlechteren Beschluss zu verhindern, der die Fraktionsbildung weiter erschwert hätte.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Das Europäische Parlament hat heute eine Änderung der Geschäftsordnung angenommen, in deren Ergebnis die Grundsätze für die Bildung von Fraktionen geändert werden. Nach der Europawahl im Juni 2009 müssen die Fraktionen im Europäischen Parlament mindestens 25 Mitglieder haben, die mindestens 7 Mitgliedstaaten vertreten.
Ich unterstütze diese Anhebung des Schwellenwertes für die Bildung von Fraktionen im Europäischen Parlament voll und ganz, weil damit übermäßige parlamentarische Spaltungen vermieden und die Arbeit wirksamer gestaltet wird. Sowohl der Zusammenhalt als auch die Effektivität des Parlaments haben unter der übergroßen Zahl kleiner Fraktionen in diesem Hohen Haus gelitten. Zur Stärkung der Demokratie ist es aber auch notwendig, kleine Fraktionen zu schützen, wenn ihre Mitgliederzahl zeitweilig den erforderlichen Schwellenwert unterschreitet.
Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. − (SV) Wir haben für den Bericht gestimmt, da eine bessere Zusammenarbeit und größere Offenheit zwischen den nationalen Gerichten/Richtern und dem Europäischen Gerichtshof von größter Bedeutung für ein funktionierendes europäisches Rechtssystem sind. Das muss durch eine Ausbildung sowie durch bessere Möglichkeiten des Kontaktes und des Wissensaustauschs transparenter gemacht und besser umgesetzt werden. Wir sind allerdings der Ansicht, dass die Diskussion der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs in den Ziffern 26 und 27 in bestimmten Bereichen eine Vertragsfrage ist, zu der das Europäische Parlament bereits Stellung genommen hat.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir haben gegen diesen Bericht gestimmt, da durch ihn die Mitgliedstaaten und unsere einzelstaatlichen Richter, die den Eckpfeiler der Rechtsprechung in jedem souveränen Land darstellen, in nicht hinnehmbarer Weise unter Druck gesetzt werden.
Dieser Bericht macht deutlich, was mit der so genannten europäischen Verfassung und dem verblichenen Vertrag von Lissabon beabsichtigt war, der nunmehr in offen antidemokratischer Weise wieder mit Leben erfüllt werden soll. Im Bericht selbst wird die Absicht bekräftigt, eine einheitliche europäische Rechtsordnung zu schaffen. Zu diesem Zweck sind die „einzelstaatlichen Richter stärker einzubeziehen und ist ihnen bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts mehr Verantwortung zu übertragen“.
Einzelstaatliche Richter üben eine wichtige Funktion als Garanten der Rechtsstaatlichkeit einschließlich des Gemeinschaftsrechts aus. Jedoch dürfen das Subsidiaritätsprinzip und verfassungsrechtliche Fragen in den Mitgliedstaaten nicht im Namen des „Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, der unmittelbaren Anwendbarkeit, der einheitlichen Auslegung und der Haftung des Staates für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht“ in Frage gestellt werden, wie dies von der Kommission und der Mehrheit im Europäischen Parlament beabsichtigt ist. Es ist nicht hinnehmbar, dass dieser Druck auch nach der Ablehnung des Vertrages weiterhin aufrechterhalten wird.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der vorliegende Bericht ist uns gegenüber vollkommen offen und ehrlich. Schon Ziffer 1 enthält seine Zielsetzung: Die Schaffung einer einheitlichen europäischen Rechtsordnung.
In diesem Bericht, einer wahren Apologie des Gemeinschaftsrechts, geht es nämlich darum, die einzelstaatlichen Richter stärker einzubeziehen und ihnen bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts mehr Verantwortung zu übertragen. So wird eine baldmöglichste Einbindung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und der entsprechenden Rechtsprechung in einzelstaatliche Gesetzbücher angeregt.
In dem Bericht wird die Idee einer Verschmelzung der einzelstaatlichen Rechtsordnungen und der gemeinschaftlichen Rechtsordnung weiterverfolgt, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt die Frage nach dem Übermaß an gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, ihrer unklaren Formulierung und ihrem häufigen Mangel an Kohärenz gestellt wird.
Dieser Trend zur Vereinfachung und Kodifizierung der Gemeinschaftsrechtsetzung ist zweifellos etwas Positives. Gleiches gilt für die Verabschiedung gesetzlicher Regelungen zur Gewährleistung der Rechtssicherheit. Ich denke vor allem an die Rechtsvorschriften zur Harmonisierung der Regelung von Normenkollisionen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs erweist sich allerdings häufig als gefährlich für die Durchsetzung des nationalen Rechts, das den verbindlichen Grundsätzen und Dogmen des Gerichtshofs unterworfen ist, selbst wenn sie in offenkundigem Widerspruch zu den solidesten Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten stehen.
Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) „Beim Geld hört die Freundschaft auf“ ...
Ich möchte auf einen weiteren Widerspruch zwischen der EU und den Vereinigten Staaten zu sprechen kommen, der diesmal im Flugzeugbau offen zu Tage tritt, wo jede Seite trotz der 1992 geschlossenen Vereinbarung über staatliche Beihilfen versucht, ihre Interessen zu verteidigen, denn genau darum geht es bei der Konkurrenz im Kapitalismus.
Im Europäischen Parlament wird beteuert, „die EU habe den Regelungen und dem Geist des Abkommens von 1992 stets uneingeschränkt Folge geleistet und für die Einhaltung dieses Abkommens regelmäßig den Nachweis erbracht“, während „die USA ihre Verpflichtungen weitgehend missachteten“, das Abkommen einseitig kündigten und „und ein WTO-Streitverfahren gegen die Europäische Union anhängig machten, wobei sie sich auf europäische rückzahlbare Finanzierungen beriefen, die dem Abkommen von 1992 uneingeschränkt entsprachen und mit den Finanzierungen vergleichbar sind, die Boeing gewährt wurden“.
Zugleich versucht das Europäische Parlament, angesichts der „erbitterten Angriffe“ Boeings und des US-Kongresses gegen die Vergabe des Auftrags für das Tankflugzeugkontingent der US-Luftwaffe an das Team von Northrop Grumman Corporation EADS, Öl ins Feuer zu gießen, indem darauf hingewiesen wird, dass „eine pragmatische Balance zwischen der Subventionierung der Zivilluftfahrt in Europa und den militärischen und industriellen Förderprogrammen in den Vereinigten Staaten zu schaffen ist“.
Es scheint, als hätten nicht alle Staaten ein Recht auf Souveränität und „freien Handel“ …
Brian Simpson (PSE), schriftlich. – (EN) Ich werde für diesen Bericht stimmen, und zwar nicht, weil ich Gefallen an WTO-Streitfällen finde oder weil ich unter einer USA-Paranoia leide, sondern weil ich vom jahrelangen protektionistischen Verhalten der Vereinigten Staaten, ganz besonders auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt, genug habe.
Die Amerikaner haben das Winseln und Klagen über andere Länder und deren Defizite beim Freihandel zur hohen Kunst entwickelt, sie selbst haben aber dafür gesorgt, dass bankrotte Fluggesellschaften weiter im Geschäft bleiben können, und sie selbst haben vorgeblich Millionen von Dollar als Beihilfen in Boeing fließen lassen.
Zu Recht unterstützt der Ausschuss für internationalen Handel die EU bei ihrer Klage vor der WTO gegen die USA.
Wir alle sollten uns hier für einen fairen und offenen Wettbewerb zwischen den Flugzeugherstellern und für Wahlfreiheit der Fluggesellschaften, sich für die für ihre Zwecke am besten geeigneten Flugzeuge zum günstigsten Preis zu entscheiden, einsetzen.
Der offizielle Wahlspruch der USA lautet: „Wir vertrauen auf Gott“. Das sollte man vielleicht umändern in: „Mach mir nicht nach, was ich tue. Tu das, was ich sage“.
Göran Färm (PSE),), schriftlich. − (SV) Wir schwedischen Sozialdemokraten haben für den Bericht Buzek über den Europäischen Strategieplan für Energietechnologie gestimmt.
Wir stehen der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid positiv gegenüber, bezweifeln jedoch die Notwendigkeit der Förderung beispielsweise der Kohlevergasung zur Weiterentwicklung dieser Technik. Ferner befürworten wir Forschung und Entwicklung in Bezug auf neue Energiequellen, die geringe bzw. keine Kohlendioxidemissionen verursachen.
Wir unterstützen eine Mitfinanzierung dieser Forschung durch die Union, sind aber nicht der Ansicht, dass wir dem Haushaltsverfahren vorgreifen sollten, indem wir die Kommission bereits jetzt zur Bereitstellung einer bestimmten Summe auffordern. Aus diesem Grunde haben wir uns in diesen beiden Punkten der Stimme enthalten.
Marian Harkin (ALDE), schriftlich. – (EN) Ich stimme gegen den zweiten Teil von Ziffer 26, da Kernkraft meiner Ansicht nach keine Initiative mit Priorität sein sollte. Ich werde aber für den Bericht stimmen, da er sich die Beschleunigung von Innovation in den führenden europäischen Kohlendioxid-Einsparungstechnologien zum Ziel gesetzt hat. Es ist entscheidend, dass Europa über einen Energieforschungsplan verfügt, der seine ehrgeizige Energiepolitik und seine anspruchsvollen Vorhaben zum Klimawandel unterstützen soll.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich teile die Meinung von Jerzy Buzek in Bezug auf die Einführung neuer Energietechnologien angesichts der schwierigen Aufgaben, die vor der Europäischen Union stehen, nämlich im Umweltschutz, bei der Energieversorgungssicherheit und der Beibehaltung des hohen Niveaus der Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Darüber hinaus teile ich auch die Ansicht des Berichterstatters dahin gehend, dass die im derzeitigen Finanzierungsrahmen der EU für neue Energietechnologien vorgesehenen Ressourcen nicht ausreichen. Wir müssen daran denken, dass Erfolg auf dem Gebiet der neuen Energietechnologie durch eine Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor erreicht werden soll.
Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − Die von der EU anvisierte Vergrößerung des Biosprit-Anteils hat ja leider recht rasch negative Auswirkungen nach sich gezogen. Monokulturen, Abholzung von Regenwäldern und Konkurrenz zur Futter- und Lebensmittelproduktion, was auch zur aktuellen Lebensmittelkrise beigetragen hat, haben nun die EU-Minister anscheinend doch zu einem Umdenken bewegt und das fixierte Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor bis 2020 auf 10 % zu erhöhen, ins Schwanken gebracht.
Zwar ist zu begrüßen, wenn die Biosprit-Erzeugung nicht länger aus Lebensmitteln stattfinden soll und man auf Biokraftstoffe der zweiten Generation – etwa aus Abfällen – warten möchte, dies darf jedoch keineswegs zu einem Nachlassen der EU-Bemühungen im Bereich erneuerbarer Energien führen. Die dramatischen Ölpreisentwicklungen machen eine Förderung erneuerbarer Energie wichtiger denn je. Jene Milliarden, die für die problematische Atomstrom-Erzeugung ausgegeben werden, sind in erneuerbare Energien zu stecken.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Sind diese staatlich kontrollierten Fondsgesellschaften
, die Staatsfonds
, die überall in der Welt investieren, eine gute oder schlechte Sache? Sie sind, wenn man dem vorliegenden Entschließungsantrag glauben soll, eher eine gute Sache. Ein wegen seiner eigenen Wirtschafts- und Währungspolitik wirtschaftlich stagnierendes Europa kann es sich jedoch nicht leisten, die Tausende von Milliarden Euro potenzieller Investitionen, die sie darstellen, zu verschmähen.
Zwar sind bisher keine Turbulenzen auf den Finanzmärkten den Aktivitäten der Staatsfonds zuzuschreiben
(diese sind dem US-amerikanischen Bankensystem sogar zu Hilfe gekommen) und ist bei ihrer Investitionsstrategie eine Präferenz
für langfristige Investitionen deutlich geworden
, doch kann sich dies ändern. Wir alle wissen um die mangelnde Transparenz der meisten dieser Fonds im Hinblick auf die Höhe ihrer Ressourcen, die Verteilung ihrer Vermögenswerte, ihre Governance-Strukturen, ihre Investitionsstrategien
, die von ethischen Investitionen bis zum Streben nach hohen Gewinnen, beherrschenden Stellungen und vielleicht der Fähigkeit, künftig schweren Schaden zu verursachen, reichen. Die Staaten, die Inhaber dieser Fonds sind, sind keineswegs allesamt Freunde Europas. Einer von ihnen hat bereits mit der „finanziellen Atomwaffe“ gedroht“.
Anstatt jedoch gegen diesen Text zu stimmen, werden wir uns der Stimme enthalten, weil darin ungeachtet der Befürwortung des weltweiten freien Kapitalverkehrs gleichwohl mit Bedacht eine gewisse Überwachung dieser Fonds sowie ein Schutz vor ihnen gefordert werden.
Glyn Ford (PSE), schriftlich. – (EN) Diese Entschließung behandelt einen wichtigen Gegenstand. Staatlich kontrollierte Fondsgesellschaften spielen eine immer wichtigere Rolle für Handel und Investitionen weltweit. Das ist teilweise positiv zu bewerten, was aber nicht immer der Fall ist, da ihre nicht zur Rechenschaft verpflichteten Verwaltungen Entscheidungen zur Maximierung kurzfristiger Gewinne zu Lasten von Ländern, Gemeinden und Familien treffen. Wir müssen nach Möglichkeiten suchen, Transparenz und Verantwortlichkeit für diese Ressourcen zu erhöhen, die oft die den Nationalstaaten zur Verfügung stehenden Ressourcen übersteigen.
Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. – (FI) Herr Präsident! Der Bericht von Herrn Rack über eine neue Kultur der Mobilität in der Stadt, dem wir zugestimmt haben, ist ein wichtiger Bestandteil des neuen umfassenden Ansatzes der Kommission in Bezug auf das Energie- und Klimapaket. Mithilfe einer vernünftigen und effizienten Stadt- und Verkehrsplanung lassen sich in Europa erhebliche Reduzierungen bei den Emissionen erreichen.
Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer geografischen Lage und ihrer Lebensbedingungen voneinander unterscheiden. Gerade deshalb habe ich für die beiden Änderungsanträge unserer Fraktion gestimmt. Ich stamme aus einem Land mit großen Entfernungen und vergleichsweise kleinen Städten. Es ist völlig klar, dass die Möglichkeiten zur Verringerung von privaten Autofahrten beispielsweise in den dünn besiedelten städtischen Gemeinden im Norden Finnlands deutlich geringer sind als in den dicht besiedelten Gebieten Mitteleuropas.
Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − Ich stimme für den Bericht von Reinhard Rack über eine neue Kultur der Mobilität in der Stadt. Der Berichtsentwurf für das Grünbuch stellt einen wichtigen Beitrag zum Thema Urbanität dar. Die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt und ihre Zugänglichkeit bedingen eine bessere Mobilität, die allerdings nicht auf Kosten der Bevölkerung und der Umwelt gehen darf.
Daher müssten in diesem Entwurf die sozialen Aspekte bzw. die Beschäftigungspolitik mehr beachtet werden. Es muss einem weiters bewusst sein, dass eine einheitliche europaweite Lösung auf Grund der Verschiedenheit der Länder nicht möglich sein wird und daher das Subsidiaritätsprinzip weiterhin streng einzuhalten ist. Auch müsste meiner Meinung nach in den Ländern, in welchen bereits Liberalisierung stattgefunden hat, eine Evaluierung der Liberalisierungsauswirkungen auf die Beschäftigten stattfinden. Des Weiteren fordere ich ein Zertifizierungssystem für Nachrüstsysteme bei Partikelfiltern für PKW, LKW und Off-Road-Fahrzeuge.
Das Grünbuch zeigt die Probleme, welche heute in der städtischen Mobilität aufscheinen, zwar weitgehend auf und stellt auch neue und innovative Lösungsansätze vor, jedoch beinhaltet es bei weitem nicht alle notwendigen Aspekte und darf daher erst den Anfang der Diskussion darstellen.
Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Der Berichterstatter zeigt die wichtigsten Bereiche auf, an denen sich die Europäische Union im Hinblick auf die Problematik der Mobilität in der Stadt beteiligen sollte.
Der Berichterstatter weist zu Recht darauf hin, dass die Probleme auf dem Gebiet der Mobilität in der Stadt überall in der EU ähnlich sind. Es ist jedoch nicht möglich, ein einheitliches Lösungskonzept für diese Probleme zu entwickeln. In diesem Punkt ist die Auffassung des Berichterstatters in Bezug auf die Möglichkeit einer Stadt oder Gemeinde, die zur Erreichung der gesetzten Zielstellungen in Frage kommende Methode selbst auszuwählen, sinnvoll, und ich möchte betonen, dass ich diese Meinung unterstütze.
Erik Meijer (GUE/NGL), schriftlich. − (NL) Städte und Gemeinden sind dicht besiedelt, verfügen kaum über unbebauten Raum und haben mit großen Verkehrsströmen über relativ kurze Strecken zu kämpfen. Angesichts des knappen Raums ist kein Platz für dichten Fahrzeugverkehr. Auch wegen der Lärmbelästigung und Luftverschmutzung sollten wir uns darum bemühen, die Zahl der Fahrzeuge in unseren Städten möglichst zu reduzieren. Selbstverständlich müssen die Städte für die Feuerwehr, Polizei, Krankenwagen, Möbelwagen und Fahrzeuge von Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit erreichbar sein, aber der sehr begrenzte unbebaute Raum muss vor allem Fußgängern, Radfahrern, Straßenbahnen, spielenden Kindern sowie Parks und Gärten vorbehalten sein. Erst dann ist die Stadt lebenswert.
In dem Text, der heute zur Abstimmung steht, wird diese klare Wahl nicht getroffen, sondern lediglich versucht, widerstreitende Interessen und Ideen unter einen Hut zu bringen. Erfreulicherweise fällt dieser Bereich nicht in die Zuständigkeit der EU. Die EU kann einzig und allein beim Austausch bewährter Verfahren, guter Erfahrungen mithelfen, die mittlerweile bei Verbesserungen gesammelt worden sind. Diese Verbesserungen sind nicht nur für die Stadt von Bedeutung, die sie bereits umgesetzt hat, sondern sie sind auch Ansporn für andere. Beispiele hierfür sind die Mautreglung im Zentrum von London, die neuen Straßenbahnnetze in Straßburg und Bordeaux oder die schon lange geltende Beschränkung des Autoverkehrs in der Innenstadt von Groningen anzuführen. Leider wird die EU aufgrund dieses Berichts kaum einen Beitrag dazu leisten.
Gabriele Stauner (PPE-DE), schriftlich. − Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, weil die EU für diesen Bereich nicht zuständig ist. Es dient nicht der Rechtsklarheit und macht Europa auch nicht bürgernäher, wenn das Parlament sich in Initiativberichten zu Materien äußert, die nicht in die Regelungskompetenz der EU fallen.
Jan Andersson, Göran Färm, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE),), schriftlich. − (SV) Wir haben für den Bericht Schmidt über den Jahresbericht der EZB bestimmt, möchten jedoch mit Blick auf den Text der Begründung, in dem es um die Notwendigkeit der Einführung des Euro in Schweden geht, darauf hinweisen, dass wir das Ergebnis der schwedischen Volksbefragung von 2003 respektieren, bei der sich Schweden für eine Beibehaltung der Krone als Währung entschieden hat.
Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Wir haben gegen diesen Bericht gestimmt, weil darin wiederum die Arbeit der Europäischen Zentralbank unterstützt und keine Kritik an den ständigen Erhöhungen des Leitzinses geübt wird, obwohl dieser derzeit bereits 4,25 % erreicht hat und damit deutlich über dem Leitzins der US-Notenbank „Federal Reserve“ liegt.
Des Weiteren wird im Bericht die Tatsache ignoriert, dass die Tätigkeit der Bank Arbeitnehmern, der Bevölkerung insgesamt sowie Kleinstunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen zum Schaden gereicht. Die Tätigkeit der Bank dient einzig und allein den Interessen der Großkonzerne und des Finanzkapitals, selbst wenn dadurch Probleme für anfällige und abhängige Wirtschaftssysteme wie in Portugal entstehen.
So ist diese Erhöhung in Verbindung mit der Überbewertung des Euro beispielsweise in Portugal, wo die Verschuldung bereits 114 % des BIP erreicht hat, ein weiterer Nagel am Sarg von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen. Sie vergrößert das Handelsbilanzdefizit und vertieft die Abhängigkeit des Landes. Damit wird es immer schwieriger, Arbeitslosigkeit, Gelegenheitsarbeit, Niedriglöhnen und allgemeinen Preiserhöhungen entgegenzutreten, wenn man sich vor Augen hält, dass die Verschuldung der Haushalte in Portugal derzeit 129 % des verfügbaren Einkommens erreicht hat.
Wir bekräftigen daher die Notwendigkeit, mit dieser rechtsgerichteten Politik und der falsch verstandenen Selbstständigkeit der EZB Schluss zu machen, da sie einzig und allein dazu dienen, die Unterstützung des Großkapitals zu verschleiern.
Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht Schmidt ist das jährliche Klopfen dieses Parlaments auf die Schulter der Europäischen Zentralbank für ihre Wohltaten.
Wie gewöhnlich geht er offensichtlich am Kern des Problems vorbei, nämlich dem ungeheuren Preisdruck, durch den die Kaufkraft der Europäer gemindert wird und woran zum Teil die EZB und die Europäische Union schuld sind. Niemand glaubt, dass die offiziellen Inflationszahlen (3 % für 2008 dem Bericht zufolge), bei denen es sich um bloße Durchschnittswerte handelt, die Realität der steigenden Lebenshaltungskosten für die Bürger widerspiegeln, insbesondere bei Grunderzeugnissen, Energie und Wohnung. Jeder erinnert sich an die Erklärungen der EZB-Gremien, die vor den inflationären Auswirkungen von Lohnerhöhungen warnten, als ob die Löhne dieser selbigen Europäer wegen des unfairen internationalen Wettbewerbs und der von der Europäischen Union geförderten Einwanderungspolitik nicht ständig nach unten gedrückt würden.
Was den stark überbewerteten Euro-Wechselkurs anbelangt, so erspart er uns zwar das Schlimmste angesichts steigender Ölpreise. Andererseits wird damit die Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Unternehmen gefährdet, die versucht sind, ihre Produktion in den Dollar-Raum zu verlagern, wie es Airbus getan hat.
Daher können wir diesem gegenseitigen Schulterklopfen nicht zustimmen.
Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. – (PL) In seinem Bericht über den EZB-Jahresbericht hat der Berichterstatter den Schwerpunkt auf die vor der Bank stehenden schwierigen Aufgaben gelegt. In den letzten Monaten hat es eine Vielzahl beunruhigender Informationen für europäische Volkswirtschaften gegeben. Leider weit mehr als im Jahr 2007. Durch die Krise der Finanzmärkte und den plötzlichen Anstieg der Öl- und Nahrungsmittelpreise wird das Wirtschaftswachstum verlangsamt, und die Inflation steigt. Auch ein möglicher Anstieg der Arbeitslosenzahlen erregt Besorgnis. Die EZB wird eine der führenden Institutionen sein, die versuchen müssen, diesen Herausforderungen zu begegnen.
Die im August 2007 eingeleiteten Maßnahmen haben den Finanzmärkten Liquidität zugeführt, aber das Grundproblem haben sie nicht gelöst. Auch die Zahl der Länder, die dem Euroraum beitreten, steigt. Die Slowakei wird das erste Land Mittel- und Osteuropas sein, das diesen Schritt geht. Aber sie wird mit Sicherheit nicht das letzte Land sein. Der Beitritt der anderen neuen EU-Mitgliedstaaten zum Euroraum scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die von der Slowakei diesbezüglich gemachten Erfahrungen werden zweifellos von den anderen Ländern der Region, die auch über einen Beitritt zur gemeinsamen Währung nachdenken, aufmerksam verfolgt.
Der Berichterstatter stellt zu Recht fest, dass Unterschiede im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau, unterschiedliche Wachstumsindikatoren oder Reifegrade der EU-Volkswirtschaften Probleme für den Entscheidungsfindungsprozess der EZB schaffen könnten. Aus diesem Grunde halte ich die Forderung nach einer Prüfung der Optionen für Veränderungen im Entscheidungsprozess der EZB für sinnvoll. In eine solche Prüfung sollten nicht nur die derzeitigen Mitglieder des Euro-Währungsgebiets, sondern auch künftige und potenzielle Mitglieder einbezogen werden.
David Martin (PSE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße den Bericht von Olle Schmidt über den Jahresbericht der EZB. Ich schließe mich der Aufforderung des Berichterstatters an die EZB an, ihre Beziehungen zu anderen Zentralbanken und wichtigen Institutionen weiter zu verbessern. Zudem mache ich mir auch die Empfehlung von Herrn Schmidt zu Eigen, dass Vorsicht bezüglich weiterer Zinsanhebungen walten sollte, um nicht das Wirtschaftswachstum in Gefahr zu bringen. Ich habe für die Bewertung des Berichterstatters gestimmt.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) In der Entschließung, gegen die wir, die MdEP der Kommunistischen Partei Griechenlands, gestimmt haben, wird in provozierender Weise versucht, 10 Jahre der Errichtung der WWU und die Einführung des Euro als großen Erfolg darzustellen, während Arbeitnehmer und die armen Schichten der Arbeiterklasse in der Gesellschaft der EU-Länder, darunter Griechenlands, die düsteren Folgen spüren, wie z. B. hohe Preise, Lohn- und Rentenstopps, Arbeitslosigkeit, übermäßige Besteuerung von Arbeitnehmern und armen Selbständigen sowie die Beseitigung von Arbeitsrechten, sozialen und demokratischen Rechten. Alle erzielten „Erfolge“ betreffen ausschließlich die Gewinne und Vermögenszuwächse europäischer Plutokraten und stehen den Interessen der Arbeiter und der Menschen diametral entgegen. Die Europäische Zentralbank als bloßes Instrument des europäischen Kapitals muss in dieser Hinsicht eine aktivere und wirksamere Rolle spielen, wenngleich sie hierfür unliebsame Maßnahmen wie die Erhöhung von Zinssätzen usw. ergreifen muss.
Die Anmerkungen und Bedenken der Entschließung zu den Währungsturbulenzen und zur Frage des Zusammenhalts der EU, die weiterhin bestehen und sich faktisch noch weiter ausbreiten, bestätigen unsere Einschätzung hinsichtlich der anhaltenden und unvermeidbaren Krisen des kapitalistischen Systems und seines unverhältnismäßigen Wachstums sowie hinsichtlich der Notwendigkeit, es zu stürzen und durch ein vom Volk getragenes System der Wirtschaftsplanung zu ersetzen, bei dem die Macht bei den Menschen liegt, und hinsichtlich der Notwendigkeit, die Verbindungen zur imperialistischen EU abzubrechen. Innerhalb der EU kann es keinen Weg zu einem Wachstum geben, das dem einfachen Volk Priorität einräumt.
8. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
(Die Sitzung wird um 13.15 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident
9. Europäische Satellitennavigationsprogramme (EGNOS und Galileo) (Unterzeichnung des Rechtsakts)
Der Präsident. − Herr Präsident des Rates, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der öffentlichen Unterzeichnung des Rechtstextes zum Galileo-Programm unterstreichen wir die Bedeutung, die wir den europäischen Satellitennavigationsprogrammen EGNOS und GALILEO beimessen. Die heute unterzeichnete Verordnung ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass vieles nur gemeinsam im Rahmen der Europäischen Union erreicht werden kann und nicht allein von einzelnen Mitgliedstaaten. Mit EGNOS und GALILEO kann und wird die Europäische Union eine europäische Alternative und Ergänzung zu anderen Systemen aufbauen. Gleichzeitig stärken wir damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie in wichtigen Zukunftstechnologien.
GALILEO soll aus einem Netz von dreißig Satelliten und einer Bodenkontrollinfrastruktur bestehen. Der Verordnungstext, den wir heute unterzeichnen, ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den europäischen Institutionen, die in erster Lesung zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden konnten.
Die Institutionen fanden Lösungen, die die Errichtung eines solch hochkomplexen technischen Systems ermöglichen, vor allem auch durch eine Gemeinschaftsfinanzierung in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Damit kann spätestens ab 2013 die Nutzung von GALILEO starten.
Als Präsident des Europäischen Parlaments möchte ich mich ganz besonders sowohl bei der Vorsitzenden des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, Angelika Niebler, und bei der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Etelka Barsi-Pataky, für ihre erfolgreiche Arbeit als auch bei der slowenischen Präsidentschaft für ihren bedeutenden Einsatz bei diesem für die Zukunft so wichtigen Dossier sehr herzlich bedanken.
(Beifall)
Mit dieser öffentlichen Unterzeichnung möchte ich auch unterstreichen, dass wir weiter hart und engagiert arbeiten werden, um konkrete Ergebnisse für unsere Bürgerinnen und Bürger zu erzielen. Vielen Dank, dass Sie dabei sind, und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich darf jetzt Herrn Jean-Pierre Jouyet bitten, als Vertreter des Rates zu uns zu sprechen.
(Beifall)
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Mittels des von der Europäischen Union und der Europäischen Weltraumorganisation lancierten Satellitenfunknavigationssystems werden nunmehr sehr exakte Positions- und Zeitbestimmungen möglich sein. Ich schließe mich der Anerkennung an, die Sie, Herr Präsident, dem slowenischen Vorsitz für den erfolgreichen Abschluss dieses schwierigen Abkommens gezollt haben. Meine Anerkennung gilt ebenso Frau Niebler, Vorsitzende des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, Ihrer Berichterstatterin, sowie jenen führenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die die Verabschiedung dieser Verordnung ermöglicht haben.
Mit der heutigen Verabschiedung der Galileo-Verordnung vollziehen wir tatsächlich einen sehr wichtigen Schritt nach vorn. Damit kann das aus öffentlichen Mitteln finanzierte globale Satellitenpositionssystem errichtet werden. Dieses System besteht, wie Herr Pöttering betonte, aus 30 Satelliten und entsprechenden Bodenkontrollstationen und wird Nutzern in einer Vielzahl von Sektoren Informationen über ihren Standort bieten. Für viele Mitbürger wird daran mithin erkennbar, dass Europa wirklich vorangeschritten ist.
Das System wird nicht nur unsere Unabhängigkeit gewährleisten, indem das von ihm gesendete Signal an die Stelle des US-amerikanischen GPS-Signals, beispielsweise bei einem Ausfall dieses Dienstes, treten könnte, sondern darüber hinaus Dienste anbieten, die über das GPS heute nicht verfügbar sind: Ortung von Personen in einer Notlage, was für die Aufgaben, die Europa seinen Bürgern gegenüber wahrzunehmen hat, ebenfalls enorm wichtig ist, oder die Einrichtung eines sicherheitskritischen Dienstes, der besonders für das Flugverkehrsmanagement geeignet ist. Galileo wird mithin für das Alltagsleben unserer Mitbürger konkrete Ergebnisse zur Folge haben.
Die Europäische Kommission, Frau Kommissarin, und die Europäische Weltraumagentur, haben das Ausschreibungsverfahren für die Unternehmen eingeleitet, die an den verschiedenen zugeteilten Segmenten zur Durchführung dieses Systems beteiligt sein werden, und selbstverständlich ist die Einrichtung von Galileo auch für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie von großer Bedeutung.
Alles in allem wird die Verwaltung des Galileo-Programms der politischen Kontrolle des Parlaments und des Rates unterstellt werden. Sie dürfen versichert sein, dass der französische Vorsitz zu einer sehr engen Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament entschlossen ist; er schlägt vor, dass der Interinstitutionelle Galileo-Ausschuss, GIP, in dem die drei EU-Organe – Kommission, Parlament und Rat – zusammengeschlossen sind, baldmöglichst zusammentreten wird, um die Bedingungen zu besprechen, die für die erfolgreiche Durchführung dieses für die Europäische Union insgesamt strategisch wichtigen Programms notwendig sind.
Der Präsident. − Herzlichen Dank, Herr Minister Jouyet! Wir werden jetzt gemeinsam, Herr Minister Jouyet und ich, die GALILEO-Verordnung unterzeichnen und ich darf die Kommissarin, Frau Ferrero-Waldner, die Vorsitzende des Industrieausschusses, Angelika Niebler, und die Berichterstatterin, Etelka Barsi-Pataky, bitten, dass sie dann auch hier vorne dabei sind.
(Unterzeichnung der GALILEO-Verordnung)
(Beifall)
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
10. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
11. Lage in China nach dem Erdbeben und im Vorfeld der Olympischen Spiele (Aussprache)
Der Präsident. - Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in China nach dem Erdbeben und im Vorfeld der Olympischen Spiele.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! China ist ein strategisch wichtiger Partner der Europäischen Union. Unsere politischen und kommerziellen Beziehungen sind besonders intensiv; ich möchte darauf hinweisen, dass die Europäische Union Chinas größter Handelspartner ist.
Die Mitwirkung Chinas auf internationaler Ebene, beispielsweise bei der Lösung der großen regionalen und weltweiten Probleme, ist für die EU von enormer Wichtigkeit. Ein weiteres Ziel der Union besteht in der Förderung der Entwicklung Chinas und der dortigen Reformen, und zwar im Interesse nicht nur des Landes selbst, sondern – angesichts seiner Größe – auch des gesamten Planeten; vor diesem Hintergrund haben wir die Folgen des Erdbebens in der Provinz Sichuan im Mai dieses Jahres mit ernster Besorgnis verfolgt und vermochten wir das Ausmaß dieser Katastrophe zu ermessen, bei der es über 70 000 Tote und 18 000 Vermisste gab und deren endgültige Zahl an Todesopfer leider 80 000 wohl überschreiten wird. Außerdem sind mehr als 5 Millionen Menschen obdachlos. Das Erdbeben sowie seine gewaltigen menschlichen und materiellen Verluste haben China veranlasst, wochenlang seinen gesamten Staatsapparat zu mobilisieren, und die von China unternommenen Anstrengungen, rasch und wirksam auf die Katastrophe zu reagieren, fanden die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft.
Die Europäische Union hat zügige humanitäre Hilfe geleistet; der Zivilschutzmechanismus der Gemeinschaft ist am 13. Mai zur Koordinierung der Beiträge der Mitgliedstaaten in Nahrungsmittel unverzüglich aktiviert worden; eine Hilfe der EU, einschließlich der Mitgliedstaaten, in Höhe von 25 Millionen Euro, von denen 2,2 Millionen Euro von der Kommission beigesteuert wurden, ist über das Rote Kreuz zugeleitet worden.
Unseres Erachtens hat China bei den Hilfsaktionen allgemeinen eine durch Effizienz gekennzeichnete Rolle gespielt und unternimmt nun mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft gewaltige Anstrengungen, um die Folgen der Katastrophe zu mildern. Die chinesischen Behörden zeigten sich ausländischer Hilfe und der Berichterstattung über dieses Ereignis in den Medien gegenüber sehr aufgeschlossen; für ihre außergewöhnlichen Hilfs- und Wiederaufbaubemühungen zollen wir ihnen daher Anerkennung.
Andererseits haben wir alle, wie Sie wissen, die Vorkommnisse in Tibet aufmerksam und mit einiger Besorgnis verfolgt, und wir werden die weiteren Entwicklungen in dieser Region wachsam verfolgen. In der Erklärung des slowenischen Vorsitzes vom 17. März im Namen der Europäischen Union äußerte sich die EU zutiefst besorgt über die ihr zugehenden Berichte über Unruhen in Tibet und brachte den Familienangehörigen der Opfer ihr tief empfundenes Mitgefühl sowie ihr Beileid zum Ausdruck. Sie forderte alle Seiten zur Zurückhaltung auf; an die chinesischen Behörden richtete sie den eindringlichen Appell, keine Gewalt anzuwenden, und von den Demonstranten forderte sie ebenfalls den Verzicht auf Gewalt.
In unseren Botschaften an die chinesischen Behörden ersuchten wir um die Aufnahme eines Dialogs mit dem Dalai Lama zwecks Erörterung der wesentlichen Fragen wie der Erhaltung der tibetischen Kultur, Religion und Traditionen. Des Weiteren haben wir mit Nachdruck Transparenz der Informationen sowie die Möglichkeit des freien Zugangs der Medien, Diplomaten, Touristen und UNO-Agenturen nach Tibet verlangt. Seit Mitte Juni ist Tibet für Touristen wieder geöffnet.
Ferner haben wir die informelle Begegnung vom 4. Mai zwischen den chinesischen Behörden und den Gesandten des Dalai Lama, die wir für einen Schritt in die richtige Richtung halten, begrüßt und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sie zu einer weiteren Runde konstruktiver Gespräche mit dem Dalai Lama führen wird. Die chinesischen Behörden und die Vertreter des Dalai Lama sind erneut am 1., 2. und 3. Juli in Peking zusammengekommen. Selbstverständlich ist es noch zu früh, um zu dieser Gesprächsrunde Stellung zu nehmen, wir hoffen aber auf eine konstruktive Vorgehensweise beider Seiten.
Die chinesischen Behörden haben bestätigt, dass die Zentralregierung in Peking und der Vertreter des Dalai Lama eine Fortsetzung ihrer Kontakte und Konsultationen vereinbart haben; desgleichen brachten sie ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Öffnung Tibets für Touristen und sonstige Personen in naher Zukunft, nach Wiederherstellung der Ordnung in der Provinz, möglich sein werde.
Was die Anwesenheit bei der Eröffnungsfeier anbelangt, so wird jeder Mitgliedstaat entscheiden, auf welcher Ebene er vertreten sein wird. Gestatten Sie mir hierzu den Hinweis darauf, dass China mehrfach betont hat, alle führenden Persönlichkeiten der EU seien herzlich willkommen.
Nach Konsultation aller seiner Amtskollegen im Europäischen Rat hat der Präsident der Republik seine Absicht angekündigt, an den Eröffnungsfeierlichkeiten in seiner doppelten Eigenschaft als Präsident der französischen Republik und als amtierender Ratsvorsitzender teilzunehmen.
Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, damit sind die Informationen, die ich Ihnen heute zur Kenntnis bringen wollte, beendet.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich bin überzeugt, dass die strategischen Beziehungen zwischen der EU und China für die Europäische Union und, wie ich glaube, auch für China und den Rest der Welt von entscheidender Bedeutung sind.
Im Rückblick war dieser Frühling ein Prüfstein für die Beziehungen zwischen der EU und China. Die Unruhen in Tibet haben in Europa zu einer Welle des Protestes und zu Störungen des olympischen Fackellaufs in verschiedenen europäischen Hauptstädten geführt. Letzteres wiederum hat ein Anschwellen nationalistischer Emotionen in China und antieuropäische Ressentiments ausgelöst, die in Boykottkampagnen gegen europäische Interessen in China umschlugen. Im Ergebnis stieg die Beunruhigung über die größer werdende Distanz zwischen der öffentlichen Meinung in Europa und in China und der wechselseitigen Wahrnehmung.
Glücklicherweise erwiesen sich diese Entwicklungen als eher kurzlebig. Für die Umkehrung des sich herausbildenden Trends waren zwei Ereignisse entscheidend. Eines war der Kommissionsbesuch in Peking vom 24. bis 26. April, an dem ich mit Präsident Barroso teilgenommen habe, das andere war die Folge des furchtbaren Erdbebens im Mai in der Provinz Sichuan.
Ich möchte mich jedem dieser Ereignisse gesondert zuwenden. Erstens lag der Fokus unseres Besuchs Ende April auf nachhaltiger Entwicklung und Klimawandel, Der Besuch bot jedoch auch Gelegenheit, die Bedenken der EU zur Lage in Tibet direkt gegenüber der chinesischen Führung anzusprechen. Sie werden sich erinnern, dass ich in meiner Rede hier im Parlament am 26. März einen Neubeginn von Gesprächen zwischen den Vertretern des Dalai Lama und der chinesischen Regierung gefordert habe. Präsident Hu Jintao teilte uns während der Gespräche im April mit, dass China in Kürze wieder Gespräche mit den Vertretern des Dalai Lama aufnehmen würde. Das war eine Schlüsselforderung der Europäischen Union.
Dieses Ergebnis unseres Besuchs in Peking hat bewiesen, dass der konsequente Einsatz der Kommission für ein konstruktives Engagement mit China zu praktischen Ergebnissen führte und das Vorgehen somit richtig war.
Das andere Ereignis, das einen Wendepunkt in den Beziehungen Chinas zum Rest der Welt markierte, war, wie der Herr Ratspräsident schon ausführte, das Erdbeben in Sichuan. Das Ausmaß der durch das Erdbeben ausgelösten humanitären Katastrophe und die Leiden der Menschen waren gewaltig: es wurden 70 000 Tote gemeldet, 10 Millionen Menschen mussten aus ihren Wohnorten fliehen.
Dies löste eine Welle internationaler Anteilnahme und Unterstützung für die Opfer aus. Noch wichtiger war die rasche und gut koordinierte Reaktion der chinesischen Regierung auf das Erdbeben, die über 130 000 Soldaten für Rettungsmaßnahmen einsetzte und der Presse freien Zugang zu den betroffenen Gebieten gewährte. Diese Reaktion setzte das heutige China in ein positiveres Licht.
Der Herr Ratspräsident erwähnte schon, welche Hilfen von uns insgesamt als Europäische Union zur Verfügung gestellt wurden; deshalb sind weitere Ausführungen meinerseits dazu nicht erforderlich. Lassen Sie mich direkt zur jetzigen Situation übergehen.
Aus chinesischer Sicht werden vom heutigen Tag bis zum Ende des Jahres drei Ereignisse entscheidend auf die Beziehungen EU-China einwirken, und ich denke, dass sich dies für uns ähnlich darstellt: die Olympiade in Peking, der vom 24.-25. Oktober in Peking stattfindende ASEM-Gipfel und der EU-China-Gipfel, der am 1. Dezember in Frankreich stattfinden soll. In dieser Zeit wird die chinesische Führung Meinungen aus dem Ausland besonders aufmerksam verfolgen. Wir müssen jetzt, und zwar mehr als je zuvor, jegliche Missverständnisse vermeiden und unsere Politik des konstruktiven Engagements fortsetzen.
In diesen Monaten wird die Lage in Tibet weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Heute lässt sich sagen, dass wir zu einer Situation zurückgekehrt sind, wie sie vor dem 14. März bestand, da die Gespräche zwischen der chinesischen Regierung und den Vertretern des Dalai Lama Anfang Mai wieder aufgenommen wurden und letzte Woche eine Gesprächsserie stattfand. Ich schließe mich aber der Meinung an, dass uns noch keine vollständige Bewertung vorliegt. Wir werden beide Seiten weiterhin darin bestärken, ihre Gespräche in einer fruchtbaren und ergebnisorientierten Weise fortzusetzen.
Im vergangenen Monat, am 24. Juni, unternahm China einen positiven Schritt und ermöglichte ausländischen Touristen wieder den Zugang nach Tibet. Obwohl seit März wieder Besuche von Diplomaten und ausländischen Journalisten unter Aufsicht stattfinden, fordern wir weiterhin von den Chinesen freien Zugang für ausländische Journalisten.
Was die Olympischen Spiele betrifft, so hoffen wir alle auf eine Chance für China und die Welt, näher aufeinander zuzugehen. Wir wünschen China dabei Erfolg.
Der ASEM-Gipfel im Oktober, an dem ich teilnehmen werde, wird eine gute Gelegenheit bieten, den Stellenwert unserer Beziehungen zu China zu unterstreichen, und auf diese Weise wichtige globale Fragen voranbringen.
Abschließend hoffe ich, dass wir besonders bei unserem nächsten EU-China-Gipfel konkrete Fortschritte bei einer Reihe von für beide Seiten wichtigen Fragen erreichen können, wie zum Beispiel Klimawandel, die laufenden Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und China, Menschenrechte sowie Wirtschafts- und Handelsfragen. Das sind unsere Ziele für den Zeitraum von heute bis zum 1. Dezember. Ich halte es für entscheidend, dass die strategische Partnerschaft EU-China kontinuierlich weiterentwickelt wird, wobei auch die vorhandenen Probleme berücksichtigt werden.
Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ratspräsident, verehrte Frau Kommissarin! Zunächst möchte meine Fraktion auf die mit großer Mehrheit angenommene Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Mai dieses Jahres zur Naturkatastrophe in China und zur Lage in Tibet verweisen.
Die EVP-ED-Fraktion begrüßt das große Engagement der chinesischen Regierung beim Wiederaufbau der vom Erdbeben betroffenen Gebiete. Wir erwarten aber auch, dass die chinesische Regierung sicherstellt, dass die neuen Häuser und Gebäude in jedem Fall erdbebensicher errichtet werden, denn wir müssen daran erinnern, dass es leider aufgrund von Baumängeln zum Einsturz vieler Schulen gekommen ist und viele Schüler zu Tode gekommen sind. Wir erwarten, dass diese Frage aufgeklärt wird und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Die EVP-ED-Fraktion beobachtet mit großer Sorge, dass die chinesische Regierung bisher die Ausrichtung der Olympischen Spiele nicht dazu genutzt hat, die Wahrung der universellen Menschenrechte in China zu verbessern. Im Gegenteil! Die Einschüchterungen von Bürgern und die Beschränkung von Medienvertretern vor den Olympischen Spielen scheinen noch zuzunehmen.
Daher fordern wir die chinesische Regierung auf, die universellen Bürgerrechte, insbesondere die Pressefreiheit, zu den Olympischen Spielen herzustellen und sie auch danach zu gewährleisten.
(Beifall)
Schließlich appelliert die EVP-ED-Fraktion an die chinesische Regierung, die laufenden Gespräche mit dem Dalai Lama ernsthaft zu führen und zu einem klaren Ergebnis auch für die kulturelle Autonomie Tibets zu führen. Es wäre für uns unakzeptabel, sollte die chinesische Regierung diese Gespräche nur nutzen, um über die Olympischen Spiele hinwegzukommen, um sie anschließend scheitern zu lassen.
Wir erwarten positive Ergebnisse für die kulturelle Autonomie und für die Menschenrechte in Tibet!
(Beifall)
Libor Rouček, im Namen der PSE-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meine Bewunderung dafür zum Ausdruck bringen, wie die chinesischen Behörden mit den Folgen des katastrophalen Erdbebens umgegangen sind, das die Provinz Sichuan erschüttert und nahezu 10 Millionen Menschen betroffen hat. Ich begrüße es sehr, dass China seine Grenzen unverzüglich für ausländische Helfer geöffnet hat, und ich kann im Namen der PSE-Fraktion zusichern, dass wir weiterhin alles tun werden, was in unserer Macht steht, damit die Hilfe aus Europa schnell und effizient an Ort und Stelle gelangt. Was Tibet betrifft, freue ich mich über die Wiederaufnahme der Kontakte und über die beiden Gesprächsrunden, die zwischen den chinesischen Behörden und den Gesandten des Dalai Lama stattgefunden haben. Ich halte das angesichts der Ereignisse im März für einen viel versprechenden Anfang, und ich glaube auch, dass diese Kontakte und Gespräche fortgesetzt werden, bis eine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden ist. Vor kurzem hat China Tibet für ausländische Touristen wieder geöffnet, und laut Meldungen der New York Times wurden bereits über 1 000 Tibeter, die nach den Märzunruhen verhaftet worden waren, wieder freigelassen. Dennoch möchte ich die chinesischen Behörden dazu auffordern, den Angehörigen der noch immer Inhaftierten zumindest Informationen über deren Aufenthaltsort zukommen zu lassen. In Bezug auf die Olympischen Spiele wünsche ich sowohl China als auch dem Olympischen Komitee angenehme und erfolgreiche Spiele, da ich überzeugt bin, dass diese Spiele, wenn sie gut organisiert sind, dazu beitragen können, die Menschenrechtssituation in China zu verbessern.
Marco Cappato, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand hier würde die Bedeutung jeglicher Beziehungen zur chinesischen Regierung oder gar die Solidarität nach dem Erdbeben in Frage stellen. Gleichwohl wirft die Erklärung, die der amtierende Ratspräsident abgegeben hat, ein Problem auf. Diese Erklärung trifft überhaupt keine Aussage zu der Rolle, die diese Union bei der Durchsetzung der bürgerlichen und politischen Rechte aller auf chinesischem Territorium, in Tibet und nicht nur in Tibet, lebenden Menschen spielen kann und muss.
(Beifall)
Ich möchte gern etwas dazu sagen, weil sonst – wenn die Tatsache begrüßt wird, dass ausländische Touristen wieder zugelassen werden, ohne ein Wort über all die Geschehnisse, die Verurteilungen, die öffentlichen Prozesse, die Militarisierung Lhasas anlässlich des Durchzugs der Olympischen Fackel, die immer noch verwehrten Freiheiten oder die praktizierten Foltermethoden zu verlieren – das Problem ziemlich einseitig angegangen wird. Die Reaktion auf dieses einseitige Herangehen wird vielleicht als blauäugig, idealistisch und sinnlos verunglimpft, weil es Menschen gibt, die über ernsthafte Dinge nachdenken, über gute Beziehungen zu China, und dann gibt es Menschen, die über naive und unstimmige Dinge nachdenken, beispielsweise wir.
Das ist das Ergebnis einer Erklärung von der Art, wie Sie sie abgegeben haben: Sie haben das uighurische Volk nicht einmal erwähnt, einfach weil es keinen für Gewaltlosigkeit eintretenden transnationalen Führer wie den Dalai Lama hat, und ich halte das für besorgniserregend, wenn wir über China sprechen. Was für ein Europa ist ein Europa, das angesichts all dessen sagt: „Jeder Staatschef mag selbst entscheiden, ob er hinfährt oder nicht, und wir Franzosen haben unsere Partner konsultiert und werden als Vorsitz der Europäischen Union hinfahren.“ Welcher Vorsitz ist das? Welche Europäische Union ist das? Das ist das Europa der Nationen, und China hat Recht mit seiner Auffassung, wonach das Europa der Nationen nicht imstande ist zu einer Politik, die fähig wäre, es zur Achtung der Menschenrechte der chinesischen und der anderen Bürger zu zwingen.
(Beifall)
Der Präsident. - Es fällt einem sehr schwer, einen Redner aufzufordern, abzubrechen, vor allem, wenn er in vollem Redefluss ist, aber versuchen Sie bitte, sich an Ihre Redezeit zu halten.
Hanna Foltyn-Kubicka, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit gern noch einmal auf die unbestreitbar katastrophale politische Lage in Tibet lenken. Angesichts der näher rückenden Olympischen Spiele verstärken die Behörden in der Volksrepublik China ihre Politik gegenüber dieser Provinz. Es ist übliche Praxis, unter dem Vorwand der Suche nach Waffen und Terroristen die Armee in tibetische Klöster zu schicken. Im Ergebnis dieser Aktionen werden die an diesen Orten zusammengetragenen Kunstwerke beschlagnahmt, und dabei kommt es auch zur Zerstörung religiöser Gegenstände. Aus Informationen von unabhängigen Forschungsinstitute und Menschenrechtsorganisationen dringen auch Berichte über das jüngste derartige Ereignis zu uns, das sich im Kloster Tsendrok in der Provinz Amdo Maima abgespielt hat. Die Spiele beginnen in weniger als einem Monat. Jeder weitere Tag, der vergeht, zeigt, dass unsere Überzeugung, es gäbe aufgrund der Spiele Veränderungen in der chinesischen Innenpolitik, unbegründet war. Dennoch hoffe ich, dass Europas Interesse an dieser Problematik nicht zusammen mit dem Olympischen Feuer in Peking erlischt.
Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Meine Glückwünsche dazu, dass Sie Heuchelei, Lüge und scheinheiliges Gerede zu einer Olympischen Veranstaltung gemacht haben. Genug ist genug! Sie verhalten sich so, wie sich Regierungen jahrelang dem sowjetkommunistischen Totalitarismus gegenüber verhalten haben. Es ist immer die gleiche alte Geschichte, und es sind stets dieselben Abenteuergeschichten, die Sie uns hier auftischen.
Sie sprechen über den Stand der Verhandlungen. Wenn Sie die Tibeter nach dem Verlauf der Verhandlungen fragen, werden sie Ihnen antworten, bei allen Gesprächen ständig erniedrigt und dauernd mit der Drohung erpresst worden zu sein „wenn Sie sich rühren, werden wir in die Menge schießen“, und in dieser Hinsicht wurden der Dalai Lama und seine Vertreter genau so behandelt wie Breschnew seinerzeit Dubček behandelt hatte. Das war der bei den Verhandlungen angeschlagene Ton, und jetzt wird der amtierende Ratspräsident, der Präsident der Französischen Republik, hingehen und sagen „Gut so, China! Sie zeigen uns, wie zu verfahren ist, wenn sich jemand rührt“. Es ist Chinas Überreaktion, so wie Sarkozy’s Äußerung „die Vorstädte seien mit dem Hochdruckreiniger zu säubern“ eine überzogene Reaktion war.
Das ist die Wahrheit; und dann behaupten Sie, dies sei ein Europa der Werte. Auf welcher Grundlage, wann und wie denn? Nun, da alle hier sind – und das ist der Schwarze Mittwoch für dieses Parlament –, möchte ich den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Fraktion und den Vorsitzenden der PPE-DE-Fraktion beglückwünschen, sie sind alle da. Um was genau zu sagen? Um heute hier was zu sagen? Jeder erzählt mir „mit den Olympischen Spielen werden sich die Dinge bessern“.
Im Jahr 2001 hieß es: „Mit der Vergabe der Olympischen Spiele an die Chinesen werden sich die Verhältnisse bessern“. Seit 2001 ist nichts geschehen und die Situation verschlechtert sich. Was aber erzählen Sie uns? Dass in vier Wochen eine Besserung eintreten wird? Weshalb soll es denn zu einer Besserung kommen? Die Chinesen sind dabei, sich zu behaupten. Die Kommunistische Partei Chinas ist dabei, sich zu behaupten. Je standhafter sie werden, desto mehr gehen Sie in die Knie. Je mehr Sie in die Knie gehen, desto mehr gewinnen sie die Oberhand.
Wieso soll sich dies Ihrer Ansicht nach ändern? Bei den Olympischen Spielen werden sie alles kontrollieren. Sie werden die Rundfunksender überwachen, sie werden die Fernsehnetze überwachen, aber Sarkozy werden sie nicht kontrollieren, das stimmt. Sie werden ihn zu einem Abendessen mit Stäbchen einladen. Das wird sehr amüsant sein. Sie werden alle vor ihm katzbuckeln und ihn hätscheln. Sarkozy wird daraufhin kundtun: „Das macht drei Kernkraftwerke, 36 Hochgeschwindigkeitszüge und was weiß ich noch“. Das ist widerlich. Das ist schändlich, und wenn Europa nicht aufwacht, wenn wir weiterhin dieses Bild von einem Europa der Händler, das außerstande ist, die elementarsten Rechte in Europa oder anderswo in der Welt zu schützen, an die Wand werfen, dann lohnt sich meines Erachtens nicht, dass wir Europa aufbauen, und das muss dem amtierenden Ratspräsidenten zu verstehen gegeben werden.
(Lebhafter Beifall)
Jiří Maštálka, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Vielen Dank, Herr Präsident! Es ist stets schwerer, den Balken im eigenen Auge zu bemerken, als den Splitter im Auge eines anderen zu sehen. Als Erstes möchte ich den Opfern dieser großen Katastrophe mein Mitgefühl ausdrücken, aber auch, wie mein Kollege Herr Rouček, meine Bewunderung dafür, wie die chinesische Regierung reagiert hat, um den Opfern zu helfen. Darüber hinaus möchte ich der Kommission dafür danken, dass sie so ungewöhnlich schnell finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt hat, und feststellen, dass diese Hilfe sicher unbegrenzt sein wird. Ich denke, ich spreche für die Mehrheit der Abgeordneten, wenn ich sage, dass wir wollen, dass die Olympischen Spiele sicher und im Geiste des Fairplay durchgeführt werden, und das nicht nur innerhalb der Stadien. Natürlich respektieren wir die typischen Aspekte der chinesischen Geschichte und Kultur. Diese beiden Ereignisse bieten uns jedoch eine weitere Gelegenheit, einen noch intensiveren Dialog zu führen und konkrete Ergebnisse in Diskussionen mit unseren Partnern in der Volksrepublik China zu erzielen, und zwar sowohl hinsichtlich des Umweltschutzes als auch bezüglich der Menschenrechte.
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Am Mittwoch, dem 18. Juni, war ich nachmittags in einem Pekinger Hotel mit drei unbescholtenen, friedfertigen chinesischen Bürgern verabredet. Knapp eine Stunde vor unserem Treffen erfuhr ich, dass der Sicherheitsdienst zwei von ihnen aufgegriffen habe und der Dritte offiziell gewarnt worden sei, mit mir zu sprechen. Etwa 31 Stunden später kamen die beiden Festgenommenen wieder frei. Der offiziellen Lesart zufolge waren sie nicht festgenommen und mithin auch nicht freigelassen, sondern lediglich „befragt“ worden.
Wie dem auch sei, die chinesischen Behörden wollten offensichtlich jeglichen persönlichen Kontakt zwischen einem Mitglied des Europäischen Parlaments und diesen drei chinesischen Staatsbürgern unterbinden. Ich verstehe ihr schändliches Verhalten jedoch voll und ganz. Von drei führenden Vertretern der blühenden protestantischen Hauskirchen konnte Peking bestimmt keine gute Propaganda für die Olympischen Spiele erwarten. Gerade am Vorabend des bombastisch aufgezogenen Sportspektakels sind vor allem die Mitglieder offiziell nicht registrierter protestantischer Kirchen zunehmend brutaler Verfolgung ausgesetzt.
Über die grauenhaften Details dieser Repression hüllt sich Chinas fortschrittliche Führung lieber in Schweigen. Logisch. Was ist schon Besonderes daran, einen einfachen Prediger einer Pekinger Hauskirche zu Zwangsarbeit zu verurteilen? Drei Jahre lang musste er täglich zehn bis zwölf Stunden Fußbälle für die anstehenden Olympischen Spiele fertigen. Mehr brauche ich zu der chinesischen Form der Zwangsarbeit nicht zu sagen!
Und was soll man über chinesische Amtsträger denken, die Mitglieder der Hauskirchen festnehmen ließen, weil sie freiwillig und aus innerer Überzeugung den Opfern des schrecklichen Erdbebens in der Provinz Sichuan zu Hilfe geeilt waren? Das war wirklich völlig inakzeptabel. Herr Präsident, schon lange vor dem Beginn der Olympischen Spiele in China hat Peking mit seiner eklatanten Verletzung der Grundrechte die olympische Flamme meines Erachtens gelöscht!
Edward McMillan-Scott (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zunächst den Familienangehörigen der Menschen, die ihr Leben durch das Erdbeben verloren haben, und denen, die vom Erdbeben betroffen waren, mein Beileid aussprechen.
Mit Verlaub möchte ich meine Ausführungen aber besonders an Herrn Jouyet wegen seiner heutigen Erklärung richten, dass Präsident Sarkozy, der morgen hier erscheint, den Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele beiwohnen wird.
Ich würde gern auf den Leitartikel in der heutigen Ausgabe der Lokalzeitung „Les Dernières Nouvelles d’Alsace“ verweisen: ‘L’Europe a capitulé’ – Europa hat kapituliert. Nicht nur, dass Präsident Sarkozy zu den Olympischen Spielen reist, sondern es wurden am 16. Juni mit Zustimmung der französischen Behörden auch die Übertragungen einer Gruppe unterbrochen, die über Eutelsat nach China sendet. Das geschieht nicht zum ersten Mal. Die aktuelle Unterbrechung betreffend möchte ich die französische Regierung bitten, NTDTV zu gestatten, ihre Sendungen wieder aufzunehmen.
Ich lege heute dem UN-Berichterstatter für Folter und Religionsfreiheit ein Dossier über die Menschen vor, mit denen ich vor zwei Jahren während meines Aufenthalts in Peking in Kontakt getreten war. Herr Cao Dong ist weiterhin in einem Gefängnis in Nordostchina der Folter ausgesetzt. Herr Niu Jinping wurde am 20. April 2008 erneut verhaftet und wird gefoltert. Seine Frau, Zhang Lianying, wurde viele Male gefoltert und vier Mal eingesperrt. Ich stelle ein Dossier mit den 50 Arten der Folter, die sie erleidet, auf meine Website. Herr Gao Zhisheng, ein mir bekannter christlicher Menschenrechtsanwalt, wurde Anfang dieses Jahres schwer misshandelt. Er steht weiterhin unter Hausarrest. Herr Hu Jia wurde verhaftet, nachdem er vor dem Unterausschuss Menschenrechte des Europäischen Parlaments als Zeuge ausgesagt hatte.
Wir haben es mit einem brutalen und paranoiden Willkürregime zu tun. Wir sollten die Politik aus dem Sport heraushalten, und wir sollten Herrn Sarkozy nicht nach Peking reisen lassen.
(Beifall)
Robert Evans (PSE). – (EN) Herr Präsident! Wie viele hier im Saal hatte ich vor sieben Jahren schwere Vorbehalte, als die Olympischen Spiele an China vergeben wurden. Die Vergabe erfolgte aber erst, nachdem eine Reihe von Zusicherungen durch die Regierung abgegeben worden waren – dass die Rechte der Minderheiten respektiert würden, dass Folter und Misshandlung ein Ende gesetzt würde und dass die genau dokumentierten Menschenrechtsverletzungen behandelt würden.
Wenn wir zeitlich zum heutigen Tag springen, dann wissen wir, dass unsere Besorgnis genau so groß ist wie zuvor, wenn nicht gar noch größer. Herr Cappato hat beeindruckende Worte zum Thema Tibet gefunden, und Herr Cohn-Bendit und andere haben auch dazu gesprochen. Die Verletzungen der Menschenrechte sind uns bekannt. China richtet jedes Jahr mehr Menschen hin als alle anderen Länder der Welt zusammen. Meines Erachtens wird es Europa im nächsten Monat zur Schande gereichen, wenn Präsident Sarkozy sowie eine Reihe von Regierungschefs, Präsidenten und gekrönten Häuptern der EU dastehen werden und die Hände der chinesischen Führung schütteln und ihr so eine unverdiente Glaubwürdigkeit verleihen und ihr grünes Licht geben, genauso weiterzumachen wie zuvor. Die Olympischen Spiele sollten von den olympischen Idealen getragen sein. Was derzeit in China vor sich geht, läuft dem zuwider.
Dirk Sterckx (ALDE). – (NL) Als Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu China stimme ich mit der Kommissarin überein, wenn sie erklärt, dass wir mit den Chinesen strategische Beziehungen unterhalten, die auch für beide Seiten von Bedeutung sind. Selbstverständlich streben wir wirtschaftliche Beziehungen an, doch nicht nur das. Ich meine, wir müssen das immer wieder betonen.
Zudem möchte ich zwei Dinge ansprechen, die mir wichtig sind: die individuellen Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Themen bringen wir im Rahmen der Kontakte zwischen der Delegation oder Mitgliedern der Delegation und unseren chinesischen Kolleginnen und Kollegen immer wieder zur Sprache. Wir sind zwar verschiedener Meinung, aber wir diskutieren darüber und sind bemüht, Ideen und Argumente auszutauschen. Das ist nicht eben einfach, mitunter sogar mühsam, aber das Parlament muss ohne Unterlass damit fortfahren.
Haben wir Fortschritte erzielt? Vielleicht zu wenige und zu langsam. Gleichwohl sind wir nach meinem Gefühl vorangekommen. Ich möchte das Europäische Parlament aufrufen, immer daran zu denken, dass wir den Kontakt zu den Chinesen aufrechterhalten und die Probleme immer wieder anschneiden müssen, wie schwierig, wie mühsam und wie frustrierend das mitunter auch sein mag. Aber meines Erachtens führt einzig und allein dieser Weg nach vorn. Denn nicht in diesem Saal wird über das Schicksal der Chinesen entschieden, sondern die Entscheidung fällt in China und durch die Chinesen selbst. Sie müssen wir überzeugen, nicht uns.
Thomas Mann (PPE-DE). - Herr Präsident! Weltweit gab es das Mitgefühl mit den Opfern des schweren Erdbebens vom 12. Mai in China. Es gab beachtliche internationale Hilfe von außen, doch im Innern wurden Unterschiede gemacht. Da sollte die Antiseparatismusarbeit Hand in Hand gehen mit der Katastrophenhilfe. Es ist doch völlig egal, ob man Angehöriger einer Mehrheit oder einer Minderheit ist. Man muss doch Hilfe bekommen. Man kann doch keine Unterschiede zelebrieren. Derartige Aufrufe müssen aufhören. China ist gut beraten, sich endlich zu öffnen. Dazu gehört der freie Zugang ausländischer Beobachter und Journalisten zu allen Regionen Chinas. Dem einzigen unzensierten Fernsehsender in China NTDTV muss umgehend die Wiederaufnahme des Sendebetriebs ermöglicht werden.
Noch sind viele Staats- und Regierungschefs der Empfehlung unseres Europäischen Parlaments nicht gefolgt und verzichten auf eine Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Wir unterstützen die Haltung von Angela Merkel aus Deutschland, des britischen Premiers Brown, unseres Präsidenten Pöttering und weiterer Persönlichkeiten, der Zeremonie am 8. August fernzubleiben. Frankreichs Staatspräsident Sarkozy hat gesagt, er will seine Haltung abhängig machen von dem Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Chinesen und den Vertretern des Dalai Lama. Es gibt keine Verhandlungserfolge, und das wird so bleiben — konsequenterweise muss er in Paris bleiben.
(Beifall)
Vor den Spielen möchte ich an die Lage der Tibeter erinnern. Mehr als 200 Tote nach den Aufständen vom 14. März, 5 000 in Gefangenschaft, meist ohne gerichtliche Beschlüsse, Tausende Verletzte durch physische Gewalt aufgrund der patriotischen Umerziehung. Das allen, Herr Präsident, ins Stammbuch, die immer noch willens sind, Richtung Peking zu starten!
(Beifall von der Verts/ALE-Fraktion)
Alexandra Dobolyi (PSE). – (HU) Danke, dass Sie mir das Wort erteilt haben, Herr Präsident! Die Organisation der Olympischen Spiele ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung, aber sie ist auch eine außergewöhnliche Gelegenheit für die Bürger Chinas, der Welt zu zeigen, dass sie die universellen Werte und den olympischen Geist verstanden haben. „Eine Welt, ein Traum“: Dieses Motto der Olympischen Spiele von Peking unterstreicht und repräsentiert voll und ganz die Grundprinzipien der Spiele. Ich bin sicher, dass die Olympischen Spiele eine hervorragende Gelegenheit bieten werden, unsere Zusammenarbeit und unseren Dialog mit China in vielen Bereichen zu vertiefen und auszubauen.
Wir dürfen jedoch das Erdbeben vom Mai und die Zerstörung nicht außer Acht lassen, die viele Zehntausende Menschenleben gefordert und Millionen von Menschen obdachlos gemacht haben. Wir müssen China unsere Unterstützung in schweren Zeiten zusagen, aber dabei nie vergessen, dass demokratische Reformen unabdingbar sind, und in vielen Bereichen konstruktive Kritik üben.
Ich gehöre zu jenen, die der Meinung sind, dass die Europäische Union den ergebnisorientierten Dialog über die Menschenrechte mit China weiterführen muss, aber wir müssen akzeptieren, dass die Ergebnisse nur schrittweise erreicht werden können. Sie sind aber bereits spürbar: Erst vor einigen Tagen wurde nach mehreren Jahrzehnten Unterbrechung wieder eine Direktflugverbindung zwischen China und Taiwan eingerichtet. Die Gespräche mit dem Dalai Lama sind wieder in Gang gekommen. Auch hier sind wir an einem ergebnisorientierten, pragmatischen Dialog interessiert, der die tibetischen und chinesischen Wertvorstellungen berücksichtigt und den Weg in die Zukunft weist. Ich danke Ihnen vielmals.
Cornelis Visser (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Die Olympischen Spiele in Peking werden am achten Tag des achten Monats im Jahr zweitausendacht eröffnet. Die Acht gilt in der chinesischen Kultur als Glückszahl und steht für Glück und Wohlstand. Ich hoffe, dieses Datum bringt der chinesischen Bevölkerung Glück. Auf wirtschaftlichem Gebiet ist China sehr erfolgreich. „Es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist – Hauptsache, sie fängt Mäuse“, soll Deng Xiaoping einmal gesagt haben. Er öffnete das Land für kapitalistische Unternehmen aus dem Ausland. Schritt für Schritt wird die chinesische Wirtschaft liberalisiert. Derzeit ist China ein solider Partner für die wirtschaftliche Entwicklung. Beispielsweise akzeptiert es, dass seine Währung nicht nur an den Dollar, sondern auch an den Euro und andere Währungen gekoppelt ist. China spielt in der Weltwirtschaft eine konstruktive Rolle.
Um die Menschenrechte ist es bedauerlicherweise nicht so gut bestellt, vor allem nicht um die Menschenrechte von Chinas eigener Bevölkerung. Ich bin enttäuscht, dass bei einem so festlichen Ereignis wie den Olympischen Spielen dem chinesischsprachigen Satellitensender, der aus dem Westen sendet, Beschränkungen auferlegt werden. Die chinesischen Behörden werden hoffentlich anlässlich der Spiele ihrer Bevölkerung zeigen, dass Spielregeln nicht nur in der Sportarena gelten, sondern vornehmlich dann, wenn es für das Beamtentum gilt, die Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu achten.
Bogdan Golik (PSE). – (PL) Herr Präsident! Infolge des Erdbebens vom 12. Mai 2008 haben 69 000 Menschen ihr Leben verloren, mehr als 18 000 werden vermisst und die Zahl der Verwundeten liegt bei über 37 000. Diese Katastrophe hat nicht nur die Chinesen erschüttert, sondern die ganze Welt. Ich war wahrscheinlich heute der Einzige in diesem Hohen Haus, der zum Zeitpunkt des Bebens vor Ort war. Ich war in Peking und Schanghai und habe die Solidarität der Menschen, der Chinesen, erlebt, die sich mit den Opfern und mit dieser Tragödie identifiziert haben.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den tausenden Mitgliedern von Rettungsteams und den freiwilligen Helfern aus aller Welt, aus Taiwan, Japan, Australien und vor allem aus China, meine Hochachtung auszusprechen. Die unter diesen tragischen Umständen gezeigte Solidarität und das Engagement dieser Menschen verdienen besondere Anerkennung. Auch die von der Europäischen Union eingeleiteten Maßnahmen sollten gewürdigt werden. Die chinesische Regierung hat mit Unterstützung der lokalen Behörden einen Betrag von 10 Milliarden Euro als Hilfe für die Opfer der Katastrophe zur Verfügung gestellt. Die gesamte Auslandshilfe für Peking betrug 5 Milliarden Euro. Die meisten Gelder kamen von der chinesischen Diaspora in unterschiedlichen Teilen der Welt.
Meines Erachtens sind Maßnahmen, die auf konkrete humanitäre Hilfeleistungen abzielen, nützlicher und ist Dialog erfolgreicher als Slogans und Rufe nach Boykott und Protesten.
Nirj Deva (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Dieses Parlament sollte sich um staatsmännisches Denken bemühen, was heute leider nicht der Fall ist.
Zehn Millionen Obdachlose stellen eine enorme Katastrophe dar – die schlimmste auf der ganzen Welt. Wir wurden Zeugen des aktiven Handelns einer an den Menschen orientierten, auf die Menschen konzentrierten chinesischen Regierung in einem Gebiet, das eine der zahlenmäßig stärksten Bevölkerung aufweist, zu der auch über eine Million Tibeter gehören. Im Gegensatz zu Birma, wo die Herrschenden sich gleichgültig verhielten und verhalten, setzt die chinesische Regierung sich deutlich erkennbar für ihr eigenes Volk ein. Jedem, der die Hilfsanstrengungen verfolgt hat, ist dies sonnenklar geworden.
Über die Menschenrechtslage in China können nicht andere Staaten, Mächte, Organisationen oder Menschen aus dem Rest der Welt entscheiden. Das können nur die 1,3 Milliarden Einwohner Chinas selbst tun. Wir wissen recht gut, dass diese Bevölkerung sehr deutlich werden, ihren Ärger demonstrieren und zeigen kann, und dass sie diesen Ärger wirklich zeigt, wenn etwas nicht stimmt.
Die Menschenrechtslage in China bessert sich und lässt sich noch weiter verbessern. Das Geschrei von Parlament und Kollegen darüber wird keine Änderung bewirken. Wir verfallen wieder einmal einem Trugschluss über unsere Einflussmöglichkeiten. Das chinesische Volk, das die Armut besiegt, wird selbst größere demokratische Äußerungsmöglichkeiten für sich einfordern. 400 Millionen Menschen wurden aus der Armut befreit – ein bemerkenswerter Erfolg. Aber die Chinesen haben Angst. Indem wir ihnen den Rücken kehren, wie in der Frage des Olympischen Fackellaufs, erzürnen wir nur die Chinesen, nicht aber ihre Regierung. Diese Unterscheidung ist wichtig und sollte verstanden werden.
Marianne Mikko (PSE). – (ET) Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon immer hat sich die olympische Bewegung um eine bessere Welt bemüht. Das bevorstehende Großereignis in Peking hat dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf Tibet und die Menschenrechte zu lenken. Der Dialog zwischen Peking und dem Dalai Lama muss unbedingt fortgesetzt werden. Als das Internationale Olympische Komitee China die Gelegenheit gab, dieses weltweite Sportereignis auszutragen, hat es dies mit der überaus deutlichen Auflage getan, dass China bis 2008 Zeit haben werde, die Menschenrechte umzusetzen. Wir wissen, dass dies nicht eingetreten ist.
Bei den Olympischen Spielen ging es noch nie ausschließlich um Sport. Die Grundsätze der Olympischen Charta geben zu einem großen Teil die der EU wieder. Ich beziehe mich dabei auf Grundrechte und Menschenrechte ohne Kompromiss. Die Charta besagt, dass das gastgebende Land die menschliche Würde achten muss und seine Bürger nicht aufgrund ihrer Nationalität oder ihres Glaubens unterdrücken darf. Daher teile ich auch die Meinung, dass Herrn Sarkozys Platz vor seinem Fernseher in Paris ist und nicht im Olympiastadion in Peking.
David Hammerstein (Verts/ALE). - (ES) Herr Präsident! Die Tatsache, dass die Olympischen Spiele in China stattfinden, hat uns eines gelehrt: Wer die Menschenrechte systematisch verletzen will, muss eine große, wirtschaftlich starke Nation hinter sich haben, kein Simbabwe oder Kuba. Und auch nicht Birma. Es muss ein Land sein, in dem Hunderte westliche Unternehmen ansässig sind, ein Land, in dem Millionen Menschen unter sklavereiähnlichen Bedingungen arbeiten. Dies muss ein Land mit einem grandiosen und aggressiven Stil sein, dann wird sich Europa verneigen und katzbuckeln.
José Ribeiro e Castro (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Ich spreche den Angehörigen der Erdbebenopfer mein Beileid aus, und ich möchte meine aufrichtige Trauer zum Ausdruck bringen. Es gibt jedoch noch andere Themen, über die gesprochen werden muss, und das sage ich speziell an die Adresse des Rates, denn ich erinnere mich an das, was Präsident Sarkozy anlässlich der Ereignisse in Tibet vor einigen Monaten gesagt hat.
Was wir soeben gehört haben, ist der Vorschlag, Sport in schäbige Politik und Politik in lächerlichen Sport umzuwandeln, und das kann nicht angehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Präsident Sarkozy die Europäische Union in Peking vertreten wird, ohne dort die politischen Häftlinge zu besuchen. Es wäre eine Schande, wenn sich unsere führenden Politiker nach Peking begeben und kein Wort über die harte Realität verlieren würden. Das wäre eine Blamage, und diese führenden Politiker könnten dann nicht mehr mit Würde vor den EU-Institutionen auftreten. Auf dieses Problem müssen wir im September unbedingt nochmals zu sprechen kommen.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Nur einen Monat vor den Olympischen Spielen in Peking leidet China noch immer unter den tragischen Auswirkungen des Erdbebens. Leider war erst ein Erdbeben nötig, bei dem Tausende ums Leben kamen und obdachlos wurden, damit die Regierung der Volksrepublik China erkannte, dass die Solidarität der Nationen, die ihre Hilfe anboten, von entscheidender Bedeutung war.
Doch dadurch China gezwungen, seine Grenzen zu öffnen und somit sämtlichen Massenmedien und humanitären Hilfsorganisationen Zugang zu Gebieten zu ermöglichen, auf die man bis dato noch nicht einmal als Besucher ein Auge werfen konnte.
Die Ereignisse, die auf das Erdbeben in China folgten, haben zu einer Besänftigung geführt, durch die die gesamte Welt nun an der friedlichen Koexistenz der Völker teilhat. Die Olympische Flagge und die heilige Flamme des alten Olympia nehmen die ideale Stellung ein sowohl zwischen den Dingen, die uns trennen, als auch und vor allem zwischen jenen Dingen, die uns vereinen.
Eva Lichtenberger (Verts/ALE). - Herr Präsident! Als Präsident Sarkozy nach den Unruhen in Tibet seine Stimme erhoben hat, hatte ich sehr viel Respekt vor Frankreich in seiner Rolle als Schützerin der Menschenrechte. Seither hat sich die Situation enorm verschlimmert, es waren noch nie so viele Menschen eingesperrt.
In Tibet war die Situation noch nie so angespannt. Die Medienzensur war noch nie so rigide wie jetzt. Und die Reaktion des Präsidenten ist aus meiner Sicht ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich für Menschenrechte einsetzt. Wir enttäuschen die Hoffnungen von all jenen in China, die hoffen, dass unser Druck ihnen hilft, Demokratie in China einzuführen.
Colm Burke (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Das Internationale Olympische Komitee hat seine Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an China damit gerechtfertigt, dass dies dazu führen würde, das Land für Verbesserungen in seiner Menschenrechtslage zu öffnen.
Die chinesischen Behörden haben aber internationale Aufrufe unbeachtet gelassen, ihre Verfolgungen nach den Unruhen vom 14. März 2008 in Tibet einzustellen. Die Teilnehmer der Proteste werden immer noch aufgespürt, festgenommen und willkürlich verhaftet, und ihre Familien erhalten keine Informationen zu ihrem Aufenthaltsort, obwohl das chinesische Recht dies vorschreibt.
Ich fordere China dazu auf, sich an seine öffentlichen Verpflichtungen zu halten, die Menschenrechte, Minderheitenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu achten. So war es mit dem IOC ursprünglich vereinbart, als dieses China die Ausrichtung der Spiele gestattete.
China erhält eine historische und einzigartige Chance, der Welt zu zeigen, dass es willens ist, die Menschenrechtslage zu verbessern – aber meiner Meinung nach erleben wir nicht genügend Fortschritte in dieser Hinsicht.
Ana Maria Gomes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich unterstütze die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Peking, aber ich rufe die europäischen Regierungen und Institutionen auch auf, von China die Einhaltung seiner die Menschenrechte betreffenden Verpflichtungen zu fordern, konkret der Verpflichtungen, die übernommen wurden, um die Olympischen Spiele nach Peking zu holen.
Das macht es erforderlich, dass die Repräsentanten aus Europa, die die Spiele besuchen – oder auch nicht besuchen werden – die Gelegenheit nutzen, um auf die sehr ernste Menschenrechtssituation in China aufmerksam zu machen. Viele sind in Gefängnissen eingesperrt, wie Hu Jia, der ins Gefängnis geworfen wurde, nachdem er in einer Videokonferenz zu uns hier im Europäischen Parlament gesprochen hatte. Wir können nicht hinnehmen, dass diese Menschen von den chinesischen Behörden weiterhin grundlos in Gefängnissen festgehalten werden.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Viele Länder und ihre Führungskräfte, einschließlich der in Europa, sind an guten Kontakten mit China interessiert, um lukrative Verträge oder Wirtschaftsabkommen abzuschließen. Sie schenken der fehlenden Demokratie und der Missachtung der Menschenrechte in China kaum Aufmerksamkeit. Die Weltmeinung, führende Staatsmänner und weltweit agierende Institutionen sollten zusammenarbeiten und unterschiedliche Arten von Druck ausüben, um Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen. Wenn wir geteilt sind, können wir nicht gemeinsam agieren und die Wirkung unserer Aktionen ist gering. Die Olympischen Spiele bieten eine gute Gelegenheit für solche Maßnahmen. Die internationale Gemeinschaft sollte handeln, um der Bevölkerung zu helfen, die infolge des tragischen Erdbebens sehr gelitten hat.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erstens, es war nicht die Europäische Union, die 2001 entschieden hat, dass die Olympischen Spiele in Peking ausgetragen werden sollen; es war das Internationale Olympische Komitee.
Zweitens, wie Sie gesagt haben, gibt es olympische Ideale, die allerdings nichts mit Politik, sondern mit Sport zu tun haben, wie vom Internationalen Olympischen Komitee immer wieder bekräftigt wird.
Drittens, ich weiß nicht, ob der beste Weg, für die Menschenrechte in China zu kämpfen und einen umfassenden Dialog zu führen, darin besteht, sein Gewissen zu erleichtern, indem man verkündet „Ich werde nicht hingehen, aber die Eröffnungsfeier im Fernsehen verfolgen“, wie eines der Mitglieder vorhin beteuerte. Das ist meines Erachtens nicht der eigentliche Kern des Problems. Im Übrigen sei bemerkt, dass sich mehrere Mitglieder Ihres Parlaments, die verschiedenen Fraktionen angehören und unterschiedliche Positionen vertreten, ebenfalls zu der Notwendigkeit von Gesprächen mit den chinesischen Behörden ausgelassen haben.
Ungeachtet der gegenwärtigen Schwierigkeiten müssen die Beziehungen der EU mit China weiterhin optimal genutzt werden. Nur bei einer starken Union werden beide Seiten über alle Fragen, selbst über die, die am heikelsten erscheinen, offen diskutieren können, wie von uns allen befürwortet wird; die Europäische Union hat nicht erst nach den Ereignissen in Tibet einen solchen Dialog in die Wege geleitet. Wir wollen mit China einen Gedankenaustausch über eine wachsende Zahl bilateral und international wichtiger Themen führen, bei denen es nicht nur um Handel geht – eine gegenteilige Behauptung wäre eine schwere Fehlinterpretation. Dies wurde auch von Frau Ferrero-Waldner hervorgehoben. Unser Dialog mit China muss umfassend sein, weil dieses Land in der internationalen Gemeinschaft eine wichtige Rolle zu spielen hat, und wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun – die Olympischen Spiele dienen ebenfalls als Mittel zu diesem Zweck –, um eine effektivere Integration Chinas in die Völkergemeinschaft zu gewährleisten.
Ferner werden wir einen strategischen Dialog mit China zu führen haben, insbesondere auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen, das unter dem französischen Vorsitz erfolgen wird. Der Termin dieses Gipfels ist nicht von der französischen Ratspräsidentschaft ausgesucht worden. Der Gipfel findet in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 statt. Uns obliegt es, dafür Sorge zu tragen, dass die Vorbereitungen unter bestmöglichen Bedingungen getroffen werden, und dieser Gipfel muss Gelegenheit für eine Ausweitung der Partnerschaft zwischen China und der Europäischen Union auf neue Themen bieten, die vor allen Dingen den Kampf gegen den Klimawandel sowie die Umwelt- und Sozialnormen betreffen – wie es viele von Ihnen gefordert haben.
Chinas Entschlossenheit zu einer bedeutsameren Rolle auf der Weltbühne muss mit neuen Verantwortungen auf dem Gebiet der Menschenrechte, im sozialen Bereich sowie in Bezug auf den Umweltschutz einhergehen. Wir sind uns dieser Notwendigkeit bewusst und bereit, auf dieses Ziel hinzuarbeiten, und die Europäische Union ist zweifellos der am besten geeignete Partner, China auf diesem Weg zu ermutigen.
In dieser Hinsicht übernimmt Präsident Sarkozy in seiner Eigenschaft als Präsident der Europäischen Union nach erfolgter Konsultation seiner Partner und Amtskollegen sowie nach Erhalt ihrer Zustimmung die Aufgabe der Einleitung einer umfassenden Debatte zwischen der Europäischen Union und China. Wenn China als gewichtigerer weltpolitischer Akteur auftreten möchte, muss es die daraus erwachsenden Verantwortungen auf sich nehmen. Es wurden zahlreiche Vergleiche angestellt, beispielsweise von Herrn Cohn-Bendit. Ich habe den Vergleich mit der UdSSR und Breschnew gehört. Wollen wir wirklich einen Konflikt zweier antagonistischer Blöcke? Hat es denn bei den Zwiegesprächen, die auch mit diesem großen Land geführt worden sind, keine Fortschritte gegeben? Bei der Erzielung solcher Fortschritte fiel uns eine Schlüsselrolle zu, und wie stets haben nicht zuletzt durch den Dialog und durch demokratische Entwicklungen unsere Werte obsiegt. Wir müssen eine anspruchsvolle Auseinandersetzung, bei der kein Thema tabu ist, mit China führen und es dazu anspornen, Verpflichtungen in allen Bereichen einzugehen, dem politischen, dem der Menschenrechte und dem sozialen Bereich.
Einige Abgeordnete haben die Todesstrafe erwähnt. Auch sie muss gegenüber China angesprochen werden, aber ebenso gegenüber all den anderen Ländern, und ich hoffe, dies möge durch dieselben konservativen Abgeordneten geschehen, die vorhin das Wort ergriffen haben. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass andere Länder, in denen die Todesstrafe in Kraft ist, mit der Europäischen Union Beziehungen unterhalten; wir brauchen jedoch diesen umfassenden Dialog. Des Weiteren müssen wir behutsam vorgehen, und ich gehe vollkommen konform mit dem, was die Kommission in Bezug auf den Rat ausgeführt hat, nämlich dass nationalistische Gefühle in China nicht zu einem Zeitpunkt geschürt werden sollten, in dem es Gastgeber eines Ereignisses von enormer Bedeutung für das gesamte Land ist, ein Land, dessen Ziel darin besteht, in die Weltpolitik eingebunden zu werden.
In diesem Geiste wird Präsident Sarkozy, der dabei sämtliche mit seiner Rolle verbundenen Aufgaben wahrnimmt und im vollen Bewusstsein der europäischen Werte handelt, in seiner neuen Funktion Peking besuchen, um diese Botschaft zu übermitteln und zugleich zu zeigen, dass wir auf die positive Entwicklung dieses großartigen Landes hinsichtlich seiner Integration in die internationale Gemeinschaft vertrauen. Deutliche Zeichen des Fortschritts haben wir bereits in Myanmar sowie bei der Lösung von Konflikten mit dem Iran und Nordkorea gesehen. All dies sind Bereiche, in denen wir ebenfalls auf Chinas Unterstützung angewiesen sind. Dabei geht es selbstverständlich um weit mehr als um rein kommerzielle Interessen.
Abschließend möchte ich Herrn Cappato darauf hinweisen, dass wir in allen unseren Beziehungen, sei es innerhalb der EU, gegenüber Minderheiten oder zwischen der Union und einigen ihrer Partner, dieselben Anforderungen stellen und uns davor hüten müssen, der ganzen Welt Moralpredigten zu halten.
VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich werde mich kurz fassen, da vieles schon gesagt wurde.
Ich möchte lediglich wiederholen, dass das Verhältnis zu China sehr vielschichtig ist. Das bedeutet, dass sich uns in dieser strategischen Beziehung ein weites Betätigungsfeld bietet. Neben Umwelt, Handel, Kultur – worauf unserer verschiedenen Sachgespräche und -dialoge auch immer gerichtet sein mögen – nehmen wir auch die Probleme im Hinblick auf die Menschenrechte, die heute hier besonders zur Sprache gekommen sind, sehr ernst. Wir nehmen sie ernst, ob es nun um Menschenrechtsaktivisten oder Petitionssteller, die inhaftiert sind, oder um die Anwendung der Todesstrafe geht. Es ist wahr, dass sehr viele Menschen hingerichtet werden. Wir haben dies und auch die berichteten Fälle von Folter und Misshandlung immer sehr deutlich angesprochen.
Wir führen diesen Menschenrechtsdialog. Es trifft zu, dass er mitunter nicht zufrieden stellend verläuft – wir verfügen aber über kein anderes Instrument. Wir müssen den Dialog mit China fortführen. Es gibt ein deutsches Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Das ist es, was wir erreichen wollen.
(Beifall)
Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung fünf Entschließungsanträge eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet wegen der Vorstellung des Programms der französischen Präsidentschaft ausnahmsweise morgen um 9.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Die Olympischen Spiele in Peking rücken näher, doch meinen Informationen zufolge hat sich die Menschenrechtslage in China nicht verbessert. Im Gegenteil, das chinesische Regime verhaftet stattdessen immer mehr Menschen, um mögliche Demonstrationen während der Olympischen Spiele zu verhindern.
Die Pressefreiheit ist von herausragender Bedeutung, denn es sind die unabhängigen Medien, die unzensierte Informationen über die Menschenrechtslage in China liefern. Daher ist es unerlässlich, dass unabhängige Fernsehsender, wie zum Beispiel NTDTV, auch übertragen dürfen. Dieser Fernsehsender sendet rund um die Uhr in chinesischer und englischer Sprache über Satelliten, die sich über Asien, Europa, Australien und Nordamerika befinden. Das französische Unternehmen Eutelsat, das die Sendungen von NTDTV überträgt, unterbrach am 16. Juni 2008 überraschend das Signal von NTDTV über Asien, angeblich wegen des von der Kommunistischen Partei Chinas ausgeübten Drucks.
Kommissarin Ferrero-Waldner, ich richte mich an Sie in der Hoffnung, dass Sie, im Namen der Kommission, alle Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen werden, damit NTDTV in Asien wieder ausgestrahlt wird. Ich rufe zudem den französischen Ratsvorsitz auf, im Namen des Rates die Beschränkungen der Redefreiheit in China zu unterbinden.
Ich fordere die chinesischen Behörden auf, der Welt zu beweisen, dass die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in China geführt hat. Ich glaube, dass die Öffnung Tibets für Touristen, Journalisten und alle Medien große Wirkung zeigen und unzensierte Informationen über die Lage in dieser Region ermöglichen wird.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE), schriftlich. – (HU) Die Erweiterung ist eine der erfolgreichsten EU-Strategien und zugleich vielleicht eines der effektivsten außenpolitischen Instrumente, die es je gab. Bisher hat jede Erweiterung zu einer Stärkung der EU beigetragen und den jeweils beigetretenen Ländern zu einer Stabilisierung und allgemeinen Angleichung verholfen. In den vier Jahren, die seit der Erweiterung von 2004 vergangen sind, sind all die unbegründeten Ängste und irreführenden Informationen, die ihr vorausgingen, verstummt. Die Erweiterung ist ein überwältigender Erfolg, und sowohl die alten als auch die neuen Mitgliedstaaten haben sehr davon profitiert. Leider stellen einige Politiker – entweder bewusst oder aus purer Beschränktheit – den Erfolg der Erweiterung in Abrede und versuchen, Bürger in den alten Mitgliedstaaten irrezuführen. Daher ist es von überragender Bedeutung, die Gesellschaft über die Vorzüge und den Nutzen der Erweiterung zu informieren.
Die Ablehnung des Vertrags von Lissabon durch Irland ist in der Tat ein großes Hindernis für eine Fortsetzung der EU-Erweiterung. Ich vertraue immer noch darauf, dass die EU schnell eine Lösung finden wird, um den Vertrag von Lissabon zu retten. Die Zulassung Kroatiens sollte jedoch deswegen nicht hinausgezögert werden; der Beitritt Kroatiens ist auch dann legal möglich, wenn der Vertrag von Lissabon scheitern sollte. Kroatien könnte dann Ende 2009 oder Anfang 2010 Mitglied werden, je nachdem, wie sich die Beitrittsverhandlungen entwickeln.
Das Verhältnis zwischen der Erweiterungsstrategie und der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist eine komplizierte Frage. Im Grundsatz bin ich auch dafür, dass diejenigen unserer europäischen Nachbarstaaten, die bisher noch keine Aussicht auf Mitgliedschaft haben, entsprechend ihrer Fortschritte bei der Erfüllung messbarer Zielvorgaben von einer Kategorie zur nächsten aufsteigen sollten. Zugleich ist es wichtig, dass die Europäische Union in der Lage ist, ihren geopolitischen Freizügigkeitsbereich zu schützen, und hinsichtlich der Integrationsfähigkeit sollte sie sich in bestimmten Fällen entscheiden, welche Perspektiven sie ihren Partnern bieten möchte.
12. Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 (Aussprache)
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Aussprache über den Bericht von Elmar Brok im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 [2007/2271(INI)] (A6-0266/2008).
Elmar Brok, Berichterstatter. − Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Wir müssen feststellen, dass die bisherigen Erweiterungen der Europäischen Union große politische und ökonomische Erfolge waren. Dies steht fest. Herr Kommissar, in den Fällen Rumänien und Bulgarien werden wir sicherlich in den nächsten Wochen hier noch separate Diskussionen zu führen haben, aber generell gilt dieses Statement, das ich hier abgegeben habe.
Wir müssen gleichzeitig deutlich machen, dass wir die Versprechen, die wir Ländern gegenüber gegeben haben, mit denen wir Verhandlungen führen, dass nämlich die Verhandlungen weitergeführt werden, dass ein Land, das einen Kandidatenstatus hat, auch wirklich einen Kandidatenstatus hat, einhalten werden. Auch die Versprechen von Thessaloniki müssen eingehalten werden.
Gleichzeitig müssen wir aber deutlich machen, dass in keinem Fall daraus ein Automatismus entsteht, sondern dass jedes einzelne Land die Bedingungen erfüllen muss – die Kopenhagener Kriterien –, die für die Mitgliedschaft notwendig sind, damit es funktioniert, sowohl in den Ländern als auch für die Europäische Union insgesamt.
Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen, dass wir mit jetzt 27 Ländern – möglicherweise mit Kroatien bald mit 28 Ländern – überlegen müssen, ob hier nicht auch eine Phase der Konsolidierung notwendig ist, damit die Dinge wirklich innerhalb der Europäischen Union zum Funktionieren gebracht werden. Gerade diejenigen, die sich kritisch mit dem Vertrag von Lissabon auseinandersetzen und gleichzeitig für Erweiterung sind, müssen sehen, dass sie sich hier in einem politischen Widerspruch befinden. Denn der Vertrag von Lissabon war die Bedingung für die letzte Erweiterungsrunde, nicht die Vorbereitung für die nächste. Wer erweitern will und gegen den Vertrag von Lissabon ist, verstößt gegen die Möglichkeit der Erweiterung. Das muss auch sehr deutlich und klar sein.
Vor allen Dingen müssen wir auch das eine sehen: Größe allein macht nicht Stärke aus, sondern die innere Kohärenz, das heißt das Vermeiden von Überdehnung – das wissen wir aus der Geschichte –, ist ein entscheidender Punkt. Wir wollen die Europäische Union nicht als eine Freihandelszone haben, sondern als eine politische handlungsfähige Einheit. Das bedeutet, dass unsere Fähigkeit der internen Reform ebenso Bedingung ist, wie die anderen Länder ihre innere Reform als Bedingung haben, um Mitglieder werden zu können. Vertiefung und Erweiterung ist der klassische Ausdruck dafür.
Gleichzeitig müssen wir auch sehen, dass die europäische Perspektive – beispielsweise auf dem Westbalkan, aber auch gegenüber Ländern wie der Ukraine und anderen – von entscheidender Bedeutung ist, damit der innere Reformprozess in diesen Ländern hin zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gelingt, und sie mehr nach Brüssel als in andere Richtungen schauen.
Aber das bedeutet auch, unter den Bedingungen, die ich vorher dargestellt habe, dass dies nicht in allen Fällen morgen zur Vollmitgliedschaft führt, weil diese Länder noch nicht so weit sind und auch die Union noch nicht so weit ist. In vielen Fällen wird das nicht möglich sein.
Aus diesem Grunde brauchen wir neue Instrumente zwischen Vollmitgliedschaft und Nachbarschaftspolitik, damit die Menschen in diesen Ländern die europäische Perspektive nicht nur als Hoffnung haben, sondern konkret jetzt schon Fortschritte sehen: Freihandelszonen, Schengen und anderes. Wir brauchen Instrumente nach dem Beispiel des europäischen Wirtschaftsraumes mit den EFTA-Staaten, in denen die Länder 30, 50 oder 70 % des acquis communautaire mit an Bord nehmen können.
Das heißt, die Verhandlungen über die Vollmitgliedschaft können sehr kurz sein. Schweden, Österreich und Finnland sind diesen Weg gegangen. Länder wie die Schweiz, Island oder Norwegen sind einen anderen Weg gegangen. Aber wer weiß denn heute, dass Norwegen in Schengen ist und dass die Schweiz Beiträge zur Strukturpolitik in den neuen Mitgliedsländern leistet. Das heißt, wir können sehr enge Beziehungen entwickeln, und dann muss in jedem einzelnen Fall festgestellt werden, ob dies nach dem Willen beider Seiten ein Dauerstadium oder eine Zwischenstation auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft ist.
Das heißt, auch auf dem Westbalkan – in Kroatien beispielsweise wäre das jedoch völliger Unsinn – könnten Länder, bei denen es länger dauert, wenn sie es wollen, diese Zwischenstation als Instrument wahrnehmen, um es zu nutzen. Es muss ihnen freigestellt sein.
Ich glaube, meine Damen und Herren, dass wir auf dieser Grundlage in der Lage sein sollten, das Instrument der europäischen Perspektive zwischen Mitgliedschaft und Nachbarschaftspolitik zu stärken und auf diese Art und Weise die Zone der Stabilität, des Friedens und der Freiheit in Europa auszudehnen, ohne gleichzeitig die Entwicklungsfähigkeit der Europäischen Union zu gefährden.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. – (FR) Herr Präsident! Der Rat möchte dem Europäischen Parlament und insbesondere Herrn Brok für seinen Bericht über das Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 danken und bei dieser Gelegenheit die aktive Rolle des Parlaments beim Erweiterungsprozess sowie den wertvollen Beitrag, den es dazu geleistet hat, begrüßen.
Der Bericht von Herrn Brok zeigt, dass die letzte Erweiterungsrunde einen Erfolg sowohl für die Europäische Union als auch für die ihr beigetretenen Mitgliedstaaten bedeutete.
Wir sind der Auffassung, dass sie zu einem Erfolg für die EU geworden ist und dass sie die Überwindung der Teilung Europas ermöglicht und auf dem gesamten Kontinent zu Frieden und Stabilität beigetragen hat. Sie hat den Ansporn zu Reformen gegeben und die gemeinsamen Grundsätze Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte sowie die Grundfreiheiten, die Rechtsstaatlichkeit und die Marktwirtschaft gestärkt.
Die Erweiterung des Binnenmarktes und die Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit haben zu mehr Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit geführt, wodurch die Europäische Union in die Lage versetzt wurde, der Herausforderung der Globalisierung besser zu begegnen, und wodurch ferner der Handel mit unseren Partnern erleichtert worden ist. Die Erweiterung hat zweifellos der Europäischen Union ein größeres Gewicht in der Welt verliehen und sie zu einem bedeutsameren internationalen Akteur werden lassen.
Unsere Erweiterungsstrategie ist eine fest gefügte Strategie, bei der die aus den früheren Erweiterungsrunden gezogenen Lehren berücksichtigt worden sind. Im Dezember 2006 hat die Union beschlossen, dass die künftige Erweiterungsstrategie auf den Grundsätzen Konsolidierung der Verpflichtungen, Einhaltung strenger und fairer Bedingungen sowie bessere Kommunikation mit den Bürgern beruhen wird. Dies bildet weiterhin die Grundlage unseres Vorgehens bei der Erweiterung.
Die Union kam zu dem Schluss, dass die Kandidatenländer bereit sein müssen, die ihnen aus dem Beitritt erwachsenden Verpflichtungen vollständig zu erfüllen, und dass, wie Herr Brok in seinem Redebeitrag betonte, die Union funktions- und fortschrittsfähig sein muss, um ihre Integrationsfähigkeit bewahren zu können.
Diese beiden Aspekte sind entscheidend, um die breite, dauerhafte Unterstützung der Öffentlichkeit zu finden, die mittels größerer Transparenz und einer besseren Kommunikation über diesen Sachverhalt mobilisiert werden sollte, und ich rechne damit, dass das Europäische Parlament uns dabei behilflich sein wird.
Die Europäische Union wird ihren Verpflichtungen in Bezug auf die laufenden Verhandlungen nachkommen.
Was die Türkei anbelangt, so ist die analytische Auswertung („Screening“), die erste formale Phase für jedes einzelne Kapitel, bei 23 Verhandlungskapiteln, von denen 8 eröffnet wurden, abgeschlossen worden.
Hinsichtlich Kroatiens sind die Verhandlungen über 20 Kapitel begonnen und über 2 davon einstweilig abgeschlossen worden.
Am 17. Juni fanden Regierungskonferenzen auf Ministerebene mit der Türkei und Kroatien statt, um mit der Türkei über Kapitel 6 „Gesellschaftsrecht“ und Kapitel 7 „Rechte am geistigen Eigentum“ sowie mit Kroatien über Kapitel 2 „Freizügigkeit für Arbeitnehmer“ und Kapitel 19 „Beschäftigung und Soziales“ Verhandlungen aufzunehmen.
Unser Ziel ist es, diese Verhandlungen voranzubringen, und im Hinblick auf unsere Beziehungen zur Türkei wünschen wir uns, wie ich in Erinnerung bringen möchte, eine Fortsetzung und Intensivierung des Reformprozesses. So wird gewährleistet, dass der Prozess irreversibel und nachhaltig sein wird, und wir werden die in allen Bereichen erzielten Fortschritte, insbesondere was die Erfüllung der Kriterien von Kopenhagen anbelangt, weiterhin sorgfältig überwachen.
Selbstverständlich sind auf dem Weg der Normalisierung der bilateralen Beziehungen zur Republik Zypern ebenfalls Fortschritte vonnöten. Die Verhandlungen mit Kroatien kommen gut voran, und dieses Jahr sind sie in eine entscheidende Phase getreten. Das Hauptziel besteht nun darin, die erzielten Fortschritte weiter zu nutzen und das Reformtempo zu beschleunigen.
Die Europäische Union ermutigt Kroatien daher zur Fortsetzung seiner Bemühungen um die Herstellung gutnachbarschaftlicher Beziehungen, einschließlich der Arbeiten, um für beide Parteien annehmbare endgültige Lösungen zu finden sowie natürlich die noch offenen bilateralen Fragen mit seinen Nachbarn zu regeln.
Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, möchte ich diese Rede jedoch auch dazu nutzen, im Namen der Präsidentschaft die gewaltsamen Ereignisse von heute Vormittag in Istanbul, denen vor dem US-Konsulat in Istanbul wachhabende Polizisten zum Opfer fielen, auf das Entschiedenste zu verurteilen. Im Namen der Präsidentschaft missbilligen wir diesen entsetzlichen Anschlag, und selbstredend stehen wir gegenwärtig in engem Kontakt mit den türkischen Behörden.
(Beifall)
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Lassen Sie mich eingangs Elmar Brok und dem Ausschuss für den hochinteressanten Bericht danken.
Ihre Debatte findet zu einer Zeit statt, in der sich die EU mit der Situation auseinandersetzt, die durch das irische „Nein“ entstanden ist. Gleichzeitig erinnert uns die Entwicklung der Ereignisse in Südosteuropa an unsere unmittelbare Verantwortung, Stabilität und Demokratie auf dem europäischen Kontinent zu fördern.
Die Erweiterungsagenda der EU umfasst den westlichen Balkan und die Türkei. Ich begrüße die im Bericht enthaltene konsequente Verpflichtung auf ihre Beitrittsperspektive. Die Kommission teilt die im Bericht geäußerten Ansichten, so auch die zur Integrationskapazität, die auf jeden Fall eine wichtige Frage ist und bei der EU-Erweiterung zu berücksichtigen ist.
Mit Interesse nehme ich den im Bericht enthaltenen Vorschlag zur Kenntnis, einen Europäischen Wirtschaftsraum Plus für Beziehungen zu Ländern zu schaffen, die nicht Teil der gegenwärtigen Erweiterungsagenda sind. In Anbetracht der wirtschaftlichen Globalisierung erscheint es sinnvoll, den europäischen Rechts- und Wirtschaftsraum weiter auszudehnen und somit das weiter gefasste Europa im Sinne unseres sanften Herangehens an Fragen der Rechtsetzung zu stärken.
Für den westlichen Balkan und die Türkei, die eine klare Beitrittsperspektive haben, darf die EU aber keine neuen Zwischenstufen vor dem Kandidatenstatus oder dem Beitritt schaffen. Das würde nur Zweifel an der Verlässlichkeit der EU wecken und so die erforderlichen Anreize für demokratische Reformen schwächen.
Auf seiner Junisitzung bestätigte der Europäische Rat im vorigen Monat erneut seine volle Unterstützung für die europäische Perspektive des westlichen Balkans. Das ist eine eindringliche Botschaft: Die EU hält ihr Wort. Es ist auch eine ganz entscheidende Botschaft an die Türkei. Der EU-Beitrittsprozess schreitet voran: Mitte Juni wurden zwei weitere Kapitel eröffnet.
In Bezug auf die Türkei haben wir im vorigen Jahr den Prozess gemeinsam am Leben erhalten und sehr schwierige Situationen durchgestanden. Das war ein Sieg, der Vision und Durchhaltevermögen erforderte.
Die Voraussetzungen zum Erfolg im Jahr 2008 sowie zur Neubelebung des Beitrittsprozesses der Türkei zur EU in diesem Jahr waren gegeben. Leider sind wir, aus Gründen, die das Innenleben der Türkei betrafen, nicht Zeugen einer solchen Neubelebung geworden.
Wir als EU wollen den Prozess entsprechend den im Verhandlungsrahmen definierten Bedingungen fortsetzen. Die Türkei muss jetzt ihrerseits die demokratische Funktionsfähigkeit ihrer staatlichen Institutionen verbessern und auf die notwendigen Kompromisse zur Fortsetzung EU-bezogener Reformen hinarbeiten.
Ich hoffe aufrichtig, das sich Ruhe und Vernunft durchsetzen mögen, damit die Türkei Stagnation vermeiden und stattdessen Fortschritte verzeichnen kann, damit sie zielbewusst und entschlossen auf ihrem europäischen Weg voranschreiten kann.
Ich möchte mich Minister Jean-Pierre Jouyet anschließen und zugleich die Gelegenheit für einige wenige Worte zu den aktuellen Ereignissen in der Türkei nutzen. Die Kommission verurteilt die Entführung von drei deutschen Touristen in der Osttürkei auf das Schärfste, und wir fordern ihre sofortige Freilassung. Die Kommission verurteilt den gewaltsamen, bewaffneten Angriff von heute Morgen in Istanbul auf das Schärfste. Ich möchte den Familien und Freunden der getöteten Polizisten mein Beileid aussprechen, und ich wünsche den verletzten Polizisten eine rasche Genesung.
Abschließend ist zu resümieren, dass stets klar war, dass die Erweiterung eine langfristige Anstrengung bedeuten würde, die politische Stürme in Ankara, Belgrad, Brüssel und in vielen anderen Hauptstädten in Europa überstehen müsste. Wir können uns keine Auszeiten von diesem Einsatz für Frieden und Wohlstand nehmen, der den grundlegenden Interessen der Europäischen Union und ihrer Bürger dient. Ich bin mir sicher, dass ich in dieser Hinsicht auf Ihre Unterstützung zählen kann.
Marian-Jean Marinescu, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (RO) Die Erweiterungsstrategie der Europäischen Union sollte sich auf die bislang gewonnenen Erfahrungen stützen und die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Lage berücksichtigen. Die bisherigen Erweiterungen haben sowohl der Union, als auch den Mitgliedstaaten genutzt.
Dennoch sollten wir nicht übersehen, dass die Länder, die der EU beigetreten sind, unterschiedlich lange Verhandlungszeiten durchlaufen haben und dass ihre tatsächliche Integration in die Europäische Union unterschiedlich verlaufen ist.
Die EU-Organe haben ihre Schwierigkeiten mit der Anpassung an die steigende Zahl der Mitgliedstaaten. Es gibt Argumente, die für eine Fortsetzung der Erweiterung der Union sprechen. Ich glaube, es wäre zum Nachteil der Union, wenn Länder wie die Balkanstaaten oder die Republik Moldau nicht in die EU aufgenommen würden.
Den osteuropäischen Ländern kommen bei ihrem Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union historische und geografische Überlegungen zugute. Gewisse wirtschaftliche Anforderungen erlauben keinen Aufschub der Erweiterung, vor allem solche im Zusammenhang mit Energie. Wir müssen zudem mit äußeren politischen Einflüssen fertig werden, die unangenehme Nachwirkungen haben könnten.
Wir brauchen Nachbarländer, die starke Demokratien entwickeln, funktionierende Marktwirtschaften und Rechtsstaatlichkeit. Zurzeit wird die Nachbarschaftspolitik durch Kooperations- und Assoziationsabkommen verwirklicht, in deren Rahmen es zu ähnlichen Tätigkeiten wie beim Beitrittsverhandlungsverfahren kommt, jedoch auf einer weitaus niedrigeren Ebene. Meines Erachtens sollten in diesen Abkommen Verfahren enthalten sein und Anwendung finden, die den Verfahren in den Verhandlungskapiteln entsprechen.
Ich bin überzeugt, dass die Länder, die wirklich Teil der Union sein wollen, solche Bedingungen akzeptieren würden, selbst dann, wenn sie noch kein vorläufiges Abkommen für Bewerberländer unterzeichnet haben, und dass die Vorteile für beide Parteien bedeutend wären. Auf diese Weise würden sich die Länder zum Zeitpunkt der Erweiterung in einem Zustand befinden, der ihnen eine rasche Integration ermöglichen würde.
Dennoch gibt es eine zwingende Bedingung, um die Europäische Union weiter zu festigen und den Zeitpunkt für eine neue Erweiterung herbeizuführen: die Reform der EU-Organe. Aus diesem Grund ist die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon eine Anforderung, die alle Mitgliedstaaten verstehen und erfüllen müssen.
Der Inhalt des Berichts von Elmar Brok schafft Klarheit bezüglich der Schritte, die die Union in der nächsten Wahlperiode zu unternehmen hat und die die Europäische Kommission berücksichtigen muss.
Der Präsident. − Meine Damen und Herren! Sie haben sicherlich festgestellt, dass wir, nachdem ein Redner seinen Beitrag beendet hat, zehn bis fünfzehn Sekunden warten, bevor wir dem nächsten Redner das Wort erteilen. Die Dolmetscher haben uns um eine kurze Pause gebeten, da diese Zeit für die Übertragung der Rede benötigt wird.
Damit soll sichergestellt werden, dass jeder die Übersetzung des Beitrags ordnungsgemäß empfangen kann.
Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Im Namen meiner Fraktion möchte ich zunächst das unterstreichen und dem beipflichten, was der Ratspräsident und der Kommissar soeben zu den Ereignissen in der Türkei vorgetragen haben. Zweitens gilt mein Dank dem Berichterstatter für die konstruktive Zusammenarbeit in Vorbereitung dieser Aussprache, und drittens möchte ich im Namen meiner Fraktion noch einmal herausstellen, dass die Erweiterung unserer Auffassung nach – und der Ratspräsident hat sich auch entsprechend geäußert – bislang ein Erfolg war und einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung einer größeren Europäischen Union leistet.
Gleich zu Beginn meiner Rede sei herausgestellt, und auch in Herrn Broks Bericht findet sich diese Bemerkung, dass wir, wie der Kommissar erklärte, an den Zusagen, die wir gegenüber der Türkei und den westlichen Balkanländern abgegeben haben, in unserer Diskussion über die Erweiterungsstrategie festhalten. Die Strategie wird also gegenüber diesen Ländern nicht geändert, mehr Beachtung findet jedoch die Art und Weise, wie die Beitrittskriterien in dem Verhandlungsprozess angewendet und erfüllt werden.
Zweitens, wir gehen mit dem Berichterstatter darin konform, dass das Augenmerk vermehrt auf der Aufnahmefähigkeit der Union selbst liegen muss. Einerseits stellen wir in der Vorbereitungsphase an die Beitrittskandidaten höhere Anforderungen, andererseits muss die Europäische Union ohne Frage weitaus mehr unternehmen, um den Beitritt neuer Mitglieder in die rechten Bahnen zu lenken. Und das heißt nach unserem Dafürhalten, dass die notwendigen institutionellen Reformen durchgeführt werden. Der Vertrag von Nizza ist als Grundlage für die erfolgreiche Fortsetzung der Erweiterung nicht geeignet.
Drittens, und meiner Ansicht nach der wichtigste Aspekt: In diesem Bericht wird auch über die derzeitige Erweiterungsagenda hinaus ein Blick auf die Länder geworfen, die nicht auf der Liste möglicher Kandidaten stehen. Unsere derzeitige Europäische Nachbarschaftspolitik reicht nicht aus. Das gilt für unsere südlichen Nachbarländer, denen die EU nunmehr den Vorschlag für eine Mittelmeerunion unterbreitet hat, aber noch viel mehr für unsere Nachbarn im Osten. Wir sind eindeutig zu dem Schluss gelangt, dass die EU mehr bieten muss, mehr als die Nachbarschaftspolitik. Unserer Ansicht nach gehören dazu sowohl die Beziehungen zwischen diesen Ländern und der Union als auch die bilateralen Beziehungen zwischen den Ländern. Das Schwarze Meer würde sich hier als geografischer Rahmen anbieten, wobei auch Russland und die Türkei eine Aufgabe ausfüllen sollten. Ohne diese beiden Länder lassen sich die größten Herausforderungen und Probleme in dieser Region nicht meistern. Die Türkei könnte eine Schlüsselfunktion zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer einnehmen und hätte Gelegenheit zu zeigen, welchen Stellenwert die Türkei in Europa hat und wie wertvoll sie für die Europäische Union ist.
Bronisław Geremek, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Standpunkt des Rates und der Kommission zu den tragischen Ereignissen in der Türkei unterstützen. Um dieses wichtige Thema geht es heute in unserer Diskussion.
Herr Brok bestätigt in seinem Bericht, dass die Erweiterungsstrategie der Europäischen Union der richtige Weg ist. Ich sage das als Bürger eines Landes, das von dieser Strategie profitiert hat. Im Bericht wird festgestellt, dass die neue Beitrittsrunde zu Europäischen Union ein Erfolg war. In dem Bericht wird auch erklärt, dass die Hoffnungen der europäischen Völker, die die Mitgliedschaft in der Europäischen Union anstreben und bereit sind, deren Beitrittskriterien zu erfüllen, die Unterstützung der EU finden. Der Begriff der Integrationsfähigkeit, der eine Bedingung für eine Entscheidung über einen Beitritt ist, wurde in diesem Bericht genau definiert.
Vielleicht sollte auch erwähnt werden, dass diejenigen enttäuscht wurden, die erwartet hatten, das Europäische Parlament würde das Ende der EU-Erweiterung ankündigen und eine Art Ersatz für die volle Mitgliedschaft einführen. Die EU erweitert sich und wird stärker. Ich war erfreut, von Kommissar Rehn hören zu können, dass wir nicht irgendwelche neuen Vorzimmer für die Länder kreieren sollten, die der Europäischen Union beitreten wollen, sondern ihnen direkten Zugang zum Wohnzimmer gewähren sollten. Wir müssen aber daran denken, dass die kommende Erweiterung von den Bürgern in Europa verstanden und unterstützt werden muss. Für die Fähigkeit der EU, neue Mitgliedstaaten aufzunehmen, ist das unverzichtbar, und es ist auch wichtig, wenn wir das Vertrauen der Bürger in Europa stärken wollen. Wir wissen, dass dieses Vertrauen derzeit eine Krise erfährt. Wir wissen aber auch, dass Europa einen Ausweg aus dieser Krise finden wird. Ich gehöre zu denen, die an die Kraft der europäischen Ideen und an die Institutionen der Gemeinschaft glauben.
Die Erweiterungsstrategie, mit dem sich das Europäische Parlament sorgfältig auseinandersetzt, dient dazu, die innere Stärke der EU zu festigen und eine Antwort auf die Hoffnungen der Europäer zu finden. Die EU hat genauso geantwortet, wie sie auf die Hoffnungen Mitteleuropas im Jahr 2004 geantwortet hatte.
Adam Bielan, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! An den heute diskutierten Bericht habe ich vor allem den Vorwurf, dass darin ein klares Konzept für die Öffnung der Union nach Osten fehlt. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es unserem Parlament in seinem Handeln an Konsequenz mangelt. Letztes Jahr haben wir den von meinem Kollegen Michał Kamiński verfassten Bericht angenommen, in dem es heißt, dass der Ukraine eine klare Perspektive auf Mitgliedschaft zu geben ist. Nach dem gerade erörterten Dokument werden dagegen in den Ländern, die über einen Beitritt zur Union nachdenken, höchstwahrscheinlich die Alarmglocken läuten, vor allem bei unserem nächsten Nachbarn, der Ukraine. Mit dem Bericht, in dem es heißt, die Fähigkeit der Union zur Aufnahme neuer Länder müsse gestärkt werden, wird die zukünftige Erweiterung der Europäischen Union de facto gehemmt. Natürlichen Kandidaten wie der Ukraine, einer europäischen Nation, wird statt der Vollmitgliedschaft eine zweifelhafte Alternative angeboten.
Angesichts unserer geostrategischen Interessen sollte uns auch daran gelegen sein, mit der Ukraine so eng wie möglich zusammenzuarbeiten. In dieser Situation sollten wir Kiew eher signalisieren, dass die Tür zur Europäischen Union offen steht, anstatt die mögliche Mitgliedschaft immer schwammiger zu gestalten und so die Ukrainer in die Einflusssphäre Russlands zu drängen. Jetzt, da die Gefahr für die Ukraine durch den Kreml immer akuter wird, trifft das besonders zu.
Gisela Kallenbach, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich danke auch Elmar Brok, dass er sich bei diesem Bericht auf einen Prozess eingelassen hat. Es gab für mich einen Strategiewechsel zwischen dem Arbeitsdokument und dem jetzigen Bericht, und das ist gut so.
Die bisherigen Erweiterungen waren für die gesamte Gemeinschaft ein Erfolg, auch wenn hier und da Kritik nötig ist. Auch das ist gut so. Dennoch, der Erweiterungsprozess ist nicht abgeschlossen. Wie viele Redner möchte ich auch den westlichen Balkan nennen, der nicht in einem schwarzen Loch, umgeben von Mitgliedstaaten der Union, marginalisiert werden darf. Das liegt in unserem Interesse. Wir brauchen eine eindeutige und nicht sich je nach Situation ändernde Erweiterungsstrategie.
Die EU muss ein verlässlicher und ein vertrauenswürdiger Partner sein. Dazu gehört auch unsere eigene Reformwilligkeit. Wenn diese momentan wieder in Frage gestellt wird, dann ist eine selbstkritische Analyse nötig. Es ist fahrlässig und falsch, wenn jedes Signal von Euroskepsis auf die bisherige Erweiterung und auf Müdigkeit zurückgeführt wird. Wachen wir daher auf! Sorgen wir für eine ausgewogene ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung und vermitteln wir, welche ökonomische, kulturelle und historische Bereicherung die Erweiterung mit sich bringt! Sagen wir auch, was es kosten würde, wenn es an unseren Grenzen oder innerhalb Europas wieder brennen würde!
Klare Ziele und deren uneingeschränkte offene Diskussion schaffen Vertrauen. Dazu gehört, dass die Union zu ihren gegebenen Zusagen steht, und das erwarte ich mit der Zustimmung zu diesem Bericht.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Nach den ersten Beitrittswellen in den Jahren 2004 und 2007 stagniert die Erweiterung jetzt. Kroatien muss bis 2011 warten, Mazedonien kann frühestens 2014 beitreten, und die übrigen fünf Länder des westlichen Balkans müssen noch länger warten. Mit der Türkei laufen zwar Verhandlungen, aber es ist möglich, dass die Türkei in den nächsten Jahrzehnten noch nicht beitreten kann.
Nach dem Beitritt aller Staaten, die früher zur Einflusssphäre der Sowjetunion gehörten, hat sich in der Europäischen Union nun scheinbar Erweiterungsmüdigkeit breitgemacht. Hinter der Diskussion über die Erweiterung und Nachbarschaftspolitik verbergen sich zwei unterschiedliche Denkweisen. Die eine sieht in der Europäischen Union eine Weltmacht und einen Superstaat, der allmählich zunehmend die Entscheidungen trifft, die seine Mitgliedstaaten betreffen. Dieser Superstaat will die Nachbarländer von sich abhängig machen, ohne ihnen Einfluss als gleichberechtigte Partner in der Union zu gewähren. Ländern, die die notwendigen Anpassungen versäumt haben oder deren Wirtschaft schwach ist, wird der Beitritt verweigert. Sie müssen von der Union ferngehalten, aber dennoch mit Gewalt in ihren Einflussbereich gezogen werden. Meine Fraktion verabscheut diese Taktik.
Für die andere Denkweise ist Zusammenarbeit mit vielfältigen und gleichberechtigten Partnern prägend. Die Union ist für jeden europäischen Staat offen, der beitreten will und die Kriterien wie Demokratie und Menschenrechte erfüllt. Ein solche Union sucht nicht nach Mitteln und Wegen, um Entscheidungen überzustülpen, für die es in den Mitgliedstaaten keinen Rückhalt gibt, sondern ist bemüht, die grenzübergreifenden Probleme ihrer Bürger durch Zusammenarbeit zu lösen. Eine solche Union ist ihren Aufgaben am besten gewachsen und hat langfristig die besten Überlebenschancen.
Georgios Georgiou, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Bemühungen von Herrn Brok sind in der Tat lobenswert, und ich möchte ihm für seine Rede danken, in der er uns einige recht nützliche Erklärungen geliefert hat.
Trotz dieser lobenswerten Bemühungen ist mir die Eile der Europäischen Union, wieder einmal wahllos neue Mitgliedstaaten aufzunehmen, unerklärlich.
Was ist das für eine Union, was für ein Europa, in die bzw. in das sie aufgenommen werden würden? Ein Europa hoher Ölpreise, hoher Nahrungsmittelpreise, der Arbeitslosigkeit – ein Europa des Elends, wenn Sie so wollen? Was war das noch mal, was wir schaffen wollen? Sollen wir ein neues Netzwerk interkontinentalen Elends erschaffen?
Das kann nicht im Interesse Europas sein. Ich denke, dass es wohl im Interesse anderer sein könnte. Wir sollten an das Ergebnis des Referendums in Irland denken, das vielleicht solche simplen Erweiterungen wie die, für die wir uns entschieden haben, nicht zulassen würde.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Ich möchte dem Berichterstatter für seine Arbeit zu diesem aktuellen Thema danken, mit der er sich um eine Lösung dieses für die heutige Europäische Union so heiklen Problems bemüht.
Die Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten im Jahr 2004 und um weitere zwei im Jahr 2007 war zweifellos ein Erfolg sowohl für die Europäische Union als auch für die oben erwähnten Länder, die ihr beigetreten sind. Wettbewerbsfähigkeit und Bedeutung der Europäischen Union nehmen dank des erweiterten menschlichen und wirtschaftlichen Potenzials zu. Ich kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass in den 12 neuen Mitgliedstaaten noch immer Unterschiede zwischen ihnen und den 15 älteren Mitgliedstaaten wahrgenommen werden. Wir reden über Diskriminierung. Diese Diskriminierung ist eine Folge mangelnder Reife, sei es aus wirtschaftlicher oder sozialer Sicht. Es überrascht mich jedoch, dass die Erweiterung als ein Grund für die Notwendigkeit der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon dargestellt wird.
Meine Damen und Herren, der Vertrag von Nizza ist tot. Er ist ein Dokument, das der Vergangenheit angehört und das auf das politische Leben der Gegenwart nicht anwendbar ist. Es erfüllt nicht mehr den Zweck eines Vertrags zwischen den 15 alten Mitgliedstaaten. Heute sind es 27 Staaten, und aus diesem Grund muss der Vertrag von Lissabon ratifiziert werden, nicht aber aus Gründen der Erweiterung. Die Erweiterung können wir mithilfe eines separaten bilateralen Vertrags zwischen der Europäischen Union und dem betreffenden Mitgliedstaat erreichen.
Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Großbritannien, mein Heimatland, gehörte zu den drei Ländern, die in der ersten Erweiterungsrunde 1973 der EU beigetreten sind. Meine Partei, die Partei der britischen Konservativen, hat seit damals den Erweiterungsprozess auf die derzeitigen 27 Mitgliedstaaten aktiv unterstützt.
Durch die Erweiterung vergrößert sich der EU-Binnenmarkt, es entstehen mehr Chancen für Wirtschaftswachstum und Handel. Die Erweiterung schafft mehr Jobs und soziale Stabilität und verleiht der EU auch eine stärkere Stimme in der Welt. Sie festigt in diesen neuen Mitgliedstaaten die EU-Werte Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, wie wir es in der Vergangenheit in den danach beigetretenen ehemaligen Diktaturen Spanien, Griechenland und Portugal und den später beigetretenen, ehemals kommunistischen Staaten aus dem Warschauer Pakt erleben durften.
Aus Sicht derjenigen, die Zweifel an der Entwicklung der EU hin zu immer engerer Verflechtung hegen, sollte die Erweiterung theoretisch zu einem größeren, flexibleren Europa mit einem lockereren Zusammenhalt und zu einer breiteren Diskussion über die zukünftige Entwicklungsrichtung der EU führen. Präsident Sarkozy erörterte als amtierender Ratspräsident vor kurzem die Erweiterungsfrage im Zusammenhang mit der Lähmung des Vertrags von Lissabon nach dessen Ablehnung durch das irische Referendum. Herr Sarkozy sagte, dass die nächste vorgesehene Erweiterung um Kroatien nicht ohne den Vertrag von Lissabon stattfinden könnte. Ich glaube, dass das ein Fehler ist; es ist ein Versuch, den Vertrag am Leben zu halten.
Ich bin davon überzeugt, dass eine Möglichkeit gefunden werden kann, damit Kroatien sich ohne den Vertrag von Lissabon der EU anschließen kann. Zweifellos wird es auch in Bezug auf andere Aspekte des Vertrags Versuche geben, diese ohne Ratifikationsurkunden durchzusetzen. Es ist jetzt deutlich geworden, dass die Europäer weniger Fokussierung auf institutionelle Spielereien wünschen und mehr Konzentration auf Werbung für die EU erwarten, indem die Verbindung zu den Menschen wiederhergestellt wird.
Ich persönlich unterstütze die zukünftige Erweiterung um den westlichen Balkan und nachfolgend die Ukraine, die Republik Moldau und hoffentlich ein demokratisches Weißrussland. Sie ist ein greifbares Beispiel für das Gute, das die EU ihren Völkern bringen kann.
Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident! Zuerst möchte ich dem Kollegen Brok herzlich danken für seine Bereitschaft zur sehr guten Zusammenarbeit. Die Botschaft ist relativ klar: Es gibt keine Unterbrechung der Erweiterung, aber es gibt die Notwendigkeit, dass wir uns alle noch besser vorbereiten – wir, die wir in der Europäischen Union sind, und die, die in die Europäische Union kommen wollen. Besser vorbereiten heißt natürlich auch institutionelle Reformen, heißt Konsolidierung der Europäischen Union. Und bessere Vorbereitung heißt natürlich auch bei den Erweiterungsländern klare Akzeptanz der Kopenhagener Kriterien, die auch durchgeführt und durchgesetzt werden und nicht nur in der Gesetzgebung bestehen.
Ich bin dem Kollegen Brok auch sehr dankbar, dass er unsere Idee der Schwarzmeerunion gemeinsam mit Jan Marinus Wiersma aufgegriffen hat, wenn auch in einer vielleicht etwas vorsichtigeren Form. Aber wir müssen klare Signale an die Ukraine und an die anderen Länder der Schwarzmeerregion senden, die in der Nachbarschaftspolitik vertreten sind. Aber um diesen Ländern zu helfen, ist es auch wichtig, die Türkei und Russland in diese Kooperation mit einzubeziehen. Ich weiß ja die Ideen der französischen Präsidentschaft zu schätzen, was die Mittelmeerunion betrifft, aber wir dürfen die Schwarzmeerregion nicht außen vor lassen. Wir müssen auch dort Flagge zeigen, und die Europäische Union muss entsprechende Kooperationsangebote machen.
Zu den Balkanländern: Kollege Brok macht in seinem Bericht einige Angebote. Er hat heute klar und deutlich unterstrichen: freiwillige Angebote. Niemand sollte von hier aus das Signal bekommen: Wartet noch mit euren Reformen, es ist Zeit genug. Nein, die Reformen müssen vorangebracht werden, sowohl in Kroatien als natürlich auch in den anderen Ländern. Gerade wenn eine neue Regierung, wie jetzt in Serbien, ins Amt kommt, muss das Signal klar sein: Wir wollen euch möglichst bald in der Europäischen Union haben, aber euren Reformprozess können nicht wir ersetzen, den müsst ihr durchführen, ihr müsst eine proeuropäische Strategie fahren.
Ohne die südosteuropäischen Balkanländer ist Europa unvollständig, aber die Arbeit muss in den Ländern selbst geschehen, und das möglichst rasch, damit wir gemeinsam ein neues Europa aufbauen können.
István Szent-Iványi (ALDE). – (HU) Die Geschichte der EU ist bis heute eine Geschichte der kontinuierlichen Erweiterung, und diese Erweiterung ist auch einer der offensichtlichsten Belege für den Erfolg und die Attraktivität der Europäischen Union. Trotzdem wird in der öffentlichen Meinung mehr und mehr eine Art Müdigkeit und Apathie spürbar, wenn es um Erweiterungsfragen geht. Für uns alle ist das ein guter Grund, uns mit dem Thema Erweiterung realistisch zu beschäftigen.
Realismus ist aber keinesfalls gleichzusetzen mit Skeptizismus. Eine realistische Einschätzung kann nicht bedeuten, dass der Erweiterungsprozesses gestoppt wird, und noch weniger, dass neue Beitrittsbedingungen gestellt werden, die nicht erfüllt werden können, oder dass die zuvor übernommenen Verpflichtungen wiederholt werden, denn das würde unsere Glaubwürdigkeit untergraben. Seit dem irischen Referendum ist es unser Hauptanliegen zu beweisen, dass die Europäische Union immer noch funktioniert, und die Erweiterung ist nach wie vor ein wichtiges und reales Ziel für die Europäische Union. Das ist mindestens so sehr im Interesse der Mitgliedstaaten wie im Interesse der Länder, die beizutreten wünschen. Ich danke Ihnen.
Konrad Szymański (UEN). – (PL) Herr Präsident! In unserer Erweiterungsstrategie verdrängt der Fachjargon immer mehr die politischen Inhalte. Die Theorie der Integrationsfähigkeit ist nur eine Ansammlung von Ausreden für eine absolut willkürliche und politisch geprägte Entscheidung, die Union für die Welt zu schließen. Damit schlägt Europa eine schlechte und schädliche Richtung ein, denn gerade durch die Erweiterung hat die EU auf der internationalen Bühne an Einfluss gewonnen und konnte so ihr soziales, politisches und wirtschaftliches Modell verbreiten.
Wenn wir diesen Bericht annehmen, senden wir ein negatives Signal nach Kiew und Tbilissi und schwächen dort die prowestlichen und proeuropäischen Kräfte. Um Unterstützung für die Reformen des Vertrags anzuwerben, hat man in Polen z. B. verkündet, sie seien für die Erweiterung unerlässlich. Umso verwunderlicher ist es zu hören, dass wir trotz der Annahme des Vertrags von Lissabon an weiteren Vertragsreformen im Zusammenhang mit der künftigen Erweiterung arbeiten müssen.
Elmar, Dein Vortrag war sicherlich besser als der Bericht, aber sag mir bitte eines: Wie viele Vertragsreformen sollen wir annehmen, bis Du anerkennst, dass wir bereit sind, die Ukraine in die Europäische Union aufzunehmen?
Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Unsere Sicht zum Thema Erweiterung sieht so aus, dass die Völker Europas das Recht haben, wenn sie dies möchten und sofern sie die erforderlichen Kriterien erfüllen, einen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union zu stellen.
Dieses Prinzip ist ebenso die Basis für unsere Ansichten im Fall der Türkei, in deren Beitrittsprozess auch die Lösung der Zypern-Frage mit hineinspielt. Wir bestehen jedoch darauf, dass es eine wesentliche Voraussetzung für den Abschluss des Beitritts der Türkei ist, dass die Türkei die Verpflichtungen einhalten muss, die sie gegenüber der Europäischen Union eingegangen ist.
So wie die Europäische Union nicht darauf verzichten darf, ihren eigenen Verpflichtungen nachzukommen, so muss sich auch die Türkei in allen Punkten nach den Prinzipien internationaler Gesetzmäßigkeit, den UN-Resolutionen und dem Europäischen Recht richten und ein Ende der Zypern-Besetzung herbeiführen, Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge öffnen und das Veto aufheben, sodass die Republik Zypern an internationalen Gremien und Vereinbarungen teilhaben kann.
Besonders zum aktuellen Zeitpunkt, ausgehend von der Initiative des neu gewählten Präsidenten, Demetris Christofias, und den Anstrengungen der politischen Führungspersönlichkeiten der beiden Gemeinschaften sollte die Türkei nachgeben und es unterlassen, den Fortgang dieser neuen Etappe in der Zypernfrage in irgendeiner Weise zu behindern.
Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! In diesem Bericht wird anerkannt, dass die Erweiterung kein voller Erfolg war. Herr Brok gesteht ein, dass der innere Zusammenhalt der EU, wenn es zu keiner tief greifenden Änderung der derzeitigen Politik der EU kommt, durch die Erweiterung untergraben werden könnte.
Die EU hat Länder aufgenommen, von denen sie genau wusste, dass sie den eigenen Aufnahmekriterien nicht entsprachen, wie das bei Rumänien und Bulgarien der Fall war. Das könnte sich bei weiteren osteuropäischen Staaten und der Türkei wiederholen.
Im Ergebnis unkontrollierter, unbeschränkter und wahlloser Einwanderung durch die fortgesetzte EU-Erweiterung werden den Mitgliedstaaten, wie etwa dem Vereinigten Königreich, erhebliche Belastungen auferlegt.
Das ist nur einer der Gründe für die wachsende Feindseligkeit der EU-Bürger gegenüber der Europäischen Union. Die Lösung von Herrn Brok besteht im Vorschlag eines riesigen Werbeetats, um die Menschen von den Vorteilen der Erweiterung zu überzeugen. Die Lösung für Großbritannien ist, die Europäische Union zu verlassen und die Kontrolle über seine Grenzen zurückzuerlangen.
Philip Claeys (NI). – (NL) Soeben bekräftigte Kommissar Rehn noch einmal, dass die Türkei eine klare Perspektive einer Vollmitgliedschaft habe und dass keine neuen Bedingungen gestellt werden sollten. Dem Kommissar sei empfohlen, sich einmal die Eurobarometer-Umfragen zu Gemüte zu führen. Der Beitritt der Türkei entbehrt jedweder demokratischen Grundlage. Die Kluft zwischen der Politik und der Bevölkerung wird zunehmend größer, breiter und tiefer. Uns wurde die Aussetzung der Verhandlungen zugesagt, sobald die Türkei ihren Verpflichtungen offensichtlich nicht nachkomme. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Uns wurde zugesichert, der Verhandlungsprozess werde mit dem Reformprozess in der Türkei Schritt halten. Das bewahrheitet sich ebenso wenig. Der Reformprozess in der Türkei ist quasi zum Stillstand gekommen, und doch wurde vor zwei Wochen beschlossen, zwei neue Verhandlungskapitel zu eröffnen. Dieser Spagat zwischen Worten und Taten wird der Europäischen Union noch einmal zum Verhängnis, wenn sie ihre Politik und ihre Haltung nicht radikal ändert.
Zbigniew Zaleski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Europäische Union ist schon heute sehr groß, aber sie ist noch unvollständig. Um eine Gemeinschaft zu sein, braucht das vereinte Europa gemeinsame Werte als Grundlage und zugleich das Wohlwollen seiner Bürger. Um die selbst festgelegten Ziele zu erreichen, zu denen eine bessere Wirtschaft, größerer politischer Einfluss auf der internationalen Bühne, bessere demografische Entwicklungen oder bessere Lebensqualität zählen, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Im Anschluss an die Ausführungen des Kollegen Brok ist mehr innere Integration selbstverständlich sehr wichtig. Die Mitglieder der Union müssen die Fortsetzung der Erweiterung auch wollen, und die Beitrittskandidaten müssen natürlich die notwendigen Kriterien erfüllen. Wie lautet die Strategie für diese Erweiterung? Es geht schlicht darum, die Kandidaten in ihren Anstrengungen zu bestärken, mit ihnen zu arbeiten und sie mit verschiedenen Instrumentarien, etwa mit der Nachbarschaftspolitik, zu unterstützen.
Die östliche Dimension ist wichtig für uns, denn dort liegt ein großer Teil Europas, die nicht zum richtigen Europa, nicht zur Europäischen Union gehört. Der einzige Weg ist hier, sich darum zu bemühen, diese Nachbarn im Osten kennen zu lernen und die Grundlagen in rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen vorzubereiten. Bei alledem sind gemeinsame Werte wichtig, oder zumindest die Möglichkeit gemeinsamer Werte. Mir scheint und ich bin überzeugt davon, dass das größte gesellschaftliche und politische Experiment in der gesamten Geschichte – die Vollendung der Europäischen Union – eine echte Chance auf Erfolg hat.
Véronique De Keyser (PSE). – (FR) Herr Präsident! Es gibt ein berühmtes Bild des belgischen Künstlers René Magritte, das eine Pfeife zeigt, die mit dem Satz „ceci n’est pas une pipe“ untertitelt ist. So herrlich diese Pfeife auch gemalt sein mag, sie kann nie geraucht werden.
Ähnlich verhält es sich mit dem Bericht Brok. Ungeachtet seines Titels handelt es sich um keine Erweiterungsstrategie; es geht nämlich weder um eine Strategie noch um jene Schlüsselfragen, die sich die Bürger stellen: Weshalb eine Erweiterung der Europäischen Union? In welche Richtung? Mit welchen Risiken bzw. mit welchen Vorteilen? Worüber Herr Brok spricht, ist eine Konsolidierungsmethode, eine Verteidigungstaktik. Einfach ausgedrückt, die Erweiterung ist ein Vertrag zwischen Europa und den Bewerberländern. Letztere müssen die Kopenhagener Kriterien erfüllen und Europa hat seine Aufnahmefähigkeit unter Beweis zu stellen.
Und da liegt der Hase im Pfeffer. Eingeschnürt in das zu enge Korsett des Nizza-Vertrags, aus dem es sich nicht zu lösen vermag, ist Europa für eine weitere Erweiterungsrunde nicht gerüstet. Die Krise in den Europäischen Institutionen müsste daher ein Stopp des Erweiterungsprozesses zur Folge haben. Das ist die Ansicht vieler Unionsbürger, und bis zu einem gewissen Grad ist es auch mein Standpunkt.
Seien wir jedoch auf der Hut, denn diese Devise, so simpel formuliert, bar jeglicher ehrgeizigen Strategie, ist gefährlich. Damit wir all denen, die, um uns abzuschotten, um die Türkei oder gar die Balkanländer zurückzuweisen, zur Ablehnung eines neuen Vertrags bereit sind, all den Nationalisten der Weg geebnet, die Ausländern misstrauen, die eines Tages zu Europäern werden könnten. Für diese Nationalisten ist eine solche Devise nur ein Vorwand – im Grunde genommen wollen sie weder die Erweiterung noch die Vertiefung.
Wir müssen unseren Bürgern beweisen, dass die aufeinander folgenden Erweiterungen eine Chance für Europa bedeuteten, ihnen klarmachen, dass die kulturelle Vielfalt einen Reichtum darstellt, dass in der Einwanderung unsere demokratische Zukunft liegt. Die institutionelle Krise muss überwunden werden. Sie bedeutet zwar weder einen Sieg der Euroskeptiker noch der Linken, offenbart aber eine klägliche Ohnmacht, deren Leidtragender jeder werden kann. Im Bericht Brok wird diese Ohnmacht geschickt und intelligent behandelt, wozu ich den Berichterstatter beglückwünsche, aber leider geht er nicht weiter.
Inese Vaidere (UEN). – (LV) Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse der EU-Erweiterung sind positiv, und daher ist es ganz wesentlich, dass wir die richtigen Bedingungen schaffen, um sie weiterzuentwickeln. Unsere Organe und Regierungen sollten der Öffentlichkeit ehrliche und vollständige Informationen sowohl über den Nutzen als auch über die Risiken der Erweiterung übermitteln. Die Bürger müssen sicher sein können, dass sie sich nach der Erweiterung keine Sorgen darüber zu machen brauchen, ob sie ihre Sprachen, ihre Kulturen, ihren Glauben und ihre Traditionen beibehalten und pflegen können, und sie müssen die Gewissheit haben, dass ihr Wohlergehen und ihre Werte nicht bedroht sein werden. Wenn bestehende Nationen innerhalb von Staaten sich in ihren Ländern heimisch fühlen, wird es weniger Ängste in Bezug auf einen Zustrom von Einwanderern geben, und der Erweiterungsprozess als Ganzes wird positiv gesehen. Wir müssen auf unsere Bürger hören, und wir müssen einen Dialog entwickeln. Ich unterstütze unterschiedliche Arten der Kooperation mit potenziellen Mitgliedstaaten. Dies würde nicht nur zu einer ehrlicheren Haltung gegenüber der Integrationsfähigkeit der Europäischen Union führen, die in dem Bericht so treffend definiert wurde, sondern auch zu einer klaren Richtschnur für unsere Partner. Ich danke Ihnen.
Doris Pack (PPE-DE). - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union kann ihre Aufgabe als verlässlicher und stabiler Partner in der Welt nur ausfüllen, wenn sie handlungsfähig bleibt und eine differenzierte Strategie fährt, die den besonderen Bedürfnissen der jeweiligen Länder gerecht wird. Wir können nicht alle unsere Nachbarn als Mitglieder aufnehmen und sind daher verpflichtet, ihnen schon im eigenen Interesse eine interessante und lohnenswerte Alternative anzubieten.
Wir müssen eine effiziente Nachbarschaftspolitik erarbeiten, die diesen Namen auch verdient. Die Öffnung unserer Bildungs-, Kultur- und Jugendprogramme sowie die Einrichtung eines besonderen Wirtschaftsraumes sind Beispiele dafür. Die Optionen, die im hervorragenden Bericht des Kollegen Brok aufgeführt werden, müssen daher schnellstens durchdacht und mit Leben erfüllt werden. Nur so können in unseren Nachbarländern Stabilität, Frieden, Achtung von Menschenrechten und wirtschaftliche Reformen gefördert werden.
Aber anders sieht es in den Ländern des Westbalkans aus, die seit langem eine klare Beitrittsperspektive haben. Ein Blick auf die Landkarte genügt ja, um klar zu sehen, dass sie mitten in der Europäischen Union liegen, das heißt, sie sind rundum umgeben von EU-Mitgliedstaaten. Unsere Politik dort basiert auf nachvollziehbaren Schritten. Ein Land verhandelt bereits seinen Beitritt zur EU, andere haben das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, eben alle bis auf das Kosovo. Dort ist unsere Politik der Lackmustest für unsere außenpolitische Glaubwürdigkeit und Garant für dauerhaften Frieden und Stabilität der EU.
Ich finde es nicht gut, wenn die Türkei und Kroatien immer in einem Atemzug genannt werden. Die Voraussetzungen und die Hintergründe sind vollkommen unterschiedlich und darum sollte man darauf auch achten. Kroatien ist das erste der Westbalkanländer, das die Beitrittsverhandlungen im Jahr 2009 abschließen kann. Die EU sollte mit seiner zügigen Aufnahme ein Signal setzen, damit Mazedonien, Albanien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Serbien und das Kosovo sehen, dass sich die notwendigen und oft schmerzhaften Reformen in Gesellschaft, Justiz und Wirtschaft auch lohnen.
Aber die Verantwortung für diesen zukünftigen Beitritt dieser Länder liegt dann vorwiegend auch in den Händen der dortigen Politiker. Und die müssen dann auch von ihrer eigenen Wählerschaft zur Verantwortung gezogen werden.
Libor Rouček (PSE). – (CS) Meine Damen und Herren! Es ist die Meinung des Berichterstatters, des Rates und der Kommission, dass frühere Erweiterungen grundsätzlich ein großer Erfolg waren. Ich stimme dieser Ansicht vollkommen zu. Ein Beispiel dafür ist mein eigenes Land, die Tschechische Republik. Tschechien profitiert stark von seiner Mitgliedschaft und schließt derzeit rasch zu den wirtschaftlich führenden Ländern auf. Dennoch gibt es in unserem Land Menschen, zu denen auch unser Präsident, Václav Klaus, gehört, die ständig ihre Zweifel bezüglich der EU–Mitgliedschaft oder gar bezüglich der Gründe für die Existenz der EU äußern. Im Nachbarland Österreich kann Ähnliches vernommen werden. Obwohl in diesem Land mit seinen acht Millionen Einwohnern dank der Erweiterung 150 000 Arbeitsplätze geschaffen wurden, betrachten nur 28 % der Österreicher die EU-Mitgliedschaft ihres Landes als etwas Positives. Aus diesem Grund möchte ich einen Aspekt von Herrn Broks Bericht herausstellen, und das ist die Notwendigkeit, eine umfassende Kommunikationsstrategie durchzuführen, um die Öffentlichkeit über den Zweck der Erweiterung, über deren Vorteile, aber auch über ihre möglichen zukünftigen Nachteile zu informieren. Für mich ist dies der wichtigste Aspekt, abgesehen von der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon und abgesehen von der Einlösung unseres Versprechens, das wir insbesondere den Ländern des westlichen Balkans 2003 in Solun gegeben haben.
Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Im Bericht über die Erweiterungsstrategie, über den wir hier sprechen, gibt es eine Bezugnahme auf einen Artikel im Vertrag von Rom, dem zufolge „jeder europäische Staat … beantragen kann, Mitglied der Gemeinschaft zu werden“. Mit einiger Genugtuung nehmen wir die Hinweise zur Kenntnis, dass die Initiative Polens und Schwedens für eine östliche Partnerschaft einschließlich einer engeren Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn, darunter die Ukraine und Belarus, angenommen wurde. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Ukraine die Vollmitgliedschaft erwartet. Parallel zu den Prioritäten der französischen Ratspräsidentschaft, die sich auf Kontakte mit den südlichen Nachbarn der Union konzentrieren, sollten wir auch unsere östliche Partnerschaft vertiefen, um eine gravierende Asymmetrie in der Außenpolitik zu verhindern. Ein Instrumentarium könnte die Einberufung einer parlamentarischen Versammlung EU-Osten sein, die so genannte Euronest. Einen solchen Vorschlag an erster Stelle auf die Agenda zu setzen, wäre ein deutlicheres Signal an unsere östlichen Nachbarn und deren Hoffnungen auf die Gemeinschaft. Es muss klar betont werden, dass diese Hoffnungen nicht erstickt und mit dem Debakel des Vertrags von Lissabon in Verbindung gebracht werden dürfen, wie es einige führende Politiker in Europa gegenwärtig tun.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Brok zu seinem Bericht gratulieren, in dem sehr viel Wahrheit liegt. Ich persönlich bin nicht allzu optimistisch im Hinblick auf neue Beitritte und auf eine neue Erweiterung – zumindest in unmittelbarer Zukunft und mit Ausnahme von Kroatien. Wir wünschen der Welt in unserer Umgebung, dass sie sich an politischer und wirtschaftlicher Stabilität erfreuen kann. Wir wünschen uns, dass Frieden und Wohlstand herrscht. Wir wünschen uns, dass die Welt um uns herum lebendig ist und sehr gesund.
Dabei kann uns die Europäische Nachbarschaftspolitik helfen, etwas, das auch Herr Brok eingesteht. Die Europäische Nachbarschaftspolitik schafft jedoch keine Partner, wie sie in einem einfachen Unternehmen vorzufinden sind. Sie basiert auf den bilateralen Beziehungen der Union zu jedem dieser Länder und dies ist meiner Ansicht nach ihr Schwachpunkt. Daher müssen wir etwas schaffen, dass über die bloße Nachbarschaft zwar hinausgeht, aber nicht bis hin zum Status eines Mitgliedstaats reicht. Mein Vorschlag für den Aufbau eines Europäischen Commonwealth ist ein Schritt in diese Richtung: Es handelt sich hierbei um eine Art verstärkter Zusammenarbeit, einen Bereich von EU-Nachbarländern, die einen Europäischen Weg einschlagen.
Dadurch wird sowohl die Sicherheit gestärkt als auch das internationale Ansehen der Europäischen Union verbessert. Dies ist die Alternative zur Erweiterung und ermöglicht uns, unseren Einfluss auf die besagten Nachbarländer zu einem Zeitpunkt zu vergrößern, zu dem Einwände gegen eine weitere Erweiterung offenkundig sind.
Schließlich möchte ich noch einen Gedanken hinzufügen: Dieser Vorschlag mag reichlich ehrgeizig erscheinen, aber ich glaube, dass die Europäische Union ihr Ansehen letztlich stärken und ihren Einflussbereich erweitern muss. Ich denke, dass dies ein Weg wäre, um diese Ziele zu erreichen.
Adrian Severin (PSE). – (EN) Herr Präsident! Eine Strategie ohne Spielraum bei den Zielen kann es nicht geben. Die Mehrdeutigkeit der Ziele der Europäischen Union in der Erweiterungspolitik ist ein Hindernis, das kein Berichterstatter überwinden konnte. Dieser Bericht ist dieser Mehrdeutigkeit zum Opfer gefallen.
Unsere Pflicht und unser letztendlicher Gestaltungsspielraum bestehen darin, unseren Bürgern Sicherheit zu garantieren. Unsere Bürger fühlen sich ungeschützt. Um sie zu schützen, muss die Europäische Union Macht besitzen. In einer globalisierten Welt über Macht zu verfügen, erfordert im Fall der Europäischen Union sowohl Erweiterung als auch innere Reform. Da wir unseren Bürgern nicht erklärt haben, dass die von ihnen erlangten Rechte langfristig nicht aufrechtzuerhalten sind, meinen sie, dass sie sich diese Rechte bewahren können, indem sie Erweiterung und Reform ablehnen. Unter diesen Umständen ist die Zukunft der Europäischen Union in Gefahr.
Die Erweiterung ist kein Zugeständnis an die Kandidatenländer. Einige von ihnen, wie die Ukraine, Serbien, die Moldau und die Türkei, verfügen über Alternativen, die möglicherweise schlechter sind, aber deshalb doch als Alternativen verbleiben. In diesen Fällen stehen wir im Wettbewerb mit anderen. Einige ihrer internen Probleme ließen sich besser innerhalb, andere besser außerhalb der Europäischen Union lösen. Wenn wir ihnen keine Perspektiven anbieten, können wir die Sicherheit für unsere Bürger nicht gewährleisten.
Es sind nicht die Kandidatenländer oder die neuen Mitgliedstaaten, die schwer verdaulich sind, nein, es ist unser Verdauungssystem, das zu langsam arbeitet. Entweder wir finden schnell ein gutes Verdauungsmittel oder wir werden gezwungen sein, über lange Zeit Hunger zu leiden.
Anna Ibrisagic (PPE-DE). - (SV) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich finde es richtig festzustellen, dass die Erweiterung ein Erfolg war und freue mich, bestätigt zu finden, dass Länder, denen wir bereits klare Zusagen und eine deutliche europäische Perspektive gegeben haben, diese Vorteile auch weiterhin genießen. Allerdings bin ich ernsthaft beunruhigt darüber, dass bei jeder Diskussion über die Erweiterung der Ton kälter wird. Immer häufiger sind Worte wie adäquat, Aufnahmekapazität, politische Konsolidierung, Gefährdung des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts zu hören. Diese Begriffe hören sich für mich nicht wie eine Vision oder ein Ziel an, sondern eher wie der Versuch, uns gegen eventuelle zukünftige Erweiterungen zu versichern. Immer häufiger wird die Erweiterungsmüdigkeit der Öffentlichkeit in unseren Ländern als Argument gebracht, aber es wird nicht genügend getan, um die öffentliche Meinung zu ändern.
Es ist kein Zufall, dass gerade Deutschland und Frankreich, die über Jahrhunderte hinweg miteinander im Krieg lagen, das ganze EU-Projekt ins Leben gerufen haben. Und es ist auch kein Zufall, dass es gerade führende französische und deutsche Politiker waren, die eine Vision für die Zukunft Europas hatten. Sie wussten, dass die Europäische Union in erster Linie ein Friedens- und Sicherheitsprojekt und damit viel mehr als ein Wirtschaftsprojekt ist. Diese Vision und diese Art von Führung, die mir hier oftmals fehlen, werden heute mehr denn je gebraucht. Ich schätze daher die deutliche Aussage von Kommissar Rehn, dass wir keinen Warteraum für Kandidatenländer schaffen dürfen und dass die Erweiterung eine Zukunft hat. Dafür möchte ich dem Kommissar besonders danken.
Vural Öger (PSE). - Herr Präsident! Für mich bleibt die europäische Erweiterungspolitik eine große Erfolgsgeschichte. Die EU hat es geschafft, innerhalb von fünfzig Jahren einen Kontinent des Friedens, der Demokratie und des Wohlstands zu schaffen. Auffallend in diesem Bericht zur EU-Erweiterungsstrategie finde ich, dass auch die Beziehungen der EU zu Ländern ohne EU-Beitrittsperspektive ihren Platz finden.
Diese vorgenommene Verwässerung der Erweiterungsstrategie und ihre Vermischung mit der europäischen Nachbarschaftspolitik sind problematisch. Viele Punkte sind inhaltlich zwar sehr interessant und annehmbar, gehören aber nicht in einen Erweiterungsbericht, sondern vielmehr in einen ENP-Bericht. Ich denke da z. B. an das Projekt Union für das Mittelmeer oder Union für das Schwarze Meer. Die Erweiterungspolitik der EU sollte klar von der europäischen Nachbarschaftspolitik getrennt bleiben. Deswegen bedauere ich auch, dass der Bericht in seinen Aussagen teilweise sehr vage, teils sogar verwirrend bleibt und damit Raum für verschiedene Interpretationen lässt.
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Der Bericht Brok betrifft einen der größten Erfolge der Europäischen Union: den Erweiterungsprozess. Gestatten Sie mir, drei Anmerkungen zu machen.
Erstens hat die Erweiterung die so genannte „Fähigkeit zum Wandel“ der Europäischen Union unterstrichen. Der Wunsch nach Integration ist in vielen Europäischen Ländern zu einem kraftvollen Ansporn für einen tiefgreifenden politischen und ökonomischen Wandel geworden. Diese Länder sind den Weg der Mitgliedschaft in der Union gegangen, und davon profitieren sowohl sie selbst als auch die alten Mitgliedstaaten. Die fünfte Erweiterung ist der jüngste Beweis für diesen Erfolg.
Zweitens unterstütze ich die von der Kommission vertretenen Grundsätze der Einhaltung von Bedingungen, Konsolidierung und Kommunikation, die auch im Bericht Brok zu finden sind. Auch schließe ich mich der Forderung nach Stärkung der Integrationsfähigkeit der Europäischen Union an. Die Erweiterungen verlangen von der EU, dass sie imstande ist, die neuen Mitgliedstaaten aufzunehmen und weiterhin ihre Funktionsfähigkeit zu behalten. Dafür sind unter Umständen institutionelle Reformen und zum Beispiel die Sicherung ihrer finanziellen Ressourcen erforderlich. Die Erweiterungen dürfen die Politik der Gemeinschaft und Maßnahmen oder die Ziele der Union nicht gefährden. Des Weiteren unterstütze ich die Forderung nach einer ehrgeizigen Kommunikationspolitik, an der es der EU bislang noch mangelte. Tatsache ist, dass es uns bisher nicht gelungen ist, unsere Bürger die Vorzüge der Erweiterung spüren zu lassen.
Schließlich verweist der Bericht Brok auf die Möglichkeit der Schaffung eines speziellen Raums in der Union für die östlichen Länder, die momentan noch keine Aussicht auf eine Mitgliedschaft haben. Gemäß Ziffer 19 des Berichts müsste ein solcher Raum oder eine solche Zone auf einer gemeinsamen politischen Orientierung in verschiedenen Bereichen, von der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bis zur Bildung und Migration, aufbauen. Meines Erachtens sollten viele dieser gemeinsamen Politiken nicht auf unsere östlichen Nachbarn beschränkt werden, sondern auch die an das Mittelmeer grenzenden Länder einbeziehen. Diese unterhalten seit über fünfzig Jahren sehr enge Beziehungen zur Europäischen Union. Die Europäische Nachbarschaftspolitik und der so genannte Barcelona-Prozess — heute die Union für den Mittelmeerraum — müssen dafür sorgen, dass sich die südlichen Mittelmeeranrainer nicht als Bürger zweiter Klasse fühlen.
Luis Yañez-Barnuevo García (PSE). - (ES) Herr Präsident! Nur ein Hinweis: Bei einer Redezeit von nur einer Minute bleibt keine Zeit für Feinheiten, so spreche ich also nur in meinem eigenen Namen.
Die Erweiterung ist nicht immer erfolgreich gewesen. Die politischen Eliten von vier oder fünf Ländern, die der EU im Zuge der Erweiterung von 2004 beigetreten sind, haben meines Erachtens die europäische Politik oder den gemeinschaftlichen Besitzstand weder verstanden noch sich zu Eigen gemacht. Sie stellen die Beziehungen zu den USA in den Vordergrund und räumen der NATO mehr Raum ein als einem echten und sicheren Prozess der Integration in die Europäische Union.
Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon kann es keine Erweiterung mehr geben.
Die derzeitigen Verhandlungen mit den Kandidatenländern sollten ohne Unterbrechung fortgesetzt werden, aber meines Erachtens sollten diese Verhandlungen unbedingt erst nach Annahme des Vertrags von Lissabon zum Abschluss gebracht werden.
Schließlich sollten wir nicht zulassen, dass die Länder, die um weitere Fortschritte bemüht sind, von den eher euroskeptischen, nationalistisch geprägten oder um ihre Souveränität bangenden Ländern behindert werden.
Hubert Pirker (PPE-DE). - Herr Präsident, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Das Europäische Parlament hat mit dem Bericht Brok sehr klar aufgezeigt, dass es die Lehren aus der letzten großen Erweiterung um 12 Mitgliedstaaten gezogen hat und dass es verstanden hat, auf der einen Seite die Probleme aufzulisten, die daraus resultierten, aber auf der anderen Seite sehr wohl all die Vorzüge herauszustreichen weiß, die uns die Erweiterung gebracht hat, den neuen wie den alten Mitgliedstaaten.
Aber das Wichtige ist, die Konsequenzen daraus zu ziehen, und dies ist geschehen, insbesondere in zwei Bereichen, die für mich wichtig sind. Erstens werden wir bei künftigen Erweiterungen die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union zu prüfen haben. Und zum Zweiten sind die Voraussetzungen in den Kandidatenländern vor einer Aufnahme tatsächlich zu erfüllen.
Wenn es bei uns um die Diskussion der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union geht, dann sind mir einige Punkte wichtig wie etwa, dass die Neubeitritte das Projekt der Union nicht gefährden dürfen. Das heißt, die Dynamik der Weiterentwicklung, die Ziele der Union dürfen nicht verfälscht werden, sondern sie müssen mit der Neuaufnahme verstärkt werden können. Der institutionelle Rahmen in der Union muss vorab geschaffen und sichergestellt sein. Wir brauchen eben auch einen Vertrag wie Lissabon oder einen adäquaten Vertrag. Und eine Erweiterung muss für die Europäische Union auch leistbar sein, ansonsten stellen wir das Projekt Union in Frage.
Insgesamt wollen wir eine positive Weiterentwicklung. Spätere Aufnahmen neuer Länder sind nicht auszuschließen, aber alles nach Regeln und unter Bedingungen.
Roberta Alma Anastase (PPE-DE). – (RO) Die Stärkung der Rolle der Europäischen Union als Akteur auf der internationalen Bühne ist ohne fortwährende Anpassung an den globalen Kontext des 21. Jahrhunderts undenkbar.
Ein geostrategisches Element in diesem Zusammenhang ist die Erweiterung, und die bisherigen Erweiterungen, auch die jüngste von 2007, haben die unzweifelhaften Vorteile dieses Prozesses bewiesen. Daher ist es unverzichtbar, diesen Prozess fortzuführen, und ich begrüße die in dem Bericht enthaltene erneute feste Zusage gegenüber den Westbalkanstaaten.
Nicht weniger bedeutend ist es jedoch, auch den Partnern Europas in der Nachbarschaftspolitik eine klare europäische Perspektive einzuräumen, darunter auch die Republik Moldau.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir über europäische Länder sprechen, die ihre Bereitschaft zu einer Zukunft in der Europäischen Union bereits deutlich gemacht haben, und der Vertrag von Rom besagt ausdrücklich, dass jedes europäische Land die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft beantragen kann, vorausgesetzt, es erfüllt die Kopenhagener Kriterien.
Ich fordere die Kommission und den Rat auf…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Ioan Mircea Paşcu (PSE). – (EN) Herr Präsident! Der Rückschlag, den der Vertrag von Lissabon in Irland erlitten hat, liefert Erweiterungsskeptikern eine unerwartete Chance: Die EU muss Planungen zu neuen Mitgliedern einstellen, weil es einfach keinen Platz für sie gibt. Natürlich trifft dies, vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet, momentan zu, wir sollten aber gleichzeitig eine klare Trennung zwischen dem Vertrag von Lissabon und der Erweiterung vollziehen. Erstens, weil der Zweck des Vertrages nicht in der Erweiterung an sich, sondern in der Anpassung der EU an einen globalisierten Rahmen bestand, und zweitens, weil die Erweiterung als politische und nicht als rein rechtliche Angelegenheit anzusehen ist.
An der Erweiterung als Machtfaktor zeigen sich Anziehungskraft und Autorität, aber auch Absorptionsfähigkeit – Eigenschaften, die wir stets für unsere Union reklamieren. Daher sollten strategische Planung, reale Verhandlungen und neue Initiativen in Bezug auf die zukünftige Erweiterung parallel zu den Bemühungen um die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon fortgesetzt werden.
Andrew Duff (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Könnte Herr Jouyet zur außergewöhnlichen Lage im französischen Parlament bezüglich des Einsatzes von Referenden zur Sanktionierung des türkischen Beitritts eine Erklärung und Rechtfertigung abgeben? Stimmt er mir nicht zu, dass die Wahl eines so populistischen Instruments zur Ratifizierung eines internationalen Vertrags ein völliger Fehlgriff ist?
Nicolae Vlad Popa (PPE-DE). – (RO) Die Erweiterung hat sich als eines der stärksten politischen Instrumente der Europäischen Union erwiesen, denn sie dient den strategischen Interessen der Union im Hinblick auf Stabilität, Sicherheit und Konfliktvermeidung. Dies hat zu mehr Wohlstand und besseren Wachstumschancen sowie zur Sicherung wichtiger Verkehrswege und Energiekorridore beigetragen.
Die Erweiterungspolitik der Europäischen Union hat sich als Erfolg sowohl für die Europäische Union, als auch für Europa im Allgemeinen erwiesen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die „Politik der offenen Tür“ sowohl für die Bewerberländer, beziehungsweise mögliche Bewerberländer, aufrechtzuerhalten, als auch für die Länder im östlichen Teil des Kontinents mit einer möglichen Zukunft in der Europäischen Union. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist natürlich die Erfüllung der erforderlichen Kriterien und Verpflichtungen.
Um die Erweiterung fortzusetzen, benötigen wir jedoch eine praktikable Lösung für das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Monika Beňová (PSE). – (SK) Wir haben heute Wörter wie Erweiterungsmüdigkeit, Krise oder Konsolidierungsbedarf zu hören bekommen. Das sind sehr deprimierende Worte und Haltungen, die eher für Hilflosigkeit und elitäres Denken sprechen als für die Fähigkeit, die Vision eines vereinten Europa aktiv voranzutreiben.
Konsolidierung ist nicht das Problem derjenigen Länder, die der Union im Zuge der beiden letzten Erweiterungen beigetreten sind. Sie ist in erster Linie ein Problem der älteren Mitgliedstaaten. Sie sollten sich selbst die Frage stellen, warum sie einen Konsolidierungsbedarf sehen. Was die Erweiterungsmüdigkeit betrifft, so sind wir es, die von widersprüchlichen Ansichten und Standpunkten geplagt sind, nicht die Länder, die bereit sind, alle unsere Anforderungen und Auflagen für die EU-Mitgliedschaft zu erfüllen.
Unser Verhalten gegenüber der Türkei beispielsweise ist tragikomisch, denn zum heutigen Zeitpunkt können wir noch nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob wir bereit sein werden, die Türkei in unseren elitären Kreis aufzunehmen, wenn sie die Kopenhagener Kriterien erfüllt hat. Folglich ist die Frage, oder sind alle Fragen, die…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Es ist beruhigend zu hören, dass der französische Minister im Wesentlichen erklärt, dass die Türkei ihre Beziehungen zu Zypern normalisieren muss, um den Beweis zu führen, dass sie ihre europäischen Bestrebungen voranzutreiben wünscht.
Es ist wirklich unglaublich und widerspricht jeder Logik, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit einem Land fortsetzt, das einen ihrer Mitgliedstaaten weiterhin nicht anerkennt und nach wie vor einen Teil dieses Staates besetzt hält. Ich verstehe, dass gegenüber einem Land, in dem die Demokratie ständig vom eigenen Militär angegriffen wird, eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche erforderlich ist – aber unsere Geduld und unsere Toleranz haben ihre Grenzen.
Wir haben an den Gesprächen zwischen den Volksgruppen auf Zypern teilgenommen. Es ist jetzt an der Zeit, dass die Kommission und der Rat der Türkei nachdrücklich klarmachen, dass sie nicht nur gegenüber Zypern, sondern auch gegenüber der gesamten EU guten Willen zeigen muss, indem sie schnellstmöglich ihre Besatzungstruppen von der Insel Zypern abzieht und unverzüglich das Ankara-Protokoll umsetzt. Ein derartiges Verhalten wird zweifellos als Katalysator für die Lösung des Zypernproblems wirken.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Der Präsident. − Mir wird mitgeteilt, dass uns nur noch sehr wenig Zeit verbleibt, sodass nicht alle die Möglichkeit haben, hier zu sprechen.
Ich weise darauf hin, dass diejenigen, die sich zu Wort gemeldet haben, ihren Beitrag schriftlich einreichen können, damit er in das Protokoll der Sitzung aufgenommen wird.
13. Begrüßung
Der Präsident. − Meine Damen und Herren! Unter uns weilt heute eine Delegation der Republik Südafrika unter der Leitung von Herrn D. Obed Bapela, dem Vorsitzenden des Ausschusses für internationale Beziehungen, der uns allen für seine freundschaftliche Verbundenheit mit Europa und seinen Kampf gegen die Apartheid bekannt ist.
(Applaus)
Ich heiße unsere Gäste zu diesem zwölften interparlamentarischen Treffen des Europäischen Parlaments und des Parlaments Südafrikas ganz herzlich willkommen. Dieser Besuch ist sehr wichtig. Die Regelmäßigkeit, mit der diese Treffen stattfinden, fördert den politischen Dialog, der ein sehr wesentliches Element in dem im Mai vergangenen Jahres verabschiedeten gemeinsamen Aktionsplan zur Umsetzung der strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Südafrika ist.
Angesichts der derzeit angespannten Situation in der Region des südlichen Afrika und insbesondere der Krise in Simbabwe, über die wir alle informiert sind, erscheint die Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Ziel der Verbesserung der internationalen Sicherheit und Stabilität ohne jeden Zweifel dringender geboten denn je zuvor.
Deshalb heiße ich unsere Freunde aus Südafrika herzlich willkommen.
14. Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 (Fortsetzung der Aussprache)
Der Präsident. − Wir setzen nun die Aussprache zum Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 fort.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident! Gestatten Sie mir drei Bemerkungen, bevor ich mich dieser Aussprache zuwende, die äußerst produktiv und interessant war.
Zunächst möchte ich im Namen des Rates die südafrikanische Delegation begrüßen, die heute unter uns weilt, und ihr mitteilen, dass wir in Kürze die politischen Spitzenvertreter ihres Landes sehen werden, da Ende Juli in Frankreich das erste Gipfeltreffen zwischen Südafrika und der EU stattfinden wird.
Zweitens möchte ich mich Herrn Rehn anschließen und den deutschen Touristen, die einer Agenturmeldung zufolge in der Türkei von kurdischen Rebellen entführt worden sind, mein tief empfundenes Mitgefühl aussprechen. Sollte sich diese Meldung bestätigen, so hoffen wir im Rat aufrichtig, dass diese Personen so schnell wie möglich gesund und wohlbehalten wieder aufgefunden werden, und wir möchten betonen, dass wir in Gedanken bei ihnen sind.
Drittens möchte ich Herrn Duff für seine Kenntnis in Sachen französische Politik sowie meiner persönlich vertretenen Standpunkte danken. Selbstverständlich bin ich gerne zu einem tiefer gehenden Gespräch mit ihm bei einer Tasse Kaffee bereit, leider lassen es meine heutigen Verpflichtungen jedoch nicht zu, mich jetzt dazu zu äußern.
Um nun zu unserer Aussprache zu kommen, so ist die Erweiterung zweifellos Bestandteil der Geschichte des europäischen Aufbauwerks, und bisher haben wir stets dafür gesorgt, dass die Erweiterung und die Stärkung der Union Hand in Hand gehen. Dies muss weiterhin der Fall sein, wie Herr Brok hervorhob. Alle Debatten sind hilfreich, um unseren Bürgern die mit der Erweiterung verbundenen Probleme bewusst zu machen, und daher schenken wir den Aussprachen und den Standpunkten des Europäischen Parlaments zu diesem Thema besondere Aufmerksamkeit.
Im Anschluss an die Ausführungen zahlreicher Abgeordneter möchte ich die stabilisierende Funktion der Erweiterung unterstreichen. Im Falle der Balkanländer ist sie offenkundig. Die raschen Fortschritte Kroatiens, die der französische Vorsitz noch beschleunigen möchte, sofern alle Mitgliedstaaten damit einverstanden sind, belegen, dass Länder, in denen in den 1990er Jahren Kriege stattfanden, eine echte Beitrittsperspektive besitzen. Dies ist eine wichtige Botschaft insbesondere für Serbien, da dort gerade eine Regierung angetreten ist, die ebenfalls einen Ausbau ihrer Beziehungen zur Europäischen Union anstrebt.
Das Gleiche gilt für die Türkei, und in diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass der gegenwärtige Stand der Verhandlungen nicht von der Position dieses oder jenes Mitgliedstaates der Europäischen Union abhängt, sondern von der Türkei selbst, vom Reformtempo dieses Landes und vor allem davon, dass die Türkei ihre Verpflichtungen gegenüber allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfüllt und dass sie sich namentlich an das Protokoll von Ankara hält.
Die Erweiterungsstrategie bedeutet nicht, dass wir die anderen Nachbarn der Europäischen Union vernachlässigen. Der Rat führt gegenwärtig Beratungen darüber, wie es der Ukraine ermöglicht werden kann, auf dem nächsten Gipfel EU-Ukraine am 9. September in Evian eine neue Stufe in ihren Beziehungen zur Europäischen Union zu erreichen. Ebenso wollen wir die Beziehungen zwischen der EU und Moldawien, einem Land, in das der Rat bereits viel investiert hat, weiter voranbringen.
Als Ratsvorsitz unterstützen wir des Weiteren die dargelegten regionalen Prozesse. Ich selbst habe an der Konferenz, auf der die Synergieinitiative für die Schwarzmeerregion ergriffen wurde, sowie an dem Gipfel der Ostsee-Anrainerstaaten teilgenommen. Natürlich kann ich den nächsten Gipfel zum Barcelona-Prozess und zur Mittelmeerunion, der am 13. Juli in Paris stattfinden wird, nicht unerwähnt lassen.
Abschließend sei bemerkt, dass, wie Sie feststellen können, der Erweiterungsprozess nicht ins Stocken geraten ist. Er setzt sich fort, indem an die Bewerberländer zahlreiche Anforderungen gestellt werden, aber ebenso an die Mitgliedstaaten, die diesen Prozess ihren Bürgern erläutern müssen. Herr Rouček und Frau De Keyser haben völlig Recht, von dem Erfordernis erheblicher pädagogischer Kraftanstrengungen, mit oder ohne Magritte, zu sprechen. Allerdings stimmt es, wie Sie betont haben, dass es gleichermaßen notwendig ist, die Bürger zu beruhigen.
Just um die Fortsetzung dieses Prozesses zu ermöglichen, dessen strategische Bedeutung von manchen von Ihnen, und von Herrn Brok im Besonderen, erwähnt wurde, sieht der Vertrag von Lissabon die Reform unserer Institutionen vor, damit die neuen Mitgliedstaaten – darüber muss Klarheit bestehen – unter optimalen Bedingungen aufgenommen werden können, ohne die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union infrage zu stellen.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich freue mich besonders, meinen Beitrag zu dieser Aussprache in Anwesenheit einer parlamentarischen Delegation aus Südafrika abzuschließen, da ich meine politische Tätigkeit vor einigen Jahrzehnten bei einer Kampagne für die Freilassung Nelson Mandelas begonnen habe. Wir können uns glücklich schätzen, dass in diesem Hohen Haus mein Kollege Elmar Brok und ich – wie an der Tafel verkündet worden ist – anscheinend die einzigen verbliebenen Gefangenen sind.
(Heiterkeit)
Ich möchte den Abgeordneten für die sehr substanzielle und verantwortungsbewusste Debatte des heutigen Tages danken. Ich möchte lediglich zu einem Querschnittsthema allgemeiner Natur sprechen.
Ich bin froh darüber, dass der erneuerte Konsens zur EU-Erweiterung, der im Dezember 2006, hauptsächlich aufgrund der Ereignisse von 2005, erreicht wurde, durch den Bericht Brok und die heutige Debatte im Großen und Ganzen gebilligt worden ist. Der größte Wert dieser Strategie besteht in der sorgfältig austarierten Balance zwischen dem zugrunde liegenden strategischen Stellenwert der Erweiterung durch die Vergrößerung der Zone des Friedens und Wohlstands, der Freiheit und Demokratie einerseits und unserer Fähigkeit, neue Mitglieder unter Einhaltung strenger Bedingungen zu integrieren, und unserer inneren Reform andererseits.
Ich habe nicht vergessen – ich besitze ein Gedächtnis wie ein Elefant –, dass ich im Herbst 2004 nach einer Anhörung durch den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten wegen mangelnden Weitblicks kritisiert wurde, da ich nicht sofort eine Beitrittsperspektive für die Ukraine schaffen wollte. Ich habe nur gesagt, dass wir bezüglich der Ukraine keine Aussagen über die Zukunft treffen sollten. Ein Jahr später wurde ich wegen der Betonung der Aufnahmekapazität und des Stopps der Erweiterung kritisiert. Aus dieser Sicht begrüße ich die heutige Debatte ganz besonders – sie hat das richtige Verhältnis zwischen der strategischen Bedeutung der Erweiterung und unserer Fähigkeit zur Integration neuer Mitglieder gefunden.
Diese Aussprache und der Bericht weisen einen stabilen dritten Weg, indem eine Vertiefung der politischen Integration mit der schrittweisen Erweiterung der Europäischen Union kombiniert wird. Meiner Ansicht nach demonstriert dies eine überzeugende Konvergenz im Einsatz des Europäischen Parlaments und der Kommission, ja der Europäischen Union als Ganzes. Diese Tatsache und die Entwicklung hin zu dem neuen Konsens zur Erweiterung, die sich seit 2006 durchsetzt, werden von mir auf jeden Fall begrüßt.
Der Präsident. − Ich setze Sie darüber in Kenntnis, dass ich heute Abend in der Präsidiumssitzung meine Bedenken zum „catch the eye“-Verfahren äußern werde, für das es keine Regeln gibt bzw. das ausschließlich der Willkür oder Entscheidung des Präsidenten oder der Präsidentin oder seinem bzw. ihrem Auge überlassen ist. Ich meine, hier bedarf es grundlegender Regeln, da das Verfahren zunehmend unbefriedigend ist.
Heute hatten wir immerhin fünfzehn Wortmeldungen, und das hat Auswirkungen auf die normale Verfahrensweise und die einer jeden Fraktion zugebilligte Redezeit.
Deshalb bitte ich Sie, darüber nachzudenken, insbesondere jene, die nun enttäuscht sein mögen, da sich viele zu Wort gemeldet haben, aber nur wenige sprechen konnten.
Elmar Brok, Berichterstatter. − Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Ratspräsident! Zuerst möchte ich mich bei der Kommission und bei der Ratspräsidentschaft für die Solidarität bedanken, die sie bezüglich der deutschen Touristen in der Türkei zum Ausdruck gebracht haben.
Wir haben eine ganze Bandbreite von Themen, bei denen wir eine Balance finden müssen, von der Mittelmeerunion – die ein wichtiger Fortschritt ist, wenn sie von der Gemeinschaft als Ganzes getragen wird und nicht eine Priorität bestimmter Länder aus bestimmten Regionen ist –, über den schwedisch-polnischen Vorschlag, bis hin zum Vorschlag einer Schwarzmeerunion. Das sind alles Wege, die wir als Gemeinschaft gemeinsam beschreiten müssen, wo wir aber auch deutlich machen müssen, dass einige dieser Möglichkeiten die Perspektive der Mitgliedschaft beinhalten, andere aber nicht. Die Aussage des polnischen Außenministers Sikorski, die einen seien Nachbarn Europas, die anderen seien europäische Nachbarn, ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass es von gleicher Wichtigkeit ist, dass aber in der Methode und in der Zielsetzung Unterschiede bestehen.
Wenn wir aber den Spielraum haben – bilaterale Beziehungen, Zwischenlösungen multilateraler Art oder auch dauerhafte Lösungen zwischen Nachbarschaftspolitik und Vollmitgliedschaft – und deswegen über einen ganzen Instrumentenkasten verfügen, sollten wir überlegen, wie wir diese Balance, von der der Kommissar sprach, auf Dauer auch politisch und administrativ sichern, um auf diese Art und Weise die Entwicklungsfähigkeit der Europäischen Union wie auch die europäische Perspektive und die Stabilität in solchen Ländern zu erhalten.
Lassen Sie mich einigen Kritikern der Europäischen Union, die hier zu Wort gekommen sind, das eine sagen: Welche Europäische Union ist gemeint? Die Europäische Union, die wir haben und die die größte Erfolgsgeschichte für Frieden, Freiheit und Wohlfahrt in der Geschichte dieses Kontinents ist! Mit diesem Projekt wollen wir fortfahren und es so verbreitern, wie es geht, um diese Balance der Leistungsfähigkeit und dieses Ziel weiter zu erreichen und mehr Länder einzubeziehen. Darum geht es!
Aus diesem Grund müssen wir auch sagen, wenn wir über den Westbalkan reden: Wenn wir gestern oder in dieser Woche in Serbien eine Regierung haben, die sagt „Wir wollen nach Brüssel, nach Europa, blicken“, sollten wir – um in einer Region, von der seit 150 Jahren Unfrieden ausgeht, einen dauerhaft Frieden zu haben – dieses Angebot annehmen und diese Perspektive entwickeln, um unseren Kontinent weiterhin friedlich zu gestalten.
VORSITZ: MAREK SIWIEC Vizepräsident
Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe eine Bemerkung zur Geschäftsordnung: Da die Aussprache zur Lage der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen so spät – jetzt schon fast eine Stunde verspätet – beginnen wird, muss ich wohl leider aus Planungsgründen meinen Namen von der Rednerliste zurückziehen. Ich bitte aber darum, dass meine Minute, die mir von der PSE-Fraktion zur Verfügung gestellt war, dem Zeitfond von Frau de Keyser zugeschlagen wird. Sie spricht für die PSE-Fraktion. Ich bedauere zutiefst, so vorgehen zu müssen, aber ich muss leider zum Flughafen.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 10. Juli 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Art. 142)
Titus Corlăţean (PSE), schriftlich. – (RO) Die Aussicht südosteuropäischer Länder auf einen Beitritt zur Europäischen Union ist für sie der Motor für Reformen, die den demokratischen Wandel dieser Länder einleiten. Das Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 sollte ein klares Signal bezüglich der festen Zusage gegenüber den Ländern aussenden, mit denen bereits Beitrittsverhandlungen geführt werden oder die Aussicht auf Beitritt haben. Dies gilt unter anderem für Serbien und die Republik Moldau. Für die Republik Moldau bildet Rumänien eine Orientierung, mit deren Hilfe sich ihre Bürger die Hoffnung auf eine europäische, demokratischere und glücklichere Zukunft bewahren können.
Ein zukünftiger Beitritt zur Europäischen Union ist ein Anreiz für die demokratische Opposition in der Republik Moldau, ihren Kampf für die Schaffung demokratischer Rechts- und institutioneller Strukturen fortzuführen – einen Prozess, den zu fördern sich die EU verpflichtet hat.
Die Notwendigkeit interner institutioneller Reformen in der EU, und zwar durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, kann keinen vorläufigen Grund und keinen Vorwand gegen eine Erweiterung der Union darstellen.
Dragoş Florin David (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Die EU-Erweiterung war immer schon nur eine Frage der Zeit und des Anpassens der politischen und wirtschaftlichen Systeme der Mitgliedstaaten. Eine kurze Auswertung der Erweiterungen von 2004 und 2007 zeigt uns eine gestärkte und dynamischere Union, sowohl im Hinblick auf innere, als auch auf äußere Angelegenheiten. Das beweist, dass die Erweiterung zum Vorteil sowohl der Union, als auch der neuen Mitgliedstaaten gewesen ist. Die Auswertung zeigt uns auch, dass wir in der Union lediglich unsere Werte zusammenführen, nicht aber auch unsere Probleme. Die aktuelle politische wie wirtschaftliche, europäische wie globale Lage ist wohl nicht die günstigste für eine rasche Erweiterung, doch das sollte uns nicht davon abhalten, die Strategien und Mechanismen der Erweiterung weiterzuentwickeln und auch zu reformieren.
Die Westbalkanstaaten, die Republik Moldau, die Ukraine und die Türkei haben ihr Interesse an einem Beitritt zur EU bekundet und profitieren bereits von privilegierten Partnerschaften mit der EU, doch sie müssen, auf innenpolitischer Ebene, auch die Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllung europäischer Normen – Demokratie, Stabilität und Wohlstand – lösen.
In diesem Zusammenhang beglückwünsche ich Herrn Brok zu seinem Gespür für Ausgewogenheit und Pragmatismus, das auch in den von ihm verfassten Bericht eingeflossen ist, und ich hoffe, dass sich dieses Gespür auch in einer raschen Lösung für die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon durch alle Mitgliedstaaten wieder finden wird.
Alexandra Dobolyi (PSE), schriftlich. – (EN) Der Erweiterungsprozess war ein fester Bestandteil der Entwicklung der EU in den letzten fünfzig Jahren. Die EU hat sich von sechs Gründungsmitgliedern auf 27 Mitgliedstaaten vergrößert und repräsentiert mehr als 450 Millionen Menschen. Die Europäische Union besitzt heute mehr Stabilität, mehr Sicherheit und mehr Einfluss in internationalen Fragen als zuvor.
Wir konnten über die Jahre hinweg miterleben, dass die Erweiterung ein Hauptfaktor für den Erfolg und die Entwicklung der EU ist. Die Erweiterung ermöglichte über die Grenzlinien des Kalten Krieges hinweg die friedliche Wiedervereinigung Europas. Wir müssen zugeben, dass die Entwicklung der EU Hand in Hand mit der Erweiterung vorangeschritten ist.
Aber welche Haltung nimmt unsere Gesellschaft heute zur Erweiterung ein? Die Fortsetzung der Erweiterung wird ohne Begeisterung verfolgt, was hauptsächlich auf Probleme, die mit der Erweiterung nichts zu tun haben, zurückgeht und teilweise dem Mangel an Informationen über die Erweiterung geschuldet ist.
Ich gehöre zu denen, die überzeugt sind, dass für das Vorantreiben weiterer politischer Reformen und die Bemühungen um Demokratie die Aussicht auf eine zukünftige EU-Mitgliedschaft unerlässlich ist. Es ist zu befürchten, dass der Balkan in die Instabilität zurückfällt, wenn die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft von der politischen Agenda gestrichen wird.
Kinga Gál (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident! Im Zusammenhang mit der Debatte über die Erweiterungsstrategie würde ich gerne einmal auf die maßgeblichen Kriterien bezüglich unserer direkten Nachbarn, des westlichen Balkans und der Ukraine, eingehen.
Die Aussicht auf Mitgliedschaft und insbesondere die Verpflichtung zur Einhaltung der Kopenhagener Kriterien waren eine große Motivation für die Kandidatenländer, Reformen einzuleiten und sich zu Verfassungsstaaten zu entwickeln.
Der westliche Balkan und die Ukraine brauchen diese motivierende Kraft. Wenn wir unseren unmittelbaren Nachbarn, mit denen uns europäische Tradition und Geschichte verbinden, die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft nehmen, stirbt auch die Motivation, durch die aus diesen Ländern wahrhaftig Verfassungsstaaten werden könnten.
Innerhalb kürzester Zeit werden dann Gesetze wie minderheitenfeindliche bildungspolitische Erlasse verabschiedet, und dies sorgt ebenso wie die Schließung von Schulen, in denen in der Muttersprache unterrichtet wird, das Ausmerzen von Sprachen und die Assimilierung für enormen Unmut in der Ukraine. Wenn die Schranke geschlossen wird oder das Ziel in größere Entfernung rückt, dann entfernen sich auch die Standards mehr und mehr von dem, was wir einen Verfassungsstaat nennen.
Deshalb tragen wir eine große Verantwortung. Es kommt nun darauf an, dass wir sicherstellen, dass die Kriterien nicht nur auf dem Papier erfüllt werden, sondern in der Realität; unsere Nachbarn müssen bei ihren Vorbereitungen konsequent sein, und auch die Europäische Union muss konsequent sein, wenn sie etwas verspricht oder andere zur Verantwortung zieht. Unser konsequentes Verhalten wird sowohl bei unseren Wählern als auch bei unseren Nachbarn Vertrauen schaffen.
Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. – (PL) Als Vertreterin eines Landes, das 2004 der EU beigetreten ist, unterstütze ich alle Abschnitte in Elmar Broks Bericht, in denen betont wird, wie wichtig es ist die Erweiterung fortzusetzen und welchen positiven Beitrag sie zum Bau eines starken, geschlossenen, bürgerfreundlichen und blühenden Europas hat. Ich stimme der Äußerung zu, dass sich bereits die zugesagte Aussicht auf Mitgliedschaft in der EU auf die Innenpolitik der Kandidatenländer sehr positiv auswirkt und sie dazu ermutigt, die Verwaltung schneller umzustrukturieren, das Bildungs- und Hochschulsystem zu reformieren, mehr auf die Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte zu achten, die Korruption im öffentlichen Leben zu bekämpfen – kurz gesagt: die Werte zu übernehmen, von denen sich die Europäische Union seit vielen Jahren leiten lässt. Ich bin auch der Ansicht, dass der Bericht noch stärker die Offenheit der Europäischen Union und ihre Bereitschaft zur Aufnahme weiterer neuer Mitgliedstaaten hervorheben sollte.
Das ist insbesondere wichtig für mein Heimatland, Polen, vor allem angesichts der Erwartungen und europäischen Hoffnungen unserer östlichen Nachbarn, allen voran der Ukraine. Es wäre sehr schlimm, wenn unsere Nachbarn unsere östliche Grenze (die Schengener Grenze für die gesamte EU) als eine Art neue Mauer empfinden würden, die sie dauerhaft von uns trennt. Die hin und wieder dazu geäußerten Ansichten, wonach die zukünftige Erweiterung der EU von ihrer so genannten „Integrationsfähigkeit“ abhängig gemacht werden sollte, halte ich für undurchdacht und für eine Bedrohung der Ziele, die sich die EU selbst gesetzt hat.
Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Ein wichtiger Ausgangspunkt für alle Überlegungen zu künftigen Erweiterungen ist die klare Einsicht, dass die EU von allen Erweiterungen der Vergangenheit in hohem Maße profitiert hat. Letztere war für alle Beteiligten von Vorteil. Ausgehend von dieser unbestreitbaren Grundlage meinen wir, dass die EU auch aus kommenden Erweiterungen Nutzen ziehen wird.
Die Besorgnis über die Integrationsfähigkeit der EU ist natürlich verständlich. Das wirkungsvollste Potenzial für die Verbesserung der Integrationsfähigkeit wird aber noch gar nicht vollständig genutzt. Es besteht in der umfassenden Ausnutzung der vier Grundfreiheiten der EU – der Liberalisierung der Märkte, der Entflechtung großer Unternehmen und der Schaffung von Transparenz. Um uns den globalen Herausforderungen erfolgreich stellen zu können, müssen wir ohne weiteres Zögern auf die grundlegenden Werte und Prinzipien der Europäischen Gemeinschaft zurückgreifen, die die größte Erfolgsgeschichte der europäischen Vergangenheit war und ist.
Wir sollten es begrüßen, dass der Berichterstatter die Mechanismen der regionalen Zusammenarbeit besonders betont hat. Die jüngste polnisch-schwedische Initiative zur Schaffung einer östlichen Dimension, die alle osteuropäischen Staaten in eine zweckvolle Zusammenarbeit einbindet, scheint mir besonders wertvoll. Abkommen über regionale Zusammenarbeit können aber kein Vorwand dafür sein, bestimmte Staaten dieses Gebiets von der Perspektive einer künftigen Vollmitgliedschaft auszuschließen.
Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Das Parlament befasst sich mit seiner Entschließung zur Erweiterungsstrategie der Europäischen Union zu einer Zeit, da die EU-Erweiterung aus der Mode gekommen ist. Sie wurde sogar zu einer Art Schreckgespenst der Euroskeptiker. Sehr wichtig ist deshalb ist die im Übrigen zutreffende Äußerung, dass die „früheren Erweiterungsrunden zweifellos einen Erfolg bedeuteten“ und dazu beigetragen haben, Stabilität, Wachstum und Wohlstand in ganz Europa zu stärken. Das muss den Bürgern in der Union jedoch begreiflich gemacht werden, damit die Unterstützung in der Gesellschaft für die nächsten Schritte größer wird. Leider waren die bisherigen Informationskampagnen kein Erfolg.
Wie immer in der Debatte über die Erweiterung ist die geografische Lage der möglichen Beitrittskandidaten von Interesse. Liest man den Entwurf einer Entschließung, mag man meinen, die Türen stünden weit offen. Die Bestrebungen der Länder auf dem Balkan werden eindeutig befürwortet. Es gibt eine wichtige Erklärung, dass die östlichen Partner in der Nachbarschaftspolitik auch als europäische Länder bezeichnet werden können. Die maßgebliche Definition der „Integrationsfähigkeit” der EU (Ziffer 7) dämpft allerdings die Hoffnungen, und die Bezugnahme auf die „gemeinsamen Werte“ richtet sich zudem klar an die Türkei.
Die Entschließung in dieser Form deckt sich nicht ganz mit der Haltung Polens. Polen, ein Land, das selbst einmal an die Türen der EU geklopft hat, fordert nun, dass die Ukraine und andere Länder, die nach dem Zusammenbruch der UdSSR entstanden sind, die Aussicht auf Mitgliedschaft erhalten. Für die Stabilität des ganzen Kontinents!
Ramona Nicole Mănescu (ALDE), schriftlich. – (RO) Zunächst möchte ich den Berichterstatter zu der Objektivität beglückwünschen, mit der er den Standpunkt des Europäischen Parlaments zum Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 zum Ausdruck gebracht hat. Aus jeder bisherigen Erweiterung ist die europäische Gemeinschaft gestärkt hervorgegangen, und der Erweiterungsprozess selbst hat sich als ein Erfolg erwiesen, aus dem alle Mitgliedstaaten Vorteile gezogen haben.
Die Europäische Union hat im Hinblick auf die Institutionen und die Politiken, die sie auf innerer wie auf äußerer Ebene entwickelt hat, eine bewundernswerte Entwicklung zu verzeichnen, insbesondere jedoch durch die Förderung der Harmonisierung im wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Bereich. Die Union muss sich aber auch mit einer Reihe von Problemen auseinandersetzen, die beweisen, dass auf jede Erweiterung unbedingt eine angemessene Konsolidierung und Bewertung ihrer Politiken folgen muss, um zu vermeiden, dass Länder, die sich im Zentrum der EU befinden, besser integriert werden, während andere im Hinblick auf die Integration in Randlage verbleiben.
Ich unterstütze die Haltung des Berichterstatters bezüglich der Ermutigung osteuropäischer Länder durch Schaffung eines Raumes, der auf gemeinsamen Politiken, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Energie, Verkehr, Umwelt, Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Sicherheit, aufbaut.
Durch Förderung eines solchen Projektes könnte die Schwarzmeerregion zu einem Wachstumszentrum im Hinblick auf Wirtschaft und Entwicklung werden, was nicht nur für den Wohlstand in den Ländern dieser Region, sondern auch für die Stabilität und den Frieden an der Ostgrenze der Europäischen Union von Vorteil wäre.
Véronique Mathieu (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Wie in dem Bericht betont wird, besteht heute das Erfordernis einer tiefgreifenden Reform der Erweiterungsstrategie der Europäischen Union.
Erstens müssen die Kandidatenländer und potenziellen Kandidatenländer mit entsprechenden Vorbeitrittsinstrumenten im Hinblick auf die von ihnen zu bewältigenden Herausforderungen wie Staatskonsolidierung, Regierungsführung, sozioökonomische Reformen usw. ausgestattet werden.
Zweitens wird in dem Bericht die Notwendigkeit einer Revision unseres Konzepts der europäischen Nachbarschaftspolitik unterstrichen, die von den Drittländern weder als Ersatz für eine Mitgliedschaft noch als eine Stufe, die zwangsläufig zur Mitgliedschaft führt, angesehen werden darf.
Die Schaffung von Freihandelszonen nach dem Modell eines Europäischen Wirtschaftsraums Plus (EWR+) beispielsweise ist ein erster Schritt zur Entwicklung engerer Beziehungen zu diesen Ländern. Diese Strategie wird zur Vertiefung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu diesen Ländern beitragen, und sie wird es zugleich der Europäischen Union ermöglichen, dort ihre Ideale in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu fördern.
Die jüngste Wiederaufnahme der Initiative „Barcelona-Prozess: Eine Union für das Mittelmeer“ ist in dieser Hinsicht ein ermutigendes Zeichen, das auf die Verwirklichung privilegierter Partnerschaften mit unseren südlichen Nachbarn hoffen lässt.
Marianne Mikko (PSE), schriftlich. – (ET) Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen den Ländern, die sich uns anschließen möchten, die Tür zum Beitritt nicht verschließen, denn unsere Gründungsverträge besagen, dass jedes europäische Land, das der Europäischen Union beitreten möchte, diese Möglichkeit haben sollte.
Frühere Beitritte haben sich als sehr erfolgreich erwiesen, daher sollten wir diese Richtung weiterverfolgen. Wir dürfen die Beitrittskandidaten nicht entmutigen. Es liegt nicht bei uns, darüber zu entscheiden, ob diese Länder vollständig demokratisch werden wollen, auch wenn die drei Kopenhagener Kriterien zu 100 % eingehalten werden sollten.
Da ich aus dem „neuen Europa“ stamme, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie wichtig es für uns war, der Europäischen Union beitreten zu können, welcher Anreiz das für uns war, Reformen durchzuführen und unsere Anstrengungen zu verdoppeln. Wir sollten den Republiken der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit nicht verweigern, vollständig europäisch zu werden und ihr Staatswesen auf Rechtsstaatlichkeit zu gründen. Damit meine ich insbesondere unsere Nachbarn, die Ukraine und Moldau.
Europas Glaubwürdigkeit und die Zukunft dieser Länder hängen an einem seidenen Faden. Es ist wichtig, sie den Weg nach Europa weitergehen zu lassen. Die Europäische Union sollte sich an ihre Zusagen halten und ihren natürlichen Erweiterungsprozess fortführen. Dynamik erreichen wir durch neue Beitritte, nicht durch Stillstand. Das ganze Gerede über Aufnahmekapazitäten ist reine Heuchelei, um Laien ein X für ein U vorzumachen.
Dumitru Oprea (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus dem erst kürzlich der Europäischen Union beigetretenen Rumänien sowie als ehemaliger Rektor einer angesehenen Universität meines Landes möchte ich die Bedeutung des Austauschs im kulturellen und Bildungsbereich zwischen den Bewerberländern und den Mitgliedstaaten der Union hervorheben.
In Rumänien sind zahlreiche junge Menschen, die an einem der Mobilitätsprogramme der Europäischen Union teilgenommen haben – zum Beispiel Socrates-Erasmus und Marie Curie im Bereich der Forschung oder Leonardo im Bereich der Praxis –, in ihr Heimatland zurückgekehrt und haben eine aktive Rolle bei dessen „Europäisierung“, wenn wir es so nennen wollen, gespielt. Aufgrund ihrer Lern- und Lebenserfahrung sind sie heute aktive Mitglieder bei NRO, sie sind an Aufklärungskampagnen beteiligt und üben ehrenamtliche Tätigkeiten aus, oder sie setzen ihre Kenntnisse in Organisationen und Projekten ein, die mit der europäischen Integration im Zusammenhang stehen.
Aus diesen Gründen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es ganz wichtig ist, Maßnahmen zu ergreifen, die die Attraktivität von Bildungs- und Kulturprogrammen der EU erhöhen und die Teilnahme daran fördern. Solche Maßnahmen könnten zum Beispiel die Errichtung eines besonderen Systems für Studentenvisa sein oder die Erhöhung der für Mobilität vorgesehenen Mittel – um die Lebenshaltungskosten in einem EU-Land auch wirklich abdecken zu können –, verstärkte Bemühungen, um für europäische Programme zu werben, insbesondere unter jungen Menschen, sowie Verbreitung der positiven Ergebnisse und Erfahrungen sowohl in den europäischen, als auch in den Bewerberländern.
Pál Schmitt (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EU-Kroatien besteht für mich einer der positivsten Aspekte des Berichts darin, dass er die Fortsetzung der bereits begonnenen Beitrittsverhandlungen festschreibt und den Balkanstaaten einen Beitritt zur Europäischen Union in Aussicht stellt. In den letzten drei Jahren der Beitrittsverhandlungen hat Kroatien bereits viel Engagement bewiesen, und das Parlament hat in den Länderberichten sowohl für 2006 als auch für 2007 positive Stellungnahmen abgegeben.
Es wäre meines Erachtens für Kroatien als dem einzigen Land, das bereits fortgeschrittene Beitrittsverhandlungen führt, wichtig gewesen, in dem Dokument ausdrücklich erwähnt zu werden, das von viereinhalb Millionen Kroaten mit Spannung erwartet wird. Solche positiven Botschaften wären jetzt nach dem irischen Referendum von besonders großer Bedeutung.
Die ersten Stellungnahmen der französischen Ratspräsidentschaft, in denen von einer Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen die Rede ist, stimmen mich zuversichtlich. Mit raschen, effektiven Lösungen werden wir es schaffen, die Glaubwürdigkeit der EU zu wahren; dagegen können wir uns keine drei weiteren Jahre „Bedenkzeit“ leisten, denn bereits in 11 Monaten werden uns die Bürger in ganz Europa anlässlich der europäischen Wahlen mitteilen, was sie von der EU halten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Die Aussicht auf Mitgliedschaft in der EU wirkt wie ein kraftvoller Motor für den Wandel bei den Beitrittskandidaten. Das motiviert dazu, die notwendigen politischen wie auch wirtschaftlichen Reformen umzusetzen und die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen.
Für eine dauerhaft tragfähige Aussicht auf Mitgliedschaft muss das Voranschreiten der Verhandlungen davon abhängen, wie schnell und in welchem Umfang die Reformen in den Kandidatenländern durchgeführt werden, und die EU muss fähig sein, diese Länder aufzunehmen. Dafür brauchen wir eine starke, geschlossene und vor allem eine vereinte Gemeinschaft.
Es kommt sehr darauf an, dass die Bürger unserer Länder die Vorteile sehen, die ein Beitritt neuer Mitglieder schafft. Die Erweiterung bringt Vorteile mit sich, sie schafft sowohl in den neuen als auch in den bisherigen Mitgliedstaaten wirtschaftliches und soziales Wachstum.
Die jeweiligen Erweiterungen der Europäischen Union waren ein Erfolg, ein Erfolg für die beigetretenen und die bisherigen Mitgliedstaaten und für ganz Europa.
Ich begrüße es außerordentlich, dass im Bericht betont wird, dass für die Länder Osteuropas der Weg in die Mitgliedschaft in der Europäischen Union nach wie vor offen ist. Dies und das unlängst angenommene Östliche Partnerschaftsprogramm sollten diese Länder dazu ermutigen, sich um die Einführung europäischer Normen in den Bereichen Demokratie, Wirtschaft und Verwaltung zu bemühen.
Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. – (PL) Frühere Erweiterungsrunden waren zweifellos für die Europäische Union selbst als auch für die ihr beigetretenen Länder nutzbringend. Diese Erweiterungen förderten die wirtschaftliche Entwicklung und brachten mehr Stabilität, Wachstum und Wohlstand in Europa. Es ist sehr wichtig, die notwendigen Bedingungen zu schaffen, um den Erfolg zukünftiger Erweiterungen zu sichern und um die Qualität dieser Erweiterungen, gestützt auf die Erfahrungen der Vergangenheit, zu verbessern. Die EU muss offen für neue Länder sein, aber die Erweiterungsstrategie sollte die Bedingungen des EU-Vertrages erfüllen und die Verpflichtungen der EU gegenüber allen Kandidatenländern wie auch gegenüber den Ländern, denen die Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wurde, widerspiegeln. Die vollständige und strikte Einhaltung der Kopenhagener Kriterien wird dabei als uneingeschränkte Bedingung vorausgesetzt. Zugleich sollten wir die Fortschritte dieser Länder bei der Schaffung eines Rechtsstaates, einer unabhängigen Justiz und bei der Achtung der Grundrechte genau beobachten.
Die Union muss Maßnahmen ergreifen, um ihre Integrationsfähigkeit zu steigern. Es müssen dringend interne Reformen durchgeführt werden, um die Effizienz zu erhöhen und größeren sozialen Zusammenhalt und demokratische Verantwortung zu schaffen. Der Vertrag von Lissabon liefert die Antworten auf diese Ziele, und ohne ihn wird die zukünftige Erweiterung der Union weitaus schwieriger. Zugleich wird die EU mit ihrem Prozess der politischen Integration nur Erfolg haben, wenn es in jedem der Kandidatenländer eine klare und dauerhafte Unterstützung in der Gesellschaft für die EU-Mitgliedschaft und für die EU selbst als wirtschaftliches und politisches Projekt geben wird.
Tadeusz Zwiefka (PPE-DE), schriftlich. – (PL) Wir sprechen gern davon, dass das Europäische Parlament der einzige Ort ist, an dem die Ansichten und Meinungen der EU-Bürger öffentlich dargelegt werden. Deshalb ist es schade, dass es uns nur in diesem Parlament gelingt, uns gegenseitig davon zu überzeugen, dass die aufeinander folgenden Erweiterungen der Europäischen Union ein riesiger Erfolg waren. Wir alle tragen die Schuld daran, dass nicht alle Bürger in der Union diese Ansicht mit uns teilen. Und dadurch wiederum kommt es zu Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit, die Union zu reformieren. Ich kann allerdings das Argument nicht akzeptieren, dass die Erweiterung hauptsächlich deshalb stagniert, weil es keinen Vertrag von Lissabon gibt. Der Vertrag allein löst gar nichts. Was wir brauchen, ist eine Vision und eine Strategie. Die Europäische Union wird kein politisch und geografisch vollständiges Gebilde, solange sie nicht alle europäischen Länder integriert. Es stimmt nicht, dass die Bürger in den Kandidatenländern erwarten, dass der Beitritt in die EU sofort oder in Kürze erfolgt. Was sie jedoch brauchen, ist ein eindeutiges Signal, dass für sie hier ein Platz ist. Ohne eine solche Erklärung kann man schwerlich erwarten, dass sie all die schwierigen und umfassenden Reformen durchführen, die viel Aufopferung und harte Arbeit mit sich bringen.
Besonders die Europäer in den Balkanstaaten und in Osteuropa dürfen wir nicht vergessen. Die Europäische Nachbarschaftspolitik ist ein gutes Instrument zur Steuerung der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern auf unserem Kontinent. Die europäischen Nachbarn der EU haben jedoch das Recht auf eine klarere und effektivere Kooperationspolitik, eine Politik, durch die nicht wieder nur weitere Vor- oder Wartezimmer entstehen. Wenn wir so viel Energie für die Schaffung der Union für den Mittelmeerraum aufbringen, die vor allem von Frankreich unterstützt wird, dann sollten wir die Bildung von Euronest zumindest mit demselben Elan angehen.
15. Palästinensische Gefangene in Israel (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über:
– die mündliche Anfrage an den Rat über palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen (O-0040/2008 – B6-0166/2008);
– die mündliche Anfrage an die Kommission über palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen (O-0041/2008 – B6-0167/2008).
Luisa Morgantini, Verfasserin. − (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, d. h. 47 Mitglieder verschiedener Fraktionen, haben eine einfache Frage gestellt: Was gedenken Rat und Kommission wegen der Verstöße der israelischen Behörden gegen internationale Übereinkommen in Bezug auf palästinensische Gefangene zu unternehmen? Die meisten Häftlinge werden auf israelischem Territorium gefangen gehalten, was gegen Artikel 76 der Genfer Konvention verstößt: willkürliche Verhaftungen, Razzien, Verwaltungshaft, Folter und Misshandlungen bei den Verhören in den Hafteinrichtungen. Männer, Frauen, Heranwachsende, Studierende, Parlamentsmitglieder und Bürgermeister, etwa 10 000 Inhaftierte von einer 3,5 Millionen zählenden Bevölkerung; Personen im Alter zwischen 16 und 35 Jahren dürfen keinen Besuch empfangen, sodass es Gefangene gibt, die ihre Brüder, Schwestern, Mütter und Väter seit Jahren nicht gesehen haben.
All das wurde durch internationale Organisationen wie Amnesty International und die Vereinten Nationen, durch anerkennenswerte israelische Organisationen wie B’Tselem und Hamoked oder palästinensische Organisationen wie Addameer und Defence the Children International dokumentiert. Und trotzdem wird kein Druck auf die israelischen Behörden ausgeübt, damit sie die Übereinkommen und die Regeln, die sie selbst und die auch wir unterzeichnet haben, einhalten.
Ich möchte Ihnen einen Erfahrungsbericht, einen Appell einer Mutter vorlesen: „Ich bin die Mutter des Häftlings Said Al Atabeh aus Nablus. Mein Sohn ist seit 1977 in Haft, und ich bin 78 Jahre alt und leide an Bluthochdruck und Diabetes; ich verliere allmählich mein Augenlicht und kann nicht einmal mehr in meiner Wohnung richtig laufen. Sie werden vielleicht überrascht sein, doch mein einziger Wunsch in diesem Leben ist es, meinen Sohn zu sehen und ihn innig zu umarmen, bevor ich sterbe. Alle meine Kinder, Söhne und Töchter, sind nun erwachsen, sie sind verheiratet und haben mein Haus verlassen. Said wurde alles genommen, und ich kann ihn nicht besuchen, nicht etwa, weil ich alt und krank wäre, sondern weil mir die israelischen Behörden – aus Sicherheitsgründen, wie sie behaupten – keine Besuchserlaubnis erteilen wollen. Es war mir nur ein einziges Mal vergönnt, Said zu sehen, als ich von einem israelischen Krankenwagen in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz befördert wurde, und das ist acht Jahre her, nachdem er 29 Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Das war das erste und letzte Mal, dass ich meinen geliebten Sohn in die Arme schloss. Er umarmte mich fest und sagte: ‚Mama, ich fühle mich so, als würde ich noch einmal in dieses Leben geboren’. Das waren die schönsten Minuten für mich und für ihn, doch der Moment, als wir voneinander getrennt wurden, war der härteste und schlimmste.“ Diese Mutter sendet einen Appell aus: „Ich möchte ihn noch einmal sehen“.
Können wir das zulassen? Können wir es zulassen, dass ein Mann, der seit 32 Jahren im Gefängnis sitzt, nicht einmal seine Mutter sehen darf? Wo sind die internationalen Regeln? Wo ist die Menschlichkeit, frage ich mich? Ich denke, dass wir als Rat, als Kommission, als Parlament, standhaft bleiben müssen und so energisch wie wir können sagen müssen, dass die internationalen Regeln geachtet werden müssen, dass die palästinensischen Häftlinge, und das sind, wie ich bereits sagte, 10 000, freikommen müssen, um den Weg zum Frieden zwischen Palästinensern und Israelis zu ebnen.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Frau Vizepräsidentin, Frau Morgantini, meine Damen und Herren! Sie haben die beiden Themen israelische Gefängnis- und Verwaltungshaft von Palästinensern, einschließlich Minderjähriger, sowie deren Behandlung in den besetzten Gebieten und in Israel angesprochen.
Bei Strafmaßnahmen und Strafverfahren müssen nach Auffassung des Rates unter allen Umständen die völkerrechtlich verankerten Grundprinzipien der Menschenrechte, insbesondere die der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, geachtet werden.
Jegliche als willkürlich zu bezeichnende Inhaftierung muss verboten werden, zumal wenn die inhaftierte Person nicht über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen informiert worden ist. Das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor einem unparteiischen und unabhängigen Gericht ist ein rechtsstaatliches Grundprinzip, und Sondergerichte dürfen nur in ganz wenigen, genau definierten Fällen eingesetzt werden.
Des Weiteren muss die Verpflichtung zur korrekten Behandlung inhaftierter Personen unbedingt eingehalten werden, und Folter sowie sonstige grausame, inhumane und entwürdigende Behandlungen von Gefangenen sind selbstverständlich strikt zu untersagen und zu unterbinden.
Der Rat erkennt an, dass die Menschenrechtslage im Nahen Osten besorgniserregend ist. Er ist jedoch sehr erfreut, dass alle diese Fragen, einschließlich der Situation in den Palästinensergebieten, im Rahmen des Dialogs zwischen der Europäischen Union und Israel besprochen werden. Genauer gesagt, die Frage der Menschenrechte ist nach wie vor ein in den politischen Kontakten zwischen der EU und Israel auf allen Ebenen ständig diskutiertes Thema.
So hat die Europäische Union in ihrer zum Abschluss des Assoziationsrates EU-Israel veröffentlichten Erklärung vom 16. Juni 2008 gefordert, dass anstelle der informellen Arbeitsgruppe für Menschenrechte ein ständiger Unterausschuss für Menschenrechte eingerichtet wird.
Der Rat ist sich des von den EP-Abgeordneten, speziell der Vizepräsidentin, geschilderten und insbesondere in dem letzten Bericht des UN-Sonderberichterstatters John Dugard über die Menschenrechtslage in den Palästinensergebieten sowie von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen dargelegten Sachverhalts bewusst.
Der Rat hatte Gelegenheit, seiner Besorgnis Ausdruck zu verleihen, und er hat mehrfach die Freilassung palästinensischer Gefangener in großem Umfang gefordert. Im Übrigen bekräftigt er erneut seinen Standpunkt, dass der im November 2007 in Annapolis eingeleitete politische Prozess, der mit vertrauensbildenden Maßnahmen vor Ort einhergehen muss, die einzige Möglichkeit darstellt, zu einer Verhandlungslösung zwischen den Parteien zu gelangen, die auf der friedlichen Koexistenz zweier Staaten beruht, nämlich eines unabhängigen demokratischen und lebensfähigen Palästinenserstaates nebst einem innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen fortbestehenden Staates Israel.
Vor diesem Hintergrund fordert der Rat im Hinblick auf die Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den Parteien und die Beteiligung der Zivilbevölkerungen an dem in Gang befindlichen politischen Prozess Israel zu entsprechenden Gesten auf, namentlich zur vordringlichen Freilassung der in Gefängnissen inhaftierten oder in Verwaltungshaft befindlichen palästinensischen Kinder, Frauen und gewählten Vertreter.
(Beifall)
Hinsichtlich der von Frau Morgantini erwähnten Berufung auf die völkerrechtlichen Instrumente bleibt der Rat bei seiner Position, nämlich dass das Völkerrecht, wie in der vom Rat im Dezember 2003 angenommenen Europäischen Sicherheitsstrategie festgelegt, geschützt und weiterentwickelt werden muss.
Ich möchte hervorheben, dass der Vorsitz die Unterzeichnung des Austauschabkommens zwischen Israel und der Hisbollah, von der wir am Montag erfahren haben, im Namen der Europäischen Union sehr begrüßt. Dieses Abkommen sieht die Übergabe der sterblichen Überreste von Hisbollah-Kämpfern und die Freilassung palästinensischer Gefangener im Austausch gegen die sterblichen Überreste der im Jahr 2006 gefangengenommen israelischen Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev vor.
Wir hoffen, dass dieser Austausch vereinbarungsgemäß vonstatten geht, doch wird daran zugleich für die Zukunft deutlich, wie komplex das Problem der „Gefangenen“ im Nahost-Konflikt und wie wichtig die Lösung dieses Problems ist.
Der Rat weist darauf hin, dass der in der Roadmap festgelegte politische Prozess der einzig Weg zur einer Verhandlungslösung zwischen den Parteien sowie zu der mir erwähnten Koexistenz zweier Staaten, deren Modalitäten ich genannt habe, ist.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich Frau Morgantini sagen, dass mir ihre heutige Anfrage sehr nahe geht. Im Februar vorigen Jahres hatte auch ich – in Begleitung von Fadwa Barghouti, der Frau des inhaftierten Marwan Barghouti – eine Begegnung mit dem für die Angelegenheiten von Gefangenen zuständigen palästinensischen Minister. Ich habe ihnen sehr aufmerksam zugehört. Ihr Bericht über die Lage der Gefangenen stimmt mit den Berichten überein, aus denen Sie, Frau Morgantini, gemeinsam mit den anderen Abgeordneten in Ihrer Anfrage zitieren.
Deshalb möchte ich betonen, dass mich die Menschenrechtsverletzungen sehr beunruhigen und ich mit den palästinensischen Gefangenen mitfühle, die in israelischen Gefängnissen leiden müssen.
Die Kommission ist sich der Verantwortung Israels als Besatzungsmacht und der Verstöße gegen das Völkerrecht, die diese Zustände verdeutlichen, sehr wohl bewusst. Darum sprechen wir zum Beispiel das Thema Verwaltungshaft regelmäßig bei unseren israelischen Amtskollegen an, sowohl im informellen als auch im offiziellen Rahmen. Der eine Fall, den Sie heute geschildert haben, berührt mich sehr, und wenn ich die entsprechenden Unterlagen haben kann, dann werde ich persönlich alles versuchen, was in meiner Macht steht. Vielleicht besteht ja die Chance, dass diese Mutter ihren Sohn wiedersehen kann.
Die Europäische Union hat zudem mehrfach die sofortige Freilassung der palästinensischen Abgeordneten gefordert, die von Israel gefangen gehalten werden. Der Kommission ist auch bekannt, dass palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen und Gefangenenlagern inhaftiert sind. Das ist ein Verstoß gegen die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes, der zufolge das Mündigkeitsalter bei 18 Jahren liegt, und auch gegen die Vierte Genfer Konvention, wonach Personen im besetzten Gebiet gefangen gehalten werden müssen. Diese inhaftierten Kinder sind besonders schutzlos. Wir wissen das. Es muss dafür gesorgt werden, dass sie unter Einhaltung des Völkerrechts behandelt werden.
Wir müssen der Lage der von dieser Konfliktsituation betroffenen Kinder mehr Aufmerksamkeit widmen. Darum hat die Europäische Union Israel und das besetzte palästinensische Gebiet in die Liste der Länder aufgenommen, denen bei der Umsetzung der Leitlinien der EU über Kinder und bewaffnete Konflikte Priorität eingeräumt wird.
Gemäß diesen Leitlinien bezieht die Europäische Union außerdem alle Aspekte der Rechte und des Wohls der vom Konflikt betroffenen Kinder in den politischen Dialog mit Israel ein. Darüber hinaus arbeitet die Europäische Union eng mit UNO-Institutionen sowie mit palästinensischen und israelischen NRO zusammen, die die Beachtung der Rechte des Kindes aktiv beobachten, darüber berichten und für sie eintreten.
Die Achtung der Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts sind Grundwerte der Europäischen Union. Sie sind wesentliche Bestandteile unserer Außenpolitik. Folglich ist der Schutz der Menschenrechte von großer Bedeutung für unsere Beziehungen zu Israel. Unser Menschenrechtsdialog mit den israelischen Behörden auf verschiedenen Ebenen belegt das.
Die Kommission wird im Rahmen ihrer Treffen mit den israelischen Behörden – und ich persönlich werde im Rahmen meiner Treffen mit israelischen Entscheidungsträgern – Israel auf jeden Fall auch weiterhin drängen, das Völkerrecht und internationale Konventionen vollständig zu beachten. Die Europäische Union hat erst kürzlich auf der letzten Tagung des Assoziationsrates mit Israel den Wunsch geäußert, einen formalen Unterausschuss „Menschenrechte“ einzurichten. Das wäre dann ein wichtiger Schritt hin zu einer weiteren Formalisierung eines Dialogs zu diesem Thema.
Durch Artikel 2 des Assoziationsabkommens EU-Israel werden sowohl die Europäische Union als auch Israel nach wie vor daran erinnert, dass die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Grundsätze die Basis unserer bilateralen Beziehungen bildet. Wir sind der Meinung, dass der Dialog das beste Mittel ist, um Israel positiv zu beeinflussen. Wir scheuen nicht davor zurück, schwierige Themen wie das Thema der Anfrage der Abgeordneten anzusprechen.
Ich stimme dem Herrn Ratspräsidenten voll und ganz zu, der sagte, man müsse das Ganze im Kontext des Nahost-Konflikts betrachten, und ich glaube deshalb, dass eine Lösung dieses Konflikts letztendlich auch das Problem der Gefangenen entschärfen, wenn nicht sogar lösen würde.
Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Einmal mehr nutzen die antiisraelischen Kräfte in diesem Parlament jede Gelegenheit, den jüdischen Staat anzugreifen, und einmal mehr sind diejenigen von uns, die eine ausgewogene Debatte und echten Frieden im Nahen Osten wollen, dazu gezwungen, Israel zu verteidigen. Immerhin ist Israel ein demokratisches Land, das von Terroristen des Dschihad und ihren Anhängern – von genau jenen, die sich derzeit in israelischer Verwaltungshaft befinden – existenziell bedroht wird.
Was die Kinder betrifft, sei gesagt: Traurigerweise wurden Kinder von Terroristen in die Intifada hineingezogen und für die Intifada rekrutiert, sogar als potenzielle Selbstmordattentäter.
Insbesondere möchte ich die Notwendigkeit dieses Entschließungsantrags zu einer Zeit in Frage stellen, da es einen Waffenstillstand mit der Hamas gibt, die gerade aufgehört hat, ihre Raketen aus dem Gazastreifen auf Zivilisten zu feuern, und zu einer Zeit, da zwischen Israel und der Hisbollah ein Gefangenenaustausch stattfindet, in dessen Rahmen fünf inhaftierte Terroristen zu ihren Familien heimkehren durften, während zwei israelische Soldaten nur in Leichensäcken zurückkehren werden. Einer dieser Terroristen – Samir Kuntar – hat einen jungen israelischen Mann ertränkt und anschließend dessen Tochter gegen Felsen geschmettert und ihr mit einem Gewehrkolben den Schädel eingeschlagen. Außerdem hat er einen Polizisten getötet. Die palästinensischen Terroristen, die das Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ entführt hatten – und dabei einen älteren jüdischen Mann ermordeten und seine Leiche über Bord warfen –, sind diejenigen, die Kuntars Freilassung gefordert hatten.
Pakte mit Terroristen fordern von jeder Demokratie einen hohen Preis, doch im Falle Israels gleich einen doppelten. Samir Kuntar hat geschworen, den Dschihad gegen Israel wieder aufzunehmen, jetzt, da er frei ist.
Daher begrüße ich die mutige Entscheidung Israels. Ich hoffe, dass sie schließlich zu positiven Ergebnissen führen wird, auch wenn ich befürchte, dass das nicht der Fall sein wird, denn es ist ziemlich offensichtlich, dass jene, die Israel als Staat zerstören wollen, von Politikern wie Frau Morgantini gestärkt werden, die Entschließungsanträge wie diesen zu einem Zeitpunkt wie diesem einreichen.
Wenn sie schon einmal bei dem Thema ist, dann könnte sie doch auch gleich die von der britischen Presse erhobenen Vorwürfe der Folter untersuchen, die in den palästinensischen Gefängnissen gegen eigene Leute gang und gäbe sein soll – sowohl Folter durch die Hamas im Gazastreifen als auch, und das überrascht vielleicht mehr, durch die Palästinensische Autonomiebehörde selbst.
Véronique De Keyser, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich habe kürzlich an der Nahost-Sicherheitskonferenz in Berlin teilgenommen, auf der die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in den besetzten Gebieten das zentrale Thema bildete. Was für Palästina, ein im Entstehen begriffener Staat, gilt, ist erst recht für Israel gültig. Und in diesem Punkt ist das Schicksal der palästinensischen Gefangenen ein Paradebeispiel, geht es doch um das Schicksal von mehr als 8 500 palästinensischen Gefangenen sowie um die Gründe ihrer Haft und um ihre Haftbedingungen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass derzeit 48 gewählte Mitglieder des Palästinensischen Legislativrates inhaftiert sind; das ist inakzeptabel. Dass die überwältigende Mehrheit der Inhaftierten in israelische Gefängnisse verbracht wurde, womit gegen die Genfer Konvention, die die Deportation von Inhaftierten aus besetztem Gebiet in das Gebiet der Besatzungsmacht verbietet, verstoßen wird; das ist inakzeptabel. Dass das in den besetzten Gebieten angewandte Strafgesetzbuch nur für die Palästinenser und nicht für die Siedler gilt – im Klartext: was im Falle der einen Gruppe strafbar ist, gilt im Falle der anderen Gruppe nicht mehr als Straftat; das ist inakzeptabel. Dass zirka 100 Frauen gefangen gehalten werden und schwangere oder stillende Frauen nicht die ihrem Zustand entsprechende Betreuung erhalten; das ist inakzeptabel. Dass 310 Minderjährige unter denselben Bedingungen inhaftiert sind wie Erwachsene, obwohl Israel das Übereinkommen über die Rechte des Kindes unterzeichnet hat. Und man komme mir bloß nicht mit der Behauptung, wie ich sie schon gehört habe, nämlich dass diese kleinen Araber mit 15 Jahren bereits erwachsen und zu allem fähig seien.
Was ist denn schuld daran, Herr Tannock, wenn nicht die Besatzung, durch die sie ihrer Kindheit beraubt wurden? Und die Liste lässt sich fortsetzen: Folterungen, Misshandlung, keine Rechte auf Verteidigung, kein gerichtliches Verfahren usw. Diese Tatsachen sind sowohl durch israelische als auch durch internationale Quellen belegt. Das Europäische Parlament kann zwar ein Ende dieses Konflikts nicht herbeizaubern, aber es wird, seien Sie dessen versichert, die Menschenrechte in den Mittelpunkt der Revision des Status Israels stellen, worüber während dieses Jahres Gespräche geführt werden. In Artikel 2 des Assoziationsabkommens EU-Israel heißt es klar und deutlich, dass sich die Beziehungen zwischen den Parteien sowie die Bestimmungen des Abkommens selbst auf die Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie als Richtschnur ihrer internen und internationalen Politik stützen, was ein wesentliches Element dieses Abkommens darstellt.
Natürlich muss der Austausch stattfinden – der Austausch und die Freilassung von Gefangenen wie beispielsweise von Gilad Shalit auf der einen und Salah Hamouri auf der anderen Seite. Die Unterzeichnung des Austauschabkommens mit der Hisbollah wird von mir gewiss sehr begrüßt, doch möchte ich unsere israelischen Partner daran erinnern, dass in den Augen des Europäischen Parlaments Menschenrechte nicht verhandelbar sind. Und daher bin ich erfreut und beglückwünsche Sie, Herr Minister, in Ihrer Eigenschaft als Vertreter des Rates, sowie Sie, Frau Kommissarin, zu Ihren entschiedenen Worten, die uns die Gewissheit geben, dass unsere drei Institutionen tatsächlich eine einmütige Europäische Union bilden.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich zu diesem Thema persönlich äußern.
In Israel verfolgt eine Regierung nach der anderen eine Politik, mit der der Wunsch des palästinensischen Volkes, in seinem Land frei zu leben, unterdrückt werden soll. Dabei wird mit eiserner Hand und Waffengewalt regiert, es gibt willkürliche Festnahmen, Inhaftierungen, Folter und es werden Zivilisten, unter ihnen Frauen und Kinder, ermordet. Diese Politik ist äußerst unklug, da sie außer Acht lässt, dass sich die tatsächlichen Sicherheitsprobleme, die Israel zugegebenermaßen hat, nicht durch solche unmenschlichen Reaktionen lösen lassen. Im Gegenteil – diese Brutalität führt nur zu noch mehr Gewalt und lässt die bisherige internationale Unterstützung allmählich abflauen.
Es wird allerhöchste Zeit, dass die EU-Führungsspitze die regierenden jüdischen Politiker mutig warnt, dass sie, wenn sie sich weiter wie naziähnliche Militärführer verhalten und wenn sie weiterhin glauben, dass die Unterstützung der USA-Führungsspitze und derjenigen, die sie in Europa beeinflussen – und davon sind auch die MdEP nicht ausgenommen – ewig währt, ihren eigenen Staat traurigerweise, aber zwangsläufig und mit mathematischer Präzision auslöschen werden.
Hélène Flautre, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Obeida Assida ist ein palästinensischer Student. 2003 wurde er im Alter von 17 Jahren festgenommen, und er befindet sich derzeit in Verwaltungshaft in Israel, ohne Anklage und ohne ein gerichtliches Verfahren. Saed Yassine ist ein palästinensischer Menschenrechtsaktivist. Er ist 34 Jahre alt. Seit 2006 befindet er sich in Verwaltungshaft in Israel. Er steht nicht unter Anklage und es liegt nichts gegen ihn vor; seine Ehefrau und seine Kinder durften ihn nur dreimal besuchen. Noura al Hashlamoun ist eine 36-jährige Hausfrau und Mutter von sechs Kindern. Sie ist seit September 2006 in Verwaltungshaft, ohne Anklage und ohne Gerichtsverhandlung. Marwane Barghouti, Initiatior und Verfasser des „Gefangenen-Dokuments“, ist seit April 2002 in Israel inhaftiert. Im Übrigen möchte ich meine Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass ein Aufruf zu seiner Freilassung noch in Umlauf ist, und Ihre Unterschrift dazu ist jederzeit willkommen.
Wie Sie alle wissen, würde ich viel Redezeit benötigen, wollte ich die endlose Reihe der Tausenden palästinensischer Gefangener aufzählen, die derzeit unter eklatanter Verletzung des humanitären Völkerrechts in israelischen Gefängnissen einsitzen. Jeder von ihnen, jede ihrer Familien würde allerdings eine lange Rede verdienen. Nichts ist ihnen nämlich erspart geblieben – in unmenschlicher Art durchgeführte Verhöre, die bis zu 188 Tagen dauern können und bekanntlich Folter einschließen, Geständnisse und Urteile, die in Hebräisch zu unterschreiben sind, grundlose Inhaftierung in Israel, außerhalb ihres Gebietes, die willkürlich alle sechs Monate verlängert werden kann, die Unterwerfung unter die diskriminierende Gerichtsbarkeit von Ad-hoc-Militärgerichten, wofür keinerlei gesetzliche Rechtfertigung besteht, kein Zugang zu einem Anwalt in den ersten 90 Tagen ihrer Haft sowie praktisch nicht vorhandene Besuchsrechte.
Frau De Keyser hat Recht, dass genau dies von der EU nicht hingenommen werden kann, dass all das völlig inakzeptabel ist. Und Sie reden von diesem neuen Dialog, den Sie nutzen wollen. Weshalb sollten wir denn glauben, dass die Europäische Union, dass Sie, die Kommission und der Rat, künftig besser imstande sein werden, die Achtung der bereits in dem vorhandenen Abkommen enthaltenen Bestimmungen durchzusetzen, wenn morgen...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Während unserer vorherigen Plenarsitzung am 16. Juni in Straßburg äußerten Sie sich zur Lage in Palästina. Ihre Erklärung spiegelt die enttäuschenden Ergebnisse des Ad-hoc-Ausschusses wider, der auf Ihre Initiative hin Anfang Juni die Palästinensischen Gebiete besuchte und Zeuge der armseligen Lebensbedingungen der Palästinenser wurde, die von der Besetzung durch Israel herrühren.
Es ist nun an der Zeit, dass Rat und Kommission Antworten darauf geben, welche Maßnahmen sie zu ergreifen beabsichtigen, um sicherzustellen, dass der Besatzer, der Staat Israel, im Hinblick auf die Lage palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen das Völkerrecht einhält.
Wir, die Mitglieder des Europäischen Parlaments, fordern heute, dass der Rat und die Kommission die Tatsache erklären, dass sie am 16. Juni die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel intensiviert haben, zu einem Zeitpunkt, zu dem 11 000 Gefangene, darunter 376 Kinder, 118 Frauen und 44 Mitglieder des Palästinensischen Legislativrats, sowie 800 Verwaltungshäftlinge in israelischen Gefängnissen unter Verletzung des Völkerrechts festgehalten wurden.
Wir werden Palästina in zwei Monaten erneut besuchen. In der Zwischenzeit möchten wir Sie darum bitten, dass Sie im Namen des gesamten Parlaments die israelischen Behörden auffordern, unverzüglich alle in israelischen Gefängnissen festgehaltenen Kinder sowie jene Gefangene, bei deren Festnahme die normalen gesetzlichen Verfahren nicht eingehalten wurden, freizulassen.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)
Nickolay Mladenov (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich glaube, dass sowohl dieses Hohe Haus als auch die Kommission und der Rat und alle europäischen Politiker davon überzeugt sind, dass der Schutz der individuellen Menschenrechte in Zeiten von Krieg und Terror eine viel wichtigere Pflicht ist als in Zeiten von Frieden und Sicherheit. Ich glaube, wir sind da alle einer Meinung.
Diese Auffassung vertritt auch der Oberste Gerichtshof Israels. In mehreren Urteilen hat der Oberste Gerichtshof Israels die Rechte von palästinensischen Gefangenen und Antragstellern gegenüber den Maßnahmen der israelischen Verteidigungskräfte bzw. der israelischen Regierung verteidigt.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass 1991, als Israel einen Angriff mit chemischen und biologischen Waffen erwartete, sein Oberster Gerichtshof einer Petition stattgab, in der es hieß, die Kraft einer Gesellschaft, sich ihren Feinden zu widersetzen, beruhe auf der Einsicht der Gesellschaft, für Werte zu kämpfen, die schutzwürdig sind. Der beste Partner bei der Verteidigung der Rechte palästinensischer Gefangener in Israel ist der Oberste Gerichtshof Israels. Meines Erachtens sollten sich die Abgeordneten dieses Parlaments mit all ihren Problemen an diese rechtliche Instanz des demokratischen Staates Israel wenden.
Doch ich frage die Abgeordneten in diesem Plenum: Welches Abkommen schützt die Rechte derjenigen, die in den letzten Jahren entführt, terrorisiert oder getötet wurden? Welches Gericht erlaubte Alan Johnson, Einspruch gegen seine Entführung einzulegen? Welches Besuchsrecht wurde Gilad Shalit gewährt? Welche Rechte hatte der sechzehnjährige Ophir Rakhum? Welchen Rechtsschutz hatte er?
Ich fordere die Abgeordneten dieses Parlaments aufrichtig und von ganzem Herzen dazu auf, Farbe zu bekennen und den ausgewogenen Ansatz von Kommission und Rat im Hinblick auf diesen Konflikt und den Schutz derer zu unterstützen, deren Rechte beschnitten wurden. Wir sollten keine Meinung vertreten, die die Fähigkeit der Europäischen Union untergräbt, Stellung zu beziehen und den Friedensprozess im Nahen Osten so zu unterstützen, wie sie es gerade tut.
Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Herrn Ratspräsidenten sagen, dass nach Angaben von Amnesty International die 8 500 Palästinenser aus den besetzten palästinensischen Gebieten, die in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, gegen Artikel 76 der Genfer Konvention inhaftiert sind, und für viele dieser Gefangenen sind Besuche durch Verwandte aufgrund der beschränkten Reisegenehmigungen nicht möglich. Und die Kosten für die Besuche, die gestattet werden – obwohl Israel laut den internationalen Menschenrechtsnormen verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die palästinensischen Gefangenen Besuch empfangen können –, trägt die internationale Gemeinschaft über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Deshalb ist es richtig, dass wir als Europäisches Parlament vom Europäischen Rat fordern, Maßnahmen zu ergreifen.
Wie die Kommissarin Ferrero-Waldner habe auch ich Frau Barghouti getroffen, und auch ich möchte der Frau Kommissarin für ihren konkreten Bezug auf unsere Kolleginnen und Kollegen vom Palästinensischen Autonomierat, die sich unter den Gefangenen befinden, danken.
Auch wenn ich Herrn Mladenov und Herrn Tannock zustimme, dass die Entführung israelischer Staatsangehöriger und die ihnen verweigerte Erlaubnis, Familienbesuch zu empfangen, eine ebensolche Verletzung des Völkerrechts darstellen, so bedauere ich doch, dass Herr Tannock versuchte, Frau Morgantini, eine Mitverfasserin der Anfrage, als jemanden zu beschreiben, der Israel zerstören will, obwohl sie und ich für die Menschenrechte und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts eintreten.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Eigentlicher Inhalt unserer heutigen Debatte ist das äußerst schwierige Problem der Wahrung unserer demokratischen Werte beim Kampf gegen den Terrorismus. Leider verfüge ich nicht über die Zeit, um auf sämtliche Punkte einzugehen, die in den Texten unserer Kolleginnen und Kollegen, auch den schriftlich eingereichten, zur Sprache gebracht wurden, und ich werde nicht auf das zurückkommen, was der Kollege Mladenov zum israelischen Obersten Gerichtshof ausgeführt hat.
Ich will jedoch die Frage der Minderjährigen ansprechen. Ja, es befinden sich Minderjährige im Gefängnis, bei denen es sich größtenteils um Heranwachsende handelt, die von der Hamas manipuliert und mit Handgranaten oder Sprengstoffgürteln bewaffnet in den Tod geschickt werden. Sie und meine Kollegen haben das Völkerrecht erwähnt, wonach auch die Rekrutierung von Kindersoldaten unstatthaft ist. Jeder in einem Gefängnis sitzende Jugendliche bedeutet für jede Gesellschaft ein Versagen. Israel ist verpflichtet, sich dieser Herausforderung unter Achtung des Völkerrechts zu stellen. Die wirkliche Tragödie besteht allerdings darin, dass damit eine ganze Generation in Palästina für den Frieden verloren geht.
Kurz ein Wort zu Gilad Shalit. Es ist wohl richtig, wenn ich sage, er sei ein Gefangener, der sowohl israelischer als auch französischer Staatsbürger ist. Er verdient mehr als das schändliche Vergessen, dem er aufgrund der variablen Geometrie der Empörung mancher meiner Kolleginnen und Kollegen anheimgestellt wird. Ganz zu schweigen von dem allgemeinen politischen Hintergrund, wie er von dem Herrn Staatssekretär und der Frau Kommissarin angeführt wurde.
Herr Präsident, lassen Sie mich mit der an mehreren Fronten herrschenden zwar sehr fragilen, aber effektiven Waffenruhe schließen. Ich wollte lediglich noch sagen, dass ich ganz allgemein den Hang einiger hier beanstande, bei jeder Sitzung darüber zu diskutieren, wie ein demokratischer Staat organisiert sein soll.
Caroline Lucas (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Ich verliere langsam den Überblick, wie oft wir in diesem Hohen Haus die israelischen Behörden schon wegen ihres systematischen Missbrauchs der Menschenrechte der Palästinenser verurteilt haben.
Die Besatzung, die Trennungsmauer, die Belagerung des Gazastreifens – die Liste ließe sich fortsetzen. Heute konzentrieren wir uns auf die schreckliche Lage der palästinensischen Gefangenen, einschließlich der 44 Mitglieder des Autonomierates. Das sind unsere Kollegen, unsere Partner, die immer noch im Gefängnis schmachten – ohne Anklage und ohne Verfahren.
Meine Frage lautet: Wann wird der Europäische Rat handeln? Wie viele weitere Verstöße gegen das Völkerrecht braucht es noch? Wie viele weitere Palästinenser müssen noch verhaftet, inhaftiert und gefoltert werden, bis die EU endlich aufhört, nur über Menschenrechte zu reden und anfängt, Maßnahmen zu ihrer Verteidigung zu ergreifen?
Zu einer Zeit wie dieser an den Ausbau der Beziehungen EU-Israel zu denken, zeigt in höchstem Maße die haarsträubende Missachtung der Verantwortung, die wir für das palästinensische Volk tragen. Sich nicht auf Artikel 2 des Assoziationsabkommens zu berufen, ist Zeichen einer ganz erbärmlichen politischen Duckmäuserei.
Wir stehen nicht mit Israels Menschen im Konflikt, von denen viele so wie wir die israelische Regierung verurteilen. Hier und jetzt stehe ich noch nicht einmal mit Israel im Konflikt. Ich stehe im Konflikt mit dem Europäischen Rat und seinem grotesken Versagen im Bereich der politischen Führung.
Chris Davies (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich stimme Caroline Lucas völlig zu. Es ist paradox, dass es in unserer nächsten Aussprache um Simbabwe geht. Mugabe gefiel das Ergebnis einer Wahl nicht, und er hat das inzwischen geregelt; jetzt verhaftet er Abgeordnete, die versuchen, ein neues Gleichgewicht zu schaffen, und noch Schlimmeres. Wir werden ihn gänzlich verurteilen.
Der Vergleich hinkt natürlich, doch vor zweieinhalb Jahren haben wir die Wahlen in Palästina bezahlt. Israel gefiel das Ergebnis nicht, also haben wir uns geweigert, die neue Regierung anzuerkennen. Seitdem verhaftete Israel über vierzig Abgeordnete, Mitglieder der falschen Partei, Menschen, die statt Waffen die Wahlurne benutzt hatten.
Wir werden keine Sanktionen verhängen. Stattdessen bemühen wir uns um eine engere Partnerschaft mit Israel. Also liegen die Widersprüche, Frau Kommissarin und Herr Minister, auf der Hand. Sie sagten, Ihr Ansatz sei ausgewogen, doch wo ist der Beweis, dass unser Ansatz irgendetwas bewirkt?
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich werde Israel nicht aus seiner Verantwortung entlassen, doch es hilft dem Europäischen Parlament absolut nicht weiter, wenn eine Partei – Israel – aus einem komplexen Konflikt herausgegriffen wird, dessen Menschenrechtsverletzungen einen ausgewogenen Ansatz erfordern. Für eine Aussprache, die sich nur auf die Maßnahmen Israels konzentriert, ist jetzt außerdem ein sehr schlechter Zeitpunkt.
Haben wir denn vergessen, dass es unser vorrangiges Ziel ist, die Beteiligten zu einer friedlichen Zweistaatenlösung zu ermutigen? Nur, wenn unsere Kritik zutreffend und konstruktiv und unparteiisch ist, werden uns beide Parteien zuhören, und nur so werden wir bessere Aussichten auf eine Einflussnahme haben.
Ich finde, Human Rights Watch und Martin Scheinin von den Vereinten Nationen haben ein solches Niveau erreicht. Letzterer weist auf die Bedeutung der Urteile des Obersten Gerichtshofs Israels hin – das fehlt in den mündlichen Anfragen gänzlich. Selbst in dem Bericht von John Dugard heißt es, er sei tief besorgt und verurteile die von Palästinensern an Palästinensern und von Palästinensern an Israelis verübten Menschenrechtsverletzungen. Doch das wird mit keiner Silbe erwähnt.
Ich bedauere, dass Israel immer noch auf die von der britischen Kolonialmacht geerbten Emergency Regulations von 1945 zurückgreift, wobei aber anzumerken sei, dass diese sowohl auf jüdische Terroristen in Hebron als auch auf Palästinenser angewandt werden.
John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Hier geht es nicht um verhaftete, vor Gericht gestellte, verurteilte und inhaftierte Terroristen; hier geht es einfach um festgenommene und gefangen gehaltene Menschen. Und hier geht es insbesondere um Kinder, nicht um Kindersoldaten – einige Kinder haben Steine geworfen usw., das stimmt, aber es sind Kinder.
Stellen Sie sich dieses Plenum voller Kinder vor. Nehmen Sie die Hälfte von ihnen, stülpen Sie Säcke über ihre Köpfe, binden Sie ihnen die Hände auf dem Rücken zusammen, nehmen Sie sie mit, ohne ihren Eltern zu sagen, wohin Sie sie bringen, stecken Sie sie in Gefängnisse, in 1,5 m2 große Zellen ohne Fenster, knipsen Sie das Licht an, verwehren Sie ihnen jegliche medizinische Behandlung, gestatten Sie keinerlei Besuche von draußen usw., lassen Sie sie nicht die Kleidung wechseln. Darum geht es hier. Darum sollte es in der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes gehen.
Mein Appell an Israel lautet: Ihr macht euch mit diesem Verhalten beim besten Willen keine Freunde. Bitte, Israelis, ich appelliere an euch: Lasst die Kinder frei!
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Gerade weil einige von uns Israel für eine Demokratie – einen demokratischen Staat – halten und weil die Europäische Union Israel als solche behandelt, verlangen wir von ihm die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Wäre Israel kein demokratischer Staat, würden wir auch nicht versuchen, es für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit verantwortlich zu machen.
Für diejenigen, die sich außerhalb des gesamten Rechtssystems befinden, gibt es keinen obersten Gerichtshof. Wir wissen, was der Oberste Gerichtshof sagt, doch das betrifft nur diejenigen, die Zugang zum Obersten Gerichtshof haben. Wenn Sie in Verwaltungshaft sind und keinen Zugang zu Gerichten haben, dann gibt es für Sie auch keine Urteile des Obersten Gerichtshofs, die Sie schützen werden.
Der Konflikt darf nicht als Argument für solche Verletzungen verwendet werden. Es ist kein ausgewogener Ansatz, neutral zu bleiben und diese Menschen so zu behandeln, als würden Sie nicht existieren. Diese Menschen sind in Haft, ohne Garantie, ohne Verfahren; ihre Familien sind außer sich, und in vielen Fällen werden ihre Häuser und Familien zerstört und dafür bestraft, was sie getan haben oder wessen sie beschuldigt werden, und das hat eine Reaktion der Europäischen Union verdient.
Frieda Brepoels (PPE-DE). – (NL) Ich darf Herrn Tannock daran erinnern, dass der Antrag nicht nur von Frau Morgantini, sondern auch von zwei Vizepräsidenten des Parlaments und Mitgliedern der PPE-DE-Fraktion, Herrn McMillan-Scott und Frau Kratsa-Tsagaropoulou, sowie von Herrn Bowis, Herrn Kasoulides und meiner Wenigkeit eingereicht wurde. Das nur zur Klarstellung vorab. Als Mitglied der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu dem Palästinensischen Legislativrat habe ich bereits mehrfach am eigenen Leib erfahren, was es heißt, die demokratisch gewählten Kolleginnen und Kollegen nicht treffen zu können, weil sie im Gefängnis sitzen.
Was soll man zu den zahlreichen Frauen und Kindern sagen, die über mehrere Gefängnisse außerhalb der Palästinensergebiete verstreut sind, was einen Besuch durch ihre Rechtsanwälte und Familienangehörigen geradezu unmöglich macht? Alle haben sich schon zu den Bedingungen des täglichen Lebens und der mangelnden medizinischen Versorgung geäußert. Wie lange werden die internationale Gemeinschaft und die Europäische Union dies noch tolerieren? Ich möchte an die Kommission und den Rat den eindringlichen Appell richten, dieser inakzeptablen Situation Schranken zu setzen.
Bernard Lehideux (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Ich möchte lediglich zwei Bemerkungen machen.
Erstens, manche Probleme werden in diesem Parlament in recht seltsamer Weise wahrgenommen; es sind immer dieselben, die verurteilt werden, und es sind immer dieselben, über die gesprochen wird. Versuchen Sie einmal, hier die Verurteilung Kubas wegen der in seinen Gefängnissen einsitzenden politischen Gefangenen zu erwirken, und unterhalten wir uns dann darüber, wie die Menschenrechte im Europäischen Parlament behandelt werden.
Zweitens, um sicherzustellen, dass Israel endlich diejenigen freilässt, die freigelassen werden müssen, gibt es eine Lösung: Schluss mit den Attentaten, Schluss mit Bombardierungen israelischer Dörfer, Schluss mit dem Töten von Kindern, Schluss mit Anschlägen mit Bulldozern, Schluss mit dem Einsatz von Kindern, deren Taschen mit Sprengstoff gefüllt sind. Dann wird Israel seine Gefangenen freilassen!
Antonio López-Istúriz White (PPE-DE). - (ES) Herr Präsident! Frau Morgantinis Worte sind sehr ergreifend, und wir müssen einfach unsere Solidarität mit diesen umfassend dokumentierten Fällen mutmaßlicher Verletzungen von Menschenrechten palästinensischer Häftlinge bekunden. Ich spreche bewusst von umfassend dokumentierten Fällen, da von einigen Abgeordneten des linken Flügels sehr schwer wiegende und nicht zu tolerierende Beschuldigungen gegen den Staat Israel erhoben werden. Wurden sie jemals beschuldigt, Frauen und Kinder ermordet oder wie Nazis gehandelt zu haben? Ist das der richtige Weg, um den Friedensprozess voran zu bringen?
Frau Morgantini, ich weiß, Ihre Initiative beruht auf einem konkreten und ergreifenden Fall, und Ihre Absichten sind lobenswert. Aber von einigen Ihrer Kollegen des linken Flügels wird dieser Fall für einen erneuten Versuch genutzt, das israelische Volk zu brandmarken und zu demütigen.
Wir müssen den sowjetischen Antisemitismus, der die Mentalität einiger Ihrer Kollegen hier im Parlament immer noch prägt, endlich überwinden.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratspräsident. − (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen, da ich das Wesentliche in meiner Einführungsrede gesagt habe. Unsere heute geführte Aussprache war jedoch in mancher Hinsicht recht bewegend, und ich wollte Ihnen versichern, dass der geschilderte Sachverhalt dem Rat bekannt ist und der Rat weiterhin seiner Besorgnis Ausdruck verleihen und sich auf das völkerrechtliche Instrumentarium berufen wird.
Der Vorsitz wird dieses Thema auch in den weiteren während unserer Präsidentschaft stattfindenden politischen Kontakten zwischen der Europäischen Union und Israel ansprechen. Ferner weisen wir darauf hin, dass sich der in Gang befindliche politische Prozess nur fortentwickeln kann, wenn verstärkt vertrauensbildende Maßnahmen vor Ort ergriffen werden. Die fortgesetzten Siedlungsaktivitäten, die anhaltende Gewaltausübung und der Terrorismus sowie das Schicksal der palästinensischen Gefangenen behindern die Friedensbemühungen ebenso wie die Lage der von terroristischen Gruppen festgehaltenen israelischen Geiseln; ich denke insbesondere an Gilad Shalit.
Um mit einer optimistischen Anmerkung zu schließen, möchte ich dem Parlament bewusst machen, dass der Europäischen Union als Mitglied des Quartetts, als größter Geldgeber und aufgrund ihrer Maßnahmen zur Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie infolge ihrer Stellung als wichtiger Partner Israels eine Schlüsselrolle in diesem Prozess zufällt. Die EU hat stets das Recht Israels bekräftigt, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen und in Koexistenz mit Palästina zu leben, wie ich in meiner Einführung dargelegt habe.
Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet während der nächsten Sitzung im September 2008 statt.
16. Lage in Simbabwe (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Simbabwe.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Bei den kürzlich durchgeführten Präsidentschaftswahlen in Simbabwe wurde Robert Mugabe für weitere fünf Jahre zum Präsidenten seines Landes gewählt. Der zweite Wahlgang fand nach dem Rückzug des einzigen weiteren Kandidaten, Herrn Morgan Tsvangirai, statt, wodurch Herr Mugabe 85 % der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die Wahl wurde von zahlreichen Regierungschefs einschließlich derer aus afrikanischen Ländern sowie vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, der die Wahlen als gesetzwidrig betrachtet, als eine Verhöhnung der Demokratie bezeichnet.
Sofort nach seiner Vereidigung reiste Herr Mugabe nach Sharm El Sheikh, wo vom 30. Juni bis 1. Juli das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union stattfand. Während des Gipfels wurde von Nigeria eine rege Diskussion über die Wahlen angestoßen. Es wurde eine Resolution verabschiedet, in der die tiefe Besorgnis über die Lage in Simbabwe zum Ausdruck gebracht wurde und die kritischen Berichte der Wahlbeobachter der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC), der Afrikanischen Union und des Panafrikanischen Parlaments sowie die Gewaltanwendung und die Todesopfer besondere Erwähnung fanden.
Ferner werden in der Resolution Herr Mugabe und Herr Tsvangirai aufgefordert, im Interesse des Volkes von Simbabwe in einen Dialog zu treten, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden und die von der SADC begonnene Vermittlungsmission zu unterstützen.
Angesichts dieser Entwicklungen hat die internationale Gemeinschaft reagiert. Die Vereinigten Staaten legten im UN-Sicherheitsrat eine Resolution vor, in der Sanktionen gegen Simbabwe – ein Waffenembargo, das Einfrieren von Vermögenswerten und ein Reiseverbot – gefordert werden und die im Anhang eine Liste von 14 zu sanktionierenden Personen enthält, darunter Herr Mugabe und weitere Politiker, von denen die meisten bereits auf der europäischen Sanktionsliste von 2002 stehen.
Kanada hat ebenfalls seine Maßnahmen verschärft, und der Europäische Rat hat sich auf seiner Tagung vom 20. Juni bereit erklärt, weitere Maßnahmen einzuleiten, die übrigens am 22. Juli gemeinsam mit Kommissar Michel geprüft werden. Die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union hat den zweiten Wahlgang bereits am folgenden Tag, das heißt am 29. Juni, scharf als Demokratieverweigerung verurteilt. In einer weiteren, am 4. Juli im Namen der Europäischen Union abgegebenen Erklärung hat die Ratspräsidentschaft bekräftigt, dass sie das Ergebnis der gefälschten Wahl vom 27. Juni nicht als vollendete Tatsache hinnehmen werde und die einzig mögliche Lösung in einem Übergangskonzept bestehe, das sich auf die Ergebnisse des ersten Wahlgangs stützen müsse.
Wichtig ist ferner, dass Afrika angesichts einer Krise regionalen Ausmaßes seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat und dass die insbesondere von der Afrikanischen Union sowie von der SADC unternommenen Anstrengungen unterstützt werden. Es gilt sicherzustellen, dass die Grundsätze, die insbesondere in der Charta der Afrikanischen Union für Menschenrechte und Rechte der Völker festgeschrieben sind, auch eingehalten werden. Es wäre gut, wenn die Afrikanische Union und die UNO in dieses Vorgehen einbezogen würden, um die regionale Perspektive der SADC durch eine afrikanische und internationale Perspektive zu ergänzen.
In ihrer Resolution hat die Afrikanische Union des Weiteren die betreffenden Staaten und Parteien ersucht, keine Maßnahmen zu ergreifen, die dem Klima des Dialogs schaden könnten. Dies ist vor allem ein Signal an die Europäische Union. Die EU wird sich dennoch nicht davon abhalten lassen, eine Erweiterung der Liste der Personen vorzubereiten, die für die Gewaltanwendung verantwortlich sind und gegen die gezielte Sanktionen in Form von Einreiseverboten und des Einfrierens von Vermögenswerten ergriffen werden. Ferner muss die EU dafür sorgen, dass die für Einreiseverbote und für die Einführung weiterer, vor allem wirtschaftlicher Sanktionen vorgesehenen Ausnahmeregelungen beschränkt werden, wobei dieser ganze Katalog von Gegenmaßnahmen natürlich vom Fortschritt der Verhandlungen abhängig sein wird.
Die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien sollten so bald als möglich aufgenommen werden. Ich glaube, der Kommissar wird dies bestätigen, auch wenn deren Ausgang ungewiss ist. Aus unserer Sicht müssen sich diese Verhandlungen in jedem Fall auf die Ergebnisse des ersten Wahlgangs vom 29. März stützen, der den Willen des Volkes von Simbabwe am ehesten zum Ausdruck bringt, während der zweite Wahlgang eine Demokratieverweigerung darstellte. Dem Gegenkandidaten von Herrn Mugabe zufolge kann jegliche Form der Koalition eine Übergangsmaßnahme mit Blick auf freie, demokratische und transparente Neuwahlen sein.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass die Mitglieder der G8 auf ihrem soeben beendeten Gipfel weitere finanzielle Maßnahmen gegen die Drahtzieher der Gewalt während der letzten Wahlen ins Auge gefasst haben. Dies ist der derzeitige Stand, und wir dürfen jetzt nicht nachlassen, weiteren Druck auszuüben, um diesem inakzeptablen Rechtsbruch ein Ende zu setzen.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident, Herr Minister, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass es mir heute vergönnt ist, im Rahmen dieses Meinungsaustauschs gemeinsam mit Ihnen Zukunftsperspektiven zu entwickeln und darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir leisten könnten, um all die Anstrengungen für eine Lösung der Krise zu unterstützen, die von sämtlichen wichtigen politischen Akteuren akzeptiert werden kann, die vor allem Aussicht auf Bestand hat und die eine neue Ära des Wohlstands für ein Land und ein Volk zu eröffnen vermag, die dessen so dringend bedürfen.
Kurz vor Beginn dieser Sitzung hatte ich Gelegenheit, mich mit Herrn Ping, dem Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union, zu unterhalten, und vor ungefähr einer halben Stunde hatte ich ein recht langes Gespräch mit dem Oppositionsführer Herrn Tsvangirai. Ich habe daher einige neue Nachrichten, die natürlich noch nicht endgültig bestätigt sind, aber letztlich kann ich Ihnen vielleicht genauere und aktuellere Informationen geben.
Zunächst möchte ich Ihnen natürlich meine tiefe Besorgnis über die Lage zum Ausdruck bringen. Wie ich sowohl vor als auch nach diesem Ereignis öffentlich geäußert habe, habe ich es außerordentlich bedauert, dass der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen, wie vom Minister bereits hervorgehoben wurde, trotz der zahlreichen Appelle der internationalen Gemeinschaft einschließlich der Appelle der afrikanischen Partner Simbabwes, diesen Wahlgang zu verschieben, dennoch stattgefunden hat. Selbstverständlich wurde diese Wahl durch das Klima extremer politischer Gewalt und systematischer Einschüchterung stark beeinträchtigt und entbehrt jeglicher Rechtmäßigkeit und Glaubwürdigkeit.
Ebenso wie die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union habe ich wiederholt öffentlich kundgetan, dass es angesichts der Bedingungen, unter denen dieser zweite Wahlgang stattgefunden hat, völlig außer Frage steht, dem aus diesem Wahlgang hervorgegangenen Präsidenten auch nur die geringste Rechtmäßigkeit zuzusprechen. Man muss es wieder und wieder sagen, dass dies ein unrechtmäßiger Sieg ist, der vom Geiste der demokratischen Wiedergeburt, von dem Afrika heute durchdrungen ist, weit entfernt ist. Der Gipfel der Afrikanischen Union, der in Ägypten in Anwesenheit von Präsident Mugabe stattfand, bot die Gelegenheit für eine sehr intensive und sehr leidenschaftliche Debatte zwischen den afrikanischen Regierungschefs, eine Debatte, die von vielen als beispiellos bezeichnet wird.
In ihrer Entschließung nimmt die Afrikanische Union gegenüber Präsident Mugabe eine kritische Haltung ein und fordert ihn auf, eine politische Einigung mit dem Chef der Bewegung für demokratischen Wandel (MDC), Morgan Tsvangirai, zu suchen, um eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Darüber hinaus ersucht die Afrikanische Union die SADC, ihre unterstützende Arbeit im Hinblick auf eine politische Einigung fortzusetzen. Gewiss könnten wir diese Entschließung als unzureichend bewerten. Wir könnten vor allem die Tatsache kritisieren, dass es die Afrikanische Union unterlassen hat, sich klar zur Rechtmäßigkeit bzw. Unrechtmäßigkeit von Präsident Mugabe zu äußern, aber es ist anzuerkennen, dass diese Entschließung unter den derzeitigen Umständen ein substanzielles Ergebnis darstellt. Damit ist es natürlich nicht getan. Es ist wichtig, dass die Afrikanische Union und die SADC ihr konkretes Engagement für eine politische Lösung zeigen.
Aus dieser Sicht haben die Europäische Union und weitere internationale Akteure deutlich gemacht, was sie erwarten. Diese politische Einigung kann nur auf der Grundlage der Ergebnisse des ersten Wahlgangs erfolgen, der die freie und demokratische Meinungsäußerung des Volkes von Simbabwe widerspiegelt. Die Ergebnisse des zweiten Wahlgangs können nicht als Ausgangsbasis für eine Vermittlung, für eine Verhandlung betrachtet werden. Mit anderen Worten liegt die politische Lösung in unseren Augen in einer Koalitionsregierung unter der Führung von Herrn Tsvangirai als Premierminister, der mit den umfangreichsten Vollmachten ausgestattet ist und sich zudem auf eine Mehrheit im Parlament stützen kann.
Für die Europäische Union liegen derzeit sämtliche Optionen auf dem Tisch. Einerseits sind wir bereit, die Anstrengungen der SADC und der Afrikanischen Union zu unterstützen, und wir erwarten in den nächsten zwei Wochen greifbare Fortschritte.
Im Falle einer konstruktiven politischen Einigung, die die Ergebnisse des ersten Wahlganges widerspiegelt, sind wir natürlich, wie bereits gesagt, bereit, uns wieder schrittweise in Simbabwe zu engagieren. Wir sind zudem bereit, sofort damit zu beginnen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich bei der Planung des zehnten Europäischen Entwicklungsfonds dafür gesorgt habe, dass so vorgegangen wird, als ob es in Simbabwe eine demokratische Normalisierung gegeben hätte, um zu verhindern, dass das simbabwische Volk für die dramatische Situation, in der es sich befindet, bestraft wird.
Nun zu den beiden Gesprächen, die ich heute Nachmittag mit Blick auf meine Teilname an der Sitzung des Parlaments geführt habe. Zunächst das Gespräch mit Herrn Ping. Was ist das Problem? Das Problem besteht heute darin, dass jeder in der Afrikanischen Union Verhandlungen zwischen Herrn Mugabe und Herrn Tsvangirai befürwortet, natürlich nach den Grundsätzen, dass der Oppositionsführer Tsvangirai an der Spitze der Regierung steht, dass diese Regierung möglicherweise auf einer Koalition basieren muss, in der die Partei von Herrn Tsvangirai, die die Mehrheit im Parlament besitzt, selbstredend den dominierenden Platz einnimmt, und dass diese Regierung mit den umfangreichsten Vollmachten in Bezug auf Durchführungsbeschlüsse ausgestattet ist.
Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, scheint dieses Konzept im Moment umstritten. Es wird sogar noch komplizierter, da Herr Tsvangirai gewisse Zweifel an der Ausgewogenheit der Vermittlung äußert und offensichtlich wünscht, dass dieser Vermittlung ein Rahmen, eine Einfassung gegeben wird, sozusagen eine Flankierung, um ihre Ausgewogenheit sicherstellen zu können. Damit möchte ich keine Wertung abgeben, ich sage nur, wie es ist. Im Moment hat mir Herr Ping zugesagt, dass die Arbeiten – ich möchte nicht sagen die Vermittlungstätigkeit, sondern die Arbeiten –, um den Weg für eine solche Entwicklung zu ebnen, im Gange sind, und dass sich, wenn alles gut läuft, in den nächsten Tagen eine echte Perspektive abzeichnen könnte.
Ich hatte anschließend ein recht langes Gespräch mit Herrn Tsvangirai. Er hat mir bestätigt, dass er die Idee einer Regierung unter Einbeziehung der Mitglieder der Simbabwisch-Afrikanischen Nationalunion – Patriotischen Front befürworte, in der jedoch das letzte Wort bei der Benennung der Regierungsmitglieder selbstverständlich ihm zufalle. Im Grund genommen entspricht dies, obwohl er dies nicht ausdrücklich gesagt hat, eher dem kenianischen Szenario, auch wenn die beiden Situationen nicht vergleichbar sind (und ich teile diesen Standpunkt). Sie sind keineswegs identisch. Manch einer mag es für opportun halten, so zu tun, als ob sie identisch wären, objektiv betrachtet sind aber die Menschen verschieden, ist die Situation völlig anders. Dies ist der erste Punkt.
Zweitens möchte Herr Tsvangirai, dass ein „permanent negotiation team“ eingesetzt wird, das heißt ein Team, das die Vermittlung führt, wodurch ihm auf alle Fälle Ausgewogenheit gewährleistet sein dürfte. Naturgemäß würde er dieses Team gern unter die Leitung der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen stellen, wie von Herrn Minister bereits hervorgehoben wurde. Sein Optimismus schient mir berechtigt – aus seiner Sicht sind die Dinge in Bewegung. Gewiss hält er die Frage der Sanktionen für relevant, und er hat nachdrücklich darauf hingewiesen – und ich glaube, dem können wir alle zustimmen –, dass diese Sanktionen einzelne Personen treffen müssen und natürlich keine direkten oder indirekten Auswirkungen auf die Bevölkerung haben dürfen.
Ich habe das Gefühl, dass sich die Afrikanische Union ihrer Verantwortung vollkommen bewusst ist, dass sie sich aktiv beteiligt und eine Lösung durch Vermittlungen sucht, die, wie der Minister betonte, in jedem Fall die Notwendigkeit berücksichtigen, das Ergebnis des ersten Wahlgangs in exekutive Vollmachten umzumünzen, denn dies ist das einzige Ergebnis, das denjenigen Rechtmäßigkeit verleiht, denen diese auch zugute kommt.
VORSITZ: ADAM BIELAN Vizepräsident
Michael Gahler, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Die Situation in Simbabwe hat in politischer, wirtschaftlicher und humanitärer Hinsicht einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Die Menschen dort sind Geiseln eines Regimes, das die Macht nicht aus den Händen geben will, weil sich die Clique um Präsident, oberste Militärs und Geheimdienst weiter an den Ressourcen des Landes bereichern will. Hierzu finanzieren sie Milizen und missbrauchen Polizei und Militär, die die Bevölkerung landesweit terrorisieren.
Bereits die Parlamentswahl am 29. März war nach SADC-Standards nicht frei und fair. Der landesweite Einschüchterungsfeldzug seither mit Dutzenden Toten, Tausenden verletzten und verfolgten Menschen machte es dem Sieger des ersten Wahlgangs, Morgan Tsvangirai, unmöglich, seine Wähler in eine Stimmabgabe zu senden, wo sie Angst haben mussten, für ihr Wahlverhalten bestraft zu werden. Der Chef der Wahlbeobachterkommission des Panafrikanischen Parlaments, Marwick Khumalo, und die SADC-Mission bewerten den Vorgang vom 27. Juni wie folgt:
(EN) “Die im Land vorherrschende Atmosphäre gestattete keine freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen. Die Wahlen verkörperten nicht den Willen der Menschen Simbabwes.“
Es geht jetzt darum, ein Übergangsszenario zu entwickeln, das zu einer Situation führt, in der eine legitime Regierung und ein legitimer Präsident ins Amt kommen. AU und SADC haben hier eine entscheidende Rolle. Leider hat die stille Diplomatie von Präsident Mbeki über Jahre nichts erreicht. Er hat auch nicht das Vertrauen beider Seiten in dem Konflikt, und er weiß selbst am besten warum.
Aber ich setze darauf, dass die politischen Parteien in Südafrika selbst initiativ werden. Liebe Kollegen aus Südafrika, beschließen Sie in Ihrem Parlament, die Konten und das Eigentum der Profiteure des Mugabe-Regimes in Südafrika einzufrieren. Verweigern Sie Grace Mugabe und anderen die Einreise zum Shopping nach Kapstadt oder Sandton, während die Menschen verhungern. Zeigen Sie Solidarität mit den drei Millionen Simbabwern in Ihrem Land, die nach dem Ende der Mugabe-Herrschaft wieder nach Hause zurückkehren und damit auch Platz machen für Millionen arbeitsloser Südafrikaner. Wir haben erfolgreich Druck auf europäische Firmen ausgeübt, sich aus Simbabwe zurückzuziehen, weil ihre Aktivitäten eine Stabilisierung des Regimes darstellten.
Alain Hutchinson, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Minister, Herr Kommissar! Mit unglaublicher Gewalt und skandalöser Missachtung der fundamentalsten Menschenrechte hat Präsident Mugabe die Macht an sich gerissen und eine bereits ausgeblutete Bevölkerung als Geisel genommen.
Die Sozialdemokraten verurteilen diese Gewalt und sprechen der herrschenden Macht jede Rechtmäßigkeit ab. Die Sozialdemokraten denken jedoch in erster Linie an die simbabwische Bevölkerung. So sind nach Einschätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) Anfang des Jahres 2009 fünf Millionen Simbabwer von großer Hungersnot bedroht.
Des Weiteren ist bekannt, dass bereits jetzt ein Drittel der Bevölkerung Simbabwes nur dank der internationalen Hilfe überlebt. Daher ist es absolut unerlässlich, dass die Europäische Kommission, der Rat, jeder Mitgliedstaat und die gesamte internationale Gemeinschaft höchstmöglichen Druck auf die simbabwischen Behörden ausüben, um der internationalen humanitären Hilfe für die hilfsbedürftigsten Bevölkerungsteile freien Zugang zu verschaffen. Wir können dies gar nicht oft genug betonen, denn die derzeitige Haltung Mugabes ist ganz einfach kriminell.
In dem gleichen Sinne verlangen wir bei unserer Forderung nach Verhängung harter Sanktionen der Europäischen Union und der internationale Gemeinschaft gegen Simbabwe, wie Sie, Herr Minister, sie in Aussicht gestellt haben, mit allen Nachdruck, dass diese Sanktionen der Bevölkerung nicht schaden dürfen, sondern gezielt die Mitglieder des Regimes treffen müssen, die die Menschenrechtsverletzungen und den Terror, der zurzeit das Land beherrscht, zu verantworten haben.
Natürlich müssen wir die Europäische Union und die regionalen Strukturen, wie die SADC, ebenfalls dazu aufrufen, gemeinsam mit dem gewählten Parlament und der Zivilbevölkerung Simbabwes eine Führungsrolle bei der demokratischen und schnellen Bewältigung der derzeitigen Krise zu übernehmen.
Herr Präsident, ich möchte rasch noch einen letzten Punkt ansprechen, der die 200 000 vertriebenen Simbabwer betrifft. Wir bitten die südafrikanischen Nachbarn und vor allem Präsident Mbeki, verantwortungsvoll mit den simbabwischen Flüchtlingen umzugehen und all jene, die in Südafrika Zuflucht gefunden haben, nicht zurück zu schicken.
Fiona Hall, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Das simbabwische Volk hat entsetzlich gelitten. Nach Jahren der Einschüchterung, Brutalität und des wirtschaftlichen Niedergangs haben die Wahlen dem Land noch den Rest gegeben. Seit der Wahl hält die Gewalt unvermindert an. Mindestens neunzig Menschen sind seit dem ersten Wahlgang vom 29. März getötet worden, und erst an diesem Montag wurden Bewohner eines IDP-Camps östlich von Harare angegriffen und verschleppt.
Wir mögen jetzt versucht sein, einfach verzweifelt die Hände zu ringen, doch meines Erachtens kann die EU etwas zur Lösung der Krise beitragen. Erstens kann die EU diejenigen diplomatisch unterstützen, die erst einmal eine Übergangsregierung anstreben, an der alle Parteien der Zivilgesellschaft beteiligt sind und die die Ergebnisse der ersten Runde respektiert.
Eine Übergangskoalition ist ein afrikanischer Ansatz, der jahrelang in verschiedenen anderen Ländern wie in Togo und der Demokratischen Republik Kongo funktioniert hat.
Allerdings wird im Entschließungsantrag auf das bisherige Versagen der stillen Diplomatie von Präsident Mbeki hingewiesen, und es ist möglich, dass ein anderer afrikanischer Nachbar, der von allen Seiten respektiert wird, besser geeignet wäre, solche Verhandlungen zu führen. Und es wäre auch hilfreich für die Verhandlungen, wenn sie international begleitet würden.
Zweitens müssen wir in der internationalen Gemeinschaft den Druck gegen Mugabe erhöhen. Dass sich Russland der Forderung des G8-Gipfels nach Sanktionen angeschlossen hat, war sehr ermutigend, und ich begrüße die Informationen des Rates zur Verschärfung der Sanktionen durch mehrere Länder.
Drittens müssen wir uns jetzt auf die Zeit vorbereiten, in der Simbabwe eine rechtmäßige Regierung haben und ein großes internationales Unterstützungspaket benötigen wird.
Und schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass sich das simbabwische Volk in einer ernsten Notlage befindet und schon jetzt grundlegende Unterstützung zum Überleben braucht.
Philip Claeys (NI). – (NL) Die Europäische Union hat schon vor geraumer Zeit Sanktionen gegen den sozialistischen Diktator Mugabe verhängt, diese Sanktionen werden jedoch nicht immer mit letzter Konsequenz und gewissenhaft durchgesetzt. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hatte offensichtlich überhaupt kein Problem damit, Mugabe zum EU-Afrika-Gipfel einzuladen.
Zudem hätte die Europäische Union entschiedenen Protest gegen die groteske Anwesenheit Mugabes auf dem FAO-Gipfel in Rom vor nicht allzu langer Zeit einlegen müssen. Das Einreiseverbot für Mugabe und sämtliche ranghohen Vertreter seines Regimes muss hieb- und stichfest sein und ausgedehnt werden. Auf jeden Fall sollten wir über die Ausweitung der Sanktionen gegen das Mugabe-Regime allgemein nachdenken. Diese Sanktionen müssen durchgreifend und unmissverständlich sein, und zugleich müssen wir Druck auf die Regierung Südafrikas ausüben, dank deren „stillen Diplomatie“ Mugabes Regime im Grunde nur mehr Zeit gewonnen hat.
Geoffrey van Orden (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Die Krise in Simbabwe ist nicht plötzlich über eine ahnungslose Welt hereingebrochen – es ist das 16. Mal innerhalb von acht Jahren, dass wir über einen Entschließungsantrag zum Thema Mugabe diskutieren, da er sein Land systematisch und bewusst plündert, die Wirtschaft ruiniert und das simbabwische Volk unterdrückt.
Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft war bis vor kurzem kläglich. Die Europäische Union hat zumindest gezielte Sanktionen verhängt, doch sie war nicht einmal in der Lage, diese vernünftig aufrechtzuerhalten. Die Afrikaner haben mit sehr wenigen, ehrenhaften Ausnahmen Mugabe einfach Beifall gespendet. Dafür sollten sie sich schämen.
Was also ist zu tun? Erstens sollte im Rat deutlicher gemacht werden, dass kein EU-Land das unrechtmäßige Regime Mugabes anerkennen wird. Es ist ermutigend, dass die EU ihre Sanktionen ausweitet.
Zweitens sollten die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die afrikanischen Länder, insbesondere die SADC, überzeugen, sich diesen Sanktionen gegen das Mugabe-Regime anzuschließen, sollten die Verhandlungen scheitern.
Drittens sollten die Mitglieder des Joint Operations Committee, Mugabes Militärclique, darüber informiert werden, dass man sie für die systematischen Gräueltaten gegen die Menschen Simbabwes zur Verantwortung ziehen wird. Für einige ranghohe Mitglieder der Streitkräfte und der Polizei – und hohe Funktionäre der ZANU-PF – ist es noch nicht zu spät, Mugabe den Rücken zu kehren und sich den demokratischen Kräften anzuschließen.
Viertens sollte Frankreich eine Dringlichkeitssitzung des Menschenrechtsrates in Genf fordern, um die Lage in Simbabwe zu erörtern, und fünftens müssen die Vereinten Nationen zu strengeren Maßnahmen greifen.
Vor allem aber müssen wir die Afrikanische Union aktiv dazu ermutigen, sich den Forderungen nach dieser Regierung der nationalen Einheit noch positiver und mit mehr Engagement anzuschließen. Diese Regierung sollte natürlich auf der Grundlage des Wahlergebnisses vom 29. März und nicht auf der Farce vom 27. Juni gebildet werden, wie sowohl der Herr Ratspräsident als auch die Kommission angedeutet haben.
Wir haben vom MDC-Sprecher Nelson Chamisa gehört, dass es gegenwärtig keine Verhandlungen zwischen der ZANU-PF und der MDC gibt. Stattdessen hält die Gewalt an. Die Afrikanische Union muss auf einem Ende der Gewalt und der Ernennung eines Vermittlers, der von Beobachtern unterstützt wird und der das Vertrauen der MDC genießt, bestehen.
Mugabe spielt wieder einmal auf Zeit. Es muss eine Frist für den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen geben, und in der Zwischenzeit sollte man Mugabe einen Platz im Seniorenheim anbieten.
Glenys Kinnock (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich muss mich wie einige meiner Vorredner dazu äußern, dass das am 29. März in Simbabwe rechtmäßig gewählte Parlament nie zusammengekommen ist und dass die gewählten Abgeordneten auch weiterhin schikaniert und eingeschüchtert werden sowie Gewalt ausgesetzt sind.
Unsere Entschließung fordert eine Verschärfung der Sanktionen, und natürlich müssen wir uns auch den Forderungen der Vereinten Nationen nach einem internationalen Waffenembargo, einem weltweiten Reiseverbot und dem Einfrieren von Konten anschließen.
Wir wissen, wer die anderen Rädelsführer sind, die wir ins Visier nehmen müssen, uns sind die Handlanger und auch die Mitläufer bekannt. Da haben wir Chihuri, den Polizeipräsidenten; Shiri, den Chef der Luftwaffe; Gono, den Präsidenten der Zentralbank; Chinamasa, den Justizminister; Bonyongwe, den Chef des Geheimdienstes. Das sind diejenigen, die ins Visier genommen werden können und müssen. Unsere Entschließung reflektiert ganz klar die von der MDC festgelegten Bedingungen.
Alle Gespräche müssen auf dem Ergebnis der Wahlen vom 29. März beruhen, die die MDC gewonnen hat, und nicht auf der gefälschten Stichwahl vom Juni.
Es muss eine Übergangslösung gefunden werden, die eine neue Verfassung zum Ziel hat – das hat niemand erwähnt, obwohl es das ist, was Morgan Tsvangirai fordert –, und anschließend muss es Neuwahlen geben. Er sagt ganz klar, und ich zitiere ihn: „Ich möchte keine Machtdeals und keine Machtteilung.“
Wie Geoffrey van Orden sagte, werden momentan keine Verhandlungen geführt, also ist die gegenwärtige Situation wenig ermutigend.
Es muss einen weiteren Vermittler geben. Thabo Mbeki ist eindeutig nicht in der Lage, diese Aufgabe allein zu bewältigen, und wir fordern die Afrikanische Union auf, einen Kandidaten zu benennen. Dieser Kandidat muss sich mit Thabo Mbeki auf Augenhöhe befinden, und mir fallen da jetzt zum Beispiel Namen wie Joaquim Chissano und John Kufuor ein.
Die ungehemmte Brutalität, Gewalt und Grausamkeit von staatlicher Seite muss ein Ende haben, und deshalb muss die internationale Gemeinschaft im Interesse des leidenden Volkes Simbabwes handeln, und sie muss schnell handeln.
Eoin Ryan, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Einst ein Hoffnungssymbol, ein Beispiel für afrikanische Selbstbehauptungsfähigkeit und führend unter den afrikanischen Ländern, ist Simbabwe jetzt das Epizentrum afrikanischer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Das simbabwische Volk hat etwas Besseres verdient, und muss es bekommen. Doch um das zu erreichen, muss dem Regime von Robert Mugabe, eines Gangsters und Mörders, ein Ende gesetzt werden.
Wir in der internationalen Gemeinschaft müssen gegen dieses tyrannische Mugabe-Regime entschlossener vorgehen. Ich begrüße die Tatsache, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Verhängung weiterer Sanktionen gegen Simbabwes Führungsspitze, einschließlich eines Waffenembargos, in Erwägung zieht. Wie kann es sein, dass ein Land, in dem fünf Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, in dem die Inflationsrate über zehn Milliarden Prozent beträgt und in dem ein Laib Brot nunmehr 1 Milliarde ZWD kostet, immer noch eine der am besten ausgerüsteten Armeen des afrikanischen Kontinents hat und es dort vor Waffen nur so wimmelt? Das ist eine äußerst ungewöhnliche Feststellung.
Die jüngste Präsidentschaftswahl war nicht rechtmäßig. Die Brutalität des Mugabe-Regimes zeigt sich darin, dass im Zuge des Wahlkampfs 90 Menschen getötet, 3 500 verletzt und weitere 200 000 vertrieben wurden. Das sind wohl kaum die Merkmale eines freien, fairen und transparenten demokratischen Wettstreits.
Südafrika und andere afrikanische Länder müssen den Druck gegen Robert Mugabe erhöhen. Nelson Mandela hatte Recht, als er sagte, die Führungsspitze in Simbabwe habe tragisch versagt. Südafrika übt auf die Mugabe-Regierung starken politischen Einfluss aus, und Südafrika muss sich mit ganzer Kraft und Entschiedenheit für die Menschen Simbabwes und auch für die Menschen Afrikas einsetzen, die zusehen müssen, wie dieses Staatsoberhaupt sein Land in den Ruin treibt.
Josep Borrell Fontelles (PSE). - (ES) Herr Präsident! Um nicht zu wiederholen, was meine Kollegen bereits gesagt haben, werde ich mich auf die Eröffnung des Parlaments konzentrieren.
Bei den Wahlen im März hat die Opposition eine Mehrheit erlangt, und bis zum 17. Juli war das Parlament des Landes immer noch nicht gebildet. Wir als Abgeordnete sollten dafür sorgen, dass die Europäische Union Druck ausübt, damit das Versprechen der Einhaltung von Demokratie in einem Parlament, in dem die Opposition die Mehrheit hat, auch erfüllt wird. Dieser Prozess muss angestoßen werden. Wir müssen alles unternehmen, damit nach der Farce der Präsidentschaftswahlen die Parlamentswahlen, bei denen die Opposition anerkanntermaßen die Mehrheit erlangt hat, das Parlament auch in die Lage versetzen, ordnungsgemäß zu arbeiten.
Der zweite Punkt betrifft den Vermittler. Südafrika hat, um es milde auszudrücken, zweifelsohne die Grenzen seiner Vermittlerfähigkeit erreicht. Der Präsident Südafrikas muss unbedingt durch einen weiteren Vermittler unterstützt, wenn nicht gar ersetzt werden, sonst ist auch die Vermittlertätigkeit mit dem Makel eines korrupten Mechanismus, der dem Druck der Regierung Simbabwes nachgibt, behaftet.
José Ribeiro e Castro (PPE-DE). – EN) Herr Präsident! Es sind schon längst nicht mehr nur Mugabe und sein Regime, die auf dem Prüfstand stehen. Mugabe wurde wegen seiner Gräueltaten und dieser ganzen tragischen Farce bereits von der internationalen Öffentlichkeit verurteilt. Jetzt steht die internationale Gemeinschaft auf dem Prüfstand. Jetzt stehen Thabo Mbeki, die SADC und die AU, China und wir in der EU sowie die Vereinten Nationen auf dem Prüfstand. Das simbabwische Volk, Tsvangirai und die MDC haben in diesen schwierigen Zeiten unsere volle Unterstützung und Solidarität verdient. Wir könnten z. B. Morgan Tsvangirai im Juli oder September zu einer Tagung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Entwicklungsausschusses einladen.
Nach wie vor erreichen uns aus Simbabwe schreckliche Nachrichten über die dort herrschende Gewalt. Wir dürfen nicht scheitern. Morgan Tsvangirai und die Mehrheit der MDC haben nicht nur ein paar Worte des Trostes oder irgendwelche tröstenden Stellungnahmen verdient, sondern müssen im Einklang mit den Wahlergebnissen vom 29. März in ihr Amt eingesetzt werden. Die internationale Gemeinschaft wird, wenn sie beim Übergangsprozess scheitert, wenn wir versagen, mit Schande bedeckt sein. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Robert Mugabes Regime ist nicht nur für Wahlbetrug, sondern seit mehreren Jahren auch für willkürliche Verhaftungen sowie die Folterung und Ermordung hunderter von Menschen in Simbabwe verantwortlich.
Bis jetzt scheinen Entschließungen und Sanktionen wirkungslos geblieben zu sein. Meines Erachtens ist es jetzt an der Zeit, Robert Mugabe vor einen internationalen Gerichtshof zu bringen und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Ich weiß, dass Simbabwe die Konvention in Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nicht unterzeichnet hat, aber ich bin sicher, dass sich ein anderes Verfahren mit internationaler Rechtsgrundlage finden lässt, und vielleicht kann uns Kommissar Michel oder der Herr Ratspräsident darüber aufklären.
Meines Erachtens werden dieser afrikanische Diktator und seine Komplizen nur durch solche drastischen Maßnahmen dazu gezwungen, nachzudenken und auf die Vernunft zu hören, und nur so können ihr Land und die internationale Gemeinschaft diese Kriminellen schließlich loswerden.
Ewa Tomaszewska (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte an die Kommission appellieren, einen Vorschlag für Maßnahmen zu prüfen und vorzubereiten, die etwas gegen Robert Mugabe bewirken, der weiterhin Gewalt anwendet und der die Ergebnisse der Wahlen im März völlig missachtet. Derzeit sind wir quasi machtlos, und Worte sind das einzige Instrument, das uns geblieben ist. Ich bitte eindringlich darum zu prüfen, mit welchen Mitteln sich erreichen lässt, dass er vor Gericht kommt, sodass in Simbabwe Friede herrscht und die Menschen in diesem Land tatsächlich die Chance erhalten, die ihnen zustehenden Bürgerrechte zu bekommen.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Simbabwe braucht internationale Hilfe und unsere Unterstützung, aber es muss auch selbst Reformen durchführen. Die Europäische Union, die Afrikanische Union und die Republik Südafrika sollten den Dialog zwischen der Regierungspartei und der Opposition unterstützen. Simbabwe muss endlich den Weg der Demokratie einschlagen und eine Regierung der nationalen Einheit einberufen. [...] die Initiative der UNO, der zufolge Simbabwe mit einem Embargo auf Waffenlieferungen belegt wird und die Guthaben von Personen aus dem Umfeld von Mugabe eingefroren werden. Wir müssen unverzüglich Schritte unternehmen, um den humanitären Organisationen ihre Arbeit zu ermöglichen. Eine Lösung wäre vielleicht, dass Nichtregierungsorganisationen die Hilfe in die am stärksten Not leidenden Regionen Simbabwes bringen.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Mugabe hört nicht zu, und das ist das Tragische, denn würde er zuhören, dann würde er das Richtige tun und sich auf die Wahlen vom März besinnen und mit dem Ergebnis leben. Ich empfand die Tatsache, dass Mugabe am Welternährungsgipfel teilnehmen und dort defilieren durfte, als besonders beschämend, da er tatsächlich der Verursacher einiger der größten globalen Probleme der Nahrungsmittelunsicherheit in seinem Land und auf seinem Kontinent ist.
Erst vorige Woche sprach ich auf einer Konferenz in Brüssel mit einem Landwirt aus Simbabwe, und der Schaden, der der Grundlage für die Nahrungsmittelproduktion dieses Landes zugefügt wurde, ist einfach erschreckend. Jemand anderes sagte, es sei furchtbar, dass ein Land bis an die Zähne bewaffnet sein und dessen Volk zugleich an Hunger sowie unter Gewalt, Einschüchterung und Folter leiden kann.
Südafrika muss mehr tun. Der afrikanische Kontinent muss seine Verurteilung deutlich zum Ausdruck bringen, und wir müssen sie antreiben, wir müssen sie drängen und überzeugen, dass dies das Richtige ist, denn unsere Bürger erwarten von uns, dass wir in einer so schrecklichen Situation entschiedene Maßnahmen ergreifen.
Luís Queiró (PPE-DE). – (PT) Die derzeitigen Geschehnisse in Simbabwe sind eine Bewährungsprobe für unser Gewissen und unsere Handlungsfähigkeit. Einerseits gibt es eine Regierung, die gegen das eigene Volk mit Gewalt vorgeht, die das Land in Not und Elend gestürzt hat und sich der stillschweigenden Unterstützung weiterer afrikanischer Diktaturen und Autokratien erfreut. Andererseits gibt es Kräfte, die friedlich für Demokratie und Menschenrechte eintreten, nämlich das simbabwische Volk, die internationale Gemeinschaft und natürlich die Europäische Union.
Wie hier bereits festgestellt wurde, könnte die Europäische Union ihr diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, Sanktionen verhängen, Visa verweigern, Regionalmächte unter Druck setzen und die Verfechter von Demokratie und Menschenrechten unterstützen. Was können wir im Europäischen Parlament tun? Wir können unsere morgige Entschließung unterstützen und empfehlen, dass diese Initiativen von der Kommission und vom Rat aufgegriffen werden. Aber wir können noch mehr tun. Wir können auch beweisen, dass bei uns Wort und Tat übereinstimmen, indem wir dem Oppositionsführer Morgan Tsvangirai den Sacharow-Preis zuerkennen. Diesen Vorschlag unterbreiten wir hiermit den anderen Abgeordneten. Damit haben wir die Möglichkeit, diesen Kampf zu unterstützen und gleichzeitig einen Beitrag zu seinem demokratischen und friedlichen Ausgang zu leisten.
Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Michel, sehr geehrte Damen und Herren! Die Aussprache war sehr klar, und die Schlussfolgerungen, die wir daraus zu ziehen haben, sind es auch. Die Redner haben deutliche Worte gefunden, und dies muss auch so sein, denn die Europäische Union kann nur eine Lösung akzeptieren, nämlich, den Willen des Volkes von Simbabwe, der während des ersten Wahlgangs zum Ausdruck kam, zu respektieren, und dieses Wahlergebnis muss jeglicher Regelung zugrunde gelegt werden.
Wir werden zur nächsten Ratstagung am 22. Juli die Lage in Simbabwe gemeinsam mit der Kommission prüfen. Wir werden die hier geäußerten Meinungen und die Vorschläge – die nicht Frankreich, Herr Van Orden, sondern der Ratspräsidentschaft der Europäischen Union unterbreitet worden sind, da Frankreich an sich als Land keinerlei Befugnisse hat, sondern lediglich ein Mandat, das ihm von der Europäischen Union in diesem Rahmen verliehen wurde – berücksichtigen, auch Ihren Vorschlag für die Einberufung einer außerordentlichen Ratstagung zu den Menschenrechten in Genf, natürlich unter der Voraussetzung, dass der Rat dazu die Möglichkeit hat.
Wir werden den stets klugen und auf Erfahrung gegründeten Empfehlungen von Herrn Michel bezüglich der Fortsetzung unserer Vermittlungsbemühungen folgen. Was diese Bemühungen anbelangt, so können wir meines Erachtens mit unseren Forderungen nicht weiter gehen, als Herr Tsvangirai dem Kommissar während ihres Gesprächs selbst empfohlen hat, und ich glaube, dies ist der Standpunkt, den wir einnehmen sollten.
Die Europäische Union, der Rat und die Kommission müssen mit allen Beteiligten in Kontakt bleiben, mit der SADC, mit der Afrikanischen Union sowie mit Südafrika – bei dieser Gelegenheit möchte ich erneut die heute unter uns weilende südafrikanische Delegation begrüßen – und natürlich müssen wir die Entschließung, über die das Parlament morgen abstimmen wird, in die Arbeit des Rates einbeziehen.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen und möchte Herrn Michel keine Zeit stehlen, sondern werde mich in diesem Punkt voll und ganz auf seine Eloquenz und seine Erfahrung verlassen.
Louis Michel, Mitglied der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Ich werde mich sehr kurz fassen. Herr Jouyet und die anderen Redner haben bereits alles gesagt.
Ich kann die geäußerten Meinungen, vor allem den Standpunkt von Herrn Van Orden und von Frau Kinnock, rückhaltlos bestätigen, allerdings muss ich gleichzeitig hinzufügen, dass die Macht der Kommission im Wesentlichen natürlich die Macht der Diplomatie ist, aber vielleicht auch die Macht, all die Maßnahmen vorzubereiten, die wir ergreifen können, falls – was wir uns von ganzem Herzen wünschen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Druckmitteln unterstützen werden – die Vermittlung zur Einsetzung einer von Herrn Tsvangirai geleiteten Regierung führen sollte.
Ich stimme daher dem Standpunkt von Herrn Van Orden, Frau Kinnock und aller anderen Redner, Frau Hall, Herr Hutchinson und Herr Gahler – ich hoffe, ich habe niemanden vergessen – vollkommen zu. Es gibt lediglich einen Punkt, mit dem ich nicht einverstanden bin. Sie wissen, dass ich die Angewohnheit habe, die Dinge offen anzusprechen. Ich bin nicht damit einverstanden, die portugiesische Ratspräsidentschaft dafür zu verurteilen, dass sie in Lissabon einen seit Jahren erwarteten Gipfel organisiert hat, der auf Grund des Problems mit Simbabwe nicht stattgefunden hat.
Dieser Gipfel zwischen der Europäischen Union und Afrika war lange überfällig, und es war an der Zeit, etwas zu unternehmen. Wir wissen sehr wohl, dass, da sich die Afrikanische Union bei der Wahl der Teilnehmer nicht von der anderen Seite, d. h. der europäischen Seite, unter Druck setzen lassen wollte, die Anwesenheit von Herrn Mugabe gesichert war. Ich glaube daher, dass hier zu Unrecht kritisiert wird.
Des Weiteren möchte ich die außerordentlich schwierige Lage Südafrikas betonen. Für Südafrika ist es in seiner Lage nicht einfacher, einen Schritt zu tun, als für Präsident Thabo Mbeki, die Rolle des Vermittlers zu spielen. In diesem Fall ist sich jeder im Klaren darüber, dass Südafrika das erste Land ist, das die Auswirkungen der Krise – oder eher das Scheitern bei der Lösung der Krise in Simbabwe – derzeit am meisten zu spüren bekommt. Ich bitte Sie also, die Dinge vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten dieses Landes zu betrachten; im Übrigen bin ich der Meinung, dass Südafrika den Vermittlungsprozess mit der nötigen Sorgfalt führt.
Selbstverständlich teile ich den Standpunkt all der Redner, die sich für eine Ausweitung dieses Vermittlungsprozesses ausgesprochen haben, nicht nur, um Südafrika zu entlasten, sondern auch, um den verschiedenen Parteien, die an der Lösung der Krise beteiligt sind, ein ausgewogeneres Bild der Lage zu vermitteln.
Um auf eine der Fragen zu antworten, so bereiten wir gegenwärtig ein echtes Paket für „Entwicklung und humanitäre Hilfe“ vor, um Herrn Tsvangirai, falls er an die Macht kommt, sofortige Unterstützung leisten zu können und um dem simbabwischen Volk sofort genügend Gründe dafür zu geben, an diesen Regierungswechsel zu glauben, und um vielleicht mit Unterstützung der lokalen und öffentlichen Meinung und natürlich auch mit Unterstützung der aktiv einbezogenen internationalen Gemeinschaft auch vor Ort einen gewissen Wunsch nach einem Machtwechsel zu erzeugen.
Ich möchte noch eine letzte Anmerkung zur Afrikanischen Union machen. Ich würde gern für ein wenig mehr Verständnis werben. Was ist das Problem der Afrikanischen Union? Wie bereits gesagt, besteht das Problem der Afrikanischen Union darin, dass sie zwei unterschiedliche Auffassungen miteinander zu vereinbaren hat. Die eine Auffassung basiert auf einer außerordentlich kritischen und offen kritischen Haltung zu Simbabwe und zu seinem potenziellen Präsidenten, und andererseits gibt es die Auffassung, dass mehr Flexibilität erforderlich ist, dass Sanktionen nichts bringen und dass keine Sanktionen verhängt werden sollten. Es ist deshalb nicht einfach, innerhalb der Afrikanischen Union Einigkeit zu erzielen. Dies müssen wir anerkennen, und aus dieser Perspektive und von diesem Standpunkt aus müssen wir die Schlussfolgerungen der Sitzungen der Afrikanischen Union bewerten.
Ich muss sagen, dass ich nach den Informationen, die ich soeben erhalten habe, geneigt bin zu glauben, dass die Einigkeit Fortschritte macht, und dass die Afrikanische Union in der Lage sein wird, nützliche und wirksame Vorschläge zu unterbreiten, um einen Ausweg aus dieser Krise zu finden, die sehr bedauerlich ist und für all jene, die in Afrika für die Demokratie und deren Fortschritt eintreten, eine echte Beleidigung darstellt.
Der Präsident. – Mir wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung zwei Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, dem 10. Juli 2008, statt.
Schriftliche Erklärungen (Art. 142)
Colm Burke (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die jüngsten Wahlen in Simbabwe mit Mugabe als einzigem Kandidaten, nachdem er Tsvangirai und andere Mitglieder der MDC soweit eingeschüchtert hatte, dass sie ihre Kandidatur zurückzogen, waren eine Schande. Es sollte jetzt in diesem Land neue Präsidentschaftswahlen geben, bei denen Gewalt, Einschüchterung und Mord von staatlicher Seite mit aller Entschiedenheit ausgeschlossen werden.
Ich begrüße die gestrige Entscheidung des G8-Gipfels in Japan, gegen Mitglieder der simbabwischen Regierung finanzielle und andere Sanktionen zu verhängen. Es ist bezeichnend, dass sich auf dieser Ebene alle, einschließlich Russlands, darin einig waren, dass man das Mugabe-Regime entschieden verurteilen müsse. Es ist nun wahrscheinlich, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution mit der Schlussfolgerung verabschieden wird, Simbabwe stelle nun eine Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit dar. Ich möchte China dringend ersuchen, diese wichtige Maßnahme in der kommenden Woche nicht zu blockieren.
Ich bedauere, dass die Afrikanische Union nicht genug tut, um Mugabe zu isolieren, da nach meinem Dafürhalten diese Union sowie die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika und das Panafrikanische Parlament die entscheidenden Foren sind, die mit der Absetzung eines solchen Despoten betraut werden sollten. Die Menschenrechtsverletzungen, die die simbabwische Regierung momentan begeht, grenzen an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und ich finde, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen deshalb auch in Erwägung ziehen sollte, Mitglieder dieser Regierung in nicht allzu ferner Zukunft vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.
James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die jüngsten Wahlen in Simbabwe waren völlig unrechtmäßig und undemokratisch und wurden von der internationalen Gemeinschaft weitgehend kritisiert und verurteilt.
Obwohl die Lage in Simbabwe bereits seit einiger Zeit Besorgnis erregend ist, haben das Ergebnis dieser Wahl und die nachweisliche Anwendung brutaler Gewalt von staatlicher Seite gegen Anhänger der Oppositionspartei MDC von Morgan Tsvangirai die Krise weiter verschärft.
Simbabwe befindet sich nun in einer äußerst ernsten Lage. Zusätzlich zu dieser politischen Krise haben Jahre der Misswirtschaft durch Mugabes Regime die Wirtschaft des Landes zerstört und seine Währung praktisch wertlos gemacht. Die Lebenserwartung beträgt sowohl für Männer als auch für Frauen noch nicht einmal vierzig Jahre, und die jüngsten Ereignisse haben viele dazu bewogen, das Land zu verlassen und in die benachbarten afrikanischen Staaten zu flüchten, was wiederum die Stabilität der gesamten Region gefährdet.
Ich begrüße diese Entschließung, in der die EU ihre entschiedene Ablehnung der jüngsten Wahlergebnisse in Simbabwe zum Ausdruck bringt, weil diese Wahlen undemokratisch und unrechtmäßig waren. In der Entschließung wird zudem die Anwendung von politischer Gewalt durch das Mugabe-Regime ausdrücklich verurteilt, und es werden Sanktionen gegen diejenigen gefordert, die Simbabwe aus dem In- und Ausland unterstützen.
Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0168/2008).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.
Anfrage Nr. 43 von Georgios Papastamkos (H-0455/08)
Betrifft: Leistungen der Automobilindustrie im Zusammenhang mit den CO2-Emissionen
Sind die Leistungen der europäischen Automobilindustrie, was die Verringerung der Kohlendioxidemissionen und des Treibstoffverbrauchs betrifft, nach Ansicht der Kommission bis dato zufrieden stellend? Ist die Kommission nicht auch der Auffassung, dass ihre Initiative zur Überprüfung der Richtlinie über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (1999/94/EG(1)) im Zusammenhang mit den genannten Leistungen ein Eingeständnis der Unwirksamkeit des bestehenden rechtlichen Rahmens der Gemeinschaft für die Automobilindustrie darstellt?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Herr Präsident! Die Frage ist, ob die Kommission glaubt, dass die Verringerung der Kohlendioxidemissionen durch die europäische Automobilindustrie zufrieden stellend war.
Die Antwort ist nein, und darum haben wir eine zwingend vorgeschriebene Verringerung bis 2012 vorgeschlagen.
Der zweite Teil der Frage ist, ob die Initiative zur Überprüfung der Richtlinie zur Kennzeichnung von Personenkraftwagen ein Eingeständnis der Unwirksamkeit des bestehenden rechtlichen Rahmens der Gemeinschaft für die Automobilindustrie darstellt. Die Antwort auf diese Frage ist ja, und darum schlagen wir die Überprüfung vor.
Ich könnte mich auf diese zwei einfachen Antworten beschränken, ich möchte meine Ausführungen jedoch noch etwas erweitern.
Wir haben, wie in der Strategie für Kohlendioxid und Personenkraftwagen vorgesehen, zwingende Grenzwerte für Kohlendioxidemissionen von 120 g bis 2012 vorgeschlagen. Realisiert wird dies durch Verbesserungen bei der Technologie für die Kfz-Motoren, wodurch der Wert auf 130 g/km sinkt, sowie zusätzlich durch andere Technologien, die es ermöglichen, ihn noch auf 120 g/km zu senken.
Ich sollte erwähnen, dass es eine freiwillige Vereinbarung zwischen Kfz-Herstellern und der europäischen sowie der japanischen und koreanischen Automobilindustrie gab, die beinhaltete, dass die Fahrzeugemissionen bis 2008 nicht mehr als 140 g CO2/km betragen sollten. Leider wurde dieses Ziel nicht verwirklicht: Laut neuesten Daten betrugen 2006 die Emissionen 160 g, 2007 lagen sie bei 159 g. Die Verbesserung um ein Gramm ist natürlich alles andere als zufrieden stellend.
Wir hoffen, dass das Parlament und der Rat im Mitentscheidungsverfahren den Vorschlag der Kommission annehmen werden, damit Fahrzeuge in Zukunft weniger Energie und Kraftstoff verbrauchen und weniger Kohlendioxid ausstoßen. Durch die Senkung des Energie- und Kraftstoffverbrauchs werden die Verbraucher sehr viel Geld einsparen, besonders im Hinblick auf die aktuellen Kraftstoffpreise.
Was Kennzeichnung und Verbraucherinformationen betrifft, werden wir zum Jahresende einen Vorschlag unterbreiten, der darlegt, wie die entsprechenden Kundeninformationen bereitzustellen sind.
Ich muss erwähnen, dass das Europäische Parlament eine Entschließung zu diesem Thema verabschiedet hat. Einige darin enthaltene Punkte sind höchst positiv, anderen kann ich jedoch leider nicht zustimmen: etwa dem Punkt, dass wir dem Beispiel der Tabakwerbung im Fall von Kraftfahrzeugen folgen sollten. Das sind zwei verschiedene Fälle, und daher werden wir nicht dem Beispiel eines für Informationen in Anzeigen vorbehaltenen obligatorischen Abschnitts folgen.
Es gibt andere Wege, um Verbraucher zu informieren, wenn man bedenkt, dass sie sich für den Kauf eines Fahrzeugs zu einem Händler begeben und sie durch die dortigen Broschüren und Aushänge mit Auskünften über Kohlendioxidemissionen und auch über den Kraftstoffverbrauch versorgt werden.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die G8-Mitglieder haben eine Verringerung der Kohlendioxidemissionen um 50 % bis 2050 vorgeschlagen. Es scheint jedoch, dass die fortgeschrittenen, sich schnell entwickelnden Länder (und zwar China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika) diesen Vorschlag nicht akzeptieren.
Denken Sie, dass diese Haltung Auswirkungen auf die Verhandlungen über die Zeit nach Kyoto haben wird? Welche Aussichten bestehen nach diesem Vorschlag der G8 für die entscheidenden Verhandlungen über die Zeit nach Kyoto?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. − (EL) Die von Herrn Papastamkos gestellte Frage steht natürlich in keinerlei Zusammenhang mit der ersten Frage, die wir bezüglich Fahrzeugen diskutiert haben, sie ist jedoch unter Berücksichtigung der auf den G8-Treffen gestern und heute geführten Aussprache und der dort getroffenen Entscheidung nach wie vor von großer Bedeutung und sehr zeitgemäß.
Es ist ein positiver Schritt, dass die G8, also die acht größten Volkswirtschaften der Welt, zugestimmt haben, die Kohlendioxidemissionen bis 2050 um 50 % zu verringern. Wie ich zuvor gesagt habe, ist dies natürlich lediglich ein halber Schritt, da es zu keiner Übereinkunft über mittelfristige Ziele für 2020 kam, die für ein internationales Übereinkommen erforderlich gewesen wäre, das den Klimawandel auf wirksame Weise bekämpfen würde.
Ich denke, dass das Thema der anderen großen Länder, der großen Schwellenländer wie beispielsweise China und Indien, ebenfalls behandelt und diskutiert wurde; es versteht sich, dass eine wirkliche Lösung für den Klimawandel die Beteiligung dieser Länder, z. B. durch Maßnahmen zur Verringerung des Anstiegs von Kohlendioxidemissionen, stets entsprechend dem Grundsatz der Vereinten Nationen der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung erfordert.
Ich glaube, dass Übereinkünfte sowohl bezüglich des langfristigen Ziels, über das allgemein Einigkeit besteht, als auch bezüglich der mittelfristigen Ziele getroffen werden, vorausgesetzt, dass diese Übereinkünfte wesentlich dafür sind, 2009 in Kopenhagen das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Reinhard Rack (PPE-DE). - Herr Kommissar, ich möchte zu den Automobilen zurückkommen. Es hat doch seinerzeit bei dieser Festlegung auf die 120 Gramm eine Reihe von Fragen gegeben, wie weit diese 120 Gramm im Schnitt in der Flotte, im gesamten Konzernbereich und in ähnlichen Messgrößen zu bewerten sind.
Sind diese Fragen alle geklärt bzw. ist mit einer Klärung so rechtzeitig zu rechnen, dass die Industrie tatsächlich in den kurzen vorgesehenen Zeiträumen reagieren kann, wenn sie muss?
Paul Rübig (PPE-DE). - Mich würde interessieren, ob es nicht überlegenswert wäre, Anreize zu setzen, alte Autobestände vom Markt zu nehmen, weil wir ja hier den größten Verbrauch und CO2-Ausstoß haben. Können Sie sich vorstellen, hier ein Anreizinstrumentarium zu überlegen?
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EN) Interessanterweise wurden die steuerlichen Anreize in den Schlussfolgerungen des G8-Gipfels hervorgehoben. In der Europäischen Union könnten steuerliche Anreize von großer Bedeutung sein, um den Kauf von saubereren Autos zu fördern. Einige Länder führen wie vor kurzem beispielsweise Frankreich solche Maßnahmen ein, und anscheinend mit größerem Erfolg als erwartet.
Was die Frage betrifft, ob die Industrie das Ziel von 120 g bis 2012 erreichen wird, so sind wir optimistisch. Man sollte darauf hinweisen, dass der Industrie dieses Ziel seit 1995 bekannt ist und dass sie eine Selbstverpflichtung eingegangen ist, bis 2008 ein Ziel von 140 g/km zu erreichen. Jedenfalls wird sie laut unserer Verträglichkeitsprüfung und den von der Industrie gelieferten Kostenschätzungen in der Lage sein, dieses Ziel rechzeitig zu erreichen.
Der Bericht King, eine sehr wichtige und interessante Studie, die für das Ministerium für Verkehr des Vereinigten Königreichs durchgeführt wurde, verdeutlicht, dass es technisch und wirtschaftlich machbar ist, dieses Ziel bis 2012 zu erreichen. Natürlich sollten die Bedenken der Industrie und die spezifischen Probleme jeder einzelnen Automobilbranche berücksicht